Finanzierung
Eine Einführung mit sechs Fallstudien
0101
2008
978-3-8385-1229-7
UTB
Jochen Drukarczyk
Diese Einführung in den Problemkreis Finanzierung wendet sich an Studierende der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie an angehende Juristen. Die 10. Auflage dieses Lehrbuches wurde vollständig überarbeitet. Das Buch behandelt im ersten Drittel drei wichtige Sachverhalte:
1 Wie kann die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen verlässlich abgebildet und gemessen werden?
2 Wie kann die Performance eines Unternehmens in einer Periode abgebildet (gemessen) werden?
3 Wie wirken unterschiedliche Formen der Finanzierung auf die Aufteilung der Zahlungsströme und Rendite und Risiko der Financiers?
Anschließend werden verschiedene Formen der Finanzierung wie Fremdfinanzierung, Leasing, Beteiligungsfinanzierung, Innenfinanzierung und Mezzanin-Finanzierung besprochen.
In den Text sind sechs umfangreiche Fallstudien eingebaut, die die praktische Bedeutung der theoretischen Botschaften eindringlich herausstellen.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Köln · Weimar · Wien Verlag Barbara Budrich · Opladen · Farmington Hills facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft · Stuttgart Mohr Siebeck · Tübingen Orell Füssli Verlag · Zürich Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB 1229 UTB (M) Impressum1_09.indd 1 20.11.2008 11: 01: 47 Uhr <?page no="3"?> Einführung Kapitel 1 Inhalt 1 Zum Begriff «Finanzierung» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Eine Systematisierung der Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 Ein- und Auszahlungen vs. Erträge und Aufwendungen . . . . . . . . . . . . 13 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1 Zum Begriff «Finanzierung» In diesem Buch werden die Finanzierungsprobleme von gewinnorientierten Unternehmen dargestellt. Das Ziel gewinnorientierter Unternehmen ist es, für Kapitalgeber und Arbeitnehmer Einkommen zu erzielen i.S.v. zur Finanzierung von Konsumausgaben verwendbaren finanziellen Mitteln. Diese Zielfunktion wird später konkretisiert. An dieser Stelle genügt diese vorläufige Festlegung. Wie sieht nun das Finanzierungsproblem eines gewinnorientierten Unternehmens aus? Hierzu benötigen wir einige Arbeitsdefinitionen. Diese sind unerläßlich, damit man weiß, worüber gesprochen wird. Wir definieren Finanzierung oder auch Finanzierungsmaßnahme so: Finanzierungsmaßnahmen sind die Aktivitäten von Unternehmen, die auf die Beschaffung finanzieller Mittel ausgerichtet sind. Diese Mittel werden benötigt, um Investitionen zu realisieren, die das Ziel der Einkommenserzielung für Kapitalgeber und Arbeitnehmer (hoffentlich) erfüllen. Wir können uns ein Unternehmen vorstellen als eingebettet in Finanzierungsmärkte einerseits und in alle sonstigen Märkte wie Gütermärkte, Energiemärkte, Rohstoffmärkte, Arbeitsmärkte andererseits. Die Finanzierungsmärkte in Abbildung 1.1 repräsentieren die Investoren, die als Kapitalgeber für das Unternehmen in Frage kommen. Sie stellen Eigenkapital, Fremdkapital oder Zwischenformen aus Eigen- und Fremdkapital bereit. Die anderen Märkte (Arbeitsmärkte, Rohstoffmärkte, Energiemärkte etc.) repräsentieren die Unternehmen bzw. Individuen, mit denen das Unternehmen Verträge über die Lieferung von Rohstoffen, Arbeitsleistungen, Investitionsgütern, Energie, etc. abschließen kann. Neben den Finanzierungs- und sonstigen Märkten enthält Abbildung 1.1 noch das Feld «Fiskus». Der Fiskus fordert Steuerzahlungen von Unternehmen und gewährt gelegentlich Investitionshilfen in Form von Subventionen. Entscheidend ist nun, daß die unter Finanzierungsgesichtspunkten relevanten Beziehungen zwischen Unternehmen und den genannten Märkten sowie dem Fiskus <?page no="4"?> 2 · Kapitel 1 Einführung vorrangig Zahlungsbeziehungen sind. Die in Abbildung 1.1 dargestellten Pfeile stellen die Richtung des Zahlungsflusses dar. Die Benennungen der einzelnen Pfeile könnten so aussehen: (1) Einzahlungen von Nichtfinanzierungsmärkten an das Unternehmen (Produkterlöse, Erlöse für Dienstleistungen, erhaltene Mieten etc.); (2) Auszahlungen des Unternehmens an Nichtfinanzierungsmärkte (Auszahlungen für Grundstücke, Bauten, maschinelle Anlagen, Rohstoffe, Patente, Löhne, Energie etc.); (3) Einzahlungen von Gläubigern an das Unternehmen (Kredite); es liegt Fremdfinanzierung vor; (4) Einzahlungen von bisherigen Eigentümern an das Unternehmen (Einlagen der bisherigen Gesellschafter einer OHG oder GmbH; Übernahme junger Aktien durch die bisherigen Anteilseigner); es liegt Eigenfinanzierung vor; (5) Einzahlungen von neuen Eigentümern an das Unternehmen (ein Einzelkaufmann nimmt einen Partner gegen Einlage auf; eine GmbH erweitert die Eigenkapitalbasis durch Aufnahme neuer Gesellschafter, die Gesellschaftsanteile gegen Bareinlage übernehmen); es liegt Beteiligungsfinanzierung vor; Finanzierungsmärkte 9 8 2 1 7 6b 6a 5 4 3 Unternehmen Arbeitsmärkte, Gütermärkte, Rohstoffmärkte, Energiemärkte etc. Fiskus Abbildung 1.1: Zahlungsbeziehungen zwischen Unternehmen, Arbeits-, Güter- und Finanzierungsmärkten und Fiskus <?page no="5"?> Zum Begriff «Finanzierung» · 3 (6) Auszahlungen des Unternehmens an Gläubiger: a) Zinszahlungen; b) Tilgungszahlungen; (7) Auszahlungen des Unternehmens an Eigentümer (Entnahme, Dividende, Vorzugsdividende, Kapitalrückzahlungen, Liquidationsdividende); (8) Auszahlungen an den Fiskus (Steuerzahlungen); (9) vom Fiskus erhaltene Zahlungen (Subventionen, Steuererstattungen). Wir benutzen einige Beispiele, um hinter den Pfeilen stehende Finanzierungsmaßnahmen zu erläutern. • zu Pfeil 3: Einzahlungen von Gläubigern (Fremdfinanzierung) Eine GmbH weise im Zeitpunkt t folgende Bilanz aus: Bilanz der GmbH Anlagevermögen 100 Eigenkapital 80 Umlaufvermögen 80 Fremdkapital 100 Bilanzsumme 180 Bilanzsumme 180 Die Gesellschafter der GmbH wollen eine Investition durchführen, die einen Kapitalbedarf von 50 auslöst. Dieser Kapitalbedarf soll durch einen Bankkredit in gleicher Höhe finanziert werden. Gewährt die Hausbank nach Prüfung der Kreditwürdigkeit der GmbH diesen Kredit, bildet Pfeil 3 den Mittelzufluß ab. Nach Zufluß der Kreditsumme sieht die Bilanz der GmbH so aus: Bilanz der GmbH Anlagevermögen 100 Eigenkapital 80 Umlaufvermögen (alt) 80 Fremdkapital (alt) 100 Kasse 50 Fremdkapital (neu) 50 Bilanzsumme 230 Bilanzsumme 230 • zu Pfeil 4: Einzahlungen von bisherigen Eigentümern (Eigenfinanzierung) Die Bilanz der GmbH vor Investition sehe so aus: Bilanz der GmbH Anlagevermögen 100 Eigenkapital 20 Umlaufvermögen 80 Fremdkapital 160 Bilanzsumme 180 Bilanzsumme 180 <?page no="6"?> 4 · Kapitel 1 Einführung Im Startpunkt ist die Belastung der GmbH mit Fremdkapital viel höher als zuvor. Der Quotient aus Buchwert des Eigenkapitals zu Bilanzvermögen, die sog. vertikale Eigenkapitalquote, beträgt nur 11 %. Das Kreditinstitut, das um die Bereitstellung eines weiteren Investitionskredits in Höhe von 50 gebeten wird, könnte unter Verweis auf die hohe Verschuldung der GmbH und die alleinige Haftung des GmbH-Vermögens abwinken. Dann besteht Bedarf an Eigenkapital, den u. a. die Alteigentümer bereitstellen könnten. Legen Alteigentümer den Betrag von 50 in die GmbH in Form von Eigenkapital ein, liegt ein Mittelzufluß gemäß Pfeil 4 vor. Die Bilanz nach Einlage der Eigentümer aber vor Investition der GmbH sieht dann so aus: Bilanz der GmbH Anlagevermögen 100 Eigenkapital 70 Umlaufvermögen (alt) 80 Fremdkapital (alt) 160 Kasse 50 Bilanzsumme 230 Bilanzsumme 230 Es liegt Eigenfinanzierung vor. Diese vertikale Eigenkapitalquote (gemessen in Buchwerten) ist auf 30 % gestiegen. • zu Pfeil 5: Einzahlungen von neuen Eigentümern (Beteiligungsfinanzierung) Angenommen, Kreditfinanzierung der Mittel in Höhe von 50 sei nicht möglich und Alteigentümer wollen oder können das Eigenkapital der GmbH nicht erhöhen. Sie wollen auch auf das vorteilhafte Investitionsprojekt nicht verzichten. Dann bleibt die Möglichkeit, neue Gesellschafter gegen Einlage von Eigenkapital aufzunehmen. Dies ist in der realen Welt nicht immer einfach zu realisieren, wie Kapitel 6 erläutern wird. Gelingt es, neue Gesellschafter zu gewinnen, die eine nominale Einlage von 50 leisten, sieht die Bilanz nach Einlage so aus wie im vorhergehenden Fall. Allerdings halten neue Eigentümer Anteile am Eigenkapital (Buchwert) von 50; die Alteigentümer halten Anteile am Eigenkapital von 20 (Buchwert). Damit haben Neu-Eigentümer im Standardfall die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung und einen dem Anteil am Eigenkapital entsprechenden Gewinnanspruch. Die Pfeile 3 bzw. 4 und 5 stellen die Zufuhr von finanziellen Mitteln von Finanzierungsmärkten zum Unternehmen dar. Wir haben diese Mittel als Fremdbzw. Eigenkapital bezeichnet. Die so bezeichneten finanziellen Mittel stellen zwei bedeutende Finanzierungsquellen dar. Abbildung 1.2 stellt ihre typischen Eigenschaften im Überblick dar. Auf die Bedeutung dieser Eigenschaften (also z. B. der Haftungsfunktion des Eigenkapitals) kommen wir an anderer Stelle zurück. <?page no="7"?> 1.2 Eine Systematisierung der Finanzierungsformen Abbildung 1.3 zerlegt «Finanzierung» in zwei große Teilbegriffe, die in der Literatur ständig benutzt werden: Außenfinanzierung und Innenfinanzierung. Außenfinanzierung liegt immer vor, wenn sich der Strom der finanziellen Mittel, die dem Unternehmen zufließen, durch die Pfeile 3, 4 oder 5 darstellen ließen. Innenfinanzierung muß folglich vorliegen - wir lassen die Pfeile 8 und 9 zwischen Unternehmen und Fiskus hier unbeachtet - wenn der Mittelzufluß, der durch Pfeil 1 repräsentiert wird, den Mittelabfluß, den Pfeil 2 verkörpert, übersteigt. Innenfinanzierung ist somit im Kern ein einfacher Sachverhalt: das Unternehmen erzielt für erstellte Güter und/ oder erbrachte Dienstleistungen in einer Periode (z. B. in 2005) mehr Geld, als es für Produktionsfaktoren (Rohstoffe, Betriebsstoffe, Energie, Löhne, bezogene Waren etc.) ausgibt. Diese positive Differenz zeigt noch nicht, ob das Unternehmen Geld verdient. Sie zeigt aber, daß der Mittelzufluß, der mit Innenfinanzierung bezeichnet wird, positiv ist. Eigenschaften Fremdkapital Eigenkapital Zahlungsanspruch bei Fortführung bzw. Liquidation vorrangig Nach FK-Gebern: Kapital „haftet“ Verknüpfung mit Geschäftsführungsbefugnissen i. d. R. nein; Ausnahmen möglich: Gläubiger sitzt im Beirat oder Aufsichtsrat i. d. R. ja, je nach Rechtsform aber beschränkbar Ausstattung mit Stimmrechten nein i. d. R. ja; Ausnahme: Vorzugsaktionäre; Genußscheininhaber Kontrollrechte gegenüber Geschäftsführung in Kreditverträgen spezifiziert; nehmen zu, wenn wirtschaftliche Lage sich verschlechtert ja; aber abgestufte Rechte je nach Rechtsform Symmetrie zwischen Finanzierungsbeitrag und Erfolgsanspruch nein, da vorrangiger, aber begrenzter Zahlungsanspruch i. d. R. ja; Ausnahmen häufig: Genussrechte, Vorzugsaktien etc. Haftung für Verluste erst nach Verbrauch des Eigenkapitals vorrangiger Verlustträger; «Verlustpufferfunktion des Eigenkapitals» Kündigungsrechte a) vertragliche Rechte b) bei Verschlechterung der Vermögensund/ oder Ertragslage häufig keine; Ausnahmen möglich; Rückgaberechte von Anteilen bei Fonds; Austritt aus GmbH etc. Abbildung 1.2: Wichtige Eigenschaften von Fremdbzw. Eigenkapital Eine Systematisierung der Finanzierungsformen · 5 <?page no="8"?> 6 · Kapitel 1 Einführung FINANZIERUNG Außenfinanzierung Innenfinanzierung Einlage von Eigenkapital durch bisherige Eigentümer «Eigenfinanzierung» Bereitstellung von Fremdkapital durch bisherige Eigentümer «Gesellschafterdarlehen» Einlage von Eigenkapital durch neue Kapitalgeber «Beteiligungsfinanzierung» Finanzierung durch Gläubiger «Fremdfinanzierung» Finanzierung durch Kapitalgeber, die Rechte von Eigentümern und Gläubigern kombinieren Finanzierung durch einbehaltene Jahresüberschüsse «offene Selbstfinanzierung» Finanzierung durch zwingende Gewinnermittlungsvorschriften Finanzierung durch geplante Nutzung von Spielräumen bei Ansatz- und Bewertungsvorschriften Finanzierung durch Vermögensumschichtung «hybride Finanzierung» Abbildung 1.3: Finanzierungsquellen eines Unternehmens <?page no="9"?> Nun hat Abbildung 1.3 kaum Ähnlichkeit mit der schlichten Einprägsamkeit von Abbildung 1.1. Während in Abbildung 1.1 alles klar und transparent aussieht, ist dies insbesondere im rechten Teil von Abbildung 1.3 nicht der Fall. Dennoch müssen wir uns mit Abbildung 1.3 etwas intensiver beschäftigen. Hinter der Abbildung 1.3 stecken nämlich einige Beziehungen zwischen Ein- und Auszahlungen und anderen Größen des Rechnungswesens, die wir uns verdeutlichen müssen. Wir beginnen mit dem unproblematischen linken Teil der Abbildung 1.3. Die fünf unter dem Begriff «Außenfinanzierung» aufgehängten Kästchen stellen verschiedene Möglichkeiten der Außenfinanzierung dar. Die Darstellung geht damit über die Darstellung der Außenfinanzierung in Abbildung 1.1, also die Pfeile 3, 4 und 5 hinaus, erhebt aber nicht den Anspruch, alle Möglichkeiten der Außenfinanzierung aufzulisten. Betrachten wir den Inhalt der einzelnen Kästchen: Legen Alteigentümer Eigenkapital in ihr Unternehmen, z. B. eine GmbH, ein, sprechen wir von «Eigenfinanzierung». Bringen neue Gesellschafter (Eigentümer) Eigenkapital auf, wollen wir von «Beteiligungsfinanzierung» sprechen. Alteigentümer könnten finanzielle Mittel in ihre Gesellschaft auch in Form von Fremdkapital einlegen. In diesem Fall kombinieren die Alteigentümer die Eigentümer- und die Gläubigerposition. Diese Kombination hat, wie später noch gezeigt werden soll, Vorteile. Die von Alteigentümern in Form von Fremdkapital eingelegten Mittel, die wir insbesondere in Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften antreffen, heißen Gesellschafterdarlehen, ein Begriff, der den Sachverhalt gut trifft. Legen Fremdkapitalgeber (Banken, Versicherungen, Lieferanten) Mittel in Form von Krediten ein, liegt Fremdfinanzierung vor. Nicht immer kann der Charakter von finanziellen Mitteln, die einem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, eindeutig als Eigenkapital oder als Fremdkapital charakterisiert werden. Die Ursache für diese scheinbare Unschärfe finden wir in Abbildung 1.2: Dort werden Eigenbzw. Fremdkapital durch bestimmte Eigenschaften definiert, die den Überlassungsvertrag der Mittel kennzeichnen. Lauten die Überlassungsbedingungen z. B. so, daß die bereitgestellten Mittel für Verluste des Unternehmers vorrangig halten, daß sie mit einem Beteiligungsrecht an der Geschäftsführung der Gesellschaft verknüpft sind, daß Ansprüche auf Entnahme von Mitteln immer hinter den Ansprüchen der Fremdkapitalgeber rangieren und daß dem Kapitalgeber kein Kündigungsrecht zusteht, würde man folgern, daß es sich um Eigenkapital handelt. Nicht immer erlauben die Überlassungsbedingungen eine so eindeutige Zuordnung. Der Kapitalgeber könnte über Kündigungsrechte verfügen; sein Beteiligungsanspruch am finanziellen Überschuß der Periode könnte in einer ersten Stufe (wie ein Zinsanspruch) fix und in einer zweiten Stufe abhängig vom Überschuß der Periode, also variabel sein. In solchen Fällen entstehen Zuordnungsunschärfen; es liegen dann Überlassungsbedingungen vor, Eine Systematisierung der Finanzierungsformen · 7 <?page no="10"?> 8 · Kapitel 1 Einführung die Eigenschaften von typischem Eigenkapital und typischem Fremdkapital kombinieren. Solche Überlassungsbedingungen ziehen die Einordnung als «hybride» Finanzierungsinstrumente nach sich. Betrachten wir nun den rechten Teil der Abbildung 1.3. Hier fallen in den der «Innenfinanzierung» zugeordneten Kästchen Begriffe auf wie Jahresüberschuß, Gewinnermittlungsvorschriften, Ansatz- und Bewertungsvorschriften, also Begriffe, die in die Welt der Gewinn- und Verlustrechnung, der Jahresbilanz und somit der bilanziellen Gewinnermittlung gehören. Diese Sachverhalte spielten in Abbildung 1.1 überhaupt keine Rolle; dort ging es nur um die unmittelbare Abbildung von Zahlungsströmen. Das Innenfinanzierungsvolumen einer Periode konnte als Differenz der Ströme 1 und 2 dargestellt werden. In Abbildung 1.3 ist die Darstellung von Innenfinanzierung verändert, weil sie auf Daten der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz aufsetzt. Diese Darstellung wirkt komplizierter und der Leser wird sich fragen, ob man nicht bei der einfachen Darstellung von Abbildung 1.1 bleiben könne. Die Antwort ist: man kann nicht, soweit man nicht über die Information der Zusammensetzung der Zahlungsflüsse, die durch die Pfeile 1 und 2 gekennzeichnet sind, bereits verfügt. Hat man diese Informationen nicht, muß man sich diese Informationen über die Analyse anderer Informationsinstrumente erst erarbeiten: Hierzu gehören Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz. Die Verbindungslinien zwischen Gewinn- und Verlustrechnung und den die «Innenfinanzierung» kennzeichnenden Kästchen in Abbildung 1.3 sollen durch ein Beispiel erläutert werden. Benno Schimmerlos sitzt vor einer (hier vereinfachten) Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2006, die folgende Positionen enthält, denen ein hilfreicher Geist einen Vermerk hinzugefügt hat, ob es sich um zahlungsgleiche oder nicht zahlungsgleiche Positionen handelt. «Zahlungsgleich» bzw. «nicht zahlungsgleich» bedeutet, daß die entsprechende GuV-Position in der gleichen Abrechnungsperiode, also in 2006, zu einer (bzw. keiner) gleich hohen Einbzw. Auszahlung geführt hat. <?page no="11"?> Gewinn- und Verlustrechnung einer AG für 2006 Nettoumsatzerlöse (einzahlungsgleich) Erhöhung der Bestände an Fertigprodukten (nicht einzahlungsgleich) Löhne, Gehälter, soziale Abgaben (auszahlungsgleich) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (auszahlungsgleich) Abschreibungen (nicht auszahlungsgleich) Zuführungen zu Garantierückstellungen (nicht auszahlungsgleich) Zuführungen zu Pensionsrückstellungen (nicht auszahlungsgleich) 3.000 300 700 600 400 100 200 Jahresüberschuß (JÜ) Einstellung in Gewinnrücklagen Bilanzgewinn Einstellung Gewinnvortrag 1.300 650 650 450 Zusätzlich erfährt Benno Schimmerlos: • Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, 50 % des Jahresüberschusses gemäß § 58 Abs. 2 AktG in Gewinnrücklagen einzustellen. • Die Eigentümer der AG beschließen auf der Hauptversammlung nur einen Teil des Bilanzgewinns auszuschütten: Die Ausschüttung soll 200 betragen; 450 werden als Gewinnvortrag (oder als Gewinnrücklage) einbehalten. Benno soll nun das Innenfinanzierungsvolumen, das die AG im abgelaufenen Geschäftsjahr erarbeitet hat, berechnen. Stützte sich Benno auf Abbildung 1.1, käme er zu folgendem Ergebnis: Die Differenz beträgt 3.000 - 700 - 600 = 1.700. Das Innenfinanzierungsvolumen der Periode 2006 ist somit 1.700. Nun wendet sich Benno Abbildung 1.3 zu. Er muß den Kästchen unter dem Begriff «Innenfinanzierung» die Zahlen zuordnen, die der Beschriftung der Kästchen entsprechen. Der Jahresüberschuß einer AG ist gemäß AktG der Betrag, der gesellschaftsrechtlich (vor Rücklagenbildung bzw. vor Auflösung von Gewinnrücklagen) den Aktionären in Form einer Ausschüttung (Dividende) höchstens zugeführt werden Eine Systematisierung der Finanzierungsformen · 9 2 : 700, 600 1 : 3.000 Unternehmen (AG) Nicht- Finanzierungsmärkte <?page no="12"?> 10 · Kapitel 1 Einführung könnte. Entscheiden Vorstand und Aufsichtsrat nun, die Hälfte des Jahresüberschusses, also 650, einzubehalten (was sie nach § 58 Abs. 2 AktG dürfen) und damit auf der Passivseite der Bilanz der Position «andere Gewinnrücklagen» zuzuführen, treffen sie eine Finanzierungsentscheidung, weil sie die Ausschüttung (Dividende) verkürzen und damit das Volumen an Mitteln, das sie für andere Zwecke verwenden können, z. B. für Investitionen, erhöhen. Eine Finanzierungswirkung entfaltet auch der Beschluß der Hauptversammlung, Mittel in Höhe von 450 nicht auszuschütten, sondern im Unternehmen und damit im Verfügungsbereich des Managements zu belassen. Damit ist die Wirkung des ersten Kästchens unter dem Begriff «Innenfinanzierung», also die offene Selbstfinanzierung erläutert. Betrachten wir das zweite Kästchen. Die AG setzt in der GuV Abschreibungen in Höhe von 400 an. Verrechnet ein Unternehmen in einer Periode t Abschreibungen (Ab t ) auf in einer früheren Periode beschaffte Gegenstände des abnutzbaren Anlagevermögens, handelt es sich um eine Aufwandsberechnung, die einer in einer früheren Periode erfolgten Auszahlung folgt: es liegt ein nachperiodisierter Aufwand vor; die Aufwandsverrechnung folgt zeitlich der (früheren) Auszahlung. Der Verrechnung des Aufwands steht in der gleichen Periode keine entsprechende Auszahlung gegenüber. Da in der Gewinn- und Verlustrechnung in Periode t der Periodenaufwand um Ab t höher ist, ist der Jahresüberschuss (Definition in § 275 HGB) und damit ceteris paribus der Bilanzgewinn um Ab t geringer. Dieser Sachverhalt ist gemeint, wenn von der «Finanzierung durch Abschreibungen» gesprochen wird. Da der Ansatz von Abschreibungen in der Gewinn- und Verlustrechnung zu den zwingenden Gewinnermittlungsvorschriften gehört (§ 253 Abs. 2 HGB), liegt ein den Gehalt von Kästchen 2 erläuterndes Beispiel vor. Die AG setzt in der GuV zwei Aufwandspositionen an, die als Rückstellungszuführungen zu Garantiebzw. Pensionsrückstellungen bezeichnet werden. Beide Positionen stellen Aufwand der Periode, jedoch keine Auszahlung dar. Es handelt sich in beiden Fällen um vorperiodisierten Aufwand: die Belastung der Periode mit Aufwand geht der Auszahlung zeitlich voraus. Die Auszahlung, die der Zuführung zur Pensionsrückstellung entspricht, erfolgt erst, wenn die AG Pensionszahlungen an die aus Altersgründen ausgeschiedenen früheren Mitarbeiter leistet. Diese Zahlung kann viele Jahre, ggf. Jahrzehnte nach der aufwandsmäßigen Erfassung in der GuV des Jahres 2006 liegen. Weil die aufwandsmäßige Antizipation den Jahresüberschuß und damit in aller Regel die Ausschüttung verkürzt, liegt eine durch Gewinnermittlungsvorschriften - Pensionsrückstellungen müssen gebildet und jährlich dotiert werden - erzwungene Mittelbindung im Unternehmen vor. Dieser Sachverhalt ist gemeint, wenn von der «Finanzierung durch Rückstellungen» gesprochen wird. <?page no="13"?> Die AG bildet Garantierückstellungen und führt dieser in der betrachteten Periode einen Betrag von 100 zu. Auch hier liegt eine in Bezug auf die potentielle Auszahlung für ggf. zu erbringende Garantieleistungen vorperiodisierte Aufwandserfassung vor. Diese verkürzt den Jahresüberschuß, damit in aller Regel die Ausschüttung der Periode und entfaltet somit eine Finanzierungswirkung von zunächst unbestimmter Dauer. Sie kann beendet werden durch eine zu erbringende Garantieleistung des Unternehmens, die eine Auszahlung auslöst. Sie kann auch beendet werden, ohne daß der Garantiefall eintritt. Bleiben Garantieansprüche der anspruchsberechtigten Kunden aus, ist die Rückstellung für Garantie aufzulösen: der Jahresüberschuß der entsprechenden Periode erhöht sich. Wenden wir uns Kästchen 3 unter dem Begriff «Innenfinanzierung» zu. Finanzierung durch geplante Nutzung von Spielräumen von handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften liegt beispielsweise vor, wenn das Management den Jahresüberschuß durch entsprechende Abschreibungsbemessung und Rückstellungsdotierung vorübergehend reduziert. Die Ansatz- und Bewertungsregeln des HGB lassen Spielräume für die Bilanzierenden: Sie können unter alternativen Abschreibungsverfahren wählen; sie haben Spielräume bei der Schätzung der Nutzungsdauer von abschreibungsfähigen Vermögensgegenständen; sie können außerplanmäßige Abschreibungen vornehmen; sie können Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes (§ 269 HGB) aktivieren oder als Aufwand der Periode verrechnen; sie haben Wahlrechte bei der Passivierung von bestimmten Rückstellungen (§ 249 HGB); sie haben Spielraum bei der Bemessung von Rückstellungen, die «nur in Höhe des Betrages anzusetzen sind, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist» (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Nutzung dieser Spielräume beeinflußt den Jahresüberschuß. In unserem einfachen Beispiel finden diese Gestaltungsmöglichkeiten von Aufwand und Ertrag keinen expliziten Eingang. Wir beachten sie im folgenden daher nicht. Eine Systematisierung der Finanzierungsformen · 11 <?page no="14"?> 12 · Kapitel 1 Einführung Wenn wir die bisherigen Ergebnisse zusammentragen, folgt: Zur «Finanzierung durch Vermögensumschichtung» (auch: Finanzierung durch Kapitalfreisetzung) werden üblicherweise zwei Vorgänge gezählt: 1. die entgeltliche Veräußerung nicht betriebsnotwendiger oder nicht mehr benötigter Vermögensgegenstände; 2. die kontinuierliche Umwandlung von abnutzbaren Vermögensgegenständen in Geld durch Abschreibungsverrechnung. Hier wird «Finanzierung durch Vermögensumschichtung» auf den unter 1. genannten Vorgang beschränkt. Der unter 2. genannte Effekt ist durch «Finanzierung durch zwingende Gewinnermittlungsvorschriften» bereits erfasst. Im Beispiel findet eine Verringerung des Volumens der Innenfinanzierung statt, weil die AG Bestände an Fertigprodukten aufbaut, also Geld in Vermögensgegenständen bindet. Damit verringert sich das verfügbare Volumen aus Innenfinanzierung um 300. Im Ergebnis beträgt das Innenfinanzierungsvolumen i. S. v. Abbildung 1.3: 1.100 + 700 - 300 = 1.500. Das Innenfinanzierungsvolumen gemäß Abbildung 1.1 hatten wir mit 3.000 - 700 - 600 = 1.700 vor Ausschüttung berechnet. Beachten wir, daß das gemäß Abbildung 1.3 berechnete Volumen die Dividende (200) nicht berücksichtigt, erhalten wir über beide Definitionen identische Ergebnisse: Das Innenfinanzierungsvolumen der AG in der betrachteten Periode beträgt 1.500. Finanzierung durch einbehaltene Jahresüberschüsse «offene Selbstfinanzierung» Finanzierung durch zwingende Gewinnermittlungsvorschriften Finanzierung durch geplante Nutzung von Spielräumen bei Ansatz- und Bewertungsvorschriften Finanzierung durch Vermögensumschichtung Gewinn rücklage: 650 Gewinn vortrag: 450 1.100 Abschreibung: 400 Zuführung PR: 200 rung GR: 100 700 Nicht relevant 0 ? ? Zufüh- <?page no="15"?> 1.3 Ein- und Auszahlungen vs. Erträge und Aufwendungen Das Beispiel im vorherigen Abschnitt hat die Unterschiede zwischen einer Rechnung, die auf Ein- und Auszahlungen (Zahlungsrechnung) aufbaut, und einer Rechnung mit Erträgen und Aufwendungen, wie sie für Gewinn- und Verlustrechnungen typisch ist, angedeutet. In diesem Abschnitt werden wir diese Unterschiede systematisch betrachten. Sie sind wichtig, weil in der Realität sehr häufig Daten in Form von Erträgen und Aufwendungen vorliegen, mit deren Hilfe dann Zahlungsrechnungen - z. B. Finanzpläne oder Unternehmensbewertungen - zu entwickeln sind. Betrachten wir zunächst die Unterschiede zwischen Auszahlungen der Periode (des Jahres) und den dieser Periode zugeordneten Aufwendungen, dargestellt in Abbildung 1.4: • Die Felder 1, 2, 3 bilden Auszahlungen der Periode ab, die niemals zu Aufwand werden: Auszahlung, nie Aufwand. • Die Felder 4, 5 bilden Auszahlungen ab, die entweder bereits Aufwand waren (Feld 4) oder in einer späteren Periode zu Aufwand werden: Auszahlung, aber kein Aufwand. Ein- und Auszahlungen vs. Erträge und Aufwendungen · 13 Periodenaufwand, Auszahlung späterer Perioden (z.B. Rückstellungsbildung); vorperiodisierter Aufwand. Periodenaufwand, Auszahlung früherer Perioden (z.B. Abschreibung); nachperiodisierter Aufwand. Aufwandsgleiche Auszahlung (z.B. Löhne, Zinsaufwand). Auszahlung, Aufwand einer späteren Periode; führt zu nachperiodisiertem Aufwand (z.B. Auszahlung für Anlage, die in künftigen Perioden abgeschrieben wird). Auszahlung, Aufwand einer früheren Periode (vorperiodisierter Aufwand; z.B. Auszahlung aus Rückstellung). Auszahlungen, die unter bestimmten Bedingungen nie Aufwand werden (z.B. Grundstückskäufe, Erwerb von Beteiligungen). Tilgungszahlungen an Gläubiger. Ausschüttungen bzw. Kapitalrückzahlungen an Eigentümer. 1 2 3 4 5 6 Auszahlungen der Periode 6 7 Aufwendungen der Periode 8 Abbildung 1.4: Beziehungen zwischen Auszahlungen und Aufwendungen einer Periode <?page no="16"?> 14 · Kapitel 1 Einführung • Feld 6 bildet Auszahlungen ab, die in der gleichen Periode Aufwand darstellen: Auszahlung = Aufwand. • Die Felder 7 und 8 bilden Aufwendungen ab, die sich entweder von der Auszahlung in einer früheren Periode ableiten (Feld 7) oder in einer späteren Periode zur Auszahlung werden: Aufwand, aber keine periodengleiche Auszahlung. Die Beziehungen zwischen Einzahlungen der Periode und Erträgen stellt Abbildung 1.5 dar: • Die Felder 1, 2, 3 bilden Einzahlungen der Periode ab, die niemals zu Erträgen in einer Gewinn- und Verlustrechnung werden: Einzahlung, nie Ertrag. • Die Felder 4 und 5 bilden Einzahlungen ab, die entweder bereits Ertrag waren (Feld 5) oder in einer späteren Periode Ertrag werden: Einzahlung, aber kein Ertrag. • Feld 6 bildet Einzahlungen ab, die in der gleichen Periode Erträge sind: Einzahlung = Ertrag. • Die Felder 7 und 8 stellen Erträge der Periode dar, die entweder in einer späteren Periode Einzahlungen werden (Feld 7) oder in einer früheren Periode bereits Ertrag waren. Periodenertrag, Einzahlungen einer früheren Periode (z.B. Kundenanzahlung); nachperiodisierter Ertrag. Periodenertrag, Einzahlungen einer späteren Periode (z.B. Forderungen aus Zielverkäufen); vorperiodisierter Ertrag. Ertragsgleiche Einzahlung (z.B. in der gleichen Periode bezahlte Verkäufe). Einzahlung, Ertrag einer früheren Periode; (vorperiodisierter Ertrag; Eingang von in Vorperioden entstandenen Forderungen). Einzahlung, Ertrag einer späteren Periode; führt zu nachperiodisiertem Ertrag (z.B. Kundenanzahlungen). Einzahlungen, die nicht Ertrag sind (Einzahlung aus Grundstücksverkauf in Höhe der Anschaffungskosten, Rückzahlung aus gewährtem Kredit). Einzahlungen durch Gläubiger. Einzahlungen durch Eigentümer (Eigenkapitalzuführungen). 1 2 3 4 5 6 Einzahlungen der Periode 6 7 Erträge der Periode 8 Abbildung 1.5: Beziehungen zwischen Einzahlungen der Periode und Erträgen <?page no="17"?> Für eine Zahlungsrechnung, wie z. B. für den im nächsten Kapitel zu besprechenden Finanzplan, sind ausschließlich Zahlungen relevant, die dann zu erfassen sind, wenn sie geleistet werden bzw. zu leisten sind. Gewinn- und Verlustrechnungen sind eine nützliche Datenbasis, wenn ein Finanzplan zu erstellen ist. Man muß aber beachten, (1) daß Gewinn- und Verlustrechnungen nicht alle Zahlungen enthalten, wie die Felder 1, 2 und 3 in den Abbildungen 1.4 und 1.5 gezeigt haben und (2) daß die Erfassung von Aufwendungen und Erträgen in Gewinn- und Verlustrechnungen wegen der Felder 4, 5 und 7, 8 in den Abbildungen 1.4 und 1.5 zu anderen Zeitpunkten (in anderen Perioden) erfolgen kann, als die Zahlungen, aus denen sie sich ableiten. 1.4 Zusammenfassung Die zentralen Botschaften von Kapitel 1 sind: • Wir definieren Finanzierung vorläufig als die Beschaffung von finanziellen Mitteln durch Unternehmen, deren Ziel es ist, für Kapitalgeber und Arbeitnehmer Einkommen zu erzielen. • Es ist nützlich, Finanzierung zu untergliedern in Außen- und Innenfinanzierung. Sowohl die Pfeil-Darstellung in Abbildung 1.1 als auch die in Abbildung 1.3 sind brauchbare Erläuterungen für das, was mit Außenbzw. Innenfinanzierung gekennzeichnet werden soll. • Abbildung 1.1 hat den Charme der Einfachheit: Finanzierungsmaßnahmen und deren Folgen können durch Zahlungsflüsse charakterisiert werden. Es sind die Zahlungsbewegungen, die den Kern der Sache ausmachen. • Abbildung 1.3 verläßt, soweit «Innenfinanzierung» erläutert wird, scheinbar den Bereich der Zahlungsbewegungen. Bei genauer Betrachtung werden auch hier Zahlungsbewegungen zur Definition von Innenfinanzierung herangezogen. Diese sind indessen nicht so eindeutig erkennbar wie in Abbildung 1.1, weil die Ertrags- und Aufwandsrechnung den unmittelbaren Blick auf die zugehörigen Zahlungen erschwert. • Abbildungen 1.4 und 1.5 verdienen die volle Aufmerksamkeit des Lesers, weil Zahlungswirkungen und Aufwandsbzw. Ertragswirkungen auseinandergehalten werden müssen. Zusammenfassung · 15 <?page no="19"?> Investitionsentscheidung und Finanzierung Kapitel 2 Inhalt 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2 Entscheidungskriterien für Investitionsprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.1 Vielfalt an Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.2 Vorläufige Definition der bewertungsrelevanten Zahlungen (Nettoeinzahlungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.3 Einstieg in das Bewertungsproblem: Von der Pay-back-Methode zum Nettokapitalwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3 Finanzierung als Aufteilungsregel des Projektzahlungsstromes . . . . . . . 25 3.1 Fall ohne Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.2 Fall mit einfacher Gewinnsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1 Einleitung In diesem Kapitel soll die Wirkung von Finanzierungsmaßnahmen auf die Investitionsentscheidungen erläutert werden. Eine wichtige Einschränkung ist zu Beginn festzuhalten: Im gesamten 2. Kapitel wird unterstellt, daß die künftigen Nettoeinzahlungen, die Investitionsprojekte zu erzielen erlauben, mit Sicherheit anfallen, also risikolos sind. Diese Annahme ist natürlich realitätsfern; aber sie ist didaktisch überaus nützlich, weil sie die Erläuterung der Sachverhalte sehr erleichtert, ohne daß hierfür ein Nachteil in Kauf genommen werden müßte: Wenn später in Kapitel 5 der Kontext «Finanzierung und Risiko» behandelt wird, wird der Leser erkennen, daß die Einführung von Unsicherheit die in Kapitel 2 vorgestellten Basisüberlegungen nicht entwertet. Kapitel 2 ist wie folgt aufgebaut: In Abschnitt 2 wird ein Entscheidungskriterium für Investitionsprojekte eingeführt, das Investoren, die Wert auf rationales Verhalten legen, beachten sollten. Dieses Entscheidungskriterium heißt Nettokapitalwert. Dieses Kriterium wird in vielen der folgenden Kapitel benutzt. Es lohnt sich also, sich dieses Kriterium genau anzuschauen. Abschnitt 3 erläutert, wie Finanzierungsmaßnahmen und die diese Maßnahmen begleitenden vertraglichen Absprachen zwischen Unternehmen und Financiers die Aufteilung von Anschaffungsauszahlung und Nettoeinzahlungen regeln: Finanzierungsverträge sind Aufteilungsregeln. <?page no="20"?> 18 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung 2 Entscheidungskriterien für Investitionsprojekte 2.1 Vielfalt an Methoden Empirische Untersuchungen über die von Unternehmen in Deutschland, England, den USA, Österreich und der Schweiz benutzten Methoden zur Berechnung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten belegen eine auf den ersten Blick erstaunliche Methodenvielfalt, die über lange Zeiträume hinweg eine nicht zu übersehende Beharrlichkeit an den Tag legt. Bröer/ Däumler legen 1986 die Ergebnisse einer Befragung von 203 Unternehmen vor, die erkennen lassen, daß Unternehmen erstens Präferenzen für bestimmte Methoden haben: die Methode des internen Zinsfußes rangiert vor der Kapitalwert-Methode und diese vor der Kostenvergleichsmethode. Zweitens setzen die befragten Unternehmen mehrere Methoden parallel ein. Folgt man der Untersuchung von Arnold/ Hatzopoulos aus dem Jahre 2000, die englische Unternehmen nach den von ihnen benutzten Kriterien zur Beurteilung von Investitionsprojekten befragten, ergibt sich ein ähnliches Bild: 70 % der 96 befragten Unternehmen nutzen die Pay-back-Methode, 81 bzw. 80 % berechnen den internen Zinsfuß und den Nettokapitalwert. Graham/ Harvey befragen 4.400 amerikanische Unternehmen und erhalten 392 auswertbare Fragebögen. Auch sie berichten die bereits angesprochene Methodenvielfalt und den häufigen Rückgriff auf Kalküle, die alternativ erzielbare Renditen nicht oder nicht in angemessener Form berücksichtigen. Abbildung 2.1 zeigt eine Auswahl der Ergebnisse: 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Interner Zinsfuß Netto-Kapitalwert Mindestrendite Pay-back-Methode Pay-back mit Diskontierung Bilanzielle Renditen Abbildung 2.1: Prozentsatz der Unternehmen, die immer oder meistens das genannte Kriterium benutzen <?page no="21"?> Entscheidungskriterien für Investitionsprojekte · 19 Abbildung 2.1 führt die Pay-back-Methode, die unten sogleich zu erläutern sein wird, als häufig eingesetzte Methode ein. Die Frage, warum dieser Ansatz nach wie vor benutzt wird, obwohl seit Jahrzehnten auf die Mängel des Ansatzes verwiesen wird, beschäftigt die Literatur. Graham und Harvey glauben, Ursache sei der veraltete Wissensstand der in Unternehmen Entscheidenden. Man könne den Einsatz dieses Kriteriums insbesondere in kleineren Unternehmen beobachten, deren Finanzmanager keine MBA-Ausbildung genossen hätten. Arnold/ Hatzopoulos sind viel nachsichtiger: Was der wahre Wertbeitrag i. S. d. Beitrages eines Investitionsprojektes sei, sei ein sehr kompliziertes Problem. Der Manager suche daher nach Hinweisen, ob eine Berechnung des Nettokapitalwertes durch andere Aspekte des zu beurteilenden Projektes gestützt werde, 1 und berechne daher zusätzliche als potentielle Entscheidungskriterien benutzte Maßgrößen. Diese Diskussion ist interessant, soll aber nicht weitergeführt werden. Vielmehr soll hier beantwortet werden, warum es sinnvoll und ratsam ist, beim Einsatz von finanziellen Mitteln für Investitionsprojekte immer die Renditen zu beachten, die man alternativ bei anderweitiger Geldanlage erzielen könnte. 2.2 Vorläufige Definition der bewertungsrelevanten Zahlungen (Nettoeinzahlungen) Wenn in diesem Buch von Investitionsprojekten die Rede ist, sind Projekte von auf Einkommenserzielung ausgerichteten Unternehmen gemeint. Eine Investition wird dargestellt durch eine Auszahlung, für die das Unternehmen (bzw. die Eigentümer) einen körperlichen Vermögensgegenstand (z. B. Grundstück, Gebäude, maschinelle Anlage, Nutzfahrzeug etc.), einen immateriellen Vermögenswert (z. B. Rechte zur Nutzung von Verfahren, Organisations-Know-how, Aufbau von Humankapital durch Mitarbeiterentwicklungsprogramme) oder Finanzanlagen (z. B. langfristige Forderungstitel, Beteiligungen u. ä.) erhält (erhalten). Man kann unterscheiden, ob diese Vermögenswerte ggf. in Bilanzen aktiviert werden - etwa im Sachanlagevermögen, im Finanzanlagevermögen oder im Umlaufvermögen - oder ob sie bilanziell nicht erfaßt werden. Dieser Aspekt ist z. B. wegen steuerlicher Wirkungen von Bedeutung, wird im folgenden aber ausgeklammert. Auszahlungen für Investitionen werden geleistet, um durch den Einsatz der Vermögensgegenstände und -rechte Einzahlungen zu erzielen. Diese Einzahlungen sind in erster Linie Umsatzerlöse für verkaufte Produkte und/ oder Dienstleistungen des Unternehmens. Vermindert man diese um die periodengleichen Auszahlungen für Rohstoffeinsatz, Energie, Arbeitslöhne etc., erhält man die auf die Abrechnungsperiode (1 Woche, 1 Monat, 1 Jahr) bezogenen Nettoeinzahlungen. Üblich ist es, die Abrechnungsperiode für langlebige Investitionsprojekte mit dem Kalen- 1 Vgl. Arnold, G. C./ Hatzopoulos, P. D. (2000), S. 609-611. <?page no="22"?> 20 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung derjahr gleichzusetzen und vereinfachend zu unterstellen, daß die Nettoeinzahlung eines Jahres ohne allzu große Auswirkung auf das Ergebnis der Rechnung am Ende des Kalenderjahres anfallen. Bei Ausblendung von Steuerzahlungen und der Unsicherheit über die Ergebnisse künftiger Perioden läßt sich ein Investitionsprojekt dann abbilden durch eine Zahlungsreihe, die mit einer Auszahlung für die Beschaffung des Investitionsprojektes im Entscheidungszeitpunkt 0 beginnt. Für die geplante Nutzungsdauer des Projektes werden diesem die zurechenbaren Nettoeinzahlungen bzw. -auszahlungen, die annahmegemäß am Ende der jeweiligen Periode anfallen, zugeordnet. Nach diesen wichtigen Vorarbeiten stellt sich die Frage, ob sich das Investitionsprojekt «rechnet». Allein über diese Frage wird im folgenden diskutiert. 2.3 Einstieg in das Bewertungsproblem: Von der Pay-back-Methode zum Nettokapitalwert Wir beginnen mit der bei Praktikern beliebten Pay-back-Methode. Sie fragt, wie schnell ein Investitionsprojekt den im Entscheidungszeitpunkt 0 erforderlichen Kapitaleinsatz einspielt und weist das Projekt mit der kürzeren «Einspieldauer» als das bessere aus. Beispiel: Zeitpunkte 0 1 2 3 4 Projekt A Projekt B - 900 - 900 450 300 450 300 100 300 50 300 Tabelle 2.1: Zahlungsreihen der Projekte A und B Projekt A gewinnt das eingesetzte Kapital in zwei Perioden wieder; bei Projekt B beträgt die Amortisationsdauer drei Perioden. Gemäß der Pay-back-Methode gilt Projekt A wegen der schnelleren Wiedergewinnung als das bessere. Diese Methode scheint bemerkenswert einfach. Die Begründung des Vorgehens könnte lauten, daß bei Projekten mit kürzerer Amortisationszeit das «Verdienen» eher beginnt und daß diese Projekte deshalb vorzuziehen sind. Die statische Pay-back-Methode hat, solange man Unsicherheitsprobleme ausklammert, zwei schnell erkennbare Mängel: 1. Sie beachtet nicht, was nach der projektindividuellen Amortisationszeit passiert. 2. Sie beachtet nicht, daß «Wiedergewinnung» i.S.v. «Summe der Nettoeinzahlungen entspricht eingesetztem Kapital» ökonomisch keine Wiedergewinnung ist, weil der Einsatz von finanziellen Mitteln immer Opportunitätskosten auslöst. <?page no="23"?> Ökonomische Wiedergewinnung liegt erst vor, wenn auch diese Kosten des eingesetzten Kapitals gedeckt sind. Angenommen, ein Investor dürfte zwischen den folgenden Alternativen C und D wählen: 2.11.06 2.11.07 C D 300 - - 300 Er wählt C! Warum? Angenommen, man kann zu einem Zinssatz i = 10 % Geld leihen. Was ist D im Zeitpunkt 2.11.06 wert? Offensichtlich den mit dem Zinssatz i um ein Jahr abgezinsten Betrag, also: 73 , 272 9091 , 0 300 1 , 1 1 300 i 1 1 300 + . = . = . = Jetzt ist klar, daß C im Zeitpunkt 2.11.06 mehr wert ist als D. Und es ist auch klar, wie viel C mehr wert ist als D, nämlich 300 - 272,73 = 27,27. Angenommen, man kann Geld zu einem Zinssatz von i = 10 % anlegen. Was ist C im Zeitpunkt 2.11.07 wert? Offensichtlich 300 plus Zinsen; die Zinsen betragen 30. Anders ausgedrückt: C wächst im Verlauf eines Jahres auf den Betrag C · (1 + i) an. Um C mit D zu vergleichen, kann man C auch aufzinsen. Es folgt somit: 1. Wenn der Investor Geld leiht, fallen Kapitalkosten (Zinsen) an, die künftige Einzahlungen, die zeitlich vorgezogen werden, abwerten. 2. Wenn man Geld anlegt, kann man am Kapitalmarkt Zinsen oder Alternativerträge erzielen. Wer statt dessen Geld in Investitionsprojekte steckt, verzichtet auf diese Zinsen (Alternativerträge). Es fallen also Opportunitätskosten an. Diese Opportunitätskosten muß das Investitionsprojekt mindestens erwirtschaften, wenn es nicht nachteilig sein soll. 3. Es ist folglich nicht korrekt, Zahlungen, die zu verschiedenen Zeitpunkten anfallen, einfach zu addieren, weil sie nicht vergleichbar sind. Wenn wir diese Erkenntnisse auf unser obiges Beispiel anwenden, könnten wir wie folgt rechnen: Wir beziehen alle Zahlungen des Projektes A bzw. B auf den Zeitpunkt 0; dieser Zeitpunkt ist der Startpunkt des Projektes. Wir diskontieren alle nicht in 0 anfallenden Zahlungen mit dem Zinssatz i auf den Zeitpunkt 0. Erst dann können diese Zahlungen addiert werden. Entscheidungskriterien für Investitionsprojekte · 21 <?page no="24"?> 22 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung Die Summe der diskontierten Nettoeinzahlungen von Projekt A beträgt 890,27. Wir nennen diesen Betrag Bruttokapitalwert (BKW) im Zeitpunkt 0. Die Summe der diskontierten Vorteile ist kleiner als der Preis des Projektes (900): Folglich lohnt Projekt A nicht. Die Aussage der statischen Pay-back-Methode, das Projekt sei vorteilhaft, ist somit falsch. Betrachten wir Projekt B. Die Summe der diskontierten Nettoeinzahlungen, der Bruttokapitalwert, beträgt 950,96. Die Summe der mit dem Zinssatz i, also der Alternativrendite, abgezinsten Vorteile (950,96) übersteigt die Anschaffungskosten (den Preis) von Projekt B (900). Das Projekt ist somit vorteilhaft. Daraus folgt, daß • das Signal der statischen Pay-back-Methode falsch ist: B ist das bessere Projekt. Projekt A verdient noch nicht einmal den Zinssatz i, den der Investor am Ka- 0 1 2 3 4 Projekt A - 900,00 450 450 100 50 409,09 450 ⋅ 1,1 - 1 = 450 ⋅ 0,9091 371,90 450 ⋅ 1,1 - 2 = 450 ⋅ 0,8264 75,13 100 ⋅ 1,1 - 3 = 100 ⋅ 0,7513 34,15 50 ⋅ 1,1 - 4 = 50 ⋅ 0,6830 Tabelle 2.2: Bewertung Projekt A <?page no="25"?> pitalmarkt bei Anlage eines Betrages in Höhe von 900 erzielen könnte, also die Opportunitätskosten; • die Diskontierung von Nettoeinzahlungen die Kosten des Kapitaleinsatzes berücksichtigt; • die Summe der diskontierten Nettoeinzahlungen, die Bruttokapitalwert genannt wird, den ökonomischen Wert des Projektes repräsentiert. Übersteigt der Bruttokapitalwert die Anschaffungskosten (Errichtungskosten) des Projektes, liegt ein vorteilhaftes Projekt vor. Die ökonomische Begründung hierfür lautet: Der BKW 0 bezeichnet den Betrag, den man im Zeitpunkt 0 auf dem Kapitalmarkt zum Zinssatz i = 10 % anlegen müßte, um exakt die Einzahlungen zu erzielen, die das Investitionsprojekt liefert. Die folgende Tabelle belegt diese Idee anhand des BKW des Projektes B: Entscheidungskriterien für Investitionsprojekte · 23 0 1 2 3 4 Projekt B - 900 300 300 300 300 272,73 300 ⋅ 0,9091 247,93 300 ⋅ 0,8264 225,39 300 ⋅ 0,7513 204,91 300 ⋅ 0,6830 Tabelle 2.3: Bewertung Projekt B <?page no="26"?> 24 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung Dies ist der Grund, warum die Aussage, der BKW zeige den Wert des Projektes an, korrekt ist: Für die gleiche Reihe an Nettoeinzahlungen muß man alternativ 950,96 anlegen. Wenn der Wert der gleichen Zahlungsreihe (950,96) größer als der Beschaffungspreis des Projektes(900) ist, liegt ein vorteilhaftes Projekt vor. Die Bewertung eines Projektes besteht darin, den Anschaffungspreis des Projektes (900) mit dem Geldbetrag zu vergleichen, den man für die beste vorteilsgleiche Handlungsalternative aufzuwenden hätte. Der Kern der Bewertung besteht somit darin, den Preis der vorteilsgleichen Alternative zu ermitteln. Deren Preis ist der Bruttokapitalwert. Die Differenz zwischen BKW und Preis bzw. Anschaffungskosten des Projektes heißt Nettokapitalwert (NKW). Dieser NKW ist der in Geldeinheiten gemessene Vermögenszuwachs, den die Durchführung des Projektes im Vergleich zur vorteilsidentischen Alternative verspricht. Brutto- und Nettokapitalwert sind einfach zu interpretierende Kriterien, die die Vorteilhaftigkeit eines Projektes eindeutig anzeigen. Bedingung ist, daß keine Rechenfehler unterlaufen. Die Aussage, der Wert eines Projektes ließe sich an der Summe der mit dem Kapitalmarktzinssatz i diskontierten, dem Projekt zurechenbaren Nettoeinzahlungen ablesen oder die gleichwertige Aussage, der positive Nettokapitalwert zeige die Reichtumsänderung an, die der Investor bei Realisierung des Projektes im Zeitpunkt 0 erfahre, gilt nur unter zu beachtenden Nebenbedingungen. Dieser Kalkül 0 1 2 3 4 Anlage auf dem Kapitalmarkt zum Zinssatz i - 950,96 Stand des Kapitalkontos vor Entnahme = Wiederanlage in t-1 plus Zinsen 1.046,06 820,66 572,73 300 Entnahme in Höhe der NE des Projektes 300,00 300,00 300,00 300 Stand des Kapitalkontos nach Entnahme 746,06 520,66 272,73 0 Wiederanlage des verbleibenden Betrages - 746,06 - 520,66 - 272,73 Tabelle 2.4: Begründung der Bewertung des Projektes B <?page no="27"?> unterstellt einen vollkommenen und unbeschränkten Kapitalmarkt. Vollkommenheit heißt insbesondere, daß Kapitalmarktanlagen und Mittelaufnahmen (Kredite) identische Renditen bzw. Kosten auslösen. Unbeschränktheit darf zwar nicht als beliebige Verschuldungsmöglichkeit interpretiert werden, heißt aber, daß sich der Investor im Rahmen seines Vermögens, also seines gesamten Konsumpotentials verschulden kann. Überschuldung ist ausgeschlossen. Es ist die Vollkommenheitsannahme, die den isolierten Bewertungskalkül zuläßt und ihn löst von den Einzahlungen bereits realisierter Investitions- und Finanzierungsprojekte, von den finanziellen Zielvorstellungen oder Konsumpräferenzen des Investors und von den Realinvestitionen und Finanzierungsmöglichkeiten, die künftige Perioden des Planungszeitraumes bereithalten. 3 Finanzierung als Aufteilungsregel des Projektzahlungsstromes 3.1 Fall ohne Steuern Die These lautet, daß Finanzierungsmaßnahmen, die immer von vertraglichen Abmachungen begleitet sind, Aufteilungsregeln darstellen. Ein externer Kapitalgeber, wer immer es sein mag, stellt finanzielle Mittel für ein Investitionsprojekt bereit, um im Gegenzug an den Nettoeinzahlungen dieses Investitionsprojektes beteiligt zu werden. Folglich sind die Nettoeinzahlungen des Investitionsprojektes zwischen den Alteigentümern des Unternehmens, das das Projekt realisiert, und dem externen Kapitalgeber in irgendeiner, vom Finanzierungsvertrag abhängigen Form aufzuteilen. Betrachten wir ein Beispiel: Die Anschaffungsauszahlung des Projektes im Zeitpunkt 0, I 0 , sei 150.000. Die Eigentümer der Gesellschaft, eine GmbH, erwarten Nettoeinzahlungen während der geplanten Nutzungsdauer des Projektes von 40.000 pro Periode für fünf Jahre. Diese Zahlungen seien risikolos. Die Zahlungsreihe, die das Projekt kennzeichnet, sieht so aus: 0 1 2 3 4 5 - 150.000 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 Angenommen, die Eigentümer der GmbH könnten finanzielle Mittel zu 10 % am Kapitalmarkt anlegen. Dies sei ihre beste alternative Anlagemöglichkeit. Berechnen wir den Nettokapitalwert des Projektes gemäß (2.1), erhalten wir: Finanzierung als Aufteilungsregel des Projektzahlungsstromes · 25 <?page no="28"?> 26 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung Der NKW 0 ist positiv. Das Projekt lohnt also. Die Aussage ist, daß die Eigentümer der GmbH in der Alternative, also am Kapitalmarkt 150.000 + 1.631,5 = 151.631,5 anlegen müßten, um gleiche Nettoeinzahlungen von 40.000 pro Periode für fünf Jahre zu erhalten. Die Eigentümer überlegen nun, ob sie das Projekt nicht teilweise mit Krediten finanzieren sollten. Bei unterstellter Risikolosigkeit der Nettoeinzahlungen dürfte es möglich sein, einen Kreditgeber zu finden. Der von den Eigentümern nachgefragte Kreditbetrag im Zeitpunkt 0 sei 100.000. Der Kreditgeber, z. B. eine Bank, verlange Rückzahlung (Tilgung) in gleichen Raten während der Lebensdauer des Projektes und einen Zins. Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt muß der verlangte Zins dem Anlagezins entsprechen, den die Eigentümer bei Anlage der Mittel alternativ erzielen könnten. Er beträgt also 10 %. Die Zahlungsansprüche der Bank, die im Kreditvertrag fixiert sind, und deshalb auch als Festbetragsansprüche bezeichnet werden, sehen so aus: 0 1 2 3 4 5 (1) Tilgung (2) Zinsen (3) Kreditbetrag + 100.000 20.000 10.000 20.000 8.000 20.000 6.000 20.000 4.000 20.000 2.000 Reduziert man die Nettoeinzahlungen des Projektes, die es bei ausschließlicher Eigenfinanzierung durch die Gesellschafter der GmbH hätte, um die Zahlungsansprüche des Kreditgebers, erhält man die Residualzahlungen, die den Eigentümer verbleiben, nachdem sie die Ansprüche der Kreditgeber erfüllt haben. 0 1 2 3 4 5 (1) I 0 - F 0 (2) NE t (3) Zinsen (4) Tilgungen (5) Residualzahlungen der Eigentümer - 50.000 40.000 10.000 20.000 10.000 40.000 8.000 20.000 12.000 40.000 6.000 20.000 14.000 40.000 4.000 20.000 16.000 40.000 2.000 20.000 18.000 Tabelle 2.5: Residualzahlungen der Eigentümer (2.1) 0 NKW = Σ = − + 5 1 0 t - t I i) 1 ( NE t = 5 , 631 . 1 I ) 10 , 0 1 ( 000 . 40 0 t 5 1 = − + − = Σ t <?page no="29"?> Der Finanzierungsvertrag führt a) zu einer Aufteilung des Kapitalbedarfs im Zeitpunkt 0 und b) zu einer (nicht symmetrischen) Teilung der Nettoeinzahlungen des Projektes. Eine interessante Frage ist, ob sich die Finanzierungsmaßnahme für die Eigentümer lohnt. Dies können wir mittels des Nettokapitalwertes der Eigentümerposition, NKW 0Eig , beantworten. Im Beispiel lohnt die Finanzierung über Kredit nicht. Ursache ist, daß Fremdkapitalgeber einen Zinssatz von 10 % verlangen. Das ist exakt der Zinssatz, den die Eigentümer bei Anlage von Mitteln am Kapitalmarkt erzielen können. Folglich lohnt es nicht, Eigenkapital aus der GmbH (aus dem Projekt) abzuziehen, um es durch Fremdkapital zu ersetzen. 3.2 Fall mit einfacher Gewinnsteuer Für ein Kalkül mit Steuern setzen wir einige vereinfachende Annahmen: (1) Überschüsse aus allen Real- und Finanzinvestitionen werden besteuert. Es findet keine doppelte Besteuerung statt: Die steuerliche Belastung erfolgt entweder auf Unternehmens- oder auf Eigentümerebene. (2) Abnutzbare Realinvestitionen sind steuerlich abschreibungsfähig. (3) Aus Vereinfachungsgründen soll die steuerliche Bemessungsgrundlage (SBG) der Nettoeinzahlung des Projektes in Periode t abzüglich der steuerlichen Abschreibungen (Ab t ) und ggf. der Zinszahlung für Fremdkapital entsprechen. (4) Die Steuerzahlung erfolgt am Ende der Periode, für die eine positive steuerliche Bemessungsgrundlage vorliegt. (5) Bei negativer steuerlicher Bemessungsgrundlage (SBG) erfolgt eine Rückerstattung in Höhe von s · |SBG| an das Unternehmen bzw. den Investor. Es liegt eine sog. Negativsteuer vor. (6) Anlagen von finanziellen Mitteln erzielen den Zinssatz i vor Steuern. Kredite kosten vor Steuern ebenfalls den Zinssatz i. Finanzierung als Aufteilungsregel des Projektzahlungsstromes · 27 (2.2) Eig 0 NKW = Σ = − − + − − 5 1 0 0 t - 1 - t t t ) F I ( i) 1 )( iF T NE ( t mit t; Periode in Tilgung T t ≡ Zinszahlung auf den Fremdkapitalbestand zu Beginn der Periode. iF 1 - t ≡ Eig 0 NKW = 51.631,5 - 50.000 = 1.631,5. <?page no="30"?> 28 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung Wir beginnen mit dem Fall der Eigenfinanzierung: die Eigentümer des Unternehmens, eine GmbH, bringen die Mittel zur Finanzierung der Anschaffungsauszahlung I 0 auf. Betrachten wir zunächst ein sehr einfaches Steuersystem, in dem steuerliche Überschüsse mit einem von der Höhe und der Verwendung des Überschusses unabhängigen konstanten Steuersatz belegt werden. Wir prüfen, welche Größen des Entscheidungskalküls durch die Einführung dieser Steuer berührt werden und welche Auswirkungen auf das Ergebnis der Rechnung zu erwarten sind. Über die Gewinnsteuer absorbiert der Fiskus einen Teil der Nettoeinzahlungen des Projektes. Wie viel der Fiskus einstreichen kann, hängt ab von Höhe und zeitlicher Struktur der Nettoeinzahlungen, von der Definition der steuerlichen Bemessungsgrundlage und der Höhe des Gewinnsteuersatzes, der mit s bezeichnet wird. Gemäß Annahme (3) verkürzt die steuerlich zulässige Abschreibung die steuerliche Bemessungsgrundlage. Der Nettokapitalwert im Fall ausschließlicher Eigenfinanzierung ist dann gemäß (2.3): (2.3) [ ] ( ) 0 -t s n t t t t E 0 I i 1 Ab (NE s NE NKW − + Σ − − = = 1 ) NKW E Nettokapitalwert bei Eigenfinanzierung; I 0 Anschaffungsbzw. Investitionsauszahlung im Zeitpunkt 0; NE t Nettoeinzahlung in t; ein möglicher Restverkaufserlös ist in NE n eingeschlossen; s Steuersatz; Ab t steuerliche Abschreibung; i s = i (1-s) Alternativrendite nach Steuern; n Nutzungsdauer des Projektes. Welche Informationen liefert (2.3)? Ob ein Projekt lohnt oder nicht, hängt von den Nettoeinzahlungen nach Steuern ab. Diese stellen das potentielle Einkommen dar, das das Projekt für die Eigentümer liefert. Ob ein Projekt lohnt oder nicht, wird an der alternativ erzielbaren Rendite nach Steuern gemessen. Diese beträgt unter den gesetzten Annahmen i (1 - s), weil gemäß Annahme (1) auch die Überschüsse aus Finanzanlagen mit dem Satz s besteuert werden. Steuerliche Regeln treffen Investitionsprojekte somit an drei Stellen, wie eine Umformulierung von (2.3) zeigt: (2.3’) [ ] 0 t s n t t t E 0 I i (1 Ab s s) (1 NE NKW − + Σ ⋅ + − = − = ) 1 <?page no="31"?> • Die Nettoeinzahlungen sinken von NE t auf NE t (1 - s), • die Steuerzahlungen verkürzen sich um s · Ab t , • die Alternativrendite sinkt von i auf i (1 - s). Es wird auch deutlich, daß die Verteilung der steuerlichen Abschreibung über die Nutzungsdauer des Projektes den NKW beeinflußt. Wenden wir die Überlegungen auf unser Beispiel aus Abschnitt 3.1 an. Die steuerlich zulässige Abschreibung betrage 30.000 für t = 1, 2, ..., 5; der Gewinnsteuersatz sei s = 0,25. Tabelle 2.6 zeigt die Zahlungen, die den Eigentümern nach Steuern zufließen würden. 0 1 2 3 4 5 (1) I 0 (2) NE t (3) Ab t (4) Steuern (5) Nettoeinzahlungen nach Steuern -150.000 40.000 (30.000) 2.500 37.500 40.000 (30.000) 2.500 37.500 40.000 (30.000) 2.500 37.500 40.000 (30.000) 2.500 37.500 40.000 (30.000) 2.500 37.500 Tabelle 2.6: Nettoeinzahlungen nach Steuern Zur Berechnung des NKW 0E benötigt man die Alternativrendite nach Steuern. Die Alternativrendite vor Steuern sei unverändert i = 0,10. Die Nach-Steuer-Rendite ist somit i s = 0,10 (1 - 0,25) = 0,075. Man erhält den NKW 0E = 1.720,7. Auch nach Steuern ist das Projekt vorteilhaft. Jetzt werde das Projekt mit F 0 = 100.000 fremdfinanziert. Gläubiger verlangen den Zinssatz von 0,10 vor Steuern und jährlich gleichbleibende Tilgungen in Höhe von 20.000. Von der GmbH entrichtete Zinszahlungen verkürzen gemäß Annahme (3) die steuerliche Bemessungsgrundlage. Der NKW eines Projektes bei partieller Fremdfinanzierung (F 0 < I 0 ) ergibt sich aus: (2.4) [ ] ) ( ) ) 0 0 1 F I i (1 T iF iF Ab (NE s NE NKW t s n t t -1 t -1 t t t t F 0 − − + Σ − − − − − = − = NKW F Nettokapitalwert bei partieller Fremdfinanzierung; iF t-1 Zinszahlung auf den Kreditbestand zu Beginn der Periode; T t vertraglich vereinbarte Tilgung. In Formel (2.4) taucht der Term iF t-1 zweimal auf: einmal in der Definition der steuerlichen Bemessungsgrundlage, einmal als explizite Zinszahlung an die den Kredit F 0 gewährenden Gläubiger. Finanzierung als Aufteilungsregel des Projektzahlungsstromes · 29 <?page no="32"?> 30 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung Formel (2.4) repräsentiert die sog. Nettomethode. Bewertet (diskontiert) werden die den Eigentümern zuzurechnenden Residualzahlungen nach Zinsen, Tilgungen und Steuern. Ganz folgerichtig ist der in (2.4) benutzte Diskontierungssatz die Alternativrendite, die Eigentümer nach Steuern auf dem Kapitalmarkt erzielen könnten. Tabelle 2.7 berechnet die Residualzahlungen der Eigentümer im Fall partieller Fremdfinanzierung. 0 1 2 3 4 5 (1) I 0 - F 0 (2) F 0 (3) NE t (4) Ab t (5) Zinsen (6) Steuern (7) Tilgungen (8) Residualzahlungen der Eigentümer -50.000 100.000 40.000 (30.000) 10.000 0 20.000 10.000 40.000 (30.000) 8.000 500 20.000 11.500 40.000 (30.000) 6.000 1.000 20.000 13.000 40.000 (30.000) 4.000 1.500 20.000 14.500 40.000 (30.000) 2.000 2.000 20.000 16.000 Tabelle 2.7: Residualzahlungen der Eigentümer bei partieller Fremdfinanzierung Der NKW 0F der Eigentümer beträgt 1.720,7. An der Vorteilhaftigkeit des Projektes hat sich nichts geändert. Auch im Fall mit einer einfachen Gewinnsteuer bewirkt ein Finanzierungsvertrag eine Aufteilung der Gesamtposition. Sie ist indessen etwas komplexer als im Fall ohne Steuern: Im Fall ohne Steuern beträgt der Bruttokapitalwert des Projektes bei Eigenfinanzierung BKW 0 = 151.631,5. Finanzieren Kreditgeber einen Betrag von 100.000, erhalten sie die Zahlungen, die Tabelle 2.5 als Zins- und Tilgungszahlungen ausweist. Deren Barwert, berechnet mit i = 0,10 ist 100.000. Für die Eigentümer verbleibt der Rest des Bruttokapitalwertes, also 151.631,5 - 100.000 = 51.631,5. Der Finanzierungsvertrag mit dem Gläubiger zerlegt den Zahlungsstrom, den das Projekt generiert; diese Zerlegung wird durch die Aufteilung des Bruttokapitalwertes signalisiert. Liegt eine einfache Gewinnsteuer vor, partizipiert der Fiskus am Bruttokapitalwert. Bei Eigenfinanzierung und nach Steuern beträgt der Bruttokapitalwert der den Eigentümern zufließenden Mittel, berechnet mit i (1 - s) = 0,075, BKW 0E = 151.720,7. Unterstellen wir auch für den Fiskus eine Alternativrendite in Höhe von i (1 - s) = 0,075, beträgt der Barwert seiner Einzahlungen BKW 0Fisk = 10.114,7. Der Barwert der Nettoeinzahlungen vor Steuern, berechnet mit i (1 - s) = 0,075 ist also 151.720,7 + 10.114,7 = 161.835,4. <?page no="33"?> Leisten Gläubiger einen Finanzierungsbetrag von 100.000 im Zeitpunkt 0 zur Realisierung des Projektes, verteilt sich der berechnete Bruttokapitalwert auf Fiskus, Gläubiger und Eigentümer. Das Ergebnis entspricht den Barwerten der in Tabelle 2.7 ausgewiesenen Teilströme, die an Fiskus, Gläubiger und Eigentümer fließen. Dieses Verteilungsergebnis scheint folgende Schlüsse nahezulegen: • Der Fiskus verliert, weil die Zinszahlungen auf der Ebene der GmbH die Steuerbemessungsgrundlage kürzen. Der Barwert der Steuerzahlungen sinkt im Vergleich zur Eigenfinanzierung um Σ + ⋅ = − 5 1 ) t t s 1 - t i (1 s iF = 6.360,7 auf 3.753,9. • Die Position der Eigentümer ist gemessen am NKW 0 unverändert. Der NKW 0 = 1.720,7 ist genau so hoch wie bei vollständiger Eigenfinanzierung. Die Ursache ist, daß der Einsatz von Fremdkapital pro Geldeinheit den Satz i (1 - s) = 0,075 kostet. Dieses Fremdkapital setzt in unserem Beispiel Eigenkapital in gleicher Höhe - nämlich 100.000 - frei, das alternativ nach Steuern eine Rendite von 0,075 erzielt. Durch solche Maßnahmen kann man nicht reicher werden. Dieses Ergebnis darf natürlich nicht verallgemeinert werden. Wir werden in späteren Kapiteln sehen, daß der Einsatz von Fremdkapital große Vorteile auslösen kann. Außerdem ist Fremdkapital sehr willkommen, wenn Eigenkapital knapp ist. Wäre im Beispiel der verfügbare Eigenkapitalbestand kleiner als I 0 = 150.000, könnte das Projekt ohne Rückgriff auf andere Kapitalquellen überhaupt nicht realisiert werden; der NKW 0 in Höhe von 1.720,7 wäre nicht erreichbar. • Am überraschendsten ist vermutlich das Ergebnis für die Position der Gläubiger. Erzielen die Gläubiger wirklich einen Nettokapitalwert von 6.360,7? Erzie- Finanzierung als Aufteilungsregel des Projektzahlungsstromes · 31 161.835,4 Barwert der Steuerzahlungen an Fiskus, berechnet mit i (1 - s) = 0,075: t s t t i S − = + Σ ) 1 ( 5 1 S t = s(NE t - Ab t - iF t-1 ) Barwert der Zins- und Tilgungszahlungen an Gläubiger berechnet mit i (1 - s) = 0,075: Σ ⋅ + = n t t -1 t T iF 1 ) ( t s i − + ) 1 ( Barwert der Residualzahlungen an Eigentümer, berechnet mit i (1 - s) = 0,075: Σ = 5 1 t [NE t - S t - i F t -1 - T t ](1+i s ) -t = 3.753,9 = 106.360,7 = 51.720,7 <?page no="34"?> 32 · Kapitel 2 Investitionsentscheidung und Finanzierung len sie statt der Kapitalmarktrendite von i = 0,10 eine Überrendite? Dafür gibt es bei Ausschluß von Risiken und anderen Engpässen keinen Anlaß. Also liegt ein Fehler vor! Eine unserer Annahmen wurde verletzt: Annahme (1) verlangt, daß jeder Investitionserfolg mit dem Satz s besteuert wird. Also sind auch die Zinserträge der Gläubiger zu besteuern. Der Barwert der Einzahlungen des Fiskus steigt somit von 3.753,9 um 6.360,7 auf 10.114,7, womit die vermeintliche Einbuße an Einzahlungen wieder wettgemacht ist. Der Barwert der an Gläubiger zu leistenden Zins- und Tilgungszahlungen aus der Sicht der Eigentümer und der Gläubiger sinkt auf 100.000: (2.5) [ ] 000. . 100 ) 1 ( ) 1 ( 5 1 = + Σ − + = − ? t s t -1 t t Gl 0 i s iF T BKW Diese (neue) Verteilung der Positionswerte zeigt, daß die veränderte Form der Finanzierung des Projektes im hier erstellten einfachen Steuersystem (1) die Position des Fiskus nicht verändert, (2) die Position der Eigentümer nicht verändert und (3) eine Positionsteilung unter Eigentümern und Gläubigern bewirkt, die der im Fall ohne Steuern im Prinzip entspricht. 4 Zusammenfassung Kapitel 2 enthält eine Reihe wichtiger Botschaften: • Der Nettokapitalwert ist ein gut begründbares Entscheidungskriterium. • Kalküle in der realen Welt haben steuerliche Zahlungswirkungen prinzipiell zu beachten. • Finanzierungsmaßnahmen bzw. die diesen zugrundeliegenden Verträge teilen die Nettoeinzahlungen von Investitionsprojekten auf Financiers und i. d. R. Fiskus auf. • Solche Aufteilungen sind in der Realität mit Chancen und Risiken verbunden. Über diese wird in späteren Kapiteln berichtet. <?page no="35"?> 5 Literaturhinweise Arnold, G. C./ Hatzopoulos, P. D. (2000): The Theory - Practice Gap in Capital Budgeting: Evidence from the United Kingdom. In: Journal of Business Finance and Accounting, S. 603-626. Blohm, H./ Lüder, K. (2006): Investition. 9. Auflage, München. Bruner, R. F./ Eades, K. M./ Harris, R. S./ Higgins, R. C. (1998): Best Practices in Estimating the Cost of Capital: Survey and Synthesis. In: Financial Practice and Education, S. 13-28. Bröer, N./ Däumler, K.-D. (1986): Investitionsrechnungsmethoden in der Praxis. In: Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Herne, Heft 13, S. 709-720. Drukarczyk, J./ Schüler, A. (2007): Unternehmensbewertung, 5. Auflage, München; Kapitel 2. Grabbe, H.-W. (1976): Investitionsrechnung in der Praxis. Köln. Graham, J. R./ Harvey, C. R. (2001): The Theory and Practice of Corporate Finance: Evidence from the Field. In: Journal of Financial Economics, Band 60, S. 187-243. Kruschwitz, L. (2007): Investitionsrechnung. 11. Auflage, München/ Wien. Moore, J. S./ Reichert, A. K. (1983): An Analysis of the Financial Management Techniques Currently Employed by Large U. S. Companies. In: Journal of Business Finance and Accounting, Band 10, S. 623-645. Wehrle-Streif, U. (1989): Empirische Untersuchung zur Investitionsrechnung, Köln. Literaturhinweise · 33 <?page no="37"?> Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Kapitel 3 Inhalt 1 Inhalt des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2 Liquidität - Begriff und Bestimmungsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2 Güterwirtschaftliche Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.3 Verliehene Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.4 Zukünftige Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.5 Antizipierte Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.6 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3 Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.1 Konzeptionen von Bilanzvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.2 Theoretische Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.3 Exkurs: Spielregeln der theoretischen Bilanz in der Rechnungslegung nach US-GAAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.4 Liquidationsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.5 Fortführungs- oder HGB-Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4 Cashflow-Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.2 Häufig benutzte Cashflow-Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5 Eine planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 5.1 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 5.2 NOCF als Indikator der Cashflow-Erzeugung im Kerngeschäft. . . . 80 5.3 Cashflow-Beitrag aus Finanzanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5.4 Kapitalstruktur und Cashflow-Verzehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5.5 Cashflow und noch zu treffende Investitions- und Finanzierungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5.6 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6 Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG: Finanzplanung, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6.1 Anforderungen an einen Finanzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6.2 Strukturierung eines Finanzplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 6.3 Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 8 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 <?page no="38"?> 36 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 1 Inhalt des Kapitels Die Sicherstellung der Liquidität i. S. d. dauerhaften Zahlungsvermögens ist eine Überlebensbedingung für Unternehmen: Fehlende Liquidität (oder Illiquidität) bedroht die Barwerte der Nettoeinzahlungen des gesamten Unternehmens und die der Kapitalgeber, wie in Kapitel 16 gezeigt wird. Illiquiditätsprobleme sind also tunlichst zu vermeiden. Zunächst wird der Begriff der Liquidität erläutert. Dann betrachten wir die Bestimmungsgrößen (Determinanten), die über die Liquiditätslage eines Unternehmens entscheiden. Anschließend wenden wir uns der wichtigen Frage zu, mit welchen Instrumenten die Liquiditätslage eines Unternehmens verläßlich abgebildet werden kann: Wir betrachten unterschiedliche Ausprägungen von Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse und Finanzpläne. Die Fallstudie «Glasspinnerei Straubing AG» hat die didaktische Aufgabe, die Verknüpfungen zwischen Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Finanzplanung einprägsam aufzuzeigen. 2 Liquidität - Begriff und Bestimmungsgrößen 2.1 Begriff Wenn in der Literatur Überlegungen zu den Zielsetzungen von Investoren und Unternehmern angestellt werden, taucht regelmäßig auch die Forderung nach Erhaltung der Liquidität auf. Warum? Werden Unternehmen illiquide, d. h. auf Dauer zahlungsunfähig, wird entweder auf pflichtgemäßen Antrag der Organe des Unternehmens (§ 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG) oder auf Antrag von Gläubigern (§§ 13, 14 InsO) ein Insolvenzverfahren eröffnet. Ein Insolvenzverfahren bedeutet für Eigentümer, Management und Arbeitnehmer möglicherweise die Liquidation des Unternehmens und damit das Versiegen der Einkommensquelle «Unternehmen». Für Gläubiger bedeutet es regelmäßig hohe Ausfälle an bestehenden Forderungen. Illiquidität gilt es folglich zu vermeiden. Wann ist ein Unternehmen liquide? Setzt man an dem Begriff Zahlungsunfähigkeit an, wird klar, daß die Liquidität eines Unternehmens von den an das Unternehmen gerichteten Zahlungsansprüchen einerseits und dem Zahlungsvermögen des Unternehmens andererseits abhängt. Es ist daher üblich, ein Unternehmen dann als liquide zu bezeichnen, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern, Vermietern, Arbeitnehmern, Lieferanten, Versicherungen usw. termingerecht und betragsgenau nachkommen kann. Die Eigenschaft, liquide zu sein, kann an dem Verhältnis des Zahlungsvermögens zu den Zahlungsverpflichtungen gemessen werden. Unter Zahlungsvermögen wird die Fähigkeit des Unternehmens verstanden, ausreichende Zahlungsmittel bereitzustellen. Wählt man <?page no="39"?> Liquidität - Begriff und Bestimmungsgrößen · 37 also die bestehenden Zahlungsverpflichtungen als Bezugspunkt, ist Liquidität zunächst eine «Ja-Nein-Eigenschaft»: ein Unternehmen ist liquide oder nicht. Das ist für bestimmte Fragestellungen zu ungenau, weil es belangvoll sein kann, um wieviel Geldeinheiten ein Unternehmen (eine Person) hinter seinen (ihren) bestehenden Zahlungsverpflichtungen zurückbleibt: es ist ein Unterschied, ob jemandem, der am 31. 12. 2006 eine Hypothekenrate in Höhe von 1.750 Euro zu leisten hat, 15 Euro oder 1.500 Euro fehlen. Obligationen (Anleihen) von Unternehmen am Kapitalmarkt werden von dafür spezialisierten Instituten klassifiziert in Bonitätsklassen, wobei die Zugehörigkeit zur ersten Klasse AAA ein erwartetes Ausfallrisiko von Null anzeigt, während eine Klassifikation CCC Anleger auf ein höheres Ausfallsrisiko wegen einer deutlich geringeren Kreditwürdigkeit und einer damit geringeren Liquidität des Unternehmens aufmerksam macht. Hier liegt nichts anderes als eine abgestufte Liquiditätsbeurteilung von Gesellschaften vor. Eine bloß binäre Ordnung wäre für den gewollten Zweck nicht ausreichend. In diesen Überlegungen hat Liquidität einen evidenten Bezug zu Geld. Verkürzt könnte man sagen: Liquide ist, wer über hinreichende Zahlungsmittel verfügt, um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und seine Investitionsvorhaben zu realisieren. Diese Verkürzung ist nicht ohne Nachteile. Um dies aufzuzeigen, ist es nützlich, sich eine Wirtschaft ohne geordneten Geldverkehr vorzustellen, eine Naturalwirtschaft. In einer Naturalwirtschaft ist Liquidität an den Besitz von Güterbeständen gebunden, die tauschgeeignet sind. Liquide ist, wer hinreichend viele, zum Tausch geeignete Güter besitzt, wer tauschbereit und tauschfähig ist. 2 Wenn Liquidität mit Tauschbereitschaft oder Tauschfähigkeit gleichgesetzt wird, wird ersichtlich, daß die Beschränkung der Eigenschaft, liquide zu sein, auf Geldbesitz zu eng ist. Obwohl Geld - von Ausnahmezeiten abgesehen - ein hochliquides Mittel ist, ist es nicht der einzige Träger von Liquidität. Andere Güter können einem Unternehmen in dem Ausmaß Liquidität verleihen, als diese Güter tauschfähig sind: Sie vergrößern das Zahlungsvermögen von Unternehmen. Liquidität wird auch zur Bezeichnung einer Eigenschaft von Vermögensgütern gebraucht: So etwa wenn gesagt wird, daß die Liquidität von Forderungen größer ist als die von Halbfabrikaten. Wie ist das Attribut «liquide» im Zusammenhang mit Vermögensgütern zu verstehen? Drei Interpretationen sind möglich: 1. Der Besitz von Vermögensgütern versetzt den Eigentümer in die Lage, zu tauschen. Er kann ganz ähnlich wie durch den Besitz von Geld andere Vermögensgüter erwerben oder Schulden tilgen. Dies ist die «güterwirtschaftliche Liquidität» von Vermögensgütern. 2 Vgl. Veit, O. (1966), S. 3-48. <?page no="40"?> 38 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 2. Der Besitz von Vermögensgütern ermöglicht es dem Eigentümer, diese zu verkaufen, d. h. ihre «Abtretbarkeit» 3 zu nutzen, um Geld zu beschaffen. 3. Ein Vermögensgut ist um so liquider, je kürzer die «Selbstliquidations-Periode» 4 ist. Mit der Selbstliquidationsperiode ist die Zeitspanne bezeichnet, die verstreicht, damit im Rahmen eines gegebenen Prozesses eine Produktionseinzahlung an die Stelle des Vermögensgutes tritt. In diesem Sinne sind in einer Fischräucherfabrik Bücklinge «liquider» als grüne Heringe. Wir unterscheiden im folgenden vier Determinanten der Liquidität eines Unternehmens. 2.2 Güterwirtschaftliche Liquidität Geld ist ein wichtiger Träger von Liquidität, aber nicht der einzige. Andere Güter sind ebenfalls Träger von Liquidität, wenn sie ihrem Besitzer Tauschfähigkeit verleihen. Es handelt sich um die «güterwirtschaftliche Liquidität» 5 . Diese in der Veräußerungsfähigkeit begründete Liquidität besteht in vielfach abgestufter Form: Güter haben unterschiedliche Liquiditätsgrade. Der Liquiditätsgrad hängt insbesondere ab von: (1) den technischen oder institutionellen Eigenschaften des Gutes. Vielseitig verwendbare Drehbänke lassen sich am Markt eher veräußern als hochspezialisierte Aggregate, die nur für eine kleine Anzahl von potentiellen Käufern von Interesse sind. An der Börse im amtlichen Verkehr gehandelte Wertpapiere lassen sich schneller verkaufen als Schuldscheine privater Schuldner; (2) den Kosten der Käufersuche am Markt und von sonstigen Transaktionskosten wie Kosten der rechtlichen Übertragung, Kosten des Transports, Kosten der Vertragsgestaltung, Kosten der Versicherung des Transports etc.; (3) der Zeitspanne vom Beginn der Käufersuche bis zur Verwertung am Markt; (4) der Werteinbuße des Verkäufers bei Verwertung am Markt. Diese Werteinbuße, deren Höhe i. d. R. davon abhängen wird, ob das Gut unter Zeitdruck veräußert werden muß oder nicht, kann bspw. gemessen werden an der Differenz von Veräußerungserlös und dem Wiederbeschaffungspreis eines gleichwertigen Gutes im Zeitpunkt der Veräußerung. Die Differenz ist i. d. R. durch die Notlage bzw. den Zeitdruck des Veräußerers bedingt. Solche Differenzen zwischen Veräußerungserlös und Wiederbeschaffungspreis für Güter, die keine Börsenpreise haben, werden i. d. R. auch dann bestehen, wenn 3 Vgl. Stützel, W. (1975), S. 2518. 4 Vgl. Stützel, W. (1975), S. 2518. 5 Vgl. Veit, O. (1966), S. 30-42. <?page no="41"?> Liquidität - Begriff und Bestimmungsgrößen · 39 nicht unter Zeitdruck veräußert werden muß. Sie haben ihre Ursache in unterschiedlichen Entscheidungsfeldern und Zielfunktionen von Verkäufern und potentiellen Nachfragern. Zeitdruck erhöht jedoch in aller Regel diese Differenzen. Mit Hilfe des Begriffs der «güterwirtschaftlichen Liquidität» läßt sich die Eigenschaft, liquide zu sein, präzisieren. Unternehmen sind umso liquider, (1) je größer die ihnen gehörende Menge an veräußerungsfähigen Gütern ist; (2) je schneller diese Veräußerungsfähigkeit der Güter genutzt werden kann; (3) je kleiner die Werteinbußen (Disagios) und Transaktionskosten sind, die der Veräußerer bei der Liquidisierung dieser Güter hinnehmen muß. Eine Tabelle von Vermögensgegenständen, geordnet nach fallender Liquidisierbarkeit (Liquiditätsgrad), könnte folgendes Aussehen haben: 2.3 Verliehene Liquidität Die Liquidität eines Unternehmens kann durch einen weiteren Weg beeinflußt werden: vorhandene Güterbestände können bei Kreditinstituten beliehen werden. Die Liquidität eines Unternehmens hängt insoweit auch von der Beleihbarkeit seiner Vermögensgegenstände und der Beleihungsbereitschaft der Kreditinstitute ab. Vermögensgegenstände geordnet nach fallender Liquidisierbarkeit (Liquiditätsgrad) a. Bargeld, b. Guthaben bei der Zentralbank, c. Sichtguthaben bei Geschäftsbanken, d. Terminguthaben bei Geschäftsbanken, e. Sparguthaben bei Geschäftsbanken, f. zentralbankfähige Wechsel, g. nicht zentralbankfähige Wechsel, h. Wertpapiere, im amtlichen Börsenverkehr gehandelt, i. Wertpapiere, im Freiverkehr gehandelt, j. Forderungen, verkaufsreife Waren, k. durch Hypotheken, Grundschulden gesicherte Ansprüche, l. unbebaute Grundstücke, m. bebaute Grundstücke, n. Halbfabrikate, nicht marktgängig, o. maschinelle Anlagen, etc. Liquidisierbarkeit <?page no="42"?> 40 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Stützel bezeichnet dies als «verliehene Liquidität» 6 ; es liegt eine von der originären Liquiditätsquelle «Vermögensgegenstand» abgeleitete Form der Liquiditätsgewinnung vor. Die Liquiditätsgewinnung durch Beleihung hat prinzipielle Vorteile. Zunächst muß der beliehene Vermögensgegenstand nicht veräußert werden. Je nach Art der vereinbarten Besicherungsform kann der Eigentümer den Vermögensgegenstand i. d. R. weiterhin nutzen. Für Güter relativ niedrigen Liquiditätsgrades gilt, daß sie nicht schnell veräußerbar sind und daß bei Veräußerung hohe Werteinbußen eintreten. Ist Beleihungsfähigkeit gegeben, können liquide Mittel schnell und ohne Werteinbuße (Disagio), aber unter Inkaufnahme von Zinsen beschafft werden. Allerdings wenden Kreditinstitute Beleihungsgrenzen an: die Beleihungsgrenze wird sich am potentiellen Veräußerungserlös des Vermögensgegenstandes ausrichten. Weil Banken die relevanten Absatzmärkte häufig nicht intensiv kennen und Schwankungen des Veräußerungserlöses nicht auszuschließen sind, setzen sie die Beleihungsgrenzen vorsichtig an. Der durch Beleihung beschaffbare Geldbetrag ist deshalb i. d. R. niedriger als der bei Verkauf erzielbare. Die beiden Determinanten Liquidität - die güterwirtschaftliche und die «verliehene» Liquidität - sind nicht additiv zu verstehen. Liquiditätsgewinnung durch Veräußerungsfähigkeit von Vermögensgütern setzt deren Veräußerung voraus. Liquidität durch Beleihbarkeit kann deshalb nur an die Stelle der güterwirtschaftlichen Liquidität treten. Ein Vermögensgegenstand kann zu Zwecken der Geldbeschaffung entweder veräußert oder beliehen werden. Beides zugleich ist ohne Konflikt mit Rechtsnormen nicht möglich. 2.4 Zukünftige Liquidität Die Beurteilung der Liquidität eines Unternehmens anhand der güterwirtschaftlichen Liquidität seiner Vermögensgegenstände bzw. deren Beleihbarkeit ist einseitig. Unternehmen werden gegründet, damit sie finanzielle Überschüsse (Nettoeinzahlungen, Einkommen) erzielen. Diese Überschüsse erzielen Eigentümer i. d. R. nicht dadurch, daß sie die gesamten Aktiven des Unternehmens einzeln veräußern, sondern durch einen Kombinationsprozeß, in dem Produkte und Dienstleistungen erstellt und mit Erfolg am Markt abgesetzt werden. Die zukünftige Liquidität eines Unternehmens hängt somit von seiner Fähigkeit ab, finanzielle Überschüsse zu erzielen. Instrument zur Messung der zukünftigen Liquidität ist u. a. der Finanzplan, der unten näher dargestellt wird. In einem Finanzplan werden die im Planungszeitpunkt bereits bekannten bzw. erwarteten künftigen Ein- und Auszahlungen des Unternehmens gegenübergestellt. Die wichtigsten Einzahlungen sind Umsatz-, 6 Vgl. Stützel, W. (1975), S. 2519. <?page no="43"?> Liquidität - Begriff und Bestimmungsgrößen · 41 Zins-, Mieteinzahlungen, erhaltene Dividenden und Tilgungen, Verkaufserlöse für Gegenstände des Anlagevermögens etc. Die wichtigsten Auszahlungen sind Lohn- und Gehaltszahlungen, Zinsen, Tilgungen, Leasingraten, Zahlungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Energie, Steuerzahlungen, Auszahlungen für Investitionen und Dividenden. 2.5 Antizipierte Liquidität Auch künftige Überschüsse (Gewinne, Nettoeinzahlungen) können durch Kreditinstitute beliehen werden: Eine Bank stellt einen Kredit ohne Besicherung durch vorhandene Güterbestände zur Verfügung im Vertrauen auf die künftigen Nettoeinzahlungen, die künftige Liquidität des Unternehmens. Beleihungen künftigen Einkommens (künftiger Nettoeinzahlungen) bedeuten Bereitstellung von finanziellen Mitteln jetzt gegen das Versprechen des Schuldners, Zins- und Tilgungsraten in Zukunft pünktlich und betragsgenau zu leisten. Für die beleihenden Institute (Banken) stellt sich damit das Problem der Prüfung der künftigen Zahlungsfähigkeit von Kreditnehmern (Kreditwürdigkeitsprüfung). Wegen der besonderen Probleme der Prognose künftiger Nettoeinzahlungen ist zu vermuten, daß Banken die Beleihungsgrenzen auch hier «vorsichtig» ansetzen. Zwischen zukünftiger Liquidität durch Erzielung von Nettoeinzahlungen und deren Beleihbarkeit besteht eine leicht erkennbare Beziehung. Ein Investor, der künftige Nettoeinzahlungen erwartet, muß die Realisierung dieser Nettoeinzahlungen abwarten, ehe er den Mittelzufluß oder den Wiederanlageerfolg hat. Beleiht eine Bank diese künftigen Nettoeinzahlungen, kann der Investor den Mittelzufluß in Höhe des Kredites sofort haben, allerdings gegen Entrichtung eines Zinses. Beleihung ist gleichbedeutend mit Antizipation künftiger Einzahlungen: Der Kreditnehmer «verkauft» künftige Nettoeinzahlungen an den Kreditgeber unter Vereinbarung eines Preises, den Zins. 2.6 Zwischenergebnis Ein Unternehmen wird als liquide oder zahlungsfähig angesehen, wenn sein Zahlungsvermögen ausreicht, um seinen Zahlungsverpflichtungen jetzt und in zukünftigen Zeitpunkten nachzukommen. Von Bedeutung ist dabei die Frage, von welchen Faktoren das Zahlungsvermögen eines Unternehmens abhängt. Zwei Faktoren sind hierfür ausschlaggebend: (1) die Menge an Vermögensgütern, über die das Unternehmen im Zeitpunkt t verfügen kann, um Liquidität (Geld) zu beschaffen; (2) die Nettoeinzahlungen (finanziellen Überschüsse), die das Unternehmen in Zukunft erzielen kann. Die Liquiditätsbeschaffung auf dem Weg (1) beruht auf der güterwirtschaftlichen Liquidität der vorhandenen Vermögensgegenstände; die Liquiditätsbeschaffung gemäß (2) baut auf der Erzielung von finanziellen Überschüssen auf. <?page no="44"?> 42 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Kreditgewährung durch Gläubiger kann in beiden Fällen an die Stelle der originären Liquiditätsbeschaffung über Weg (1) bzw. (2) treten. Im ersten Fall beleihen Gläubiger vorhandene Vermögensgegenstände, wodurch der Verkauf dieser Gegenstände umgangen werden kann. Im zweiten Fall beleihen Gläubiger künftige Nettoeinzahlungen (Einkommen), wodurch das Warten auf dieses Einkommen vermieden werden kann. Tabelle 3.1 stellt die Ergebnisse zusammen: Die oben unterschiedenen Sichtweisen auf die Bestimmungsgrößen der Liquidität sind verknüpft mit Konzeptionen über den Wert des Unternehmens. Tabelle 3.2 erläutert dies: Güterwirtschaftliche Liquidität Welchen Geldbetrag könnte man erzielen, wenn man jeden Vermögensgegenstand des Unternehmens einzeln veräußerte? Zukünftige Liquidität Welche Einzahlungen (Geldbeträge) kann man in künftigen Perioden erzielen, wenn man den «Betriebszweck» des Unternehmens verfolgt, d. h. Güter und/ oder Dienstleistungen erstellt und absetzt? Originäre Liquiditätsquellen Derivative (abgeleitete) Liquiditätsquellen Vermögensgegenstände Überschüsse Verliehene Liquidität Welchen Geldbetrag könnte man erzielen, wenn man [alle] Vermögensgegenstände des Unternehmens beleihen würde, soweit Kreditgeber zu einer solchen Beleihung bereit sind? Antizipierte Liquidität Welchen Geldbetrag könnte man erzielen, wenn man [alle] künftigen Nettoeinzahlungen des Unternehmens beleihen würde? Was ist der maximale Kreditbetrag, den Gläubiger im Gegenzug gegen die Abtretung aller künftigen Überschüsse heute zur Verfügung stellen? Tabelle 3.1: Bestimmungsgrößen der Liquidität <?page no="45"?> 3 Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen Abschnitt 3 erläutert verschiedene Bilanzkonzeptionen und ihre ganz unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeit, Liquidität zu messen. Wir unterscheiden die theoretische Bilanz, die Liquidationsbilanz und die den im HGB verankerten Prinzipien entsprechende Fortführungsbilanz oder Handelsbilanz. Dann wenden wir uns dem Begriff des Cashflow zu. Dieser schillernde Begriff muß genauer analysiert werden. Dazu sind die Beziehungen zwischen einer (bilanziellen) Aufwands- und Ertragsrechnung und einer Rechnung in Ein- und Auszahlungen zu analysieren. Dies hilft uns, weniger brauchbare Cashflow-Definitionen von brauchbareren zu trennen. Wir entwickeln dann ein planungstaugliches Cashflow-System, das zur Finanzplanung und zur -kontrolle geeignet ist. Es schafft die Verbindung zwischen Bilanz (Jahresabschluß) und Finanzplan und zeigt deutlich, wo und warum Verbindungslinien bestehen. Wir wenden das entwickelte Cashflow-System dann auf eine realistische Fallstudie an, die mit Hilfe des Systems gelöst werden kann. Kapitalgebersicht Wert des Unternehmens aus güterwirtschaftlicher Sicht: Summe der Veräußerungserlöse aller V ermögensgegenstände = Wert des Unternehmens bei Liquidation Wert des Unternehmens aus Sicht der «zukünftigen Liquidität»: Barwert der künftigen Nettoeinzahlungen (=BKW) = Wert des Unternehmens bei Fortführung Sicht potentieller Beleiher (Kreditinstitute) Wert des Unternehmens aus Sicht der verliehenen Liquidität: Wieviel Kredit geben Kreditinstitute für die Zugriffsrechte auf alle Vermögensgegenstände? = Beleihungsvolumen der Vermögensgegenstände (assets) = Beleihungsvolumen künftiger Überschüsse Wert des Unternehmens aus Sicht der zukünftigen Liquidität: Wieviel Kredit gewähren Kreditinstitute gestützt auf erwartete Nettoeinzahlungen? Tabelle 3.2: Verschiedene Sichtweisen auf den «Wert des Unternehmens» Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 43 <?page no="46"?> 44 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 3.1 Konzeptionen von Bilanzvermögen Wir beginnen mit der Erörterung der Eignung von Bilanzen (Jahresabschlüssen) zur Liquiditätsmessung. Dies ist zu begründen. Die Entstehungsgeschichte der Bilanzvorschriften zeigt, daß Messung bzw. Ausweis von Liquidität immer ein vom Gesetzgeber gewolltes Ziel der Vorschriften zur Bilanzerstellung war. Unter diesem Aspekt könnte man erwarten, in Bilanzen (Jahresabschlüssen) vereinfachte, aber geeignete Meßinstrumente für die Liquidität eines Unternehmens zu haben. Die Vorläufer der Vorschriften §§ 238-245 HGB verdanken ihre Entstehung Mißständen auf den Kreditmärkten: Krediterschleichungen und -betrügereien großen Ausmaßes führten in Frankreich zum Erlaß der «Ordonnance de Louis XIV pour le Commerce» vom 23. 3. 1673. Die «Ordonnance» enthielt • Buchhaltungsvorschriften; • Strafvorschriften: betrügerische Bankrotteure wurden mit dem Tode bestraft; • die Aufforderung an den Kaufmann, alle zwei Jahre ein Verzeichnis seines Vermögens und seiner Schulden zu erstellen. Diese Vorschriften waren u. a. Vorbilder des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB) von 1861. Dieses war Vorbild für das HGB, das verlangt, daß der Jahresabschluß u. a. einen möglicht sicheren Einblick in die Finanzlage geben soll. Wie sollte eine Bilanz, die über die Liquiditätslage zuverlässig informieren soll, aufgebaut sein? Welche Bilanzkonzeption ist hier besonders leistungsstark? Die Konzeption einer Bilanz wird festgelegt durch • die Grundsatzentscheidung, ob Vermögensgegenstände einzeln anzusetzen und zu bewerten sind (Prinzip der Einzelbewertung) oder ob das Vermögen im Rahmen einer Gesamtbewertung, d. h. einer Unternehmensbewertung zu ermitteln ist, • die Vorschriften, die regeln, was auf der Aktivseite und was auf der Passivseite einzeln ausgewiesen werden muß, d. h. durch die Definition der Aktiva und Passiva, wenn man sich für das Prinzip der Einzelbewertung entschieden hat («Ansatzvorschriften»), • die Vorschriften, die regeln, wie Aktiva und Passiva zu bewerten sind («Bewertungsvorschriften»), • Gliederungsvorschriften, • sonstige Vorschriften, mit denen Positionen der Bilanz bzw. der Gewinn- und Verlustrechnung für den Bilanzleser erläutert werden. Wir beginnen mit der theoretischen Bilanz. <?page no="47"?> 3.2 Theoretische Bilanz Angenommen, es besteht Sicherheit und ein vollkommener Kapitalmarkt. Ein Unternehmen hat soeben drei Investitionsobjekte realisiert: zwei maschinelle Anlagen und eine Forschungsaktivität. Die Bruttokapitalwerte (BKW) und Anschaffungsauszahlungen (I 0 ) seien: BKW I 0 Objekt A 500 300 Objekt B 200 150 Objekt C 100 80 Die für die theoretische Bilanz geltenden Ansatz- und Bewertungsvorschriften seien: • Jeder Vermögensgegenstand, dem Nettoeinzahlungen zurechenbar sind, muß aktiviert werden. • Die Bewertung des Vermögensgegenstandes erfolgt nicht zu den Anschaffungskosten, sondern zum Barwert der Nettoeinzahlungen, also zum Bruttokapitalwert. Der anzuwendende Diskontierungssatz wird vorgegeben. • Liquide Mittel werden zum Nominalwert angesetzt. • Börsengängige Wertpapiere werden zum Marktwert angesetzt. • Vertraglich fixierte Zahlungsansprüche von Gläubigern werden zum Barwert angesetzt. • Residualzahlungen der Eigentümer werden zum Barwert angesetzt. Alle drei Projekte sind vorteilhaft. Die Anschaffungsauszahlungen wurden in Höhe von 500 durch Gläubiger finanziert. Zieht das Unternehmen Bilanz und bewertet es die Vermögensgegenstände mit dem Bruttokapitalwert, ist die Bilanzsumme gemäß den unten ausgewiesenen Nettoeinzahlungen 800. Die «Schulden» sind 500 (F 0 ); das Eigenkapital (= der Wert des Eigenkapitals) ist 300 (E 0 ), obwohl die Eigentümer an den gesamten Anschaffungsauszahlungen nur 30 finanziert haben. Was zeigt diese Bilanz? • Weil das Unternehmen nur diese drei Projekte besitzt und weil die Bruttokapitalwerte alle künftigen, den Projekten zurechenbaren Nettoeinzahlungen abbilden bzw. enthalten, entspricht die Bilanzsumme von 800 dem Unternehmensgesamtwert. Ein rationaler Investor könnte für das Unternehmen gerade 800 bezahlen, ohne die eigene ökonomische Position zu verändern. • Dieser Unternehmensgesamtwert ist gleich dem Marktwert des Unternehmens, ebenso wie die Bruttokapitalwerte identisch mit den Marktwerten der Projekte sind: Jeder Investor würde bei gleichen Erwartungen höchstens 800 für das Unternehmen bezahlen. Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 45 <?page no="48"?> 46 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage • Die Bilanz zeigt auch, daß das Unternehmen liquide ist: Schulden in Höhe von F 0 = 500 stehen künftige Einzahlungen gegenüber, die heute 800 wert sind. Das Unternehmen kann nicht illiquide werden. Selbst wenn in einer Periode eine Zahlungsstockung eintreten sollte, findet das Unternehmen immer Kapitalgeber, an die es künftige Zahlungen abtreten kann, solange der Wert der Einzahlungen höher ist als die Schulden. Wir haben somit eine Bilanz vor uns, die den Gesamtwert des Unternehmens und die künftige Liquidität des Unternehmens fehlerfrei mißt. Liquiditätsmessung per Bilanz ist also möglich. Betrachten wir die Berechnung der einzelnen Werte. Die den Investitionsprojekten A, B, C zurechenbaren Ein- und Auszahlungen seien: 0 1 2 3 4 5 A B C - 300 - 150 - 80 131,90 50 - 131,90 50 - 131,90 50 60 131,90 50 80,41 131,90 66,85 - - 530 181,90 181,90 241,90 262,31 198,75 Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt berechnen sich bei einem Zinssatz von i = 10 % die angegebenen Bruttokapitalwerte von 500, 200 und 100 für die einzelnen Projekte. Gläubiger haben einen Finanzierungsbeitrag von 500 geleistet. Wir wollen annehmen, daß die Laufzeit des Kreditvertrages 5 Jahre beträgt, der Vertragszinssatz 10 % ist und Zinsen und Tilgungen in Annuitäten in Höhe von 131,90 pro Periode geleistet werden. Die Zahlungen an Gläubiger sehen demnach so aus: 0 1 2 3 4 5 Betrag des Fremdkapitals Zinszahlung Tilgung 500 418,10 50,00 81,90 328,01 41,81 90,09 228,91 32,80 99,10 119,90 22,89 109,01 - 11,99 119,91 zu leistende Annuität 131,90 131,90 131,90 131,90 131,90 Der Finanzierungsbeitrag der Eigentümer im Zeitpunkt 0 beträgt 30; die den Eigentümern zustehenden Residualzahlungen ergeben sich aus der folgenden Aufstellung: <?page no="49"?> 0 1 2 3 4 5 Finanzierungsbeitrag der Eigentümer - 30 Einzahlungen der Projekte A, B, C 181,90 181,90 241,90 262,31 198,75 vertragliche Zahlungen an Gläubiger - 131,90 - 131,90 - 131,90 - 131,90 - 131,90 den Eigentümern zustehende Zahlungen 50 50 110 130,41 66,85 Der Wert der Eigentumsrechte im Zeitpunkt 0 ist somit 300. Dies ist der ökonomische Wert des Eigenkapitals. Nun betrachten wir die theoretischen Bilanzen am Ende der Perioden 1, 2 und 3. Wir erhalten: Periode 1 Periode 2 A 418,1 1) Wert des A 328,0 Wert des B 170,0 1) Eigenkapitals 280,0 B 137,0 Eigenkapitals 258,0 C 110,0 1) Fremdkapitals 418,1 2) C 121,0 Fremdkapitals 328,0 698,1 698,1 586,0 586,0 Periode 3 A 228,9 Wert des B 100,7 Eigenkapitals 173,8 C 73,1 Fremdkapitals 228,9 402,7 402,7 1) Barwert der den Projekten A, B und C zugerechneten Einzahlungen der Zeitpunkte 2, 3, 4 und 5, diskontiert mit i = 0,10 auf den Zeitpunkt 1. 2) Barwert der in 2, 3, 4 und 5 noch zu erbringenden Zahlungen an die Gläubiger, diskontiert mit i = 0,10 auf den Zeitpunkt 1. Warum sinkt der Unternehmensgesamtwert im Zeitpunkt 1? Das Unternehmen schüttet im Zeitpunkt 1 Mittel aus: Es leistet an die Gläubiger eine Zahlung in Höhe von 131,90 (50 als Zinszahlung und 81,90 als Tilgung). Es schüttet zudem eine Dividende von 50 an die Eigentümer aus. Nach der Ausschüttung ist das Unternehmen weniger wert. Noch immer zeigen die Bilanzsummen den richtigen Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 47 <?page no="50"?> 48 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Unternehmensgesamtwert in den Zeitpunkten 1, 2, 3; noch immer kann man klar erkennen, daß das Unternehmen liquide ist. Ist die theoretische Bilanz eine Bilanz, die wir auch in der Realität antreffen? Sie ist es: (1) offene Immobilienfonds bilanzieren nach ihren Prinzipien. (2) Neuere Konzeptionen der Rechnungslegung - wie IAS, US-GAAP - setzen verstärkt auf den Ansatz von unten zu erläuternden «fair values», die ggf. mit Bruttokapitalwerten gleichgesetzt werden können. Wir betrachten zunächst ein Beispiel zu einem offenen Immobilienfonds. Im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) heißt es in § 34 Abs. 1 Satz 1-3: «Die Kapitalanlagegesellschaft hat in den Vermögensaufstellungen (§ 24a) den Bestand der zum Sondervermögen gehörenden Grundstücke und sonstigen Vermögensgegenstände unter Angabe von Grundstücksgröße, Art und Lage, Bau- und Erwerbsjahr, Gebäudenutzfläche, Verkehrswert und sonstiger wesentlicher Merkmale aufzuführen. Der Verkehrswert kann in den Vermögensaufstellungen nach § 24a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 für Gruppen gleichartiger oder zusammengehöriger Grundstücke in einem Betrag angegeben werden. Die Gegenstände des Grundstücksvermögens sind mit dem Wert anzusetzen, der von dem Sachverständigenausschuß festgestellt wird.» Dieser hier genannte Wert ist, wie gleich zu zeigen ist, ein Bruttokapitalwert (Ertragswert). In § 24a Abs. 1 Satz 1-2 KAGG heißt es weiter: «Die Kapitalanlagegesellschaft hat für jedes Sondervermögen für den Schluß eines jeden Geschäftsjahres einen Rechenschaftsbericht zu erstatten und spätestens drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Der Rechenschaftsbericht muß einen Bericht über die Tätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr und alle wesentlichen Angaben enthalten, die es den Anteilinhabern ermöglichen, sich ein Urteil über diese Tätigkeit und die Ergebnisse des Sondervermögens zu bilden.» Beispiel Das Management eines offenen Immobilienfonds ist nach § 34 KAGG i.V. m. § 24a KAGG verpflichtet, am Ende des Geschäftsjahres eine Vermögensaufstellung (Bilanz) für das Grundstücks-Sondervermögen zu erstellen und zu publizieren. Dabei sind anzusetzen: • Immobilien zu Verkehrswerten, wobei diese von einem unabhängigen Gutachterausschuß gemäß dem Ertragswertverfahren (i. S. d. Wertermittlungsverordnung) zu bewerten sind, • Wertpapiere zu den Kursen am Bilanzstichtag, <?page no="51"?> • Bankforderungen zum Nominalwert, • sonstige Verbindlichkeiten zum Nominalwert. Das Eigenkapital ergibt sich als Restgröße. Die Konzeption dieser Aufstellung entspricht somit einer theoretischen Bilanz. Sachverhalt Das Sondervermögen beinhalte am Ende des Geschäftsjahres zwei gewerblich genutzte Immobilien. Im Fondsvermögen befinden sich außerdem Wertpapiere zu nominal 20 Mio. Euro mit einem Kurswert am Bilanzstichtag von 18,5 Mio. Euro. Die Bankguthaben des Fonds betragen 7,3 Mio. Euro, die Fonds-Verbindlichkeiten 3 Mio. Euro. Für die beiden Immobilien liegen folgende Daten vor: Immobilie A Bei der Immobilie A handelt es sich um einen verkehrstechnisch gut eingebundenen Gewerbehof für kleinere und mittelständische Handwerks- und Gewerbebetriebe am Rande einer deutschen Großstadt. Der Gebäudekomplex weist bei einer Grundstücksfläche von 30.002 qm eine Gesamtnutzfläche von 27.541 qm auf. Die geplante Restnutzungsdauer dieser Immobilie beträgt 80 Jahre. Der nachhaltig erzielbare (jährlich uniforme), als sicher angenommene Reinerlös (Jahresrohmiete abzgl. Bewirtschaftungskosten) beträgt 2 Mio. Euro. Immobilie B Bei der Immobilie B handelt es sich um ein Betriebs- und Verwaltungsgebäude am Rande einer deutschen Mittelstadt. Bei einer Grundstücksgröße von 11.824 qm weist das Gebäude eine Gesamtnutzfläche von 5.175 qm auf. Die geplante Nutzungsdauer dieser Immobilie beträgt 50 Jahre. Der nachhaltig erzielbare, als sicher angenommene Reinerlös beträgt 600.000 Euro pro Jahr. Der sichere Anlagezinssatz wird während des gesamten Planungszeitraumes mit 7 % angenommen. Dies ist ein in der Wertermittlungsrichtlinie (WertR 91) vorgeschlagener Liegenschaftszins zur Bewertung von Geschäftsgrundstükken. Erstellung der Bilanz (Vermögensaufstellung) Ermittlung des Gebäudezeitwerts nach der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung - WertV) vom 6. 12. 88. Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 49 <?page no="52"?> 50 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens nach WertV wird der Gebäudezeitwert (stark vereinfachend) durch Diskontierung der nachhaltig erzielbaren zukünftigen Reinerlöse mit dem Liegenschaftszinssatz ermittelt. Immobilie A: Gebäudeertragswert = Reinerlös · Rentenbarwertfaktor (n = 80; i = 0,07) Gebäudeertragswert = 2 Mio · 07 , 0 07 , 1 1 07 , 1 80 80 ⋅ − = 28.444.011 Euro Immobilie B: Gebäudeertragswert = Reinerlös · Rentenbarwertfaktor (n = 50; i = 0,07) Gebäudeertragswert = 600.000 · 0,07 1,07 1 1,07 50 50 ⋅ − = 8.280.448 Euro Daraus ergibt sich die Bilanz (Vermögensaufstellung): Bilanz (Vermögensaufstellung) in T € Immobilie A Immobilie B Wertpapiere Bankguthaben 28.444 8.280 18.500 7.300 Eigenkapital Verbindlichkeiten 59.524 3.000 Summe 62.524 Summe 62.524 3.3 Exkurs: Spielregeln der theoretischen Bilanz in der Rechnungslegung nach US-GAAP 7 Es wäre nicht zutreffend, wenn der Leser des Buches den Eindruck gewänne, daß die für die theoretische Bilanz geltenden Bewertungsvorschriften für die Jahresabschlüsse in der Realität allenfalls marginale Bedeutung hätten. Für eine Aufwertung der Idee, Vermögensgegenstände zum Barwert zurechenbarer Nettoeinzahlungen (oder Cashflows) anzusetzen, hat insbesondere die amerikanische Rechungslegung für börsennotierte Gesellschaften gesorgt. Einige der dort vorgeschriebenen und in europäische Regelungen (IFRS) übernommene Regeln sollen hier dargestellt werden. Zwei Zwecke werden mit dieser Darstellung verfolgt: Zum einen soll die Nähe der Vorschriften zur Bewertungsvorschrift für Aktiva, die für die theoretische Bilanz gilt, unterstrichen werden; zum anderen soll angedeutet werden, warum die Implementierung einer am Ideal der theoretischen Bilanz ori- 7 United States generally accepted accounting principles. <?page no="53"?> entierten Bewertungsvorschrift für prinzipiell abnutzbare Vermögensgegenstände in der Realität auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Wenn im folgenden über US-amerikanische «generally accepted accounting principles», also US-GAAP, gesprochen wird, dann muß beachtet werden, daß diese Prinzipien nur für in den USA börsennotierte, der Wertpapieraufsicht der SEC (Securities Exchange Commission) unterliegende Kapitalgesellschaften gelten. Die zentrale Aufgabe der Rechnungslegung gemäß US-GAAP wird denn auch in der Bereitstellung geeigneter Informationen für externe Kapitalgeber gesehen, um diesen begründete Kauf- und Verkaufsentscheidungen über Anteile bzw. Wertpapiere zu ermöglichen: «decision usefulness» ist wichtig. Der Unterschied zur Zwecksetzung der Rechnungslegung i. S. d. HGB ist somit groß: Der handelsrechtliche Jahresabschluß für Kapitalgesellschaften gemäß HGB dient in erster Linie der Ermittlung des Betrages, der maximal an die Eigner ausgeschüttet werden könnte (Jahresüberschuß) bzw. des Betrages, dessen Ausschüttung die Anteilseigner verlangen könnten (Bilanzgewinn). Die Ausschüttungsbemessung ist vorrangig. Erst an zweiter Stelle folgt der Zweck der Informationsvermittlung. Für die Erstellung des Jahresabschlusses nach US-GAAP spielt die Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Betrages gar keine Rolle: Der Gesetzgeber sieht es nicht als seine Aufgabe an, ausschüttungsfähige Beträge zu definieren. Ausschüttungsbegrenzungen werden von Kreditgebern daher in Kreditverträgen verankert. Wenn die Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Betrages keine Aufgabe der periodischen Rechnungslegung ist, dann ist die Konzeption eines allein der Informationsvermittlung verpflichteten Jahresabschlusses von vielen Restriktionen befreit; der Gesetzgeber könnte m.a.W. befreit aufspielen, um dem Anleger oder Gläubiger die Informationen zu bieten, die er braucht, um die Performance der abgelaufenen Periode einzuschätzen, Erwartungen über die Zukunft zu bilden, das Management zu entlasten, eine vom Management vorgeschlagene Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien ggf. abzulehnen, Anteile zu verkaufen oder weitere zu kaufen, Kredite zu verlängern oder zu kündigen. Wir starten mit der Vorschrift zur Bewertung des Goodwills, der im Falle von Käufen dritter Unternehmen i. d. R. resultiert. Goodwill sei definiert als der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis P, der für die Eigentumsrechte bezahlt wurde, und der Summe der Einzelwerte der erworbenen Vermögensgegenstände abzüglich der übernommenen Schulden. Unternehmen 1 erwerbe die Eigentumsrechte an Unternehmen 2 zum Preis P = 4.000. Unternehmen 2 verfüge über Vermögensgegenstände mit einem Buchwert von 5.000 und über Verbindlichkeiten von 2.700. Unternehmen 1 übernehme auch diese Verbindlichkeiten. Das buchmäßige Eigenkapital beträgt 2.300; Unternehmen U 1 bezahlt somit einen Preis P, der das buchmäßige Eigenkapital um 1.700 übersteigt. Dies ist ein (derivativer) Goodwill. Dieser Goodwill ist gemäß Statement of Financial Accounting Standard (FAS) No. 141 beim erwerbenden Unternehmen zu aktivieren. Man kann Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 51 <?page no="54"?> 52 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage den Sachverhalt so interpretieren: Das erwerbende Unternehmen 1 veranschlagt den Bruttokapitalwert der finanziellen Überschüsse, die den Eigentümern des Unternehmens 2 zufließen werden, mindestens auf einen Betrag, der größer bzw. gleich P ist, also das buchmäßige Eigenkapital übersteigt. Aus diesem Grund ist es bereit, den Preis P für die Eigentumsrechte zu entrichten, der den Buchwert des Eigenkapitals übersteigt. Wird das erwerbende Unternehmen verpflichtet, die Differenz als Goodwill auszuweisen, ist es im Ergebnis gezwungen, die gesamten Anschaffungskosten der Eigentumsrechte für Unternehmen 2 auszuweisen. Daß hinter Preis P, den das Unternehmen 1 entrichtet, ein Barwertkalkül des Erwerbers steht, ist zunächst nicht entscheidend, aber zugleich zutreffend. Interessant ist nun, wie der Vermögensgegenstand Goodwill in den Folgeperioden gemäß US-GAAP zu bewerten ist. Das deutsche HGB sieht hier eine wenigstens formal klare Regelung vor: Der Geschäfts- oder Firmenwert (= Goodwill) ist in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Viertel durch Abschreibungen zu tilgen (§ 255 Abs. 4 Satz 2 HGB). Alternativ kann der Goodwill aber auch planmäßig auf die Geschäftsjahre verteilt werden, in denen er voraussichtlich genutzt wird (§ 255 Abs. 4 Satz 3 HGB). Dies ist sehr viel weniger klar als der erste Teil der Vorschrift, weil nämlich ganz unklar ist, über welche Zeitspanne ein bezahlter Goodwill «genutzt» werden wird. Theoretisch ist der Wert des Goodwill «abgenutzt», also Null, wenn der Wert des Eigenkapitals auf den Buchwert des Eigenkapitals gefallen ist. Wann das sein wird, weiß im Zeitpunkt des Erwerbes des Unternehmens eigentlich niemand; vielmehr hofft der Erwerber, daß dieses Ereignis nie eintritt, denn es bedeutete, daß er, der Erwerber, die Performance-Stärke, die das erworbene Unternehmen im Zeitpunkt des Erwerbs hatte, nicht hat erhalten können, weshalb der Wert des Eigenkapitals E t auf den niedrigeren Buchwert des Eigenkapitals E tBW sinkt. Der amerikanische Financial Accounting Standard Board (FASB) hat über den Kern des «goodwill» nachgedacht: Er sieht zwei Gründe als entscheidend für das Entstehen von Goodwill an: (1) das zu erwerbende Unternehmen erzielt durch die gewählte Kombination von Produktionsfaktoren und die organisatorische Gestaltung höhere Renditen als man sie bei Nachbildung des Unternehmens erzielen könnte; (2) es resultieren Synergieeffekte aus der Kombination des zu erwerbenden Unternehmens mit dem erwerbenden Unternehmen. Beide Argumente machen gemäß FASB den Kern des Goodwill (core goodwill) aus. Weil der Goodwill künftig erwartete Nettoeinzahlungen (future economic benefits) reflektiert, weil das erwerbende Unternehmen Zugriff auf diese Nettoeinzahlungen (benefits) hat und weil die Kosten des Erwerbs messbar sind, wird der asset-Charakter des Goodwills bejaht; die Aktivierungspflicht des Goodwill ist die Folge. Damit ist der Einstieg in die Folgebewertung des Goodwill vorgezeichnet: Abgeschrieben werden muß der Goodwill dann, wenn er im Wert gefallen ist. Wertsteigerungen des Goodwill dürfen durch Zuschreibungen nicht erfasst werden, weil <?page no="55"?> ansonsten die an den Erwerb der Vermögensgegenstände gebundene Aktivierung überhaupt aufgegeben werden könnte. Eine Abschreibungsregel für den Goodwill eines früher erworbenen Unternehmens setzt ein Verfahren zur periodischen Bewertung des Goodwills voraus. Die Abschreibung auf den Goodwill (GW) in Periode t hätte dem Ausdruck Ab t (GW) = max {0, GW t-1 - GW t } zu entsprechen. Nun ist der Goodwill eine Restgröße: Hat man eine Vorstellung vom Wert des Eigenkapitals, E t , und kennt man den Buchwert des Eigenkapitals E tBW , kann man GW t definieren als GW t = E t - E tBW . Da der Buchwert des Eigenkapitals der Differenz zwischen dem Buchwert aller Vermögensgegenstände ohne Goodwill, V tBW , und dem Buchwert der Verbindlichkeiten, F tBW , entspricht, kann man den Goodwill definieren durch GW t = E t - (V tBW - F tBW ). An die Stelle des im Erwerbszeitpunkt gezahlten Preises P tritt nun der Wert, den man im Bewertungszeitpunkt t für die Eigentumsrechte des Unternehmens 2 maximal bezahlen könnte; hier wird dann über fiktive oder simulierte Preise geredet. Diese Form der Bewertung des Goodwill zu den Zeitpunkten t - 1 bzw. t entspräche vollständig den Bewertungsregeln der theoretischen Bilanz: Man kennt GW t nur, wenn man zuvor den Wert des Eigenkapitals E t (und die Buchwerte V tBW und F tBW ) ermittelt. Der Wert des Eigenkapitals E t ist ein investitionstheoretisch zu ermittelnder Wert, nämlich der Barwert der künftigen, an die Eigentümer fließenden Nettoeinzahlungen. Nun ist die Ermittlung von GW t-1 und GW t nicht einfach: (1) Man benötigt ein brauchbares Bewertungsverfahren für E t , das auch bei Unsicherheit verlässliche Werte liefert. (2) Die Werte V tBW und F tBW verändern sich in der Zeit durch Neuinvestitionen, Abschreibungen, Tilgungen und Neuaufnahmen von Fremdkapital. Neuinvestitionen erhöhen V tBW im Vergleich zur Vorperiode; Abschreibungen senken V tBW . Ebenso senken Tilgungen den Fremdkapitalbestand F tBW im Vergleich zum Wertansatz in t - 1. Diese Maßnahmen haben ggf. Rückwirkungen auf E t , auf jeden Fall aber auf die Differenz V tBW - F tBW und damit auf die Abschreibung Ab t (GW). Wie sind diese Rückwirkungen einzuschätzen? Wir betrachten ein Beispiel: Die Eigentümer des erwerbenden Unternehmens 1 schätzen im Erwerbszeitpunkt die entziehbaren Überschüsse des Unternehmens 2, nachdem dieses in Unternehmen 1 integriert ist, wie folgt ein: Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 53 <?page no="56"?> 54 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 1 2 3 4 5 6 ff. (1) Umsatzerlöse 4.000 4.200 4.400 4.500 4.500 4.500 (2) Betriebliche Aufwendungen 2.640 2.772 2.904 2.970 2.970 2.970 (3) Abschreibungen 500 550 600 650 700 840 (4) Zinsaufwendungen 216 216 216 216 216 216 (5) Reinvestitionen 600 660 720 780 840 840 (6) Tilgungen - - - - - - (7) Ausschüttungen (7)=(1)-(2)-(4)-(5)-(6) 544 552 560 534 474 474 Fremdkapital kostet 8 %; die Eigentümer rechnen mit einer erwarteten Alternativrendite von 12 %. Der Bruttokapitalwert der Zahlungsreihe in Zeile (7) beträgt dann 4.174. Vor diesem Hintergrund kommt nach Verhandlungen der oben schon genannte Preis von P 0 = 4.000 zustande. Unternehmen 1 übernimmt im Zeitpunkt 0 Vermögensgegenstände zum Buchwert von 5.000 (= V 0BW ) und Verbindlichkeiten zum Buchwert von 2.700 (= F 0BW ). Der im Zeitpunkt 0 zu aktivierende Goodwill beträgt P 0 - (V 0BW - F 0BW ) = 1.700. Nun sei angenommen, daß Unternehmen 1 das erworbene Unternehmen als eigenständige Geschäftseinheit weiterführe. Wie hoch ist der Goodwill am Ende der Periode 1? Wie hoch ist die Abschreibung auf den Goodwill in Periode 1? Der Buchwert des Vermögens in t = 1 beträgt gemäß den Planungen in der Tabelle 5.000 - 500 + 600 = 5.100; F 1BW ist unverändert 2.700. Der Barwert der unveränderten Ausschüttungen im Zeitpunkt t = 1 (nach Ausschüttung von 544) beträgt E 1 = 4.130,9. Der Goodwill in t = 1 ist somit GW 1 = E 1 - (V 1BW - F 1BW ) = 4.130,9 - (5.100 - 2.700) = 1.730,9. GW 1 ist somit größer als GW 0 = 1.700. Es findet somit keine Abschreibung auf den Goodwill statt; auch eine Zuschreibung unterbleibt, weil sie nicht zulässig ist. Das Bilanzvermögen der neuen Geschäfteinheit wird somit mit V 1BW + GW 0 = 5.100 + 1.700 = 6.800 ausgewiesen; nach Abzug von F 1BW = 2.700 folgt ein Eigenkapitalausweis von 4.100, der - ausgelöst durch die nicht zulässige Zuschreibung beim Goodwill - im Vergleich zum investitionstheoretisch richtigen Wert von 4.130,9 etwas zu klein ist, aber doch nahe beim Wert der Eigenkapitals liegt. Betrachten wir den Goodwill am Ende der Periode 2: Der Wert des Eigenkapitals nach Ausschüttung von 552 ist E 2 = 4.074,6. Der Buchwert des Vermögens V 2BW beträgt 5.210; F 2BW = 2.700. Daraus folgt ein Goodwill GW 2 in Höhe von 1.584,6. Eine Goodwillabschreibung in Höhe von Ab 2 (GW) = 1.700 - 1.584,6 = 135,4 ist <?page no="57"?> die Folge. Der Vermögensausweis der neuen Geschäftseinheit am Ende der Periode 2 sieht somit so aus: Goodwill 1.564,6 Eigenkapital 4.074,6 Bilanzvermögen 5.210,0 Fremdkapital 2.700 Summe 6.774,6 Summe 6.774,6 Der investitionstheoretische Wert des Eigenkapitals wird nunmehr wieder korrekt ausgewiesen. Nun soll entgegen der ursprünglichen Planung der Fremdkapitalbestand im Zeitpunkt 3 gesenkt werden. Die neue Geschäftseinheit tilge in Periode 3 Fremdkapital in Umfang von T 3 = 300. Die folgende Tabelle zeigt die Ausschüttungen für die Perioden 3 bis 6 ff., wenn alle anderen Annahmen unverändert bleiben. 1 2 3 4 5 6 ff. (1) Umsatzerlöse 4.400 4.500 4.500 4.500 (2) Betriebliche Aufwendungen 2.904 2.970 2.970 2.970 (3) Abschreibungen 600 650 700 840 (4) Zinsaufwendungen 216 192 192 192 (5) Reinvestitionen 720 780 840 840 (6) Tilgungen 300 - - - (7) Ausschüttungen 260 558 498 498 Nach der Ausschüttung von 260 im Zeitpunkt 3 beträgt der Wert des Eigenkapitals E 3 = 4.203,6. Der Buchwert aller Vermögensgegenstände am Ende der Periode 3 ergibt sich aus Anfangsbestand (5.000) zuzüglich aller Reinvestitionen (1.990) abzüglich der verrechneten Abschreibungen (1.650). V 3BW ist somit 5.330. F 3BW = 2.700 - 300 = 2.400. Der Goodwill GW 3 hat somit einen Wert von 4.203,6 - (5.330 - 2.400) = 1.273,6. Wie gezeigt, ist GW 1 = 1.700. Am Ende der Periode 2 erfolgte eine Goodwillabschreibung in Höhe von 135,4. Am Ende der Periode 3 ist der Goodwill erneut um einen Betrag von 291 abzuwerten: Goodwill 1.273,6 Eigenkapital 4.203,6 Bilanzvermögen 5.330,0 Fremdkapital 2.400 Summe 6.603,6 Summe 6.603,6 Im Ergebnis erfüllt der beim Erwerb eines Unternehmens bezahlte Aufpreis auf das bilanziell bewertete Nettovermögen die Funktion, die Differenz zwischen Wert Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 55 <?page no="58"?> 56 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage und Buchwert des Eigenkapitals in jeder Periode auszugleichen. Diese Funktionserfüllung wird im Beispiel allerdings gehemmt durch das Verbot, Zuschreibungen zum Goodwill vorzunehmen. Ansonsten besorgt die Regelung in der hier interpretierten Weise und unter den unterstellten Annahmen eine dem Unternehmenswert sehr nahe kommende Abbildung des Vermögens des Unternehmens. Dies ist die gute Seite der Regelung. Aus mehreren Gründen kann man bei diesem erfreulichen Ereignis nicht stehen bleiben. Warum dies so ist, ist jetzt zu erläutern. Der FASB geht davon aus, daß das erworbene Unternehmen nicht als solches weitergeführt wird. «Accounting entities usually integrate acquired entities into their operations». 8 Das bedeutet, daß die Vermögensgegenstände und Schulden und somit auch der Goodwill auf die Unternehmensteile des zu erwerbenden Unternehmens zu übertragen sind, «into which an acquired entity is integrated». Diese Einheiten heißen «Reporting Units»; Bedingung ist, daß diese Reporting Units «constitute a business for which discrete financial information is available». Der einfachste Fall einer Zuordnung wäre, wenn Vermögensgegenstände, Schulden und Goodwill des erworbenen Unternehmens 2 vollständig auf Unternehmen 1 übertragen würden. Wie ist nun zu entscheiden, ob der aus dem Erwerb resultierende Goodwill außerplanmäßig abgeschrieben werden muß? FAS 142 schreibt hierfür ein jährlich zu wiederholendes, zweistufiges Prüfverfahren vor: 9 Auf Stufe 1 ist zu prüfen, ob der «Fair Value» der Reporting Unit (RU), das ist der Wert des Eigenkapitals, den Buchwert des Eigenkapitals der RU übersteigt. Trifft dies zu, erfolgt keine Abschreibung des aktivierten Goodwills. Der Impairment-Test, also die Werthaltigkeitsprüfung ist bestanden. Unterschreitet der Fair Value des Eigenkapitals den Buchwert, ist Stufe 2 des Prüfungsverfahrens in Gang zu setzen: Hier ist zu prüfen, ob der implizite Wert des Goodwills (implied fair value of Reporting Unit goodwill) den Buchwertansatz des Goodwills mindestens erreicht oder unterschreitet. Unterschreitet der implizite Wert des Goodwill den Buchwert, muß durch außerplanmäßige Abschreibung auf den Goodwill die Gleichheit beider Werte hergestellt werden: Der Goodwill in Höhe des Buchwertes vor Korrektur gilt als «impaired», also beeinträchtigt. Die außerplanmäßige Abschreibung stellt die Aktivierung des Goodwills zum «Fair Value» wieder her. Das Prüfverfahren sieht also so aus: 8 FASB (2002), FAS 142, S. 2514. 9 FASB (2002), FAS 142, Rz. 18-29. <?page no="59"?> Stufe 1: Ist Fair Value des Eigenkapitals der RU ≥ Buchwert des Eigenkapitals? Als «Fair Value» gilt «the amount at which an asset could be bought in a current transaction between willing parties». ⇓ nein ⇒ ja, kein Impairment Stufe 2: Ist der implizite Wert des Goodwills größer als (bzw. so groß wie) sein Buchwert? ⇓ nein ⇒ ja, kein Impairment Außerordentliche Abschreibung auf den Goodwill, um Buchwert dem impliziten Wert anzupassen. Zunächst ist zu klären, wie der Fair Value der Reporting Units zu ermitteln ist. Da Marktpreise für Reporting Units in aller Regel nicht verfügbar sein werden, hält der FASB «a present value technique», also ein Barwertkalkül für die häufig beste Methode, um den Fair Value zu bestimmen. 10 Dann ist zu klären, was der «implizite Wert des Goodwills» darstellt, der auf Stufe 2 benötigt wird. Dieser implizite Wert ist eine Residualgröße: 11 Man will auf Stufe 2 feststellen, wie hoch der genaue Wertverlust, dessen Existenz auf Stufe 1 angezeigt wurde, ist. Hierzu wird unterstellt, die Eigentumsrechte an den Reporting Units seien zum Testzeitpunkt zu einem Preis, der dem auf Stufe 1 ermittelten Fair Value entspricht, erworben worden. Die Fiktion schließt die Annahme ein, daß der Erwerber auch die Verbindlichkeiten der Reporting Units übernommen hat. Die Summe aus dem Fair Value des Eigenkapitals und dem Wert der Verbindlichkeiten, also der Unternehmensgesamtwert, ist auf die im Testzeitpunkt vorhandenen assets der Reporting Units zuzurechnen. Hierbei sind assets prinzipiell gemäß den Vorschriften zu bewerten, die im Fall eines Neuerwerbes der gesamten Reporting Units gälten; es sind dies die Fair-Value-Regeln der FAS 141 Ziffern 37-39. Eine positive Differenz entspricht dem impliziten Wert des Goodwills. Die Abschreibung auf den Buchwert des Goodwill stellt die Gleichheit zwischen Buchwert und impliziten Wert des Goodwill her. Sollte die Differenz Unternehmensgesamtwert minus Summe der zugerechneten Werte aller assets negativ sein, ist der Buchwert des Goodwills vollständig abzuschreiben. Die Neubewertung der assets erfolgt nur zur Erfüllung des Zweckes des Tests auf Stufe 2. Die alten Buchwerte der assets müssen an die Werte, die im Rahmen der Neuerwerbsfiktion zugerechnet werde, also nicht angepasst werden (FAS 142, Ziff. 21.). 10 FASB (2002), FAS 142, Rz. 24. 11 FASB (2002), FAS 142, Rz. 20-23. Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 57 <?page no="60"?> 58 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Hier soll nicht auf die zahlreichen Zurechnungsprobleme eingegangen werden, die der Impairment-Test aufwirft. Es soll vielmehr erläutert werden, warum die Zuordnung von Vermögensgegenständen, Verbindlichkeiten und Goodwill auf Reporting Units den Ausweis eines investitionstheoretisch richtigen Vermögens viel stärker gefährdet als das oben bereits angetroffene Aufwertungsverbot beim Goodwill. Die Ursache ist, daß die Reporting Units, auf die Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten und Goodwillbestandteile des erworbenen Unternehmens 2 zugerechnet werden (1) eigene originäre (positive oder negative) Goodwills unbekannter Größe im Zeitpunkt der ersten Zurechnung haben und (2) laufend Entscheidungen ab dem Zeitpunkt der Zuordnung treffen, die den eigenen und/ oder den zugerechneten Goodwill beeinflussen. Damit entspricht der Eigenkapitalausweis der Reporting Units bereits im Zeitpunkt der Zuordnung nicht mehr dem investitionstheoretisch richtigen Wert und kein Bilanzleser weiß, ob der gemeinsame Goodwill der Kombination aus Reporting Units vor Zuordnung und der zugerechneten Vermögensteile positiv ist oder nicht und wie weit der Wert des Eigenkapitals vom Buchwert des Eigenkapitals entfernt ist. Daraus darf man den Schluß ziehen, daß ein Versuch, Unternehmensgesamtwerte (oder theoretisch korrekte Werte des Eigenkapitals) bilanziell auszuweisen, zum Scheitern verurteilt ist, wenn nur für Teile des Vermögens - hier Unternehmen 2 - gezahlte Marktpreise aktiviert werden. Angenommen, der originäre, also durch Unternehmen 1 selbst geschaffene Goodwill betrüge im Zeitpunkt des Erwerbs von Unternehmen 2 2.000. Bei einem Verkauf von Unternehmen 1 unter rationalen Investoren («willing parties») wäre ein Preis für die Eigentumsrechte zu erzielen, der um 2.000 über dem Buchwert des Eigenkapitals von Unternehmen 1 liegt. Dieser Goodwill ist nicht aktivierungsfähig. Folglich weist das Bilanzvermögen von Unternehmen 1 vor Erwerb von Unternehmen 2 auch nicht den korrekten Unternehmensgesamtwert aus. Werden nun Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten und Goodwill von Unternehmen 2 auf Unternehmen 1 übertragen, ändert sich an der investitionstheoretisch falschen Darstellung des Vermögens nichts: Es wird um 2.000 zu niedrig ausgewiesen. Man kann daraus folgern, daß man das Prinzip der Bewertung, das für die theoretische Bilanz gilt, generell, d. h. immer und überall anwenden muß, wenn man einen begründbaren, dem Unternehmensgesamtwert nahekommenden Vermögensausweis bewirken will. Ebenso nachteilig wirkt sich aus, daß der nicht aktivierte originäre Goodwill von Unternehmen 1 die Folgebewertung des aktivierten Goodwills des erworbenen Unternehmens 2 zu einem nicht sehr belangvollen (aber hohe Kosten verursachenden) Procedere abwertet. Führt man die Plandaten von Unternehmen 1 und Unternehmen 2 nämlich in der neuen Reporting Unit zusammen, sind Goodwill- Abschreibungen auf den aktivierten Goodwill des Unternehmens 2 erst dann <?page no="61"?> möglich, wenn der originäre Goodwill, über den Unternehmen 1 (vor Erwerb von Unternehmen 2) verfügte, völlig verspielt (abgewirtschaftet) ist. Eine Goodwillabschreibung, die in der GuV separat auszuweisen ist, erfüllt ihre Warnfunktion gegenüber Kapitalgebern also viel zu spät, weil der nicht aktivierte, originäre Goodwill von Unternehmen 1 sich wie eine Nebelbank über den erworbenen Goodwill (von Unternehmen 2) legt und den Blick auf die wahre Lage erst dann preisgibt, wenn der originäre Goodwill völlig aufgezehrt ist - der Nebel sich also lichtet - und Abschreibungen auf den aktivierten Goodwill unausweichlich werden. 3.4 Liquidationsbilanz Die Konstruktionsmerkmale einer Liquidationsbilanz sind im Prinzip einfach: • Aktivum ist jeder Vermögensgegenstand, der bezogen auf den Zeitpunkt der Bilanzerstellung einen positiven Einzelveräußerungspreis (EVP) hat; • Passivum ist jede Auszahlungsverpflichtung, der das Unternehmen, würde es liquidiert, nachzukommen hätte, und das an die Eigentümer fließende Liquidationsresiduum. Auch diese Bilanz hat praktische Bedeutung, wenn geprüft wird, ob und ggf. in welchem Umfang ein Unternehmen bei Einzelliquidation seine Schulden bedienen könnte. Ein Anwendungsfall liegt vor, wenn ein Kreditinstitut prüft, ob es seine ausgegebenen Kredite wegen drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kündigen soll und als Folge der Kündigung damit rechnen muß, daß das Vermögen des Schuldners wegen dessen Insolvenz liquidiert wird. Für das Kreditinstitut ist dann entscheidend, wie die Relation Liquidationsvermögen zu bestehenden Schulden ist und mit welcher Befriedigungsquote es selbst rechnen könnte. Kehren wir zu unserem Beispiel aus Abschnitt 3.2 zurück. Wie sehen die Liquidationsbilanzen für die Zeitpunkte 1, 2 und 3 aus, wenn wir die hier benötigten Einzelveräußerungspreise für die Projekte A, B, C als bereits ermittelt unterstellen? Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 59 <?page no="62"?> 60 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Periode 1 Periode 2 EVP (A) 290 Eigenkapital 1,9 2) EVP (A) 250 Eigenkapital 32 EVP (B) 130 Fremdkapital 418,1 1) EVP (B) 110 Fremdkapital 328 EVP (C) 0 EVP (C) 0 420 420 360 360 Periode 3 EVP (A) 180 Eigenkapital - EVP (B) 40 Fremdkapital 220 3) EVP (C) 0 220 220 1) Das Fremdkapital wird in Höhe des noch zu tilgenden Auszahlungsbetrages angesetzt. Nach der Auszahlung der ersten Annuität (131,90) ist ein Teilbetrag von 81,90 getilgt: 500 - 81,90 = 418,1. 2) Der Wert des Eigenkapitals ergibt sich als Restgröße: Wert aller Aktiva (420) minus Schulden (418,1) ist gleich 1,9 (Eigenkapital). 3) Der Tilgungsanspruch der Gläubiger am Ende der Periode 3 beträgt 228,9. Bei beschränkter Haftung der Gesellschafter ist der Wert der Ansprüche der Gläubiger bei unterstellter Liquidation nur 220. Welche Information über die Liquidität liefert die Liquidationsbilanz? Eine Liquidationsbilanz, die als Aktiva nur einzeln veräußerbare Vermögensgegenstände ausweist und zum EVP am Abschlußstichtag bewertet und Schulden zum Nominalbzw. Barwert ausweist, beantwortet die Frage, inwieweit das Unternehmen bei unterstellter Liquidation seine Schulden unter der Annahme sofortiger Fälligkeit decken könnte. Diese Information kann zunächst für den (die) Unternehmenseigentümer von Bedeutung sein. Die Information lautet, daß die güterwirtschaftliche Liquidität der vorhandenen Vermögensgegenstände ausreicht, um die Schulden unter der Annahme der sofortigen Tilgung am Bilanzstichtag zu decken. Diese Information ist nur von sekundärer Bedeutung, wenn die Fortführung des Unternehmens über den Bilanzstichtag hinaus ökonomisch sinnvoller als eine Liquidation ist. Die von der Liquidationsbilanz gelieferte Information ist auch für Gläubiger von Bedeutung: Sie erhalten eine wichtige Information über die Schuldendeckungsfähigkeit des Schuldners bei verlangter Soforttilgung und Liquidation zum Abschlußstichtag. Wenn die zu EVP bewerteten Vermögensgegenstände des Unternehmens die Schulden übersteigen, erfahren die Gläubiger bei unterstellter sofortiger Fälligkeit aller Schulden keine Kreditausfälle. Diese Information ist für Gläubiger wichtig. <?page no="63"?> Denn die zukünftige Liquidität von Unternehmen ist für Gläubiger häufig nur unter Aufwendung von erheblichen Informationskosten abzuschätzen. Würde die güterwirtschaftliche Liquidität periodisch ausgewiesen und wäre die güterwirtschaftliche Liquidität eines Unternehmens ausreichend zur Schuldendeckung, brauchten sich die Gläubiger um die zukünftige Liquidität des Unternehmens weniger zu kümmern: Sie sparten Kontrollkosten. Erscheint andererseits die künftige Liquidität eines Unternehmens gesichert, sind die Gläubiger an der güterwirtschaftlichen Liquidität des Unternehmens nicht vorrangig interessiert; d. h. eine von den Gläubigern als ausreichend angesehene zukünftige Liquidität des Unternehmens relativiert den Wert der Information, die eine Liquidationsbilanz geben kann. Hier sind allerdings zwei Einschränkungen zu machen: Erstens ist zu klären, woher die Informationen der Gläubiger über die ausreichende zukünftige Liquidität des Kreditnehmers in der Realität kommen sollen und wie ein entsprechendes Informationsinstrument beschaffen sein soll. Zweitens sind Gläubiger i. d. R. vorsichtig und risikoscheu. Diese Haltung ist plausibel, weil die Gläubiger keine Geschäftsführungsbefugnisse haben, weniger gut informiert sind als die kreditnehmenden Unternehmen und weil ihr Erfolg nach oben auf den Zins begrenzt ist, ihr Verlust aber die gesamte Kreditsumme erfassen kann. Die Gläubiger haben somit Anlaß, die güterwirtschaftliche Liquidität des Kreditnehmers nie ganz aus den Augen zu verlieren. Gläubiger tun dies, indem sie ihre Kredite besichern. Eine Kreditsicherheit ist ein Rückgriff auf die güterwirtschaftliche Liquidität des Sicherungsgegenstandes. Übersteigt der Wert (EVP) des Sicherungsgutes den gewährten Kreditbetrag, ist die zukünftige Liquidität des Schuldners zweitrangig. Die Information, die die Liquidationsbilanz liefert, ist somit eng, aber eindeutig und nützlich. 3.5 Fortführungs- oder HGB-Bilanz Wir bezeichnen die HGB-Bilanz auch als Fortführungsbilanz. Sie stellt im Gegensatz zur Liquidationsbilanz nicht auf den Fall der Liquidation ab; § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB bestimmt ausdrücklich, daß bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Zur Kennzeichnung der Konstruktionsmerkmale einer Fortführungsbilanz werden im folgenden die handelsrechtlichen Vorschriften für große Kapitalgesellschaften gewählt. Nur Grundzüge werden dargestellt. Als tendenziell geltendes Aktivierungskriterium wird angesehen, daß aktivierungsfähig bzw. -pflichtig die Positionen sind, die folgende Eigenschaften erfüllen: Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 61 <?page no="64"?> 62 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage • sie gehören wirtschaftlich dem Bilanzierenden; • sie sind selbständig (einzeln) bewertbar; • sie sind selbständig veräußerbar (verkehrsfähig). Nur in der Tendenz gilt dieses Kriterium, weil das Gesetz Ausnahmen zuläßt. Aktivierungsfähig sind z. B. auch die Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes und dessen Erweiterung (§ 269 HGB), der sog. derivative Firmenwert (§ 255 Abs. 4 HGB) und in Form eines Disagios vorweggezahlte Zinsen (§ 250 Abs. 3 HGB). Dies sind Positionen, die als solche i. d. R. nicht selbständig veräußerbar sind. Die Bewertungsvorschriften des HGB differenzieren streng nach der Zugehörigkeit des «Gegenstandes». Für Gegenstände des Anlagevermögens gilt das Anschaffungskostenbzw. Herstellungskostenprinzip und, soweit es sich um abnutzbare Gegenstände handelt, das Gebot der planmäßigen Abschreibung (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB). Außerplanmäßige Abschreibungen (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB) sind bei allen Gegenständen des Anlagevermögens in Ausnahmefällen zulässig bzw. geboten. Für Gegenstände des Umlaufvermögens ist unter den alternativen Werten Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag oder beizulegender Wert am Abschlußstichtag oder antizipierter beizulegender Wert der niedrigste Wert anzusetzen bzw. zulässig (§ 253 Abs. 3 HGB). Tendenziell geltendes Ansatzkriterium für Passiva ist die Zugehörigkeit zu einer der folgenden Positionen: • Gezeichnetes Kapital, Kapital- und Gewinnrücklagen, • «Schulden», • Rechnungsabgrenzungsposten der Passivseite. Insbesondere der Begriff «Schulden» ist zu erläutern: Das HGB unterscheidet Verbindlichkeiten (= sichere Schulden) und Rückstellungen (= vorperiodisierter Aufwand für künftige, in bezug auf Höhe und/ oder Zahlungszeitpunkt unsichere Schulden). Verbindlichkeiten sind zum Rückzahlungsbetrag (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) und Rückstellungen in Höhe des «nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung» notwendigen Betrages (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) anzusetzen. Sie dürfen abgezinst werden, soweit die ihnen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten. Die Bilanz (§ 266 HGB) wird ergänzt durch eine relativ detaillierte Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 HGB) und, soweit es sich um Kapitalgesellschaften handelt, um einen Anhang (§ 284 HGB) bzw. einen Lagebericht (§ 289 HGB), in dem Geschäftsverlauf und Lage der Gesellschaft zu erläutern sind. <?page no="65"?> Die Gliederung der HGB-Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung für Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren sehen so aus: Aktivseite § 266 Abs. 2 HGB Passivseite § 266 Abs. 3 HGB A. Anlagevermögen I. Immaterielle Vermögensgüter 1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte 2. Geschäfts- oder Firmenwert 3. geleistete Anzahlungen II. Sachanlagen 1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken 2. technische Anlagen und Maschinen 3. andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung 4. geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau A. Eigenkapital I. Gezeichnetes Kapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklagen 1. gesetzliche Rücklage 2. Rücklage für eigene Anteile 3. satzungsmäßige Rücklagen 4. andere Gewinnrücklagen IV. Gewinnvortrag/ Verlustvortrag V. Jahresüberchuß/ Jahresfehlbetrag III. Finanzanlagen 1. Anteile an verbundenen Unternehmen 2. Ausleihungen an verbundene Unternehmen 3. Beteiligungen 4. Ausleihungen an Unternehmen mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 5. Wertpapiere des Anlagevermögens 6. sonstige Ausleihungen B. Umlaufvermögen I. Vorräte 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 2. unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen 3. fertige Erzeugnisse und Waren 4. geleistete Anzahlungen I. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände 1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen 3. Forderungen gegen Unternehmen mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 4. sonstige Vermögensgegenstände B. Rückstellungen 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen 2. Steuerrückstellungen 3. sonstige Rückstellungen C. Verbindlichkeiten 1. Anleihen, davon konvertibel 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 3. erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 63 <?page no="66"?> 64 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage III. Wertpapiere 1. Anteile an verbundenen Unternehmen 2. eigene Anteile 3. sonstige Wertpapiere IV. Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten C. Rechnungsabgrenzungsposten 8. sonstige Verbindlichkeiten, davon aus Steuern, davon im Rahmen der sozialen Sicherheit D. Rechnungsabgrenzungsposten Gesamtkostenverfahren § 275 Abs. 2 HGB Umsatzkostenverfahren § 275 Abs. 3 HGB 1. Umsatzerlöse 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 3. andere aktivierte Eigenleistungen 4. sonstige betriebliche Erträge 5. Materialaufwand a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren b) Aufwendungen für bezogene Leistungen 6. Personalaufwand a) Löhne und Gehälter b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung 7. Abschreibungen a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen sowie auf aktivierte Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten 8. sonstige betriebliche Aufwendungen = Betriebsergebnis 1) 9. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 10. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 1. Umsatzerlöse 2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen 3. Bruttoergebnis vom Umsatz 4. Vertriebskosten 5. allgemeine Verwaltungskosten 6. sonstige betriebliche Erträge 7. sonstige betriebliche Aufwendungen = Betriebsergebnis 1) 8. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 9. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen <?page no="67"?> 11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundenen Unternehmen = Finanzergebnis 1) 14. Ergebnis der gewöhnl. Geschäftstätigkeit 15. außerordentliche Erträge 16. außerordentliche Aufwendungen 17. außerordentliches Ergebnis 18. Steuern vom Einkommen und Ertrag 19. sonstige Steuern 20. Jahresüberschuß/ -fehlbetrag 10. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 11. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundenen Unternehmen = Finanzergebnis 1) 13. Ergebnis der gewöhnl. Geschäftstätigkeit 14. außerordentliche Erträge 15. außerordentliche Aufwendungen 16. außerordentliches Ergebnis 17. Steuern vom Einkommen und Ertrag 18. sonstige Steuern 19. Jahresüberschuß/ -fehlbetrag 1) Es handelt sich um eine nützliche Zusammenfassung, die nicht vom HGB vorgeschrieben ist. Wir wollen das in Abschnitt 3.2 begonnene Beispiel wieder aufnehmen, um die Konzeption der Fortführungsbilanz zu erläutern. Für die Projekte A, B, C gelte, daß sie aktivierungspflichtig sind, daß die Nutzungsdauern 6 bzw. 5 bzw. 4 Perioden betragen und daß die Anschaffungskosten linear abgeschrieben werden. Unter Benutzung der sonstigen Daten des Beispiels erhalten wir für die Perioden 1, 2 und 3 die folgenden Jahresüberschüsse, Kassenüberschüsse und Bilanzsummen. Periode 1 Gewinn und Verlust Bilanz Ergebnis vor Abschreibungen Abschreibungen Zinsen 181,90 100 50 A B C Kasse 250 120 60 18,10 Eigenkapital Gewinnrücklagen Fremdkapital 30 - 418,10 Jahresüberschuß 31,90 1) 448,10 448,10 1) Der Jahresüberschuß wird voll ausgeschüttet. Kassenrechnung Ergebnis vor Abschreibungen Zinsen Tilgungen Ausschüttung 181,90 50 81,90 31,90 Kassenüberschuß 18,10 Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 65 <?page no="68"?> 66 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Periode 2 Gewinn und Verlust Bilanz Ergebnis vor Abschreibungen Abschreibungen Zinsen 181,90 100 41,81 A B C Kasse 200 90 40 28,01 2) Eigenkapital Gewinnrücklagen Fremdkapital 30 - 328,01 Jahresüberschuß 40,09 358,01 358,01 Kassenrechnung Ergebnis vor Abschreibungen Zinsen Tilgungen Ausschüttung 181,90 41,81 90,09 40,09 Kassenüberschuß 9,91 2) Von zinstragenden Finanzanlagen wird zur Vereinfachung abgesehen. Periode 3 Gewinn und Verlust Bilanz Ergebnis vor Abschreibungen Abschreibungen Zinsen 241,90 100 32,80 A B C Kasse 150 60 20 28,91 Eigenkapital Gewinnrücklagen Fremdkapital 30 - 228,91 Jahresüberschuß 109,10 258,91 258,91 Kassenrechnung Ergebnis vor Abschreibungen Zinsen Tilgungen Ausschüttung 241,90 32,80 99,10 109,10 Kassenüberschuß 0,90 Betrachten wir die Periode 1. Wir nehmen an, daß die Ertragsüberschüsse (vor Abschreibungen) der Periode 1 den Nettoeinzahlungen (vor Zinsen und Tilgungen) gleich sind. Verkürzen wir diese um die Abschreibungen (300 : 6 = 50; 150 : 5 = 30; 80 : 4 = 20) und um die Zinsen (0,1 · 500 = 50), erhalten wir den Jahresüberschuß von 31,90. Die Kassenrechnung zeigt die Veränderung des Kassenbestandes in der Periode, wenn der Jahresüberschuß ausgeschüttet wird. Die Bilanz zeigt die um die Abschreibungen verkürzten Anschaffungskosten der Projekte A, B, C und den <?page no="69"?> Kassenbestand, der aus Vereinfachungsgründen nicht zinstragend angelegt wird. Die Passivseite zeigt die um die Tilgung (81,90) verkürzten Verbindlichkeiten und das nominelle Eigenkapital (30). Dieses bleibt unverändert, da der Jahresüberschuß voll ausgeschüttet wird. Welche Informationen geben die Fortführungsbilanzen über die Liquidität des Unternehmens? Die HGB-Bilanz mißt die güterwirtschaftliche Liquidität offenbar nicht. Diese Meßleistung erbringt die Liquidationsbilanz. Die HGB-Bilanz mißt auch die zukünftige Liquidität nicht; diese Meßleistung erbringt die theoretische Bilanz. Was also mißt die HGB-Bilanz, die Fortführungsbilanz? Sie scheint auf den ersten Blick den beiden anderen Konzeptionen klar unterlegen, da weder ihre Bilanzsumme noch der Betrag des ausgewiesenen Eigenkapitals eine eindeutige ökonomische Interpretation zuläßt. Beim Eigenkapital könnte man im Beispiel allenfalls anführen, daß es der Betrag ist, den die Eigentümer im Zeitpunkt der Errichtung aufgebracht haben. Dieses Interpretationsproblem gilt auch für reale HGB-Bilanzen; es taucht nicht nur im Beispiel auf. Fortführungsbilanzen messen die güterwirtschaftliche Liquidität eines Unternehmens aus mehreren Gründen nicht: • Die Bewertung des Anlagevermögens ist mit Absicht gelöst von den am Markt bei Einzelveräußerung erzielbaren Erlösen. • Die Bilanz enthält Aktiva, die bei Liquidation u. U. keine positiven Erlöse erzielen: aktivierte Ingangsetzungskosten, ein aktiviertes Disagio, eigene Aktien etc. • Die Bilanz enthält Aktiva, über die das Unternehmen bei Liquidation nicht verfügen darf, weil ihm die Gegenstände nur «wirtschaftlich», nicht aber juristisch gehören: unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Rohstoffe, bestimmte über Finanzierungs-Leasing-Verträge beschaffte Vermögensgegenstände, sicherungsübereignete Anlagen etc. • Die Bilanz enthält einerseits Passivpositionen, die keine erzwingbaren Ansprüche Dritter darstellen (Kulanzrückstellungen, Rückstellungen für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung). Sie enthält andererseits «Schulden»-Positionen nicht oder jedenfalls nicht zwingend: alte, vor dem 1.1.1987 zugesagte Pensionsverpflichtungen müssen nicht passiviert werden. • Passivpositionen sind nicht generell zu ihrem ökonomischen Wert angesetzt. Eine unverzinsliche, in 10 Jahren fällige Verbindlichkeit ist zu ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen (§ 253 Abs. 1 HGB); ihr ökonomischer Wert ist indessen niedriger. Wie steht es mit der Informationsleistung der HGB-Bilanz hinsichtlich der zukünftigen Liquidität? Ideale Leistungen erbringt, wie oben gezeigt, die theoreti- Darstellung der Liquiditätslage durch Bilanzen · 67 <?page no="70"?> 68 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage sche Bilanz; jedenfalls gilt dies unter vereinfachten Bedingungen. Vergleicht man die Fortführungsbilanz mit der theoretischen Bilanz, schneidet erstere nicht gut ab. Ein Vergleich der Bilanzsummen und Eigenkapitalpositionen für unser Beispiel zeigt dies. Das bedeutet, daß Fortführungsbilanzen so einfache und überzeugende Signale wie die theoretische Bilanz bezüglich des Unternehmensgesamtwertes, des Wertes des Eigenkapitals und der künftigen Liquidität nicht geben können. Das bedeutet noch nicht, daß handelsrechtliche Bilanzen keine Informationen bezüglich des Zahlungsvermögens von Unternehmen liefern. Welche Informationen sie ggf. liefern, ist im folgenden zu untersuchen. Dabei wird der folgende Weg eingeschlagen: Wir betrachten verschiedene Cashflow-Definitionen, wir greifen auf die Beziehungen zwischen Aufwands- und Ertragsrechnung und Zahlungsrechnung zurück, wir nutzen den Informationsgehalt der Gewinn- und Verlustrechnung und entwickeln ein für die Finanzplanung geeignetes mehrstufiges Cashflow-System. 4 Cashflow-Definitionen 4.1 Vorbemerkungen Präzise Rechnungen zur Messung künftiger Liquidität arbeiten mit Ein- und Auszahlungen. Bilanzielle Rechnungen operieren mit Erträgen und Aufwendungen, die sich zwar auf Einbzw. Auszahlungen zurückführen lassen, aber nicht mit diesen identisch sind. Die «Verwerfungen» zwischen beiden Rechnungen, die uns bereits im 2. Kapitel beschäftigt haben, werden jetzt noch einmal aufgegriffen. Die Unterschiede zwischen beiden Rechnungen sind herauszuarbeiten, um den Saldo zwischen Erträgen und Aufwendungen, den Jahresüberschuß, in eine Zahlungsgröße (Cashflow) transformieren zu können. Die relevanten Beziehungen sind in den Abb. 3.1 und 3.2 dargestellt. Abb. 3.1 verdeutlicht die Beziehungen zwischen Auszahlungen und Aufwendungen, Abb. 3.2 die Beziehungen zwischen Einzahlungen und Erträgen. In Abb. 3.1 tauchen je zweimal die Bezeichnungen nachbzw. vorperiodisierter Aufwand auf. Dies ist kein Versehen, wie sich aus der gleich darzustellenden Matrix ergibt. <?page no="71"?> Periodenaufwand, Auszahlung späterer Perioden (z.B. Rückstellungsbildung); vorperiodisierter Aufwand. Periodenaufwand, Auszahlung früherer Perioden (z.B. Abschreibung); nachperiodisierter Aufwand. Aufwandsgleiche Auszahlung (z.B. Löhne, Zinsaufwand). Auszahlung, Aufwand einer späteren Periode; führt zu nachperiodisiertem Aufwand (z.B. Auszahlung für Anlage, die in künftigen Perioden abgeschrieben wird). Auszahlung, Aufwand einer früheren Periode (vorperiodisierter Aufwand; z.B. Auszahlung aus Rückstellung). Auszahlungen, die unter bestimmten Bedingungen nie Aufwand werden (z.B. Grundstückskäufe, Erwerb von Beteiligungen). Tilgungszahlungen an Gläubiger. Ausschüttungen bzw. Kapitalrückzahlungen an Eigentümer. 1 2 3 4 5 6 Auszahlungen der Periode 6 7 Aufwendungen der Periode 8 Abbildung 3.1: Beziehungen zwischen Auszahlungen und Aufwendungen einer Periode (entspricht Abbildung 1.4 in Kapitel 1.3) Periodenertrag, Einzahlungen einer früheren Periode (z.B. Kundenanzahlung); nachperiodisierter Ertrag. Periodenertrag, Einzahlungen einer späteren Periode (z.B. Forderungen aus Zielverkäufen); vorperiodisierter Ertrag. Ertragsgleiche Einzahlung (z.B. in der gleichen Periode bezahlte Verkäufe). Einzahlung, Ertrag einer früheren Periode; (vorperiodisierter Ertrag; Eingang von in Vorperioden entstandenen Forderungen). Einzahlung, Ertrag einer späteren Periode; führt zu nachperiodisiertem Ertrag (z.B. Kundenanzahlungen). Einzahlungen, die nicht Ertrag sind (Einzahlung aus Grundstücksverkauf in Höhe der Anschaffungskosten, Rückzahlung aus gewährtem Kredit). Einzahlungen durch Gläubiger. Einzahlungen durch Eigentümer (Eigenkapitalzuführungen). 1 2 3 4 5 6 Einzahlungen der Periode 6 7 Erträge der Periode 8 Abbildung 3.2: Beziehungen zwischen Einzahlungen und Erträgen der Periode (entspricht Abbildung 1.5 in Kapitel 1.3) Cashflow-Definitionen · 69 <?page no="72"?> 70 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Wenn man von den Auszahlungen der Periode, die nie Aufwand sind bzw. werden, absieht - das sind • Ausschüttungen und Kapitalrückzahlungen an Eigentümer, • Tilgungszahlungen an Gläubiger, • sonstige i. d. R. erfolgsneutrale Auszahlungen wie Grundstückskäufe, Beteiligungserwerb etc. - sind folgende Beziehungen von Bedeutung: Auszahlungen der Periode t Auszahlungen einer früheren Periode t - 1, t - 2 ,...., t - n Auszahlungen einer späteren Periode t + 1, t + 2,...., t + m Aufwand der Periode t aufwandsgleiche Auszahlung in bezug auf die Auszahlung nachperiodisierter t - Aufwand (Abschreibung) in bezug auf die Auszahlung vorperiodisierter t - Aufwand (Rückstellungsbildung) Aufwand einer früheren Periode t - 1, t - 2 ,...., t - n vorperiodisierter Aufwand Aufwand einer späteren Periode t + 1, t + 2,...., t + m nachperiodisierter Aufwand Wie sich aus der Matrix ergibt, erfolgt die Nachbzw. Vorperiodisierung in bezug auf Auszahlungen verschiedener Perioden. Die Bildung einer Rückstellung, bspw. für einen gegen das Unternehmen angestrengten Prozeß wegen einer (behaupteten) Patentverletzung, ist vorperiodisierter Aufwand dieser Periode in bezug auf eine in einem zukünftigen Geschäftsjahr u.U. zu leistende Auszahlung. Eine Auszahlung in der jetzigen Periode aus einem Grund, der in einer früheren Periode bereits zu einer Rückstellungsbildung führte (z. B. Auszahlung wegen eines vom Unternehmen verlorenen Prozesses), war in einer früheren Periode, in bezug auf die jetzt erfolgende Auszahlung vorperiodisierter Aufwand. Anders formuliert: Es gibt einmal Auszahlungen für verlorene Prozesse in Periode t, die aufwandsmäßig schon in früheren Perioden erfaßt wurden. Es gibt zum anderen Aufwendungen der Periode t bedingt durch Prozeßrückstellungen, die möglicherweise in einer späteren Periode zu Auszahlungen führen. In beiden Fällen liegt in bezug auf die Auszahlung vorperiodisierter Aufwand vor. In Abb. 3.2 ist je zweimal die Bezeichnung vorbzw. nachperiodisierter Ertrag enthalten. Wiederum liegt kein Versehen vor. Wenn man von den Einzahlungen der Periode, die nie Ertrag sind bzw. werden, absieht - das sind <?page no="73"?> • Eigenkapitalzuführungen, • Fremdmittelzuführungen, • sonstige, i. d. R. erfolgsneutrale Einzahlungen wie Einzahlungen aus Grundstücksverkäufen, soweit die aktivierten Anschaffungskosten nicht überschritten werden, etc. - sind folgende Beziehungen von Bedeutung: Einzahlungen der Periode t Einzahlungen einer früheren Periode t - 1, t - 2, ...., t - n Einzahlungen einer späteren Periode t + 1, t + 2, ...., t + m Ertrag der Periode t ertragsgleiche Auszahlung in bezug auf die Einzahlung nachperiodisierter t - Ertrag in bezug auf die Einzahlung vorperiodisierter t - Ertrag Ertrag einer früheren Periode t - 1, t - 2, ...., t - n vorperiodisierter Ertrag Ertrag einer späteren Periode t + 1, t + 2, ...., t + m nachperiodisierter Ertrag Wie sich aus der Matrix ergibt, erfolgt die Nachbzw. Vorperiodisierung in bezug auf Einzahlungen verschiedener Perioden. Die Begleichung einer Rechnung vom 5.11. des Vorjahres durch einen Kunden am 15.2. des Folgejahres ist eine Einzahlung dieses Jahres, aber ein Ertrag des Vorjahres und somit ein in bezug auf die Zahlung vorperiodisierter Ertrag. Eine am 28.12. empfangene Kundenzahlung ist eine Einzahlung der Periode. Wird das Produkt erst am 30.10. des folgenden Geschäftsjahres geliefert und in Rechnung gestellt, liegt ein in bezug auf die Zahlung nachperiodisierter Ertrag vor. Diese Überlegungen werden im folgenden Abschnitt benötigt: es geht darum, die Grenzen häufig benutzter Cashflow-Definitionen zu erkennen. 4.2 Häufig benutzte Cashflow-Definitionen Der Begriff Cashflow wird häufig benutzt. Ganz verschiedene Definitionen bevölkern die Literatur. Das erleichtert das Verständnis nicht. Die Definitionen unterscheiden sich - in der Abgrenzung der Bereiche, für die der Cashflow ermittelt werden soll: • Cashflow der Kerngeschäfte des Unternehmens, • Cashflow aller Kerngeschäfte und Nebenaktivitäten, • Cashflow aller Kerngeschäfte, Nebenaktivitäten und Finanzanlagen; Cashflow-Definitionen · 71 <?page no="74"?> 72 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage - in der Nachhaltigkeit, mit welcher der Cashflow in Zukunft erwartet werden kann: • alle Cashflow-Wirkungen werden erfaßt, • Cashflow-Wirkungen außerordentlicher Geschäfte (Verkauf von Grundstükken oder Flugzeugen, Sale-and-Lease-Back-Geschäfte) werden eliminiert; - im Ausschluß der Auswirkungen der Kapitalstruktur bzw. der Finanzierung des Unternehmens: • Cashflow unter Einbezug von Zinsen, Tilgungen, Pensionszahlungen etc., • Cashflow unter Ausschluß von Zinsen, Tilgungen, Pensionszahlungen (Cashflow bei unterstellter Eigenfinanzierung); - unter steuerlichen Aspekten: • Cashflow vor Steuerzahlungen, • Cashflow nach Steuerzahlungen; - in der Abgrenzung der Außenfinanzierung: • Cashflow unter Einbeziehung aller Außenfinanzierungsbeziehungen: Zinsen, Tilgungen, Ausschüttungen, Kapitalrückzahlungen, Kreditaufnahmen, Kapitalerhöhungen etc., • Cashflow unter Ausschluß aller Mittelaufnahmen im Wege der Außenfinanzierung. Gemäß einer verbreiteten Aufgabenstellung soll der Cashflow die einem Unternehmen im Laufe eines Geschäftsjahres zugeflossenen Nettoeinzahlungen erfassen, soweit diese aus den Produktions- und Absatztätigkeiten des Unternehmens stammen (operativer Cashflow). Zahlungsbewegungen zwischen Unternehmen und den Finanzierungsmärkten, d. h. den Eigenbzw. Fremdmittelgebern, werden - von Zinszahlungen an Gläubiger abgesehen - also nicht erfaßt. Nicht erfaßt werden auch Auszahlungen für Investitionen. Diese Definitionen starten in aller Regel mit der Größe Jahresüberschuß. Betrachten wir einige verbreitete Definitionen: • Definition 1 (rudimentärster Cashflow) Cashflow = Jahresüberschuß + Abschreibungen Begründen wir zunächst die Korrektur des Jahresüberschusses um die Größe Abschreibungen. Abschreibungen sind in bezug auf die zugehörige Auszahlung nachperiodisierte Aufwendungen, führen somit im Jahr des Ansatzes nicht zu Auszahlungen. Sie werden daher, weil eine Nettoeinzahlung ermittelt werden soll, dem Jahresüberschuß, den sie zuvor verkürzt haben, hinzugefügt. Diese Korrektur ist gemäß Abbildung 3.1 begründet. Sie ist zugleich ganz unzureichend, weil sie die übrigen Informationen der Abbildung 3.1 nicht beachtet. <?page no="75"?> • Definition 2 (rudimentärer Cashflow) Cashflow = Jahresüberschuß + Abschreibungen + Zuführungen zu Pensionsrückstellungen + ggf. Zuführungen zu Garantierückstellungen Diese Definition ist besser als Definition 1. Rückstellungszuführungen haben in HGB-Jahresabschlüssen ein erhebliches Gewicht. Nicht selten übersteigen sie die Position Abschreibungen. Da es sich um vorperiodisierten Aufwand handelt, der nicht auszahlungsgleich in der betrachteten Periode ist, ist die Korrektur angebracht. • Definition 3 (verbesserte Version) Cashflow = Jahresüberschuß + Aufwendungen, die nicht Auszahlungen der gleichen Periode sind, - Erträge, die nicht Einzahlungen der gleichen Periode sind. Diese Definition führt zu einer vollständigeren Erfassung des Mittelvolumens, das dem Unternehmen in der abgelaufenen Periode zugeflossen ist. Unter Rückgriff auf die Abbildungen 3.1 und 3.2 erfassen die Korrekturen dieser Definition auch die Felder 7 und 8. Zugleich ist diese Definition noch zu eng: Sie korrigiert den Jahresüberschuß nur um die Aufwandspositionen, die nicht Auszahlung sind, und nur um die Ertragspositionen, die nicht Einzahlung sind. Sie berücksichtigt nicht die Ein- und Auszahlungen aus laufender Betriebstätigkeit, die nicht Aufwand und Ertrag der Periode sind, die folglich durch Aufwands- und Ertragskorrekturen nicht erfaßt werden können. Dies entspricht den Feldern 4 und 5 der Abbildungen 3.1 und 3.2. Wegen der Nichtbeachtung von Einzahlungen im operativen Bereich, die nicht Ertrag der Periode sind und der Nichtberücksichtigung von Auszahlungen, die nicht Aufwand sind, ist eine vollständige Definition erst mit Definition 4 erreicht: • Definition 4: Cashflow = Jahresüberschuß + Aufwendungen, die nicht Auszahlungen der gleichen Periode sind, - Erträge, die nicht Einzahlungen der gleichen Periode sind, + Einzahlungen aus laufender Betriebstätigkeit, die nicht Ertrag der gleichen Periode sind («wegperiodisierte» Einzahlungen), - Auszahlungen aus laufender Betriebstätigkeit, die nicht Aufwand der gleichen Periode sind («wegperiodisierte» Auszahlungen). In Anlehnung an den Jahresabschluß für große Kapitalgesellschaften ergeben sich die bei Definition 4 notwendigen Korrekturen des Jahresüberschusses aus der Tabelle 3.3. Cashflow-Definitionen · 73 <?page no="76"?> 74 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Cashflow I. Jahresüberschuß II. + Aufwendungen, die nicht Auszahlungen der Periode sind (1) Abschreibungen, Wertberichtigungen (2) Zuführungen zu Rückstellungen - für Pensionen - für andere Zwecke (3) Verminderung der Bestände an RHB-Stoffen (4) Abschreibung auf Bestände an Halb- und Fertigfabrikaten (5) Einstellung in Pauschalwertberichtigungen (PWB) auf Forderungen (6) Einstellung in Sonderposten mit Rücklageanteil (SR) (7) Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des AV und UV (8) Verminderung der RAP der Aktivseite (9) Verminderung geleisteter Anzahlungen (10) Erhöhung des Bestandes an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen III. - Erträge, die nicht Einzahlungen der Periode sind (1) Erhöhung der Bestände an Halb- und Fertigfabrikaten (2) Erhöhung des Bestandes an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (3) Zuschreibungen zu Gegenständen des AV und UV (4) Erträge aus anderen aktivierten Eigenleistungen (5) Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen (6) Erträge aus der Auflösung von SR (7) Erträge aus der Herabsetzung der PWB auf Forderungen (8) Verminderung von in Vorperioden erhaltenen Anzahlungen (9) Verminderung der RAP der Passivseite IV. + Einzahlungen, die nicht Ertrag der Periode sind (1) Erhöhung des Bestandes an erhaltenen Anzahlungen (2) Verminderung des Bestandes an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (3) Erhöhung der RAP der Passivseite V. - Auszahlungen, die nicht Aufwand der Periode sind (1) Erhöhung der Bestände an RHB-Stoffen (2) Erhöhung des Bestandes an geleisteten Anzahlungen (3) Verminderung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (4) Auszahlungen zu Lasten früher gebildeter Rückstellungen (5) Erhöhung der RAP der Aktivseite (6) Verminderung der PWB auf Forderungen durch Inanspruchnahme I. + II. + III. + IV. + V. = Cashflow i. S. v. Definition 4 Tabelle 3.3: Notwendige Korrekturen des Jahresüberschusses, um den Cashflow der Periode i. S. v. Definition 4 herzuleiten <?page no="77"?> Diese Aufstellung ist erläuterungsbedürftig. Dies gilt weniger für die Position II. (1) Abschreibungen oder II. (7) Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens, sondern insbesondere für die in der Aufstellung enthaltenen Veränderungen von Beständen. Warum z. B. enthält die Aufstellung in III. (1) eine Erhöhung der Bestände an Halb- und Fertigfabrikaten? Warum enthält sie in II. (10) eine Erhöhung des Bestandes an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen? Betrachten wir die Wirkungen einer Erhöhung der Bestände an Halb- und Fertigfabrikaten. Das Unternehmen produziert z. T. auf Lager. Bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens erfassen die Aufwendungen einer Periode auch die durch die Bestandserhöhungen ausgelösten Aufwendungen. Im Gegenzug werden Erhöhungen der Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen mit ihren Herstellungskosten den Umsatzerlösen hinzugerechnet (vgl. § 275 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Den Bestandserhöhungen entsprechende Einzahlungen liegen jedoch in der betrachteten Periode nicht vor. Folglich muß die Erhöhung der Bestände bei der Ermittlung des Cashflow als Minusposten abgezogen werden, wenn vom Jahresüberschuß ausgegangen wird. Betrachten wir eine Erhöhung des Bestandes an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Eine Erhöhung bedeutet, daß vermehrt Käufe von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen bzw. Waren auf Ziel getätigt wurden. Eine Zahlungswirkung liegt in der betrachteten Periode nicht vor. Eine Erhöhung des Cashflow gemäß II. (10) wäre insoweit nicht zutreffend. Nun wird in V. (1) eine Erhöhung der Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen als Cashflow-mindernd erfaßt. Beide Positionen heben sich somit auf. Im Ergebnis wird eine Zahlungswirkung von Null ausgewiesen. Die folgende Aufstellung erläutert den Zusammenhang zwischen Bestandsveränderungen, Zahlungswirkungen und Wirkungen i. S . d. Cashflow-Definition (Tabelle 3.4). Cashflow-Definitionen · 75 <?page no="78"?> 76 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Bestände Veränderung Grund Aufwand; Ertrag Zalungswirkung Wirkung im System RHB-Stoffe a. Erhöhung b. Verminderung a 1 Kauf auf Ziel a 2 Kauf gegen bar - - - - keine ja - V(1)+II(10)= 0 - V(1) b 1 Verbrauch b 2 Abschreibung A A - - keine keine + II(3) + II(3) Halb- und Fertigfabrikate a. Erhöhung b. Verminderung a 1 Prod. auf Lager b 1 Verkauf bar - - E 2) E keine ja Δ I - III(1) = 0 Δ I b 2 Verkauf auf Ziel b 3 Abschreibung - A E _ keine keine Δ I - III(2) = 0 - Δ I + II(4) = 0 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen a. Erhöhung a 1 Verkauf auf Ziel - E keine Δ I - III(2) = 0 b. Verminderung A - - - b 1 Abschreibung b 2 Zahlung geht ein keine ja - Δ I + II(5) = 0 + IV(2) Verbindlichkeiten aus Lieferungen u. Leistungen a. Erhöhung a 1 Kauf auf Ziel - - keine II(10) - V(1) = 0 b. Verminderung b 1 Zahlung erfolgt - - ja - V(3) geleistete Anzahlungen a. Erhöhung a 1 Anz. für Geg. des UV wird geleistet - - ja - V(2) b. Verminderung b 1 VG, für den Anz. geleistet wurde, geht zu - - keine II(9) - V(1) = 0 erhaltene Anzahlungen a. Erhöhung a 1 Anz. geht zu - - ja + IV(1) b. Verminderung b 1 Lieferung d. VG, für den Anz. einging, erfolgt - E keine Δ I - III(8) = 0 aktivische RAP a. Erhöhung a 1 Ausz. vor AST 1) , die Aufwand f. eine bestimmte Zeit danach ist - - ja - V(5) b. Verminderung b 1 Vorperiodenausz. wird Aufwand A - keine - Δ I + II(8) = 0 passivische RAP a. Erhöhung a 1 Einz. Vor AST 1) , die Ertrag für eine bestimmte Zeit danach ist - - ja v + N(3) b. Verminderung b 1 Vorperiodeneinz. wird Ertrag - E keine Δ I - III(9) = 0 1) AST = Abschlußstichtag 2) Nur im Gesamtkostenverfahren Tabelle 3.4: Erläuterung des Berechnungssystems für den Cashflow i. S. d. Definition 4 <?page no="79"?> Die so ermittelte Cashflow-Ziffer zeigt die Einzahlungen an, die das Unternehmen während der Berichtsperiode ohne Inanspruchnahme der Finanzierungsmärkte aus laufender Betriebstätigkeit (operativer Bereich, Nebenaktivitäten, Finanzanlagen etc.) erzielt hat. Gelegentlich wird vorgeschlagen, den errechneten Betrag um die auf die Vorzugsaktien zu entrichtende (Vorzugs-)Dividende oder überhaupt um die geplante Ausschüttung zu kürzen. Diese Netto-Cashflow-Ziffer gibt dann den Betrag an, der dem Unternehmen zur Schuldentilgung und zur Investitionsfinanzierung in der abgelaufenen Periode zur Verfügung stand bzw. steht. Nun ist die Cashflow-Ziffer im Sinne von Definition 4, die ausgehend vom Jahresüberschuß die Nettoeinzahlung mittels der in Tabelle 3.3 aufgelisteten Korrekturen ermittelt, korrekt. Aber sie ist für Planungszwecke, d. h. für vorausschauende Cashflow-Schätzungen, nicht recht geeignet. Außerdem ist sie zu undifferenziert. Sie macht nicht erkennbar, wo der Cashflow herkommt, wo m. a. W. die Quellen der Cashflow-Generierung liegen. Das aber ist wichtig, weil das Management den Cashflow steuern muß; folglich muß man an einer Planungsrechnung erkennen können, welche Kernbereiche Cashflow-stark sind und welche nicht, ob Nebenaktivitäten Cashflow generieren oder nur Hobbys sind, die die Eigentümer viel Geld kosten, welchen Cashflow-Beitrag die Finanzanlagen leisten, wie sich also der gesamte Cashflow des Unternehmens zusammensetzt. Ein solches leistungsfähigeres Cashflow-System wollen wir jetzt vorstellen. 5 Eine planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung 5.1 Konzept Die hier vorgeschlagene Systematik hat folgende Eigenschaften: • Sie zäumt das Pferd nicht von hinten auf, indem sie vom Jahresüberschuß ausgehend sich mehr oder weniger mühsam, die Korrekturen der Tabelle 3.3 nutzend, zum Cashflow vorkämpft. Sie beginnt vielmehr dort, wo die Hauptquelle des Cashflow liegt, nämlich bei den Umsatzerlösen. • Sie verzichtet darauf, den Cashflow als undifferenziertes Sammelsurium ganz verschiedener Cashflow-Quellen auszuweisen, in dem Cashflow-Beiträge aus Kerngeschäften, Nebenaktivitäten, Finanzanlagen oder Beteiligungen kaum mehr erkennbar sind. Die vorgeschlagene Systematik differenziert deutlich nach der Herkunft des Cashflow. • Sie zerlegt die Cashflow-Ermittlung in mehrere Teilbereiche (Segmente): (1) den Einzahlungsüberschuß (Auszahlungsüberschuß) aus dem operativen Bereich, den Kerngeschäften; Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 77 <?page no="80"?> 78 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage (2) den Einzahlungsüberschuß (Auszahlungsüberschuß) der Finanzanlagen (Erträge aus Beteiligungen, Erträge aus Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, Zinsen und ähnliche Erträge i. S. d. GuV-Positionen § 275 Abs. 2 Nr. 9, 10, 11); (3) die Ein- und Auszahlungen, die durch Finanzierungsentscheidungen des Managements in früheren Perioden festgelegt sind; (4) die Ein- und Auszahlungen, die das Management in der Planungsperiode bereits ausgelöst hat bzw. auszulösen plant. Die Zerlegung in diese Teilbereiche erhöht die Steuer- und Analysemöglichkeiten für das Management selbst sowie für Anlageberater, Kreditinstitute und Investoren, die sich für die Herkunft und Zusammensetzung des Cashflows interessieren. • Dieses Cashflow-System will denn auch mehr erreichen als die übliche Aufgabenbeschreibung. Diese lautet, daß der Cashflow aus Produktions- und Absatztätigkeit errechnet werden soll. Wir wollen davon absehen, daß die Cashflow-Definitionen 1 bis 4, die oben betrachtet wurden, diese Aufgabe nicht erfüllen. Das hier präsentierte Cashflow-System erfüllt diese Aufgabe: Ergebnis des ersten Segmentes ist der Cashflow aus dem (den) Kerngeschäft(en) des Unternehmens. Wir werden diese Größe als operativen Cashflow nach Steuern (Net Operating Cashflow, NOCF) bezeichnen. Im zweiten Segment wird der Cashflow-Beitrag aus Finanzanlagen abgebildet. Weitere Segmente könnten für Nebenaktivitäten des Unternehmens gebildet werden. Im dritten Segment werden die Cashflow-Belastungen, die aus Finanzierungsentscheidungen der Vergangenheit herrühren, erfaßt. Damit werden die Auswirkungen der Finanzierungsseite, der Kapitalstruktur des Unternehmens vom NOCF abgegrenzt: Sie können den NOCF nicht beeinflussen. Das ist, wie wir noch sehen werden, ein erheblicher Vorteil. Im letzten Segment schließlich werden die finanziellen Wirkungen der Entscheidungen abgebildet, die das Management in der laufenden Periode trifft bzw. zu treffen plant: Auszahlungen für Investitionsprojekte, Dividendenzahlungen, Aufnahme von Eigenkapital, Krediten, Gesellschafterdarlehen etc. Hier wird der Bereich der Außenfinanzierung erfaßt. Ergebnis aller vier Segmente ist dann auch der Cashflow nach Außenfinanzierungsmaßnahmen, nach Reinvestition, nach Ausschüttung. Da die Cashflow-Verwendung somit in dem System abgebildet wird, muß das Ergebnis unter dem Strich der Veränderung des Kassenbestandes in der Periode entsprechen. <?page no="81"?> Tabelle 3.5 stellt das neue Cashflow-System dar. 12 Netto-Umsatzerlöse - Materialaufwand - Löhne und Gehälter, einschl. soziale Abgaben - sonstige betriebliche Aufwendungen + sonstige betriebliche Erträge - Steuern - Δ EBK NOCF + erhaltene Ausschüttungen auf Beteiligungen + erhaltene Zinsen auf Ausleihungen + erhaltene Rückzahlungen auf Ausleihungen + sonstige Zinsen NOCF + Cashflow-Beitrag aus Finanzanlagen - Zinsen auf (Alt-)Kredite - Tilgungen auf Altkredite - Leasing-, Pacht-, Mietraten - sonstige finanzierungsbedingte Belastungen Vorläufig verfügbare Mittel für Investition, Ausschüttung, außerordentliche Tilgungen + Ausgabe von Stammaktien + Ausgabe von Genußscheinen + Ausgabe von Obligationen, Optionsanleihen, Wandelschuldverschreibungen + Aufnahme anderer Fremdmittel - außerordentliche Tilgung von Fremdmitteln - Rückkauf von Obligationen, Optionsanleihen etc. - Zinszahlungen auf Neukredite - Auszahlungen für Realinvestitionen - Auszahlungen für Finanzanlagen - Ausschüttungen (Entnahmen) + Verkauf von Gegenständen des AV Cashflow-Überschuß/ -Defizit + Δ V B und andere kurzfristig kündbare Verbindlichkeiten - Δ WUV, Forderungen an Banken, etc. = Δ Kasse i. e. S. Tabelle 3.5: Das planungstaugliche Cashflow-System 12 Die Systematik kann im konkreten Fall erweiterungsbedürftig sein. Für den hier verfolgten Zweck ist der Detaillierungsgrad ausreichend. Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 79 <?page no="82"?> 80 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 5.2 NOCF als Indikator der Cashflow-Erzeugung im Kerngeschäft Um die Herleitung des NOCF zu erklären, benötigen wir einige Vorstellungen über bilanzielle Zusammenhänge und einige neue Begriffe. Wenn wir Aktiv- und Passivseite von Bilanzen auf typische Positionen verdichten, ergibt sich eine Darstellung wie in Abbildung 3.3: Es gilt die Bilanzgleichung (I): (I) AV + UV = EK + V l + V k . Ein in der Literatur zur Finanzanalyse häufig gebrauchter Begriff ist «working capital» oder «net working capital» (NWC). NWC ist definiert durch (II): (II) NWC = Umlaufvermögen - kurzfristiges Fremdkapital (II) NWC = UV - V k = BS - AV - [BS - EK - V l ] = EK + V l - AV (II) zeigt, daß die Höhe des NWC von der langfristigen Finanzierung des Unter- Anlagevermögen (AV) • Sachanlagen (SA) • Finanzanlagen (FA) Umlaufvermögen (UV) • Lagerbestände (LB) • Wertpapiere (WUV) • Forderungen aus Lief. u. Leist.(F lei ) • andere Forderungen (F a ) • geleistete Anzahlungen (GA) • Kasse, Wechsel, Guthaben (KA) Kurzfristiges Fremdkapital ( V k ) • Verbindlichkeiten aus Lief. u. Leist. ( V Lei ) • erhaltene Anzahlungen (EA) • Bankverbindlichk . (V B ) Eigenkapital (EK) • Grundkapital (GK) • Rücklagen (R) • ½ Sonderposten mit Rücklageanteil (SR) • Rückstellung für unterlassene Instandh. (IR) Langfristiges Fremdkapital (V I ) • Verbindlichkeiten mit LZ ≥ 4 Jahre (V) • Rückstellungen (PR, AR) 1) • ½ SR 1) PR = Pensionsrückstellungen, AR = andere Rückstellungen ohne IR Abbildung 3.3: Typisierte Bilanzstruktur <?page no="83"?> nehmens abhängt. Angenommen, NWC ist positiv. Das bedeutet, daß das dem Unternehmen langfristig zur Verfügung stehende Kapital (EK + V l ) das langfristig gebundene Vermögen AV übersteigt und somit auch einen Teil des UV finanziert. Angenommen, NWC ist negativ. Das heißt, daß das langfristig gebundene Vermögen (AV) des Unternehmens nur zum Teil durch langfristig zur Verfügung stehendes Kapital (EK + V l ) gedeckt ist: Zu einem Teil ist AV durch kurzfristige Fremdmittel (V k ) finanziert, was bedeutet, daß V k > UV ist: das UV kann also als vollständig fremdfinanziert angesehen werden. In der Definition (II) erscheint NWC als eine Konsequenz der langfristigen Finanzierungsentscheidungen des Managements (EK + V l ) und der langfristigen Investitionsentscheidungen (AV). Nun sind bestimmte Bilanzpositionen mit Beschaffung, Produktion und Absatz besonders eng verbunden. Hierzu gehören auf der Aktivseite die Positionen Lagerbestände (LB), Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (F Lei ), andere Forderungen (F a ), geleistete Anzahlungen (GA), ein Mindestklassenbestand und auf der Passivseite Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (V Lei ) und erhaltene Anzahlungen (EA) sowie bestimmte Rückstellungen (z. B. für Garantie). Während die Positionen LB, F Lei , F a und GA Kapitalbedarfe auslösen, repräsentieren die Positionen V Lei und EA Finanzierungsbeiträge Dritter: V Lei entsprechen den Finanzierungsbeiträgen von Lieferanten, EA entsprechen den Finanzierungsbeiträgen von Kunden, die Vorauszahlungen für noch zu liefernde Produkte geleistet haben. Von Interesse ist nun im Rahmen einer finanziellen Analyse die Differenz der genannten Positionen: sie wird im folgenden als «erforderliches Betriebskapital» bezeichnet (EBK). EBK ist definiert durch (III) EBK = LB + F Lei + F a + GA - (V Lei + EA) EBK bezeichnet damit die finanziellen Mittel, die erforderlich sind, um bei gegebenen AV, EK und V l die Aktivitäten des Unternehmens i. e. S. zu finanzieren. Für die Mehrzahl der Unternehmen wird EBK positiv sein. Für Unternehmen, die im großen Umfang Vorauszahlungen der Abnehmer fordern, kann EBK sehr klein bzw. negativ sein. EBK bezeichnet den finanziellen Mittelbedarf, der neben der Finanzierung des AV mindestens erforderlich ist, um das Unternehmen in Gang zu halten. Die Höhe von EBK ist somit neben den spezifischen Branchengepflogenheiten abhängig von der Lagerhaltung für Fertigungsmaterial (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), den Zahlungsmodalitäten des Unternehmens und seiner Kreditpolitik gegenüber Abnehmern. Dem aufmerksamen Leser ist nicht entgangen, daß die Größe Δ EBK in der Definition des NOCF in Tabelle 3.5 vorkommt. Wir wollen die Größe EBK deshalb etwas genauer anschauen. Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 81 <?page no="84"?> 82 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Nicht einbezogen in die Berechnung von EBK sind Bestandsänderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen. Der für Erhöhungen dieser Bestände erforderliche Kapitalbedarf schlägt sich in dem in Deutschland verbreiteten Gesamtkostenverfahren in höherem Materialaufwand und in höheren Löhnen und Gehältern nieder und ist insoweit im Cashflow-System erfaßt. Eine Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen führt zu höheren Nettoumsatzerlösen, die ebenfalls im neuen Cashflow-System erfaßt werden. Veränderungen der Lagerbestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen müssen daher in die Berechnung von EBK nicht mehr einbezogen werden. 13 Die Berechnung und Bedeutung von EBK soll mittels der Daten des später zu besprechenden Falles der Glasspinnerei Straubing AG gezeigt werden. Die Jahresabschlüsse für die Jahre 2002 - 2004 liefern die für die Berechnung von EBK erforderlichen Daten. Auf den Passivseiten der Bilanzen werden neben den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Rückstellungen für Lizenzgebühren und Rückstellungen für Steuerzahlungen ausgewiesen. Diese Positionen waren in der Definition von (III) nicht enthalten. Wir beziehen diese Positionen in die Berechnung von EBK hier jedoch ein. Der Grund ist, daß Rückstellungen für Lizenzen aus der Sicht des Unternehmens Glasspinnerei Straubing AG Reflex eines Kredites sind, den der Lizenzgeber dem Unternehmen gewährt. Damit trägt dieser zur Finanzierung des Kapitalbedarfes im Umlaufvermögen bei. EBK sinkt somit. Die gleiche Überlegung kann für die Rückstellungen für Steuerzahlungen ins Feld geführt werden: Der Fiskus könnte prinzipiell die für das Geschäftsjahr geschuldeten Steuerzahlungen dem Unternehmen sofort entziehen. Tut er dies nicht, bildet das Unternehmen eine Rückstellung, ordnet also den Steueraufwand der Periode zu und schafft eine ausschüttungssperrende Passivposition. Eine Auszahlung findet nicht statt; der Fiskus gewährt dem Unternehmen einen (kurzfristigen) Kredit. Dieser verkürzt EBK. Tabelle 3.6 zeigt die Berechnung von EBK. Die zur Berechnung notwendigen Daten sind den Bilanzen und GuV-Rechnungen der Glasspinnerei Straubing AG zu entnehmen (Abschnitt 6). 13 In manchen Ländern ist das Umsatzkostenverfahren stark verbreitet. Die Erträge der Periode entsprechen dann den Umsatzerlösen; Lagerbestandserhöhungen erhöhen den Periodenertrag somit nicht. Der Aufwand der Periode wird gemäß diesem Verfahren um Lagerbestandserhöhungen vermindert (bzw. um Lagerbestandsminderungen erhöht). Wird EBK für einen nach dem Umsatzkostenverfahren erstellten Jahresabschluß berechnet, sind auch Lagerbestandsänderungen an fertigen bzw. unfertigen Erzeugnissen zu berücksichtigen: Bestandszunahmen erhöhen EBK, Minderungen senken EBK. <?page no="85"?> 2002 2003 2004 Lagerbestände (LB) 1) Forderungen aus Lief. u. Leist. (F Lei ) 1) andere Forderungen (F a ) Verbindlichkeiten aus Lief. u. Leist. (V leist ) Rückstellungen für Lizenzgebühren u. Löhne Rückstellungen für Steuerzahlungen erhaltene Anzahlungen (EA) 12.392 21.362 - - 24.821 - 4.711 - 15.916 - 19.733 26.462 - - 30.591 - 4.595 - 21.923 - 23.529 31.564 - - 18.884 - 7.744 - 19.348 - EBK - 11.694 - 10.914 9.117 Δ EBK - 780 20.031 1) Die ausgewiesenen Vorräte enthalten nur Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Alle ausgewiesenen Forderungen gelten vereinfachend als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Tabelle 3.6: Berechnung von EBK für die Jahre 2002 - 2004 für die Glasspinnerei Straubing AG Für die Finanzplanung ist insbesondere wichtig, wie sich die Größe EBK im Zeitablauf entwickelt. Die letzte Zeile in Tabelle 3.6 zeigt deshalb Δ EBK, die Veränderung zwischen EBK t (Endbestand) und EBK t-1 (Anfangsbestand). Man erkennt aus Tabelle 3.6, daß in den Jahren 2002 und 2003 die Finanzierungsbeiträge Dritter (Lieferanten, Lizenzgeber, Fiskus) größer sind als der Kapitalbedarf zur Finanzierung der Lagerbestände und Forderungen. Deshalb hat EBK in diesen Jahren ein negatives Vorzeichen. 2004 ist die Lage verändert: Insbesondere die deutliche Verkürzung des Bestandes an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen führt zu einem positiven Wert von EBK. In Höhe der Differenz 9.117 - (-10.914) = 20.031 entstand ein zusätzlicher Kapitalbedarf. Δ EBK in Höhe von 20.031 geht mit negativem Vorzeichen in die Berechnung des NOCF gemäß Tabelle 3.5 ein und verkürzt den Cashflow aus dem Kerngeschäft des Unternehmens deutlich. Die Funktion von Δ EBK in der Definition von NOCF erschöpft sich nicht in der Abbildung des zusätzlichen Kapitalbedarfs im Umlaufvermögen. Δ EBK hat außerdem eine wichtige Korrekturfunktion. Wenn Netto-Umsatzerlöse gleich Einzahlungen und Materialaufwand und sonstige betriebliche Aufwendungen gleich Auszahlungen wären, bräuchte eine Korrektur durch Δ EBK nicht zu erfolgen. Weil aber Buchhalter nicht zwischen einem Barverkauf und einem Verkauf auf Ziel bei der Erfassung der Umsatzerlöse differenzieren, muß eine positive oder negative Veränderung der Position «Forderungen aus Lieferungen und Leistungen» (F Lei ) beachtet werden. Weil Buchhalter bei der Erfassung des Materialaufwandes nicht danach differenzieren, ob das verarbeitete Material bereits bezahlt ist oder nicht, muß die Veränderung von V Lei beachtet werden. Ebenso muß die Veränderung der Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen beachtet werden: + Δ LB bedeutet höheren Finanzbedarf und somit eine Kürzung von NOCF; - Δ LB bedeutet umgekehrt eine Mittelfreisetzung und somit eine Erhöhung des NOCF. Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 83 <?page no="86"?> 84 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Die Korrekturfunktion übernimmt für alle Positionen Δ EBK. Die Idee soll an zwei Beispielen erläutert werden. Beispiel 1 Ein Unternehmen verkauft am 2. 11. 2004 Produkte für 10.000 auf Ziel; zahlbar im Februar 2005. • Netto-Umsatzerlöse in 2004 : + 10.000 • Einzahlung in 2004 : 0 • Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in 2004 : + 10.000 • EBK und damit Δ EBK : + 10.000 Wie sieht die Wirkung auf den NOCF in 2004 aus? (1) Netto-Umsatzerlöse : + 10.000 (2) Δ EBK : - 10.000 Effekt auf NOCF : 0 Beispiel 2 Ein Unternehmen kauft Rohstoffe für 8.000 in 2005, die im gleichen Jahr verbraucht, aber erst 2006 bezahlt werden. • Materialaufwand in 2005 : + 8.000 • Auszahlung in 2005 : 0 • Verbindlichkeiten aus Lieferungen u. Leistungen in 2005 : + 8.000 • EBK und damit Δ EBK : - 8.000 Wie sieht die Wirkung auf den NOCF in 2005 aus? (1) Materialaufwand : - 8.000 (2) Δ EBK : + 8.000 Effekt auf NOCF : 0 In die Berechnung von EBK sind nicht einbezogen reine Finanzpositionen der Aktiv- und Passivseite wie z. B. • Kasse, Guthaben, Wechsel (KA), 14 • Wertpapiere des UV (WUV) und • (kurzfristige) Bankverbindlichkeiten (V B ), 14 Man könnte den operativ notwendigen Mindestkassenbestand KA* in die Definition von EBK einbeziehen. KLB wäre dann zu definieren als KLB = (KA - KA*) + WUV - V B . <?page no="87"?> weil diese Positionen nicht direkt mit Beschaffung, Produktion und Absatz verbunden sind. Die Differenz der genannten Positionen wird im folgenden als die «kurzfristige Liquiditätsbilanz» des Unternehmens bezeichnet (KLB). KLB ist definiert durch (IV): (IV) KLB = KA + WUV - V B . Die kurzfristige Liquiditätsbilanz ist somit die Differenz zwischen sofort liquidierbaren Aktiva und den kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten. Die Definition von (IV) verdeutlicht, daß die KLB eines Unternehmens durch kurzfristige Bankkredite, die dazu benutzt werden, die Kassenposition aufzustocken, nicht verbessert werden kann. Nun wenden wir uns der Position Steuern zu. Der NOCF in Tabelle 3.5 ist nach Steuern definiert. Weil der NOCF den Cashflow-Beitrag des Kerngeschäftes unter der Annahme der Eigenfinanzierung ausweisen soll, sind hier nur die der Produktions- und Absatztätigkeit in den Kerngeschäften zurechenbaren Steuern auszuweisen. Zu diesen zählen in Deutschland die Gewerbeertragsteuer und die Körperschaftsteuer. Außerdem gilt, daß für die Berechnung des NOCF prinzipiell nur die Steuerzahlung ausgewiesen werden sollte, die das Unternehmen in der Periode unter der Fiktion der vollständigen Eigenfinanzierung zu leisten hat. Steuerliche Vorteile, die dem Unternehmen entstehen, weil es auch Fremdkapital einsetzt, wären folgerichtig im dritten Segment der Cashflow-Systematik (Tabelle 3.5) auszuweisen. Auf diese Feinheiten wird hier nur verwiesen. In der später zu besprechenden Fallstudie werden wir eine einfache steuerliche Regelung unterstellen und bei der NOCF-Ermittlung die Steuerzahlungen des Unternehmens absetzen, die es unter Beachtung seiner gewählten Kapitalstruktur zu leisten hat. 5.3 Cashflow-Beitrag aus Finanzanlagen Im zweiten Segment weist das in Tabelle 3.5 gezeigte Cashflow-System die Cashflow-Wirkungen (Einzahlungen) aus Finanzanlagen aus. Es ist zweckmäßig, diese Einzahlungen von denen aus dem Kerngeschäft zu separieren. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Unternehmen Liquiditätsreserven in Form von Finanzanlagen halten: Sie wollen vorbereitet sein auf nicht erwartete Kapitalbedarfe, die sie nicht über Kredite finanzieren wollen; sie sparen langfristige Mittel in Form von Finanzanlagen (Wertpapiere im Umlaufvermögen, Wertpapiere des Anlagevermögens, Beteiligungen) ein, um Großinvestitionen zu finanzieren; sie wollen sich finanziellen Bewegungsspielraum schaffen, ohne auf die Ergiebigkeit der Innenfinanzierung oder weitere Kreditfinanzierungen zurückgreifen zu müssen. Die Anteile, die Finanzanlagen an der Bilanzsumme von Unternehmen des DAX bzw. MDAX erreichen, hängen zwar deutlich von der Branchenzugehörigkeit der Un- Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 85 <?page no="88"?> 86 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage ternehmen ab, sind aber durchweg bemerkenswert hoch: Der Durchschnittswert für DAX-Unternehmen im Zeitraum 1997 - 2002 liegt bei ca. 13 %. Für Unternehmen des MDAX liegt der Durchschnittswert bei etwa 15 %. Auch wenn diese Ergebnisse auf mittelständische Unternehmen nicht übertragbar sind, ist es empfehlenswert, den Cashflow-Beitrag, der durch Finanzanlagen generiert wird, getrennt auszuweisen. 5.4 Kapitalstruktur und Cashflow-Verzehr Der oben ausgewiesene NOCF wird berechnet, als sei das Unternehmen nur mit Eigenkapital ausgestattet. Diese Fiktion wird gewählt, um eine transparente Rechnung aufzuziehen: Der NOCF soll nicht belastet sein durch die negativen Wirkungen, die die Finanzierung des Unternehmens in Form von Zinszahlungen, Tilgungsleistungen, Leasingraten, Zahlungen an Genußscheininhaber und Ausschüttungen auslöst. Durch Finanzierungsverträge festgelegte Auszahlungen sind vielmehr im dritten Segment der Cashflow-Systematik zu erfassen. Faßt man die ersten drei Bestandteile aus Tabelle 3.5 zusammen, kennt man die vorläufig verfügbaren Mittel, die für Investitionen, Sondertilgungen, Ausschüttungen, Rückkäufe von Eigen- und Fremdkapitaltiteln etc. zur Verfügung stehen. 5.5 Cashflow und noch zu treffende Investitions- und Finanzierungsentscheidungen Zum vierten Bestandteil der Cashflow-Ermittlung zählen die Ein- und Auszahlungen, die durch Investitions-, Ausschüttungs- und zusätzliche Finanzierungsentscheidungen der Unternehmensleitung in der Planungsperiode ausgelöst wurden (oder werden). Hierzu zählen: + Ausgabe von Aktien, Genußscheinen, GmbH-Anteilen etc., + Ausgabe von Optionsanleihen, Wandelanleihen, Gewinnobligationen, + Aufnahme anderer langfristiger Fremdmittel, + Aufnahme kurz- und mittelfristiger Fremdmittel, + Verkauf von Gegenständen des Anlagevermögens, - Auszahlungen für Realinvestitionen, - Auszahlungen für Finanzinvestitionen, - außerordentliche Tilgung von Fremdmitteln, - Rückkauf von Aktien, Genußscheinen, <?page no="89"?> - Rückkauf von eigenen Fremdkapitaltiteln, - Ausschüttungen (Entnahmen). Faßt man alle Bestandteile zusammen, liegt der Cashflow-Überschuß oder das Cashflow-Defizit der Periode vor. Überschüsse schlagen sich als höhere Kassenbestände nieder; Defizite sind entweder durch eine Finanzierungsmaßnahme aufzufüllen oder im Cashflow-System enthaltene geplante Auszahlungen (z. B. für Finanzinvestitionen, Ausschüttungen, außerordentliche Tilgungen) sind zu kürzen. Damit liegt eine über Herkunft und Verwendung von liquiden Mitteln genau informierende und zu Planungs- und Kontrollzwecken einsetzbare Systematik vor. Ihre Leistungsfähigkeit wird anhand der zu lösenden Fallstudie erkennbar werden. Aufgabe Die Bilanz der X-AG hat folgendes Aussehen (in T € ): 2007 2006 2007 2006 A. Anlagevermögen I. Sachanlagen II. Finanzanlagen B. Umlaufvermögen I. Vorräte 1 Roh-, Hilfsu. Betriebsstoffe 2 Geleistete Anzahlungen II. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen III. Wertpapiere IV. Guthaben bei Kreditinstituten C. Rechnungsabgrenzungsposten 2.000 400 550 80 250 175 500 45 1.700 415 380 75 175 550 560 45 A. Eigenkapital I. Gezeichnetes Kapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklage IV. Jahresüberschuß B. Rückstellung für Pensionen für Garantieleistungen C. Verbindlichkeiten 1. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 2. Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen 3. Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung D. Rechnungsabgrenzungsposten 800 350 300 120 320 180 1.155 160 600 15 800 350 250 100 150 200 1.115 120 800 15 4.000 3.900 4.000 3.900 Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 87 <?page no="90"?> 88 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Die Gewinn- und Verlustrechnung sieht so aus: 2007 2006 1. Umsatzerlöse 2. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen 3. Sonstige Erträge 4. Materialaufwand 5. Personalaufwand 6. Abschreibungen auf Sachanlagen 7. Sonstige betriebliche Aufwendungen 8. Erträge aus Wertpapieren und Finanzanlagen 9. Abschreibungen auf Finanzanlagen 10. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 11. Ergebnisse der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 12. Steuern 13. Jahresüberschuß 14. Einstellungen aus dem Jahresüberschuß in Gewinnrücklagen 15. Bilanzgewinn 5.000 20 110 2.200 1.300 500 800 60 30 90 270 150 120 - 120 5.500 10 100 2.630 1.200 650 850 50 40 80 210 110 100 50 50 (1) Berechnen Sie für 2007 den Cashflow i.S. v. Definition 4! (2) Berechnen Sie für 2007 den NOCF! (3) Erklären Sie Unterschiede in den Ergebnissen zu (1) und (2)! Sie können davon ausgehen, daß die Positionen 3, 7, 8, 10 und 12 deckungsgleich mit Zahlungen sind. Position 5 ist um die nicht zahlungswirksamen Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen zu kürzen. Position 2 resultiert aus der teilweisen Auflösung der Garantierückstellung. Lösung (1) Unter Benutzung von Tabelle 3.5 errechnet sich der Cashflow i. S. v. Definition 4 wie folgt: I. Jahresüberschuß 120 + II. Aufwendungen, nicht Auszahlungen (1) Abschreibungen auf SAV + 500 (1) Abschreibungen auf FAV + 30 (2) Zuführung zu Pensionsrückstellungen + 170 - III. Erträge, nicht Einzahlungen (2) Zuwachs an Forderungen aus - 75 Lieferungen und Leistungen (5) Erträge aus Auflösung von Garantierückstellungen - 20 <?page no="91"?> + IV. Einzahlungen, nicht Ertrag (1) Zuwachs bei erhaltenen Anzahlungen + 40 - V. Auszahlungen, nicht Aufwand (1) Erhöhung der RHB-Stoffe - 170 (2) Erhöhung des Bestandes an geleisteten Anzahlungen - 5 (3) Verminderung des Bestandes an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistung - 200 Cashflow i.S.v. Definition 4 390 (2) Der NOCF für 2007 berechnet sich unter Benutzung von Tabelle 3.5 wie folgt: Umsatzerlöse 5.000 - Materialaufwendungen - 2.200 - Personalaufwendungen - 1.300 - Steuern - 150 - sonstige betriebliche Aufwendungen - 800 - Δ EBK - 410 NOCF 140 Dabei ergibt sich Δ EBK für 2007 aus folgender Rechnung: 2006 2007 Forderungen aus Lief. u. Leist. + RHB-Stoffe + Geleistete Anzahlungen - Verbindlichkeiten aus Lief. u. Leist. - Erhaltene Anzahlungen 175 + 380 + 75 - 800 - 120 250 + 550 + 80 - 600 - 160 - 290 120 Δ EBK = 120 - (- 290) = 410 (3) Der Cashflow i. S. v. Definition 4 beträgt 390; der NOCF ist 140. Die Erwartung, die beiden Größen sollten übereinstimmen, wäre ganz unbegründet. Potentielle Störfaktoren, die für die Differenz verantwortlich sind, sind: - Erträge aus Wertpapieren und Finanzanlagen 60 - Zinsen und ähnliche Aufwendungen - 90 - Sonstige Erträge 15 110 15 Sonstige Erträge sind im NOCF nicht erfasst, da sie nicht dem Kerngeschäft entstammen. Planungstaugliche Cashflow-Systematik, Managemententscheidungen und Finanzplanung · 89 <?page no="92"?> 90 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Addiert man den Betrag des NOCF mit den Beträgen dieser Positionen, könnte man erwarten, daß die Differenz zwischen Cashflow i.S.v. Definition 4 und NOCF verschwindet. Man erhält 140 + 60 - 90 + 110 = 220 und damit eine Differenz von 390 - 220 = 170. Diese Differenz entspricht der Zuführung zu den Pensionsrückstellungen von 170, die wir bei der Ermittlung des Cashflow beachtet haben, nicht aber bei der Ermittlung des NOCF. Was verbirgt sich hinter der Erhöhung der Rückstellungen von 150 auf 320? Es handelt sich um eine Zuführung zu Pensionsrückstellungen, die in der GuV unter der Position 5 erfaßt ist. Wir haben somit bei der Berechnung von NOCF die Personalauszahlungen zu hoch angesetzt: Zuführungen zu Pensionsrückstellungen führen nicht zu Auszahlungen. Die Personalauszahlungen sind folglich 1.300 - 170. Nach Korrektur steigt der NOCF von 140 auf 310 und die Differenz zwischen Cashflow und NOCF ist erklärt: Cashflow = NOCF + sonstige Erträge - Zinsen + Erträge aus Wertpapieren 390 = 310 + 110 - 90 + 60. Das Beispiel verdeutlicht den oben zu Tabelle 3.5 gegebenen Hinweis, daß die Definition des NOCF weitere Korrekturen erfordert, wenn die sonstigen betrieblichen Erträge bzw. die sonstigen betrieblichen Aufwendungen in der gleichen Periode nicht zahlungsgleich sind. Im Beispiel sind die Zuführungen zur Pensionsrückstellung in der Position Personalaufwendungen (1.300) enthalten und nicht auszahlungsgleich. Folglich ist - ein entsprechender Informationsstand wird unterstellt - diese Position um 170 zu verkürzen. Der korrigierte NOCF steigt auf 310. I. d. R. sind einem externen Jahresabschlußleser die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen nicht genau bekannt. Hilfsweise wird sich dieser dann an der Veränderung der Position Pensionsrückstellungen orientieren. Die Veränderung entspricht der Differenz Zuführung zur PR - Auflösungen von PR - Zahlung von Rentenleistungen an Pensionsberechtigte. 5.6 Zwischenergebnis An dieser Stelle ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse angebracht. Die Ausgangsfrage war, welche Informationen über die Liquidität eines Unternehmens Bilanzen (Jahresabschlüsse) geben können. Die Aussagen der theoretischen Bilanz und der Liquidationsbilanz waren eindeutig; die Aussagen der Fortführungsbilanz waren zunächst ganz unklar: die Signale, die Bilanzsummen oder Eigenkapitalpositionen geben, waren diffus. Im Vergleich zur theoretischen Bilanz oder der Liquidationsbilanz waren sie weder Fisch noch Fleisch. <?page no="93"?> Dann begannen wir nach den «Innereien» von Fortführungsbilanzen zu fragen, also danach, was in Fortführungsbilanzen und GuV-Rechnungen steht. Wir prüfen die verschiedenen Definitionen von Cashflow. Dies brachte eine Reihe von Defiziten an den Tag, die durch das modifizierte Cashflow-System beseitigt werden. Wir erkennen, daß Fortführungsbilanzen (Jahresabschlüsse) Signale zur künftigen Liquidität, die der Qualität der Signale der theoretischen Bilanz nahekommen, nicht liefern können und daß sie Informationen über die güterwirtschaftliche Liquidität analog zur Liquidationsbilanz nicht geben können (und auch nicht wollen). Die Hinweise der HGB-Jahresabschlüsse auf die Liquidität von Unternehmen sind anderer Art: Sie liefern Informationen, mit denen ein externer Analyst Finanzpläne erstellen kann; anhand dieser Finanzpläne läßt sich dann die Liquidität (Bonität) von Unternehmen prinzipiell beurteilen. 6 Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG: Finanzplanung, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung 6.1 Anforderungen an einen Finanzplan Die Überlegungen zum Cashflow und insbesondere das vorgelegte Cashflow- System deuten an, wohin die Reise führt: Um Liquidität von Unternehmen zu messen, werden Finanzpläne benötigt. Fortführungsbilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen sind Startpunkte für die Entwicklung von Finanzplänen. Der Finanzplan ist ein im Prinzip einfaches Instrument. Er erfaßt künftige Ein- und Auszahlungen termingenau und vollständig. Er mißt damit das, was zu messen ist, wenn Aussagen über die künftige Liquidität eines Unternehmens zu machen sind. Um einen Finanzplan mit Daten (den künftigen Ein- und Auszahlungen) zu füllen, ist ein Informationsstand notwendig, den i. d. R. nur Unternehmensinterne erlangen können, weil sie auf in diesem Zusammenhang relevante Vorpläne wie Absatz-, Beschaffungs-, Personaleinsatzpläne etc. zurückgreifen können. Unternehmensexternen (Warengläubigern, Kreditgläubigern, Anteilseignern etc.) stehen diese Informationen i. d. R. nicht zur Verfügung. Dennoch müssen sie zu Urteilen über die künftige Liquidität von Unternehmen gelangen. Es ist deshalb nützlich, die Schwierigkeiten zu erkennen, die eine Beurteilung, die sich allein auf Jahresabschluß-Informationen stützt, zu überwinden hat. Diese Schwierigkeiten bestehen trotz der erklärten Absicht des Gesetzgebers, den Einblick Außenstehender in die Liquiditätslage von Kapitalgesellschaften zu verbessern. An Finanzpläne sind bestimmte Anforderungen zu stellen. Finanzpläne sind zukunftsbezogene Rechnungen, die für eine bestimmte Zeitspanne (Planungszeit- Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 91 <?page no="94"?> 92 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage raum) für jede zu definierende Periode (Tag, Woche, Monat, Quartal oder Jahr) Ein- und Auszahlungen gegenüberstellen. Bereits vor Beginn des Planungszeitraumes getroffene Maßnahmen sind nur relevant, wenn diese im Planungszeitraum Einund/ oder Auszahlungen bewirken. Für die Erstellung von Finanzplänen gilt das sog. Bruttoprinzip. Es verlangt, daß Ein- und Auszahlungen zu den relevanten Zeitpunkten als solche ausgewiesen werden. Saldierungen von Ein- und Auszahlungen (z. B. die Einzahlung eines Kunden wird mit einer Auszahlung an den Kunden, der gleichzeitig Lieferant ist, verrechnet) sind zu unterlassen. Die Begründung für diese Anforderung ist, daß die Information, welche Ein- und Auszahlungen einen Zahlungsmittelüberschuß bzw. -fehlbetrag bewirken, wichtig sein kann. Diese Information würde durch Saldierungen verwischt. Finanzpläne müssen vollständig sein. Vollständigkeit verlangt, daß alle im Planungszeitraum zu erzielenden Einzahlungen und alle zu leistenden (geplanten) Auszahlungen erfaßt werden müssen. Oben wurde bei der Ermittlung des NOCF nur auf die Ein- und Auszahlungen abgestellt, die aus dem laufenden Produktions- und Absatzprozeß stammten. Aus- und Einzahlungen des nicht dem eigentlichen Betriebszweck zuzurechnenden Bereichs, wurden ebensowenig erfaßt wie die Zahlungsbeziehungen mit den Eigen- und Fremdmittelgebern. Ein Finanzplan, der nicht ausdrücklich und gewollt Teilfinanzplan ist, kennt solche Einschränkungen nicht. Die Güte oder der Informationswert eines Finanzplans hängt vielmehr von seiner Vollständigkeit ab. Nur vollständige Finanzpläne erlauben eine zuverlässige Messung der künftigen Liquidität. Ein Finanzplan hat schließlich termingenau zu sein. Ein- und Auszahlungen sind für die Zeitperioden zu erfassen, in denen sie anfallen bzw. zu leisten sind. Die größte zeitliche Präzision ist erreicht bei tagesgenauer Erfassung der Ein- und Auszahlungen. Wegen des hohen Rechenaufwandes und wegen der mit zunehmender Länge des Planungszeitraums wachsenden Prognoseschwierigkeiten wird die tagesgenaue Rechnung i. d. R. nur für kurze Fristen (1-4 Wochen) möglich sein. Die praktische Finanzplanung geht dann auf Wochenplanung und - mit zunehmendem Planungszeitraum - auf Monatsplanung über. 6.2 Strukturierung eines Finanzplanes Die Grundstruktur eines Finanzplanes ist einfach. In der Grundstruktur (Abb. 3.4) werden Ein- und Auszahlungen in wenig untergliederter Form ausgewiesen. Für überschlägige Rechnungen mag dies ausreichend sein. Im konkreten Fall hängt die Tiefe der Untergliederung der Ein- und Auszahlungen von der Fragestellung ab. Grundsätzlich gilt, daß der Finanzplan nicht nur Aufstellung der vom Unternehmen passiv erwarteten Einzahlungen und <?page no="95"?> der zu leistenden Auszahlungen ist, sondern der finanzielle Reflex der Aktivitäten der Unternehmensleitung überhaupt. Wenn der Finanzplan Grundlage für Folgeentscheidungen ist, steigt sein Informationswert mit einer zweckentsprechenden Gliederung. Deshalb wird empfohlen, Ein- und Auszahlungen nach ihrer Zurechenbarkeit zu Produktions- und Absatzbereich (= Leistungsbereich), zum Bereich «Finanzergebnis» und zum Bereich «Nicht-Kern-Geschäfte» zu untergliedern. Insbesondere zwei Faktoren erschweren die Erstellung und Strukturierung eines Finanzplanes: • die künftigen Ein- und Auszahlungen sind zu prognostizieren und die Zukunft ist unsicher; • künftige Auszahlungen, die wichtige Bestandteile von Finanzplänen sind, hängen ihrerseits von bilanziellen Größen ab: hierzu gehören insbesondere der Kapitalbedarf im Umlaufvermögen, Steuerzahlungen und Ausschüttungen (Dividenden). Dies ist zunächst zu erklären. Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 93 ... ... Einzahlungen aus Einbzw. Auszahlungen Nicht genutzte Kredite (Kontokorrentkredite, sonstige Kreditlinien) 5 Endbestand an Zahlungsmitteln 1 + 2 - 3 (Überschuß/ Fehlbetrag) 4 Auszahlungen für ... Summe Auszahlungen 3 ... ... ... Summe Einzahlungen 2 Anfangsbestand an Zahlungsmitteln (Überschuß/ Fehlbetrag) 1 4 .... 3 2 1 Planungsintervalle Abbildung 3.4: Grundstruktur eines Finanzplanes <?page no="96"?> 94 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Die steuerliche Gewinnermittlung erfolgt mittels einer bilanziellen Rechnung. Durch Betriebsvermögensvergleich wird im allgemeinen der zu versteuernde Gewinn eines Unternehmens ermittelt (§ 4 Abs. 1 EStG). Die vielfältigen steuerlichen Details interessieren hier nicht. Es soll lediglich klargestellt werden, daß eine Prognose der Steuerzahlungen für künftige Perioden eine Prognose des steuerlichen Gewinns (und des Steuertarifs) voraussetzt. Neben dem Finanzplan sind deshalb steuerliche (Neben)Rechnungen für die künftigen Perioden des Planungszeitraumes aufzumachen. Auch die Ausschüttungen (Entnahmen, Dividenden) der Gesellschaft können abhängig vom bilanziellen (steuer-bilanziellen) Gewinn sein. Manche Gesellschaften verfolgen die Politik einer konstanten Ausschüttungsquote. Angenommen, die Ausschüttungsquote sei α = 0,5 des bilanziell gemessenen Überschusses: die Gesellschaft schüttet dann 50 % ihres Jahresüberschusses aus. Die Ausschüttung pro Jahr, die als Auszahlung im Finanzplan anzusetzen ist, ist dann abhängig vom Jahresüberschuß. Neben der Finanzplanung sind daher auch die Periodenergebnisse (Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen) für künftige Perioden zu ermitteln. Finanzplanungen, die im Prinzip reine Ein- und Auszahlungsrechnungen sind, sind daher aus den beiden angegebenen Gründen ohne bilanzielle Rechnungen für die jeweiligen Perioden des Planungzeitraums kaum durchführbar. Diese wichtigen Beziehungen zwischen Finanzplanung, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen werden im folgenden Abschnitt an einer Fallstudie erläutert. 6.3 Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG Die Glasspinnerei in Straubing ist eine Familienaktiengesellschaft. 16 Das Unternehmen wurde 1947 gegründet. Es produziert Glasfasern, Glasfasermatten und ähnliche Isoliermaterialien, die für die Wärmedämmung eingesetzt werden. Das Unternehmen hat im süddeutschen Raum eine marktbeherrschende Stellung: Im Marktsegment Isolierfasern betrug der Marktanteil ungefähr 90 %. Diese Marktposition soll gehalten werden. In den letzten Jahren wuchs der Umsatz jährlich um durchschnittlich 20 %. Die dazu notwendigen Kapazitätserweiterungen wurden weitgehend durch Selbstfinanzierung und durch Kapitaleinlagen der Eigentümer finanziert. Der Finanzchef des Unternehmens glaubt, daß die künftig notwendigen Kapazitätserweiterungen nicht durch Eigenmittel der Eigentümer-Familie finanziert werden können, da die Mittel der Familie erschöpft sind und die Eigentümer Ausschüttungen erwarten und keine Einlagen leisten wollen. 16 Die Fragestellung wurde ursprünglich bei IMEDE Genf entwickelt. Sie wird hier in wesentlich abgewandelter und erweiterter Form verwendet. <?page no="97"?> Glasfasern für Isolierungen werden in einem kontinuierlichen, maschinenintensiven Verfahren hergestellt. Zunächst wird - wie sonst auch bei der Glasherstellung - das exakte Gemenge aus Quarzsand, Kalkstein und anderen mineralischen Zusätzen gemischt. Diese Mischung wird in einem gasbeheizten Ofen geschmolzen. Am Ende des Ofens fließt das Glas durch Düsen aus hitzebeständigem Material, wo diese Rinnsale aus flüssigem Glas unter strenger Temperaturkontrolle von Strömen hochkomprimierter Luft erfaßt werden. Dieser Vorgang zerlegt den Glasstrom in Fasern, die dann auf ein Fließband geleitet werden. Auf diesem werden sie in der gewünschten Dicke zusammengelegt. Die Fasern werden dann entweder mit einem Spezialbindemittel behandelt und durch Walzen und Öfen geleitet, wodurch sich halbstarre bis starre Matten ergeben, oder sie werden mit einem mikroskopischen Film aus dickflüssigem Mineralöl überzogen und als Isoliermaterial für Röhren verwendet. In der Glasspinnerei läuft die Produktion rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr, bis die Auskleidung des Schmelzofens für einen kostengünstigen Betrieb zu dünn wird. Dann stellt man die Fertigung ein und kleidet den Ofen neu aus. Anfang der sechziger Jahre geschah dies alle zwei Jahre, aber aufgrund jüngster technischer Verbesserungen garantierte der Lizenzgeber eine Nutzungsdauer von vier Jahren. Solange die Produktion ruht, werden auch die Anlagen an anderen Stellen des Fertigungsprozesses verbessert, um die Kapazität zu erhöhen. Der historische Sachverhalt spielt in den Jahren 1974 - 1978. Es spräche nichts dagegen, diesen Sachverhalt mit historisch korrekten Zeitangaben darzustellen sowie die Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. Insbesondere gibt es nichts an diesem Sachverhalt, der es gestattete ihn als «zu alt» oder für heutige Zwecke nicht mehr aktuell zu bezeichnen. Dennoch habe ich den Sachverhalt zeitlich «verlegt» in die Jahre 2004 - 2008. Grund ist allein der mehrfach dokumentierte Glaube einer erheblichen Zahl von Studierenden, aus Fällen, die vor ihrer Geburt spielten, könne man heute, also in 2007, nichts mehr lernen. Diese These ist in Bezug auf diesen Fall ganz unzutreffend, wie nach der Diskussion der möglichen Lösungen klar werden wird, aber offenbar schwer auszurotten. Folglich wird die zeitliche Verdrahtung - aber nur diese - geändert. Das Produktionsvolumen hatte 2004 17.777 t betragen. Für 2005 erwartet man einen Mengenumsatz von 20.000 t. Die nächste Kapazitätserweiterung soll noch im Jahre 2005 durchgeführt werden. Die zusätzliche Produktionskapazität würde 19 t/ Tag betragen, so daß der Maximalausstoß/ Tag dann 75 t wäre. Neben einem Ausbau des Ofens sehen die Pläne die Errichtung eines neuen Gebäudes für die Gemengemischung vor, ferner die Weiterführung des Transportbandes bis ins Lagerhaus sowie eine Vergrößerung des Lagerraums für die Fertigprodukte, um dem gestiegenen Ausstoß Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Preissteigerungen rechnet man mit einer Investitionssumme von 85 Mio. Von diesem Betrag würden 30 Mio. in Gebäude, der restliche Betrag in Anlagen Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 95 <?page no="98"?> 96 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage und Ausrüstung investiert werden. Die Nutzungsdauern und damit die Zeitspannen für die steuerliche Abschreibung sind mit 10 bzw. 4 Jahren zu veranschlagen. Die steuerliche Abschreibung kann linear erfolgen. Unter bestimmten Bedingungen, die von der Glasspinnerei Straubing erfüllt werden, ist auch eine einmalige Abschreibung von 75 % im Anschaffungsjahr möglich. Der restliche Betrag ist dann linear abzuschreiben. Für den Finanzchef des Unternehmens stellt sich zu Beginn des Jahres 2005 das Problem, den Kapitalbedarf für die nächsten 4 Jahre zu berechnen. Anschließend will er sich um die Finanzierung möglicher Mitteldefizite kümmern. Das Planungsproblem des Finanzchefs ist in Finanzplänen abbildbar. Aber es ist ohne Zuhilfenahme von Informationen aus Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen vergangener Perioden und ohne Entwicklung von Plan-Bilanzen und Plan- GuV-Rechnungen nicht lösbar. Abbildung 3.5 erläutert, warum dies so ist. I. Annahmen über 1. Nettoumsatzerlöse (Mengen, Preise) 2. Aufwandspositionen (Mengen, Preise) - Löhne, Gehälter, soziale Abgaben - Materialeinsätze sonstige betriebliche Aufwendungen - Abschreibungen - Zinsen Kapitalbedarfsermittlung III. Deckung des Kapitalbedarfs und resultierende Zahlungsbelastungen 1. Zinsen 2. Tilgungen II. Kapitalbedarf für 1. Investitionen a) Gebäude b) maschinelle Anlagen 2. Entnahmen (Ausschüttungen) 3. Wachstum des Umlaufvermögens GuV Plan-GuV Bilanzen Plan-Bilanzen Finanzpläne Steuerzahlungen Kapitalbindung im UV (EBK) Abbildung 3.5: Verbindungslinien zwischen Finanzplan, Bilanz, GuV, Plan-Bilanzen und Plan-GuV <?page no="99"?> Der Gang der Rechnung wird in Abbildung 3.5 erläutert. Der Finanzchef geht für seine erste Berechnung des möglichen Kapitalbedarfs von folgenden Annahmen über die Entwicklung der Nettoumsatzerlöse und der relevanten Aufwandspositionen aus: (1) Das Wachstum des am Markt absetzbaren Produktionsvolumens wird einer wahrscheinlichsten Entwicklung zufolge in den nächsten 4 Jahren jeweils 12,5 % betragen. (2) Der Finanzchef nimmt an, daß die Glasspinnerei ihre Produktpreise 2005 nur um 4,8 % auf € 13.500/ t, in den Folgejahren aber um 9 % erhöhen kann. (3) Bei der Prognose des Materialaufwandes sind (a) die höhere Ausbringung und (b) die höheren Preise für die Einsatzfaktoren zu beachten. In den vergangenen Jahren hatte der Materialeinsatz pro Tonne Endprodukt (in € / t) 2002 2003 2004 3.100 3.120 3.245 betragen. Da die Technologie des Produktionsprozesses nicht verändert würde, könnte der Materialeinsatz - konstante Preise vorausgesetzt - bei 3.245 € / t verharren. Die Rohstoffpreise werden 2005 voraussichtlich um 10,9 % und später um 9 % steigen. (4) Zusätzliche Arbeitskräfte müssen nicht eingestellt werden. Für 2005 wird die Lohnsteigerung aufgrund einer betriebsinternen Absprache 20 %, in den späteren Perioden vermutlich 11 % betragen. Wegen einer Betriebsvereinbarung, die in einer Periode schwacher Performance abgeschlossen worden war, waren Löhne und Gehälter in den vergangenen Jahren nicht bzw. kaum merklich gestiegen. Diese Vereinbarung sieht vor, daß unterbliebene Lohnerhöhungen bei sich verbessernder wirtschaftlicher Lage der Gesellschaft nachgeholt werden. (5) Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen werden voraussichtlich pro Jahr um 10 % steigen. (6) Die von den Eigentümern gewünschte Ausschüttung beträgt € 3.120.000 pro Jahr. Die vereinfachten Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnungen für die letzten drei Jahre sehen wie folgt aus: Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 97 <?page no="100"?> 98 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Verkürzte Bilanzen (in T € ) AKTIVA 2002 2003 2004 Anlagevermögen Grundstücke Bauten Maschinen und Einrichtungen Anlagen im Bau Finanzanlagen Beteiligungen 3.716 30.441 22.028 678 10.993 3.887 29.615 18.154 10.449 11.477 4.048 38.805 16.302 3.995 11.477 Summe Anlagevermögen 67.856 73.582 74.627 Umlaufvermögen Kasse Forderungen Vorräte 9.356 21.362 12.392 14.624 26.462 19.733 7.816 31.564 23.529 Summe Umlaufvermögen 43.110 60.819 62.909 Summe Aktiva 110.966 134.401 137.536 PASSIVA 2002 2003 2004 Vorzugsaktien Stammaktien Gewinnrücklagen 2.000 14.000 10.271 3.250 22.750 10.218 3.250 22.750 11.168 Eigenkapital 26.271 36.218 37.168 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Rückstellungen für Lizenzen Rückstellungen für Steuern 24.821 4.711 15.916 30.591 4.595 21.923 18.884 7.744 19.348 Kurzfristige Verbindlichkeiten u. Rückstellungen 45.448 57.109 45.976 Langfristige Kredite Pensionsrückstellungen Gesellschafterdarlehen 24.757 7.990 6.500 24.640 9.934 6.500 29.573 13.819 11.000 Summe Verbindlichkeiten und Rückstellungen 84.695 98.183 100.368 Summe Passiva 110.966 134.401 137.536 <?page no="101"?> Verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung (in T € ) 2002 2003 2004 Bruttoumsatzerlöse ./ . Skonti, Rabatte 166.461 2.533 212.491 2.913 230.060 1.136 Nettoumsatzerlöse Aufwendungen Material Löhne und Gehälter Abschreibung 163.928 43.277 37.486 13.048 209.578 51.844 46.676 19.390 228.924 57.694 61.523 21.359 Betriebsergebnis 70.117 91.668 88.348 Sonstige betriebliche Aufwendungen 54.438 75.612 75.781 Ertrag vor Zinsen und Steuern (EBIT) Zinsaufwendungen 15.679 3.038 16.056 3.312 12.567 3.214 Gewinn vor Steuern 12.641 12.744 9.353 Steuern 7.043 7.724 5.283 Jahresüberschuß 5.598 5.020 4.070 Dividendenzahlung 1.960 5.073 3.120 Bei der Erstellung des Finanzplanes ist zu beachten: • Der vorläufige Kapitalbedarf ist mit 85 Mio. € sehr hoch. Die Bedeutung dieses Bedarfs erkennt man, wenn man ihn mit der Bilanzsumme der Glasspinnerei Straubing AG vergleicht (137,5 Mio.). • Vermutlich wird der Kapitalbedarf des Unternehmens im Umlaufvermögen in der Planungsperiode von 4 Jahren weiter zunehmen, wenn sich die obigen Annahmen über das Umsatzwachstum realisieren. • Der Finanzplan ist nicht isoliert aufstellbar. Benötigt werden Gewinn- und Verlust-Rechnungen, um steuerliche Überschüsse und Steuern berechnen zu können, sowie Bilanzen, um wichtige Kapital bindende Positionen wie Lagerbestände (LB) und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (F Lei ) sowie Mittel freisetzende Positionen wie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (V Lei ) und kurzfristige Rückstellungen (Rück) zu ermitteln. • Die Gewinn- und Verlustrechnung ist isoliert nicht aufstellbar: in der GuV sind Zinsen anzusetzen. Die Zinszahlungen hängen ab vom Kapitalbedarf der Gesellschaft, der seinerseits vom Umfang der Innenfinanzierung, von der Ausschüttungsquote und von künftigen Finanzierungsmaßnahmen abhängt. Wir beginnen die Kapitalbedarfsrechnung mit der Prognose des Umsatzvolumens, der Absatzpreise und damit der Nettoumsatzerlöse. Davon sind abzuziehen Mate- Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 99 <?page no="102"?> 100 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage rialaufwand, Löhne, allgemeine Verwaltungskosten und das zusätzliche erforderliche Betriebskapital ( Δ EBK). Die Berechnung von Δ EBK ist zu erläutern. Bezieht man für die vergangenen drei Jahre Lagerbestände (LB) 17 , Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (F Lei ) und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (V Lei ) auf die Nettoumsatzerlöse (NUt ), erhält man die folgenden Prozentsätze: 2002 2003 2004 Durchschnitt LB t · 100 7,56 9,42 10,28 9,09 NU t F tLei · 100 13,03 12,63 13,79 13,15 NU t V tLei · 100 15,14 14,60 8,25 12,66 NU t Für die Berechnung von Δ EBK wird daher angenommen, daß in den künftigen Perioden • die LB 9 % der NUt , • die F Lei 13 % der NUt , • die V Lei 10 % der NUt betragen. Da im Sachverhalt keine Hinweise enthalten sind, daß das Unternehmen außergewöhnlich hohe oder niedrige LB oder F Lei hat, ist die Beibehaltung der durchschnittlichen Werte zunächst plausibel. Die Berechnung des NOCF ergibt sich aus den Tabellen 3.7 bis 3.10. 17 In den Bilanzen (s.o.) wird nicht differenziert nach der Art der Vorräte. Im folgenden wird angenommen, daß es sich um Lagerbestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen handelt. <?page no="103"?> 2004 2005 2006 2007 2008 (1) Produktion t (2) Absatzpreise/ t (3) Nettoumsatzerlöse (4) Materialeinsatz in € / t Produktion (5) Materialaufwand (6) Löhne und Gehälter (7) sonst. betriebl. Aufwendungen (8) Δ EBK 3) 17.777 12,88 228.924 2) 3,245 57.694 2) 61.523 2) 75.781 2) 20.031 20.000 13,50 270.000 3,599 72.000 73.828 83.359 - 2.492 22.500 14,72 331.200 3,923 88.290 81.949 91.695 5.355 25.313 16,04 406.021 4,276 108.264 90.963 100.865 6.547 27.375 1) 17,48 478.515 4,660 127.622 100.969 110.951 6.342 (9) Steuern 5.283 (noch unbekannt, vgl. Tabelle 3.9) (10) NOCF vor Steuern 13.895 43.305 63.912 99.382 132.631 1) Maximalkapazität/ Jahr: 365 × 75t = 27.375t. 2) vgl. Gewinn- und Verlustrechnung für 2004. 3) vgl. Tabelle 3.6 und Tabelle 3.8. Tabelle 3.7: Berechnung des NOCF der Glasspinnerei Straubing AG, ohne Steuern (in T € ) 2004 2005 2006 2007 2008 (1) Nettoumsatzerlöse (2) + LB ( = 0,09 × (1)) (3) + F Lei ( = 0,13 × (1)) (4) - V Lei ( = 0,10 × (1)) (5) - Rückstellungen für Lizenzen 2) (6) - Rückstellungen für Steuern 2), 3) (7) = EBK (8) Δ EBK 228.924 23.529 1) 31.564 1) 18.884 1) 7.744 19.348 9.117 20.031 270.000 24.300 35.100 27.000 8.775 17.000 6.625 - 2.492 331.200 29.808 43.056 33.120 10.764 17.000 11.980 5.355 406.021 36.542 52.783 40.602 13.196 17.000 18.527 6.547 478.515 43.066 62.207 47.852 15.552 17.000 24.869 6.342 1) vgl. Bilanz für 2004 2) EBK ist definiert gemäß Formel III: (III) EBK = LB + F Lei + F a + GA - (V Lei + EA) Die Position Rückstellungen für Lizenzen und Rückstellungen für Steuern werden in EBK einbezogen. Wir definieren EBK so: EBK = LB + F Lei - (V Lei + Rück L + Rück St ). Die Rückstellung für Lizenzen resultiert aus der Tatsache, daß die Glasspinnerei Straubing Lizenzunternehmerin für das Produktionsverfahren ist. Die Lizenzgebühr setzt an den Unternehmenszahlungen an, ist also fällig, wenn der Abnehmer der Produkte gezahlt hat. Zahlungszeitpunkte sind der 31.03. bzw. der 30.09. eines Jahres. Wirtschaftlich verursacht ist die Belastung aber bereits mit der Auslieferung der Produkte. Gemäß HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (§ 249 Abs. 1 HGB). Wegen der in Zeile (1) angenommenen Steigerung der Nettoumsatzerlöse wird die Höhe dieser Rückstellungen nicht konstant bleiben. Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 101 <?page no="104"?> 102 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage Für das Jahr 2004 beträgt diese Rückstellung 7.744. Bezogen auf die Nettoumsatzerlöse des Jahres 2004 in Höhe von 228.924, bildet diese Rückstellung den Zahlungsanspruch des Lizenzgebers für die Umsätze der Monate Oktober, November, Dezember 2004 ab. Unterstellt man, daß sich die Nettoumsatzerlöse gleichmäßig über das Jahr verteilen, enthält die Rückstellung die auf 228.924 12 3 ⋅ = 57.231 entfallenden Lizenzgebühren. Unter diesen Annahmen wäre die Lizenzgebühr pro € Nettoumsatzerlös 0,13 € . Die Rückstellungen für die folgenden Jahre werden so berechnet: t NU ⋅ ⋅ 4 1 0,13 . In der GuV sind diese Anforderungen unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen erfaßt. 3) Die hohe Steuerrückstellung ist gemäß Schreiben des Finanzamtes im Jahre 2005 auf 17.000 zu reduzieren. Tabelle 3.8: Berechnung des erforderlichen Betriebskapitals (EBK) 1) für 2004 - 2008 Tabelle 3.8 läßt die Bedeutung des Kapitalbedarfes erkennen, der aus dem Wachstum von EBK resultiert. In den Jahren 2005 - 2008 entsteht hierdurch ein zusätzlicher Bedarf von ca. 16 Mio. Jede Kapitalbedarfsrechnung, die das Wachstum des Umlaufvermögens unbeachtet läßt, führt damit zu anfechtbaren Ergebnissen. Um die Steuerzahlungen zu berechnen, sind die Gewinn- und Verlustrechnungen künftiger Perioden zu erstellen. Diese sind in Tabelle 3.9 dargestellt. Der Finanzchef geht von folgenden Annahmen aus: (1) Er glaubt, daß sich die sofortige Aufnahme eines langfristigen Kredites in Höhe von 20 Mio., dessen Zinssatz 8 % betragen wird, nicht umgehen läßt. Die jährlichen Tilgungszahlungen betragen ab 2006 € 2.000.000. Die erste Zinszahlung ist 2006 fällig. (2) Die kurzfristigen Mittel sollen 2005 um einen dreijährigen kurzfristigen Kredit in Höhe von € 5.000.000 zu 8 %, der 2008 zu tilgen ist, aufgestockt werden. Die erste Zinszahlung ist 2006 fällig. (3) Die Abschreibungen auf die bisherigen Anlagen betragen ab 2005 13.259 T € . (4) Die neuen Gebäude kosten 30 Mio. und haben eine steuerliche Nutzungsdauer von 10 Jahren. Bei linearer Abschreibung beträgt der periodische Aufwand 3 Mio. Wenn eine unbeschränkte Möglichkeit des Verlustvortrages besteht und wenn vereinfachend angenommen wird, daß der Gewinnsteuersatz konstant ist, so ist die beschleunigte Abschreibung mit linearer Abschreibung des Restbetrages über die restliche Nutzungszeit nicht nachteilig. Der Finanzchef unterstellt daher die beschleunigte Abschreibung. Für 2005 beträgt der Abschreibungsaufwand für die Gebäude (in T € ) 22.500; die Jahre 2006-2014 sind mit 833 zu belasten. (5) Auch für die abnutzbaren Anlagen, deren steuerliche Nutzungsdauer 4 Jahre beträgt, setzt der Finanzchef die beschleunigte Abschreibung an. Für 2005 beträgt der Abschreibungsaufwand 55.000 · 0,75 = 41.250. Für die Perioden 2006 - 2008 beträgt die Abschreibung 4.583. <?page no="105"?> (6) Der Gewinnsteuersatz beträgt 50 %. 18 Auf eine Differenzierung in Gewerbeertragsteuer und Körperschaftsteuer (und die damals noch existierenden Gewerbekapital- und Vermögensteuer) wird verzichtet. 2005 2006 2007 2008 (1) Nettoumsatzerlöse (2) Materialaufwand (3) Löhne (4) allgem. Verwaltungsaufwand (5) bisheriger Zinsaufwand (6) Zinsen für langfristigen Kredit (7) Zinsen für kurzfristigen Kredit (8) Abschreibungen (bisherige) (9) Abschreibungen auf neue Gebäude (10) Abschreibungen auf neue Anlagen 270.000 72.000 73.828 83.359 3.214 13.259 1) 22.500 41.250 331.200 88.290 81.949 91.695 3.214 1.600 400 13.259 833 4.583 406.021 108.264 90.963 100.865 3.214 1.440 400 13.259 833 4.583 478.515 127.622 100.969 110.951 3.214 1.280 400 13.259 833 4.583 (11) Gewinn/ Verlust (12) Verlustvortrag (13) Steuern (s = 0,5) - 39.410 39.410 - 45.377 0 2.984 82.200 0 41.100 115.404 0 57.702 1) Die Abschreibung in 2004 beträgt 21.359. Der Bruttobetrag im Anlagevermögen in 2004 ist 1.045 + 21.359 = 22.404. Gemäß Annahme (3) beträgt die Abschreibung auf das zu Beginn des Jahres 2005 vorhandene abnutzbare Anlagevermögen 13.259 T € . Tabelle 3.9: Gewinn- und Verlustrechnung für die Jahre 2005 - 2008 Die künftigen Steuerzahlungen sind jetzt berechenbar. Sie sind in Tabelle 3.7, Zeile (9) einzusetzen. Nach Abzug der Steuerzahlungen von Zeile (10) aus Tabelle 3.7, ergibt sich der NOCF nach Steuern. Er beträgt: 2005 2006 2007 2008 (10) NOCF vor Steuern (9) Steuern 43.305 0 63.912 2.984 99.382 41.100 132.631 57.702 (11) NOCF nach Steuern 43.305 60.982 58.282 74.929 Tabelle 3.10: Berechnung des NOCF nach Steuern Der Finanzplan ist jetzt noch zu ergänzen um • die Zahlungswirkungen, die durch vergangene Finanzierungsentscheidungen 18 Dieser Steuersatz ist im Rahmen des heute geltenden Halbeinkünfteverfahrens zu hoch angesetzt. Wie oben angedeutet, liegt der wahre Sachverhalt einige Jahre zurück. Steuersätze um 50 % und mehr waren damals üblich. Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 103 <?page no="106"?> 104 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage der Unternehmensleitung ausgelöst sind und • die Zahlungswirkungen, die durch Investitions-, Ausschüttungs- und Finanzierungsentscheidungen in der Beurteilungsperiode ausgelöst wurden oder werden. Der gesamte Finanzplan ergibt sich aus Tabelle 3.11. 2005 2006 2007 2008 (1) NOCF nach Steuern 43.305 60.928 58.282 74.929 (2) Tilgungen (aus Sachverhalt nicht entnehmbar) (3) Zinszahlungen (bisherige) - 3.214 - 3.214 - 3.214 - 3.214 (4) erhaltene Rückzahlungen (aus Sachverhalt nicht entnehmbar) (5) vorläufiger Cashflow (6) langfristige Kreditaufnahmen (7) durch (6) ausgelöste Tilgungen (8) durch (6) ausgelöste Zinszahlungen (9) kurzfristige Kreditaufnahmen (10) durch (9) ausgelöste Zinszahlungen (11) durch (9) ausgelöste Tilgungen (12) Investitionsauszahlungen (13) Dividende 40.091 20.000 5.000 - 85.000 - 3.120 57.714 - 2.000 - 1.600 - 400 - 3.120 55.068 - 2.000 - 1.440 - 400 - 3.120 71.715 - 2.000 - 1.280 - 400 - 5.000 - 3.120 (14) Mittelbedarf (-) (15) Mittelüberschuß (+) - 23.029 + 50.594 + 48.108 + 59.915 Tabelle 3.11: Gesamter Finanzplan für 2005 - 2008 Tabelle 3.11 weist für 2005 einen Kapitalbedarf von 23,03 Mio. € aus. Dieses Ergebnis ist deshalb erstaunlich, weil die Investitionssumme im Anlagevermögen 85 Mio. beträgt und lediglich 25 Mio. im Wege der Außenfinanzierung beschafft wurden. Die Differenz ist durch Mittelfreisetzung im EBK (2,5 Mio.) und per Innenfinanzierung - unter Beachtung der Annahmen des Finanzchefs - generiert worden. Die Glasspinnerei Straubing ist ein Unternehmen, das einen sehr hohen NOCF generiert. Dies erleichtert die Finanzierung des gewichtigen Investitionsvorhabens erheblich. In den folgenden Perioden des Planungszeitraums fallen hohe Mittelüberschüsse an, wie Tabelle 3.11 eindringlich belegt. Wenn es dem Finanzchef des Unternehmens gelingt, eine Bank von der Zuverlässigkeit seiner Prognosen und der Richtigkeit seiner Rechnungen zu überzeugen, kann der Mittelbedarf für 2005 im Prinzip kurzfristig finanziert werden. Die kreditierende Bank basiert den Kredit <?page no="107"?> dann auf der zukünftigen Liquidität der Glasspinnerei. In der Realität wird man zur Vorbereitung von wichtigen Entscheidungen alternative Finanzpläne durchrechnen, für die man die Annahmen über Nettoumsatzerlöse und Auszahlungen für Material, Löhne etc. einerseits und u. U. die Möglichkeiten der Kapitalaufbringung andererseits variieren wird. Im vorliegenden Fall bietet sich das Durchrechnen eines weiteren Finanzplanes aus einem gleich zu erläuternden Grund an. Betrachten wir die Plan-Bilanz, die sich für das Jahr 2005 ergäbe, wenn die Planungen, wie hier zunächst angenommen, in Gang gesetzt würden. Tabelle 3.12 zeigt die Bilanzen für 2004 und 2005. 2004 2005 2004 2005 Kasse Forderungen Vorräte 7.816 31.564 23.529 7.787 35.100 24.300 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Rückstellungen für Lizenzgebühren Rückstellungen für Steuern kurzfristige Bankverbindlichkeiten 18.884 7.744 19.348 - 27.000 8.775 17.000 5.000 Umlaufvermögen 62.909 67.187 kurzfristige Verbindlichkeiten 45.976 57.775 Grundstücke Bauten Maschinen Anlagen im Bau 4.048 38.805 16.302 3.995 4.048 43.046 20.052 3.995 langfr. Kredite Pensionsrückstellungen Gesellschafterdarlehen 29.573 13.819 11.000 49.573 13.819 34.000 Sachanlagevermögen 63.150 71.141 Verbindlichkeiten 100.368 155.167 Beteiligungen 11.477 11.477 Vorzugsaktien Stammaktien Gewinnrücklagen 3.250 22.750 11.168 3.250 22.750 8.048 Anlagevermögen 74.627 82.618 Verlustvortrag 39.410 Eigenkapital 37.168 34.048 Summe Aktiva 137.536 189.215 Summe Passiva 137.536 189.215 Tabelle 3.12: Bilanz 2004 und Plan-Bilanz 2005 (in T € ) Die wichtigsten Veränderungen in der Bilanz 2005 seien zunächst erläutert. • Die Position «Bauten» im Sachanlagevermögen ist von 38.805 auf 43.046 gestiegen. Diese Zunahme erklärt sich aus der Errichtung eines neuen Gebäudes in Höhe von 30 Mio. Im einzelnen ergibt sich die Position aus dem Anfangsbestand (38.805) abzüglich der Abschreibungen auf die vorhandenen Bauten, die mit Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 105 <?page no="108"?> 106 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 3.259 angenommen werden, zuzüglich der Erhöhung um die Anschaffungskosten der neuen Bauten (30.000), abzüglich der vom Finanzchef gewählten Form der beschleunigten Abschreibung in Höhe von 75 % der Anschaffungskosten im Jahre der Anschaffung (22.500). Der Endbestand ist somit 43.046. • Die Position «Maschinen» erhöht sich von 16.302 auf 20.052. Der Ausgangsbestand verkürzt sich um die Abschreibungen auf die vorhandenen Anlagen; diese werden mit 10.000 angenommen. Es wird somit angenommen, daß die bisherigen Abschreibungen in Höhe von 13.259 (siehe Zeile (8) in Tabelle 3.9) in 2005 auf Bauten (3.259) und auf Maschinen (10.000) entfallen. Hinzu kommen neue maschinelle Anlagen mit Anschaffungskosten von 55.000, die um die 75 %-ige Sofortabschreibung in Höhe von 41.250 gekürzt werden. Der Endbestand beträgt 20.052. • Die kurzfristigen Bankverbindlichkeiten steigen um 5.000 (siehe Tabelle 3.11, Zeile (9)). • Die langfristigen Kredite steigen um 20.000 (siehe Tabelle 3.11, Zeile (6)). • Die Gesellschafterdarlehen (Kredite von der Geschäftsleitung) steigen von 11.000 auf 34.000. Durch diese hier nur angenommene Maßnahme wird die im gesamten Finanzplan für 2005 ausgewiesene Finanzierungslücke formal geschlossen. Damit soll nicht behauptet werden, die Zufuhr von Gesellschafterdarlehen sei die Lösung des Finanzierungsproblems des Unternehmens, zumal die Eigentümer keine weiteren Mittel ins Unternehmen investieren wollen. • Die (Gewinn)Rücklagen schrumpfen um 3.120 auf 8.048. Diese Reduktion ergibt sich aus der von den Gesellschaftern pro Periode gewünschten Mindestausschüttung. Da die Planbilanz für 2005 keinen positiven Jahresüberschuß ausweist, sind prinzipiell Gewinnrücklagen aufzulösen, um bilanziell eine Ausschüttung zu ermöglichen. Die verkürzten Bilanzen der Glasspinnerei Straubing trennen nicht zwischen gesetzlicher Rücklage und anderen Formen von Gewinnrücklagen. Die gesetzliche Rücklage gemäß § 150 AktG macht im vorliegenden Fall nur einen geringen Bruchteil der genannten Position aus. Zu beachten ist indessen, daß die Gesellschaft 2005 einen Verlustvortrag ausweist, der die Eigenkapitalziffer übersteigt. Im Sinne der Vorschriften der Handelsbilanz ist die Gesellschaft überschuldet. Eine Ausschüttung an die Gesellschafter ist unter diesem Aspekt nicht zulässig. Das Problem könnte hier so gelöst werden, daß die zugeführten neuen und alten Gesellschafterdarlehen als allen Gläubigern gegenüber unwiderruflich nachrangig ausgestaltet werden. Damit liegt Quasi-Eigenkapital in Höhe von 34 Mio. vor, das den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag klar übersteigt. Diese Konstruktion könnte die Zulässigkeit der Ausschüttung sicherstellen. Wäre dies keine tragfähige Lösung, muß die Gesellschaft auf die Inanspruchnahme <?page no="109"?> der Sonderabschreibungsmöglichkeiten bei den Gebäuden oder den maschinellen Anlagen verzichten, um den Verlustvortrag zu mindern und bilanziell die Ausschüttung realisieren zu können. - Der Kassenbestand der Gesellschaft schrumpft um 29 auf 7.787. Der Betrag von 29 ergibt sich aus der Cashflow-Berechnung gemäß dem oben entwickelten System. Es ist in Tabelle 3.13 abgebildet. (1) Nettoumsatzerlöse (2) Materialaufwendungen (3) Löhne und Gehälter (4) Sonstige betriebl. Aufwendungen (5) Steuern (6) Δ EBK 270.000 - 72.000 - 73.828 - 83.359 - - (-2.492) NOCF (7) Zinszahlungen (bisherige) (8) Tilgung Altverbindlichkeiten (9) Erhaltene Rückzahlungen 43.305 - 3.214 - - Vorläufiger Cashflow (10) Langfristige Kreditaufnahme (11) Durch (10) ausgelöste Zinszahlungen (12) Kurzfristige Kredite (13) Durch (12) ausgelöste Zinsen (14) Durch (10) ausgelöste Tilgungen (15) Durch (12) ausgelöste Tilgungen (16) Investitionsauszahlungen (17) Erhöhung Gesellschafterdarlehen (18) Ausschüttung 40.091 20.000 - 5.000 - - - - 85.000 23.000 - 3.120 (19) Δ Kasse - 29 Tabelle 3.13: Geplanter Cashflow für 2005 Die bislang entwickelte Finanzplanung deckt zwei Probleme auf: (1) Die AG ist überschuldet i. S. d. Handelsbilanz, da der Verlustvortrag das gesamte bilanzielle Eigenkapital übersteigt. (2) Das Zahlungsdefizit von ca. 23 Mio. in 2005 muß gedeckt werden. Die Annahme, die Eigentümer führten Gesellschafterdarlehen in Höhe von 23 Mio. zu, war nur vorläufig getroffen worden. Wir beginnen mit Problem (2). Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, das finanzielle Defizit zu reduzieren. a) Die Investitionsauszahlung in Höhe von 85 Mio. wird in Verhandlungen mit dem (den) Lieferanten gestreckt. Werden z. B. nur 80 % der Beträge in 2005 geleistet, und 20 % in 2006, sinkt die finanzielle Unterdeckung um 17 Mio. Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 107 <?page no="110"?> 108 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage b) Der Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen wird ab 2005 von 13 % auf 9,5 % der Nettoumsatzerlöse zurückgeführt. Die Wirkung auf EBK und Δ EBK zeigt die folgende Tabelle 3.14. 2004 2005 2006 2007 2008 (1) Nettoumsatzerlöse (2) + LB (= 0,09 × (1)) (3) + F Lei (= 0,95 × (1)) (4) - V Lei (= 0,10 × (1)) (5) - Rückstellungen für Lizenzen (6) - Rückstellungen für Steuern (7) = EBK (8) Δ EBK 228.924 23.529 31.564 18.884 7.744 19.348 9.117 20.031 270.000 24.300 25.650 27.000 8.775 17.000 - 2.825 - 11.942 331.200 29.808 31.464 33.120 10.764 17.000 388 3.213 406.021 36.542 38.572 40.602 13.196 17.000 4.316 3.928 478.515 43.066 45.459 47.852 15.552 17.000 8.121 3.805 Tabelle 3.14: Entwicklung von EBK bei reduziertem Forderungsbestand Diese Änderung in den Zahlungsbedingungen für Abnehmer, deren schnelle Durchsetzbarkeit hier zur Vereinfachung unterstellt wird, reduziert den ursprünglichen Kapitaleinsatz für EBK im Jahr 2005 von 6,6 auf -2,8 Mio. € . Der Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2004 ist negativ: Es werden 11,9 Mio. € freigesetzt, die den NOCF des Jahres 2005 erhöhen. Zusammen mit der unter a) diskutierten Maßnahme reichte dies aus, um das Finanzdefizit in 2005 zu beseitigen. Die Liquiditätsrechnung für 2005 sähe dann so aus: c) Der Kassenbestand ist mit 7,8 Mio. € in 2004 recht hoch. Als operativ notwendiger Kassenbestand gelten ca. 2 % der Nettoumsatzerlöse. Das sind 4,6 Mio. € . d) Die Gesellschaft könnte den im Jahr 2005 anfallenden bilanziellen Verlust für zwei Jahre zurücktragen, d. h. mit den positiven Steuerbemessungsgrundlagen der Jahre 2003 und 2004 verrechnen. Unter der Voraussetzung, daß die Rückerstattung der Steuerzahlungen durch den Fiskus im Jahre 2005 erfolgte, wäre auch dies ein Beitrag zum Abbau des finanziellen Defizits. e) Ein u. U. verbleibendes finanzielles Defizit hat - wie Tab. 3.11 zeigt - kurzfristigen Charakter, wenn man die der Planung zugrundeliegenden Annahmen teilt. Es könnte bei der gegebenen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft durch Kredite gedeckt werden, die zusätzlich auf den vorhandenen bzw. im Jahr 2005 neu beschafften Vermögensgegenständen gesichert werden könnten. Betrachten wir nun die Möglichkeit, die bilanzielle Überschuldung abzubauen. Es ist anzumerken, daß es im vorliegenden Fall mindestens offen ist, ob eine «Überschuldung im Rechtssinne» vorliegt. Der Tatbestand der Überschuldung wird in § 19 InsO, also in der Insolvenzordnung definiert. Demnach ist eine Kapitalgesellschaft überschuldet, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: (1) eine mindestens bis zum Ende des nächsten Geschäftsjahres reichende Prüfung der Zahlungsfähigkeit <?page no="111"?> der Gesellschaft kommt zu dem Ergebnis, daß diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegeben ist; (2) ein Vergleich des Vermögens der Kapitalgesellschaft, bewertet zu Liquidationswerten (also EVP) zeigt, daß das so bewertete Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht deckt. Von diesen beiden Teilkriterien erfüllt die Glasspinnerei Straubing zumindest das erste nicht. Sie weist lediglich einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Dennoch wollen wir prüfen, wie dieser Fehlbetrag beseitigt werden könnte: a) Der bilanzielle Verlust entsteht durch die Nutzung der Sonderabschreibungsmöglichkeiten. Er könnte entscheidend zurückgefahren werden, wenn nur eine Position linear abgeschrieben würde. Damit entsteht ein steuerlicher Nachteil: Es entgeht ein Zinsgewinn auf hohe steuerliche Vorteile in Periode 2005 bzw. 2006. Dieser Nachteil ist am kleinsten, wenn die neuen Gebäude linear statt beschleunigt abgeschrieben werden. Der Verlustvortrag sinkt um 19,50 Mio. € auf 39,41 - 19,50 = 19,91. Damit ist der verbleibende Eigenkapitalbestand positiv. b) Werden die Sonderabschreibungen für beide Positionen beibehalten, kann die bilanzielle Überschuldung durch den verbindlichen Rangrücktritt der Gesellschafterdarlehen in Höhe von 11 Mio. beseitigt werden. In eine Überschuldungsbilanz sind diese nicht einzustellen, wenn der Rangrücktritt «qualifiziert» ist, d. h. bestimmte Bedingungen erfüllt. Insbesondere muß der Rangrücktritt unwiderruflich sein. Die Gesellschafterdarlehen stellen dann Quasi-Eigenkapital dar und sind folglich nur zu bedienen, wenn nach Bedienung der Gläubigeransprüche verteilbare Überschüsse vorliegen. Der Fall zeigt, daß eine Bilanz bzw. eine GuV bzw. ein Finanzplan die wirtschaftliche Lage einer Gesellschaft Außenstehenden (Kreditgebern, nicht geschäftsführenden Eigentümern) in ganz unterschiedlicher Weise präsentieren kann. Nur mittels zusätzlicher Erläuterungen kann ein externer Bilanzleser erkennen, daß die wirtschaftliche Lage der Glasspinnerei Straubing AG im Jahre 2005 auch bei der Entscheidung zugunsten der beschleunigten Abschreibung auf keinen Fall besorgniserregend ist. Die Plan-Bilanz für 2005 in Tabelle 3.12 zählt vermutlich zu den weniger treffenden Darstellungen. Jedenfalls hätte der Finanzchef mit diesem Jahresabschluß mehr Mühe, Kreditgeber für eine Zwischenfinanzierung der im Finanzplan für 2005 ausgewiesenen Finanzierungslücke zu gewinnen als mit einem Abschluß ohne Verlustvortrag, selbst wenn die ökonomischen Sachverhalte, die hinter diesen Informationsinstrumenten stehen, jeweils die gleichen sind. Ein Ausweg besteht darin, den Jahresabschlußlesern zu erläutern, was die präzisen Ursachen für den hohen Verlustvortrag sind. Der Hinweis auf die steuerliche Nutzung einer Sonderabschreibung, die wegen des Maßgeblichkeitsprinzips auf die Handelsbilanz durchschlägt, ist im Prinzip eine gute Erklärung, wenn sie überzeugend begründet wird und die alleinige Ursache für den Jahresfehlbetrag ist. Fallstudie Glasspinnerei Straubing AG · 109 <?page no="112"?> 110 · Kapitel 3 Liquidität und Darstellung der Liquiditätslage 7 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden als Instrumente zur Messung der Liquidität verschiedene Bilanzkonzeptionen und der Finanzplan vorgestellt. Theoretische Bilanzen und Liquidationsbilanzen liefern eindeutig interpretierbare Ergebnisse. Fortführungsbilanzen, wie die handelsrechtliche Bilanz, haben sich von dem Meßkonzept der güterwirtschaftlichen Liquidität entfernt, ohne sich aber konsequent der Messung der zukünftigen Liquidität zuzuwenden: in bezug auf die Liquiditätsmessung sind sie Zwitter, weder Fisch noch Fleisch, weder «statisch» (d. h. auf dem EVP aufgebaut) noch «dynamisch» (d. h. auf Bruttokapitalwerten aufgebaut). Wir haben uns eingehend mit verschiedenen Cashflow-Definitionen befaßt und deren Mängel herausgestellt. Ein leistungsfähigeres und transparentes Cashflow- System wurde entwickelt. Es verdeutlicht, daß Fortführungsbilanzen (Jahresabschlüsse) wichtige Rohdaten für die Entwicklung von Finanzplänen liefern und daß sie somit auch Informationen über die künftige Liquidität von Unternehmen liefern, auch wenn diese Informationen sehr viel weniger elegant verpackt sind als in einer theoretischen Bilanz. Das Cashflow-System zeigt auch, warum eine Analyse der zukünftigen Liquidität eines Unternehmens ohne gleichzeitige Entwicklung von Plan-Bilanzen und Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen nicht möglich ist. Beide Instrumente geben wichtige Informationen über Kapitalbindung und Steuerbelastung, die für Kapitalbedarfs-Rechnungen benötigt werden. Die Leistungsfähigkeit des Cashflow-Systems wurde an einem praktischen Fall demonstriert. 8 Literaturhinweise Bertonéche, M./ Viallet, C. (1980): Improve your financial analysis skills. Insead working paper. Bitz, M./ Schneeloch, D./ Willstock, W. (2003): Der Jahresabschluß: Rechtsvorschriften, Analyse, Politik. 4. Auflage, München. Busse von Colbe, W. (1976): Cash-Flow. In: Büschge, H. E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, Stuttgart, Spalte 241-252. Coenenberg, A. G. (2005): Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse. 20. Auflage, Landsberg am Lech. Deutsche Bundesbank (1992): Die Untersuchung von Unternehmensinsolvenzen im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Deutsche Bundesbank. In: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, S. 30-36. Deutsche Bundesbank (1999): Zur Bonitätsbeurteilung von Wirtschaftsunternehmen durch die Deutsche Bundesbank. In: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, S. 51-63. <?page no="113"?> Liquidität - Begriff und Bestimmungsgrößen · 111 Financial Accounting Standards Board (2002): Accounting Standards. Volume II, FAS 142, S. 2514. Förster, W./ Döring, V. (2005): Liquidationsbilanz. 4. Auflage, Köln. Foster, G. (1986): Financial Statement Analysis. 2. Auflage, Englewood Cliffs. Gräfer, H. (2005): Bilanzanalyse. Eine Einführung mit Aufgaben und Lösungen. 9. Auflage, Herne/ Berlin. Hauschildt, J. (1984): Der Cashflow - Ein Krisensignalwert? In: Die Betriebswirtschaft, S. 353-370. Küting, K./ Weber, C.-P. (2006): Die Bilanzanalyse. 6. Auflage, Stuttgart. Matschke, M. (1991): Finanzierung der Unternehmung. Herne/ Berlin. Moxter, A. (1993): Bilanzlehre. 3. Auflage Wiesbaden. Rehkugler, H./ Podding, T. (1998): Bilanzanalyse. 4. Auflage, München/ Wien. Schildbach, T. (2004): Der handelsrechtliche Jahresabschluß. 7. Auflage, Herne/ Berlin. Stützel, W. (1975): Liquidität, betriebliche. In: Grochla, E./ Wittmann, W. (Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 4. Auflage, Stuttgart, Spalte 2515-2533. Veit, O. (1966): Reale Theorie des Geldes. Tübingen. Veit, O. (1948): Volkswirtschaftliche Theorie der Liquidität. Frankfurt am Main. Witte, E. (1976): Liquidität, betriebswirtschaftliche. In: Büschgen, H. E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Finanzwirtschaft. Stuttgart, Spalte 1283-1287. <?page no="115"?> Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Kapitel 4 Inhalt 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2 Rendite als interner Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3 Bilanzielle Renditen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.1 Anforderungen an bilanzielle Renditen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.2 Gesamtkapitalrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3.3 Modifizierte Gesamtkapitalrendite (ROIC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3.4 Eigenkapitalrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3.5 Beziehung zwischen Gesamtkapital- und Eigenkapitalrendite . . . . 126 3.6 Umsatzrenditen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4 Anwendung auf die Daten der Glasspinnerei Straubing AG . . . . . . . . . . 129 5 Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.1 Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.2 Abschreibung, investiertes Kapital und Rendite . . . . . . . . . . . . . . 134 5.3 Wann wird Wert geschaffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.3.1 Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.3.2 Nettokapitalwert und Aufwands- und Ertragsrechnung . . . 137 5.3.3 Das Konzept des Residualgewinnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5.3.4 Residualgewinne und Unternehmenswertänderung. . . . . . . 143 5.4 Marktwerte anstelle von Buchwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5.5 Eine am Mitteleinsatz der Investoren orientierte Performancemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5.6 Exkurs: CFROI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 7 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1 Einführung Wir haben in Kapitel 1 betont, daß das finanzielle Ziel von Unternehmen beschrieben werden kann als Einkommenserzielung für die Financiers (und Arbeitnehmer) des Unternehmens. Folglich ist die Frage, was ein Unternehmen in einer Periode verdient hat, von Bedeutung. Ob ein Unternehmen in einer Periode «Geld verdient» hat, kann man an einem positiven operativen Cashflow nach Steuern (NOCF) oder an einem Cashflow-Überschuß nicht verläßlich erkennen. Warum das so ist, soll dieses Kapitel erläutern. <?page no="116"?> 114 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Das Kapitel ist so aufgebaut: Wir beginnen mit der Darstellung von bilanziellen Renditen, die auch als Rentabilitäten bezeichnet werden. Als Bezugsgröße zur Beurteilung der Signale, die bilanzielle Renditen liefern, benutzen wir den internen Zinsfuß. Wir werden sehen, daß bilanzielle Renditen im Vergleich zu internen Zinsfüßen schlecht abschneiden und deshalb nach den Ursachen für dieses Ergebnis fragen. Anschließend stellen wir das Konzept des Residualgewinns vor. Residualgewinne sind bilanziell gemessene Überschüsse einer Periode, die um in Geldeinheiten gemessene Kapitalkosten verkürzt werden. Die Kapitalkosten stellen den Geldbetrag dar, den Eigentümer bzw. Kapitalgeber bei alternativer Geldanlage (bei gleichem Risiko) hätten erzielen können. Der Vorteil des Residualgewinns vor anderen bilanziell gemessenen Erfolgsgrößen (wie z. B. EBIT, JÜ) ist, daß er den alternativ erzielbaren Überschuß explizit beachtet und damit den Kern der Methoden zur Beurteilung von Investitionsprojekten berücksichtigt. Abbildung 4.1 verdeutlicht den Aufbau des Kapitels. Überblick über Renditebzw. Performance-Konzepte Interner Zinsfuß oder ökonomische Rendite r bilanzielle Renditen Residualgewinne (RG) Umsatzrenditen Kapitalrenditen Bruttoumsatzrendite Nettoumsatzrendite Gesamtkapitalrendite Eigenkapitalrendite BUR NUR GKR R OIC EKR vor St. nach St. vor St. nach St. vor St. nach St. basiert auf Buchwert basiert auf investiertem Kapital Abbildung 4.1: Überblick über Rendite- und Performance-Konzepte <?page no="117"?> 2 Rendite als interner Zins Der interne Zinsfuß eines Projektes ist definiert als der Diskontierungssatz, der die erwarteten durch das Projekt ausgelösten Cashflows (Nettoeinzahlungen) auf einen Bruttokapitalwert (BKW 0 ) in Höhe der Anschaffungsauszahlung (I 0 ) abzinst. Für den internen Zinsfuß eines Projektes gilt somit (4.1) 0 -t n 1 t t I ) r 1 ( NE = + ∑ = . Ein Investitionsprojekt lohnt, wenn der interne Zinsfuß r die Kapitalkosten (i) übersteigt. Als Kapitalkosten gelten hier vereinfachend die Kosten, zu denen ein Betrag in Höhe von I 0 beschafft werden kann oder die Rendite, die bei alternativer Anlage von Mitteln in Höhe von I 0 erzielt werden kann. Beispiel 0 4 Projekt D r (D) = ? - 8.000 16.000 Gesucht ist der Zinssatz, für den gilt: 16.000 · 4 ) r 1 ( 1 + = 8.000. ⇒ r (D) = 18,92 %. Beträgt i = 10 %, lohnt Projekt D. Wir erhalten das gleiche Signal bezüglich der Vorteilhaftigkeit von Projekt D, wenn wir den Nettokapitalwert (NKW) des Projektes berechnen: (4.2) Σ − + = = − n 1 t 0 t t 0 I ) i 1 ( NE NKW Enthält die Zahlungsreihe nur einen Vorzeichenwechsel, geben interne Zinsfuß- Methode und Nettokapitalwert-Methode die gleichen Signale über die Vorteilhaftigkeit eines Projektes. Im folgenden benutzen wir den internen Zinsfuß als Bezugsgröße, um alternative Renditedefinitionen zu beurteilen. Zur Sicherheit verweisen wir darauf, daß die Methode der internen Zinsfüße keine fehlerfreie Methode ist. Sie hat eine ganze Reihe von Nachteilen: Sie taugt nicht zum Vergleich von sich ausschließenden Projekten, interne Zinsfüße sind im Gegensatz zu Brutto- oder Nettokapitalwerten nicht addierbar. Weist die Zahlungsreihe eines Projektes mehrere Vorzeichenwechsel auf, resultieren gelegentlich mehrere positive Zinsfüße. Die Liste der Nachteile ließe sich verlängern. Rendite als interner Zins · 115 <?page no="118"?> 116 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? 3 Bilanzielle Renditen Daß in Literatur und insbesondere der Praxis der Erfolgsmessung mit Renditen operiert wird, die auf Rechnungslegungs(Jahresabschluß)daten aufbauen, bedarf wegen der Eigenschaften dieser Signale einer besonderen Begründung. Als Gründe sind anzuführen: Externe Analysten haben keine Wahl; sie sind auf die Jahresabschlußdaten, die Unternehmen veröffentlichen, angewiesen. Folglich sieht es so aus, als könnten sie nur die üblichen, Jahresabschluß-basierten Renditen berechnen. Manager und Controller haben als Insider des Unternehmens ganz andere, bessere Möglichkeiten. Sie könnten beliebig feine Performancesignale entwickeln und müßten sich nicht mit den groben Maßstäben wie Gesamtkapitalrendite oder Eigenkapitalrendite, die wie Triceratopse aus den Anfängen der Renditemessung wirken, begnügen. Daß sie es z. T. nicht tun, hängt mit vielleicht fehlendem Durchblick oder mit der Gewöhnung an die Systematik der Rechnungslegung zusammen, die bei der Renditemessung auf falsche Fährten führen kann. 3.1 Anforderungen an bilanzielle Renditen Kennzahlen sollen Informationen verdichten, d. h. «auf den Punkt bringen» und zielbezogene Aussagen erlauben. Zielbezogene Aussagen von Renditen könnten sein: (a) wir sind besser (schlechter) als im Vorjahr, (b) wir sind besser (schlechter) als die Wettbewerber, (c) wir haben im Unternehmen in der abgelaufenen Periode mehr (weniger) verdient als Eigentümer bei Anlage der investierten Mittel auf dem Kapitalmarkt (bei gleichem Risiko) hätten verdienen können. Sowohl (a) als auch (b) und (c) sind mögliche Referenzpunkte. (a) wählt die eigene Performance in der Vergangenheit als Bezugspunkt; war diese dünn, sieht eine weniger dünne Leistung schon gut aus; Lösung (a) ist somit unbefriedigend. Die Lösungen (b) und (c) sind weit besser. Was der härteste Bezugspunkt ist, der die meisten Leistungsanreize setzt, kann allgemein nicht gesagt werden. Schlagen die Wettbewerber den Bezugspunkt (c), ist die Wahl von (b) ein anspruchsvollerer Bezugspunkt als (c). Schlagen die Wettbewerber (c) nicht, liefert die Wahl von (c) als Bezugsgröße den höheren Ansporn. Rendite-Kennzahlen müssen zudem konsistent konstruiert sein. Zähler und Nenner müssen zueinander «passen». Dies ist später zu erläutern. <?page no="119"?> Bilanzielle Renditen · 117 3.2 Gesamtkapitalrendite Die Idee ist einfach. Die Erfolge aller Kapitalgeber einer Periode werden in Beziehung gesetzt zu dem von allen Kapitalgebern eingesetzten Kapital. Üblich ist es, den Erfolg der Eigenkapitalgeber mit dem Jahresüberschuß gleichzusetzen und den Erfolg der Fremdkapitalgeber mit den Zinszahlungen zu identifizieren. Das eingesetzte Kapital wird üblicherweise mit der Bilanzsumme (der Summe aller Aktiva) gleichgesetzt. Ob die Bilanzsumme zu Beginn der Periode, zum Ende der Periode oder als Durchschnitt beider Werte anzusetzen ist, wird ganz unterschiedlich beantwortet. 19 Üblich ist es, die Definitionen der Gesamtkapitalrendite (GKR) vor bzw. nach Steuern zu unterscheiden. Mit (4.3) erhält man die GKR vor Steuern: (4.3) GKR (oder ROA) 20 = BS EvZiS oder BS EBIT . EvZiS (EBIT) bedeutet Erfolg vor Zinsen und Steuern und setzt sich zusammen aus Jahresüberschuß, Zinsaufwendungen, Steuern vom Einkommen und Ertrag und ggf. sonstigen Steuern. BS steht für Bilanzsumme am Ende der Vorperiode. (4.4) definiert die Gesamtkapitalrendite nach Steuern: (4.4) GKR S (oder ROA S ) = BS S EvZiS − = BS S EBIT − Betrachtet man die Bestimmungsgrößen der GKR in Abbildung 4.2, sieht man, daß es sich um eine Kennzahl handelt, die eine beeindruckende Informationsmenge verdichtet. 19 Bei expliziter mehrperiodiger Betrachtung und Änderungen der Bilanzsumme im Zeitablauf benutzen wir die Bilanzsumme bzw. den (Eigen)Kapitaleinsatz am Ende der Vorperiode als Bezugsgröße. 20 ROA = rate of return on assets; auch ROI = rate of return on investment; EBIT = earnings before interest and taxes. <?page no="120"?> 118 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Zugleich wird deutlich, über welche Parameter die GKR beeinflußt werden kann: Eine Reduktion des im Umlaufvermögen gebundenen Kapitals senkt unter sonst gleichen Bedingungen die Bilanzsumme, erhöht damit die Umschlagsgeschwindigkeit und schließlich die Gesamtkapitalrendite. Die Umschlagsgeschwindigkeit der gesamten Aktiva (UGA) ist definiert durch Bilanzsumme (BS) Nettoumsatzerlöse (NU) UGA = . GKR Brutto- Umsatz- Rendite Umschlagsgeschwindigkeit Umsatz Bilanzsumme Erfolg vor Zinsen und Steuern Erfolg nach Zinsen und vor Steuern Zinsaufwand Anlagevermögen Umlaufvermögen Operatives Ergebnis Finanzergebnis Immaterielle Vermögensgegenstände Bewertungsergebnis Außerordentliches Ergebnis Sachanlagen Finanzanlagen Vorräte, unfertige Erzeugnisse etc. Sonstiges Umlaufvermögen . . Liquide Mittel Umsatz . Abbildung 4.2: Bestimmungsgrößen der GKR vor Steuern <?page no="121"?> Bilanzielle Renditen · 119 Multipliziert man die (Brutto)Umsatzrendite (BUR), definiert durch (4.5) NU EBIT BUR = mit der Umschlagsgeschwindigkeit, erhält man die GKR vor Steuern. Es gilt also (4.6): (4.6) . BS NU NU EBIT GKR = BUR · UGA = · Multipliziert man die Umsatzrendite nach Steuern (NUR), definiert durch (4.7) (4.7) NU EBIT - S NUR = mit der Umschlagsgeschwindigkeit (UGA), erhält man die GKR nach Steuern: (4.8) BS NU NU EBIT - S NUR · UGA = GKR S · = . (4.6) und (4.8) sind nicht etwa schwerfällige Schreibweisen für die GKR bzw. GKR S , sondern zeigen, daß ein bestimmtes Ergebnis für die GKR (bzw. GKR S ) von BUR (NUR) und UGA abhängt. Diese Kennzahlenzerlegung öffnet den Weg zu einer genaueren Ursachenanalyse entlang den Pfaden, die Abb. 4.2 zeigt. Ist z. B. die GKR im Vergleich zu einem Wettbewerber gesunken, kann man fragen, ob UGA oder BUR oder beides gesunken ist. Ist z. B. die UGA gesunken, wird man - Abb. 4.2 folgend - zu fragen haben, ob das Umlaufvermögen und/ oder das Anlagevermögen überproportional gestiegen ist und warum dies eingetreten ist. GKR bzw. GKR S erscheinen somit auf den ersten Blick als prinzipiell brauchbare Kennzahlen. Nun ist entscheidend, ob die Kennzahl GKR bzw. GKR S (1) konsistent konstruiert ist und (2) ob die Kennzahl zuverlässige Signale gibt. Wir fragen zunächst nach dem konsistenten Aufbau der Kennzahl. Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen GKR zuverlässige Signale geben, wird unten aufgegriffen. 3.3 Modifizierte Gesamtkapitalrendite (ROIC) Betrachten wir ein einfaches Beispiel. Abbildung 4.3 zeigt vereinfachte Jahresabschluß-Daten der Unternehmen A und B. <?page no="122"?> 120 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Unternehmen A Bilanz zum 31.12.2005 (in T € ) 2005 2004 2005 2004 Anlagevermögen Grundstücke Anlagen 200 1.100 200 1.010 Grundkapital gesetzl. Rücklage freie Rücklagen 600 60 40 600 60 20 Summe 1.300 1.210 Summe 700 680 Umlaufvermögen Forderungen Wertpapiere Lagerbestände an Fertigfabrikaten 200 150 300 250 175 355 Hypothekendarlehen langfr. Darlehen Pensionsrückstellungen 500 200 130 500 200 122 Summe 830 822 Kasse 50 52 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 370 425 kurzfr. Bankverbindl. 100 115 Summe 700 832 Summe 470 540 Bilanzsumme 2.000 2.042 Bilanzumme 2.000 2.042 Gewinn- und Verlustrechnung für 2005 (in T € ) Umsätze Materialaufwand Abschreibungen Personalaufwand Sonst. betriebliche Aufwendungen Sonstige Erträge Zinsen 3.000 555 300 1.750 36 15 80 Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit Steuern 294 106 Jahresüberschuß 188 Abbildung 4.3: Jahresabschluß-Daten des Unternehmens A <?page no="123"?> Bilanzielle Renditen · 121 Unternehmen B Bilanz zum 31.12.2005 (in T € ) 2005 2004 2005 2004 Anlagevermögen Grundstücke Anlagen 200 1.100 200 1.010 Grundkapital gesetzl. Rücklage freie Rücklagen 600 60 40 600 60 20 Summe 1.300 1.210 Summe 700 680 Umlaufvermögen Forderungen Wertpapiere Lagerbestände an Fertigfabrikaten 200 150 300 250 175 355 Hypothekendarlehen langfr. Darlehen 500 200 520 200 Summe 700 720 Kasse 50 52 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 70 97 kurzfr. Bankverbindl. 530 545 Summe 700 832 Summe 600 642 Bilanzsumme 2.000 2.042 Bilanzumme 2.000 2.042 Gewinn- und Verlustrechnung für 2005 (in T € ) Umsätze Materialaufwand Abschreibungen Personalaufwand Sonst. betriebliche Aufwendungen Sonstige Erträge Zinsen 3.000 525 300 1.750 28 15 123 Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit Steuern 289 104 Jahresüberschuß 185 Abbildung 4.3: Jahresabschluß-Daten des Unternehmens B <?page no="124"?> 122 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Unternehmen A und B unterscheiden sich unter folgenden Aspekten: - Unternehmen A finanziert sich in 2004 im kurzfristigen Bereich über Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (425), kurzfristige Bankverbindlichkeiten (115) und eine (in der Vergangenheit bereits gebildete) Pensionsrückstellung (122). Unternehmen B ist mit Unternehmen A nahezu identisch. Die Unterschiede bestehen zunächst im Bereich der kurzfristigen Finanzierung. B finanziert sich vorrangig über kurzfristige Bankkredite (545) und deutlich weniger als A über Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (97). - Unternehmen A bildet Pensionsrückstellungen; Unternehmen B gibt keine entsprechenden Zusagen. - Daraus resultierende Unterschiede in den GuV-Rechnungen: • Der Materialaufwand von Unternehmen B ist niedriger (- 30), da B die Skonto-Möglichkeiten, die die Lieferanten bieten, stärker nutzt als Unternehmen A. • Die Zinsaufwendungen sind höher, da die kurzfristigen Bankverbindlichkeiten des Unternehmens B höher (+ 430) sind als bei A. Der Zinssatz betrage 10 %. • Unternehmen A gewährt Pensionszusagen, die von Jahr zu Jahr anwachsen. Die Zuführung zu den Pensionsrückstellungen erhöht im Beispiel die sonstigen betrieblichen Aufwendungen des Unternehmens A. • Aus den vorgenannten Punkten folgen Rückwirkungen auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, die hier zugleich als Steuerbemessungsgrundlage fungiert. Daraus resultieren die Unterschiede in der Steuerbelastung der Unternehmen A und B. Der Gewinnsteuersatz beträgt s = 0,36. Berechnet man nun GKR bzw. GKR S für die beiden Unternehmen erhält man für 2005 unter Benutzung der Bilanzsumme von 2004: GKR GKR S A 042 2 188 + 106 +80 . = 0,183 042 2 188 + 80 . = 0,131 B 042 2 185 + 104 +123 . = 0,202 2.042 185 + 123 = 0,151 Zu diskutieren ist nun, ob die Bezugsgröße Bilanzsumme 2004 in Höhe von 2.042 für beide Unternehmen sinnvoll ist. Betrachten wir zunächst die Position Ver- <?page no="125"?> Bilanzielle Renditen · 123 bindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Unternehmen A greift stärker als B auf Lieferantenkredite zurück. Die Kosten bestehen in einem Verzicht auf die Skontierung von Lieferantenrechnungen. Dies findet seinen Niederschlag in einem höheren Materialaufwand des Unternehmens A. Nun soll die GKR bzw. GKR S eine Aussage darüber machen, wie ein Unternehmen bezogen auf das eingesetzte Kapital am Ende der Vorperiode sein Kapital verzinst. Doppelzählungen sind zu vermeiden. In der Bezugsgröße, also dem Nenner, dürfen folglich nur die Positionen enthalten sein, die noch nicht explizit mit Kosten der Kapitalnutzung bedient wurden, die m.a.W. die Erfolgsgröße noch nicht verkürzten. Die Kredite von Lieferanten aber wurden «bedient», weil Unternehmen A auf den Skontoabzug in weit stärkerem Maße verzichtete als B, wie die Position Materialaufwand zeigt. Folglich haben die Kosten der Kapitalnutzung in Form von Lieferantenkrediten bei Unternehmen A den Erfolg bereits verkürzt. Sie haben sich im geminderten Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit niedergeschlagen. Im Nenner dürfen sie folglich nicht erneut angesetzt werden. Betrachten wir die Pensionsrückstellungen des Unternehmens A. Pensionszusagen kosten Geld; Pensionsrückstellungenen verkörpern eine Mittelquelle (Innenfinanzierung), die keinesfalls kostenlos ist. Im Beispiel wächst die Pensionsrückstellung von 122 auf 130. Dies entspricht etwa der vom Gesetzgeber in § 6a EStG geforderten Verzinsung von 6 %. 21 Die Zuführung zur Pensionsrückstellung hat sich im Beispiel in den höheren sonstigen betrieblichen Aufwendungen des Unternehmens A niedergeschlagen. 22 Folglich sind ihre Kosten unter den hier gesetzten Annahmen bereits beachtet. Eine Übernahme der Position Pensionsrückstellungen in die Bezugsgröße in Form der Bilanzsumme bedeutet somit eine Doppelzählung. Im Ergebnis sind somit die Bilanzsummen um die Positionen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und Pensionsrückstellungen zu bereinigen, wenn Doppelzählungen vermieden werden sollen. Dann folgt: Korrigierte GKR (ROIC) Korrigierte GKR S (ROIC S ) A 2.042 - 122 - 425 188 + 106 + 80 = 0,250 2.042 - 122 - 425 188 + 80 = 0,179 B 2.042 - 97 85 + 104 + 123= 0,212 2.042 - 97 185 + 123 = 0,158 21 Die Kosten von Pensionszusagen liegen deutlich über 6 %. Hier soll mit dieser vereinfachenden Annahme gearbeitet werden 22 Zuführungen zu Pensionsrückstellungen sind in aller Regel unter Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung auszuweisen. Sie werden hier unter sonstigen betrieblichen Aufwendungen ausgewiesen. <?page no="126"?> 124 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Gemessen an der modifizierten Gesamtkapitalrendite, die wir mit ROIC bezeichnen, steht Unternehmen A jetzt besser da als B. In der ersten Rechnung schien die Lage umgekehrt. Bei der Ermittlung von korrigierten Gesamtkapitalrenditen sind die folgenden beiden Vorgehensweisen möglich: 1. In die Zählergröße (Erfolg) gehen alle Entgelte für Leistungen von Kapitalgebern ein: - verzinsliches Fremdkapital ⇒ Zinsen - Pensionsrückstellungen ⇒ Kosten der Pensionsrückstellungen - Verbindlichkeiten aus ⇒ Kosten in Form nicht in Lieferungen und Leistungen Anspruch genommener Skonti - Eigenkapital ⇒ Erfolg nach den oben aufgeführten Positionen Bezugsgröße ist dann die Summe der Beiträge aller Kapitalgeber, für die vereinfachend die Bilanzsumme stehen kann. 2. Die Zählergröße wird ausgehend vom Überschuß, den die GuV ausweist, nicht korrigiert. In der Bezugsgröße (Nenner) sind dann nur die Kapitalbeträge zu erfassen, deren Kosten die Erfolgsgröße, also den Zähler, noch nicht gekürzt haben. Pensionsrückstellungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gehören im Beispiel dann nicht in die Bezugsgröße (Nenner), die den noch zu verzinsenden Kapitaleinsatz ausweist. Außenstehende Analysten werden die Lösung 1. häufig nicht realisieren können, weil ihnen die erforderlichen Daten fehlen. Es bleibt somit Lösung 2. Wir nennen die so definierte Rendite im Unterschied zur üblichen GKR Rendite auf das eingesetzte, noch mit Kapitalkosten zu belastende Kapital (ROIC). ROIC bedeutet rate of return on invested capital. Abb. 4.4 zeigt die Bestimmungsgrößen von ROIC vor Steuern. Das Symbol IC steht für (in diesem Sinn) investiertes Kapital. Verkürzt formuliert ergibt sich ROIC vor Steuern aus t-1 IC EBIT ROIC= . ROIC nach Steuern ist definiert durch t-1 IC EBIT - S ROIC - . <?page no="127"?> Bilanzielle Renditen · 125 3.4 Eigenkapitalrendite Der Eigenkapitalrendite wird i.d.R. große Aufmerksamkeit zuteil, weil man glaubt, daß es insbesondere auf die Position und damit die Rendite der Eigentümer ankäme. Dies ist richtig. Falsch ist aber der implizit enthaltene Hinweis, hohe Eigenkapitalrenditen deuteten auf hohe Vermögenszuwächse der Eigentümer hin. Nettoumsatzerlöse Personalaufwand Materialaufwand Abschreibungen Sonstige betriebliche Aufwendungen Sachanlagen Immat. Anlageverm. Umlaufvermögen Verbindl. aus Lief. u. Leist. Pensionsrückstellungen ROIC vor Steuern Umschlagsgeschwindigkeit (UGA) Bruttoumsatzrendite (BUR) Nettoumsatzerlöse : . Nettoumsatzerlöse Invested Capital (IC) : Abbildung 4.4: Einflußgrößen von ROIC <?page no="128"?> 126 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Die bilanzielle Eigenkapitalrendite vor Steuern (EKR) 23 wird gemessen durch (4.9) EK EBIT - Zi EKR = . Die bilanzielle Eigenkapitalrendite nach Steuern (EKR S ) ist definiert durch (4.10) EK EBIT - Zi - S EKR S = . Zwischen GKR und EKR besteht ein Zusammenhang, der im folgenden zu erläutern ist. 3.5 Beziehung zwischen Gesamtkapital- und Eigenkapitalrendite Die Beziehung zwischen EKR und GKR kann durch (4.11) bzw. (4.12) gekennzeichnet werden: (4.11) EK FK EKR = GKR + (GKR - i) · i = Fremdkapitalkosten FK = Fremdkapital (Buchwert) EK = Eigenkapital (Buchwert) Wenn gilt GKR > i, übersteigt die EKR die GKR. Das ist die bekanntere Seite des sogenannten Leverage-Effektes (Hebel-Effektes). Durch Einsatz «billigen», den Satz i kostenden Fremdkapitals kann die EKR u. U. gesteigert werden. Diese Aussage stimmt zuversichtlich. Zu beachten ist jedoch, daß das Risiko der Eigentümer-Position ebenfalls steigt, weil die GKR i.d.R. keine sichere Rendite ist, die immer und überall eintritt. Das ist unten zu erläutern. Die Formel (4.11) ergibt sich aus folgender Überlegung: Die GKR eines Unternehmens ist unabhängig von der Finanzierung, also der Passivseite der Bilanz. Es gilt EBIT = GKR (EK + FK). Wird FK, das den Satz i kostet, teilweise an die Stelle von EK gesetzt, folgt ein Überschuß der Eigentümer, nämlich GKR (EK + FK) - iFK, der auf das reduzierte EK zu beziehen ist. Es gilt EK GKR (EK + FK) - iFK EKR = . Formt man um, folgt (4.11). Den gleichen Sachverhalt kann man auch so darstellen: (4.12) EK BS EBIT EBIT - Zi BS EBIT EKR = = GKR · FLM. ⎮ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ · 23 In der Literatur wird auch die Abkürzung ROE (rate of return on equity) verwendet. <?page no="129"?> Bilanzielle Renditen · 127 FLM bedeutet Finanzierungs-Leverage-Multiplikator. Er erfüllt genau die Funktion, die in (4.11) der zweite Term auf der rechten Seite erfüllt. Beispiel Situation A Situation B Situation C Nettoumsätze Bilanzsumme bilanzielles EK Fremdkapital Zins für Fremdkapital (i) EBIT Zinsen (i · FK) Steuern (s = 0,5) Jahresüberschuß 1.000 100 100 - 0,20 50 - 25 25 1.000 100 50 50 0,20 50 10 20 20 1.000 100 50 50 0,20 15 10 2,5 2,5 (1) GKR (2) EBIT EBIT - Zi (3) EK BS (4) FLM = (2) · (3) gem. (4.12) (5) EKR = (1)· (4) (6) EK FK (GKR - i) · 0,5 1 1 1 0,5 0 0,5 0,8 2 1,6 0,8 0,3 0,15 0,33 2 0,67 0,1 - 0,05 (7) EKR = (1) + (6) gem. (4.11) 0,5 0,8 0,1 Der Nachteil der EKR ist, daß sie durch die Wahl des Verhältnisses FK/ EK (rechnerisch) weitgehend gesteuert werden kann und daß so bewirkte Zuwächse an EKR Vermögensgewinne für Eigentümer nahezulegen scheinen, wo u. U. keine sind. Läßt man steuerliche Aspekte außer acht, schaffen höhere Fremdmittel-Anteile in aller Regel zugleich höheres Risiko für Eigentümer, das der höheren erwarteten Rendite der Eigentümer gegenübergestellt werden muß. Beispiel I 0 = 17; FK = 10; EK = 7; i = 0,07; drei Zustände z 1 , z 2 , z 3 seien möglich; das Projekt hat eine unendliche Lebensdauer. z j p j NE j GKR j NE j - iFK EKR j 1 2 3 0,3 0,4 0,3 4,7 2,7 0,7 0,276 0,159 0,041 4,0 2,0 0 0,571 0,286 0 <?page no="130"?> 128 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Bringen die Eigentümer Mittel in Höhe von I 0 = 17 selbst auf, erzielen sie die zustandsabhängigen GKRj, die in der Tabelle ausgewiesen sind. Die erwartete Rendite beträgt 15,9 %. Werden Gläubiger mit FK in Höhe von 10 an der Finanzierung beteiligt, steigt die erwartete Eigenkapitalrendite der Eigentümer gemäß (4.11) auf 28,6 %. (4.11) EKR = 0,159 + (0,159 - 0,07) 7 10 = 0,286 Gemäß (4.12) folgt ebenfalls (4.12) EKR = 0,159 · 7 17 0,7 2,7 - 0,7 · = 0,286. Zugleich steigt auch das Risiko der Position der Eigentümer: Die Standardabweichung der bilanziellen Rendite bei voller Eigenfinanzierung ist σ E = 0,0911; bei teilweiser Fremdfinanzierung erreicht die Standardabweichung der bilanziellen Eigenkapitalrendite den Wert σ F = 0,2213. Man hat folglich Rendite gegen Risiko abzuwägen. Oder: Die ausgewiesene Renditesteigerung ist nicht gratis. Eigentümer müssen dafür bezahlen in Form einer höheren Risikoübernahme. Wenn die Eigentümer risikoscheu sind, ist dieses höhere Risiko ein Nachteil. 3.6 Umsatzrenditen Umsatzrenditen werden verbreitet genutzt. Sie sind einfach zu berechnen, da sie eine einfach zu ermittelnde Bezugsgröße nutzen: die Umsatzerlöse der Periode. Dies ist nicht ohne Nachteil, weil der Kapitaleinsatz, der notwendig ist, um eine Umsatzrendite zu erzielen, unbeachtet bleibt. Es ist der Kapitaleinsatz, der Kapitalkosten in Form der erzielbaren Alternativrendite auslöst. Eine zielgerichtete Steuerung allein gestützt auf Umsatzrenditen, erscheint deshalb nicht realisierbar. Die Bruttoumsatzrendite (BUR) ist definiert durch NU EBIT BUR = . Die Nettoumsatzrendite ist definiert durch NU EBIT - S NUR = . Sie ist eine Nach-Steuer-Rendite. Auf die Beziehung zwischen BUR, UGA und GKR wurde in (4.6) bereits hingewiesen. Für die Nettoumsatzrendite gilt analog: GKR S = NUR · UGA = BS NU NU EBIT - S · . <?page no="131"?> 4 Anwendung auf die Daten der Glasspinnerei Straubing AG Die vorgestellten bilanziellen Renditen und Zusammenhänge sollen auf die Daten der Glasspinnerei Straubing AG angewendet werden. Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen sind im Abschnitt 6.3 des 3. Kapitels dargestellt. Abbildung 4.5 zeigt GKR, EKR und ROIC vor und nach Steuern sowie Brutto- und Nettoumsatzrenditen und Umschlagsgeschwindigkeiten für die Jahre 2004 und 2006. Das Geschäftsjahr 2004 ist das letzte Geschäftsjahr vor der geplanten Kapazitätserweiterung; im Geschäftsjahr 2005 wird die Kapazität erweitert, die notwendigen Finanzierungsmaßnahmen getroffen und der bilanzielle Fehlbetrag in Höhe von 39,4 Mio. € erzielt. Für 2006 zeigen Plan-Gewinn- und Verlustrechnung und Planbilanzen weniger stürmische Verhältnisse als in 2005. Wir wählen deshalb das Jahr 2006, um die relevanten Rentabilitäten zu berechnen. Für die Berechnung der Kapital-Rentabilitäten werden generell die Kapitaleinsätze am Ende der Vorperiode benutzt. Die GKR für das Jahr 2004 ist also berechnet auf die Bilanzsumme der Periode 2003 in Höhe von 134.401. Während die Angaben für 2004 leicht nachzuvollziehen sind, erfordern die Berechnungen für das Jahr 2006 einige Erläuterungen. Auslöser hierfür ist, daß der für 2005 erwartete Fehlbetrag in der Gewinn- und Verlustrechnung in Höhe von 39,4 Mio. € das gesamte Eigenkapital der Gesellschaft, das 2004 37,2 Mio. € betrug, auslöschte. Wir wollen annehmen, daß die Eigentümer der Gesellschaft die Finanzlücke im Jahr 2005 durch Einlage eines Gesellschafterdarlehens geschlossen und zugleich einen unwiderruflichen Rangrücktritt gegenüber Drittgläubigern ausgesprochen haben. Damit gelten Gesellschafterdarlehen als Quasi-Eigenkapital und die ansonsten wenig attraktive bilanzielle Lage ist beseitigt. Wir erinnern uns, daß die ökonomische Lage der Gesellschaft überhaupt nicht unschön ist; die Gesellschaft sieht den Planungen des Finanzchefs folgend enorm Cashflow-stark aus, wie die erwarteten NOCF in Tabelle 3.10 eindrucksvoll belegen. Deshalb können wir erwarten, daß auch die Rentabilitäten der Gesellschaft eindrucksvoll sein werden. Betrachten wir die Renditeberechnungen für 2006. Die Bilanzsumme dient als Indikator für das investierte Kapital. Am Ende des Jahres 2005 beträgt sie 189.215, wie Tabelle 3.12 ausweist. Diese Bilanzsumme unterstellte eine Ausschüttung in Höhe von 3,12 Mio. € , die allerdings nicht zulässig war. 24 Das ausgewiesene Finanzdefizit für 2005 von -23.029 wird gedeckt durch eine Kassenminderung von 29 und einer Zufuhr von 23.000 in Form von Gesellschafterdarlehen. Der bilanzielle Überschuß des Jahres 2006 beträgt vor Steuern 45.377 (Tabelle 3.9). Um die GKR für 2006 zu berechnen, sind die Zinszahlungen des Jahres 2006 24 Sie könnte zulässig werden, wenn der unwiderrufliche Rangrücktritt der Gesellschafterdarlehen hinter die Ansprüche aller Drittgläubiger zustande kommt. Anwendung auf die Daten der Glasspinnerei Straubing AG · 129 <?page no="132"?> 130 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? zu addieren. Sie betragen 3.214 + 1.600 + 400 = 5.214. Der Bruttoüberschuß ist somit 45.377 + 5.214 = 50.591. Nun hat die Gesellschaft wegen des Fehlbetrages aus 2005 kein «ordentliches» Eigenkapital, sondern nur Quasi-Eigenkapital in Form von durch Rangrücktritt gekennzeichneten Gesellschafterdarlehen. Man kann annehmen, daß die Eigentümer diesen Zustand nicht länger als notwendig akzeptieren wollen. Wir nehmen an, daß sie den Verlustvortrag in Höhe von 39,4 Mio. € ausgleichen durch eine gleich hohe Zufuhr von Eigenkapital. 2004 2006 (1) Gesamtkapitalrendite ⎥ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ -1 t BS EBIT GKR (ROA) 35 , 9 401 . 134 214 . 3 283 . 5 070 . 4 = + + 91 , 5 215 . 189 214 . 5 410 . 39 377 . 45 = + - (2) Gesamtkapitalrendite nach Steuern GKR S 42 , 5 401 . 134 214 . 3 070 . 4 = + 33 , 4 215 . 189 984 . 2 214 . 5 967 . 5 = - + (3) Bruttoumsatzrendite BUR (margin) 49 , 5 924 . 228 214 . 3 283 . 5 070 . 4 = + + 38 , 3 200 . 331 214 . 5 967 . 5 = + (4) Nettoumsatzrendite NUR 3,18 924 . 228 214 . 3 070 . 4 = + 47 , 2 200 . 331 984 . 2 214 . 5 967 . 5 = - + (5) Umschlagsgeschwindigkeit UGA (TO) 1) 703 , 1 401 . 134 924 . 228 = 75 , 1 215 . 189 200 . 331 = (6) GKR = BUR * UGA 35 , 9 703 , 1 49 , 5 = · 91 , 5 75 , 1 38 , 3 = · (7) GKR S = NUR * UGA 42 , 5 703 , 1 18 , 3 = · 34 , 4 75 , 1 2,47 = · (8) Eigenkapitalrendite vor Steuern EKR (ROE) 82 , 25 218 . 36 283 . 5 070 . 4 = + 05 , 16 168 . 37 967 . 5 = 2) (9) Eigenkapitalrendite nach Steuern EKR S 24 , 11 218 . 36 070 . 4 = 03 , 8 168 . 37 984 . 2 967 . 5 = - (10) Finanzierun gsleverage Multiplikator 1 t 1 t EK BS EBIT Zi EBIT - - · - FLM 76 , 2 218 . 36 401 . 134 567 . 12 214 . 3 567 . 12 = · - 97 , 2 048 . 34 215 . 189 410 . 39 591 . 50 410 . 39 377 . 45 = · - - (8') Eigenkapitalrendite vor Steuern (11) Rentabilität auf investiertes (noch mit Kapitalkosten zu bedienendes) Kapital IC (IC = BS - Pensionsrückstellungen - Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) EKR ROIC 81 , 25 76 , 2 35 , 9 = · 39 , 13 591 . 30 934 . 9 401 . 134 214 . 3 283 . 5 070 . 4 = - - + + 17,55 97 , 2 91 , 5 = · 53 , 7 000 . 27 819 . 13 215 . 189 214 . 5 967 . 5 = - - + (12) = (11) nach Steuern ROIC 76 , 7 876 . 93 214 . 3 070 . 4 = + 52 , 5 396 . 148 984 . 2 181 . 11 = + 1) TO = turnover 2) Unter der Annahme, in 2005 würde eine Ausschüttung geleistet. S Abbildung 4.5: Rentabilitäten der Glasspinnerei Straubing AG für 2004 und 2006 <?page no="133"?> Deren Ausgleich realisieren sie durch Gewinneinbehaltung. Von dem bilanziellen Überschuß des Jahres 2006 thesaurieren sie 39,4 Mio. € und stellen damit den Eigenkapitalbestand von Ende 2004 (= 37,2 Mio. € ) wieder her. Dies ist der Grund, warum in Abbildung 4.5 der Zähler für die Berechnung der GKR um 39.410 verkürzt wird. Damit fällt die GKR auf bescheidene 5,91 %. Es ist aber zu beachten, daß 87 % des Jahresüberschusses vor Steuern verwendet wurden, um den EK-Bestand des Jahres 2004 wiederherzustellen. Bei der Berechnung der EKR vor und nach Steuern wurde entsprechend unterstellt, daß der EK-Bestand des Jahres 2004 wiederhergestellt ist. Betrachten wir die Berechnung des FLM-Faktors. Es gilt: ⎥ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ · · = - - - - 1 t 1 t 1 t 1 t EK BS EBIT EBIT - Zi BS EBIT EK EBIT - Zi Zu berücksichtigen ist nun die EK-Zufuhr, die benötigt wird, um den Verlustvortrag auszugleichen. = 0,0591· [ ⋅ ⎪ ⎪ ⎪ ⎫ ⎟ ⎢ ⎨ ⎭ 2,7164 5,08997 0,53367 ] = 0,1605 Es ist klar, daß die Wiederauffüllung des EK-Bestandes alle Kapitalrenditen des Jahres 2006 erheblich dämpft. Sie sehen schlechter aus als die des Jahres 2004. Dieses Signal ist jedoch verzerrt. Um das zu erkennen, muß man zunächst beachten, welcher Art der Verlust in 2005 war: Es war ein reiner Buchverlust, ausgelöst durch die Entscheidung, die neuen Vermögensgegenstände beschleunigt abzuschreiben und die Steuerlast in 2005 und 2006 zu senken. Diesem buchmäßigem Verzehr von Eigenkapital wird nun in obigen Berechnungen Rechnung getragen durch eine durch Thesaurierung finanzierte Auffüllung des Eigenkapitals, die nicht in die Rentabilitätsrechnung einbezogen wird. Das bremst die Renditen des Jahres 2006. Berechnete man die Renditen für das Jahr 2007, würde man deutlich höhere Renditen als die des Jahres 2006 erkennen. ⎦ ⎢ ⎣ ⎡ · · = - - - - 1 t 1 t 1 t 1 t EK BS EBIT - Δ EK EBIT - Zi - Δ EK BS EBIT - Δ EK EK EBIT - Zi - Δ EK 168 . 37 410 . 39 377 . 45 - 189.215 39.410 5.214 377 . 45 - + · - 168 . 37 189.215 410 . 39 591 . 50 50.591 - 5.214 - 39.410 ⎥ ⎤ EKR = ⎢ ⎣ ⎡ · ⎦ ⎥ ⎤ = ⎦ ⎢ ⎣ ⎡ · · = - - - - 1 t 1 t 1 t 1 t EK BS EBIT - Δ EK EBIT - Zi - Δ EK BS EBIT - Δ EK EK EBIT - Zi - Δ EK 168 . 37 410 . 39 377 . 45 - 189.215 39.410 5.214 377 . 45 - + · - 168 . 37 189.215 410 . 39 591 . 50 50.591 - 5.214 - 39.410 ⎥ ⎤ EKR = ⎢ ⎣ ⎡ · ⎦ ⎥ ⎤ = Anwendung auf die Daten der Glasspinnerei Straubing AG · 131 <?page no="134"?> 132 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? 5 Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen 5.1 Problem Eine entscheidende Frage ist die nach der Verlässlichkeit der Signale von Jahresabschluß-basierten Renditen. Geben sie zuverlässige Signale? Kann man an einer positiven GKR ablesen, daß die Manager ihre Sache gut gemacht haben, daß das Unternehmen Geld verdient hat? Ein Beispiel soll das Problem verdeutlichen: Wir betrachten das Projekt Supermarkt (S). Projekt S: 0 1 2 3 4 5 6 I 0 , NE t - 1.000 100 200 250 298 298 296,56 NKW (S) = 0; i = 10 % r (S) = 10 % S hat eine Nutzungsdauer von 6 Jahren. Ein positiver Restverkaufserlös am Ende der Nutzungsdauer wird nicht erwartet. Die obige Zahlungsreihe zeigt die Nettoeinzahlungen, die der Betreiber des Projektes S nach Deckung aller relevanten Auszahlungen entnehmen kann: NEt bezeichnet die entnehmbaren Cashflows. Eine Anlage von Mitteln am Kapitalmarkt bringt eine Rendite (i) von 10 %. Das Projekt S hat einen Nettokapitalwert von Null. Anders ausgedrückt: die ökonomische Rendite (oder der interne Zinsfuß) des Projektes r beträgt genau 10 %. Es handelt sich also um ein Projekt, dessen Realisierung die Eigentümer im Vergleich zur Alternativanlage nicht reicher macht. Das Projekt S ist der Kapitalmarktanlage gleichwertig. Jetzt wollen wir die periodischen Bilanzrenditen (GKR) für das Projekt S berechnen. Zu diesem Zweck ermitteln wir den bilanziellen Erfolg des Projektes pro Periode und beziehen diesen auf den durch den Buchwert gemessenen Kapitaleinsatz, das Bilanzvermögen BV, zu Beginn der Periode. Wir unterstellen zur Vereinfachung eine vollständige Eigenfinanzierung des Projektes. Der periodische Erfolg im bilanziellen Sinn ist definiert als NE t - Ab t , wobei Ab t die handelsrechtliche Abschreibung bezeichnet. Steuern werden nicht beachtet. Der bilanziell gemessene Kapitaleinsatz (BV t-1 ) zu Beginn der Periode ergibt sich in Höhe der Anschaffungsauszahlung abzüglich der bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Abschreibungen. Tabelle 4.1 weist die Berechnungen aus: <?page no="135"?> 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t - 1.000 100 200 250 298 298 296,56 (2) Ab t 166,67 166,67 166,67 166,67 166,67 166,67 (3) BV t 833,33 666,67 500 333,33 166,67 0 (4) NE t - Ab t - 66,67 33,33 83,33 131,33 131,33 129,89 (5) GKR = 1 t BV ) 4 ( - - 0,067 0,040 0,125 0,263 0,394 0,779 NE t Ab t BV t NE t - Ab t GKR = Nettoeinzahlung in Periode t = bilanzielle Abschreibung in Periode t = Bilanzvermögen in Periode t = bilanzieller Erfolg, wenn NE t dem Netto-Ertrag der Periode vor Abschreibungsverrechnung entspricht = Gesamtkapitalrendite Tabelle 4.1: Berechnung der GKR für Supermarkt S Zeile (5) zeigt die sich ergebenden bilanziellen Renditen (Gesamtkapitalrenditen). Mit der ökonomischen Rendite des Projektes S von 10 % haben sie erkennbar wenig zu tun. Sie weisen das Projekt S als in den ersten Perioden der Nutzung negativ bzw. niedrig verzinst und in den späteren Perioden als extrem profitabel aus. Dies sind im Vergleich zur ökonomischen Rendite von 10 % falsche Informationen. Diese falschen Informationen können unerwünschte Folgewirkungen entfalten. Angenommen, ein Geschäftsbereich (unter vielen) eines großen, dezentral organisierten Unternehmens lieferte im Zeitablauf die in (5) dargestellten Informationen an die Zentrale (die Holding, die Obergesellschaft). Welche Folgerungen zöge diese? Vermutlich die, daß die Manager des Geschäftsbereichs Überdurchschnittliches leisten, daß man dies mit Gehaltszulagen honorieren sollte, daß für Erweiterungspläne in diesem Geschäftsbereich Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten etc. Alle Folgerungen sind unrichtig: Die Manager erzielen gerade die Alternativrendite, verdienen also keine außergewöhnlichen Belohnungen und sollten auch keine Mittel für (gleich rentable) Erweiterungsinvestitionen erhalten. Woher kommt die Diskrepanz zwischen ökonomischer Rendite (r) und bilanzieller Gesamtkapitalrendite (GKR)? Ursache ist die übliche, d. h. den handelsrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften entsprechende Messung von Periodenerfolg (Jahresüberschuß) und Vermögen (Kapitaleinsatz). Angenommen, ein Investor würde Projekt S im Jahr 4 (nach der Ausschüttung von 298) erwerben und bis zum Ende von Periode 5 halten. Wie hoch wäre seine Rendite? Die Gesamtkapitalrendite gemäß Zeile (5) ist 39,4 %. Die ökonomische Rendite für die genannte Halteperiode (r 5 ) errechnet sich aus Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 133 <?page no="136"?> 134 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? r 5 = 4 4 5 5 V V V D - + . Dabei bezeichnen D 5 die Ausschüttung im Zeitpunkt 5 (298), V 4 den Kaufpreis, den der Investor im Zeitpunkt 4 für das Projekt entrichten muß, 25 und V 5 den Preis, den er bei Verkauf des Projektes erzielen kann. 26 r 5 = 516 298 + (269,60 - 516) = 0,10. Die Rendite für das einperiodige Halten (Eigentum) des Projektes S ist somit 10 %, was die ökonomische Rendite r des Projektes auch korrekt auswies. Die abweichende Gesamtkapitalrendite ist Ergebnis der konventionellen Messung von Erfolg (131,33) und Kapitaleinsatz (333,33). 5.2 Abschreibung, investiertes Kapital und Rendite Wie kann man dem Problem falscher Signale in Form der oben berechneten GKR begegnen? Eine Lösung besteht darin, ein Abschreibungsverfahren zu benutzen, das eine Verzerrung zwischen ökonomischer und bilanzieller Rendite vermeidet. GKR sehen bei Verwendung dieser Abschreibungsform genau so aus wie ökonomische Renditen. Ein solches Abschreibungsverfahren muß die Restriktion einhalten, daß die Summe der verrechneten Abschreibungen die Anschaffungskosten (I 0 ) des Investitionsprojektes nicht übersteigt. Weil dieses Abschreibungsverfahren nur verhindern soll, daß GKR und ökonomische Rendite in kaum begründbarer Weise auseinanderfallen, sind handelsrechtliche oder steuerrechtliche Regeln, die die Verteilung von Abschreibungen über die Zeit der Nutzungsdauer regeln, zunächst unbeachtlich. Es wird nur die Bedingung eingehalten, daß die Summe der Abschreibungen den Betrag I 0 , also die Anschaffungskosten nicht übersteigen darf. Die genannte Abschreibung heißt «Ertragswertabschreibung»: Die Abschreibung pro Periode folgt genau der Verminderung des Ertragswertes (= BKW) von Periode zu Periode. Im Zeitpunkt 0 beträgt der BKW des Projektes S unter Benutzung der internen Rendite r als Diskontierungssatz 1.000. Im Zeitpunkt 1 beträgt der Ertragswert 1.100 vor der Ausschüttung der Nettoeinzahlung in Höhe von 100. Nach der Ausschüttung beträgt er 1.100 - 100 = 1.000. Der Ertragswert (BKW) ist somit nicht gefallen. Die Abschreibung (Ab t EW ) beträgt folglich 0. Die folgende Tabelle 4.2 zeigt die Entwicklung der Ertragswertabschreibung während der Lebensdauer des Projektes. 25 V 4 = 298 (1,1) -1 + 296,56 (1,1) -2 = 516. 26 V 5 = 296,56 (1,1) -1 = 269,60. <?page no="137"?> 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t - 1.000 100 200 250 298 298 296,56 (2) BKW t1) 1.000 1.000 900 740 516 269,6 0 (3) Ab t EW 0 100 160 224 246,4 269,6 (4) NE t - Ab t EW 100 100 90 74 51,6 27,0 (5) Rendite = 1 t EW t t BKW Ab NE - - 0,10 0,10 0,10 0,10 0,10 0,10 1) BKW t-1 bezeichnet den Ertragswert (Bruttokapitalwert) zu Beginn der Periode nach der Entnahme in Höhe der NE t . Tabelle 4.2: Ertragswertabschreibung und periodische Rendite Die Summe der Abschreibungen beträgt im Beispiel 1.000. Die zeitliche Verteilung der Abschreibungen erscheint aufgrund des progressiven Verlaufs zwar ungewöhnlich, könnte aber für die Zwecke interner Rechnungslegung akzeptiert werden. Die in Zeile (5) ausgewiesenen Renditen gleichen in jeder Periode der ökonomischen Rendite des Projektes in Höhe von r = 0,10. Falsche Signale entstehen somit nicht. Bei der Herleitung der Rendite i. S. d. Zeile (5) ist zu beachten, daß die Berechnung der Ertragswertabschreibung die Kenntnis bzw. eine nicht zu unzuverlässige Prognose der Nettoeinzahlungen (NE t ) des Projektes über seine gesamte Lebenszeit voraussetzt. Da auch die Nettoauszahlung (I 0 ) bekannt ist, können die ökonomische Rendite (r) und die periodischen Renditen unmittelbar über die Größen NE t und I 0 berechnet werden. Der Weg über periodische, mit Hilfe der Ertragswertabschreibung berechneten Gesamtkapitalrenditen ist eigentlich entbehrlich. Interessant ist jedoch, daß es eine Form der Abschreibung gibt, die das Problem der verzerrten Gesamtkapitalrenditen nicht entstehen läßt. 5.3 Wann wird Wert geschaffen? 5.3.1 Problem Was erwarten wir von der Aussage, die GKR (oder ROIC) der Porsche AG in 2005 sei 10,5 % gewesen oder die GKR (oder ROIC) eines Geschäftsbereiches habe 7 % betragen? Wir wollen - diese Renditen mit den Renditen bei alternativer (risikoäquivalenter) Anlage vergleichen, - erkennen, ob diese Unternehmen (Geschäftsbereiche) «Überrenditen» erzielen und ggf. mit dem Markteintritt von Konkurrenten rechnen müssen, Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 135 <?page no="138"?> 136 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? - erkennen, ob die Unternehmen (Geschäftsbereiche) eine ungenügende Performence zeigen und deshalb Sanierungskandidaten sind, - ob die Manager der Unternehmen (Geschäftsbereiche) trotz des vorgelegten Bilanzsummen- oder Umsatzwachstums ihr Geld wert sind. Für die Beantwortung dieser Fragen stellen die oben gezeigten Differenzen zwischen ökonomischer Rendite und GKR ein großes Problem dar. Was sagen uns GKR bzw. ROIC eigentlich? Ist es sinnvoll, auf diese Signale zu vertrauen? Nun besteht zwischen GKR und der ökonomischen Rendite r, also dem internen Zinsfuß eines Projektes, die folgende Beziehung: (4.13) Σ · Σ · · -t -t n t = 1 t - 1 n t = 1 t (1 + r) BV (1 + r) BV GKR r = t - 1 . 27 Es bezeichnen r den internen Zinsfuß des Projektes, BV t-1 das Bilanzvermögen (den Restbuchwert) zu Beginn der Periode, GKR t die Gesamtkapitalrendite der Periode t. Die folgende Tabelle verdeutlicht die Aussage von (4.13) für den Fall des Supermarktes S. (1) (2) (3) (4) (5) t GKR t BV t-1 GKR t · BV t-1 (1 + r) -t BV t-1 (1 + r) -t 1 2 3 4 5 6 -0,067 0,040 0,125 0,263 0,394 0,779 1.000 833,33 666,67 500 333,33 166,67 -60,91 27,55 62,61 89,82 81,55 73,29 909,09 688,70 500,88 341,51 206,97 94,08 274,21 2.741,23 Tabelle 4.3: Erläuterung von (4.13) 27 Der Bruttokapitalwert BKW 0 errechnet sich unter Benutzung von r als Diskontierungssatz aus (4.1). Der Erfolg pro Periode ist r · BKW t-1 . Definiert man die GKR als GKR t = 1 t t 1 t t BV ) BV BV ( NE - - - - , ergibt sich als Erfolg der Periode GKR t · BV t-1 . Wegen der Benutzung von r gilt BV 0 = BKW 0 . Der mit r berechnete Barwert der bilanziellen Erfolge muß gleich dem mit r berechneten Barwert der ökonomischen Erfolge sein: Σ Σ = = - - - - + · = + · n 1 t n 1 t t 1 t t 1 t t . ) r 1 ( BV r ) r 1 ( BV GKR Daraus folgt (4.13). <?page no="139"?> Teilt man die Summe der Eintragungen in Spalte (4) durch die Summe der Eintragungen in Spalte (5), erhält man r = 0,10, also die ökonomische Rendite. (4.13) sagt also - und das Beispiel belegt es -, daß man eine Aussage über die ökonomische Rendite eines Projektes dann treffen kann, wenn man alle Gesamtkapitalrenditen des Projektes kennt. Nun ist diese Information nicht allzu viel wert. Um die Gesamtkapitalrenditen der Perioden zu kennen, muß man Informationen über die Nettoeinzahlungen (NE t ) und die Kapitalsätze haben. Kennt man diese, kann man den internen Zinsfuß r auch unmittelbar berechnen. Den Umweg über Gesamtkapitalrenditen kann man sich dann sparen. Man muß beachten, daß Manager (Investoren) eine periodenbezogene Rendite benötigen, um sich ein Bild über Erfolg oder Mißerfolg des Projektes machen zu können, bevor das Projekt sein ökonomisches Lebensende erreicht hat. Manager (Investoren) benötigen Informationen in Form verläßlicher Signale in jeder Periode, um korrigierend in die Entwicklung des Projektes eingreifen zu können. Hierzu leistet Formel (4.13) zu wenig. Wir suchen nach einer periodenbezogenen Größe, die uns darüber informiert, ob das Projekt einen Schritt in Richtung Verbesserung des Vermögens (Wohlstands) der Eigentümer getan hat oder ob es im Gegenteil Vermögen vernichtet hat. Manager würden sich wünschen, daß diese Information nicht davon abhängt, ob sie in der Lage sind, das ökonomische Schicksal des Projektes bis an sein Lebensende abschätzen zu können. Ob dieser Wunsch erfüllt werden kann, ist offen. Wir gehen wie folgt vor: Im folgenden Abschnitt wird zunächst belegt, daß man Brutto- und Nettokapitalwerte bei entsprechender Korrektur der Überschüsse auch auf Basis von Aufwands- und Ertragsgrößen ermitteln kann. Dieses Ergebnis nutzen wir dann, um das Konzept des Residualgewinns oder des value added vorzustellen. Der Residualgewinn gibt ein Signal pro Periode, ob ein Projekt Beiträge zur Vermögensmehrung der Eigentümer (zur Erhöhung des NKW) in der Periode gebracht hat oder nicht. 5.3.2 Nettokapitalwert und Aufwands- und Ertragsrechnung Betrachten wir noch einmal das Beispiel des Supermarktes. Der Bruttokapitalwert berechnet durch Diskontierung der Nettoeinzahlungen (NE t ) mit der Alternativrendite in Höhe von 10 % ergibt 1.000. Da I 0 ebenfalls 1.000 beträgt, ist der NKW 0 des Projektes Null. Wollten wir den Kapitalwert des Projektes auf Basis der bilanziellen Erfolge in Höhe von NE t - Ab t berechnen, erhalten wir bei linearer Abschreibung die folgenden Ertragsüberschüsse: 0 1 2 3 4 5 6 NE t - Ab t -66,67 33,33 83,33 131,33 131,33 129,89 Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 137 <?page no="140"?> 138 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? und einen Nettokapitalwert von NKW 0Er = 274,11. 28 Wir wissen, daß der Bruttokapitalwert auf Basis der NE t 1.000 und der Nettokapitalwert 0 ist. Insoweit ist das soeben berechnete Ergebnis falsch. Nun existiert eine Vorgehensweise, die genau zu einem NKW 0Er von Null führt: Voraussetzung ist, daß auf das jeweils gebundene Kapital in Höhe des Buchwertes Kapitalkosten - das sind entgangene Alternativerträge - in Höhe von iBV t-1 verrechnet werden. Auf unser Beispiel bezogen folgt: 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t (2) Abschreibung (3) i· BV t-1 (4) NE t - Ab t - iBV t-1 = RG t -1.000 100 166,67 100 -166,67 200 166,67 83,33 -50 250 166,67 66,67 16,67 298 166,67 50 81,33 298 166,67 33,33 98 296,56 166,67 16,67 113,22 Tabelle 4.4: Berechnung der Residualgewinne Berechnen wir den Barwert der Eintragungen in Zeile (4), also der um Kapitalkosten verkürzten Ertragsüberschüsse, erhalten wir einen NKW 0 in Höhe von 0. Es gilt also (4.14) NKW 0 = Σ = - = - + · n 1 t 0 t t I ) i 1 ( NE = t 1 t t n 1 t t ) i 1 ( ) BV i Ab NE ( - - = + · · - - Σ . t RG Wir erhalten somit mit einer Zahlungsrechnung einerseits und einer auf Residualgewinnen i.S.v. (4) basierenden Rechnung andererseits gleiche NKW 0 und damit gleiche Signale über die Vorteilhaftigkeit von Projekten im Zeitpunkt 0. Das ist auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis, weil es zeigt, daß man mit einer Zahlungsrechnung kompatible Bewertungsergebnisse zum Zeitpunkt 0 auch erreichen kann, wenn man mit um Kapitalkosten reduzierten Ertragsüberschüssen rechnet. Barwertkompatible Bewertungsergebnisse sind gestützt auf modifizierte Ertragsüberschüsse also ableitbar. Die Rechnung in Tabelle 4.4 läßt erkennen, daß Niveau und Struktur der Residualgewinne vom Ansatz der Abschreibungen abhängt. Allerdings ist das Ergebnis gemäß (4.14) unabhängig vom benutzten Abschreibungsverfahren. Voraussetzung ist, daß die Zeitspanne für die Residualgewinne berechnet werden, die gesamte 28 Der Index Er zeigt an, daß es sich um einen Nettokapitalwert, berechnet auf Basis von Erfolgsüberschüssen handelt. Bei der Berechnung wird die Größe I 0 nicht abgesetzt; sie gilt (vorläufig) als durch die Abschreibungsverrechnung berücksichtigt. <?page no="141"?> Lebensdauer des Projektes umfasst. Es muß das sog. Kongruenzprinzip oder die clean-surplus-Bedingung gelten, was bedeutet, daß alle Geschäftsvorfälle, die zu einer Eigenkapitaländerung führen, in der Gewinn- und Verlustrechnung erfaßt werden. Ausgenommen sind lediglich Einlagen und Entnahmen der Eigentümer. Für unser Beispiel, in dem reine Eigenfinanzierung unterstellt ist, muß also gelten BV t = BV t-1 + JÜ t - D t · D t · D t , die Ausschüttung, entspricht im Beispiel NE t . Würde z. B. digital abgeschrieben werden, folgen die in Tabelle 4.5 berechneten Residualgewinne: 0 1 2 3 4 5 6 (5) I 0 , NE t (6) Abschreibung (7) i· BV t-1 (8) NE t - Ab t - iBV t-1 = RG t -1.000 100 285,71 100 -285,71 200 238,10 71,43 -109,52 250 190,47 47,62 11,91 298 142,86 28,57 126,57 298 95,24 14,29 188,47 296,56 47,62 4,76 244,18 Tabelle 4.5: Residualgewinne bei digitaler Abschreibung Der Nettokapitalwert der in Zeile (8) ausgewiesenen Residualgewinne ist Null. Die zeitliche Struktur der ausgewiesenen Abschreibungen hat somit keinen Einfluß auf den Barwert der Residualgewinne im Zeitpunkt 0. Die Ursache des höheren Nettokapitalwertes NKW 0Er (274,11) bei linearer Abschreibung beruht darauf, daß die in einer Aufwands- und Ertragsrechnung verrechneten Abschreibungen (Ab t ) der Auszahlung (I 0 ) zeitlich folgen, also nachperiodisiert sind. Es liegt eine nachträgliche Aufwandsrechnung, also nachperiodisierter Aufwand, vor. Wegen 0 n 1 t t A Ab = Σ = und wegen 0 t n 1 t t A ) i 1 ( Ab < + · Σ - = muß Er 0 NKW den wahren NKW 0 übersteigen. 29 Die in den Tabellen 4.4 bzw. 4.5 angesetzten Kapitalkosten auf das Buchvermögen am Ende der Vorperiode beseitigen diesen Effekt. Es gilt (4.15) [ ] t n 1 t 1 t t 0 ) i 1 ( iBV Ab I - = - + · Σ + = mit BV 0 = I 0 BV t* = I 0 - Σ = * t 1 t t Ab und BV n = 0. 29 Für den Fall linearer Abschreibung gilt: Σ = - = + · n 1 t t t 725,89 ) i 1 ( Ab ; A 0 = 1.000. Folglich muß NKW 0 - NKW 0Er = 1.000 - 725,89 = 274,11 sein. Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 139 <?page no="142"?> 140 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Der Bruttokapitalwert auf Basis von Residualgewinnen ergibt sich aus (4.16) 0 t 1 t t n 1 t t RG 0 I ) i 1 ( ) iBV Ab NE ( BKW + + · - - Σ = - - = . Die aufgezeigten Zusammenhänge sind auf den ersten Blick von großem Interesse: (1) Es wird gezeigt, daß positive, um Kapitalkosten verkürzte Periodenerfolge Beiträge zu positiven Nettokapitalwerten bedeuten. Projekte (Unternehmen), die ausschließlich positive Beiträge i. S. v. NE t - Ab t - iBV t-1 , also positive Residualgewinne erzielen, sind vorteilhafte Projekte (rentable Unternehmen). (2) Projekte (Unternehmen), die über lange Zeiträume negative Residualgewinne i. S. v. NE t - Ab t - iBV t-1 erzielen, sind vermutlich Projekte mit negativem Nettokapitalwert. (3) Die Formulierung des Periodenerfolges i. S. v. RG t = NE t - Ab t - iBV t-1 zeigt, daß eine positive Differenz in Höhe eines Ertragsüberschusses i.S. einer Gewinn- und Verlustrechnung, also NE t - Ab t > 0, nichts Verläßliches über eine Mehrung des Vermögens der Eigentümer aussagt. Erst wenn die Differenz NE t - Ab t > iBV t-1 ist, wenn also das Projekt (das Unternehmen) in Periode t mehr verdient, als die Kapitalkosten (i) auf das eingesetzte Kapital zu Beginn der jeweiligen Periode (BV t-1 ), erst dann schafft es Vermögen für die Eigentümer bzw. leistet positive Beiträge zum BKW. Damit beachtet dieser Erfolgsmaßstab generell die alternative Rendite, die Eigentümer bei einer anderen Verwendung der finanziellen Mittel, die in BV t-1 gebunden sind, erzielen könnten. Erst vor dem Hintergrund dieses Bezugspunktes läßt sich sagen, ob Wert geschaffen oder vernichtet wurde. (4) Manager tragen ihren unzufriedenen Aktionären gelegentlich vor, sie hofften, im laufenden (oder folgenden) Geschäftsjahr eine «schwarze Null» zu schreiben. Sie wollen sagen, daß sie vermutlich eine ausgeglichene Plan-Gewinn- und Verlustrechnung für den oder die operativen Bereich(e) erzielen werden. Als Beruhigungspille ist eine solche Äußerung - im Gegensatz zur Vermutung der Manager, die diese Formulierung wählen - überhaupt nicht geeignet, weil diese den Konventionen des Rechnungswesens folgenden Rechnungen Kapitalkosten entweder nicht oder nur zum Teil, nämlich die Kosten des Fremdkapitals, berücksichtigen. Ein Periodenergebnis, das die Kapitalkosten unterschreitet, zeigt einen Vermögensverlust für die Eigentümer an. Eine «schwarze Null» trägt das Attribut «schwarz» insoweit zu recht: Es handelt sich um ein Ereignis, das die Eigentümer tief traurig stimmen sollte. (5) Da die Maximierung des BKW 0 oder des NKW 0 von Projekten (Unternehmen) für erwerbswirtschaftliche Unternehmen eine vernünftige Zielsetzung ist, ist eine damit verträgliche Periodenerfolgsmessung von großem Vorteil. Wenn wir die Differenz NE t - Ab t als operativen Erfolg eines Unternehmens (Geschäftsbereiches) <?page no="143"?> bezeichnen, dann kommt es auf die Höhe des operativen Erfolges nach Kapitalkosten auf das eingesetzte Kapital an. Das Konzept läßt sich somit zur Investitionskontrolle einsetzen. Diese Kontrolle sollte nicht an NE t - Ab t , also dem operativen Erfolg ansetzen, sondern an NE t - Ab t - iBV t-1 , dem um die Kapitalkosten verkürzten operativen Erfolg. Wir nennen diese Größe Residualgewinn oder economic profit. 5.3.3 Das Konzept des Residualgewinnes Das Konzept des Residualgewinns (RG) ist in der Literatur seit 1938 bekannt; es wurde zuerst von Stewart wiederbelebt. 30 Die Idee greift auf die soeben erläuterten, im Prinzip einfachen Zusammenhänge zurück. Abb. 4.6 erläutert diese: Der Bruttokapitalwert eines Projektes (Unternehmens, Geschäftsbereiches) kann ermittelt werden durch Diskontierung der über die gesamte Lebensdauer des Projektes (Unternehmens) entziehbaren Nettoeinzahlungen (NE t ): Σ + = = - T 1 t t t 0 ) i 1 ( NE BKW . 30 Stewart, G. B. (1991). Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 141 RG [ € ] operatives Ergebnis eines Unternehmens (Geschäftsbereichs) [ € ] Kapitalkosten [ € ] Kapitalkosten [ % ] Investiertes Kapital [ € ] Abbildung 4.6: Konzeption des Residualgewinnes <?page no="144"?> 142 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Er kann ebenfalls berechnet werden durch Diskontierung der periodischen Beiträge in Form der Residualgewinne (RG t ), dem das in t = 0 investierte Kapital IC 0 hinzuzufügen ist: (4.17) Σ + + = = - T 1 t 0 t t 0 IC ) i 1 ( RG BKW . T bezeichnet das Ende des Projektes (Unternehmens). Der Nettokapitalwert kann folglich definiert werden durch (4.18) Σ + = = - T 1 t t t 0 ) i 1 ( RG NKW . Nur positive Beiträge RG t sind geeignet, Vermögenszuwächse zu schaffen. RG t ist analog zu oben definiert durch NE t - Ab t - i · IC t-1 . IC t-1 bezeichnet das zu Beginn der Periode investierte und mit Kapitalkosten zu belegende Kapital. Man kann die Idee des Konzeptes auch so verdeutlichen: Setzt man das operative Ergebnis eines Unternehmens in einer Periode zu einem konsistent definierten eingesetzten Kapital (IC t-1 ) in Beziehung, erhält man ROIC, die rate of return on invested capital. ROIC ist nun mit den Kosten des Kapitals (i) zu vergleichen, das das Unternehmen zur Erzielung dieser operativen Erfolge einsetzt. Ist ROIC > i, ist der Residualgewinn der Periode positiv. Gilt ROIC < i, haben die Eigentümer in der Periode Geld verloren. Die Erfolgsgröße RG t kann deshalb auch so interpretiert werden: (4.19) RG t = [ROIC - i] · IC t-1 . Die Anwendung des Konzeptes im praktischen Leben ist weniger einfach als die Erläuterung der Idee. Zu beantworten sind z. B. folgende Fragen: - Wie ist das investierte Kapital zu Beginn einer Periode (IC t-1 ) für ein bestehendes Unternehmen (einen Geschäftsbereich) zu messen? Sind Buchwerte überhaupt geeignet? - Wie ist der operative Erfolg zu definieren? - Sind unterschiedliche Finanzierungsstrukturen von Unternehmen von Bedeutung? Welchen Einfluß haben sie? - Welche Unternehmenssteuern sind bei der Berechnung des operativen Ergebnisses zu beachten? - Wie sind die Kapitalkosten zu messen? - Kann man von einem positiven (negativen) Residualgewinn wirklich auf eine gleichgerichtete Unternehmenswertänderung schließen? Bevor wir auf die wichtige letzte Frage eingehen, wollen wir das Beispiel des Supermarktes noch einmal aufnehmen und ein einfaches Steuersystem unterstellen, in dem Überschüsse auf Unternehmensebene mit einem Steuersatz s in Höhe von <?page no="145"?> 30 % besteuert werden. Die Steuerbemessungsgrundlage ist definiert als Differenz NE t - Ab t . Die alternative Anlagemöglichkeit werde nicht besteuert und betrage unverändert 10 %. Für den Fall einer negativen steuerlichen Bemessungsgrundlage erhält das Projekt (Unternehmen) eine Steuersubvention in Höhe von Steuersatz· Bemessungsgrundlage. Dies ist in Periode 1 der Fall. Tabelle 4.6 zeigt in Zeile (5) die GuV-Überschüsse nach Steuern, die Kapitalkosten in Zeile (6) und die Residualgewinne in Zeile (7). Die Investitionszahlung in t = 0 wurde von 1.000 auf 900 verkürzt, um vor Beachtung von Steuern ein vorteilhaftes Investitionsprojekt mit einem NKW 0 = 100 zu haben. Berechnet man GKR nach Steuern, also die Quotienten aus den Eintragungen in (5) und BV t-1 , erhielte man erfreuliche Signale. Ganz anders die Residualgewinne: Zwar übersteigen die positiven die negativen Residualgewinne, ohne Rechnung kann man aber nicht mit Sicherheit sagen, ob der Barwert aller Residualgewinne positiv ist. Im Beispiel ist der Diskontierungssatz nach Steuern unverändert 0,10; der Barwert aller Residualgewinne ist - 4,009. Das Projekt wird nach Steuern als nicht vorteilhaft ausgewiesen. Der Barwert der Nettoeinzahlungen nach Steuern, also von NE t - S t beträgt 895,99; der Nettokapitalwert ist folglich ebenfalls - 4,009. 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t (2) Abschreibung (Ab t ) (3) BV t (4) Steuern (S t ) (5) NE t - Ab t - S t - 900 900 100 150 750 15 - 35 200 150 600 - 15 35 250 150 450 - 30 70 298 150 300 - 44,4 103,6 298 150 150 - 44,4 103,6 296,6 150 0 - 44 102,6 GKR S = 1 t BV ) 5 ( - (in %) - 3,8 4,7 11,7 23,0 34,5 68,4 (6) i· BV t-1 (7) RG t = NE t - Ab t - S t - i· BV t-1 90 - 125 75 - 40 60 10 45 58,6 30 73,6 15 87,6 Tabelle 4.6: Residualgewinne nach Beachtung von Steuern 5.3.4 Residualgewinne und Unternehmenswertänderung Wir haben im vorigen Abschnitt gesehen, daß im Zeitpunkt t = 0 die Summe aus dem Barwert aller Residualgewinne und dem im Zeitpunkt 0 investierten Kapital, BV 0 , gleich dem Unternehmens(gesamt)wert ist, den wir im folgenden mit V 0 bezeichnen. Wir kennen damit ein nicht mit der Nettoeinzahlung identisches Periodenergebnis, den Residualgewinn, der sich als sinnvoll diskontierbar erweist und mit dessen Hilfe der Nettokapitalwert im Zeitpunkt 0 berechnet werden kann. Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 143 <?page no="146"?> 144 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Wir formulieren nun zwei Fragen: (1) Kann von einem positiven (negativen) Residualgewinn einer Periode t auf eine positive (negative) Differenz zwischen V t und BV t geschlossen werden? (2) Kann von dem Residualgewinn der Periode t auf die Veränderung des Unternehmenswertes von t - 1 auf Periode t geschlossen werden? Wir beginnen mit Frage 1. An der Differenz zwischen V t und BV t , dem Buchwert des eingesetzten bzw. gebundenen Kapitals, besteht lebhaftes Interesse. Wenn wir uns zur Vereinfachung auf den Zeitpunkt t = 0 beschränken, beschreibt die Differenz zwischen V 0 , dem Bruttokapitalwert aller künftigen Überschüsse, und BV 0 , den Errichtungskosten des Projektes bzw. Unternehmens, den Mehrwert, bewertet zum Zeitpunkt t = 0, den das Projekt (Unternehmen) erwarten lässt. In analoger Weise beschreibt die Differenz V t - BV t den erwarteten Mehrwert aus der Sicht der Periode t. Könnte nun von einem positiven Residualgewinn RG t einer Periode t auf eine positive Differenz zwischen V t und BV t geschlossen werden, wäre viel gewonnen: Ein positiver Residualgewinn reichte aus, um eine positive Differenz V t - BV t und damit die Gesamtvorteilhaftigkeit des Projektes (Unternehmens) anzuzeigen. Die einfachen, oben benutzten Beispiele in Abbildung 4.4, 4.5 und 4.6 zeigen bereits, daß diese Hoffnung im Regelfall unangebracht ist. Die Residualgewinne wechseln das Vorzeichen in Abhängigkeit von der Struktur der Nettoeinzahlungen, der buchhalterischen Abschreibungsverrechnung und damit der Entwicklung von BV t und der Höhe der Kapitalkosten. Begründete Schlüsse von dem Residualgewinn einer einzelnen Periode auf die Differenz zwischen V t und BV t sind deshalb im Regelfall nicht möglich. Ausnahmen sind denkbar: Angenommen, die Bedingungen seien so, daß der für Periode 1 berechnete positive Residualgewinn in späteren Perioden nicht unterschritten wird oder den Wert Null nicht unterschreitet, dann wäre ein positiver Residualgewinn ein klares Signal für eine positive Differenz V t - BV t für jede Periode t. Genaue Informationen über die Höhe der Differenz lägen nicht vor; aber es wäre unzweifelhaft, daß die Differenz positiv ist. Eine klare Folgerung könnte auch gezogen werden, wenn der Residualgewinn der Periode 1 negativ wäre und zugleich gälte, daß kein Residualgewinn einer späteren Periode in positive Bereiche vordringt. Die Differenz zwischen V t und BV t wäre dann in jeder Periode negativ. Will man also vom Residualgewinn einer Periode t auf die Differenz V t - BV t schließen, ist das nur möglich, wenn eine überzeugende Verknüpfung zwischen allen Residualgewinnen eines Projektes (Unternehmens) besteht, die es erlaubt, mit dem Residualgewinn einer Periode t als Stellvertreter für alle zu argumentieren. Dieser Fall wird vermutlich selten gegeben sein. Betrachtet wir Frage 2. Frage 2 ist anspruchsvoller als Frage 1: Der Fragesteller in Frage 1 will wissen, ob aus RG t > 0 folgt, daß V t - BV t > 0 bzw. ob aus RG t < 0 folgt, daß V t - BV t < 0 ist. Der Fragesteller in Frage 2 will wissen, ob <?page no="147"?> ein Residualgewinn RG t die Veränderung des Unternehmenswertes, also Δ V t = V t - V t-1 anzeigt. Entspricht RG t der periodischen Unternehmenswertänderung? Es wäre großartig, wenn diese Frage bejaht werden könnte. Aber: man kann aus der Unternehmensbewertung kein Volkslied machen. Die Antwort muß negativ ausfallen. Wenn nämlich ein positiver (negativer) Residualgewinn in einer Periode nicht einmal einen zuverlässigen Schluß auf eine positive (negative) Differenz V t - BV t erlaubt, wie soll dann die anspruchsvollere Frage nach der Identität mit der Unternehmenswertänderung beantwortet werden? Wir benutzen das Beispiel des Supermarktes S und berechnen Unternehmenswerte V t , Residualgewinne RG t und die Änderungen des Unternehmenswertes im Zeitablauf. Tabelle 4.7 weist die Ergebnisse aus. 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t (2) Ab t (3) NE t - Ab t (4) i· BV t-1 (5) RG t (6) V t (7) Δ V t = V t - V t-1 (8) V t - BV t - 900 1.000 100 100 150 - 50 90 - 140 1.000 0 250 200 150 50 75 - 25 900 - 100 300 250 150 100 60 40 740 - 160 290 298 150 148 45 103 516 - 224 216 298 150 148 30 118 269,6 - 246,4 119,6 296,6 150 146,6 15 131,6 0 - 269,6 0 (9) Barwert der Residualgewinne RG t (10) = (9) + BV t 100 1.000 250 1.000 300 900 290 740 216 516 119,6 269,6 0 0 Tabelle 4.7: Unternehmenswerte V t und Residualgewinne RG t des Supermarktes Wir haben die Errichtungskosten auf 900 gesenkt, um aus dem Supermarkt S ein profitables Projekt zu machen. Die Alternativrendite der Eigentümer ist i = 0,10; Steuern werden nicht beachtet. Was zeigt Tabelle 4.7? • Der Unternehmenswert V t sinkt im Zeitablauf, weil die Nettoeinzahlungen entnommen (und nicht reinvestiert) werden und die Lebensdauer des Projektes endlich ist. • Die Unternehmenswertänderungen in Zeile (7) sind ausnahmslos negativ. • Die Residualgewinne in Zeile (5) sind anfänglich negativ, dann positiv. Ihr Barwert in t = 0 beträgt 100 und entspricht dem Nettokapitalwert. Mit den Veränderungen des Unternehmenswertes im Zeitablauf haben die Residualgewinne offenbar nichts zu tun. Residualgewinne zeigen die Unternehmenswertänderungen also nicht an. • Residualgewinne zeigen im Beispiel nicht einmal die Richtung der Unternehmenswertänderung an: In Periode 1 ist RG 1 = -140; die Änderung des Un- Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 145 <?page no="148"?> 146 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? ternehmenswertes von t = 0 bis t = 1 ist Null. In t = 3 ist die Unternehmenswertänderung -160; der Residualgewinn RG 3 ist 40. Bei vordergründiger Betrachtung signalisiert der Residualgewinn eine Werterhöhung; die aber nicht stattfindet. Frage 2 ist also ebenfalls zu verneinen. Warum zeigen die berechneten Residualgewinne die Unternehmenswertänderung nicht, obwohl die auf t = 0 diskontierten Residualgewinne dem Nettokapitalwert des Vorhabens entsprechen? Interpretieren wir I 0 = 900 als die von den Eigentümern investierten Mittel in das Projekt S, die folglich in gleicher Höhe einer alternativen Verwendung hätten zugeführt werden können, repräsentiert der Barwert der Residualgewinne in t = 0 den Mehrwert, den das Projekt S für die Kapitalgeber zu realisieren verspricht. Die Summe I 0 + Barwert der Residualgewinne - letzteren können wir als Goodwill (GW) bezeichnen - entspricht dem Bruttokapitalwert des Projektes und damit dem Unternehmenswert V 0 . In t = 1 ist diese Interpretation bereits nicht mehr durchzuhalten, weil BV 1 in Höhe von I 0 - Ab 1 = 750 nicht mehr dem Betrag entspricht, den Eigentümer bei Ausstieg aus dem Projekt in t = 1 alternativ anlegen könnten. 750 entspricht dem Buchwert bei linearer Abschreibung (Ab 1 = 150), aber nicht dem potentiellen Verkaufserlös (nach Ausschüttung von NE 1 = 100). Dieser beträgt im Beispiel 1.000, ist also um 250 höher als der Buchwert BV 1 . Die Differenz von 250 wird durch den Barwert der Residualgewinne der Perioden 2 bis 6 dargestellt, so daß der Wert des Unternehmens in t = 1 durch BV 1 + GW 1 , also durch V 1 = 750 + 250 = 1.000 korrekt dargestellt wird. Da aber BV 1 keinen ökonomisch begründbaren Wert darstellt, ist auch GW 1 nicht ökonomisch begründbar. Oder warum sollte der Goodwill aus t = 1 in Höhe von 100 auf GW 2 = 250 steigen, obwohl die Eigenschaften des Projektes keinerlei Änderungen erfahren haben? Die Antwort ist rein technischer Natur: Weil in jeder Periode gilt V t = BV t + GW t , muß die Größe GW t die buchhalterischen Veränderungen von BV t ausgleichen. Wir erhalten mit einer Residualgewinnrechnung also korrekte Antworten über den Unternehmenswert V t , die Aufteilung von V t auf BV t und GW t ist aber - vom Zeitpunkt t = 0 abgesehen - willkürlich und ökonomisch ohne Informationsgehalt. Ein einzelner Residualgewinn RG t liefert deshalb keine verlässliche Information über die Unternehmenswertänderung, die zwischen t - 1 und t stattgefunden hat. Dieses Ergebnis bedeutet noch nicht, daß die Basis „Buchwerte“ zur Berechnung von Residualgewinnen ungeeignet ist. Nur die Antworten auf die gestellten Fragen fallen negativ aus. 5.4 Marktwerte anstelle von Buchwerten Ein Ergebnis von Abschnitt 5.3 ist, daß Buchwerte BV t als Bezugspunkte für den Kapitaleinsatz - vom Zeitpunkt 0 abgesehen - einen Hauch von Beliebigkeit in <?page no="149"?> die Residualgewinn-Berechnung tragen. Der einzelne Residualgewinn sagt nichts über die Unternehmenswertänderung der gleichen Periode aus; er sagt auch nichts über die Differenz V t - BV t aus. Man könnte deshalb als Bezugsgröße für die periodische Kapitalkostenberechnung den (Markt)Wert des Projektes (Unternehmens) verwenden. Für dieses Konzept spricht, daß mit dem Bezugspunkt «Marktwert» eine Perspektive gewählt würde, die der Alternative der Kapitalgeber entspricht: Sie können das Projekt (Unternehmen) zum (Markt)Wert veräußern. Folglich entspricht ihr Mitteleinsatz dem erzielbaren Marktwert und ihre Kapitalkosten in Form der Alternativeträge entsprechen i · V t . Was tritt an die Stelle der buchhalterischen Abschreibung, wenn man Buchwerte als Bezugspunkte aufgibt? An die Stelle der Abschreibung tritt die Marktwertveränderung, die negativ aber auch positiv sein kann. Wir erläutern das Konzept am Beispiel des Supermarktes S. Tabelle 4.8 stellt die Daten zusammen. 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t (2) V t (3) Δ V t (4) i · V t-1 (5) RG t = NE t + Δ V t - i · V t-1 - 900 1.000 100 1.000 0 100 0 200 900 - 100 100 0 250 740 - 160 90 0 298 516 - 224 74 0 298 269,6 - 246,4 51,6 0 296,6 0 - 269,6 27 0 Tabelle 4.8: Residualgewinne auf Basis des (Markt)Wertes Die Residualgewinne, definiert durch RG t = NE t + Δ V t - i · Δ V t-1 , betragen generell Null. Die Ursache hierfür ist, daß die Wertgenerierung in Höhe des Nettokapitalwertes von 100 bereits im Ausgangswert (V 0 = 1.000) enthalten ist. Die Kapitalkosten auf das investierte Kapital I 0 = 900 und den erwarteten Wertbeitrag von NKW 0 = 100 sowie die Wertminderung in Höhe von Δ V t entsprechen exakt den erwarteten Nettoeinzahlungen, weshalb die erwarteten Residualgewinne Null sind. Diese Null-Linie der erwarteten Residualgewinne hat nun einen didaktischen Vorteil: Jede Abweichung eines realisierten Residualgewinns vom Wert Null ist eindeutig interpretierbar als zusätzlicher, diskontierbarer Beitrag zum bzw. diskontierbare Minderung vom erwarteten Nettokapitalwert in Höhe von 100. Auf die in 5.3 gestellten beiden Fragen können jetzt befriedigende Antworten gegeben werden. Ein positiver (negativer) Residualgewinn erhöht (senkt) den erwarteten Nettokapitalwert in t = 0, also NKW 0 , um den auf t = 0 bezogenen Barwert des Residualgewinnes. Für die Unternehmenswertänderung in Periode t gibt ein von Null abweichender Residualgewinn ein klares Signal: die erwartete Unternehmenswertänderung in t, die in Zeile (3) von Tabelle 4.8 dargestellt ist, fällt um den positiven Wert von RG t geringer aus bzw. erhöht sich um den negativen Wert von Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 147 <?page no="150"?> 148 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? RG t . Der Schluß von RG t auf die Unternehmenswertänderung in Periode t ist also hier möglich. 5.5 Eine am Mitteleinsatz der Investoren orientierte Performancemessung Das Problem der Kontrolle von Projekten, Geschäftseinheiten bzw. Unternehmen muß im Zusammenhang mit der Planung dieser Projekte (Geschäftseinheiten, Unternehmen) gesehen werden. Die Planung erfolgt auf Basis von Finanzplänen, Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen und Plan-Bilanzen. Ob ein Projekt lohnt oder nicht, wird anhand der operativen Cashflows nach Steuern entschieden. Rationale Entscheidungskriterien sind Nettokapitalwerte oder Annuitäten. Angenommen, ein aus der Sicht des Zeitpunktes 0 vorteilhaft erscheinendes Investitionsprojekt, das also einen positiven Nettokapitalwert aufweist, wird in Gang gesetzt. Aufgabe der das Projekt steuernden (kontrollierenden) Manager ist es, periodisch zu prüfen, ob der Gang der Dinge den im Zeitpunkt 0 erwarteten NKW auch zu realisieren verspricht. Dazu braucht man das im Startpunkt des Projektes investierte Kapital, die Alternativrendite, die die Kapitalgeber auf diese Mittel anderweitig hätten erzielen können und eine Erfolgsgröße, die die Zielerreichung des Projektes in der Periode anzeigt. Es gilt zu verhindern, daß das Projekt eine Performance bringt, die hinter den im Zeitpunkt 0 bestehenden Erwartungen und Planungen zurückbleibt: Das Projekt soll m.a.W. mindestens den im Startpunkt erwarteten NKW erwirtschaften (oder einen größeren NKW). Folglich besteht die Kontrollaufgabe darin, die Erwirtschaftung des erwarteten NKW genau zu verfolgen. Dazu könnte man wie folgt vorgehen: (1) Man klärt, wie sich das von den Kapitalgebern investierte Kapital (IC) im Zeitablauf entwickelt. Im Startpunkt entspricht das investierte Kapital dem Kaufpreis des Projektes oder den Errichtungskosten (IC 0 ). In Periode 1 ist das investierte Kapital um die Kapitalkosten (die Alternativrendite i) auf IC 0 (1 + i) gewachsen; es fällt um die Ausschüttung in Höhe der Nettoeinzahlung - soweit eine Ausschüttung erfolgt - und steigt ggf. um neue, zusätzliche Investitionszahlungen ( Δ IC). In Periode t gilt also IC t = IC t-1 (1 + i) + Δ IC t - NE t . (2) Man bildet die zeitliche Entwicklung des Bruttokapitalwertes des Projektes Δ V t ab. Startend mit BKW 0 = V 0 wächst dieser in Periode 1 auf V 1 = V 0 (1+i) und fällt um die Nettoauszahlung NE 1 , die ausgeschüttet wird. Erfolgen zusätzliche Reinvestitionen, erhöht der Barwert deren Nettoeinzahlungen den ursprünglichen Bruttokapitalwert. (3) Vergleicht man die Veränderung des BKW und des investierten Kapitals im Zeitablauf, erhält man als Differenz die Änderung des Nettokapitalwertes beim Übergang von t - 1 nach Periode t. <?page no="151"?> Betrachten wir ein Beispiel: Wir machen aus dem Supermarkt S erneut ein vorteilhaftes Projekt, indem wir die Errichtungskosten, also IC 0 , auf 900 senken. Der BKW 0 beträgt 1.000; der NKW 0 ist 100. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich bei Kapitalkosten von i = 0,10, Wert des Projektes V t und investiertes Kapital IC t entwickeln, wenn die Nettoeinzahlungen NE t jeweils ausgeschüttet werden. 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t (2) V t (3) IC t = IC t-1 (1+i) - NE t (4) NKW t = V t - IC t (5) Δ NKW t - 900 1.000 900 100 100 1.000 890 110 10 200 900 779 121 11 250 740 606,9 133,1 12,1 298 516 369,6 146,4 13,3 298 269,6 108,6 161 14,6 296,6 0 - 177,2 177,2 16,2 Tabelle 4.9: Entwicklung des NKW in der Zeit als Differenz von V t und IC t Zeile (4) zeigt an, wie sich der periodische NKW entwickelte, wenn das Projekt die im Zeitpunkt 0 bestehenden Erwartungen über die Nettoeinzahlungen exakt einlöste. Der NKW t wächst gemäß NKW t-1 (1 + i). Jeder periodische Wertbeitrag in Höhe der Differenz V t - IC t ergibt im Fall erwartungskonformer Performance diskontiert auf den Zeitpunkt 0, exakt den NKW 0 , der im Zeitpunkt 0 erwartet wurde. Die Erläuterung des NKW t in der Zeit, die in Zeile (5) explizit ausgewiesen werden, resultieren also nur aus einem Zinseffekt. Eine zusätzliche Wertgenerierung zeigen sie nicht an. Jede negative Abweichung in den Nettoeinzahlungen oder jede zusätzliche Investition, die - aus der Sicht von t = 0 unerwartet - notwendig würde, senkte V t der Periode oder erhöhte IC t und reduzierte damit den NKW der betreffenden und ggf. folgenden Perioden. Damit ist der NKW jeder Periode der Lebensdauer des Projektes eine geeignete Kontrollgröße. Dieses Konzept hat Vorteile: - Der Betrag, den Eigentümer (Kapitalgeber) für ein Projekt aufbringen, wird genau erfaßt. Man wird den Preis ansetzen, den die Investoren faktisch gezahlt haben. In den Perioden nach t = 0 wird auf den fortgeschriebenen Kapitaleinsatz zurückgegriffen. Diese Fortschreibung beachtet Alternativrendite und Entnahmen. - Im Konzept kommen Buchwerte und bilanzielle Abschreibungen explizit nicht vor. Zwar kann IC t , wenn Reinvestitionen ausbleiben, fallen, es fällt jedoch nur, wenn die Ausschüttung in Höhe von NE t die Kapitalkosten auf IC t-1 übersteigen. Ist das nicht der Fall, steigt das investierte Kapital. - Im Wege der Außenfinanzierung finanzierte Investitionen erhöhen IC t und damit die Kapitalkosten der Folgeperioden. Lösen diese Investitionen keine gleichwertigen zusätzlichen Nettoeinzahlungen aus, sinkt der NKW in den Folgeperioden. Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 149 <?page no="152"?> 150 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? - Dieses Konzept der Performance-Messung besteht in einer permanenten Gegenüberstellung des Wertes künftig erwarteter Nettoeinzahlungen und des Geldbetrages, über den die Kapitalgeber bei alternativer Anlage unter Beachtung realisierter Entnahmen, verfügen könnten. Diese Differenz ist exakt das, was kontrollierende Eigentümer interessieren sollte. Das Konzept ist unbeeinflußt von Manipulationen der Buchwerte. 5.6 Exkurs: CFROI CFROI bedeutet Cashflow Return on Investment. Es ist ein Konzept, das von der Boston Consulting Group (BCG) entwickelt und in der Bewertung eingesetzt wird. 31 Die BCG will mit dem CFROI eine an Zahlungen - am Cashflow - orientierte Rentabilitätszahl anbieten. Diese Rentabilitätszahl soll - relativ frei von buchhalterischen Verzerrungen sein, die durch Abschreibungen und damit fallende Buchwerte und Bewertungswahlrechte ausgelöst werden; - die tatsächliche, wirtschaftliche Nutzungsdauer des Projektes berücksichtigen; - nicht durch Inflationseinflüsse verzerrt sein. Definiert ist der CFROI als Quotient aus der Differenz zwischen Brutto-Cashflow minus «ökonomische Abschreibungen» und Bruttoinvestitionsbasis (BIB). Wir können den Brutto-Cashflow definieren als NOCF + Δ EBK + Steuern. Es ist somit eine operative Vorsteuergröße, die noch nicht um Kapitalbedarfe für EBK verkürzt ist. Die BCG definiert die «ökonomische Abschreibung» als den Betrag, der in jeder Periode zum Kapitalkostensatz i anzulegen ist, damit am Ende der Nutzungsdauer des zu beurteilenden Projektes die Wiederbeschaffung des Projektes in Höhe von I 0 finanziell gesichert ist. Weil die Wiederanlagerendite positiv ist, entspricht dieser Betrag nicht der linearen Abschreibung. Er ist vielmehr kleiner und berechnet sich gemäß: (4.19) 1 ) i 1 ( i I n 0 - + · , wobei n die Nutzungsdauer des Projektes bezeichnet. Ist I 0 = 1.000 und n = 6 beträgt die «ökonomische Abschreibung» für i = 0,10 · 1.000 · 0,12961 = 129,61. Die Bruttoinvestitionsbasis (BIB) erfaßt das gesamte zu einem Zeitpunkt in das Projekt investierte Kapital abzüglich der nicht verzinslichen Verbindlichkeiten wie z. B. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen oder Steuerrückstellungen. Diese Bruttoinvestitionsbasis wird zu historischen Anschaffungskosten angesetzt, Abschreibungen sind folglich nicht abzusetzen. Die BCG will BIB mit den heu- 31 Vgl. die Veröffentlichungen von Lewis/ Stelter, Lewis/ Lehmann und Stelter u. a. in den Literaturangaben in diesem Kapital. <?page no="153"?> tigen Brutto-Cashflows geldwertmäßig vergleichbar machen. Zu diesem Zweck muß die BIB an die Preisentwicklung zwischen Beschaffungszeitpunkt der Gegenstände und Ermittlungszeitpunkt des CFROI angepaßt werden. Der CFROI ist somit wie folgt definiert: (4.20) BIB Abschreibung ökonom. Cashflow - Brutto CFROI - = Wir wollen das Konzept auf den Supermarkt S anwenden. 32 Tabelle 4.10 enthält die Berechnungen für die Gesamtkapitalrendite und den CFROI. Für die Berechnung gelten folgende Annahmen: - der Kapitaleinsatz beträgt 1.000; auf eine Inflationsanpassung wird verzichtet; - der Kapitaleinsatz im Umlaufvermögen (EBK) ist Null; - der operative Erfolg vor Abschreibungen entspricht NE t der Periode t; - Steuern werden nicht beachtet; - zur Berechnung der bilanziellen Abschreibung wird auf die lineare Abschreibung zurückgegriffen; - die «ökonomische Abschreibung» entspricht 1 1 0 - + · n ) i ( i I ; - der Liquidationserlös aus Periode 6 ist in NE 6 enthalten. Der CFROI schneidet zwar besser ab als die GKR in Zeile (5). Aber die Signale des CFROI sind auch weit entfernt davon, die ökonomische Rendite für dieses Projekt, die 10 % beträgt, anzuzeigen. 0 1 2 3 4 5 6 (1) I 0 , NE t (2) bil. Abschreibung (3) BV t (4) NE t - bil. Abschreibung - 1.000 100 167 833 - 67 200 167 667 33 250 167 500 83 298 167 333 131 298 167 167 131 296,56 167 0 129,5 (5) t-1 BV (4) GKR = - 0,067 0,040 0,125 0,262 0,393 0,777 (6) operativer Erfolg (7) ökon. Abschreibung (8) BIP 1.000 100 129,61 1.000 200 129,61 1.000 250 129,61 1.000 298 129,61 1.000 298 129,61 1.000 296,56 129,61 1.000 (9) CFROI - 0,0296 0,0704 0,1204 0,1684 0,1684 0,1669 Tabelle 4.10: Bestimmung des CFROI 32 Wir setzen I 0 = 1.000; damit ist der NKW 0 = 0; die ökonomische Rendite ist 10 %. Zur Aussagefähigkeit von bilanziellen Renditen · 151 <?page no="154"?> 152 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? Die Signale des CFROI rücken etwas näher an die ökonomische Rendite, wenn wir die Bruttoinvestitionsbasis um die ökonomischen Abschreibungsbeträge einschließlich Zinserträgen erhöhen. Diese Beträge könnten wir als Reinvestitionen in Finanzanlagen interpretieren, die am Ende der Periode 6 veräußert werden, um dann die Folgeinvestition zu finanzieren. Die Berechnung des CFROI sieht dann so aus wie in Tabelle 4.11, wobei wir den operativen Erfolg abzüglich «ökonomische Abschreibung» auf die Summe aus BIB und Finanzanlagen am Ende der Vorperiode beziehen: 0 1 2 3 4 5 6 (1) operativer Erfolg (2) ökon. Abschreibung (3) BIP (4) Finanzanlagen 1) (5) CFROI = [(1) - (2)]: [(3) + (4)] 1.000 100 129,61 1.000 129,61 - 0,0296 200 129,61 1.000 272,18 0,0623 250 129,61 1.000 429,00 0,0946 298 129,61 1.000 601,52 0,1178 298 129,61 1.000 791,28 0,1051 296,56 129,61 1.000 1.000 0,0932 1) Die Finanzanlagen verzinsen sich zu i = 0,10. Tabelle 4.11: Modifizierte CFROI-Berechnung Die Abweichungen zur ökonomischen Rendite in Höhe von 10 % bestehen noch immer, sind aber deutlich kleiner als in Tabelle 4.10. Nun könnte man das Konzept der BCG auch so modifizieren: Wir reduzieren die Nettoeinzahlungen um die «ökonomischen Abschreibungen» i. S. d. BCG sowie die Kapitalkosten auf das investierte Kapital i. S. v. BIB bzw. I 0 und erhalten dann eine Überschußgröße, die man als eine Form von Residualgewinn interpretieren könnte. Zur Verdeutlichung des Ergebnisses stellen wir die Vorteilhaftigkeit des Projektes Supermarkt her, indem wir die Errichtungskosten auf 900 senken. Der Nettokapitalwert beträgt dann 100. Die Rechnung sieht wie folgt aus: 0 1 2 3 4 5 6 (1) operativer Erfolg (2) «ökon. Abschreibung» (3) i · I 0 (4) NE t -Ab t ökon. - i · I 0 - 900 100 116,65 90 - 106,65 200 116,65 90 - 6,65 250 116,65 90 43,35 298 116,65 90 91,35 298 116,65 90 91,35 296,56 116,65 90 89,91 Tabelle 4.12: Nochmals modifizierte CFROI-Berechnung Der Barwert der Residualgewinne in Zeile (4) ist 100 und entspricht dem NKW 0 . Diese Residualgewinne stellen somit eine sinnvoll diskontierbare Größe dar. Die Rechnung in Tabelle 4.12 weist Residualgewinne aus, die den Buchwert-basierten Residualgewinnen aus Abschnitt 4.3 ähnlich sind. Die Summe aus ökonomischer <?page no="155"?> Abschreibung und Kapitalkosten auf den Betrag I 0 = BIB entspricht der Annuität auf BIB: 900 · 0,229607 = 206,65. Der Barwert der Annuitäten in t = 0 beträgt 900. Folglich muß der Barwert der so berechneten Residualgewinne gleich NKW 0 = 100 sein. Gewonnen ist nicht viel. Es gilt, wie in Abschnitt 4.3, daß der so berechnete Residualgewinn einer Periode t keinen Schluß auf die Differenz zwischen V t und BIB t zulässt und daß RG t keinen Hinweis auf die Unternehmenswertänderung der Periode t erlaubt. 6 Zusammenfassung Ziel dieses Kapitels ist es zu zeigen, daß Performancemessung keine einfache Sache ist und warum dies so ist. Das Kapitel beginnt mit einer Darstellung des internen Zinsfußes, der unter bestimmten Prämissen eine akzeptable Abbildung der ökonomischen Rendite ist. Manager, Kreditgeber, Analysten, Anleger benötigen periodenbezogene Signale, die Aussagen über die Entwicklung der Vorteilhaftigkeit eines Projektes in der gerade abgelaufenen Periode erlauben. Damit beginnt das Problem: Wie ist ein brauchbarer Periodenerfolg zu definieren? Wie ist ein brauchbarer Kapitaleinsatz zu definieren? Was sind gute, was sind weniger gute Renditedefinitionen? Die Lösungsbeiträge unterschiedlicher Konzepte werden dargestellt und beurteilt. Interessant sind die Residualgewinnkonzepte. Das gilt auch, wenn sie auf Buchwerten aufbauen, obwohl der Informationsgehalt eines einzelnen Residualgewinns einer Periode t sehr gering ist: er erlaubt keinen Schluß auf die Höhe der Differenz V t - BV t , die wir als Goodwill bezeichnet haben; er gibt keinerlei Hinweis auf die Unternehmenswertänderung in der Periode t. Der Informationsgehalt eines Residualgewinns steigt, wenn Marktwerte als Bezugspunkt gewählt werden. Das ist eigentlich nicht überraschend, weil die Marktwertänderung von t - 1 nach t die Funktion übernimmt, die beim Buchwert-bezogenen Ansatz der bilanziellen Abschreibung zukommt. Der Bezugspunkt des investierten Kapitals, also IC t , ist ein aus Kapitalgebersicht korrekter Bezugspunkt, der einen Schuß von Unerbittlichkeit ins Spiel bringt. Das erkennt man am ehesten im Vergleich zum Bezugspunkt Buchwert. Erkennen nämlich die Geschäftführer, daß eine Maßnahme ein Flop war, greifen sie zur Maßnahme Sonderabschreibung: der Buchwert wird herabgestuft. Der Residualgewinn der Periode schrumpft entsprechend, aber künftige Abschreibungen und Kapitalkosten auf das reduzierte Buchvermögen sind eher zu übertreffen. IC t dagegen reagiert auf solche Manöver nicht; nur Ausschüttungen senken das investierte Kapital. Und um Ausschüttungen zu generieren braucht man - von Kapitalherabsetzungen abgesehen - operative Erfolge. Zusammenfassung · 153 <?page no="156"?> 154 · Kapitel 4 Performancemessung oder: wann schafft ein Unternehmen Wert? 7 Literaturhinweise Arbeitskreis der Schmalenbach-Gesellschaft e. V. (2003): Wert(e)orientierte Führung in mittelständischen Unternehmen. In: Finanz Betrieb, 5. Jahrgang, S. 525-533. Bühner, R. (1993): Shareholder Value. In: Die Betriebswirtschaft, 53. Jahrgang, S. 749- 769. Davis, E./ Flanders, S./ Star, J. (1991): Who are the world’s most successful companies? In: Business Strategy Review, S. 1-33. Davis, E./ Kay, J. (1990): Assessing Corporate Performance. In: Business Strategy Review, S. 1-16. Drukarczyk, J. (1990): Was kosten betriebliche Altersversorgungszusagen? In: Die Betriebswirtschaft, 50. Jahrgang, S. 333-353. Drukarczyk, J. (1993): Theorie und Politik der Finanzierung. 2. Auflage, München. Drukarczyk, J./ Richter, F. (1995): Unternehmensgesamtwert, anteilseignerorientierte Finanzentscheidungen und APV-Ansatz. In: Die Betriebswirtschaft, 55. 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Literaturhinweise · 155 <?page no="159"?> Finanzierung und Risiko Kapitel 5 Inhalt 1 Begriff des Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2 Eine Darstellungsform für Risiko und Chance bei Projekten mit einperiodiger Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3 Risiko und Chance bei Eigenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4 Risiko und Chance bei teilweiser Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . 163 5 Risiko und Chance bei unterschiedlichen Rechten der Gläubiger . . . . . . 166 6 Risiko und mehrperiodige Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6.2 Bewertung mehrperiodiger Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.3 Bewertung bei partieller Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.3.1 Ohne Unternehmenssteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.3.2 Mit Unternehmenssteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 8 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1 Begriff des Risikos Finanzierungsmaßnahmen beeinflussen neben der Liquidität und Performance eines Unternehmens auch das Risiko des Einkommens bzw. der Zahlungen, die an Gläubiger zu leisten sind und an Eigentümer geleistet werden können. Was ist mit Risiko gemeint? In der Umgangssprache bezeichnet man mit Risiko den möglichen Eintritt eines nachteiligen Ereignisses. Werden die überhaupt möglichen Ereignisse auf finanzielle Konsequenzen (Ein- und Auszahlungen) reduziert, kann Risiko mit der Möglichkeit des Eintritts eines nachteiligen finanziellen Ergebnisses gleichgesetzt werden. Dem Risiko stehen dann auch Chancen in Form des Eintritts vorteilhafter finanzieller Ergebnisse gegenüber. Um Risiko und Chance genau definieren zu können, benötigt man eine Trennungslinie, eine Art Nullpunkt. Verschiedene Trennungslinien sind denkbar: • Bezugsgröße könnte das vom Unternehmen bzw. von einem Investor eingesetzte Kapital sein. Angenommen, ein Anleger stellt sich ein Aktienportefeuille zusammen. Die Auszahlungen in t 0 betragen 2.500. Er erwartet in Form von Dividenden und Verkaufserlösen nach einer Periode (in t 1 ) folgende Einzahlungen mit den angegebenen Wahrscheinlichkeiten: <?page no="160"?> 158 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Einzahlung subjektive Wahrscheinlichkeit 3.100 2.950 2.750 2.400 2.000 0,1 0,5 0,2 0,1 0,1 Tabelle 5.1 Ist Bezugspunkt das eingesetzte Kapital, bestehen die Chancen des Investors darin, eine der möglichen Einzahlungen 2.750 oder 2.950 oder 3.100 mit den jeweils angegebenen Wahrscheinlichkeiten zu erhalten. • Bezugspunkt für die Definition von Risiko und Chance könnte auch der sichere Erfolg sein, den der Anleger bei alternativer sicherer Anlage erzielen könnte. Beträgt der sichere Zinssatz i = 10 % und der sichere Erfolg in t 1 damit 2.750, schrumpfen die Chancen im Vergleich zum zuerst definierten Nullpunkt: nur die Einzahlungen von 2.950 und 3.100 stellen Chancen dar. • Bezugspunkt zur Trennung von Risiko und Chance könnte schließlich irgendein Anspruchsniveau sein: Der Investor will eine Mindesteinzahlung von z. B. 3.000 in t 1 . Die Risiko- und Chancenstruktur erscheint erneut verändert: nur der Eintritt des Ereignisses (3.100; 0,1) erscheint als Chance, alle anderen Ereignisse werden als Risiken eingestuft: die mit ihnen verknüpften Nettoeinzahlungen erreichen das gesetzte Anspruchsniveau nicht. Wir diskutieren hier nicht, ob die Wahl der Trennungslinie eine Frage des persönlichen Geschmackes ist. Was Risiko und was Chance ist, soll in unserem einperiodischen Beispiel auf dem zuerst genannten Weg, durch Vergleich der Nettoeinzahlungen mit dem eingesetzten Kapital gemessen werden. Risiko ist dann identisch mit Verlustgefahr, wobei Verlust definiert ist durch negative Differenzen «Nettoeinzahlung - Kapitaleinsatz». Chancen sind analog definiert durch positive Differenzen «Nettoeinzahlung - Kapitaleinsatz». Obwohl Individuen zwischen Chancen und Risiken unterscheiden, wird in der Literatur nicht generell zwischen Risiko und Chance differenziert. Fast überwiegend wird das Risiko einer Handlungsmöglichkeit mit der Streuung der möglichen finanziellen Ergebnisse gleichgesetzt. Zur Kennzeichnung des Risikos einer Maßnahme werden deshalb auch Streuungsmaße wie Varianz und Standardabweichung oder relativierte Streuungsmaße wie der Variationskoeffizient benutzt. Der Risikodefinition, die auf Streuungsmaßen aufbaut, wird im folgenden nicht gefolgt. Vielmehr wird eine Darstellungsform für Risiko (Verlustgefahr) und Chance (Gewinnaussicht) gewählt, die prägnant zeigt, um was es bei Risiko und Chance geht. Damit wird eine Entscheidung über die Trennungslinie zwischen Risiko <?page no="161"?> und Chance, den Nullpunkt, erforderlich. Als Nullpunkt wählen wir die Höhe des eingesetzten Eigenkapitals des Unternehmens oder des Investors. Diese Wahl der Risikodarstellung soll nicht bedeuten, daß Streuungsmaße als Risikoindikatoren nicht akzeptiert werden könnten. In vielen Fällen führt an der Benutzung von Streuungsmaßen kein Weg vorbei. Bei der Darstellung einfacher Sachverhalte kann jedoch auf Streuungsmaße verzichtet werden. 2 Eine Darstellungsform für Risiko und Chance bei Projekten mit einperiodiger Nutzungsdauer Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, daß der Anschaffungspreis eines bestimmten Investitionsprojektes zu finanzieren ist. Es wird gefragt, wie die Anschaffungsauszahlung für dieses Projekt aufgebracht werden kann und wie unterschiedliche Formen der Aufbringung das Risiko (Verlustgefahr) und die Chance (Gewinnaussicht) derjenigen, die an der Finanzierung teilnehmen, beeinflussen. Das Investitionsprojekt, dessen Anschaffungspreis zu finanzieren ist, wird nur in bezug auf seinen Preis und seine unsicheren Einzahlungen und deren Wahrscheinlichkeiten konkretisiert. Die Erfolge des Investitionsprojektes sind unsicher. Das Projekt hat ein durch die Gesamtheit der unsicheren Einzahlungen charakterisiertes Investitionsrisiko und Investitionschancen. Es soll verdeutlicht werden, wie die bestehenden Investitionsrisiken und -chancen durch unterschiedliche Formen der Vertragsgestaltung auf die an der Finanzierung beteiligten Parteien aufgeteilt werden können. Es wird angenommen, daß das Investitionsprojekt nur eine Periode besteht, d. h. in t 0 errichtet, gegründet, beschafft und in t 1 aufgelöst, liquidiert, verkauft wird. Die Einzahlung in t 1 beinhaltet auch den Liquidationserlös. Diese Betrachtungsweise ist sehr einfach, aber für den verfolgten Zweck vorläufig ausreichend. Das Investitionsprojekt erfordert einen Mitteleinsatz (I 0 ) von 100.000. Die erwarteten Einzahlungen (in T € ) und die Wahrscheinlichkeiten sind: Umweltzustand T € Subjektive Wahrscheinlichkeit 1 2 3 4 5 200 150 110 90 80 0,3 0,3 0,1 0,2 0,1 Tabelle 5.2 Eine Darstellunsform für Risiko und Chance bei Projekten mit einperiodiger Nutzungsdauer · 159 <?page no="162"?> 160 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Eine anschauliche Darstellung der Risiko- und Chancenstruktur erhält man, wenn man auf der Abszisse die (kumulierten) Eintrittswahrscheinlichkeiten, auf der Ordinate die Einzahlungen in fallender Reihenfolge abträgt. Abbildung 5.1 macht deutlich, daß mit Sicherheit die Mindesteinzahlung von 80 erwartet wird, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,9 die Einzahlung von mindestens 90 erreicht wird, etc. Wie schon betont, ist die Trennungslinie zwischen Risiko und Chance im Beispiel durch den Anschaffungspreis und damit durch den Kapitaleinsatz in Höhe von 100 T € definiert. 3 Risiko und Chance bei Eigenfinanzierung Wird das Investitionsprojekt durch einen Investor mit eigenen Mitteln finanziert, hat dieser Anspruch auf alle Chancen und trägt alle Risiken. Risiko- und Chan- (2) (1) (3 ) (4) (5) T € 0,7 0,6 0,3 0 0,9 80 kumulierte Wahrscheinlichkeit 1 200 150 (I 0 ) 100 90 Abbildung 5.1: Risiko- und Chancenstruktur eines Investitionsprojektes <?page no="163"?> censtruktur des Investors sind identisch mit dem Risiko und den Chancen des Projektes: Der Investor trägt das gesamte Investitionsrisiko und hat alle Chancen. Was folgt, wenn mehrere Investoren gemeinsam ein Investitionsprojekt errichten, finanzieren und betreiben? Zunächst bewirkt ein Finanzierungsvertrag, daß die Gesamtposition, bestehend aus den Errichtungskosten für das Projekt und den unsicheren erwarteten Einzahlungen ( t NE ) in Teilpositionen zerlegt wird. Eine Teilposition ist definiert durch den Anteil α , den ein Investor zu den gesamten Errichtungskosten beiträgt und den Anteilen, die ihm an den unsicheren erwarteten Erfolgen während der Nutzungsdauer des Projektes zustehen sollen. Wir können nun symmetrische und nicht symmetrische Finanzierungsverträge unterscheiden. Wir nennen Finanzierungsverträge symmetrisch, wenn Kapitalaufbringung und Erfolgsbeteiligung so gestaltet sind, daß eine völlige Entsprechung zwischen Kapitalaufbringung und Erfolgsbeteiligung besteht: Aus einer Kapitalbeteiligung von α · I 0 (0 < α < 1) folgt eine Erfolgsbeteiligung von α · t NE (t = 1, 2, …, T). Bei einer symmetrischen Vertragsgestaltung teilen sich die zu einer Finanzierungsgemeinschaft zusammengeschlossenen Investoren die Erfolge gemäß den von den einzelnen Investoren übernommenen Finanzierungsquoten an den gesamten Errichtungskosten. Solche Verträge, die häufig von einer symmetrischen Verteilung von Geschäftsführungsbefugnissen, Kontrollrechten etc. begleitet sind, gleichen die Interessen der Financiers aneinander an: Weil die Financiers mit ihren individuellen Quoten α an den Zahlungsüberschüssen des Investitionsprojektes beteiligt sind, lohnt es für alle, diese Überschüsse zu maximieren. Weil die Financiers über die gesamte Lebensdauer des Investitionsprojektes an diesem beteiligt sind, lohnen sich Manipulationen an der Zeitstruktur der Zahlungsüberschüsse entweder für alle oder für niemanden. Weil alle Financiers gleiche Kontrollrechte und relativ gleiche, d. h. an den Finanzierungsbeitrag α · I 0 gekoppelte Mitentscheidungsrechte (Stimmrechte) besitzen, lohnt es sich nicht, Informationen über die Erfolge (Mißerfolge) des Projektes zu manipulieren: Die Manipulationen würden durch die Finanzierungspartner aufgedeckt und lohnen daher nicht. Im Gegenteil: Sie reduzieren die Reputation desjenigen, der den Manipulationsversuch startete. Für nicht symmetrische Verträge gilt die ideale Bedingung, daß aus einer Kapitalaufbringung in Höhe von α · I 0 auch eine Erfolgsbeteiligung von α · t NE folgt, gerade nicht. Auch sind die Geschäftsführungsbefugnisse, Informations- und Kontrollrechte im Rahmen nicht symmetrischer Verträge nicht an die quotale Kapitalaufbringung gekoppelt. Es gibt Financiers ohne jegliche Geschäftsführungsbefugnisse und ohne intensive Kontrollrechte. Nicht symmetrische Verträge führen regelmäßig dazu, daß der Risiko- und Chancengehalt einer Teilposition kein genaues Abbild der Gesamtposition, also der Risiko- und Chancenstruktur des Investitionsprojektes ist. Es ist der Inhalt des Finanzierungsvertrages, der diese Veränderung herbeiführt. Risiko und Chance bei Eigenfinanzierung · 161 <?page no="164"?> 162 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Betrachten wir zuerst einen Vertrag über die Bereitstellung von Eigenkapital. Ein Investor benötige 100 T € zur Ingangsetzung des oben beschriebenen Investitionsprojektes, verfüge aber nur über 50 T € eigene Mittel. Er benötigt einen Finanzierungspartner. Dieser verlange eine Vorab-Rendite von 20 % auf seine einzubringenden Eigenmittel: Berechnungsgrundlage für die Vorab-Rendite von 20 % ist der vom Partner eingebrachte Betrag von 50 T € . Die restlichen Einzahlungen sollen «nach Köpfen» aufgeteilt werden. Berechnungsgrundlage für diese Aufteilung ist die gesamte t 1 -Einzahlung, die die Liquidationseinzahlung enthält, die aber um die Vorab-Rendite des Partners zu kürzen ist. Akzeptiert der Investor diese Vertragsbedingungen, sehen die Risiko- und Chancenstrukturen der beiden so aus, wie sie in Abbildung 5.2 dargestellt sind. Die Nettoeinzahlungen des Investitionsprojektes werden im Sinne dieser Vertragsgestaltung gemäß Tabelle 5.3 aufgeteilt: 200 150 100 50 0,5 1 kumulierte Wahrscheinlichkeit T € 0 Projekt Partner Investor Abbildung 5.2: Risiko- und Chancenstruktur des Projektes, des Investors und Partners bei unterschiedlicher Aufteilung der t 1 -Einzahlung <?page no="165"?> Wahrscheinlichkeit Nettoeinzahlung Vorab-Rendite des Partners «Kopf-Anteil» Partner «Kopf-Anteil» Investor 0,3 0,3 0,1 0,2 0,1 200 150 110 90 80 10 10 10 10 10 95 70 50 40 35 95 70 50 40 35 Tabelle 5.3: Aufteilung der Nettoeinzahlung gemäß einer nicht symmetrischen Finanzierungsvereinbarung Die Chancen des Investors haben sich unter den genannten Bedingungen deutlich verkleinert, die Risiken (bezogen auf den Kapitaleinsatz) stark erhöht. Der Partner hingegen trägt - wenn er seine Bedingungen durchsetzen kann - ein wesentlich geringeres Risiko. Er verfügt wegen der Gestaltung des Vertrages nahezu ausschließlich über Chancen, obwohl das Investitionsobjekt riskant ist. Es ist dem Partner durch die ausgehandelte Vertragsgestaltung gelungen, die Risiken des Investitionsprojektes zum größeren Teil auf den Investor abzuwälzen. Es liegt ein nicht symmetrischer Vertrag vor: Durch Vertragsgestaltungen können gegebene Risiken und Chancen umverteilt werden. 4 Risiko und Chance bei teilweiser Fremdfinanzierung Fremdmittelgeber erhalten i. d. R. vertraglich fixierte Zinszahlungen auf die Darlehenssumme und Tilgungszahlungen. Eine darüber hinausgehende Beteiligung an den Chancen von Investitionsprojekten steht ihnen regelmäßig nicht zu. Wenn der Investor unseres Beispiels eine Bank um eine Finanzierungsbeteiligung in Höhe von 50 T € an dem Investitionsobjekt bittet und der Zinssatz 10 % beträgt, geht die Bank mit der Kreditgewährung kein Risiko ein. Gemäß den bestehenden Einzahlungserwartungen wird der Kreditnehmer sowohl die Zinsen als auch die Rückzahlung des Kredites in t 1 leisten können. Die Chancen- und Risikostruktur für den Investor bei 50 %iger Fremdfinanzierung ergibt sich in einfacher Weise aus Abbildung 5.1: der Mitteleinsatz des Investors wird auf 50 T € gesenkt. Alle erwarteten Einzahlungen aus dem Investitionsprojekt werden um die an die Bank zu leistende Zins- und Tilgungszahlung (55 T € ) gekürzt. Angenommen, es gelänge dem Investor, den Fremdmittelanteil an dem Projekt auf 90 T € bei unverändertem Zinssatz i = 0,10 % zu erhöhen. Außerdem soll es ihm gelingen, eine persönliche Haftung gegenüber der Bank auszuschließen. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn eine vom Investor gegründete GmbH das fragliche Projekt realisierte und wenn der Investor sich erfolgreich weigerte, mit seinem Risiko und Chance bei teilweiser Fremdfinanzierung · 163 <?page no="166"?> 164 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Privatvermögen zu haften. Für die kreditgebende Bank ergibt sich die folgende Risiko- und Chancenstruktur: Bei einem Finanzierungsanteil von 90 T € übernimmt die Bank ein Risiko (Ausfallrisiko), wie man beim Vergleich der möglichen Nettoeinzahlungen und der Zahlungsforderung der Bank leicht sieht: Umweltzustand mögliche Nettoeinzahlungen Wahrscheinlichkeit unbedingte Forderung der Bank Ausfall der Bank 1 2 3 4 5 200 150 110 90 80 0,3 0,3 0,1 0,2 0,1 99 99 99 99 99 0 0 0 - 9 - 19 Tabelle 5.4 200 150 100 50 0,5 1 kumulierte Wahrscheinlichkeit T € 0 Einzahlung aus dem Projekt Tilgungsbetrag Tilgungs- und Zinszahlung Abbildung 5.3: Risiko- und Chancenstruktur des Kreditgebers <?page no="167"?> Wie verändert sich Chancen- und Risikostruktur des Investors, wenn er 90 % des Anschaffungspreises des Projektes mit Fremdmitteln zum Zinssatz i = 10 % finanziert? Wenn die Umweltzustände 1, 2, 3 eintreten, verzichtet der Investor neben der immer zu leistenden Tilgungszahlung auf die Zinszahlung (9 T € ), die an die Bank zu leisten ist. Tritt Umweltzustand 4 ein, «spart» der Investor die Zinszahlung in Höhe von 9 T € , weil er nur mit den Zahlungen aus dem Investitionsprojekt haftet; nur auf diese kann die Bank zur Begleichung ihrer Ansprüche zurückgreifen. Tritt Umweltzustand 5 ein, «spart» der Investor neben der Zinszahlung unter der gesetzten Annahme auch einen Teil der fälligen Kredittilgung (10 T € ). Es gelingt ihm insoweit, Risiko auf den Gläubiger abzuwälzen. Verluste (Risiken), die der Gläubiger (die Bank) trägt, brauchen vom Investor nicht getragen zu werden. Der Erfolg dieser Aktion kann auch an der erwarteten Rendite des Investors abgelesen werden. Bei vollständiger Eigenfinanzierung erzielt der Investor eine erwartete Nettoeinzahlung nach Abzug der eingesetzten Mittel in Höhe von 1 NE = 42 T € . Bezogen auf die eingesetzten Eigenmittel, errechnet sich eine erwartete Rendite von 0,42 = 42 %. Werden 90 % des Anschaffungspreises zu i = 10 % fremdfinanziert, erhält der Investor folgende Zahlungen: Nettoeinzahlung Zinsen und Tilgungszahlungen an Bank Nettoeinzahlungen an Investor nach Abzug der eingesetzten Mittel (10) 200 150 110 90 80 99 99 99 99 99 91 41 1 - 10 - 10 Tabelle 5.5 Die erwartete Nettoeinzahlung beträgt 36,7 T € . Bezogen auf den Kapitaleinsatz von 10 T € errechnet sich eine Rendite von 3,67 = 367 %. Diese Renditeziffer ist mit der oben errechneten zunächst nicht vergleichbar: der Einsatz eigener Mittel differiert. Nehmen wir, um die Gleichheit der eingesetzten eigenen Mittel herzustellen, an, der Investor könnte die durch die Aufnahme von Fremdkapital freigesetzten Mittel (90 T € ) zu 25 % für eine Periode anlegen. Seine Gesamteinzahlung beträgt dann nach Abzug der eingesetzten Mittel 36,7 + 22,5 = 59,2. Bezogen auf die eingesetzten Mittel von jetzt 100 T € folgt eine Rendite von 0,592 = 59,2 %. Die Renditesteigerung bei Fremdfinanzierung hat zwei Ursachen: a) Fremdfinanzierung ist im Vergleich zu der auf Eigenmittel erzielbaren Rendite billig. Der Investor verdient am Einsatz von Fremdkapital, weil er dieses zu i = 10 % bekommt, eigene Mittel aber zu 25 % anlegen kann. Risiko und Chance bei teilweiser Fremdfinanzierung · 165 <?page no="168"?> 166 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko b) Es ist dem Investor im Beispiel gelungen, sich auf Kosten des Kreditgebers zu bereichern. Treten nämlich die Umweltzustände 4 und 5 ein, braucht er wegen der beschränkten Haftung der GmbH seine vertraglichen Verpflichtungen nicht voll zu erfüllen. Wie könnte die Bank dem genannten Ausfallrisiko entgehen? Grundsätzlich hat die Bank zwei Möglichkeiten, um das Ausfallrisiko abzuwehren: 1. Sie rationiert die Darlehenssumme, d. h., sie gewährt maximal den Betrag, der mit Sicherheit verzinst und getilgt werden kann. Dieser maximale, von keinem Ausfallrisiko betroffene Kreditbetrag beträgt im Beispiel 80.000 · (1,1) -1 = 72.727,27 € . 2. Sie richtet ihre Entscheidung über die Kreditgewährung nicht ausschließlich an der künftigen Liquidität, d. h. den Nettoeinzahlungen in t 1 des Kreditnachfragenden aus, sondern zusätzlich an der güterwirtschaftlichen Liquidität von vorhandenen Güterbeständen des Investors: die Bank verlangt Sicherheiten. Diese Sicherheit kann darin bestehen, daß der Kreditnehmer auf den Ausschluß der persönlichen Haftung verzichtet: die Bank kann sich dann die ggf. ausgefallenen Zahlungen durch Zwangsverwertung von vorhandenen privaten Vermögensgütern beschaffen. Die Sicherheit kann auch durch ein dingliches Recht (z. B. Pfandrecht) konkretisiert werden. Bestellt der Kreditnehmer eine Sicherheit, reduziert sich das Risiko des Kreditgebers. 5 Risiko und Chance bei unterschiedlichen Rechten der Gläubiger Die Finanzierungspraxis kennt eine Vielzahl von Vertragsgestaltungen, deren Ziel die Beeinflussung der Risikoverteilung ist. Die Position eines Fremdmittelgebers ist umso günstiger, das zu tragende Ausfallrisiko umso kleiner, je höher der Prioritätsanspruch innerhalb der Gruppe der Fremdmittelgeber ist: Negativklauseln und vorrangige Besicherung durch Güterbestände spielen hier eine zentrale Rolle. Darauf ist in Kapitel 7 und 13 zurückzukommen. Negativklauseln sind vertraglich fixierte Vereinbarungen, durch die der Kreditnehmer die Einhaltung bestimmter Sachverhalte zusichert: festgelegte Höchstausschüttungen nicht zu überschreiten, bestimmte Bilanzrelationen einzuhalten, später oder gleichzeitig hinzukommenden Gläubigern keine gleichen oder besseren Rechte einzuräumen etc. Zweck dieser Klauseln und Besicherungsvereinbarungen ist die Reduktion des Risikos für Gläubiger bzw. die Besserstellung eines Kreditgebers im Rahmen der Klasse aller Kreditgeber. Ähnlich, aber ausgeprägter als bei den Eigenmittelgebern besteht bei Gläubigern das Bedürfnis nach besseren Rangrechten <?page no="169"?> und das heißt nach besseren Risikostrukturen. Zentrale Bedeutung kommt hierbei den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu. Die Wirkung unterschiedlicher Rangrechte soll mittels einer Variation des Beispiels erläutert werden. Der Darlehensbetrag von 90 werde von zwei Gläubigern aufgebracht: Bank A stellt 50 zu einem Zinssatz von 10 %, Bank B stellt 40 zu einem Zinssatz von 12 % zur Verfügung. Der Zins- und Tilgungsanspruch von A sei bevorrechtigt, d. h., der Anspruch von B kommt erst dann zum Zuge, wenn der von A befriedigt ist. Das Ausfallrisiko von A ist bei den gegebenen Einzahlungserwartungen Null. B erleidet u. U. Ausfälle. Nettoeinzahlung prioritätischer Zahlungsanspruch des A nachgeordneter Zahlungsanspruch des B 220 150 110 90 80 55 55 55 55 55 44,80 44,80 44,80 35 25 Tabelle 5.6 6 Risiko und mehrperiodige Projekte 6.1 Darstellung Das Risiko der Eigentümer, d. h. derjenigen, die Eigenmittel zur Verfügung stellen, wurde in den letzten Abschnitten als Ergebnis des Investitionsrisikos und der durch Finanzierungsformen bewirkten Umverteilung von Risiken und Chancen angesehen. Risiko der Eigentümer war definiert als Einkommensrisiko, d. h. als Gefahr, einen Teil der eigenen eingesetzten Mittel nicht wiedergewinnen zu können. Die einperiodige Betrachtung, die aus Vereinfachungsgründen gewählt wurde, wird nun erweitert: Wir betrachten Projekte mit mehrperiodiger Nutzungsdauer. Es wird erläutert, wie man unsichere Nettoeinzahlungen mehrperiodiger Projekte bewerten könnte, wenn Investoren risikoscheu sind. Und es wird erläutert, daß bei potentieller Fremdfinanzierung eines Projektes das Risiko der Eigentümer steigt und wie dies bei unterstellter Risikoscheu auf die von Eigentümern geforderten Renditen wirkt. Nicht behandelt wird ein Risiko, das mit Ruingefahr oder Insolvenzrisiko bezeichnet wird. Gemeint ist die Gefahr, daß der Einkommens-(Gewinn)strom aus einem Unternehmen oder einem anderen Investitionsprojekt überhaupt abbricht, weil Risiko und mehrperiodige Projekte · 167 <?page no="170"?> 168 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Gläubiger die Übernahme des Unternehmens oder dessen Liquidation erzwingen. Hierzu ist gemäß §§ 13, 14 InsO (Insolvenzordnung) jeder Gläubiger bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners berechtigt. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 InsO). Anlaß zu insolvenzauslösenden Maßnahmen von Gläubigern ist ein Wechsel in der Betrachtungsweise der Liquidität eines Unternehmens. Vergröbert kann man sagen, daß bei Kreditentscheidungen die künftige Liquidität des Schuldners (Unternehmens) vorrangiger Beurteilungsmaßstab ist, wenn die vom Kreditnachfrager gelieferten Entscheidungsunterlagen (Jahresabschlüsse und Finanzpläne) den Beurteilungsmaßstäben der Kreditgeber entsprechen. Entsprechen sie diesen nicht mehr, steht die güterwirtschaftliche Liquidität der Güterbestände des Unternehmens im Vordergrund. Die Liquidität wird dann daran gemessen, ob die Veräußerungserlöse des «Vermögens» ausreichen, die Schulden zu decken. Details werden im Kapitel Finanzierung und Insolvenz behandelt. Bei Projekten mit mehrperiodiger Lebensdauer ist die bestandsökonomische Darstellung aus Abschnitt 2 nicht mehr nützlich. Wir benutzen statt dessen die Darstellung mittels Zustandsbäumen. Abbildung 5.4 stellt die unsicheren Nettoeinzahlungen eines Investitionsprojektes dar. Die Anschaffungskosten sind I 0 = 215. Zu beantworten ist, ob das Projekt lohnt. 0,5 0,6 0,4 0,5 0,5 0,5 100 140 110 140 154 196 Abbildung 5.4: Zustandsbaum <?page no="171"?> 6.2 Bewertung mehrperiodiger Projekte Ein wichtiger Einflußfaktor auf den Wert eines Projektes ist die Einstellung des Investors zum Risiko, seine Risikoneigung. Wir starten mit der Annahme, der Investor sei risikoneutral. Risikoneutralität bedeutet, daß der Investor sich ausschließlich am Erwartungswert der unsicheren Zahlungsverteilung orientiert; er ist streuungsunempfindlich. Ein risikoneutraler Investor könnte bei der Bewertung des Projektes aus Abbildung 5.4 so vorgehen: Er berechnet die Erwartungswerte der bedingten Verteilungen im Zeitpunkt 2, also 175 für die obere Gabel und 125 für die untere. Die Erwartungswerte werden mit der risikolosen Alternativrendite des Investors, die i = 0,10 sei, auf t = 1 diskontiert. Wir erhalten die bedingten Werte V 11 = 159,09 und V 21 = 113,64, die zu den im Zeitpunkt 1 möglichen Nettoeinzahlungen NE 11 = 140 bzw. NE 21 = 100 hinzutreten. Zu bewerten ist somit die Verteilung in Abbildung 5.5. Der Erwartunswert in t = 1 beträgt 247,82; diskontiert man mit i = 0,10 auf den Bewertungszeitpunkt t = 0, erhält man den Wert des Projektes, V 0 , mit 225,29. Das Projekt ist somit vorteilhaft. Anstelle der am Projektende startenden stufenweise Bewertung könnte man bei im Zeitablauf konstanter Risikoeinstellung und konstanter Alternativrendite i den Wert V 0 auch über (5.1) Σ + · = = -t 2 1 t t 0 ) i 1 ( NE V berechnen, wobei 2 NE dem Erwartungswert der Zahlungsverteilung in t = 2 entspricht und die Eintrittswahrscheinlichkeiten den zwischen den Perioden bestehenden Verbund reflektieren. Abbildung 5.6 verdeutlicht die Berechnung 0 1 0,6 0,4 140 + 159,09 100 + 113,64 Abbildung 5.5: Zu bewertende Verteilung Risiko und mehrperiodige Projekte · 169 <?page no="172"?> 170 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko V 0 = 116 (1 + 0,1) -1 + 145 (1 + 0,1) -2 = 225,29. Die meisten Investoren sind nicht risikoneutral; sie sind dem Risiko abgeneigt oder risikoscheu; sie orientieren sich nicht allein am Erwartungwert der für möglich erachteten Einzahlungen, sondern beachten und bewerten die Streuung der möglichen Ergebnisse. Sie sind streuungsempfindlich und stufen (bei gleichem Erwartungswert) höhere Streuungen als nachteiliger ein als geringere Streuungen. Man kann Risikoabneigung gut erkennen an folgendem Spiel: Einem Investor wird die folgende Zahlungsverteilung vorgesetzt und er wird gefragt, zu welchem (Höchst)Preis er diese Verteilung («Lotterie») verkaufen würde. Die Spielbedingungen seien völlig transparent. Dem Investor wird überzeugend belegt, daß ihm im «Gewinnfall» sofort 10.000 € bar ausgezahlt werden. Gewinnbzw. Verlustwahrscheinlichkeiten werden überzeugend vermittelt: Der Investor darf eine Kugel aus einem nicht einsehbaren Behälter ziehen und die dem Investor bekannte Zusammensetzung des Inhalts (z. B. 40 grüne und 60 schwarze Kugeln) repräsentiert die oben angegebenen Wahrscheinlichkeiten. Der vom Investor benannte (Höchst)Preis ist ein Sicherheitsäquivalent. Der (sichere) Geldbetrag in Höhe des genannten Preises ist dem Investor genau soviel Wert wie die Zahlungsverteilung, deren wirklichen Ausgang er durch Ziehen einer Kugel erfahren würde. Ein risikoneutraler Investor würde als Sicherheitsäquivalent S in Höhe von 4.000 benennen. Niedrigere Wertangebote würde er ablehnen. Risikoscheue Investoren geben Sicherheitsäquivalente S an, die z.T. erheblich kleiner sind als der Erwartungswert (4.000). Man kann die Differenz NE - S als den 196; 0,2 154; 0,2 140; 0,3 110; 0,3 140; 0,4 100; 0,6 2 1 0 116 1 = NE 145 2 = NE Abbildung 5.6 10.000; 0,4 0; 0,6 <?page no="173"?> Risikoabschlag bezeichnen, den der Investor für angebracht hält. Sind Sicherheitsäquivalente bekannt, kann die Bewertung eines Projektes auf Basis der Sicherheitsäquivalente erfolgen: Die Sicherheitsäquivalente sind mit sicheren Alternativertragssätzen zu diskontieren. Das in Abbildung 5.4 gezeigte Projekt sei aus der Sicht eines risikoscheuen Investors zu bewerten. Wie Investoren in der Realität Sicherheitsäquivalente bestimmen und von welchen Faktoren die Differenz NE - S abhängt (z. B. Ausbildung, Alter, Familienstand, Form der Verteilung, Vermögen) ist ein spannendes Problem, auf das hier nicht eingegangen wird. Wir nehmen vereinfachend an, daß der Investor S t gemäß S t = α · t NE mit α = 0,95 bestimmt. Analog zur Rechnung des risikoneutralen Investors kalkuliert der risikoscheue Investor mit S t . Die Berechnung des Wertes des Projektes erfolgt dann so: Da I 0 = 215 ist, lohnt das Projekt nicht. Der risikoscheue Investor könnte die Bewertung des Projektes auf einem zweiten Weg versuchen, bei dem er auf die explizite Berechung von Risikoabschlägen verzichtet, um statt dessen die risikolose Alternativrendite um eine Risikoprämie z* zu erhöhen. Im einperiodigen Fall sollte gelten: (5.2) * 1 1 ) z i 1 ( NE ) i 1 ( S -1 -1 + + = + . Für z* folgt: (5.3) ) i 1 ( 1 S NE ) i 1 ( ) i 1 ( S NE z 1 1 1 1 * + ⎥ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ − = + − + = . Unter bestimmten Bedingungen kann dieser einperiodige Risikozuschlag z* auch bei der Bewertung mehrperiodiger Projekte zum Einsatz kommen. Bedingungen sind die Konstanz des Alternativertragssatzes i, eine Verknüpfung der möglichen Einzahlungen der Periode t mit denen der Vorperiode t - 1 und die Konstanz des 0 1 2 208,33 140 + 151,14 100 + 107,95 196; 0,5 154; 0,5 140; 0,5 110; 0,5 S 1 = 229,16 S 22 = 118,75 S 12 = 166,25 Abbildung 5.7: Berechnung des Wertes in t = 0 aus der Sicht eines risikoscheuen Investors Risiko und mehrperiodige Projekte · 171 <?page no="174"?> 172 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Verhältnisses t NE zu S t . Im Beispielfall gemäß Abbildung 5.4 ist die Risikoprämie 0,05789. ) 1 , 0 1 ( ) 1 , 0 1 ( 95 , 0 1 z * = + - + = Abbildung 5.8 zeigt die Bewertung des Projektes. Der Diskontierungssatz ist i + z* = 0,10 + 0,05789 = 0,15789. Wir erhalten den gleichen Wert in t = 0 wie in Abbildung 5.7. Insoweit sind die Berechnungen gleichwertig. Zu beachten ist, daß die Kenntnis von S t Voraussetzung für die Bestimmung von z* ist. Wenn t t S NE und i im Zeitablauf konstant sind, kann die Bewertung des Projektes auch auf Basis der unbedingten Verteilungen in t = 1 und t = 2 erfolgen. Man kann folglich rechnen: (5.4) 0 V = Σ + + = − t 2 1 1 t * t ) z i ( NE = 116 (1,15789) -1 + 145 (1,15789) -2 = 208,33. Die Ableitung der Risikoprämie z* über die Kenntnis der Sicherheitsäquivalente ist ein Weg unter mehreren, um Informationen über Risikoprämien zu gewinnen. Weil die Bewertung von Projekten in unserem Beispiel den Rückgriff auf individuelle Risikoneigungen erfordert, bezeichnen wir den Ansatz als individualistischen Bewertungsansatz. Diesem individualistischen Bewertungsansatz kann der marktorientierte Ansatz gegenüber gestellt werden. Dieser Ansatz fragt nach der Höhe der Rendite, die Investoren bei Anlage in Wertpapieren mit (mit dem Bewertungsprojekt) vergleichbarem Risiko erzielen könnten. Diese Renditeerwartungen können dann als Diskontierungssatz benutzt werden. Eine Kernbotschaft besteht in dem Hinweis, daß die Beurteilung von Projekten mit unsicheren Erfolgen vor dem Hintergrund be- 0 1 2 208,33 V1 + V2 NE = 241,23 140 + 151,14 100 + 107,95 196; 0,5 154; 0,5 140; 0,5 110; 0,5 NE = 125 NE = 175 Abbildung 5.8: Bewertung des Projektes mit risikoangepasstem Diskontierungssatz <?page no="175"?> reits realisierter Anlageentscheidungen bzw. Projekten erfolgen sollte. Deshalb sei nur das Risiko bewertungsrelevant, das die Anlage bzw. das Projekt im Rahmen des bereits vorhandenen Bestandes an Anlagen bzw. Projekten auslöst. Risikoabschläge bzw. Risikoprämien weisen dann, wenn die Menge der bereits realisierten Geldanlagen bzw. Projekte von Investoren Merkmale der Ähnlichkeit erfüllt und Projekte generell handelbar sind, nicht die individuelle Vielfalt auf, die man bei alleiniger Betrachtung des individualistischen Ansatzes vermuten kann. Die Literatur greift zur Unterfütterung des marktorientierten Ansatzes regelmäßig auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurück. Dieser Vorgehensweise folgen wir hier in stark verkürzter Form: • Das CAPM in der Grundversion wird als mögliche Erklärung dafür genutzt, wie unsichere Zahlungsströme bewertet werden könnten. Diese Botschaft des Modells wird auf die Bewertung von Investitionsprojekten bzw. Unternehmen angewendet. • Auf eine Darstellung der Grundlagen des Modells und seiner Herleitung wird verzichtet. Auch auf empirische Tests des Modells wird nicht eingegangen. Das CAPM definiert die risikoäquivalenten Renditeforderungen von Investoren in einer Welt ohne Steuern unter der Annahme, daß Investoren ihr Vermögen bestmöglich diversifiziert haben und daß die Renditeerwartungen dieses Vermögens durch die ex-ante Sicht der Renditeverteilung des sog. Marktportefeuilles r ~ M gekennzeichnet werden können. Die geforderte Rendite für ein Projekt j hängt unter den Annahmen des Modells ab vom Basiszinsfuß bzw. risikolosen Zinssatz i, dem sog. Marktpreis des Risikos λ und dem Kovarianzrisiko der Rendite des Projektes j mit der Rendite r ~ M : (5.5) ) r ~ , r ~ cov( i r M j j λ + = mit 2 M M i r σ − = λ . λ ist für alle riskanten Wertpapiere (Projekte) gleich groß. Das Symbol cov (r ~ j , r ~ M ) bezeichnet die Kovarianz der Rendite des Wertpapiers (Projektes) j mit der Rendite des Marktportefeuilles und damit die Risikomenge, die ein voll diversifizierter Investor übernehmen muß, wenn er das Wertpapier (das Projekt) erwirbt. Definiert man den Beta-Wert des Wertpapiers j (des Projektes j) mit (5.6) 2 M M j j ) r ~ , r ~ ( cov σ = β , erhält man die Renditeforderung in Beta-Schreibweise: (5.7) j Marktrisikoprämie M j ) i r ( i r β ⋅ − + = ⎩ ⎨ ⎧ Das Produkt aus Marktrisikoprämie und β j bestimmt die Risikoprämie, die Investoren für die Übernahme des mit dem Projekt j verbundenen Kovarianzrisikos Risiko und mehrperiodige Projekte · 173 <?page no="176"?> 174 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko fordern. Der β -Wert zeigt das relative Risiko des Wertpapiers (Projektes) j an. Für den gesamten Wertpapiermarkt, dem Marktportefeuille M, gilt: . 1 ) r ~ , r ~ ( cov 2 M 2 M 2 M M M M = σ σ = σ = β Ein Beta-Wert von 0,7 bringt also ein Risiko zum Ausdruck, das das Marktrisiko unterschreitet. Diese Eigenschaft reduziert die von Investoren geforderte Rendite, wie Formel (5.7) zeigt. Wie die Botschaften des CAPM auf die Bewertung mehrperiodiger Projekte übertragen werden können, wird in diesem einführenden Text nicht erörtert. Auch hier gibt es Bedingungen, unter denen eine Risikoprämie in Höhe von (r - M - i) β j für die Bewertung eines Projektes mit einperiodiger Nutzungsdauer übertragen werden kann. 33 Wir werden im folgenden unterstellen, daß diese Bedingungen gegeben sind. Wenn wir die Überlegungen zur Bewertung von Projekten mit unsicheren Einzahlungen zusammenfassend darstellen, ergibt sich folgendes Bild, das die Bewertung für den einperiodigen Fall wiedergibt: 33 Vgl. Drukarczyk, J./ Schüler, A. (2007), S. 70-79. 1 1 1 0 ) 1 )( ( − + − = i RA NE V Bewertung bei Unsicherheit Risikoabschlag vom Erwartungswert der Einzahlungen bzw. Risikoprämie hängt von der individuellen Risiko(ab)neigung des Investors ab: «Individualistischer» Ansatz Risikoprämie bzw. Risikoabschlag vom erwarteten Cashflow wird mit Hilfe von Marktparametern ermittelt: «Marktmäßig objektivierter» Ansatz am Beispiel des CAPM 1 1 0 ) 1 ( − + = i S V 1 * 1 0 ) 1 ( − + + = z i NE V ~ V 0 = [NE t - λ cov(NE + ,r M )] 1 ) 1 ( − + i 1 1 0 ) 1 ( − + = k NE V ( ) M j r r i k mit ~ , ~ cov λ + = ~ ~ Abbildung 5.9: Bewertungskalküle im individualistischen bzw. marktorientierten Ansatz <?page no="177"?> Abbildung 5.9 zeigt, daß es auch im marktorientierten Ansatz einen Weg der Bewertung über das Sicherheitsäquivalent gibt: ~ NE 1 - λ cov (NE 1 ,r M ) ~ ist ein marktmäßig objektiviertes Sicherheitsäquivalent, wobei der Risikoabschlag von λ und dem Kovarianzrisiko cov ~ (NE 1 ,r M ) ~ ) abhängt. 6.3 Bewertung bei partieller Fremdfinanzierung 6.3.1 Ohne Unternehmenssteuern Wir lassen im folgenden den individualistischen Ansatz links liegen und benutzen den marktorientierten Ansatz und zwar in der Ausprägung, in der Erwartungswerte möglicher Einzahlungen mit Diskontierungssätzen, die Risikoprämien enthalten, abgezinst werden können. Gezeigt werden soll, daß und wie diese Diskontierungssätze ggf. von der Finanzierung des Projektes beeinflußt sind. Wir starten mit einem Beispiel: Die erwarteten Überschüsse des Unternehmens (Projektes) betragen 100 pro Periode. Die Errichtungskosten im Zeitpunkt 0 sind 700. Die geforderte Rendite der Eigentümer bei Eigenfinanzierung des Unternehmens (Projektes) sei k = 0,12. Sie setzt sich zusammen aus einem risikolosen Zinssatz von i = 0,05 und einem Risikozuschlag für das mit dem Projekt (Unternehmen) verbundene Investitionsrisiko von 0,07. 34 Abbildung 5.10 zeigt die möglichen Nettoeinzahlungen des Projektes für die ersten drei Perioden. Hätte das Projekt (Unternehmen) eine unendliche Lebensdauer, folgte 833,33. 0,12 1 100 V 0 = ⋅ = Nun soll die Finanzierung des Projektes geändert werden. Fremdkapitalgeber werden an der Aufbringung von I 0 = 700 beteiligt. Ändert man die Finanzierung des Projektes (Unternehmens) ohne die Investitionsseite zu verändern, treten folgende Änderungen ein: • Der Eigenkapitaleinsatz der Eigentümer sinkt um den Fremdkapitaleinsatz F 0 . • Die entziehbaren Überschüsse der Eigentümer verkürzen sich um Zins- und Tilgungszahlungen. 34 Die Verteilung der Renditen des Marktportfolios sehe in jeder künftigen Periode so aus: 0,18 im Zustand 1 und 0,02 im Zustand 2. Die erwartete Rendite r- M ist somit 0,10; σ 2 M beträgt 0,0064 und λ = 7,8125. Betrachtet man ausschließlich die Überschußverteilung in t = 1, berechnet sich cov ~ (NE 1 ,r M ) ~ . Der Wert des Projektes in t = 0 beträgt insoweit V 0 = (100 - 7,8125 · 0,8) 1,05 -1 = 89,29. Die geforderte Rendite k ergibt sich aus , , , , , , , ) r ~ , ~ cov i k M 12. 0 07 0 05 0 29 89 8 0 8125 7 05 0 r ( p = + = ⋅ + = λ + = Risiko und mehrperiodige Projekte · 175 <?page no="178"?> 176 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko • Die erwartete Rendite der Eigentümer steigt. Wir erläutern diesen Effekt vorläufig anhand der Buchrenditen, wählen also als Bezugsgröße den Buchwert des Eigenkapitals: Bei reiner Eigenfinanzierung ist die erwartete Gesamtkapitalrendite 0,14286. 35 Finanzieren Gläubiger F 0 = 300 zu Fremdkapitalkosten von i = 0,05, steigt die erwartete Buchrendite des Eigenkapitals auf 0,2125. 36 • Das Risiko der Eigentümer steigt. Wenn wir unterstellen, daß Fremdkapitalgeber keinen Anteil am Investitionsrisiko des Projektes (Unternehmens) übernehmen, verbleibt das gesamte Investitionsrisiko bei den Eigentümern und lastet auf deren nunmehr um F 0 verkürzten Kapitaleinsatz. Folglich steigt die Risikomenge pro Einheit eingesetztes Eigenkapital. Um dies darzustellen, vergleichen wir die Streuung der Buchrenditen im Fall F = 0 mit dem Fall F = 300. Bei ausschließlicher Eigenfinanzierung ist die Streuung der Buchrenditen σ GKR = 0,01429. Ist F = 300, ist die Streuung der Eigenkapitalrendite (gemessen am Buchwert des Eigenkapitals) σ GKR = 0,025 also deutlich höher. 35 0,14286. 5 , 0 700 90 5 , 0 700 110 = · + · 36 0,2125. 5 , 0 300 700 300 05 , 0 90 5 , 0 300 700 300 05 , 0 110 = · - · - + · - · - 0 1 2 3 V 0 = ? 90 110 0,5 0,5 121 99 99 0,5 0,5 0,5 0,5 81 133,1 108,9 108,9 89,1 108,9 89,1 89,1 72,9 Abbildung 5.10: Nettoeinzahlungen des Projektes (Unternehmens) in den ersten drei Perioden <?page no="179"?> Wir haben also Anlaß zu vermuten, daß die Veränderung der Finanzierung des Projektes (Unternehmens) das Risiko der Eigentümer erhöht. Wenn wir das rein eigenfinanzierte Projekt durch Punkt A kennzeichnen, die mit F = 300 mischfinanzierte Position durch Punkt B, erhalten wir eine Darstellung wie in Abbildung 5.11. Was ist der Nettoeffekt der Bewegung von A nach B? Eine berühmte Antwort (von Modigliani und Miller, 1958) auf diese Frage ist, daß der Nettoeffekt auf einem funktionierenden Kredit- und Kapitalmarkt Null ist: Rendite- und Risikoeffekt heben sich unter bestimmten Bedingungen auf. Wenn dies zutrifft, kann die Bewegung von A nach B auch keine Wertsteigerung bewirken. Es müßte bei unendlicher Lebensdauer unverändert V 0 = 833,33 gelten! Betrachten wir die Begründung für die Aussage, daß der Nettoeffekt Null sei. Hierzu werden einige Annahmen benötigt: • Steuern und Transaktionskosten bestehen nicht. • Illiquiditätsbzw. Insolvenzrisiken bestehen nicht. • Unternehmen und Investoren können sich zum risikolosen Zinssatz i verschulden, da die Kreditgeber keine Ausfallrisiken übernehmen. • Die Investitionsprogramme der Unternehmen werden durch die Veränderungen der Finanzierungsstruktur nicht berührt. Renditeeffekt 0,2125 0,1429 0,01429 0,025 Risikoeffekt Risiko A B Rendite Abbildung 5.11: Rendite- und Risikoeffekt bei einperiodiger Betrachtung Risiko und mehrperiodige Projekte · 177 <?page no="180"?> 178 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko • Es gebe zwei Unternehmen mit identischem Investitionsrisiko und damit identischen erwarteten entziehbaren Überschüssen vor Bedienung der Fremdkapitalgeber, aber mit unterschiedlichen Kapitalstrukturen. Wir bezeichnen den Wert des nur eigenfinanzierten Unternehmens mit V E , den des mischfinanzierten Unternehmens mit V F . V F setzt sich zusammen aus dem Wert des Eigenkapitals (E F ) und dem Wert des Fremdkapitals (F), also V F = E F + F. Die Ansprüche der Kapitalgeber der Unternehmen sind in Form von Aktien und Obligationen (Bonds) verbrieft und werden auf liquiden Märkten gehandelt. Wir betrachten zur Vereinfachung den Fall der unendlichen Rente: Die erwarteten entziehbaren Überschüsse sind mit NE gekennzeichnet. Angenommen, es gälte V F > V E . Ein am Aktienkapital des fremdfinanzierten Unternehmens beteiligter Investor, der eine Anteilsquote a hält, könnte nun „umsteigen“. Er verkauft seine Anteile zum Preis a (V F - F) und verzichtet damit auf erwartete Überschüsse in Höhe von a (NE - iF) pro Periode. Identische risikoäquivalente Überschüsse kann der Investor erzielen, wenn er folgende Maßnahmen ergreift: Maßnahmen des Investors Investition erwarteter entziehbarer Überschuß 1. Kauf eines Anteils a am Aktienkapital des eigenfinanzierten Unternehmens aV E aNE 2. private Verschuldung in Höhe von aF - aF - aiF a (V E - F) a (NE - iF) Tabelle 5.7: Duplizierung des Einkommens mittels privater Verschuldung Mit a (NE - iF) erzielt der Investor ein identisches, risikogleiches Einkommen pro Periode wie in der Ausgangsposition mit dem Unterschied, daß er nun privat das Cashflow-Potential seines Aktienvermögens aV E beleiht, während im Ausgangszustand das Unternehmen das Potential in gleichem Maße beliehen hatte: Das Unternehmen belastet die Bruttoüberschüsse NE mit iF; der sich privat zum Satz i verschuldende Investor belastet «seine» entziehbaren Überschüsse a NE mit aiF: Er ersetzt «firm leverage» durch «home-made leverage». Sind Ausgangsposition und Endposition identisch, kann man Verkaufserlös und Einstiegspreis vergleichen. Es gilt: a (V F - F) > a (V E - F), da annahmegemäß V F > V E gilt. Also lohnt das «Umsteigen»; der umsteigende Investor erzielt einen Arbitragegewinn, ohne seine Risikoposition zu verändern. Investoren, die die Wertrelation V F > V E erkennen, steigen solange um, bis die Chance für Arbitragegewinne nicht mehr besteht, bis also V F = V E gilt. <?page no="181"?> Nehmen wir nun an, daß V E > V F gilt: Erwartete Überschüsse des Investors: aNE Verkaufserlös bei Ausstieg: aV E Maßnahmen des Investors Investition erwarteter entziehbarer Überschuß 1. Kauf eines Anteils a am Aktienkapital des mischfinanzierten Unternehmens a (V F - F) a (NE - iF) 2. Anlage von Mitteln in Höhe von aF zu i aF aiF aV F a NE Tabelle 5.8: Duplizierung des Einkommens mittels risikoloser Geldanlage Die erwarteten Überschüsse im Endzustand, also nach den Maßnahmen des Investors, sind identisch mit denen des Ausgangszustands: Der Investor kauft die Quote a an Aktien und Obligationen des verschuldeten Unternehmens und hebt damit die Zerlegung des erwarteten Zahlungsstromes NE, die das Management des Unternehmens durch die Wahl der Kapitalstruktur bewirkt hat, wieder auf. Da NE für beide Unternehmen annahmegemäß identisch ist, muß die Endposition gleich der Anfangsposition sein. Vergleicht man Verkaufserlös und Einstiegspreis, folgt aV E > aV F : Der Investor erzielt einen risikolosen Arbitragegewinn. Folglich kann ein Wertverhältnis V E > aV F auf Dauer nicht bestehen bleiben: Der wertmäßige Nettoeffekt der Bewegung von A nach B in Abbildung 5.11 ist Null. Dies ist der Kern des berühmten Aufsatzes von Modigliani und Miller aus dem Jahr 1958. 37 Deren Aussage lautet, daß der durch die Investitionsstrategie generierte erwartete Strom an Überschüssen durch die Wahl der Kapitalstruktur in Teilströme zerlegt wird und daß unter den oben genannten Bedingungen bei dieser Zerlegung nichts verloren geht, aber auch nichts gewonnen wird. Die Eigentümer eines Unternehmens könnten diese Zerlegung, wäre sie erwünscht, immer auch selbst vornehmen, indem sie den Kauf der Anteile eines z. B. voll eigenfinanzierten Unternehmens teilweise privat durch Aufnahme von Fremdkapital finanzieren. Hat das Management des Unternehmens über die Wahl der Kapitalstruktur eine bestimmte Zerlegung der erwarteten Überschüsse vorgenommen, können die Eigentümer diese Zerlegung ganz oder teilweise rückgängig machen, indem sie Aktien und Obligationen in ihrem privaten Portefeuille mischen. Unter den genann- 37 Modigliani, F./ Miller, M. H. (1958). Risiko und mehrperiodige Projekte · 179 <?page no="182"?> 180 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko ten Bedingungen leistet das Management mit der Wahl einer bestimmten Kapitalstruktur nichts, was die Anteilseigner nicht ebenso könnten. Folglich schaffen Kapitalstrukturänderungen unter den gesetzten Bedingungen keinen zusätzlichen Wert. Die kürzeste Formulierung der Botschaft des Modells liefert Miller selbst. Auf die Frage, wie man Radiohörern oder Fernsehzuschauern die Botschaft des Modells prägnant nahebringen könne, sagt Miller nach einigen weniger erfolgreichen Versuchen, daß die Bewegung in Richtung komplexerer Kapitalstrukturen „more pieces, but not more pizza“ schaffe: Der Unternehmensgesamtwert - die Pizza - bleibt unverändert. Für das Beispiel folgt: (5.8) 0 F 0 0 F E k 1 NE V + = = . Akzeptiert man dieses Ergebnis, sind Folgerungen für die Kosten der Überlassung von Kapital zu ziehen. Betrachten wir zunächst die Kosten des Eigenkapitals, also die von den Eigentümern geforderte Rendite. Im Fall der unendlichen Rente ist die Rendite der Eigentümer definiert durch NE - iF 0 / E 0 F Wegen (5.8) gilt NE = k (E 0 + F 0 ). Eingesetzt in die Renditedefinition folgt: (5.9) ⎪ ⎩ ⎪ ⎨ ⎧ Risikoprämie 2 F 0 0 F 0 0 0 F 0 F E F ) i k ( k E iF ) F E ( k k − + = − + = Die von den Eigentümern geforderte Rendite im Fall der Mischfinanzierung des Unternehmens (k F ) übersteigt die im Fall der reinen Eigenfinanzierung geforderte Rendite (k) um eine Risikoprämie in Höhe von (k - i)F 0 / E 0 F , wobei F 0 bzw. E 0 F Marktwerte des Fremdbzw. Eigenkapitals bezeichnen. Wir bezeichnen diese Risikoprämie als Risikoprämie 2, um sie von der Risikoprämie für das Investitionsrisiko (Risikoprämie 1) abzuheben. Formel (5.9) ähnelt der Leverage-Formel, in der Beträge (Buchwerte) für Fremd- und Eigenkapital (FK, EK), nicht Marktwerte, und bilanzielle Rentabilitäten (EKR, GKR), nicht risikoäquivalente geforderte Renditen (k, k F ) definiert werden. Wir kennen diese Formel aus Kapitel 4. EK FK ) i GKR ( GKR EKR - + = Die Botschaft von (5.9) ist, daß eine Verschiebung der Kapitalstruktur von A nach B in Abbildung 5.11 von den Anteilseignern auch privat bewerkstelligt werden könnte, nämlich durch private Verschuldung. In diesem Fall können die Eigentümer eine zusätzliche (private) Leverage-Rendite erwarten. Wenn das Management des Unternehmens die Kapitalstruktur nach B verschiebt, verlangen die Anteilseigner folglich genau diese risikoäquivalente Rendite. <?page no="183"?> Modigliani und Miller betrachten neben den Eigenkapitalkosten k bzw. k F und den Kosten des Fremdkapitals i eine weitere Kapitalkostenkategorie: die Weighted Average Cost of Capital (WACC). Dieser Kapitalkostensatz ist ein arithmetisches Mittel aus i und k F , dessen Gewichte die Kapitalanteile, bewertet zu Marktwerten, am Unternehmensgesamtwert sind. In einer Welt ohne Steuern gilt: (5.10) V E k V F i WACC F F + = Setzt man für k F die rechte Seite von (5.9) ein, folgt WACC = V E E F ) i k ( k V F i F F ⋅ ⎥ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ − + + WACC = k. Der gewogene durchschnittliche Kapitalkostensatz (WACC) ist in einer Welt ohne Steuern und unter den sonstigen oben genannten Bedingungen unabhängig von der Kapitalstruktur und entspricht der geforderten Rendite der Eigentümer für den Fall der vollständigen Eigenfinanzierung. Es gelingt somit nicht, die durchschnittlichen Kapitalkosten durch eine Änderung der Kapitalstruktur zu beeinflussen. 6.3.2 Mit Unternehmenssteuern Wir führen nun eine Gewinnsteuer (Körperschaftsteuer) ein und bezeichnen den Steuersatz mit s K . Die Gewinnsteuer werde unabhängig von der Verwendung des Überschusses auf Unternehmensebene erhoben. Zinszahlungen des Unternehmens verkürzen die steuerliche Bemessungsgrundlage. Anteilseigner und Gläubiger werden nicht besteuert: Dividenden, Zinserträge und Kapitalgewinne seien steuerfrei. Jetzt schafft die Verschiebung der Kapitalstruktur von A nach B zusätzlichen Wert. Wir behalten den Fall der unendlichen Rente bei. Zinszahlungen an Gläubiger werden mit Modigliani/ Miller als risikolos angenommen. 38 Tilgungszahlungen erfolgen nicht oder werden - sollten sie erfolgen - sofort durch Aufnahme neuen Fremdkapitals zum gleichen Zinssatz i ausgeglichen. Bei Mischfinanzierung erzielt ein Anteilseigner, der eine Quote a am Aktienkapital hält, einen erwarteten Überschuß in Höhe von (5.11) a (NE - iF) (1 - s K ) pro Periode. 38 Hier schlummert ein Problem: Wenn die Zahlungsstruktur der Überschüsse so aussieht wie in Abbildung 5.10, können Zinszahlungen auf einen im Zeitpunkt 0 festgelegten Verschuldungsumfang nicht zeitlich unbegrenzt ohne jedes Ausfallrisiko an Gläubiger geleistet werden. Risiko und mehrperiodige Projekte · 181 <?page no="184"?> 182 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Beteiligt sich der Anteilseigner an einem ansonsten identischen, aber vollständig eigenfinanzierten Unternehmen und verschuldet er sich privat in Höhe von aF kann er einen Überschuß in Höhe von (5.12) a NE (1 - s K ) - aiF pro Periode erwarten. Der erwartete Überschuß gemäß (5.11) ist größer als der gemäß (5.12): Die Abzugsfähigkeit der Zinsen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage auf Unternehmensebene erhöht den Überschuß um s K iF pro Periode. Deshalb muß V F > V E gelten; es gibt jetzt «more pizza». Wie groß ist die Differenz? Zu bewerten ist der Mehrerfolg des verschuldeten Unternehmens in Höhe von s K iF pro Periode. Wir behalten die gesetzte Annahme des Ausschlusses von Illiquiditätsrisiken bei. Unter dieser Bedingung können wir die Zinszahlung vorläufig als risikolos einstufen. Werden die Zinszahlungen in jeder Periode geleistet, wird auch der Steuervorteil erzielt; er ist somit auch risikolos, soweit die steuerliche Bemessungsgrundlage in jeder Periode die Zinsabzugsfähigkeit erlaubt. Auch das wollen wir zunächst annehmen. Folglich ist die risikolose Rendite i der adäquate Diskontierungssatz. Es folgt (5.13) F s i 1 iF s V K K USt = = und (5.14) V F = V E + s K F. Im Fall der unendlichen Rente übersteigt der Unternehmensgesamtwert eines mischfinanzierten Unternehmens den eines eigenfinanzierten Unternehmens um den Term s K F. Wegen der Höhe von s K in der Realität und des nicht unerheblichen Rückgriffs von Unternehmen auf Fremdkapital, ist der hinter Formel (5.14) schlummernde Sachverhalt vermutlich von praktischer Relevanz. Allerdings ist ein Hinweis angebracht, der vor Überschätzungen des empirischen Gewichts von V USt bewahren soll. Erstens hängt das empirische Gewicht von V USt von Details des realisierten Steuerregimes ab. Unter sonst gleichen Bedingungen unterscheidet sich V USt im Anrechnungsverfahren deutlich von V USt im derzeit geltenden Halbeinkünfteverfahren. Zweitens ist prinzipiell auch die Einkommensteuer zu beachten, die wir in diesem einführenden Text ausgeblendet haben. Die Beachtung der Einkommensbesteuerung kann zu deutlichen Verkürzungen der steuerlichen Vorteile führen. 39 Wie reagieren die Kosten des Eigenkapitals (k F ) unter diesen steuerlichen Bedingungen? Die geforderte Rendite der Anteilseigner steigt mit zunehmender Verschuldung des Unternehmens, wobei wir zur Vereinfachung beim Fall der unendlichen Rente bleiben: (5.15) F K F E F ) s 1 )( i k ( k k - - + = 39 Vgl. Drukarczyk, J./ Schüler, A. (2007), S. 131-145 und S. 165-195. <?page no="185"?> Diese Formel ist zu erläutern. Bei reiner Eigenfinanzierung gilt V E = k 1 ) s 1 ( NE K - . Werden die Investitionen des Unternehmens, die den erwarteten Cashflow in Höhe von NE vor Steuern generieren, teilweise fremdfinanziert, ist die von Eigentümern erwartete Zahlung durch (NE - iF) (1 - s K ) definiert. Die Rendite der Eigentümer beträgt folglich im Fall der unendlichen Rente ] . E 1 ) s 1 ( iF ) s 1 ( NE F K K − − − [ Ersetzen wir NE durch kV E bzw. k (V F -s K F) = k (E F + F - s K F), erhalten wir die Formel (5.15): [ ] { } F K K F F E s iF s F E k k 1 1 ( ) 1 ( − − − + = F K F E s F i k k k ) 1 ( ) ( - - + = . Die Höhe der geforderten Rendite hängt somit erstens von dem risikolosen Zinssatz i und der Risikoprämie 1 in Höhe von k - i ab. Zweitens bestimmt die Prämie für das Finanzierungsrisiko, also die Differenz k F - k, die Höhe der geforderten Rendite. Zu beachten ist, daß der Barwert der als risikolos eingestuften steuerlichen Vorteile, s K F, die Höhe dieser Risikoprämie dämpft. Die durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) werden häufig gemäß der amerikanischen Text-Book Formula definiert: (5.16) WACC = F F F F K V E k V F s i + - ) 1 ( . Setzt man (5.15) in (5.16) ein, erhält man: WACC = F F F K F K V E E F s i k k V F s i ⎥ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ − − + + − ) 1 )( ( ) 1 ( = F K F K F F F K V F s i V F s k V E k V F s i ) 1 ( ) 1 ( ) 1 ( - - - + + - = F K F F F V F ks V F V E k − ⎟ ⎠ ⎞ ⎜ ⎝ ⎛ + (5.17) = k ⎟ ⎠ ⎞ ⎜ ⎝ ⎛ − F K V F s 1 . Risiko und mehrperiodige Projekte · 183 <?page no="186"?> 184 · Kapitel 5 Finanzierung und Risiko Dies ist die zweite, in amerikanischen Lehrbüchern anzutreffende Formel für WACC. Man erkennt an ihr besonders deutlich, daß die durchschnittlichen Kapitalkosten mit steigendem Verschuldungsgrad des Unternehmens bei Ausschluß von Illiquiditätsrisiken und bei Risikolosigkeit der steuerlichen Vorteile fallen. Jetzt ist WACC steuerbar durch die Wahl der Kapitalstruktur. Eine dritte Version der Definition von WACC folgt aus (5.17): WACC = F K F V F ks kV - Da V F - s K F und kV E = NE (1 - s K ) ist, wie folgt: (5.18) WACC = F K V s NE ) 1 ( - . Diese Formulierung macht klar, welche Erfolgsgröße mit WACC zu diskontieren ist: Es ist der entziehbare Überschuß bei unterstellter reiner Eigenfinanzierung des Unternehmens. Benutzt man WACC als Diskontierungssatz, sind die Zahlungswirkungen der Positionen der Kapitalstruktur, die nicht Eigenkapital darstellen, bei der Definition der entziehbaren Überschüsse nicht zu beachten. Das bedeutet auch, daß die Besteuerung der Prämisse der vollständigen Eigenfinanzierung zu entsprechen hat: Diskontiert werden eigenfinanzierte entziehbare Überschüsse nach Steuern. Die mit einer anteiligen Fremdfinanzierung verbundenen steuerlichen Vorteile schlagen sich in WACC nieder, wie die Definition (5.17) zeigt. Sie dürfen deshalb in der Definition der entziehbaren Überschüsse nicht nochmals berücksichtigt werden. 7 Zusammenfassung Risiko wurde als Gefahr definiert, Teile der eingesetzten Mittel nicht wiedergewinnen zu können. Chancen sind analog alle Einzahlungen, die über den Mitteleinsatz hinaus erzielt werden. Auf andere Möglichkeiten der Trennung zwischen Risiko und Chance wurde hingewiesen. Ausgehend von einem gegebenen Investitionsrisiko und gegebenen Investitionschancen wurde gezeigt, wie durch Finanzierungsverträge Chancen und Risiken zwischen den Finanzierenden umverteilt werden können. Werden Risiken und Chancen in bezug auf die erbrachte Finanzierungsleistung gleich verteilt, sprechen wir von symmetrischen Finanzierungsverträgen. Im anderen Fall liegen nicht symmetrische Verträge vor. Im einperiodigen Fall erweist sich die bestandsökonomische Darstellung als didaktisch nützlich. Im mehrperiodigen Fall haben wir Zustandsbäume benutzt, um <?page no="187"?> das Netz der möglichen Nettoeinzahlungen darzustellen. Es wird diskutiert, wie sich das Bewertungskalkül eines risikoneutralen Investors von dem eines risikoscheuen Investors unterscheidet. Außerdem wird der individualistische Bewertungsansatz, der dem individuellen Grad der Risikoabneigung Rechnung trägt, und der marktorientierte Bewertungsansatz, der eine marktmäßig objektivierte Risikoberücksichtigung impliziert, unterschieden. Dann wird erläutert, daß und warum die Finanzierungsform des Investitionsprojektes auf die von Investoren geforderte Renditen zurückwirken kann. 8 Literaturhinweise Brealey, R./ Myers, S./ Allen, F. (2006): Corporate Finance. 8. Auflage, New York. Drukarczyk, J./ Duttle, J./ Rieger, R. (1985): Mobiliarsicherheiten - Arten, Verbreitung, Wirksamkeit. Köln. Drukarczyk, J./ Schüler, A. (2007): Unternehmensbewertung. 5. Auflage, München, 4. Kapitel. Haugen, R. A. (2001): Modern Investment Theory. 5. Auflage, Upper-Saddle River. Kruschwitz, L. (2005): Investitionsrechnung. 10. Auflage, Wien. Modigliani, F./ Miller, M. H. (1958): The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment. In: The American Economic Review, Band 48, S. 261-297. Ross, S. A./ Westerfield, R. W./ Jaffee, J. (2007): Corporate Finance. 7. Auflage, Boston/ New York, Kapitel 9 und Kapitel 20. Rudolph, B. (1974): Die Kreditvergabeentscheidung von Banken. Der Einfluß von Zinsen und Sicherheiten auf die Kreditgewährung. Opladen. Schmidt, R. H./ Terberger, E. (1996): Grundzüge der Investition- und Finanzierungstheorie. 3. Auflage, Wiesbaden, Teil III. Spremann, K. (2002): Finanzanalyse und Unternehmensbewertung. München. Swoboda, P. (1994): Betriebliche Finanzierung. 3. Auflage, Heidelberg. Swoboda, P. (1996): Investition und Finanzierung. 5. Auflage, Göttingen. Wenger, E./ Terberger, E. (1988): Die Beziehung zwischen Agent Prinzipal als Baustein einer ökonomischen Theorie der Organisation. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 17. Jahrgang, S. 506-514. Literaturhinweise · 185 <?page no="189"?> Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Kapitel 6 Inhalt 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2 Struktur der Aktiva, der Passiva und der GuV-Rechnung . . . . . . . . . . . . 195 3 Berechnung des NOCF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4 Berechnung von bilanziellen Renditen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5 Zur Quantifizierung von Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6 Berechnung von Residualgewinnen auf Basis des WACC-Ansatzes . . . . 205 7 Reinvestitionen, Free Cash Flow und Wert des Eigenkapitals . . . . . . . . . 207 8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 9 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1 Einführung Die Botschaften aus Kapitel 2-5 sollen zusammengefügt werden, um Anwendung einerseits und offene Fragen andererseits zu verdeutlichen. Als Anwendungsfall wird die erstmalige Platzierung von Aktien einer AG gewählt. Die U AG mit Sitz in Süddeutschland platzierte im Herbst 1997 1.212.000 Aktien an der Börse. Die Aktien wurden zu einem Kurs von 45 DM (22,98 € ) angeboten und gezeichnet. Insgesamt hat das Unternehmen 4 Mio. Aktien ausgegeben zum Nominalwert von 5 DM pro Aktie. Etwa 70 % der Aktien werden von privaten Großaktionären und einem institutionellen Anleger gehalten. Der Rest wird von Kleinaktionären gehalten. Das Unternehmen wurde 1911 gegründet, von der Gründerfamilie kontinuierlich ausgebaut und auf profitable Produkte hin ausgerichtet. Heute produziert das Unternehmen vorrangig Bodenbelagsklebstoffe, Spachtelmassen und Kleber für Fliesen. Hier liegt seine Kernkompetenz. 70 % des produzierten Volumens an Spachtelmassen und Klebstoffen werden bei Renovierungen und Sanierungen von Gebäuden eingesetzt. Das Unternehmen ist somit weitgehend unabhängig von Baukonjunkturen. Die Tabellen 6.1, 6.2 und 6.3 zeigen Aktiva, Passiva sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, die nach dem Gesamtkostenverfahren aufgemacht sind, für den Zeitraum 1994-2005. Alle Daten wurden umgerechnet in Euro. Wir wollen uns mit Hilfe der Überlegungen aus den vorhergehenden Kapiteln einen Überblick über die ökonomische Lage des Unternehmens verschaffen. <?page no="190"?> 188 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Prinzipiell gehört zu einer Unternehmensanalyse eine Analyse der Position, die die Produkte des Unternehmens auf den relevanten Märkten einnehmen, eine Untersuchung der Position der wichtigsten Wettbewerber, eine Prüfung, ob Substitutionsprodukte am Horizont erkennbar sind oder ob sich die Gewohnheiten der Abnehmer so verändern werden, daß wichtige Rückwirkungen auf die Umsätze des Unternehmens zu erwarten sind. Diese Analysen müssen wir hier ausklammern. Zum einen soll die Behandlung des Sachverhaltes auf knappem Raum erfolgen; zum anderen geht es hier vorrangig um eine finanzielle Analyse der vorliegenden Daten. Erst zum Ende des Kapitels kommen wir auf das Prognoseproblem zu sprechen. <?page no="191"?> Einführung · 189 Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 A. Anlagevermögen 10.016 10.119 9.775 15.978 16.228 17.716 19.485 21.624 21.758 26.039 38.672 42.841 I. Immaterielle Vermögensgegenstände 52 64 47 5.247 4.878 4.477 4.056 3.734 3.244 2.883 3.100 2.528 1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte 52 64 47 41 74 77 59 140 53 95 715 546 2. Geschäfts- oder Firmenwert 0 0 0 5.206 4.804 4.400 3.997 3.594 3.191 2.788 2.385 1.982 3. Geleistete Anzahlungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 II. Sachanlagen 9.834 9.925 9.598 10.185 10.448 12.074 11.953 11.942 11.279 12.585 11.877 11.583 1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten incl. Bauten auf fremden Grundstücken 5.868 6.063 6.001 6.143 5.841 8.051 8.030 8.251 8.116 9.383 9.124 8.840 2. Technische Anlagen und Maschinen 2.646 2.201 1.815 1.953 1.816 1.609 1.350 1.221 1.092 1.377 1.092 974 3. Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung 1.209 1.390 1.700 1.933 2.199 2.414 2.358 2.282 1.961 1.821 1.647 1.483 4. Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau 111 271 82 156 592 0 213 188 110 4 14 286 III. Finanzanlagen 130 130 130 546 902 1.165 3.476 5.948 7.235 10.571 23.695 28.730 1. Anteile an verbundenen Unternehmen 128 128 128 546 902 916 2.877 5.339 6.566 5.464 18.949 27.627 2. Ausleihungen an verbundene Unternehmen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3.454 3.168 0 3. Beteiligungen 0 0 0 0 0 249 599 609 669 669 669 274 4. Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 0 0 0 0 0 0 0 0 0 984 909 829 5. Wertpapiere des Anlagevermögens 2 2 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 6. Sonstige Ausleihungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Tabelle 6.1: Aktiva der U AG <?page no="192"?> 190 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie B. Umlaufvermögen 19.719 20.604 23.138 27.115 29.029 32.989 30.846 31.957 30.920 28.112 30.616 30.691 I. Vorräte 4.910 6.003 5.900 6.771 6.621 7.220 7.572 7.870 8.688 9.906 9.196 9.217 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 1.898 1.949 2.276 2.374 2.213 2.862 2.512 2.590 3.045 2.898 3.383 3.246 2. Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen 8 4 63 37 52 52 53 21 36 73 109 95 3. Fertige Erzeugnisse und Waren 3.004 4.050 3.561 4.360 4.356 4.306 5.007 5.258 5.607 6.935 5.704 5.876 4. Geleistete Anzahlungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände 10.558 11.564 12.732 11.111 15.164 17.527 19.670 19.097 19.347 15.442 20.412 20.529 1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 8.185 7.821 9.354 7.106 7.556 7.822 8.271 7.228 7.148 7.745 7.741 8.141 2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen 1.337 2.646 1.853 2.792 6.202 8.464 9.296 9.127 8.861 5.904 10.708 11.180 3. Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 146 24 59 0 0 663 39 509 1.334 632 591 0 4. Sonstige Vermögensgegenstände 890 1.073 1.466 1.213 1.406 578 2.064 2.233 2.004 1.161 1.372 1.208 III. Wertpapiere 1.278 0 0 1.534 1.278 719 850 764 1.315 2.145 786 903 1. Anteile an verbundenen Unternehmen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2. Eigene Anteile 0 0 0 0 0 719 850 764 1.315 2.145 786 903 3. Sonstige Wertpapiere 1.278 0 0 1.534 1.278 0 0 0 0 0 0 0 IV. Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten 2.974 3.037 4.506 7.699 5.966 7.523 2.753 4.224 1.570 619 222 42 C. Rechnungsabgrenzungsposten 19 59 0 0 94 33 130 58 210 127 233 274 AKTIVA: Bilanzsumme 29.755 30.782 32.913 43.093 45.351 50.738 50.460 53.639 52.888 54.278 69.521 73.806 Tabelle 6.1 (Fortsetzung): Aktiva der U AG <?page no="193"?> Einführung · 191 Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 A. Eigenkapital 12.160 12.804 15.329 26.548 29.655 32.475 34.211 33.867 34.885 34.307 34.096 36.366 I. Gezeichnetes Kapital 6.136 6.136 6.135 10.226 10.226 10.226 12.000 12.000 12.000 12.000 12.000 12.805 II. Kapitalrücklagen 0 0 0 12.271 12.271 12.271 10.497 10.497 10.497 10.497 10.497 10.497 III. Gewinnrücklagen 1.699 2.163 4.416 1.802 4.398 7.115 9.522 9.481 9.481 9.481 9.481 9.481 1. Gesetzliche Rücklage 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2. Rücklage für eigene Anteile 0 0 0 0 0 719 850 764 1.315 2.145 786 903 3. Satzungsmäßige Rücklagen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4. Andere Gewinnrücklagen 1.699 2.162 4.416 1.802 4.398 6.396 8.672 8.717 8.166 7.336 8.695 8.578 IV. Gewinnvortrag 0 0 0 0 0 0 0 0 125 588 346 70 V. Bilanzgewinn/ -verlust 4.325 4.506 4.778 2.250 2.760 2.863 2.192 1.889 2.782 1.741 1.772 3.513 B. Rückstellungen 3.988 3.743 3.819 3.167 4.567 5.650 3.744 3.645 4.801 5.392 4.363 4.982 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen 165 187 206 229 253 276 302 323 350 519 526 559 2. Steuerrückstellungen 802 683 73 4 1.312 2.361 306 510 1.154 1.894 804 1.156 3. Sonstige Rückstellungen 3.021 2.873 3.540 2.934 3.002 3.013 3.136 2.812 3.297 2.979 3.033 3.267 C. Verbindlichkeiten 13.606 14.235 13.765 13.377 11.129 12.613 12.505 16.127 13.202 14.579 31.062 32.458 1. Anleihen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 6.825 5.987 6.045 4.991 5.899 8.032 7.851 9.221 9.362 10.616 26.538 28.366 3. Erhaltene Anzahlungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 3.441 4.002 3.656 2.991 2.512 2.839 2.469 3.130 2.279 1.906 2.346 1.847 Tabelle 6.2: Passiva der U AG <?page no="194"?> 192 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen 41 46 56 46 0 0 2 3 183 154 406 271 7. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht [gegenüber Gesellschaft] 2.079 3.060 2.981 3.697 0 27 371 0 0 8 12 0 8. Sonstige Verbindlichkeiten 1.220 1.140 1.027 1.653 2.718 1.715 1.812 3.773 1.378 1.895 1.760 1.974 davon aus Steuern 0 0 0 0 0 0 0 186 214 259 davon im Rahmen der sozialen Sicherheit 0 0 0 0 0 0 0 0 9 414 D. Rechnungsabgrenzungsposten 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 PASSIVA: Bilanzsumme 29.754 30.782 32.913 43.093 45.351 50.738 50.460 53.639 52.888 54.278 69.521 73.806 Tabelle 6.2 (Fortsetzung): Passiva der U AG <?page no="195"?> Einführung · 193 Jahr 1994 1) 1995 1) 1996 1) 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 1. Umsatzerlöse 69.834 74.869 77.401 80.448 85.655 88.098 86.909 82.962 77.532 77.291 81.137 84.607 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen -262 644 -29 432 200 -282 205 -103 312 972 -1.030 155 3. andere aktivierte Eigenleistungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 68 4. sonstige betriebliche Erträge 1.330 954 1.652 1.681 1.133 1.481 7.353 3.812 1.124 1.432 901 1.388 5. Materialaufwand 31.135 35.574 36.179 38.353 40.706 41.810 43.413 42.748 39.126 39.233 39.010 42.642 a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren b) Aufwendungen für bezogene Leistungen davon für Altersversorgung 6. Personalaufwand 11.379 12.483 12.942 14.045 14.575 15.433 15.922 15.984 16.080 17.862 18.669 18.795 a) Löhne und Gehälter 9.663 10.554 10.905 11.807 12.190 12.972 13.355 13.402 13.520 14.810 15.660 15.683 b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung 1.716 1.929 2.037 2.238 2.385 2.461 2.567 2.582 2.560 3.052 3.009 3.112 davon für Altersversorgung 7. Abschreibungen 2.261 2.022 1.868 2.477 2.095 1.969 1.876 1.965 1.894 1.854 1.992 1.895 a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen sowie auf aktivierte Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten Tabelle 6.3: GuV der U AG <?page no="196"?> 194 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie 8. sonstige betriebliche Aufwendungen 16.500 16.890 18.247 17.876 19.155 19.605 25.425 22.015 17.281 17.184 18.156 18.619 = Betriebsergebnis 9.627 9.498 9.788 9.812 10.461 10.480 7.831 3.961 4.587 3.562 3.181 4.267 9. Erträge aus Beteiligungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1.523 davon aus verbundenen Unternehmen 10. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge 205 228 274 191 324 283 427 387 293 267 215 261 davon aus verbundenen Unternehmen 12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 0 0 0 0 0 0 321 194 0 0 111 60 13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 932 495 446 710 386 357 439 517 515 446 828 1.313 davon an verbundenen Unternehmen = Finanzergebnis -727 -267 -172 -519 -62 -74 -333 -324 -222 -179 -724 411 14. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 8.900 9.230 9.616 9.293 10.399 10.406 7.498 3.637 4.365 3.383 2.457 4.678 15. außerordentliche Erträge 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 16. außerordentliche Aufwendungen 0 0 0 1.389 2) 0 0 0 991 0 0 0 0 17. außerordentliches Ergebnis 0 0 0 -1.389 0 0 0 -991 0 0 0 0 18. Steuern vom Einkommen und Ertrag 4.480 4.605 4.699 3.768 5.018 4.801 2.878 826 1.322 1.664 642 1.127 19. sonstige Steuern 94 119 139 69 25 24 68 51 261 -22 43 38 20. Jahresüberschuß/ -fehlbetrag 4.326 4.506 4.778 4.067 5.356 5.581 4.552 1.769 2.782 1.741 1.772 3.513 1) Als - ob - AG; 2) Kosten des Börsenganges Tabelle 6.3 (Fortsetzung): GuV der U AG <?page no="197"?> 2 Struktur der Aktiva, der Passiva und der GuV-Rechnung Es empfiehlt sich, Bilanzen und GuV-Rechnungen auf die wesentlichen Positionen zu verdichten, damit Strukturen erkennbar werden. Die Tabellen 6.4 und 6.5 zeigen in verdichteter Form die auf Aktiv- und Passivseite enthaltenen Informationen. Die U AG weist in den GuV-Rechnungen recht stabile Strukturen auf, wie Tabelle 6.6 zeigt. Das bedeutet noch nicht, daß der Ressourceneinsatz effizient ist; aber es erleichtert die Erstellung von Plan-GuV-Rechnungen. Struktur der Aktiva, der Passiva und der GuV-Rechnung · 195 <?page no="198"?> 196 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte 0,2 0,2 0,1 0,1 0,2 0,2 0,1 0,3 0,1 0,2 1,0 0,7 (2) Geschäfts- oder Firmenwert 0,0 0,0 0,0 12,1 10,6 8,7 7,9 6,7 6,0 5,1 3,4 2,7 (3) Sachanlagen 33,0 32,2 29,2 23,6 23,0 23,8 23,7 22,3 21,3 23,2 17,1 15,7 (4) Finanzanlagen 0,4 0,4 0,4 1,3 2,0 2,3 6,9 11,1 13,7 19,5 34,1 38,9 (5) Vorräte 16,5 19,5 17,9 15,7 14,6 14,2 15,0 14,7 16,4 18,3 13,2 12,5 (6) Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände 35,5 37,6 38,7 25,8 33,4 34,5 39,0 35,6 36,6 28,4 29,4 27,8 (7) Wertpapiere des Umlauf-vermögens und liquide Mittel 14,3 9,9 13,7 21,4 16,0 16,2 7,1 9,3 5,5 5,1 1,4 1,3 (8) Sonstige 0,1 0,2 0,0 0,0 0,2 0,1 0,3 0,1 0,4 0,2 0,3 0,4 Summe (1) bis (8) 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Tabelle 6.4: Struktur der Aktiva in Prozent der Bilanzsumme Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) Eigenkapital 40,9 41,6 46,6 61,6 65,4 64,0 67,8 63,1 66,0 63,2 49,0 49,3 (2) Rückstellungen 13,4 12,2 11,6 7,4 10,1 11,1 7,4 6,8 9,1 9,9 6,3 6,8 (3) Verbindlichkeiten (verzinslich) 30,1 29,5 27,6 20,3 13,0 15,9 16,3 17,2 18,0 19,9 38,8 38,8 (4) Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 11,6 13,0 11,1 6,9 5,5 5,6 4,9 5,8 4,3 3,5 3,4 2,5 (5) Sonstige Verbindlichkeiten 4,1 3,7 3,1 3,8 6,0 3,4 3,6 7,0 2,6 3,5 2,5 2,7 Summe (1) bis (5) 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Tabelle 6.5: Struktur der Passiva in Prozent der Bilanzsumme <?page no="199"?> Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) Umsatzerlöse 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 (2) sonstige betriebliche Erträge 1,9 1,3 2,1 2,1 1,3 1,7 8,5 4,6 1,4 1,9 1,1 1,6 (3) Materialaufwand 44,6 47,5 46,7 47,7 47,5 47,5 50,0 51,5 50,5 50,8 48,1 50,4 (4) Personalaufwand 16,3 16,7 16,7 17,5 17,0 17,5 18,3 19,3 20,7 23,1 23,0 22,2 (5) Abschreibungen 3,2 2,7 2,4 3,1 2,4 2,2 2,5 2,6 2,4 2,4 2,5 2,3 (6) sonstige betriebliche Aufwendungen 23,6 22,6 23,6 22,2 22,4 22,3 29,3 26,5 22,3 22,2 22,4 22,0 (7) Zinserträge 0,3 0,3 0,4 0,2 0,4 0,3 0,5 0,5 0,4 0,3 0,3 0,3 (8) Zinsaufwendungen 1,3 0,7 0,6 0,9 0,5 0,4 0,5 0,6 0,7 0,6 1,0 1,6 (9) Steuern vom Einkommen und Ertrag 6,4 6,2 6,1 4,7 5,9 5,4 3,3 1,0 1,7 2,2 0,8 1,3 (10) Sonstige Steuern 0,1 0,2 0,2 0,1 0,0 0,0 0,1 0,1 0,3 0,0 0,1 0,0 Tabelle 6.6: Struktur der GuV-Rechnung (in Prozent der Umsatzerlöse) Struktur der Aktiva, der Passiva und der GuV-Rechnung · 197 <?page no="200"?> 198 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie 3 Berechnung des NOCF Tabelle 6.7 zeigt die Berechnung des NOCF in Zeile (8) und den NOCF nach Zinsen und erfolgten Tilgungen in Zeile (14). Tabelle 6.8 liefert die Daten zur Berechnung von EBK. Tabelle 6.7 präsentiert die U AG als Unternehmen, dessen NOCF vor Auszahlungen für Investitionen im Anlagevermögen und vor Ausschüttung ab 1999 nicht mehr das Niveau der Jahre 1997-1999 erreicht hat. <?page no="201"?> Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) Umsatzerlöse 69.834 74.869 77.401 80.448 85.655 88.098 86.909 82.962 77.532 77.291 81.137 84.607 (2) sonstige betriebliche Erträge 1.330 954 1.652 1.681 1.133 1.481 7.353 3.812 1.124 1.432 901 1.388 (3) Materialaufwand 31.135 35.574 36.179 38.353 40.706 41.810 43.413 42.748 39.126 39.233 39.010 42.642 (4) Personalaufwand 11.379 12.483 12.942 14.045 14.575 15.433 15.922 15.984 16.080 17.862 18.669 18.795 (5) sonstige betriebliche Aufwendungen 16.500 16.890 18.247 17.876 19.155 19.605 25.425 22.015 17.281 17.184 18.156 18.619 (6) Steuern vom Einkommen. und Ertrag 2.812 2.917 3.039 2.936 3.286 3.122 2.249 1.364 1.637 1.269 921 1.754 (7) Δ EBK -494 2.678 -1.280 -2 -1.003 2.712 -1.934 396 -28 1.218 751 (8) NOCF 9.338 8.453 5.968 10.199 9.068 10.612 4.541 6.597 4.136 3.203 4.064 3.434 (9) Erträge aus Beteiligungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1.523 (10) Zinserträge 205 228 274 191 324 283 427 387 293 267 215 261 (11) NOCF + Cashflow-Beitrag aus Finanzanlagen 9.543 8.681 6.242 10.390 9.392 10.895 4.968 6.984 4.429 3.470 4.279 5.218 (12) Zinsaufwendungen 932 495 446 710 386 357 439 517 515 446 828 1.313 (13) Kreditaufnahme/ Tilgung 0 149 -12 -348 -2.835 2.159 167 999 321 1.233 16.178 1.681 (14) NOCF nach Zinsen und Tilgung 8.611 8.335 5.784 9.332 6.171 12.697 4.696 7.466 4.235 4.257 19.629 5.586 Tabelle 6.7: Berechnung des NOCF und des NOCF nach Zinsen und Tilgungen Berechnung des NOCF · 199 <?page no="202"?> 200 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) Roh-, Hilfs- und Betriebs-stoffe 1.898 1.949 2.276 2.374 2.213 2.862 2.512 2.590 3.045 2.898 3.383 3.246 (2) Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau 111 271 82 156 592 0 213 188 110 4 14 286 (3) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 8.185 7.821 9.354 7.106 7.556 7.822 8.271 7.228 7.148 7.745 7.741 8.141 (4) Erhaltene Anzahlungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 (5) Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 3.441 4.002 3.656 2.991 2.512 2.839 2.469 3.130 2.279 1.906 2.346 1.847 (6) Mindestkasse 1) 1.397 1.497 1.548 1.609 1.713 1.762 1.738 1.659 1.551 1.546 1.623 1.692 (7) Steuerrückstellungen 802 683 73 4 1.312 2.361 306 510 1.154 1.894 804 1.156 (8) EBK 7.347 6.853 9.531 8.251 8.249 7.247 9.959 8.025 8.421 8.393 9.611 10.362 (9) Δ EBK -494 2.678 -1.280 -2 -1.003 2.712 -1.934 396 -28 1.218 751 1) Die Mindestkasse wird mit 0,02 · Nettoumsatzerlöse angesetzt. Tabelle 6.8: Berechnung von Δ EBK <?page no="203"?> 4 Berechnung von bilanziellen Renditen Tabelle 6.9 (a) stellt die Daten zusammen, die für die Berechnungen bilanzieller Renditen benötigt werden. Tabelle 6.9 (b) berechnet die einschlägigen bilanziellen Renditen. Abbildung 6.1 zeigt die zeitliche Entwicklung dieser Renditen. Der Schrumpfungsprozeß der Kapitalrenditen ist nicht zu übersehen. Berechnung von bilanziellen Renditen · 201 <?page no="204"?> 202 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Jahr 1994 1995 1996 1997 1) 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 EBIT 9.831 9.725 10.062 8.614 10.785 10.763 7.937 3.164 4.880 3.829 3.285 5.991 EBIT-S 5.258 5.001 5.223 4.777 5.742 5.938 4.991 2.286 3.297 2.187 2.600 4.826 EBIT-Zi 8.899 9.230 9.616 7.904 10.399 10.406 7.498 3.637 4.365 3.383 2.457 4.678 EBIT-S-Zi 4.326 4.506 4.778 4.067 5.356 5.581 4.552 1.769 2.782 1.741 1.772 3.513 NU 69.834 74.869 77.401 80.448 85.655 88.098 86.909 82.962 77.532 77.291 81.137 84.607 BS 29.755 30.782 32.913 43.093 45.351 50.738 50.460 53.639 52.888 54.278 69.521 73.806 EK 12.160 12.804 15.329 26.548 29.655 32.475 34.211 33.867 34.885 34.307 34.096 36.366 1) außerordentliche Aufwendungen für Börsengang in 1997: 1.389 Tabelle 6.9 (a): Zur Berechnung bilanzieller Renditen erforderliche Daten (Aufwendungen für Börsengang in 1997 sind berücksichtigt) Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) GKR n.b. 32,7 % 32,7 % 26,2 % 25,0 % 23,7 % 15,6 % 6,3 % 9,1 % 7,2 % 6,1 % 8,6 % (2) GKR nach Steuern n.b. 16,8 % 17,0 % 14,5 % 13,3 % 13,1 % 9,8 % 4,5 % 6,1 % 4,1 % 4,8 % 6,9 % (3) BUR 14,1 % 13,0 % 13,0 % 10,7 % 12,6 % 12,2 % 9,1 % 3,8 % 6,3 % 5,0 % 4,0 % 7,1 % (4) NUR 7,5 % 6,7 % 6,7 % 5,9 % 6,7 % 6,7 % 5,7 % 2,8 % 4,3 % 2,8 % 3,2 % 5,7 % (5) EKR n.b. 75,9 % 75,1 % 51,6 % 39,2 % 35,1 % 23,1 % 10,6 % 12,9 % 9,7 % 7,2 % 13,7 % (6) EKR nach Steuern n.b. 37,1 % 37,3 % 26,5 % 20,2 % 18,8 % 14,0 % 5,2 % 8,2 % 5,0 % 5,2 % 10,3 % (7) ROIC vor Steuern n.b. 37,2 % 37,8 % 29,6 % 27,0 % 25,3 % 16,7 % 6,6 % 9,7 % 7,6 % 6,3 % 9,0 % mit IC t 26.148 26.594 29.052 39.874 42.586 47.623 47.689 50.185 50.259 51.853 66.649 71.400 (8) ROIC nach Steuern n.b. 19,1 % 19,6 % 16,4 % 14,4 % 13,9 % 10,5 % 4,8 % 6,6 % 4,4 % 5,0 % 7,2 % (9) FLM n.b. 2,32 2,30 1,97 1,57 1,48 1,48 1,23 1,42 1,34 1,18 1,59 Tabelle 6.9 (b): Bilanzielle Renditen und FLM der U-AG (Aufwendungen für Börsengang in 1997 sind berücksichtigt) <?page no="205"?> 5 Zur Quantifizierung von Kapitalkosten Den Rentabilitäten sind geeignete Kapitalkosten gegenüberzustellen. Kapitalkosten stehen für die Renditen, die Kapitalgeber bei vergleichbarem Risiko vor bzw. nach Steuern bei alternativem Kapitaleinsatz außerhalb des Unternehmens erzielen könnten. Wir haben Kapitalkosten bislang vorrangig kennengelernt in Form einer risikolosen Anlage zum Zinssatz i. Diese risikolose Rendite ist um Risikozuschläge für Investitionsrisiko und Finanzierungsrisiko zu erhöhen. Die Begründung wurde in Kapitel 5 geliefert. Wenn man eine Gesamtkapitalrendite oder ROIC mit Kapitalkosten vergleichen will, muß man entweder reine Eigenfinanzierung unterstellen oder - soweit sich diese Annahme nicht empfiehlt - den Rentabilitäten die Kapitalkosten aller eingesetzten Kapitalquellen gegenüberstellen, wobei diese mit dem relativen Anteil der Kapitalquelle an der Summe des insgesamt eingesetzten Kapitals zu gewichten sind. Man arbeitet dann mit gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC). I. d. R. empfehlen sich Rentabilitätsrechnungen nach Steuern. Weil Unternehmenserfolge einerseits und alternativ erzielbare Renditen andererseits von steuerlichen Regeln in unterschiedlichem Ausmaß beeinflußt werden können, muß man den Steuereinflüssen besondere Sorgfalt widmen. Wir gehen im folgenden vereinfacht vor: 0,0 % 10,0 % 20,0 % 30,0 % 40,0 % 50,0 % 60,0 % 70,0 % 80,0 % 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 GKR GKR nach Steuern BUR NUR EKR EKR nach Steuern ROIC vor Steuern ROIC nach Steuern Abbildung 6.1: Bilanzielle Renditen im Zeitablauf Zur Quantifizierung von Kapitalkosten · 203 <?page no="206"?> 204 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie • Wir beachten Einkommensteuern nicht. • 1997 war die risikolose Rendite 0,045. • Die Marktrisikoprämie nehmen wir mit 0,10 - 0,045 = 0,055 an. Somit wird eine Rendite des Marktportefeuilles von r M = 0,10 angenommen. • Der Beta-Wert des Unternehmens unter Beachtung der realisierten Verschuldung sei 0,70. • Daraus errechnet sich eine geforderte Rendite der Eigentümer in Höhe von k F = i + (r M - i) β F = = 0,045 + (0,10 - 0,045)· 0,7 = 0,0835. • Die Kosten des Fremdkapitals betragen im Beispiel in 1997 etwa 0,078 40 vor Steuern. Wie hoch die Steuerlast nach Unternehmenssteuern ist, hängt vom geltenden Steuerregime ab. Seit 1997 galt das Anrechnungsverfahren, in dem die Steuerlast auf Unternehmensebene von der Ausschüttungspolitik des Unternehmens abhängig war. Ab 2001 gilt das Halbeinkünfteverfahren, das Erfolg auf Unternehmensebene mit Gewerbeertragssteuer und Körperschaftsteuer belegt. Wir rechnen in diesem Beispiel mit einem Steuersatz von s 0 = 0,375. Das ist eine Vereinfachung, die für das Halbeinkünfteverfahren gelten könnte, allerdings auf eine Differenzierung in Dauerschulden und Nicht-Dauerschulden verzichtet. Nach Steuern betragen die Kosten des Fremdkapitals dann 0,078 (1 - 0,375) = 0,04875. • Den Anteil des Fremdkapitals am Unternehmensgesamtwert veranschlagen wir auf 15 %. WACC berechnet sich demnach aus: (6.1) WACC = 0,078 (1 - 0,375) · 0,15 + 0,0835 · 0,85 = 0,0783. Diese Schätzung gilt für 1997. Ändern sich die risikolose Rendite, das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital (in Marktwerten) oder das Steuerregime, ändert sich der Kapitalkostensatz WACC. Wir erhalten dann periodisch unterschiedliche Kapitalkostensätze. 40 ,078. . . 0 981 2 56 045 6 710 = + + <?page no="207"?> 6 Berechnung von Residualgewinnen auf Basis des WACC-Ansatzes Für die folgenden Berechnungen wollen wir annehmen, daß der oben berechnete durchschnittliche Kapitalkostensatz WACC konstant ist. Diese Annahme ist nicht zutreffend; wir treffen sie nur, um die Darstellung zu vereinfachen. Will man Buchwert-basierte Residualgewinne mittels des WACC-Ansatzes berechnen, muß die Erfolgsgröße so definiert werden, als sei das Unternehmen ausschließlich eigenfinanziert. Zinszahlungen, Leasingraten, Ausschüttungen auf Genußrechte müssen aus der GuV verdrängt werden. Die Steuerlast der Periode ist ebenfalls unter der Annahme der Eigenfinanzierung zu berechnen. Tabelle 6.10 zeigt die Residualgewinne von 1995-2005. Als Kapitalbasis wird jeweils die Bilanzsumme der Vorperiode benutzt. Wir sehen ab dem Jahr 2000 negative Residualgewinne. Wir müssen im Auge behalten, daß unsere Berechnung sehr vereinfacht ist. Wir haben die Kapitalkosten WACC, die für 1997 berechnet wurden, konstant gehalten. Das sind sie nicht, weil Zinssätze und Finanzierungsrelationen der U AG sich im Zeitablauf verschieben. Dennoch ist das Signal dieser vereinfachten Rechnung nicht falsch: Die Performance der U AG lässt nach. Berechnung von Residualgewinnen auf Basis des WACC-Ansatzes · 205 <?page no="208"?> 206 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Jahr 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 (1) Erfolgsgröße nach Steuern 5.564 5.514 5.564 6.168 6.072 2.554 1.252 2.353 1.793 1.680 3.161 (2) Kapitalbasis in t - 1 29.755 30.782 32.913 43.093 45.351 50.738 50.460 53.639 52.888 54.278 69.521 (3) Kapitalkosten = 0,078· (2) 2.321 2.401 2.567 3.361 3.537 3.958 3.936 4.184 4.125 4.234 5.423 (4) Residualgewinn 3.243 3.113 2.997 2.807 2.535 - 1.403 - 2.684 - 1.831 - 2.332 - 2.554 - 2.262 Tabelle 6.10: Residualgewinne der U AG bei WACC = 0,078 <?page no="209"?> 7 Reinvestitionen, Free Cash Flow und Wert des Eigenkapitals Der Wert eines Projektes zu einem Zeitpunkt t wird berechnet, indem man die entziehbaren finanziellen Überschüsse mit der bei gleichem Risiko alternativ erzielbaren Rendite diskontiert. Dieser Diskontierungssatz enthält eine Risikoprämie als Entgelt für das mit dem Produktportfolio verbundene Geschäftsrisiko und eine Risikoprämie für das mit der Projektfinanzierung verbundene Finanzierungsrisiko. Der Barwert entspricht dem Wert des Projektes. Diese Überlegung kann auf die Bewertung von Unternehmen übertragen werden. Die zu lösenden Fragen sind insbesondere: (1) Welche Überschüsse können dem Unternehmen in den künftigen Perioden seines - prinzipiell unbeschränkten - Lebens entzogen werden? Diese erwarteten Überschüsse müssen definiert sein nach Steuern und nach den Mittelbeträgen, die zu Reinvestitionszwecken im Unternehmen benötigt werden. Diese entziehbaren Beträge heißen in Anlehnung an Michael Jensen 41 (1986) auch der «free cash flow». (2) Welche Überschüsse einem Unternehmen entzogen werden können, ist eine ganz wichtige Frage. Eine gut begründete Antwort verlangt die vorherige Klärung einer Reihe von Teilproblemen. Nehmen wir an, der NOCF einer Periode t sei gegeben. Wir erinnern uns, daß der NOCF definiert ist als finanzieller Überschuß aus dem operativen Geschäft bei fingierter Eigenfinanzierung nach den Steuerzahlungen, die bei Eigenfinanzierung auf Unternehmensebene zu leisten wären. Außerdem ist der NOCF verkürzt um den Mittelbedarf, der zur Finanzierung des Umlaufvermögens (EBK) benötigt wird. Um zu dem entziehbaren Überschuß zu gelangen, ist weiterhin zu klären • wie hoch die geplanten Investitionen im Anlagevermögen sind, • ob Veränderungen des Fremdkapitalbestandes (Erhöhungen, Tilgungen) geplant sind, • ob die für Investitionen benötigten Mittel im Wege der Thesaurierung oder im Wege der Außenfinanzierung zu beschaffen sind, • welche steuerlichen Folgen diese Vorentscheidungen auslösen. (3) Für eine explizite Planungsperiode, die im Einzelfall zwischen 5 und 10 Jahren liegen kann, werden die möglichen entziehbaren Überschüsse detailgenau und ggf. szenarioabhängig ermittelt. Was aber gilt nach dem mit T bezeichneten 41 Reputationsstarker Professor; lehrte an der Harvard Business School und der University of Rochester. Reinvestitionen, Free Cash Flow und Wert des Eigenkapitals · 207 <?page no="210"?> 208 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Ende der expliziten Planungsperiode? Welche Überschüsse sind dann entziehbar? Die Antwort auf diese Frage ist wichtig, weil der auf den Startpunkt der Analyse bezogene Barwert der nach T entziehbaren Überschüsse i. d. R. 60 % und mehr des gesamten Barwertes ausmacht. (4) Wie hoch ist der risikoäquivalente Diskontierungssatz, mit dem die entziehbaren Überschüsse vor dem Zeitpunkt T und nach dem Zeitpunkt T zu diskontieren sind? Ist dieser Diskontierungssatz konstant, also periodenunabhängig oder muß er wegen veränderter Risikoeigenschaften des Zahlungsstromes im Zeitablauf angepaßt werden? Wir wollen versuchen, einige einfache Überlegungen zum Free Cash Flow der U AG anzustellen, wie sie ein Investor im Jahr 1997 hätte anstellen können. Die folgende Tabelle enthält die wesentlichen Parameter für eine grobe Abschätzung der entziehbaren Überschüsse für 1997 und 1998. Die Tabelle unterstellt ausgehend von den Umsatzerlösen des Jahres 1997 (80,45 Mio. € ) eine Steigerungsrate der Umsätze von 10 %. Wir nehmen an, daß die sonstigen Ein- und Auszahlungen der Struktur entsprechen, die den GuV-Rechnungen für die Jahre 1994-1997 in Tabelle 6.6 entnommen werden können. Für die Investitionsauszahlungen in Zeile (6) und (7) werden eigenständige Annahmen getroffen. Wir wollen nun eine überschlägige Rechnung aufmachen, um den Wert des Eigenkapitals der U AG zum Jahresende von 1997, also des Jahres des Börsenganges, zu schätzen. Dazu benötigen wir eine ganze Reihe vereinfachender Annahmen: % 1997 3) 1998 1999 2000 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) Umsatzerlöse Sonstige betriebliche Erträge Materialaufwand Personalaufwand Sonstige betriebl. Aufwendungen Investitionen Δ EBK 5) Steuern 6) 100 2,1 47,7 17,5 23 3 1) 1 2) 6 80,4 1,7 38,3 14,1 17,9 3,8 4) -1,3 3,8 88,5 1,8 42,1 15,5 19,7 2,7 0,9 5,3 (9) Free Cash Flow 5,5 4,1 1) Vorläufige Annahme; entspricht den verrechneten Abschreibungen. 2) Annahme (wird unten diskutiert). 3) Daten entsprechen denen der GuV von 1997 mit Ausnahme von (6) und (7). 4) Δ AV + Abschreibung + Δ fertige Erzeugnisse und Waren = (10.226 - 9.645) + 2.477 + (4.360 - 3.562) = 3.856. Positionen des Finanzanlagevermögens und Geschäfts- oder Firmenwert bleiben unbeachtet. 5) Die Annahme der Eigenfinanzierung schließt nur verzinsliches Fremdkapital aus, nicht aber die Existenz von Steuerrückstellungen oder von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. 6) Der in Tabelle 6.6 ausgewiesene Anteil der Steuerzahlungen (bezogen auf die Umsatzerlöse) reflektiert die tatsächlichen Steuerzahlungen unter Beachtung der realisierten Kapitalstruktur. Tabelle 6.11 unterstellt Eigenfinanzierung. Deshalb muß die Steuerbelastung unter sonst gleichen Bedingungen etwas höher angesetzt werden. Tabelle 6.11: Entziehbare Überschüsse (Free Cash Flow) bei Eigenfinanzierung <?page no="211"?> • Wir akzeptieren die für 1998 in der Tabelle ausgewiesenen Investitionsauszahlungen in Höhe von 2,7 + 0,9. • Die Schätzung der Steuerzahlung in Höhe von 5,3 soll zunächst ebenfalls akzeptiert werden. 42 • Die Einkommensteuer bleibt aus Vereinfachungsgründen unbeachtet. • Der durchschnittliche Kapitalkostensatz WACC sei 0,078. • Der erwartete Free Cash Flow der Jahre 1999 ff. soll ausgehend von FCF 98 = 4,1 mit einer Wachstumsrate g wachsen. • Verzinsliche Verbindlichkeiten und Rückstellungen wachsen mit der gleichen Rate g. Der Barwert zum 1. 1. 1998 berechnet sich dann gemäß: (6.2) ) WACC ( g WACC ) g ( FCF , V 98 98 1 1 1 4 −1 . + ⎥ ⎦ ⎤ ⎢ ⎣ ⎡ − + + = Für alternative Annahmen über g folgen die in der Tabelle 6.12 aufgeführten Unternehmensgesamtwerte (V 98 ) zum 1. 1. 1998. Diese Unternehmensgesamtwerte setzen sich zusammen aus dem Barwert von V 99 und dem Barwert des entziehbaren Cashflows in Höhe von 4,1 am Jahresende von 1998. Welche Informationen enthält diese Tabelle? (1) (2) (3) (4) (5) g V F 98 4) F 986) = 0,15 · V F 98 E 98 = 0,85 · V F 98 Wert/ Aktie in € 5) 1,0 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 60,3 7) 70,7 77,4 85,4 95,3 107,9 9,0 10,6 11,6 12,8 14,3 16,2 51,3 60,1 65,8 72,6 81,0 91,7 12,82 15,02 16,44 18,15 20,26 22,93 4) Vgl. Formel (6.2) 5) 4.000.000 Aktien. 6) F 98 gilt als verzinsliches Fremdkapital. Die Frage, wie Pensionsrückstellugen und andere Rückstellungen zu behandeln sind, wird nicht behandelt. 7) 60,3. 078 , 1 01 , 0 078 , 0 01 , 1 1 , 4 1 , 4 = ⎥ ⎦ ⎤ − ⋅ + −1 ⎢ ⎣ ⎡ Tabelle 6.12: Unternehmensgesamtwert und Wert des Eigenkapitals aus der Sicht vom 1.1.1998 für WACC = 0,078. 42 Die steuerliche Bemessungslage für 1998 sieht etwa so aus: 88,5 + 1,8 - 42,1 - 15,5 - 19,7 - 2,7 = 10,3. Eine Steuerzahlung von 5,3 entspricht einem Steuersatz von ca. 51,5 %. Dieser Steuersatz ist zu hoch, weil - Es galt das Anrechnungsverfahren - nur die Gewerbeertragsteuer und die Körperschaftsteuer auf Thesaurierung zu berücksichtigen sind. Reinvestitionen, Free Cash Flow und Wert des Eigenkapitals · 209 <?page no="212"?> 210 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie • Unter den gesetzten Annahmen läßt sich der Preis der Aktie von 45 DM bzw. 22,98 Euro nur dann begründen, wenn die geplante Wachstumsrate g für die entziehbaren Überschüsse der U AG nicht unter 4 % liegt. Niedrigere geplante Wachstumsraten hätten erheblich niedrigere Werte pro Aktie zur Folge. • Eine Wachstumsrate von 4 %, die ohne zeitliche Begrenzung unterstellt wird, läßt auf einen mutigen Bewerter schließen. • Positive Wachstumsraten setzen i. d. R. Investitionsauszahlungen voraus, die die Höhe der Abschreibungen übersteigen. Die Berechnung des entziehbaren Überschusses für 1998 ging von Investitionen in Höhe von 4 % der Umsatzerlöse aus. Dieser Betrag übersteigt kaum den Betrag der verrechneten Abschreibungen. Hohe Wachstumsraten der Umsatzerlöse und somit der entziehbaren Überschüsse lassen sich damit kaum realisieren. D. h., daß der Reinvestitionsbedarf im Beispiel zu knapp angesetzt wurde, um Wachstumsraten g von 2, 3, 4 % und ggf. mehr zu realisieren. Höhere Investitionsauszahlungen verkürzen die entziehbaren Überschüsse und senken damit den Unternehmensgesamtwert. Beträgt der erforderliche Reinvestitionsbedarf nicht 4, sondern 5 % der Nettoumsatzerlöse, um eine Wachstumsrate von g = 3 % realisieren zu können, sinkt der entziehbare Überschuß des Jahres 1998 von 4,1 auf 3,2 und V 98 von 85,4 auf 66,7. Die Höhe der notwendigen Reinvestitionen ist somit von entscheidender Bedeutung für die Höhe des Unternehmenswertes und des Wertes des Eigenkapitals. • Die Steuerzahlung, die für 1998 geschätzt wurde, ist vermutlich zu hoch. Schätzt man die Abschreibungen auf 3 % der Umsatzerlöse, beträgt die steuerliche Bemessungsgrundlage gemäß Planung (bei fingierter Eigenfinanzierung) etwa 10,3 Mio. Euro. Steuern sind in Form der Gewerbeertragsteuer und der Körperschaftsteuer zu entrichten. Die ausgewiesene Steuerbelastung (5,3) enthält vermutlich Steuernachzahlungen. • Diese stark vereinfachte Rechnung legt den Schluß nahe, daß die die Emission begleitenden Institute das Unternehmen im Lichte optimistisch eingefärbter Bedingungen bewertet haben. Anleger sahen das offenbar ebenso: Der Kurs der Aktie pendelte lange zwischen 8 Euro und 15 Euro. Abbildung 6.2 zeigt den Kursverlauf der Aktie seit dem Börsengang. <?page no="213"?> 8 Zusammenfassung Dieses Kapitel greift die Konzepte der Liquiditäts- und Performancemessung, die in den Kapiteln 2 bis 5 entwickelt wurden, wieder auf und führt sie einen Schritt weiter hin zu Fragen der Unternehmensbewertung bzw. der Bewertung von Eigenkapital. Die Überlegungen sind einfach gehalten, um Studierende im Bachelorstudium (Phase 1) nicht zu überfordern. Gleichzeitig soll die aufgezeigte Verbindung mit Bewertungsfragen Studierende stärker motivieren, sich mit Konzeptionen der Liquiditäts- und Performancemessung überhaupt auseinanderzusetzen. 9 Literaturhinweise Drukarczyk, J. und Schöntag, J. (2006): Residualgewinnbasierte Steuerung von Immobiliengesellschaften gestützt auf den APV-Ansatz. In: Bone-Winkel, S./ Thomas, M. u. a. (Hrsg.), Stand und Entwicklungstendenzen der Immobilienökonomie, Festschrift für K.- W. Schulte, Köln, S. 93-108. Drukarczyk, J. und Schüler, A. (2003): Kapitalkosten deutscher Aktiengesellschaften - eine empirische Untersuchung. In: Finanz Betrieb, 5. Jahrgang, S. 337-347. Abbildung 6.2: Kursverlauf der U AG-Aktien seit Börsengang 1997 bis 31.12.2005 Literaturhinweise · 211 <?page no="214"?> 212 · Kapitel 6 Liquiditäts- und Finanzanalyse der U AG - eine Fallstudie Drukarczyk, J. und Schüler, A. (2007): Unternehmensbewertung. 5. Auflage, München. Jensen, M. C. (1986): Agency Costs of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers. In: American Economic Review, Band 76, S. 323-329. Mandl, G. und Rabel, K. (1997): Unternehmensbewertung, Wien/ Frankfurt. Palepu, K. G.,Bernard V. L. und Healy, P. M. (2000): Business Analysis and Valuation. 2. Auflage, Cincinnati. Richter, F. (1999): Konzeption eines marktorientierten Steuerungs- und Monitoringsystems. In: Regensburger Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Band 12, 2. Auflage, Berlin/ Bern/ New York. Schöntag, J. (2007): Performance-Messung und wertorientierte Steuerung auf Basis von Residualgewinnen. In: Regensburger Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Band 47, Berlin/ Bern/ New York. Schüler, A. (1998): Performance-Messung und Eigentümerorientierung. Eine theoretische und empirische Untersuchung. Berlin/ Bern/ New York. Schwetzler, B. (1998): Gespaltene Besteuerung, Ausschüttungssperrvorschriften und bewertungsrelevante Überschüsse bei der Unternehmensbewertung. In: Die Wirtschaftsprüfung, Jahrgang 51, S. 695-705. <?page no="215"?> Fremdfinanzierung Kapitel 7 Inhalt 1 Einleitung: Zur Bedeutung der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2 Risiken der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3 Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherheiten und Covenants . . . . . 226 3.1 Überblick über Kreditsicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3.2 Beschreibung ausgewählter Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.3 Welche Kreditgeber halten welche Kreditsicherheiten? . . . . . . . . . 232 3.4 Funktionen von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3.5 Wie gut halten Kreditsicherheiten im Insolvenzfall? . . . . . . . . . . . 235 4 Negativklauseln (Covenants) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.1 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.2 Überblick über häufig eingesetzte Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5 Kreditverträge und Disziplinierung der Eigentümer - eine Fallstudie . . 242 5.1 Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 5.2 Nebenbedingungen der Kreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5.3 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 6 Langfristige Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 6.1 Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 6.2 Industrieobligationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 6.3 Bankkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 6.4 Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 6.5 Zero-Bonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 6.6 Floating Rate Notes (FRN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 6.7 Indexanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 6.8 Doppelwährungsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 6.9 Commercial-Paper-Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 7 Kurzfristige Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7.2 Kredite von Nichtbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7.3 Kredite von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 7.4 Euronotes und Commercial Paper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 9 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 <?page no="216"?> 214 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 1 Einleitung: Zur Bedeutung der Fremdfinanzierung Fremdkapital ist eine bedeutende Finanzierungsquelle. Betrachtet man die Entwicklung der Passivseiten der Unternehmen in Deutschland in den letzten 50 Jahren, sieht man, daß der Anteil der Fremdfinanzierung zwischen 1955 und 1990 stark angestiegen ist. Dies gilt auch für andere westliche Länder, ist aber in der Bundesrepublik Deutschland eine besonders ausgeprägte Entwicklung. Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe: a) Der Steuergesetzgeber privilegiert den Einsatz von Fremdkapital, indem er zuläßt (bzw. zuließ), daß Zinsaufwendungen und Fremdkapitalbestände die steuerlichen Bemessungsgrundlagen der Ertragsteuern (Gewerbeertragsteuer, Körperschaftbzw. Einkommensteuer) und Substanzsteuern (Gewerbekapitalsteuer, Vermögensteuer) kürzen. 43 Wenn man den Einsatz von Eigenkapital steuerlich diskriminiert, muß man sich nicht wundern, wenn der Einsatz des steuerlich teueren Kapitals reduziert wird. b) Wir finden in der Bundesrepublik Deutschland ein Gesellschaftsrecht vor, das den Gläubigerschutz schon immer als vorrangiges Ziel auf seine Fahnen geschrieben hatte. Man kann die Auswirkungen an vielen Konstruktionselementen erkennen: Kapitalaufbringungsregeln, Kapitalentzugssperren, Gläubigerorientierung der Rechnungslegung, ausgeklügelter Ausbau des Kreditsicherungsrechts etc. Beachtet man zusätzlich, daß Gläubigeransprüche und Gläubigerrechte sich vertraglich sehr eindeutig formulieren lassen und daß die Sanktionsrechte, die Gläubigern per Vertrag zugestanden werden bzw. durch gesetzliche Regeln (Kreditsicherungsrecht, Insolvenzrecht) zustehen, die Sanktionsrechte außenstehender Eigentümer weit hinter sich lassen, findet man einen institutionellen Rahmen, der Gläubigern die Risikovermeidung erleichtert. c) Die Beschaffungskosten für im Wege der Beteiligungsfinanzierung beschaffte Eigenmittel bzw. beschaffte Fremdmittel differieren deutlich: Die Beschaffung von Eigenkapital ist teurer. Zwar nivelliert sich diese Kostendifferenz wegen der i. d. R. längeren Bindungsdauer von Eigenmitteln; unerheblich ist sie jedoch nicht. Die Bedeutung der Fremdfinanzierung zeigt sich in den Passivstrukturen der Bilanzen deutlich. 43 Die Vermögensteuer wird seit dem 1.1.1997 auf Unternehmensebene nicht mehr erhoben. Die Gewerbekapitalsteuer ist seit dem 1.1.1998 abgeschafft. <?page no="217"?> EK PRST andere RST FK kurz FK lang FK-Quote 1) 1987 31,4 15,1 20,2 17,1 14,4 31,5 1988 31,7 14,3 19,0 20,4 11,8 32,2 1989 31,2 13,8 19,2 24,4 10,0 34,3 1990 32,0 12,8 18,3 24,3 11,4 35,7 1991 30,3 13,1 18,2 23,8 11,9 35,7 1992 33,5 12,7 17,9 21,6 11,7 33,2 1993 32,8 13,1 17,9 21,4 12,2 33,6 1994 32,0 13,5 17,8 21,9 12,2 34,1 1995 32,8 13,5 18,0 21,9 10,9 32,9 1996 32,1 13,4 18,0 22,0 11,7 33,7 1997 31,8 13,2 17,6 23,5 11,2 34,7 1998 31,3 12,9 16,8 25,5 10,4 35,9 1999 31,3 12,4 14,8 27,8 12,5 40,3 2000 30,6 11,0 13,3 29,0 14,1 43,1 Mittel 31,8 13,1 17,5 23,4 11,9 35,3 1) Ohne Rückstellungen! Tabelle 7.1: Bilanzrelationen der DAX-Unternehmen im Zeitraum 1987-2000 (eigene Berechnungen) Tabelle 7.1 zeigt die Bilanzrelationen in Form von Quotienten mit der Bezugsgröße Bilanzsumme für DAX-Unternehmen im Zeitraum 1987-2000. Wir sehen, daß die Fremdkapital-Quote, definiert durch die Bestände an lang- und kurzfristigem Fremdkapital bezogen auf die Bilanzsumme im Zeitablauf stieg und im Durchschnitt 35 % erreichte. Bei der Interpretation dieser Ziffer hat man zu beachten, daß Pensionsrückstellungen Ansprüche Dritter, nämlich der Arbeitnehmer darstellen, und somit Schuldcharakter haben. Tabelle 7.2 stellt die gleichen Informationen für Unternehmen des MDAX dar. Wir treffen hier eine ebenfalls leicht zunehmende und höhere Fremdkapitalquote an, die allerdings von niedrigeren Anteilen der Pensionsrückstellungen begleitet sind. Einleitung: Zur Bedeutung der Fremdfinanzierung · 215 <?page no="218"?> 216 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung EK PRST andere RST FK kurz FK lang FK-Quote 1) 1987 32,5 9,9 18,0 23,9 14,7 38,6 1988 32,0 9,7 16,6 28,0 12,5 40,6 1989 31,8 9,4 15,2 27,9 13,2 41,0 1990 32,7 9,0 15,3 29,0 12,8 41,8 1991 31,4 8,6 16,6 27,9 14,1 42,0 1992 32,0 9,0 16,4 29,4 11,6 41,1 1993 33,0 8,9 16,1 28,1 12,5 40,6 1994 32,5 9,1 16,3 26,7 13,6 40,4 1995 32,9 9,0 17,1 28,0 11,8 39,8 1996 34,3 8,5 16,4 26,8 12,8 39,6 1997 34,4 8,0 16,9 25,7 12,9 38,6 1998 34,6 7,8 16,7 26,4 12,7 39,0 1999 37,2 7,1 14,5 28,5 10,5 39,1 2000 36,1 7,1 14,1 28,6 12,6 41,2 Mittel 33,6 8,5 16,2 27,4 12,6 40,0 1) ohne Rückstellungen Tabelle 7.2: Bilanzrelationen der MDAX-Unternehmen im Zeitraum 1987-2000 (eigene Berechnungen) Ein ganz anderes Bild bieten mittelständische Unternehmen. Tabelle 7.3 weist von der Deutschen Bundesbank erhobene Bilanzrelationen für mittelständische Unternehmen in 2001 mit Umsatzerlösen bis zu 50 Mio. € aus. Aktiva Passiva Sachvermögen - Sachanlagen 29,0 - Vorräte 33,5 Forderungsvermögen - Kasse 5,0 - Forderungen kurzfristige 26,5 langfristige 2,0 - Wertpapiere 0,5 - Beteiligungen 3,0 Rechnungsabgrenzungsposten 62,5 37,5 0,5 Eigenmittel Fremdmittel - Verbindlichkeiten kurzfristige 58,0 langfristige 26,5 - Rückstellungen 8,0 - (davon Pensions- (3,0) rückstellungen) Rechnungsabgrenzung 7,5 92,5 0 Bilanzsumme 100 Bilanzsumme 100 Tabelle 7.3: Bilanzrelationen von mittelständischen Unternehmen in 2001 mit Umsatzerlösen bis zu 50 Mio. € (Quelle: Deutsche Bundesbank 2003) <?page no="219"?> Risiken der Gläubiger · 217 Wir erkennen eine klare Dominanz der Fremdfinanzierung und als Konsequenz eine im internationalen Vergleich als dünn zu bezeichnende Eigenkapitalquote. Fremdkapital ist also eine bedeutende Finanzierungsquelle. 2 Risiken der Gläubiger Von Gläubigern bereitgestellte finanzielle Mittel können nach verschiedenen Gesichtspunkten untergliedert werden, so z. B. nach • dem Kreditgeber, • der Fristigkeit der Überlassung der Mittel, • der Form der Besicherung, • der Ausgestaltung des Zahlungsanspruchs des Gläubigers. Unterscheidet man nach Kreditgebern, kann man differenzieren in Kunden, Lieferanten, Banken, Versicherungen, private Anleger, die Darlehen gewähren oder Teilschuldverschreibungen zeichnen. Kunden gewähren Kredite durch vor der Lieferung von Waren und/ oder Diensten geleistete Anzahlungen. Lieferanten werden Gläubiger, wenn sie Waren, Rohstoffe liefern, Dienste leisten, die Leistungsentgelte aber erst nach einer zu vereinbarenden Zahlungsfrist erhalten. In diesem Sinn sind auch Arbeitnehmer Kreditgeber. Banken, Versicherungen und Darlehen gewährende Investoren stellen bestimmte Beträge an Fremdkapital bereit gegen die vertraglich festgeschriebene Zahlung von Zinsen und Tilgungen. Gleiches gilt für die Erwerber von Teilschuldverschreibungen (Obligationen), die die vom emittierenden Unternehmen angebotenen Papiere im Ersterwerb kaufen. Üblich ist es, finanzielle Mittel nach der Überlassungsdauer zu klassifizieren in kurz-, mittel- und langfristige, wobei die Klassengrenzen durch Konventionen festgelegt sind: kurzfristige Mittel stehen i. d. R. bis zu 90 Tage zur Verfügung, langfristige Mittel haben i. d. R. eine Überlassungsdauer von 4 Jahren und mehr. Von Gläubigern bereitgestellte Mittel, gleichgültig ob sie in Form einer Geld- (Bank) oder einer Sacheinlage (Lieferant) gewährt werden, können gesichert oder nicht gesichert sein. Besteht ein Gläubiger auf Sicherheitenbestellung und vereinbart in einem formlosen oder normierten Sicherungsvertrag zusätzliche Rechte, die ihm bei Zahlungsunfähigkeit bzw. -unwilligkeit des Schuldners zustehen sollen, greift er auf die güterwirtschaftliche Liquidität von Vermögensgegenständen zurück. In Kreditverträgen sind die Konditionen des Kredites festzulegen. Die Praxis kennt hier zahlreiche Abstufungen in Bezug auf Verzinsung, Tilgungsmodalitäten, Ausgabebetrag, Rückzahlungsbetrag, Nebenbedingungen (Covenants) etc. Ein wichti- <?page no="220"?> 218 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung ges Merkmal ist hier, ob der Kreditvertrag einen bedingten Zahlungsanspruch des Kreditgebers oder einen unbedingten Anspruch festschreibt. Einem unbedingten Anspruch auf Zahlung hat der Schuldner immer und überall zu folgen. Einem bedingten Zahlungsanspruch muß er nur nachkommen, wenn die Bedingung, die den Anspruch auslöst, erfüllt ist. Wer 0,25 % Zinsen/ Woche unter allen Bedingungen, also unbedingt zahlen muß, ist schlechter gestellt als der, der den gleichen Zins nur bei Vollmond zu zahlen hat. I. d. R. halten Gläubiger Festbetragsansprüche, die generell vom Schuldner zu erfüllen sind. Die vertraglich eindeutige Formulierung der Ansprüche sichert aber keine risikolose Position für die Gläubiger. Weil die Entscheidungsbefugnisse bei den Eigentümern bzw. beim Schuldner liegen, die Gläubiger im Regelfall also keine Mitwirkungsrechte während der Laufzeit des Kreditverhältnisses haben, können aus Sicht der Gläubiger Risiken entstehen, die sie vor Kreditvergabe nicht gesehen haben. Solche Überraschungen können schmerzlich sein, weshalb Gläubiger versuchen, sich zu wappnen. Im folgenden werden zunächst die Risiken beschrieben, mit denen Gläubiger konfrontiert sein könnten. Dann betrachten wir Abwehrmittel, die Gläubiger einsetzen können. Wir betrachten zunächst eine einperiodige Kreditlaufzeit. Der einperiodige Kreditvertrag wird wie folgt beschrieben: Ein Kreditgeber stellt einen Finnzierungsbeitrag in t zur Verfügung, der Schuldner realisiert das geplante Investitionsprojekt und erwartet das finanzielle Ergebnis des Projektes im Zeitpunkt t + 1. Investitions- und Finanzierungsentscheidungen zwischen t und t + 1 werden nicht getroffen. Im Zeitpunkt t + 1 wird der vertraglich fixierte und vorrangige Anspruch des Gläubigers vollständig oder teilweise erfüllt. Es wird Haftungsbeschränkung unterstellt. Zur Vereinfachung setzten wir folgende Annahmen: • vertragswidrige Verwendungen des Kreditbetrages finden nicht statt; • weitere Kreditaufnahmen bei dritten Gläubigern in t ohne korrespondierende Investition unterbleiben; • vertragswidriger Entzug von Nettoüberschüssen in t + 1 vor Befriedigung der Gläubigeransprüche finden nicht statt. Als wichtige Ausfallursache bleibt dann eine nicht sachgerechte Einschätzung der Nettoeinzahlungen des Projektes durch den Gläubiger. Man muß somit nach Gründen suchen für einen nicht gleichwertigen Informationsstand von Gläubigern. Kreditgeber haben im wesentlichen drei Informationsquellen, um die Qualität eines Schuldners einzuschätzen: • Daten über den Schuldner und seine Liquiditätslage, <?page no="221"?> Risiken der Gläubiger · 219 • Analysen der Märkte, auf denen dieser operiert und • Analysen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Bezüglich der beiden letztgenannten Quellen hat ein Kreditgeber die Chance, bei entsprechendem Einsatz von Informationsbeschaffungs- und Verarbeitungskapazitäten einen dem Kreditnachfrager gleichwertigen Informationsstand herzustellen. Dies gilt nicht für die erstgenannte Quelle, weil der Kreditnehmer diesen Informationsfluß steuern kann und in der Regel steuern wird. Die vom Kreditnehmer selbst bereitgestellten Informationen werden regelmäßig bestehen aus (geprüften) Jahresabschlüssen bzw. Steuerbilanzen, Finanz- und Investitionsplänen, Umsatzstatistiken, Angaben über Belegschaftsentwicklung etc. Die Präzision der Erwartungsbildung des Kreditgebers hängt damit auch von der Qualität dieser Informationsunterlagen ab. Ansatz- und Bewertungsvorschriften für Jahresabschlüsse versuchen ein dem subjektiven Ermessen und damit der interessengebundenen Manipulation entzogenes Bild der «finanziellen Lage» des Unternehmens zu entwerfen. Im Ergebnis ist es plausibel, daß die Erwartungen von Kreditgeber und Eigentümer (Manager) über die finanziellen Folgen von Projekten nicht deckungsgleich sein werden. Falsche i. S. v. zu optimistischen Erwartungen sind deshalb ein erster Grund für Zahlungsausfälle von Gläubigern. Oben wurde angenommen, daß der Schuldner nach Abschluß des Kontraktes nicht mit weiteren Gläubigern kontrahiert. Nimmt er weitere Fremdmittel auf und reduzierte seinen Eigenkapitaleinsatz entsprechend, entsteht für Gläubiger 1 ein nicht antizipiertes Risiko, durch konkurrierende Ansprüche weiterer Gläubiger auf die Einzahlungsüberschüsse des Projektes z. T. abgedrängt zu werden. Hier liegt eine zweite Ursache für Ausfälle des ersten Gläubigers. Nun betrachten wir eine mehrperiodige Kreditlaufzeit. Eine mehrperiodige Kreditlaufzeit kompliziert das Vertragsverhältnis deshalb entscheidend, weil die Zeitspanne zwischen 0 und n gerade nicht entscheidungsfrei ist. In jedem Zeitpunkt 1, 2,..., n - 1 trifft der Schuldner neue Investitions-, Finanzierungs- und Ausschüttungsentscheidungen, die prinzipiell die Risikoposition eines Gläubigers berühren können und regelmäßig berühren werden. Ein Ausweg aus diesem Problem für Gläubiger wären sog. vollständige Kreditverträge, die für jede Zeit-Zustands- Kombination während der Vertragslaufzeit präzise festlegen, welche Aktionen der Schuldner ergreifen bzw. nicht ergreifen darf. Unterstellt man, daß solche Kreditverträge kostengünstig entworfen werden könnten und durchsetzbar wären, wären die gleich zu schildernden Probleme gelöst. Aber die Erwartung, solche Kreditverträge entwerfen und bei vermuteten Vertragsverstößen auch kostengünstig durchsetzen zu können, ist unrealistisch. Wir unterstellen deshalb im weiteren nicht vollständige Kreditverträge. <?page no="222"?> 220 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Im folgenden werden einfache zweiperiodige Beispiele entwickelt, um die Risikoverlagerung auf die Schultern von Kreditgebern zu verdeutlichen. Ob Risiko für die Gläubiger besteht, beurteilen wir an der Entwicklung des Wertes der Gläubigerposition. Zur Ermittlung von Positionswerten wird ein einfaches Bewertungsverfahren benutzt: Am Markt gebe es Bewertungsfaktoren, die dem Risiko- und Zeitaspekt von unsicheren Einzahlungen zugleich Rechnung tragen. Der Bewertungsfaktor p(1 2 / z 1 ) gibt den Marktwert einer Geldeinheit, die im Zeitpunkt 2 im Zustand z 1 anfällt, zum Zeitpunkt 1 an: Ist p(1 2 / z 1 ) = 0,3, ist der Marktwertbeitrag einer Einzahlung von 15 im Zeitpunkt 2 zum Zeitpunkt 1 4,5. Um den Wert einer Einzahlungsverteilung des Zeitpunktes 2 zum Zeitpunkt 1 zu ermitteln, sind alle Einzahlungen mit den zugehörigen Faktoren zu multiplizieren und zu addieren. Das Verfahren ist somit handlich. Wir wollen im folgenden vier Fälle unterscheiden: Fall 1: Risikoverlagerung durch nachträgliche Fremdfinanzierung Fall 2: Risikoverlagerung durch höheres Investitionsrisiko Fall 3: Unterlassen vorteilhafter Investitionsprojekte (underinvestment) Fall 4: Risikoverlagerung durch suboptimale Investitionsprojekte (overinvestment) Wie sehen die Abläufe im Detail aus? Fall 1: Risikoverlagerung durch nachträgliche Fremdfinanzierung Im Zeitpunkt 0 gewähren die Gläubiger den Kredit F. Nach übereinstimmenden Erwartungen von Kreditgeber und -nehmer tragen die Gläubiger kein Risiko. In t 1 erhöhen die Eigentümer die Verschuldung und finanzieren damit in t 1 eine zuvor nicht geplante Ausschüttung. Diese Maßnahme belastet die Altgläubiger mit einem Ausfallrisiko, wenn die erreichte Verschuldung den Gläubigern insgesamt ein Ausfallrisiko aufbürdet und die Position der Altgläubiger gegenüber den Neugläubigern nicht bevorrechtigt ist. Angenommen, die Position der Altgläubiger im Zeitpunkt 2 vor Aufnahme der Neugläubiger sei durch die folgenden Angaben gekennzeichnet: 44 44 R 2 bezeichnet die in t 2 an die Gläubiger zu leistenden Zahlungen. F 1 , E 1 , V 1 bezeichnen die Marktwerte des Fremd-, Eigenkapitals und den gesamten Marktwert im Zeitpunkt 1. ~ D 2 bezeichnet die Ausschüttung an die Anteilseigner. <?page no="223"?> Risiken der Gläubiger · 221 Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 ~R 2 ~D 2 F 1 E 1 V 1 z 1 z 2 6 10 4 4 2 6 3,2 3,6 6,8 Die angegebenen Marktwerte F 1 , E 1 bzw. V 1 errechnen sich auf Basis der Bewertungsfaktoren p(1 2 / z 1 ) = 0,3 und p(1 2 / z 2 ) = 0,5. Der Marktwert des Eigenkapitals in t 1 ergibt sich aus 2 · 0,3 + 6 · 0,5 = 3,6. Die Position des Gläubigers (der Gläubiger) ist risikolos. Nun erhöht der Schuldner die Verschuldung im Zeitpunkt 1; die Zahlungsansprüche der Alt- und Neugläubiger zusammen betragen dann 8. Wegen X 2 min = 6 tragen die Gläubiger jetzt ein Ausfallrisiko: Wegen der beschränkten Haftung der Eigentümer fallen sie im Zeitpunkt 2 bei Eintritt des Zustandes z 1 mit 2 aus. Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 ~R 2 ~D 2 F 1 E 1 V 1 z 1 z 2 6 10 6 8 0 2 5,8 1 6,8 Der gesamte Marktwert V 1 beträgt unverändert 6,8, aber die Aufteilung des gesamten Marktwertes auf Eigentümer, Alt- und Neugläubiger hat sich verändert. Wenn ~R 2 zu gleichen Teilen auf Alt- und Neugläubiger aufgeteilt wird, stellen die Neugläubiger in t 1 einen Betrag von 3 · 0,3 + 4 · 0,5 = 2,9 zur Verfügung. Der Reichtum der Eigentümer besteht dann aus E 1 = 1 und der t 1 -Ausschüttung in Höhe von 2,9 und beträgt insgesamt 3,9. Die Eigentümer haben somit gewonnen: Ihr anteiliger Marktwert betrug zuvor nur E 1 = 3,6. Wer bezahlt die Zeche? Die Zeche bezahlen die Altgläubiger. Diese hatten bei Abschluß des Kreditvertrages eine sichere Position. Sie hatten somit keinen Anlaß, nicht den risikolosen Zinssatz i im Vertrag zu vereinbaren. Jetzt tragen sie ein Ausfallrisiko, das in ihrem anteiligen Marktwert reflektiert ist: Ihnen gehören F 1 / 2 = 2,9. Zuvor war der Wert ihrer Position aber 3,2. Die Verminderung des Wertes ihrer Position entspricht genau dem Reichtumszuwachs der Eigentümer. Die postvertragliche Finanzierungsentscheidung der Eigentümer hat in Verbindung mit der Ausschüttung von 2,9 einen Anteil des gesamten Marktwertes von dem Altgläubiger weg zu den Eigentümern verschoben. Es fand eine Vermögensverschiebung statt. Zwei Aspekte des Falles 1 sind von Interesse: (1) Im Unterschied zum einperiodigen Kredit bringen längere Kreditlaufzeiten deshalb zusätzliche Risiken für Gläubiger, weil der Zeitraum zwischen Beginn <?page no="224"?> 222 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung und Ende der Laufzeit des Vertrages nicht «entscheidungs-» bzw. «aktionsfrei» ist. Vielmehr werden in aller Regel während der Laufzeit des Vertrages durch die Eigentümer (Manager) weitere Entscheidungen getroffen, die die Position der Gläubiger entweder positiv oder negativ tangieren: Die Altgläubiger sind benachteiligt, wenn sie die schädigende Entscheidung der Eigentümer (Manager) nicht antizipieren und sich folglich nicht schützen. (2) Im Beispiel bleibt der gesamte Marktwert des Projektes V 1 von der Reichtumsverschiebung zu Lasten der Altgläubiger und zugunsten der Eigentümer unbeeinflußt: Der Konflikt zwischen einem Teil der Gläubiger und den Eigentümern berührt den gesamten Marktwert (vorläufig) nicht. Das könnte sich ändern, wenn die Gläubiger Abwehrmittel nach erfolgter Risikoverlagerung einsetzen. Hierauf ist später zurückzukommen. Fall 2: Risikoverlagerung durch höheres Investitionsrisiko Im Zeitpunkt des Vertragschlusses sei die Position der Gläubiger sicher. Sie übernehmen kein Ausfallrisiko. Die relevanten Marktwerte sehen bei unveränderten Bewertungsfaktoren so aus: Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 ~R 2 ~D 2 F 1 E 1 V 1 z 1 z 2 7 6 5 5 2 1 4 1,1 5,1 In t 1 treffen die Eigentümer (Manager) neue Investitionsentscheidungen, die das Investitionsrisiko des Unternehmens ändern. Die technologischen Voraussetzungen für solche Maßnahmen sollen hier unbeachtet bleiben. Die Zahlungen und die Marktwerte seien nach dieser Maßnahme: Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 * ~R 2 * ~D 2 * F 1 * E 1 * V 1 * z 1 z 2 13 1 5 1 8 0 2 2,4 4,4 Der gesamte Marktwert ist um 0,7 auf 4,4 gefallen, was anzeigt, daß der Übergang zu einem Investitionsprogramm mit erheblich höherem Risiko für Eigentümer und Gläubiger unvorteilhaft ist. Die Eigentümer indessen verbessern ihre Position. Ihr anteiliger Marktwert ist von 1,1 auf 2,4 gestiegen. Die Zeche zahlen die Altgläubiger: Sie tragen erstens die Reduktion des gesamten Marktwertes um 0,7 und <?page no="225"?> Risiken der Gläubiger · 223 die Vermögensverschiebung zugunsten der Eigentümer (1,3). Insgesamt sinkt der Wert ihrer Position um 2. Zwei Aspekte des Falles 2 sind von Bedeutung: (1) Es gibt Anreize für Eigentümer zur Durchführung solcher Strategien, die letztlich durch das Prinzip der Haftungsbeschränkung ermöglicht werden. Ob und ggf. wie Gläubiger sich gegen solche Strategien erfolgreich zur Wehr setzen können, wird später diskutiert. Während Fall 1 ein Nullsummenspiel war, in dem der Verlust der Gläubiger gleich dem Gewinn der Eigentümer war, ist Beispiel 2 kein Nullsummenspiel: die Eigentümer gewinnen, obwohl der gesamte Marktwert V 1 als Folge ihrer Strategie sinkt. Eigentümer können m. a. W. selbst dann noch gewinnen, wenn sie eine für alle Beteiligten nachteilige Politik betreiben. (2) Das Beispiel problematisiert die Zielsetzung der Maximierung des gesamten Marktwertes, also von V, weil Anreize bestehen, eine nicht V maximierende, sondern E maximierende Politik zu betreiben. Diese Anreize bestünden nicht oder in deutlich geringerem Maße wenn • das Unternehmen nicht bzw. nur moderat verschuldet wäre; • Gläubiger Strategien der Vermögensverschiebung abwehren könnten. Fall 3: Unterlassung vorteilhafter Investitionsprojekte (underinvestment) Wir wählen Fall 2 nach Erhöhung des Investitionsrisikos als Ausgangspunkt. Die Eigentümer befinden sich dann in einer besonderen Lage: Sie haben zwar einen Marktwertgewinn von 1,3 erzielt, können aber Folgeentscheidungen nicht mehr beliebig treffen, wenn sie den Reichtumsgewinn oder Teile davon nicht wieder aufgeben wollen. Die Ausgangslage ist wie in Fall 2: Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 ~R 2 ~D 2 F 1 E 1 V 1 z 1 z 2 13 1 5 1 8 0 2 2,4 4,4 Angenommen, die Eigentümer könnten nun ein zusätzliches Investitionsprojekt realisieren, das I 1 = 2 kostet und im Zeitpunkt 2 Einzahlungen von 2 bzw. 6 bringt. Der Marktwertzuwachs Δ V beträgt somit 3,6. Wegen 3,6 > 2 ist das Projekt vorteilhaft. Würde das Projekt realisiert, gälte bei unveränderten Bewertungsfaktoren des Marktes im Zeitpunkt 2: <?page no="226"?> 224 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 + Δ ~X 2 R 2 ~D 2 F 1 * E 1 * V 1 * z 1 z 2 13+2 1+6 5 5 10 2 4 4 8 Der gesamte Marktwert des Unternehmens stiege von 4,4 auf 8, also um Δ V = 3,6. Den Eigentümern wächst aber lediglich ein Teil von Δ V zu, nämlich nur E 1 * - E 1 = 4 - 2,4 = 1,6. Da das Projekt I 1 = 2 kostet, lohnt sich die Finanzierung mit Eigenkapital nicht, da Δ E 1 < I 1 . Der Grund hierfür ist, daß die Gläubiger nach Durchführung des Projektes ihre ursprünglich sichere Position wiedergewinnen. F 1 * steigt von F 1 = 2 auf 4. Der Vorteil der Eigentümer aus der früheren Strategie der Vermögensverschiebung wäre beseitigt, sobald das Projekt realisiert wäre. Der Kern des Falles 3 besteht somit darin, daß die Eigentümer (Manager) die Realisierung eines vorteilhaften Projektes unterlassen, weil den Gläubigern ein so hoher Teil der Vorteile zufließt, daß die den Eigentümern verbleibenden Residualzahlungen die Finanzierung des Projektes durch sie unvorteilhaft werden lassen. Wir bezeichnen diesen Fall 3 als den der suboptimalen Investition (Unterinvestition). Daraus folgt, daß Strategien der Reichtumsverschiebung zu Lasten von Gläubigern sich auch dann nicht generell lohnen, wenn sich Gläubiger nicht zur Wehr setzen. Sie lohnen sich aber unter spezifischen Bedingungen. So z. B. wenn geplant ist, das Unternehmen zu liquidieren: Wenn die Gläubiger im Liquidationsfall die Reichtumsverschiebung nicht mehr wettmachen können, weil der Liquidationswert (V L ) die Summe der Ansprüche der Gläubiger unterschreitet, ist der Gewinn der Eigentümer aus einer in 1 realisierten Zusatzausschüttung endgültig. Die Eigentümer kommen auch in den Genuß der Reichtumsverschiebung, wenn sie vor Realisierung des Investitionsobjektes die Gläubigeransprüche, soweit sie am Markt gehandelt werden, zum Preis von 2 aufkaufen. Ähnliches gilt, wenn die Gläubiger nach erfolgreicher Risikoverschiebung dazu bewogen werden können, einem Vergleich zuzustimmen. Ein Vergleich bedingt in der Regel eine Abwertung der Zahlungsansprüche der Gläubiger und in Höhe der Abwertung ist der Eigentümergewinn endgültig. Ist keine der genannten Möglichkeiten realisierbar und planen die Eigentümer, das Unternehmen fortzuführen, gibt es Argumente dafür, daß eine gezielte Gläubigerschädigung unterlassen wird: Die Eigentümer schaffen Mißtrauen, ohne sicher sein zu können, den Marktwertgewinn endgültig kassieren zu können bzw. sie schränken, wenn sie kassieren wollen, den Spielraum für vorteilhafte Folgeinvestitionen spürbar ein. <?page no="227"?> Risiken der Gläubiger · 225 Fall 4: Risikoverlagerung durch suboptimale Investitionsprojekte (overinvestment) Es kann sich für Eigentümer lohnen, Investitionsprojekte mit negativem Marktwertbeitrag zu realisieren. Die Ausgangslage sei in Zeitpunkt 2: Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 R 2 ~D 2 F 1 E 1 V 1 z 1 z 2 6 10 4 4 2 6 3,2 3,6 6,8 Ein Investitionsprojekt erfordere eine Auszahlung von I 1 = 3 im Zeitpunkt 1 und liefere Einzahlungen von Δ ~ X 2 von - 4 bzw. 8 in Abhängigkeit von dem sich realisierenden Umweltzustand z 1 bzw. z 2 . Der Marktwertbeitrag des Objektes ist somit Δ V 1 = 2,8 und kleiner als I 1 = 3. Bei ausschließlicher Eigenfinanzierung lohnte die Realisierung nicht. Bei der gegebenen Anspruchsverteilung unter Financiers könnte das Projekt für Eigentümer lohnend sein: Zeitpunkt 2 Zustand ~X 2 + Δ ~X 2 ~R 2 ~D 2 F 1 * E 1 * V 1 * z 1 z 2 2 18 2 4 0 14 2,6 7 9,6 Der Marktwert der Position der Eigentümer steigt um 3,4 und übersteigt somit I 1 = 3. 45 Der Marktwertanteil der Gläubiger sinkt um 0,6 und gleicht damit für die Eigentümer die isolierte Nachteiligkeit des Projektes aus. Das nicht rentable Projekt wird für die Eigentümer rentabel, weil es ihnen gelingt, die eigene Position zu Lasten der Gläubiger aufzubessern. Was können wir bezüglich der Ursachen von Risiken für Gläubiger festhalten? Warum fallen Gläubiger bei einperiodigen Kreditverträgen aus? Prinzipiell können drei Gründe ausschlaggebend sein: (1) Der Gläubiger bewältigt die Informationsprobleme bezüglich der Abschätzung des Investitionsrisikos nicht vollständig und überschätzt die mindestens zu erwartenden Einzahlungen. (2) Der Schuldner beleiht die Nettoeinzahlungen mehrfach, d. h. informiert Gläubiger 2 nicht über einen mit Gläubiger 1 bereits bestehenden Kreditvertrag. 45 Es wird unterstellt, daß I 1 über Eigenfinanzierung aufgebracht wird. <?page no="228"?> 226 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung (3) Es treten Umweltzustände ein, mit denen weder der Schuldner noch der Gläubiger rechnete. Laufen Kreditverträge über mehrere Perioden, treten zusätzliche Risiken auf: Eigentümer (Manager) treffen während der Kreditlaufzeit Investitions-, Finanzierungsund/ oder Ausschüttungsentscheidungen, die das Risiko für Gläubiger auch dann erhöhen können, wenn diese aus der Sicht des Kreditvergabezeitpunktes kein Risiko zu übernehmen glaubten. Risikoverlagerung auf die Gläubiger bedeutet immer, daß der (Markt-)Wert ihrer Position sinkt. Bei unverändertem gesamtem Marktwert begünstigt jede Reduktion des Wertes der Gläubigerposition den Positionswert der Eigentümer. Daß der Positionswert der Eigentümer selbst dann steigen kann, wenn der gesamte Marktwert des Unternehmens sinkt, bedeutet, daß für das Kollektiv aller Altfinanciers unvorteilhafte Maßnahmen zum Vorteil der Eigentümer wirken können. Zu beachten ist, daß Strategien der Reichtumsverschiebung der Eigentümer nicht generell zum Erfolg führen, sondern nur unter bestimmten Bedingungen von den Eigentümern auch «kassiert» werden können: Die Möglichkeiten der Vereinnahmung bestehen im Kern in Ausschüttungen, vertraglichen Abwertungen von Gläubigeransprüchen und im Aufkauf der im Wert geminderten Gläubigerpositionen. Die wichtigsten Ursachen für Gläubigerverluste sind vermutlich Informationsdefizite auf Seiten der Gläubiger und Risikoverlagerungsstrategien der Eigentümer (Manager). Es gibt auch eine harmlosere Erklärung für Gläubigerausfälle. Nicht alles ist antizipierbar. Treten Umweltzustände ein, mit denen keiner der Beteiligten rechnete, sind die Ausfälle weder auf Informationsdefizite noch auf Strategien der Eigentümer zurückzuführen. 3 Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherheiten und Covenants 3.1 Überblick über Kreditsicherheiten Kreditverträge sind zeitüberspannende Verträge; die Leistung des Kreditnehmers liegt in der Zukunft und die Zukunft ist unsicher. Folglich kann der Kreditgeber nicht vollständig sicher sein, daß der Kreditnehmer das zu den Zeitpunkten zahlt, was er im Vertrag versprochen hat. Die Vereinbarung von Sicherheiten ist deshalb eine Vorkehrung, die die Kreditgeber in die Lage setzen soll, Forderungs- und Zinsausfälle durch Rückgriff auf «Sicherheiten» auszugleichen: Kreditsicherheiten <?page no="229"?> sind im Prinzip «Greifrechte», die den Zugriff des Gläubigers auf im Vertrag eindeutig beschriebene Vermögensgegenstände ermöglichen. Zugriffsrechte disziplinieren den Schuldner, stärken die Position des Gläubigers und lösen sein ökonomisches Schicksal von dem anderer Gläubiger des Schuldners, die vom Zugriff auf den als Sicherheit dienenden Vermögensgegenstand ausgeschlossen sein sollen. Abbildung 7.1 gibt einen Überblick über häufig eingesetzte Kreditsicherheiten. 3.2 Beschreibung ausgewählter Kreditsicherheiten 3.2.1 Personensicherheiten Durch eine Bürgschaft übernimmt eine Person, der Bürge, gegenüber dem Kreditgeber die Verpflichtung, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kreditnehmers einzustehen (§ 765 BGB). Hinter den Kreditnehmer tritt somit eine bürgende zweite Person, von der der Kreditgeber die Zahlungen einfordern kann, wenn der Kreditnehmer nicht leistet. Dem Bürgen steht, soweit sie nicht vertraglich ausgeschlossen wird oder gesetzlich (z. B. nach § 349 HGB) ausgeschlossen ist, die Einrede der Vorausklage zu: Der Bürge verweigert die Leistung, solange nicht der Kreditgeber eine Zwangsvollstreckung gegen den Kreditnehmer erfolglos versucht hat. Wird die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen, liegt eine selbstschuldnerische Bürgschaft vor. Diese hat für den Kreditgeber den Vorteil, daß er bei Zahlungsausfall sofort auf den Bürgen zurückgreifen kann. Kreditsicherheiten gesetzliche (z. B. Vermieterpfandrecht) rechtsgeschäftliche gesetzlich geregelte • Grundschuld • Hypothek • Pfandrecht an bewegl. Sachen • Pfandrecht an Rechten, Forderungen • Bürgschaft gesetzlich nicht geregelte • Eigentumsvorbehalt • Sicherungsübereignung • Forderungszession • Garantie • Patronatserklärung Abbildung 7.1: Überblick über gesetzliche bzw. rechtsgeschäftliche Kreditsicherheiten Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherungen und Covenants · 227 <?page no="230"?> 228 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Eine Bürgschaft kann unter verschiedenen Aspekten limitiert werden. Die Höchstbetragsbürgschaft beschränkt die Sicherheit für den Kreditgeber auf einen bestimmten Betrag, der den Stand der Forderung gegen den Kreditnehmer unterschreiten kann. Die Bürgschaft auf Zeit wird nur für eine bestimmte Zeitspanne ausgesprochen. Die Ausfallbürgschaft läßt den Rückgriff auf den Bürgen nur in der Höhe des Betrages zu, mit dem der Kreditgeber bei der Verwertung anderer Sicherheiten des Kreditnehmers ausfällt. Der ökonomische Wert einer Bürgschaft kann auf mehreren Wegen erhöht werden. Verbürgen sich mehrere Bürgen für dieselbe Verbindlichkeit, liegt eine Mitbürgschaft vor. Eine Teilbürgschaft ist gegeben, wenn von mehreren Bürgen jeder für einen präzise bestimmten Teil der Kreditsumme haftet. Die Zerlegung der Gesamtkreditsumme in Teilbeträge erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß die Bürgen bei Inanspruchnahme auch leisten. Durch die Nachbürgschaft wird der mögliche Ausfall des Kreditgebers bei Inanspruchnahme des Bürgen weiter reduziert: Sie ist ein Vertrag, durch den eine weitere Person die Bürgschaft für den ersten Bürgen übernimmt. Der Garantievertrag ist nicht gesetzlich geregelt, aber allgemein anerkannt. Durch einen Garantievertrag verpflichtet sich ein Dritter, der Garant, für einen bestimmten Erfolg einzustehen oder die Gewähr für einen möglichen künftigen Schaden zu übernehmen. Im Rahmen einer Kreditbeziehung besteht der garantierte Erfolg darin, daß der Garant dem Kreditgeber garantiert, daß er vom Schuldner den kreditierten Betrag zurückerhält. Die Verpflichtung des Garanten wird ausgelöst, wenn der garantierte Erfolg nicht eintritt. Die Abgrenzung zur Bürgschaft ist für die in der Praxis vorkommenden Verträge nicht immer einfach. Die Wechselbürgschaft, geregelt in den Art. 30ff. WG, enthält die auf dem Wechselformular gegebene Erklärung, für die Einlösung des Wechsels durch einen anderen, der zu benennen ist, zu haften. Die Einrede der Vorausklage ist nicht möglich. Patronatserklärungen sind nur mit Bedenken unter den Begriff «Personensicherheiten» zu subsumieren. Einmal stellen nicht alle Patronatserklärungen wirkliche Sicherheiten dar; zum anderen werden Patronatserklärungen in der Mehrzahl von Muttergesellschaften, also i. d. R. nicht von natürlichen Personen, sondern juristischen Personen abgegeben. Eine Patronatserklärung ist eine Erklärung der Muttergesellschaft gegenüber dem Kreditgeber einer Tochtergesellschaft, in der die Mutter die Kontrolle oder Maßnahmen zur Förderung oder Erhaltung der Kreditwürdigkeit der Tochter ankündigt oder zusagt, wenn die Tochtergesellschaft selbst dazu nicht in der Lage ist. Der ökonomische und juristische Wert von Patronatserklärungen ist je nach Ausgestaltung sehr unterschiedlich. Die Werthaltigkeit der Patronatserklärung reicht von einer einfachen Information über die Kenntnisnahme der Kreditaufnahme der Tochtergesellschaft bis zu einem Garantievertrag besonderer Art. Die Formulierung, die Mutter habe von der Kreditaufnahme <?page no="231"?> der Tochtergesellschaft Kenntnis genommen, ist lediglich eine Mitteilung, die keine Verpflichtung der Muttergesellschaft auslöst. Die Erklärung, es sei Politik der Muttergesellschaft, ihre Tochter stets so auszustatten, daß diese jederzeit ihren Verbindlichkeiten nachkommen könne, ist eine Absichtserklärung, für ausreichende Liquidität zu sorgen. Sie bringt jedoch keine rechtlichen, allenfalls moralische Verpflichtungen der Mutter mit sich. Handfester ist die sogenannte harte Patronatserklärung: «Wir verpflichten uns, dafür zu sorgen, daß unsere Tochtergesellschaft während der Laufzeit des Kredites in der Weise geleitet und finanziell ausgestattet wird, daß sie jederzeit in der Lage ist, ihre Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Kredit zu erfüllen» (Scholz/ Lwowski [Kreditsicherung] 398). Die Erklärung wird als Übernahme einer rechtlichen Verpflichtung mit dem Charakter einer bankmäßigen Sicherheit gewertet. Die Mutter verpflichtet sich, die Liquidität der Tochter zu sichern. 3.2.2 Sachsicherheiten (Realsicherheiten) Sachsicherheiten zeichnen sich dadurch aus, daß dem Kreditgeber ein bedingtes Recht an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache oder an einem Recht eingeräumt wird, das es ihm gestattet, den haftenden Gegenstand bei Eintritt der Bedingung zu verwerten. Sicherheiten an beweglichen Sachen heißen Mobiliarsicherheiten, Sicherheiten an unbeweglichen Sachen Immobiliarsicherheiten. Der Eigentumsvorbehalt ist das am weitesten verbreitete Sicherungsmittel der Warenkreditgeber, der Lieferanten. Der Eigentumsvorbehalt besteht darin, daß sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum an der Sache bis zur Zahlung des vollen Kaufpreises durch den Käufer vorbehält. Das Eigentum an der Sache geht erst mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf den Käufer über. Der Verkäufer ist bis zur vollen Zahlung des Kaufpreises Kreditgeber und sichert den Kredit durch das Rückforderungsrecht «seiner» Ware, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug gerät. Der Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel unterscheidet sich von den im folgenden darzustellenden Sicherungsrechten, weil die Sicherheit hier nicht im Zugriffsrecht auf fremde Vermögensgüter besteht, sondern in der nur bedingten Übertragung des Eigentums. Solange sich die Kaufsache unverändert beim Käufer befindet, ist der (einfache) Eigentumsvorbehalt ein starkes Sicherungsrecht. Die Schwäche dieses Sicherungsrechts wird deutlich, wenn der Käufer die Sache weiterverarbeitet oder weiterveräußert. Lieferanten versuchen dann, ihr Sicherungsrecht durch Vorkehrungen wie Verlängerungsklauseln zu erhalten. Das Pfandrecht ist die Mobiliarsicherheit, die im BGB geregelt ist. Die Bestellung eines Pfandrechts setzt eine Einigung und die Übergabe der Sache an den Kredit- Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherungen und Covenants · 229 <?page no="232"?> 230 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung geber (= Pfandnehmer) voraus (§1205 BGB). Das Pfandrecht erlischt, wenn das Pfand an den Eigentümer zurückgegeben wird (§ 1253 BGB). Das Besitzerfordernis hat den Vorteil, daß der Kreditnehmer das Pfand nicht beiseite schaffen oder seinen Wert vermindern kann und der Kreditgeber im Sicherungsfall das Pfand sofort verwerten kann; die Herausgabe vom Kreditnehmer muß nicht erst erzwungen werden. Die Konstruktion hat den Nachteil, daß viele als Sicherheiten geeignete Vermögensgegenstände von den Kreditnehmern nicht als Pfand übergeben werden können, weil diese sie entweder im Produktionsprozeß selbst benötigen oder weil die Kreditgeber nicht über entsprechende Lagerkapazitäten verfügen. Das Pfandrecht ist daher eine Sicherheit, die nicht willkommene Verfügungen des Sicherungsgebers zwar ausschließt, aber für viele Vermögensgüter sehr umständlich und damit teuer ist. Der Rechtsverkehr war daher bemüht, die Eignung von Vermögensgegenständen zu Sicherungszwecken zu nutzen, ohne die Übergabe des Sicherungsgutes zu vollziehen. Resultat dieser Entwicklung sind insbesondere die Sicherungsübereignung und die Forderungszession. Nicht nur Sachen, sondern auch Rechte können verpfändet werden. § 1273 Abs. 1 BGB bestimmt: Gegenstand des Pfandrechts kann auch ein Recht sein. Insbesondere Pfandrechte an Forderungen spielen in der Praxis eine Rolle. Die Bestellung eines Pfandrechtes an einer Forderung setzt die Einigung über die Bestellung des Pfandrechts und die Anzeige der Verpfändung an den Schuldner der verpfändeten Forderung voraus (Verpfändungsanzeige, §1280 BGB). Ohne die Verpfändungsanzeige ist die Verpfändung der Forderung nicht wirksam. Die Pflicht zur Verpfändungsanzeige hat die Verbreitung des Pfandrechts an Forderungen nicht gefördert. Zunächst hat die Verpfändungsanzeige an den Schuldner der Forderung ihren guten Sinn: Der Schuldner soll wissen, an wen er ggf. zu leisten hat (§§ 1280, 1281 BGB). Gegen die Verpfändung von Forderungen wird eingewendet, daß die Verpfändungsanzeige eine Publizität bewirke, die der seine Forderungen verpfändende Kreditnehmer als nachteilig ansehe. Außerdem sei der Verwaltungsaufwand bei einer Vielzahl verpfändeter Forderungen hoch. In der Praxis wird deshalb verstärkt die Forderungszession benutzt, die die Benachrichtigung des Drittschuldners nicht generell erfordert. Die Forderungszession oder Sicherungsabtretung hat zum Inhalt, daß der Kreditnehmer dem Kreditgeber eine Forderung gegenüber einer anderen Person (Drittschuldner) gemäß § 398 BGB abtritt. Sie wird häufig benutzt, weil eine der Verpfändungsanzeige entsprechende Benachrichtigung des Drittschuldners unterbleiben kann (sog. stille Zession). Erfolgt die Benachrichtigung des Drittschuldners, liegt eine offene Zession vor. Weil auch die Abtretung noch nicht bestehender, erst in Zukunft entstehender Forderungen möglich ist, soweit die abgetretenen Forderungen zweifelsfrei bestimmbar sind, findet sich die Sicherungsabtretung in der Praxis der Kreditbesicherung recht häufig. <?page no="233"?> Wird eine einzelne Forderung abgetreten, liegt eine Einzelzession vor. Die Mantelzession bzw. die Globalzession erfassen Forderungsgesamtheiten. Bei Vereinbarung einer Mantelzession tritt der Schuldner bereits entstandene Forderungen gegenüber Drittschuldnern ab und verpflichtet sich, künftig entstehende Forderungen nach deren Entstehen auf den Gläubiger zu übertragen, um so den Gesamtbestand der abgetretenen Forderungen auf einer vertraglich definierten Mindesthöhe zu halten. Die Abtretung der Forderungen wird durch die Übersendung von Zessionslisten realisiert, in denen die abzutretenden Forderungen spezifiziert sind. Mit der Vereinbarung einer Globalzession tritt der Kreditnehmer sämtliche bestehende und künftige Forderungen aus bestimmten Rechtsgeschäften oder gegen bestimmte Drittschuldner an den Kreditgeber ab. Im Unterschied zur Mantelzession gehen künftige Forderungen gegen bestimmte Drittschuldner mit ihrer Entstehung auf den Kreditgeber über und nicht erst mit der Übersendung der Zessionslisten. Daß auch im Rahmen der Globalzession abgetretene Forderungen in Zessionslisten festgehalten und mitgeteilt werden, ist eine Vorkehrung, die vorrangig Kontrollzwecken dient. Ein Sicherungsvertrag in Form der Sicherungsübereignung umgeht die bei der Pfandrechtsbestellung notwendige Übergabe des Sicherungsgutes: Der Kreditnehmer überträgt dem Kreditgeber das Eigentum an einer beweglichen Sache nach §§ 929, 930 BGB durch Einigung und Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses. Der unmittelbare Besitz bleibt beim Kreditnehmer, der die Sache im Rahmen der Vertragsbedingungen nutzen kann. Somit können bewegliche Sachen des Kreditnehmers Sicherungsgut im Rahmen einer Sicherungsübereignung sein: Fuhrpark, Produktionsanlagen, Rohstofflager, Fertigwarenlager. Die Sicherungsgüter werden übereignet, aber nicht übergeben. Die mit der Übergabe bei der Pfandrechtsbestellung verbundene Publizität unterbleibt; sicherungsübereignete Vermögensgegenstände sind als solche für Dritte nicht erkennbar. So nützlich der Ersatz der Übergabe des Sicherungsgutes durch ein Besitzmittlungsverhältnis ist, weil es dem Sicherungsgeber (= Kreditnehmer) nicht die Nutzungsmöglichkeit nimmt, so nachteilig kann die fehlende Übergabe dann sein, wenn der Kreditnehmer in Liquiditätsschwierigkeiten ist und er das Sicherungsgut vertragswidrig veräußert oder verwendet. Die Hypothek (§ 1113 BGB) wird zur Sicherung einer Forderung an einem Grundstück oder Gebäude bestellt. Der Kreditgeber wird durch die Hypothek berechtigt, zur Befriedigung seiner Ansprüche auf Zahlungen eines bestimmten Betrages die Verwertung des Grundstückes (Gebäudes) zu betreiben. Die Belastung eines Grundstückes mit einer Hypothek ist der Belastung einer beweglichen Sache mit einem Pfandrecht ähnlich, weshalb die Hypothek auch als Grundpfandrecht bezeichnet wird. Die Hypothek wird durch Vertrag zwischen Kreditgeber und Eigentümer des zu belastenden Grundstücks bestellt. Die Einigung bedarf der Beurkundung oder Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherungen und Covenants · 231 <?page no="234"?> 232 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Beglaubigung durch Notar oder Gericht; die Einigung wird ergänzt durch die Eintragung der Hypothek ins Grundbuch. Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (Grundschuld). So definiert § 1191 BGB den Inhalt der Grundschuld. Eine Grundschuld kann im Gegensatz zur Hypothek unabhängig von einer bestehenden Forderung bestellt und geltend gemacht werden, was die Definition des § 1191 BGB im Vergleich zu § 1113 BGB auch klar zum Ausdruck bringt. Die Grundschuld bleibt somit als Sicherheit erhalten, wenn der Kredit teilweise oder ganz getilgt wird. 3.3 Welche Kreditgeber halten welche Kreditsicherheiten? Von Interesse ist, welche Gruppe von Kreditgebern (Kreditinstitute, Lieferanten) welche Sicherheiten hält und wie gut sich diese Sicherheiten z. B. in der Insolvenz bewähren. Die Daten, die im folgenden referiert werden, stammen aus älteren Untersuchungen, da aktuelle Daten nicht vorliegen. Man darf vermuten, daß diese Daten dennoch ein Bild zeichnen, das heutigen Verhältnissen gerecht wird. Die durch Sicherheiten belegten Vermögensgegenstände insolventer Unternehmen waren etwa je zur Hälfte durch Immobiliarbzw. Mobiliarsicherheiten besetzt. % (1) Sicherheiten an Mobilien - Eigentumsvorbehalt - vertragliches Pfandrecht - Sicherungsübereignung - andere Sicherungsformen 12,9 2,7 15,3 1,9 Summe 32,8 (2) Sicherheiten an Immobilien - Hypothek - Grundschuld - andere Sicherungsformen 8,7 38,3 2,2 Summe 49,2 (3) Sicherheiten an Forderungen - Verlängerter Eigentumsvorbehalt (Vorausabtretung) - Einzel- und Mantelzession - Globalzession - andere Sicherungsformen 5,0 3,6 8,6 0,8 Summe 18,0 Quelle: Gessner, u.a. [Konkursabwicklung] 172. Tabelle 7.4: Durch Sicherheiten belegte Vermögensgegenstände insolventer Unternehmen (in %) <?page no="235"?> Tabelle 7.5 zeigt, welche Anteile Kreditinstitute bzw. Lieferanten an den bestellten Sicherheiten halten. Kreditinstitute Lieferanten andere (1) Sicherheiten an Mobilien - Eigentumsvorbehalt - vertragliches Pfandrecht - Sicherungsübereignung - 1,1 12,5 12,2 0,5 0,8 0,7 1,6 2,0 (2) Sicherheiten an Immobilien - Hypothek - Grundschuld 7,1 32,9 0,3 2,2 1,3 3,2 (3) Sicherheiten an Forderungen - Einzel-, Mantelzession - Globalzession - Verlängerter EV (Vorausabtretung) 2,4 4,5 0,7 0,3 3,4 2,7 0,9 0,7 1,6 (4) andere 1,5 0,4 2,4 Summe 62,7 22,8 14,4 Quelle: Gessner, u. a. [Konkursabwicklung] 172. Tabelle 7.5: Anteile von Kreditinstituten und Lieferanten an bestellten Kreditsicherheiten 3.4 Funktionen von Kreditsicherheiten Für den Kreditgeber hat die Besicherung des Kredits im Prinzip große Vorteile. Wirksame Sicherheiten reduzieren sein Ausfallrisiko erheblich, weil er bei mangelndem Leistungswillen und/ oder mangelnder Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers auf das als Sicherheit dienende Vermögensgut (Recht) zurückgreifen und es verwerten kann. Das Problem besteht darin, die Sicherheit so zu dimensionieren, daß ihr Verwertungserlös den ausstehenden Betrag und Zinsen und Verwertungskosten genau dann deckt, wenn es darauf ankommt: vor der Insolvenz oder im Insolvenzverfahren des Schuldners. Die Fähigkeit von Kreditsicherheiten, das Ausfallrisiko des Kreditgebers zu senken, hängt von der Werthaltigkeit des Sicherungsgutes ab. Die Besicherung soll bewirken, daß der Barwert der Rückzahlungserwartung dem kreditierten Betrag (F 0 ) entspricht. Für einen einperiodigen Kreditvertrag berechnet sich der Barwert der erwarteten Rückzahlungen und Zinsen (B 0 ) aus: (7.1) [ ] . ) i 1 ( p L ) p (1 i) 1 ( F B 1 * 1 * 0 0 − + + − + = F 0 = im Zeitpunkt 0 gewährter Kreditbetrag; i = Zinssatz; Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherungen und Covenants · 233 <?page no="236"?> 234 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung p* = Wahrscheinlichkeit, daß der Schuldner im Zeitpunkt 1 die vertragskonforme Leistung nicht erbringt, worauf der Gläubiger auf das Sicherungsgut zurückgreift; 1 - p* = Wahrscheinlichkeit, daß der Kredit vertragskonform bedient wird; L 1 = Wert des Sicherungsgutes im Zeitpunkt 1. Ist p* > 0, ist B 0 nur dann gleich F 0 , wenn der ökonomische Wert des Sicherungsgutes im Zeitpunkt 1, also L 1 , mindestens den Betrag F 0 (1 + i) erreicht. Die Sicherungskraft der Sicherungsabrede hängt hier also an der Bedingung, daß für den Wert des Sicherungsgutes im Zeitpunkt 1 gilt: L 1 ≥ F 0 (1 + i). Nun laufen die meisten Kreditverträge in der Realität länger als eine Periode. Abbildung 7.2 erläutert die Struktur des Problems: Zu erläutern ist, wie der gesicherte Gläubiger gestellt ist, wenn die vertragskonforme Zahlung R t ganz oder teilweise ausbleibt. Die Sicherungsabrede gesteht dem gesicherten Gläubiger dann den Zugriff auf das Sicherungsgut zu. Dieses kann er verwerten; der Erlös sei V S t . Ist V S t größer als seine noch ausstehende Forderung (einschließlich noch zu leistender Zinsen) F t , muß er als Absonderungsberechtigter die Differenz an den Eigentümer bzw. die Insolvenzmasse abführen. Da der gesicherte Gläubiger F t erhält, sind seine Ansprüche voll gedeckt. Ist V S t < F t , gilt der (gesicherte) Gläubiger in Höhe seines Ausfalls - das ist die Differenz F t - V S t - als ungesicherter Gläubiger. Auf den Betrag F t - V S t erhält er die Befriedigungsquote q t . Damit ist die beste Strategie für den gesicherten Gläubiger klar: Er muß dafür sorgen, daß in jedem Zeitpunkt während der Laufzeit des Kreditvertrages gilt: V S t ≥ F t . Dies kann er im Prinzip durch die Dimensionierung des Sicherungsgutes bzw. des Kreditbetrages und durch die Gestaltung der Tilgung des Kredits herbeiführen. Gelingt dies, hat er mehrere Vorteile: 0 1 2 ... T min ) V , F ( S 2 2 ; * 2 2 2 2 ); ( p V F q S − T R ; (1 - * T p ) R 2 ; (1 - * 2 p ) R 1 ; (1 - * 1 p ) min ) V , F ( S 1 1 ; * 1 S 1 1 1 p ); V F ( q − Abbildung 7.2: Zahlungserwartungen eines gesicherten Gläubigers <?page no="237"?> (1) Er muß kein Ausfallsrisiko übernehmen. Durch Zugriff auf das ausreichend dimensionierte Sicherungsgut kann er seine Position ohne Verlust glattstellen. (2) Er muß sich im Gegensatz zu einem ungesicherten Gläubiger weder um die Höhe von p* t noch um die erwartete Quote q t kümmern. Beide Größen sind ihm im Idealfall schlicht gleichgültig. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil von Kreditsicherheiten. Die Beobachtung zeigt, daß Kreditinstitute i. d. R. vor der Kreditvergabe das künftige Zahlungsvermögen der Antragsteller prüfen und sich Sicherheiten bestellen lassen. Warum beides? Der Leser weiß, wie eine Prognose der künftigen Zahlungsströme erstellt werden kann. Es versteht sich, daß diese künftigen Zahlungen unsicher sind. Folglich ist die Aufgabe der präzisen Abschätzung der Zahlungsfähigkeit eines potentiellen Kreditnehmers für ein Kreditinstitut eine komplizierte Aufgabe, die um so anspruchsvoller wird, je genauer das Ergebnis sein muß. Mit größerer Genauigkeit aber steigen die Kosten der Ermittlung und Verarbeitung der erforderlichen Daten für das Kreditinstitut. Werden zusätzlich Sicherheiten bestellt und gilt, wie oben angenommen V S t ≥ F t , dann entfällt ein Großteil dieser Kosten: Kreditsicherheiten sind ein taugliches Mittel, um Informations- und Kontrollkosten einzusparen. (3) Ein weiterer Vorteil von Sicherheiten kann darin gesehen werden, daß das Finanzierungsverhalten von Kreditnehmern diszipliniert wird. Das ist so zu verstehen: Unternehmen, die mit einem hohen Volumen an Fremdkapital arbeiten, könnten finanziell so geführt werden, daß Kreditgeber Schaden erleiden. Weiß der Kreditnehmer, daß wirksame Sicherheiten, die im Fall seiner Zahlungsunfähigkeit verwertet werden, bestellt sind, lohnt es sich für ihn nicht, finanzielle Strategien zum Nachteil des gesicherten Gläubigers zu betreiben. Weil dies auch der Kreditgeber weiß, muß er das finanzielle Verhalten des Kreditnehmers auch weniger scharf kontrollieren. Sicherheiten haben auch Nachteile. Die Sicherheit, die Sicherheiten dem Sicherungsnehmer gewähren, ist, wie gleich zu zeigen ist, nur eine relative. Sicherheiten erlauben nicht generell, daß der Kreditgeber in Tiefschlaf verfällt. Die Bestellung von Sicherheiten für einen Gläubiger bedeutet auch, daß andere ungesicherte Gläubiger ein größeres Ausfallrisiko zu übernehmen haben. Das Risiko, das gut gesicherte Gläubiger nicht zu tragen haben, müssen andere tragen. Bei der Besprechung insolvenzrechtlicher Regelungen ist hierauf zurückzukommen. 3.5 Wie gut halten Kreditsicherheiten im Insolvenzfall? Wie gut Sicherheiten im Insolvenzfall halten, hängt ab von • dem ökonomischen Risiko der Entwicklung des Wertes des Sicherungsgutes, • dem rechtlichen Risiko und Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherungen und Covenants · 235 <?page no="238"?> 236 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung • dem Spielraum, den der Sicherungsvertrag dem Kreditnehmer zu nicht vertragskonformen Maßnahmen läßt. Mit ökonomischem Risiko wird hier die Unsicherheit bezeichnet, mit der die Höhe des Wertes eines Sicherungsgutes für den potentiellen Insolvenzzeitpunkt belastet ist. Diese Unsicherheit hängt ab von der Art des Sicherungsgutes (Qualität, Marktgängigkeit, relative Preisstabilität): Autoreifen der Marke «Michelin» lassen sich besser versilbern als Reifen unbekannter Herkunft; Preise für Markenreifen schwanken weniger als Preise für Rohkakao. Die ökonomische Unsicherheit hängt aber auch vom Ereignis «Insolvenz des Schuldners» selbst ab. Führt das Insolvenzverfahren zur Liquidation des Unternehmens, werden die Vermögensgüter häufig unter Zeitdruck versilbert. Käufer versuchen, die Zwangslage durch Gebot niedriger Preise auszunutzen. Schuldner des insolventen Unternehmens erfinden Mängeleinreden, um eine Zahlung zu vermeiden. Dies ist ein erster Grund für einen Wertverlust von Sicherungsgütern im Insolvenzverfahren. Bei der Vereinbarung von Sicherungsabreden und der Dimensionierung von Sicherungsgütern ist dieser Aspekt zu beachten. Neben dem ökonomischen Risiko, das in der möglichen Streuung des Verwertungserlöses des Sicherungsgutes besteht, sind das rechtliche Risiko und der Spielraum, den die Konstruktion vieler Sicherungsabreden dem Schuldner zu nicht vertragskonformen Maßnahmen läßt, von noch größerer Bedeutung. In empirischen Untersuchungen, die mehrere Tausend in Schuldnerkonkurse verwickelte, mobiliargesicherte Forderungen von Kreditinstituten und Lieferanten erfaßten, ließen sich ca. 90 % der Ausfälle, die gesicherte Kreditgeber erfuhren, durch die in Tabelle 7.6 angeführten vier Ausfallursachen erklären. Ausfallursache 1 belegt, daß sich Schuldner häufig - sei es geplant oder ungeplant - nicht an die Sicherungsvereinbarung halten. Ausfallursache bei mobiliargesicherten Lieferantenkrediten bei mobiliargesicherten Bankkrediten 1. Sicherungsgut war nicht mehr vorhanden 36,6 14,6 2. Verwertungserlös deckte Forderungen nicht 23,7 42,5 3. Anspruch auf Sicherungsgut kollidierte mit Ansprüchen anderer 10,7 26,0 4. Sicherungsgut war nicht eindeutig bestimmbar 15,2 9,8 Tabelle 7.6: Ausfallursachen (in %) bei Mobiliarsicherheiten <?page no="239"?> Eine Sicherungsübereignung von Lagerbeständen, gestützt durch eine Nachschubklausel, ist nichts wert, wenn der gesondert gekennzeichnete Lagerraum, der das Sicherungsgut enthalten soll, im Insolvenzfall leer ist. Ein durch Forderungsabtretung verlängerter Eigentumsvorbehalt erfüllt seine Funktion nicht, wenn die Forderungen vom Schuldner eingezogen und anderweitig verwendet werden. Der Spielraum, den Sicherungsabreden dem Schuldner zu vom Gläubiger nicht gewollten Verfügungen über das jeweilige Sicherungsgut belassen, ist deshalb bedeutend, weil auf die körperliche Übergabe der Sache bzw. die Verpfändung der Forderung verzichtet wird. An ihre Stelle tritt die Sicherung durch Eigentumsrechte des Gläubigers. Diese sind verletzlich. Als Folgerung drängt sich auf: insbesondere Mobiliarsicherheiten erlauben dem Gläubiger keinen Tiefschlaf; intensive Kontrolle ist angebracht. Auch Ausfallursache 2 läßt die Vermutung zu, daß hier nicht ausschließlich Schätzfehler der Gläubiger vorliegen, die den Wert von Sicherungsgütern zu hoch veranschlagt haben. Wenn der Wert eines Lagerbestandes oder eines Bündels von Forderungen (V tS ) den Betrag der ausstehenden Forderung (F t ) nicht erreicht, kann ebenfalls (Teil)Ursache sein, daß der Lagerbestand (Forderungsbestand) nicht die vereinbarte Höhe hatte. Ausfallursache 3 verweist auf die praktische Bedeutung von Kollisionsrisiken. Ausfallursache 4 zeigt die besonderen Risiken für Gläubiger, die Sicherungsansprüche an Sachgesamtheiten (z. B. Lagerbestände an Halbfabrikaten) haben und deren Sicherungsgut ununterscheidbar in den gesamten Bestand eingegangen ist. Auch hier liegt die Ursache häufig in einer ungenauen Beachtung der Sicherungsabrede durch den Schuldner (z. B. keine besondere Kennzeichnung oder getrennte Lagerung von Sicherungsgütern). Es wird den Leser nicht verwundern, daß die oben genannten Ausfallursachen zu erheblichen faktischen Ausfällen gesicherter Gläubiger führen. Für mobiliargesicherte Gläubiger liegen Daten über empirische Ausfallquoten vor: Lieferanten verlieren bei mobiliargesicherten Forderungen bei Insolvenz des Schuldners im Durchschnitt rund die Hälfte. Kreditinstitute schneiden bei mobiliargesicherten Forderungen erheblich besser ab: Ihre durchschnittliche Ausfallquote beträgt ca. 16 %. Kreditsicherheiten bieten also teilweise Schutz. Sich als Gläubiger allein auf sie zu verlassen, ist nicht ratsam. Instrumente der Risikoabwehr: Kreditsicherungen und Covenants · 237 <?page no="240"?> 238 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 4 Negativklauseln (Covenants) 4.1 Funktionen Professionelle Kreditgeber (Kreditinstitute, Versicherungen) formulieren Kreditverträge. Eine Verankerung von vertraglichen Vereinbarungen bietet sich also an. Solche vertraglichen Nebenabreden heißen Negativklauseln oder Covenants. Ihre Funktionsweise läßt sich so beschreiben: (1) Der Kreditgeber definiert Nebenbedingungen, die das zukünftige Verhalten des Schuldners im Investitions-, Finanzierungs- und Ausschüttungsbereich mit dem Ziel beschränken sollen, das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für den Kreditgeber bestehende Risikoniveau oder ein kritisches Risikoniveau nicht zu überschreiten. (2) Dem Schuldner werden definierte Berichtspflichten und Compliance-Prüfungen übertragen, mit der Folge, daß Verletzungen von Nebenbedingungen (Covenants) durch den Schuldner zeitnah offenzulegen sind. (3) Verletzungen von Covenants ziehen prinzipiell Neuverhandlungen, Vertragsanpassungen und ggf. Sanktionen nach sich. Man kann in dieser Funktionsweise einen statischen und einen dynamischen Aspekt erkennen. Der statische Aspekt dient der Definition von in Covenants eingekleideten Frühwarnkriterien, die eine Erhöhung des Risikoniveaus für den Gläubiger anzeigen sollen. Der Zeitpunkt, zu dem die Frühwarnung erfolgen soll, wird u.a. über die Strenge der vertraglichen Nebenbedingung definiert; sie ist damit individuell gestaltbar und hat den potentiellen Vorteil, zeitlich viel früher zu signalisieren als dies z. B. gesetzliche Insolvenztatbestände vermögen. Die Frühwarnung durch Covenants wird deshalb häufig als der größte Vorzug des Konzepts angesehen. Der dynamische Aspekt äußert sich in der auf die Verletzung eines Covenants folgenden Neuverhandlung zwischen Gläubiger und Schuldner. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist nicht antizipierbar, welche Umweltzustände sich in späteren Zeitpunkten während der Kreditlaufzeit konkretisieren werden. Folglich ist die vertragliche Festlegung von (ebenfalls) zustandsabhängigen Konsequenzen aus Verletzungen von Covenants praktisch nicht möglich bzw. viel zu aufwendig. Was man ex ante nicht lösen kann, muß ex post gelöst werden, wenn der den Covenant verletzende Zustand eingetreten ist. Die Suche nach einer Lösung ist Gegenstand der Neuverhandlungen. Man kann dieser Konzeption Vorteile zuschreiben. Die vertragliche Festschreibung von Nebenabreden soll das Risiko für den Gläubiger auf dem im Vertragszeitpunkt wahrgenommenen oder einem vorgegebenen Niveau halten. Damit wird das Entscheidungsfeld des Schuldners eingeengt. Vorteilhafte, den Wert des Unternehmens <?page no="241"?> erhöhende Entscheidungen sollen nicht behindert werden. Behindert werden sollen aber Entscheidungen des Managements bzw. des Schuldners, die zu viel Risiko auf die Schultern der Gläubiger verlagern. Wie kann das gelingen? Man kann die Negativklauseln (Covenants) vor dem Hintergrund der Maßnahmen von Schuldnern sehen, die das Risiko der Gläubiger nach Kreditgewährung erhöhen und damit den Wert der Festbetragsansprüche der Gläubiger senken. Zu solchen Maßnahmen zählen die oben in Abschnitt 2 unterschiedenen vier Fälle: (1) Erhöhung der Fremdkapitalansprüche mit höherem oder gleichem Rang (Erhöhung des Finanzierungsrisikos); (2) Erhöhung des Investitionsrisikos durch Übergang zu riskanteren Investitionsstrategien; (3) Unterinvestition: Unterlassen vorteilhafter Projekte, die also die projektspezifischen Kapitalkosten decken, wenn und weil die Erfolge vorrangig den Gläubigern zuflössen; (4) Überinvestition: Investition in Projekte, die keine Deckung der projektspezifischen Kapitalkosten erwarten lassen. 4.2 Überblick über häufig eingesetzte Covenants Tabelle 7.7 enthält eine Aufstellung von häufig anzutreffenden Covenants. Diese Covenants werden den Maßnahmen (Entscheidungen) des Schuldners zugeordnet, von denen eine Risikoerhöhung für die Position des Gläubigers ausgehen kann. Angenommen, ein Kreditgeber will verhindern, daß die Unternehmensverschuldung bestimmte, als kritisch angesehene Quoten übersteigt. Er könnte zu diesem Zweck einen Buchwert-basierten Verschuldungsquotienten definieren, der Rückzahlungsansprüche von Kreditgebern in Beziehung setzt zum investierten Kapital. Damit wird eine in Buchwerten definierte obere Verschuldungsgrenze festgesetzt. Überschreitungen des Quotienten hat der Schuldner quartalsweise zu melden. Meldet er nicht, ist dies ein Kündigungsgrund. Meldet er eine Überschreitung, kann der Kreditgeber nach einer angemessenen Reaktion suchen. Das Management des Schuldners hat u. U. Anreize, die Verschuldungsgrenze zu unterlaufen, indem es z. B. Finanzierungs-Leasing-Verträge abschließt. Dem kann man vorbeugen, indem man den Schuldner vertraglich zwingt, den Barwert der Leasingraten mit einem vertraglich festgeschriebenen Diskontierungssatz zu berechnen und den Rückzahlungsansprüchen von Gläubigern hinzuzufügen. Man kann den kritischen Verschuldungsquotienten auch Cashflow-basiert definieren, indem man den operativen Cashflow einer Periode (vor oder nach Steuern) zur Summe der Rückzahlungsansprüche von Gläubigern in Beziehung setzt und Negativklauseln (Covenants) · 239 <?page no="242"?> 240 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Zu kontrollierender Bereich Beschränkungen der späteren Finanzierungsentscheidungen Beschränkungen der Ausschüttungen Beschränkungen des Investitionsverhaltens Sonstige Klauseln Inhalt der Covenants 1. Priorität des Anspruchs erhaltende Nebenbedingungen (me-first-rule) 2. Verschuldungsumfang begrenzende Nebenbedingungen, z. B. kritische bilanzielle Verschuldungsgrade; kritische Relationen von operativem Cashflow zu langfristiger oder Gesamtverschuldung 3. Begrenzungen für Finanzierung-Leasing- Geschäfte 1. Beschränkung der periodischen Ausschüttung bzw. des Rückkaufs eigener Aktien; Beschränkung bewirkt, daß Mittel a) aus Verkauf von Gegenständen des Anlagevermögens und b) aus der Aufnahme von Fremdmitteln nicht den Anteilseignern zufließen 2. Überschüssige Mittel müssen entweder investiert oder zur Tilgung verwendet werden 1. Verkauf von zur Fortführung benötigten Vermögensgegenständen wird begrenzt 2. Aufkäufe dritter Unternehmen und Verschmelzungen werden an die Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Finanzierung gebunden 3. Aufrechterhaltung positiver Net working capital-Bestände 1. Informationspflichten des Schuldners 2. Definition für die berichteten Daten 3. Garantie wahrheitsgemäßer Berichtserstattung 4. Vertragliche Sanktionen (event of default; Fälligstellung, Zinssatzanpassung etc.) 5. cross-default-clause Tabelle 7.7: Covenants (Negativklauseln) und beabsichtigte Handlungsbeschränkungen <?page no="243"?> eine kritische Mindestquote (von z. B. 8 %) festschreibt. Dabei ist festzulegen, wie der operative Cashflow zu definieren ist, ob der Kapitalbedarf im Umlaufvermögen abgesetzt ist oder nicht, ob er vor Steuern oder nach Steuern zu definieren ist, etc. Der Kreditgeber könnte auch verhindern wollen, daß späteren Kreditgebern des Schuldners bessere Positionen eingeräumt werden als ihm. Er kann solche Strategien prinzipiell abwehren, indem er Besicherungen Dritter an seine vorherige Zustimmung bindet, oder eine «me-first-rule» durchsetzt, also einen prioritätischen Ranganspruch oder über eine pari passu-Klausel Gleichbehandlung mit den späteren Gläubigern erzwingt. Interessant ist die Wirkung einer cross-default-clause. Sie besagt, daß die Verletzung einer Negativklausel (breach of covenant) im Rahmen eines mit Dritten geschlossenen Kreditvertrages auch für den vorliegenden Kreditvertrag als breach of covenant gilt und damit die Sanktionen (z. B. Kündigung, Anpassung der Vertragsbedingungen) auslösen kann. Damit wird ein Gleichschritt der Vertragsgläubiger gegenüber dem Schuldner hergestellt, was die disziplinierende Wirkung auf Schuldner verstärkt. Die Wirkungsweise von Covenants wird in der Literatur nicht einheitlich eingeschätzt. Während einige dazu neigen, in einem Covenant-gestützten Monitoring von Schuldnern eine marktwirtschaftliche Alternative zum Insolvenzrecht zu sehen, erwarten andere nur einen beschränkten Beitrag zur Begrenzung des Kreditrisikos. Man darf erwarten, daß professionelle Kreditgeber das Monitoring über Covenant-gestützte Kreditverträge mit der abnehmenden Bedeutung traditioneller Sachsicherheiten verstärkt einüben und Erfahrungswissen sammeln werden. Prinzipiell ist Monitoring über durch Covenants angereicherte Kreditverträge eine erfolgversprechende Strategie: • Die Covenants sind auf den Einzelfall zuschneidbar. • Die mit ihnen verknüpften periodischen (z. B. vierteljährlichen), sanktionsbewährten Berichtspflichten überspringen das von Kreditgebern regelmäßig vorgebrachte Argument, daß Schuldner Jahresabschlußdaten zu spät vorlegen. • Dem Erfindungsreichtum der Covenant-Architekten sind nur zwei Grenzen gesetzt: Der Schuldner muß sie als Voraussetzung für das Zustandekommen des Finanzierungsvertrages akzeptieren. Konflikte mit einer richterlichen Kontrolle von Covenants sind zu vermeiden. Beide Bedingungen sind indessen von jeder alternativen Sicherungsstrategie zu erfüllen. Negativklauseln (Covenants) · 241 <?page no="244"?> 242 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 5 Kreditverträge und Disziplinierung der Eigentümer - eine Fallstudie 5.1 Sachverhalt Die Manager einer mittelständischen Aktiengesellschaft wollen die Eigentumsrechte des sie beschäftigenden Unternehmens erwerben. Der Alteigentümer will sich aus Altersgründen zurückziehen und bietet seinen wichtigsten Managern die Eigentumsrechte zu einem Kaufpreis von 10 Mio. an, von denen er 8 Mio. sofort und bar erhalten will. Über die restlichen 2 Mio. ist er bereit ein Verkäuferdarlehen zu gewähren; dessen Eigenschaften sind gleich darzustellen. Vergleiche mit Transaktionspreisen bzw. Börsenkapitalisierungen vergleichbarer Unternehmen ergaben, daß der vom Alteigentümer geforderte Kaufpreis angemessen ist. Das Unternehmen wurde 1936 gegründet; es erzielt seit 1960 moderat steigende Umsatzerlöse und Jahresüberschüsse. Seit 1960 ist kein Jahresfehlbetrag aufgetreten. Der bisherige Eigentümer verfolgte eine konservative Finanzierungsstrategie: Investitionen im Umlauf- und Anlagevermögen werden über die positiven operativen Cashflows finanziert; überschüssige Mittel werden ausgeschüttet. Auf die Finanzierung über langfristiges Fremdkapital wurde bisher generell verzichtet. Das Unternehmen, die Druck AG, nutzt lediglich Kredite der Lieferanten und kurzfristige Bankkredite zur Finanzierung des im Jahresverlauf schwankenden Mittelbedarfs zur Finanzierung des Umlaufvermögens. Tabelle 7.8 weist die Gewinn- und Verlustrechnungen für 1996 bis 2000 aus; Tabelle 7.9 präsentiert die Daten der Bilanz zum 31.12.2000. Tabelle 7.10 weist einige finanzielle Daten der letzten 10 Jahre aus. Tabelle 7.11 zeigt die Zusammensetzung und Schwankungen des erforderlichen Betriebskapitals im Jahre 2000. 1996 1997 1998 1999 2000 Umsatzerlöse Herstellkosten der erbrachten Leistungen 4.870 2.918 5.022 2.824 5.974 3.497 6.985 4.152 7.630 4.649 Bruttoergebnis vom Umsatz Vertriebs- und Verwaltungsaufwendungen Sonstige Erträge 1.952 1.108 20 2.198 1.036 54 2.476 1.235 36 2.833 1.511 64 2.981 1.637 60 Gewinn vor Ertragssteuern Ertragssteuern 864 408 1.216 486 1.277 460 1.386 471 1.404 421 Jahresüberschuß 456 730 817 915 983 Tabelle 7.8: Gewinn- und Verlustrechnungen <?page no="245"?> Anlagevermögen: Bauten, masch. Anlagen Sonstige Vermögensgegenstände 1.055 37 Eigenkapital: Gezeichnetes Kapital Gewinnrücklagen 100 4.858 Umlaufvermögen: Kasse Wertpapiere des Umlaufvermögens Forderungen Vorräte Aktive Rechnungsabgrenzungsposten 1.131 1.750 1.270 294 54 Kurzfristige Verbindlichkeiten: Verbindlichkeiten aus Lieferungen Steuerrückstellungen Passive Rechnungsabgrenzungsposten 327 123 183 Bilanzsumme 5.591 Bilanzsumme 5.591 Tabelle 7.9: Bilanz zum 31.12.2000 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 (1) (2) (3) (4) (5) Umsatzerlöse Jahresüberschuß Ausschüttungen JÜ pro Aktie Umsatzrendite nach Steuern (in %) 3.844 319 300 3,19 8,3 4.178 334 100 3,34 8,0 4.263 371 140 3,71 8,7 4.395 374 140 3,74 8,5 4.675 379 220 3,79 8,1 4.870 456 220 4,56 9,4 5.022 730 240 7,30 14,5 5.974 817 610 8,17 13,7 6.985 915 687 9,15 13,1 7.630 983 740 9,83 12,9 Tabelle 7.10: Ausgewählte finanzielle Daten der letzten 10 Jahre Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. (1) (2) (3) (4) Kassenbestand + Guthaben + WUV 1) Forderungen Vorräte Kurzfristige Verbindl. 2.768 740 562 (593) 2.857 380 833 (610) 2.698 367 1.105 (621) 2.392 402 1.376 (573) 2.164 359 1.647 (711) 2.049 302 1.919 (672) 2.177 1.716 1.377 (536) 383 3.052 835 (608) 1.025 3.082 263 (587) 1.915 2.161 294 (692) 2.876 1.199 304 (670) 2.881 1.270 294 (633) (5) erforderliches Betriebskapital 3.477 3.460 3.549 3.597 3.459 3.598 3.734 3.662 3.783 3.678 3.700 3.812 1) WUV ≡ Wertpapiere des Umlaufvermögens Tabelle 7.11: Entwicklung des monatlichen erforderlichen Betriebskapitals im Jahr 2000 Kreditverträge und Disziplinierung der Eigentümer - eine Fallstudie · 243 <?page no="246"?> 244 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 5.2 Nebenbedingungen der Kreditverträge Darzustellen sind die Bedingungen, unter denen der Alteigentümer ein Verkäuferdarlehen von 2 Mio. und eine Bank ein Darlehen von maximal 3 Mio. zu gewähren bereit sind. Der Alteigentümer erklärt sich bereit, eine nachrangige Position zu übernehmen und eine beliebige Tilgungsstruktur zu akzeptieren unter der Prämisse, daß die Rückzahlung in längstens 5 Jahren abgeschlossen ist. Zusätzlich soll gelten: a) Das Management wird neben dem geplanten Bankkredit keine weiteren langfristigen Verbindlichkeiten oder Leasingverbindlichkeiten schaffen, bevor nicht das Verkäuferdarlehen getilgt ist. Zulässig sind kurzfristige Kredite zur Finanzierung des Umlaufvermögens, wobei Bedingung b) zu beachten ist. b) Der mit Eigenkapital finanzierte Anteil am erforderlichen Betriebskapital soll mindestens 1,5 Mio. betragen. c) Die Vergütungen der Vorstandsmitglieder bleiben unverändert bis zur vollständigen Tilgung des Verkäuferdarlehens. Dividendenzahlungen sind zulässig nach Rückführung des Darlehens. d) Die Aufnahme neuer Eigentümer ist bis zur vollständigen Rückführung des Darlehens ausgeschlossen. e) Eine Vertragsverletzung bewirkt die sofortige Fälligkeit des Darlehens. Vertraglich soll das Darlehen eingekleidet werden, in ein mit 4 % zu verzinsendes - die sog. prime rate beträgt 5,25 % - nominales Darlehen in Höhe von 3 Mio. Kombiniert wird dies mit einer «Beschleunigungsklausel», deren Zweck die Schaffung eines Anreizes zur schnellen Rückführung des Verkäuferdarlehens ist. Zahlungen an den Alteigentümer, die im Zeitablauf erbracht werden, entfalten abnehmende Tilgungsintensitäten. Zahlung im Jahr Zu tilgender Anteil in % des Nominalbetrages von 3 Mio. 2002 2003 2004 2005 2006 58 71 81 96 100 Würden die Manager das Darlehen in 2006 zurückführen, hätten sie in jedem Jahr der Laufzeit Zinsen in Höhe von 0,04 · 3.000.000 = 120.000 und in 2006 eine Tilgungsleistung von 3.000.000 zu erbringen. Gelänge es den Managern, die vollständige Tilgungsleistung in 2003 zu erbringen, reduzierte sich die Zahlungsbelastung auf die genannten Zinszahlungen in 2002 und 2003 sowie eine Tilgungsleistung von 3 Mio. · 0,71 = 2,13 Mio. im Jahr 2003. Schnelle Tilgung ist also attraktiv. <?page no="247"?> Betrachten wir die Darlehensbedingungen der Bank. Das Kreditvolumen ist 3 Mio.; der Zinssatz liegt 2 Prozentpunkte über der prime rate, die 5,25 % beträgt. Die maximale Laufzeit beträgt 6 Jahre. Vorzeitige Rückzahlungen sind jederzeit möglich. Die jährlichen Mindesttilgungen sind definiert als das Maximum aus Jahresüberschuß oder 500.000. Der Kreditnehmer wird verpflichtet, 20 % des noch ausstehenden Kreditbetrages als Bankguthaben oder als sehr liquide Vermögensposition (z. B. Wertpapiere des Umlaufvermögens) zu halten. Von Interesse sind die Negativklauseln (Covenants). Die wichtigsten sind: a) Weitere Verbindlichkeiten mit Laufzeiten, die ein Jahr übersteigen, gelten als diesem Darlehen nachrangig. Sie dürfen folglich nicht besichert werden. b) Die Summe nachrangiger, längerfristiger Verbindlichkeiten darf den Betrag von 5 Mio. nicht übersteigen. c) Verkäufe von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens setzen die Zustimmung der Bank voraus. d) Das erforderliche Betriebskapital darf den Betrag von 1,5 Mio. nicht unterschreiten. e) Das Investitionsvolumen im Anlagevermögen pro Periode wird auf 200.000 beschränkt. f) Bei Vertragsverletzung wird das Darlehen unter Einschluß von Zinszahlungen sofort fällig. g) Als Vertragsverletzung (breach of contract) gilt auch, wenn der Schuldner eine Vertragsbedingung eines Kreditvertrages mit einem Dritten verletzt (cross-default-clause). 5.3 Analyse Der Überblick über die referierten Bedingungen legt den Schluß nahe, daß die finanziellen Bewegungsmöglichkeiten der Eigentümer für die Zeitspanne der Kreditlaufzeiten stark eingeengt sind: • die kurzfristige Verschuldung ist wegen der Bedingung bezüglich des erforderlichen Betriebskapitals (EBK) begrenzt; • die langfristige Verschuldung ist nach oben begrenzt; sie hat nachrangig nach dem Bankdarlehen zu sein; • Ausschüttungen sind nicht zulässig; • das Volumen für Investitionen ist gekappt; • Vertragsverletzungen haben die sofortige Fälligkeit des Darlehens zur Folge. Das kann eine hohe Wahrscheinlichkeit für Zahlungsunfähigkeit bedeuten. Kreditverträge und Disziplinierung der Eigentümer - eine Fallstudie · 245 <?page no="248"?> 246 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Damit entsteht erheblicher Leistungsdruck auf die Eigentümer. Versuche, einen Gläubiger zu übervorteilen, sind aussichtslos, da die cross-default-clause die Interessen der Gläubiger bündelt. Relevanz haben die Bedingungen vor dem Hintergrund des Kapitalbedarfs von 9,75 Mio; 0,25 Mio setzen die Manager ein. Das Verkäuferdarlehen kann mit 2,0 Mio., das Darlehen der Bank mit 3,0 Mio. angesetzt werden. Es bleibt also eine Finanzierungslücke von 4,75 Mio. Diese Lücke kann durch langfristige Fremdmittel nicht geschlossen werden, da die von der Bank definierte Obergrenze von 5 Mio. für nachrangige langfristige Verbindlichkeiten durch das Verkäuferdarlehen bereits in Höhe von 2 Mio. ausgeschöpft ist. Die Obergrenze für weitere langfristige Verbindlichkeiten liegt somit bei 3 Mio. Somit muß der Restbetrag von 1,75 Mio. kurzfristig finanziert werden. Das kann gelingen, wenn die Nebenbedingungen von Verkäufer und Bank bezüglich EBK nicht verletzt werden. Diese fordern im Gleichklang ein EBK von mindestens 1,5 Mio. Das ist realisierbar, wie Tabelle 7.11 erkennen läßt. Zu klären ist, wie ein Venture Capital-Geber beteiligt werden könnte und auf welche Weise diesem eine Rendite von 20-25 % geboten werden könnte. Dies zu realisieren ist über ein Fremdkapital-ähnliches Finanzierungsinstrument nicht möglich, weil die Cash-Generierung des Unternehmens zu gering ist. Folglich müßten dem Venture Capital-Geber Eigentumsrechte, also Aktien übereignet werden. Dies ist, wie die Bedingungen des Alteigentümers zeigen, erst dann möglich, wenn das Verkäuferdarlehen restlos getilgt ist. Und das Verkäuferdarlehen kann erst getilgt werden, wenn zuvor die vorrangige Verbindlichkeit der Bank zurückgefahren ist. Es besteht also eine eindeutige Sequenz, in der Gläubiger mit Tilgungen bedient werden müssen. Wir wollen, um den Sachverhalt weiter zu präzisieren, annehmen, daß es den Managern gelingt mit dem Venture Capital-Investor folgendes Arrangement zu vereinbaren. Der Venture Capitalist finanziert einen Betrag von 3 Mio. Zusammen mit einem kurzfristigen Betriebsmittelkredit von 1,75 Mio. können die Manager den Kaufpreis von 10 Mio. finanzieren. Der Anspruch der VC-Gesellschaft besteht in Phase 1 in einem nachrangigem Zinsanspruch in Höhe von 9 % bezogen auf 3 Mio. Tilgungsansprüche bestehen nicht, weil sie mit dem Anspruch auf Vorrangigkeit der Bank kollidieren würden. Sobald das Verkäuferdarlehen vollständig getilgt ist, kann der Venture Capital-Investor Eigentümer werden. Hierzu übertragen ihm die Manager einen entsprechenden Anteil ihrer Aktien. Diese sind im Zeitpunkt der Übergabe zu bewerten. Übergebene Aktien und geleistete Zinszahlungen an die Venture Capital-Gesellschaft müssen bezogen auf den Zeitpunkt der Leistung der Venture Capital-Gesellschaft einen Barwert von 3 Mio. darstellen. Diskontierungssatz ist die von der Venture Capital-Gesellschaft geforderte Rendite von z. B. 25 %. Für die Manager ist von größtem Interesse, welcher Anteil an Aktien ihnen nach der Übergabe an den Venture Capital-Investor verbleibt. <?page no="249"?> 2001 2002 2003 2004 2005 2006 (1) (2) (3) Nettoumsatzerlöse Gewinn vor Steuern (EBIT) Zinsaufwand 8.012 1.516 597 8.422 1.636 664 8.843 1.717 602 9.285 1.804 532 9.749 1.900 477 10.236 1.988 474 (4) (5) Gewinn vor Steuern Steuern 1) 919 184 972 194 1.115 223 1.272 254 1.423 313 1.514 333 (6) (7) Jahresüberschuß + nicht auszahlungsgleicher Aufwand 735 120 778 130 892 142 1.018 166 1.110 170 1.191 190 (8) (9) (10) Cashflow aus der Produktionstätigkeit - Erhöhung des Working Capital ( Δ EBK) - Investitionen im Anlagevermögen 855 70 60 908 21 30 1.034 29 40 1.184 61 60 1.280 95 194 1.371 100 300 2) (11) Verfügbar für Schuldentilgung bzw. Dividenden 725 857 965 1.063 991 971 (12) (13) (14) (15) (16) geplante Tilgungen: Bankkredit (vorrangig) Bedienung des Verkäuferdarlehens Bedienung der VC-Gesellschaft Verbindlichkeiten in % des Gesamtkapitals nach Tilgung 4) 725 - - 90 857 - - 82 965 - - 72 453 610 1.820 3) - 66 - - ? 56 - - ? 47 1) s u = 0,20. 2) Zulässig nach Rückführung des Bankkredits. 3) Tilgung von 610 entspricht einer Nominalwertrückführung von 753; Rest somit 2.247 · 0,81 = 1.820. 1.820 werden ggf. als nachrangige Kredite aufgenommen. 4) Annahme, dass Bilanzsumme 10 Mio. $ beträgt. Tabelle 7.12: Finanzplan unter Beachtung der Covenants von Verkäufer und Bank Kreditverträge und Disziplinierung der Eigentümer - eine Fallstudie · 247 <?page no="250"?> 248 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Tabelle 7.12 enthält einen Finanzplan, der die zahlreichen Covenants beachtet. Auf Dividenden wird verzichtet; der Bankkredit wird vorrangig abgelöst. Das Verkäuferdarlehen wird in 2004 vollständig zurückgeführt: 3,0 Mio. · 0,81 = 2,43 Mio. Nach vollständiger Rückführung des Verkäuferdarlehens kann erwogen werden, wie die geforderte Rendite des Venture Capital-Investors dargestellt werden kann. Tabelle 7.12 läßt offen, wie dies im Detail im vorliegenden Fall bewerkstelligt werden kann. Prinzipiell muß nach 2004 eine Bewertung des Eigenkapitals der Gesellschaft erfolgen, damit berechnet werden kann, welche Anteilsquote dem VC-Investor zu bieten ist, damit dieser seine geforderte Rendite erzielt. Außerdem ist zu beachten, daß die Manager nicht mehr als 49 % der Anteile an den Venture- Capital Investor abgeben. Tabelle 7.13 erläutert die Berechnung der Zinszahlungen, die in Zeile (3) der Tabelle 7.12 ausgewiesen sind. Jahr Berechnung Zinszahlung 2001 3.000 · 0,04 3.000 · 0,0725 1.750 · 0,0625 3.000 · 0,09 = = = = 120 217,5 109,4 270 716,9 · 10/ 12 ≅ 597 2002 3.000 · 0,04 2.275 · 0,0725 1.750 · 0,0625 3.000 · 0,09 = = = = 120 165 109,4 270 664,4 2003 3.000 · 0,04 1.418 · 0,0725 1.750 · 0,0625 3.000 · 0,09 = = = = 120 102,8 109,4 270 602,2 2004 3.000 · 0,04 453 · 0,0725 1.750 · 0,0625 3.000 · 0,09 = = = = 120 32,8 109,4 270 532,2 Tabelle 7.13: Berechnung der Zinszahlungen <?page no="251"?> 6 Langfristige Fremdfinanzierung 6.1 Schuldscheindarlehen Schuldscheindarlehen sind langfristige Finanzierungsinstrumente, die die im folgenden Abschnitt zu behandelnde Industrieobligation klar zurückgedrängt haben. Schuldscheindarlehen haben bei der Deckung des langfristigen Finanzierungsbedarfs von Unternehmen und der öffentlichen Hand (Bund, Deutsche Post AG, Deutsche Bahn AG, größere Kommunen) einen festen Platz. Schuldscheindarlehen kann man definieren als anleiheähnliche, langfristige Großkredite, die von bestimmten Unternehmen bei bestimmten Kapitalsammelstellen, die nicht Banken sind, aufgenommen werden. Als Anbieter von Schuldscheindarlehen für private Unternehmen kommen Versicherungsunternehmen und hier insbesondere Lebensversicherungen und Pensionskassen in Frage. Die Sozialversicherungsträger (Rentenversicherungsanstalt, Bundesanstalt für Arbeit) gewähren Schuldscheindarlehen i. d. R. nur an öffentliche Stellen. Der Kreis der Unternehmen, die Schuldscheindarlehen aufnehmen können, ist größer als der Kreis der Unternehmen, die als emissionsfähig (börsenfähig) gelten. Dennoch sind «schuldscheinfähige» Unternehmen nur größere Unternehmen. Ob ein Unternehmen «schuldscheinfähig» ist, richtet sich nach den Anforderungen, die die Versicherungsunternehmen bzw. ihre Aufsichtsbehörde stellen. Versicherungsunternehmen unterliegen bei der Anlage ihrer Mittel den Anlagevorschriften von §§ 54ff. Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und den Anlagerichtlinien des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen. Diese legen die Anforderungen an die Deckungsstockfähigkeit von Anlagetiteln der Versicherungen fest, wobei mit Deckungsstock das Sondervermögen bezeichnet wird, aus dem ein Versicherungsunternehmen seine künftigen Verpflichtungen zu leisten hat. Deckungsstockfähig sind Schuldscheindarlehen, sofern durch die bisherige und künftig zu erwartende Entwicklung des Unternehmens die vertraglich vereinbarte Verzinsung und Tilgung des Darlehens gewährleistet erscheint und das Darlehen durch erstrangige Grundpfandrechte gesichert ist. Fehlt eine der Voraussetzungen, ist eine Ausnahmegenehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich, die hohe Anforderungen an die Bonität des Unternehmens stellt. Zwar können auch (nicht emissionsfähige) Personengesellschaften an den Schuldscheinmarkt herantreten; nur eine relativ kleine Zahl von Unternehmen wird jedoch den Bonitätsanforderungen genügen. Somit ist die Zahl der Kapitalanbieter und die Zahl der (inländischen) Kapitalnachfrager am Schuldscheinmarkt relativ klein; die Markttransparenz ist hoch. In vielen Punkten ist die Ausstattung von Schuldscheindarlehen der von Industrieobligationen angepaßt. Die Laufzeit liegt meist zwischen 10 und 15 Jahren. Werden steigende Inflationsraten erwartet, besteht eine Tendenz zu kürzeren Laufzeiten. Der Nominalzins bestimmt sich nach dem Kapitalmarktsatz für erstklassige Langfristige Fremdfinanzierung · 249 <?page no="252"?> 250 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Anlagen. Über ein Agio wird die Effektivrendite eines Vertrages meist so eingestellt, daß sie 1 / 4 bis 1 / 2 %-Punkt über der aktuellen Kapitalmarktrendite liegt. Die Ursache dürfte darin zu suchen sein, daß die Transaktionskosten für ein Schuldscheindarlehen deutlich unter denen für eine Industrieobligation liegen. Die tilgungsfreien Zeiträume schwanken i. d. R. zwischen 3 und 5 Jahren. Ein vorzeitiges Kündigungsrecht wird dem Darlehensnehmer i. d. R. nicht zugebilligt. Für den Kreditnehmer, der die Bonitätsanforderungen erfüllt, hat ein Schuldscheindarlehen Vorteile: • Er kann bestimmte Kreditbedingungen wie Bereitstellung in Tranchen, Tilgungsmodalitäten individuell aushandeln; er gewinnt Flexibilität. • Schuldscheindarlehen sind auch in den Dimensionen erhältlich, in denen eine Industrieobligation, die ein Mindestvolumen erreichen muß, nicht möglich wäre. • Die Nebenkosten (Transaktionskosten) sind relativ niedrig. Auch Nachteile bestehen: Die Zinsbelastung übersteigt i. d. R. die mit der Ausgabe einer Industrieobligation verbundene Belastung; außerdem ist eine vorzeitige Tilgung des Darlehens i. d. R. nicht möglich. 6.2 Industrieobligationen Eine langfristige Schuldverschreibung, die in Teilschuldverschreibungen gestükkelt, festverzinslich und börsengängig ist, heißt Obligation oder Industrieobligation. Die Industrieobligation war lange Zeit das klassische Instrument der langfristigen Fremdfinanzierung. Kreditnehmer fragen häufig Mittel nach, die die finanzielle Kapazität eines einzelnen Kreditgebers übersteigen: mehrere Kreditgeber müssen sich zusammenschließen. Kreditnehmer fragen zugleich häufig Mittel für Laufzeiten nach, die den Kreditgebern zu lang sind: die in Teilschuldverschreibungen zerlegte («gestückelte») Industrieobligation, die an der Börse gehandelt wird, löst dieses Problem der unterschiedlichen Fristenpräferenzen. Die Teilschuldverschreibungen sind Wertpapiere, die auf einen bestimmten Nennbetrag lauten (100 Euro, 500 Euro, 1000 Euro), mit einem festen Nominalzins ausgestattet sind, eine fixierte maximale Laufzeit haben und zu einer Rückzahlung in Höhe des Nominalwertes oder (Ausnahme) zu einem um ein Agio erhöhten Betrag berechtigen. Die häufigste Form der Rückzahlung ist die Ratentilgung: Die in Serien zerlegte Industrieobligation wird nach einer vertraglich festgelegten tilgungsfreien Zeit in einer durch Los bestimmten Reihenfolge zurückgezahlt. Ein vorzeitiges Kündigungsrecht des ausgebenden Unternehmens ist möglich, aber nicht die Regel. Als Ursache hierfür wird auch das Interesse der Kapitalsammelstellen an nicht vorzeitig kündbaren langfristigen Anlageformen genannt. Zu beachten ist auch, daß das ausgebende Unternehmen die Möglichkeit hat, die Teilschuldverschreibungen <?page no="253"?> am Markt aufzukaufen. Kündigungsprämien, d. h. höhere Rückzahlungskurse bei vorzeitiger Kündigung, sind im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten am deutschen Kapitalmarkt nicht weit verbreitet. Die technische Abwicklung der Emission einer Industrieobligation erfolgt i. d. R. über ein Bankenkonsortium, das die Konditionen der Anleihe mit der Gesellschaft aushandelt und die Anleihe häufig fest übernimmt, um sie auf eigenes Risiko am Markt zu plazieren. Da Kapitalsammelstellen (z. B. Versicherungsgesellschaften) eine wichtige Käuferklasse für Teilschuldverschreibungen darstellen, ist die Deckungsstockfähigkeit der Anleihe von Gewicht, weil sie die Plazierungschancen am Markt spürbar erhöht. Schließlich ist die geplante Anleihe über den Zentralen Kapitalmarktausschuß (Central Capital Market Committee) zu leiten, ein Organ der freiwilligen Selbstkontrolle, dessen Funktion in der beratenden Einflußnahme auf Anleihe- Konditionen, -Volumen und -Zeitpunkt besteht mit dem Ziel der Marktregulierung. Industrieobligationen werden an einer oder mehreren Börse(n) zum Handel und zur amtlichen Kursnotierung eingeführt. Nach den Bestimmungen des Börsengesetzes entscheidet über die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel die Zulassungsstelle (§ 37 BörsG). Zu diesem Zweck sind Zulassungsantrag, Börsenprospekt und weitere Unterlagen von einer die Emission abwickelnden Bank an die Zulassungsstelle der Börse zu richten. Deren Aufgabe ist es, insbesondere zu prüfen, ob Emittent und die Wertpapiere den Bestimmungen entsprechen, die zum Schutz des Publikums und für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel gemäß § 38 BörsG erlassen sind (§ 36 Abs. 3 Ziff. 1 BörsG), und ob dem Antrag ein Prospekt beigefügt ist, der die in § 38 BörsG definierten erforderlichen Angaben enthält, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über den Emittenten und die Wertpapiere zu ermöglichen (§ 36 Abs. 3 Ziff. 2 BörsG). Die Information der Anleger über die wertbestimmenden Faktoren eines Wertpapieres erfolgt somit über den Börsenprospekt, der vor der Einführung des Wertpapiers an der Börse zu veröffentlichen ist. Enthält ein Börsenprospekt unrichtige und/ oder unvollständige Angaben, die für die Abschätzung des Wertes eines Wertpapiers erheblich sind, haften diejenigen, die den Prospekt erlassen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Prospektes ausgeht, für den Schaden, der dem auf den Prospekt vertrauenden Anleger entsteht (Prospekthaftung, § 45 BörsG). Nach der Prospektveröffentlichung kann die Einführung der Anleihe in den Börsenhandel erfolgen. Die Emissionskosten einer Industrieobligation setzen sich im wesentlichen aus folgenden Einzelpositionen zusammen: Übernahme und Vermittlungsprovision des Konsortiums, Börseneinführungsprovision, Druckkosten für Urkunden, Kosten der Veröffentlichung von Börsenprospekt und Verkaufsangebot, Kosten der Si- Langfristige Fremdfinanzierung · 251 <?page no="254"?> 252 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung cherheitenbestellung. Diese Kosten werden auf 2,5-4 % des Nominalwertes der Anleihe geschätzt. Neben diesen einmaligen Kosten sind jährliche Kosten zu beachten für Provision für Zinseinlösung der Banken, Notarkosten für die Auslosung der zu tilgenden Serien, Kosten der Auslosungsbekanntmachungen in der Presse und die Gebühren für den Treuhänder, der die Sicherheiten stellvertretend für die Vielzahl der Anleger hält: Industrieobligationen sind i. d. R. durch erstrangige Grundschulden besichert. Die Bedeutung der Industrieobligation für die langfristige Finanzierung von Unternehmen in Deutschland war lange Zeit rückläufig. Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht ganz klar. Zum einen wurde (die inzwischen entfallene) staatliche Genehmigungspflicht für die Emission von Anleihen angeführt. Ob sie jemals ein wirkliches Hindernis war, ist offen. Zum anderen wurde darauf verwiesen, daß Unternehmen bei der Beschaffung langfristigen Fremdkapitals viele Alternativen offenstehen - z. B. Schuldscheindarlehen, Bankkreditierung, innovative Formen der Fremdfinanzierung - deren technische Abwicklung weniger aufwendig und deren Transaktionskosten z. T. auch geringer sind. Seit einigen Jahren nimmt die Emissionstätigkeit im Bereich der Festzinsanleihen wieder zu. Die Rendite, die dem Zeichner der Anleihe versprochen wird, hängt deutlich ab von der Bonität des emittierenden Unternehmens. Diese Bonität wird gemäß den auf dem Rating-Sektor führenden US-amerikanischen Unternehmen Standard & Poor’s, Moody’s Investor Service sowie Fitch entwickelten Bonitätsskalen zum Ausdruck gebracht. Tabelle 7.14 gibt einen verkürzten Überblick über die möglichen Klassifikationen: <?page no="255"?> Standard & Poor Moody's Definition AAA Aaa INVESTMENT GRADE Beste Qualität, geringstes Ausfallrisiko, außergewöhnlich gute Bonität. AA+ AA AA- Aa1 Aa2 Aa3 Hohe Qualität, sehr gute Bonität, aber etwas größeres Risiko als die Spitzengruppe. A+ A A- A1 A2 A3 Gute Bonität, aber etwas anfälliger für negative Auswirkungen aufgrund von Veränderungen im Umfeld. BBB+ BBB BBB- Baa1 Baa2 Baa3 Mittlere Qualität, aber mangelnder Schutz gegen die Einflüsse sich verändernder Wirtschaftsentwicklung. BB+ BB BB- Ba1 Ba2 Ba3 SPECULATIVE GRADE Spekulative Anlage, nur mäßige Deckung für Zins- und Tilgungsleistungen. B+ B B- B1 B2 B3 Sehr spekulativ, geringe Bonität, hohes Risiko eines Zahlungsausfalls. CCC CC C Caa Ca C Niedrigste Qualität, geringster Anlegerschutz, in Zahlungsverzug oder in direkter Gefahr des Verzugs. D - Der Schuldner ist bereits in Zahlungsverzug oder hat Insolvenz angemeldet. Tabelle 7.14: Bonitätsklassen Die Anleihen von nicht mit AAA gerateten Unternehmen müssen den Zeichnern einen um einen Risikoaufschlag erhöhten Zinssatz bieten. Dieser auch Spread genannte Aufschlag ist beim Übergang von AAA zu A sehr klein und beträgt etwa 0,03 %; beim Übergang zum Sektor «Speculative Grade» nimmt der Spread erheblich zu. 6.3 Bankkredite Langfristige Bankkredite haben für die Finanzierung von Unternehmen große Bedeutung. Diese Bedeutung nimmt mit der Größe des Unternehmens ab; für mittelständische Unternehmen spielen langfristige Bankkredite - wie oben belegt - eine bedeutendere Rolle als für große, emissionsfähige Aktiengesellschaften. Wenn von der Bedeutung einer Finanzierungsquelle für die Finanzierung von Unternehmen gesprochen wird, sollten die durchschnittlichen Relationen, die die Tabellen in Abschnitt 1 verdeutlichen, beachtet werden. Langfristige Fremdfinanzierung · 253 <?page no="256"?> 254 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung Sieht man von der Mittelbereitstellung durch Innenfinanzierung ab - also durch Abschreibungen, Rückstellungsbildung und Gewinnthesaurierung generierte Mittel, über die Kapitel 10 berichtet - ist die Aufnahme von Bankkrediten die bei weitem wichtigste Quelle der Außenfinanzierung. Die Ausgabe von Anleihen, die Aufnahme von Schuldscheindarlehen und insbesondere die Aufnahme von Eigenkapital durch Einlagen bzw. Ausgabe junger Aktien rangieren mit unterschiedlichem Abstand auf den Folgeplätzen. Bei der Vergabe von langfristigen Krediten an Unternehmen nehmen Kreditinstitute i. d. R. die folgenden Prüfungen vor: • Kreditwürdigkeitsprüfung, • Prüfung der Sicherheiten und der Beleihungsgrenze, • Prüfung der sonstigen Nebenbedingungen des Kreditvertrages. Das Kreditwesengesetz verpflichtet Kreditinstitute in § 18 bei der Vergabe von Krediten, die 250.000 Euro übersteigen, sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnachfragers offenlegen zu lassen. Hierzu brauchbare Unterlagen sind etwa: • Jahresabschlüsse und - soweit vorhanden - Geschäftsberichte der letzten Jahre; • Steuerbilanzen, sowie Steuererklärungen und -bescheide; • Handelsregisterauszug und Gesellschaftsvertrag; • bestehende Unternehmensverträge über Gewinnabführung und Beherrschung; • Vermögensverzeichnis zu Zeitwerten (Kreditstatus); • Daten über Umsätze, Umsatzstruktur, Auftragsbestand; • Angaben über aus der Bilanz nicht ersichtliche Verträge (Leasing, langfristige Bezugsbzw. Lieferverträge); • Finanzpläne; Investitionspläne; • Aufstellung der zur Besicherung noch verfügbaren, freien Vermögensgüter. Die Kreditanalysten der Bank entwickeln aus diesen Daten ein Bild der Vermögens- und Ertragslage des Kreditnachfragers, mit dessen Hilfe abgeschätzt werden soll, wie hoch ein Ausfallrisiko eines gewährten Kredits veranschlagt werden kann. Nur an Unternehmen mit starker Bonität werden langfristige Bankkredite ohne Sicherheiten ausgereicht. In der Regel fordern Banken Sicherheiten, d. h. Vermögensgegenstände oder Rechte, auf die sie bei Zahlungsausfall zurückgreifen können, um ihre Ansprüche aus dem Verwertungserlös mit Vorrang vor Drittgläubigern zu befriedigen. Diese Sicherheiten werden aus den oben besprochenen Gründen durch Negativklauseln (Covenants) begleitet. <?page no="257"?> 6.4 Gesellschafterdarlehen Für Eigentümer von Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA) gibt es Gründe, «ihren» Gesellschaften Darlehen zu gewähren. Eigentümer nehmen in diesem Fall eine Gläubigerposition ein. Insbesondere Gesellschafter (Eigentümer) von Gesellschaften mit beschränkter Haftung machen in der Realität von dieser legalen Möglichkeit Gebrauch. Die Anreize, neben der Eigentümerauch die Gläubigerposition einzunehmen, sind vielfältig. Zunächst genießen Gesellschafterdarlehen bislang die gleichen steuerlichen Privilegien wie Fremdkapital von Dritten: die Zinsen sind bei der Körperschaftsteuer ganz und bei der Gewerbeertragsteuer zur Hälfte abzusetzen, soweit es sich um Dauerschulden handelt. Vorteile, die allein Gesellschaftsdarlehen zuzusprechen sind, sind etwa: • Da die Gesellschafter selbst Darlehen gewähren, entfallen Kosten für die Kreditwürdigkeitsprüfung und sonstige Beschaffungskosten. • Die Vertragsbedingungen können in beliebiger Flexibilität gestaltet werden. • Unerwartete Kündigungen seitens des Darlehensgebers entfallen jedenfalls dann, wenn man eine Ein-Mann-GmbH oder eine konfliktfreie Mehr-Gesellschafter-GmbH unterstellt. • Gesellschafterdarlehen können noch gewährt werden und damit die oben genannten steuerlichen Vorteile auslösen, wenn Dritte keine Kredite mehr gewähren. Der Gesetzgeber plant, hier Schranken einzuziehen. • Gesellschafterdarlehen könnten im Vergleich zu einer Erhöhung des Eigenkapitals eine bessere Position bei Insolvenz des Unternehmens bieten. Rechtssprechung und Gesetzgeber haben dies indessen verhindert. • Gesellschafterdarlehen können Insolvenztatbestände wie Zahlungsunfähigkeit und - wenn z. B. ein «harter» Rangrücktritt vereinbart wird - Überschuldung beseitigen und so die legale Fortführung der Gesellschaft ermöglichen. Rechtsprechung und Gesetzgeber haben sich intensiv mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen die Einlage von Gesellschafterdarlehen als Mißbrauch des Rechts der beschränkten Haftung anzusehen sei, der wegen der erheblich höheren Risikobelastung für Drittgläubiger, das sind bestehende Altgläubiger und Neugläubiger, die erst nach Gewährung des Gesellschafterdarlehens Gläubiger der Gesellschaft werden, nicht akzeptiert werden könne. Man muß zunächst verstehen, warum das Risiko für Drittgläubiger sich durch Gewährung von Gesellschafterdarlehen erhöhen kann. Wir betrachten den Fall schon existierender Altgläubiger. Diese können ungesichert, teilweise gesichert oder voll gesichert sein. Wir betrachten im folgenden nur ungesicherte Altgläubiger. Ein Gesellschafterdarlehen werde gewährt, um die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu beseitigen und damit auch eine u. U. drohende Liquidation in ei- Langfristige Fremdfinanzierung · 255 <?page no="258"?> 256 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung nem Insolvenzverfahren zu umgehen. Die Gewährung des Darlehens soll zur Vereinfachung nur zwei mögliche Ergebnisse haben: Die Gesellschaft erholt sich und kann in der Folge alle Gläubigeransprüche erfüllen; die Gesellschaft erholt sich nicht und wird in der Folgeperiode liquidiert. Der Liquidationsausgang habe die Wahrscheinlichkeit p; der günstige Fall die Wahrscheinlichkeit (1 - p). Die folgende Tabelle 7.15 zeigt die möglichen Positionen der Altgläubiger für folgende Fälle: 1. das Gesellschafterdarlehen ist mit einem Rangrücktritt hinter allen Forderungen von Drittgläubigern versehen (Fall 1); 2. das Gesellschafterdarlehen ist nicht gesichert und somit im Insolvenzverfahren einfache Insolvenzforderung (Fall 2); 3. das Gesellschafterdarlehen ist voll gesichert und daher mit einem Rangvorsprung von ungesicherten (bzw. teilweise ungesicherten) Gläubigern versehen (Fall 3). Die verwendeten Symbole bedeuten: q 0 Befriedigungsquote im Zeitpunkt 0, q 1 1 Befriedigungsquote für den Fall 1 im Zeitpunkt 1, MK Massekosten (Verwertungskosten), V 0 L Liquidationserlöse im Zeitpunkt 0, V 1 L Liquidationserlöse im Zeitpunkt 1, F 0 Anspruch der ungesicherten Gläubiger im Zeitpunkt 0, F 1 Anspruch der ungesicherten Gläubiger im Zeitpunkt 1 (einschließlich Zinsen), F 0 S Anspruch der gesicherten Gläubiger im Zeitpunkt 0, F 1 S Anspruch der gesicherten Gläubiger im Zeitpunkt 1 (einschließlich Zinsen), F 1 GD Anspruch aus Gesellschafterdarlehen im Zeitpunkt 1 (einschließlich Zinsen). Bezugspunkt für einen möglichen Nachteil der ungesicherten Gläubiger, der durch ein Gesellschafterdarlehen ausgelöst würde, ist die Position, die Altgläubiger bei Sofortliquidation im Zeitpunkt 0 hätten: q 0 · F 0 . Wird das Gesellschafterdarlehen gewährt und mit einem Rangrücktritt versehen, haben Altgläubiger die Chance, daß sich das Unternehmen dank des Gesellschafterdarlehens und u. U. begleitender Sanierungsbemühungen erholt. Der Wert der Ansprüche steige von q 0 · F 0 auf F 1 . Tritt aber der Liquidationsfall im Zeitpunkt 1 ein, stehen die Altgläubiger schlechter da, wenn q 1 1 < q 0 gilt. Dies kann eintreten, weil a) Verluste bei Weiterführung den Wert bei Liquidation V 1 L im Vergleich zu V 0 L reduzieren, <?page no="259"?> Gläubiger Liquidation im Zeitpunkt 0 Fall 1: GD mit Rangrücktritt Fall 2: GD ist ungesicherte Forderung Fall 3: GD ist voll gesichert Ungesicherte bzw. teilweise ungesicherte Gläubiger 0 0 F q ⋅ ⎧ ) p 1 ( ; F 1 − p , F q 1 1 1 ) p 1 ( ; F 1 − p ; F q 1 2 1 ) p 1 ( ; F 1 − p ; F q 1 3 1 Nominalanspruch einschließlich Zinsen im Zeitpunkt 0 bzw. 1: 1 0 F ; F 0 S 0 L 0 0 F MK F V q − − = 1 S 1 L 1 1 1 F MK F V q − − = GD 1 1 S 1 L 1 2 1 F F MK F V q + − − = 1 GD 1 S 1 L 1 3 1 F MK F F V q − − = Gesellschaftergläubiger Nominalanspruch im Zeitpunkt 1 (einschließlich Zinsen) GD 1 F ; (1 − p) F GD 1 p ; 0 Annahme: q 1 ist kleiner als 1; Anspruch aus GD ist dann wertlos ) p 1 ( ; F GD 1 − p ; F q GD 1 2 1 ) p 1 ( ; F GD 1 − p ; F GD 1 ⎨ ⎩ ⎧ ⎨ ⎩ ⎧ ⎨ ⎩ ⎧ ⎨ ⎩ ⎧ ⎨ ⎩ ⎧ ⎨ ⎩ − Tabelle 7.15: Positionen von ungesicherten Altgläubigern bei alternativer Rechtsaustattung von Gesellschafterdarlehen Langfristige Fremdfinanzierung · 257 <?page no="260"?> 258 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung b) die gesicherten Ansprüche von Gläubigern um die Zinsen wachsen (F 1 = F 0 (1 + i)), c) die Eigentümer Vermögensgegenstände beiseiteschaffen und somit V 1 L vermindern. V 1 L muß indessen nicht schrumpfen im Vergleich zu V 0 L : Das Gesellschafterdarlehen könnte zur Beschaffung von Vermögensgegenständen mit positiven Veräußerungserlösen benutzt worden sein, Fortführungsverluste könnten ausbleiben. Im Fall 2 ist das Gesellschafterdarlehen ungesicherte Forderung. Es tritt damit in Konkurrenz zu den Ansprüchen der Altgläubiger und verkürzt ceteris paribus ihre Quote zusätzlich: q 1 2 < q 1 1 . Im Fall 3 ist das Darlehen voll gesichert und reduziert die Teilungsmasse um F 1 GD , also den vollen Anspruch des Gesellschafters. Dieser trägt damit kein Ausfallrisiko. Als Folge steigt ceteris paribus das Ausfallrisiko der ungesicherten Gläubiger: q 1 3 ist kleiner als q 1 2 . Gesellschaftergläubiger können also das Risiko der Altgläubiger in der Tat erhöhen: Weil sie die Fortführung ermöglichen, gehen mögliche inkompetente Managemententscheidungen zu Lasten der Altgläubiger. Je nach Rechtsposition des Anspruchs aus dem Gesellschafterdarlehen verkürzt dieser Anspruch die Ansprüche der Altgläubiger: im Fall eines Rangrücktritts nicht, bei voller Besicherung sehr intensiv. Schließlich sind auch Neugläubiger zu beachten. Ihre Positionen sind ausfallbedroht, wenn sie sich nicht angemessen verhalten, weil sie das Risiko, das mit einer Kreditgewährung an diese Gesellschaft verbunden ist, nicht erkennen. Gesellschaftsrechtler, Rechtsprechung und Gesetzgeber sehen Gesellschafterdarlehen als mögliches Mittel der Risikoabwälzung auf Gläubiger an und beschränken die Gewährung bzw. Rückgewähr. Das Problem soll mittels einer interessanten BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1979 erläutert werden (BGHZ, 75, 344 vom 26. 11. 1979). Eine Gesellschafterin hatte erzielte Jahresüberschüsse einer GmbH nicht entnommen, sondern thesauriert und in Darlehen umgewandelt. Diese Darlehen wurden zudem gesichert durch Sicherungsübereignungen von Maschinen der GmbH. Die GmbH war nach mehreren Jahren wirtschaftlicher Erfolge in eine «Durststrecke» geraten und hatte schließlich wegen Überschuldung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Der BGH argumentiert, daß Darlehen selbst dann, wenn sie gewährt wurden in einer Phase finanzieller Stabilität der Gesellschaft, wie haftendes Eigenkapital behandelt werden müßten, wenn diese Darlehen an die Stelle einer sonst zur Insolvenzabwendung notwendigen zusätzlichen Stammeinlage getreten sind. Diese Passage muß etwas aufgehellt werden: Nehmen wir an, die Gesellschaft war am 1. 3. 1974 überschuldet: Das Vermögen deckte die Schulden, das Darlehen der Gesellschafterin eingeschlossen, nicht mehr. Dies ist heute gemäß § 19 InsO ein Insolvenztatbestand: Die Gesellschafter müssen die <?page no="261"?> Überschuldung entweder beseitigen (z. B. durch eine Rangrücktrittserklärung der Ansprüche aus dem Gesellschafterdarlehen hinter alle anderen Gläubigeransprüche) oder ein Insolvenzverfahren in Gang setzen. Unsere Gesellschafterin tut keines von beiden: Sie wirtschaftet weiter mit der Folge, daß das Ausmaß der Überschuldung wächst. Dieses Handeln ist nicht gesetzeskonform; das wachsende Ausmaß der Überschuldung - also die wachsende Differenz zwischen Schulden und Vermögen - geht hauptsächlich zu Lasten von Drittgläubigern. Legal wäre das Handeln nur, wenn die Gesellschafterin ihr Darlehen als Eigenkapital betrachtete und bei dieser Betrachtung die Überschuldung beseitigt gewesen wäre. Nehmen wir an, bei der dann erfolgten Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wäre die Differenz bestehende Verbindlichkeiten abzüglich Vermögen positiv. Dann hätte die Gesellschafterin das gesamte Quasi-Eigenkapital in Höhe des Darlehens verloren. Der BGH lehnt in diesem Fall zu Recht den Anspruch der Gesellschafterin als Gläubigerin ab. Damit wird verdeutlicht, daß die Frage, ob Eigenkapitalersatz vorliegt oder nicht, mittels eines praktikablen Konzeptes von «Überschuldung» gelöst werden kann. Der Gesetzgeber hat mit der gleichen Intention, nämlich Drittgläubiger vor den Risiken von durch Gesellschafterdarlehen hinausgeschobenen Insolvenzzeitpunkten und deren Folgen zu schützen, § 32a GmbHG erlassen. Diese Vorschrift verfügt die Umqualifikation von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital, wenn (1) ein Gesellschafter in einem Zeitpunkt ein Darlehen gewährt, zu dem ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, und (2) die Gesellschaft in ein Insolvenzverfahren eintritt. Diese Vorschrift hat viele Fragen offengelassen und neue Probleme geschaffen. Insbesondere war klärungsbedürftig, wie denn der Zeitpunkt, zu dem ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, theoretisch bestimmt und operationalisiert werden sollte. Der BGH und die wohl herrschende Meinung der Gesellschaftsrechtler interpretieren dies so, als sei dieser Zeitpunkt dann erreicht, wenn die Gesellschaft(er) von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr erhalten. Diese Interpretation hat zunächst den ästhetischen Vorteil, daß sie offenbare Widersprüche zwischen der BGH-Rechtsprechung vor dem Erlaß von § 32a GmbHG und dem Wortlaut des §32a GmbHG vermeidet. Ob es eine gute Lösung ist, ist nicht ganz klar: Zum einen können Gesellschafter (Insider) mit guten Gründen noch Kredite geben, wenn Dritte, die die Lage weniger gut überschauen, (weitere) Kredite versagen. Zum anderen ist nicht ganz ausgeschlossen, daß die Eigenschaft der «Marktüblichkeit» von Kreditkonditionen verstärkt Probleme der Handhabung aufwerfen könnte. Diese treten ein, wenn Kreditinstitute auch in Deutschland verstärkt dazu übergehen, Kreditnehmer in Risikoklassen einzuordnen und Vertragszinssätze spürbar differenzieren. Der Gesetzgeber plant § 32 a GmbHG fallen zu lassen und eine Regelung zu installieren, die den generellen Nachrang von Gesellschafterdarlehen festschreibt. Diese Regelung beseitigt zwar zahlreiche bislang bestehende Unklarheiten. Ob es eine gute Lösung ist, kann hier nicht diskutiert werden. Langfristige Fremdfinanzierung · 259 <?page no="262"?> 260 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 6.5 Zero-Bonds Zero-Bonds oder Null-Kupon-Anleihen bieten keine laufenden Zinszahlungen. Zinszahlungen erfolgen ausschließlich zusammen mit der endfälligen Tilgung. Bei der echten Null-Kupon-Anleihe entspricht der Einlösebetrag (Rückzahlungsbetrag) dem Nominalwert der Anleihe. Der Ausgabebetrag entspricht dem mit dem Marktzins für gleich lange Laufzeiten und Emittenten vergleichbarer Bonität abgezinsten Barwert des Einlösebetrages. Wenn der Ausgabebetrag dem Nominalwert entspricht, wird die Anleihe als Aufzinsungsanleihe bezeichnet. Der Rückzahlungsbetrag (Einlösebetrag) entspricht dann dem mit relevantem Marktzins auf den Fälligkeitszeitpunkt aufgezinsten Endwert. Ein Anleihetyp, der sich die Idee des Zero-Bonds zunutze macht, ist die Annuitätenanleihe. In der echten Zero-Bond-Version nimmt der Emittent den abgezinsten Barwert der Rückzahlungen auf, wobei die Rückzahlungen über einen mehrere Perioden umfassenden Zeitraum erfolgen. Weil diese Rückzahlungen gleich hoch sind, also Annuitäten darstellen, heißt die Anleihe Annuitätenanleihe. Ein Beispiel soll die Idee verdeutlichen. Ein Unternehmen mit erstklassigem Kreditrating (AAA) benötige 100 Mio. Euro rückzahlbar in endfälliger Form nach 15 Jahren. Der Marktzinssatz für Mittel der genannten Laufzeit sei 7,50 %. Wenn der Ausgabebetrag 100 Mio. Euro erreichen soll (von Emissionskosten wird abgesehen), muß die Anleihe einen Rückzahlungsbetrag in Periode 15 von rund 300 Mio. Euro haben. Wählt die Gesellschaft den echten Zero-Bond, für den der Rückzahlungsbetrag (300 Mio.) als Nominalwert fungiert, erhält sie einen Ausgabebetrag von 101,39 Mio. Euro. Bei einer Annuitätenanleihe wären z. B. 10 Jahre der gesamten Laufzeit zahlungsfrei; in den fünf letzten Jahren der Laufzeit würde die Anleihe annuitätisch so zurückgezahlt, daß die Effektivverzinsung von 7,5 % genau erreicht wird. 0 1 2 … 10 11 12 13 14 15 Echter Zero-Bond Annuitätenanleihe +101,39 +101,39 - - - - - - - -51,649 - -51,649 - -51,649 - -51,649 -300 -51,649 Tabelle 7.16: Zahlungsstrukturen im Vergleich Die BMW AG hat die Variante Annuitätenanleihe 1987 zur Finanzierung des in München errichteten Forschungs- und Ingenieur-Zentrums eingesetzt. Über ihre niederländische Tochter, die BMW Finance N.V., hat sie Mittel in Höhe von 324,4 Mio. DM in fünf Tranchen aufgenommen, wobei die Tranchen Laufzeiten zwischen 10 und 30 Jahren haben. Die einzelnen Tranchen werden jeweils in den letzten 5 Jahren ihrer Laufzeit zurückgeführt. Tranchenvolumina, Laufzeiten und Effektivzinssätze sind so ausgerichtet, daß die Zahlungsbelastungen für die <?page no="263"?> emittierende Tochtergesellschaft von Periode 5 bis 30 auf dem gleichen Niveau verharren. Die folgende Tabelle 7.17 zeigt die Tranchen, Laufzeiten, Zahlungsbelastungen und Effektivzinssätze vor Steuern. Tranche Laufzeit in Jahren Tilgungsdauer Effektivzinssatz Annuitäten in Mio. DM Ausgabebetrag in Mio. DM A B C D E 10 15 20 25 30 1993-97 1998-02 2003-07 2008-17 2013-17 6,25 6,625 7,0 7,125 7,25 38,180 38,180 38,180 38,180 38,181 117,97 83,26 56,74 39,39 27,03 324,39 Tabelle 7.17: Daten zur Annuitätenanleihe der BMW AG von 1987 6.6 Floating Rate Notes (FRN) Floating Rate Notes (FRN) sind Anleihen mit variabler Verzinsung; eine Neufestsetzung des Zinssatzes erfolgt in regelmäßigen Abständen (3 Monate, 6 Monate) in bezug auf einen Referenzzinssatz. Die verbreitetsten Referenzzinssätze sind LI- BOR, FIBOR und LUXIBOR. Der Effektivzinssatz eines Zeitabschnitts setzt sich zusammen aus dem Referenzzinssatz und einer Marge, die sich nach der Bonität des emittierenden Unternehmens richtet. Die Margen bewegen sich in einem Rahmen von 1 ⁄ 16 bis 1 ⁄ 2 %-Punkt. Zeichner von sog. Floatern tragen wegen der zeitnahen Anpassung an den Marktzinssatz nur geringe Kursrisiken. Dem Risiko sich ändernder Zinssätze sind sie dagegen voll ausgesetzt. Auch die emittierende Gesellschaft ist dem Risiko steigender Zinssätze voll ausgesetzt. Eine Möglichkeit, dieses Risiko zu begrenzen, ist die Vereinbarung von Zins-Caps. Zins-Caps begrenzen die Risiken, die aus Steigerungen des Referenzzinssatzes drohen, ohne die Chance, von sinkenden Referenzzinssätzen zu profitieren, zu schmälern. Kauft die Gesellschaft einen Zins-Cap, erhält sie eine Ausgleichszahlung vom Cap-Verkäufer immer dann, wenn der Referenzzinssatz (zuzüglich Marge) die in der Cap- Vereinbarung festgelegte Obergrenze überschreitet. Die Gesellschaft kennt damit das maximale Zinsrisiko und zahlt hierfür eine Prämie an den Cap-Verkäufer. Ein Markt für Zins-Caps besteht in Deutschland für Anleihen mit einer Laufzeit zwischen 3 und 10 Jahren. 6.7 Indexanleihen Bei Indexanleihen orientiert sich die Kapitalrückzahlung an einem bestimmten Index. Dabei kann es sich um einen Aktienindex (Stoxx 50, DAX), um den Preisindex für ein Edelmetall (Gold) oder um den Preisindex für eine Devise handeln. Langfristige Fremdfinanzierung · 261 <?page no="264"?> 262 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 6.8 Doppelwährungsanleihen Bei Doppelwährungsanleihen erfolgen Mittelaufbringung und Rückzahlung in unterschiedlichen Währungen. Die Zinszahlungen sind entweder in der Aufbringungs- oder in der Rückzahlungswährung zu leisten. Die genaue Spezifikation wird in den Anleihebedingungen festgelegt. Die Emissionsrendite, das ist die im Emissionszeitpunkt erwartete Rendite, liegt i. d. R. zwischen den Renditen für Anleihen gleicher Laufzeit in den jeweiligen Währungsgebieten. Der Kurs der Anleihe wird von der Bonität des Emittenten, den Zinsänderungen am Markt und der Wechselkursentwicklung der Währung beeinflußt, in der Rückzahlung und (seltener) Zinszahlungen erfolgen. 6.9 Commercial-Paper-Programme Die Mittelbeschaffung über Commercial-Paper-Programme unter den Formen langfristiger Finanzierung darzustellen, ist nicht ganz unproblematisch, da die Laufzeit von Tranchen zwischen 7 Tagen (Untergrenze) und zwei Jahren schwankt. Weil aber die Rahmenabkommen i. d. R. über längere Fristen vereinbart sind, werden solche Programm-Vereinbarungen hier plaziert. Commercial-Paper (CP)-Programme sind Rahmenvereinbarungen zwischen bonitätsstarken Unternehmen und Kreditinstituten (Konsortien von Kreditinstituten) über die Plazierung von nicht gesicherten, börsennotierten oder nicht börsennotierten Schuldverschreibungen, deren Tranchen eine Laufzeit von zwei Jahren nicht überschreiten. Die Zerlegung des vereinbarten Volumens in einzelne Tranchen ermöglicht die Anpassung der Fremdmittelbeschaffung an den jeweiligen Bedarf ebenso wie die Aushandelbarkeit der Laufzeit der jeweiligen Tranche. Die Tranchen sind als Abzinsungspapier ausgestattet, d. h. die Rückzahlung enthält Kapitalbetrag und Zinsen. Kreditinstitute sind nicht Kreditgeber, sondern Arrangeure, die den Rahmenvertrag aushandeln und die Plazierung der CP betreiben. Dafür erhalten sie Provisionen. Die Kreditinstitute übernehmen keine Plazierungsgarantie, übernehmen Tranchen bei mißlungenem Plazierungsversuch nicht selbst und bieten keine Stand-by-Kredite an, wenn eine Plazierung fehlschlagen sollte. Das Plazierungsrisiko liegt deshalb beim Emittenten. Die arrangierenden bzw. plazierenden Kreditinstitute bieten die CP institutionellen Anlegern, Unternehmen und privaten (Groß)Anlegern an. Die hohe Mindeststückelung schließt «normale» Privatanleger von dieser Anlage aus. In der Bundesrepublik Deutschland sind Anleger inländische Investmentfonds, Pensionskassen und Versicherungen - sie halten zusammen etwa 65 % der begebenen CP -, Industrieunternehmen (20 %), ausländische (10 %) und inländische private Anleger (5 %). <?page no="265"?> Die dynamische Entwicklung von CP-Programmen in Deutschland seit Anfang 1991 ist aus mehreren Gründen von Interesse: (1) CP-Programme gab es an ausländischen Geld- und Kapitalmärkten schon geraume Zeit vor 1991. Die Ursachen, warum sich CP-Programme am deutschen Markt zunächst nicht etablieren konnten, sind einmal die bis 1990 bestehende Genehmigungspflicht für die Emission inländischer Schuldverschreibungen gemäß §§ 795, 808 a BGB, die insbesondere schwerfällig und kostenträchtig war, und zum anderen die bis 1990 bestehende Börsenumsatzsteuer, die beim Erwerb der CP angefallen wäre und die Rendite bei der ohnehin kurzen Laufzeit spürbar beeinträchtigt hätte. (2) CP-Programme sind ein Beispiel für die potentiellen Vorteile der Verbriefung von Fremdkapitaltiteln (Securitization), die die Liquidität der Anleger erhöht. (3) CP-Programme sind ein Beleg dafür, daß die Vermittlungsfunktion von Kreditinstituten sich verändert. Während bei einem kurz- oder mittelfristigen Bankkredit das Kreditinstitut Mitteleinlagen beschafft, verzinst, mit Mindestreserven unterlegt, an Kreditnehmer ausleiht, die Kreditüberwachung übernimmt, ist die Funktion hier wesentlich verkürzt: Nur Arrangement und Vertriebsleistung werden übernommen. Die Transaktion ist für Kreditinstitute bilanzneutral. (4) Mittel aus CP-Programmen sollten daher billiger sein als Bankkredite mit gleicher Laufzeit. Referenzgröße für den Zinssatz ist i. d. R. LIBID, der Londoner Interbankensatz (London Interbank Bid Rate), der bis zu 0,4 %-Punkten unter den Kosten einer volumengleichen, laufzeitgleichen Kreditfinanzierung liegen kann. Vorrangig große und bonitätsstarke Unternehmen legen CP-Programme auf. Auf die Rechtsform der Unternehmen kommt es aber hier nicht an; auch Nicht-Kapitalgesellschaften und kleinere Unternehmen kommen als Emittenten grundsätzlich in Frage (z. B. Sixt AG, Haindl Papier GmbH), wenn sie Bonität belegen können. Der Nachweis über ein Kreditrating ist hier unerläßlich. Langfristige Fremdfinanzierung · 263 <?page no="266"?> 264 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 7 Kurzfristige Fremdfinanzierung 7.1 Überblick Die Möglichkeiten der Beschaffung kurzfristiger Fremdmittel sind vielfältig. Kurzfristige Fremdmittel können sowohl von Nichtbanken (Lieferanten, Kunden, Factoring-Gesellschaften) als auch von Kreditinstituten bereitgestellt werden. Letztere stellen i. d. R. die Mittel in Form von Geld zur Verfügung («Geldleihen»); in einigen wenigen Fällen liegt keine «Geldleihe», sondern eine «Kreditleihe» vor: Das Kreditinstitut tritt mit seiner eigenen Kreditwürdigkeit für einen Kunden ein, der diese anstelle des Einsatzes eigener finanzieller Mittel nutzt. Abbildung 7.3 enthält nicht die Möglichkeiten der (kurzfristigen) Fremdkapitalbeschaffung, die ausschließlich großen, international als bonitätsstark anerkannten Unternehmen in Form von Euro-Notes oder Commercial-Paper-Programmen zur Verfügung stehen. 7.2 Kredite von Nichtbanken 7.2.1 Lieferantenkredit Der wichtigste Kredit von Nichtbanken ist der Lieferantenkredit. Der Lieferant liefert eine Ware, gewährt dem Abnehmer ein Zahlungsziel von z. B. 30 Tagen und sichert seinen Zahlungsanspruch i. d. R. durch Vereinbarung eines einfachen bzw. verlängerten Eigentumsvorbehalts. Der Abnehmer kann die Ware verarbeiten und weiterverkaufen und somit die Zahlungsverpflichtung ganz oder zum Teil aus seinen Umsatzeinzahlungen decken. Der Lieferantenkredit ist bequem, weil er im Möglichkeiten der Beschaffung kurzfristiger Fremdmittel Mittel, die von Nichtbanken bereitgestellt werden • Lieferantenkredit • Einrichtungskredit • Kundenanzahlung • Factoring Mittel, die von Kreditinstituten bereitgestellt werden Kreditinstitut stellt Mittel unmittelbar zur Verfügung • Kontokorrentkredit • Lombardkredit • Diskontkredit Kreditinstitut stellt seine eigene Kreditwürdigkeit zur Verfügung • Akzeptkredit • Avalkredit Abbildung 7.3: Beschaffungsmöglichkeiten kurzfristiger Fremdmittel <?page no="267"?> Vergleich zu einer Kreditgewährung durch Kreditinstitute nahezu formlos gewährt wird. Diese Bequemlichkeit muß i. d. R. bezahlt werden. Lieferanten gewähren i. d. R. Skonto; d. h. wird der Rechnungsbetrag innerhalb einer definierten Frist - z. B. 10 Tage - bezahlt, hat der Abnehmer das Recht, den vereinbarten Skontosatz - z. B. 3 % - vom Rechnungsbetrag in Abzug zu bringen. Dieses Recht verfällt, wenn erst am 11., 12., …, 30. Tag bezahlt wird. Rational handelnde Abnehmer bezahlen bei Nichtinanspruchnahme des Skontosatzes erst am 30. Tag und verlieren somit 3 % auf den Rechnungsbetrag für ein zusätzliches Zahlungsziel von 20 Tagen. Wenn ZZ das Zahlungsziel (30), SF die Skontofrist (10) und S der Skontosatz ist, berechnen sich die Kreditkosten i aus (7.1) ZZZ 365 S i − ⋅ = SF und betragen im Beispiel 54,75 %. Die Zeitspanne zwischen ZZ und SF, die sog. Skontobezugsspanne, muß also erheblich sein, damit die Kosten eines Verzichts auf den Skontoabzug in die Nähe der Kosten anderer kurzfristiger Fremdfinanzierungsmöglichkeiten rücken. Die volle Ausnutzung des von Lieferanten gewährten Zahlungszieles ist somit teuer. Daß viele Abnehmer den Lieferantenkredit dennoch (ohne Skontoabzug) nutzen, hat vermutlich verschiedene Ursachen: Die Verschuldung mancher Unternehmen ist so hoch, daß sie keine zusätzlichen Bankkredite bekommen. Neu gegründete Unternehmen ohne nachgewiesene Ertragskraft und ohne Sicherheiten müssen ebenfalls auf Lieferantenkredite ausweichen. Andere schließlich senken die Kosten, indem sie die Zahlungsziele kräftig überziehen, d. h. die Frist ZZ - SF deutlich überschreiten. Eine besondere Form des Lieferantenkredits ist der Einrichtungskredit, der z. B. von Brauereien an Gaststätten und von Mineralölgesellschaften an Tankstellen gewährt wird. 7.2.2 Kundenanzahlungen Kundenanzahlungen sind üblich z. B. im Schiffsbau, Großmaschinenbau und im Baugewerbe. Anzahlungen sind teils vor Aufnahme der Produktion, teils bei teilweiser Fertigstellung zu zahlen. Kundenanzahlungen erfüllen mehrere Funktionen. Sie reduzieren Kapitalbedarf und Höhe der Vorfinanzierungsleistung des Produzenten. Zugleich sichern sie den Produzenten vor dem Risiko, daß der Auftraggeber das Produkt nicht abnimmt, weil der selbst gebunden ist, oder, wenn er es nicht abnimmt, vor dem Risiko hoher Ausfälle bei anderweitiger Verwertung. Zugleich entsteht mit der Anzahlung für den Auftraggeber das Risiko, daß der Produzent nicht liefert. Zur Deckung dieses Risikos sind Leistungsgarantien verbreitet, die die durch eine Bank gesicherte Zahlung einer Konventionalstrafe versprechen, wenn der Produzent nicht oder nicht pünktlich leistet. Kurzfristige Fremdfinanzierung · 265 <?page no="268"?> 266 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 7.3 Kredite von Kreditinstituten 7.3.1 Kontokorrentkredit Der wichtigste kurzfristige Kredit, den Kreditinstitute vergeben, ist der Kontokorrentkredit. Ein Kontokorrentkredit ist ein Kredit, der vom Kreditnehmer bis zu einem vertraglich festgelegten Maximalbetrag, der Kreditlinie, in Anspruch genommen werden darf. Formal ist ein Kontokorrentkredit kurzfristig, faktisch ist er i. d. R. langfristig, es sei denn, der Kreditnehmer gibt der Bank wegen mangelnder Liquidität oder wegen mehrfacher Verstöße gegen vertragliche Vereinbarungen Anlaß zur Kündigung des Kredits. Die Kosten des Kontokorrentkredits setzen sich zusammen aus • den Zinsen auf den in Anspruch genommenen Betrag, • ggf. einer Bereitstellungsprovision auf den nicht in Anspruch genommenen Betrag, • der Überziehungsprovision für Beträge, die die Kreditlinie übersteigen und • den Gebühren für die Führung des Kontos. 7.3.2 Lombardkredit Basis eines Lombardkredits ist die Verpfändung beweglicher, marktgängiger Vermögensgegenstände. Genutzt wird die güterwirtschaftliche Liquidität eines Vermögensgegenstandes, der durch Übergabe an das Kreditinstitut zugleich als Sicherheit dient. Lombardfähige Vermögensgegenstände sind Effekten, Edelmetalle und Waren, Wechsel und Forderungen. Die von Kreditinstituten angesetzten Beleihungsgrenzen schwanken zwischen ca. 50 % für Waren und 80 % für festverzinsliche Wertpapiere. Der Zins, der für Lombardkredite zu bezahlen war (Lombardsatz), lag gewöhnlich 1-1,5 %-Punkt über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. Europäischen Zentralbank. 7.3.3 Diskontkredit Ein Lieferant, der Forderungen an Abnehmer hat, kann diese Forderungen durch einen Wechsel i. S. des Art. 1 des Wechselgesetzes (WG), den der Schuldner akzeptiert, verbriefen. Der Wechsel kann bei einer Bank unter bestimmten Bedingungen zur Diskontierung eingereicht werden: Die noch nicht fällige Forderung an den Lieferanten wird - in Wechselform gekleidet - an die Bank verkauft. Die Bank schreibt dem Lieferanten den Betrag vermindert um Zinsen für die Restlaufzeit (Diskont) und Spesen gut und gewährt damit dem den Wechsel einreichenden Lieferanten Kredit (Einzelheiten bei Wöhe/ Bilstein [Grundzüge] 320-323). <?page no="269"?> Die Kosten des Diskontkredits bestehen aus dem Diskont, wobei der Diskontsatz der Bank abhängig vom Diskontsatz der Zentralbank ist. 7.3.4 Akzeptkredit Ein Akzeptkredit liegt vor, wenn ein Kreditinstitut einen auf es selbst gezogenen Wechsel eines Kunden (Ausstellers) akzeptiert, d. h., sich verpflichtet, den Betrag, auf den der Wechsel lautet, an den jeweiligen Inhaber zu zahlen. Der Kunde verpflichtet sich, den Wechselbetrag vor der Fälligkeit des Wechsels bei der Bank bereitzustellen. Der Kunde kann den vom Kreditinstitut akzeptierten Wechsel benutzen, um ihn diskontieren zu lassen oder um ihn an Lieferanten weiterzugeben. Durch das Akzept stellt das Kreditinstitut keine liquiden Mittel zur Verfügung, erhöht aber durch seine Unterschrift die (güterwirtschaftliche) Liquidität des Wechsels, da dieser - die Kreditwürdigkeit des akzeptierenden Kreditinstituts unterstellt - fast wie Geld genutzt werden kann. Das Kreditinstitut leiht nicht Geld, sondern seinen Kredit: es liegt eine Kreditleihe vor. Die Kosten des Akzeptkredites bestehen in der Akzeptprovision. Der Akzeptkredit spielt insbesondere im Außenhandel eine Rolle, wenn die Vertragspartner ihre Kreditwürdigkeit nicht verläßlich einschätzen können (Rembourskredit). 7.3.5 Avalkredit Ein Avalkredit entsteht durch die Bürgschaft oder Garantie einer Bank, für die Verpflichtung eines Kunden, die dieser gegenüber einem Dritten eingegangen ist, einzustehen. Wie beim Akzeptkredit liegt auch hier eine Kreditleihe vor, da keine liquiden Mittel bereitgestellt werden, sondern ein Zahlungs- oder Leistungsversprechen des Kunden durch die Zusicherung des Kreditinstituts, bei Vorliegen zu definierender Bedingungen zu leisten, nachdrücklich gestützt wird. Der Vorteil ist darin zu sehen, daß für den Begünstigten die Sicherheit der (garantierten) Zusage steigt, ohne daß er über die Kreditwürdigkeit oder das sonstige Leistungsvermögen des Vertragspartners eigene, kostenverursachende Informationen beschaffen und auswerten muß. Zu den Anwendungsbereichen des Avalkredits zählen z. B.: • Zollaval: Das Kreditinstitut verbürgt sich gegenüber der Zollverwaltung für einen Importeur, die diesem dann Zahlungsaufschub für Zölle gewährt. • Frachtaval: Unternehmen werden Frachtgebühren z. B. gegenüber der Deutschen Bahn gestundet, wenn ein Kreditinstitut eine entsprechende Bürgschaft gegenüber der Bank, die die Abrechnung für die Deutsche Bahn übernimmt, leistet. • Bietungsgarantie: Bei öffentlichen Ausschreibungen besteht für die Auftraggeber das Risiko, daß das Unternehmen, das den Zuschlag erhält, den Auftrag Kurzfristige Fremdfinanzierung · 267 <?page no="270"?> 268 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung nicht oder nicht vollständig ausführt. Die Lösung besteht in der Vereinbarung von Konventionalstrafen, die den Auftragnehmer binden, und in der Absicherung durch eine Bietungsgarantie eines Kreditinstituts, das die Konventionalstrafe auch dann leistet, wenn der Auftraggeber nicht leisten will oder nicht (mehr) kann. • Gewährleistungsgarantie: Das Kreditinstitut übernimmt hier die Verpflichtung, daß der Lieferant (Produzent) die Gewährleistung für gelieferte Waren oder erbrachte Leistungen übernimmt. Für die Bereitstellung von Avalkrediten berechnen Kreditinstitute Avalprovisionen, deren Höhe sich nach Risiko und Laufzeit des Engagements richtet. Sie liegen zwischen 0,5 % und 3 % pro Jahr. 7.3.6 Factoring Ein Unternehmen, das Zahlungsziele einräumt, finanziert die Beträge vor, hat die Zahlungseingänge zu überwachen, ein Mahnsystem zu organisieren, ggf. Beitreibungsmaßnahmen einzuleiten und ein Ausfallsrisiko zu übernehmen. Alle Funktionen könnten im Prinzip aus dem Unternehmen ausgegliedert werden. Übernimmt ein Vertragspartner diese Funktionen, liegt ein Factoring-System vor: ein Factor (Wöhe/ Bilstein [Grundzüge] 302-306) • kauft die Forderungen des Lieferanten an und bevorschußt sie und übernimmt damit die Finanzierungsfunktion, • kann das Risiko des Forderungsausfalls übernehmen und • kann das Mahnwesen betreiben und ggf. Beitreibungsmaßnahmen ergreifen. Übernimmt der Factor alle genannten Funktionen, liegt sog. echtes Factoring vor. Verbleibt das Ausfallrisiko beim Lieferanten, handelt es sich um «unechtes Factoring». Vom Kreditwesengesetz (KWG) werden Factoring-Institute als «Finanzunternehmen» eingeordnet. Sie unterliegen nicht den Bestimmungen des KWG. 7.4 Euronotes und Commercial Paper Große Unternehmen, deren Bonität international bekannt und i. d. R. durch ein Bonitätsrating einer der bekannten Rating-Agenturen (Moody’s, Standard and Poor’s, Fitch) belegt ist, haben Möglichkeiten der kurzfristigen Fremdfinanzierung, die mittelständischen Unternehmen nicht offenstehen. Auf diese soll hier kurz hingewiesen werden. Euronotes sind Schuldtitel mit kurzen Laufzeiten von 1 bis 6 Monaten. Kennzeichnend ist eine Vereinbarung zwischen einer oder mehreren Banken mit dem Kapitalnehmer, die diesem die Möglichkeit einräumt, sich durch revolvierende <?page no="271"?> Plazierungen von Euronotes, also Geldmarktpapieren, bis zu einem definierten Höchstvolumen zu finanzieren. Euronotes werden i. d. R. nicht an Börsen notiert. Sollte die Plazierung der Papiere am Markt nicht gelingen, verpflichten sich die als Underwriter fungierenden Kreditinstitute, die Euronotes zu einem vereinbarten Zinssatz selbst zu übernehmen oder alternative Kredite bereitzustellen (Stand-by- Linie). Unter den beteiligten Kreditinstituten unterscheidet man die Funktion des Arrangeurs, der Underwriter und der Placing Agents. Aufgabe des Arrangeurs ist die Vertrags- und Konditionengestaltung und die Zusammenstellung der Underwriter. Underwriter sind die Kreditinstitute, die sich verpflichten, die Papiere zu platzieren (Placing Agents) und sie im Fall ausbleibenden Erfolges selbst zu übernehmen. Sie übernehmen damit Risiko, wofür sie eine Risikoprämie erhalten. Für den Kreditnehmer bestehen die Vorteile von Euronotes darin, daß ihre Laufzeiten präzise auf seinen Kapitalbedarf zugeschnitten werden können und daß er seinen Bedarf zu geldmarktnahen Sätzen decken kann. Durch die Stand-by-Vereinbarungen mit den beteiligten Kreditinstituten wird ein Risiko bei unzureichender Plazierung so gut wie ausgeschlossen. Käufer von Euronotes sind im wesentlichen Unternehmen, Investmentfonds, Banken und staatliche Investoren. Euronotes haben mit dem Aufkommen von Commercial-Paper-Programmen etwas an Bedeutung verloren. Im Unterschied zu Euronotes gehen die beteiligten Kreditinstitute keine Verpflichtung ein, die Papiere im Nichtplazierungsfall zu übernehmen; sie bieten auch keine Stand-by-Linien an. Das Plazierungsrisiko liegt somit ausschließlich beim Emittenten. 8 Zusammenfassung Fremdfinanzierung ist eine bedeutungsvolle Form der Finanzierung. Sie wird diese Bedeutung behalten. Das gilt insbesondere für die deutsche Volkswirtschaft, die seit jeher durch ihre institutionellen Rahmenbedingungen (Rechnungslegung, Kreditsicherungsrecht, Bankenwettbewerb, Insolvenzrecht etc.) die Gläubigerposition gestützt hat. Abschnitt 2 beschreibt die Ursachen der Ausfallrisiken von Gläubigern. Abschnitt 3 zeigt, dass und wie Gläubiger ihre Position verteidigen können. Zusammen mit dem in Kapitel 12 noch zu besprechenden Instrumenten des Insolvenzrechtes, stellen Gläubiger eine verteidigungsfähige, kompetente Gruppe von Financiers dar, die Schuldner überwachen und disziplinieren können. Die in Abschnitt 5 dargestellte Fallstudie vermittelt einen überzeugenden Eindruck von der Disziplinierungsfähigkeit. Dann werden die wichtigsten Formen der lang- und kurzfristigen Finanzierung referiert. Die bestehende Vielfalt ist ebenfalls ein Hinweis auf einen funktionierenden Markt, in dem die Teilnehmer ihren Präferenzen entsprechende Vertragsformen entwickeln. Zusammenfassung · 269 <?page no="272"?> 270 · Kapitel 7 Fremdfinanzierung 9 Literaturhinweise Beukner, Axel-Günter: Rentenmarkt. In: Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, W. Gerke/ M. Steiner (Hrsg.), 3. Aufl., Stuttgart 2001, Sp. 1819-1826. 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Literaturhinweise · 271 <?page no="275"?> Finanzierungs-Leasing-Verträge Kapitel 8 Inhalt 1 Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2 Finanzierungs-Leasing-Vertrag und vollkommener Kapitalmarkt. . . . . . 278 3 Finanzierungs-Leasing-Verträge und unterschiedliche Besteuerung . . . . 282 4 Fallstudie: Optimale Leasing GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.1 Sachverhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.2 Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 6 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Anhang 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1 Problem Ein Leasingvertrag ist eine Übereinkunft zwischen zwei Parteien über die zeitweise Überlassung eines beweglichen bzw. unbeweglichen Gegenstandes gegen Entgelt. Üblicherweise werden drei Formen von Leasingverträgen unterschieden: • Finanzierungs-Leasing-Verträge (financial lease), • Operating-Leasing-Verträge (operating lease) und • Sale-and-lease-back-Verträge. Ein Finanzierungs-Leasing-Vertrag verpflichtet die Leasinggesellschaft (den Leasing-Geber LG), ein vom Leasingnehmer (LN) gewünschtes Investitionsprojekt zu beschaffen und zu finanzieren. Der LG stellt das Projekt dem LN während einer vom LN unkündbaren Grundmietzeit zur Verfügung, an deren Ende dem LG das Herausgaberecht zusteht. Der LN verpflichtet sich, im Vertrag festgelegte Leasingraten (LR t ) für jede Periode der Nutzung zu zahlen. Eigentümer des Leasingprojekts bleibt der LG, der das Projekt daher steuerlich wirksam abschreibt, wenn bestimmte, vom Fiskus vorgegebene Bedingungen eingehalten sind. Operating-Leasing-Verträge sind von beiden Vertragspartnern i. d. R. kündbare Verträge, wobei gewisse Kündigungsfristen zu beachten sind. Sale-and-lease-back-Verträge sind i. d. R. Finanzierungs-Leasing-Verträgen sehr ähnlich. Hier ist der LN Eigentümer des Investitionsprojekts, das Gegenstand des Leasingvertrages sein wird. Der LN überträgt daher dem LG das Eigentum an dem <?page no="276"?> 274 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Projekt und verschafft sich die Nutzungsrechte, die einen Verkauf des Projektes ausschließen, durch Abschluß eines Finanzierungs-Leasing-Vertrages. Der LG vergütet dem LN den vereinbarten Kaufpreis; der LN zahlt an den LG die vereinbarten Leasingraten. Im folgenden werden Finanzierungs-Leasing-Verträge behandelt. Leasing-Geschäfte betreibende Gesellschaften erfreuen sich seit Jahren hoher jährlicher Umsatzzuwächse. Was macht Leasing-Geschäfte für Leasingnehmer attraktiv? Welche Vorteile können Leasing-Gesellschaften (Leasing-Geber) bieten, die sich Leasingnehmer nicht auch selbst verschaffen können? Warum existieren Leasing-Gesellschaften? Worin bestehen die Vorteile von Finanzierungs-Leasing- Verträgen? Folgt man verbreiteten Argumenten, ist diese Frage schnell beantwortet. Diese Argumente sind oft mit Vorsicht zu genießen, wie das folgende nicht untypische Argument der erfundenen Westfälischen Leasing GmbH zeigt. In deren Prospekt heißt es: «… dürfen wir Sie mit den Vorteilen des Finanzierungs-Leasing-Vertrages bekannt machen. Diese Vorteile sind: (1) Ihr Verschuldungsspielraum wird nicht begrenzt, da wir die Anlagen 100 %ig finanzieren und Leasingprojekt nicht aktiviert und Leasingverbindlichkeiten nicht passiviert werden. (2) Sie erzielen hohe Steuerersparnisse, wie das folgende Beispiel zeigt: Kaufpreis einer Anlage 80.000 Euro Ökonomische Nutzungsdauer 8 Jahre Abschreibung linear geschätzter Restverkaufserlös in t = 8 0 Fremdkapitalkosten 6 % Gewinnsteuersatz 40 % Leasingraten während der Grundmietzeit in t 0 16.000 Euro in t 1 , t 2 , t 3 , t 4 21.070 Euro Deshalb leasen Sie! » Sie überlegen, wie stichhaltig die angeführten Argumente sind. Zunächst ist die von der Westfälischen Leasing GmbH erstellte Tabelle zu interpretieren. Das Leasing-Unternehmen hebt die höheren Steuerersparnisse bei Abschluß eines Leasingvertrages hervor im Vergleich zu einer Alternative, die sich Investoren häufig bietet: Kauf und vollständige Fremdfinanzierung der Anlage. In Spalte (1) der Tabelle 8.1 sind die vertragsmäßigen, vom Leasingnehmer zu leistenden Leasingraten aufgeführt. Spalte (2) weist die Steuerersparnisse des LN <?page no="277"?> Problem · 275 bei einem unterstellten Gewinnsteuersatz s von 40 % aus. Diese Steuerersparnisse fallen unter zwei Bedingungen an: a) Die Steuerbehörde erkennt gezahlte Leasingraten als die Steuerbemessungsgrundlage verkürzend an. Das wird hier angenommen. b) Der Investor muß, um Steuerersparnisse realisieren zu können, ohne Abschluß eines Leasingvertrages zu versteuernde Gewinne erzielen. Durch gezahlte Leasingraten entstehen nur dann Gewinnsteuereinsparungen, wenn auch ohne Abschluß des Leasingvertrages mindestens Gewinnsteuern in Höhe der errechneten Ersparnis gezahlt worden wären. Auch das soll unterstellt werden. Trifft diese Unterstellung nicht zu, entstehen steuerliche Verluste, die ggf. zurückgetragen (Verlustrücktrag) oder vorgetragen (Verlustvortrag) werden können. Finanzierungs-Leasing t (1) Leasing-Rate (LR t ) (2) s · LR t = Steuerersparnis 0 1 2 3 4 16.000 21.070 21.070 21.070 21.070 6.400 8.428 8.428 8.428 8.428 Kauf und Fremdfinanzierung t (3) Abschreibungen (Ab t ) (4) Zinsen (Zi t ) (5) s (Abt + Zi t ) = Steuerersparnis (6) = (2) - (5) 0 1 2 3 4 - 10.000 10.000 10.000 10.000 - 4.800 4.315 3.801 3.256 - 5.920 5.726 5.520 5.302 6.400 2.508 2.702 2.908 3.126 Tabelle 8.1: Vergleich der Steuerersparnisse bei Abschluß eines Finanzierungs-Leasing-Vertrages und bei Kauf der Anlage bei Fremdfinanzierung in den Perioden 1-4 Würde der Investor nicht leasen, sondern den Anlagegegenstand kaufen und mit Fremdmitteln finanzieren, reduzieren die Abschreibungen - Spalte (3) - und die Zinszahlungen 46 - Spalte (4) - die Steuerbemessungsgrundlage. Unter der Prä- 46 Es ist im Beispiel angenommen, daß der Kredit in Höhe von 80.000 in 8 Jahren in gleichen Annuitäten in Höhe von ca. 12.883 zu tilgen und zu verzinsen ist. Der Zinsbetrag pro Periode ergibt sich aus der Restschuld zu Beginn der Periode multipliziert mit dem Zinssatz i = 0,06. <?page no="278"?> 276 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge misse einer positiven und hinreichend hohen Steuerbemessungsgrundlage errechnet sich eine Steuerersparnis in Höhe von s (Abschreibung + Zinsen) pro Periode, die in Spalte (5) ausgewiesen ist. Spalte (6) weist die Differenz der Steuerersparnisse im Leasing-Fall und im Fall des fremdfinanzierten Kaufs der Anlage aus. Diese Differenzen sprechen zugunsten des Leasingvertrages. Die Argumente sind nun zu überprüfen. Zu Argument (1): Die Westfälische Leasing GmbH behauptet, die Anlage zu 100 % vorzufinanzieren. Diesem Argument kann nur bedingt gefolgt werden. Aus Tabelle 8.1 ergibt sich, daß der LN bei Lieferung der Anlage in t = 0 16.000 Euro, d.h. 20 % des Kaufpreises der Anlage von 80.000 Euro leisten muß. Das Leasing-Unternehmen finanziert insoweit nur 80 % des Kaufpreises. Die Westfälische Leasing GmbH behauptet weiter, der Verschuldungsspielraum des Leasingnehmers würde nicht eingeengt: seine Fähigkeit, weitere Fremdmittel aufzunehmen, werde davon nicht beeinflußt. Es ist dem Prospekt nicht zu entnehmen, wie dies begründet wird. Man ist auf Vermutungen angewiesen. Weil die Leasing-Gesellschaft in ihrer weiteren Argumentation die Alternativen (a) Leasingvertrag und (b) Kauf bei vollständiger Fremdfinanzierung vergleicht, kann vermutet werden, daß sie ihr Argument auf unterschiedliche Bilanzausweise stützt. Kaufte der Investor die Anlage und finanzierte sie mit Fremdmitteln, ist die Anlage in Höhe der Anschaffungskosten zu aktivieren, die Fremdmittel in Höhe des Nominalbetrages zu passivieren. Kreditgeber, die den Verschuldungsgrad des Investors über Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung messen, werden über die zusätzliche Verschuldung informiert. Dies wäre im Falle des Abschlusses eines Leasingvertrages dann nicht der Fall, wenn Leasing-Gegenstände beim LN nicht aktiviert und die Leasing-Verbindlichkeiten folglich nicht passiviert würden, eine Dokumentation in der Bilanz und damit eine Information der Kreditgeber also unterbliebe. Die Nichtaktivierung hätte zur Folge, daß nur die Leasingraten der Periode als Aufwand dokumentiert würden. In der Gewinn- und Verlustrechnung würden sie unter «sonstige betriebliche Aufwendungen» ausgewiesen. Sie sind damit für außenstehende Bilanzleser als Leasingraten nicht zu erkennen. 47 Man darf folgern, daß ein Leasingvertrag in Verbindung mit festen, vertraglich vereinbarten, während der Grundmietzeit nicht abänderbaren Ratenzahlungen die weiteren Verschuldungsmöglichkeiten des LN nur dann nicht berührt, wenn den potentiellen Kreditgebern diese Zahlungsverpflichtungen verschwiegen werden. Weil Kreditanalysten nach solchen Zahlungsverpflichtungen generell fragen, führt ein Verschweigen in die Nähe des Kreditbetrugs. 47 Große und mittelgroße Kapitalgesellschaften haben Leasingverpflichtungen im Anhang gemäß § 285 Ziff. 3 i. V. m. § 288 S. 1 HGB zu erläutern. <?page no="279"?> Problem · 277 Zu Argument (2): Der LG argumentiert zugunsten des Finanzierungs-Leasing-Vertrages ausschließlich über die hier im Vergleich zur Alternative höheren Steuerersparnisse. Bei gegebenen Nettoeinzahlungen vor Steuern ist die Minimierung von Steuerzahlungen keine unvernünftige Zielsetzung. In der Beispielrechnung der Westfälischen Leasing GmbH bleiben die verfügbaren Überschüsse aber unerwähnt. Angenommen, die Überschüsse vor Steuern und vor Berücksichtigung von Leasingraten einerseits und Abschreibungen, Zinsen und Tilgungen andererseits seien im Zeitraum von t 0 bis t 4 40.000 pro Periode. Über welche Überschüsse kann der Investor bei Abschluß eines Leasingvertrages bzw. nach Kauf bei Fremdfinanzierung der Anlage während der Grundmietzeit verfügen? t (1) (2) Leasingraten (3) Steuern s [(1)-(2)] (4) Verfügbare Überschüsse 0 1 2 3 4 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 16.000 21.070 21.070 21.070 21.070 9.600 7.572 7.572 7.572 7.572 14.400 11.358 11.358 11.358 11.358 Tabelle 8.2: Verfügbare Überschüsse bei Abschluß eines Finanzierungs-Leasing-Vertrages während der Grundmietzeit t (1) (2) Abschreibungen (3) Zinsen (4) Steuern s [(1) - (2) - (3)] (5) Tilgung (6) Verfügbare Überschüsse [(1) - (3) - (4) - (5)] 0 40.000 - - 16.000 - 24.000 1 40.000 10.000 4.800 10.080 8.083 17.037 2 40.000 10.000 4.315 10.274 8.568 16.843 3 40.000 10.000 3.801 10.480 9.082 16.637 4 40.000 10.000 3.256 10.698 9.627 16.419 Tabelle 8.3: Verfügbare Überschüsse bei Kauf und vollständiger Fremdfinanzierung der Anlage während der Grundmietzeit Auf den ersten Blick sieht es nunmehr so aus, als seien die verfügbaren Überschüsse nach Tilgung, Zinsen und Steuern im Fall vollständiger Fremdfinanzierung höher als im Fall eines Leasingvertrages. Aber dieser erste Blick täuscht. Der Leasinggeber beschränkt sein Kalkül auf vier Perioden, also die Zeitspanne, die der Grundmietzeit entspricht. Der Kreditvertrag ist in der Beispielrechnung auf acht <?page no="280"?> 278 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Jahre ausgelegt; die vom Käufer zu entrichtende Annuität in Höhe von 12.882,88 ist acht Jahre lang zu entrichten. In der Beispielrechnung, die über vier Jahre geht, hat das Unternehmen Tilgungen in Höhe von 35.360 erbracht; der Rest ist noch zu erbringen. Folglich ist der Kalkül in den Tabellen 8.2 und 8.3 unvollständig. Es muß beachtet werden, wie die Nettoeinzahlungen in den Perioden 5-8 aussehen, um die verfügbaren Überschüsse nach Tilgung, Zinsen und Steuern zu berechnen. Es ist auch zu prüfen, wie hoch der Restverkaufserlös der Anlage in t = 4 ist. Auf diesen verzichtet der Leasinggeber nämlich, wenn der Leasinggeber sein Herausgaberecht nutzt. Schließlich ist zu klären, wie die verfügbaren Überschüsse im Leasingfall und im Fall vollständiger Fremdfinanzierung zu diskontieren sind, damit man mittels des Barwertvergleichs eine begründete Entscheidung treffen kann. 2 Finanzierungs-Leasing-Vertrag und vollkommener Kapitalmarkt Angenommen, es besteht ein vollkommener Kapitalmarkt bei Sicherheit. Der Zinssatz i vor Steuern sei 0,10. Investitionsgüter können auf beliebige Arten finanziert werden. Hierzu zählt auch die Möglichkeit, einen Finanzierungs-Leasing-Vertrag abzuschließen. Weiterhin sei angenommen, daß auf dem Markt für Investitionsgüter und auf dem Markt für Leasingverträge vollkommener Wettbewerb herrscht. Eine Leasinggesellschaft (LG) will einen Leasingvertrag anbieten, dem folgende Daten zugrunde liegen: • Anschaffungsauszahlung für den Leasinggegenstand 20.000; • s = 0,5; • 5-jährige, unkündbare Grundmietzeit; • Aktivierung und lineare Abschreibung des Leasinggegenstandes beim LG; • der Restverkaufserlös (RVE) am Ende der Periode 5 steht dem LG zu; der Restverkaufserlös beträgt zu diesem Zeitpunkt 1.000. Welche Mindest-Leasingraten muß der LG fordern, wenn seine Kapitalkosten nach Steuern i (1-s) = 0,05 betragen? Der LG erhält die Leasingraten nach Steuern, die Steuerersparnisse aufgrund der von ihm verrechneten Abschreibungen und den Restverkaufserlös nach Steuern. Die Mindest-Leasingraten ergeben sich somit aus (8.1). 48 48 RBW 5 bezeichnet den Restbuchwert im Zeitpunkt 5. Im Beispiel beträgt er Null, weil 0 t 5 1 t I = ∑ = Ab gilt. Wenn der Restbuchwert am Ende der letzten Periode Null ist, kann er in den Formeln entfallen. <?page no="281"?> (8.1) 5 5 -t t =1 t = 1 -5 -5 -t ∑ ∑ t s LR (1 - s) (1 + i ) + sAb t (1 + i ) s + RVE (1 - s) 5 (1+1 ) s + sRBW (1+ i ) 5 s -I = 0. 0 t (1) LR t (2) Ab t (3) S t = s (LR t - Ab t ) (4) LR t - S t (5) RVE 5 (1 - s) 1 2 3 4 5 5.058 5.058 5.058 5.058 5.058 4.000 4.000 4.000 4.000 4.000 529 529 529 529 529 4.529 4.529 4.529 4.529 4.529 500 Tabelle 8.4: Nettoeinzahlungen des LG nach Steuern Unter der Annahme uniformer Leasingraten während der Grundmietzeit beträgt die Mindest-Leasingrate LR t ≅ 5.058 für t = 1, …, 5 und zwar unabhängig davon, ob der LG die Finanzierung des Objektes durch Eigen- oder Fremdmittel oder eine beliebige Mischung von Eigen- und Fremdmitteln bewerkstelligt. Eine Proberechnung zeigt, daß LR t in Höhe von 5.058 dem LG genau eine Verzinsung von i s = 0,05 liefern. Der Barwert der Nettoeinzahlungen in den Spalten (4) und (5) der Tabelle 8.4 bewertet mit i s = 0,05 abzüglich I 0 = 20.000 beträgt 0. Betrachten wir nun den LN. Seine alternativen Handlungsmöglichkeiten zur Finanzierung des Kaufpreises des Projektes sind Eigenund/ oder Fremdfinanzierung. Finanziert der LN mit Eigenmitteln und entsprechen die dem Investitionsprojekt zurechenbaren Nettoeinzahlungen mindestens den vom LG geforderten Leasingraten, stellt sich der Kalkül des LN so dar: t (1) Mindest-NE t (2) Ab t (3) S t = s (NE t - Ab t ) (4) NE t - S t (5) RVE 5 (1 - s) 1 2 3 4 5 5.058 5.058 5.058 5.058 5.058 4.000 4.000 4.000 4.000 4.000 529 529 529 529 529 4.529 4.259 4.529 4.529 4.529 - - - - 500 Tabelle 8.5: Kalkül des LN bei Kauf und Eigenfinanzierung Finanzierungs-Leasing-Vertrag und vollkommener Kapitalmarkt · 279 <?page no="282"?> 280 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Der Nettokapitalwert für die Alternative Kauf- und Eigenfinanzierung ergibt sich aus (8.2) [ ] 5 K,E 0 ∑ NKW = -I 0 + t = 1 NE t - s (NE t - Ab t ) (1 + i s ) -t + RVE 5 (1- s)(1+i s ) -5 + sRBW 5 (1+i s ) -5 = 0. Der Leasingvertrag (LV) ist damit ebensogut wie die Alternative Kauf und Eigenfinanzierung. Denn wird ein LV abgeschlossen, gilt (8.3) 5 L t 1 = ∑ NKW 0 = (NE t - LR t ) (1 - s) (1 + i s ) -t = 0. LN erreichen auf vollkommenem Kapitalmarkt das gleiche wie LG. Daran ändert sich auch nichts, wenn der LN die Anschaffungsauszahlung vollständig fremdfinanziert oder in irgendeinem Mischungsverhältnis von Eigen- und Fremdmitteln finanziert. Bei vollständiger Fremdfinanzierung (F 0 = I 0 ) zum Zinssatz i = 0,10 ergeben sich die folgenden bewertungsrelevanten Zahlungen: t (1) Mindest- NE t (2) Ab t (3) iF t-1 (4) T t (5) S t = s (NE t - Ab t - iF t-1 ) (6) NE t - iF t-1 - T t - S t (7) RVE 5 (1 - s) 1 2 3 4 5 5.058 5.058 5.058 5.058 5.058 4.000 4.000 4.000 4.000 4.000 2.000 1.672 1.312 916 480 3.276 3.604 3.964 4.360 4.796 -471 -307 -127 71 289 253 89 -91 -289 -507 500 Tabelle 8.6: Kalkül des LN bei Kauf und vollständiger Fremdfinanzierung Der Nettokapitalwert für den Fall Kauf und vollständige Fremdfinanzierung ergibt sich aus (8.4): (8.4) 5 K,F ∑ NKW 0 = t = 1 (NE t - iF t-1 - T t - S t ) (1+i s ) -t + RVE 5 (1-s) (1+i s ) -5 + sRBW 5 (1+i s ) -5 = 0. Hierbei ist eine Annuitätentilgung in Höhe von 5.276 pro Periode unterstellt. Außerdem ist angenommen, daß im Verlustfalle dem Unternehmen ein Betrag in Höhe von s · Verlust rückvergütet wird (Negativsteuer). Der Nettokapitalwert ist erneut gleich Null. Der Abschluß eines Leasingvertrages hat somit auch im Vergleich zu einer vollständigen Fremdfinanzierung des Kaufs des Investitionsprojektes keine Vorteile. Akzeptiert man die Regel, daß ein Vertrag <?page no="283"?> für beide Seiten Vorteile bieten sollte, gibt es für Finanzierungs-Leasing-Verträge unter den gesetzten Bedingungen keine Chancen. Oder: Auf vollkommenem Kapitalmarkt gibt es keine Existenzberechtigung für Leasing-Gesellschaften. Eine berechtigte und wichtige Frage ist es daher, welche Eigenschaften von Finanzierungs- oder Gütermärkten in der Realität die Existenz von Leasing-Gesellschaften bewirken bzw. begünstigen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können verschiedene mögliche Ursachen genannt werden. Leasing-Gesellschaften könnten z. B. • steuerliche Vorteile haben, die anderen Unternehmen regelmäßig nicht zugänglich sind; • Zahlungsstrukturen für Leasingraten anbieten, die den Abschluß von Leasingverträgen für LN attraktiver machen und die über andere Finanzierungsverträge (Kredite) nicht erreichbar sind; • Investitionsprojekte zu günstigeren Preisen (Mengenrabatte) einkaufen als andere Investoren und/ oder höhere Restverkaufserlöse erzielen; • über rationellere Methoden der Wartung von Leasingprojekten verfügen; • sich günstiger refinanzieren als andere Kreditgeber. Träfe der eine oder andere der genannten Gründe zu, könnten LG einen Teil der Vorteile an LN weitergeben: Denn Leasingverträge müssen für beide Parteien vorteilhaft sein. Daß der Nachweis eines auf beide Parteien, den LG und den LN, aufteilbaren Vorteils nicht einfach zu führen ist, soll die folgende Überlegung zeigen. Angenommen, ein LG will eine für den LN günstigere Struktur der Leasingraten anbieten. Damit ändert sich auch die Struktur der Steuerzahlungen, die im Fall eines Finanzierungs-Leasing-Vertrages zu entrichten sind. Angenommen, der LG fordere nicht Leasingraten LR t = 5.058 für t = 1, 2, …, 5, sondern LR t* in Höhe von 6.000, 6.000, 6.000, 3.461, 3.461 für t = 1, 2, …, 5. Weil der LG eine Rendite nach Steuern von i s = 0,05 erzielen muß, entspricht der Barwert der LR t dem Barwert der LR t* . Es gilt also (8.5): (8.5) 5 5 t t 5 t 1 t 1 5 5 * t t 5 t 1 t 1 LR (1 s) (1 i ) s Ab (1 i ) RVE (1 s)(1 i ) LR (1 s)(1 i ) s Ab (1 i ) RVE (1 s)(1 i ) I − − − = = − − − = = − + + + + − + = ∑ ∑ − + + + + − + = ∑ ∑ t s t s s 5 t s t s 5 s 0 und, da das Abschreibungsverfahren und der Restverkaufserlös durch die neue Gestaltung der Leasingraten nicht beeinflußt werden, (8.6): (8.6) 5 5 t t t 1 t 1 LR (1 s)(1 i ) LR (1 s)(1 i ) . − − = = − + = − + ∑ ∑ t s *t s Finanzierungs-Leasing-Vertrag und vollkommener Kapitalmarkt · 281 <?page no="284"?> 282 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Für den LN ist damit nichts gewonnen. Der Nettokapitalwert bei Abschluß eines Leasingvertrages bestimmt sich für ihn gemäß (8.7): (8.7) 5 L * t 0 t t 1 NKW ( NE LR )(1 s)(1 i ) . − = ∑ = - - + s t Schreibt man (8.7) etwas ausführlicher (8.7) 5 L * 0 t t t 1 NKW NE (1 - s) - LR + sLR (1 + i ) = ⎡ ⎤ = ∑ ⎣ ⎦ *t s -t erkennt man leicht, daß wegen (8.6) und der Annahme der Negativsteuer bzw. des sofortigen Verlustausgleichs der Übergang von LR t auf LR t * den Kapitalwert des LN nicht erhöht. Es gibt m.a.W. unter diesen Bedingungen keine günstigere und wertgleiche Struktur der Leasingraten. Der Kapitalwert NKW 0 L des LN steigt dann, wenn (8.8) gilt: (8.8) 5 5 * -t t s t 1 t 1 LR (1 i ) LR (1 i ) . = = + < + ∑ ∑ s -t Diese Relation aber bedeutet, daß der LG entweder auf die Kapitalmarktrendite nach Steuern von i s = 0,05 teilweise verzichtet, ein Verhalten, das auf vollkommenem Kapitalmarkt nicht rational sein kann, oder daß er sich zu seinem Nachteil verrechnet hat. 3 Finanzierungs-Leasing-Verträge und unterschiedliche Besteuerung Unter finanziellem Aspekt lassen sich die Handlungsalternativen eines LN so darstellen: 1. (a) Beschaffung des Investitionsprojektes; (b) Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel zur Finanzierung des Anschaffungspreises durch die Verpflichtung, eine Reihe von vertraglich bestimmten Leasingraten zu leisten, auf die steuerliche Abschreibungsfähigkeit und den Restverkaufserlös am Ende der Grundmietzeit zu verzichten, oder 2. (a) Beschaffung des Investitionsprojektes; (b) Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel zur Finanzierung des Anschaffungspreises durch eine andere Form der Finanzierung oder Kombination von Finanzierungsformen. <?page no="285"?> Das Problem verdichtet sich somit zu der Frage, ob ein Investitionsprojekt finanziert werden soll über einen Finanzierungs-Leasing-Vertrag oder über eine andere Form der Finanzierung, die natürlich auch eine vollständige Fremdfinanzierung sein kann. Die Überlegungen in Abschnitt 2 haben verdeutlicht, daß auf vollkommenem Kapitalmarkt und bei Sicherheit die Handlungsalternativen 1 und 2 für den LN gleich gut sein müssen. Es gibt unter diesen Bedingungen keinen Anreiz zu leasen. Die Bedingungen, unter denen dieses Ergebnis abgeleitet wurde, sind: 1. LG und LN können Mittel zum Satz i anlegen und aufnehmen: Eigenkapitalkosten sind gleich Fremdkapitalkosten. 2. Die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten sind für beide, LG und LN gleich. 3. Die Gewinnsteuersätze (s) sind für beide, LG und LN gleich. 4. Risikobzw. Unsicherheitsüberlegungen sind ausgeklammert. Ändert sich das Bild, wenn die eine oder andere Annahme aufgehoben wird? Angenommen, LG könnten die in ihren Bilanzen aktivierten Leasingobjekte schneller abschreiben, als LN dies beim Kauf der Investitionsobjekte tun könnten. Was wäre die Folge? Wir nehmen das Beispiel aus dem 2. Abschnitt wieder auf und ändern die Annahme über die Abschreibungsregelung: Der LN darf bei Kauf nur linear abschreiben; der LG darf die digitale Abschreibung benutzen. Nach der digitalen Abschreibungsmethode berechnet sich der Abschreibungsbetrag pro Periode Ab t gemäß (8.9): (8.9) 0 t I Ab (n (t 1)) 1 2 ... n = ⋅ − − + + + I 0 : Anschaffungsauszahlung n: Ende der Abschreibungsperiode. Für die Periode 1 beträgt der Abschreibungsbetrag somit t 20.000 Ab (5 (1 1)) 6.666, 67. 15 = ⋅ − − = Die lineare Abschreibung soll - wie im Abschnitt 2 - 4.000 pro Periode betragen. Der LG darf also schneller abschreiben. Der Kapitalmarktzinssatz vor Steuern sei 10 %. Der Gewinnsteuersatz sei für alle Investoren gleich und betrage s = 0,5. Der LG ermittelt die Leasingraten, die ihm eine Rendite nach Steuern von i s = 0,05 bringen. Hierzu benutzt er die Gleichung (8.10): Finanzierungs-Leasing-Verträge und unterschiedliche Besteuerung · 283 <?page no="286"?> 284 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge (8.10) [ ] 5 5 -t -t t t t 1 t 1 -5 LR (1 s)(1 i ) sAb (1 i ) RVE s( RVE RBW ) (1 i ) I = = − + + + + ∑ ∑ − − + = s s 5 5 s 0 5 und erhält das in Tabelle 8.7 ausgewiesene Ergebnis. t (1) LR t (2) Ab t (3) S t = s(LR t -Ab t ) (4) LR t -S t (5) RVE 5 · (1-s) 1 2 3 4 5 4.928,05 4.928,05 4.928,05 4.928,05 4.928,05 6.666,67 5.333,33 4.000,00 2.666,67 1.333,33 -869,31 -202,64 464,03 1.130,69 1.797,36 5.797,36 5.130,69 4.464,02 3.797,36 3.130,69 500 Tabelle 8.7: Nettoeinzahlungen des LG (RBW 5 = 0, RVE 5 = 1.000) In den ersten beiden Perioden übersteigt die Abschreibung als Betriebsausgabe die Betriebseinnahme (= LR t ). Die Steuerbemessungsgrundlage ist negativ. Es wird angenommen, daß dieser Verlust mit Überschüssen aus anderen Projekten verrechnet werden kann, so daß sich ein sofortiger Verlustausgleich ergibt. Errechnet man den Barwert der in den Spalten (4) und (5) ausgewiesenen Überschüsse mit i s = 0,05, erhält man den Betrag von 20.000, der dem Anschaffungspreis entspricht. Der LG erzielt dann also genau eine Rendite von 0,05, den Kapitalmarktzins nach Steuern. Beim Vergleich des Ergebnisses der Tabelle 8.7 mit dem aus Tabelle 8.4 erkennt man, daß die Mindest-Leasingrate des LG jetzt kleiner ist: 4.928,05 < 5.058. Die schnellere Abschreibungsmöglichkeit des LG ist ein Vorteil, den der LG an den LN ganz oder teilweise weitergeben könnte. Welchen Teil dieses Vorteils er an den LN weitergibt, interessiert hier nicht. Wichtig ist allein, daß der LG dem LN jetzt einen Vorteil gegenüber alternativen Finanzierungsformen bieten kann. Bietet er eine Leasingrate an, die 5.058 unterschreitet, wird die Leasingalternative für den LN vorteilhaft. Damit liegt hier eine Bedingung vor, die zum Abschluß von Finanzierungs-Leasing-Verträgen führen kann, die für beide, LG und LN, vorteilhaft sind. Kommt der Vertrag mit einer LR t = 5.000, t = 1, 2, …, 5 zustande, erzielt der LG eine Rendite, die über dem Kapitalmarktsatz liegt, und der LN erzielt einen höheren Kapitalwert als bei jeder anderen Form der Finanzierung. Jetzt soll eine Differenz in den Gewinnsteuersätzen eingeführt werden. Es wird angenommen, daß Leasing-Gesellschaften (LG) einem niedrigeren Gewinnsteuersatz (s LG ) unterliegen als LN: s LG < s LN . Die unterschiedlichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten werden wieder aufgehoben: Beide, LG und LN, sollen nur linear abschreiben dürfen (Ab t = 4.000). s LG sei 0,40; s LN sei 0,50. <?page no="287"?> Welche Mindest-Leasingraten muß der LG fordern, wenn seine Überschüsse mit s LG = 0,40 besteuert werden, das Leasingobjekt linear abgeschrieben werden kann und Mittel zu i = 0,10 vor Steuern am Kapitalmarkt angelegt und aufgenommen werden können? Der LG bestimmt die mindestens zu fordernden Leasingraten gemäß (8.11): (8.11) 5 5 LG -t t s t t 1 t 1 LG -5 5 5 LR (1 s )(1 i ) s Ab (1 i ) RVE s ( RVE RBW ) (1 i ) I . = = − + + + ∑ ∑ ⎡ ⎤ + − − + = ⎣ ⎦ -t LG s 5 s 0 Zu beachten ist, daß i s im Kalkül des LG gleich i (1-s LG ) = 0,10 (1-0,4) = 0,06 ist, weil auch die alternativ erzielbare Rendite mit dem Gewinnsteuersatz des LG (s LG ) belastet ist. t (1) LR t (2) Ab t (3) S t = s(LR t - Ab t ) (4) LR t -S t (5) RVE 5 · (1-s) 1 2 3 4 5 5.069,16 5.069,16 5.069,16 5.069,16 5.069,16 4.000 4.000 4.000 4.000 4.000 427,66 427,66 427,66 427,66 427,66 4.641,50 4.641,50 4.641,50 4.641,50 4.641,50 600 Tabelle 8.8: Nettoeinzahlungen des LG (RBW 5 = 0, RVE 5 = 1.000) Diskontiert man die in den Spalten (4) und (5) ausgewiesenen Einzahlungen des LG mit i s = 0,06, erhält man einen Barwert von 20.000. Um eine Rendite von 6 % nach Steuern zu verdienen, muß der LG jetzt höhere Leasingraten fordern als in dem in Tabelle 8.4 dargestellten Fall, in dem s LG = 0,5 und die alternativ erzielbare Rendite nach Steuern nur 5 % betrug. Ein zwischen LG und LN aufteilbarer Vorteil ist jetzt nicht erkennbar, weil die vom LG mindestens geforderte LR t 5.069,16 ist, die vom LN maximal akzeptierbare aber nur 5.058 beträgt. Das Ergebnis ist zunächst erstaunlich, weil die relative steuerliche Entlastung des LG (im Vergleich zum LN) diesen dazu veranlaßt, höhere Leasingraten zu fordern. Ursache ist, daß die steuerliche Entlastung im Beispiel auch die Einzahlungen trifft, die der LG aus alternativen Anlagen - z. B. am Kapitalmarkt - beziehen kann. Würde ausschließlich Erträge aus Leasinggeschäften des LG steuerlich privilegiert, nicht dagegen andere Erträge des LG, fallen die mindestens von ihm zu fordernden Raten. Gemäß (8.12) (8.12) 5 5 LG -t t s t t 1 t 1 LG -5 5 5 LR (1 s )(1 i ) s Ab (1 i ) RVE s ( RVE RBW ) (1 i ) I = = − + + + + ∑ ∑ ⎡ ⎤ − − + = ⎣ ⎦ -t LG s 5 s 0 Finanzierungs-Leasing-Verträge und unterschiedliche Besteuerung · 285 <?page no="288"?> 286 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge mit i s = 0,05 errechnen sich Mindest-Leasingraten in Höhe von 4.851,51 pro Periode. Jetzt führen divergierende Gewinnsteuersätze s LG < s LN dazu, daß es einen zwischen beiden aufteilbaren Vorteil beim Zustandekommen eines Finanzierungs- Leasing-Vertrages gibt. Aus diesen Überlegungen folgt die interessante Frage, welche Faktoren in der Realität zu einem zwischen LG und LN aufteilbaren Vorteil führen, welche Faktoren das Wachstum der Leasingbranche begünstigen. Neben bestimmten steuerlichen Vorteilen bestehen andere Vorzüge. Diese können bestehen in der relativen Einkaufsmacht von Leasinggesellschaften (z. B. bei PKW, LKW, Baumaschinen), im Verwertungs-Know-how für gebrauchte Leasinggegenstände, in besseren Möglichkeiten, Risiken zu diversifizieren oder in höherer organisatorischer Kompetenz bei der Erstellung von Großprojekten. Eine ebenfalls interessante Frage ist nun, wie Finanzierungs-Leasing-Verträge bei Geltung des etwas komplizierteren deutschen Steuersystems zu beurteilen sind. Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt anhand einer Fallstudie nachgegangen werden. 4 Fallstudie: Optimale Leasing GmbH 4.1 Sachverhalt Die A-GmbH und die B-GmbH betreiben eine gemeinsame Tochter, die T-GmbH. A hält 49 %, B 51 % der GmbH-Anteile. Die T-GmbH plante 1998 die Errichtung einer größeren Anlage zur Produktion von Profilstählen. Die Errichtungskosten der Anlage ohne Grund und Boden wurden auf 50 Mio. DM geschätzt. Ohne Kapitalzuführung der Mütter könnte die T-GmbH das Projekt nicht finanzieren. Während die B-GmbH eine Erhöhung des Eigenkapitals der Tochter T durchzuführen bereit wäre, plädiert die A-GmbH für die Lösung des Finanzierungsproblems der Tochter über einen Finanzierungs-Leasing-Vertrag. Die A-GmbH hat bereits ein Angebot der «Optimale Leasing GmbH» (OL-GmbH) eingeholt. Die Berechnungen dieser Gesellschaft weisen den Abschluß eines Finanzierungs-Leasing-Vertrages als klar bessere Lösung aus, was die A-GmbH in ihrem Beharren auf dieser Form der Lösung des Finanzierungsproblems bestärkt. Die OL-GmbH legt ihren Berechnungen die folgenden Annahmen zugrunde: (1) Auch bei Abschluß eines FLV wird die T-GmbH zunächst Eigentümerin der Anlage für die ersten drei Perioden der Nutzungsdauer. Für diese Zeitspanne wird die volle Fremdfinanzierung der Anlage zu einem Zinssatz von 7 % durch die OL-GmbH sichergestellt. Diese rechtliche Konstruktion wird gewählt, um die T-GmbH in den Genuß einer staatlichen Subvention («Stahlzulage») zu <?page no="289"?> bringen, eine Förderung, die an das Eigentum der erworbenen Investitionsgüter geknüpft ist. Während dieser drei Perioden wird die Anlage linear abgeschrieben. Diese Form der Abschreibung wird gewählt, um die mögliche Entstehung von Verlustvorträgen bei der T-GmbH zu vermeiden. (2) Ab Beginn der Periode 4 tritt ein FLV an die Stelle des Kreditvertrages. Die jährlichen Leasingraten während der zehnperiodigen unkündbaren Grundmietzeit betragen 5.260.000 DM; die Leasingrate für die letzte Periode beträgt 5.294.300. Diese Konstruktion sichert die Aktivierung des Projektes beim Leasinggeber; die wirtschaftliche Nutzungsdauer beträgt 15 Jahre. (3) Zum Ende der Grundmietzeit wird der T-GmbH eine Kaufoption eingeräumt. Als Preis wird ein Betrag in Höhe des sich bei linearer Abschreibung ergebenden Restbuchwertes in Höhe von 6.667.000 DM vereinbart. Zugleich wird unterstellt, dass die Anlage nach Ablauf einer 13-jährigen Nutzung einen Restverkaufserlös in Höhe des Restbuchwertes hätte. Damit bleiben steuerliche Folgen bei einer Veräußerung im Fall des Kaufs der Anlage ohne Einfluß auf das Ergebnis: Betriebseinnahme und Betriebsausgabe sind gleich. (4) Bei Kauf der Anlage wird eine Mischfinanzierung unterstellt: Die Anlage soll mit 32 Mio. DM Fremdkapital und 18 Mio. DM Eigenkapital finanziert werden. Der Zinssatz für Fremdmittel beträgt 7 %; die Fremdmittel sind annuitätisch zu tilgen und zu verzinsen. Als Eigenkapitalkosten wird ein Satz von 8 % unterstellt. (5) Der relvante Hebesatz ist 400 %. Damit beträgt der Steuersatz für die Gewerbeertragsteuer (s GE ) 0,1667. Der Körperschaftsteuersatz (s K ) im Halbeinkünfteverfahren beträgt 25 %. 49 Es soll ein Einkommensteuersatz von s I = 0,3 bzw. s I = 0,5 angesetzt werden. (6) Es wird Vollausschüttung unterstellt. Das bedeutet, daß die T-GmbH alle Überschüsse nach Steuern, Leasingraten, Tilgungen, Zinszahlungen an die Eigentümer ausschüttet. Die folgenden Tabellen zeigen die Zahlungsbelastungen der T-GmbH bei beiden Finanzierungsformen gemäß den Berechnungen des Leasinggebers. 49 Im Jahr der geplanten Errichtung der Anlage, 1998, galt das steuerliche Anrechnungsverfahren. Dieses Steuerregime wurde 2001 durch das Halbeinkünfteverfahren abgelöst. Weil heutige Studierende nur das jeweilig aktuelle Steuersystem interessiert, behandeln wir diese Fallstudie, als hätte durchgehend das Halbeinkünfteverfahren gegolten. Fallstudie: Optimale Leasing GmbH · 287 <?page no="290"?> 288 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge (1) Jahr (2) RBW t (3) Ab t (4) Darlehensstand (5) Tilgung (6) Zinsen 1) (7) GewESt 2) (8) KSt 3) (9) Ausschüttungsverkürzung 4) 0 1 2 3 50.000,0 46.666,7 43.333,3 40.000,0 3.333,3 3.333,3 3.333,3 50.000,0 47.517,5 44.861,2 42.019,0 2.482,5 2.656,3 2.842,2 3.500,0 3.326,2 3.140,3 -847,4 -832,7 -817,2 -1.496,5 -1.456,7 -1.414,1 3.638,6 3.693,1 3.751,2 1) Der Kreditzinssatz beträgt 7%. Die Annuität beträgt 5.982,5; n = 13. 2) GewESt = s GE · (Ab t + 0,5 Zi); s GE = 0,1667. 3) KSt = s K · (Ab t + Zi + GewESt); s K = 0,25. 4) (9) = (5) + (6) + (7) + (8). Tabelle 8.9: Zahlungswirkungen in der dreiperiodigen Eigentümerphase, die dem FLV vorausgeht (in TDM) Die Daten in Tabelle 8.9 sind wie folgt zu interpretieren. Die Nettoeinzahlungen vor Finanzierungsbelastungen und Steuern bleiben unbeachtet: sie sind im Fall des Erwerbs der Anlage und der intendierten Finanzierung die gleichen wie im Fall des Abschlusses des Leasingvertrages. Diese Überlegung gilt auch für die dreiperiodige Eigentümerphase. Folglich weist die Tabelle 8.9 nur die Zahlungsbelastungen durch Tilgungen, Zinszahlungen, Gewerbeertrag- und Körperschaftsteuer aus. Die Annuität für einen in t = 0 gewährten Kredit von F 0 = 50 Mio. bei i V = 0,07 und dreizehnperiodiger Laufzeit beträgt 5,9825 Mio. Davon entfallen auf die Zinszahlung 3,5 Mio., auf die Tilgung folglich 2,4825 Mio. Dieser Kredit stellt steuerlich Dauerschulden dar. Die Zinszahlungen sind bei der Berechnung der Gewerbeertragsteuer hälftig abzugsfähig. In Periode 1 resultiert - bei Ausblendung der Nettoeinzahlungen der Profilstahlanlage - eine Minderung der Gewerbeertragsteuer in Höhe von s GE (Ab 1 + 0,5 i V F t-1 ) = 0,1667 (3.333,3 + 0,5 · 3.500) = 847,4. Die Minderung der Körperschaftsteuer beträgt s K (Ab 1 + i V F t-1 - S GE,1 ) = 0,25 (3.333,3 + 3.500 - 847,4) = 1.496,5. Die Ausschüttungsminderung berechnet sich somit aus Tilgungs- und Zinszahlung abzüglich der Steuerminderungen. Tabelle 8.10 zeigt die Barwert-Berechnung der Ausschüttungsverkürzungen nach Einkommensteuer gemäß den Berechnungen der OL-GmbH. Die OL-GmbH benutzt zur Barwert-Berechnung einen Diskontierungssatz von 0,07. Die Berechnung beachtet, daß im HEV Ausschüttungen an die Eigentümer lediglich mit dem halben Einkommensteuersatz besteuert werden. 50 50 Die Eigentümer der T-GmbH sind ebenfalls GmbHs. Die Ausschüttungen der T-GmbH an diese werden dann zu Recht der Einkommensteuer unterworfen, wenn unterstellt wird, daß die Mütter die Ausschüttungen an deren private Gesellschafter weiterleiten. <?page no="291"?> (10) (11) (12) (13) Ausschüttungsverkürzung nach ESt (s I = 0,3) 1) Barwertbeitrag i = 0,07 Ausschüttungsverkürzung nach ESt (s I = 0,5) 2) Barwertbeitrag i = 0,07 0 1 2 3 3.093,0 3.139,1 3.188,5 2.890,7 2.741,8 2.602,8 2.729,1 2.769,8 2.813,4 2.550,6 2.419,3 2.296,6 Barwert in t = 0 8.235,3 Barwert in t = 0 7.266,5 1) ESt = (9) · (1 - 0,5 · 0,3). 2) ESt = (9) · (1 - 0,5 · 0,5). Tabelle 8.10: Barwerte der Ausschüttungsverkürzungen in der Eigentümerphase nach Einkommensteuerbelastung von s I = 0,3 bzw. s I = 0,5 Tabelle 8.11 präsentiert die Zahlungsbelastungen für den in t = 4 einsetzenden Finanzierungs-Leasing-Vertrag. Die Leasingrate LR t kürzt die steuerliche Bemessungsgrundlage der Gewerbeertrag- und der Körperschaftsteuer und generiert die in Spalte (3) und (4) ausgewiesenen Steuerverkürzungen. Spalte (5) zeigt die resultierende Ausschüttungsverkürzung nach Unternehmensteuern. Die Spalten (6) und (8) geben die Ausschüttungsverkürzungen nach hälftiger Einkommenbesteuerung mit s I = 0,3 bzw. s I = 0,5 an. Barwerte der Ausschüttungsverkürzungen nach Einkommensteuer berechnet die OL-GmbH mit dem schon bekannten Diskontierungssatz von 7 %. Alle Barwert-Berechnungen sind auf das Ende der Periode 3 bezogen. Fallstudie: Optimale Leasing GmbH · 289 <?page no="292"?> 290 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) Jahr LR t GewESt 1) KSt 2) Ausschüttungsverkürzung 3) (5) nach ESt; s I = 0,3 Barwertbeitrag in t = 3 (5) nach ESt; s I = 0,5 Barwertbeitrag in t = 3 4 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 2.611,7 2.465,7 2.304,4 5 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 2.440,8 2.465,7 2.153,6 6 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 2.281,1 2.465,7 2.012,7 7 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 2.131,9 2.465,7 1.881,1 8 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 1.992,4 2.465,7 1.758,0 9 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 1.862,1 2.465,7 1.643,0 10 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 1.740,3 2.465,7 1.535,5 11 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 1.626,4 2.465,7 1.435,1 12 5.260,2 -876,7 -1.095,9 3.287,6 2.794,5 1.520,0 2.465,7 1.341,2 13 5.294,3 -882,4 -1.103,0 3.308,9 2.812,6 1.429,8 2.481,7 1.261,6 Barwert in t = 3 19.636,5 17.326,2 1) GewESt = s GE · LR t . 2) KSt = (LR t - s GE · LR t ) · s K ; s K = 0,25. 3) (5) = (2) + (3) + (4). Tabelle 8.11: Finanzielle Auswirkungen des Abschlusses eines Finanzierungs-Leasing-Vertrages nach vorgeschalteter Kaufphase <?page no="293"?> Tabelle 8.12 faßt die bisherigen Ergebnisse zusammen (in TDM). s I = 0,3 s I = 0,5 Barwert der Ausschüttungsverkürzungen in Eigentümerphase in t = 0 8.235,3 7.266,5 Barwert der Ausschüttungsverkürzungen in Leasingphase in t = 0 16.029,2 14.143,3 24.264,5 21.409,8 Tabelle 8.12: Barwerte der Ausschüttungsverkürzungen im Leasing-Fall Diesen Ergebnissen sind nun die Ergebnisse bei Kauf der Anlage und alternativer Finanzierung gegenüberzustellen. Die OL-GmbH berechnet auch hier die Ausschüttungsverkürzungen und die sich ergebenden Barwerte unter Beachtung der Einkommensteuer. Tabelle 8.13 enthält die Daten. Fallstudie: Optimale Leasing GmbH · 291 <?page no="294"?> 292 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge (1) Jahr (2) RBW t (3) Ab t (4) Darlehensstand (5) Tilgung (6) Zinsen 1 (7) EK-Zins 2 (8) GewESt 3 (9) KSt 4 (10) Ausschüttungsverkürzung 5 (11) (10) nach ESt; s I = 0,3 (12) Barwertbeitrag in t = 0 (13) (10) nach ESt; s I = 0,5 (14) Barwertbeitrag in t = 0 0 50.000,0 32.000,0 1 46.666,7 3.333,3 30.411,2 1.588,8 2.240,0 1.440,0 -742,2 -1.207,8 3.318,8 2.821,0 2.636,4 2.489,1 2.326,3 2 43.333,3 3.333,3 28.711,1 1.700,0 2.128,8 1.300,4 -733,0 -1.182,3 3.213,9 2.731,8 2.386,1 2.410,4 2.105,3 3 40.000,0 3.333,3 26.892,1 1.819,0 2.009,8 1.169,8 -723,0 -1.155,0 3.120,6 2.652,5 2.165,2 2.340,5 1.910,5 4 36.666,7 3.333,3 24.945,7 1.946,4 1.882,4 1.048,6 -712,4 -1.125,8 3.039,2 2.583,3 1.970,8 2.279,4 1.738,9 5 33.333,3 3.333,3 22.863,1 2.082,6 1.746,2 937,7 -701,1 -1.094,6 2.970,8 2.525,2 1.800,4 2.228,1 1.588,6 6 30.000,0 3.333,3 20.634,7 2.228,4 1.600,4 837,6 -688,9 -1.061,2 2.916,3 2.478,9 1.651,8 2.187,2 1.457,4 7 26.666.7 3.333,3 18.250,3 2.384,4 1.444,4 749,2 -675,9 -1.025,5 2.876,6 2.445,1 1.522,7 2.157,5 1.343,6 8 23.333,3 3.333,3 15.698,9 2.551,3 1.277,5 673,3 -662,0 -987,2 2.852,9 2.425,0 1.411,4 2.139,7 1.245,3 9 20.000,0 3.333,3 12.969,0 2.729,9 1.098,9 610,8 -647,1 -946,3 2.846,2 2.419,3 1.315,9 2.134,7 1.161,1 10 16.666,7 3.333,3 10.048,1 2.921,0 907,8 562,5 -631,2 -902,5 2.857,6 2.429,0 1.234,8 2.143,2 1.089,5 11 13.333,3 3.333,3 6.922,6 3.125,5 703,4 529,5 -614,2 -855,6 2.888,6 2.455,3 1.166,5 2.166,5 1.029,3 12 10.000,0 3.333,3 3.578,3 3.344,2 484,6 512,9 -595,9 -805,5 2.940,3 2.499,3 1.109,7 2.205,2 979,1 13 6.666,7 3.333,3 0,0 3.578,3 250,5 513,7 -576,4 -751,9 3.014,2 2.562,1 1.063,2 2.260,7 938,1 Barwert in t = 0: 21.434,9 Barwert in t = 0: 18.913,1 1) Der Kreditzinssatz beträgt 7 %. Die Annuität auf 32 Mio. DM beträgt 3.828,8; n = 13: 2) Der Zins auf das Eigenkapital wird mit 8% angesetzt. Als Eigenkapitaleinsatz definiert die OL-GmbH die Differenzen zwischen Restbuchwert und Darlehensstand am Ende der Vorperiode. 3) Die Ersparnis an GewESt berechnet sich gemäß (Ab t + 0,5 Zinsen) s GE . 4) Die Ersparnis an KSt berechnet sich gemäß (Ab t + Zinsen + GewESt) s K . Die in (8) und (9) ausgewiesenen Steuerminderzahlungen setzen entsprechend hohe steuerliche Bemessungsgrundlagen voraus. 5) (10) = (5) + (6) + (7) + (8) + (9). Tabelle 8.13: Berechnung der Ausschüttungsverkürzungen bei Kauf der Anlage <?page no="295"?> Die OL-GmbH unterstellt in Tabelle 8.13, daß die Profilstahlanlage im Falle des Kaufs finanziert würde mit 32 Mio. DM Fremdkapital zu i V = 0,07 und annutätischer Tilgung in 13 Jahren. Der Rest von 18 Mio. DM wäre mit Eigenkapital zu finanzieren. Die Kosten des Eigenkapitals werden in Spalte (7) im Kalkül untergebracht. Die OL-GmbH unterstellt Kosten des Eigenkapitals in Höhe von 8 % und definiert den Eigenkapitaleinsatz als Differenz zwischen Restbuchwert und Fremdkapitalvolumen zum Ende der Vorperiode. In t = 0 sind 18 Mio. Eigenkapital gebunden; der Alternativertrag beträgt 18.000 · 0,08 = 1.440. Dieser Betrag verstärkt die Ausschüttungsverkürzung in t = 1. Die OL-GmbH berechnet diese wie folgt: Tilgung + Zinsen + EK-Zins - Steuerverkürzungen und erhält in t = 1 das Ergebnis 3.318,8. Die Ergebnisse der Profilstahlanlage werden also mit den erzielbaren Alternativerträgen aus dem buchmäßig gebundenen Eigenkapital belastet. Barwertberechnungen der Ausschüttungsverkürzungen nach Einkommensteuer erfolgen unverändert mit 7 %. Welches Ergebnis präsentiert die OL-GmbH dem Management der T-GmbH bzw. den Managern der A- und B-GmbH? Tabelle 8.14 stellt die Barwerte der Ausschüttungsverkürzungen zusammen: s I = 0,3 s I = 0,5 Barwert der Ausschüttungsverkürzung bei Kauf und Mischfinanzierung 21.434,9 18.913,1 Eigenkapitaleinsatz 18.000,0 18.000,0 Summe 39.434,9 36.913,1 Barwert der Ausschüttungsverkürzung bei Abschluß des Leasingvertrages 24.264,5 21.409,8 Tabelle 8.14: Ergebnisse der Berechnungen der OL-GmbH Die OL-GmbH folgert, daß der Barwert der Ausschüttungsverkürzungen bei Abschluß des FLV um mehr als 15 Mio. günstiger ist als die Belastungen bei Kauf und Mischfinanzierung, weshalb die Vorteilhaftigkeit ihres Angebots überwältigend sei. Jedenfalls dürfte es den Gesellschaftern der B-GmbH schwer fallen, ihre Präferenz für die Kaufalternative zu verteidigen. Das Management der A-GmbH wird darauf hinweisen, daß es außerordentlich selten sein dürfte, allein durch die Veränderung der Finanzierung eines Projektes so hohe Vorteile zu erzielen. Bevor der Leser zum folgenden Abschnitt übergeht, sollte er sich mit der Argumentation der OL-GmbH vertraut machen und überlegen, welche Aspekte des Kalküls er für bedenklich hält und wie er den Kalkül ggf. korrigieren würde. Fallstudie: Optimale Leasing GmbH · 293 <?page no="296"?> 294 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge 4.2 Lösungsvorschlag Die OL-GmbH setzt bei ihren Berechnungen einige begründungsbedürftige Annahmen, die im Vorschlag der Gesellschaft nicht explizit enthalten bzw. begründet sind: (1) Der Restverkaufserlös der Anlage zum Zeitpunkt 13, der bei der Kaufalternative erzielbar ist, ist nicht berücksichtigt. Annahme (3) unterstellt einen Verkaufserlös i. H. d. Restbuchwertes: Dieser beträgt 6.667 TDM. Wegen der Identität von Restbuchwert und Verkaufserlös bei linearer Abschreibung löste ein Verkauf keine Ertragsteuerzahlungen aus; er führt aber zu einer Einzahlung. Nur für den Fall, daß der Restverkaufserlös durch Abbaukosten aufgezehrt wird, ist der Nichtansatz bei der Kaufalternative korrekt. Ansonsten ist der Restverkaufserlös nach Steuern in Periode 13 als Einzahlung zu berücksichtigen. (2) Die OL-GmbH unterstellt für den Fall des Kaufes eine Mischfinanzierung von 32 Mio. Fremd- und 18 Mio. Eigenkapital und setzt in Spalte (7) der Tabelle 8.13 einen Eigenkapitalzins als Auszahlung an. Damit konstruiert der potentielle LG zwei Alternativen, die unter dem Aspekt des Finanzierungsrisikos nicht vergleichbar sind. Insoweit ist auch ein Vergleich der Barwerte der Auszahlungen von fraglichem Wert. Ein korrekter Kalkül sollte bei beiden Alternativen gleiche Auszahlungsbelastungen nach Steuern herstellen. Dann aber kann der Fremdfinanzierungsumfang nicht vorgegeben werden. Er müßte vielmehr so dimensioniert werden, daß Belastungsgleichheit in beiden Alternativen hergestellt wird. (3) Unbegründet ist schließlich der von der OL-GmbH angesetzte Diskontierungssatz (7 %) zur Ermittlung der Barwerte. Dieser Zinssatz ist zwar der hier relevante Kostensatz für Fremdkapital. Aber i V = 0,07 ist ein Bruttozinssatz; Anwendung finden muß der Fremdkapitalsatz nach Steuern. Eine Lösung muß beachten, daß die vorgeschaltete Eigentümerphase auch bei Abschluß eines FLV Voraussetzung für den Erhalt der steuerlichen Subventionierung der Investition ist, auf die die T-GmbH nicht verzichten will. Da hier die Konditionen des von der OL-GmbH unterbreiteten FLV zu beurteilen sind, wird die dreiperiodige Kaufphase für den Fall des Kaufs der Anlage und den Fall der Annahme des Leasing-Angebotes gleich gestaltet. Damit ist die dreiperiodige Startphase des Projektes bei beiden Finanzierungsalternativen gleich und folglich entscheidungsirrelevant. Tabelle 8.15 zeigt die Zahlungswirkungen in den ersten drei Perioden bei unterstellter linearer Abschreibung und vollständiger Fremdfinanzierung. <?page no="297"?> (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) Jahr RBW t Ab t Darlehensstand Tilgung Zinsen GewESt 1) KSt 2) Ausschüttungsverkürzung 3) Ausschüttungsverkürzung nach ESt (s I = 0,3) 4) Ausschüttungsverkürzung nach ESt (s I = 0,5) 0 50.000,0 50.000,0 1 46.666,7 3.333,3 47.517,5 2.482,5 3.500,0 -847,4 -1.496,5 3.638,6 3.093,0 2.729,1 2 43.333,3 3.333,3 44.861,2 2.656,3 3.326,2 -832,7 -1.456,7 3.693,1 3.139,1 2.769,8 3 40.000,0 3.333,3 42.019,0 2.842,2 3.140,3 -817,2 -1.414,1 3.751,2 3.188,5 2.813,4 1) s GE · (Ab t + 0,5 · i v F t-1 ). 2) s K · (Ab t + i v F t-1 + GewESt). 3) (9) = (5) + (6) + (7) + (8). 4) (10) bzw. (11) = (9) · (1 - 0,5 · s I ). Tabelle 8.15: Finanzielle Auswirkungen bei linearer Abschreibung und vollständiger Fremdfinanzierung in der dreiperiodigen Eigentümerphase Fallstudie: Optimale Leasing GmbH · 295 <?page no="298"?> 296 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Am Ende der Periode 3 übernähme die OL-GmbH das Investitionsprojekt und das Restdarlehen in Höhe von 42,019 Mio. DM. Es kann angenommen werden, daß der LG das Projekt zu diesem Betrag aktiviert. Eine Verpflichtung zur Buchwertfortführung besteht nicht. Bei der T-GmbH entstünde ein Buchwertgewinn in Höhe von 2,019 Mio. DM, der Ertragsteuerbelastungen auslöst. Entscheidend ist die Finanzierungsleistung der OL-GmbH im Zeitpunkt 3: der LG stellt 42,019 Mio. DM zur Verfügung. Um zu beurteilen, ob das Angebot der OL-GmbH lohnt, nutzen wir die Idee des belastungsgleichen Fremdkapitalvolumens in Periode t = 3, das wir mit F 3* bezeichnen. Das belastungsgleiche Fremdkapitalvolumen F 3* ist dasjenige, das in Form von Zinszahlungen und Tilgungen genau die Belastungen herstellt, die ein FLV auslöst: Verlust von steuerlichen Vorteilen aus Abschreibungsverrechnung, Belastung durch Leasingraten nach Steuern, Verzicht auf positive Restverkaufserlöse. Da die OL- GmbH ein Kalkül unter Beachtung von Einkommensteuer entwirft, sind alle Nachteile nach Einkommensteuer zu definieren. Der Nachteil in Periode t ist - wenn wir den Restverkaufserlös unbeachtet lassen - [s 0 Ab t + LR t (1-s 0 )] (1-0,5s I ), wobei s 0 steht für s GE + s K - s GE s K , also den kombinierten Ertragsteuersatz kennzeichnet. Die FLV-spezifischen Nachteile sind zu diskontieren mit dem Fremdkapitalkostensatz nach Steuern. Für Dauerschulden folgt (8.13) i v,s = 0,07 (1-0,5s GE ) (1-s K ) (1-0,5s I ). Für s I = 0,30 folgt i V,s = 0,04091; für s I = 0,5 gilt i V,s = 0,03609. Tabelle 8.16 erläutert die Berechnung der FLV-spezifischen Nachteile. (1) t (2) Ab t (3) s 0 Ab t 1) (4) LR t (1 - s 0 ) (5) [(3) + (4)] (1 - 0,5 s I ) (6) [(3) + (4)] (1 - 0,5 s I ) 4 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 5 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 6 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 7 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 8 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,3 9 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 10 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 11 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 12 3.333,3 1.250,0 3.287,0 3.857,0 3.403,2 13 3.333,3 1.250,0 3.308,9 3.875,1 3.419,2 1) s 0 = s K + s GE - s K s GE ; s 0 = 0,25 + 0,1667 - 0,25 · 0,1667 = 0,375. Tabelle 8.16: Ermittlung des belastungsgleichen Fremdfinanzierungsvolumens F 3* <?page no="299"?> Diskontiert man die Eintragungen in (5) bzw. (6), erhält man F 3* . Für s I = 0,30 beträgt F 3* 31.154,6; der Beleg findet sich in Anhang 1. Für s I = 0,50 erreicht das belastungsgleiche Fremdkapitalvolumen eine Höhe von 28.159,4 TDM. Zur Erinnerung: die Finanzierungsleistung der OL-GmbH in Periode t = 3 ist 42,019 Mio. DM. Nun ist der Restverkaufserlös in t = 13 zu beachten. Nehmen wir an, der Restverkaufserlös von 6.667 TDM sei in t = 13 mit Sicherheit erzielbar. Dann ist dieser Betrag - Unternehmensteuern fallen nicht an, da RVE 13 = RBW 13 - in voller Höhe beleihbar. Die T-GmbH könnte ihn ungekürzt an Kreditgeber abtreten. Einkommensteuern sind dann nicht relevant. F 3* erhöht sich dann um 51 6.666,7 TDM (1,04813) -10 in beiden Fällen und damit um 4.166.782 DM. Am Ende der Periode 3 entsteht für die T-GmbH ein Buchgewinn in Höhe von 42.019-40.000 = 2.019 TDM, weil der LG einen Vermögensgegenstand (die Profilstahlanlage) zum Buchwert von 40 Mio. DM und Verbindlichkeiten in Höhe von 42,019 Mio. DM übernimmt. Dieser ist zu versteuern mit s 0 = 0,375. Damit entsteht ein Steuernachteil von 757,1 TDM. Dies ist eine negative Folge des FLV, die den belastungsäquivalenten Verschuldungsbetrag F 3* erhöht. Unter der Annahme der Vollausschüttung verkürzte diese Steuerlast die Bruttoausschüttung (vor Einkommensteuern) und löste nach Einkommensteuer eine Minderausschüttung in Höhe von s 0 BG 3 (1-0,5 s I ) = 757,1 · 0,85 (bzw. 757,1 · 0,75) aus. Diese beträgt 643,6 für s I = 0,30 bzw. 567,9 für s I = 0,50. Um diese Beträge steigt F 3* . Tabelle 8.17 trägt die Daten zusammen. s I = 0,30 s I = 0,50 (1) Kreditbetrag 42,019 42,019 (2) F 3* 31,155 28,159 (3) Δ F 3* (RVE 13 ) 4,167 4,167 (4) Δ F 3* (BG 3 ) 0,644 0,568 (5) Summe 35,966 32,894 Tabelle 8.17: Ergebnisse 51 Als Diskontierungssatz ist dann i V nach Unternehmensteuern zu verwenden, also 0,07 (1-0,5 · 0,1667) (1 - 0,25) = 0,04812. Diese Rechnung impliziert, daß die Zinszahlungen auf den Kredit in Höhe von 4,167 Mio. DM die steuerlichen Bemessungsgrundlagen auf Unternehmensebene kürzen, aber nicht die Ausschüttungen. Kredit und Zinszahlung sind aus Sicht der Eigentümer endfällig. Der Restverkaufserlös (nach Unternehmensteuern) in Höhe von 6,667 Mio. DM wird unmittelbar an die Bank abgeführt; die Ausschüttungen werden durch diesen Vorgang somit nicht berührt. Fallstudie: Optimale Leasing GmbH · 297 <?page no="300"?> 298 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Tabelle 8.17 zeigt, daß das von der OL-GmbH in t = 3 zugestandene Kreditvolumen viel größer ist als das belastungsäquivalente Fremdkapitalvolumen F 3* . Das bedeutet, daß die OL-GbmH der bessere Financier aus der Sicht der T-GmbH ist. Das Leasingangebot der OL-GmbH ist zwar nicht so überwältigend vorteilhaft, wie die Gesellschaft selbst behauptet, aber es ist ein klar vorteilhaftes Angebot, das sich die T-GmbH nicht entgehen lassen sollte. 5 Zusammenfassung Dieses Kapitel soll die relativen Vorteile von Finanzierungs-Leasing-Verträgen aufdecken. Die Frage ist: Welche Vorteile kann dieses Finanzierungsinstrument - neben den sonstigen Dienstleistungsfunktionen des LG - im Vergleich zu anderen Finanzierungsformen bieten? Zunächst wird ein erfundener Werbetext eines (erfundenen) LG, der allerdings Ähnlichkeit mit Aussagen einzelner Leasinggesellschaften hat, analysiert; seine Schwachstellen werden aufgedeckt. Dann wird das Problem im Rahmen eines vollkommenen Kapitalmarktes bei Ausschluß von Unsicherheit systematisch untersucht. Gelten für LG und LN gleiche Abschreibungsregelungen, gleiche Finanzierungskosten und gleiche Steuersätze, kann ein Finanzierungs-Leasing-Vertrag einem LN nichts bieten, was er sich nicht auch selbst beschaffen könnte. Es gibt m. a. W. keine Anreize zu leasen. Führt man für LG und LN unterschiedliche Abschreibungsmodalitäten und den LG privilegierende Besteuerungsregeln ein, läßt sich zeigen, daß ein auf beide, LG und LN, aufteilbarer Vorteil entstehen kann, der Anreize zum Abschluß von Finanzierungs-Leasing-Verträgen auslöst. Daß LG andere komparative Vorteile haben können, wurde angedeutet. Die Fallstudie «Optimale Leasing GmbH», die einen realen Hintergrund hat, zeigt wie im konkreten Fall gerechnet werden könnte, um ein Angebot eines LG zu bewerten. Das Konzept des belastungsgleichen Fremdkapitalvolumens erweist sich als nützlich. 6 Literaturhinweise Berk, Jonathan und DeMarzo, Peter: Corporate Finance, Boston 2007, Kapitel 25. Brealey, Richard A. und Myers, Stewart C. und Allen, Franklin: Corporate Finance, 8. Aufl., Boston 2007, Kapitel 26. Büschgen, Hans E.: Finanzleasing als Finanzierungsalternative. Eine kritische Würdigung unter betriebswirtschaftlichen Aspekten. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 50, 1980, S. 1028-1041. <?page no="301"?> Bundesminister der Finanzen: Ertragsteuerliche Behandlung von Leasing-Verträgen über bewegliche Wirtschaftsgüter vom 19. 4. 1971 (sog. Leasingerlaß). In: BStBl. 1971 I, S. 264 Bundesminister der Finanzen: Steuerliche Zurechnung des Leasing-Gegenstandes beim Leasinggeber vom 22. 12. 1975. In: Der Betriebsberater, 31 1976, S. 72. Copeland, Thomas E. und Weston, Fred J. und Shastri, Kuldeep: Financial Theory and Corporate Policy, 4. Aufl., Boston 2004, Kapitel 17. Drukarczyk, Jochen und Schüler, Andreas: Unternehmensbewertung, 5. Aufl., München 2007, Kapitel 7. Franks, Julian R. und Hodges, Stewart D.: Valuation of Financial Lease Contracts: A Note. In: Journal of Finance, 33, 1978, S. 657-669. Gebhard, Joachim: [Finanzierungsleasing], Steuern und Recht. Eine ökonomische Analyse, Wiesbaden 1990. Haberstock, Lothar: Kredit - [Kauf oder Leasing]? 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Literaturhinweise · 299 <?page no="302"?> 300 · Kapitel 8 Finanzierungs-Leasing-Verträge Anhang 1 zu Kapitel 8: Beleg für die Belastungsgleichheit von F 3* = 31.154,6 für s I = 0,30 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) t s 0 Ab t LR t (1 - s 0 ) [(2) + (3)] (1 - 0,5 s I ) F t-1 · i V (1 - s * ) (1 - 0,5 s I ) Tilgung F t 3 - 3.857,0 31.154,6 4 1.250 3.287,6 3.857,0 1.274,4 2.582,6 28.572,0 5 1.250 3.287,6 3.857,0 1.168,9 2.688,1 25.883,9 6 1.250 3.287,6 3.857,0 1.058,9 2.798,1 23.085,8 7 1.250 3.287,6 3.857,0 944,4 2.912,6 20.173,2 8 1.250 3.287,6 3.857,0 825,3 3.031,7 17.141,5 9 1.250 3.287,6 3.857,0 701,3 3.155,7 13.985,8 10 1.250 3.287,6 3.857,0 572,2 3.284,8 10.701,0 11 1.250 3.287,6 3.857,0 437,8 3.419,2 7.281,8 12 1.250 3.287,6 3.857,0 297,9 3.559,1 3.722,7 13 1.250 3.308,9 3.875,1 152,3 3.722,8 0 Summe s* = 0,5 s GE + s K - 0,5 s GE s K = 0,31251 i V = 0,07 i V,S = 0,04091 <?page no="303"?> Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Kapitel 9 Inhalt 1 Zur Definition von Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2 Wieviel Eigenkapital braucht ein Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 3 Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen . . . . . . . . . . 309 3.1 Daten und Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 3.2 Vorschläge zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung . . . . . . 316 4 Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen 320 4.1 Aufnahme neuer Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 4.2 Venture Capital - Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 5 Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen . . . . . . 331 5.1 Stammaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 5.2 Vorzugsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 5.3 Genußscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 5.4 Fallstudie Hubler GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 6 Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . 355 6.1 Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 6.2 Kapitalerhöhung gegen Einlagen (ordentliche Kapitalerhöhung) . 357 6.3 Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 6.4 Das genehmigte Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 6.5 Die bedingte Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 6.6 Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . 366 6.7 Zur Diskussion um Vor- und Nachteile von Bezugsrechten . . . . . 369 7 Formen der Kapitalherabsetzung bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . 372 7.1 Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 7.2 Die ordentliche Kapitalherabsetzung (oKH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 7.3 Die vereinfachte Kapitalherabsetzung (vKH) . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 7.4 Die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien . . . . . . . . 375 8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 9 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 <?page no="304"?> 302 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung 1 Zur Definition von Eigenkapital Eigenkapital präzise zu definieren und von Nicht-Eigenkapital, das wir zunächst mit dem Begriff Fremdkapital belegen wollen, klar abzugrenzen, ist nicht einfach. Eine Ursache dafür ist die Vielzahl der Finanzierungskontrakte, die wir in der Realität vorfinden und die sich unterscheiden in bezug auf • die Überschußabhängigkeit der Zahlungsansprüche der Financiers, • Rang der Zahlungsansprüche der Financiers im Insolvenzfall, • die Mitentscheidungs- und Informationsrechte der Financiers, • die vertraglich vereinbarte Fristigkeit der Finanzierungsbeziehung einschließlich der Kündigungsmodalitäten und • die vereinbarten, bei Vertragsverletzungen einer Partei möglichen Sanktionen der anderen Partei. Swoboda [Risikograd] hat verbreitete Definitionen des Begriffs Eigenkapital in der Literatur zusammengetragen und geprüft, ob sie erlaubten, bestimmte Kapitalformen eindeutig dem Eigen- oder dem Fremdkapital zuzuordnen, ob die Zuordnung durch Veränderungen der vertraglichen Vereinbarungen beeinflußbar sei und schließlich, ob die Definitionen «informativ» seien, d. h. ob die Kenntnis der Definition etwas Wissenswertes über die Finanzierungsbeziehung zwischen Unternehmen und Financier aussage. Swoboda kommt zu einem negativen Ergebnis: Keine der bekannten Definitionen befriedigt seinen Anforderungskatalog. Er folgert, daß das bestimmende Merkmal der finanziellen Ansprüche eines Financiers das Risiko sei. Deshalb müsse man, wenn man vertraglich geregelte Finanzierungsbeziehungen in zwei Klassen (Eigenversus Fremdkapital) einordnen wolle, den Risikograd der Ansprüche als Abgrenzungsmerkmal heranziehen. Diese Aussage ist so zu verstehen, daß die konkreten vertraglichen Vereinbarungen über Höhe, Zeitpunkt, Ergebnis(un)abhängigkeit der laufenden Ansprüche, Rang des Anspruchs im Liquidationszeitpunkt, Mitentscheidungs- und Informationsrechte, Sanktionspotentiale etc. gemeinsam den Risikograd der finanziellen Ansprüche festlegen: alle vertraglichen Eigenschaften der Ansprüche schlagen sich letztlich im Risikograd nieder. Die Übernahme dieser Sichtweise kann zum Ergebnis haben, daß manches, was nach herrschender Auffassung zum Fremdkapital zählt, nun zum Eigenkapital zu zählen ist. Beispiele sind: (1) Die Hausbank gewährt einem Unternehmen einen Sanierungskredit, um so die Beantragung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Weil alle Aktiven des Unternehmens durch Sicherungsansprüche von Gläubigern bereits belegt sind, wird der Sanierungskredit ohne Sicherheiten gegeben. Aus steuerlichen und insolvenzrechtlichen Gründen wird die Bank darauf bestehen, Fremdkapital gewährt zu haben. Gemäß den Überlegungen von Swoboda läge wegen des erheblichen Risikos, <?page no="305"?> Zur Definition von Eigenkapital · 303 mit dem die Ansprüche aus dem Sanierungskredit belastet sind, Eigenkapital vor. (2) Die Hausbank verweigert den Sanierungskredit. Daher gewähren die Gesellschafter des Unternehmens, eine GmbH, die Sanierungskredite selbst. Gemäß den Überlegungen Swobodas läge Eigenkapital vor. So denkt auch der Gesetzgeber, wie in Kapitel 7 erläutert wurde. Die Folgen der Übernahme des Abgrenzungskriteriums «Risikograd» wären somit weitreichend. Auch bringt das Kriterium Probleme mit, auf die Swoboda selbst hinweist. Man muß sich auf ein Risikomaß einigen; man muß festlegen, ab welcher Risikomenge eine Kapitalform zu «Eigenkapital» zählt und somit unabhängig von steuerlichen oder juristischen Klassifikationen nicht mehr unter «Fremdkapital» fällt, und man muß die Risikomenge, die den in einem Finanzierungskontrakt definierten Ansprüchen anhaftet, relativ genau messen können. Die Einordnung von Ansprüchen in eine der beiden Klassen wird damit nicht nur informativ, sondern auch sehr kompliziert (Schneider [Risikokapital] 188) und einzelfallabhängig. Im folgenden wollen wir der Vielfalt der Kontraktformen in der Realität insoweit aus dem Weg gehen, als wir «idealtypische» oder «reine» Grenzpositionen definieren, die für Eigenkapital bzw. Fremdkapital stehen. Ansprüche von Eigenkapitalgebern seien gekennzeichnet durch • eine vertragliche, ausschließliche Ergebnisabhängigkeit im Fortführungsfall in Verbindung mit einer buchmäßigen Reduktion des Kapitalbestandes im Verlustfall und dem Fehlen eines vertraglich festgelegten Rückzahlungszeitpunktes, • die vertragliche Platzierung des Anspruchs als Residualanspruch nach allen gesetzlich und/ oder vertraglich vorrangig platzierten Ansprüchen im (freiwilligen) Liquidationsfall oder (erzwungenen) Zerschlagungsfall. Der Betrag der von Eigenkapitalgebern geleisteten oder stehengelassenen Mittel bzw. der Wert, der für diese Ansprüche eingebrachten Vermögensgegenstände und Rechte stellt «reines» Eigenkapital dar. Diese idealtypische Definition muß sich natürlich nicht decken mit Definitionen, die z. B. der Gesetzgeber oder Parteien in Verträgen wählen, um Eigenkapital zu definieren. Im Kreditwesengesetz (KWG) definiert der Gesetzgeber z. B. in § 10 Abs. 5 KWG die Bedingungen, unter denen finanzielle Mittel, die für Genußrechte eingezahlt wurden, zum haftenden Eigenkapital zählen: (1) es muß bis zur vollen Höhe am Verlust teilnehmen (= buchmäßige Reduktion im Verlustfall); (2) es darf erst nach Befriedigung der Gläubiger zurückgefordert werden (= Nachrangigkeit des Anspruchs); <?page no="306"?> 304 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung (3) es muß dem Kreditinstitut mindestens für die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung gestellt werden (= Mindestbindungsdauer); (4) es darf nicht in weniger als zwei Jahren fällig werden (= Mindestrestbindungsdauer); (5) ein durch Verluste reduzierter Rückzahlungsanspruch darf durch Gewinne, die nach mehr als vier Jahren seit dem Fälligkeitstermin anfallen, nicht erhöht werden (= keine nachträgliche Risikoabmilderung); (6) auf die Punkte 3. und 4. muß explizit sowie in schriftlicher Form vom Kreditinstitut hingewiesen werden (= Anlegerschutz). Wir wollen auch Ansprüche aus «reinem» Fremdkapital definieren: Ansprüche aus «reinem» Fremdkapital (Schneider [Risikokapital], 187) seien gekennzeichnet durch • eine vertragliche, ausschließliche Ergebnisunabhängigkeit ohne buchmäßige Reduktion des Kapitalbestandes im Verlustfall, • eine vertragliche Festlegung der Verzinsungs- und Rückzahlungsmodalitäten und Zeitpunkte und • einen vertraglichen vorrangigen Anspruch im Liquidationsbzw. Insolvenzfall. 2 Wieviel Eigenkapital braucht ein Unternehmen? Wir definieren Eigenkapital also als die finanziellen Mittel, die ausschließlich ergebnisabhängig bedient werden, mit keinem vertraglich festgelegten Rückzahlungsanspruch versehen sind und denen im Fall bilanzieller Verluste diese buchmäßigen Verluste zugerechnet werden. Die Frage, wieviel Eigenkapital ein Unternehmen braucht, ist schnell gestellt, aber sehr schwierig zu beantworten. Dies zeigt u. a. auch die Diskussion um die Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen. Während viele Autoren eine «Eigenkapitallücke» festzustellen glauben, meinen andere, von einer Eigenkapitallücke könne keine Rede sein. Wir nähern uns der Frage nach dem notwendigen Bestand an Eigenkapital auf einem von vielen Hindernissen befreiten Weg: Wir schalten zunächst viele praxisrelevante Hindernisse durch geeignete Annahmen aus. Eine Ausgangsthese ist, daß Unternehmen Eigenkapital brauchen, um Risiken abzufedern, die auf die Ansprüche anderer Kapitalgeber (Financiers) ansonsten durchschlagen könnten. Eigenkapital nimmt in dieser Sichtweise eine Pufferfunktion ein: Man braucht es, um anderen Kapitalgebern (Financiers), die gemäß <?page no="307"?> den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen keine oder geringere Risiken übernehmen wollen, solche unerwünschten Risiken nicht aufzuladen. Die Frage nach dem benötigten Eigenkapital stellt sich somit, wenn andere Kapitalgeber an der Finanzierung des Unternehmens beteiligt sind, die nicht Eigenkapital, sondern Mittel mit anderen Eigenschaften - z. B. Fremdkapital - bereitstellen. Bestünden diese anderen Financiers nicht, wäre die Frage nach dem benötigten Eigenkapital schnell beantwortet: Das Unternehmen benötigt finanzielle Mittel (Eigenkapital), um alle vorteilhaften Investitionsprojekte finanzieren zu können. Wir setzen einige Annahmen: • Die Eigenkapitalgeber, die Restbetragsansprüche halten, und die Fremdkapitalgeber, die Festbetragsansprüche, also ergebnisunabhängige Ansprüche halten, schätzen die zukünftigen Überschüsse von Investitionsprojekten gleich ein. Dies gelte auch dann, wenn diese Überschüsse unsicher sind. • Die Gesellschaft, die das Projekt realisiert, haftet Gläubigern gegenüber ausschließlich mit dem Vermögen der Gesellschaft. Es besteht also Haftungsbeschränkung. • Die Fremdkapitalgeber sind davon überzeugt, daß die Eigentümer das Projekt, das sie den Gläubigern präsentieren, auch durchführen, wenn es ihnen gelungen ist, das notwendige Kapital aufzubringen. • Die Fremdkapitalgeber glauben, daß die Eigenkapitalgeber, also die eigentlichen Investoren, vertragstreu sind. Das bedeutet, daß sie a) die Gläubiger wahrheitsgemäß über den erzielten finanziellen Überschuß (vor Bedienung des Fremdkapitals) informieren und b) daß sie den vorrangigen Bedienungsanspruch der Fremdkapitalgeber respektieren und erfüllen. Betrachten wir ein Projekt mit einer Lebensdauer von einer Periode. Die unsicheren Nettoeinzahlungen sehen so aus: Zustand der Welt Nettoeinzahlungen Wahrscheinlichkeit 1 2 3 4 180 110 90 80 0,3 0,3 0,2 0,2 Tabelle 9.1: Einzahlungen des Projekts Die Anschaffungskosten (I 0 ) seien 100. Für risikolose Positionen erzielten Gläubiger alternativ 10 %. Sie fordern deshalb für «reines» Fremdkapital von den Eigentümern eine Rendite i = 0,10, wenn ihnen eine risikolose Position angeboten wird. Gläubiger werden es ablehnen, Fremdkapital in Höhe von I 0 = 100 bereitzustellen, da sie bei Eintritt der Zustände 3 oder 4 erhebliche Ausfälle hätten. Diese Wieviel Eigenkapital braucht ein Unternehmen? · 305 <?page no="308"?> 306 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Überlegung ist der Ausgangspunkt für die Aussage, Eigenkapitalgeber seien die Risikoträger. Je höher der Anteil des Finanzierungsbeitrages von Gläubigern (F 0 ) am benötigten Investitionsbetrag ist, um so höher sind die Zins- und Rückzahlungsansprüche der Gläubiger, die aus den Nettoeinzahlungen des finanzierten Objektes zu leisten sind. Mit steigendem Finanzierungsanteil der Gläubiger steigt ihr Risiko, daß ihre Zahlungsansprüche teilweise unerfüllt bleiben (Ausfallrisiko). Je höher der Eigenkapitalanteil (E 0 ) an dem Investitionsbetrag I 0 ist, wobei gilt I 0 = F 0 + E 0 , um so mehr tragen die Eigentümer das Risiko, das mit der Unsicherheit von Nettoeinzahlungen verbunden ist. Mit steigendem Eigenkapitalanteil wird die Gläubigerposition weniger riskant und ist schließlich sicher. In diesem Sinn sind Eigenkapitalgeber Risikoträger im Fall der Unternehmensfortführung. Sie tragen Risiko, weil sie Restbetragsansprüche (Stützel [Aktie]) halten. Da den Gläubigern ein bevorrechtigter Anspruch auf Zins- und Rückzahlungen eingeräumt wird, erhalten sie den «sicheren» Teil der Verteilung der Nettoeinzahlungen. Im obigen Beispiel wäre ein Gläubiger in t 0 bereit, zum Zinssatz i = 0,10 einen maximalen Finanzierungsbeitrag (F 0 ) von 80 (1,10) -1 = 72,73 zu leisten, wenn er kein Ausfallrisiko übernehmen will. Kommt dieser Kreditvertrag zustande, ist dem Gläubiger die ergebnisunabhängige Zahlung von 80 zugesichert, gleichgültig welcher Zustand der Welt sich realisiert. Der Gläubiger trägt kein Risiko. Das gesamte Risiko tragen die, die die Eigenmittel aufbringen. E 0 muß im Beispiel 100 - 72,73 = 27,27 betragen. Die Eigentümer haben wegen des prioritätischen Anspruchs des Gläubigers nur einen Residualanspruch. Bei der hier erläuterten Aufteilung von I 0 auf F 0 und E 0 tragen die Eigentümer das gesamte Risiko. Ihr Risiko minderte sich erst, wenn F 0 den Betrag von 72,73 überstiege. Dann nämlich übernähmen auch die Gläubiger Risiko. Und Risiko, das die Gläubiger übernehmen, muß von den Eigentümern nicht getragen werden. Die Aufteilung des zu finanzierenden Betrages I 0 auf E 0 und F 0 entscheidet somit bei gegebener Verteilung der Nettoeinzahlungen im Zeitpunkt t=1, ob der Gläubiger überhaupt und wenn ja wieviel Risiko übernimmt. Soll die Position des Gläubigers risikolos sein, ist der notwendige Eigenkapitalbetrag im Zeitpunkt 0 also 27,27. Erweitern wir die Lebensdauer des Projektes auf zwei Perioden! Die Nettoeinzahlungen sind in Abbildung 9.1 dargestellt. Die Zahlenangaben an den von Zeitpunkt 1 zu Zeitpunkt 2 führenden Kanten geben die bedingten Wahrscheinlichkeiten an, mit der der Eintritt der Nettoeinzahlung NE 2,z erwartet werden kann, wenn im Zeitpunkt 1 die Nettoeinzahlung, bei der der Kanten beginnt, eingetreten ist. Auch ohne Rechnung sieht man, daß es bei Eigenfinanzierung ein lohnendes Projekt ist. Unterstellen wir, daß die Eigentümer risikoneutral sind und sich am Erwartungswert der Nettoeinzahlungen im Zeitpunkt 1 bzw. Zeitpunkt 2 orientieren, berechnen diese vor dem Hintergrund einer Alternativrendite von 0,12 einen Bruttokapitalwert in Höhe von 220,51. <?page no="309"?> Zu beantworten ist nun, wieviel Eigenkapitaleinsatz notwendig ist, wenn Fremdkapitalgeber an der Projektfinanzierung beteiligt werden sollen. Wir haben angenommen, daß potentielle Fremdkapitalgeber die Daten, die die Eigentümer ihnen vorlegen, ohne Abstriche übernehmen. Außerdem behalten wir die Annahme bei, daß Fremdkapitalgeber kein Ausfallrisiko übernehmen wollen. Der notwendige Eigenkapitalbetrag hängt nun von der Gestaltung des Kreditkontraktes, insbesondere der Tilgungsvereinbarung ab. Angenommen, der Kreditkontrakt sähe Zinszahlungen in t = 1 und t = 2 verbunden mit einer Endtilgung vor. Dann ist der von Fremdkapitalgebern angebotene Kreditbetrag bescheiden: F 0 = 30 (1 + 0,1) -2 = 24,79. Denn aus der Sicht von t = 0 kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,12 der Zustand eintreten, dessen Folge ein finanzieller Überschuß von lediglich 30 ist. Der erforderliche Eigenkapitalbetrag ist somit 100 - 24,79 = 75,21. Ändern wir die Tilgungstruktur in eine annuitätische Rückführung ab, darf die maximale Annuität offenbar nur 30 betragen. F 0 beträgt dann F 0 = 30 (1,1) -1 + 30(1,1) -2 = 52,07. Der erforderliche Eigenkapitalbetrag ist 100 - 52,07 = 47,93. Lassen wir eine Tilgung des Kreditvolumens zu, die den Mindesteinzahlungen des Projektes folgt, steigt das verfügbare Kreditvolumen an, wenn - wie angenommen - die Fremdkapitalgeber die von den Eigentümern gelieferten Prognosen über 2 1 0 I 0 (0,3) (0,3) (0,2) (0,2) (0,6) (0,4) (0,5) (0,5) (0,5) (0,5) 324 200 121 100 100 70 (0,4) 64 180 110 90 80 30 I 0 (0,6) Abbildung 9.1: Projekt mit zweiperiodiger Lebensdauer Wieviel Eigenkapital braucht ein Unternehmen? · 307 <?page no="310"?> 308 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung die projektspezifischen Nettoeinzahlungen ohne Abstriche übernehmen. Das in t = 0 verfügbare Fremdkapitalvolumen beträgt unter dieser Annahme F 0 = 80 (1,1) -1 + 30 (1,1) -2 = 97,52. Der notwendige Eigenkapitaleinsatz wäre mit E 0 = 2,48 verschwindend gering und die erwartete Rendite der Eigentümer entsprechend sehr groß. Diese Form des Kreditvertrags setzt voraus, daß exakt spezifiziert wird, welche zustandsabhängigen Nettoeinzahlungen in welcher Periode zu Zins- und Tilgungszahlungen zu verwenden sind. Es ist klar, daß die Abfassung solcher Kreditverträge sehr aufwendig wäre, weshalb man sie im wirklichen Leben auch nicht antrifft. Wir wollen eine weitere Verfeinerung vornehmen. Wir haben bislang angenommen, die Fremdkapitalgeber nähmen die von den Eigentümern gelieferten projektspezifischen Daten (Nettoeinzahlungen) für bare Münze. Das ist eine im ersten Schritt zulässige Annahme. Aber warum sollten die Fremdkapitalgeber gegenüber den Eigentümern haftungsbeschränkter Gesellschaften so vertrauensselig sein? Gläubiger wissen über die operativen Risiken der Geschäfte, die die Eigentümer betreiben i. d. R. viel weniger als die Eigentümer oder Manager; sie wissen auch, daß Verluste von Gläubigern im Kreditgeschäft an der Tagesordnung sind. Und sie wissen auch, daß bei der Vertragsgestaltung höchste Aufmerksamkeit geboten ist. Welche Vorkehrungen Fremdkapitalgeber in Kreditverträgen einbauen können, wurde in Kapitel 7 besprochen. Hier wollen wir auf eine naheliegende Reaktionsmöglichkeit von Fremdkapitalgebern verweisen: Sie prüfen die von Eigentümern vorgelegten Planungen und korrigieren die prognostizierten Nettoeinzahlungen nach unten und modifizieren ggf. auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten. Nehmen wir an, die im Beispiel angesprochenen Fremdkapitalgeber korrigieren die Nettoeinzahlungen in den für sie relevanten Umweltzuständen um - ausgehend von 30 - 15 % nach unten. Ein Kontrakt mit annuitätischer Rückführung innerhalb von zwei Jahren werde erwogen. F 0 beträgt dann 1 2 0 F 30 0, 85 1,1 30 0, 85 1,1 44, 26. − − = ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ = Der notwendige Eigenkapitalbetrag in t = 0 ist somit 100 - 44,26 = 55,74. Fremdkapitalgeber müssen zudem beachten, daß Unternehmen periodisch erhebliche Beträge in Umlauf- und Anlagevermögen reinvestieren, um die Ertragsfähigkeit zu steigern oder wenigstens zu erhalten. Wir wollen unterstellen, daß diese Reinvestition im Zeitpunkt 1 in die Daten des obigen Zustandsbaums noch nicht eingegangen ist. Der für den Kapitaldienst verfügbare Betrag sinkt somit um die Reinvestitionsauszahlung und damit sinkt das Verschuldungspotential, die debt capacity des Projekts bzw. Unternehmens. Und es ist nicht ausgeschlossen, daß die Reinvestitionsbedarfe dann besonders groß sind, wenn die operativen Überschüsse dünn ausfallen, weil Kostensenkungsprogramme, Rationalisierungsinvestitionen, Marketingaktivitäten etc. anstehen. <?page no="311"?> Schließlich ist zu beachten, daß Planungen das Erwartete spiegeln. Die oben berechneten Werte für F 0 und damit E 0 sind nur korrekt, wenn der Zustandsbaum die künftigen Ereignisse vollständig abbildet. Aber was folgt, wenn etwas Unerwartetes eintritt? Sind es unerwartete Chancen, berührt es das berechnete F 0 nicht. Sind es unerwartete Risiken, ist F 0 zu hoch angesetzt worden: Die Gläubiger sind plötzlich «im Risiko», obwohl der Kreditvertrag etwas anderes festschreiben sollte. Das Problem wäre lösbar, wenn die Eigentümer durch Eigenkapitaleinlagen (und ggf. damit verbundene Investitionen) das erforderliche Eigenkapital, das die Gläubiger risikofrei stellte, bei Bedarf bereitstellten. Dazu besteht erstens keine Verpflichtung; zweitens wäre eine so lautende Verpflichtung oft nicht einlösbar, weil den Eigentümern - z. B. in mittelständischen Unternehmen - das einzulegende Eigenkapital fehlt und drittens beseitigte die Annahme einer jederzeitigen Einschußbereitschaft der Eigentümer das Problem, über das hier gesprochen wird: Wenn die Eigentümer sich verpflichteten, bei Bedarf jederzeit Eigenkapital einzuschießen und wenn die Fremdkapitalgeber die Einhaltung dieser Verpflichtung jederzeit kostenlos erzwingen könnten, dann brauchte das haftungsbeschränkte Unternehmen (GmbH, AG) überhaupt kein Eigenkapital im Startpunkt. Die Frage nach dem erforderlichen Eigenkapitalbestand auf Unternehmensebene ist vor dem Hintergrund einer geplanten Investitionsstrategie zu sehen, zu dessen Finanzierung Fremdkapitalgeber beitragen, die keine (wesentlichen) Risiken übernehmen wollen und keinen Zugriff auf das private Vermögen der Eigentümer haben und deshalb Eigenkapitalzuführungen auch nicht erzwingen können. Wir können also folgern, daß man Eigenkapital auch braucht, um unerwartete Risiken abzufedern. Der Abfederungseffekt besteht darin, daß man die Verschuldungskapazität eines Projektes (Unternehmens) nicht so intensiv ausnutzt, wie die obigen einfachen Berechnungen für F 0 unterstellten. Das realisierte Verschuldungsvolumen muß mehr oder weniger deutlich unterhalb des berechneten F 0 liegen; und das impliziert höhere Eigenkapitalbestände E 0 . 3 Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen 3.1 Daten und Problem Wie hoch sind die bilanziell gemessenen Eigenkapitalanteile an der Bilanzsumme deutscher Gesellschaften? Wie haben sich diese im Zeitablauf entwickelt? Die verläßlichsten Zahlen liegen für Kapitalgesellschaften vor. Daten wurden in Kapitel 7 vorgestellt. Stellt man die Entwicklung der vertikalen Eigenkapitalquote im Zeitablauf grafisch dar, erhält man das Bild einer mittelschweren Skipiste mit Gegenhang (Abb. 9.2). Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen · 309 <?page no="312"?> 310 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Die in Kapitel 7 gelieferten Daten zeigen, daß die vertikalen Eigenkapitalquoten mit der Größe der Unternehmen, gemessen an den Umsatzerlösen oder Bilanzsummen, steigen. Hinzu kommen Branchenunterschiede und Rechtsformen, die erheblichen Einfluß auf durchschnittliche Eigenkapitalquoten haben. Die bescheidene Eigenkapitalquote, die Tabelle 7.3 zu entnehmen war, muß vor dem Hintergrund der Stichprobe, die nur kleinere mittelständische Unternehmen erfaßt, gesehen werden. Abbildung 9.2 liefert ein viel freundlicheres Bild der Entwicklung der bilanziellen Eigenkapitalquote. Dies hängt mit der veränderten Zusammensetzung der Stichprobe zusammen. Die Deutsche Bundesbank berichtet im Monatsbericht Oktober 2005 ausführlich über die im Zeitablauf mehrfach geänderte Zusammensetzung der Stichprobe. Die in Abbildung 9.2 ab Oktober 1997 gezeigten Daten sind abgeleitet aus einer Stichprobe («Jahresabschlußdatenpool») von ca. 105.000 Jahresabschlüssen. Diese Stichprobe ist deutlich größer als frühere Datensätze, weshalb die Vergleichbarkeit mit früheren Angaben nur bedingt gegeben ist. Die Deutsche Bundesbank sieht Ursachen der höheren Eigenkapitalquote im Übergang zum Halbeinkünfteverfahren, das mehr Attraktivität für die Thesaurierung von Gewinnen geschaffen habe, und in dem größeren Kontrolldruck, den Kreditinstitute auf ihre Kreditnehmer ausüben. Abbildung 9.2 kann nicht verdecken, daß die bilanziellen Eigenkapitalquoten vieler deutscher Unternehmen gering sind. Unterstellt man, daß internationale Vergleiche von Eigenkapitalquoten nicht generell an unterschiedlichen Bilanzierungsregelungen und/ oder -gewohnheiten scheitern, dann sind die Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen zwar nicht 28 20 18 16 22 24 26 Eigenkapitalquote (in % der Bilanz-Summe) 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 Abbildung 9.2: Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen von 1971-2004 <?page no="313"?> weltweit die niedrigsten, aber doch niedrig. Niedriger bzw. auf vergleichbarem Niveau sind die Eigenkapitalquoten in Schweden, Italien und Japan. Höher sind die Eigenkapitalquoten insbesondere in den USA, in Großbritannien und in Frankreich. Die Eigenkapitalquote amerikanischer Industrie-Aktiengesellschaften liegt trotz der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Verschuldungsgrade noch immer über den deutschen Werten. Als Ursachen für die niedrigen durchschnittlichen Eigenkapitalquoten werden die folgenden Aspekte angeführt: a) unterdurchschnittliche Renditen deutscher Unternehmen, b) relativ intensive Besteuerung deutscher Unternehmen und c) relativ bescheidene Abschreibungsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Wir starten mit Punkt a). Daß deutsche Unternehmen in der Vergangenheit unterdurchschnittliche Renditen (Nettoumsatzrenditen, Gesamtkapitalrenditen) erzielten, wird von mehreren Autoren und Institutionen vorgetragen (z. B. Albach/ Hunsdiek/ Kokalj [Risikokapital] 16-34). US-amerikanische bzw. englische Gesellschaften hätten im Durchschnitt nahezu doppelt so hohe Nettoumsatzrenditen erzielt. Wegen der zwischen Nettoumsatzrentabilitäten, Umschlagsgeschwindigkeiten und Gesamtkapitalrenditen bestehenden Beziehung, die in Kapitel 4 erläutert wurde, kann man schließen, daß sich auch die Gesamtkapitalrenditen deutscher und amerikanischer bzw. englischer Gesellschaften unterscheiden. Beteiligungen am Eigenkapital wären in der Bundesrepublik Deutschland weniger attraktiv als in den USA. Anleger hätten daher die Tendenz, in festverzinslichen Anlagen zu investieren, also Fremdkapitaltitel zu erwerben. Sie nehmen damit nicht Eigentümer-, sondern Gläubigerpositionen ein. Albach u. a. stützen diese These (Albach/ Hunsdiek/ Kokalj [Risikokapital] 16-34): Sie tragen vor, daß Unternehmen mit überdurchschnittlicher Eigenkapitalquote deutlich höhere Umsatzrentabilitäten erzielen als Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Eigenkapitalquote. Diese These wird auch von der Deutschen Bundesbank vorgetragen: Sie argumentiert, daß die wichtigste Ursache für eine schwache vertikale Eigenkapitalquote die unzureichende Ertragskraft der Unternehmen sei. Sie verhindere einmal, daß die Unternehmen über einbehaltene Gewinne ausreichende Eigenmittel bildeten und gäbe zum anderen potentiellen Kapitalgebern keine Anreize, diesen Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Betrachten wir Argument b). Als Ursache für die niedrige vertikale Eigenkapitalquote wird eine im internationalen Vergleich relativ intensive Besteuerung deutscher Gesellschaften angeführt, die die Nettorenditen der Eigentümer schwäche. Das Argument hat auf den ersten Blick die gleiche Stoßrichtung wie Argument a): Gewerbeertrag-, Körperschaftbzw. Einkommensteuer verkürzen die auf Unternehmensebene verbleibenden finanziellen Mittel und bei hier unterstellten, gegebenen Entnahmewünschen der Eigentümer die thesaurierbaren Mittel. Zum anderen sind Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen · 311 <?page no="314"?> 312 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung für Eigenkapitalgeber die Renditen nach Steuern (bzw. die finanziellen Überschüsse nach Steuern) die Größen, an denen sie ihr Investitionsverhalten ausrichten. Gibt es in einer Volkswirtschaft geringer besteuerte Anlagealternativen oder außerhalb der Volkswirtschaft geringer besteuerte Investitionsmöglichkeiten, kann dies zu einer Umorientierung des Anlageverhaltens führen. Entscheidend ist zunächst, ob die These der relativ intensiven Besteuerung deutscher Gesellschaften stimmt. Hierzu muß man nicht nur die Vielfalt der Steuerarten und die Höhe der Steuersätze, sondern insbesondere auch die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlagen beachten. Ein zweiter Aspekt ist von Bedeutung. Fremdmittel und Zinsen auf Fremdkapital kürzen die steuerlichen Bemessungsgrundlagen der Gewerbeertrag- und Körperschaftsteuer. Die steuerlichen Regelungen privilegieren den Einsatz von Fremdkapital. Es ist dann nicht erstaunlich, daß Eigentümer aus steuerlichen Gründen Fremdfinanzierung bevorzugen. Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sowie die Nichterhebung der Vermögensteuer auf gewerbliche Vermögensbestände haben den Anreiz, Fremdkapital einzusetzen, zwar verkleinert, aber nicht beseitigt. Der Gesetzgeber arbeitet (2007) intensiv daran, den steuerlichen Anreiz zum Einsatz von Fremdmittel weiter zu verkürzen. Argument c) greift einen Teilaspekt des unter b) angesprochenen Problemknäuels auf. Häufig wird die These vorgetragen, deutsche Unternehmen seien auch in bezug auf steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten im internationalen Vergleich benachteiligt. Dieses Argument, träfe es zu, wäre zu beachten, weil schnellere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten i. d. R. die Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten erhöhen. Angenommen, die kumulierten steuerlichen Abschreibungen am Ende der Nutzungsdauer entsprechen dem Anschaffungspreis des Projektes und der Steuersatz s, der auf die steuerliche Bemessungsgrundlage angewendet wird, sei konstant im Zeitablauf. Wie wirkt dann eine Abschreibungsregelung, die in früheren Jahren der Nutzung höhere Abschreibungen erlaubt als eine alternative Regelung? Wenn Δ Ab t den (im Vergleich zu einer alternativen Regelung) höheren Abschreibungsbetrag bezeichnet, spart das Unternehmen in Periode t die Steuerzahlung s Δ Ab t . Über diesen Betrag kann es zusätzlich verfügen; es kann ihn in irgendeiner Form zinsbringend anlegen. Damit sind spätere Erfolge höher, als sie ohne diese Regelung wären. Dieser Zinsgewinn fällt an, auch wenn bedacht wird, daß höhere Abschreibungen in frühen Perioden der Nutzungsdauer bei gegebenem Anschaffungspreis verkürzte Abschreibungen in späteren Perioden der Nutzungsdauer nach sich ziehen. Aus dieser die Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten im Regelfall erhöhenden Überlegung folgt aber nicht zwingend, daß schnellere Abschreibungsmöglichkeiten auch eine Erhöhung der vertikalen Eigenkapitalquote zur Folge haben. <?page no="315"?> Beispiel A und B diskutieren über Argumente von Autoren, die die gesunkene Eigenkapitalquote deutscher Kapitalgesellschaften erklären sollen. A argumentiert, daß bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu höheren vertikalen Eigenkapitalquoten führen müßten. B ist nicht dieser Meinung. Er konstruiert folgendes Beispiel: Eine AG habe Jahresüberschüsse in Höhe von 1.000 pro Periode für die nächsten 5 Jahre. Im Zeitpunkt t* wird ein Investitionsprojekt realisiert, dessen Anschaffungspreis 1.500 ist. Das Projekt erhöht die künftigen Erträge um 1.500 für die nächsten 5 Jahre. Unmittelbar nach Realisierung sieht die Bilanz des Unternehmens so aus: Bilanz in t* Grundstücke Anlagen Projekt Rohstoffe Forderungen Kasse 500 500 1.500 100 100 100 Grundkapital Gesetzl. Rücklage kurzfr. FK langfr. FK 650 150 300 1.700 2.800 2.800 Die Gewinn- und Verlustrechnung in t* + 1 bei linearer Abschreibung des Projektes über eine Nutzungsdauer von 5 Jahren sieht so aus: Gewinn- und Verlustrechnung in t* + 1 Erträge aus bisherigen Projekten Erträge aus Projekt Personalaufwendungen Materialaufwendungen Abschreibungen auf Altanlagen Abschreibungen auf Projekt Zinsaufwendungen Zinserträge 1.500 1.500 500 300 100 300 200 - Jahresüberschuß 1.600 Der Vorstand beschließt, den Jahresüberschuß zur Hälfte auszuschütten. Auch in der Folgeperiode soll die Hälfte des Jahresüberschusses ausgeschüttet werden. Diese thesaurierten Mittel werden in Finanzanlagen, die eine Rendite von 10 % bringen, angelegt. Auch sonstige verfügbare Mittel werden in Finanzanlagen angelegt. a) Entwickeln Sie die Bilanzen für t* + 1 und t* + 2 nach erfolgter Ausschüttung unter Benutzung der oben angegebenen Daten. Personalaufwendungen, Ma- Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen · 313 <?page no="316"?> 314 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung terialaufwendungen, Abschreibungen auf Altanlagen und Zinsaufwendungen bleiben unverändert. Erträge und Personal-, Material- und Zinsaufwendungen sind einbzw. auszahlungsgleich. Die Bestände Rohstoffe, Forderungen, Grundstücke bleiben ebenfalls konstant. b) Berechnen Sie die Eigenkapitalquoten in den Bilanzen t*+ 1 und t*+ 2! c) Wie hoch ist die Eigenkapitalquote, wenn in t* + 1 und t* + 2 das neue Projekt in Höhe von 500 abgeschrieben wird? d) Wie beurteilen Sie das Argument von A im vorliegenden Fall, wenn Sie die gesamte Lebensdauer des Projektes betrachten? Wie ist die niedrigere Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen zu beurteilen? Niedrigere Eigenkapitalquoten als ausländische Wettbewerber sind auf den ersten Blick noch nichts Gefährliches. Deutsche Aktiengesellschaften oder Unternehmen könnten z. B. weit höher diversifiziert sein als englische oder amerikanische. Das bedeutet tendenziell, daß ihr Investitionsrisiko kleiner als das der ausländischen Konkurrenten wäre. Bei geringerem Investitionsrisiko, d. h. geringerer Streuung der Nettoeinzahlungen, könnten sie sich auch höher verschulden. Es wäre auch denkbar, daß deutsche Unternehmen finanziell besser gemanagt werden: Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften ist unter vielen Aspekten vorteilhaft für die Eigentümer dieser Gesellschaften (Swoboda [Finanzierung], Jensen (1986)). Nur eigenfinanzierte Kapitalgesellschaften verschenken unter steuerlichen Aspekten viel Geld. Zu beachten ist, daß Fremdkapital periodisch mit Zinsen und Tilgungen zu bedienen ist. Dies ist unter Liquiditätsgesichtspunkten ein Nachteil. Aber diese Eigenschaft hat auch eine positive Seite: Fremdkapitalgeber halten Festbetragsansprüche und sie haben die Macht, diese Ansprüche durchzusetzen - eine Position, die außenstehende Eigentümer von KGaA und Aktiengesellschaften häufig nicht haben. Fremdkapital setzt die Manager (Eigentümer) von Unternehmen dem Druck aus, die Festbetragsansprüche zu befriedigen. Dieser Druck kann leistungssteigernd wirken und Manager davon abhalten, Geld in windigen Projekten zu verplempern. Das ist die These von Jensen zur Kontrollfunktion von Fremdkapital (Jensen [Free Cash Flow] 324). In der Literatur wird argumentiert, daß bei hohen Fremdkapitalquoten die Gläubiger verstärkt am Risiko der Unternehmen beteiligt seien, obwohl sie diese Risiken gar nicht übernehmen wollten. Wir haben in Kapitel 7 Kreditsicherheiten und Negativklauseln dargestellt. Die Funktionen von Kreditsicherheiten wurden diskutiert. Hier sei zunächst angenommen, daß das System der Kreditsicherheiten in der Bundesrepublik Deutschland besonders gut ausgebaut ist, daß es in anderen Staaten (z. B. in Frankreich) weniger einfallsreich entwickelt ist. Dafür gibt es Anhaltspunkte. Was folgt daraus für die Gläubigerpositionen? Kreditsicherheiten <?page no="317"?> senken die Risiken der Gläubiger. Das ist einer ihrer Hauptzwecke. Wenn die Risiken der Gläubiger aber durch Sicherheiten gesenkt werden, dann sind auch höhere Verschuldungsgrade für Unternehmen realisierbar. Ein effizienteres Kreditsicherungssystem könnte also dazu führen, daß die Gläubiger trotz niedriger («vertikaler») Eigenkapitalquote nicht mehr Risiko tragen als dann, wenn die bilanzielle Eigenkapitalquote höher, das Kreditsicherungssystem aber schlechter ausgebaut wäre. Ob das Argument allerdings für die Gesamtheit aller Gläubiger eines Unternehmens gilt, wird dann fraglich, wenn deren Ansprüche die Summe der Marktwerte der Sicherheiten übersteigen. Ein weiteres Argument, das hohe Fremdkapitalanteile erklärt, ist denkbar. Es könnte sein, daß Unternehmensleitungen ihre Eigenkapitalgeber nachlässig behandeln. Dazu gibt es im Prinzip viele Möglichkeiten: Sie informieren sie zu spät oder nicht über bedeutende Veränderungen der Ertragslage, sie realisieren suboptimale Investitionsstrategien, weil sie falsche Entscheidungskriterien benutzen, sie betreiben eignerunfreundliche Ausschüttungsstrategien, sie betrachten einbehaltene Mittel als «billigste» Finanzierungsquelle, die Manager können Insidergeschäfte zu Lasten uninformierter außenstehender Aktionäre betreiben. Gerichte können Anteilseignern zu niedrige Abfindungen (§ 305 AktG, §§ 327a ff AktG) bzw. Ausgleiche (§ 304 AktG) zusprechen; die Aktionärsmehrheit übervorteilt die -minderheit bei Bezugsrechtsausschlüssen und bei Sacheinlagen etc. Wer außenstehende Eigentümer und Kleinaktionäre abschrecken will, hat also ein reichhaltiges Angebot an Möglichkeiten. Nutzt man diese konsequent, ist der «Markt» nicht weniger konsequent: Unternehmen, die ihre Anteilseigner malträtieren, müssen ihre Aktien oder Beteiligungsangebote dann zu Discount-Preisen anbieten, damit sich überhaupt Käufer finden. Das aber heißt, daß die Beschaffung von Eigenkapital teuer wird. Damit wird dann wieder ein zusätzlicher Anreiz ausgelöst, «billigeres» Fremdkapital einzusetzen. Für schnell wachsende Unternehmen mit hohem Forschungs- und Innovationsbedarf können niedrige Eigenkapitalquoten allerdings große Hemmnisse darstellen. Ist die Verschuldungskapazität ausgereizt, können niedrige Eigenkapitalquoten Manager (Eigentümer) abhalten, kapitalintensive und risikoreiche Forschungs- und Innovationsstrategien überhaupt zu beginnen, weil Fehlschläge den Bestand des Unternehmens gefährden könnten. Dies ist ein ernst zu nehmender Einwand. Das Problem besteht nicht darin, daß in Deutschland Eigenmittel nicht verfügbar wären. Die Mittel fließen nur nicht in ausreichendem Ausmaß dorthin, wo sie benötigt werden. Damit entsteht ein Problem: Es ist zu beantworten, ob und ggf. wie man die Rahmenbedingungen so verändern kann, daß die Angebotsbereitschaft von Investoren und die Aufnahmebereitschaft von Unternehmen für neues Eigenkapital erhöht werden. Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen · 315 <?page no="318"?> 316 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung 3.2 Vorschläge zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung Die Diskussion um die schwache vertikale Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen hat viele Vorschläge entstehen lassen, wie man diesem Zustand abhelfen könne (Albach, 1984; Reuter, 1984; K. Schmidt, 1984; Albach, Corte u. a., 1988). Einige der Überlegungen sollen hier skizziert werden. Ein Vorschlag lautet, für kleine und mittlere Unternehmen eine attraktivere Form der Aktiengesellschaft zu schaffen und für diese den Zugang zur Börse zu erleichtern, indem das Mindestkapital für die Börsenzulassung herabgesetzt, die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen gemildert und die Publizitätspflichten eingeschränkt werden. Der Vorschlag besteht in einem Plädoyer für die «kleine AG» und der Vorstellung, daß sich diese über die unten in Abschnitt 5 beschriebenen Finanzierungsformen Eigenkapital über den Kapitalmarkt beschafft. Realisierte man den Vorschlag, könnten «kleine» Aktiengesellschaften einen Teil der Kosten, die «große» Aktiengesellschaften für die Erstellung von umfangreichen Jahresabschlüssen, Prospekten, deren Publizität, für Aufsichtsrat und - möglicherweise - Mitbestimmungsregelungen aufzuwenden haben, sparen. Ein klares Votum für die kleine AG haben Albach, Corte u. a. ([Deregulierung des Aktienrechts], 1988) abgegeben. Die Autoren gehen empirisch vor. Sie befragen zehn Gruppen von Unternehmen zu Regelungen des AktG und dem zugehörigen Umfeld und werten die Antworten aus. Schlußfolgerungen aus den Auswertungen der Antworten sind: • Der Weg in die Aktiengesellschaft ist für viele Befragte abschreckend. • Der Börsenzugang wird von vielen als hohe Hürde empfunden. • Wichtigstes Motiv, die Rechtsform der AG zu akzeptieren, ist die Aussicht, Eigenkapital durch Verkauf von Anteilen (Aktien) aufbringen zu können. • Die Rechtsform der Aktiengesellschaft müsse mehr Gestaltungsfreiheiten bieten. Die Autoren gehen davon aus, daß das Aktiengesetz seit jeher auf Großunternehmen zugeschnitten sei und daß die Anforderungen stärker auf die Struktur der Eigentümer und deren Zielvorstellungen abgestimmt sein sollten. Sie unterscheiden drei Arten von Anleger-Konstellationen und schlagen deshalb ein «Drei-Stufen-Modell» vor: Für die erste Stufe, die Private AG, werden folgende Erleichterungen vorgeschlagen: • Die Ein-Mann-Gründung ist zulässig. • Das Mindest-Eigenkapital beträgt 100.000 DM (50.000 € ). • Eine förmliche Hauptversammlung kann, wenn die Satzung dies vorsieht und die Aktionäre zustimmen, unterbleiben. <?page no="319"?> • Satzungsändernde Grundlagenbeschlüsse dürfen nur in einer förmlichen Hauptversammlung beschlossen werden. • Eine notarielle Beurkundung der HV-Beschlüsse - ausgenommen Grundlagenbeschlüsse - findet nicht statt. • Der Vorstand berichtet viermal pro Jahr über den Gang der Geschäfte, Ertragslage und Geschäfte von erheblicher Bedeutung. Jeder Aktionär kann Zusatzberichte über wichtige Angelegenheiten verlangen. • Bestimmte Arten von Geschäften können, soweit die Satzung dies bestimmt, nur mit Zustimmung der Hauptversammlung vorgenommen werden. • Das in § 58 Abs. 2 AktG vorgesehene Dotierungsrecht der offenen Rücklagen durch die Verwaltung kann durch die Satzung eingeschränkt werden. • Private Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern sollen keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Gesellschaft haben. Die Liste der Vorschläge verdeutlicht das Anliegen der Autoren: Die Regeln des AktG sollen dort abgeschmolzen werden, wo Regelungen für die private AG mit geschlossenem Gesellschafterkreis nicht benötigt werden. Gewollt ist eine den Eigentümerzielen entsprechende Ausformung des Anlegerschutzes. Und dieser kann bei einer kleinen, nicht börsennotierten AG ganz anders aussehen als bei einer großen Aktiengesellschaft mit einer Vielzahl von Aktionären. Der Gesetzgeber hat Teile des Vorschlags im «Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts» vom 2.8.1994 umgesetzt. Die Ein-Personen-Gründung ist zulässig (§ 2 AktG). Die Hauptversammlung kann mit eingeschriebenem Brief einberufen werden, wenn die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt sind (§ 121 Abs. 4 AktG). Dies gilt sinngemäß für die Tagesordnung der Hauptversammlung und die Verlangen von Minderheiten zur Bekanntmachung (§ 124 Abs. 1 AktG). Eine notarielle Beurkundung der Hauptversammlungsbeschlüsse entfällt, wenn es sich nicht um Grundlagenbeschlüsse handelt, für die das Gesetz eine 3⁄4- oder größere Mehrheit vorsieht, und wenn die Gesellschaft nicht börsennotiert ist (§ 130 Abs. 1 AktG). Eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu unterzeichnende Niederschrift ist ausreichend. Eine Ergänzung hat § 186 AktG erfahren. Diese Vorschrift regelt das Bezugsrecht der Aktionäre. Der Gesetzgeber ergänzt § 186 Abs. 3 AktG wie folgt: «Ein Ausschluß des Bezugsrechts ist insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn von Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet.» Diese Vorschrift soll Kapitalerhöhungen beschleunigen und eine noch präzisere Terminierung erlauben. Die Thesaurierungskompetenzen der Verwaltung wurden insoweit flexibilisiert, als § 58 Abs. 2 AktG formuliert, daß die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils der Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen kann. Bei Aktiengesellschaften, Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen · 317 <?page no="320"?> 318 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung deren Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen sind, kann die Satzung nur einen größeren Teil als die Hälfte des Jahresüberschusses festschreiben. Für neu gegründete kleine Aktiengesellschaften beseitigt das Gesetz den drittelparitätisch mitbestimmten Aufsichtsrat. Wie für GmbHs gilt für diese AGs, soweit sie weniger als 500 Beschäftigte haben, daß die Arbeitnehmer keine Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden. Daß dies nur für nach dem 2.8.1994 gegründete Gesellschaften gilt, ist eine Eigenschaft, die politischem Gerangel ihre Entstehung verdankt. Das Konzept, die Rechtsform der AG für kleinere Unternehmen attraktiver zu machen, wird unterstützt durch die Schaffung zusätzlicher Börsensegmente, die sich durch unterschiedliche Zugangsbedingungen und Anforderungen an die gelisteten Unternehmen unterscheiden. Bis 1997 bestanden die Börsensegmente in Deutschland im Amtlichen Markt, Geregelten Markt und Freiverkehr. Die folgende Aufstellung hält ausgewählte Aspekte der Zulassungsbedingungen und Anforderungen fest. Im April 1999 hat die Deutsche Börse AG ein neues Segment vorgestellt: SMAX. SMAX steht für Small Cap Exchange. Small Caps sind «kleine Standardwerte», d. h. solide, aber dem Heer der Anleger deutlich weniger bekannt (und deshalb möglicherweise unterbewertet) als die großen Standardwerte, die im DAX bzw. CDAX vertreten sind. SMAX soll ein Qualitätssegment sein. Voraussetzung für die Aufnahme in den SMAX ist eine Zulassung an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Amtlichen Handel oder zum Geregelten Markt. Hinzukommen weitere Anforderungen wie etwa Quartalsberichte, Anerkennung des Übernahmekodex, Anteil frei handelbarer Aktien von mindestens 20 % der Gesamtzahl der Aktien, etc. SMAX ist somit ein Segment, in dem sich bereits erfolgreiche kleinere Aktiengesellschaften auszeichnen können. Für Neuankömmlinge ist SMAX nicht sofort geeignet. Ein weiterer (aber nicht realisierter) Vorschlag lautete, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Kommanditgesellschaften den Zugang zum organisierten Kapitalmarkt zu verschaffen. Zweck ist, die Handelbarkeit (Fungibilität) dieser Anteile auf einem eigenen Marktsegment (Parallelmarkt) herzustellen und damit das Interesse der Investoren, die nur eine Geldanlage, kein unternehmerisches Engagement suchen, verstärkt zu wecken. Der Vorschlag hat prinzipiell Vorteile: Die genannten Unternehmen könnten ihre Rechtsform beibehalten und sparten im Vergleich zum ersten Vorschlag die Kosten der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Durch gesellschaftsrechtliche bzw. vertragliche Regelungen könnte sichergestellt werden, daß die Zeichner dieser Anteile Mitwirkungsrechte (Mitentscheidungsrechte) nicht haben. Dagegen müßten ihnen Kontrollrechte zugestanden werden. Durch eine entsprechende Stückelung der Anteile könnte man den Eintrittspreis steuern und damit das breite, uninformierte und besonders <?page no="321"?> schutzbedürftige Publikum fernhalten. Damit sinken die Rechnungslegungsbzw. Publizitätsanforderungen, durch die der Handel dieser Anteile unterstützt werden müßte. Durchgesetzt hat sich der Vorschlag indessen nicht. Ein dritter Lösungsvorschlag zielt insbesondere auf die Personengesellschaft ab. Der Vorschlag lautet, daß diese Unternehmen den als Eigenkapitalpapier ausgestatteten Genußschein zur Beschaffung zusätzlicher Eigenmittel nutzen könnten (bzw. sollten). Wenn der Genußschein als risikotragender Titel ausgestattet werden soll, muß mindestens eine Gewinn- und Verlustbeteiligung vereinbart sein, Kündigungsrechte müssen ausgeschlossen oder jedoch erheblich eingeschränkt Merkmal Amtlicher Handel Geregelter Markt Freiverkehr Antrag auf Zulassung Emittent und Kreditinstitut, das Börsenmitglied ist Emittent und Kreditinstitut oder ein anderes Unternehmen, das Börsenmitgliedschaft erworben hat Kreditinstitut oder Freimakler; Emittent muß nicht zustimmen Zulassungsgrundlage Börseneinführungsprospekt Unternehmensbericht Verkaufsprospekt Mindestvolumen der zuzulassenden Aktien 2,5 Mio. Kurswert (erwartet) 0,5 Mio. Mindestnennbetrag keine Vorgaben Mindeststückzahl 10.000 10.000 keine Vorgaben Inhalt des Börseneinführungsprospektes bzw. Unternehmensberichtes strengste Anforderungen; z. B. testierte Jahresabschlüsse für die letzten 3 Jahre gemilderte Anforderungen; z. B. der letzte verfügbare testierte Jahresabschluß keine Vorgaben Projekthaftung Emittent und begleitendes Kreditinstitut Emittent und begleitendes Kreditinstitut bzw. Unternehmen keine Vorgaben Form der Zwischenberichterstattung obligatorischer Zwischenbericht im Bundesanzeiger oder Börsenpflichtblatt Zwischenbericht als Sollvorschrift Keine explizite Zwischenberichtserstattung Ad-hoc-Publizität kursrelevante Tatsachen sind unverzüglich in einem Börsenpflichtblatt zu veröffentlichen wie amtlicher Handel wie amtlicher Handel Tabelle 9.2: Zugangsbedingungen Zur Eigenkapitalausstattung von deutschen Unternehmen · 319 <?page no="322"?> 320 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung werden, der mögliche Anspruch auf einen Anteil am Liquidationserlös, soweit er überhaupt besteht, muß gegenüber allen Gläubigern nachrangig sein. In der Literatur wird betont, daß in Personengesellschaften der Aufnahme neuer Teilhaber insbesondere deshalb mit Vorbehalten begegnet werde, weil diese i. d. R. Mitwirkungsrechte forderten. Deshalb wird vorgeschlagen, den Genußschein-Inhabern keine Mitwirkungsrechte zu gewähren. Nun können Mitwirkungsrechte die aus einer Beteiligung resultierenden Risiken erheblich dämpfen. Folglich können die Mitwirkungsrechte nicht ersatzlos entfallen: Sie müssen durch Informations- und Kontrollrechte ersetzt werden. Information und/ oder Kontrolle können durch einen das Management überwachenden Beirat, durch vom Wirtschaftsprüfer geprüfte Jahresabschlüsse, die den härteren Normen für Kapitalgesellschaften entsprechen und durch bestimmte, vom Beirat auszuübende Widerspruchsrechte ausgeübt werden. 52 4 Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen 4.1 Aufnahme neuer Gesellschafter Mit nicht emissionsfähigen Unternehmen sind diejenigen bezeichnet, die sich nicht durch Ausgabe von Aktien an eine Vielzahl von Kapitalgebern zusätzliche Eigenmittel beschaffen können. Hierzu zählen etwa Einzelunternehmen, die OHG, die KG, die GmbH und kleinere Aktiengesellschaften, deren Bekanntheitsgrad so gering ist, daß eine Aktienemission als riskantes Unterfangen erscheint. Man kann unterstellen, daß bei gegebenem Eigenkapital eines Unternehmens der Aufnahme von Fremdmitteln Grenzen gesetzt sind. Wachsende Unternehmen, die neue Produkte und/ oder neue Technologien entwickeln und einführen, benötigen daher auch zusätzliche Eigenmittel. Als Eigenmittelquellen kommen einmal das Privatvermögen der Eigentümer (Gesellschafter) in Frage und die Einbehaltung von «verdienten» finanziellen Überschüssen. Ist das Privatvermögen erschöpft oder reichen die «verdienten» Überschüsse nicht aus, um den Eigenkapitalbedarf zu decken, könnten neue Eigentümer (Gesellschafter) aufgenommen werden. Bei der Aufnahme neuer Eigentümer (Gesellschafter) in ein bestehendes Unternehmen entstehen prinzipiell drei Probleme, die zu lösen sind: (1) Wie ist der «Eintrittspreis» für den neuen Eigentümer (Gesellschafter) zu bestimmen? 52 In Abschnitt 5.4 diskutieren wir eine Fallstudie, in der der Genußschein mit Erfolg eingesetzt wird. <?page no="323"?> (2) Wie ist der «Eintrittspreis» aufzuteilen auf den «Kapitalanteil» des Gesellschafters, nach dem sich ein Gewinnbeteiligungsanspruch richtet, und auf den nicht gewinnberechtigten Restbetrag, den man auch mit Aufgeld oder Agio bezeichnen kann? (3) Welche Regelungen sind in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen (Geschäftsführung, Kontrollrechte, Gewinnermittlung und -verteilung, Kündigung, Abfindung beim Ausscheiden etc.)? Nur die Problemkreise (1) und (2) werden hier angesprochen. Ein Einzelunternehmer plant wegen seines fortgeschrittenen Alters, einen Partner aufzunehmen. Damit entsteht eine OHG. Der Geschäftsumfang des Unternehmens soll nicht erweitert werden. Der Einzelunternehmer möchte lediglich seine Arbeitsbelastung halbieren. Die künftigen Nettoeinzahlungen werden auf 250 (in 1.000 € ) für alle künftigen Perioden geschätzt. Der neue Teilhaber soll 50 % der Anteile und damit die Hälfte aller künftigen Nettoeinzahlungen erhalten. Der bisherige Alleininhaber wird zunächst errechnen, welchen Preis er mindestens fordern muß, wenn er seine ökonomische Position nicht verschlechtern will. Wir lassen das verminderte Arbeitsleid des Alleineigentümers im folgenden unbeachtet. Er wird seinen Grenzpreis GP I bestimmen. Dazu muß er wissen, auf welche künftigen Nettoeinzahlungen er bei Aufnahme des Teilhabers verzichtet und wie hoch der Anlagezinssatz (i I ) ist, zu dem er Mittel alternativ bestens anlegen kann. Er verzichtet auf 125 pro Periode. Sein bester Anlagesatz sei i I = 0,08. Sein Grenzpreis GP I ist folglich 1.562,50. 0,08 125 GP I = = Angenommen, es gelingt dem Inhaber, den neuen Teilhaber zu überzeugen, daß die künftigen Überschüsse des Unternehmens 250 pro Periode sein werden. Er überwindet also die Probleme der Informationsübermittlung, die im wirklichen Leben bestehen. Dann hängt der Grenzpreis des Teilhabers (GP T ) lediglich noch von dessen bester Alternativanlage ab (i T ). Beträgt i T z. B. 6 %, ergibt sich GP T aus 2.083,33. 0,06 125 GP T = = Der Teilhaber ist unter diesen Bedingungen bereit, maximal 2.083,33 für einen unbegrenzten Einkommensstrom von 125 pro Periode zu zahlen. Er ist bereit, mehr zu zahlen, als der Inhaber mindestens verlangen muß: GP T > GP I . Folglich gibt es einen Verhandlungsbereich, der durch die jeweiligen Grenzpreise abgesteckt ist. Der Eintrittspreis für den Teilhaber liegt in diesem Verhandlungsbereich; seine Bestimmung hängt vom Verhandlungsgeschick der beiden Parteien ab. Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen · 321 <?page no="324"?> 322 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Angenommen, der Einigungspreis sei 1.800. Für den bisherigen Alleininhaber bedeutet dies, daß er seine finanzielle Position verbessert hat: Er erzielt 125 aus dem Unternehmen und 1800 · 0,08 = 144 aus einer privaten Finanzinvestition, zusammen also 269 und somit 19 mehr, als er aus dem Unternehmen als Alleininhaber erzielte. Auch für den Teilhaber lohnt sich der Eintritt in das Unternehmen zum Preis von 1.800. Da sein Alternativertragssatz «nur» i T = 0,06 ist, müßte er, um einen Einkommensstrom von 125 zu erzielen, 2.083,33 anlegen. Beteiligt er sich, erzielt er den Strom für einen Preis von 1.800. Er kann die Differenz jetzt alternativ anlegen und erzielt ein Zusatzeinkommen von (2.083,33 - 1.800) · 0,06 = 17, insgesamt also 142 pro Periode. Nun plane der Alleininhaber, das Unternehmen nach Aufnahme eines Teilhabers zu erweitern. Vor Erweiterung betragen die künftigen Nettoeinzahlungen 250 pro Periode. Nach Erweiterung sollen sie 430 pro Periode betragen. Der zusätzliche Kapitalbedarf für die Unternehmenserweiterung beträgt 1.500. Der Mindest-Eintrittspreis, den der bisherige Inhaber verlangen muß, hängt von seiner Zielsetzung ab. (1) Angenommen, der bisherige Eigentümer will seine bisherige Einkommensposition (250) halten, hat aber kein Eigenkapital, um die Erweiterungsinvestition zu finanzieren. Er könnte folglich bereit sein, dem Teilhaber die zusätzlichen Erfolge von 180 abzutreten gegen eine Leistung von 1.500. Der Teilhaber erzielt dann eine Rendite von 180/ 1.500 = 0,12 = 12 % und somit viel mehr, als er alternativ (i T = 0,06) erzielen könnte. Der Grund ist die «bescheidene» Zielsetzung des bisherigen Eigentümers, die in der Realität nicht anzutreffen sein wird. Die Beteiligungsquoten zwischen dem bisherigen Inhaber (I) und dem Teilhaber (T) sind für I 250/ 430 = 0,5814 und für T 180/ 430 = 0,4186. (2) Angenommen, der bisherige Eigentümer I wäre zu einer Teilung der Gewinne nach Erweiterung bereit. T muß dann 1.500 einbringen und erhält 215 pro Periode. Seine Rendite beträgt 215/ 1.500 = 0,1433 und ist somit noch höher als gemäß der ersten Zielsetzung von I. Dessen Einkommensposition verschlechtert sich von 250 auf 215. Dieses Ergebnis ist zu erklären. Denkbar wäre das Verhalten von I z. B., wenn die Erweiterung des Unternehmens technisch oder ökonomisch zwingend ist, weil sonst die Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens sinkt und alternative Finanzierungsmöglichkeiten nicht bestehen. Möglich ist auch, daß I eine geringere Arbeitsbelastung wünscht und dafür ein geringeres Einkommen in Kauf nimmt. Denkbar ist schließlich, daß I die möglichen Konsequenzen aus seiner unbeschränkten Haftung mildern will: Mit der Aufnahme von T bestehen zwei Vollhafter. Auch eine geminderte Haftungsbelastung kann einen Einkommensverzicht aufwiegen. <?page no="325"?> (3) Angenommen, I bietet T eine 50 %-ige Beteiligung an und verlangt als Eintrittspreis seinen Grenzpreis (GP I ). I gibt dann einen Einkommensstrom von 430/ 2 = 215 ab, der bei i I = 0,08 2.687,50 für I wert ist. I verlangt von T einen Eintrittspreis von 2.687,50. T, dessen alternativer Anlagesatz i T = 0,06 ist, errechnet einen Grenzpreis von 3.583,33 für diese Beteiligung und ist somit mit einem Preis von 2.687,50 immer einverstanden. Nach Erweiterung und Aufnahme von T erzielt I ein Einkommen von 215 pro Periode aus dem Unternehmen und zusätzlich (2.687,50 - 1.500) · 0,08 = 95 aus einer privaten Finanzinvestition. Sein Gesamteinkommen ist nun 310 nach Erweiterung im Vergleich zu 250 vor Erweiterung. T erzielt 215 aus dem Unternehmen und (3.583,33 - 2.687,50) · 0,06 = 53,75 aus einer privaten Finanzinvestition. Auch seine Position hat sich verbessert, weil die Rendite, die er aus der Unternehmensbeteiligung bezieht - 215/ 2.687,50 = 0,08 - seine Alternativrendite i T = 0,06 übersteigt. Jetzt ist der zweite Problemkreis anzusprechen. Das Problem der Verteilung des von T eingebrachten Eintrittspreises stellt sich, weil sich die Gewinnverteilung im Rahmen des Unternehmens nach den Kapitalanteilen der Gesellschafter richtet. Dies entspricht der gesetzlichen Bestimmung des § 121 HGB und den i. d. R. anzutreffenden Vereinbarungen in Gesellschaftsverträgen. Beim Eintritt eines neuen Teilhabers sind die Kapitalkonten in ein Verhältnis zu bringen, das dem gewollten Beteiligungsverhältnis am Gewinn bzw. an den Nettoeinzahlungen entspricht. Angenommen, die Bilanz des Unternehmens vor Erweiterung und vor Aufnahme von T habe folgendes Aussehen: AV UV Kasse 1.300 1.200 200 Eigenkapital I Verbindlichkeiten 1.000 1.700 2.700 2.700 Abbildung 9.3: Bilanz vor Aufnahme von T Bei der ersten Zielannahme wollte I seine bisherige Einkommensposition halten. T hätte 1.500 einzubringen. T ist mit 180 : 430 = 0,4186, also mit 41,86 % beteiligt. Sein Eigenkapitalkonto muß sich bei gegebenem Eigenkapitalkonto des I (1.000) zu dem von I wie 41,86 : 58,14 verhalten und somit 720 58,14 41,86 1.000 ⋅ ≅ betragen. Die Nettoeinzahlungen von 430 sind dann im Verhältnis der Kapitalkonten 1.000 : 720 aufzuteilen. Nach Eintritt des T sieht die Bilanz so aus: Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen · 323 <?page no="326"?> 324 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung AV UV Kasse 1.300 1.200 1.700 Eigenkapital I Eigenkapital T Rücklagen Verbindlichkeiten 1.000 720 780 1.700 4.200 4.200 Abbildung 9.4: Bilanz nach Aufnahme von T Die Rücklagen nehmen den Teil der Einzahlung von T auf, der nicht gewinnberechtigt ist. Bevorzugt I eine Teilung der Erfolge (430), ist T eine Beteiligung von 50 % anzubieten. Das Eigenkapitalkonto von T muß daher 1.000 betragen. Der Rücklage werden 500 zugeführt. Gemäß der dritten Annahme verlangt I als Eintrittspreis von T den von ihm (I) errechneten Grenzpreis. Wir unterstellen, daß I den höheren Grenzpreis von T nicht kennt; er könnte sonst den Eintrittspreis noch höher schrauben und damit sein Einkommen weiter steigern. T zahlt für die 50 %-ige Beteiligung 2.687,50. Davon werden nur 1.500 für die Unternehmenserweiterung benötigt. 1.187,50 werden von I außerhalb des Unternehmens angelegt: Die Zinserträge (= Nettoeinzahlungen) aus dieser Anlage dürfen nicht als Unternehmenserfolge erfaßt werden, da T sonst an ihnen zu 50 % beteiligt wäre. Die Bilanz nach Aufnahme von T sieht so aus: AV UV Kasse 1.300 1.200 1.700 Eigenkapital I Eigenkapital T Rücklagen Verbindlichkeiten 1.000 1.000 500 1.700 4.200 4.200 Abbildung 9.5: Bilanz nach Aufnahme von T, wenn Eintrittspreis 2.687,50 ist 4.2 Venture Capital - Finanzierung Das in Abschnitt 4.1 benutzte Beispiel unterstellte ein Unternehmen, das auf konstante operative Überschüsse hoffen konnte. Ein Teilhaber T, der sich zu einem Eintritt in das Unternehmen bereitfand, wußte, auf was er sich einließ: der Alteigentümer konnte auf eine Reihe bereits erzielter Überschüsse verweisen, die Produkte des Mutterunternehmens waren im Markt akzeptiert, die Wettbewerbsposition konnte von T überprüft werden, die interne Organisation des Unternehmens <?page no="327"?> stand. Die Situation ist völlig anders, wenn Eigenkapital für im Aufbau begriffene Unternehmen gesucht und benötigt wird. Weil die Neu-Eigentümer junger, noch nicht etablierter Unternehmen spürbare Risiken übernehmen, spricht die Literatur von Venture Capital, was man mit Risiko- oder Wagniskapital übersetzen kann. Venture Capital-Geber sind entweder Fonds, öffentliche bzw. Corporate VC-Gesellschaften oder private Investoren, die sich für eine beschränkte Zeitspanne mit Eigenkapital und begleitender Beratung und Steuerung an Unternehmen in frühen Entwicklungsstadien beteiligen mit dem Ziel, die Produktidee zu entwickeln und zu lancieren und sich nach einigen Jahren unter Mitnahme eines erheblichen Erfolgs aus dem Engagement zurückzuziehen. Dieser Rückzug aus dem erfolgreichen Unternehmen kann auf verschiedenen Wegen erfolgen: (1) Das Unternehmen kann Anteile an einer Börse plazieren und die VC-Gesellschaft verabschiedet sich sofort oder nach definierter Frist. (2) Die Beteiligung geht an eine weitere VC-Gesellschaft, die auf die Finanzierung späterer Entwicklungsphasen des Unternehmens spezialisiert ist. (3) Die Beteiligung wird an einen industriellen Investor, der sich z. B. Synergieeffekte ausrechnet, veräußert. (4) Die Altgesellschafter kaufen die Beteiligung zurück. Es ist nützlich, die soeben benutzte Definition von Venture Capital (VC) von Private Equity (PE) abzugrenzen. Abbildung 9.6 versucht dies in Anlehnung an den deutschen Verband (Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften BVK) bzw. den Europäischen Verband EVCA (European Private Equity and Venture Capital Association). Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen · 325 Early stage - Finanzierungen Later stage - Finanzierungen Mezzanine - Finanzierungen Buy - outs • Seed • Start up • Expansion • Turnaround • Replacement • Bridge Venture Capital Private Equity Abbildung 9.6: Versuch der Abgrenzung von VC gegenüber PE <?page no="328"?> 326 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Definiert man Private Equity als Beteiligungskapital, das in Form von Eigenkapital oder Eigenkapital-ähnlichen Mitteln (Mezzanine-Finanzierungen) von auf diese Form der Finanzierung spezialisierten Gesellschaften an nicht notierte Unternehmen bzw. an Gründerteams gegeben wird, zu den in der Kopfzeile der Abbildung 9.6 aufgelisteten Zwecken, dann stellen VC-Finanzierungen ein Segment von PE dar: VC bezeichnet dann die Finanzierungsaktivitäten, bei denen die Kapitalnehmer Gründerteams bzw. sehr junge Unternehmen sind, die - etwas salopp formuliert - die Eierschalen der juristischen bzw. ökonomischen Gründung noch nicht haben beseitigen können. Diese Gründerteams oder sehr jungen Unernehmen präsentieren sich ganz anders als das in Abschnitt 4.1 benutzte Beispielunternehmen. Es existiert eine Produktidee von einem oder einigen Gründern mit meist technischem Hintergrund. Die Erfolgschancen dieser Idee sind sehr schwer zu bewerten. Das Unternehmen bzw. das Vorhaben hat keine Geschichte. Folglich gibt es keine historischen Daten (z. B. Bilanzen, GuV-Rechnungen), auf die gestützt man Prognosen erstellen könnte. Der oder die Gründer haben kein oder wenig Eigenkapital. Sie haben technisches Wissen, also Humankapital, aber dies ist nicht beleihbar. Fremdfinanzierung scheidet also aus. Das technische Wissen der Gläubiger ist für Dritte schwer zu bewerten. Das gilt auch für auf early-stage-Finanzierungen spezialisierte VC-Geber. Das Risiko Geld zu verlieren ist folglich hoch. Diese Datenkonstellation hat Folgen für die zu schließenden Finanzierungsverträge. Es reicht jetzt nicht aus zu beachten, daß Finanzierungsverträge gemeinsam erzielte Erfolge aufteilen und Risiken zuteilen bzw. verlagern können. Finanzierungsverträge müssen im VC-Kontext mehr leisten als dies. Wir können uns den VC-Geber als Fonds vorstellen, der bei Kapitalsammelstellen, wie Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und vermögenden privaten Investoren Geld einsammelt unter Verweis auf hohe erzielbare Renditen, um diese Mittel zur Frühphasenfinanzierung erfolgsträchtiger Gründerteams einzusetzen. Das Risiko/ Ertragsprofil eines VC-Investments ist ungewöhnlich, wie die empirische Untersuchung von Weidig/ Mathonet (2004) zeigt. Abbildung 9.7 verdeutlicht das durch-schnittliche Risiko/ Ertragsprofil eines VC-Investments in den USA. 53 Der Multiplikator (Multiple) ist definiert als Summe aller Rückflüsse aus dem VC- Engagement dividiert durch das insgesamt eingezahlte Kapital. Zeitdifferenzen und Kapitalkosten sind also unbeachtet. Die Wahrscheinlichkeit für einen Totalausfall ist 30 %. Die Wahrscheinlichkeit für die exakte Wiedergewinnung des eingezahlten Kapitals (im Sinne der pay-back-Idee) ist ca. 3 %. Die Wahrscheinlichkeit für ein Multiple von 10 und mehr ist etwa 12 %. Es sind diese wenigen 53 5.000 Engagements von Beteiligungsgesellschaften wurden in die Untersuchung einbezogen. <?page no="329"?> Fälle, die die zahlreichen Flops kompensieren müssen. Man darf aus diesem empirischen Aspekt einige Folgerungen ziehen: (1) Der Auswahlprozeß, das Screening, ist für den VC-Geber wichtig, aber schwer zu bewältigen, da er im Vergleich zum Gründerteam geringeres technologisches Wissen hat und weil die Chanceneinschätzung der Marktakzeptanz ein sehr schwieriges Geschäft ist. (2) Der VC-Geber muß diversifizieren, um Risiken abzubauen, also zahlreiche VC- Engagements eingehen. (3) Der VC-Geber muß Finanzierungsverträge schließen, die die fehlende Symmetrie der Finanzierungsverhältnisse kompensieren. Bestünden symmetrische Verträge zwischen Gründerteam und VC-Geber, wären - wie in Kapitel 6 erläutert - die Anreize zur gemeinschaftlichen Steigerung des Wertes des Unternehmens sehr intensiv. Dies käme dem VC-Geber sehr entgegen, da der Schwerpunkt der Wertgenerierung für ihn im Zeitpunkt des Austritts (Exit) liegt. Weil die Gründerteams i. d. R. nicht über nennenswerte Beträge an Eigenkapital verfügen, stellt der VC-Geber den Löwenanteil. Der Beitrag der Gründerteams besteht in ihrem Arbeitseinsatz und der effizienten Umsetzung ihres technologischen Wissens. Die Finanzierungsverträge übernehmen nun die Funktionen a) das Gründerteam zu dem Arbeitseinsatz anzuhalten, den es brächte, wenn es ebenfalls Eigenkapital im nennenswerten Umfang einsetzte und b) die Gründer zu disziplinieren, wenn die intendierte Anreizfunktion nicht die gewollten Effekte nach sich zieht. Die Disziplinierung kann in unterschiedlicher Intensität erfolgen: Abbildung 9.7: Risikoprofil eines VC-Investments (USA), Quelle: Weidig/ Mathonet (2004), S. 10. Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen · 327 <?page no="330"?> 328 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung - Verbreitet sind Stufenfinanzierungen. Der Vetrag definiert Eckpunkte (Milestones), die nach einer definierten Zeitspanne erreicht sein müssen. Sind sie es nicht, erfolgt die zweite, dritte etc. Finanzierungsrunde zu für das Gründerteam unvorteilhaften Bedingungen oder bleibt im schlimmsten Fall ganz aus. Der letztgenannte Fall bedeutet häufig, daß das Projekt zum Erliegen kommt und der VC-Geber seine investierten Mittel abschreiben kann. Sanktionen, die die sanktionierende Partei selbst schädigen, verlieren an Wirkung. - Die immer relevanten Mitwirkungsrechte des VC-Gebers können in Abhängigkeit von der Erreichung der Milestones variiert werden. Bei ausbleibenden Teilerfolgen reduziert sich der Autonomiebereich der Gründer, weil ihnen z. B. neue Geschäftsführer oder Controller zur Seite gestellt werden. Finanzielle Anreize über die Aufteilungsregel der Nettoeinzahlungen zu schaffen, ist eine reizvolle, aber schwierige Aufgabe. Betrachten wir ein Beispiel: Ein neu gegründetes Unternehmen habe einen Kapitalbedarf von 800.000 € . Der VC-Geber weiß, wie riskant das Unternehmen ist. Er ist bereit, den geforderten Betrag zu investieren, wenn er eine Rendite von 30 % erhält. Der Barwert der erwarteten Einzahlungsüberschüsse in Tabelle 9.3 beträgt 1 Mio. € , wenn die Wahrscheinlichkeiten der beiden Szenarien jeweils mit 0,5 angesetzt werden. Wenn der VC-Geber somit 80 % der erwarteten Nettoeinzahlungen und Verkaufserlöse beanspruchte, erreichte er sein Renditeziel. Der Gründer würde mit einem Anteil von 20 % für die Einbringung der Idee und seinen mehrjährigen Arbeitseinsatz entlohnt. Dies ist ein Anreiz sich anzustrengen; der Gründer erzielt einen Barwert (bei gleicher geforderter Rendite von 30 %) von 200.000 € . Ob dies ein Anreiz ist, sich maximal anzustrengen, kann hier offen bleiben. in T € 0 1 2 3 4 5 Szenario 1 Verkaufserlös -800 300 400 500 600 400 1.600 Szenario 2 Verkaufserlös -800 300 200 100 0 0 600 Tabelle 9.3: Szenarioabhängige Nettoeinzahlungen und Verkaufserlöse bei Exit Wir wollen annehmen, daß die den Szenarien 1 bzw. 2 zugerechneten Zahlungen von der Intensität des Arbeitseinsatzes des Gründers (des Gründerteams) abhängen. Szenario 1 stehe für sehr intensiven, Szenario 2 für moderaten Arbeitseinsatz. Feinere Abstufungen des Arbeitseinsatzes werden nicht beachtet. Jetzt besteht die Möglichkeit, die finanzielle Beteiligung für den Gründer so auszugestalten, daß der Anreiz für sehr intensiven Einsatz verstärkt wird. Zu diesem Zweck muß man dem Gründer die Teilhabe an den finanziellen Erfolgen bei moderatem Arbeitseinsatz, <?page no="331"?> also dann, wenn der Gründer Szenario 2 wählt, verkürzen. Angenommen der VC- Geber setze eine bevorrechtigte periodische Bedienung in Höhe von 250 durch. Die restlichen Überschüsse stehen dem Gründer oder dem Gründerteam zu. Der Verkaufserlös wird im Verhältnis von 0,8 : 0,2 aufgeteilt. Was ändert sich? Würde die bevorrechtigte Bedienung des VC-Gebers Vertragsbestandteil, erhielte dieser, wenn der Gründer sich für Szenario 2 entschiede pro Periode 250 T € , soweit die Nettoeinzahlungen ausreichend hoch sind. Der Erlös bei Exit soll unverändert im Verhältnis 8 : 2 geteilt werden. Der Vergleich der Barwerte bei genereller 8 : 2-Regelung bzw. bei bevorrechtigter Bedienung des VC-Gebers macht deutlich, daß die Attraktivität von Szenario 2 für den Gründer gesunken ist. Dies senkt vermutlich die Wahrscheinlichkeit, daß sich Gründer für Szenario 2 entscheidet. Barwert der Positionen bei Szenario 2 Generelle 8 : 2-Regel Bevorrechtigte Bedienung des VC-Gebers Gründer VC-Geber 111,25 444,98 70,78 485,45 Tabelle 9.4: Barwerte bei DKS = 0,3 und alternativen Aufteilungsregeln im Szenario 2 Entscheidet der Gründer für Szenario 1 und somit vollen Arbeitseinsatz erzielte er einen Barwert von 50 · 1,3 -1 + 150 · 1,3 -2 + 250 · 1,3 -3 + 350 · 1,3 -4 + (150+320) · 1,3 -5 , wenn der VC-Geber an Überschüssen, die 250 deutlich übersteigen, nicht mehr partizipiert. Der Barwert beträgt 490,14 und übersteigt den erreichbaren Barwert bei genereller Geltung der 8 : 2-Regel, der 288,75 beträgt, deutlich. Dieser finanzielle Anreiz erhöht die Wahrscheinlichkeit für den vollen Arbeitseinsatz des Gründers, also die Wahl von Szenario 1. Ob dieses Arrangement für den VC-Geber lohnt, hängt von der Wahrscheinlichkeit ab, mit der Szenario 1 erwartet werden kann. Die Barwerte aus der Sicht des VC-Gebers betragen 485,45 (Szenario 2) und 953,63 (Szenario 1). Damit der VC- Geber seine Mindestrendite erzielt, muß - bei unterstellter Risikoneutralität - die Wahrscheinlichkeit für Szenario 1 p = 0,673 betragen. Eine weitere Möglichkeit Anreize für den Gründer zu schaffen, besteht darin, das Kapital in Stufen bereitzustellen. Betrachten wir auch hier wieder ein Beispiel. Der Kapitalbedarf eines jungen Unternehmens betrage für die nächsten 6 Jahre 10 Mio. € . In dieser Zeit muß das Unternehmen (1) einen Prototyp entwickeln und (2) das Produkt zur Marktreife bringen. Diese beiden Entwicklungsstufen definiert der VC-Geber als Meilensteine, von deren Erreichen er die jeweilige Anschlußfinanzierung abhängig macht. Es entstehen somit drei Finanzierungsrunden: Gewinnung von Eigenkapital für nicht emissionsfähige Unternehmen · 329 <?page no="332"?> 330 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Investierter Betrag Jeweils erworbener Anteil des VC-Gebers Geschätzter Unterehmenswert nach Einlage Kumulierter Anteil VC-Geber Anteil Gründer Prototyp- Entwicklung Marktreife Produktion 1 Mio. 3 Mio. 6 Mio. 41,66 % 25 % 10 % 2,4 Mio. 12 Mio. 60 Mio. 41,66 % 66,66 % 76,66 % 58,34 % 33,33 % 23,33 % Tabelle 9.5: Anteilsquoten von VC-Geber und Gründer Der Anteil des Gründers an den künftigen Zahlungsüberschüssen werde im Rahmen der ersten Finanzierungsrunde mit 58,34 % festgelegt. Der Anteil des VC-Gebers in Finanzierungsrunde 2 werde so festgelegt: Der Wert des eigenfinanzierten Unternehmens betrage 12 Mio. € . Die Werteffekte aus der beabsichtigten Zufuhr von 3 Mio. € und deren investive Verwendung seien bereits eingerechnet. Ein Anteil von 0,5834 · 12 = 7,0008 Mio. gehört dem Gründer. Anteile im Wert von 3 Mio. muß er an den VC-Geber im Gegenzug zur Einlage abgeben. Dies sind 42,852 % seiner Anteile (oder 25 % am gesamten Wert des Eigenkapitals). Der Anteil des VC-Gebers steigt also auf 66,66 %. Der VC-Geber erreicht durch diese stufenweise Finanzierung des Kapitalbedarfs zweierlei: Erstens hat er die Möglichkeit, das Projekt an zwei Stellen abzubrechen, wenn es sich nicht vorteilhaft entwickeln sollte. Nach der ersten Runde hat er 1 Mio., nach der zweiten Runde 4 Mio. investiert. Gleichzeitig reduziert sich vermutlich von Runde zu Runde die Anzahl der möglichen Szenarien, d. h. die Unsicherheit nimmt ab: Nach der ersten Runde steht fest, daß ein Prototyp entwickelt werden konnte, nach der zweiten Runde liegt ein vermarktungsreifes Produkt vor. Zweitens entsteht Druck auf den Gründer. Nur bei termingerechtem Erreichen der Ziele wird die Finanzierung fortgesetzt, d. h. es wird ein Anreiz gesetzt, sich anzustrengen. Die Aufteilung des gesamten Kapitalbedarfs auf mehrere Runden macht auch aus Sicht des Gründers Sinn: Der VC-Geber bezahlt von Runde zu Runde höhere Preise pro Anteil; die Folge ist, daß der Anteil des Gründers langsamer schrumpft. Das gilt indessen nur, wenn der Wert des Projektes steigt. Auch dies ist ein starker Anreiz für den Gründer, sich voll einzusetzen. <?page no="333"?> 5 Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen 5.1 Stammaktien Die Aktiengesellschaft (AG) ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Ihren Gläubigern haftet nur das Gesellschaftsvermögen. Sie hat ein «in Aktien zerlegtes Grundkapital» (§ 1 Abs. 2 AktG). Der Begriff Aktie hat mehrere Bedeutungen: - Sie ist ein Bruchteil des Grundkapitals (Gezeichneten Kapitals) und muß auf eine feste Summe lauten (Nennbetragsaktie) oder Stückaktie sein. - Der Begriff «Aktie» bezeichnet zugleich die Mitgliedschaft in der AG, die aus Rechten und Pflichten des Aktionärs besteht. - Schließlich bezeichnet «Aktie» auch die Aktienurkunde. Zur Erleichterung der Übertragung der Mitgliedschaft ist diese in Urkunden verbrieft. Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, werden die Aktien als Inhaberaktien ausgestellt (§ 10 Abs. 1 AktG). Sie können dann durch Einigung und Übergabe übertragen werden. Die Satzung kann auch bestimmen, daß Aktien als Namensaktien ausgegeben werden (§ 10 Abs. 1 AktG). Sie werden durch Indossament übertragen (§ 68 Abs. 1 AktG), und der AG ist die Übertragung mitzuteilen, die sie im Aktienbuch vermerkt (§ 67 Abs. 1 und § 68 Abs. 3 AktG). Die Eintragung im Aktienbuch ist wichtig: Die Ausübung der Aktionärsrechte hängt von der Eintragung im Aktienbuch ab (§ 67 Abs. 2 AktG). Die Satzung kann bestimmen, daß die Übertragung der Aktie zusätzlich von der Zustimmung der AG abhängt (§ 68 Abs. 2 AktG). Dann liegen sog. vinkulierte Namensaktien vor. Die Stammaktie verkörpert die folgenden Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs: (1) Recht auf Anteil am Bilanzgewinn; (2) Recht auf Anteil am Liquidationserlös; (3) Anspruch auf Rechenschaft und Information; (4) Stimmrecht; (5) Bezugsrecht. Zu (1): Die Chance der Einkommenserzielung liegt für den Aktionär neben der Aussicht auf mögliche Kursgewinne in dem Anspruch, gemäß seiner Beteiligungsquote an den Ausschüttungen (Dividenden) der Gesellschaft beteiligt zu werden. Dieser Anspruch ist erstens ein Residualanspruch, d. h., der Aktionär kann seinen Anspruch auf Ausschüttung (Gewinnbeteiligung) erst dann geltend machen, wenn Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 331 <?page no="334"?> 332 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung andere Kapitalgeber (Gläubiger, Vorzugsaktionäre) ihre Ansprüche befriedigt sehen. Der Anspruch ist zweitens auf den Bilanzgewinn beschränkt (§ 58 Abs. 4 AktG). Er ist somit abhängig davon, was nach den Vorschriften des HGB als Jahresüberschuß errechnet wird und welche Modifikationen dieser Jahresüberschuß durch die § 58 AktG entsprechenden Satzungsbestimmungen im konkreten Fall erfährt. § 58 Abs. 1 AktG bestimmt, daß maximal die Hälfte eines errechneten Jahresüberschusses einbehalten werden darf. Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, kann die Satzung zur Einbehaltung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen, solange die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen (§ 58 Abs. 2 AktG) und die Aktien des Unternehmens börsennotiert sind. Sind die Aktien nicht börsennotiert, kann die Satzung der Gesellschaft auch nur zur Einstellung eines kleineren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen. Der Gesetzgeber gibt hier der eigentümergeleiteten «kleinen AG» größere Gestaltungsspielräume. Der Ausschüttungsanspruch des Aktionärs erweist sich so als ein mehrfach gefilterter Anspruch. Er ist nicht nur abhängig von den tatsächlich eingetretenen Ergebnissen der abgelaufenen Periode - man könnte sie die «wahre» Gewinnlage der Gesellschaft nennen -, sondern auch davon, wie sich diese Ergebnisse in den Rechnungslegungskonventionen, in der Handhabung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten durch die Bilanzierenden niederschlagen und welche Satzungsbestimmungen den ausschüttungsfähigen Betrag zusätzlich modifizieren. Im Vergleich dazu muten die Rechte der Aktionäre zur Verhinderung «zu kleiner» Ausschüttungen gering an: Sie können den Gewinnverwendungsbeschluß unter den Bedingungen gemäß § 254 Abs. 1 AktG anfechten. Aus diesem Grund wird darüber nachgedacht, ob man die für die Aktiengesellschaft geltenden Kompetenzregelungen bezüglich der Gestaltung der Ausschüttung zugunsten der Aktionäre ändern sollte und wie eine Änderung im Detail aussehen könnte. (Wagner [Wirkungen]). Zu (2): Das Recht des Aktionärs auf eine seiner Quote entsprechende Beteiligung am Liquidationserlös des Unternehmens ergibt sich aus § 271 Abs. 1 AktG. Wiederum ist dieser Anspruch Residualanspruch: Stammaktionäre haben erst dann Anrechte, wenn die Ansprüche von Fremdmittelgebern immer und Ansprüche der Vorzugsaktionäre je nach Art der gewährten Vorzüge befriedigt sind. Die insoweit ungünstige Rangposition von Stammaktionären bedeutet i. d. R., daß sie im Falle der Zwangsliquidation des Unternehmens nicht mit Rückzahlungen (Liquidationsdividenden) rechnen können. Stammaktionäre gehen in diesem Fall leer aus. Zu (3) und (4): Es handelt sich hier insbesondere um das Recht der Aktionäre auf Teilnahme an der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 1 AktG) und damit an den in der Hauptversammlung gefaßten Beschlüssen (§ 119 AktG), um das Antragsrecht (§ 126 AktG), um das Auskunftsrecht über Angelegenheiten der Gesellschaft (§§ 131, 132 AktG), um das Recht auf Information über die Lage der Gesellschaft (§ 175 Abs. 2 AktG), um das Stimmrecht (§§ 133-137 AktG) und um Anfechtungsrechte <?page no="335"?> (z. B. § 245 AktG). Die Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung und damit des einzelnen Aktionärs sind begrenzt. Nach § 119 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung namentlich über die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrates, die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung des Vorstands und Aufsichtsrats, die Bestellung des Abschlußprüfers, Satzungsänderungen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung und die Auflösung der Gesellschaft. Über Maßnahmen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG). Das Stimmrecht wird zu den wichtigsten Mitgliedschaftsrechten eines Aktionärs gerechnet. Dennoch läßt § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Stimmrechtsbeschränkung zu: «Für den Fall, daß einem Aktionär mehrere Aktien gehören, kann bei einer nichtbörsennotierten Gesellschaft die Satzung das Stimmrecht durch Festsetzung eines Höchstbetrags oder von Abstufungen beschränken.» Eine entsprechende Satzungsänderung kann durch einen Beschluß der Hauptversammlung nach § 179 AktG herbeigeführt werden. Stimmrechtsbeschränkungen bei börsennotierten Gesellschaften sind seit 1998 nicht mehr zulässig. 54 Zu (5): Benötigt eine AG Eigenkapital, kann sie versuchen, den Anlegern junge Aktien zu einem bestimmten Preis, dem Bezugskurs, anzubieten. Es liegt dann eine «Kapitalerhöhung gegen Einlagen» (§§ 182-191 AktG) vor. Über die formalen Voraussetzungen einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen wird unten berichtet. Werden die neuen (jungen) Aktien nicht ausschließlich den bisherigen (alten) Aktionären angeboten, sondern auch von anderen Anlegern erworben, entstehen für die bisherigen Aktionäre zwei Probleme: 54 Viele deutsche Aktiengesellschaften hatten in der Vergangenheit Stimmrechtsbeschränkungen eingeführt - die Zahlenangaben in Klammern geben den Höchststimmbetrag in % des Grundkapitals bzw. als Aktiennennbeträge an -: Asko (5 %); AVA ( 1 / 1000 ); BASF (nominal 80 Mio. DM); Bayer (5 %); Deutsche Babcock (5 %); Dyckerhoff (12 %); Henkel (10 %); Leifheit (10 %); Linde (10 %); Mannesmann (5 %); Nürnberger Lebensversicherung (15 %); Phoenix (10 %); Rosenthal (5 %); Sabo (10 %); Schering (nominal 12 Mio. DM); Veba (5 %); VW (20 %). Über Nutzen bzw. Schaden solcher Stimmrechtsbeschränkungen entbrannte eine intensive Diskussion (Baums [Höchststimmrechte]; Adams [Hindernisse]). Belegt war, daß der Markt auf solche, die Kontrollintensität einschränkenden Beschlüsse mit Abwertungen der Aktienkurse reagierte, wobei die Abwertungen auf 2-3 % geschätzt wurden. Klar war auch, daß es Umgehungsmöglichkeiten für Stimmrechtsbeschränkungen gibt: Das Management einer AG, das eine Stimmrechtsbeschränkung als Schutz vor unwillkommenen (Groß)-Aktionären oder potentiellen Übernehmern (raider) sieht, wäre schlecht beraten. Unklar war, warum Aktionäre auf Hauptversammlungen den vom Management initiierten Beschlußvorlagen zustimmten, zumal Marktwertverluste (Kurswertverluste) eine fast regelmäßige Folge waren. Die weit überwiegende Zahl von Aktiengesellschaften haben Stimmrechtsbeschränkungen wieder abgeschafft. Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 333 <?page no="336"?> 334 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung (1) Durch die Aufnahme neuer Aktionäre verschieben sich die Beteiligungsquoten der Altaktionäre: wer 5 % der Aktien der AG vor Kapitalerhöhung besaß, besitzt 5 % nach Kapitalerhöhung nur, wenn er 5 % der neuen Aktien erwirbt. Wenn alle alten Aktionäre ihre Quoten halten wollen, müssen sie die Chance haben, junge Aktien gemäß ihrer bisherigen Quote zu erwerben. Um ungewollte Verkürzungen der Beteiligungsquoten der Altaktionäre zu verhindern, kennt das AktG das Bezugsrecht. § 186 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt: «Jedem Aktionär muß auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden». Der Aktionär kann dann entscheiden, ob er durch Ausübung des Bezugsrechts seine bisherige Quote am Grundkapital halten will oder nicht. Aktionäre, die von ihrem Bezugsrecht keinen Gebrauch machen, können ihr Recht zum Bezug junger Aktien innerhalb einer bestimmten Frist an der Börse an Anleger verkaufen, die junge Aktien erwerben wollen. (2) Durch die Ausgabe junger Aktien kann sich der Marktwert (= Kurs) der Altaktien der Gesellschaft verringern. Hier wird der Begriff «Kapitalverwässerung» gebraucht. Sinkt der Kurs der Aktien, verschlechtert sich die Vermögensposition der Altaktionäre: Sie werden ärmer. Gegen diese Reichtumseinbuße müssen die Altaktionäre geschützt werden, da sie sonst der Ausgabe junger Aktien nicht zustimmen würden. Ihre Zustimmung aber ist nach § 182 AktG erforderlich. Die zweite wichtige Funktion des Bezugsrechtes ist es, diese Werteinbuße auszugleichen. Es bezeichnet K den Kurs der Altaktie vor Kapitalerhöhung; B den Bezugskurs für eine junge Aktie (B < K); a die Anzahl der alten Aktien; n die Anzahl der neuen Aktien gleichen Nominalwertes. Nach Kapitalerhöhung und einem Mittelzufluß von B · n an das Unternehmen, ergibt sich ein rechnerischer Kurs pro Aktie (K n ) gemäß (9.1) (9.1) . n a n B a K K n + ⋅ + ⋅ = Pro Altaktie entsteht dem Altaktionär eine Vermögenseinbuße in Höhe der Differenz zwischen K und K n , wobei K n wegen B < K immer kleiner als K ist. Diese Vermögenseinbuße wird genau durch den Wert des Bezugsrechtes W(BR) ausgeglichen, wenn jeder Aktionär a : n Bezugsrechte besitzen muß, um eine junge Aktie zum Bezugskurs B zu erwerben. W(BR) ergibt sich aus (9.2): (9.2) W(BR) = K - K n = K - n a n B a K + ⋅ + ⋅ 1 n a B K + − = . <?page no="337"?> Beispiel Die Bilanz der O. Hieber AG zeigt folgendes Bild: AV UV 5.000.000 4.000.000 Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Verbindlichkeiten 2.000.000 200.000 800.000 6.000.000 9.000.000 9.000.000 Der Vorstand glaubt, das Bilanzbild wirke wegen der vermeintlich hohen Verschuldung ungünstig. Das Grundkapital soll um 1.000.000 durch Ausgabe von 10.000 Aktien (Nominalwert 100) zum Bezugskurs B = 200 erhöht werden. Der aktuelle Kurs der Aktien (a = 20.000) ist 600. Das Bezugsverhältnis ist 1 2 n a = . Von den Kosten der Aktienausgabe wird zur Vereinfachung abgesehen. Nach Kapitalerhöhung sieht die Bilanz so aus: AV UV Kasse 5.000.000 4.000.000 2.000.000 Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Verbindlichkeiten 3.000.000 1.200.000 800.000 6.000.000 11.000.000 11.000.000 Das Agio, d.i. die Differenz zwischen Bezugskurs und Nominalwert der jungen Aktien ist gemäß § 272 Abs. 2 HGB in die Kapitalrücklage einzustellen. Wie wird die Vermögensposition eines Altaktionärs beeinflußt, der zwei Aktien zum Kurs von 600 vor Kapitalerhöhung besaß? Verkauft er die beiden den Altaktien «anhängenden» Bezugsrechte, erzielt er wegen (9.2) (9.2) =133,33. 1 1 2 200 600 W(BR) = + − pro Bezugsrecht, insgesamt also 266,66. Stellte sich der Kurs K n gemäß (9.1) auf 466,67 ein, ist der Altaktionär so reich wie im Ausgangspunkt: 2 · 466,67 + 2 · 133,33 = 1.200. Bezieht der Altaktionär eine junge Aktie zum Preis von 200, besitzt er drei Aktien zum Kurs K n = 466,67, also 1.400, und ist damit so reich wie zuvor, den Kassenbestand von 200 im Ausgangszustand eingeschlossen. Die Annahme, daß sich nach Kapitalerhöhung am Markt der Mischkurs gemäß (9.1) einstellt, ist nicht generell gerechtfertigt. Sie trifft allerdings zu, wenn die dem Unternehmen aus der Kapitalerhöhung zufließenden Eigenmittel zu dem Satz Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 335 <?page no="338"?> 336 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung angelegt werden, der der Rendite der Aktie des Unternehmens entspricht. Im Beispiel ist K = 600. Angenommen, das Unternehmen hätte (ohne Kapitalerhöhung) 60 pro Jahr und Aktie ausgeschüttet. Wenn der Kapitalmarktzins vergleichbarer Anlagen 10 % beträgt, ergibt sich K aus 600. 0,1 60 = Da das Bezugsverhältnis a : n = 2 : 1 und B = 200 ist, fließen der AG 10.000 · 200 = 2.000.000 zu. Werden diese Mittel zu 10 % angelegt, beträgt der periodische Erfolg 60 · 20.000 + 200.000 = 1,4 Mio. Dividiert durch a + n = 30.000, ergibt sich ein Erfolg und eine Ausschüttung von 46,667 pro Aktie. Der Kurs der Aktie beträgt somit 466,67. 0,1 46,667 = Das Gesetz läßt den Ausschluß des Bezugsrechtes unter bestimmten Bedingungen zu. § 186 Abs. 3 AktG lautet: «Das Bezugsrecht kann ganz oder zum Teil nur im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals ausgeschlossen werden. In diesem Fall bedarf der Beschluß neben den in Gesetz oder Satzung für die Kapitalerhöhung aufgestellten Erfordernissen einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Ein Ausschluß des Bezugsrechts ist insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn von Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet». § 186 Abs. 4 AktG läßt erkennen, daß der Gesetzgeber dem Ausschluß zu Recht besondere Bedeutung beimißt. Er lautet: «Ein Beschluß, durch den das Bezugsrecht ganz oder zum Teil ausgeschlossen wird, darf nur gefaßt werden, wenn die Ausschließung ausdrücklich und ordnungsgemäß (§ 124 Abs. 1 AktG) bekanntgemacht worden ist. Der Vorstand hat der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über den Grund für den teilweisen oder vollständigen Ausschluß des Bezugsrechts vorzulegen; in dem Bericht ist der vorgeschlagene Ausgabebetrag zu begründen». Abschnitt 6.7 greift das Problem des Bezugsrechtsausschlusses auf. 5.2 Vorzugsaktien Das AktG läßt Aktien verschiedener Gattung zu (§ 11 AktG). Aktien verschiedener Gattung können unterschiedliche Rechte gewähren im Hinblick auf • Gewinnbeteiligung, • Stimmrecht und • Beteiligung am Liquidationserlös der Gesellschaft. <?page no="339"?> Neben den Stammaktien sind insbesondere Vorzugsaktien zu nennen. Vorzugsaktien bieten dem Investor i. d. R. eine bevorzugte Behandlung in bezug auf die Gewinnbeteiligung und/ oder eine bevorzugte Position bei der Verteilung des Liquidationserlöses. Letzteres ist allerdings selten, da eine bevorzugte Position bei der Verteilung des Liquidationserlöses immer nur ein Vorzug gegenüber den Stammaktionären, nicht aber den Gläubigern sein kann. Deshalb ist der ökonomische Wert eines Vorrechts am Liquidationserlös empirisch nicht hoch zu veranschlagen. Neben den genannten Vorzügen können Vorzugsaktien einen Nachteil aufweisen: Sie gewähren dem Inhaber häufig kein Stimmrecht, eine Ausgestaltung, die durch § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG ermöglicht wird. Das Stimmrecht kann für Vorzugsaktien aber nur dann ausgeschlossen werden, wenn die Aktie mit einem nachzuzahlenden Vorzug ausgestattet wird (§ 139 Abs. 1 AktG). Auf dem deutschen Aktienmarkt sind die meisten gehandelten Vorzugsaktien nicht mit Stimmrechten ausgestattet. Welche Gestaltung der Dividendenvorrechte sind gebräuchlich? 1. Limitierte Vorzugsdividende Der zur Ausschüttung verfügbare Bilanzgewinn der Gesellschaft wird bevorzugt zu einer nach oben begrenzten (Maximal-)Ausschüttung von z. B. 7 % auf den Nennwert der Vorzugsaktie verwendet. Erst dann können Ausschüttungen auf Stammaktien vorgenommen werden. Für alternative Bilanzgewinne ergibt sich eine Verteilung der Ausschüttungen je Stamm- (StA) bzw. Vorzugsaktie (VA) gemäß Tabelle 9.6. Gewinnanteil je Gattung Ausschüttung in Euro/ Aktie Bilanzgewinn 100.000 VA 100.000 StA VA StA 0 50.000 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000 700.000 0 50.000 100.000 200.000 300.000 350.000 350.000 350.000 350.000 0 0 0 0 0 50.000 150.000 250.000 350.000 0 0,50 1 2 3 3,50 3,50 3,50 3,50 0 0 0 0 0 0,50 1,50 2,50 3,50 Tabelle 9.6: Ausschüttungen je Stammbzw. Vorzugsaktie bei alternativen Bilanzgewinnen für «limitierte Vorzugsdividende». In grafischer Darstellung führt diese Verteilungsregel zu folgendem Ergebnis: Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 337 <?page no="340"?> 338 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung 2. Limitierte Vorzugsdividende mit Nachholung Fällt die limitierte Vorzugsdividende in einem Jahr wegen eines zu kleinen Bilanzgewinns ganz oder teilweise aus, ist sie bei dieser Regelung in dem nächsten Jahr, in dem der Bilanzgewinn dies zuläßt, nachzuholen (= kumulative Vorzugsdividende). Diese Regelung schützt die Vorzugsaktionäre gegen den Ausfall von Ausschüttungen bei stark schwankenden Gewinnen und gegen bilanzpolitische Maßnahmen der Stammaktionäre bzw. des Managements. Sie ist Voraussetzung für Vorzugsaktien, die nicht mit dem Stimmrecht ausgestattet sind (§ 139 Abs. 1 AktG). Die Nachholung kann allerdings vertraglich begrenzt werden, z. B. durch eine Vertragsklausel folgenden Inhalts: «Der vollständige oder teilweise Ausfall von Ansprüchen von Aktionären mit limitierten Vorzugsdividenden ist in einem Zeitraum von längstens 3 Jahren nachzuholen.» Diese Regel kann bewirken, daß Vorzugsaktionäre über längere Zeit dividendenlos bleiben. Um zu verhindern, daß die BG in Tsd Euro 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Dividende 100 200 300 400 500 600 700 800 Euro/ VA Euro/ StA Abbildung 9.8: Ausschüttungsverlauf pro Stammbzw. Vorzugsaktie bei limitierter Vorzugsdividende für alternative Bilanzgewinne (BG) <?page no="341"?> Vorzugsaktionäre kraft Vertrags stimmrechtslos und wegen der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft dividendenlos bleiben, sieht der Gesetzgeber in § 140 Abs. 2 AktG vor, daß das vertraglich ausgeschlossene Stimmrecht der Vorzugsaktionäre wieder auflebt, wenn die Vorzugsdividende in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt wird und im Folgejahr nicht vollständig nachgeholt wird. Das Stimmrecht bleibt bestehen, bis alle Rückstände nachgezahlt sind. 3. Prioritätischer Dividendenanspruch in Verbindung mit einer Gleichverteilungsregel Gilt diese Regelung, erhalten die Vorzugsaktionäre zunächst eine definierte prioritätische Dividende, z. B. 2,50 Euro pro Aktie im Nennwert von 50 Euro. Vom verbleibenden Bilanzgewinn erhalten die Stammaktionäre pro Aktie im Nennwert von 50 Euro eine Ausschüttung bis zu 2,50 Euro. Alle Aktionäre erhalten gleiche Anteile pro Aktie am restlichen Bilanzgewinn. Für alternative Bilanzgewinne ergibt sich eine Verteilung gemäß Tabelle 9.7. Gewinnanteil je Gattung Ausschüttung in Euro/ Aktie Bilanzgewinn 100.000 VA 100.000 StA VA StA 0 50.000 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000 700.000 0 50.000 100.000 200.000 300.000 350.000 350.000 350.000 350.000 0 0 0 0 50.000 50.000 150.000 250.000 350.000 0 0,50 1 2 2,50 2,50 2,50 3 3,50 0 0 0 0 0,50 1,50 2,50 3 3,50 Tabelle 9.7: Ausschüttungen je Stammbzw. Vorzugsaktie bei alternativen Bilanzgewinnen für «prioritätischen Dividendenanspruch i.V.m. einer Gleichverteilungsregel» In grafischer Darstellung ergibt sich das folgende Bild: Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 339 <?page no="342"?> 340 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Die an den prioritätischen Anspruch angehängte Gleichverteilungsregel nimmt dieser Verteilungsregel die obere scharfe Limitierung der Regeln (1) und (2) und beteiligt die Vorzugsaktionäre damit stärker an den Chancen (= höheren Bilanzgewinnen) der Gesellschaft. 4. Prioritätischer Dividendenanspruch in Verbindung mit einer generellen Überdividende Vom Bilanzgewinn erhalten die Vorzugsaktionäre zunächst ihren prioritätischen Dividendenanspruch von z. B. 2 % bezogen auf den Nennwert. Anschließend erhalten alle Aktionäre den restlichen Bilanzgewinn zu gleichen Teilen pro Aktie gleichen Nennwerts. Bei dieser Regelung holen die Stammaktionäre somit den Ausschüttungsvorsprung der Vorzugsaktionäre nie auf. Für alternative Bilanzgewinne sieht die Verteilung unter Stamm- und Vorzugsaktionären so aus: BG in Tsd Euro 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Euro/ VA Euro/ StA Dividende 100 200 300 400 500 600 700 800 Priorität Euro/ VA Euro/ StA Abbildung 9.9: Ausschüttungsverlauf pro Stammbzw. Vorzugsaktie bei prioritätischem Dividendenanspruch und anschließender Gleichverteilungsregel <?page no="343"?> Gewinnanteil je Gattung Ausschüttung in Euro/ Aktie Bilanzgewinn 100.000 VA 100.000 StA VA StA 0 50.000 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000 0 50.000 100.000 200.000 300.000 350.000 350.000 350.000 0 0 0 50.000 100.000 150.000 200.000 250.000 0 0,50 1 1,50 2 2,50 3 3,50 0 0 0 0,50 1 1,50 2 2,50 Tabelle 9.8: Ausschüttungen je Stammbzw. Vorzugsaktie bei alternativen Bilanzgewinnen für «prioritätischen Dividendenanspruch bei genereller Überdividende» Grafisch dargestellt ergibt sich folgender Verlauf der Ausschüttungen: BG in Tsd Euro 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Euro/ VA Euro/ StA Dividende 100 200 300 400 500 600 700 800 Euro/ VA Euro/ StA Abbildung 9.10: Ausschüttungsverlauf pro Stammbzw. Vorzugsaktie bei prioritätischem Dividendenanspruch und genereller Überdividende Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 341 <?page no="344"?> 342 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Die Verteilungsregeln (3) und (4) können ebenfalls mit Nachholungen ausgestattet werden. Eine interessante Frage ist, zu welchem Zweck Vorzugsaktien überhaupt gebraucht werden. Was kann man mit ihnen erreichen, was man mit Stammaktien nicht erreichen kann? Einzahlungen der Vorzugsaktionäre an das Unternehmen zählen als Eigenkapital. Auszahlungen des Unternehmens an Vorzugsaktionäre werden aus dem Gewinn nach Steuern geleistet. Insofern gibt es keine Unterschiede zwischen Stamm- und Vorzugsaktien. Die Vorzüge des Instruments «Vorzugsaktie» müssen somit an anderer Stelle liegen. Dies soll an zwei Beispielen erläutert werden. Angenommen, der Marktpreis der Aktie einer Gesellschaft liegt unter dem Nominalwert der Aktie von 5 Euro. Die Gesellschaft benötigt Eigenkapital. Neue Aktien kann die Gesellschaft nicht ausgeben, da Anteile höchstens zum derzeitigen Marktpreis am Markt plaziert werden könnten; das Gesetz verbietet aber Emissionen zu Preisen unterhalb des Nominalwertes der Aktie (§ 9 Abs. 1 AktG). Das Angebot von Vorzugsaktien, versehen mit einer attraktiven Verteilungsregel, könnte einen Marktpreis in Höhe des Mindest-Nominalwertes von hier 5 Euro oder höher ermöglichen. Angenommen, eine Aktiengesellschaft, deren Aktien von den Nachfolgern der Gründerfamilie gehalten werden, benötige zusätzliches Eigenkapital. Die Innenfinanzierung der Gesellschaft sei zu gering, um den Kapitalbedarf für neue Investitionen zu decken. Fremdkapitalgeber stellen zusätzliche langfristige Kredite erst dann zur Verfügung, wenn zuvor die Eigenmittel der Gesellschaft erhöht werden. Dies ist eine nicht selten anzutreffende Situation. Die Eigentümer verfügen nicht über ausreichende eigene Mittel, um das Eigenkapital spürbar aufzustocken. Neue Eigentümer aufzunehmen, wäre möglich. Jedoch fürchten die «alten» Eigentümer, ihre Kontroll- und Entscheidungsrechte mit den neuen teilen zu müssen. Für Stammaktien kann das Stimmrecht nicht ausgeschlossen werden (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Alternative, den Altaktien Mehrstimmrechte zuzuweisen, ist ebenfalls unzulässig (§ 12 Abs. 2 AktG). Einen Ausweg bieten daher Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, deren Ausgabe nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG zulässig ist. Die Altaktionäre kaufen im Ergebnis den Vorzugsaktionären ihr Stimmrecht gegen einen festzulegenden Dividendenvorzug ab. In beiden Beispielen werden Vorzugsaktien als Alternative zu Stammaktien angeboten. Von Praktikern werden Vorzugsaktien oft mit langfristigen Fremdmitteln verglichen, weil die Bedienung beider Instrumente mit vertraglich fixierten Vorzugsdividenden bzw. Zinsen ähnlich zwingenden Charakter habe. Praktiker ziehen aus diesem Vergleich oft den Schluß, daß eine Fremdfinanzierung wegen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen vorzuziehen sei. Sowohl Vergleich als auch Schlußfolgerung sind nicht sehr sinnvoll. Zunächst zum Vergleich: Eine ausgefallene <?page no="345"?> Vorzugsdividende bedeutet kein größeres Unheil. Ausfallende Zinsen bringen für Gesellschaft und Eigentümer aber das Risiko harter Auseinandersetzungen mit Gläubigern, an deren Ende ein Insolvenzverfahren stehen kann. Vertraglich festgeschriebene Vorzugsdividenden einerseits und Zinsen (und Tilgungen) andererseits sind somit gerade nicht vergleichbar. Ersteres ist eine bedingte Zusage: Die Vorzugsdividende wird gezahlt (bzw. nachgeholt), wenn und nur wenn ein positiver Bilanzgewinn vorliegt. Zinsen sind dagegen unbedingte Ansprüche: Sie sind Festbetragsansprüche und somit immer, auch bei Bilanzverlusten, zu zahlen. Wie ist die Schlußfolgerung zu beurteilen? Wenn ein Manager glaubt, es sei «billiger», mit Fremdmitteln zu finanzieren, weil die Zinszahlungen der Gesellschaft die Steuerbemessungsgrundlage verkürzen, so kann er sich die Finanzierung seiner Gesellschaft aus Eigen- und Fremdkapital so zusammenstellen, wie er es für richtig hält. Bedingung ist nur, daß er im Interesse der Eigentümer und/ oder Gläubiger ausreichendes Eigenkapital hat. Ob dieses Eigenkapital in Vorzugs- oder Stammaktien verbrieft ist, ist insoweit zweitrangig, weil die Ansprüche der Eigentümer, also der Stamm- und der Vorzugsaktionäre denen der Gläubiger immer nachgeordnet sind. Die oben benutzten Beispiele legen die Folgerung nahe, daß der Einsatz von Vorzugsaktien lohnen könnte für Familien - Aktiengesellschaften oder kleinere Aktiengesellschaften. In der Realität beobachten wir, daß im DAX und CDAX notierte Aktiengesellschaften sich bemühen, ihre Vorzugsaktien zurückzuziehen. Ausnahmen sind die Porsche AG, die BMW AG und die VW AG. 5.3 Genußscheine Der Genußschein ist ein einfallsreiches Finanzierungsinstrument. Sein Einsatz gilt als Mittel, auch für nicht emissionsfähige Unternehmen die Beschaffung von (Risiko-)Eigenkapital zu erleichtern. Da die Platzierung von Genußscheinen prinzipiell auch Nicht-Kapitalgesellschaften offensteht kann man das Instrument auch für mittelständische Unternehmen (auch wenn sie nicht die Rechtsform einer GmbH oder AG haben) mit Erfolg einsetzen. Bislang wurden Genußscheine vorrangig von großen emissionsfähigen Unternehmen ausgegeben, die überwiegend die Rechtsform der AG hatten. Aus diesem Grund werden die Ausführungen hier platziert. 55 Genußscheine werden gelegentlich als «Aktiensurrogate» bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß sie im ökonomischen Sinn Eigenkapitalcharakter haben, ohne jedoch die gleichen Rechte wie Aktien zu übertragen. Im deutschen Aktiengesetz finden sich keine speziellen Regeln für Genußscheine. 55 Die später zu besprechende Fallstudie zeigt, daß das Instrument auch in mittelständischen Unternehmen eingesetzt werden kann. Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 343 <?page no="346"?> 344 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Diese Abstinenz des Gesetzgebers öffnet der Freiheit vertraglicher Vereinbarungen die Tür. Die Folge ist, daß es nicht möglich ist, die mit einem Genußschein verbundenen Genußrechte mit der gleichen Präzision darzustellen, wie dies für eine Stamm- oder Vorzugsaktie möglich ist. Welche Rechte ein Genußschein verbrieft, ist vertragsabhängig. Das bedeutet zweierlei: (1) Anlegern muß empfohlen werden, die jeweiligen Genußscheinbedingungen sorgfältig zu studieren, bevor sie kaufen; (2) Es können hier nur Grundlinien der Genußscheineigenschaften dargestellt werden. Stellen wir zunächst die Frage, ob von Genußscheininhabern bereitgestellte Mittel im betriebswirtschaftlichen Sinn Eigen- oder Fremdkapital darstellen. Diese Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Das Kreditwesengesetz zählt in § 10 Abs. 5 KWG die Bedingungen auf, unter denen gegen die Gewährung von Genußrechten eingezahltes Kapital dem haftenden Eigenkapital von Kreditinstituten zugerechnet werden darf: (1) wenn es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt, (2) wenn es erst nach Befriedigung der Gläubiger zurückgefordert werden kann, (3) wenn es mindestens für die Dauer von 5 Jahren zur Verfügung gestellt worden ist, (4) wenn der Rückzahlungsanspruch nicht in weniger als zwei Jahren fällig wird oder auf Grund des Vertrages fällig werden kann, (5) wenn ein durch Verluste reduzierter Rückzahlungsanspruch durch Gewinne, die nach mehr als vier Jahren seit dem Fälligkeitstermin anfallen, nicht erhöht wird und (6) wenn auf die Ziffern (3) und (4) explizit sowie in schriftlicher Form vom Kreditinstitut hingewiesen wird. Läßt man die Ziffern (5) und (6) zunächst unbeachtet, kann man verkürzend sagen, daß diese Definition abstellt auf die buchmäßige Aufzehrbarkeit durch Verluste, auf die Nachrangigkeit des Anspruchs hinter allen Gläubigeransprüchen bei Unternehmensliquidation und auf die Zeitspanne, für die es dem Unternehmen zur Verfügung steht. Ergänzt man die aufgelisteten Eigenschaften um eine ergebnisabhängige Bedienung des Genußscheinkapitals, wobei «Ergebnis» als Jahresüberschuß, Bilanzgewinn, Ausschüttung etc. definiert werden kann, liegt ein Eigenschaftsbündel vor, das nach der Diskussion in Abschnitt 1 der idealtypischen Position von Eigenkapital sehr nahe kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob Ansprüche von Genußscheininhabern den Ansprüchen anderer Eigenkapitalgeber (Inhaber von Stamm- oder Vorzugsaktien) vor- oder nachgehen oder ihnen gleichgeordnet sind; wichtig ist allein, daß das Genußscheinkapital dem Risiko der buchmäßigen Verlustaufrechnung unbeschränkt ausgesetzt ist. Betrachten wir die Positionen, die der buchmäßigen Verlustaufrechnung ausgesetzt sind, nämlich <?page no="347"?> a) andere und satzungsmäßige Rücklagen, b) gesetzliche Rücklagen, c) gezeichnetes Kapital und d) Genußscheinkapital, dann spielt es keine Rolle, ob das Genußscheinkapital die Position c) oder d) einnimmt. Wichtig ist allein, daß es - neben der Eigenschaft, ergebnisabhängig bedient zu werden - zu dem aus a) bis d) bestehenden, buchmäßig durch Verluste aufzehrbaren Block von Nominalansprüchen gehört. Im Ergebnis ist Genußscheinkapital aus ökonomischer Sicht Eigenkapital. Betrachtet man die Genußscheinbedingungen ausgewählter Emittenten, erkennt man die Vielfalt der anzutreffenden Vertragsbedingungen. Diese Vielfalt ist zunächst von Vorteil: Vertragliche Lösungen können den individuellen Erfordernissen des Emittenten viel genauer Rechnung tragen, als dies mit einem Finanzierungstitel mit einem hoch standardisierten Rechtskleid (wie z. B. der Stammaktie) möglich ist. Ein Nachteil liegt auf seiten der Anleger: Sie müssen viel höhere Informationskosten aufwenden, um die Genußschein-Bedingungen zu verstehen, um eine rationale Anlageentscheidung zu treffen. Hier könnte die große Variabilität der anzutreffenden Genußschein-Bedingungen in Verbindung mit z. T. schwerfälligen Formulierungen auch nachteilig wirken. Der Genußschein ist eben kein standardisiertes Produkt, sondern eine Anlage mit unternehmensindividuellen Eigenschaften. Daß die Lektüre der Genußschein-Bedingungen von Bedeutung ist, hat die bewegte Entwicklung des Genußscheins der Klöckner & Co. KGaA gezeigt. § 3 der Genußschein-Bedingungen bestimmte, daß die Inhaber der Genußscheine am Verlust der Gesellschaft i. S. d. §§ 7 und 9 beteiligt sind. § 7 Abs. 1 und 2 lautete: «Im Falle einer Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft, die ausschließlich dazu dienen soll, Wertminderungen auszugleichen oder sonstige Verluste zu dekken, ist zugleich der Gesamtgrundbetrag des Genußkapitals im gleichen Verhältnis und zu entsprechenden Bedingungen herabgesetzt. Eine Herabsetzung des Grundkapitals hat die Wirkung gemäß Absatz (1) nur, wenn vor der Herabsetzung des Grundkapitals die freien Rücklagen, die gesetzlichen Rücklagen, sowie der Teil des Genußkapitals, um den dieses den Gesamtgrundbetrag übersteigt (Agio), zum Zweck des Verlustausgleichs aufgelöst sind; das Agio darf erst nach Auflösung der Rücklagen zum Verlustausgleich herangezogen werden.» Man muß sich schon anstrengen, um genau zu verstehen was intendiert ist. Weiter hieß es in § 9 Abs. 4 der Genußschein-Bedingungen: «Der von der Gesellschaft im Fall der Kündigung zu leistende Rückzahlungsbetrag setzt sich … zusammen aus dem im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung geltenden Grundbetrag und dem bei Ausgabe der Genußscheine durch die Erwerber geleisteten Aufgeld (Agio), vorbehaltlich seiner Auflösung gemäß § 7 Abs. 2.» Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 345 <?page no="348"?> 346 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Im Oktober 1986 gab Klöckner über ein Konsortium von Kreditinstituten, das von der Deutschen Bank AG geführt wurde, Genußscheine im Nominalwert von 100 Mio. DM zum Kurs von 135 % aus. Die Klöckner & Co. KGaA war ein Handelshaus, dessen Geschäftszweck insbesondere bestand im Handel sowie Ex- und Import von Stahl, Schrott, Erzen, Roheisen, NE-Metallen, flüssigen Brennstoffen, chemischen Erzeugnissen, Baubedarf, Baumaschinen etc. Daneben betrieb es die Planung, Lieferung und Finanzierung von Industrieanlagen, Speditionsgeschäfte und erbrachte Dienstleistungen aller Art. Der Umsatz der Gesellschaft betrug ca. 12 Mrd. DM; das Grundkapital betrug 270,3 Mio. DM; die offenen Rücklagen betrugen 123 Mio. DM. Im Oktober 1988 gab die Klöckner & Co. KGaA zusammen mit der Deutschen Bank bekannt, daß durch Geschäfte im Geschäftsbereich «Internationaler Rohöl- und Produktenhandel» ein Verlustpotential entstanden sei, das auf 600-700 Mio. DM geschätzt werden müsse. Diese möglichen Verluste seien unter Mißachtung von Kompetenzregeln und unter Umgehung von Kontrollmechanismen entstanden und könnten von der Gesellschaft allein nicht verkraftet werden. Die letztere Aussage erscheint zunächst plausibel: Unter der Annahme, daß das Verlustpotential realistisch beziffert wurde, wären gemäß den geltenden Verlustaufrechnungsregeln das Grundkapital, die offenen Rücklagen und das Genußscheinkapital aufgezehrt. Die Gesellschaft wäre überschuldet i. S. d. Handelsbilanz. Zugleich erklärte die Deutsche Bank AG, daß sie die Kapitalgrundlage für die Fortführung des Geschäfts sicherstellen werde. Eine außerordentliche Hauptversammlung der Klöckner & Co. KGaA beschloß im November 1988 eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung. Das Grundkapital wurde im Wege einer vereinfachten Kapitalherabsetzung von 270,3 Mio. DM auf 100 DM herabgesetzt, was einem Kapitalschnitt von 2.703.000 : 1 entspricht. Nun kommt § 7 der Genußschein-Bedingungen ins Spiel. Dieser postuliert eine Herabsetzung des Genußscheinkapitals im gleichen Verhältnis und zu gleichen Bedingungen. Da das Agio in Höhe von 35 Mio. DM vorweg aufzulösen war, wurde das Genußscheinkapital von 100 Mio. DM im Verhältnis 2.703.000: 1 und damit auf 37 DM herabgesetzt. Auf einen Genußschein im Nominalwert von 100 DM fiel somit ein rechnerischer Betrag von 37·1/ 1.000.000. Dieser Betrag wurde von der Gesellschaft unter Verweis auf § 7 Abs. 4 Satz 2 der Genußscheinbedingungen eingezogen. Damit waren die Genußscheine untergegangen. Das Kapital der Gesellschaft, die in eine AG umgewandelt wurde, wurde auf 250 Mio. DM erhöht: es wurden 5.000.000 neue Aktien zum Nennwert von 50 DM ausgegeben, die die Deutsche Bank AG zum Kurs von 80 DM übernahm. Im Juni 1989 verkaufte die Deutsche Bank AG die Anteile an die VIAG. Der genaue Verkaufspreis wurde nicht bekanntgegeben. Es wird aber vermutet, daß er bei ca. 600 Mio. DM lag. <?page no="349"?> Die Behandlung der Ansprüche der Genußscheininhaber im obigen Fall ist in der Literatur und Wirtschaftspresse intensiv und kritisch behandelt worden. Zudem haben die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. und ein Genußschein-Inhaber Klagen gegen die Klöckner & Co. AG als Rechtsnachfolgerin der Klöckner & Co. KGaA erhoben. Über diese Klagen ist nicht entschieden worden, weil die Deutsche Bank AG im Juli 1989 den Genußscheininhabern ein freiwilliges Zahlungsangebot in Höhe von 112 DM pro Genußschein unterbreitete, worauf die Klagen mit einer Ausnahme zurückgezogen wurden. Von Bedeutung sind steuerliche Regelungen für die Attraktivität von Genußscheinen. Unter bestimmten Bedingungen gelingt es, eine steuerliche Behandlung der durch die Ausgabe von Genußscheinen beschafften Mittel als Fremdkapital zu erreichen. Dieses Ergebnis mutet zunächst als Widerspruch zu dem hergeleiteten Schluß an, daß die Mittel ökonomisch (unter den oben definierten Bedingungen) als Eigenkapital einzustufen sind. Es liegt aber kein Widerspruch vor, wenn Betriebswirtschaftslehre und Steuerrecht unterschiedliche Abgrenzungskriterien benutzen, um Eigenkapitalpositionen von Fremdkapitalpositionen zu unterscheiden. Dies ist der Fall. Entscheidend für die steuerliche Zuordnung ist die Bestimmung des § 8 Abs. 3 KStG. Dort heißt es: «Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird. Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genußrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.» Aus dieser Formulierung wird gefolgert, daß man die steuerliche Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen auf Genußscheine dann erreicht, wenn man entweder die Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös ausschließt. Die erste Alternative scheidet natürlich aus, da man ja gerade Kapitalgeber gewinnen will, die Residualansprüche halten. Folglich muß man eine Gewinnbeteiligung bieten. Somit bleibt der Weg, Genußscheininhabern keinen Anteil am Liquidationserlös zu bieten, um mit der herrschenden Meinung die steuerliche Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen auf das Genußscheinkapital zu erreichen (Claussen [Genußschein] 89/ 90). Gelingt dies, kann der Vorteil nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil man mit dem Instrument Genußschein die folgenden Vorteile kombinieren kann. Der Emittent bietet erstens eine ergebnisabhängige Ausschüttung und gewinnt dadurch Flexibilität: Er zahlt viel, wenn er kann; er zahlt wenig oder nichts, wenn er nicht kann. Zweitens gewinnt er die steuerliche Abzugsfähigkeit für residuale Zahlungen, die ansonsten für Ausschüttungen auf GmbH-Anteile, Stamm- oder Vorzugsaktien nicht gegeben ist. Damit liegt eine sehr attraktive Kombination von Eigenschaften vor. Vor diesem Hintergrund verwundert es, daß von diesem Finanzierungsinstrument nicht weit häufiger Gebrauch gemacht wird. Bei der gegebenen Höhe der Steuersätze für Gewerbeertrag- und Körperschaftsteuer bietet die steuerliche Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 347 <?page no="350"?> 348 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung auf Genußscheine ökonomisch relevante Vorteile, die in Form höherer Renditen z. T. an die Anleger weitergegeben werden könnten. Auf ein (kleines) Problem ist hinzuweisen: Es ist nicht ganz unstrittig, wann eine Beteiligung der Genußscheininhaber am Liquidationserlös ausgeschlossen ist. Die Finanzverwaltung argumentiert, daß der (steuerliche) Fremdkapitalcharakter in den Genußscheinbedingungen deutlich zum Ausdruck kommen müsse. Relevant hierfür seien z. B. die Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten und Rückzahlungsbedingungen. So gelten eine beschränkte Laufzeit oder Kündigungsmöglichkeiten für den Genußscheininhaber als Indikatoren für (steuerliches) Fremdkapital. Bei unbefristeten Laufzeiten und fehlenden Kündigungsrechten für den Genußscheininhaber geht die Finanzverwaltung von einer Beteiligung am Liquidationserlös aus. Weil die Verlautbarungen der Finanzverwaltung zu den Kriterien, die über eine Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen auf Genußscheinkapital entscheiden, nicht ganz konsistent sind, behalten sich Emittenten die Kündigung des Vertragsverhältnisses bei Änderung der steuerlichen Behandlung vor. Eindeutig geklärt ist, wie Ausschüttungen auf Genußscheinkapital den Gewinn aus Gewerbebetrieb kürzen. Die steuerliche Regelung sieht die Hälfte der Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit Gründung, Erwerb, Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen, als hinzurechnungspflichtig an. Diese Formulierung warf die Frage auf, ob Ausschüttungen auf Genußscheinkapital zu «Zinsen» zählten. Der Gesetzgeber hat die Formulierung des § 8 GewStG in die Hälfte der «Entgelte» für Schulden abgeändert, so daß ab dem Erhebungszeitraum 1990 eindeutig geregelt ist, daß Ausschüttungen auf Genußrechtskapital unter die hälftige Hinzurechnungspflicht fallen. Somit sind die steuerlichen Vorteile des Instruments Genußschein noch immer erheblich. Zusammen mit den Spielräumen zur vertraglichen Ausgestaltung, den fehlenden Mitgliedschaftsrechten, die die Autonomiebereiche der Alteigentümer somit kaum einengen, liegt ein Eigenschaftsbündel vor, das dem Genußschein zu größerer Popularität verhelfen könnte. 5.4 Fallstudie Hubler GmbH Die Hubler GmbH ist acht Jahre alt und hat damit die Lebensspanne, der die höchsten Insolvenzwahrscheinlichkeiten zugeschrieben werden können, überstanden. Die GmbH fertigt Getriebeteile und Lager in einem Sinterprozeß und anschließender Härtung bei hohen Temperaturen. Die hohe Belastbarkeit der Teile, das Know-how für komplizierte Formen und die hohe Paßgenauigkeit der Teile hatten zur Reputation der GmbH beigetragen. Die Wettbewerbsintensität ist hoch; etwa zehn weitere mittelständische Unternehmen gelten als Wettbewerber. Hauptkunden sind Siemens, Bosch, Miele; mit ihnen erzielt die GmbH etwa 60 % der Umsätze. Die GmbH sitzt in einem Vorort von München. Tabelle 9.8 enthält verkürzte <?page no="351"?> Gewinn- und Verlustrechnungen der Jahre 1996-2000. Der Sachverhalt spielt im Jahr 2001. Tabelle 9.9 weist wegen bestehender Verlustvorträge keine Steuerbelastungen aus. Der am Ende der Periode 2000 noch bestehende Verlustvortrag beträgt 370.000. 1996 1997 1998 1999 2000 (1) Umsatzerlöse 316 821 1.778 3.019 3.732 (2) Herstellungskosten der erbrachten Leistungen 530 644 1.325 2.262 2.631 (3) Bruttoergebnis vom Umsatz -214 177 453 757 1.101 (4) Vertriebs- und Verwaltungskosten 189 294 386 198 472 (5) Zinsen n.b. n.b. n.b. 286 325 (6) Steuern - - - - - (7) Jahresüberschuß -403 -117 67 273 304 Tabelle 9.9: Vereinfachte GuV-Rechnungen der Hubler GmbH (Angaben in TDM) Die Bilanzen der Hubler GmbH für die Jahre 2000 und 1999 sind in Tabelle 9.10 dargestellt. Die Hubler GmbH hatte Ende 1998 folgende Finanzierungsmaßnahmen umgesetzt: • Bei einer Investmentbank wurden 50.000 Genußscheine zum Ausgabekurs von 10 DM platziert. Sie berechtigen zu Anteilen am Gewinn, nicht aber zu Anteilen am Liquidationserlös. Der Gewinnanspruch geht dem des Stammkapitals vor. Eine Ausschüttung auf Genußscheine erfolgt nur, wenn der Jahresüberschuß nach Verrechnung von Verlustvorträgen die geplante Ausschüttung zulässt. Die nicht nachholbare Mindestausschüttung beträgt 0,50 DM/ Genußschein. Eine Verlustbeteiligung des Genußscheinkapitals erfolgt nachrangig zum Stammkapital. Der Genußscheininhaber hat sich ausbedungen, daß spätere Genußscheine übernehmende Investoren keine höheren Ausschüttungen/ Genußschein erhalten. Die Laufzeit beträgt 15 Jahre; ein Kündigungsrecht seitens des Investors besteht nicht. • Die Hubler GmbH hat bei der Bayerischen Aufbaufinanzierung GmbH ein Hypothekendarlehen in Höhe von 2 Mio. DM aufgenommen. Die Laufzeit beträgt 10 Jahre mit konstanten Tilgungsraten von 200.000 pro Jahr. Der Zinssatz beträgt 8,5 %. Eine Vertragsklausel räumt dem Darlehensgeber eine Option auf den Erwerb von 50.000 Genußscheinen zum Ausübungspreis von 10 DM ein. Die Option kann bis zum Ende von 2006 ausgeübt werden. • Die Hubler GmbH hat Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 500.000 durch weitere 50.000 Genußscheine zu oben genannten Bedingungen abgelöst. Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 349 <?page no="352"?> 350 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung 2000 1999 Aktiva A. Anlagevermögen I. Immat. Vermögensgegenstände Ingangsetzungskosten 65 83 II. Sachanlagen Grundstücke und Gebäude Technische Anlagen und Maschinen Betriebs- und Geschäftsausstattung 828 2.310 178 759 1.944 149 Sachanlagevermögen gesamt: 3.381 2.935 B. Umlaufvermögen I. Vorräte II. Forderungen III. Kassenbestand 726 650 199 369 651 89 Umlaufvermögen gesamt 1.575 1.109 Bilanzsumme 4.956 4.044 Passiva A. Eigenkapital I. Stammkapital Genußscheinkapital IV. Verlustvortrag 200 1.000 (370) 200 1.000 (674) Eigenkapital gesamt 830 526 C. Verbindlichkeiten I. Langfristige Verbindlichkeiten 1. Anleihen 2. Langfristige Kredite (gesichert) 3. Gesellschafterdarlehen 1.600 800 800 1.800 300 800 Langfristige Verbindlichkeiten gesamt 3.200 2.900 II. Kurzfristige Verbindlichkeiten 1. Kurzfristig fällige Zahlungen aus langfristigen Verbindlichkeiten 2. Verbindlichkeiten aus Lieferung u. Leistung 3. Kurzfristige Bankkredite 300 517 109 200 345 73 Kurzfristige Verbindlichkeiten gesamt 926 618 Bilanzsumme 4.956 4.044 Tabelle 9.10: Bilanzen der Hubler GmbH (Angaben in TDM) <?page no="353"?> Die Hubler GmbH hat vor schnell zu wachsen, um sich von den Wettbewerbern abzusetzen. Um einen Umsatz von 5 Mio. zu erreichen, erscheinen Investitionen in Sachanlagen in Höhe von 500.000 erforderlich. Die Produktionshalle ist auf einen Umsatz von 7 Mio. ausgelegt. Jedoch würden zusätzliche Anlagen benötigt, um ein Umsatzvolumen von 7 Mio. zu bewältigen. Die beiden Gesellschafter schätzen den Mittelbedarf auf 1,6 Mio. Zusätzliche Mittel werden auch für die Finanzierung des Umlaufvermögens (EBK) benötigt. Die Gesellschafter veranschlagen den Bedarf auf 1/ 6 der Umsatzzuwächse. Die Gesellschafter haben bereits Finanzierungsmöglichkeiten erkundet. Eine der Hausbanken wäre bereit zu einem Kredit in Höhe von 500.000 mit einer Laufzeit von vier Jahren, besichert durch eine Globalzession. Der Zinssatz läge nicht unter 9 %. Außerdem drängt die Bank auf einen Abbau des im Umlaufvermögen gebundenen Kapitals. Die Investmentbank, die vor drei Jahren 50.000 Genußscheine übernahm, wäre bereit, weitere 74.000 Genußscheine zu übernehmen, allerdings nur zu 7,25 DM pro Genußschein; nach Abzug der Transaktionskosten würden der GmbH lediglich 6,90 DM pro Genußschein zufließen. Die Bayerische Aufbaufinanzierung GmbH bietet ein Finanzierungspaket an: ein durch Grundschulden gesichertes Darlehen von 500.000 zu den Konditionen des bereits ausgereichten Kredits (10 Jahre, Ratentilgung, Zins 8,5 %). Übernahme von 80.000 Genußscheinen zu 6 DM pro Genußschein. Zusammen mit einer Mittelfreisetzung von 100.000 durch Verringerung der Vorräte sollten die Mittel (580.000) zum Abbau der langfristigen Kredite beitragen (Volumen 800.000), die über Sicherungsübereignungen auf den maschinellen Anlagen gesichert sind. Alle Vorschläge ermöglichten die Finanzierung der Erweiterungsinvestitionen in Höhe von 500.000. Ein Finanzplan sollte beachten: (1) Die Gesellschafter rechnen mit einem Umsatzwachstum von 20 % pro Jahr für die nächsten vier Jahre. (2) Die Abschreibungen auf vorhandene Anlagen betragen 216.000. (3) Der Zinssatz für verzinsliche Fremdmittel kann mit 8,5 % angesetzt werden. Auch Gesellschafterdarlehen sind zu verzinsen, aber nicht zu tilgen. (4) Die Tilgungen betragen pro Jahr 200.000 für das Hypothekendarlehen und 100.000 für die langfristigen Bankkredite. (5) Der Steuersatz beträgt vereinfachend s = 0,40. Alle Zinsen und Ausschüttungen auf Genußscheine werden (vereinfachend) als steuerlich voll abzugsfähig behandelt. (6) Neu beschaffte Anlagen werden linear über zehn Jahre abgeschrieben. Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 351 <?page no="354"?> 352 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung (7) Die für das Umsatzziel von 7 Mio. erforderlichen Investitionen sind: 2001: 500; 2002: 300; 2003: 860; 2004: 440. Insgesamt sind somit 2,1 Mio. in Sachanlagevermögen zu investieren. Wir betrachten im folgenden nur das Paket der Bayerischen Aufbaufinanzierungsgesellschaft. Tabelle 9.11 präsentiert die Plan-GuV-Rechnungen, die die Erwartungen und Planungen der Gesellschafter spiegeln. 2000 2001 2002 2003 2004 (1) Nettoumsatzerlöse 1) 3.732 4.478 5.374 6.448 7.739 (2) Herstellungskosten der erbrachten Leistungen (ohne Zinsen, mit Abschreibungen) 2.631 3.135 3.708 4.449 5.340 (3) Bruttoergebnis vom Umsatz 1.101 1.343 1.666 1.999 2.399 (4) Zu verzinsendes Fremdkapital 3.609 2) 3.509 3) 3.209 4) 2.909 2.609 (5) Zinsen (i V = 0,085) 325 307 298 273 247 (6) Ausschüttungen auf Genußscheine - 180 5) 180 180 180 (7) Verwaltungs- und Vertriebsaufwand 472 448 537 645 774 (8) Steuern: [(3) - (5) - (6) - (7)] 6) - 15 7) 260 360 479 (9) Jahresüberschuß nach Ausschüttungen auf Genußscheine (vor Verlustvortrag) 304 393 391 541 719 1) Unterstellte Wachstumsrate 20%. 2) Siehe Bilanz 2000: 3.200 + 300 + 109. 3) a) Tilgung Altkredite erfolgt in Höhe von 400 in 2001. b) Verbindlichkeiten erhöhen sich um 500. c) Laufende Tilgung des Hypothekendarlehens: 200. 4) Die Tilgung pro Jahr beträgt 300. 5) 1 DM auf 180.000 Genußscheine. 6) Gewerbeertrag- und Körperschaftsteuer für einen Hebesatz von 500. Auf die hälftige Hinzurechnung der Zinsen auf «Dauerschulden» und der Ausschüttungen auf Genußscheine wird verzichtet. 7) Nach Verrechnung des verbliebenen Verlustvortrages von 370 gilt: 408 - 370 = 38; 38 · 0,40 ≅ 15. Tabelle 9.11: Plan-GuV und Finanzierungspaket der Bayerischen Aufbaufinanzierungsgesellschaft Alle Jahresüberschüsse nach Verrechnung des Verlustvortrages und nach Bedienung des Genußscheinkapitals sind ab 2001 positiv. Damit ist eine wichtige Bedingung für Ausschüttungen an Genußscheininhaber erfüllt. Tabelle 9.11 unterstellt, daß pro Genußschein eine Ausschüttung von 1 geleistet wird, soweit die Bedingung positiver Jahresüberschüsse dem nicht entgegensteht. Damit übertreffen <?page no="355"?> die Planer die Mindestausschüttung von 0,50 pro Genußschein deutlich. Auf die Begründung hierfür ist unten zurückzukommen. Betrachten wir die zugehörige Cashflow-Rechnung in Tabelle 9.12. Gemäß den Erwartungen der Gesellschafter lässt sich das Investitionsprogramm mit dem Angebot der Aufbaufinanzierungsgesellschaft finanzieren, wenn es gelingt, die Genußscheine zum Preis von 10 - wie in Zeile (11) angenommen - zu platzieren. Die Finanzierungsgesellschaft hatte zunächst nur den Preis von 6 pro Genußschein in Aussicht gestellt. 2000 2001 2002 2003 2004 (1) Bruttoergebnis vom Umsatz 1.101 1.343 1.666 1.999 2.399 (2a) Abschreibungen auf vorhandene Anlagen 216 216 216 216 216 (2b) Abschreibung auf neue Anlagen - - - - - - 50 1) 30 2) - 50 30 86 3) 50 30 86 (3) Zuwachs EBK 184 24 4) 149 179 215 (4) Zinsen 325 307 298 273 247 (5) Ausschüttungen, Genußscheine - 180 180 180 180 (6) Aufwendungen für Verwaltung und Vertrieb 472 448 537 645 774 (7) Steuern - 15 260 360 479 Cashflow nach Fremdkapitalkosten und Steuern 336 585 538 744 886 (8) Tilgung Hypothek 200 200 200 200 200 (9) Tilgung gesicherte Kredite 100 400 5) 100 6) 100 100 (10) Investitionen - 500 300 7) 860 7) 440 7) (11) Ausgabe von Genußscheinen - 800 8) - - - (12) Aufnahme von Fremdkapital 500 (13) Finanzierungslücke - - 62 416 - (14) Finanzierungsüberschuß 36 785 - - 146 1) Lineare Abschreibung auf Investition von 500, die Ende 2001 vorgenommen wurde. 2) Lineare Abschreibung auf Investition von 300, die Mitte 2002 realisiert wird. 3) Lineare Abschreibung auf Investition von 860, die Mitte 2003 realisiert wird. 4) 1/ 6 · Zunahme Umsatzerlöse - 100 (Abbau Lagerbestände). 5) Bei Aufnahme des Darlehens der Bayerischen Aufbaufinanzierung-GmbH werden Altkredite in Höhe von 400 abgelöst und durch Kredite von 500 ersetzt. 6) Die Tilgung des neuen Darlehens pro Jahr beträgt 50. Sie beginnt in 2002. Die Tilgung auf Altdarlehen beträgt ebenfalls 50. 7) Fälligkeit der Investitionsauszahlungen in Höhe von 1,6 Mio. 8) Die Genußscheine werden zum Preis von 10 plaziert. Tabelle 9.12: Cashflow-Berechnung Gewinnung von Eigenkapital für emissionsfähige Unternehmen · 353 <?page no="356"?> 354 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Entscheidend für die Bepreisung neuer Genußscheine sind die ökonomische Lage der Gesellschaft, die Bedienung der (nicht handelbaren) Genußscheine mit Ausschüttungen, der Rang der einzelnen Verlustträger in der GmbH und andere, die Ausschüttung begrenzende Regelungen. Die Vorteile der Genußscheine sind, daß Genußscheinkapital nachrangig für Verluste haftet, daß «ältere» Genußscheine nicht schlechter bedient werden dürfen als «jüngere» Emissionen und daß die Ausschüttungen steuerlich abzugsfähig sind. Nachteilig ist, daß der Ermessungsspielraum für die Gesellschafter bei der Bestimmung der Ausschüttungen zu groß ist. Lediglich eine Jahresüberschuß-abhängige Mindestausschüttung von 0,50 pro Genußschein ist festgeschrieben. Das ist zu wenig, um den Genußschein im 2001 gegebenen Umfeld (bei einem Preis von 10 pro Stück) attraktiv erscheinen zu lassen. Wenn die risikolose Alternativrendite für Anleger (i) 5 % oder mehr betragen sollte, werden die Genußscheinregelungen der Hubler GmbH keine Wertschätzungen bei Investoren erreichen, die einen Einsatz von 10 pro Genußschein legitimierten. Folglich müssen die Gesellschafter erstens die Ausschüttungen pro Genußschein anheben - was in Tabelle 9.11 bzw. 9.12 bereits realisiert ist - und eine präzisere Ausschüttungsregel vorschlagen, die Investoren erlaubt, künftige Ausschüttungen zu prognostizieren. Eine solche Vereinbarung könnte darin bestehen, daß die Ausschüttung auf Genußscheine in Abhängigkeit vom Jahresüberschuß vor Bedienung der Genußscheine definiert wird. Wenn höhere Jahresüberschüsse höhere Ausschüttungen nach sich ziehen, haben Investoren verläßlichere Anhaltspunkte, um Ausschüttungen zu prognostizieren und die Gesellschafter haben im Vergleich zur ursprünglichen Regelung entscheidend kleinere Spielräume, um die Ausschüttungen an Genußscheininhaber zu gestalten. Das Finanzierungspaket der Bayerischen Aufbaufinanzierungsgesellschaft hat einen weiteren Vorteil. Sie ist Fremdkapitalgeber und Eigenkapitalgeber; die nachrangige Haftung des Genussscheinkapitals ändert daran nichts. Das bedeutet, daß sie dann, wenn die GmbH in schwieriges Fahrwasser geriete, vorsichtiger agieren wird, als ein ausschließlicher Fremdkapitalgeber. Dies ist ein wertvoller Nebeneffekt. Verstärkt wird er durch die Vorschriften zum Gesellschafterdarlehen. Zwar ist die Finanzierungsgesellschaft nicht Gesellschafter. Falls aber ein Beirat eingerichtet würde, über den sie auf Basisentscheidungen deutlichen Einfluß und damit Finanzierungsverantwortung (über)nehmen würde, besteht zumindest das Risiko, daß die Darlehen der Finanzierungsgesellschaft im Fall einer Insolvenz in Eigenkapital umqualifiziert würden. Dies verstärkte den Anreiz für die Finanzierungsgesellschaft, die Hubler GmbH vom Abgleiten in eine Insolvenz abzuhalten, erheblich. <?page no="357"?> 6 Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft 6.1 Systematik Für die Verbindlichkeiten der AG haftet nur das Gesellschaftsvermögen. Die Aktionäre haften somit nur mit den Geldbeträgen, die sie in die Gesellschaft eingezahlt haben bzw. nach § 54 Abs. 2 AktG einzuzahlen haben; zu darüber hinausgehenden Nachschüssen sind sie nicht verpflichtet. Die Haftungsbeschränkung der AG bedeutete, würden keine zusätzlichen Vorkehrungen getroffen, daß die Aktionäre sich zu Lasten der Gläubiger Vorteile verschaffen könnten: Sie könnten nach Aufnahme von Krediten auf die Idee kommen, die Aktiven zu versilbern, die erzielten Mittel auszuschütten und die Gläubiger mit der «geplünderten» AG allein zurücklassen. Der Gesetzgeber versucht, solche Strategien durch Gläubiger schützende Regelungen zu unterbinden. Damit sollen die Gläubiger vor nicht legalen Ausbeutungen geschützt und zugleich die Kreditwürdigkeit der AG erhöht werden. Zu diesen Gläubiger schützenden Regelungen gehören insbesondere auch die Vorschriften über Aufbringung, Erhaltung, Erhöhung und Herabsetzung des Grundkapitals. Die zentrale Rolle des Grundkapitals wird u. a. durch folgende Bestimmungen unterstrichen: • die Höhe des eingezahlten Grundkapitals muß in der Satzung ebenso festgelegt werden (§ 23 Abs. 2 Ziff. 3 AktG) wie der Nennbetrag und Ausgabebetrag der Aktien bzw. bei Stückaktien die Zahl, die jeder Gründer übernimmt (§ 23 Abs. 2 Ziff. 2 AktG); • jede Grundkapitaländerung bedingt eine Satzungsänderung (§ 182, § 179 AktG), über die nur die Hauptversammlung beschließen kann, • das Grundkapital bezeichnet den Betrag, der von den Gründern (Aktionären) mindestens aufzubringen ist (§ 29, § 36 Abs. 2 AktG); • die von den Gründern übernommenen Zahlungsverpflichtungen für den Erwerb der Aktien dürfen nicht erlassen (§ 66 Abs. 1 AktG), geleistete Zahlungen an die Aktionäre nicht zurückgewährt werden (§ 57 Abs. 1 AktG); • die Gesellschaft darf eigene Aktien nur in im Gesetz aufgezählten Fällen erwerben (§ 71 Abs. 1 AktG); • die Zahlung von Dividenden (Ausschüttung) ist auf den Bilanzgewinn beschränkt (§ 58 Abs. 4 AktG). Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 355 <?page no="358"?> 356 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Aufbringungs- und Erhaltungsvorschriften des Grundkapitals müssen daher als wichtige Bausteine in dem Regelungssystem angesehen werden, das den Eigentümern (Aktionären) die Vorteile der Haftungsbeschränkung gewährt, aber die möglichen Nachteile für Gläubiger begrenzen soll. Das AktG unterscheidet folgende Formen einer Kapitalerhöhung: • die Kapitalerhöhung gegen Einlagen oder auch ordentliche Kapitalerhöhung (§§ 182-191 AktG); • das genehmigte Kapital (§§ 202-206 AktG); • die bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192-201 AktG); • die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207-220 AktG). Unter ökonomischem Aspekt ist bedeutsam, ob die Kapitalerhöhung einen Zufluß von finanziellen Mitteln an das Unternehmen nach sich zieht, ob Sachanstatt Geldeinlagen erfolgen und ob das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden kann. In Tabelle 9.13 werden die Formen der Kapitalerhöhung, die das AktG zuläßt, unter diesen Gesichtspunkten dargestellt. Form der Kapitalerhöhung (KE) Zufluß liquider Mittel an Gesellschaft Zugang von Sacheinlagen an Gesellschaft Bezugsrechte der Aktionäre KE gegen Einlage ja, soweit die HV nicht über die Einbringung von Sachen/ Rechten (Sacheinlagen) nach § 183 AktG beschließt ja, wenn die HV gemäß § 183 AktG über Sacheinlagen beschließt Grundsatz: § 186 Abs. 1 AktG; Bezugsrecht kann nach § 186 Abs. 3 AktG durch HV mit ¾-Mehrheit ausgeschlossen werden; Ausschluß ist insbesondere zulässig bei Bareinlagen, wenn 10% des Grundkapitals nicht überschritten werden und wenn der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet genehmigtes Kapital ja, soweit die Ermächtigung des V durch die HV Sacheinlagen nicht vorsieht ja, wenn die Ermächtigung des V durch die HV nach § 205 AktG Sacheinlagen vorsieht die HV kann den V zum Ausschluß des Bezugsrechtes nach § 203 Abs. 2) AktG ermächtigen <?page no="359"?> bedingte KE nein, bestehende Ansprüche von Wandelschuldobligationären (§ 192 Abs. 2 Ziff. 1 AktG) und/ oder Arbeitnehmern bzw. Mitgliedern der Geschäftsführung (§ 192 Abs. 2 Ziff. 3 AktG) werden durch Bezugsaktien abgelöst ja, wenn Bezugsaktien gemäß § 192 Abs. 2 Ziff. 2 AktG den Eigentümern eines übernommenen Unternehmens angeboten werden Bezugsrecht besteht nicht KE aus Gesellschaftsmitteln nein nein automatischer Rechtserwerb nach § 212 AktG Tabelle 9.13: Formen der Kapitalerhöhung, Mittelzufluß, Sacheinlagen und Bezugsrechte 6.2 Kapitalerhöhung gegen Einlagen (ordentliche Kapitalerhöhung) Zweck ist die Beschaffung zusätzlichen Eigenkapitals durch Ausgabe neuer (junger) Aktien. Die geplante Kapitalerhöhung setzt eine Satzungsänderung voraus und ist in der Tagesordnung der Hauptversammlung bekanntzumachen (§ 124 Abs. 2 S. 2 AktG). Die Hauptversammlung beschließt über die Erhöhung des Grundkapitals mit einer Mehrheit von 3⁄4 des vertretenen Grundkapitals oder einer «anderen», in der Satzung festgeschriebenen Mehrheit (§ 182 Abs. 1 AktG); auch eine geringere Mehrheit ist somit zulässig. Hat die AG verschiedene Gattungen von Aktien - z. B. Stamm- und Vorzugsaktien - haben die Aktionäre jeder Gattung zusätzlich zum Beschluß der Hauptversammlung einen Sonderbeschluß zu fassen (§ 182 Abs. 2 AktG). Sollen die jungen Aktien zu einem Bezugskurs, der über dem Nominalwert der Aktie liegt, ausgegeben werden, ist der Mindest-Bezugskurs im Beschluß festzusetzen. Der Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 184 Abs. 1 AktG). Jeder Aktionär hat Anspruch auf den Anteil an den neuen Aktien, der seiner Quote am bisherigen Grundkapital der Gesellschaft entspricht (Bezugsrecht, § 186 Abs. 1 AktG). Wie erläutert, hat das Bezugsrecht der Aktionäre zwei Funktionen: es soll ungewollte Stimmrechtsverschiebungen ausschalten; es soll die Vermögensnachteile «alter» Aktionäre ausgleichen, die dann ausgelöst werden, wenn neuen Aktionären «junge» Aktien zu einem Bezugskurs B unterhalb des Börsenkurses der «Altaktie» angeboten würden. Unter bestimmten Bedingungen kann dieses Bezugsrecht mit dem Erhöhungsbeschluß ganz oder zum Teil ausgeschlossen werden (§ 186 Abs. 3 AktG). Mit dem Bezugsrechtsausschluß wird ein sehr wichtiges Aktionärsrecht eingeschränkt. Der Gesetzgeber läßt daher einen Ausschluß des Bezugsrechtes nur unter Bedingungen zu: Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 357 <?page no="360"?> 358 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung • die Ausschließung muß ausdrücklich und ordnungsgemäß in der Tagesordnung zur Hauptversammlung bekanntgemacht worden sein (§ 186 Abs. 4 Satz 1, § 124 Abs. 1 AktG); • der Beschluß bedarf, unabhängig von weniger restriktiven Satzungsbestimmungen, mindestens einer Mehrheit von 3⁄4 des anwesenden Grundkapitals (§ 186 Abs. 3 S. 2 AktG); • der Vorstand hat der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über den Grund des Ausschlusses des Bezugsrechtes vorzulegen (§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG), der es der Hauptversammlung ermöglichen soll, die Berechtigung des Eingriffs in die Aktionärsrechte zu beurteilen. Der Gesetzgeber stellt zugleich klar, wann ein Ausschluß zulässig ist: wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen erfolgt, sie 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis «nicht wesentlich» unterschreitet. Die jungen Aktien werden i. d. R. von einem Konsortium von Kreditinstituten übernommen und dann den Aktionären angeboten. Diese technische Form der Abwicklung gilt nicht als Ausschluß des Bezugsrechtes (§ 186 Abs. 5 AktG). Nach Durchführung der Kapitalerhöhung ist diese zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 188 AktG). Mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung ins Handelsregister ist das Grundkapital erhöht (§ 189 AktG). Zwei Fragen sind bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen von Interesse: (1) Wie hoch soll der Bezugskurs junger Aktien angesetzt werden? (2) Welche Bedeutung hat der Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts und unter welchen Bedingungen ist er zulässig? Zwei Punkte bestimmen das Intervall möglicher Bezugskurse: Der Mindestnennbetrag einer Aktie ist 1 Euro (§ 8 Abs. 2 AktG), und Unterpari-Emissionen sind unzulässig. Werden Stückaktien ausgegeben, darf der auf die Stückaktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals nicht unter 1 Euro fallen (§ 9 Abs. 1 AktG). Bezugskurse, die über dem Kurs der Altaktie liegen, lassen die Kapitalerhöhung scheitern, da die Anleger die zu «teuren» jungen Aktien nicht aufnehmen. Wo aber im so abgesteckten Intervall soll der Bezugskurs liegen? Welcher Bezugskurs ist im Interesse der Aktionäre? Die Antworten auf diese Frage sind vielfältig. Für niedrige Bezugskurse wird votiert mit den Argumenten, diese Strategie böte Aktionären attraktive Bezugsrechte, reduziere hohe Aktienkurse und erhöhe die Handelbarkeit der Aktie. Für hohe Bezugskurse wird argumentiert, weil bei gegebenem Kapitalbedarf dann die Zahl der neuen Aktien niedriger gehalten werden könne, was die Liquiditätsbelastung des Unternehmens durch künftige Ausschüttungen reduziere. Betrachtet man den einzelnen Aktionär, erscheint die Diskussion um den richtigen Bezugskurs (bei Vernachlässigung von Steuern) nicht einsichtig. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Dabei wird wie oben in Abschnitt 5.1 unterstellt, <?page no="361"?> daß sich nach Kapitalerhöhung der Kurs der Aktien als «Mischkurs» gemäß (9.1) einstellt: (9.1) n a B n K a K n + ⋅ + ⋅ = a Zahl der Altaktien n Zahl der jungen Aktien K Kurs der Altaktie K n Kurs/ Aktie nach Kapitalerhöhung B Bezugskurs junger Aktien Der Wert des Bezugsrechtes, das zu jeder Aktie gehört, ergibt sich dann aus (9.2) W(BR) = 1 n a B K + − . Eine AG habe einen Mittelbedarf von 60 Mio. Euro. Bisher seien 1.000.000 Altaktien zum Nominalwert von 100 Euro/ Aktie im Umlauf, das Grundkapital beträgt somit 100 Mio. Euro. Der Kurs der Aktie sei 400. Die folgende Tabelle zeigt alternative Bezugskurse B und ihre Bedeutung für das Bezugsverhältnis, den Kurs K n und den Wert des Bezugsrechts. B Anzahl junger Aktien Bezugsverhältnis a : n Gesamtzahl der Aktien K n W(BR) 400 300 200 150 100 150.000 200.000 300.000 400.000 600.000 6,67 : 1 5 : 1 3,33 : 1 2,5 : 1 1,67 : 1 1.150.000 1.200.000 1.300.000 1.400.000 1.600.000 400 383,33 353,85 328,57 287,50 0 16,67 46,15 71,43 112,50 Tabelle 9.14: Bezugskurse, Bezugsverhältnisse und Wert der Bezugsrechte Wird die Position eines Aktionärs betrachtet, der 10 Altaktien besitzt und sein Bezugsrecht nicht ausübt, die Rechte also verkauft, erkennt man, daß seine Endposition unabhängig von der Wahl von B immer der Anfangsposition gleicht. Sein Vermögen ist lediglich anders aufgeteilt; er hält Teile seines Vermögens als Kassenbestand anstatt in Aktien. Unveränderte Endpositionen lassen sich auch zeigen für die Aktionäre, die ihre Bezugsrechte ausüben, also junge Aktien erwerben. Somit ist die Festsetzung von B für die Reichtumsposition von Bezugsrechte kaufenden und von verkaufenden Aktionären ohne Bedeutung. Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 359 <?page no="362"?> 360 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung B W(BR) Anzahl der verfügbaren Bezugsrechte Erlös aus Verkauf K n 10 · K n Endposition 400 300 200 150 100 0 16,67 46,15 71,43 112,50 10 10 10 10 10 0 166,67 461,50 714,30 1.125,00 400 383,33 353,85 328,57 287,50 4.000 3.833,33 3.538,70 3.285,70 2.85,00 4.000 4.000 4.000 4.000 4.000 Tabelle 9.15: Bezugskurse, Bezugsrechte und Endpositionen eines verkaufenden Aktionärs Buchungstechnisch wird durch die Festsetzung alternativer Bezugskurse B das Grundkapital in unterschiedlichem Maße erhöht. Zwar fließen dem Unternehmen bei allen Lösungen 60 Mio. Euro zu; sie werden aber unterschiedlich aufgeteilt auf «Grundkapital» und «Kapitalrücklage», weil das Agio, d. i. die Differenz zwischen B und Nominalwert der Aktie, nach § 272 Abs. 2 Ziff. 1 HGB in die Kapitalrücklage einzustellen ist. Im Beispiel erhöht sich das Grundkapital um den Nominalwert der Aktie (100), multipliziert mit der Anzahl der jungen Aktien (n); der Rest wird der Kapitalrücklage gutgeschrieben. Das Konto Grundkapital verändert sich also mit der Wahl unterschiedlicher Bezugskurse B und damit der Anzahl der auszugebenden jungen Aktien (n). Jetzt ist die Frage nach dem Bezugsrechtsausschluß bei Kapitalerhöhungen gegen Einlagen aufzugreifen. Folgt man dem Wortlaut des Gesetzes, scheint es, daß die in § 186 Abs. 3 AktG verlangte 3/ 4-Mehrheit das Bezugsrecht jederzeit ausschließen kann, wenn die AG die oben genannten formalen Erfordernisse beachtet hat. Nun ist zu beachten, daß der Ausschluß des Bezugsrechtes einen Eingriff in die Aktionärsrechte darstellt: • die Anteils- und Stimmquoten verschieben sich; • den nicht bezugsberechtigten Anteilseignern entstehen Werteinbußen, deren Höhe von der Relation a : n und dem Ausgabepreis der jungen Aktien (B) abhängt. Das Aktiengesetz enthält deshalb neben der besonderen, in § 186 Abs. 4 AktG verankerten Berichtspflicht des Vorstands Anfechtungsrechte; von Bedeutung sind § 243 Abs. 2 und § 255 Abs. 2 AktG. Nach § 243 Abs. 2 AktG kann die Anfechtung darauf gestützt werden, daß ein Aktionär durch Ausübung des Stimmrechts für sich oder Dritte Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder anderer Aktionäre zu erlangen suchte. Dieser Tatbestand kann durch den Ausschluß des Bezugsrechts erfüllt sein. <?page no="363"?> Beispiel Schlitzohr ist Mehrheitsaktionär der Salz AG; er hält eine Quote von 60 % am Aktienkapital von 100 Mio. Die Hauptversammlung der Salz AG beschließt eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen in Höhe von 100 Mio. und schließt das Bezugsrecht gemäß § 186 Abs. 3 AktG aus. Auf der Hauptversammlung waren 79 % des Grundkapitals anwesend; Schlitzohr erreichte mit seinem 60 %-Anteil somit die nach § 186 Abs. 3 AktG erforderliche 3⁄4-Mehrheit des anwesenden Grundkapitals. Zugleich beschloß die Hauptversammlung mit 3⁄4-Mehrheit, daß die jungen Aktien im Nominalwert von 100 Mio. Schlitzohr als Gegenleistung für eine Sacheinlage (= Einbringung von Vermögensgegenständen und Rechten) im Wert von 125 Mio. anzubieten seien (§ 183 AktG). Der Nominalwert der Aktien der Salz AG beträgt 100. Der Börsenkurs pro Aktie vor Kapitalerhöhung war 250. Nach Kapitalerhöhung hat die Salz AG ein Grundkapital von 200 Mio. Davon hält Schlitzohr 60 + 100 Mio., also 80 %. Er hat damit eine Mehrheit erreicht, die es den anderen Aktionären unmöglich macht, wichtige Beschlüsse in der Hauptversammlung zu blockieren (= Verlust der Sperrminorität). Schlitzohr hat aber auch seinen Anteil am gesamten Wert der Salz AG erheblich gesteigert. Angenommen, der Marktwert des Eigenkapitals der Salz AG vor Kapitalerhöhung errechne sich aus 1.000.000 Aktien · Börsenkurs/ Aktie = 250.000.000. Davon besaß Schlitzohr 60 %, also 150.000.000. Nach Kapitalerhöhung beträgt der Wert des Eigenkapitals der Salz AG 250 Mio. + 125 Mio. = 375 Mio. Davon besitzt Schlitzohr 80 % und somit 300 Mio. Der Wert seines Aktienbesitzes ist also um 150 Mio. gestiegen; der Wert seiner Sacheinlage ist aber nur 125 Mio.: Also ist er um 25 Mio. reicher als zuvor. Das müssen genau die 25 Mio. sein, die die anderen Aktionäre verloren haben. Sie besaßen vor Kapitalerhöhung 0,4 · 250 Mio. = 100 Mio., nach Kapitalerhöhung besitzen sie 0,2 · 375 Mio. = 75 Mio. Das gleiche Ergebnis läßt sich am Kurs ihrer «Altaktien» ablesen. Die anderen Aktionäre besitzen vor und nach Kapitalerhöhung 400.000 Aktien. Zuvor war der Kurs 250; nach Kapitalerhöhung ergibt er sich aus (9.3): (9.3) K n = 187,50 2.000.000 1.000.000 ⋅ 250 + 125.000.000 = Der neue Aktienkurs liegt um 62,50 niedriger. Der Gesamtverlust beträgt 62,50 · 400.000 = 25 Mio. Wäre das Bezugsrecht nicht ausgeschlossen worden, wäre das Bezugsverhältnis 1 : 1 gewesen. Wird der Bezugskurs mit 125 angenommen (also dem Preis, den Schlitzohr effektiv pro Aktie bezahlt), ergibt sich ein Wert des Bezugsrechtes ge- Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 361 <?page no="364"?> 362 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung mäß (9.2) in Höhe von 62,50. Wollte Schlitzohr seine Quote von 60 % auf 80 % erhöhen, hätte er 400.000 Bezugsrechte erwerben müssen zum Preis von je 62,50. Zusammen mit seiner Sacheinlage hätte er 150 Mio. und nicht lediglich 125 Mio. bezahlt. Die Bereicherung zu Lasten der Minderheitsaktionäre wäre ausgeblieben. Die wichtige Schutzfunktion des Bezugsrechtes, nämlich Vermögensverluste der Altaktionäre zu verhindern, wird hier deutlich. Das Anfechtungsrecht des § 255 AktG könnte in solchen Fällen nützlich sein: Nach § 255 Abs. 2 AktG kann die Anfechtung gegen einen Beschluß über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen darauf gestützt werden, daß der Mindestbetrag, unter dem die Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig ist. Weil die Rechte und Vermögenspositionen der Minderheitsaktionäre durch Bezugsrechtsausschlüsse entscheidend verkürzt werden können, haben Literatur und Rechtsprechung (BGHZ 71, S. 40) Grundsätze zu entwickeln versucht, die den Bezugsrechts-Ausschluß einengen. Der BGH etwa argumentiert in einem Urteil, der Ausschluß könne nicht im freien Ermessen der Mehrheit liegen, weshalb der Bezugsrechtsausschluß eine besondere sachliche Begründung erfordere, an die um so strengere Anforderungen zu stellen seien, je schwerer der Eingriff in die Rechte der Minderheit sei. Vorteile für die Mehrheit und Nachteile für die Minderheit seien abzuwägen. Die Gesellschaft, so meint der BGH, müsse «nach vernünftigen kaufmännischen Überlegungen ein dringendes Interesse» an einer bestimmten Maßnahme, zu deren Durchführung der Bezugsrechtsausschluß nötig sei, haben, und der damit allen Aktionären zugute kommende Nutzen müsse die Benachteiligung der Minderheit aufwiegen. Diese Argumentation ist unbefriedigend, wenn die Minderheit im angeblichen «Interesse der Gesellschaft» Nachteile in Kauf nehmen muß, die die Mehrheit ausgleichen könnte, aber nicht ausgleicht. 6.3 Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen Junge Aktien können im Rahmen einer Kapitalerhöhung auch gegen Sacheinlagen gewährt werden; der Gegenwert für den Wert der Aktien wird nicht in Geld, sondern in Vermögensgegenständen (Sachen, Rechten) geleistet. Sacheinlagen sind zulässig bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 183 AktG), im Rahmen des genehmigten Kapitals (§ 205 AktG) und bei einer bedingten Kapitalerhöhung (§ 194 AktG). Voraussetzung ist, daß die geplanten Sacheinlagen bei der Einberufung der Hauptversammlung bekanntgemacht werden und ihr Gegenstand, die Person, von der die AG den Gegenstand erwirbt und der Nennbetrag der für die Sache zu gewährenden Aktien im Beschluß der Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung festgesetzt werden (§§ 183 Abs. 1, 205, 194 AktG). Der Gesetzgeber will verhindern, daß der Vorstand die Hauptversammlung «überrumpelt». Sacheinlagen bringen ein Problem mit sich, das bei baren Einlagen nicht entsteht. Wer 1.000 Aktien zum Bezugskurs von 165 DM erwerben will, muß - abgesehen <?page no="365"?> von den zu erwerbenden Bezugsrechten - 165.000 DM an die Gesellschaft einzahlen. Bringt er statt dessen eine Sache ein, ist zu prüfen, ob der Wert der Sache den ansonsten bar einzuzahlenden Betrag erreicht. Weil der Gesetzgeber aus den oben angegebenen Gründen der Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals große Bedeutung beimißt, muß er verhindern, daß die Aufbringung bzw. eine Erhöhung des Grundkapitals durch überbewertete Sacheinlagen unterlaufen wird. Erfolgen Sacheinlagen bei der Gründung der AG, folgt eine in den §§ 23-53 AktG sehr detailliert geregelte Gründungsprüfung. Auf diese nehmen die Vorschriften der §§ 183 Abs. 3, 194 Abs. 4 und 205 Abs. 3 AktG Bezug. Sie verlangen, daß bei Sacheinlagen im Rahmen von Kapitalerhöhungen eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer stattfindet. Für den Prüfungsvorgang gelten auch die Vorschriften der §§ 33 Abs. 3-5, 34 Abs. 2 und 3 und 35 AktG zur Gründungsprüfung sinngemäß: Die Prüfer haben zu kontrollieren, ob der Wert der für die Sacheinlage gewährten Aktien dem Wert der Sacheinlage angemessen ist. Über diese Prüfung ist schriftlich zu berichten. Im Bericht sind die Methoden zu erläutern, die bei der Wertermittlung von Sacheinlage und Aktien angewendet werden (§ 34 Abs. 2 AktG). Das Gericht kann die Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals ablehnen, wenn der Wert der Sacheinlage nicht unwesentlich unter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien zurückbleibt (§ 183 Abs. 3 S. 3 AktG). Diese Vorschrift kann zu Mißverständnissen Anlaß geben, weil es bei der Prüfung der Gleichwertigkeit von Sacheinlage und den dafür gewährten Aktien bei bereits bestehenden Unternehmen nicht auf den Nominalwert dieser Aktien, sondern auf den ökonomischen Wert dieser Aktien ankommt. Da die Prüfung der Äquivalenz von Sacheinlage und den dafür gewährten Aktien Aufgabe der Prüfer ist, kann man in der Formulierung des § 183 Abs. 3 S. 1 AktG (und den gleichlautenden Formulierungen des § 194 Abs. 4 S. 1 und § 205 Abs. 3 S. 1 AktG) eine «zweite Verteidigungslinie» für die Interessen der Aktionärsminderheit sehen. 6.4 Das genehmigte Kapital Der Vorstand einer AG kann ermächtigt werden, innerhalb einer Zeitspanne von höchstens 5 Jahren das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen. Eine solche Ermächtigung kann durch die Satzung (§ 202 Abs. 1 AktG) oder durch einen Beschluß der Hauptversammlung herbeigeführt werden. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer 3/ 4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann nur eine größere erforderliche Kapitalmehrheit festlegen (§ 202 Abs. 2 Satz 3 AktG). Der Nennbetrag des Kapitals, das Gegenstand der Ermächtigung ist (= genehmigtes Kapital), darf 50 % des Grundkapitals, das zum Zeitpunkt der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen (§ 202 Abs. 3 Satz 1 AktG). Nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates sollen die jungen Aktien innerhalb der zulässigen Zeitspanne ausgegeben werden. Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 363 <?page no="366"?> 364 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Zweck der von der Hauptversammlung ausgesprochenen Ermächtigung zur Erhöhung des Kapitals durch Ausgabe junger Aktien ist es, der Unternehmensleitung einen Handlungsspielraum zu eröffnen: Sie kann den Zeitpunkt der Aktienausgabe, im Rahmen der oben angegebenen Grenze den Umfang der Emission und - soweit die Ermächtigung der Hauptversammlung keine Bestimmungen enthält - auch die Emissionsbedingungen festlegen. Die Hauptversammlung gibt dem Vorstand, soweit die Ermächtigung nicht näher präzisiert ist, somit eine Blankovollmacht für fünf Jahre. Der Gesetzgeber versucht, den Gebrauch der Ermächtigung an die Zustimmung des Aufsichtsrates (§ 202 Abs. 3 Satz 2 AktG) zu binden. Die Ermächtigung des Vorstandes erhält zusätzliches Gewicht, wenn sie auch vorsieht, daß der Vorstand über den Ausschluß des Bezugsrechtes entscheiden kann (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG). Es treten für die Aktionäre dann die Probleme auf, die oben geschildert wurden. Das Gesetz sieht eine besondere Informationspflicht des Vorstandes für diesen Fall vor: Gemäß § 186 Abs. 4 AktG hat der Vorstand der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht vorzulegen, aus dem die Gründe für den von ihm beantragten Ausschluß des Bezugsrechtes hervorgehen. Im Zusammenhang mit dem genehmigten Kapital entsteht hier jedoch ein Problem: Der um die Ermächtigung nachsuchende Vorstand wird regelmäßig noch nicht wissen, wann er die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung nutzt, zu welchem Zweck er das Eigenkapital einsetzt und ob er von der erteilten Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß Gebrauch machen wird. Folglich wird er der Hauptversammlung im Zeitpunkt des Beschlusses über das genehmigte Kapital keine präzisen Gründe vorlegen können. Mit Leerformeln aber ist der Hauptversammlung nicht geholfen. Sie könnte im Vertrauen auf den Vorstand eine Blankovollmacht erteilen. Wegen des besonderen Eingriffs in die Aktionärsrechte, den ein Bezugsrechtsausschluß darstellt, wird in der Literatur gefordert, der mit einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß ausgestattete Vorstand hätte vor Ausgabe der jungen Aktien die Hauptversammlung über die Gründe des geplanten Bezugsrechtsausschlusses zu informieren und ihre Zustimmung einzuholen (Timm [Bezugsrechtsausschluß] 217). Das erscheint folgerichtig: Wer die Nachteile trägt, soll auch mitreden dürfen. Der Bezugsrechtsausschluß im Verbund mit dem genehmigten Kapital wird z. B. genutzt, um Beteiligungen oder ganze Unternehmen im Wege des Aktientausches zu erwerben oder um die jungen Aktien Arbeitnehmern anzubieten (§ 202 Abs. 4 AktG). In beiden Fällen gehen die jungen Aktien an Dritte; das Bezugsrecht der Altaktionäre muß also ausgeschlossen werden. Besondere Probleme ergeben sich, wenn die Ausgabe junger Aktien aus dem genehmigten Kapital gegen Sacheinlagen erfolgt. Dies ist nach § 205 AktG zulässig, wenn die Ermächtigung des Vorstands dies vorsieht. <?page no="367"?> 6.5 Die bedingte Kapitalerhöhung Eine bedingte Kapitalerhöhung ist durch zwei Merkmale charakterisiert: (1) Ihre Durchführung hängt vom Eintritt einer im Erhöhungsbeschluß der Hauptversammlung festzulegenden Bedingung ab; (2) die jungen Aktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung werden generell Nichtaktionären angeboten. Ein Bezugsrecht auf die jungen Aktien steht den Altaktionären somit nicht zu. Die formalen Voraussetzungen einer bedingten Kapitalerhöhung gleichen im wesentlichen denen der bisher besprochenen Formen der Kapitalerhöhung: • Bei Einberufung der Hauptversammlung ist der Tagesordnungspunkt «bedingte Kapitalerhöhung» und der wesentliche Inhalt der geplanten Satzungsänderung bekanntzumachen (§ 124 AktG). • Der Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung bedarf mindestens einer 3/ 4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann eine höhere Mehrheit verlangen (§ 193 Abs. 1 AktG). Hat die AG mehrere Gattungen von Aktien, so haben die Aktionäre jeder Gattung einen (zusätzlichen) Sonderbeschluß zu fassen (§ 182 Abs. 2 AktG). • Der Nennbetrag des bedingten Kapitals darf 50 % des aktuellen Grundkapitals bei Beschlußfassung nicht übersteigen (§ 192 Abs. 3 AktG). • Eine bedingte Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen ist zulässig, wenn sie ausdrücklich und ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist (§ 124 AktG) und Gegenstand, Person und Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien im Beschluß der Hauptversammlung festgesetzt werden (§ 194 Abs. 1 AktG). § 192 Abs. 2 AktG formuliert, daß eine bedingte Kapitalerhöhung nur zu folgenden Zwecken beschlossen werden soll: (1) zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen; (2) zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen; (3) zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens im Wege des Zustimmungs- oder Ermächtigungsbeschlusses. In allen Fällen muß die AG über eigene Aktien verfügen. Es ist aber noch unbestimmt, ob und in welchem Umfang von den Bezugsrechten Gebrauch gemacht wird. Müßte die AG die erforderlichen Aktien im Wege der ordentlichen Kapitalerhöhung beschaffen, unter Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre, würde sie i. d. R. über Restposten eigener Aktien verfügen. Die bedingte Kapitalerhöhung bietet deshalb die Möglichkeit, das Grundkapital um genau den Betrag zu erhöhen, der benötigt wird, um Bezugsberechtigte und -willige zu befriedigen. Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 365 <?page no="368"?> 366 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Inhaber von Wandelschuldverschreibungen können innerhalb von bestimmten Fristen und unter festgesetzten Bedingungen ihre Schuldverschreibungen, die ihre Forderungen gegen die AG verbriefen, gegen Aktien eben dieser AG eintauschen. Die AG benötigt somit eigene Aktien in einem bei Beschlußfassung noch unbekanntem Ausmaß. Wandeln die Inhaber von Schuldverschreibungen ihre Forderungspapiere in Aktien um, fließen der AG im Umwandlungszeitpunkt i. d. R. keine liquiden Mittel zu: Bestehende Fremdkapitalansprüche der Inhaber der Schuldverschreibungen werden in Ansprüche aus Eigenkapital getauscht. Werden die Bezugsaktien aus der bedingten Kapitalerhöhung benutzt, um die Eigentümer eines übernommenen Unternehmens auszuzahlen (§ 192 Abs. 2 Ziffer 2 AktG), handelt es sich um eine bedingte Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen (§ 194 AktG). Damit gelten die generell bei Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen festgelegten Erfordernisse: Bekanntmachung gemäß § 124 Abs. 1 AktG, Festsetzung der zu übernehmenden Sacheinlage, der einlegenden Person und des Nennbetrags der für die Sacheinlage zu gewährenden Aktien im Beschluß der Hauptversammlung über die bedingte Kapitalerhöhung. Ebenso hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer stattzufinden, deren Aufgabe «sinngemäß» der der Gründungsprüfer entspricht (§ 194 Abs. 4 AktG). Das Gericht kann nach § 194 Abs. 4 Satz 3 AktG die Eintragung des Beschlusses ablehnen, wenn der Wert der Sacheinlage «nicht unwesentlich» hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien zurückbleibt. Werden die Bezugsaktien Arbeitnehmern angeboten, die konkrete Forderungen aus einer bereits eingeräumten Gewinnbeteiligung haben, liegt im Prinzip ebenfalls eine Sacheinlage vor: Die Arbeitnehmer bringen nicht Geld, sondern ein Recht, eine Forderung ein. § 194 Abs. 3 AktG erklärt aber die Einlage von Geldforderungen der Arbeitnehmer aus Gewinnbeteiligungen nicht zur Sacheinlage. Der bei Sacheinlagen erforderliche aufwendige Prüfprozeß kann deshalb hier unterbleiben. Im Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung müssen ihr Zweck, der Kreis der Bezugsberechtigten und der Ausgabebetrag festgestellt werden (§ 193 Abs. 2 AktG). Der Beschluß ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 195 AktG). Vor der Eintragung des Beschlusses dürfen Bezugsaktien nicht ausgegeben werden (§ 197 AktG). Mit der Ausgabe der Bezugsaktien, die der Vorstand nicht vor der vollen Leistung des Gegenwerts ausgeben darf (§ 199 Abs. 1 AktG), ist das Grundkapital erhöht (§ 200 AktG). 6.6 Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (KEGM) (auch nominelle Kapitalerhöhung) bewirkt keine zusätzliche Geld- oder Sacheinlage in die AG (oder die GmbH, für die die KEGM ebenso zulässig ist). Lediglich Gewinnrücklagen und <?page no="369"?> Kapitalrücklage werden in Grundkapital umgewandelt (§ 207 Abs. 1 AktG). Diese Umwandlung kann unter verschiedenen Gesichtspunkten von Vorteil sein: • Eine KEGM erhöht für eine ansonsten unveränderte Gesellschaft die Zahl der Aktien. Damit sinkt der Kurs der Aktie, der vor der KEGM bestand: Niedrigere Aktienkurse können die Portefeuille-Bildung der Aktionäre erleichtern und somit die Handelbarkeit der Aktie erhöhen. • Wenn die Verwaltung der AG den Jahresabschluß feststellt, kann sie höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Satzung kann die Verwaltung zu einem größeren Selbstfinanzierungsspielraum ermächtigen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AktG). Diese Satzungsermächtigung wird außer Kraft gesetzt, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder übersteigen würden (§ 58 Abs. 2 Satz 3 AktG). Um den durch «zu hohe» Rücklagen verlorenen Spielraum zur autonomen Bestimmung der Selbstfinanzierung wiederzuerlangen, kann der Vorstand der Hauptversammlung eine KEGM vorschlagen. • Andere Gewinnrücklagen sind im Prinzip ausschüttbar, wenn die den Jahresabschluß feststellenden Organe - i. d. R. die Verwaltung - entsprechend beschließen (§ 58 AktG, § 268 Abs. 1 HGB). Sind die anderen Gewinnrücklagen aber in Grundkapital umgewandelt, ist ihre Ausschüttung erheblich schwieriger; sie ist nur im Wege der Kapitalherabsetzung möglich. Eine KEGM erhöht somit in der Tendenz die Kreditwürdigkeit einer AG. • Sind die Kurse pro Aktie hoch, sind auf den Nominalwert bezogene hohe Dividendensätze nötig, um den Aktionären eine bescheidene Dividendenrendite zu bieten (immer unterstellt, dies sei ein verfolgtes Ziel). Ist der Kurs 600 und der Nominalwert der Aktie 100, muß eine auf den Nominalwert bezogene Dividende von 24 % erklärt werden, um dem Aktionär eine kursbezogene Rendite von 4 % bieten zu können. In Literatur und Praxis wird argumentiert, hohe auf den Nominalwert bezogene Renditen weckten die Begehrlichkeit anderer Gruppen, wobei insbesondere an die Arbeitnehmer und deren Vertreter gedacht wird. Die empirische Geltung des Arguments soll hier nicht geprüft werden. Träfe es zu, dann wäre es konsequent, die Kurse pro Aktie durch KEGM zu senken: Ist der Kurs z. B. 300, kann bei gleicher auf den Kurs bezogener Rendite von 4 % der Dividendensatz pro Nominalwert auf 12 % gesenkt werden. Die formalen Voraussetzungen einer KEGM sind: • Die Hauptversammlung hat eine KEGM mit einer Mehrheit von mindestens 3/ 4 des vertretenen Grundkapitals zu beschließen. Die Satzung kann eine andere (höhere oder kleinere) Mehrheit bestimmen (§ 207 Abs. 2 AktG). • Der Beschluß ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 367 <?page no="370"?> 368 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung - Dem Beschluß ist eine Bilanz zugrundezulegen, die vier Bedingungen erfüllen muß: Der Jahresabschluß für das letzte Geschäftsjahr vor dem Beschluß muß festgestellt sein (§ 207 Abs. 3 AktG); er muß geprüft sein und den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Prüfers tragen (§ 209 Abs. 1 AktG); der Stichtag der Bilanz darf höchstens 8 Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zum Handelsregister liegen (§ 209 Abs. 1 AktG). Erfüllt die letzte Jahresbilanz diese Bedingungen nicht, ist nach § 209 Abs. 2 AktG eine Zwischenbilanz zu erstellen, die den Rechnungslegungsvorschriften entsprechen muß und die oben genannte Restriktion in bezug auf den Stichtag einhält. Diese Bilanz ist durch einen oder mehrere Abschlußprüfer zu prüfen (§ 209 Abs. 3 AktG). Das Gesetz regelt präzise, welche Rücklagen umwandlungsfähig sind. Die Rücklagen müssen in der letzten Jahresbilanz und ggf. in der Zwischenbilanz als «Kapitalrücklage» oder «andere Gewinnrücklage» ausgewiesen worden sein. Im Grundsatz können andere Gewinnrücklagen in voller Höhe, gesetzliche und Kapitalrücklagen insoweit, als sie zusammen den zehnten Teil oder den in der Satzung fixierten höheren Teil des bisherigen Grundkapitals übersteigen, umgewandelt werden (§ 208 Abs. 1 AktG). Rücklagen können insoweit nicht umgewandelt werden als in der Bilanz ein Verlust oder ein Verlustvortrag ausgewiesen ist oder wenn Gewinnrücklagen «zweckbestimmt» sind, d. h. eine Zweckbindung tragen, die ihre Umwandlung ausschließt (§ 208 Abs. 2 AktG). Mit der Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals ist dieses erhöht (§ 211 AktG). Die Aktionäre haben kein Bezugsrecht; die neuen Aktien fallen ihnen automatisch zu (§ 212 AktG). In diesem Zusammenhang wird die Bezeichnung «Gratisaktien» gebraucht. Die Aktionäre bekommen indessen kein Geschenk. Das, was ihnen ohnehin gehört, wird nur anders verpackt. Erfolgt eine KEGM im Verhältnis 1: 1, hält ein Aktionär, der vor der KEGM n Aktien hatte, nach der KEGM 2 · n Aktien. Der ursprüngliche Kurs der Aktie wird sich vermutlich halbieren, womit der Reichtum jedes Aktionärs unverändert wäre. M. a. W., eine KEGM ist die Ausgabe neuer Aktien zum Bezugspreis B = 0 mit einem automatischen «Bezugsrecht» der Aktionäre. Nach der Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals fordert der Vorstand die Aktionäre auf, die neuen Aktien abzuholen. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß die Gesellschaft berechtigt ist, Aktien, die nicht innerhalb eines Jahres abgeholt werden, nach dreimaliger Androhung für Rechnung der Beteiligten zu verkaufen (§ 214 AktG). Hatte die Hauptversammlung der AG vor der KEGM eine bedingte Kapitalerhöhung beschlossen, erhöht sich das bedingte Kapital nach der KEGM im gleichen Verhältnis wie das Grundkapital (§ 218 Satz 1 AktG). <?page no="371"?> 6.7 Zur Diskussion um Vor- und Nachteile von Bezugsrechten Oben wurden die Funktionen des Bezugsrechtes erläutert: Es soll den Altaktionären erlauben, ihre relative Stimmrechtsposition zu halten und den «Verwässerungseffekt» ausgleichen, der regelmäßig eintritt, wenn der Bezugskurs B unter dem aktuellen Marktpreis der Altaktie liegt. Diese Aufgabenbeschreibung ist einleuchtend. Das Beispiel von Schlitzohr, der die Minderheitsaktionäre mit Hilfe einer Sacheinlage übervorteilte, belegt, daß Bezugsrechte ein wichtiges Verteidigungsmittel für Aktionäre gegen Übervorteilungen sein können. In der Literatur gab es Stimmen für die Abschaffung des obligatorischen Bezugsrechtes, weil sie die Abwicklung des Bezugsrechtshandels für zu zeitaufwendig und zu kostenträchtig halten. Bezugsrechte, so wird argumentiert, seien für Aktionäre unter bestimmten Prämissen nahezu wertlos. Bezugsrechte seien «eine historische Durchgangserscheinung des sich weiterentwickelnden Aktienwesens» (Kübler u. a. [Kosten des Bezugsrechts] S. 474). Für kleinere (Familien)Aktiengesellschaften habe es seinen guten Sinn; für die große Publikumsgesellschaft sei es weder notwendig noch zweckmäßig. Wir betrachten diese These im folgenden etwas genauer. Die Rechtsvorschriften zum Bezugsrecht sind in den Grundzügen eindeutig. Im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals gegen Einlagen (§ 182 AktG) ist der Mindestbetrag, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden sollen, festzusetzen (§ 182 Abs. 3 AktG). Die über die Kapitalerhöhung und die Kapitalerhöhungsbedingungen beschließende Hauptversammlung hat nach herrschender Ansicht Manövrierspielraum: Sie kann im Beschluß den Mindestbetrag festsetzen und dem Vorstand die Festlegung des endgültigen Ausgabebetrages überlassen. Sie kann den Ausgabebetrag aber auch selbst festsetzen und damit für den Vorstand ein Datum setzen. Wie die Hauptversammlung handelt, ist prinzipiell fallabhängig und wird insbesondere davon beeinflußt, ob ein Bezugsrecht auf junge Aktien besteht oder nicht. Die zentralen Vorschriften zum Bezugsrecht finden sich in § 186 AktG. Absatz 1 regelt den gesetzlichen Bezugsanspruch auf junge Aktien für jeden Aktionär. Manche Kommentatoren halten diese Vorschrift für eine der wichtigsten im Recht der Kapitalerhöhung. Der in Absatz 2 genannte Ausgabebetrag ist der Bezugskurs, für den die Hauptversammlung entweder den Mindestbetrag festgelegt hat oder den sie selbst festgesetzt hat. Die Absätze 3 und 4 legen die Bedingungen für einen Ausschluß des Bezugsrechtes fest. Absatz 3, Satz 4 enthält die Änderung, die durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts von 1994 eingeführt worden ist. Der Gesetzgeber definiert hier drei Zulässigkeitsbedingungen für den Ausschluß des Bezugsrechts: Es müssen Bareinlagen geplant sein, die Kapitalerhöhung darf 10 % des vorhandenen Grundkapitals nicht übersteigen und der Ausgabebetrag liegt nur unwesentlich unter dem Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 369 <?page no="372"?> 370 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Börsenpreis. Unter diesen Bedingungen, so die Begründung zum Gesetzentwurf, sei ein Schutzbedürfnis der Altaktionäre nicht gegeben. Denn die Altaktionäre könnten, soweit ihr relativer Stimmenanteil von Bedeutung sei, ihre Quote durch Zukauf von Anteilen am Markt halten. Und Wertverluste seien dann nicht zu befürchten, wenn die Ausgabe der jungen Aktien zum Börsenpreis erfolge. Wegen der Volatilität der Märkte müsse man die Aktienausgabe auch zu Ausgabekursen, die leicht unter dem Börsenpreis liegen, zulassen. Diese Differenzen könnten bei bezugsrechtslosen Kapitalerhöhungen «sehr gering» gehalten werden. Da die Frage des Eintrittspreises neuer Aktionäre für Altaktionäre sehr relevant ist, muß man fragen, warum der Gesetzestext eine so interpretationsfähige Formulierung - «nicht wesentlich unterschreitet» - enthält. Auch bei der Schaffung eines genehmigten Kapitals (§ 202 AktG) kann das Bezugsrecht ausgeschlossen werden. Wie oben ausgeführt, dient die Ermächtigung in Form des genehmigten Kapitals dazu, dem Vorstand Freiraum zu geben, um Kapitalerhöhungen nach Finanzierungsbedarf und insbesondere Marktkonditionen schnell durchführen zu können. § 203 Abs. 2 AktG bestimmt, daß der Vorstand zur Entscheidung über den Ausschluß des Bezugsrechts ermächtigt werden kann. § 186 Abs. 4 AktG gilt dann sinngemäß. Dies wirft ein Problem auf, weil der Vorstand gemäß dieser Vorschrift der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über den Grund des Ausschlusses vorzulegen hat. Diesen Grund kann der Vorstand im Zeitpunkt der Beschlußfassung über das genehmigte Kapital, die ihn für maximal 5 Jahre ermächtigt, i. d. R. noch nicht kennen. Schließlich spielt das Bezugsrecht auch bei der Ausgabe von hybriden Wertpapieren eine Rolle. § 221 Abs. 4 AktG legt fest, daß Aktionäre ein Bezugsrecht haben bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechten. Auch hier kann das Bezugsrecht ausgeschlossen werden. § 186 AktG gilt sinngemäß. Die gesetzlichen Vorschriften zeigen, daß die Konstrukteure des Kapitalerhöhungsrechts dem Bezugsrecht große Bedeutung beimessen. Eine Analyse der BGH-Entscheidungen zum Bezugsrechtsausschluß liefert zusätzliche interessante Aspekte. Wir wollen drei Situationen betrachten. Die erste Entscheidung stammt aus dem Jahr 1960. Hier galt noch das AktG von 1937. Die Y-AG nutzte eine Kapitalerhöhung, für die die Hauptversammlung das Bezugsrecht ausgeschlossen hatte, um die jungen Aktien zum Nennwert «gesellschaftstreuen», also der Verwaltung nahestehenden Aktionären zuzuteilen. Dadurch wurde der Stimmrechtsanteil eines übernahmewilligen Konkurrenten, nennen wir ihn Ü-AG, verkürzt und diesem zugleich eine Vermögenseinbuße zugefügt, da der Wert der jungen Aktien über ihrem Nennwert lag. Die zweite Entscheidung (Kali und Salz AG) hat die Frage zum Gegenstand, unter welchen Bedingungen der Ausschluß des Bezugsrechtes zulässig ist, um eine <?page no="373"?> Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen zu ermöglichen. Die Salzdetfurth AG (SAG) plante eine Kapitalerhöhung im Verhältnis 1: 1, um die jungen Aktien der Wintershall AG anzubieten, die im Gegenzug ihre 50 %-ige Beteiligung an der Kali und Salz AG einbringen wollte (Sacheinlage). Zu diesem Zweck mußte das Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen werden. Die Hauptversammlung der SAG beschloß entsprechend mit den erforderlichen 3/ 4-Mehrheiten. Ein Aktionär focht diese Beschlüsse unter Bezug auf §§ 243, 255 AktG an. Der BGH (BGHZ 71, S. 40-53) unterstreicht die Bedeutung des Bezugsrechts für den Aktionär, weil es das Verschieben von Stimmrechtsquoten, die Entstehung von Vermögenseinbußen und den Verlust von Sperrminoritäten oder Minderheitsrechten verhindern kann. Diese Funktionen machten es notwendig, «für jeden Bezugsrechtsausschluß eine besondere sachliche Begründung zu fordern, an die um so strengere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer der Eingriff in die mitgliedschafts- und vermögensrechtliche Stellung der ausgeschlossenen Aktionäre wiegt». Zulässig sei der Ausschluß des Bezugsrechtes nur, wenn er im Zeitpunkt der Beschlußfassung unter Beachtung der Folgen für die ausgeschlossenen Aktionäre durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt sei. Die dritte Entscheidung stammt aus 1982 und setzt sich mit der Ermächtigung des Vorstands auseinander, im Rahmen der Nutzung eines genehmigten Kapitals das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Die Hauptversammlung der heute nicht mehr bestehenden Philipp Holzmann AG hatte 1980 den Vorstand ermächtigt, das Grundkapital gegen Ausgabe neuer Aktien von 60 auf 75 Mio. DM zu erhöhen und ggf. das Bezugsrecht auszuschließen. In der Einladung zur Tagesordnung formulierte der Vorstand hierzu wie folgt: «Grundsätzlich geht der Vorstand in Übereinstimmung mit dem Aufsichtsrat davon aus, den Aktionären zu gegebener Zeit ein Bezugsrecht einzuräumen. Es sind jedoch, insbesondere im Zusammenhang mit der Erweiterung der Aktivitäten im Ausland, Fälle denkbar, die es angezeigt erscheinen lassen, dem Vorstand im Interesse der Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht - ganz oder teilweise - auszuschließen. Der Vorstand wird der Hauptversammlung nach Inanspruchnahme des genehmigten Kapitals über die Gründe der hinsichtlich des Bezugsrechts getroffenen Entscheidung und über den festgesetzten Ausgabepreis berichten.» Die Hauptversammlung folgte dem Vorstand mit großer Mehrheit. Minderheitsaktionäre erklärten Widerspruch zu Protokoll und fochten die Ermächtigung des Vorstands zum Ausschluß des Bezugsrechtes an. Der BGH folgt der oben erläuterten Linie. Der Ausschluß des Bezugsrechtes erfordert die Abwägung der Interessen und die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck. Dies müsse natürlich auch dann gelten, wenn der Vorstand (zusammen Formen der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft · 371 <?page no="374"?> 372 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung mit dem Aufsichtsrat) über den Ausschluß entscheide. Der Vorstand müsse der Überzeugung sein, daß der Ausschluß das angemessene und am besten geeignete Mittel sei zur Verfolgung der Gesellschaftsinteressen. Ermächtigungen «auf Vorrat» seien unzulässig; sachliche Rechtfertigungen für mögliche Ausschlüsse seien unerläßlich. Der BGH unterscheidet zwei Fälle: (1) Sachliche Gründe für einen im Zeitraum von 5 Jahren möglichen Ausschluß des Bezugsrechts können im Zeitpunkt der Beschlußfassung gegeben werden. (2) Sachliche Gründe können noch nicht geliefert werden. Für den zweiten Fall müsse auf die Ermächtigung verzichtet werden. Die Hauptversammlung könne ein genehmigtes Kapital beschließen; die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß könne sich der Vorstand dann von einer späteren Hauptversammlung erbitten, wenn er eine sachliche Rechtfertigung bieten könne. 7 Formen der Kapitalherabsetzung bei der Aktiengesellschaft 7.1 Systematik Das AktG unterscheidet drei Formen der Kapitalherabsetzung: (1) die ordentliche Kapitalherabsetzung (§§ 222-228 AktG); (2) die vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229-236 AktG); (3) die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237-239 AktG). Da Kapitalherabsetzungen teils zu Kapitalrückzahlungen an die Aktionäre genutzt werden können - was Gläubigerinteressen berührt -, teils nicht, und weil die Kapitalherabsetzungen technisch verschieden gehandhabt werden können, ergibt sich folgende Systematik: <?page no="375"?> Form der Kapitalherabsetzung Technik der Kapitalherabsetzung Kapitalrückzahlungen an Aktionäre Gläubigersicherstellungen Ausschüttungsbegrenzungen Ordentliche Kapitalherabsetzung (1) Herabsetzung des Nennbetrages pro Aktie (2) Zusammenlegung der Aktien, wenn (1) nicht möglich ist (3) Kombination von (1) und (2), § 222 (4) AktG Rückzahlungen an Aktionäre sind nach entsprechendem HV-Beschluß möglich: § 222 (3) AktG; Rückzahlung kann nach 6 Monaten und nach Sicherstellung oder Befriedigung der Gläubiger erfolgen: § 225 (2) AktG bestimmte Gläubiger haben Anspruch auf Sicherheit oder Befriedigung: § 225 (1) AktG keine Vereinfachte Kapitalherabsetzung (1) Herabsetzung des Nennbetrages pro Aktie (2) Zusammenlegung von Aktien, wenn (1) nicht möglich ist (3) Kombination aus (1) und (2): § 229 (3) i.V.m. § 222 (4) AktG Zahlungen an die Aktionäre sind nicht zulässig: § 230 AktG von Bedeutung, wenn in den auf die vKH folgenden beiden Geschäftsjahren 4 % des Grundkapitals übersteigende Gewinne ausgeschüttet werden sollen; Gläubiger haben dann Anspruch auf Befriedigung oder Sicherstellung gemäß § 233 (2) Satz 2 AktG. Voraussetzung: § 233 (1) AktG ist erfüllt. (1) Beträge, die aus der Auflösung von Kapital- oder Gewinnrücklagen u. aus der KH gewonnen werden, dürfen nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwendet werden: § 230 Satz 1 AktG. (2) Keine Ausschüttung, bevor nicht die gesetzliche und die Kapitalrücklage zusammen 10 % des GK nach KH erreichen: § 233 (1) AktG (3) Ausschüttungen von mehr als 4 % des Grundkapitals sind erst im 3. Geschäftsjahr nach der vKH zulässig, es sei denn bestimmte Gläubiger werden zuvor befriedigt oder sichergestellt: § 233 (2) AktG Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (1) AG erwirbt Aktien (2) AG zieht Aktien zwangsweise ein, wenn Satzung dies zuläßt: § 237 (1) AktG Zahlungen an Aktionäre erfolgen, da AG Aktien zu Unterpari-Kursen erwirbt oder Entgelte bei zwangsweisem Einzug zahlt: § 237 (2) Satz 3 AktG Zahlungen an Aktionäre dürfen erst erfolgen nach Befriedigung oder Sicherstellung bestimmter Gläubiger: § 237 (2) i.V.m. § 225 (2) AktG keine Tabelle 9.16: Kapitalherabsetzung, Rückzahlungen an Aktionäre, Gläubigerschutzvorkehrungen und Ausschüttungsbegrenzungen Formen der Kapitalherabsetzung bei der Aktiengesellschaft · 373 <?page no="376"?> 374 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung 7.2 Die ordentliche Kapitalherabsetzung (oKH) Ein HV-Beschluß über eine oKH kann nur mit einer 3/ 4- oder einer größeren Mehrheit des vertretenen Grundkapitals gefaßt werden. Aktionäre, die unterschiedliche Gattungen von Aktien halten, müssen zusätzlich Sonderbeschlüsse fassen. Im Beschluß ist festzulegen, zu welchem Zweck die Herabsetzung stattfindet, insbesondere ob Rückzahlungen an die Aktionäre erfolgen sollen (§ 222 Abs. 3 AktG). Der Beschluß ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Mit der Eintragung ist das Grundkapital herabgesetzt (§ 224 AktG). Zahlungen an die Aktionäre dürfen erst 6 Monate nach Bekanntmachung der Eintragung erfolgen, nachdem berechtigte Gläubiger ausbezahlt bzw. ihnen Sicherheiten gewährt worden sind (§ 225 Abs. 1 AktG). Technisch muß die oKH bei Gesellschaften mit Nennbetragsaktien durch Herabsetzung des Nennbetrags/ Aktie realisiert werden, da diese alle Aktionäre gleich trifft. Hemmt § 8 Abs. 2 AktG diese technische Form der Abwicklung, dürfen Aktien zusammengelegt werden. Eine Herabsetzung unter den Mindestnennbetrag des Grundkapitals i. S. v. § 7 AktG ist nur zulässig, wenn zugleich über eine Kapitalerhöhung ohne Sacheinlage beschlossen wird (§ 228 Abs. 1 AktG). Kapitalherabsetzungen mit dem Ziel, Mittel an die Aktionäre zurückzugeben, finden äußerst selten statt. 7.3 Die vereinfachte Kapitalherabsetzung (vKH) Hier dürfen keine Zahlungen an die Aktionäre erfolgen (§ 230 AktG). Deshalb sind hier einfachere Gläubigerschutzvorkehrungen vorgesehen. Die vKH ist zulässig, um Wertminderungen auszugleichen, Verluste zu decken oder Beträge in die Kapitalrücklage zu stellen. Die Gewinnrücklagen sind zuvor ganz aufzulösen, die gesetzliche und die Kapitalrücklage insoweit, als sie zusammen 10 % des nach Herabsetzung verbleibenden Grundkapitals übersteigen. Die vKH ist unzulässig, solange ein Gewinnvortrag vorhanden ist (§ 229 Abs. 2 Satz 2 AktG). Gewinne dürfen in Folgejahren erst ausgeschüttet werden, wenn die gesetzliche und die Kapitalrücklage 10 % des herabgesetzten Grundkapitals erreichen; 4 % des Grundkapitals übersteigende Ausschüttungen sind erst ab dem dritten Geschäftsjahr nach vKH zulässig (§ 233 Abs. 2 Satz 1 AktG), es sei denn, berechtigte Gläubiger werden zuvor befriedigt oder sichergestellt (§ 233 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die AG kann somit die Ausschüttungsbeschränkung umgehen, indem sie einen § 225 Abs. 1 AktG entsprechenden Gläubigerschutz bewirkt. Auch wenn die AG ihre Gläubiger sicherstellt, dürfen die Beträge aus der Auflösung der Kapital- oder Gewinnrücklagen und der vKH nicht als Gewinn ausgeschüttet werden (§ 230 Satz 1 AktG). Der Gesetzgeber begrenzt den Umfang einer vKH durch die folgenden Vorschriften: Zunächst sind alle Rücklagen einschließlich eines möglichen Gewinnvortrags i. S. v. § 229 Abs. 2 AktG aufzulösen. Beträge aus dieser Auflösung und der vKH <?page no="377"?> dürfen nicht ausgeschüttet werden (§ 230 AktG) und die Zuführung dieser Beträge in die gesetzliche Rücklage bzw. die Kapitalrücklage ist auf 10 % des herabgesetzten Grundkapitals beschränkt (§ 231 AktG). Die formalen Voraussetzungen einer vKH sind denen einer oKH analog (§ 229 Abs. 3 AktG). 7.4 Die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien Das AktG läßt auch den Erwerb eigener Aktien oder den zwangsweisen Einzug von Aktien zu, letzteres allerdings nur, wenn die Satzung den Einzug vor Übernahme oder Zeichnung der Aktien bereits gestattete (§ 237 Abs. 1 AktG). Erwirbt die AG eigene Aktien am Markt zu einem Kurs, der unter dem Nominalwert der Aktien liegt (Unter-pari-Kurs), und werden die Aktien vernichtet, entsteht in Höhe der Differenz zwischen Nominalwert und Kurs ein «Ertrag aus Kapitalherabsetzung» (§ 240 AktG), der zum Ausgleich von Bilanzverlusten herangezogen werden kann. Der Gesetzgeber steht dem Besitz eigener Aktien zurückhaltend gegenüber. § 71 AktG reglementiert den Besitz eigener Aktien, und nach § 71b stehen der AG aus eigenen Aktien keine Rechte zu. § 71 Abs. 1 Ziff. 6 AktG erlaubt jedoch ausdrücklich den Erwerb eigener Aktien nach einem entsprechenden HV-Beschluß zum Zweck der Einziehung. Beispiel Bilanz der Y-AG vor Kapitalherabsetzung (in 1.000 Euro) AV UV Jahresfehlbetrag 3.200 3.000 800 Gezeichnetes Kapital Fremdkapital 4.000 3.000 7.000 7.000 Tabelle 9.17 Der Nominalwert/ Aktie ist 50 Euro; der Kurs/ Aktie ist 25. Zum Anlagevermögen der Y-AG gehört ein Grundstück im Wert von 1.000.000 Euro. Die Y-AG verkauft es und erwirbt dafür 40.000 Aktien am Markt zum Preis von je 25. Mit der Eintragung des Beschlusses bzw. mit der Einziehung der Aktien ist das Grundkapital um den Nominalbetrag der Aktien herabgesetzt (§ 238 Satz 1 AktG), d. h. um 40.000· 50 = 2.000.000 Euro. Die eingezogenen Aktien werden vernichtet. Bilanz der Y-AG nach Einziehung von 40.000 Aktien (in 1.000 Euro) AV UV 2.200 3.000 Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Fremdkapital 2.000 200 3.000 5.200 5.200 Tabelle 9.18 Formen der Kapitalherabsetzung bei der Aktiengesellschaft · 375 <?page no="378"?> 376 · Kapitel 9 Eigen- und Beteiligungsfinanzierung Zu erläutern ist der Ausweis von 200.000 Euro in der Kapitalrücklage. § 240 AktG bestimmt, daß aus Kapitalherabsetzungen «gewonnene» Beträge nach § 229 und § 232 AktG in die Kapitalrücklage einzustellen sind als «Einstellung in die Kapitalrücklage nach den Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung». Diese Vorschrift wird hier analog angewendet. Die Zuführung entspricht der Differenz Nominalwert - Kurs, multipliziert mit der Zahl der aufgekauften Aktien (40.000), also 1.000.000 Euro. Der Jahresfehlbetrag von 800.000 Euro wird zu Lasten der Kapitalrücklage beseitigt. Die Einstellung in die Kapitalrücklage beträgt somit 200.000 Euro. Für die Einziehung gelten die Vorschriften für die ordentliche Kapitalherabsetzung (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AktG). Rückzahlungen an die Aktionäre sind also zulässig, soweit die Gläubigerschutzvorschriften des § 225 AktG beachtet werden. Die Einziehung von Aktien kann allen Zwecken dienen, zu denen eine Kapitalherabsetzung überhaupt zulässig ist, also der Rückzahlung, dem Ausgleich von Verlusten, der Einstellung in Rücklagen. Die Vorschriften über die oKH brauchen bei der Einziehung von Aktien dann nicht beachtet zu werden, wenn die (voll eingezahlten) Aktien zu Lasten eines Bilanzgewinns oder einer anderen Gewinnrücklage eingezogen werden (§ 237 Abs. 3 AktG). Es liegt dann eine vereinfachte Form der Einziehung vor. Ein HV-Beschluß ist grundsätzlich erforderlich; hier genügt die einfache Stimmenmehrheit (§ 237 Abs. 4 Satz 2 AktG). Insbesondere die Gläubiger schützende Regelung des § 225 AktG gilt nicht, da die AG die Mittel, die sie zum Erwerb der Aktien verwendet, auch zur Ausschüttung hätte verwenden können. Jedoch verlangt § 237 Abs. 5 AktG, daß ein Betrag, der dem auf die eingezogenen Aktien entfallenden Betrag des Grundkapitals gleichkommt, in die Kapitalrücklage einzustellen ist. Damit werden Rückzahlungen an die Aktionäre, nicht jedoch der Ausgleich von Verlusten unterbunden. 8 Zusammenfassung Dieses Kapitel begann mit einer Erläuterung der Schwierigkeiten, «Eigenkapital» präzise zu definieren bzw. Ansprüche von Eigenkapitalgebern zu trennen von Ansprüchen von Nicht-Eigenkapitalgebern. Es wurde deutlich, daß eine eindeutige Zuordnung von allen Eigenschaften der Ansprüche der Financiers abhängt. Deshalb haben wir einen «idealtypischen» oder «reinen» Eigenkapitalanspruch bzw. Fremdkapitalanspruch als Eckwerte definiert, zwischen denen Ansprüche mit abweichenden Eigenschaften einzuordnen sind. Wir werfen dann die Frage auf, wieviel Eigenkapital ein Unternehmen braucht. Wir zeigen eine Reihe von Aspekten auf, die bei der Formulierung einer Antwort zu beachten sind. Dann beschäftigten wir uns mit der empirischen Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen, die <?page no="379"?> anhand von Buchwerten gemessen wurde. Angeschlossen wurden Überlegungen zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung. Dann wurde erläutert, warum nicht emissionsfähige Unternehmen bei der Beschaffung von Eigenkapital auf Schwierigkeiten stoßen können und welche Hürden die Gewinnung von Venture Capital überwinden muß. Abschnitt 5 stellt die Möglichkeiten der Eigenkapitalaufnahme für bereits börsennotierte Unternehmen vor. Abschnitt 5.3 stellt mit Genußscheinen ein Finanzierungsinstrument dar, dessen Reputation hinter seinen potentiellen Vorteilen zurückbleibt: Dieser Finanzierungstitel übernimmt ökonomisch Eigenkapitalfunktionen, wird unter steuerlichen Aspekten wie Fremdkapital behandelt und ist - da die gesetzliche Normierung kaum vorhanden ist - ein durch Vertragsbedingungen gestaltbares Instrument. Die Fallstudie «Hubler GmbH» ist geeignet, diese Vorteile zu verdeutlichen. Die Abschnitte 6 und 7 sind eher technisch orientiert: Es wird erläutert, welche Formen der Kapitalerhöhung (Kapitalherabsetzung) das AktG zuläßt und welche Restriktionen jeweils aus welchen Gründen zu beachten sind. 9 Literaturhinweise Albach, Horst: Welche Maßnahmen empfehlen sich, insbesondere im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen langfristig zu verbessern? Referat auf dem 55. DJT in Hamburg 1984, Bd. II, Sitzungsberichte, München 1984, S. K 9-K 33. 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Literaturhinweise · 379 <?page no="383"?> Innenfinanzierung Kapitel 10 Inhalt 1 Definition und Bedeutung der Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 2 Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens . . . . . . . . 384 2.1 Finanzierung durch Abschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2.2 Finanzierung durch Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2.3 Exkurs: Pensionsrückstellungen und Ablösung von langfristigem Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2.4 Finanzierung durch Gewinneinbehaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 3 Zu Vor- und Nachteilen der Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 5 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 1 Definition und Bedeutung der Innenfinanzierung In Kapitel 1 haben wir die Finanzierungsquellen eines Unternehmens in zwei große Blöcke unterteilt: Außen- und Innenfinanzierung. In den Kapiteln 7, 8 und 9 wurden Bereiche der Außenfinanzierung besprochen. Jetzt wenden wir uns der Innenfinanzierung zu. Wenn wir uns auf der Zahlungsebene bewegen, besteht das Innenfinanzierungsvolumen einer Periode in der Differenz der in Abbildung 1.1 dargestellten Zahlungsbewegungen, für die die Pfeile 1 und 2 stehen. Es ist die Differenz der vom Unternehmen in einer Periode vereinnahmten Leistungsentgelte und der vom Unternehmen in der gleichen Periode gezahlten Faktorentgelte für Rohstoffe, Energie, Arbeitsleistungen, beschaffte Waren, Transporte, Versicherungsleistungen etc., die für die Produktion der Leistungen des Unternehmens und deren Verwertung im Markt ausgelöst werden, wobei wir Auszahlungen für Sachanlagevermögen wie Grundstücke, maschinelle Anlagen, Gebäude nicht einbeziehen wollen. Durch die Auszahlungen für solche, über mehrere Perioden nutzbare Investitionsprojekte findet, soweit nicht auf Möglichkeiten der Außenfinanzierung zurückgegriffen wird, eine Verwendung von Innenfinanzierungsvolumen statt. In Kapitel 1 wurde Innenfinanzierung auch mittels Abbildung 1.3 erläutert. In dieser Abbildung wird Innenfinanzierung ausgehend von Aufwands- und Ertragsrechnungen definiert. Dieter Schneider meint zwar, daß der Pfad betriebs- <?page no="384"?> 382 · Kapitel 10 Innenfinanzierung wirtschaftlicher Tugend den Zahlungsströmen folge. 56 Dennoch kommt die von einer GuV ausgehenden Definition der praktischen Denkweise vermutlich am nächsten. Demnach gelten als Hauptquellen des Innenfinanzierungsvolumens eines Unternehmens • Aufwandsbildung durch Abschreibungen, • Aufwandsbildung durch Rückstellungsbildungen, • Gewinneinbehaltungen (Thesaurierung). Bevor in Abschnitt 2 auf diese Aspekte im Detail eingegangen wird, soll die an der Gewinn- und Verlustrechnung orientierte Denkweise anhand des Beispiels, das schon in Kapitel 1 benutzt wurde, nochmals beleuchtet werden. Die Gewinn- und Verlustrechnung einer AG für 2006 sehe wie folgt aus: Gewinn- und Verlustrechnung einer AG für 2006 Nettoumsatzerlöse (einzahlungsgleich) 3.000 Erhöhung der Bestände an Fertigprodukten (nicht einzahlungsgleich) 300 Löhne, Gehälter, soziale Abgaben (auszahlungsgleich) 700 Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (auszahlungsgleich) 600 Abschreibungen (nicht auszahlungsgleich) 400 Zuführungen zu Garantierückstellungen (nicht auszahlungsgleich) 100 Zuführungen zu Pensionsrückstellungen (nicht auszahlungsgleich) 200 Jahresüberschuß (JÜ) 1.300 Einstellung in Gewinnrücklagen 650 Bilanzgewinn 650 Einstellung Gewinnvortrag 450 Zusätzlich soll gelten: • Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, 50 % des Jahresüberschusses gemäß § 58 Abs. 2 AktG in Gewinnrücklagen einzustellen. • Die Eigentümer der AG beschließen auf der Hauptversammlung, nur einen Teil des Bilanzgewinns auszuschütten: Die Ausschüttung soll 200 betragen; 450 werden als Gewinnvortrag (oder als Gewinnrücklage) einbehalten. Das Innenfinanzierungsvolumen vor Ausschüttung (Dividende) beträgt, berechnet nach den Zahlungsbewegungen 3.000 - 700 - 600 = 1.700. Nach Ausschüttung sind noch 1.500 verfügbar. 56 Vgl. Schneider, D. [Investition], S. 712. <?page no="385"?> Definition und Bedeutung · 383 Benutzt man die Abbildung 1.3, um das Innenfinanzierungsvolumen zu definieren, erhält man ebenfalls 1.500: • Finanzierung durch Einbehaltung von Teilen des Jahresüberschusses: 650 + 450 = 1.100 • Finanzierung durch zwingende Gewinnermittlungsvorschriften: - Abschreibungen: 400 - Zuführung zu Garantierückstellungen: 100 - Zuführung zu Pensionsrückstellungen: 200 - Investition in Fertigprodukte -300 Summe 1.500 Das Beispiel verdeutlicht, was mit dem Finanzierungseffekt aus Abschreibungen bzw. dem Finanzierungseffekt aus Rückstellungen gemeint ist: Wenn man den Jahresüberschuß eines Jahres als die Obergrenze der Ausschüttung ansieht, dann verkürzen nicht zahlungsgleiche (nachperiodisierte) Abschreibungen sowie nicht zahlungsgleiche (vorperiodisierte) Zuführungen zu Rückstellungen das Maximum an Ausschüttung und verhindern somit den Abfluß von finanziellen Mitteln unter der nicht unwichtigen Prämisse, daß mindestens Mittel in entsprechender Höhe (über Pfeil 1 in Abbildung 1.1) dem Unternehmen zugeflossen sind. Liegen also Jahresfehlbeträge vor, sind die genannten Finanzierungseffekte zu hinterfragen. Wie bedeutsam ist Innenfinanzierung in der Realität? Bezeichnet man den Kapitalbedarf einer Periode mit 100, sieht die Mittelaufbringung gemäß den Auswertungen, die die Deutsche Bundesbank seit Jahrzehnten vornimmt, im Durchschnitt der letzten fünf Jahrzehnte etwa so aus: Finanzierung [100] Innenfinanzierung [70 -90] Au flenfinanzierung [10 -30] Eigen bzw. Beteiligungsfinanzierung ca. 10% Fremdfinanzierung ca. 90% Abbildung 10.1: Relative Bedeutung der Innenfinanzierung in Deutschland <?page no="386"?> 384 · Kapitel 10 Innenfinanzierung Im Durchschnitt werden zwischen 70 und 90 % der Bruttoinvestition durch Mittel aus Innenfinanzierung gedeckt; Mittel aus der Außenfinanzierung tragen zur Finanzierung der Bruttoinvestition in weit geringerem Maße bei. Unter den Formen der Außenfinanzierung hat die Kreditfinanzierung die größte Bedeutung. Aus den USA bringen Brealey/ Myers/ Allen die gleiche Botschaft, wie Abbildung 10.2 verdeutlicht: Die Innenfinanzierung hat für reife Unternehmen überragende Bedeutung. 2 Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens 2.1 Finanzierung durch Abschreibungen Will man den Finanzierungseffekt von Abschreibungen darstellen, hat man einmal zu unterscheiden in Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften und zum anderen nach der Art des geltenden Steuerregimes. Personengesellschaften sind in Deutschland kein eigenständiges Steuersubjekt. Sie sind i. d. R. gewerbesteuerpflichtig. Der Gewinn der Personengesellschaft unterliegt unabhängig davon, ob er thesauriert oder von den Gesellschaftern entnommen wird, der Einkommensteuer auf Gesellschafterebene. Bei Kapitalgesellschaften ist zu unterscheiden die Besteuerung auf Unternehmensebene mit Gewerbeertragsteuer und Körperschaftsteuer und die Besteuerung auf Eigentümerebene. Im derzeit geltenden sog. Halbeinkünfteverfahren wird die 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Year Internal funds Net equity issues 100 80 60 40 20 0 -20 Abbildung 10.2: Bedeutung der Innenfinanzierung in den USA (Quelle: Brealey/ Myers/ Allen, 8. Aufl., S. 362) <?page no="387"?> Ausschüttung der Kapitalgesellschaft mit dem halben für den Gesellschafter relevanten Einkommensteuersatz besteuert. Wir betrachten im folgenden die Wirkungen einer steuerlich und handelbilanziell relevanten Abschreibungsverrechnung für die Kapitalgesellschaft. Angenommen, die Kapitalgesellschaft plante alle Überschüsse zu thesaurieren, also nichts auszuschütten. Die Wirkung einer Abschreibungsverrechnung in Höhe von Ab t besteht im Vergleich zum Fall der fehlenden Abschreibung (Null-Abschreibung) ausschließlich in einer Minderung der Steuerzahlung des Unternehmens im Zeitpunkt t: Die Steuerzahlung in Periode t sinkt um s 0 Ab t , wobei s 0 den kombinierten Ertragsteuersatz bezeichnet und durch s 0 = s K + s GE - s K s GE definiert ist. Der Beitrag der Abschreibungsverrechnung zum Innenfinanzierungspotential in Periode t besteht im Fall der geplanten vollen Thesaurierung in der Reduktion der Steuerschuld, wenn wir eine den Abzug von Ab t erlaubende positive Steuerbemessungsgrundlage voraussetzen. Nehmen wir nun an, die Kapitalgesellschaft wollte finanzielle Mittel in Höhe des Jahresüberschusses ausschütten. Jetzt ist die Wirkung einer zusätzlichen Abschreibung Ab t etwas komplizierter: Ab t verkürzt den Jahresüberschuss (JÜ t ) und verkürzt die Steuerlast der Periode t, wobei die Reduktion der Steuer wiederum zur Erhöhung der Ausschüttung verwendet werden kann: Die Ausschüttung in Periode t verändert sich um - Ab t + s 0 Abt = -Ab t (1 - s 0 ). Das Innenfinanzierungsvolumen vor Steuern steigt um Ab t ; das Innenfinanzierungsvolumen nach Steuern sinkt um s 0 Ab t . 2.2 Finanzierung durch Rückstellungen Wir unterstellen handels- und steuerrechtlich zulässige Rückstellungen, also z. B. Rückstellungen für Garantien, Pensionszusagen, Prozessrisiken, Bergschäden, Steuerrückstellungen. Werden Rückstellungen gebildet, die steuerlich nicht zulässig sind, hat die Rückstellungszuführung nur den ausschüttungsverkürzenden Effekt, wenn - wie oben unterstellt - der Jahresüberschuß die Obergrenze der zulässigen Ausschüttung der Periode definiert. Ist die Rückstellungsbildung steuerlich zulässig, folgen ein Ausschüttungsminderungseffekt und ein Steuerminderungseffekt. Dieser Steuerminderungseffekt ist prinzipiell von Vorteil, aber von zeitlich begrenzter Dauer. Das ist zu erläutern. Angenommen, es handelt sich um eine Zuführung zu einer Garantierückstellung in Periode t in Höhe von Δ RS. Die Garantiezusage des Unternehmens gelte für maximal n Jahre. Folgende Ausgänge sind möglich: • Ein Garantieanspruch wird vom Käufer der Ware oder Dienstleistung nicht erhoben. In diesem Fall ist die Zuführung zur Rückstellung in Periode t + n spätestens aufzulösen. D. h. daß die Gewinn- und Verlustrechnung einen dem Auflösungsbetrag entsprechenden Ertrag ebenso ausweist wie die steuerliche Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 385 <?page no="388"?> 386 · Kapitel 10 Innenfinanzierung Bemessungsgrundlage der Periode. Die Ausschüttungssperrwirkung ist aufgehoben; die in Periode t erzielte Steuerminderzahlung ist in Periode t + n nachzuleisten. Allerdings entsteht ein Zinsvorteil, da die steuerliche Leistung in Höhe von s 0 Δ RS t erst in t + n, anstatt in Periode t zu leisten ist. t t + n (1) (2) (3) (4) (5) Zuführung zur Garantierückstellung Steuerminderung Veränderung d. JÜ Auflösung der Garantierückstellung durch (4) ausgelöste Steuerzahlung Δ RS - s 0 Δ RS - Δ RS (1 - s 0 ) + Δ RS (1 - s 0 ) - Δ RS s 0 Δ RS Tabelle 10.1: Wirkungen der Rückstellungsbildung und -auflösung • Der Garantieanspruch wird vom Käufer während der Garantiezeit geltend gemacht. Wir nehmen vereinfachend an, daß er in der letzten Periode der Garantiezeit geltend gemacht wird und daß die Garantieleistung exakt dem Betrag entspricht, der in Periode t der Garantierückstellung zugeführt wurde. t t + n (1) (2) (3) (4) (5) (6) Zuführung zur Garantierückstellung Steuerminderung Veränderung d. JÜ Inanspruchnahme aus Rückstellungsgrund: Zahlung und Aufwand Auflösung der Garantierückstellung: Ertrag Steuerwirkung Δ RS - s 0 Δ RS - Δ RS (1 - s 0 ) 0 - Δ RS + Δ RS 0 Tabelle 10.2: Wirkungen der Rückstellungsbildung bei Inanspruchnahme aus Rückstellungsgrund In beiden betrachteten Fällen tritt die Steuerminderung bei entsprechend positiver Steuerbemessungsgrundlage in Periode t ein. Im Fall 1, also der Nichtinanspruchnahme des Unternehmens, wird eine gleich hohe Steuerbelastung in Periode t + n nachgeholt; konstante Steuersätze sind hierbei unterstellt. Im Fall 2, also der Inanspruchnahme des Unternehmens, unterbleibt eine Kompensation der Steuerminderzahlung in Periode t + n, weshalb es auf den ersten Blick so aussieht, als sei der steuerliche Vorteil größer als im Fall 1. Das trifft aber nicht zu. Wir können nämlich dem die Rückstellung in t bildenden Unternehmen, das wir im folgenden mit RS-Unternehmen bezeichnen, ein Unternehmen gegenüberstellen, das auf die Rückstellungsbildung in Periode t verzichtete. Dieses Unternehmen bezeichnen wir im folgenden als Vergleichsunternehmen oder V-Unternehmen. Dieses V-Unternehmen <?page no="389"?> würde in Periode t + n mit der Inanspruchnahme des Garantieinhabers konfrontiert, die entsprechende Auszahlung leisten, den Aufwand verbuchen und den Steuervorteil in Höhe von s 0 Δ RS - Δ RS entspricht annahmegemäß der Inanspruchnahme - in Periode t + n vereinnahmen. Folglich ist der steuerliche Vorteil der Rückstellungsbildung in Höhe von s 0 Δ RS in beiden Fällen der gleiche: Die Vorperiodisierung des Aufwands durch die Rückstellungsbildung in Periode t bewirkt eine zeitlich vorgezogene Steuerminderzahlung, über die das Unternehmen verfügen kann. Wir wollen im folgenden annehmen, daß die Kapitalgesellschaft den Jahresüberschuß der Periode als Obergrenze der Entnahme bzw. Ausschüttung beachtet. Diese Annahme ist realistisch; Kapitalgesellschaften schütten im Durchschnitt deutlich weniger aus, als sie gemäß der oben genannten Obergrenze könnten. Wir wollen unterstellen, daß die Kapitalgesellschaft exakt den um Unternehmensteuern verkürzten Jahresüberschuß ausschüttet. Rückstellungszuführungen verkürzen den Jahresüberschuß um Δ RS und erhöhen ihn um die verringerte Steuerzahlung in Höhe von s 0 Δ RS. Was aber treibt das Unternehmen mit den ausschüttungsgesperrten finanziellen Mitteln? Hier gibt es im Prinzip drei Verwendungsalternativen: (1) Das Unternehmen investiert die Mittel und erzielt hoffentlich Erfolge, die die Kapitalkosten der Mittel übersteigen bzw. mindestens erreichen. (2) Das Unternehmen tilgt Fremdkapital und spart Zinszahlungen. (3) Das Unternehmen ersetzt Eigenkapital, indem es Eigenkapital an die Eigentümer in dem Umfang zurückführt, in dem die Passivposition Rückstellungen wächst. Betrachten wir zunächst Fall 1. Das Unternehmen betreibe eine Jahresüberschußbezogene Vollausschüttung: Überschüsse nach Gewerbeertrag- und Körperschaftsteuer werden ausgeschüttet. Das V-Unternehmen bildet den Bezugspunkt und bildet keine Rückstellung. Tabelle 10.3(a) bildet die Ausschüttungen und den Cashflow auf der Ebene der Eigentümer ab. Tabelle 10.3(b) bildet den Überschuß nach Unternehmensteuern und den Cashflow auf Eigentümerebene für das die Rückstellung bildende RS-Unternehmen ab. Der Rückstellungszuführung entsprechende Mittel werden hier in fest verzinsliche Finanzanlagen investiert zu einem Zinssatz i FA von 10 %. Nach Unternehmensteuern beträgt deren Rendite i FA (1 - s 0 ) mit s 0 = 0,375, also 6,25 %. Der Einkommensteuersatz der Eigentümer betrage s I = 0,40. Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften werden im Halbeinkünfteverfahren mit dem Satz 0,5 ·s I besteuert. Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 387 <?page no="390"?> 388 · Kapitel 10 Innenfinanzierung V-Unternehmen 0 1 2 … n (1) Überschuß vor GewESt und KöSt 200 200 200 … 200 (2) Inanspruchnahme aus Rückstellungsgrund -100 (3) Unternehmensteuern (s 0 = 0,375) -75 -75 -75 … -37,5 (4) Ausschüttungen 125 125 125 62,5 (5) Einkommensteuer (0,5 s I mit s I = 0,40) -25 -25 -25 … -12,5 (6) Cashflow auf Ebene der Eigentümer 100 100 100 50 Tabelle 10.3(a): Ausschüttungen und Cashflow des V-Unternehmens RS-Unternehmen 0 1 2 … n (1) Überschuß vor GewESt und KöSt 200 200 200 … 200 (2) Rückstellungsveränderung (100) (-100) (3) Inanspruchnahme aus Rückstellungsgrund -100 (4) Finanzanlage -100 100 (5) Zinserträge aus (4) nach Steuern 6,25 6,25 ... 6,25 (6) Unternehmensteuern (s 0 = 0,375) -37,5 -75 -75 … -75 (7) Ausschüttungen 62,5 131,25 131,25 … 131,25 (8) Einkommensteuer -12,5 -26,25 -26,25 … -26,25 (9) Cashflow auf Ebene der Eigentümer 50 105 105 … 105 Tabelle 10.3(b): Ausschüttungen und Cashflow des RS-Unternehmens Welche Ausschüttungsreihe ist vorzuziehen? Man kann die Frage beantworten, indem man prüft, was die Eigentümer des V-Unternehmens mit der höheren Ausschüttung in t = 0 anfangen. Die höhere Ausschüttung ist 50. Wir nehmen an, daß die Ausschüttungsempfänger diesen Betrag ebenfalls zu i FA = 0,10 anlegen könnten. Zinserträge sind im Halbeinkünfteverfahren vollständig, also mit s I = 0,40 zu versteuern, weshalb das resultierende periodische Einkommen 50 · 0,10 · (1 - 0,4) = 3 beträgt. Das RS-Unternehmen liefert indessen einen um 5 höheren Cashflow. Dieser resultiert aus dem höheren Investitionsvolumen auf Unternehmensebene in Höhe von 100 (Volumeneffekt). Die Rendite nach allen Steuern ist mit i FA (1 - s 0 ) (1 - 0,5 s I ) = 0,05 im RS-Unternehmen zwar kleiner als die privat erzielte Rendite der Eigentümer des V-Unternehmens, die 0,06 beträgt (Renditeeffekt). Aber der Volumeneffekt überkompensiert den Renditevorteil. Die Rückstellungsbildung ist unter den genannten Bedingungen also von Vorteil. Wir betrachten jetzt die zweite oben genannte Verwendungsalternative: das RS- Unternehmen tilgt Fremdkapital. Rückstellungen ersetzen Fremdkapital; die Bilanzsumme bleibt im Gegensatz zum soeben betrachteten Fall konstant. <?page no="391"?> Die zum ersten Fall angestellten Überlegungen können auf diesen zweiten Fall übertragen werden. In t = 0 wird im RS-Unternehmen Δ RS gebildet und Fremdkapital in gleicher Höhe abgelöst. Bei Inanspruchnahme des Unternehmens durch den Inhaber des Garantieanspruchs (in Höhe von Δ RS) wird verzinsliches Fremdkapital wieder aufgenommen. Die temporäre Tilgung von Fremdkapital erspart Zinszahlungen in Höhe von Δ RS i V (1-s 0 ) auf Unternehmensebene, wenn volle steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinszahlungen auf Unternehmensebene angenommen wird. Diese Ersparnis erhöht die Ausschüttungen an die Eigentümer und bewirkt nach Einkommensteuern einen um Δ RS i V (1-s 0 ) (1-0,5 s I ) höheren Cashflow. Abbildung 10.3 zeigt die Zahlungswirkungen, wenn das keine Rückstellungen bildende V-Unternehmen als Bezugspunkt benutzt wird. 0 1 2 … n Ausschüttungsminderung - Δ RS (1 - s 0 ) i V Δ RS (1 - s 0 ) Mehrausschüttung i V Δ RS (1 - s 0 ) … i V Δ RS (1 - s 0 ) Cashflowminderung auf Eigentümer-Ebene Cashflowerhöhung auf Eigentümer-Ebene - Δ RS (1 - s 0 ) (1 - 0,5 s I ) i V Δ RS (1 - s 0 ) (1 - 0,5 s I ) i V Δ RS (1 - s 0 ) (1 - 0,5 s I ) … i V Δ RS (1 - s 0 ) (1 - 0,5 s I ) Abbildung 10.3: Ausschüttungsdifferenzen bei Ablösung von Fremdkapital Auch hier gibt es den Volumeneffekt und den Renditeeffekt. Letzterer besteht in der Differenz zwischen den Kosten des Fremdkapitals nach allen Steuern und der Rendite nach Steuern, die Eigentümer des V-Unternehmens auf die Mehrausschüttung in t = 0 erzielen könnten. Nun könnten durch Rückstellungen gebundene Mittel auch Eigenkapital ersetzen: Das Investitionsvolumen bzw. die Bilanzsumme bei RS- und V-Unternehmen ist identisch; die Kapitalstrukturen differieren, weisen aber gleiche Bestände an verzinslichem Fremdkapital auf. Abbildung 10.4 verdeutlicht dies. RS-Unternehmen V-Unternehmen Vermögensgegenstände EK Vermögensgegenstände EK RS FK FK Abbildung 10.4: Kapitalstrukturen im RS- und V-Unternehmen Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 389 <?page no="392"?> 390 · Kapitel 10 Innenfinanzierung Für den Transfer von Eigenkapital (EK) in Höhe von RS zu den Eigentümern gibt es mehrere Wege: das RS-Unternehmen kann höhere Ausschüttungen leisten als das V-Unternehmen; zu diesem Zweck sind ggf. Gewinnrücklagen aufzulösen. Das RS-Unternehmen könnte auch das Eigenkapital herabsetzen und den Eigentümern zurückzahlen; dies hätte den Vorteil, daß die Einkommensteuerbelastung auf Eigentümerebene unterbleibt. Das RS-Unternehmen könnte schließlich Aktien zurückkaufen. Wir betrachten RS- und V-Unternehmen. Beide Unternehmen investieren in t = 0 den Betrag I 0 = 100. Die Erfolge aus dieser Investition sind im erwarteten Überschuß vor Unternehmensteuern (200) bereits enthalten. Das RS-Unternehmen finanziert I 0 durch Δ RS; das V-Unternehmen finanziert I 0 durch Gewinneinbehaltung. Die Bilanzsummen von RS- und V-Unternehmen sind gleich; die Summe aus Rückstellung und Eigenkapital im RS-Unternehmen gleicht dem Eigenkapital des V-Unternehmens. Tabelle 10.4(a) zeigt Ausschüttung und Cashflow auf Eigentümerebene des V-Unternehmens. Tabelle 10.4(b) zeigt die Ergebnisse für das RS-Unternehmen. V-Unternehmen 0 1 2 … n (1) Überschuß vor GewESt und KöSt 200 200 200 … 200 (2) Inanspruchnahme aus Rückstellungsgrund -100 (3) Unternehmensteuern (s 0 = 0,375) -75 -75 -75 … -37,5 (4) Investition (= Thes) -100 - (5) Ausschüttungen 25 125 125 … 62,5 (6) Einkommensteuer (0,5 · 0,40 = 0,20) -5 -25 -25 … -12,5 (7) Cashflow auf Eigentümerebene 20 100 100 … 50 Tabelle 10.4(a): Ausschüttungen und Cashflows des V-Unternehmens V-Unternehmen 0 1 2 … n (1) Überschuß vor GewESt und KöSt 200 200 200 … 200 (2) Rückstellungsveränderung (100) (-100) (3) Inanspruchnahme aus Rückstellungsgrund -100 (4) Unternehmensteuern (s 0 = 0,375) -37,5 -75 -75 … -75 (5) Investition -100 (6) Thesaurierung 100 (7) Ausschüttungen 62,5 125 125 25 (8) Einkommensteuer (0,5 · 0,40 = 0,20) -12,5 -25 -25 -5 (9) Cashflow auf Eigentümerebene 50 100 100 20 Tabelle 10.4(b): Ausschüttungen und Cashflow des RS-Unternehmens <?page no="393"?> Das V-Unternehmen thesauriert den Betrag I 0 = 100 in t = 0; das RS-Unternehmen thesauriert den Betrag Δ RS = 100 in t = n, um so den in n geltend gemachten Garantieanspruch zu finanzieren. Ab dem Zeitpunkt n sind die Kapitalstrukturen beider Unternehmen wieder gleich. Man kann den Tabellen entnehmen, daß die Summe der Unternehmensteuern, die Summe der Einkommensteuern und folglich die Summe der Cashflows auf Eigentümerebene für beide Unternehmen gleich sind. Aber die Ausschüttungsreihe des RS-Unternehmens ist wertvoller als die des V-Unternehmens, weil der Ausschüttungsvorteil von 30 in t = 0 anstatt in t = n erfolgt. Der Vorteil von 30 ergibt sich aus dem Unternehmensteuervorteil von Δ RS · s 0 , verkürzt um die Ausschüttungsbelastung. 57 Das Beispiel deutet an, daß die Substitution von Eigenkapital durch Rückstellungen sinnvoll sein kann. Das gilt insbesondere für langfristige (steuerlich zulässige) Rückstellungen wie z. B. für Pensionen, Entsorgung von Kernkraftwerken, Bergschäden oder den sog. Bodensatz von Garantierückstellungen. 2.3 Exkurs: Pensionsrückstellungen und Ablösung von langfristigem Fremdkapital Dieser Exkurs behandelt die Verwendung rückstellungsgesperrter Mittel für die Ablösung von verzinslichem Fremdkapital. Unternehmen können sich verpflichten, ihren Arbeitnehmern eine Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Sie können solchen Verpflichtungen in verschiedenen Organisationsformen nachkommen: Wir betrachten den unternehmensinternen Ansparprozeß in Form von Rückstellungen. Im Prinzip werden Pensionsrückstellungen für betriebliche Altersversorgung während der Betriebszugehörigkeit gebildet. Wird der Fall nur eines Arbeitnehmers betrachtet, werden während dessen Betriebszugehörigkeit («Anwartschaftsphase») Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen vorgenommen, denen in der Periode der Zuführung keine Auszahlungen gegenüberstehen: Es liegt Periodenaufwand, aber keine Periodenauszahlung vor. Das Unternehmen behält Mittel ein, um nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers die vertraglich festgelegten Altersversorgungsleistungen in der «Rentenphase» zu finanzieren. Abb. 10.5 verdeutlicht den Sachverhalt (Z: Jahr der Versorgungszusage, R 1 : Jahr der ersten Rentenzahlung, R n : Jahr der letzten Rentenzahlung). 57 Δ RS s 0 (1 - 0,5 · 0,4) = 100 · 0,375 · 0,8 = 30. Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 391 <?page no="394"?> 392 · Kapitel 10 Innenfinanzierung Angenommen, einem dreißigjährigen Angestellten wurde zum 1.1.1982 eine Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von 1.200 pro Jahr, zahlbar ab Ende des Jahres 2017 - dem Jahr seines Ausscheidens aus dem Unternehmen - bis zu seinem (annahmegemäß sicheren) Tod im 80. Lebensjahr, also im Jahr 2032 gegeben. Die letzte Zahlung erfolgt also im Jahr 2031. Die Zuführungen zur Pensionsrückstellung erfolgen während der 35-jährigen Anwartschaftsphase bis zum Jahre 2016 einschließlich und erreichen dann den Barwert der während der 15-jährigen Rentenphase zu leistenden Zahlungen in Höhe von 1.200 pro Jahr. Bei einer im Unternehmen erzielbaren Rendite von 8 % beträgt der Barwert der Rentenzahlungen R t zu Beginn des Jahres 2017 (= Ende des Jahres 2016) 15 2031 t 2016 t t E 15 t 2017 (1 i ) 1 R (1 i ) R 10.271, 37 B . (1 i ) i − + = + − + = = ≡ ∑ + ⋅ B E bezeichnet den Barwert der R t bei Eintritt des Versorgungsfalles, d. h. zum 1.1.2017. Erfolgen die Zuführungen zu der Pensionsrückstellung in gleichen Jahresbeträgen, ist die jeweils am Ende der Periode vorzunehmende Zuführung (ab 1982), Δ PR, bestimmt durch (10.1) 35 Z 35 (1 i ) i PR B , (1 i ) 1 + ⋅ Δ = ⋅ + − wobei B Z den Barwert der R t zum Zeitpunkt der Versorgungszusage, also zum 1.1.1982 angibt. Δ PR beträgt im Beispiel somit (10.2) 35 35 E 35 (1 i ) i PR B (1 i ) 694, 70 0, 08580 59, 61. (1 i ) i − + ⋅ Δ = + ⋅ = ⋅ = + − Beträgt die erzielbare Rendite bei Wiederanlage der Δ PR entsprechenden Mittel im Unternehmen 11 %, betragen B E = 8.629,04, B Z = 223,70 und Δ PR = 25,26. Die Höhe der internen Anlagerendite ist also entscheidend für die Höhe der periodischen Zuführung Δ PR. Δ PRt Anwartschaftsphase Rentenphase Rentenzahlungen (R t ) Z R 1 R n Abbildung 10.5: Phase der Rückstellungsbildung (Anwartschaftsphase) und Rentenphase <?page no="395"?> Der Gesetzgeber hat steuerliche Regelungen geschaffen, die den Unternehmen Anreize bieten sollen, Vereinbarungen über betriebliche Altersversorgungsleistungen mit ihren Arbeitnehmern abzuschließen. Der Anreiz besteht im Kern darin, daß die periodische Zuführung zu Pensionsrückstellungen, ZPR, die steuerliche Bemessungsgrundlage kürzt (§ 6a EStG, § 104 BewG). D. h. in der Periode der Zuführung sind auf den Betrag ZPR keine gewinnabhängigen Steuern zu entrichten. Will man die Auswirkungen von Maßnahmen der betrieblichen Altersversorgung beurteilen, hat man in einem mehrperiodigen Kalkül die Steuerwirkungen, die veränderten Investitionsvolumen, die Renditen auf die Reinvestitionen, die Rentenzahlungen und die durch die Steuergesetzgebung implizierten Kapitalkosten (6 %) und die Vertragsgestaltung zu beachten. Wir wollen diesen Kalkül in einer einfachen Form entwickeln. Der Kalkül wird (1) verdeutlichen, wer die Rentenleistungen an die Arbeitnehmer finanziert, und (2) eine Vorstellung über die Kosten von Kapital vermitteln, das durch die Bildung von Pensionsrückstellungen in Unternehmen angesammelt wird. Wir vergleichen zwei Unternehmen mit gegebenem Investitionsprogramm, von denen das Vergleichsunternehmen (V-Unternehmen) keine betrieblichen Altersversorgungszusagen gibt und folglich auch keine entsprechenden Rückstellungen bildet. Das zweite Unternehmen (AV-Unternehmen) gibt Zusagen auf Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung und bildet entsprechende Rückstellungen. Wir unterstellen für beide Unternehmen das gleiche Investitionsprogramm und damit die gleichen Überschüsse vor Steuern und anderen finanziellen Belastungen. Wenn das Investitionsprogramm in beiden Unternehmen gleich bleibt, muß geklärt werden, was im AV-Unternehmen in der Anwartschaftsphase mit den Rückstellungszuführungen geschieht: Wie werden die im Unternehmen durch Rückstellungsbildung gebundenen Mittel verwendet? Wir unterstellen, daß Fremdmittel getilgt werden. Um die Mechanik der Zahlungsbeziehungen möglichst klar zu zeigen, wird unterstellt, daß Fremdmittel den Satz i V = 6 % kosten. Fremdmittel kosten damit scheinbar so viel wie Mittel, die durch Pensionsrückstellungen im Unternehmen gebunden sind. Für diese hat der Gesetzgeber in § 6a Abs. 3 EStG festgelegt, daß ein Rechnungszinsfuß von 6 % anzuwenden ist. Im folgenden wird das Problem durch ein Beispiel illustriert. Dem Beispiel liegen folgende Annahmen zugrunde: Einem Arbeitnehmer, der bis zum Ende der Periode 4 in dem Betrieb beschäftigt bleibt, wird eine Rente von 100 zugesagt, die ihm am Ende der Perioden 5, 6, 7 ausgezahlt wird. Der Rechnungszinsfuß ist 6 %. Gemäß den oben erläuterten Überlegungen ergeben sich die gleich bleibenden Jahresbeträge J t , die Teilwerte T t , die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen ZPR t und die Rentenzahlungen R t aus Tabelle 10.5. Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 393 <?page no="396"?> 394 · Kapitel 10 Innenfinanzierung (1) (2) (3) (4) (5) (6) t J t T t ZPR t = T t - T t-1 ZPR t = iPR t-1 R t 0 1 61,10 61,10 61,10 2 61,10 125,87 64,77 3 61,10 194,52 68,65 4 61,10 267,30 72,78 5 - 183,34 16,04 100 6 - 94,34 11,00 100 7 - 0 5,66 100 Tabelle 10.5: Gleich bleibende Jahresbeträge, Teilwerte, Zuführung zu Pensionsrückstellungen in Anwartschafts- und Rentenphase Der Teilwert T t wächst von Periode zu Periode um J t und den Betrag i · PR t-1 . Da der Teilwert dem Bestand der gebildeten Pensionsrückstellungen entspricht, T t = PR t , entspricht i · PR t-1 den Zinsen auf den Rückstellungsbestand oder den Teilwert zu Beginn der Periode. Mit dem Beginn der Rentenphase - im Beispiel Periode 5 - unterbleiben die Zuführungen J t : Der «Teilwert» ist so angelegt, daß der Rückstellungsbestand zu Beginn der Rentenphase (= Ende Periode 4) dem Barwert der zu leistenden Rentenzahlungen entspricht. Lediglich in Höhe der Zinsen i · PR t-1 fallen in der Rentenphase Zuführungen zu Pensionsrückstellungen an. Prüfen wir nun, wie die in Tabelle 10.5 abgebildete Zusage auf die Ausschüttungen (Entnahmen) einer GmbH im Vergleich zu einem V-Unternehmen, das ebenfalls GmbH sei, wirkt. Beide Unternehmen sind im Zeitpunkt 0 mit Eigenkapital von 2.000 und Fremdkapital von 1.000 ausgestattet. Die Investitionsrendite (r) beträgt 6 %; die Fremdkapitalkosten (i V ) betragen ebenfalls 6 %. Von Steuern wird zunächst abgesehen. Die Ausschüttung des V-Unternehmens beträgt pro Periode 120; die Ausschüttung des AV-Unternehmens ergibt sich aus Zeile (10) in Tabelle 10.6. Zeile (10) in Tabelle 10.6 zeigt, daß die Ausschüttungen des AV-Unternehmens in der Anwartschaftsphase genau um den gleich bleibenden Jahresbetrag (J t = 61,10) kleiner sind als die Ausschüttungen des V-Unternehmens. In der Rentenphase sind beide Ausschüttungsniveaus wieder gleich. Wie kommt es zu diesem ausschüttungsverkürzenden Effekt? In der Anwartschaftsphase beträgt der Bruttoerfolg des AV-Unternehmens vor Zinsen r(EK + F *t-1 + PR t-1 ) = 180. Das Symbol r bezeichnet die Investitionsrendite von 6 %. F *t-1 + PR t-1 ergeben zusammen in jedem Zeitpunkt den Betrag von 1.000, weil oben angenommen wurde, daß durch Rückstellungsbildung im Unternehmen gebundene Mittel in gleicher Höhe Fremdmittel freisetzen. Es werden somit Fremdmittel in gleicher Höhe getilgt. In Tabelle 10.6 zeigt Zeile (5) den <?page no="397"?> 1 2 3 4 5 6 7 I Vergleichsunternehmen D Vt = r (EK + F 0 ) - i V F 0 120 120 120 120 120 120 120 II AV-Unternehmen (1) Cashflow vor Zinsen ohne AV 180 180 180 180 180 180 180 (2) Aufwand AV a) J t b) iPR t-1 61,10 - 61,10 3,67 61,10 7,55 61,10 11,67 - 16,04 - 11 - 5,66 (3) Zuführung zur PR t = ZPR t 61,10 64,77 68,65 72,77 - - - (4) Auflösung von PR t = aPR t - - - - 83,96 89 94,34 (5) Verschuldungsumfang F *t = F t-1 - ZPR t + aPR t 938,90 874,13 805,48 732,71 816,67 905,67 1.000 (6) Zinsen: i V F *t-1 60 56,33 52,45 48,33 43,96 49 54,34 (7) Rentenleistung: R t - - - - 100 100 100 (8) Entnahme in der Anwartschaftsphase: D AVt = (1) - (3) - (6) 58,90 58,90 58,90 58,90 - - - (9) Entnahme in der Rentenphase: D AVt = (1) + (4) - (6) - (7) - - - - 120 120 120 (10) D AVt 58,90 58,90 58,90 58,90 120 120 120 Tabelle 10.6: Entwicklung der Ausschüttungen eines AV-Unternehmens im Vergleich zu einem V-Unternehmen bei gegebenem Investitionsprogramm in einer Welt ohne Steuern Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 395 <?page no="398"?> 396 · Kapitel 10 Innenfinanzierung schrumpfenden Fremdkapital-Umfang. Die Zinsen sinken entsprechend, wie Zeile (6) ausweist. Die Ausschüttung in der Anwartschaftsphase ist definiert durch: (10.3) D t AV = r(EK + F* t-1 + PR t-1 ) - ZPR - i V F* t-1 . Der oben definierte Bruttoerfolg wird um die Zinszahlungen an Gläubiger (i V F* t-1 ) und um die Zuführung zu den Rückstellungen gekürzt. Für ZPR t gilt: (10.4) ZPR t = J t + iPR t-1 Aber nur J t reduziert die Ausschüttung, denn iPR t-1 entspricht den Kosten, die auf das um PR t-1 verkürzte Fremdkapital gerade gespart werden. Betrachtet man die Differenz zwischen den Ausschüttungen des AV-Unternehmens und denen des V-Unternehmens, erhält man: (10.5) Δ D t AV = D t AV - D t V = - J t - iPR t-1 - i V F* t-1 + i V F t-1 . Da gilt F t-1 = PR t-1 + F* t-1 , d. h., weil die Verschuldung des V-Unternehmens (F t-1 ) immer gleich der Summe aus PR t-1 + F *t-1 auf Seiten des AV-Unternehmens ist, folgt (10.6) Δ D t AV = - J t - (i V - i)PR t-1 . Für den Fall i V = i folgt somit, daß das Ausschüttungsniveau des AV-Unternehmens um J t sinkt. Gälte i V > i, könnte man also durch PR t «teureres» Fremdkapital ersetzen, würde der Nachteil in Form der Ausschüttungsverkürzung gemildert. In der Rentenphase steigt das Ausschüttungsniveau des AV-Unternehmens auf das Niveau vor der Zusage, also 120, weil die Rentenleistungen finanziert werden a) aus iPR t-1 und b) aus der Wiederauffüllung des in der Anwartschaftsphase zurückgeführten Fremdkapitals. Der Verschuldungsumfang des AV-Unternehmens erreicht in Periode 7 - siehe Zeile (5) in Tabelle 10.6 - wieder die Ausgangshöhe von 1.000. Das Beispiel belegt, wer die Zeche zahlt: Was die Arbeitnehmer gewinnen, verlieren die Eigentümer. Betrachtet man die Barwerte der Ausschüttungen des Vbzw. AV-Unternehmens sowie der Rentenzahlungen (berechnet mit 6 %), folgt: - Barwert D t V = 669,89 - Barwert D t AV = 458,16 - Barwert R t = 211,73 Der Leser wird fragen, wo die vielbeschriebenen vorteilhaften Finanzierungseffekte von Pensionsrückstellungen sind. Die Antwort ist einfach: In der hier unterstellten Welt gibt es keine. ⎫ ⎬ 669,89 ⎭ ⎫ ⎬ 669,89 ⎭ <?page no="399"?> Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 397 1 2 3 4 5 6 7 I Vergleichsunternehmen (1) Bruttoerfolg: r(EK + F 0 ) (2) S t V = s K [(EK + F 0 ) - i V F 0 ] 300 120 300 120 300 120 300 120 300 120 300 120 300 120 (3) i V F 0 60 60 60 60 60 60 60 (4) D t V = (1) - (2) - (3) 120 120 120 120 120 120 120 II AV-Unternehmen (1) Bruttoerfolg ohne AV 300 300 300 300 300 300 300 (2) Aufwand AV a) J t b) iPR t-1 61,10 - 61,10 3,67 61,10 7,55 61,10 11,67 - 16.04 - 11 - 5,66 (3) Zuführung zu PR t = ZPR t = (2a) + (2b) 61,10 64,77 68,65 72,77 - - - (4) Auflösung von PR t = aPR t - - - - 83,96 89 94,34 (5) Verschuldungsumfang: F *t = F *t-1 - ZPR t + aPR t 938,90 874,13 805,48 732,71 816,67 905,67 1.000 (6) Zinsen: i V F* t-1 60 56,33 62,45 48,33 43,96 49 54,34 (7) Steuern in Anwartschaftsphase: S t AV = [(1) - (3) - (6)]s K 89,45 89,45 89,45 89,45 - - - (8) Steuern in Rentenphase: S t AV = [(1) - (2b) - (6)] s K 120 120 120 (9) Rentenleistung: R t 100 100 100 (10) Entnahme in Anwartschaftsphase: D t AV = (1) - (3) - (6) - (7) 89,45 89,45 89,45 89,45 - - - (11) Entnahme in Rentenphase: D t AV = (1) + (4) - (6) - (8) - (9) - - - - 120 120 120 (12) Entnahme: D t AV 89,45 89,45 89,45 89,45 120 120 120 Tabelle 10.7: Entwicklung der Ausschüttungen eines AV-Unternehmens im Vergleich zu einem V-Unternehmen in einer Welt mit einer einfachen Gewinnbesteuerung <?page no="400"?> 398 · Kapitel 10 Innenfinanzierung Betrachten wir nun eine Welt, in der es eine Gewinnbesteuerung gibt. Der Gewinnsteuersatz betrage 50 % (s K = 0,5). Zinsen und Zuführungen zu Pensionsrückstellungen kürzen die steuerliche Bemessungsgrundlage. Alle sonstigen Annahmen werden beibehalten. Nur die Investitionsrendite (r) wird auf 10 % angehoben. Tabelle 10.7 stellt das Ergebnis dar. Aus Zeile (12) erkennt man, daß von vorteilhaften Finanzierungseffekten auch jetzt nichts zu sehen ist. Die Entnahmen der Eigentümer des AV-Unternehmens sind niedriger als die der Eigentümer des V-Unternehmens. Betrachten wir Barwerte (berechnet mit 6 %): (1) V-Unternehmen - Barwert D t V - Barwert der Steuerzahlungen an den Fiskus 669,89 669,89 1.339,78 (2) AV-Unternehmen - Barwert D t AV - Barwert der Steuerzahlungen an den Fiskus - Barwert R t 564,03 564,03 211,73 1.339,79 Wiederum finanzieren die Eigentümer des AV-Unternehmens die Rentenleistungen an die Arbeitnehmer. Aber ihr Finanzierungsbeitrag ist gesunken: Er betrug oben 211,73; er ist jetzt auf 105,86 gefallen. Den Rest trägt der Fiskus über relative Steuerausfälle. Wie läßt sich die relative Absenkung des Entnahmeniveaus für die Eigentümer des AV-Unternehmens erklären? In der Anwartschaftsphase gilt (10.7): (10.7) D t AV = [r(EK + F* t-1 + PR t-1 ) - i V F* t-1 - ZPR t ] (1 -s K ). Für das Vergleichsunternehmen gilt: (10.8) D t V = [r(EK + F 0 ) - i V F t-1 ] (1 - s K ). Die Differenz beträgt (10.9) Δ D t AV = D t AV - D t V = [- i V F* t-1 - ZPR t + i V F t-1 ] (1 - s K ). Da F t-1 - F* t-1 = PR t-1 und ZPR t = J t + iPR t-1 , folgt: (10.10) Δ D t AV = [i V PR t-1 - J t - iPR t-1 ] (1 - s K ) = [- J t + (i V - i)PR t-1 ] (1 - s K ). Für den Fall i V = i folgt, daß D t AV um J t (1 - s K ) kleiner ist als D t V . J t (1 - s K ) beträgt im Beispiel 30,55. Um diesen Betrag ist 89,45 kleiner als 120. Im Beispiel finanzieren die Eigentümer die Hälfte der gleichbleibenden Jahresbeträge J t . Ein finanzieller Vorteil aus der Gewährung von Pensionszusagen an Arbeitnehmer für Eigentümer ist in diesem Modell nicht zu erkennen. Solche Vorteile sind indessen <?page no="401"?> denkbar: Die Fluktuationsrate der Arbeitnehmer könnte sinken; die Wiedergewinnung und Einarbeitung von Arbeitnehmern kostet Geld. Die Fehlzeiten der begünstigten Arbeitnehmer könnten sinken. Ihre Motivation zu arbeiten könnte steigen; die Quantität und insbesondere Qualität von Produkten und Dienstleistungen könnten zunehmen. Ein wichtiger Aspekt ist die folgende Überlegung: Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern Rentenleistungen im Alter versprechen und leisten, verstehen diese Zusagen u. U. nicht als bloßes Geschenk, das ohne jegliche Gegenleistung erbracht wird. Eine Gegenleistung, und sei sie auch nicht explizit ausgehandelt, sondern nur implizit, wären reduzierte Lohn- und Gehaltszahlungen an die begünstigten Arbeitnehmer. In diesem Fall wären Lohn- und Gehaltszahlungen und Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung zu einem Paket verknüpft. Es gibt Bedingungen, unter denen betriebliche Altersversorgungszusagen für die Eigentümer auch unter finanziellem Aspekt günstig sind. Dies kann hier nur angedeutet werden. Seit 2004 läßt das Gesetz über betriebliche Altersversorgung (BetrAVG) in § 1 Abs. 2 Ziff. 3 auch die sog. Entgeltumwandlung zu: Entgeltansprüche des Arbeitnehmers können in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden. Damit wird die oben angesprochene Austauschrate zwischen Lohn und Rentenleistung Vertragsbestandteil. Jetzt läßt sich zeigen, daß Arrangements möglich sind, die für Arbeitnehmer und Eigentümer des Unternehmens attraktiv sind (Drukarczyk/ Ebinger/ Schüler [Lohnsubstitution]. 2.4 Finanzierung durch Gewinneinbehaltung Gewinneinbehaltung (Thesaurierung) ist eine bedeutende Möglichkeit, die Eigenkapitalbasis eines Unternehmens zu stärken. In einer Kapitalgesellschaft werden einbehaltene Gewinne in der Bilanz den Gewinnrücklagen zugeführt. Bei Personengesellschaften werden nicht entnommene Gewinne den Kapitalkonten der Gesellschafter gutgeschrieben. Wir betrachten im folgenden den Fall der AG und definieren den Jahresüberschuß als Höchstbetrag der zulässigen Ausschüttung in einer Periode. Wenn man beantwortet, welcher Anteil des Jahresüberschusses einbehalten wird, hat man zugleich beantwortet, ob und ggf. wie viel in der Periode an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll. Es leuchtet ein, daß die Entscheidung über Gewinneinbehaltung davon abhängt, wie viele vorteilhafte Investitionsprojekte das Management in der betrachteten Periode in Gang setzen will. Wir bezeichnen das dafür notwendige Mittelvolumen mit I t . Daraus folgt eine auf den ersten Blick einfache Entscheidungsregel: Schütte die Mittel an die Aktionäre aus, die auf Unternehmensebene nicht vorteilhaft eingesetzt werden können. Jensen (1986) nennt diesen Betrag den free cash flow. Wir benutzen folgende Symbole: Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 399 <?page no="402"?> 400 · Kapitel 10 Innenfinanzierung OCF t Operativer Cashflow, generiert durch bereits realisierte Investitionen in Periode t I t Realinvestitionen FA t Investition in Finanzanlagen S t Unternehmensteuern iF t-1 Zinsen auf Kredite T t Tilgungen Sind die vorteilhaften Investitionen I t und FA t gegeben und lassen wir Unternehmensteuern unbeachtet, definiert (10.11) den free cash flow (FCF) im Sinne von Jensen, den man auch als residuale Dividende D t bezeichnen kann: (10.11) D t = OCF t - I t - FA t - iF t-1 - T t . Ist D t > 0, wird ausgeschüttet. Ist D t < 0, muß die Finanzlücke durch eine Finanzierungsmaßnahme geschlossen werden, wenn der Verzicht auf vorteilhafte Investitionen ausgeschlossen wird. Eine positive Dividende D t ist kein Signal über Performance oder Ertragskraft, sondern schlicht eine Restgröße, die anzeigt, daß bestimmte finanzielle Mittel auf Unternehmensebene nicht vorteilhaft investiert werden können. Von D t nach oben oder unten abweichende Ausschüttungen D* t scheinen zunächst nicht sinnvoll, aber auch nicht generell schädlich, wenn Steuern und Transaktionskosten unbeachtet bleiben. Wird D* t > D t realisiert, entsteht eine Finanzierungslücke, die durch eine Kapitalerhöhung oder durch Kredite geschlossen werden könnte. Wird eine Dividende D* t < D t gezahlt, muß die Differenz auf Unternehmensebene entweder investiert werden oder - da alle vorteilhaften Projekte annahmegemäß bereits realisiert sind - zur Tilgung von Fremdkapital eingesetzt werden. Die Frage nach der vernünftigen Ausschüttung wird viel komplizierter, wenn wir a) Maßnahmen der Außenfinanzierung explizit in die Betrachtung einbeziehen und b) Steuern beachten. Wir bezeichnen neue Kredite mit Δ F t und durch Kapitalerhöhung gewonnene Mittel mit KE t . Die residuale Dividende D t hängt jetzt zusätzlich von Δ F t und KE t ab: (10.12) D t = OCF t - I t - FA t - iF t-1 - T t + KE t + Δ F t . Der Gestaltungsspielraum für D t ist folglich viel größer als in (10.11) und wir sehen, daß die Ausschüttungsbzw. Thesaurierungsentscheidung mit der Planung der Kapitalstruktur des Unternehmens eng verbunden ist. Beachten wir Unternehmen- und Einkommensteuern, wird die Sache nicht einfacher. Wir unterstellen das Halbeinkünfteverfahren. Überschüsse auf Unternehmensebene werden belegt mit Gewerbeertragsteuer (s GE = 0,1667 für einen Hebesatz H = 400) und mit Körperschaftsteuer (s K = 0,25). Beide Steuerbelastungen sind <?page no="403"?> unabhängig von der Verwendung des Überschusses. Ausschüttungen auf Anteilseignerebene werden hälftig besteuert, also mit dem Satz 0,5·s I . Damit liegt eine partielle Doppelbesteuerung vor. Es lohnt folglich nicht, höhere Ausschüttungen als die dem Residualprinzip entsprechende Zahlungen zu realisieren, da die Mittel, bevor sie auf Unternehmensebene zurückfließen könnten, der Kürzung durch die hälftige Einkommensteuer unterliegen. Abweichungen in Richtung einer die residuale Dividende übersteigenden Ausschüttung lohnen unter steuerlichem Aspekt somit nicht. Interessanterweise macht eine Abweichung der Ausschüttungsgestaltung in der entgegengesetzten Richtung von der residualen Dividende ggf. Sinn. Wir haben die Investitionsauszahlung I t als Summe der Auszahlungen in einer Periode t für Investitionsprojekte, also Realinvestitionen definiert. Nun könnte man auch Finanzanlagen (FA) benutzen, um Mittel auf Unternehmensebene zu binden. Die Bruttorendite von Finanzanlagen sei i FA . Erträge aus Finanzanlagen werden auf Unternehmensebene mit Gewerbeertragsteuer (s GE ) und Körperschaftsteuer (s K ) belegt und können ausgeschüttet werden, um dann hälftig der Einkommensteuer zu unterliegen: Anteilseigner erhalten also pro Periode i FA D(1 - s GE ) (1 - s K ) (1 - 0,5 s I ), wenn die residuale Dividende D nicht ausgeschüttet, sondern in Finanzanlagen (FA = D) investiert würde. Würde D dagegen ausgeschüttet und würde der Betrag nach Einkommensbesteuerung, also D (1 - 0,5 s I ) in Finanzanlagen auf der Ebene der Ausschüttungsempfänger zur - so sei angenommen - gleichen Bruttorendite i FA angelegt, erhalten die Anteilseigner pro Periode D (1 - 0,5 s I ) i FA (1 - s I ). Diese Erträge werden im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens auf privater Ebene mit dem vollen Steuersatz s I belegt. Nun hängt es von der Höhe von s I ab, was mehr Einkommen bringt. Für s I = 0,375 gilt, daß Indifferenz der Anteilseigner besteht. Anteilseigner mit Einkommensteuersätzen s I > 0,375 zögen die Finanzanlage auf Unternehmensebene vor, würden also vorziehen, wenn von einer Politik der residualen Dividende in der bislang definierten Weise, (die allein auf den Kapitalbedarf für Realinvestitionen abstellte), abgewichen würde. Anteilseigner mit Einkommensteuersätzen s I < 0,375 ziehen Finanzanlagen auf privater Ebene vor und plädieren deshalb für die Ausschüttung in Höhe von D. Da es sehr unwahrscheinlich ist, daß eine AG ausschließlich Aktionäre hat, für die entweder s I > 0,375 oder s I < 0,375 gilt, liegt ein weiterer Aspekt vor, der eine gut begründete Dividendenpolitik erschwert. Viele Unternehmen begründen ihre Ausschüttungsstrategie denn auch nicht mit steuerlichen Argumenten, sondern mit ihrer Präferenz für eine stabile Dividendenpolitik. Die Argumentation ist: Die besten Informationen über die künftige wirtschaftliche Lage müßte vernünftigerweise das Management haben. Verfolgt das Management eine stabile Dividendenpolitik, dann ist die Dividende in Periode t eine, von der das Management glaubt, sie auch in nächster Zukunft «durchhalten» zu können. Unterstellt man, daß die Prognosefähigkeiten des Managements gut Herkunft und Verwendung des Innenfinanzierungsvolumens · 401 <?page no="404"?> 402 · Kapitel 10 Innenfinanzierung sind, informiert die Dividende in t über die künftigen Dividenden und damit die künftigen Geschäftsaussichten. Drei Einwände lassen sich hiergegen vorbringen: (1) Das Management hat nicht immer die lautersten Informationsabsichten. (2) Die Dividendenpolitik ist ein grober Indikator, um künftiges «Wohlergehen» einer Gesellschaft anzuzeigen. (3) Diese Politik übersieht die Kosten, die wegen der mangelnden Berücksichtigung der steuerlichen Wirkungen einer solchen Politik entstehen. 3 Zu Vor- und Nachteilen der Innenfinanzierung Die Diskussion um mögliche Nachteile der Innenfinanzierung muß im Kontext der von Managern geleiteten großen Aktiengesellschaft gesehen werden, die eine Vielzahl von außenstehenden, also am Management der Gesellschaft nicht beteiligte Aktionäre hat. Der Gesellschafter einer mittelständischen GmbH käme wohl nie auf die Idee, in der Innenfinanzierung irgendwelche Nachteile zu entdecken. Weil das Management der AG nicht oder nur mit ganz geringen Einsätzen am Eigenkapital der Gesellschaft beteiligt ist, entsteht die berechtigte Frage, welche Bedeutung die finanziellen Ziele der Eigentümer für das Handeln des Managers haben. Betrachtet man die Struktur der Aktiengesellschaft (AG) aus der Vogelperspektive, lassen sich eine Reihe positiver Eigenschaften ausmachen. Die AG ist eine Rechtsform, die nützliche Eigenschaften hat: • Sie haftet mit ihrem Vermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft; • die Trennung zwischen Eigentum und Management (= Unternehmensleitung) ist vollständig vollzogen, wenn man wesentlichen Aktienbesitz der Mitglieder des Vorstands ausschließt; • die Kapitalaufbringung, insbesondere des Eigenkapitals, ist für an der Börse eingeführte Aktiengesellschaften erleichtert, da sie große Kapitalvolumina durch Ausgabe (Verkauf) klein gestückelter Aktien an viele Investoren aufbringen können. Für Investoren bestehen im Prinzip Anreize, Aktien zu erwerben. Hierfür gibt es mehrere Gründe: • Auch Aktienkäufer haften beschränkt, nämlich mit dem Marktwert der Aktie: mehr als diesen können Aktionäre nicht verlieren, da sie zu Nachzahlungen (Nachschüssen) im Regelfall nicht verpflichtet werden können. <?page no="405"?> • Aktienkäufer haften nicht nur beschränkt; sie investieren in Aktien einer Gesellschaft regelmäßig auch nur Teile der Mittel, die sie insgesamt anlegen, weil es für Aktionäre vernünftig ist, Portefeuilles aus mehreren Aktien zu bilden. Portefeuille-Bildung ist vernünftig, weil das Risiko, verstanden als Streuung der Portefeuillerenditen, dadurch stark reduziert werden kann. • Aktienkäufer agieren wie «Kapitalisten»: sie beteiligen sich wegen der erwarteten Rendite, nicht wegen der Teilnahme an der Unternehmensleitung. Die meisten Aktionäre sind vermutlich überzeugt, daß die angestellten Manager Unternehmen besser leiten können, als sie es könnten, was nicht ausschließt, daß auf Hauptversammlungen z. T. heftige Worte fallen. Im Prinzip ist die Trennung zwischen Eigentum und Management ein Vorteil, insbesondere dann, wenn auch Manager Konkurrenzdruck ausgesetzt sind und bei mangelnden Leistungen ausgetauscht werden. Neben den Vorteilen der Aktionäre, die in der beschränkten Haftung, dem vermutlich reduzierten Informationsbedarf, den hohen Diversifikationsmöglichkeiten und in der Anstellung professionalisierter Manager bestehen, haben die Aktionäre auch ein Problem: Sie wünschen, daß die Manager in ihrem Interesse handeln, d. h. eine Investitions- und Finanzierungspolitik betreiben, die den Marktwert ihrer Aktien und damit den Marktwert des Eigenkapitals maximiert. Aber wie sollen sie Manager dazu bewegen, wenn sie als Eigentümer mehr oder weniger einflußlos nur mit den dünnen Kompetenzen von § 119 AktG ausgestattet vor der Tür stehen? Manager haben eigene Zielvorstellungen und diese müssen sich nicht mit denen der Eigentümer decken: sie divergieren sogar sehr häufig. Für Interessendivergenzen sprechen z. B. folgende Punkte: • Aktionäre können durch Portefeuille-Bildung das Risiko der Aktien einer Gesellschaft z. T. spürbar abbauen. Manager sind dem Risiko der Gesellschaft in höherem Maße ausgesetzt und sie wollen i. d. R. wiederbestellt werden; sie haben daher die Tendenz zu vorsichtigeren Strategien, als die Aktionäre sie wünschen. • Thesaurierung von Gewinnen ist oft auch dann im Interesse der Manager, wenn sie nicht im Interesse der Aktionäre ist, weil die unternehmensinterne die außerhalb des Unternehmens erreichbare Rendite bei gleichem Risiko nicht erreicht. • Es ist generell zu bezweifeln, ob in der großen Aktiengesellschaft die im Kontrollorgan Aufsichtsrat vertretenen Eigentümer, soweit sie nicht Paketbesitzer sind, Maßnahmen, die nicht im Eigentümerinteresse sind, aufdecken und ggf. korrigieren können. Somit stellt sich das «ALG»-Problem, d. h. die mit dem Tatbestand verbundene Frage, daß Manager über «anderer Leute Geld» entscheiden. Es ist nahe liegend Zu Vor- und Nachteilen der Innenfinanzierung · 403 <?page no="406"?> 404 · Kapitel 10 Innenfinanzierung und vielfach belegt, daß sich die Verhaltensweisen von Entscheidenden ändern, wenn sie über fremde Gelder anstatt über eigene entscheiden. Die beiden Probleme werden in der Literatur als «agency problem» diskutiert: Wie kann man Manager dazu bewegen, als «Agenten» der Eigentümer zu handeln? Wenn sie dies nicht freiwillig tun, sind Kontrollen und/ oder entsprechend gestaltete Anreize notwendig. Beides kostet Geld! In diesem Kontext ist also die Diskussion um Vorbzw. Nachteile der Innenfinanzierung angesiedelt. Etwas vereinfacht lautet die Frage, ob Manager die per Innenfinanzierung gewonnenen Mittel im Interesse der Anteilseigner verwenden. Die Antwort auf diese Frage, die in der Literatur ganz unterschiedlich ausfällt, hängt davon ab, welche Kontrollmechanismen man für geeignet hält, ein Auseinanderdriften unterschiedlicher Präferenzen und Ziele von Managern einerseits und Anteilseignern andererseits zu bremsen. Hier sind zunächst interne Kontrollsysteme vorstellbar, die die Leistung von Managern (Abteilungen, Geschäftsbereichen) an eigentümerorientierten Maßstäben messen und entsprechend dosierte Anreize in Form von leistungsabhängigen finanziellen Vergütungen, Reputationsgewinnen und Aufstiegschancen bei Erfolg bieten bzw. bei fehlendem Erfolg Sanktionen austeilen in Form von verhindertem Aufstieg, Versetzung oder im Extremfall von Entlassung. Hält man interne Kontrollsysteme für zielkonform, operabel und hinreichend robust gegen Strategien der Manager, das Kontrollsystem zu unterlaufen, scheint es keinen Grund zu geben, an der Vorteilhaftigkeit der Verwendung von Mitteln, die per Innenfinanzierung bereitgestellt werden, intensiver zu zweifeln als an der Vorteilhaftigkeit der Verwendung von Mitteln, die im Wege der Außenfinanzierung aufgebracht werden. Sieht man die Wirksamkeit von internen Kontrollsystemen dagegen in kritischem Licht - wie z. B. Jensen (1993) oder Ball (1987) oder Blanchard u. a. (1994) - weil die Leistungsmaßstäbe nicht eigentümerorientiert sind oder weil Koalitionsbildungen ein erwünschtes leistungsorientiertes Klima nicht aufkommen lassen oder weil Sanktionen bei mangelnder Leistung zu lange auf sich warten lassen - gewinnen externe Kontrollen an Bedeutung. Externe Kontrollen können in den Prüfprozessen bestehen, die Fremdkapitalgeber bei geplanten Erhöhungen des Verschuldungsgrades in Gang setzen und in den Analysen, die Investmentbanken und die Berater institutioneller Anleger bei Kapitalerhöhungen erstellen und die die Anlageentscheidungen potenter Investoren maßgeblich leiten. Die Beschaffung von Mitteln im Wege der Innenfinanzierung und deren Verwendung ist dem Urteil der potentiellen Kapitalgeber zwar nicht entzogen; sie haben aber keinen Einfluß auf die Bedingungen, zu denen diese Mittel überlassen werden. Weil auch außenstehende Eigentümer auf die Bedingungen der Überlassung von Kapital, das über Gewinnermittlungsstrategien einerseits und Thesaurierungsfreibriefe andererseits im Unternehmen mit Beschlag belegt wird, wenig Einfluß haben, liegt dann - wenn interne Kontrollsysteme versagen - ein nahezu kontrollfreier Raum <?page no="407"?> vor. Die Vermutung, daß diese Mittel nicht generell im Interesse der Eigentümer eingesetzt werden könnten, ist dann nicht weltfremd. Die schärfsten Kritiker der Innenfinanzierung im deutschen Sprachraum sind Pütz und Willgerodt. 58 Sie argumentieren: Die Ausnutzung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten in Richtung reduzierter Jahresüberschüsse verdunkle die Informationswirkungen von Jahresabschlüssen und setze falsche Signale. Zugleich würden die Gewinnzugriffsrechte der Anteilseigner willkürlich verkürzt. Der Bevormundung der Aktionäre stünde eine erhebliche Machtkonzentration des Managements gegenüber. Dieses neige dazu, die finanziellen Mittel zur Erhöhung von Marktzutrittsschranken einzusetzen, mit der Folge verzögerter Anpassungen in der Allokation von Mitteln, und eine stärkere Industrieverflechtung zu betreiben. Diese Strategien führten nicht generell dazu, daß die Kursentwicklung der Anteile die reinvestierten Beträge voll reflektierte, womit die Vermutung der Suboptimalität der Verwendung der Mittel nahe liege. Die Ursache für diese Fehlentwicklung ist für Pütz/ Willgerodt klar: Fimenspezifische interne Kapitalmärkte sind der Kontrolle des öffentlichen Kapitalmarktes entzogen. Die Vorschläge der Autoren lauten, a) die Bildung stiller Reserven, also die Innenfinanzierung im Wege der Gewinnermittlung, drastisch zu beschneiden und b) die Ausschüttungsquoten, also den Quotienten Ausschüttung zu Jahresüberschuß, stark anzuheben. 59 Dieses Plädoyer für eine stärkere Marktlenkung der Allokation von Mitteln in Unternehmen ist schon deshalb lesenswert, weil derart dezidierte und angriffslustige Formulierungen 60 in ökonomischen Texten eher selten zu finden sind. Die Anhebung der Ausschüttungsquote muß nicht über Dividendenzahlungen erfolgen, die im Halbeinkünfteverfahren mit 0,5 · s I besteuert werden. Die Auskehrung der Mittel kann auch über den Rückkauf von Aktien erfolgen, wo er ggf. auf Anteilseignerebene keine Steuerbelastung auslöst. Andere Autoren sehen die Innenfinanzierung in anderem, rosigerem Licht. Sie argumentieren, daß gerade die Innenfinanzierung den Managern die Autonomiebereiche verschaffe, die sie einerseits benötigten, um temporäre Unergiebigkeiten oder Ineffizienzen externer Kapitalmärkte zu überbrücken und die sie andererseits in die Lage versetzten, Investitionsstrategien auch dann fortzuführen, wenn nicht behebbare Informationsdefizite externer Kapitalgeber Wege der Außenfinanzierung besonders kostenträchtig machten oder gar verschlössen. Andere argumen- 58 Pütz, Paul/ Willgerodt, Hans (1985), S. 85-116. 59 Dies., S. 110-116. 60 Z. B. «Organisierte Fehlinformation in Jahresabschlüssen» (S. 111); «Entmündigung des Aktionärs» (S. 115); «tiefgehendes Unverständnis über marktwirtschaftliche Allokationsmechanismen» (S. 116). Zu Vor- und Nachteilen der Innenfinanzierung · 405 <?page no="408"?> 406 · Kapitel 10 Innenfinanzierung tieren, daß ein hohes Innenfinanzierungsvolumen ein Merkmal (unter mehreren) für die Finanzkraft eines Unternehmens sei und daß «Finanzkraft» Wettbewerbsvorteile bewirke, weil sie die schnelle Überwindung von Eintrittsschranken und das Signalisieren von Vergeltungsmacht erlaube und dadurch Einschüchterungspotential schaffe. 61 Innenfinanzierungspotential ist hier nicht die Quelle zu ggf. suboptimaler Verwendung von Mitteln, sondern die Chance zur Erhöhung des Marktwertes des Unternehmens. Die Positionen könnten kaum gegensätzlicher sein. 4 Zusammenfassung Wir haben den Begriff der Innenfinanzierung definiert und auf die Bedeutung der Finanzierungsquelle Innenfinanzierung hingewiesen. Dann haben wir die Hauptquellen des Innenfinanzierungsvolumens diskutiert: Abschreibungen, Rückstellungen und Gewinneinbehaltungen. Wir haben gezeigt, daß die Bildung von Rückstellungen wegen der Verlagerung der Steuerersparnis unabhängig von der Annahme über die Verwendung der Mittel vorteilhaft ist. Als Verwendungsalternativen der ausschüttungsgesperrten Mittel kommen in Frage investive Verwendung, Abbau von verzinslichem Fremdkapital und Ablösung von Eigenkapital. Für den Fall von Pensionsrückstellungen wurde erläutert, welche Zahlungswirkungen die Ablösung von Fremdkapital durch Rückstellungszuführungen bewirkt. Schließlich haben wir einen Blick auf die Diskussion über Vorbzw. Nachteile der Innenfinanzierung geworfen. Diese Diskussion hat Bedeutung für Rechtsformen, bei denen Interessengegensätze zwischen Management und außenstehenden Eigentümern vermutet werden können. 5 Literaturhinweise Albach, Horst: Finanzkraft und Marktbeherrschung; Tübingen 1981. 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Aufl., München 2007, S. 266-293. <?page no="411"?> Mezzanine Finanzierung Kapitel 11 Inhalt 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 2 Überblick über mezzanine Finanzierungsinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . 410 2.1 Nachrangiges Darlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 2.2 Verkäuferdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 2.3 Partiarisches Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2.4 Stille Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2.5 Genußrechte (Genußscheine) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 2.6 Wandelanleihe (convertible bond) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 2.7 Optionsanleihe (bond with warrant) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 3 Vorteile mezzaniner Finanzierungsinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 5 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 1 Einführung Im Kapitel 9 haben wir die Eigenschaften von «reinem Eigenkapital» und «reinem Fremdkapital» vorgestellt. Wir haben in Kapitel 2 erläutert, daß Finanzierungsverträge Zahlungsströme aufteilen. Besteht Unsicherheit über die Höhe und zeitliche Erstreckung der finanziellen Erfolge, zerlegen Finanzierungsverträge auch das Risiko eines Zahlungsstroms wie im 5. Kapitel gezeigt wurde. Kapitel 7 berichtet über eine große Zahl von Formen der Fremdfinanzierung. Was soll vor diesem Hintergrund ein Kapitel, das sich mit mezzaniner Finanzierung beschäftigt? Zunächst zum Begriff: Die Wurzel des Wortes entstammt dem Italienischen. Mezzanino ist das Zwischengeschoß, das zwischen zwei Hauptgeschossen liegt. Mit mezzaniner Finanzierung wird die Menge an Finanzierungskontrakten bezeichnet, die weder dem «reinen Eigenkapital» noch dem «reinen Fremdkapital» zuzurechnen sind, sondern eine mittlere Position einnehmen, indem sie Eigenschaften vereinen, die einerseits dem «reinen Eigenkapital», andererseits dem «reinen Fremdkapital» zuzurechnen sind. Wichtig für die Eigenständigkeit mezzaniner Finanzierungskontrakte ist, daß man ihre Eigenschaften durch eine Kombination von «reinem Eigenkapital» und «reinem Fremdkapital» nicht herstellen kann. Könnte man es nämlich, hätte die jeweilige mezzanine Konstruktion keine Existenzberechtigung. Man kann die unten darzustellenden mezzaninen Instrumente in drei Kategorien einteilen: Je nach der Nähe des Eigenschaftsbündels des Instru- <?page no="412"?> 410 · Kapitel 11 Mezzanine Finanzierung ments zu Eigenkapital bzw. Fremdkapital sind fremdkapitalbezogene (debt mezzanine capital) und eigenkapitalbezogene Instrumente (equity mezzanine capital) zu unterscheiden. Die Instrumente der dritten Kategorie haben im Zeitablauf sich wandelnde Eigenschaften, weil sie von einer Fremdkapital-ähnlichen Position zu einer Eigenkapitalposition wechseln können. Diese, quasi die Seite wechselnden Instrumente, heißen auch hybride Instrumente. Zu ihnen zählen z. B. Gesellschafterdarlehen, die in Kapitel 7, Abschnitt 6.4 dargestellt wurden, oder Wandelanleihen oder Optionsanleihen, die unten dargestellt werden. Wir gehen auf diese Kategorienbildung im folgenden nicht ein: der Leser wird aus der Beschreibung des Instruments recht schnell erkennen, in welche Kategorie das jeweilige Instrument einzuordnen wäre. 2 Überblick über mezzanine Finanzierungsinstrumente Eine einprägsame grafische Darstellung der hier einschlägigen Finanzierungsinstrumente liefert Rudolph, 62 indem er sie in ein Rendite-Risiko-Diagramm einordnet: je höher das Risiko für den Kapitalgeber ist, umso höher ist die von ihm geforderte Rendite. 62 Vgl. Rudolph, B. [Unternehmensfinanzierung], S. 353. Rendite «Reines» Fremdkapital Risiko Nachrangiges Darlehen/ nicht gesicherte Anleihen Verkäuferdarlehen Stille Beteiligung (typische, atypische) Partiarisches Darlehen Genußrechte/ Genußscheine Wandelanleihe Optionsanleihe «Reines» Eigenkapital Abbildung 11.1: Mezzanine Finanzierungsinstrumente und Rendite-Risiko-Struktur <?page no="413"?> 2.1 Nachrangiges Darlehen Nachrangige Darlehen (junior debt, subordinated debt) sind ungesicherte Darlehen. Die Ansprüche der Darlehensgeber rangieren im Insolvenzfall hinter den Ansprüchen anderer Kreditgeber, aber vor den Ansprüchen der Eigenkapitalgeber. Im folgenden Kapitel 12, das sich mit Insolvenzsituationen beschäftigt, wird erläutert, daß die Rangposition eines Anspruchs im Insolvenzfall von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Werthaltigkeit der Position ist. Für normale Fremdkapitalgeber wirkt der vertraglich vereinbarte Rangrücktritt dritter Gläubiger ähnlich wie eine verbreiterte Eigenkapitalbasis. Man kann deshalb nachrangiges Fremdkapital als Quasi-Eigenkapital betrachten. Erklären z. B. die Gesellschafter einer GmbH für von ihnen bereitgestellte Darlehen, die als Gesellschafterdarlehen bezeichnet werden, einen unwiderruflichen Rangrücktritt, müssen diese Darlehen in einer Überschuldungsbilanz 63 nicht unter die bestehenden Verbindlichkeiten eingereiht werden; sie gelten als Quasi-Eigenkapital und können daher eine drohende Überschuldung abwehren. 2.2 Verkäuferdarlehen Verkäuferdarlehen (vendor loans) werden insbesondere im Rahmen von Management buy-outs (MBO) angetroffen. Die die Eigentumsrechte erwerbenden Manager sind wegen i. d. R. unzureichendem Eigenkapital auf Fremdfinanzierung angewiesen. Das Verkäuferdarlehen entsteht dadurch, daß der Verkäufer einen Teil des Kaufpreises stundet. Wir haben das Verkäuferdarlehen in Kapitel 7, Abschnitt 5 bereits angetroffen: Der Eigentümer und Verkäufer der Druck AG hat sein Management bei der Zusammenstellung des Finanzierungspaketes durch ein mit einigen pfiffigen Covenants unterlegtes Verkäuferdarlehen wirkungsvoll unterstützt. Ein Verkäuferdarlehen steht dann zwischen Fremd- und Eigenkapital, wenn der Verkäufer und Darlehensgeber an der künftigen positiven Entwicklung der Gesellschaft partizipieren kann. Solche vertraglichen Vereinbarungen können die Zinszahlungen an den Verkäufer an das Ertragswachstum des Unternehmens binden. Sie ähneln dann den sog. earn-out-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen, die den Kaufpreis für die Eigentumsrechte von der zukünftigen Geschäftsentwicklung des Zielunternehmens abhängig machen. 63 Vgl. hierzu Kapitel 12. Überblick über mezzanine Finanzierungsinstrumente · 411 <?page no="414"?> 412 · Kapitel 11 Mezzanine Finanzierung 2.3 Partiarisches Darlehen Partiarische Darlehen sind Kredite, die neben oder anstelle einer vertraglich festgelegten Verzinsung eine erfolgsabhängige Verzinsungskomponente aufweisen. Dies kann eine Beteiligung am GuV-Überschuß oder auch eine Unternehmensbeteiligung sein. In der Insolvenz sind die Ansprüche immer Fremdkapitalansprüche. Eine Verlustbeteiligung der Gläubiger ist ausgeschlossen. 2.4 Stille Beteiligung Das Gesetz definiert einige wenige Rahmenbedingungen für die stille Beteiligung oder die stille Gesellschaft. Die Vorschriften finden sich in den §§ 230-237 HGB. Stiller Gesellschafter ist, wer sich an dem Handelsgewerbe (§§ 1, 2 HGB) eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt, wobei diese in das Vermögen des Inhabers übergeht (§ 230 Abs. 1 HGB). Der stille Gesellschafter muß am Gewinn beteiligt werden; er kann am Verlust beteiligt sein (§ 231 Abs. 2 HGB). Ist der stille Gesellschafter am Verlust beteiligt, ist seine Verlustteilnahme auf seine Einlage beschränkt. Ist seine Einlage durch Verlust vermindert, werden künftige jährliche Gewinnanteile zunächst zur Deckung der Verluste, also zur Wiederauffüllung des Kapitaleinsatzes, benutzt (§ 232 Abs. 2 HGB). Der stille Gesellschafter hat keine Gesellschafterbefugnisse. Ihm stehen lediglich Kontrollrechte zu: § 233 HGB legt sein Recht fest, eine «abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und die Richtigkeit unter Einsicht der Papiere und Bücher zu prüfen.» Der stille Gesellschafter kann seine Einlage kündigen (§ 234 HGB); hier ist die Frist des § 132 HGB von mindestens 6 Monate vor dem Schluß des Geschäftsjahres zu beachten. Für den Fall der Kündigung ist es wichtig, welche Auszahlungsforderungen der stille Gesellschafter hat. Je nach Vertragsgestaltung kann er einen Nominalanspruch (eingezahlte Einlage - nicht aufgefüllte Verlustanteile + entnommene Gewinnanteile) oder einen Anspruch auf einen Anteil am Wert des Unternehmens haben. Wird über das Vermögen des Betreibers des Handelsgewerbes das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der typische stille Gesellschafter seine Einlage, soweit sie nicht durch festgestellte Verluste aufgezehrt ist, als Insolvenzforderung geltend machen (§ 236 Abs. 1 HGB): sie wird also nicht als Eigenkapital behandelt. Der atypische stille Gesellschafter partizipiert generell an Verlusten und Wertsteigerungen des Unternehmens und hat insoweit eine eigenkapitalähnliche Position. Seine Position im Insolvenzfall kann vertraglich so geregelt werden, daß die Regelung des § 236 Abs. 1 HGB nicht greift. Es genügte z. B. den Rückzahlungsanspruch als nachrangig zu vereinbaren. Dies ist eine in der Realität häufig anzutreffende Regelung. <?page no="415"?> Die wenigen zwingenden Regelungen des HGB zur stillen Gesellschaft haben zu einer großen Vielfalt der stillen Gesellschaft geführt. Je nach vertraglichen Festlegungen steht die stille Beteiligung dem Darlehen (Fremdkapital) oder der haftenden (stillen) Beteiligung (Eigenkapital) nahe. Die Unterscheidung zwischen typischer und atypischer Beteiligung ist so zu verstehen: Die typische stille Gesellschaft folgt der gesetzlichen Konstruktion, die in den §§ 230-237 HGB beschrieben ist. Diese hat folgende Eigenschaften: • über die Entscheidungsrechte verfügende Eigentümer des Unternehmens und ein stiller Gesellschafter ohne Entscheidungsrechte; • die Rechte des «Stillen» sind im Gesetz abschließend aufgelistet; • die Einlage ist Fremdkapital. Von dieser gesetzlichen Konstruktion kann in vielfältiger Weise abgewichen werden. 64 Abweichungen führen zu atypischen stillen Beteiligungen (Gesellschaften), weshalb es die atypische stille Gesellschaft nicht gibt. Es gibt vielmehr zahlreiche Ausprägungen unterschiedlicher stiller Gesellschaften, für die man, soweit sie sich seit Jahrzehnten im Markt halten, survival value unterstellen kann. In der Literatur wird ausführlich diskutiert, welche Vertragsbestimmungen unerläßlich sind, um stille Beteiligungen als eigenkapitalähnlich zu qualifizieren. Als besonders relevante Eigenschaften gelten die Verlustbeteiligung (die allerdings auch für die typische stille Beteiligung gemäß § 231 HGB gelten kann), die Nachrangigkeit, eine längerfristige Unkündbarkeit und Mitentscheidungsrechte. Da diese Eigenschaften unterschiedlich kombiniert werden, ist die stille Beteiligung ein gutes Beispiel, um den Bedarf der Praxis nach mezzaninen Formen der Finanzierung eindrucksvoll zu belegen. 2.5 Genußrechte (Genußscheine) In Kapitel 9, Abschnitt 5.3 haben wir Genußscheine vorgestellt. Genußscheine sind als Kapitalmarktpapiere ausgestaltete Genußrechte. In Abschnitt 5.4 des gleichen Kapitels wurde die Fallstudie Hubler GmbH besprochen. Die Hubler GmbH setzt privat plazierte Genußscheine zur Finanzierung der geplanten Investitionsauszahlungen ein. Der Vorteil der Genußrechte bzw. Genußscheine besteht in der Gestaltungsfreiheit der Vertragsbedingungen, in den unter bestimmten (i. d. R. erfüllbaren) Bedingungen erreichbaren steuerlichen Vorteilen, die in der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen auf Genußrechte (Genußscheine) bestehen und in der feinen Abstufungsmöglichkeit der Mitentscheidungsrechte der Genußscheininhaber. Genußrechte (Genußscheine) sind ebenso wie stille Beteili- 64 Vgl. hierzu Blaurock, Uwe, [Handbuch], 2003 und die instruktive Untersuchung von Ritzer-Angerer, [Stille Gesellschaft], 2005, S. 95-160. Überblick über mezzanine Finanzierungsinstrumente · 413 <?page no="416"?> 414 · Kapitel 11 Mezzanine Finanzierung gungen ein Beispiel für den Bedarf an Finanzierungsinstrumenten, die mehr leisten, als Kombinationen aus reinem Eigenkapital und reinem Fremdkapital leisten können. 2.6 Wandelanleihe (convertible bond) Eine Wandelanleihe besteht aus einem «Paket» von Ansprüchen: aus den Ansprüchen, die mit einer normalen Anleihe (straight bond) verbunden sind und dem mit der Anleihe verknüpften Wandlungsrecht des Inhabers die Anleihe zu wandeln in eine in den Ausgabebedingungen festgelegte Anzahl von Stammaktien der emittierenden Gesellschaft. 65 Wandelt der Inhaber der Wandelanleihe, geht der Anspruch auf Tilgung der Anleihe unter. Diese kurze Beschreibung läßt den hybriden Charakter erkennen. Im Ausgabezeitpunkt der Wandelanleihe bis zum Zeitpunkt des Beginns der Wandlungsfrist überwiegt steuerlich und gesellschaftsrechtlich der Fremdkapital-Charakter. Wird in Stammaktien gewandelt, liegt reines Eigenkapital vor. Betrachten wir kurz die rechtlichen Vorschriften, die bei der Ausgabe einer Wandelanleihe zu beachten sind. Weil eine Wandelanleihe im Falle der Wandlung die Zahl der Stammaktien erhöht, liegt eine Maßnahme der Eigenkapitalbeschaffung vor, über die nach § 119 Abs. 1 Ziff. 6 AktG die Hauptversammlung entscheidet. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals. Den Aktionären steht ein Bezugsrecht auf die zu emittierenden Wandelanleihen gemäß § 221 Abs. 4 AktG zu. Bei der Festlegung der Wandlungsbedingungen ist die Bestimmung des § 8 AktG, der Unterpariemissionen für die Nennbetragsaktien verbietet, zu beachten: Die Wandlungsbedingungen dürfen nicht benutzt werden, um dieses Verbot zu unterlaufen. Wandlungswillige Anleger haben Anspruch auf Stammaktien der Gesellschaft. Diese werden über eine bedingte Kapitalerhöhung, über die in Kapitel 9, Abschnitt 6.5 berichtet wurde, bereitgestellt: § 192 Abs. 1 AktG definiert diese als eine Kapitalerhöhung, die nur insoweit durchgeführt werden soll, wie von einem Umtauschrecht (...) Gebrauch gemacht wird. Es ist somit auch ein Beschluß über eine bedingte Kapitalerhöhung mit der erforderlichen ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals herbeizuführen. Die Restriktion des § 192 Abs. 3 AktG ist bei der Dimensionierung der Wandelanleihe zu beachten: Der Nennwert des bedingten Kapitals darf die Hälfte des aktuellen Grundkapitals nicht übersteigen. Für den Teil des «Paketes» Wandelanleihe, der mit einer normalen Anleihe identisch ist, gelten die üblichen Ausstattungsmerkmale bzgl. Zinssatz, Zinsterminen, Laufzeit, Ausgabe- und Rückzahlungsbetrag, Stückelung, Besicherung etc. 65 Das Umtauschrecht kann sich auch auf Stammaktien einer anderen Gesellschaft beziehen. Die Regel ist dies aber nicht. <?page no="417"?> Überblick über mezzanine Finanzierungsinstrumente · 415 Hinzu kommen Regelungen über • das Wandlungsverhältnis (conversion ratio), • den Wandlungspreis (conversion price), • die Wandlungs- oder Umtauschfrist (conversion period), • ggf. das Recht der Gesellschaft, die Wandelschuldverschreibung vor Ablauf der geplanten Laufzeit gegen Entrichtung einer Prämie (call price) zurückzurufen, und • Verwässerungsschutzklauseln. Das Wandlungsverhältnis definiert die Anzahl der Aktien (Basiswerte), die der Anleger bei Wandlung der Wandelanleihe erhält. Hat die Wandelanleihe einen Nominalwert von 1.000 Euro pro Stück und beträgt der Wandlungspreis 20 Euro, erhält der wandlungswillige Anleger 50 Aktien. Als Wandlungsfrist wird die Zeitspanne bezeichnet, während der das Wandlungsrecht ausgeübt werden kann. Die Wandlungsfrist kann die gesamte Laufzeit der Anleihe oder nur eine Teilperiode umfassen. Prinzipiell kann die «Wandlungsfrist» auch auf den Zeitpunkt zum Ende der Laufzeit der Anleihe beschränkt werden. 2.7 Optionsanleihe (bond with warrant) Eine Optionsanleihe ist ebenfalls ein «Paket», das aus einer normalen Anleihe und einem Recht besteht, Stammaktien der emittierenden Gesellschaft zu einem im Ausgabezeitpunkt festgelegten Kurs (Bezugspreis) in einem definierten Optionsverhältnis und während einer bestimmten Frist (Optionsfrist) zu beziehen. Im Gegensatz zur Wandelanleihe ist dieses «Paket» jedoch aufschnürbar: Das Optionsrecht kann ausgeübt werden, ohne daß die Anleihe eingetauscht werden muß. Der Anleger, der seine Option ausübt, bezieht Stammaktien während der Optionsfrist zu dem vorher vereinbarten Bezugspreis, wird also Aktionär und bleibt zugleich Gläubiger, weil er die Anleihe weiterhin hält. Die rechtlichen Voraussetzungen ähneln denen einer Wandelanleihe: Weil die Ausgabe einer Optionsanleihe die Rechte der bisherigen Aktionäre berührt, darf auch eine Optionsanleihe nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung ausgegeben werden. Der Beschluß bedarf einer ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals (§ 221 Abs. 1 AktG). Obwohl das Gesetz in § 221 AktG Optionsanleihen nicht ausdrücklich erwähnt, gelten die Bestimmungen auch für diese. Den Aktionären steht auch für Optionsanleihen ein Bezugsrecht zu (§ 221 Abs. 4; § 186 AktG). Da die Gesellschaft denjenigen Anlegern, die während der Optionsfrist von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen, neue Aktien anbieten muß, ist auch hier eine bedingte Kapitalerhöhung zu beschließen (§ 192 Abs. 2 Ziffer 1 AktG). Die Restriktion von § 192 Abs. 3 AktG ist zu beachten: Der Nennbetrag <?page no="418"?> 416 · Kapitel 11 Mezzanine Finanzierung des bedingten Kapitals darf 50 % des Betrages des aktuellen Grundkapitals nicht übersteigen. Für den Teil des «Paketes», der eine Anleihe ist, gelten die Ausführungen über Zinssatz, Zinstermine, Tilgungsmodalitäten, Covenants und ggf. Besicherung. 3 Vorteile mezzaniner Finanzierungsinstrumente Daß der Einsatz mezzaniner Finanzierungsinstrumente Vorteile für Anleger und für Unternehmen hat, kann wegen des seit vielen Jahrzehnten zu beobachtenden Einsatzes dieser Instrumente als belegt gelten. Der exakte Nachweis des Vorteils ist indessen aufwendig. Wir begnügen uns hier mit einigen Hinweisen. «Reines Fremdkapital» löst Festbetragsansprüche aus, erhöht das Finanzierungsrisiko für die Eigentümer, generiert wegen der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage steuerliche Vorteile, wie in Kapitel 2 und 6 gezeigt wird und erhöht tendenziell das Insolvenzrisiko, wie in Kapitel 12 zu zeigen ist. Ausschüttungen an Anleger, die Genußrechte (Genußscheine) halten, sind keine Festbetragszahlungen, sondern erfolgsabhängige Residualzahlungen, die im Idealfall das Finanzierungsrisiko der Eigentümer nicht erhöhen, aber steuerliche Vorteile generieren als stellten sie Fremdkapital dar. Sie erhöhen das Risiko des Eintritts einer Insolvenz nicht, könnten aber je nach Ausgestaltung des Finanzierungsvertrages die Position der Eigentümer in der Insolvenz weiter schmälern, wenn nämlich ihr Anspruch vor dem der Eigentümer rangierte. Die Mitentscheidungsrechte von «Genußkapital» sind fallabhängig. In der börsennotierten Aktiengesellschaft gehen sie gegen Null. 66 Werden Genußrechte oder Genußscheine für die Finanzierung nicht notierter Mittelstandsunternehmen eingesetzt oder benutzt um Venture Capital in Vertragsform einzukleiden, sind die Mitentscheidungsrechte explizit formuliert, weil die Kapitalgeber, die i. d. R. institutionelle Financiers (Versicherungen, VC-Gesellschaften, Private Equity-Gesellschaften) sind, auf Mitspracherechte nicht verzichten wollen und können. Sehen wir also von der fallabhängigen Ausgestaltung der Mitspracherechte ab, kombinieren Genußscheine (-rechte) Eigenschaften wie erfolgsabhängige Bedienung, steuerliche Abzugsfähigkeit, Nachrangigkeit gegenüber Gläubigern und ggf. Gleichrang mit Eigentümern, die man über eine Kombination von reinem Eigen- und reinem Fremdkapital nicht duplizieren kann. Das macht die Kombination auf den ersten Blick attraktiv. 66 Vgl. den Bericht zum Genußschein der Klöckner & Co. KGaA in Kapitel 9, Abschnitt 5.3. <?page no="419"?> Ein endgültiges Urteil verlangt, daß auch über die Kapitalkosten des Instruments Genußschein gesprochen wird. Was kostet es die Eigentümer, wenn Genußscheine als Finanzierungsinstrument eingesetzt werden? Auch hier wollen wir uns mit plausiblen Hinweisen begnügen. Die Renditeforderung der Zeichner von Genußscheinen (-rechten) wird bei Nachrangigkeit der Ansprüche gegenüber Gläubigern und Gleichrang mit den Ansprüchen der Eigenkapitalgeber deutlich über den Kosten von reinem Fremdkapital liegen, da diese Gläubiger fast risikolose Positionen halten. Ob das Risiko der Inhaber der Genußscheine (-rechte) dem der Eigentümer gleicht, hängt ab von der Definition der Ausschüttungen an Genußscheininhaber, von den Bedingungen zu denen die aufnehmende Gesellschaft die Genußscheininhaber verabschieden darf (Nominalwert oder Anteil am Wert des Eigenkapitals) und davon ob die Genußscheine handelbar sind, was den jederzeitigen Ausstieg erlaubte, oder ob Genußscheininhaber (-rechteinhaber) bis zum Ende der Laufzeit des Finanzierungsvertrages «eingeschlossen» sind. Nehmen wir an, die geforderte Rendite der Genußscheininhaber (-rechteinhaber) sei so hoch wie die der Eigentümer. Jetzt kommt die steuerliche Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen auf Genußrechte (-scheine) ins Spiel. Die Rendite der Genußscheininhaber in der Realität wird vorrangig durch Ausschüttungen bewirkt, weil Rückzahlungen zum Nominalwert klar überwiegen. Das bedeutet, daß das kapitalaufnehmende Unternehmen die Rendite der Genußscheininhaber (-rechteinhaber) mit geringerem Mittelaufwand darstellen kann als eine gleich hohe Renditeforderung der Eigentümer. 67 Auch die Argumentation über Kapitalkosten vermag den Einsatz von Genußscheinen zu stützen. Als weiteren Anwendungsfall wählen wir die Wandelanleihe. Sie stellt, wie oben dargestellt, ein Paket aus Anleihe und bedingtem, vom künftigen Marktpreis der Aktie abhängigem Umwandlungsrecht in Stammaktien dar. Man kann aus der Sicht des Unternehmens argumentierend, die Anleihe als eine zeitlich aufgeschobene Form der Eigenkapitalbeschaffung bezeichnen. Dieser sequentielle Aspekt - zu Beginn Fremdkapital, später möglicherweise Eigenkapital - ist ein interessanter Aspekt dieses Finanzierungsinstruments. Verschiedene Vorteile können dem Instrument zugeschrieben werden. Das emittierende Unternehmen kann über das Wandlungsverhältnis, den Wandlungspreis (unter Beachtung eventueller Zuzahlungen) und die Wandlungsfrist die Attraktivität der Option auf Wandlung steuern. Je attraktiver diese Wandlungsbedingungen sind, um so niedriger wird im Vergleich zum Marktzins einer vergleichbaren normalen Anleihe der Zinssatz liegen. Der Beitrag der Wandelanleihe zum von den Eigentümern zu übernehmenden Finanzierungsrisiko ist also kleiner. Man muß dann nach Gründen suchen, warum das Unternehmen das Eigenkapital durch Kapitalerhöhung nicht sofort 67 Das gilt dann, wenn die künftige Abgeltungssteuer auch generell für Kapitalgewinne gilt. Vorteile mezzaniner Finanzierungsinstrumente · 417 <?page no="420"?> 418 · Kapitel 11 Mezzanine Finanzierung besorgt. Hierfür kann es eine Reihe von Gründen geben: Hält das Management die Aktien des Unternehmens für unterbewertet, ist eine Ausgabe junger Aktien nicht im Interesse der Alt-Eigentümer, weil neuen Eigentümern der Eintritt zu zu niedrigen Preisen ermöglicht würde. Verlangt die geplante Investitionsstrategie eine Maßnahme der Außenfinanzierung, muß auf eine Alternative zurückgegriffen werden. Manager planen, wie empirische Untersuchungen zeigen, 68 bilanziell definierte Zielkapitalstrukturen, wobei branchenübliche Korridore für Eigenkapitalquoten nicht verlassen werden sollen. Bei starkem Wachstum sind Thesaurierungen (Gewinneinbehaltungen) hierzu oft nicht ausreichend. Folglich muß zu einem späteren Zeitpunkt eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe junger Aktien erfolgen. Donaldson (1963) und Myers (1984) haben intensiv und gestützt auf empirische Daten darauf hingewiesen, daß Kapitalerhöhungen die vom Management am wenigsten geschätzte Form der Mittelbeschaffung ist. Manchmal ist sie indessen unumgänglich. Was spricht nun dafür diesen Schritt im Wege der Ausgabe einer Wandelanleihe zu tun? Das Argument der vom Management vermuteten Unterbewertung der Aktie wurde schon genannt. Empirisch führen Kapitalerhöhungen durch Ausgabe junger Aktien häufig, wenn nicht regelmäßig zu Kursabschlägen. Verschiedene Gründe können ursächlich sein: die Anleger schließen von der Finanzierungsmaßnahme auf den Wert des Eigenkapitals und schätzen die Aktien als überbewertet ein. Oder: die Anleger sind nicht überzeugt, daß das Management über rentable Investitionsprojekte in entsprechenden Umfang verfügt und befürchtet suboptimale, die Kapitalkosten nicht erwirtschaftende Renditen. Beides löst Absetzbewegungen und damit Kursverluste aus. Man muß davon ausgehen, daß dem Management die potentiellen Reaktionen bekannt sind und es deshalb Maßnahmen der Außenfinanzierung wählt, die negative Bewertungseffekte möglichst gering halten. Dazu könnte die Emission einer Wandelschuldanleihe gehören: Sie ist zunächst Fremdkapital, was den Disziplinierungseffekt auf das Management erhöht. Es ist mit einem unter dem Marktzins für vergleichbare Laufzeiten liegenden Zins ausgestattet. Die Umwandlung des Fremdkapitals durch Eigenkapital ist in Grenzen steuerbar und damit besteht die Chance, Vermutungen über Unter- oder Überbewertung der Aktie durch eine mehrperiodige Informationspolitik entgegenzutreten. 69 68 Vgl. z. B. Graham, J. R./ Harvey, C. R. (2001), [Theory and Practice]. 69 Auf die Bewertungsprobleme der Option auf eine im Vertrag festgelegte Zahl von Aktien wird hier nicht eingegangen. Vgl. hierzu Hull, J. C., [Optionen], 2005, Kapitel 8, 9 und 11. <?page no="421"?> 4 Zusammenfassung Dieses Kapitel stellt einige Finanzierungsinstrumente vor, die als Mischformen zwischen «reinen» Eigenkapitalansprüchen und «reinen» Fremdkapitalansprüchen anzusiedeln sind. Ihr Mischcharakter resultiert aus einer von Fall zu Fall verschiedenen Kombination von Merkmalen, die typischerweise dem Eigenkapital (ergebnisabhängige Bedienung, Verlustpuffer-Funktion, Nachrangigkeit, Entscheidungsrechte) oder dem Fremdkapital (ergebnisunabhängige Bedienung, Tilgungsanspruch, starke Gläubigerrechte) zugeschrieben werden. Auffällig ist dabei die gelegentlich unterschiedliche Einordnung von Ansprüchen unter ökonomischem bzw. steuerrechtlichem Aspekt. Dies ist für Unternehmen zweifellos ein gewichtiger Anreiz für den Einsatz des jeweiligen Instruments. Neben den steuerlichen Regelungen und deren Folgen ist die Anpaßbarkeit eines Finanzierungsinstruments an die Zielsetzungen von Unternehmen und auch Anlegern von Bedeutung. Die stille Beteiligung dokumentiert mit der Vielzahl der anzutreffenden Varianten wie groß der Bedarf nach Anpaßbarkeit ist. Am Beispiel der Wandelanleihe konnte der zeitübergreifende (sequentielle) Aspekt des Instruments verdeutlicht werden. Weil die Notierung an Kapitalmärkten von Aktie und Wandelanleihe die Regel ist, treten Kapitalmarktreaktionen auf Ankündigungen von geplanten Emissionen als zusätzliche Einflußfaktoren auf, die es zu beachten gilt. 5 Literaturhinweise Bessler, Wolfgang und Thies, Stefan: Die optimale Kapitalstruktur. In: Achleitner/ Thoma (Hrsg.), Handbuch Corporate Finance, 2. Aufl., Köln 2001, Kapitel 2.1.3. Bessler, Wolfgang und Thies, Stefan: Informationseffekte bei Finanzierungsentscheidungen. In Achleitner/ Thoma (Hrsg.), Handbuch Corporate Finance, 2. Aufl., Köln 2001, Kapitel 2.1.4. Blaurock, Uwe: Handbuch der stillen Gesellschaft, 6. Aufl., Köln 2003. Donaldson, Gordon: Corporate Debt Capacity - A Study of Corporate Debt Capacity and the Determination of Corporate Debt Capacity. Boston, 1961. Donaldson, Gordon: Financial Goals: Management vs. Stockholders. In: Harvard Business Review, Bd. 41, 1963, S. 116-129. Fischer, Leonhard: Unternehmensanleihen - eine Alternative zur Kreditfinanzierung? 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Die wichtigsten Inhalte dieser Regelungen und ihre gewollten und faktischen Wirkungen sollen jetzt dargestellt werden. Beantwortet werden soll, welche Funktionen ein Insolvenzrecht erfüllen soll, wie die Grundzüge dieser Regelungen beschaffen sind und wie sie eingeschätzt werden. In Kapitel 2 wurde ausgeführt, daß Unternehmen über zwei originäre Liquiditätsquellen verfügen, nämlich über veräußerungsfähige Vermögensgegenstände und über die Fähigkeit, künftige finanzielle Überschüsse zu erzielen. Beide, vorhandene Vermögensgegenstände und künftige Überschüsse, können von Kreditgebern beliehen werden. Insolvenzrechtliche Regelungen setzen prinzipiell am Zustand mangelnder Liquidität von Unternehmen an. Sie geben bei Zahlungsunfähigkeit bestimmten Gläubigern das Recht, den Eröffnungsantrag auf ein Insolvenzverfahren zu stellen, oder verpflichten die geschäftsführenden Organe der Gesellschaft dann, wenn bestimmte, Illiquidität anzeigende Kriterien erfüllt sind, ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Eine Folge eines beantragten und vom Gericht eröffneten Verfahrens ist, daß die Eigentümer bzw. die von diesen beauftragten Manager i. d. R. die Verfügungsrechte über das Unternehmensvermögen verlieren. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO bestimmt: «Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter be- <?page no="424"?> 422 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht stellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis… auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über.» Eine Funktion der Insolvenzordnung ist es also, dem illiquiden Schuldner die autonome Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zu nehmen, um diese einem Insolvenzverwalter, der im Interesse der Gläubiger handeln soll, zu übertragen. Die Position des Gesetzgebers ist somit folgende: Wenn es verlässliche Indizien dafür gibt, daß ein Schuldner die Ansprüche seiner Gläubiger nicht mehr erfüllen kann, gilt es zu verhindern, daß der Schuldner in hastigen Rettungsversuchen weiteres Vermögen verschleudert oder durch Begünstigung einzelner Gläubiger mindert oder die Befriedigungsquote bereits vorhandener (Alt)Gläubiger durch Kontrakte mit neuen, nicht informierten (Neu)Gläubigern verkürzt. Der Entzug der Entscheidungsrechte scheint insoweit folgerichtig. 2 Funktionen des Insolvenzrechts Um die ökonomischen Funktionen des Insolvenzrechts überzeugend abzuleiten, müßte weit ausgeholt werden. Dazu ist hier kein Raum (Schmidt [Analyse], Jackson [Logic]). Nur die Grundzüge werden skizziert. Die Wirkungen der Regelungen des Insolvenzrechts sind von Bedeutung für die Entscheidungen vor Eintritt der Insolvenz, nach Eintritt der Insolvenz und für den Zeitpunkt, der die beiden Zeitspannen trennt: den Zeitpunkt der Insolvenzauslösung. Juristen tendieren dazu, vorrangig die Zeitspanne nach Eintritt der Insolvenz zu beachten; manche Ökonomen neigen dazu, ihre Aufmerksamkeit nur dem Vor-Insolvenz-Geschehen zu widmen. Beides ist einseitig. Wollte man die Funktionen des Insolvenzrechts mit einem Begriff belegen, müsste dieser Begriff Schadensbegrenzung oder Minimierung des Verlusts der Kapitalgeber heißen. Geschädigt werden können im Prinzip alle am Unternehmen Beteiligten (Eigentümer, Gläubiger, Arbeitnehmer), wenn insolvenznahe Situationen drohen. In Abschnitt 3 wird erläutert werden, daß und in welcher Form die Insolvenzordnung Gläubigern eine Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung stellt, die sie bei Vorliegen definierter Kriterien (Insolvenztatbestände) zur Verteidigung eigener Interessen einsetzen können. Man kann vermuten, daß diese Funktion der Sanktionsdrohung die Finanzierungsbeziehungen zwischen Gläubigern und Eigentümern stabilisieren kann. Das Insolvenzrecht bietet Gläubigern eine glaubhafte Sanktionsdrohung und wirkt deshalb disziplinierend auf das Verhalten des Schuldners bzw. dessen Eigentümer. Diese Disziplinierungswirkung hängt auch davon ab, wie Eigentümer in einem Insolvenzverfahren behandelt werden, d. h. wie ihre Residualansprüche in einem die Insolvenz heilenden Reorganisationsverfahren bewertet werden. Werden die Eigentümer durch die Rechtsregeln milde behandelt, indem ihnen z. B. ein generelles Fortführungsrecht zugestanden wird, <?page no="425"?> Funktionen des Insolvenzrechts · 423 ist die Disziplinierungswirkung deutlich geringer als in einem Insolvenzregime, das den vertraglichen Ansprüchen der Gläubiger absoluten Vorrang vor Eigentümerinteressen gewährt. Neben dieser wichtigen Funktion der Disziplinierung übernimmt das Insolvenzrecht mindestens zwei weitere Aufgaben. Schuldner haben i. d. R. eine große Zahl von Gläubigern. Diese Gläubiger haben unterschiedliche Rechtspositionen: einige sind vollständig gesichert durch Zugriffsrechte auf Vermögensgegenstände des Schuldners, andere sind teilweise gesichert, wiederum andere sind ungesichert. Daraus resultieren unterschiedliche Interessen. Deshalb ist es wichtig, das Verhalten der Gläubiger zu koordinieren, um von der Mehrheit getragene Entscheidungen über die Verwertung des Vermögens des insolventen Unternehmens herbeizuführen. Die Verwertungsoptionen bestehen i. d. R. im Verkauf des Vermögens (befreit von den Verbindlichkeiten) an einen neuen Investor, in der Fortführung des Unternehmens (nach operativer und finanzieller Sanierung) unter Beibehaltung der Mehrzahl der Altfinanciers (Reorganisation) oder in einer Liquidation. Die Koordinationsaufgabe übernimmt der Insolvenzverwalter, gestützt auf die Rechtsregeln der Insolvenzordnung. Koordination bedeutet, daß Verteilungskämpfe unterbunden werden. Damit sinken die Transaktionskosten von Insolvenzverfahren. Eine weitere Funktion des Insolvenzverwalters ist es, den Weg zu einer maximalen Verwertung des Vermögens zu ebnen. Gelingt dies, fallen die i. d. R. nicht zu vermeidenden Verluste der Gläubiger. Auch dies ist somit ein Beitrag zur Schadensbegrenzung. Abbildung 12.1 faßt die Funktionsbeschreibung zusammen. Schadenbegrenzung i. S. v. Minimierung der Kapitalgeberverluste Disziplinierung der Eigentümer durch Sanktionsdrohung Koordination des Verhaltens der Gläubiger Suche nach bester Verwertung des Vermögens des Schuldners Senkung der Transaktionskosten (Kosten des Verfahrensablaufs) Abbildung 12.1: Überblick über Funktionen des Insolvenzrechts <?page no="426"?> 424 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht 3 Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände Ein Grundgedanke des Gesetzgebers ist, insolvenzrechtliche Verfahren nur dann in Gang zu setzen, wenn es klare Indikatoren dafür gibt, daß der Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Dann sind die Positionen der Gläubiger so stark bedroht, daß ihnen kollektive Mitsprachebzw. Entscheidungsrechte nicht mehr verweigert werden können. Die deutsche Insolvenzordnung (InsO) kennt nur kriteriengebundene Auslösungen (§ 16). Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens muß durch eines der im folgenden darzustellenden Kriterien gestützt sein. Zwei Fragen sind zu beantworten: (1) Wer darf (muß) das insolvenzrechtliche Verfahren in Gang setzen? (2) Wie kann der Zeitpunkt drohender Illiquidität so mit dem Antragsrecht verknüpft werden, daß die Auslösung im Interesse des Schutzes der Gläubiger erfolgt, ohne aber dem Schuldner zu früh die Chance zur Wiederherstellung der Liquidität zu nehmen? Wie sehen m. a. W. die vom Gesetzgeber definierten Insolvenztatbestände (oder Insolvenzauslöser) aus? Die Insolvenzordnung kennt drei Auslöser: • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), • drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und • Überschuldung (§ 19 InsO). Der Kern der Regelungen sieht so aus: § 17 Zahlungsunfähigkeit. (1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. § 18 Drohende Zahlungsunfähigkeit. (1) Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. (2) Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. § 19 Überschuldung. (1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. (2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. <?page no="427"?> Insolvenztatbestand Zahlungsunfähigkeit Drohende Zahlungsunfähigkeit Überschuldung Regelung in § 17 InsO § 18 InsO § 19 InsO Definition Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens ist die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Auslöserecht bzw. -pflicht des Schuldners (Innenlösung) Pflicht Recht Pflicht Auslöserecht des Gläubigers (Außenlösung) Recht Kein Recht Recht Abbildung 12.2: Insolvenztatbestände und Auslösepflichten bzw. -rechte Abbildung 12.2 zeigt, wie die Insolvenztatbestände mit dem Auslöserecht bzw. der Auslösepflicht verknüpft sind. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung - ein Insolvenztatbestand, der nur für Rechtsformen mit Haftungsbeschränkung neben den Auslöser Zahlungsunfähigkeit tritt - lösen Auslösepflicht innerhalb von drei Wochen aus. Drohende Zahlungsunfähigkeit ist eine Option, die nur der Schuldner nutzen kann. Die Begründung zu dieser Vorschrift lautet, daß es dem Schuldner ermöglicht werden soll, bereits vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in ein Insolvenzverfahren einzutreten. Antragsrecht hat insoweit folgerichtig nur der Schuldner; Gläubiger sollen in diesem Stadium der Sanierungsbemühungen den Schuldner durch Eröffnungsanträge noch nicht unter Druck setzen können. Das schließt nicht aus, daß Gläubiger den Schuldner durch andere Maßnahmen (nachträgliches Besicherungsverlangen, Kündigungen von Krediten) unter Druck setzen. Rechtsvorschriften, die auf das Kriterium «Überschuldung» Bezug nehmen, sind: § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG, § 98 GenG, § 99 Abs. 1 GenG, § 130a HGB, § 177a HGB, § 88 VAG und § 46b KWG. Diese Auflistung verdeutlicht, daß Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände · 425 <?page no="428"?> 426 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Regulierung verschiedener Rechtsformen auf den Tatbestand der Überschuldung zurückgreift. Überblickt man die angeführten Regelungen, fällt auf: (1) Überschuldung wird als Insolvenztatbestand vom Gesetzgeber dort eingesetzt, wo Unternehmen für ihre Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern beschränkt haften. (2) Die Antragsberechtigung für Gläubiger besteht auch dann, wenn der Schuldner überschuldet ist. Der Gesetzgeber will den Insolvenztatbestand «Überschuldung» jedoch zusätzlich stärken, indem er die geschäftsführenden Organe überschuldeter Unternehmen innerhalb definierter Fristen zur Antragstellung verpflichtet (z. B. § 92 Abs. 2 AktG) und Verletzungen der Pflicht sanktioniert (z. B. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Dies erscheint einerseits sinnvoll, weil Gläubiger eine Überschuldung des Gemeinschuldners wegen fehlender Informationen häufig nicht feststellen und damit nicht nutzen können. Andererseits hat die Lösung auch Nachteile: Da insolvenzrechtliche Regelungen insbesondere zur Verteidigung der Gläubigerinteressen konzipiert sind, erscheint es nur dann aussichtsreich, die Verteidigung den Eigentümern oder den angestellten Managern zu übertragen, wenn der Tatbestand eindeutig definiert, sein Eintritt einfach nachweisbar ist und Nichtbefolgen der rechtlich vorgesehenen Konsequenzen streng sanktioniert wird. An fast allen Bedingungen aber fehlt es. Eine wichtige Frage ist nun, wie gut die Insolvenztatbestände bzw. Eröffnungsgründe ihre Funktion erfüllen. Definieren wir die Funktion des Insolvenzrechts zunächst eng und nehmen an, der Schutz der Gläubigerposition sei vorrangig. Zunächst soll der Auslöser «Zahlungsunfähigkeit» betrachtet werden. Der Gesetzgeber gibt Gläubigern die Möglichkeit, bei fehlender Liquidität (=Zahlungsunfähigkeit) des Schuldners ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Ein wichtiger Zweck dieser allen Beteiligten bekannten Vorschrift besteht darin, daß Eigentümer (Manager) wissen, daß Gläubiger Zahlungsausfälle mit der Beantragung eines Insolvenzverfahrens beantworten können. Für die Eigentümer besteht die Sanktion darin, daß sie die Entscheidungsfreiheit in ihrem Unternehmen und u. U. den verbliebenen Wert des Eigenkapitals verlieren. Im Prinzip kann und soll diese Möglichkeit der Gläubiger auf die Eigentümer verhaltenssteuernd wirken: Sie soll den von den Eigentümern realisierten Verschuldungsumfang begrenzen bzw. sie zu einer sorgfältigen Finanzplanung anhalten. Damit diese verhaltenssteuernde Wirkung zustande kommt, muß die Auslösung eines Insolvenzverfahrens erfolgen können, sobald die Gläubigeransprüche bei optimaler Verwendung des Vermögens voraussichtlich nicht mehr befriedigt werden können. Welche Verwendung des Vermögens optimal ist, ist Tatsachenfrage: Es könnte ein Verkauf des Unternehmens als Ganzes, eine Einzelliquidation oder eine Fortführung unter maßgeblicher <?page no="429"?> Beteiligung der Gläubiger sein. So gesehen ist ein Insolvenztatbestand eine Terminierungsregel, also ein Kriterium, das angibt, bei welchem Unternehmenszustand die Verfügungsrechte der Eigentümer auf die Gläubiger übergehen sollen. Diese Sichtweise verlangt von Insolvenztatbeständen, daß sie rechtzeitige Verfahrensauslösungen ermöglichen. Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung sind jedoch keine zeitigen Auslöser, insbesondere dann nicht, wenn man die geringen Befriedigungsquoten ungesicherter Gläubiger aus der Insolvenzstatistik zum Maßstab nimmt. Verschiedene Ursachen sind denkbar: • Viele Gläubiger nehmen eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht oder zu spät wahr, weil sie Jahresabschlüsse oder andere Informationen zu spät erhalten, falsch oder zu spät oder nicht auswerten. Damit gehen Chancen auf rechtzeitige Auslösung verloren. • Schuldner haben im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit noch Möglichkeiten der Liquiditätsbeschaffung. Zum einen gibt es mehr oder weniger risikoscheue Kreditgeber; zum anderen gibt es Kreditgeber, die die wirtschaftliche Lage von Kreditnachfragern falsch einschätzen. Schließlich geben sich Schuldner über Gesellschafterdarlehen selbst Kredit. Der Schuldner kann auch Vermögensgegenstände verkaufen, also auf die güterwirtschaftliche Liquidität zurückgreifen oder -vertragswidrig- bereits beliehene Vermögensgegenstände erneut beleihen. Das Ergebnis ist häufig, daß bei Verfahrenseröffnung die Vermögensmassen klein, die Schulden hoch und die Befriedigungsquoten der ungesicherten Gläubiger niedrig sind. «Zahlungsunfähigkeit» hat deshalb eine systematische Schwäche, von der schwer erkennbar ist, wie sie wirkungsvoll beseitigt werden soll. Kann «Überschuldung» hier besseres leisten? Der Gesetzgeber definiert «Überschuldung» als einen Unternehmenszustand, in dem das Vermögen nicht mehr die bestehenden Verbindlichkeiten deckt. Und er fügt hinzu, daß bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners dann die Fortführung zu unterstellen ist, wenn diese nach den Umständen «überwiegend wahrscheinlich» ist. Das bedeutet, daß man, bevor man sich anschickt «Vermögen» und «bestehende Verbindlichkeiten» zu bewerten, zu prüfen hat, ob die Fortführung «überwiegend wahrscheinlich» ist. Die Überschuldungsprüfung i. S. v. § 19 InsO ist deshalb zweistufig: auf Stufe 1 ist die Fortführungsfähigkeit zu prüfen. Ist diese «überwiegend wahrscheinlich», ist das Vermögen unter der Prämisse der Fortführung zu bewerten. Ergibt die Prüfung auf Stufe 1, daß die Fortführung nicht überwiegend wahrscheinlich ist, ist das Vermögen zu Liquidationswerten anzusetzen. Abbildung 12.3 verdeutlicht die Konzeption der Überschuldungsprüfung. Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände · 427 <?page no="430"?> 428 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Die Konzeption verlangt als ersten Schritt die Erstellung einer Fortbestehensprognose. Diese ist eine Zahlungsfähigkeitsprognose für einen Prognosezeitraum, der nach herrschender Meinung maximal zwei Jahre umfassen sollte. Das wird i. d. R. ein Zeitraum sein, der das laufende und das darauf folgende Geschäftsjahr umfasst. Das Ergebnis dieser Prognose bestimmt, wie der verlangte Vermögen-Verbindlichkeiten-Vergleich vorzunehmen ist. Lautet das Signal der Fortführungsprognose, daß Fortführung überwiegend wahrscheinlich ist, dann ist das Vermögen zu Fortführungswerten (Betriebsbestehenswerten) anzusetzen. Ist die Fortführung dagegen nicht wahrscheinlich, ist das Vermögen zu Liquidationswerten zu bewerten. Die Prüfungsanforderungen, die Stufe 1 verlangt, werden am deutlichsten anhand eines Beispiels. 70 70 Das Beispiel ist entnommen aus Drukarczyk, Jochen und Schüler, Andreas [Eröffnungsgründe] (2000), S. 113-118. Fortbestehensprognose i. S. einer Zahlungsfähigkeitsprognose Überschuldungsbilanz basierend auf Fortführungswerten Überschuldungsbilanz basierend auf Liquidationswerten positiv negativ Vermögen > bestehende Verbindlichkeiten Vermögen < bestehende Verbindlichkeiten Vermögen > bestehende Verbindlichkeiten Vermögen < bestehende Verbindlichkeiten Keine Überschuldung Überschuldung Keine Überschuldung Überschuldung FALL 1 FALL 2 FALL 3 FALL 4 Abbildung 12.3: Prüfung der Überschuldung i. S. v. § 19 InsO <?page no="431"?> Der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH erwartet in den nächsten Jahren rückläufige Umsätze, da die Absatzmärkte der GmbH bei konstanten Preisen schrumpfen und er nicht mit einer deutlichen Erhöhung des Marktanteils der GmbH rechnet. Aufgrund des hohen Fixkostenblocks und des hohen Kapitaldienstes schließt er Liquiditätsengpässe in den folgenden Perioden nicht aus. Eine Prognose der Zahlungsfähigkeit muß aufgrund der bestehenden Unsicherheit mehrwertig sein, da verschiedene Umweltzustände eintreten können. Wir unterstellen hier zwei mögliche Umweltzustände im laufenden Geschäftsjahr t 1 . Die Prognose für das Folgejahr t 2 kann i. d. R. nicht unabhängig von den Ereignissen im laufenden Jahr erfolgen. Wir nehmen an, daß auf jeden Umweltzustand des laufenden Geschäftsjahres nur zwei mögliche Umweltzustände im Folgejahr eintreten können. Diesen Umweltzuständen können subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. (j: Zustand; t: Periode). Die Wahrscheinlichkeiten müssen sich jeweils zu eins addieren; dies gilt auch für die Umweltzustände im folgenden Geschäftsjahr (z 12 , z 22 bzw. z 32 , z 42 ). Zur Vereinfachung nehmen wir an, daß der Geschäftsführer die Prognose auf die nächsten zwei Jahre beschränkt, da ihm eine weiterreichende Prognose auf Basis der verfügbaren Informationen im Entscheidungszeitpunkt t 0 , d. h. zu Beginn des laufenden Geschäftsjahres, nicht überzeugend erscheint. Der Zustandsbaum ist wie folgt strukturiert: Laufendes Geschäftsjahr P 11 z 11 P 12 z 12 z 22 P 22 P 32 P 21 z 21 P 42 z 42 z 32 Folgendes Geschäftsjahr Ende des vorherigen Geschäftsjahres Abbildung 12.4: Zustandsbaum Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände · 429 <?page no="432"?> 430 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Um die zugehörigen Finanzpläne und Gewinn- und Verlustrechnungen zu entwickeln, setzen wir einige vereinfachende Annahmen: • Auf die Berechnung von Steuern wird zur Vereinfachung verzichtet. Sie sind in der Realität entscheidungsrelevant: Bei positiver steuerlicher Bemessungsgrundlage sind Steuern zu bezahlen. Sie müssen im Finanzplan enthalten sein. Die Berechnung der Steuern erfolgt über die Plan-GuV. Bei negativer steuerlicher Bemessungsgrundlage entstehen steuerliche Verlustvorträge, die mit positiven Bemessungsgrundlagen späterer Perioden verrechnet werden können. Auch Verlustrückträge sind begrenzt möglich. • Es wird eine residuale Ausschüttung unterstellt. Vom Jahresüberschuß wird genau so viel thesauriert, wie zur Deckung des Kapitalbedarfs notwendig ist. Dieser wird ausgelöst durch Investitionsauszahlungen und Tilgungen abzüglich der Abschreibungen. 71 Bei Unterschreiten des durch Gesetz bzw. Satzung vorgeschriebenen Mindesteigenkapitals kann zudem gemäß §§ 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1 GmbHG eine Auffüllung des Eigenkapitals erforderlich sein. • Fremdkapital sei mit 10 % zu verzinsen. • Die Ansprüche der Arbeitnehmer und Lieferanten sind vollständig zu erfüllen. Tabelle 12.1 enthält die Erwartungen der Geschäftsführung über die für GuV und Finanzplan relevanten Größen (in T € ). Die Berechnung des Cashflow in Tabelle 12.1 folgt dem in Kapitel 3 entwickelten Planungssystem. Ist der Cashflow nach Bedienung der vertraglichen Ansprüche von Gläubigern positiv, sind weitere Finanzierungsmaßnahmen nicht erforderlich: Die Fortführungsfähigkeit steht nicht in Frage. Ist er dagegen negativ, ist zu prüfen, ob und ggf. welche Maßnahmen zur Deckung der Finanzierungslücke möglich sind. Im Beispiel ist dieser Cashflow in den Zuständen z 21 , z 22 , z 32 und z 42 negativ. Die Jahresüberschüsse bei Eintritt der Umweltzustände z 32 und z 42 sind ebenfalls negativ. Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit kann nun nicht allein anhand des Cashflow nach Soll-Kapitaldienst erfolgen, denn es gibt weitere Möglichkeiten zur Deckung des Kapitalbedarfs: • Anfangsbestand an liquiden Mitteln wird genutzt. • Vermögensgegenstände, insbesondere wenn sie nicht betriebsnotwendig sind, können liquidiert werden. 71 Auch durch Rückstellungen kann Innenfinanzierungsvolumen entstehen, wenn nämlich in einer Periode die Zuführungen zu den Rückstellungen die Zahlungen bei Eintritt des Rückstellungsgrundes übersteigen. Rückstellungen bleiben im folgenden unbeachtet. <?page no="433"?> • Altund/ oder Neugläubiger könnten Kredite gewähren. Potentielle Neugläubiger könnten einer Kreditvergabe zustimmen, wenn z. B. Sicherheiten gestellt werden. Diese Option wird in Krisensituationen häufig nicht bestehen. Wenn Gläubiger dem Unternehmen eine positive zukünftige Entwicklung zutrauen, könnten sie bereit sein, zukünftige Cashflows zu beleihen. • Gläubiger machen die erforderlichen Zugeständnisse in Form von Zins- und Tilgungsmoratorien. Hier müssen verbindliche Erklärungen der Gläubiger vorliegen. • Kurzfristig fälliges Fremdkapital wird in langfristiges Fremdkapital umgewandelt. • Alt-Fremdkapital wird in Eigenkapital umgewandelt; die zugehörigen Zins- und Tilgungsansprüche im Finanzplan entfallen. • Die Eigentümer führen dem Unternehmen Eigenkapital zu oder neue Investoren werden gewonnen. • Eigentümer gewähren dem Unternehmen Gesellschafterdarlehen. Laufendes Jahr Folgejahr Mögliche Umweltzustände z 11 z 21 z 12 z 22 z 32 z 42 Eintrittswahrscheinlichkeit p 11 p 21 p 12 p 22 p 32 p 42 Finanzplan Umsatzerlöse 420 360 410 350 300 280 - Material- und Personalaufwand - Veränd. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 200 5 190 4 210 5 190 3 180 4 180 2 = Operativer Cashflow 215 166 195 157 116 98 - Investitionsauszahlungen - Zinsaufwand - Tilgung 50 57 80 40 57 80 50 49 80 40 49 80 40 49 80 40 49 80 = Cashflow nach Soll-Kapitaldienst 28 -11 16 -12 -53 -71 Plan-GuV Umsatzerlöse 420 360 410 350 300 280 - Material- und Personalaufwand - Abschreibung - Zinsaufwand 200 100 57 190 100 57 210 100 49 190 100 49 180 100 49 180 100 49 = Jahresüberschuß 63 13 51 11 -29 -49 Tabelle 12.1: Zustandsabhängige Finanzpläne und Plan-GuV Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände · 431 <?page no="434"?> 432 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Die Geschäftsführung glaubt, für den Fall, daß das laufende Geschäftsjahr ungünstig verläuft, Gläubiger überzeugen zu können, Kredite i. H. der benötigten 11 T € zu gewähren. Im Folgejahr sei dies nicht mehr möglich. Dann liegt ein Problem vor: Sind die Finanzplandefizite in den Zuständen z 22 , z 32 und z 42 nicht beseitigbar, steht die Fortführungsfähigkeit für den gewählten Planungszeitraum in Frage. Entscheidend ist nun, ob die Wahrscheinlichkeit für nicht beseitigbare Finanzplandefizite «überwiegend» ist. Als überwiegend wird in der einschlägigen juristischen Literatur eine Wahrscheinlichkeit definiert, die den Wert von 0,5 übersteigt. Folglich kommt es auf die in Abbildung 12.4 kenntlich gemachten Eintrittswahrscheinlichkeiten an. Angenommen, das Management setze p 11 mit 0,4 an und p 22 werde mit 0,5 veranschlagt, dann ist die Wahrscheinlichkeit für das Finanzplandefizit in Zustand z 22 0,2 und damit nicht «überwiegend wahrscheinlich». Für die untere Gabel des Zustandsbaumes von Abbildung 12.4 sieht das Ergebnis anders aus: In beiden Zuständen z 32 und z 42 liegen Finanzplandefizite vor; die Wahrscheinlichkeit p 21 muß folgerichtig 0,6 betragen (wenn p 11 = 0,4 ist). Folglich ist die Summe der Wahrscheinlichkeiten p 32 und p 42 notwendigerweise 0,6 unabhängig davon, wie die Wahrscheinlichkeiten p 32 und p 42 veranschlagt werden. Es liegt dann eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für nicht behebbare Finanzplandefizite vor und folglich fehlt es an der Fortführungsfähigkeit. Gemäß Abbildung 12.3 muß die Bewertung des Vermögens somit zu Liquidationswerten erfolgen. Wie ist Vermögen zu bewerten, wenn das Prüfungsergebnis auf Stufe 1 lautet, daß die Fortführungsfähigkeit überwiegend wahrscheinlich ist? Man könnte Vermögen als investitionstheoretisch ermittelten Unternehmensgesamtwert interpretieren. Vermögen wäre dann der Barwert aller künftigen finanziellen Überschüsse des Unternehmens. Diese Interpretation der Überschuldungsregelung macht prinzipiell Sinn, weil sie «Vermögen» in einer ökonomisch nachvollziehbaren und relevanten Weise mißt: Überschuldung liegt nur dann vor, wenn der Unternehmensgesamtwert (V t ) als Barwert aller zukünftigen, dem Unternehmen entziehbaren Cashflows unter den Barwert aller den Gläubigern vertraglich zustehenden Zahlungen (F t ) fällt. Dann ist das ökonomische Vermögen kleiner als die bestehenden Verbindlichkeiten. Abbildung 12.5 verdeutlicht, daß eine solche Terminierungsregel sinnvoll wäre. Beide Unternehmen haben einen Fortführungswert von 10 Mio. Euro und einen potentiellen Liquidationswert (L t ) von 4 Mio. Euro. Der Verschuldungsgrad des Unternehmens A, gemessen durch F t / V t , ist 0,45; der von Unternehmen B ist 0,80. Sinkt nun der Unternehmensgesamtwert (= Fortführungswert) z. B. durch Fehlentscheidungen des Managements, nicht antizipierte Konjunktureinbrüche oder unerwartete Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe, ist das «freie Vermögen» in Höhe der Differenz V t - F t bei Unternehmen B (2 Mio.) viel schneller aufgezehrt <?page no="435"?> als bei Unternehmen A (5,5 Mio.). Angenommen, der Wert V t sinke unter den Nominalwert der bestehenden Verbindlichkeiten (F t ). Was erkennen die Eigentümer? Sie erkennen, daß sie die vertraglichen Ansprüche der Gläubiger auch dann nicht glattstellen können, wenn sie selbst alle Ansprüche an das Unternehmen aufgeben, um sie an Gläubiger abzutreten. Das aber bedeutet, daß der Wert des Eigenkapitals Null ist und sich die Eigentümer folglich verabschieden dürfen. Wie handeln die Gläubiger? Auf keinen Fall werden sie, falls sie die Entscheidungsrechte im Unternehmen übernehmen, das Unternehmen liquidieren, weil die Fortführung die weit bessere Handlungsalternative ist. Dies gilt auch für Unternehmen A, wenn auch weniger eindeutig. Tritt Überschuldung ein, ist bei A bereits ein erheblicher Teil des ursprünglichen Fortführungswertes durch fehlerhafte Entscheidungen verloren; die Disziplinierungswirkung des Fremdkapitals tritt somit viel später ein. Außerdem ist die Differenz zwischen verbliebenem Fortführungswert und Liquidationswert sehr klein, weshalb das Liquidationsrisiko hier sehr groß ist. Es reichte aus, daß die Transaktionskosten für die Erarbeitung eines Fortführungskonzeptes wesentlich höher wären als die Kosten der Liquidation, um einen Fortführungsversuch zum Scheitern zu bringen. Das Problem der Überschuldungsmessung auf Stufe 2 liegt somit nicht in der Suche nach der ökonomisch richtigen Konzeption. Die Konzeption ist, ökonomisch interpretiert, gut. Die Probleme liegen in der praktischen Umsetzung der Regelung, insbesondere in einer Messung von «Vermögen», die das theoretisch Gewollte mit praktischer Umsetzbarkeit verknüpft. Die herrschende Meinung ist deshalb, daß die soeben dargestellte Konzeption wegen der deutlichen Erwar- 10 AtF AtL BtV BtF BtL Unternehmen A Unternehmen B 8 6 2 0 4 A t V A t F A t L B t V B t F B t L Abbildung 12.5: Vermögens- und Schulden-Vergleich Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände · 433 <?page no="436"?> 434 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht tungsabhängigkeit der Unternehmensbewertung nicht justitiabel sei. Als Ersatzlösung wird vorgeschlagen, die Vermögensgegenstände des Schuldners zu Wiederbeschaffungskosten (WBK) zu bewerten. Überschuldung läge bei positiver Fortbestehensprognose auf Stufe 1 dann vor, wenn gälte V tWBK < F t . Was taugt diese Ersatzlösung? Die Antwort hängt davon ab, wie weit entfernt die Ersatzgröße V tWBK von dem ökonomisch relevanten Wert V t ist und ob die Ersatzgröße V tWBK den Unternehmenswert V t überschätzt oder unterschätzt. In den Fällen, in denen die Prüfung, ob Überschuldung vorliegt, eine Schutzfunktion für Gläubiger übernehmen soll, liegen Unternehmen mit schwächelnder Performance vor: sie verdienen die Kapitalkosten nicht. Kapitel 4 hat Meßmethoden und Folgerungen erläutert. In diesen Fällen kann der Unternehmensgesamtwert V t deutlich unterhalb von V tWBK liegen. D. h. Dritte würden für das Unternehmen nicht den höheren Preis V tWBK , sondern nur V t bezahlen. In diesen Fällen ist ein Vergleich von V tWBK mit F t problemverschleiernd. Gälte V tWBK > F t , folgte gemäß Abbildung 12.3 «keine Überschuldung», obwohl Überschuldung i. S. v. V t < F t bestehen kann. Die Ersatzgröße erscheint also als ungeeignet. 4 Verteilungsregelung und Verteilungsfolgen Wie sieht die in der Insolvenzordnung vorgesehene Verteilungsregelung aus? Welche Ansprüche von Gläubigern werden in welcher Reihenfolge befriedigt? Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 InsO). Im Regelfall wird ein Insolvenzverwalter (IV) bestellt, dem die Verwertungsaufgabe übertragen wird. Die Verwertung kann in der Liquidation des Vermögens, in einer Gesamtveräußerung an Dritte oder in einer Fortführung gemäß Insolvenzplan bestehen. Entscheiden die Gläubiger zugunsten der Liquidation, sieht die Verteilungsregelung im sog. Regelverfahren wie in Tabelle 12.2 ausgewiesen aus: <?page no="437"?> Die Verteilungsregelung der Insolvenzordnung hat keine einfache Struktur. Aber die ihr zugrunde liegenden Leitlinien sind begründbar. Für Gläubiger stellt sich das wichtige Problem, zu welcher Stufe der Verteilungsregelung ihr Anspruch zählt und wo die Ansprüche anderer Gläubiger einzuordnen sind. Die Positionierung des eigenen Anspruchs kann von Gläubigern z. B. durch Vertragsgestaltung beeinflußt werden. Da der Wert der verteilungsfähigen Masse regelmäßig die Summe der Ansprüche nicht erreicht, sind Gläubiger bemüht, ihren Anspruch so hoch wie möglich in der Verteilungshierarchie zu positionieren. Das wichtigste Instrument hierzu sind Vereinbarungen über Kreditsicherheiten, die zu einem Aussonderungsanspruch oder Absonderungsrecht führen. Aufgabe des Aussonderungsanspruches ist es, die Herausgabe von dem Gemeinschuldner nicht gehörenden beweglichen und unbeweglichen Sachen und Rechten «Istmasse» (Insolvenzmasse i. S. v. § 148 Abs. 1 InsO) + durch Anfechtung zur Insolvenzmasse gezogene Masseteile (§§ 129 ff. InsO) - Herausgabe von nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen und Rechten (Aussonderung nach §§ 47 ff. InsO) + Neuerwerb während des Verfahrens (§ 35 InsO) = «Sollmasse» (Insolvenzmasse i. S. v. § 35 InsO) - Nettoerlös aus Absonderung von Gegenständen und Rechten, die mit einem dinglichen Recht eines Gläubigers besetzt sind (§§ 49-52, 170 ff. InsO): Verwertungserlös - Feststellungspauschale (4 %) - Verwertungspauschale (ggf. 5 %) - Umsatzsteuer (ggf. 19 %) = Nettoerlös - Aufrechnungen (§§ 94-96 InsO) - Freigabe von Massegegenständen durch den IV (§§ 85 (2), 32 (3), 197 Abs. 1 InsO) - Masseverbindlichkeiten, die nach § 209 Abs. 1 InsO vorweg zu berichtigen sind: • Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) • Sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) • Unterhalt aus der Insolvenzmasse (§§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 InsO) • Verbindlichkeiten aus Sozialplan (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO) - Insolvenzmasse i. S. v. § 38 InsO - Forderungen der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) - Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO) Tabelle 12.2: Verteilungsregelung der Insolvenzordnung Auslöser für insolvenzrechtliche Verfahren: Insolvenztatbestände · 435 <?page no="438"?> 436 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht zu verwirklichen. Anspruchsteller mit Aussonderungsrechten sind z. B. der Lieferant, der den einfachen Eigentumsvorbehalt geltend macht, oder der Leasing-Geber, der das Leasingobjekt zurückfordert. Vorteile des Aussonderungsrechtes sind: • Der Anspruch ist auf die Sache bzw. das Recht gerichtet und somit unabhängig von der Höhe der (Rest)Forderung; • Aussonderungsberechtigte sind nicht generell am Insolvenzverfahren beteiligt; sie können ohne Zeitverzug und ohne Belastung durch Verfahrenskosten auf Realisierung ihres Anspruchs dringen. Das Absonderungsrecht (§§ 49-52 InsO) ist auf vorzugsweise Befriedigung aus einem zur Masse gehörenden Gegenstand gerichtet: Der Gegenstand dient der vorzugsweisen Befriedigung der (Rest)Forderung. Ein eventueller Überschuß bei der Verwertung ist an die Masse zu leisten. Absonderungsrechte verleihen z. B. rechtsgeschäftliche Pfandrechte, Sicherungsübereignungen einschließlich der Verlängerungs- und Erweiterungsformen, verlängerte bzw. erweiterte Eigentumsvorbehalte, Forderungszessionen. Die Insolvenzordnung belastet die Verwertungserlöse der Gegenstände und Rechte der Absonderungsberechtigten mit Kosten für die Feststellung des Rechts, einer Verwertungspauschale für den Fall, daß der IV die Verwertung vornimmt und der Umsatzsteuer. Damit entspricht die Regelung einem der alten Regelung (Konkursordnung) entgegengehaltenen Kritikpunkt: Dieser lautete, daß die Gläubiger die Vorteile aus der Sicherheitenbestellung hätten, während die Kosten der Feststellung, Verwertung etc. von den ungesicherten Gläubigern zu tragen seien. Betrachtet man die Berichtigungen der «Istmasse» und die Verteilungsregelung, die in Tabelle 12.2 zusammengestellt sind, wird deutlich, daß Gläubiger, die ihre Kredite sichern und Abbzw. Aussonderungsrechte geltend machen, ihren Anspruch dadurch im oberen Teil der Tabelle positionieren. Damit steigen ihre Befriedigungsquoten. Den Preis zahlen u. U. die Gläubiger, die in der Verteilungsrangfolge nach ihnen kommen. Die nicht mehr ganz aktuelle Untersuchung von Gessner u. a. ([Konkursabwicklung] 40/ 45) zeigt diesen Effekt: Kreditinstitute schnitten erheblich besser ab als Warenlieferanten. Daran hat sich nichts geändert. <?page no="439"?> 5 Daten zur Insolvenz und einige Folgerungen Tabelle 12.3 präsentiert Daten zum Insolvenzgeschehen zwischen 1949 und 1998, also den Zeitraum, für den die alten Regelungen der Konkursordnung bzw. der Vergleichsordnung galten. Aus den Daten ist erkennbar: • Konkurs- und Vergleichsordnung führten zu getrennten Verfahren. • Der Anteil der mangels Masse abgelehnten Verfahren betrug ab 1990 im Durchschnitt über 75 %. Die Ursache war, daß der Wert der nicht von gesicherten Gläubigern in Anspruch genommene «freie Masse» die voraussichtlichen Verfahrenskosten nicht deckte, weshalb das Verfahren nicht eröffnet wurde. Damit kamen die potentiellen ökonomischen Vorzüge eines Insolvenzverfahrens in drei von vier Insolvenzen nicht zum Zuge. Hinzu kam, daß die Befriedigungsquoten ungesicherter Gläubiger im Durchschnitt auf Skontogrößen, also 3-4 % sanken. Das Schlagwort vom «Konkurs des Konkurses» machte die Runde. Aus der ausgiebigen Diskussion um die Reform der alten Regelungen schälten sich einige Forderungen heraus, die von einer Mehrheit der Autoren gestützt wurden. • Die Zweistufigkeit zwischen Konkurs- und Vergleichsverfahren müsse beseitigt werden. • Die Definition der Insolvenztatbestände müsse präzisiert werden. • Gesicherte Gläubiger müssten für die durch Kreditsicherheiten verursachten Transaktionskosten aufkommen. • Dem Schuldner sollte unter bestimmten Bedingungen eine Restschuldbefreiung gewährt werden. • Die Gestaltung eines Fortführungskonzeptes unter Beibehaltung der Mehrzahl der Altfinanciers sollte prinzipiell den Altfinanciers überlassen bleiben. Der Gesetzgeber sollte sich auf eine Kontrolle der Einhaltung bestimmter Basisprinzipien beschränken. Daten zur Insolvenz und einige Folgerungen · 437 <?page no="440"?> 438 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Jahr Insolvenzen insgesamt Konkurse insgesamt Konkurse mangels Masse abgelehnt Vergleichsverfahren Jahr Insolvenzen insgesamt Konkurse insgesamt Konkurse mangels Masse abgelehnt Vergleichsverfahren 1949 4.226 3.080 642 1.146 1974 7.722 7.352 3.870 462 1950 5.694 4.466 1.207 1.707 1975 9.195 8.942 5.866 355 1951 5.759 4.575 1.443 1.612 1976 9.362 9.221 6.519 181 1952 5.244 4.327 1.624 1.221 1977 9.562 9.444 6.837 147 1953 5.338 4.352 1.508 1.312 1978 8.722 8.639 6.411 104 1954 5.417 4.461 1.521 1.226 1979 8.319 8.253 6.047 81 1955 4.647 4.023 1.564 867 1980 9.140 9.059 6.639 94 1956 4.271 3.732 1.323 715 1981 11.653 11.580 8.418 107 1957 4.027 3.379 1.207 756 1982 15.876 15.807 11.764 152 1958 3.535 3.078 1.034 569 1983 16.114 15.999 12.252 145 1959 3.025 2.691 921 430 1984 16.760 16.698 12.826 91 1960 2.958 2.689 947 343 1985 18.876 18.804 14.512 105 1961 2.823 2.549 859 348 1986 18.842 18.793 14.695 82 1962 2.786 2.531 958 296 1987 17.589 17.543 13.743 84 1963 3.132 2.862 1.009 333 1988 15.936 15.887 12.238 57 1964 3.281 3.029 1.219 309 1989 14.643 14.607 11.204 57 1965 3.157 2.928 1.269 267 1990 13.271 13.243 10.029 42 1966 3.615 3.301 1.261 382 1991 13.323 13.304 9.740 39 1967 4.337 3.930 1.531 530 1992 15.302 15.279 10.919 37 1968 3.827 3.582 1.676 331 1993 20.298 20.243 14.401 73 1969 3.809 3.578 1.727 304 1994 24.928 24.886 18.054 67 1970 4.201 3.943 1.862 324 1995 28.785 28.759 20.735 56 1971 4.437 4.255 2.168 252 1996 31.471 31.456 22.846 53 1972 4.575 4.410 2.397 209 1997 33.398 33.363 24.529 35 1973 5.515 5.277 2.681 301 1998 33.977 33.947 24.984 30 Tabelle 12.3: Entwicklung der Insolvenzen in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1998 <?page no="441"?> 6 Grundzüge der Insolvenzordnung (InsO) 6.1 Leitlinien Die Insolvenzordnung von 1999 ist von folgenden Leitideen oder Prinzipien geprägt: a) Das Insolvenzverfahren soll marktkonform sein. Das bedeutet, daß am Markt geltende Prinzipien durch die Ingangsetzung eines Insolvenzverfahrens nicht außer Kraft gesetzt werden sollen. So sollen die vertraglichen Vor-Insolvenzrechte auch im Verfahren gelten; Liquidation, übertragende Sanierung und Fortführung durch die bisherigen Kapitalgeber als mögliche Formen der Vermögensverwertung sollen prinzipiell gleichrangig sein; die Autonomie der Gläubiger wird gestärkt; es werden Anreize für die Suche nach der ökonomisch besten Form der Vermögensverwertung geschaffen. b) Eine zeitigere Verfahrenseröffnung soll durch eine Reihe von Einzelverbesserungen erreicht werden. Der Insolvenztatbestand «drohende Zahlungsunfähigkeit» wird geschaffen; verspätete Verfahrenseröffnungen durch das Management von Unternehmen werden sanktioniert. Eine Reihe von Anreizen wird institutionalisiert, um den Schuldner zur Verfahrensingangsetzung anzuregen: Ein Abräumverbot für Gläubiger wird geschaffen, das diese hindert, die Sicherungsgegenstände vorzeitig aus dem Unternehmen zu ziehen; der Schuldner erhält das Recht, selbst problemlösende Insolvenzpläne zu entwickeln und den Gläubigern zur Abstimmung vorzulegen; unter bestimmten Bedingungen ist eine Eigenverwaltung im Verfahren möglich; der Schuldner kann unter bestimmten Bedingungen nach Zustimmung der Gläubiger eine Restschuldbefreiung erreichen. c) Für gesicherte Gläubiger gilt - wie bereits erwähnt - eine Herausgabesperre (Abräumverbot). Hintergrund dieser Idee ist, daß den Beteiligten eine von Zugriffsrechten und deren Ausübung ungestörte Zeitspanne für die Suche nach einer optimalen Verwertungsmöglichkeit gewährt werden soll. Gesicherten Gläubigern stehen zum Ausgleich Gegenrechte zu: Sie haben Auskunftsrechte, sie können in die Verwertungsbedingungen des Insolvenzverwalters eintreten; sie erhalten ab dem sog. Berichtstermin laufende Zinszahlungen auf den Betrag, der durch den Wert des Sicherungsgutes gedeckt ist; eintretende Wertverluste am Sicherungsgut werden durch laufende Zahlungen ausgeglichen; sie haben Anspruch auf gleichwertige Ersatzsicherheiten, wenn der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut verbrauchen, vermischen oder verarbeiten will. d) Gesicherte Gläubiger müssen «Kostenbeiträge» leisten: - 4 % vom Verwertungserlös für die Feststellungsleistung des Insolvenzverwalters; Grundzüge der Insolvenzordnung (InsO) · 439 <?page no="442"?> 440 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht - 5 % vom Verwertungserlös für die Verwertungsleistung des Insolvenzverwalters bzw. die tatsächlichen höheren oder niedrigeren Kosten; - die tatsächlichen Kosten, die der Insolvenzverwalter für die Erhaltung des Sicherungsgutes aufgewendet hat. Hinzu kommt 16 % bzw. 19 % (ab 2007) Umsatzsteuerbelastung. Der Gesetzestext verpflichtet den Insolvenzverwalter nur zur Auszahlung des Nettoerlöses, der um die Umsatzsteuer vermindert ist. Bisher belastete die Umsatzsteuerforderung des Fiskus die Masse. Eine Verlagerung auf den absonderungsberechtigten Gläubiger war de lege lata nicht möglich. Die von mobiliargesicherten Gläubigern zu erwartenden Belastungen addieren sich auf 25 % bzw. 28 %. Die Regelung läßt zu, daß der gesicherte Gläubiger die Belastungen durch Übersicherung weiterwälzt. Vollständig gesicherte Positionen sind somit prinzipiell möglich. 6.2 Der Insolvenzplan als wesentliche Neuerung Ein institutionalisiertes Reorganisationsverfahren gab es bis 1999 in Deutschland nicht. Die Insolvenzordnung vermeidet den aus Chapter 11 Bankruptcy Code kommenden Begriff des Reorganisationsverfahrens. Sie setzt an dessen Stelle die Lösung durch einen Insolvenzplan. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es hierzu: «Das Institut des Insolvenzplans ist eine der bedeutsamsten Neuerungen des vorgeschlagenen einheitlichen Insolvenzverfahrens. Der Plan tritt an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich und gestaltet diese grundlegend um. Der Zweck des neuen Rechtsinstituts ist es, den Beteiligten einen Rechtsrahmen für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen zu ermöglichen. Darin liegt der entscheidende Beitrag zur Deregulierung der Insolvenzabwicklung. Ein Höchstmaß an Flexibilität der Regelungen gestattet es den Beteiligten, die für sie günstigste Art der Insolvenzabwicklung zu entdekken und durchzusetzen. Ein Plan, der nach den gesetzlichen Regelungen zustande kommt, kann von sämtlichen Vorschriften über die konkursmäßige Zwangsverwertung und Verteilung abweichende Regelungen treffen. Der Plan wird damit zu einem universellen Instrument der Masseverwertung.» Tabelle 12.4 stellt die wichtigsten Regelungen zur Vorlage von und Abstimmung über Insolvenzpläne zusammen. <?page no="443"?> Es leuchtet ein, daß die Erstellung von Insolvenzplänen eine große Zahl von äußerst interessanten Finanzierungsfragen aufwirft, die hier nicht vertieft behandelt werden. Ein Teil dieser Fragen wird in der folgenden Fallstudie aufgegriffen. Einige Andeutungen sollen an dieser Stelle genügen: Für insolvente oder nahezu insolvente Unternehmen wird in aller Regel gelten, daß der Unternehmensgesamtwert (V t ) kleiner ist als die Summe aller Gläubigeransprüche bei vertragskonformer Bedienung durch den Schuldner (F t ). Es wird m. a . W. ökonomische Überschuldung vorliegen. Damit entsteht folgende Problemlage: Das Unternehmen braucht zusätzliche finanzielle Mittel. Die wird niemand gewähren wollen, solange V t < F t gilt. Also muß V t erhöht und/ oder F t gesenkt werden, damit nach Reorganisation Definition Privatautonome Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des Schuldnervermögens unter voller Beachtung des Betrages der Ansprüche Planvorlagerechte • Schuldner, § 218 (1) • Insolvenzverwalter gemäß Auftrag der Gläubigerversammlung, § 218 (1) Bildung von Abstimmungsgruppen • absonderungsberechtigte Gläubiger, § 222 (1) • nicht nachrangige Insolvenzgläubiger • nachrangige Insolvenzgläubiger • Arbeitnehmer mit nicht unerheblichen Forderungen (Sollvorschrift) • Kleingläubiger (Kannvorschrift), § 222 (3) Abstimmungsregeln Jede Gruppe stimmt gesondert über den Insolvenzplan ab; § 243 erforderliche Mehrheiten in jeder Gruppe: Kopfmehrheit und Summenmehrheit, § 244 Minderheitenbindung und -schutz Überstimmte Minderheit einer Gruppe wird durch Mehrheitsbeschluß gebunden; Minderheit darf durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne den Plan stünde, sonst droht Versagung der gerichtlichen Planbestätigung, § 251 Obstruktionsverbot Fehlende Zustimmung einer stimmberechtigten Gruppe zum Insolvenzplan kann als unerheblich eingestuft werden, wenn bestimmte ökonomische Kriterien erfüllt sind, § 245 Zustimmung des Schuldners nicht erforderlich Schuldner kann spätestens im Abstimmungstermin Widerspruch zu Protokoll geben; Widerspruch ist unbeachtlich, wenn Schuldner nicht schlechter gestellt wird als er ohne Plan stünde und kein in der Befriedigungsrangfolge vor ihm plazierter Gläubiger mehr als volle Befriedigung erhält, § 247 Tabelle 12.4: Wichtige Bestimmungen zum Insolvenzplan Grundzüge der Insolvenzordnung (InsO) · 441 <?page no="444"?> 442 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht V t > F t gilt. V t kann kurzfristig erhöht werden, indem man rationalisiert, unrentable Betriebsteile schließt, unrentable Produkte einstellt, überflüssiges Personal abbaut. F t kann gesenkt werden, indem man die Gläubiger zu Stundungen und/ oder Verzichten bewegt. Die Altgläubiger müssen sich m. a . W. die bereits eingetretenen Verluste an ihren Forderungen endgültig zurechnen lassen. Welche Gläubigergruppe wird dazu bereit sein? Verzichte der ungesicherten Gläubiger allein werden i. d. R. nicht ausreichen. Wo ist dann die Lösung zu suchen? Sollten gesicherte Gläubiger Verzichte leisten müssen? Warum sollten sie dies tun? Im Kern sieht das zu lösende Problem so aus: Ein Unternehmen ist insolvent; es kann bestehende finanzielle Zusagen jetzt oder in naher Zukunft nicht erfüllen. Sind Lösungsversuche außerhalb eines Insolvenzverfahrens (in einem sog. Workout) gescheitert, bleibt die Eröffnung eines förmlichen Insolvenzverfahrens als Ausweg. Weil Gläubiger den Löwenanteil der finanziellen Ansprüche an das Unternehmen halten, liegen die Entscheidungsrechte bei den Gläubigern. Deren Ziel ist es, die bestmögliche Verwertung für das Vermögen des Schuldners zu finden. Die beste Verwertung kann die Liquidation, die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes (übertragende Sanierung) oder die (veränderte) Fortführung durch die bisherigen Kapitalgeber sein. Gläubiger und Insolvenzverwalter suchen nach Verwertungsmöglichkeiten und entscheiden, getrennt in Gruppen mit weitgehend homogenen Ansprüchen, über alternative Verwertungspläne (Insolvenzpläne). Dabei müssen folgende Regeln beachtet werden: • Gruppen von Anspruchsinhabern stimmen nach Mehrheitsregeln ab (z. B. einfache Mehrheit nach Köpfen und Beträgen). Mehrheiten können Minderheiten folglich binden; Einstimmigkeit ist nicht erforderlich. • Da die Mehrheit nicht im Besitz der ökonomischen Wahrheit ist, kann die Bindung für Minderheiten nicht schrankenlos sein. Die überstimmte Minderheit muß mindestens so gestellt werden, wie sie bei der von ihr präferierten Verwertungsalternative stünde. Weil diese alternative (für die Minderheit beste) Verwertungsmöglichkeit Schwierigkeiten der Bewertung aufwerfen kann, wird diese Regel i. d. R. so interpretiert, daß die Mindestposition der Minderheit als die Position festgeschrieben wird, die die (gebundene) Minderheit bei Liquidation des Vermögens oder der zweitbesten (zu belegenden) Verwertungsmöglichkeit einnähme. • Alle Gruppen, deren Ansprüche durch einen Insolvenzplan modifiziert werden, müssen einem Insolvenzplan zustimmen, damit er als akzeptiert gilt. Keine Gruppe darf somit überstimmt werden. Das bedeutet, daß jede Gruppe ein Vetorecht hat: sie kann somit jeden Verwertungsplan zu Fall bringen. Diese Lösung ist problematisch, weil sie es jeder Gruppe erlaubte, taktische Störpositionen aufzubauen, um das Verteilungsergebnis zugunsten eben dieser Gruppe zu verbessern. Chapter 11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code sieht daher <?page no="445"?> die sog. Cram-down-Regeln des § 1129 vor, die es erlauben, das negative Votum einer Klasse (class) durch das Konkursgericht für nicht relevant erklären zu lassen, wenn präzise definierte Bedingungen, die die ökonomische Fairneß der durch Verwertung und Verteilung erzielten Ergebnisse für die ablehnende Klasse definieren, erfüllt sind. Die Insolvenzordnung greift diese Idee im sog. Obstruktionsverbot auf (§ 245). Die Regel hat folgenden Wortlaut: § 245 Obstruktionsverbot. (1) Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn 1. die Gläubiger dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden, 2. die Gläubiger dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, und 3. die Mehrheit der abstimmenden Gruppe dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat. (2) Eine angemessene Beteiligung der Gläubiger einer Gruppe im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 liegt vor, wenn nach dem Plan 1. kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, 2. weder ein Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert erhält und 3. kein Gläubiger, der ohne einen Plan gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, besser gestellt wird als diese Gläubiger. - Vor-Insolvenzrechte werden bei Liquidation und übertragender Sanierung ebenso respektiert wie bei der Fortführung des Unternehmens durch die Alt-Financiers. Folglich kann es keine aufgezwungenen Verzichte für gesicherte Alt-Gläubiger geben, weil jeder Zwang zu Verzichten Vor-Insolvenzrechte gerade schwächte. Vielmehr hat jeder Gläubiger mit seinen gegebenen Ansprüchen und seiner spezifischen Rechtsausstattung zu entscheiden, welche Verwertungsform er präferiert. Es ist Aufgabe derjenigen, die einen Insolvenzplan mit einer bestimmten Verteilung der Ergebnisse durchsetzen möchten, die Zustimmung der Gruppen von Anspruchstellern in Verhandlungen zu gewinnen. - Dieser Verhandlungsprozeß findet unter dem Schutz der mit Eröffnung des Verfahrens verhängten Zugriffssperre für gesicherte Gläubiger statt. Diese Verwertungssperre - oder plastischer: dieses Abräumverbot - soll das Spektrum der prinzipiell verfügbaren Verwertungspositionen für das Grundzüge der Insolvenzordnung (InsO) · 443 <?page no="446"?> 444 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Kollektiv der Anspruchsteller erhalten. Nebenbedingung ist, daß die Position der gesicherten Gläubiger keine Werteinbußen erfährt: Der Zinslauf darf nicht gestoppt werden; Einbußen am Wert des Sicherungsgutes müssen ausgeglichen werden. Die Insolvenzordnung folgt diesen Regeln. Maxime ist, «Marktkonformität» der Abläufe in Insolvenzverfahren sicherzustellen. Marktkonformität bedeutet u. a., daß die vertraglichen Absprachen zwischen Schuldner und Financiers der Vor- Insolvenz-Phase im Insolvenzverfahren halten müssen, daß niemand gezwungen werden kann, gegen seinen Willen Financier des zu sanierenden Unternehmens zu bleiben, daß insolvenzbedingte Vermögensumverteilungen verhindert werden sollen und daß Wettbewerb um die beste Verwertung des Vermögens des Schuldners initiiert werden sollte. Das Obstruktionsverbot des § 245 InsO spielt hier eine wichtige Rolle. In außergerichtlichen Sanierungsverhandlungen treten in der Realität sehr häufig sog. Akkordstörer auf, die sich dem erklärten Sanierungswillen und den damit in aller Regel verbundenen Zugeständnissen (Anspruchsverzichten) der Mehrheit der Anspruchsinhaber widersetzen und auf Sonderbehandlung pochen. Unmittelbar wirksame Sanktionspotentiale gegen dieses Verhalten bestehen nicht. Der BGH hat dies in einer Entscheidung vom 12. 12. 1991 bestätigt (sog. Akkordstörer- Urteil). § 245 InsO schafft hier zwei wichtige Vorkehrungen. Zum einen kann die Mehrheit innerhalb einer Gläubigergruppe die Minderheit binden, wenn deren ökonomischer Mindestanspruch gewahrt ist, nämlich die Position, die die Minderheit bei Liquidation hätte. Zum zweiten kann unter definierten Bedingungen das Nein einer Gläubigergruppe zu einem Insolvenzplan unerheblich sein, wenn es sich als Obstruktionsmanöver qualifizieren läßt. Abbildung 12.6 verdeutlicht die Struktur der Vorschrift des § 245 InsO. Von Interesse ist Feld 2.2 in Abbildung 12.6. Die dort enthaltene Regelung bewirkt, daß die letztrangige Gläubigergruppe immer verhindern kann, daß die Alteigentümer am Wert des Unternehmens bei Fortführung partizipieren. Insolvenzrecht ist, wie oben erläutert, ein Instrument der (potentiellen) Disziplinierung der Eigentümer. Die Ansprüche der Arbeitnehmer werfen ebenfalls erhebliche Probleme auf. Durch Teilstillegungen oder durch Liquidation freigesetzte Arbeitnehmer haben unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Entschädigungen aus einem Sozialplan. Die Insolvenzordnung definiert Obergrenzen und verkleinert dadurch die ansonsten erheblichen Dimensionierungsprobleme bei der Festlegung von Sozialplanansprüchen. Für den Fortführungsfall sind insbesondere zwei Problemkreise von Bedeutung: Unter welchen Bedingungen können Arbeitsverträge in der Insolvenz des Schuldners gekündigt werden und was sind die finanziellen Konsequenzen? Gilt der Bestandsschutz für bestehende Arbeitsverhältnisse des § 613a BGB auch <?page no="447"?> im Insolvenzverfahren des arbeitgebenden Unternehmens und welche Modifikationen der Regelung sind möglich? Die Behandlung beider Probleme erfolgt hier nicht. Es wird auf die Literatur verwiesen (Heinze [Sanierung]; Rieger [Arbeitnehmerinteressen]; Marschdorf [Unternehmensverwertung]). Nichtzustimmung einer Gläubigergruppe mit den erforderlichen Mehrheiten i. S. v. § 244 InsO ist unerheblich, wenn gilt 1. Gläubigergruppe wird durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt als sie ohne einen Plan stünde. Eine angemessene Beteiligung am durch den Plan bewirkten wirtschaftlichen Wert liegt vor, wenn gilt: 2.1 kein anderer Gläubiger erhält wirtschaftliche Werte, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen. 2.2 weder ohne Plan nachrangige Gläubiger noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person erhalten einen wirtschaftlichen Wert. 2.3 kein ohne den Plan gleichrangiger Gläubiger wird besser gestellt als die Gläubiger der nicht zustimmenden Gläubigergruppe. 2. Gläubigergruppe wird angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt, der den Beteiligten auf der Grundlage des Plans zufließen soll. 3. die Mehrheit der abstimmenden Gruppen hat dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt. Abbildung 12.6: Struktur des Obstruktionsverbots Grundzüge der Insolvenzordnung (InsO) · 445 <?page no="448"?> 446 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht 7 Fallstudie Continental Airlines 7.1 Sachverhalt Continental Airlines ist eine große amerikanische Fluggesellschaft, die 1990 ein Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des amerikanischen Bankruptcy Code (BC) eröffnete. Wir diskutieren anhand dieses US-amerianischen Falles Aspekte der Reorganisation mittels eines Reorganisationsplans (plan of reorganization oder einfach plan), da dieser große Nähe zum Insolvenzplan der deutschen Insolvenzordnung hat, und weil die hier relevanten Daten zugänglich sind. 72 Der Zugang zu Daten deutscher Insolvenzpläne ist so gut wie versperrt: Insolvenzverwalter lehnen die Herausgabe der Daten, die zur Einschätzung der Vorteile eines Insolvenzplanes und der Bewertung von Gläubiger- und Eigentümerpositionen notwendig sind, in aller Regel ab. Das Unternehmen Continental Airlines (im Folgenden CA) wurde 1934 gegründet. Die Gesellschaft baute ein dichtes Flugnetz vorrangig in den USA auf. 1980 übernahm Texas Air Corp. im Wege einer feindlichen Übernahme 51 % der Anteilsrechte. 1983 beantragte das Management (zum ersten Mal) die Eröffnung eines Verfahrens nach Chapter 11 BC und nutzte dies insbesondere, um die überdurchschnittlichen Lohn- und Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter zu reduzieren. CA verlässt Chapter 11 im Jahre 1986 und gilt zunächst als erfolgreich: Die Umsatzerlöse steigen von 1.400 Mio. $ auf 6.700 Mio. $ in 1990; die Bilanzsumme steigt von 1.300 Mio. $ auf 7.700 Mio. $. Ende 1990 ist CA die fünftgrößte US-Fluggesellschaft. Die Finanzierung erfolgt zu einem erheblichen Teil über Fremdkapital: Der Verschuldungsgrad zu Marktwerten liegt seit 1986 über 0,8, während der Branchendurchschnitt knapp 0,6 beträgt. Zugleich gilt CA als Fluggesellschaft mit attraktiver Kostenstruktur; die Kosten per «seat mile» werden auf 8,6 cents beziffert; der Branchendurchschnitt liegt bei 9,6 cents. Die Heimatflughäfen von CA sind «low density airports» (Newark, Houston, Denver); 82 % der Mitarbeiter sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Im Gefolge der Kuwait-Krise verdoppeln sich die Treibstoffkosten innerhalb weniger Monate. Der sog. Sitzladefaktor sinkt rapide; die Liquiditätsposition verschlechtert sich sehr schnell. Die Jahresfehlbeträge sind: 1989 -885,6 Mio. $; 1990 -2.343,9 Mio. $. Am 3. Dezember 1990 stellt das Management Antrag auf 72 Die Quellen sind: Der am 13. Januar 1993 vor dem United States Bankruptcy Court for the District of Delaware eingereichte Plan; der von St. C. Gilson dargestellte Restrukturierungsfall in Gilson, St. C., Creating Value through Corporate Restructuring, New York 2001, S. 83-109. <?page no="449"?> Eröffnung eines (zweiten) Reorganisationsverfahrens gemäß Chapter 11 BC. 73 Ein Versuch von Sanierungsverhandlungen außerhalb des Reorganisationsverfahrens (workout) ist wegen der Komplexität der Finanzierungsverträge, die zahlreiche covenants enthielten, und der großen Zahl von Gläubigern vom Management nicht gestartet worden. CA verfügt in 1990 über 319 Großraumflugzeuge und 85 Kurzstrecken-Maschinen. 74 % der Flugzeuge sind geleast. Das Durchschnittsalter der Flotte betrug ca. 14 Jahre; der Branchendurchschnitt lag bei 9,3 Jahren. 74 Die kumulierten steuerlichen Verlustvorträge (net operating losses, NOL) betrugen (nach Nutzung aller Verlustrücktragsmöglichkeiten) ca. 1.900 Mio. $. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte CA 38.300 Mitarbeiter. Im US-amerikanischen Reorganisationsverfahren bleibt das Management des insolventen Unternehmens regelmäßig im Amt. Die Ernennung eines Verwalters (trustee) ist der Ausnahmefall. Die debtor-in-possession-Position des Schuldners ist mit dem Vorrecht ausgestattet, das alleinige Entwicklungsrecht für einen Reorganisationsplan innerhalb von 120 Tagen nach Eröffnung zu haben (§ 1121 Abs. 6 BC). Diese Frist wurde im vorliegenden Fall vom Gericht mehrfach verlängert. Das Management von CA erreichte in Verhandlungen vor Vorlage eines Reorganisationsplanes insbesondere die folgenden Vorteile bzw. Änderungen bestehender Verträge: Es gelingt einen sog. DiP-Kredit 75 , der mit einer superpriority i. S. v. § 364 BC ausgestattet ist, in Höhe von 120 Mio. $ auszuhandeln. Zinszahlungen und Zinslauf auf ungesicherte Gläubigeransprüche und Gläubigeransprüche, die durch den Wert der zugehörigen Sicherungsrechte nicht gedeckt sind, werden ausgesetzt. Es gelingt, die Leasingzahlungen an Leasinggeber stark zu reduzieren und zeitlich aufzuschieben. Nach § 365 BC hat der Leasingnehmer innerhalb von 60 Tagen nach Verfahrenseröffnung zu entscheiden, ob er den gegenseitigen Vertrag erfüllt oder nicht. Lehnt er die Erfüllung ab, wird der Anspruch des Leasinggebers zu einem ungesicherten Anspruch. Andererseits kann der Leasinggeber nach § 1010 BC Herausgabe von Flugzeugen verlangen, wenn der Leasingnehmer nicht Zahlungsrückstände innerhalb von 60 Tagen nach Verfahrenseröffnung heilt. Es lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht verlässlich rekonstruieren, warum es CA gelang, wesentlich günstigere Zahlungsbedingungen gegenüber den Leasinggebern durchzusetzen. Ein nicht unwichtiger Grund könnte darin 73 Der Eigenantrag des Managements der insolvenzbedrohten Airline stellt in den USA den Regelfall dar. Der Nachweis, dass ein Insolvenztatbestand vorliegt, muss nicht geführt werden. CA weist total assets im Wert von 4,8 Mrd. $ und Verbindlichkeiten von 5,9 Mrd. $ nach. Nach deutschem Recht wäre CA überschuldet i. S. v. § 19 InsO, wenn man zusätzlich drohende Zahlungsunfähigkeit unterstellte. 74 Zum Vergleich: Das Durchschnittsalter der Flotte der Lufthansa betrug in 1990 5,4 Jahre. 75 Es handelt sich um einen debtor-in-possession Kredit. Fallstudie Continental Airlines · 447 <?page no="450"?> 448 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht bestehen, dass im Zeitraum 1990-1992 ca. 20 % der gesamten US-amerikanischen Flugkapazität von Gesellschaften gemanagt wurde, die insolvenznah waren oder bereits unter dem Schutzschirm von Chapter 11 BC operierten. Vor diesem Hintergrund war ein Rückzug eines Leasinggebers durch Herausgabeverlangen vermutlich nicht attraktiv, da die Alternative im Parken des Fluggerätes in der Wüste von Arizona bestanden haben könnte. Das Management von CA wirbt um neue Investoren, da das Zurückschneiden der Leasingverpflichtungen und der ungesicherten Forderungen nicht ausreichend war, um die Kapitalstruktur insolvenzfester zu machen. Es mußte Eigenkapital zugeführt werden. Details der abgegebenen Angebote werden hier nicht ausgebreitet, da sie nicht den Kern der folgenden Überlegungen berühren. Das vom Management favorisierte Gebot bestand im Angebot von «Air Partners» und «Air Canada», das - neben einer Reihe von Bedingungen - die Bereitstellung von zunächst 310 Mio. $ Fremdkapital mit Besicherung und den Einschuß von rund 360 Mio. $ Eigenkapital gegen neue Aktien vorsah. Das Management von CA wollte im Rahmen der Reorganisation die folgenden Ziele erreichen: • Verjüngung der Flotte, • Modernisierung der Kollisionswarn- und Anti-Scherwind-Systeme, • Erweiterung des Flugnetzes mit Unterstützung einer zweiten Fluggesellschaft, • Nutzung der aufgelaufenen erheblichen Verlustvorträge, • ungesicherte Ansprüche von Gläubigern sollten im Reorganisationsplan nicht als Ansprüche aus Fremdkapital aufscheinen, um das Verschuldungsvolumen des Unternehmens zu senken. Ungesicherte Gläubiger sollten Eigenkapitalansprüche in Form von Aktien erhalten. • Altaktionäre würden im Reorganisationsplan dann nicht erscheinen, wenn der Wert der fortzuführenden Gesellschaft die Summe der Festbetragsansprüche der Gläubiger nicht erreichte. Dann nämlich wäre der Residualanspruch der Eigentümer wertlos. <?page no="451"?> 7.2 Bewertung des Unternehmens und Anspruchszuordnung Eine entscheidende Größe für die Entwicklung eines Reorganisationsplans ist die Bewertung des Unternehmens nach Realisierung der operativen Bereinigung der Geschäftsfelder. Tabelle 12.5 stellt die Plandaten aus der Sicht des Managements, das im vorliegenden Fall den Plan erstellt, dar. 76 Berechnet werden ausschüttungsfähige Beträge beziehungsweise notwendige Kapitaleinlagen bei Eigenfinanzierung unter Beachtung des zu Beginn der Periode 1993 bestehenden Verlustvortrages von 1.900 Mio. $. Berücksichtigt wird ausschließlich die Körperschaftsteuer in Höhe von s K = 0,34. Einkommensteuern werden im Plan nicht beachtet. Die in Zeile (2) ausgewiesenen operativen Aufwendungen enthalten die Leasingraten für die in Vorverhandlungen modifizierten 76 Vgl. Gilson, St. C. (2001), Anhänge 3.8 und 3.9, S. 105/ 106. Die Daten werden vom Verfasser modifiziert und fortgeschrieben. 1993 1994 1995 1996 1997 (1) Operative Erträge 5.875,0 6.882,6 7.720,7 7.952,3 8.190,8 (2) Operative Aufwendungen 5.727,7 6.543,3 7.149,7 7.364,2 7.585,1 (3) Korrektur Zinsaufwand in Leasingraten 31,8 128,2 265,4 265,4 265,4 (4) Operatives Ergebnis: (1) - (2) + (3) 179,1 467,5 836,4 853,5 871,1 (5) Sonstige betriebliche Erträge 29,6 45,5 65,8 67,8 69,8 (6) Erfolg vor Zinsen und Steuern (EBIT) 208,7 513,0 902,2 921,3 940,9 (7) Steuern (s K = 0,34); NOL = 1.900 - - - 219,4 319,9 (8) Abschreibungen 199,0 233,6 256,5 n.b. n.b. (9) Auszahlungen für Investitionen (ohne Flugzeuge) 271,2 264,1 221,7 163,4 168,3 (10) Auszahlungen für Flugzeuge 383,4 1.352,4 1.403,5 - - (11) Investitionen im UV 5,0 5,0 5,0 5,2 5,4 (12) FCF: (6) - (7) + (8) - (9) - (10) - (11) -251,9 -874,9 -471,5 533,3 447,3 Tabelle 12.5: Entwicklung der erforderlichen Einlagen bzw. verfügbaren Überschüsse (Free Cashflows, FCF) bei Eigenfinanzierung unter Beachtung des Verlustvortrages (NOL = 1.900) Fallstudie Continental Airlines · 449 <?page no="452"?> 450 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Altverträge und die geplanten, im Wege des Leasing zu finanzierenden Neuanschaffungen von Fluggeräten. Der Leser wird sich fragen, warum in Tabelle 12.5 Eigenfinanzierung unterstellt wird: Zinszahlungen, Tilgungen, in Leasingraten enthaltene Zinsanteile kommen in Tabelle 12.5 nicht vor. In Zeile (3) werden die in Leasingraten enthaltenen Zinsanteile wieder hinzugerechnet, weil Leasingraten die operativen Aufwendungen in Zeile (2) verkürzt haben. Die Architekten des Reorganisationsplans benutzen als Bewertungsverfahren für Unternehmen den Adjusted-present-value-Ansatz (APV-Ansatz). 77 Dieser modular aufgebaute Bewertungsansatz bestimmt den Unternehmensgesamtwert in zwei bzw. mehreren Stufen. Auf der ersten Stufe wird der Wert des Unternehmens unter der Fiktion ausschließlicher Eigenfinanzierung ermittelt (V tE ). Auf den folgenden Stufen werden die Wertbeiträge berechnet, die sich aus der gewählten Zusammensetzung der Kapitalstruktur ergeben. In Kapitel 5 dieses Buches wurde erläutert, unter welchen Bedingungen der Einsatz von verzinslichem Fremdkapital Wertbeiträge generieren kann. Der Wertbeitrag wurde mit dem Symbol V tUSt belegt. Der Unternehmensgesamtwert für Eigentümer und Gläubiger (V tF ) setzt sich in einfach gelagerten Fällen zusammen aus den beiden Wertkomponenten. Will man die Bewertung mittels des APV-Ansatzes vornehmen, muß man im ersten Bewertungsschritt den Wert bei ausschließlicher Eigenfinanzierung ermitteln. Deshalb sind die operativen Überschüsse von den impliziten, in Leasingraten enthaltenen Zinslasten zu befreien. Dies ist die Funktion von Zeile (3). Das in Zeile (4) ausgewiesene operative Ergebnis ist somit das GuV-Ergebnis vor Steuern bei Eigenfinanzierung, wenn man unterstellt, daß die Belastung mit den um den Zinsaufwand verkürzten Leasingraten der Belastung in Höhe der Abschreibung bei Eigenfinanzierung der Flugzeuge entspräche. Die Steuerzahlungen in Zeile (7) werden unter Berücksichtigung des Verlustvortrages von 1.900 Mio. berechnet. Daraus folgt, daß Erfolge vor Zinsen und Steuern (EBIT) in Höhe von 1.900 steuerfrei bleiben. Die erste Steuerzahlung wird für 1996 ausgewiesen. Sie berechnet sich aus 0,34 · [921,3 - (1.900 - 208,7 - 513,0 - 902,2)] = 219,4. Nach Addition der Abschreibungen, die in den operativen Aufwendungen enthalten sind, aber nicht zu Auszahlungen führen, und nach Abzug der Investitionen in Bodenanlagen, Fluggerät und Umlaufvermögen in den Zeilen (9), (10) und (11) weist Zeile (12) die finanziellen Defizite bzw. Überschüsse aus. Die verfügbaren Daten lassen nicht erkennen, wie die Auszahlungen für Investitionen in Bodenanlagen und Fluggerät ab 1996 ff. aussehen könnten. Diese Wis- 77 Vgl. z. B. den einführenden Text bei Brealey/ Myers/ Allen [Corporate Finance], 8. Aufl., S. 521-525; Berk/ DeMarzo [Corporate Finance], S. 581-585; Drukarczyk/ Schüler [Unternehmensbewertung], S. 165-206. <?page no="453"?> senslücke wird durch die Annahme geschlossen, daß die Investitionsauszahlungen die Abschreibungen um 0,03 BS t-1 , also um 3 % der Bilanzsumme der Vorperiode übersteigen. 78 Unterstellte man eine - unten zu erläuternde - geforderte Rendite der Eigentümer bei Eigenfinanzierung von 12,7 % und ein Nullwachstum ab 1997, erhielte man einen Wert des Unternehmens bei Eigenfinanzierung (V E ) zum 1.1.1993 von 1.250,8 Mio. $. Tabelle 12.6 erläutert die Entwicklung des Fremdkapitalbestandes im Zeitablauf und begründet die in Tabelle 12.5, Zeile (3) vorgenommene Korrektur des operativen Ergebnisses um die Zinsanteile in den von CA zu leistenden Leasingraten. Der in den Reorganisationsplan aufzunehmende Fremdkapitalbestand 79 in 1992 setzt sich zusammen aus a) den gesicherten Ansprüchen von Altgläubigern (1.472 Mio. $), 80 120 Mio. $ DiP-Kredit, 8 Mio. $ Fremdkapitalaufnahme zur Finanzierung von Sachanlagevermögen und 131 Mio. $ von später zu tilgenden Leasing- 78 Die Bilanzsumme der Planbilanz zum Ende der Periode 1995 beträgt ca. 5.447 Mio. $; 0,03 5.447 = 163,4. 79 Der Antrag auf Verfahrenseröffnung erfolgte am 3.12.1990. Die oben dargestellten Planungen erfolgen aus der Sicht am Ende der Periode 1992. 80 Vgl. Gilson, St. C. (2001), Anhang 3.3. 1992 1993 1994 1995 1996 1997 (1) Bestand Fremdkapital in 1992 1.731 (2) Auszahlungen für Flugzeuge - 383,4 1.352,4 1.403,5 - - (3) FK-finanzierte andere Investitionen - 69,4 95,6 57,0 - - (4) Tilgungen - 96,0 343,6 278,8 278,8 278,8 (5) Erhöhung Fremdkapital durch Neuinvestor - 325,0 - - - - (6) Bestand Fremdkapital: F t-1 + (2) + (3) - (4) + (5) - 2.412,8 3.517,2 4.698,9 4.420,1 4.141,3 (7) Explizite Zinsaufwendungen - 175,4 168,3 145,4 190,5 162,7 (8) Implizite Zinsen in Leasingraten - 31,8 128,2 265,4 265,4 265,4 (9) Summe aus (7) + (8) - 207,2 296,5 410,8 455,9 428,1 Tabelle 12.6: Entwicklung der Fremdkapitalbestände und Zinslast Fallstudie Continental Airlines · 451 <?page no="454"?> 452 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht raten. Dieser Anfangsbestand erhöht sich um die Auszahlungen für Flugzeuge 81 (Zeile (2)), die Auszahlungen für Bodenanlagen (Zeile (3)), soweit sie durch Kredite finanziert werden 82 und durch Fremdfinanzierung, die der Neu-Investor bereitstellt. Der Bestand sinkt um die geplanten Tilgungen. 83 Die zeitliche Entwicklung des Fremdkapitalbestandes wird nun benutzt, um die periodische Zinslast einschließlich der impliziten Zinsanteile in den Leasingraten zu schätzen. Die Verbindlichkeiten von CA sind mit B geratet. Der relevante Zinssatz für B-Verbindlichkeiten in 1992 beträgt etwa 10 %. Der periodische Zinsaufwand könnte somit gemäß [F t-1 + F t ] · 0,5 · 0,10 geschätzt werden. Zieht man von dieser Schätzung die in der Plan-GuV ausgewiesenen Zinsaufwendungen ab 84 - sie werden in Zeile (7) der Tabelle 12.6 ausgewiesen - erhält man eine überschlägige Schätzung der in den Leasingraten enthaltenen Zinsanteile. Die gesamte zu erwartende Zinslast wird in Zeile (9) ausgewiesen. Sie ist so dimensioniert, dass sie einem Zinssatz von 10 % auf den durchschnittlichen Fremdkapitalbestand entspricht. Auf Stufe 2 eines APV-Bewertungskalküls sind die steuerlichen Vorteile, die aus dem Einsatz verzinslichen Fremdkapitals resultieren, zu berechnen und zu bewerten. Tabelle 12.6 weist diese steuerlichen Vorteile in Zeile (5) unter der Annahme aus, daß die prinzipiell zustandsabhängigen steuerlichen Bemessungsgrundlagen der Perioden 1996 ff. die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen gestatten. 85 Im Reorganisationsbzw. Insolvenzverfahren sind unter Beachtung der Vorinsolvenzrechte Zahlungsansprüche an Anspruchsinhaber zuzuordnen. Verteilt werden Anteile an Barwerten. Dazu muß man zuerst ermitteln, was überhaupt zu verteilen ist. Das zu Verteilende ist der Unternehmensgesamtwert, der mit V F bezeichnet wird. In den Tabellen 12.8 und 12.9 werden der Wert der Gesellschaft bei Eigenfinanzierung und der Wert der steuerlichen Vorteile aus dem Einsatz von verzinslichem Fremdkapital und Leasingverträgen unter alternativen Annahmekonstellationen berechnet. Die risikolose Rendite i entspricht der Verzinsung einer US-amerikanischen Bundesanleihe mit dreißigjähriger Laufzeit. Die Marktrisikoprämie (MRP) wird mit Werten zwischen 4 und 6 % und damit im Vergleich zu 81 Die neuen Flugzeuge werden über Finanzierungsleasingverträge finanziert. Hier wird vereinfachend angenommen, dass die Finanzierungslast von CA den geplanten Investitionsauszahlungen entspricht. 82 Vgl. Gilson, St. C. (2001), Anhang 3.9. 83 Vgl. Gilson, St. C. (2001), Anhang 3.9. 84 Vgl. Gilson, St. C. (2001), Anhang 3.8. 85 Die Bewertung von CA im Rahmen der Reorganisation wirft die Frage auf, wie Finanzierungsleasingverträge zu behandeln und zu bewerten sind. Auf diese Frage wird hier nicht eingegangen. Es wird lediglich versucht, die in Leasingraten enthaltenen Zinsanteile zu schätzen und dann den Steuervorteil wegen der Abzugsfähigkeit dieser Zinsanteile zu berechnen. <?page no="455"?> Beispielen in amerikanischen Lehrbüchern vorsichtig angesetzt. ß U = 0,85 ist das um Finanzierungseinflüsse bereinigte Branchen-Beta. 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 (1) Entwicklung von NOL bei Eigenfinanzierung 1.900,0 1.691,3 1.178,3 276,1 0 0 0 0 (2) Expliziter und impliziter Zinsaufwand gemäß Tabelle 12.6 - 207,2 296,5 410,8 455,9 428,1 414,1 1 414,1 (3) SBG t bei Eigenfinanzierung nach Verrechnung von NOL 0 0 0 0 645,2 2 940,9 969,1 998,2 (4) Kumulierter, noch zu verrechnender Zinsaufwand - 207,2 503,7 914,5 725,2 212,4 0 0 (5) Steuerliche Vorteile aus Verrechnung des Zinsaufwands - - - - 219,4 3 319,9 213,0 4 140,8 5 1 Das in Tabelle 12.6 ausgewiesene Fremdkapitalvolumen von 4.141,3 für 1997 wird beibehalten. 2 EBIT 96 - noch nicht genutzter NOL = 921,3 - 276,1 = 645,2. 3 Der kumulierte, steuerlich noch nicht verrechnete Zinsaufwand verdrängt 1996 die Besteuerung von 645,2. 645,2 · 0,34 = 219,4. 4 (414,1 + 212,4) · 0,34 = 213,0. 5 414,1 · 0,34 = 140,8. Tabelle 12.7: Berechnung der steuerlichen Vorteile, bedingt durch die Abzugsfähigkeit von expliziten und impliziten Zinsaufwendungen Fallstudie Continental Airlines · 453 <?page no="456"?> 454 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht Tabelle 12.8 macht deutlich, wie stark Parameteränderungen - hier von g, I t -Ab t und MRP die Ergebnisse beeinflussen. Weil diese Ergebnisse Verteilungsfolgen für die Anspruchsberechtigten haben, liegt die Vermutung nahe, daß die Bewertungskalküle häufig vor Gericht bestritten werden. Tabelle 12.9 berücksichtigt V USt , um über die Summe aus V E und V USt den Unternehmensgesamtwert V F in Zeile (7) auszuweisen. V USt ist definiert als Barwert der in Tabelle 12.7 Zeile (5) ausgewiesenen steuerlichen Vorteile, die nicht mit der angenommenen Wachstumsrate wachsen, sondern ab 1997 konstant bleiben und mit i V = 0,10 diskontiert werden. V USt beträgt 1.263,5. Angenommen, Konstellation 3 mit F 93 V 3.530, 4 = gälte unter den Abstimmungsberechtigten als besonders glaubwürdig. Gesicherten Altgläubigern stehen Ansprüche in Höhe von 1.731 zu; der Neu-Investor hält gesicherte Ansprüche aus Kreditverträgen in Höhe von 325. Die Ansprüche ungesicherter Gläubiger betragen 3.484. 86 Die Ansprüche von Alteigentümern sind folglich erloschen, wenn 86 Vgl. Gilson, St. C. (2001), Anhang 3.3. Die Kosten der Reorganisation in Höhe von 27,7 Mio. $ (1991) und 30 Mio. $ (1992) bleiben unberücksichtigt. Vgl. 10-k-Report (1992), S. 5. Konstellation 1 2 3 4 5 6 (1) Risikolose Rendite i 0,0769 0,0769 0,0769 0,0769 0,0769 0,0769 (2) MRP 0,06 0,06 0,05 0,05 0,04 0,04 (3) ß U 0,85 0,85 0,85 0,85 0,85 0,85 (4) k 1 0,1279 0,1279 0,1194 0,1194 0,1109 0,1109 (5) Wachstumsrate g 0,03 0,04 0,03 0,04 0,03 0,04 (6) I t - Ab t ab 1996 2 163,4 3 272,4 4 163,4 272,4 163,4 272,4 (7) V E ; 93-97 -665,1 -789,5 -665,2 -793,9 -665,1 -798,2 (8) V E 97 4.706,0 5 3.931,7 6 5.153,5 4.352,5 5.694,9 4.874,4 (9) V E 93 1.913,0 1.364,4 2.266,9 1.682,5 2.700,9 2.082,8 1 k = i + MRP · ß U . 2 Betrag wächst ab 1996 mit g. 3 Entspricht 0,03 · BS t-1 = 0,03 · 5.447 = 163,4. 4 Entspricht 0,04 · BS t-1 = 0,04 · 5.447 = 272,4. 5 447, 3(1 g ) 447, 3 1, 03 4.706. k g 0,1279 0, 03 + ⋅ = = − − 6 [447,3 + 168,3 - 272,4 · 1,04] · 1,04 : (0,1279 - 0,04) = 3.931,7. Tabelle 12.8: Berechnung des Wertes bei Eigenfinanzierung zum 1.1.1993 (V E ) bei unterschiedlichen Parameterkonstellationen <?page no="457"?> die vertragliche bzw. gesetzliche Anspruchsrangfolge eingehalten wird. Nicht Altbzw. Neugläubigern zustehende Ansprüche sind aufzuteilen auf ungesicherte Gläubiger und den Eigenkapital von ca. 360 Mio. einschießenden Neu-Investor. Der Wert des Eigenkapitals gemäß Konstellation 3 wird deshalb aufgeteilt auf Neu-Investor (360) und ungesicherte Gläubiger 1.474,4 - 360 = 1.114,4. Die Alteigentümer gehen leer aus. Zu prüfen ist noch, ob die ungesicherten Gläubiger gemäß Plan nicht schlechter abschneiden als sie bei Liquidation abgeschnitten hätten. Diese Prüfung erfordert sowohl Chapter 11 BC (best interest test) als auch § 245 Abs. 1 Ziff. 1 InsO. Der Liquidationswert der Gesellschaft wird auf 2.355 nach Verwertungskosten in Höhe von 7 % geschätzt. Von diesem Betrag entfallen 1.731 auf gesicherte Gläubiger 87 ; der Rest in Höhe von 624 entfiele auf ungesicherte Gläubiger. Bei Reorganisation und unter den Parametern der Konstellation 3 schneiden die ungesicherten Gläubiger mit einer Befriedigungsquote von 1.114,4 : 3.484 = 0,3199 deutlich besser ab. 87 Gesicherte Ansprüche von 325 entstehen erst, wenn es zur Reorganisation kommt. Konstellation 1 2 3 4 5 6 (1) MRP 0,06 0,06 0,05 0,05 0,04 0,04 (2) k 0,1279 0,1279 0,1194 0,1194 0,1109 0,1109 (3) I t - Ab t in 1996 163,4 272,4 163,4 272,4 163,4 272,4 (4) g 0,03 0,04 0,03 0,04 0,03 0,04 (5) V E 93 1.913,0 1.364,4 2.266,9 1.682,5 2.700,9 2.082,8 (6) V 93 USt 1.263,5 1.263,5 1.263,5 1.263,5 1.263,5 1.263,5 (7) V F 93 = (5) + (6) 3.176,5 2.627,9 3.530,4 2.946,0 3.964,3 3.346,3 (8) E F 93 = V F 93 - F 93 1.120,5 1 571,9 1.474,4 890,0 1.908,3 1.290,3 1 F 93 = 1.731 + 325 = 2.056. Tabelle 12.9: Unternehmensgesamtwert (V F ) und Wert des Eigenkapitals (E F ) bei unterschiedlichen Parameterkonstellationen Fallstudie Continental Airlines · 455 <?page no="458"?> 456 · Kapitel 12 Finanzierung und Insolvenzrecht 8 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden Bezüge zwischen Finanzierung und Insolvenzrecht dargestellt. Insolvenzverfahren haben u. a. den Zweck, auf Gläubiger-Eigentümer-Beziehungen disziplinierend einzuwirken: Sie geben den Gläubigern das Recht zur Ingangsetzung des Insolvenzverfahrens, wenn bestimmte, eine bestehende oder drohende Illiquidität anzeigende Kriterien erfüllt sind. Dieses Recht kann und soll verhaltenssteuernd auf die Eigentümer als Kreditnehmer wirken, indem es sie zur Beachtung von Verschuldungsgrenzen und zu sorgfältiger Finanzplanung anhält. Von Bedeutung für das Ausmaß der bewirkten Verhaltenssteuerung ist die Konstruktion der Insolvenztatbestände «Zahlungsunfähigkeit», «drohende Zahlungsunfähigkeit» und «Überschuldung». Die Gründe hierfür wurden erörtert. Dabei zeigt sich, daß der Gesetzgeber Probleme hat, die Insolvenztatbestände normenkonform zu operationalisieren. Dann wurde die Verteilungsregelung der Insolvenzordnung dargestellt. Die Bedeutung von Kreditsicherheiten für die Einordnung eines Gläubigeranspruchs in der Rangfolge der Ansprüche und für die Befriedigungsquote wurde aufgezeigt. Neben wichtigen Daten aus der Insolvenzstatistik wurden die entscheidenden Leitlinien der Insolvenzordnung erörtert. Funktion des und Abstimmungsregeln über einen Insolvenzplan wurden erläutert. Anhand der Fallstudie Continental Airlines wurde gezeigt, welche Bewertungsprobleme zu überwinden sind, um das, was zu verteilen ist, im Reorganisationsfall festzustellen und welche Auswirkungen vertragliche und gesetzliche Rangvorrechte in der Insolvenz auslösen. <?page no="459"?> 9 Literaturhinweise Baird, Douglas G. und Jackson, Thomas H.: Cases, Problems and Materials on Bankruptcy, 2. 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Literaturhinweise · 459 <?page no="463"?> A Abräumverbot 439 Abschlußprüfer Abschreibung - degressive Abschreibung 139 - digitale Abschreibung 139, 283 - Ertragswertabschreibung 134 f. - lineare Abschreibung 102, 137, 139, 146, 150 f., 278, 283, 287, 294 f., 313 - ökonomische Abschreibung 150 ff. Abschreibungsregelung 283, 298, 312 Absonderungsrecht 435 Adjusted-present-value-Ansatz (APV-Ansatz) 450 f. agency problem 404 Agio 335, 345 Akkordstörer 444 Aktie - Bezugsaktie 357, 366 - Inhaberaktie 331 - Namensaktie 331 - Namensaktie, vinkuliert 331 - Stammaktie 79, 98, 105, 331, 337, 339, 341 ff., 347, 357, 414 f., 417 - Vorzugsaktie 5, 77, 98, 105, 336 ff., 341 ff., 347, 357 - Vorzugsaktie, kündbar Aktiengesellschaft 253 - kleine 317 - Organe der AG 9, 402 f. Aktiensurrogate 343 Aktionär 315 f., 331 ff., 338 ff., 355 ff., 365 ff., 399 ff., 414 f. - Stammaktionär 332, 337 ff. - Vorzugsaktionär 332, 338 ff. Akzeptkredit → Kredit 267 ALG-Problem 403 Anfechtungsrecht 332, 360, 362 Annuitätenanleihe 260 f. Anwartschaftsphase 391 Arbitragegewinn 178 Aufrechnungen 435 Aufsichtsrat 5, 9 f., 316 ff., 332 f., 363 f., 371 f., 382, 403 Aufzinsungsanleihe 260 Aufwand 10 - Finanzierung durch Abschreibungen 10, 384 f. - Finanzierung durch Rückstellungen 10, 385 f. - Finanzierung durch Vermögensumschichtung 12 - - nachperiodisierter 10, 13 ff. - - vorperiodisierter 13 ff. Ausfallbürgschaft 228 Ausfallquote 237 Ausfallrisiko → Risiko 157 f., 169 Ausfallwahrscheinlichkeit 232 f. Ausschluß des Bezugsrechtes 336, 369 f. Ausschüttung 9 ff., 47, 51, 54 f., 65 f., 70, 72, 77 ff., 86 f., 93 f., 97, 106 f., 129, 133 f., 139, 146 ff., 153, 198, 205, 220 f., 226, 240, 243, 245, 288, 313, 331 f., 336 ff., 341, 344, 347 ff., 358, 367, 374, 376, 382 ff., 394, 396, 399 ff., 405, 413, 416 f. - Ausschüttungsbegrenzungen 51 - Ausschüttungsregeln 399 f. - Ausschüttungssperre 82, 386 f., 406 - residuale Ausschüttung 331 f., 347, 416, 430 Außenfinanzierung 5, 214 f., 273 f., 320 f., 410 f. Aussonderungsanspruch 435 Avalkredit → Kredit 267 B Bankruptcy Code 440, 442, 446 bedingte Kapitalerhöhung 357 Befriedigungsquote 59, 234, 256, 422, 427, 436 f., 455 f. Belastungsgleichheit 294 Sachregister <?page no="464"?> 462 · Sachregister Beleihungsquote 40 Besicherung 40 f., 166, 217, 233, 241, 254, 258, 414, 416, 448 Besitzmittlungsverhältnis 231 best interest test 455 Beta-Wert 173 - Marktrisikoprämie 173 - Risikoprämie 1 180, 183 - Risikoprämie 2 180 Beteiligungsfinanzierung 2, 202 ff. Beteiligungsquote 322, 331, 334 Betriebskapital, erforderliches 81, 100, 102, 242 ff. Bewertungsansatz 172 - individualistischer 172 - marktorientierter 172 Bezugsaktie → Aktie Bezugskurs 357 Bezugsrecht 317, 331, 334, 357 - Funktionen 359 ff. - Bewertungsformel 359 - Ausschluß 360 ff. - Rechtsprechung 362, 369 ff - Wert des Bezugsrechts 359 Bezugsrechtsausschluß 357, 360 Bilanzgewinn 9 f., 51, 88, 191, 331 ff., 337 ff., 355, 376 bilanzielle Renditen 114, 116 ff., 201 ff. Bilanzkonzeptionen 43 ff. - handelsrechtliche Bilanzkonzeption 61 f. - theoretische Bilanz 43 ff., 53, 58, 67 f., 90 f., 110 - Liquidationsbilanz 43, 59 ff., 67, 90 f., 110 - Fortführungsbilanz (HGB-Bilanz) 43, 61, 65 ff., 90 f., 110 Bilanzkennzahlen → Renditen Bilanzrelationen 166, 215 f. Bilanzverlust 103 f., 343, 349, 375 Bonitätsklassen 253 Börse 187, 250 f., 269, 316, 318, 325, 334, 402 Börsenprospekt 251 Börsensegmente 318 Bruttoinvestitionsbasis (BIB) 150 Bruttokapitalwert → Wert 22, 167 f. Bruttoprinzip 92 Bürgschaft 227 - Ausfallbürgschaft 228 - Bürgschaft auf Zeit 228 - Höchstbetragsbürgschaft 228 - Mitbürgschaft 228 - Nachbürgschaft 228 - selbstschuldnerische 227 - Teilbürgschaft 228 - Wechselbürgschaft 228 Buy Out, leveraged 242 f. C Call Price 415 Call Privilege 415 Capital Asset Pricing Model (CAPM) 173 Cashflow 68 ff. - Cashflow Return on Investment 150 CFROI 150 Chance (Risiko) 32, 157 ff., 178, 184 Commercial Paper 268 Covenants 217, 226, 238, 245 - Berichtspflichten 238 - breach of contract 245 - cross-default-clause 240 f., 245 Cram-down-Regeln 443 D debtor-in-possession-Position 447 Deckungsstockfähigkeit 249, 251 Depotstimmrecht Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. 347 digitale Abschreibungsmethode 283 Disagio 62 Diskontkredit → Kredit Diversifikationsmöglichkeiten 403 Dividende → Ausschüttung Dividendenpolitik 401 - Informationswert der Dividendenpolitik 402 <?page no="465"?> Sachregister · 463 - residuale Dividende 400 f. - stabile Dividendenpolitik 401 Dividendenvorrechte → Vorzugsdividende Doppelwährungsanleihe 262 Drohende Zahlungsunfähigkeit 424 E EBK (erforderliches Betriebskapital) 81 Eigenfinanzierung 2, 26, 302 ff. Eigenkapital 5, 302 ff. - Eigenkapitalrendite → Rendite - Funktionen des Eigenkapitals 304 f. Eigenkapital und Risikograd 302 f. Eigenkapitalausstattung 304, 309, 316, 376 f. Eigenkapitalquote, vertikale 309 ff. Eigenschaften einer AG 402 Eigentumsvorbehalt 229 - einfacher Eigentumsvorbehalt 229, 436 - erweiterter Eigentumsvorbehalt 436 - verlängerter Eigentumsvorbehalt 232, 237, 264 Einrede der Vorausklage 227 f. Einrichtungskredit → Kredit Einzelbewertung, Prinzip der 44 Einzelzession 231 Emissionskosten 251, 260 Entgeltumwandlung 399 Entscheidungskriterium 17, 32 Entzug der Entscheidungsrechte 422 erforderliches Betriebskapital 81 Ertragsfähigkeit (Ertragslage) 308 Ertragswert 48, 134 f. Ertragswertabschreibung 134 f. Erwartungswert 169 f., 175, 306 Euronotes 268 f. externe Kontrollen 404 F Factoring 268 Fair Value 48, 56 Festbetragsansprüche 218 Finanzierung 1 - Eigenfinanzierung 2 f., 7, 26 ff., 72, 85, 128, 132, 139, 160, 165, 175 f., 180 f., 183 f., 203, 205, 207 f., 210, 225, 279 f, 306, 449 ff. - externe Finanzierung → Außenfinanzierung - interne Finanzierung → Innenfinanzierung 381 ff. - Selbstfinanzierung, offene 10, 399 f. - Selbstfinanzierung, stille 11 Finanzierungsbegriff 1 ff. Finanzierungsformen, Systematik 5 ff. Finanzierungs-Leasing-Verträge (financial lease) 273 ff. Finanzierungseffekt aus Abschreibungen 383 Finanzierungseffekt aus Rückstellungen 383 Finanzierungseffekt von Abschreibungen 384 Finanzierungsinstrumente6, 214 f., 273 f., 381 f., 408 f. Finanzierungsmärkte 1 Finanzierungsrisiko 163, 169, 217 f., 294, 324 Finanzierungsstrategie 242 Finanzierungsverantwortung 355 Finanzierungsvertrag 25, 30, 161, 241, 416 f. - Finanzierungsvertrag, symmetrisch 26 - Finanzierungsvertrag, nicht symmetrisch 27 Finanzplan 40, 77, 91, 199, 247, 289 f., 352, 449 f. - Anforderungen an einen Finanzplan 91 f. - antizipierte Liquidität 41 - originäre Liquiditätsbeschaffung 42 - Strukturierung eines Finanzplans 92 f. Finanzplanung 77 ff., 91 ff. Floating Rate Notes 261 Forderungszession 230 Fortführungsbilanz 61 Fortführungsfähigkeit 427 <?page no="466"?> 464 · Sachregister Fortführungswerte (Betriebsbestehenswerte) 428 free cash flow 399 Fremdfinanzierung 2 ff., 163, 175, 213 f. - kurzfristige Fremdfinanzierung 264 - langfristige Fremdfinanzierung 249 f. - Systematik der kurzfristigen Fremdfinanzierung 264 Fremdkapital 5, 302 f. - Anlegerschutz 304 - Ausfallrisiko 306 - debt capacity 308 - Eigenkapitalquoten 314 - Endtilgung 307 - Festbetragsansprüche 305, 314 - Fortführungsfall 303 - Haftungsbeschränkung 305 - Halbeinkünfteverfahren 310 - Jensen 314 - - Covenants 238 ff., 242 ff - - Disziplinierung der Eigentümer 242 - - Kontrollfunktion von Fremdkapital 314 - Kreditsicherheiten 226 ff. - - Eigentumsvorbehalt 229 - - Einzelzession 230 - - Globalzession 231, 351 - - Mantelzession 231 - - Mobiliarsicherheiten 229 - - Immobiliarsicherheiten 229 - - Grundschuld 232 - - Hypothek 231 - - Patronatserklärungen 228 - - Pfandrecht 229 - - Pfandrecht an Forderungen 230 - - Sicherungsabtretung 230 - - Sicherungsübereignung 230 ff. - Liquidationsfall 303, 424 f. - Mindestbindungsdauer 304 - Negativklauseln (Covenants) 238 ff. - Restbetragsansprüche 305 - Risikoabmilderung 304 - Risikograd 302 - Sanierungskredit 302 - Steuerbemessungsgrundlagen 312 - Tilgungsvereinbarung 307 - Verschuldungskapazität 315 - Verschuldungspotential 308 - vertikale Eigenkapitalquote 315 - Zerschlagungsfall 303 Fristigkeit (Überlassungsdauer) 217, 302 Fungibilität 318 G Garantievertrag 228 genehmigtes Kapital 357 Genußschein 343, 413 Genußscheinbedingungen 344 ff. Gesamtkapitalrendite → Rendite Geschäfts- oder Firmenwert 52 - Folgebewertung des Goodwill 52 Geschäftsrisiko → Risiko Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Gesellschafterdarlehen 7, 255 ff. Gesellschaftsvertrag 254, 321 Gewinneinbehaltung (Thesaurierung) 399 Gewinnobligation (income bond) 86 Gläubigerschutz 214 Gläubigerschutzregeln 214 Globalzession 231, 351 Goodwill 51 - derivativer 51 Gratisaktien 369 Grenzpreis → Bruttokapitalwert 321 ff. Grundkapital 356 Grundmietzeit, unkündbare 273, 278, 287 Grundpfandrecht 231, 249 Grundschuld 232 Gründungsprüfung 363 H Haftung, beschränkte 7, 60, 166 Haftungsbeschränkung 356 Haftungsmasse 428 Halbeinkünfteverfahren 287, 384 Hauptquellen des Innenfinanzierungsvolumens 382 <?page no="467"?> Sachregister · 465 Hauptversammlung 10, 316 f., 332 ff., 346, 355 ff., 361 ff., 382, 403, 414 f. Herabsetzung des Grundkapitals 345 Herausgabesperre (Abräumverbot) 439 hybride Finanzierungsinstrumente 8, 409 ff. Hypothek 231 I Illiquidität 36 Illiquiditätsrisiko → Risiko Immobiliarsicherheiten 229 Impairment-Test 56 Income Bond → Gewinnobligation Indexanleihen 261 Industrieobligation 249 ff. Informationsbedarf 403 Informationskosten 61, 345 Informationsrechte 302 Informationsstand 90 f., 218 f. Informationsvorsprung 219 Inhaberaktien 331 Innenfinanzierung 5, 381 ff. Innenfinanzierungsvolumen 381 Insolvenz 59, 233 , 421 ff. Insolvenzauslösung 422 Insolvenzordnung 167 , 421 ff. Insolvenzpläne 439 f., 442 Insolvenzrecht 214, 241, 269, 421 ff. Insolvenzrisiko 167, 416 Insolvenzstatistik 427, 456 Insolvenztatbestände 422, 424 Insolvenzverfahren 233 - Absonderungsberechtigter 234 - Ausfallquote 237 - Ausfallursachen 236 - Befriedigungsquote 234 - Kollisionsrisiken 237 - Nachschubklausel 237 Insolvenzverwalter 422 f. Insolvenzwahrscheinlichkeit 348 interne Kontrollsysteme 404 interner Zinsfuß 114 f., 132 Istmasse 435 f. J Jahresabschluß 43 f., 51, 73, 82, 90 f., 109, 116, 119 ff., 132, 241, 310, 332, 367 f. Jahresüberschuß 8 ff., 51, 65 ff., 72 ff., 87 f., 94, 99, 106, 117, 120 f., 127, 132 f. 194, 242 ff., 313, 332, 344, 349, 352, 354, 382 f., 385, 387, 399, 405, 430 junge Aktien 333, 357 K Kapital, genehmigtes 356, 362 ff., 370 ff. Kapitalbedarfsrechnung 99, 102 Kapitalbeschaffung 333 Kapitalbeteiligungsgesellschaften 325 Kontokorrentkredit 266 Kapitalerhöhung 51, 72, 317, 334 ff., 346, 355 ff., 363 f., 369 ff., 374, 377, 400, 404, 417 - bedingte Kapitalerhöhung 356, 362, 365 f., 368, 414 f. - Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 356, 366 - Kapitalerhöhung gegen Einlagen 333, 357, 361 f. - Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen 362 - ordentliche Kapitalerhöhung 356 f., 365 - Systematik der Kapitalerhöhung 355 Kapitalherabsetzung 346, 374 - Ausschüttungsbeschränkung 375 - durch Einziehung von Aktien 376 - ordentliche Kapitalherabsetzung 375 - Systematik der Kapitalherabsetzung 372 - Unter-pari-Kurs 376 - vereinfachte Kapitalherabsetzung 375 Kapitalkosten 114, 137 f., 171 f., 203 f. Kapitalmarktausschuß, zentraler 251 Kapitalrücklage 360 Kapitalstruktur 72, 78, 85 f., 178 ff., 184, 389, 391, 400, 448, 450 Kapitalverwässerung 334 Kapitalverwässerungsschutzklausel 415 <?page no="468"?> 466 · Sachregister Kaufoption 287 Klassenbildung von Anspruchinhabern Körperschaftsteuer 85, 103, 181, 204, 209 f., 255, 287 ff., 312, 347, 352, 384, 387, 400 f., 449 Kommanditgesellschaft 318 Kompetenzverteilung → Aktiengesellschaft, Organe der Konkursordnung 436 f. Kontokorrentkredit → Kredit Kontrollintensität 333 Kontrollmechanismen 404 Kontrollrecht 5, 161, 318 ff., 412 Konventionalstrafe 265, 268 Koordinationsaufgabe 423 Kostenbeiträge 439 Kovarianz der Rendite 173 Kredit - Akzeptkredit 267 - Avalkredit 267 f. - Diskontkredit 266 f. - Einrichtungskredit 265 - Lieferantenkredit 123, 236, 264 f. - Lombardkredit 266 - Rembourskredit 267 Kreditleihe 264, 267 Kreditlinie 266 Kreditrisiko → Negativklauseln, Kreditsicherheiten Kreditsicherheiten 61, 226 Kreditstatus 254 Kreditvergabe 431 Kreditwürdigkeit 37 güterwirtschaftliche Liquidität 38 verliehene Liquidität 39 f. zukünftige Liquidität 40 Kreditwürdigkeitsprüfung 3, 41, 254 f. kumulative Vorzugsdividende 338 Kundenanzahlung 265 Kündigungsprämie (call premium) 251 Kündigungsrecht (call privilege) 5, 7, 250, 319, 348 f. L Laufzeit 46, 218, 222, 229, 234, 244 f., 249 f., 260 ff., 268 f., 288, 348 f., 351, 414 ff., 452 Leasing - Leasinggeber (LG) 273 - Leasingnehmer (LN) 273 - Leasingvertrag 254, 273 ff. - Finanzierungsleasing 67, 239, 273 ff. - Operatingleasing 273 - Sale-and-Lease-Back-Vertrag 273 Leistungsgarantien 265 Leverage-Effekt 126 , 163 ff., 180 LIBOR 261 Lieferantenkredit → Kredit limitierte Vorzugsdividende 337 Liquidationsbilanz 59 Liquidationserlös 151, 159, 256, 320, 331 ff., 347 ff. Liquidationswerte 428 Liquidität 36, 60, 67 ff. - Anforderungen an einen Finanzplan 91 - zukünftige Liquidität 40, 61, 67 - antizipierte Liquidität 41 - verliehene Liquidität 39 f. - Begriff der Liquidität 36 - Bestimmungsgrößen der Liquidität 42 - Cashflow-Definitionen 71 - güterwirtschaftliche Liquidität 60 - Net Operating Cashflow, (NOCF) 78 - NOCF 80 - operativer Cashflow 72 - Zusammensetzung des Cashflows 78 Liquiditätsbilanz 85 Liquiditätsgrade 38, 40 Liquiditätsmessung 43 ff. Liquiditätsquellen 38 ff. Liquiditätsträger 37 Lombardkredit → Kredit Lombardsatz 266 LUXIBOR 261 <?page no="469"?> Sachregister · 467 M Mantelzession 231 Marktkonformität 444 Marktwert - Marktwert des Eigenkapitals 221, 361, 403 - Marktwert des Fremdkapitals - Marktwert des Unternehmens 45, 224, 226 Marktwertmaximierung 223 Massekosten 256 Marktrisikoprämie 173, 454 mezzanine Finanzierung 409 f. - debt mezzanine capital 410 - equity mezzanine capital 410 - hybride Instrumente 410 Minderheitenschutz 441 Minimierung des Verlusts der Kapitalgeber 422 Mitbestimmung 316 Mitbürgschaft 228 Mitentscheidungsrechte 161, 318, 413, 416 Mitwirkungsrechte 218, 318, 320, 328, 333 Mobiliarsicherheiten 229 Modigliani und Miller 177 N Nachbürgschaft 228 Nachschubklausel 237 Namensaktien 331 Negativklauseln ( Covenants) 238 ff.,242 ff. Negativsteuer 280 Net Operating Cashflow 80 ff. Nettoeinzahlungen 19 Nettokapitalwert 24 f., 27 f. Nettoumsatzrendite → Rendite 115 ff. net working capital (NWC) 80 O Obligation 250 - Annuitätenanleihe 260 - Aufzinsungsanleihe 260 - Bonitätsklassen 37, 253 - Börsennotierung 251, 419 - Doppelwährungsanleihen 262 - Floater 261 - Industrieobligation 250 - Prospekthaftung 251 - Rangrücktritt 256 - Ratentilgung 250, 351 - Risikoabwälzung 217 ff. , 258 - Stand-by-Linie 269 - Underwriter 269 - Zentraler Kapitalmarktausschuß (Central Capital Market Committee 251 - Zero-Bonds oder Null-Kupon-Anleihen 260 - Zins-Caps 261 - Zollaval 267 Obstruktionsmanöver 444 Obstruktionsverbot 443 Offene Handelsgesellschaft (OHG) 2, 321 f. offener Immobilienfonds 48 offene Zession 230 ökonomische Rendite 132 ökonomische Überschuldung 441 Operating-Leasing-Verträge (operating lease) 273 Opportunitätskosten 20 f. Optionsanleihe (warrant) 415 - Disziplinierungseffekt 418 - Vorteile 416 - Wandelanleihe 417 ordentliche Kapitalerhöhung 357 originärer Goodwill 59 overinvestment 220, 225 P Patronatserklärungen 228 Pay-back-Methode 20 Pensionsrückstellung 9 f., 73, 88, 90, 98, 105, 120 ff., 215, 382 f., 406 - Anwartschaftsphase 391 ff. - Rentenphase 391 ff. - Bewertung 391 Pensionssicherungsverein <?page no="470"?> 468 · Sachregister Personensicherheiten 227 Pfandrecht 229 Pfandrechte an Forderungen 230 Pfandrecht an Sachen 229 f. Portefeuille 179, 367, 403 Portefeuillebildung 173 Prinzip der Einzelbewertung 44 prioritätische Dividende 339 Private Equity (PE) 325 - Austritt (Exit) 327 - Frühphasenfinanzierung 326 - Mezzanine-Finanzierungen 326 - Screening 327 - Stufenfinanzierungen 328 Prospekthaftung 251 R raider 333 Rangrücktritt 109, 129 f., 255 ff., 411 Ratentilgung 250, 351 Rating 252, 268 Realsicherheiten 229 Rechnungslegungsvorschriften 368 Reinvestition 207 ff. Rendite (Rentabilität) - Eigenkaptialrendite 116, 125 ff. - Gesamtkaptialrendite 116 ff., 133 ff., 151, 176, 203, 311 - Umsatzrendite 119, 128 f., 243 - ROIC 119 - CFROI 150 - Renditeeffekt 388 f. Rendite nach Steuern 29 Rentenphase 391 Reorganisationsverfahren 439 ff. Reporting Units 56 Residualanspruch 331 residuale Dividende 400 Residualansprüche 347, 422 Residualgewinn 114, 138 - Konzept des Residualgewinnes 141 - Residualprinzip und Unternehmenswertänderung 143 Residualzahlungen 26 Restschuldbefreiung 439 Risiko 126, 157 - Ausfallrisiko 37, 164 ff., 181, 220 ff., 233 ff., 253 f., 258, 268, 306 f. - Begriff des Risikos 157 - Finanzierungs-Leverage-Multiplikator 127 - Finanzierungsrisiko 183, 203, 207, 239, 294, 416 f. - Illiquiditätsrisiko 36, 177, 182, 184 - Insolvenzrisiko 167, 177, 416 - Investitionsrisiko 159, 161, 167, 175 f., 178, 180, 184, 203, 220, 222 ff., 239, 314 - ökonomisches Risiko 235 f. - rechtliches Risiko 235 f. - Umsatzrendite 128 Risikograd 302 f. Risikoneigung 169 - Risikoneutralität 169 Risikoverlagerung 220 Rücklagen - gesetzliche Rücklagen 345 - Gewinnrücklagen 106 - Kapitalrücklagen 63, 87, 191, 335, 360, 367 f., 374 ff. Rückzahlungsbetrag 62, 67, 217, 260, 345, 414 Ruingefahr 167 - Insolvenzrisiko 167 S Sacheinlagen 362 Sachsicherheiten 229, 241 Sale-and-lease-back-Verträge 273 Sanierung, übertragende 439, 442 f. Sanktionsdrohung 422 Schaden, der Altgläubiger 220 f. Schadensbegrenzung 422 f. Schuldendeckungsfähigkeit 60 Schuldscheindarlehen 249 Securitization 263 Selbstfinanzierung → Finanzierung Selbstfinanzierungsspielraum 367 <?page no="471"?> Sachregister · 469 Selbstliquidationsperiode 38 Sicherheiten 166, 217, 226 ff., 252, 254, 265, 302, 315, 374, 431, 436 Sicherheitsäquivalent 170 - Risikoabschlag 171 - Risikoprämie 172 Sicherungsabtretung 230 Sicherungsformen 232 Sicherungsgut 61, 230 ff., 439 f., 444 Sicherungskraft 234 Sicherungsrechte 229, 447 - gesetzliche Sicherungsrechte 227 - Verlängerung von Sicherungsrechten 229 - Vertragliche (rechtsgeschäftliche) Sicherungsrechte 227 Sicherungsübereignung 230 f. - antizipierte Sicherungsübereignung Skonto 122, 265, 437 Sollmasse 435 Sozialplan 444 Sperrminorität 361 Stammaktie → Aktie Stammeinlage 258 Stammkapital 349 f. Standardabweichung 128, 158 Stand-by-Linie 269 Stille Beteiligung 412 Stille Gesellschaft 412 stille Zession 230 Stimmrecht 331, 333 Stimmrechtsbeschränkungen 333 Streuung → Risiko Streuungsmaß 158 f. subordinated debt 411 T Teilbürgschaft 228 Teilschuldverschreibungen (Obligationen) 217 Terminierungsregel 427 theoretische Bilanz 45 Tilgungsstruktur 244 Transaktionskosten 38 f., 177, 250, 252, 351, 400, 423, 433, 437 U Überschuldung 108, 168, 424 - ökonomische Überschuldung 441 Überschuldungsbilanz 411 übertragende Sanierung 442 Umsatzrendite → Rendite Umschlagsgeschwindigkeit 118 - Eigenkapitalrendite 125 - Modifizierte Gesamtkapitalrendite (ROIC) 119 - Umsatzrendite 119 Umwandlungsrecht 417 underinvestment 220, 223 f. Underwriter 269 Unterinvestition 224 Unternehmensbeteiligungsgesellschaft Unternehmensbewertung 44, 145, 446 f. Unternehmens(gesamt)wert 143, 446 f. V Varianz 158 Variationskoeffizient 158 Venture Capital 325 - Venture Capital Gesellschaften 246 - Risiko- oder Wagniskapital 325 Verarbeitungsklausel Verbindungsklausel Verbesserung der Eigenkapitalausstattung 316 - Drei-Stufen-Modell 316 - Ein-Personen-Gründung 317 - kleine AG 316 Verkäuferdarlehen 411 - earn-out-Klauseln 411 - Management buy-outs (MBO) 411 Verlängerung (von Sicherungsabreden) 229, 436 Verlustausgleich, sofortiger, 282 Verlustgefahr 158, 159 Verlustrücktrag 275 <?page no="472"?> 470 · Sachregister Verlustträger, Rangordnung der 5, 354, 446 f. Verlustvortrag 275, 287 Vermögensverschiebungen 221 ff. Verpfändungsanzeige 230 Verschuldungsspielraum (debt capacity) 274, 276, 308 Verschuldungsumfang 181, 240, 309, 395 ff., 426 Verteilungshierarchie 435 Verteilungskosten 435 Vorstand 9 f., 313, 317, 332 ff, 358, 360 ff., 382, 402 Vorzugsaktie → Aktie Vorzugsdividende - kumulative Vorzugsdividende 338 - limitierte Vorzugsdividende 337 f. - Vorzugsdividende mit Nachholung 338 W Wandelanleihe (convertible bond) 414 Wandlungsfrist (conversion period) 415 Wandlungspreis (conversion price) 415 Wandlungsverhältnis (conversion ratio) 415 Wechsel 63, 84, 192, 228, 266 f. Wechselbürgschaft 228 Weighted Average Cost of Capital (WACC) 181 f., 204 f. workout 442, 447 Z Zahlungseinstellung 427 Zahlungsfähigkeit 41, 108, 235, 428 ff. Zahlungsunfähigkeit 168, 424 - drohende Zahlungsunfähigkeit 59, 424, 427, 439, 447, 456 Zero-Bond 260 Zerschlagungsbilanz → Bilanzkonzeptionen Zession - Einzelzession 231 - Forderungszession 230, 436 - Mantelzession 231 ff. - offene Zession 230 - stille Zession 230 - Zessionslisten 231 - Globalzession 231 ff., 351 Zinsfuß, interner 114 f., 132 Zinssatz 21 ff., 46, 102, 115, 122, 158, 163, 165, 167, 173, 175, 177, 181, 183, 203, 221, 233, 245, 253, 261, 263, 269, 275, 278, 180, 286 f., 294, 306, 349, 351, 387, 414, 416 f. 452 - Effektivzins, effektiver Jahreszins 260 f. Zwangsvollstreckung 227 <?page no="473"?> Grundwissen der Ökonomik BWL Herausgegeben von Franz X. Bea und Marcell Schweitzer Bea/ Schweitzer Allgemeine BWL Band 1: Grundfragen 9. A. 2004. € 19,90 (UTB 1081) Bea/ Schweitzer Allgemeine BWL Band 2: Führung 9. A. 2005. € 23,90 (UTB 1082) Bea/ Schweitzer Allgemeine BWL Band 3: Leistungsprozeß 9. A. 2006. € 22,90 (UTB 1083) Bea/ Göbel Organisation 3. A. 2006. € 28,90 (UTB 2077) Bea/ Haas Strategisches Management 4. A. 2005. € 25,90 (UTB 1458) Bea/ Scheurer Projektmanagement 2007. ca. € 19,90 (UTB 2388) Böcker/ Helm Marketing 7. A. 2003. € 25,90 (UTB 919) Brockhoff Produktpolitik 4. A. 1999. € 7,90 (UTB 1079) Büschgen/ Börner Bankbetriebslehre 4. A. 2003. € 24,90 (UTB 917) Coello Arias Espanol para economistas 2002. m. 2 Audio-CD. € 9,90 (UTB 2352) Drukarczyk Finanzierung 9. A. 2003. € 29,90 (UTB 1229) Friedl Controlling 2002. € 28,90 (UTB 2117) Friedl Kostenmanagement 2007. ca. € 24,90 (UTB 2706) Göbel Neue Institutionenökonomik 2002. € 21,90 (UTB 2235) Hansen/ Neumann Arbeitsbuch Wirtschaftsinformatik 7. A. 2007. € 23,90 (UTB 1281) Hansen/ Neumann Wirtschaftsinformatik 1 Grundlagen und Anwendungen 9. A. 2005. € 19,90 (UTB 2669) Hansen/ Neumann Wirtschaftsinformatik 2 Informationstechnik 9. A. 2005. € 21,90 (UTB 2670) Heinhold Kosten- und Erfolgsrechnung 4. Aufl. 2007. € 22,90 (UTB 1974) Stuttgart <?page no="474"?> Grundwissen der Ökonomik BWL Herausgegeben von Franz X. Bea und Marcell Schweitzer Helm/ Gierl Marketing Arbeitsbuch 4. A. 2005. € 15,90 (UTB 1801) Heyd Internationale Rechnungslegung 2003. € 39,90 (UTB 2451) Klimecki/ Gmür Personalmanagement 3. A. 2005. € 24,90 (UTB 2025) Kuhnle Bilanzen 2004. € 22,90 (UTB 2119) Kuß/ Tomczak Käuferverhalten 4. A. 2007. € 19,90 (UTB 1604) Pechtl Preispolitik 2005. € 24,90 (UTB 2643) Perlitz Internationales Management 5. A. 2004. € 29,90 (UTB 1560) Schünemann Wirtschaftsprivatrecht 5. A. 2006. € 29,90 (UTB 1584) Schwarz/ Gebicke Wörterbuch Wirtschaft für Studium und Praxis Deutsch-Russisch/ Russisch-Deutsch 2004. € 24,90 (UTB 2624) Schweiger/ Schrattenecker Werbung 6. 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