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Organisation

Theorie und Gestaltung

0101
2010
978-3-8385-2077-3
UTB 
Prof. Dr. Franz Xaver Bea
Prof. Dr. Elisabeth Göbel

In diesem erfolgreichen Lehrbuch - in 10 Jahren bereits die vierte Auflage - werden sowohl die Theorie der Organisation wie auch die Gestaltung der Organisation behandelt. Im Rahmen der Organisationstheorie werden die wichtigsten organisationstheoretischen Ansätze zur Diskussion gestellt: Der tayloristische Ansatz, der Human-Relations-Ansatz, der institutionenökonomische Ansatz, der evolutionstheoretische Ansatz u.a. Gegenstand der Organisationsgestaltung sind neben der Erörterung von Aufbauorganisation und Ablauforganisation die Analyse und Bewertung von Organisationsmodellen: Funktionale Organisation, Divisionale Organisation, Holding, Matrixorganisation, Prozessorganisation, Teammodelle, Lernende Organisation, Selbstorganisation, Kooperationen, Soziale Verantwortung. Die Bände - Strategisches Management - Organisation - Projektmanagement aus der Reihe Grundwissen der Ökonomik ergänzen sich und können als Einheit angesehen werden. Diese unternehmerischen Handlungsfelder sind häufig sehr eng miteinander verzahnt und es bestehen Wechselabhängigkeiten zwischen ihnen.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Köln · Weimar · Wien Verlag Barbara Budrich · Opladen · Farmington Hills facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft · Stuttgart Mohr Siebeck · Tübingen Orell Füssli Verlag · Zürich Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB 2077 <?page no="2"?> Grundwissen der Ökonomik Betriebswirtschaftslehre Herausgegeben von F. X. Bea, Tübingen M. Schweitzer, Tübingen <?page no="3"?> Lucius & Lucius · Stuttgart Franz Xaver Bea / Elisabeth Göbel Organisation Theorie und Gestaltung 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage <?page no="4"?> 1. Auflage 1999 Nachdruck 2000 2. Auflage 2002 3. Auflage 2006 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http: / / dnb. ddb.de abrufbar ISBN 978-3-8282-0504-8 (Lucius) ISBN 978-3-8252-2077-8 (UTB) © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH · Stuttgart · 2010 Gerokstraße 51 · D-70184 Stuttgart · www.luciusverlag.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Einband: F. Pustet, Regensburg Printed in Germany UTB-Bestellnummer: ISBN 978-3-8252-2077-8 Anschrift der Autoren: Prof. Dr. Elisabeth Göbel Hofberg 10 54296 Trier e-mail: egoebeltr@aol.com Prof. Dr. Franz Xaver Bea Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen Nauklerstr. 47 72074 Tübingen e-mail: franz-xaver.bea@uni-tuebingen.de <?page no="5"?> Vorwort der Herausgeber Für Studierende und Praktiker ist es erfahrungsgemäß eine große Hilfe, wenn ihnen das Wissen eines Faches in einer knappen, systematisch aufbereiteten und leicht fasslichen Form dargeboten wird. Gleichzeitig müssen sie die Gewissheit haben, dass die Inhalte dem gegenwärtigen Erkenntnisstand entsprechen. Diesem Ziel dienen die Uni-Taschenbücher (UTB), die wir in der Reihe „Grundwissen der Ökonomik: Betriebswirtschaftslehre“ herausgeben. Die Themen der Einzeltitel sind so gewählt, dass sie den gesamten Wissensbereich der modernen Betriebswirtschaftslehre abdecken. Als Autoren konnten Hochschullehrer gewonnen werden, die dank der Verschiedenheit von Alter, Herkunft und Wissenschaftsauffassung die Gewähr dafür bieten, dass der Charakter der Reihe von keiner bestimmten Schulrichtung geprägt, sondern ein getreues Abbild der Wissenschaftsvielfalt in der Betriebswirtschaftslehre geboten wird. Eine Besonderheit der Reihe besteht darin, dass Bände, bei denen es sich vom Gegenstand her anbietet, durch Arbeitsbücher ergänzt werden. Diese Studienhilfen dienen vor allem der Vertiefung theoretischer Erörterungen, der Einübung von Wissen und der Anwendung des Erlernten auf praktische Fälle. Mit diesem Konzept ist zugleich die Chance verbunden, die Tätigkeit von Dozenten didaktisch und methodisch zu unterstützen und sie von Arbeiten zu befreien, deren Erledigung zwangsläufig zu Lasten vordringlicher Aufgaben ginge. Der Leser sei abschließend auf zwei Titel der Reihe hingewiesen, die wir als Basis-Lehrangebote konzipiert haben: die dreibändige „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ und das neue „BWL-Lexikon“. Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, von einem Expertenteam verfasst, bildet die Klammer um die Einzeltitel der Reihe und bezweckt eine systematische und branchenunabhängige (allgemeine) Einführung in das Fach. Ergänzend ermöglicht das neue UTB-Lexikon mit über 2000 Stichwörtern für alle Titel der Reihe eine kurze und leicht fassliche Klärung von Einzelproblemen. Es kann als fallweise Suchhilfe oder begleitend im laufenden Lernprozess eingesetzt werden. Tübingen, März 2010 F. X. Bea M. Schweitzer <?page no="6"?> Einführung · VII Einführung 1 Zielgruppe und Aufbau Dieses Buch wendet sich an drei Zielgruppen: (1) Studenten, die sich mit dem Thema „Organisation“ insgesamt oder mit einzelnen Aspekten, wie etwa den Organisationsmodellen beschäftigen wollen. (2) Praktiker, die eine Aktualisierung ihres Wissenstandes zur Organisation anstreben. (3) Forscher, die Anregungen von der hier vertretenen Konzeption, insbesondere der Verbindung von Theorie und Gestaltung der Organisation, erhalten möchten. Das Lehrbuch besteht aus vier Teilen: (1) Im ersten Teil werden die Grundlagen gelegt. Auf eine Erörterung der Organisationsbegriffe folgt eine Darstellung der Ziele und Aufgaben sowie des Managements der Organisation. (2) Teil zwei ist der Organisationstheorie gewidmet. Nach einer Beschreibung von Aufgaben und Methoden der Organisationstheorie erfolgt eine gründliche Erörterung der organisationstheoretischen Ansätze. Diese Ausführlichkeit ist deswegen erforderlich, weil keiner der Ansätze für sich in Anspruch nehmen kann, der einzig richtige zu sein, vielmehr sind alle Ansätze für bestimmte Gestaltungsfragen nützlich. (3) Im dritten Teil wird die Organisationsgestaltung dargestellt. Sie baut auf der Organisationstheorie auf. Erörtert werden insbesondere die Aufbauorganisation, die Ablauforganisation, traditionelle Organisationsmodelle und neue Organisationsmodelle wie die Prozessorganisation, Teammodelle, Selbstorganisation, die lernende Organisation, die Kooperationsmodelle sowie das Modell der sozialen Verantwortung. (4) Teil vier beschäftigt sich mit dem Wandel von Organisationen. Er ist die Folge der Änderungen in den Bedingungen für die Organisation. Der integrative Charakter der Konzeption dieses Lehrbuches wird durch die folgende Abbildung zum Ausdruck gebracht. Sie führt als „Logo“ durch das Buch und leitet die jeweiligen Teile ein. <?page no="7"?> VIII · Einführung TEIL 1 GRUNDLAGEN Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation TEIL 2 ORGANISATIONSTHEORIE Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze TEIL 3 ORGANISATIONSGESTALTUNG Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Am Ende des Buches werden die zentralen Aspekte nochmals kurz zusammengefasst und ein Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen im Bereich der Organisation gewagt. <?page no="8"?> Einführung · IX 2 Empfehlung für die Benutzung Das Lehrbuch stellt eine geschlossene Konzeption dar. Trotz der Geschlossenheit ist es für den Leser ohne weiteres möglich, einzelne Teile, beispielsweise die Modelle der Organisation oder den Wandel von Organisationen, separat und isoliert zu betrachten. Um das Lernen mit diesem Buch interessanter und effizienter zu gestalten, möchten wir dem Leser folgende Anregungen und Hinweise geben: (1) Die einzelnen Teile weisen die folgende identische Struktur auf: • Einführung durch ein Logo • Hauptteil mit optischer Hervorhebung von Definitionen und Kernaussagen. Praxisbeispiele. • Schluss mit - Fragen zur Wiederholung, die anhand der Abschnittsangaben eine Überprüfung des Wissens ermöglichen, - Fragen zur Vertiefung, die dem interessierten Leser weitere Zusammenhänge und offene Probleme erschließen und - Literaturempfehlungen, welche die wichtigste Literatur zum intensiven Studium sachlich geordnet umfassen. (2) Lernen Sie nicht auswendig, sondern versuchen Sie zu verstehen. Die Fragen zur Wiederholung und zur Vertiefung sowie die Beispiele aus der Unternehmenspraxis sollen dieses Verstehen unterstützen und erleichtern. (3) Wenngleich wir versucht haben, weitgehend „gesichertes Wissen“ zu vermitteln, so seien Sie doch stets um eine kritische Reflexion der Inhalte bemüht. Nehmen Sie dazu auch die Literaturempfehlungen jeweils am Ende der Kapitel wahr. 3 Veränderungen gegenüber der 3. Auflage Die Neuauflage haben wir genutzt, um das Lehrbuch auf den neuesten Stand des Wissens zu bringen. Neben einer Aktualisierung von Zahlen und Fakten haben wir vor allem aktuelle Diskussionen aufgegriffen und verarbeitet. Zu nennen sind u.a. folgende Themen: Der Strukturationsansatz von Giddens, Balanced Scorecard, Wissensmanagement, Virtuelle Organisationen, Motivation der Organisationsmitglieder, Netzwerkorganisation, Communities of Practice, neuere Entwicklungen in der Corporate Governance, die Debatte um die Un- <?page no="9"?> X · Einführung ternehmensethik und die soziale Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility) sowie deren Folgen für die Organisation (Compliance- und Integrity-Strukturen). 4 Die Verfasser Das Buch wurde von uns in mehrjähriger Teamarbeit geschrieben. Wenngleich zunächst Schwerpunkte bei der Bearbeitung der einzelnen Teile gesetzt wurden, so ist das Endprodukt letztlich doch ein Gemeinschaftswerk geworden. Die vorliegende Arbeit basiert auf Erfahrung, die in einer langen Reihe von Lehrveranstaltungen mit Studenten und Seminaren mit Praktikern gesammelt worden ist. Wichtige Erkenntnisse lieferte uns auch eine Vielzahl von theoretisch wie empirisch ausgerichteten Diplomarbeiten und Dissertationen, die wir im Laufe der letzten Jahre betreut haben. Schließlich baut dieses Buch auf der inzwischen reichhaltigen Literatur zur Organisation und angrenzenden Gebieten auf. Insofern ist es notwendig, den Kreis der Verfasser weiter zu ziehen und ihnen allen zu danken. Herzlichen Dank sprechen wir insbesondere Frau Diplom-Kauffrau Sabine Hesselmann für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die überaus sorgfältige Erledigung aller schreibtechnischen Arbeiten aus. Danken möchten wir auch unserem Verleger, Herrn Professor Dr. von Lucius, für die langjährige, stets angenehme und effiziente Zusammenarbeit. Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, ein Buch zu verfassen, das den Anforderungen der einzelnen Zielgruppen entspricht. Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge jeglicher Art bedanken wir uns im Voraus. Adressen: Professor Dr. Franz Xaver Bea Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen, Nauklerstr. 47, 72074 Tübingen, Fax: 07071/ 68 77 98, e-mail: franz-xaver.bea@unituebingen.de Professorin Dr. Elisabeth Göbel Hofberg 10, 54296 Trier, e-mail: egoebeltr@aol.com <?page no="10"?> Einführung · XI Franz Xaver Bea (geb. 1937): Früherer Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Planung und Organisation, an der Universität Tübingen. Forschungsschwerpunkte: Strategisches Management, Projektmanagement, Organisation. Elisabeth Göbel (geb. 1956): apl. Professorin an der Universität Trier, Forschungsschwerpunkte: Organisation, Strategisches Management, Wirtschaftsethik, Neue Institutionenökonomik. <?page no="11"?> Inhaltsübersicht Teil 1: Grundlagen..........................................................................1 Kapitel 1: Begriff der Organisation ............................................................. 2 Kapitel 2: Ziele der Organisation .............................................................. 10 Kapitel 3: Aufgaben der Organisation ...................................................... 20 Kapitel 4: Management der Organisation................................................. 25 Teil 2: Organisationstheorie ........................................................31 Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung ..................................................... 32 Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze ......................................... 55 Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung......................................................... 227 Teil 3: Organisationsgestaltung................................................245 Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung ...... 246 Kapitel 9: Organisationseinheiten........................................................... 263 Kapitel 10: Aufbauorganisation ................................................................ 288 Kapitel 11: Ablauforganisation.................................................................. 329 Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle........................................ 359 Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle ............................ 393 Teil 4: Wandel von Organisationen...........................................451 Kapitel 14: Ursachen des Wandels .......................................................... 452 Kapitel 15: Formen und Management des Wandels ................................ 484 Zusammenfassung und Ausblick................................................................ 511 Literaturverzeichnis..................................................................................... 515 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 542 <?page no="12"?> Inhaltsverzeichnis Teil 1: Grundlagen..........................................................................1 Kapitel 1: Begriff der Organisation ....................................................2 1 Prozessorientierter Organisationsbegriff ............................................... 3 2 Instrumenteller Organisationsbegriff...................................................... 5 3 Institutioneller Organisationsbegriff....................................................... 5 4 Synthese....................................................................................................... 7 * Fragen zur Wiederholung ........................................................................... 9 * Fragen zur Vertiefung ................................................................................. 9 * Literaturempfehlungen ............................................................................... 9 Kapitel 2: Ziele der Organisation ..................................................... 10 1 Ermittlung von Zielen............................................................................. 10 2 Kriterien der Effektivität ........................................................................ 11 3 Realisierung der Effektivität................................................................... 15 * Fragen zur Wiederholung ......................................................................... 18 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................... 18 * Literaturempfehlungen ............................................................................. 19 Kapitel 3: Aufgaben der Organisation .............................................. 20 1 Gestaltung der Unternehmensstruktur................................................. 20 2 Gestaltung der Unternehmensentwicklung ......................................... 21 * Fragen zur Wiederholung ......................................................................... 24 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................... 24 * Literaturempfehlung ................................................................................. 24 Kapitel 4: Management der Organisation ........................................ 25 1 Organisatorische Regeln ......................................................................... 25 2 Techniken der Organisation................................................................... 26 * Fragen zur Wiederholung ......................................................................... 30 <?page no="13"?> XIV · Inhaltsverzeichnis * Fragen zur Vertiefung ............................................................................... 30 * Literaturempfehlungen ............................................................................. 30 Teil 2: Organisationstheorie ........................................................31 Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung............................................. 32 1 Aufgaben der Organisationstheorie ...................................................... 32 2 Methoden der Organisationsforschung................................................ 33 2.1 Arten von Methoden ................................................................... 33 2.2 Hermeneutik ................................................................................. 35 2.3 Analytisch-deduktive Methode .................................................. 40 2.4 Induktion ....................................................................................... 42 2.5 Hypothetisch-deduktive Methode ............................................. 43 2.6 Ansätze .......................................................................................... 51 * Fragen zur Wiederholung ......................................................................... 53 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................... 53 * Literaturempfehlungen ............................................................................. 54 Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze ................................. 55 1 Systematik ................................................................................................. 55 2 Der Bürokratieansatz............................................................................... 57 2.1 Vertreter und wichtige Quellen.................................................. 57 2.2 Organisationsbegriff und Metapher .......................................... 58 2.3 Zentrale Aussagen........................................................................ 59 2.4 Menschenbild................................................................................ 62 2.5 Methoden ...................................................................................... 63 2.6 Aktuelle Bedeutung...................................................................... 65 3 Der tayloristische Ansatz ........................................................................ 68 3.1 Vertreter und wichtige Quellen.................................................. 68 3.2 Organisationsbegriff und Metapher .......................................... 69 3.3 Zentrale Aussagen........................................................................ 70 3.4 Menschenbild................................................................................ 73 <?page no="14"?> Inhaltsverzeichnis · XV 3.5 Methoden ...................................................................................... 74 3.6 Aktuelle Bedeutung...................................................................... 75 4 Der Human-Relations-Ansatz ............................................................... 77 4.1 Vertreter und wichtige Quellen.................................................. 77 4.2 Organisationsbegriff und Metapher .......................................... 78 4.3 Zentrale Aussagen........................................................................ 79 4.4 Menschenbild................................................................................ 82 4.5 Methoden ...................................................................................... 82 4.6 Aktuelle Bedeutung...................................................................... 84 5 Der strukturtechnische Ansatz .............................................................. 87 5.1 Vertreter und wichtige Quellen.................................................. 87 5.2 Organisationsbegriff und Metapher .......................................... 88 5.3 Zentrale Aussagen........................................................................ 89 5.4 Menschenbild................................................................................ 92 5.5 Methoden ...................................................................................... 93 5.6 Aktuelle Bedeutung...................................................................... 94 6 Der situative Ansatz ................................................................................ 96 6.1 Vertreter und wichtige Quellen.................................................. 97 6.2 Organisationsbegriff und Metapher .......................................... 98 6.3 Zentrale Aussagen........................................................................ 99 6.4 Menschenbild..............................................................................105 6.5 Methoden ....................................................................................106 6.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................110 7 Der entscheidungstheoretische Ansatz ..............................................113 7.1 Vertreter und wichtige Quellen................................................114 7.2 Organisationsbegriff und Metapher ........................................115 7.3 Zentrale Aussagen......................................................................117 7.3.1 Entscheidungslogischer Ansatz ............................................ 117 7.3.2 Entscheidungsprozessorientierter Ansatz ........................... 122 7.4 Menschenbild..............................................................................125 7.5 Methoden ....................................................................................126 7.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................128 <?page no="15"?> XVI · Inhaltsverzeichnis 8 Der institutionenökonomische Ansatz...............................................131 8.1 Vertreter und wichtige Quellen................................................132 8.2 Organisationsbegriff und Metapher ........................................135 8.3 Zentrale Aussagen......................................................................136 8.3.1 Der Property-Rights-Ansatz.................................................. 136 8.3.1.1 Verfügungsrechte.............................................................. 136 8.3.1.2 Anreizwirkungen............................................................... 137 8.3.2 Der Transaktionskosten-Ansatz ........................................... 139 8.3.2.1 Transaktionskosten .......................................................... 139 8.3.2.2 Die Institution „Unternehmung“ .................................. 140 8.3.2.3 Markt oder Hierarchie ..................................................... 140 8.3.3 Der Principal-Agent-Ansatz .................................................. 145 8.3.3.1 Verhältnis von Prinzipal und Agent .............................. 145 8.3.3.2 Lösung des Agenturproblems ........................................ 148 8.4 Menschenbild..............................................................................150 8.5 Methoden ....................................................................................152 8.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................153 9 Der evolutionstheoretische Ansatz .....................................................158 9.1 Vertreter und wichtige Quellen................................................159 9.2 Organisationsbegriff und Metapher ........................................160 9.3 Zentrale Aussagen......................................................................161 9.3.1 Grundprinzipien der Evolution ............................................ 161 9.3.2 Populationsorientierte Evolutionstheorie ........................... 162 9.3.3 Unternehmensorientierte Evolutionstheorie ...................... 163 9.4 Menschenbild..............................................................................164 9.5 Methoden ....................................................................................165 9.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................169 10 Der interpretative Ansatz .....................................................................172 10.1 Vertreter und wichtige Quellen................................................172 10.2 Organisationsbegriff und Metapher ........................................173 10.3 Zentrale Aussagen......................................................................174 10.4 Menschenbild..............................................................................176 10.5 Methoden ....................................................................................178 10.5.1 Grundannahmen ..................................................................... 178 10.5.2 Prozesstheorien ....................................................................... 179 10.5.3 Inhaltstheorien......................................................................... 180 <?page no="16"?> Inhaltsverzeichnis · XVII 10.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................181 11 Der Selbstorganisationsansatz .............................................................184 11.1 Vertreter und wichtige Quellen................................................185 11.2 Organisationsbegriff und Metapher ........................................185 11.3 Zentrale Aussagen......................................................................187 11.3.1 Autonome und autogene Ordnungsbildung....................... 187 11.3.2 Normierungsbereiche ............................................................. 189 11.4 Menschenbild..............................................................................192 11.5 Methoden ....................................................................................194 11.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................195 12 Der Strukturationsansatz ......................................................................197 12.1 Vertreter und wichtige Quellen................................................197 12.2 Organisationsbegriff und Metapher ........................................198 12.3 Zentrale Aussagen......................................................................200 12.3.1 Dualität von Struktur.............................................................. 200 12.3.2 Struktur als Regeln und Ressourcen .................................... 201 12.3.3 Typen von Institutionen ........................................................ 203 12.4 Menschenbild..............................................................................206 12.5 Methoden ....................................................................................207 12.6 Aktuelle Bedeutung....................................................................209 13 Überblick über die organisationstheoretischen Ansätze..................212 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 216 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 221 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 226 Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung..................................... 227 1 Synopse der organisationstheoretischen Ansätze .............................227 2 Kombination der organisationstheoretischen Ansätze ....................231 2.1 Realistische versus konstruktivistische Position....................232 2.2 Positivistische versus anti-positivistische Position ...............233 2.3 Deterministische versus voluntaristische Position................234 2.4 Nomothetische versus idiographische Position ....................235 3 Aktuelle Bedeutung der organisationstheoretischen Ansätze .........238 <?page no="17"?> XVIII · Inhaltsverzeichnis * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 243 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 243 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 244 Teil 3: Organisationsgestaltung................................................245 Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung ................................................ 246 1 Das Leistungsziel ...................................................................................246 2 Die Gestaltungsbereiche der Organisation ........................................247 3 Elemente der Aufbauorganisation ......................................................248 3.1 Die Aufgabe ................................................................................248 3.2 Aufgabenanalyse.........................................................................251 3.3 Aufgabensynthese ......................................................................254 3.4 Aufgabenverteilung....................................................................256 4 Elemente der Ablauforganisation........................................................257 4.1 Arbeitsorganisation ....................................................................258 4.1.1 Arbeitsanalyse .......................................................................... 258 4.1.2 Arbeitssynthese........................................................................ 258 4.2 Prozessorganisation ...................................................................259 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 261 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 261 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 262 Kapitel 9: Organisationseinheiten .................................................. 263 1 Arten von Organisationseinheiten ......................................................263 1.1 Stellen...........................................................................................264 1.1.1 Instanz ...................................................................................... 265 1.1.2 Ausführungsstelle.................................................................... 266 1.1.3 Stab............................................................................................ 266 1.1.4 Dienstleistungsstelle ............................................................... 268 1.2 Stellenmehrheiten.......................................................................268 1.2.1 Abteilung .................................................................................. 269 1.2.2 Ausschuss ................................................................................. 271 <?page no="18"?> Inhaltsverzeichnis · XIX 1.2.3 Gruppe...................................................................................... 273 2 Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten.....................276 2.1 Beschaffenheit der Aufgabe .....................................................276 2.2 Eigenschaften der Aktionsträger .............................................277 2.3 Eigenschaften der Sachmittel ...................................................279 2.4 Recht der Unternehmensverfassung .......................................279 2.4.1 Aufgaben der Unternehmensverfassung ............................. 279 2.4.2 Personengesellschaften........................................................... 280 2.4.3 Kapitalgesellschaften .............................................................. 281 2.4.4 Corporate Governance........................................................... 284 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 286 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 286 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 287 Kapitel 10: Aufbauorganisation ........................................................ 288 1 Gegenstand der Aufbauorganisation ..................................................288 2 Gestaltungsparameter............................................................................289 2.1 Spezialisierung ............................................................................289 2.1.1 Grad der Spezialisierung ........................................................ 290 2.1.2 Art der Spezialisierung ........................................................... 291 2.2 Delegation ...................................................................................293 2.2.1 Begriff der Delegation ............................................................ 293 2.2.2 Prinzipien und Regeln der Delegation................................. 295 2.2.3 Vorteile und Nachteile der Delegation ................................ 296 2.3 Koordination ..............................................................................297 2.3.1 Instrumente der Fremdkoordination ................................... 298 2.3.1.1 Koordination durch persönliche Weisung.................... 299 2.3.1.2 Koordination durch Programme ................................... 303 2.3.1.3 Koordination durch Pläne............................................... 303 2.3.2 Instrumente der Selbstkoordination .................................... 304 2.3.2.1 Koordination durch Selbstabstimmung ........................ 304 2.3.2.2 Koordination durch Märkte............................................ 306 2.3.2.3 Koordination durch Unternehmenskultur ................... 307 2.3.2.4 Koordination durch Professionalisierung..................... 310 2.4 Konfiguration .............................................................................311 <?page no="19"?> XX · Inhaltsverzeichnis 2.4.1 Klassische Konfigurationen .................................................. 311 2.4.2 Die Konfigurationen nach Mintzberg ................................. 312 2.4.2.1 Grundbausteine der Organisation.................................. 312 2.4.2.2 Konfigurationstypen ........................................................ 313 3 Motivation...............................................................................................317 3.1 Motivationsziele .........................................................................317 3.2 Motivationstheorien...................................................................318 3.3 Bedürfnisgerechte Aufbauorganisation ..................................319 3.4 Anreiz- und kontrollgerechte Aufbauorganisation ...............322 3.4.1 Theoretische Grundlagen ...................................................... 322 3.4.2 Gestaltungsprobleme.............................................................. 324 3.5 Fazit..............................................................................................326 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 327 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 328 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 328 Kapitel 11: Ablauforganisation ......................................................... 329 1 Gegenstand der Ablauforganisation ...................................................329 2 Ziele der Ablauforganisation................................................................330 2.1 Effizienz der Ressourcennutzung............................................330 2.2 Steigerung der Motivation ........................................................331 2.3 Erhöhung der Flexibilität..........................................................332 3 Ablauforganisation als Arbeitsorganisation .......................................333 3.1 Gegenstand der Arbeitsorganisation.......................................333 3.2 Ablauforganisation der Fertigung............................................334 3.2.1 Arbeitsanalyse und personale Zuordnung .......................... 334 3.2.2 Zeitliche Strukturierung ......................................................... 337 3.2.2.1 Reihenfolgeplanung.......................................................... 337 3.2.2.2 Durchlaufterminplanung und Kapazitätsplanung ....... 338 3.2.2.3 Computergestütztes Produktionsplanungs- und Steuerungssystem...................................................... 341 3.2.3 Räumliche Anordnung ........................................................... 342 3.2.3.1 Werkstattfertigung ............................................................ 344 3.2.3.2 Fließfertigung .................................................................... 344 3.2.3.3 Gruppenfertigung ............................................................. 346 <?page no="20"?> Inhaltsverzeichnis · XXI 3.3 Ablauforganisation der Büroarbeit ..........................................347 3.3.1 Personale, zeitliche und räumliche Strukturierung ............ 347 3.3.2 Die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie ................................................ 350 4 Ablauforganisation als Prozessorganisation ......................................352 4.1 Wachsende Bedeutung der Ablauforganisation ....................352 4.2 Prozessorganisation statt Arbeitsorganisation.......................352 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 357 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 358 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 358 Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle .............................. 359 1 Gestaltungsmöglichkeiten.....................................................................359 2 Funktionale Organisation .....................................................................360 2.1 Merkmale .....................................................................................361 2.1.1 Verrichtungsprinzip ................................................................ 361 2.1.2 Einliniensystem ....................................................................... 362 2.1.3 Zentralisation ........................................................................... 362 2.2 Vorteile, Nachteile .....................................................................363 3 Divisionale Organisation ......................................................................364 3.1 Merkmale .....................................................................................365 3.1.1 Objektprinzip........................................................................... 365 3.1.2 Dezentralisation durch Center-Konzepte ........................... 367 3.1.3 Mehrliniensystem .................................................................... 369 3.2 Vorteile, Nachteile .....................................................................370 3.3 Weiterentwicklung der Divisionalen Organisation zur Holding .................................................................................372 3.3.1 Entstehung der Holding ........................................................ 372 3.3.2 Begriff und Arten der Holding ............................................. 373 3.3.3 Koordination in der Holding ................................................ 375 3.3.4 Vorteile, Nachteile .................................................................. 376 4 Matrixorganisation .................................................................................378 4.1 Merkmale .....................................................................................378 4.1.1 Mehrdimensionalität ............................................................... 378 4.1.2 Mehrliniensystem .................................................................... 380 <?page no="21"?> XXII · Inhaltsverzeichnis 4.1.3 Dezentralisation....................................................................... 381 4.2 Vorteile, Nachteile .....................................................................381 5 Sekundärorganisation ............................................................................383 5.1 Begriff ..........................................................................................383 5.2 Formen ........................................................................................384 5.2.1 Produktmanagement .............................................................. 384 5.2.2 Key-Account-Management ................................................... 384 5.2..3 Projektmanagement ................................................................ 385 6 Zusammenfassung .................................................................................387 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 390 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 391 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 392 Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle .................. 393 1 Trends ......................................................................................................393 1.1 Trends als Fortschritt oder Moden .........................................393 1.2 Prozessorientierung ...................................................................395 1.3 Teamorientierung .......................................................................397 1.4 Empowerment............................................................................398 1.5 Dynamisierung............................................................................400 1.6 Entgrenzung................................................................................401 1.7 Corporate Social Responsibility ...............................................403 2 Neue Organisationsmodelle .................................................................406 2.1 Prozessorganisation ...................................................................406 2.1.1 Grundidee ................................................................................ 406 2.1.2 Business Reengineering .......................................................... 408 2.2 Teamorganisation.......................................................................410 2.2.1 Teilautonome Arbeitsgruppen .............................................. 410 2.2.2 Qualitätszirkel .......................................................................... 411 2.2.3 Projektgruppen ........................................................................ 412 2.2.4 Team-Work-Management...................................................... 413 2.3 Selbstorganisation ......................................................................415 2.3.1 Autonome Selbstorganisation ............................................... 415 2.3.2 Autogene Selbstorganisation ................................................. 417 <?page no="22"?> Inhaltsverzeichnis · XXIII 2.4 Lernende Organisation..............................................................420 2.5 Kooperationen............................................................................423 2.5.1 Interorganisationale Beziehungen zwischen Markt und Hierarchie ............................................................. 423 2.5.2 Vertikale Kooperationen........................................................ 425 2.5.3 Horizontale Kooperationen .................................................. 431 2.5.4 Laterale Kooperationen ......................................................... 433 2.5.5 Joint Venture ........................................................................... 434 2.5.6 Virtuelle Organisation ............................................................ 434 2.6 Integrity- und Compliance-Strukturen....................................438 2.6.1 Abbau organisationaler Verantwortungsbarrieren durch Schaffung von Integrity-Strukturen .......................... 439 2.6.2 Aufbau organisationaler Unterstützungspotenziale durch Einrichtung von Compliance-Stellen ....................... 440 3 Von traditionellen zu neuen Organisationsmodellen.......................446 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 447 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 448 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 449 Teil 4: Wandel von Organisationen...........................................451 Kapitel 14: Ursachen des Wandels ................................................... 452 1 Die Fit-Hypothese .................................................................................452 2 Externe Einflussfaktoren......................................................................456 2.1 Markt ............................................................................................456 2.2 Gesellschaft .................................................................................458 2.3 Recht ............................................................................................460 3 Interne Einflussfaktoren .......................................................................464 3.1 Zielsystem des Unternehmens .................................................464 3.1.1 Bedeutung des Zielsystems für die Organisation............... 464 3.1.2 Unternehmenswertorientierte Organisation ....................... 465 3.1.3 Nonprofit-Organisationen..................................................... 467 3.2 Strategie des Unternehmens .....................................................470 3.3 Technologie.................................................................................476 3.3.1 Fertigungstechnologie ............................................................ 476 <?page no="23"?> XXIV · Inhaltsverzeichnis 3.3.2 Informationstechnologie........................................................ 478 3.4 Unternehmenskultur..................................................................479 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 482 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 482 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 483 Kapitel 15: Formen und Management des Wandels ........................ 484 1 Formen des Wandels .............................................................................484 1.1 Geplanter Wandel ......................................................................484 1.1.1 Reorganisation ......................................................................... 485 1.1.2 Organisationsentwicklung...................................................... 486 1.1.3 Change Management .............................................................. 487 1.2 Ungeplanter Wandel ..................................................................488 2 Management des geplanten Wandels ..................................................491 2.1 Effektivitätssteigerung als übergeordnetes Reorganisationsziel ...................................................................491 2.2 Auslöser für Reorganisationen .................................................493 2.3 Organisation der Reorganisation .............................................494 2.3.1 Modelle der Projektorganisation........................................... 494 2.3.2 Überblick über die Projektphasen ........................................ 495 2.3.3 Projektplanung ........................................................................ 496 2.3.4 Projektumsetzung ................................................................... 497 2.3.5 Projektkontrolle....................................................................... 499 2.4 Hindernisse beim geplanten Wandel.......................................501 2.4.1 Überblick .................................................................................. 501 2.4.2 Unternehmensinterne Widerstände ..................................... 501 2.4.3 Unternehmensexterne Widerstände ..................................... 503 2.5 Kritik am Modell des geplanten Wandels ..............................503 3 Management des ungeplanten Wandels .............................................504 3.1 Gelenkte Evolution....................................................................505 3.2 Gestaltung des Lernkontextes..................................................506 * Fragen zur Wiederholung ....................................................................... 508 * Fragen zur Vertiefung ............................................................................. 508 * Literaturempfehlungen ........................................................................... 509 <?page no="24"?> Inhaltsverzeichnis · XXV Zusammenfassung und Ausblick .....................................................511 Literaturverzeichnis .......................................................................... 515 Stichwortverzeichnis ......................................................................... 542 <?page no="26"?> Teil 1: Grundlagen TEIL 1 GRUNDLAGEN Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation TEIL 2 ORGANISATIONSTHEORIE Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze TEIL 3 ORGANISATIONSGESTALTUNG Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK <?page no="27"?> Kapitel 1: Begriff der Organisation 1 Prozessorientierter Organisationsbegriff 2 Instrumenteller Organisationsbegriff 3 Institutioneller Organisationsbegriff 4 Synthese Wer ein Lehrbuch zur Organisation aufschlägt, erwartet als Erstes eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes. Die Frage „Was ist Organisation“ lässt sich aber weder einfach noch erschöpfend beantworten. Organisation wird in jedem Fall mit der Zunahme von Ordnung in Verbindung gebracht. Ordnung reduziert Komplexität, schränkt also Möglichkeiten ein und erleichtert damit die Orientierung. Wenn Ordnung herrscht, wissen wir bspw. auf Anhieb, wo etwas zu finden ist, wir können bestimmte Entwicklungsmuster vorhersehen und uns allgemein auf die Stabilität der Verhältnisse verlassen. Auf soziale Interaktion bezogen meint „Ordnung“ speziell, dass man richtige oder doch wahrscheinlich richtige Erwartungen bezüglich der Handlungen von anderen Personen ausbilden kann. Sie verhalten sich innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite regelmäßig genug, dass eine Koordination von Handlungen möglich ist und Pläne wirksam verfolgt werden können. Da Menschen anders als Tiere nicht instinktgesteuert verlässlich handeln, muss eine solche Verhaltensregelmäßigkeit von den Menschen selbst (bewusst) erzeugt werden. Die Menschen bilden zur ordnenden Gestaltung ihrer Interaktionen Institutionen aus. Darunter versteht man relativ stabile und für einen größeren Kreis von Menschen verbindliche Systeme von formalen und informellen Regeln einschließlich der Vorkehrungen zu deren Durchsetzung. Als Institutionen bezeichnet man zugleich auch abgrenzbare soziale Systeme, denen ein bestimmtes Regelsystem zugrunde liegt (vgl. Göbel [Institutionenökonomik] 2f.). So stellen bspw. die Sprache, das Familienrecht und das Aktiengesetz Institutionen dar, aber auch eine Sprachschule, die Familie und die Aktiengesellschaft sind Institutionen. In unserer hochkomplexen arbeitsteiligen Wirtschaft sind ordnungsstiftende Institutionen von enormer Bedeutung. Die Betriebswirtschaftslehre interessiert sich insbesondere für die Entstehung und Wirkung von geordneter Interaktion in Unternehmen. <?page no="28"?> Prozessorientierter Organisationsbegriff · 3 Mit Organisation kann nun erstens eine besondere Klasse von geordneten sozialen Systemen gemeint sein, zu der auch die Unternehmung gehört (institutioneller Organisationsbegriff). Man sagt auch, die Unternehmung ist eine Organisation. Zweitens wird auch das System der formalen (und informalen) Regeln, welches in einer Unternehmung für Ordnung sorgt, als Organisation bezeichnet (instrumenteller Organisationsbegriff). In diesem Sinne hat die Unternehmung eine Organisation. Schließlich kann drittens auch der Prozess der Ordnungsentstehung im Unternehmen als Organisation bezeichnet werden (prozessorientierter Organisationsbegriff). Im Unternehmen findet Organisation statt. Es gibt also nicht den Begriff der Organisation, sondern unterschiedliche Begriffe. Wir unterscheiden den • prozessorientierten Organisationsbegriff, • instrumentellen Organisationsbegriff und • institutionellen Organisationsbegriff. 1 Prozessorientierter Organisationsbegriff Betrachtet man Organisation als Prozess, dann interessiert man sich für den Vorgang der Ordnungsentstehung im Unternehmen. Für die meisten Menschen sei klar, dass eine Ordnung im Allgemeinen und die funktionale Ordnung in einer Unternehmung im Besonderen nur das Ergebnis „der ordnenden Tätigkeit eines ordnenden Wesens“ sein könne, meint Hayek ([Studien] 32f.). Er bezeichnet diese ordnende Tätigkeit als Organisation und versteht darunter das bewusste und zielorientierte Strukturieren (der Unternehmung) durch bestimmte autorisierte Personen. Diese „Organisatoren“ geben den anderen Organisationsmitgliedern eine verbindliche Ordnung vor, welche sie zuvor in einem rationalen Denkprozess zur Erreichung der Unternehmensziele optimiert haben. Es wird bspw. auf Dauer verbindlich festgelegt, wer wann und wo eine bestimmte Aufgabe erledigen soll. Die dauerhafte Vorregelung kann situativ durch Befehle ergänzt werden, was man als Disposition bezeichnet. Die Organisationsmitglieder übernehmen diese Vorgaben - das ist die Annahme - richtig und vollständig; sie lassen sich also organisieren. Für die Ordnungsbildung durch Organisation sind nach dieser engen Auslegung zwei Merkmale typisch: <?page no="29"?> 4 · Kapitel 1: Begriff der Organisation • Die Ordnung wird planvoll und bewusst, „rational“ hergestellt und • sie wird zentral angeordnet, nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Dieses Konzept der „rationalen Fremdorganisation“ war für die betriebswirtschaftliche Organisationslehre lange Zeit maßgeblich und dominiert im Grunde auch heute noch. Auf Schwächen dieses Konzeptes wurde aber auch schon früh hingewiesen. So ergaben etwa die „Hawthorne-Studien“ (1924-1932; vgl. S. 79ff.), dass die Organisationsmitglieder die vorgegebenen formalen Regeln unterlaufen und sie durch eigene Regeln ersetzen bzw. ergänzen. Die dadurch entstehende informale Organisation ändert bzw. ergänzt die formale Ordnung. Die in einem Unternehmen entstehende Ordnung kann also nicht problemlos als eine von Organisatoren entworfene „Blaupause“ identifiziert werden. Offensichtlich wirken die Organisationsmitglieder auch selbstbestimmt an der sie betreffenden Ordnung mit, was heute mit dem Begriff der „autonomen Selbstorganisation“ erfasst wird. Kann man den Gehorsam der Organisationsmitglieder nicht einfach voraussetzen, dann wird die Frage wichtig, wie man sie zur Aufgabenerfüllung motivieren kann. Aber nicht nur die unbeschränkte Gültigkeit des Prinzips von Befehl und Gehorsam wird in Zweifel gezogen, sondern auch, dass die Ordnungsbildung immer das Ergebnis rationaler Planung und Entscheidung ist. Regelmäßigkeiten und Muster im Verhalten, die zu stabilen Erwartungen führen, können sich auch wie „von selbst“ bilden. Was für die Institutionen im Allgemeinen gilt, nämlich dass sie auch im Laufe der Zeit quasi naturwüchsig entstehen, ohne bewusste Planung, das gilt auch für viele Ordnungselemente in Unternehmen. Solche selbsttätigen Prozesse der Ordnungsentstehung, bspw. durch Evolution, kann man als „autogene Selbstorganisation“ bezeichnen. Während früher der Begriff Organisation für die rationale Fremdorganisation reserviert war, wird heute oft „alles, was für eine Ordnung verantwortlich zeichnet“, als Organisation angesehen (vgl. Probst [Selbst-Organisation] 9). Ein solches prozessorientiertes, an der Entstehung und dem Wandel von Ordnung im Unternehmen interessiertes Organisationsverständnis ist z.Zt. deshalb sehr aktuell, weil zum einen fundamentale Reorganisationen für notwendig gehalten werden, zum anderen aber das Problembewusstsein für die Schwierigkeiten eines „geplanten organisatorischen Wandels“ gewachsen ist. Prozessorientierter Organisationsbegriff: Organisation ist ein mehr oder weniger bewusst gesteuerter Prozess, durch welchen Ordnung entsteht. <?page no="30"?> Instrumenteller Organisationsbegriff · 5 2 Instrumenteller Organisationsbegriff Das Ergebnis des Organisierens ist die Organisation, also die Ordnung, über die ein Unternehmen verfügt. Auf der Basis des traditionellen Modells der Fremdorganisation ist diese Organisation ein bewusst geschaffenes Instrument zur Erreichung der Unternehmensziele. Die Unternehmung hat eine Organisation. Traditionell versteht man darunter nur das stabile Regelsystem, welches u.a. die Aufgabenteilung (Spezialisierung), die Abstimmung zwischen den Teilaufgaben (Koordination), die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen (Delegation) und die Über- und Unterordnung (Hierarchie) verbindlich festlegt. Man kann auch sagen, das Unternehmen hat eine bestimmte Konfiguration, ein festes Gefüge von generellen Regeln, das allen anderen Maßnahmen und Dispositionen vorgelagert ist. Einzelne ordnende Anweisungen, also Dispositionen, gehören demnach nicht zur Organisation, wohl aber die Hierarchie, die es bestimmten Personen grundsätzlich erlaubt, solche Befehle zu erteilen und andere zum Gehorsam verpflichtet. Auch der instrumentelle Organisationsbegriff ist im Laufe der Zeit erweitert worden. Heute zählt man zum dauerhaften Regelsystem, das ein Unternehmen hat, meist auch die gewachsene Organisationskultur und die informalen Regeln, und versucht, diese Ordnungselemente ebenfalls i.S. des Unternehmensziels zu instrumentalisieren. Der instrumentelle Organisationsbegriff enthält implizit die Prämissen, dass bekannt ist, welche Ziele die Unternehmung verfolgt und welche Organisation ein wirksames Instrument zur Erreichung dieser Ziele ist. Häufig wird aus dem zugrundeliegenden Menschenbild auch noch abgeleitet, dass die Organisationsmitglieder ebenfalls das Unternehmensziel (uneigennützig) verfolgen und den vorgegebenen Regeln problemlos Folge leisten. Die Problematik dieser Prämissen wird später noch diskutiert. Instrumenteller Organisationsbegriff: Organisation ist ein von Unternehmen geschaffenes Regelsystem, das zielorientiert als Führungsinstrument eingesetzt wird. 3 Institutioneller Organisationsbegriff Schließlich kann man die Unternehmung als Ganzes auch als Organisation bezeichnen. Damit bringt man zum Ausdruck, dass sie eine spezielle Art von Institution ist. Sie weist folgende Merkmale auf: <?page no="31"?> 6 · Kapitel 1: Begriff der Organisation (1) Die Organisation besteht aus einem Regelsystem und dazugehörigen Menschen, aus Spielregeln und Spielern, wie es North ([Institutionen] 5) ausdrückt. (2) Damit man die beteiligten Personen klar identifizieren kann, braucht eine Organisation (stabile) Grenzen. Man muss zwischen Organisation und Umwelt, zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern unterscheiden können (vgl. Schreyögg [Organisation] 9). (3) Es besteht die Möglichkeit des Wechsels von Mitgliedern durch Ein- und Austritte (vgl. Luhmann [Funktionen] 44). (4) Die Mitglieder sind nur in ihrer Mitgliedschaftsrolle Teil der Organisation und nicht als ganze Person (vgl. Luhmann [Funktionen] 42f.). Die Mitgliedschaftsrolle umfasst einen Komplex von formalisierten, „dienstlichen“ Erwartungen, die man erfüllen muss, um Mitglied zu bleiben. (5) Die Mitglieder einer Organisation verbindet ein gemeinsamer Zweck, nämlich die Erreichung eines Ziels: „Organisationen werden so angelegt, dass sie i.S. der Ziele der Gründer wirken.“ (North [Institutionen] 87). Wie Schreyögg ([Organisation] 9) zu Recht bemerkt, ist damit nicht gesagt, dass Unternehmen nur einen einzigen Zweck verfolgen oder dass die Organisationsmitglieder nicht auch eigenen Zwecken nachgehen, die nicht notwendig kompatibel mit den Organisationszielen sind. Die Ausrichtung der Mitglieder auf ein gemeinsames Ziel ist eher eine Organisationsaufgabe als ein Organisationsmerkmal. (6) Organisationen werden „vorsätzlich geschaffen“ (North [Institutionen] 5). Viele andere Institutionen sind dagegen „mit der Zeit einfach von selbst“ entstanden (North [Institutionen] 4). Institutioneller Organisationsbegriff: Organisation ist eine bestimmte Art von Institution. Wenn man davon spricht, dass die Unternehmung eine Organisation ist, will man insbesondere die Unterschiede zu anderen Institutionen hervorheben. Im Unterschied bspw. zur Institution „Markt“, auf dem sich beliebige, anonyme Anbieter und Nachfrager kurzzeitig treffen und wieder auseinander gehen, besteht die Unternehmung aus ganz bestimmten Menschen, die sich oft persönlich kennen und die längerfristig miteinander arbeiten. Im Unterschied zur Institution „Familie“ können die Mitglieder beliebig ausgewechselt werden und sind nur „dienstlich“ ein Teil der Unternehmung. <?page no="32"?> Synthese · 7 Die institutionale Sichtweise erweitert das Spektrum möglicher Organisationsthemen gegenüber der instrumentellen Sichtweise, nach welcher nur das stabile Regelsystem in der Unternehmung als Organisation bezeichnet wird. Als Frage der Organisation kann so bspw. auch thematisiert werden, warum die Institution „Unternehmung“ überhaupt entstanden ist, was die Mitglieder zu Ein- und Austrittsentscheidungen sowie zur Verfolgung des Unternehmensziels bewegt, wo die Grenzen der Unternehmung verlaufen und wie sie sich verändern, welche Rollenkonflikte auftreten können. 4 Synthese Die Erörterung der drei Organisationsbegriffe hat gezeigt, dass jeder Begriff Definitionsmerkmale enthält, die zutreffend sind. Wir verbinden daher diese Merkmale zu einem neuen Begriff: Organisation ist ein von der Unternehmung geschaffenes System von Regeln, um gemeinsame Ziele zu verfolgen, in welcher Ordnung aber auch von selbst entstehen kann. Eine Unternehmung weist alle diese Merkmale auf und ist daher eine Organisation. Insofern ist der institutionelle Organisationsbegriff in dieser Definition enthalten. Die Unternehmung hat zugleich eine Organisation i.S. eines zielorientiert geschaffenen, auf Dauer angelegten Regelsystems (instrumenteller Organisationsbegriff). In einem engen Sinne meint man damit nur die formale Struktur oder Konfiguration. Dieses Organisationsverständnis steht bei der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre heute noch zu Recht (und daher auch in diesem Lehrbuch) im Vordergrund. Die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung sucht letztlich nach empfehlenswerten bzw. effektiven praxisorientierten Strukturmodellen. In den Kanon der zu gestaltenden Ordnungselemente werden zunehmend aber auch die Organisationskultur und die informalen Regeln aufgenommen. Auch hat zwischen dem instrumentellen und dem institutionellen Organisationsverständnis insofern eine Annäherung stattgefunden, als heute auch Themen wie die Wahl der Unternehmensgrenzen und die Motivation der Organisationsmitglieder in die Überlegungen zur effektiven Gestaltung der Organisation einbezogen werden. Das auf Dauer angelegte Regelsystem ist durch Organisation entstanden (prozessorientierter Organisationsbegriff). Ohne dass dies explizit ausgeführt wird, steht in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre meist die Vorstellung <?page no="33"?> 8 · Kapitel 1: Begriff der Organisation der rationalen Fremdorganisation im Vordergrund: Ein Organisator bestimmt in einem rationalen Entscheidungsprozess die optimale Struktur (und Kultur) für das Unternehmen und implementiert sie. Neben der dadurch entstehenden geplanten, formgebundenen, fremdorganisierten Ordnung existiert aber in der Institution „Unternehmung“ immer auch eine von den Organisationsmitgliedern selbst geschaffene oder selbsttätig entstandene, formungebundene Ordnung. Diese Prozesse der autonomen und autogenen Selbstorganisation finden zunehmend Beachtung. <?page no="34"?> Fragen und Literaturempfehlungen · 9 Fragen zur Wiederholung 1. Was versteht man unter Organisation im prozessorientierten Sinne? (1) 2. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen formaler und informaler Organisation. (1) 3. Welche impliziten Prämissen enthält der instrumentelle Organisationsbegriff? (2) 4. Anhand welcher Merkmale lässt sich die Organisation als eine besondere Form der Institution kennzeichnen? (3) Fragen zur Vertiefung 1. Überlegen Sie, wie in einem Unternehmen Ordnung durch Selbstorganisation entstehen kann und was dies für die Fremdorganisation bedeutet. 2. Warum können die impliziten Prämissen des instrumentellen Organisationsverständnisses als problematisch angesehen werden? 3. Wieso hat die Organisation trotz wechselnder Mitglieder stabile Grenzen? 4. Warum muss man zum Regelsystem einer Unternehmung auch die Organisationskultur und die informalen Regeln zählen? Literaturempfehlungen Göbel, E.: Neue Institutionenökonomik, Konzeption und betriebswirtschaftliche Anwendungen, Stuttgart 2002. Schreyögg, G.: Organisation, Grundlagen moderner Organisationsgestaltung, 5. A., Wiesbaden 2008. Schreyögg, G., v. Werder, A.: Organisation, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 966-977. Schulte-Zurhausen, M.: Organisation, 4. A., München 2005. <?page no="35"?> Kapitel 2: Ziele der Organisation 1 Ermittlung von Zielen 2 Kriterien der Effektivität 3 Realisierung der Effektivität 1 Ermittlung von Zielen Die Organisation eines Unternehmens ist auf spezifische Ziele ausgerichtet. Diese Ziele müssen bekannt sein, um Alternativen der Organisationsgestaltung bewerten und damit auswählen zu können. Das grundsätzliche Ziel des Organisierens besteht darin, eine effektive Organisation zu etablieren. „Unter Effektivität versteht man das Ausmaß der Zielerreichung, unter Effizienz ihre Wirtschaftlichkeit“ (Scholz [Organisation] 69). Insofern ist die Effizienz ein Mittel zur Steigerung der Effektivität. Mit der Umschreibung des Organisationsziels durch „Effektivität“ ist allerdings noch wenig gewonnen, wenn nicht eine Konkretisierung und eine Präzisierung folgen. Zunächst ist folgende Grundsatzfrage zu klären: Welche Ziele verfolgt das Unternehmen? Zwei Antworten sind prinzipiell möglich: • Das Unternehmen ist eine Nonprofit-Organisation, bei der die Bedarfsdeckung, d.h. die Bereitstellung eines Leistungsprogramms im Vordergrund steht. Beispiele für Nonprofit-Organisationen sind Museen, Genossenschaften, Stiftungen. • Das Unternehmen dient den Interessen von Stakeholdern, also jenen Personen und Gruppen, die Ansprüche gegen das Unternehmen geltend machen können. Stakeholder können u.a. Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer, die Öffentlichkeit und Anteilseigner sein. Wird in den Anteilseignern die einzig legitime Anspruchsgruppe gesehen, so rückt der Shareholder Value als Unternehmensziel in den Vordergrund. In der Kontroverse „Shareholder-versus-Stakeholder-Ansatz“ ist heute zweifellos eine Schwerpunktverlagerung zugunsten des Shareholder Value-Ansatzes festzustellen. Dieser Trend wird u.a. begünstigt durch die Globalisierung und die damit verbun- <?page no="36"?> Kriterien der Effektivität · 11 dene Zunahme des Wettbewerbs auf Güter- und Kapitalmärkten sowie die Knappheit von Kapital (im Gegensatz zu Arbeit). Betrachten wir jene Unternehmen, die im Gegensatz zu den Nonprofit- Organisationen am Gewinnziel ausgerichtet sind, so ist nach Kriterien der Effektivität zu suchen, die sich an diesem Ziel orientieren. Diese Kriterien sind zumindest partiell kompatibel mit jenen der Stakeholder-Orientierung und auch mit jenen, die für Nonprofit-Organisationen gültig sind. Das langfristige Überleben einer Unternehmung in einer Wettbewerbswirtschaft hängt z.B. davon ab, dass sie Gewinn erzielt, was wiederum nur möglich ist, wenn zumindest die Interessen der zentralen Stakeholder (Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, Arbeitnehmer) ausreichend befriedigt werden. Auch viele Nonprofit- Organisationen müssen (heute mehr denn je) auf Kostendeckung achten, wenn sie langfristig überleben wollen. Allerdings sind auch Konflikte zwischen den Interessen und damit den Kriterien der Effektivität unübersehbar. Wenn z.B. durch Business Reengineering die Produktivität der Mitarbeiter verbessert wird, dann ist dies aus Sicht der Unternehmenseigentümer sicher höchst erfreulich. Aus Sicht der entlassenen Mitarbeiter und der Gesellschaft, welche die Arbeitslosen auffangen muss, sind die Folgen der Reorganisation dagegen negativ zu bewerten. Der Beitrag einer organisatorischen Maßnahme (etwa einer Abflachung der Hierarchie) zur Zielerfüllung (etwa zur Steigerung der Rentabilität) lässt sich allerdings nicht eindeutig feststellen. Das Unterfangen, alternative Organisationsstrukturen hinsichtlich ihrer Gewinnkonsequenzen zu bewerten, gleicht dem Versuch, die Auswirkungen eines Regenschauers in Minnesota auf die Niagarafälle zu ermitteln (vgl. Frese [Grundlagen] 305). Man braucht daher unterhalb globaler Ziele wie „Gewinn“ oder „Shareholder Value“ genauere Zielindikatoren. Diese Kriterien müssen aus der Organisation ableitbar sein und in einem Ziel-Mittel-Verhältnis zum Oberziel stehen. Dieser Aufgabe werden wir uns im Folgenden zuwenden. 2 Kriterien der Effektivität Es gibt eine Reihe von Versuchen, Effektivitätskriterien zu entwickeln und zu systematisieren (vgl. z.B. Thom/ Wenger [Organisationsformen] und Bünting [Effektivität]). Wir gehen von der in Abb. 2-1 entworfenen Systematik aus: <?page no="37"?> 12 · Kapitel 2: Ziele der Organisation Abb. 2-1: Kriterien der Effektivität (1) Unternehmensbezogene Kriterien. Sie beziehen sich auf den internen Wertschöpfungsprozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Personen (Mitarbeiter) Aufgaben erledigen. Daraus leiten sich die Mitarbeiterorientierung und die Aufgabenorientierung der Effektivität ab. Die aus ihnen zu entwickelnden Indikatoren für Effektivität werden im Folgenden erörtert. (a) Aufgabenorientierung (aa) Effizienz der Ressourcennutzung. Sie kann gemessen werden in den Dimensionen „Kosten“, „Zeit“ und „Leistung“. Die Organisation leistet einen Beitrag zur Effizienzsteigerung und damit zur Effektivitätserhöhung dann, wenn entweder der Wertschöpfungsprozess bei Zeit- und Kostenersparnissen abgewickelt oder eine Leistungssteigerung bei gegebenen Kosten und gegebener Zeit erzielt wird. (bb) Ausnutzung von Synergieeffekten. Eine gemeinsame Nutzung von Kapazitäten sowie Verbundeffekte bei der Beschaffung, Kriterium Anwendungsbezug Indikatoren Unternehmensbezogene Kriterien Aufgaben der Unternehmung Effizienz der Ressourcennutzung Ausnutzung von Synergieeffekten Verringerung des Koordinationsbedarfs Steigerung der Entscheidungsqualität Verbesserung des Informationsmanagements Mitarbeiter Stärkung der Motivation Verringerung des Konfliktpotenzials Steigerung der Innovations- und Lernbereitschaft Umweltbezogene Kriterien Markt Verstärkung der Kunden- und Marktorientierung Erhöhung der Flexibilität Stakeholder Grad der Partizipation von Stakeholdern an Entscheidungen Qualität der Information von Stakeholdern <?page no="38"?> Kriterien der Effektivität · 13 beim Absatz, bei FuE usw. tragen aufgrund des Synergieeffektes zur Kostensenkung bei. (cc) Verringerung des Koordinationsbedarfs. Organisatorische Maßnahmen zur Steigerung der Autonomie, etwa durch Einrichtung von Profit Centern, verringern den Koordinationsbedarf und tragen damit zur Reduktion von Schnittstellen bei. (dd) Steigerung der Entscheidungsqualität. Eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an jene Stellen, die über die größte Entscheidungskompetenz verfügen, verbessert die Qualität von Entscheidungen. (ee) Verbesserung des Informationsmanagements. Sorgt die Organisation für Zugriffsmöglichkeiten auf aktuell verfügbare Informationen und fördert sie durch entsprechende Ausstattung der Informationstechnologie die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern, so können die Entscheidungen schnell und kompetent getroffen werden. (b) Mitarbeiterorientierung (aa) Stärkung der Motivation. Werden die Leistungen der Mitarbeiter gerecht honoriert und erfüllt die Organisation die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Kontakt, Sicherheit, Autonomie und Transparenz, wird der Leistungswille stimuliert. (bb) Verringerung des Konfliktpotenzials. Sorgt die Organisation für eindeutige Kompetenzabgrenzung, autonome Verantwortungsbereiche und stellt sie klare Regeln für den Umgang mit Konflikten auf, so wird das Konfliktpotenzial gesenkt. (cc) Steigerung der Innovations- und Lernbereitschaft. Sie findet statt, wenn das Wissen der Mitarbeiter zur stetigen Verbesserung der Wissensbasis eingesetzt wird, wenn die Mitarbeiter voneinander und von den Marktpartnern lernen können, wenn Variationen der bisherigen Regelungen erlaubt und „Unternehmertum im Unternehmen“ zulässig ist. (2) Umweltbezogene Kriterien. Sie beziehen sich auf den Interaktionsprozess zwischen Unternehmung und Umwelt. Umweltsegmente sind die Marktteilnehmer und die Stakeholder, also jene Personen und Gruppen von Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Entwicklung des Unternehmens geltend machen können. <?page no="39"?> 14 · Kapitel 2: Ziele der Organisation (a) Marktorientierung (aa) Verstärkung der Kunden- und Marktorientierung. Sie wird sichergestellt, wenn die Organisation nicht binnen-, sondern außenorientiert ist. In markt- und kundennahen Organisationseinheiten sind die wesentlichen Funktionen gebündelt, um schnell und autonom auf Marktänderungen reagieren zu können. (bb) Erhöhung der Flexibilität. Die Organisation kann sich veränderten Umweltlagen durch Aktivierung ruhender Potenziale (sog. slacks = Redundanzen) anpassen. Die Delegation von Kompetenz an marktnahe organisatorische Einheiten trägt nicht nur zur Steigerung der Fähigkeit zur frühzeitigen Wahrnehmung von Einstellungsänderungen der Kunden und damit von Marktveränderungen bei (besonders wichtig für Frühwarnsysteme), sondern erhöht auch die Bereitschaft, schnell und adäquat zu reagieren. (b) Stakeholderorientierung (aa) Grad der Partizipation der Stakeholder an Entscheidungen. Stakeholder sind von den Entscheidungen eines Unternehmens berührt; sie sind daher daran interessiert, sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für die Gruppe der Kapitalgeber und der Arbeitnehmer. Organisatorische Maßnahmen, die auf die Partizipation der Stakeholder abzielen, tragen i.d.R. zur Steigerung der Effektivität bei, da Interessen harmonisiert werden. Beispiele: Mitbestimmung für Arbeitnehmer, Mitspracherechte für Teilhaber. (bb) Qualität der Information von Stakeholdern. Voraussetzung für die Wahrnehmung von Entscheidungsrechten sind Informationen. Beispiele: • für Kapitalgeber: Rechnungslegung, Public Relations; • für Arbeitnehmer: Information über Unternehmensziele und Entwicklungspläne. • für die Öffentlichkeit: Umweltberichte, Offenlegung der Managergehälter. <?page no="40"?> Realisierung der Effektivität · 15 3 Realisierung der Effektivität Die Umsetzung der beschriebenen Effektivitätskriterien gestaltet sich in der Realität schwierig, und zwar aus folgenden Gründen: (1) Die Kriterien führen teilweise zu Zielkonflikten. Beispiele: Überschussreserven (slacks) erhöhen die Flexibilität und senken das Konfliktpotenzial, verschlechtern aber die Effizienz. Durch die Schaffung autonomer Organisationseinheiten sinkt der Koordinationsbedarf, Synergiepotenziale aber gehen evtl. verloren. Stabile Verhaltenserwartungen reduzieren zwar Komplexität und Unsicherheit, senken aber auch die Lernfähigkeit. (2) Genaue Ursache-Wirkungsbeziehungen sind unbekannt. Welche Wirkungen einzelnen organisatorischen Maßnahmen im Hinblick auf die Unternehmenszielerreichung zugesprochen werden können, ist letztlich nicht sicher, weil sich die Wirkungen nur schwer isolieren lassen und der Wirkungszeitraum kaum feststellbar ist. Der Erfolg ist i.d.R. von mehreren Determinanten abhängig. Außerdem tritt die Wirkung einer organisatorischen Maßnahme erst nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung ein. Die Balanced Scorecard (vgl. Kaplan/ Norton [Scorecard]) stellt ein Instrument zur Erfassung von Kennzahlen und deren Beziehungen zueinander dar. Für folgende Unternehmensbereiche werden Kennzahlen formuliert: Finanzen, Kunden, Interne Geschäftsprozesse, Lernen und Entwicklung. Auf die von uns entwickelten Effektivitätskriterien lässt sich die Balanced Scorecard etwa folgendermaßen anwenden: Die Basis jeden Erfolges ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter; sie erhöht die Motivation und damit auch die Innovations- und Lernbereitschaft (Perspektive „Lernen und Entwicklung“). Im Rahmen des Produktionsprozesses trägt dies zu einer Verbesserung der Qualität der Produkte und zu einer Reduktion der Fehlerquote bei (Perspektive „Interne Geschäftsprozesse“). Die Verbesserung des Wertschöpfungsprozesses bildet die Grundlage für eine erhöhte Kundenzufriedenheit (Perspektive „Kunden“). Die drei genannten Perspektiven bilden zusammen die Basis für eine Steigerung des finanziellen Erfolges, etwa in Form einer Erhöhung des Gewinnes oder einer Steigerung des Shareholder Value (Perspektive „Finanzen“). <?page no="41"?> 16 · Kapitel 2: Ziele der Organisation Abb. 2-2 macht in vereinfachter Form deutlich, welche Ursache-Wirkungszusammenhänge existieren und wie diese Beziehungen mit empirisch belegbarem Inhalt ausgefüllt werden müssten. Es liegt auf der Hand, dass beträchtliche Schwierigkeiten bei der Konkretisierung des Ursache-Wirkungsnetzwerkes zu überwinden sind. Um die Gewinnwirkung einer organisatorischen Maßnahme abschätzen zu können, müsste man also wissen: Wie sich die Strukturmaßnahme auf die Zufriedenheit und das Verhalten der Organisationsmitglieder auswirkt, wie sich das Mitarbeiterverhalten im Vollzug der internen Prozesse niederschlägt, welche Bedeutung die veränderten Prozesse für die Kundenzufriedenheit haben und wie dies letztlich im Gewinn zum Ausdruck kommt. Für solche komplexen Ursache- Wirkungs-Ketten fehlt eine gesicherte Theorie. Finanzen Kunden Interne Geschäftsprozesse Lernen und Entwicklung Zufriedenheit der Mitarbeiter Qualität der Produkte Fehlerquote Kundenzufriedenheit Gewinn Shareholder Value Finanzen Kunden Interne Geschäftsprozesse Lernen und Entwicklung Zufriedenheit der Mitarbeiter Qualität der Produkte Fehlerquote Kundenzufriedenheit Gewinn Shareholder Value Abb. 2-2: Vier Perspektiven und das dazugehörige Ursache-Wirkungsnetzwerk Wir werden in Teil 3, der sich mit der Gestaltung der Organisation befasst, auf Hypothesen des Zusammenhanges von organisatorischen Maßnahmen und deren Vor- und Nachteile für den Unternehmenserfolg eingehen. Es sei allerdings schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Entwurf eines vollständigen, operationalen Systems voneinander unabhängiger Zielkriterien zur Bewertung von Organisationsmodellen bisher nicht gelungen ist. Die Beurteilung der Effektivität alternativer Organisationsmöglichkeiten kann lediglich mehr oder weniger fundiert auf der Erarbeitung von Vor- und Nachteilen bestimmter Lösungen beruhen. Die Basis für ei- <?page no="42"?> Realisierung der Effektivität · 17 ne solche Bewertung muss die Organisationstheorie liefern. Mit ihr werden wir uns im nächsten Teil beschäftigen. (3) Die Wichtigkeit einzelner Effektivitätskriterien ändert sich mit der Situation, in welcher sich die Unternehmung befindet. In sehr dynamischen Märkten spielen bspw. Flexibilität und Innovations- und Lernbereitschaft eine weitaus größere Rolle als in stabilen Märkten. Bei einer Strategie der Kostenführerschaft ist z.B. das Kriterium der effizienten Ressourcennutzung besonders wichtig, bei der Differenzierungsstrategie dagegen das Kriterium der Kunden- und Marktorientierung. <?page no="43"?> 18 · Fragen zur Wiederholung und zur Vertiefung Fragen zur Wiederholung 1. Worin besteht der Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz? (1) 2. Worin unterscheiden sich grundsätzlich die Ziele von Nonprofit-Organisationen von jenen Zielen, die gewinnorientierte Unternehmen verfolgen? (1) 3. Welche Kriterien der Effektivität lassen sich zur Beurteilung einer Organisation heranziehen? (2) 4. Wie lässt sich unter Verwendung des Schemas der Balanced Scorecard ein Ursache-Wirkungs-Netzwerk für Kriterien der Effektivität einer Organisation entwickeln? (3) Fragen zur Vertiefung 1. Überlegen Sie, welche Auswirkungen unterschiedliche Zielausrichtungen auf die Bewertung eines Organisationsmodells haben könnten. 2. Effektivität wird häufig damit umschrieben, die „richtigen Dinge zu tun“, während Effizienz bedeutet, die „Dinge richtig zu tun“. Was halten Sie von dieser Unterscheidung? 3. In den letzten Jahren ist der „Shareholder Value“, also der Wert, den ein Unternehmen für die Eigentümer (gemeint sind i.d.R. Aktionäre) erwirtschaftet, für viele Unternehmen zum dominanten Ziel geworden. Welche Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang bei dem Versuch, das Wertsteigerungspotenzial einer Organisationsstruktur zu beurteilen? 4. In welchem Verhältnis stehen der Shareholder-Ansatz und der Stakeholder-Ansatz zueinander? 5. Zwischen welchen Effektivitätskriterien könnten aus Ihrer Sicht eher konfliktäre und zwischen welchen eher komplementäre Beziehungen bestehen? 6. Überlegen Sie, welche Effektivitätskriterien heute besonders wichtig sind und suchen Sie nach Gründen für Ihr Urteil. <?page no="44"?> Literaturempfehlungen · 19 Literaturempfehlungen Frese, E.: Grundlagen der Organisation, Konzept - Prinzipien - Strukturen, 9. A., Wiesbaden 2005. Kaplan, R.S., Norton, D.P.: Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1997. Thom, N., Wenger, A.P..: Bewertung und Auswahl effizienter Organisationsformen. Die effiziente Organisationsstruktur als Kernkompetenz, Arbeitsbericht Nr. 39 des Instituts für Organisation und Personal der Universität Bern, Bern 2000. <?page no="45"?> Kapitel 3: Aufgaben der Organisation 1 Gestaltung der Unternehmensstruktur 2 Gestaltung der Unternehmensentwicklung Das grundsätzliche Ziel des Organisierens so haben wir festgestellt besteht darin, eine effektive Organisation zu schaffen. Die Kriterien, mit deren Hilfe die Effektivität gemessen werden kann, haben wir beschrieben. Nun stellt sich die Frage, welche Aktivitäten zu entfalten sind, um diesen Kriterien zu genügen. Die Antwort fällt nicht eindeutig aus, da es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was zu den Aufgaben der Organisation gehört. Die Unterschiede sind Ausfluss verschiedener organisationstheoretischer Ansätze. Mit ihnen werden wir uns noch ausführlich beschäftigen (vgl. S. 55ff.). Gehen wir davon aus, dass wie im Zusammenhang mit der Herleitung des Organisationsbegriffs beschrieben die Organisation u.a. ein Instrument zur Verfolgung von Zielen darstellt, lassen sich grundsätzlich zwei Aufgabenbereiche der Organisation unterscheiden: • Die Gestaltung der Unternehmensstruktur und • die Gestaltung der Unternehmensentwicklung. 1 Gestaltung der Unternehmensstruktur Nach einer langen Tradition in der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Organisationslehre besteht die Aufgabe der Organisation darin, das Unternehmen so zu strukturieren, dass die Sachaufgaben des Unternehmens möglichst wirtschaftlich erfüllt werden können. Welche Maßnahmen im Einzelnen zu ergreifen sind, hat Kosiol im Rahmen seines strukturtechnischen Ansatzes dargelegt (vgl. S. 87ff.). Es gilt, die Gesamtaufgabe in Teilaufgaben und Arbeitsvorgänge zu zerlegen (Aufgabenanalyse), die so gewonnenen Elemente nach bestimmten Merkmalen zusammenzufassen (Aufgabensynthese) und so versachlichte Aufgabenkomplexe (Stellen) zu bilden, die dann Aufgabenträgern übertragen werden (Aufgabenverteilung). Das Verteilungssystem muss durch ein Leitungssystem ergänzt werden, damit die Teilaufgaben koordiniert werden können. Aufgabenbildung, Aufgabenverteilung und Koordination sind die zentralen Organisationsaufgaben im „Aufgabenerfüllungssystem“ Unternehmung. <?page no="46"?> Gestaltung der Unternehmensentwicklung · 21 Ergebnis des planvollen Organisierens ist eine Ordnung oder Struktur, die sich grafisch in einem Bauplan (Organigramm) darstellen lässt. Diese Struktur ist endgültig oder doch zumindest auf längere Sicht stabil. Das unterscheidet sie von der Improvisation, also der kurzfristigen ad hoc-Regelung von Sachverhalten. Die Struktur ist kein Selbstzweck, sondern Instrument zur Erfüllung der Unternehmensaufgabe. Sie soll zweckmäßig im Hinblick auf die Erfüllung des Sachziels sein, d.h. im Optimalfall technische Perfektion mit einem Minimum an Güterverbrauch verbinden. Organisation ist nach diesem Verständnis „Strukturtechnik“: Der Organisator soll die feststehende Sachaufgabe optimal zerlegen und verteilen, wobei er sich um die Menschen in der Unternehmung keine Gedanken machen muss. Alle soziologischen und psychologischen Überlegungen werden aus dem Gegenstandsbereich der Strukturtechnik ausgeklammert. Die Organisationsmitglieder kommen nur als abstrakte Aufgabenträger vor. 2 Gestaltung der Unternehmensentwicklung Zu den Aufgaben der Organisation gehört es nicht nur, eine effektive Unternehmensstruktur zu entwerfen, sondern Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Unternehmung den sich verändernden Umweltbedingungen anpassen kann. Dies hat weit reichende Folgen für das Verständnis von der Rolle der Organisationsmitglieder. Wenn diese nicht mehr - wie beim strukturtechnischen Verständnis - als abstrakte Aufgabenträger modelliert werden, sondern als Personen mit eigenen Interessen, Gefühlen und Wahrnehmungen, dann muss die Strukturtechnik in verschiedener Hinsicht ergänzt werden. Während im strukturtechnischen Modell das vom Unternehmer für die Organisation festgelegte Ziel von den Aufgabenträgern problemlos akzeptiert und umgesetzt wird, gehen realistischere Modelle von Konflikten zwischen den Organisationszielen und den Zielen der Organisationsmitglieder aus. Dies wird schon von Taylor (1856-1915; vgl. S. 73f.) angesprochen, der von einem natürlichen Hang der Organisationsmitglieder zur Drückebergerei ausgeht, was den Interessen der Unternehmenseigner zuwiderläuft. Die Agency-Theorie (vgl. S. 145ff.) stellt solche Interessenkonflikte sogar in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Über die technisch perfekte Strukturierung alleine ist eine effiziente Aufgabenerfüllung nicht mehr gewährleistet. Die Organisationsmitglieder sind zu motivieren, zu steuern und zu disziplinieren, damit sie die Organisationsziele verfolgen. Eine effektive Organisationsgestaltung ist also nur gewährleistet, wenn neben dem Sachbezug der Verhaltensbezug berücksichtigt wird. „The study of organization is not about how berries are arranged on a tree of author- <?page no="47"?> 22 · Kapitel 3: Aufgaben der Organisation ity but about how people are coordinated and motivated to get things done.“ (Milgrom/ Roberts [Organization] 16). Nach dem strukturtechnischen Verständnis steht das Ziel der Unternehmung vor aller Organisation fest. Der gesamte Zielbildungsprozess findet vor dem Organisationsprozess statt. Hebt man diese starke Vereinfachung auf, dann werden auch die organisatorischen Voraussetzungen des Zielbildungsprozesses zum Thema. Es ist bspw. festzulegen, wer in welcher Weise an der Zielbildung beteiligt werden soll (Unternehmensverfassung, Führungsorganisation). Mit der Organisation findet immer auch eine Verteilung von Macht statt, die legitimiert und gesichert werden muss. Als problematisch gilt z.B., dass in einer Aktiengesellschaft nicht die Aktionäre als Eigentümer die Geschäfte führen und die Ziele vorgeben, sondern angestellte Manager. Mit dem Ziel liegen nach dem strukturtechnischen Verständnis zugleich auch die Grenzen der Unternehmung fest. Eine gegebene Aufgabe soll mit den gegebenen Ressourcen in der Unternehmung optimal erreicht werden (Binnenorientierung). Das Verhältnis von Organisation und Umwelt ist geklärt, bevor organisiert wird. In anderen organisationstheoretischen Ansätzen wird die Grenzziehung nicht so problemlos gesehen. Im Transaktionskosten- Ansatz (vgl. S. 139ff.) wird bspw. thematisiert, dass auch zu überlegen ist, welche Teilaufgaben im Unternehmen abgewickelt und welche dem Markt überlassen werden. Die Arbeitsteilung und Koordination zwischen dem Unternehmen und anderen Institutionen sind zu organisieren (Außenorientierung). Im strukturtechnischen Ansatz wird nur die rationale Fremdorganisation thematisiert. Wenn die menschliche Seite der Organisation beachtet wird, kommen auch jene Regelsysteme in den Blick, die neben der formalen Struktur Ordnung schaffen, sie ergänzen, aber auch außer Kraft setzen. Die Ordnung im Unternehmen ist nicht identisch mit dem Bauplan. Der rationale Prozess der Fremdorganisation wird ergänzt und verfremdet von selbstorganisierenden Prozessen. Diese Prozesse sind zu beachten und - soweit möglich - zielorientiert zu kanalisieren. Nach dem strukturtechnischen Verständnis ist es die Aufgabe des Organisators, eine endgültige Struktur zu schaffen. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn auch die Aufgabe der Unternehmung für dauerhaft stabil gehalten wird, was wiederum eine Stabilität des Umsystems voraussetzt. Wird die Umwelt als dynamisch aufgefasst, was der heutigen Situation entspricht, dann ändert sich auch die Leistungsaufgabe der Unternehmung immer wieder. Für die Unternehmung bedeutet dies, dass sie „organisatorischen Wandel“ zulassen soll. Es wird zur Aufgabe des Organisators, die Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung zu sichern und den Prozess organisatorischen Wandels zu gestalten. <?page no="48"?> Gestaltung der Unternehmensentwicklung · 23 Trotz dieser umfangreichen Erweiterungen behält die Strukturtechnik und mit ihr die systematische Vorgehensweise (Analyse, Synthese und Verteilung von Aufgaben) für die betriebswirtschaftliche Organisationslehre grundsätzlich ihre Gültigkeit. Die Organisation soll so gestaltet werden, dass sie zur effizienten Zielerreichung der Unternehmung beiträgt. Sie stellt einen wichtigen strategischen Erfolgsfaktor dar. Was heute jedoch anders eingeschätzt wird, sind Umfang und Komplexität dieses zielorientierten (Fremd-)Organisationsprozesses. Die Organisationsaufgabe setzt bereits bei der Bestimmung der Grenzen und der Führungsorganisation der Unternehmung ein und sie hört mit der Erstellung des „Bauplanes“ nicht auf. Die Beachtung der „menschlichen Seite“ erfordert über die reine Strukturtechnik hinaus die Berücksichtigung individueller Interessen und selbstorganisierender Prozesse. Organisation trägt zur Gestaltung, Lenkung und Entwicklung sozialer Systeme bei und ist damit eine Managementaufgabe. Wir fassen zusammen: Grundsätzliche Aufgabe der Organisation: Sicherung der Effektivität der Organisation Spezielle Aufgaben der Organisation: • Schaffung einer Unternehmensstruktur durch Bildung, Verteilung und Koordination von Sachaufgaben, • Sicherung der Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung, • Motivierung, Steuerung und Disziplinierung der Mitarbeiter, • Verteilung, Legitimation und Sicherung der Macht, • Bestimmung der Grenzen der Unternehmung, • Kanalisierung der Selbstorganisation. <?page no="49"?> 24 · Fragen und Literaturempfehlung Fragen zur Wiederholung 1. Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, um die Unternehmung zu strukturieren. (1) 2. Welche Aufgaben hat eine Organisation zu erfüllen, wenn die Organisationsmitglieder als Individuen mit eigenen Interessen verstanden werden? (2) 3. Was kann man unter der Aufgabe verstehen, die Grenzen der Unternehmung zu bestimmen? (2) 4. Ist die Organisation als Strukturtechnik heute überflüssig? (2) Fragen zur Vertiefung 1. Ist es sinnvoll, bei der Organisation die menschlichen Eigenschaften außer Acht zu lassen? 2. Warum werden Aufgaben wie „Gestaltung der Unternehmensentwicklung“ und „Bestimmung der Grenzen der Unternehmung“ neuerdings so stark thematisiert, während sie früher nur eine geringe Rolle spielten? 3. Die Organisation soll die Mitarbeiter u.a. motivieren. Welche Probleme hat man vermutlich bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe? 4. Überlegen Sie, was man unter einer „Kanalisierung“ der selbstorganisierenden Prozesse verstehen könnte. Literaturempfehlung Krüger, W.: Organisation, in: Bea, F.X., Friedl, B., Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Führung, 9. A., Stuttgart 2005, S. 140- 234. <?page no="50"?> Kapitel 4: Management der Organisation Die Wahrnehmung der in Kapitel 3 beschriebenen Aufgaben der Organisation zur Erfüllung der in Kapitel 2 skizzierten Ziele der Organisation muss selbst wiederum organisiert bzw. gemanagt werden. Zwei Teilaspekte sind dabei zu unterscheiden: • Die Gestaltung der organisatorischen Regeln und • die Auswahl von Techniken der Organisation. Beides wird im sog. Organisationshandbuch übersichtlich dokumentiert. 1 Organisatorische Regeln Bei der Gestaltung der organisatorischen Regeln ist festzulegen, wer welche Organisationsaufgabe übernimmt, wie und von wem die Organisationsprozesse durchgeführt und kontrolliert werden sollen. Solche Entscheidungen sind zum einen generell für die (tägliche) Organisationsarbeit, zum anderen für (fallweise) Organisationsaufgaben, insbesondere Reorganisationsprojekte, zu treffen (vgl. Thom/ Wenger [Organisationsmanagement] 1033f.). (1) Die generelle Organisationsarbeit wird heute in hohem Maße dezentral wahrgenommen, d.h. die Führungskräfte und die Mitarbeiter selbst schalten sich „vor Ort“ in die Organisationsarbeit ein. Daneben gibt es in den Unternehmen weiterhin auf die Organisation spezialisierte Fachkräfte, die allerdings nur noch selten in einer besonderen Organisationsabteilung zusammengefasst sind. Vielmehr üben sie ihre Tätigkeit häufig im Rahmen zentraler Dienstleistungseinheiten mit gemischten Aufgaben aus, so z.B. in Abteilungen mit Bezeichnungen wie „Information Technology“ (Commerzbank) oder „Corporate Development“ (Siemens). Die Bildung einer Organisationsabteilung und damit die zentrale Abwicklung von Organisationsaufgaben ist v.a. dann angebracht, wenn unternehmensweite Regeln und Standards vorzugeben sind. In solchen Abteilungen sind dann Spezialisten angesiedelt, die ihr spezielles Know how, etwa auf dem Sektor der Informationstechnologie, zum Einsatz bringen. Für die Kontrolle der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Organisation sind zum Ersten jene Mitarbeiter und Führungskräfte zuständig, die an den organisatorischen Prozessen selbst beteiligt sind oder diese steuern. Zum Zweiten können auch Spezialisten bzw. spezifische Abteilungen (z.B. Or- <?page no="51"?> 26 · Kapitel 4: Management der Organisation ganisationsabteilung) für das Organisationscontrolling zuständig sein. Die Grenzen zwischen dem Organisationscontrolling und der Organisationsgestaltung sind bei einer solchen prozessintegrierten Überwachung häufig fließend. Als unabhängige Prüfungsinstitution wirkt insbesondere die sog. Interne Revision. Dieser unternehmensinterne Überwachungsträger soll gerade nicht in die zu überwachenden organisatorischen Abläufe integriert sein (vgl. Wiedmann [Organisationscontrolling] 978ff.). (2) Ist eine Reorganisation durchzuführen, so bietet sich der Einsatz des Projektmanagements an, da eine Reorganisation die Definitionsmerkmale eines Projektes genau erfüllt, nämlich Neuartigkeit, Einmaligkeit und Komplexität. Ein Projekt wird getragen vom Projektleiter und einem Projektteam. Der Projektleiter konkretisiert, führt und steuert das Projekt. Er ist verantwortlich für die Erfüllung des Projektauftrags und damit der Projektziele unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Bei der Zusammensetzung eines Projektteams spielen zunächst fachliche Kompetenzen eine wichtige Rolle. Doch nicht minder wichtig sind die methodischen Kompetenzen, wie z.B. Techniken zur Problemlösung, Planung oder Entscheidungsfindung, sowie die sozialen Kompetenzen der Beteiligten, beispielsweise eine grundlegende Offenheit für die Ideen Anderer und Fähigkeiten zur Kommunikation. Der Ablauf des Projektes besteht aus den Phasen der Projektplanung (Erarbeitung einer Konzeption der Organisationsstruktur), der Projektrealisation (Implementierung der Organisationsstruktur) und der Projektkontrolle (Überwachung der Organisationsentwicklung). Zu den Einzelheiten der Anwendung des Projektmanagements im Rahmen einer Reorganisation vgl. S. 494ff. 2 Techniken der Organisation Techniken der Organisation stellen Instrumente zur Erleichterung und Verbesserung von Einzelmaßnahmen dar, die bei der generellen Organisationsarbeit und bei Organisationsprojekten wahrzunehmen sind. Der Einsatz der Techniken hängt von der Art der wahrzunehmenden Organisationsaufgabe ab. Einzelne Techniken sind genormt, z.B. durch DIN und ISO. Es lassen sich folgende Organisationstechniken unterscheiden: • Erhebungstechniken • Analysetechniken <?page no="52"?> Techniken der Organisation · 27 • Darstellungstechniken • Planungstechniken Eine saubere Trennung dieser Arten von Techniken ist nicht möglich. Die im Folgenden vorgenommene Zuordnung ist daher nur mit Einschränkungen gültig. 1. Erhebungstechniken Erhebungstechniken haben die Aufgabe, Informationen über Aufbau und Bewertung einer bestimmten Organisation zu beschaffen. Es lassen sich folgende Formen von Erhebungstechniken unterscheiden: - Befragung - Beobachtung - Datenanalyse (a) Befragung - Schriftliche Befragung durch Fragebogen - Mündliche Befragung durch Interviews (b) Beobachtung - Offene und Verdeckte Beobachtung: Bei der Verdeckten Beobachtung ist der Beobachter im Gegensatz zur Offenen Beobachtung nicht zu erkennen. - Teilnehmende und Nicht-teilnehmende Beobachtung: Bei der Nichtteilnehmenden Beobachtung macht der Beobachter seine Wahrnehmungen unabhängig und unbeeinflusst; die Teilnehmende Beobachtung verlangt die Teilnahme des Beobachters (z.B. ein Mitglied des Vorstands einer AG ermittelt, wie Unternehmensentscheidungen zustande kommen). (c) Datenanalyse Auswertung bereits vorhandenen Materials, z.B. von Protokollen und Geschäftsberichten <?page no="53"?> 28 · Kapitel 4: Management der Organisation 2. Analysetechniken Die Aufgabe der Organisation besteht u.a. darin, das Unternehmen so zu strukturieren, dass die Sachaufgaben möglichst wirtschaftlich erfüllt werden können. Voraussetzung für die Gestaltung der Unternehmensstruktur ist die Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben und Arbeitsvorgänge. Dies geschieht im Rahmen der Aufgabenanalyse und der Arbeitsanalyse. Einsatz der Analysetechniken: Die Aufgabenanalyse kann nach verschiedenen Analysekriterien vorgenommen werden. Abb. 8-3 (S. 252) beschreibt ein Beispiel für eine Aufgabenanalyse, Abb. 8-4 (S. 254) einen Aufgabengliederungsplan. Die Aufgabe der Arbeitsanalyse besteht in der Zerlegung eines Produktionsprozesses in eine Vielzahl von Teilprozessen. Abb. 11-1 (S. 336) beschreibt ein Beispiel für die Zerlegung eines Arbeitsprozesses nach Verrichtungsarten. In Abb. 11-2 (S. 340) ist ein Netzplan mit der Strukturanalyse und der Zeitanalyse beschrieben. Abb. 11-3 (S. 343) skizziert die Grundstruktur eines traditionellen PPS-Systems, Abb. 11-4 (S. 348) die Organisationstypen der Fertigung im Rahmen der Werkstattfertigung, der Fliessfertigung und der Inselfertigung. 3. Darstellungstechniken Das Ergebnis der organisatorischen Gestaltung muss aus mehreren Gründen beschrieben werden: • Zur Information der Mitarbeiter und der interessierten Öffentlichkeit, • Als Voraussetzung für die Analyse und die daraus abgeleitete Kritik mit Verbesserungsmöglichkeiten. Einsatz der Darstellungstechniken: Organigramme (S. 288f.): Beispiele für die Aufbauorganisation: Funktionale Organisation (Abb. 12-1, S. 361), Divisionale Organisation (Abb. 12-2, S. 366), Holding (Abb. 12-6, S. 375), Matrixorganisation (Abb. 12-7, S. 379) Beispiele für die Ablauforganisation: Netzplan (Abb. 11-2, S. 340), Balkendiagramm, auch als Gantt-Diagramm bezeichnet, Datenflusspläne Stellenbeschreibung (Abb. 8-5, S. 256) 4. Planungstechniken Bei der Gestaltung der Organisation sind die Vorteile und die Nachteile der einzelnen Alternativen für die Problemlösung systematisch zu erfassen und im Rahmen einer Entscheidung zu bewerten. <?page no="54"?> Techniken der Organisation · 29 Zur Erfassung der Vor- und der Nachteile können Kreativitätstechniken eingesetzt werden. Für die Problemlösung stehen Techniken der Bewertung zur Verfügung. Einsatz der Planungstechniken: Beispiele für Kreativitätstechniken: Brainstorming, Synektik, Morphologische Methode Beispiele für Bewertungstechniken: Kapitaltheoretische Modelle, Nutzwertanalyse, Heuristische Lösungsverfahren (z.B. Simulation) <?page no="55"?> 30 · Fragen und Literaturempfehlungen Fragen zur Wiederholung 1. Ist das Organisieren eine Aufgabe für Spezialisten? (1) 2. Inwiefern kann man eine Reorganisation als Projekt verstehen? (1) 3. Inwiefern ist die Beobachtung eine Erhebungstechnik? Wo könnte sie zum Einsatz kommen? (2) Fragen zur Vertiefung 1. Was spricht für eine Integration der Organisation in den Prozess (z.B. Beschaffungsorganisation, Absatzorganisation) und was für eine selbständige Organisationsabteilung? 2. Welche Argumente sprechen für den Einsatz des Projektmanagements bei einer Reorganisation? 3. Welche Vorteile und welche Gefahren sind mit der Teilnehmenden Beobachtung verbunden? Literaturempfehlungen Bea, F.X., Scheurer, S., Hesselmann, S.: Projektmanagement. Stuttgart 2008. Krüger, W.: Organisation, in: Bea, F.X., Friedl, B., Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Führung, 9. A., Stuttgart 2005, S. 140- 234. Schmidt, G.: Methode und Techniken der Organisation, 13. A., Giessen 2005. Schulte-Zurhausen, M.: Organisation, 4. A., München 2005. Thom, N., Wenger, A.P.: Organisationsmanagement und Organisationsabteilung, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 1033-1041. v. Werder, A.: Organisatorische Gestaltung (Organization Design), in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 1088-1101. <?page no="56"?> Teil 2: Organisationstheorie ORGANISATIONSTHEORIE TEIL 2 GRUNDLAGEN TEIL 1 Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze TEIL 3 ORGANISATIONSGESTALTUNG Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK <?page no="57"?> Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung 1 Aufgaben der Organisationstheorie 2 Methoden der Organisationsforschung 1 Aufgaben der Organisationstheorie Eine Organisationstheorie hat die Aufgabe, ein informatives und wahres Aussagensystem für die zielgerichtete Gestaltung der Unternehmensstruktur bereitzustellen. Mit dieser Feststellung ist ein Wissenschaftsverständnis angesprochen, das für die Betriebswirtschaftslehre typisch ist und welches insbesondere zum instrumentellen Organisationsverständnis passt. Danach verfolgt die Wissenschaft drei aufeinander aufbauende Ziele: • Das deskriptive Wissenschaftsziel, • das theoretische Wissenschaftsziel und • das pragmatische Wissenschaftsziel. (1) Das deskriptive Wissenschaftsziel verlangt, dass der Forscher seinen Untersuchungsgegenstand möglichst präzise erfasst und beschreibt. Unter die Deskription fallen Definitionen, empirische Tatsachenbehauptungen, Systematisierungen und Typenbildungen. Im Hinblick auf Organisationen gilt es, Begriffe zu klären, das Wissen über Organisationen zu vermehren und zu ordnen sowie Material für die Theoriebildung und -prüfung zu gewinnen. Wie die vorangehenden Ausführungen zum Organisationsbegriff zeigen, können bereits auf dieser ersten Stufe der Theoriebildung kontroverse Meinungen auftreten. (2) Als theoretisches Wissenschaftsziel gilt insbesondere, Ursache-Wirkungs- Beziehungen zu finden, die als allgemeine Gesetze im Idealfall raumzeitlich unbeschränkt gelten und von der Realität noch nicht widerlegt wurden. Die Theorie führt durch ihre Verallgemeinerung über die bloße Beschreibung der Realität hinaus. (3) Auf diesen Erklärungen kann wiederum die Gestaltung aufbauen, indem die Ursache-Wirkungs-Beziehungen in Ziel-Mittel-Relationen transformiert werden. Die Theorie stellt also Wissen für das pragmatische Wis- <?page no="58"?> Methoden der Organisationsforschung · 33 senschaftsziel bereit, welches in der zielgerichteten Gestaltung der Organisation besteht. Letztlich soll die Wissenschaft über Erkenntnis zum Fortschritt beitragen. In Bezug auf Organisationen ist mit Fortschritt v.a. eine effektivere Organisationspraxis gemeint. Beispiel: Wenn aufgrund empirischer Untersuchungen festgestellt wurde, dass die Einrichtung von Profit Centern die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung erhöht, so kann aus der Ursache „Profit Center“ ein Instrument zur Steigerung der Verantwortungsbereitschaft gemacht werden. Aus der Sicht eines rationalen Organisationsgestalters interessieren besonders zwei Arten von Erklärungen: (a) Zunächst muss ein Gestalter die Wirkungen von Strukturierungsmaßnahmen kennen. Er sollte wissen, ob einzelne organisatorische Maßnahmen bestimmte Wirkungen, insbesondere zur Erfüllung der Effektivitätskriterien, hervorrufen. Wenn er bspw. wüsste, dass die Dezentralisation die Innovations- und Lernbereitschaft der Mitarbeiter fördert, was wiederum die Produktqualität und die Kundenzufriedenheit und letztlich den Gewinn verbessert, dann könnte er die Dezentralisierung mit dem Ziel der Gewinnsteigerung planvoll einsetzen. (b) Weiterhin sollte der Organisationsgestalter wissen, wie Ordnung im Unternehmen entsteht und wie sie sich wandelt. Wenn die Theorie die Entstehung von Ordnung nicht nur durch zielorientierte Fremdorganisation, sondern auch durch selbstorganisierende Prozesse erklärt, dann kann auch diese Erkenntnis in der zielorientierten Strukturierung pragmatisch verwendet werden. Der Organisator kann realistischer einschätzen, wo die Grenzen der Machbarkeit liegen und außerdem versuchen, die Prozesse der Selbstorganisation zu kanalisieren. Wie aber gelangt man zu wissenschaftlichen Aussagen im Rahmen der Organisationsforschung? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Methodologie. 2 Methoden der Organisationsforschung 2.1 Arten von Methoden Methodenprobleme gehören zu den Grundsatzfragen jeder Disziplin. Ihre Erörterung erfolgt im Rahmen der Methodologie, einem Teilgebiet der Wissenschaftstheorie. Die Methodologie soll v.a. Antworten auf die Fragen geben, welche wissenschaftlichen Methoden es gibt und welche Methoden für eine Disziplin besonders fruchtbar und damit zweckmäßig erscheinen. <?page no="59"?> 34 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung Wissenschaftliche Methoden sind systematische Verfahren der Erkenntnisgewinnung. Der Erkenntnisgewinn erfolgt insofern systematisch, als die Methode bestimmte definierte Verfahrensregeln vorgibt, wie man sich den Erkenntnisobjekten zuwenden sollte, um zu solchen Ergebnissen zu gelangen, die als „wissenschaftlich“ akzeptiert werden. Die Methoden sind also normative Standardisierungen wissenschaftlichen Handelns. Die Anwendung einer Methode bringt Vorteile mit sich: • Eine Methode enthält „vorgedachte Rationalität“. Nicht jeder Forscher muss sich erneut mit den Grundsatzfragen seiner Disziplin beschäftigen. Er kann vielmehr auf das in der Methode gelagerte Wissen anderer zugreifen. • Ein systematisches Vorgehen macht den Vorgang des Erkenntnisgewinns transparent und damit für andere nachvollziehbar. • Ist die Vorgehensweise transparent, kann man die Erkenntnisse auch kontrollieren und eine Manipulation leichter ausschließen. Eine andere Person könnte bspw. den gleichen Gegenstand mit der gleichen Methode untersuchen und müsste dann auch zum gleichen Ergebnis kommen. Der Begriff „Methode“ (griech. = Weg zu etwas hin) kann unterschiedlich weit ausgelegt werden: In einem weiten Sinne kann man darunter eine erkenntnistheoretische Grundsatzposition verstehen, ob und wie man überhaupt zu wahren Erkenntnissen kommen kann. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Umstritten ist schon, ob man nur durch empirische (Sinnes-)Erfahrung zu Wissen über die Welt kommen kann (Empirismus), oder auch durch reine Verstandestätigkeit (Rationalismus). Weiterhin kann man an die empirische Forschung mit sehr unterschiedlichen Prämissen herangehen. Ein Positivist hält bspw. die wahre Erkenntnis der Realität durch empirische Erfahrung für problemlos möglich, ein Konstruktivist problematisiert dagegen, dass das erkennende Subjekt die Wirklichkeit nicht einfach passiv rezipiert, sondern zumindest teilweise konstruiert. In einem engen Sinne versteht man unter Methode das „Handwerkszeug“ der empirischen Datenerhebung und -auswertung. Hierzu zählen bspw. Fragebogen, Beobachtung, Interview, Experiment und Clusteranalyse als Erhebungstechniken und Regressionsanalyse sowie Kontingenzanalyse als Auswertungstechniken. Die im Folgenden vorzustellenden Arten von Methoden stellen eher grundsätzliche Forschungsstrategien dar, innerhalb derer dann unterschiedliche Erhe- <?page no="60"?> Methoden der Organisationsforschung · 35 bungs- und Auswertungstechniken Verwendung finden. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Organisationsforschung werden folgende Arten von Methoden erörtert: • Hermeneutik, • analytisch-deduktive Methode, • Induktion und • hypothetisch-deduktive Methode. 2.2 Hermeneutik (1) Allgemeine Kennzeichnung (vgl. Weik [Ansätze]; Kulenkampff [Hermeneutik]) Die Hermeneutik (griech. hermeneuein = erklären, auslegen, darstellen, übersetzen) ist ursprünglich die Kunstlehre des Verstehens von (historischen) Texten. Im weiteren Sinne befasst sich die Hermeneutik mit der Interpretation von „Lebensäußerungen“ des Menschen. Insbesondere von dem deutschen Philosophen Wilhelm Dilthey (1833-1911) wurde die Hermeneutik als Gegenmodell zur naturwissenschaftlichen Methode und als einzig angemessene Methode der Geisteswissenschaften (auch Sozial- oder Handlungswissenschaften) verstanden. Betont wurde von ihm der Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, zwischen Erklären und Verstehen. Menschliches Handeln sowie dessen Produkte, also menschliche Artefakte (Texte, Werkzeuge, Alltags- und Kunstgegenstände etc.), Symbole und Institutionen könne man nicht ursächlich erklären, man müsse vielmehr ihren Sinn verstehen. (2) Hermeneutische Beschreibung Verstehen heißt zunächst, eine Lebensäußerung als etwas deuten, sie in einen bestimmten Sinnzusammenhang stellen (hermeneutische Beschreibung). Wenn ein Archäologe bspw. ein antikes Gerät findet, versucht er herauszufinden, um was es sich handelt und deutet es z.B. als Küchengerät oder Kultgerät. Im Alltag finden ebenso wie in der Forschung ständig solche Deutungen statt. Sinneseindrücke werden als etwas Bestimmtes eingeordnet. Wenn bspw. ein Organisationsforscher zehn Personen in Anzügen in einem Büro um einen Tisch sitzen sieht, dann deutet er dieses Geschehen als Geschäftskonferenz. Er hat ein Deutungsschema im Kopf, welches ihn erkennen lässt, was da stattfindet. Die sinnlichen Wahrnehmungen führen zu zahlreichen weiteren Deutungen: Der am Kopfende Sitzende ist vermutlich der Chef, die Größe und Einrichtung des Büros deutet auf ein großes Unternehmen hin, die Anzüge auf eine formale Situation usw. Das „Verstehen“ der Situation beinhaltet <?page no="61"?> 36 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung das Mitdenken der Konventionen und Regeln, die zu der Handlung „Konferenz“ dazugehören. Die bloße sinnliche Wahrnehmung gibt keine Antwort auf die Fragen „was geht hier vor“, „was bedeutet das“. Um einen Sachverhalt adäquat zu beschreiben, braucht man auch konventionell-bedeutungsmäßiges Wissen. Max Weber ([Wirtschaft] 3f.) spricht in diesem Zusammenhang vom „aktuellen Verstehen“. (3) Hermeneutische Erklärung Eine weitere gängige Bedeutungskomponente des Begriffs „Verstehen“ ist: Wissen oder vermuten, welche Gründe eine Person zur Ausführung einer Handlung hat. Man spricht auch vom „motivationsmäßigen“ oder „erklärenden“ Verstehen (vgl. Weber [Wirtschaft] 4) oder von hermeneutischen Erklärungen. Die Hermeneutik geht von der Grundthese aus, dass Menschen intentional, also zielgerichtet handeln. Im Gegensatz zum bloßen reaktiven Verhalten folgt Handeln einem bewussten Entwurf. Es gibt also ein Motiv, einen sinnhaften Grund für menschliche Handlungen (und auch für die daraus entstehenden Produkte), den andere prinzipiell verstehen können. Eine Lebensäußerung verstehen wir in den Kategorien von Mittel und Zweck. Eine Handlung wird vollzogen, damit etwas in der Zukunft bewirkt wird. Formal: S tut x, um y herbeizuführen (sog. praktischer Syllogismus). Beispiele für eine solche finale Erklärung: Frau Meier arbeitet, um Geld zu verdienen. Die Gruppenarbeit wurde eingeführt, um die Motivation zu steigern. Der Aufsichtsrat wurde etabliert, um den Vorstand zu kontrollieren. Wenn jemand die Handlung eines anderen (oder auch ein von Menschen geschaffenes Artefakt oder eine Institution) in einer bestimmten Weise deutet, dann ist das zunächst nichts anderes als eine Hypothese (vgl. Weber [Wirtschaft] 4). Denn die Lebensäußerung kann auch in einem ganz anderen Sinnzusammenhang stehen, als man vermutet. Vielleicht arbeitet Frau Meier gar nicht, um Geld zu verdienen, sondern um in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen oder um etwas Sinnvolles zu tun. Ob eine Deutung wahrscheinlich richtig ist, zeigt sich zunächst an der Evidenz der Ziel-Mittel-Beziehung und der gefühlsmäßigen Nachvollziehbarkeit des Ziels. Normalerweise ist bspw. Arbeit ein probates Mittel, um Geld zu verdienen. Auch kann man sehr gut „nachfühlen“, dass jemand mit seiner Arbeit Geld verdienen möchte. Ob eine sinnhaft evidente Deutung richtig ist, ist dennoch nicht sicher und bedarf weiterer Überprüfungen. Man könnte Frau Meier bspw. befragen oder in einem Experiment erproben, ob sie auch ohne Entlohnung weiterarbeitet. Als Beleg für die Hypothese könnte man auch Statistiken heranziehen, die belegen, dass Arbeit normalerweise entlohnt wird. Für uns ist die Deutung von Arbeit als „Erwerbs- <?page no="62"?> Methoden der Organisationsforschung · 37 arbeit“ so selbstverständlich, dass unentgeltliche Arbeit wie Kindererziehung, Haushaltsführung oder Pflege von Angehörigen häufig gar nicht als Arbeit gilt. („Arbeiten Sie? “ - „Nein, ich bin nur Hausfrau.“) (4) Unterschiede zwischen Verstehen und Erklären Das Verstehen (hermeneutisches Erklären) von menschlichen Handlungen bzw. dessen Produkten weist Unterschiede auf zum kausalen Erklären von Naturphänomenen. Im Bereich der Naturwissenschaften gibt es nur vergangenheitsbezogene Erklärungen. Ein Phänomen tritt als Wirkung einer vorangehenden Ursache auf. Beispiel aus der Medizin: Die Erkrankung (Wirkung) ist die Folge einer bakteriellen Infektion (Ursache). Menschliches Handeln wird dagegen meist final oder teleologisch, also zukunftsbezogen erklärt. Bei kausalen naturwissenschaftlichen Erklärungen wird überdies eine gesetzmäßige Beziehung zwischen Ursache und Wirkung angenommen, d.h. die Wirkung folgt regelmäßig und zwangsläufig auf die Ursache. Die Ursache ist causa efficiens der Wirkung. Man kann mit einiger (wenn auch nicht letzter) Sicherheit prognostizieren, dass die Wirkung bei Geltung der Ursache eintritt. Aus der Existenz eines Ziel-Mittel-Zusammenhanges alleine kann dagegen eine bestimmte Handlung nicht so zwangsläufig gefolgert werden. Denn gute Gründe für eine Handlung können sie dennoch nicht erzwingen. Da man bei Naturgesetzen mit dem zwangsläufigen Eintritt der Wirkung rechnen kann, lassen sich die Ursachen instrumentalisieren. Das ist bei menschlichen Handlungen ungleich schwieriger. Diese Unterschiede zwischen den Natur- und den Kulturphänomenen haben ja zu der Vorstellung geführt, dass man zwischen naturwissenschaftlichem Erklären und geisteswissenschaftlichem Verstehen scharf trennen müsse. (5) Beziehungen zwischen Erklären und Verstehen Die Trennlinie zwischen Erklären und Verstehen wurde zwischenzeitlich stark aufgeweicht und es wurden Brücken zwischen dem hermeneutischen Verstehen und dem naturwissenschaftlichen Erklären gebaut. Einen ersten Bezug kann man darin sehen, dass sowohl der zweckgerichtet Handelnde als auch der diese Handlung Deutende eine Theorie darüber haben müssen, dass ein bestimmtes Mittel als Ursache ein bestimmtes Ziel als Wirkung regelmäßig hervorruft. Im praktischen Syllogismus steckt ja die Kausalhypothese, dass die Handlung x das Ziel y herbeiführt. Frau Meier und der deutende Beobachter haben bspw. die Theorie: Arbeit bewirkt Lohn. Diese Theorie stützt sich auf Fakten. Der Beobachter muss außerdem als eine Art Gesetzmäßigkeit unterstellen, dass Menschen zweckrational handeln, also regelmäßig die Mittel wählen, die zur Zielerreichung beitragen. Formal: Wenn S ein y will und x das beste Mittel ist, um dieses y zu erreichen, dann vollzieht S die Handlung x. Weiterhin kann man <?page no="63"?> 38 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung auch aus dem motivationsmäßigen Verstehen Prognosen ableiten, bspw. dass vermutlich auf das Ausbleiben der Entlohnung als Ursache die Wirkung der Kündigung folgt. Diese Prognose lässt sich prüfen und so die Ausgangstheorie erhärten. Schließlich kann man die Erkenntnis auch pragmatisch nutzen, indem man den angestrebten Zweck (Lohn) als Mittel einsetzt, um bestimmte Handlungen hervorzurufen (Arbeit). Erklären und Verstehen gehen Hand in Hand (vgl. auch Kieser [Anleitung] 22ff.). (6) Probleme beim Verstehen Verstehen ist nicht einfach, weil man weder die Bedeutung einer Lebensäußerung noch die Absicht eines Handelnden direkt sehen und messen kann. Man muss „hinter“ das sinnlich Wahrnehmbare schauen, um dessen Sinn und Zweck zu ergründen. Beispiel: Die sog. Unternehmenskultur lässt sich nur deutend aus einzelnen Wahrnehmungen (Symbolen, Strukturen, Redeweisen, Episoden etc.) erschließen. Aber auch, was eine Hierarchie ist, kann man nicht unmittelbar sehen. Im Alltag gelingt die richtige Deutung von Handlungen und Situationen normalerweise dadurch, dass man mit ihnen groß geworden ist und gelernt hat, was sie bedeuten. Als Mensch kann man sich außerdem in andere Menschen und deren Motive hineinversetzen und so die Gründe für eine Handlung nachvollziehen. Man verfügt sozusagen über ein Repertoire von Schemata, Regeln und Typen, unter die man Ereignisse und Menschen subsumieren kann. Wechselt man in ein neues Umfeld, bspw. in ein anderes Land, dann kommt es leichter zu Fehldeutungen. (7) Der hermeneutische Zirkel Menschen interpretieren ihre Umwelt immer mit einem gewissen durch Erfahrung gewonnenen Vorverständnis, sonst könnten sie einzelne Vorkommnisse, Handlungen oder Äußerungen nicht sinnvoll einordnen und verstehen. Auf der anderen Seite bringen diese Einzelerfahrungen erst das Vorverständnis (bspw. ein Deutungsschema, eine Theorie) zustande und ändern es auch. Man bezeichnet dieses Phänomen als „Zirkel des Verstehens“ oder als „hermeneutischer Zirkel“ (vgl. Gadamer [Zirkel]). Dass man mit gewissen „Vorurteilen“ in die Welt schaut, ist unvermeidlich und gilt auch für die Naturwissenschaften. Wichtig ist allerdings, v.a. für Wissenschaftler, „der eigenen Voreingenommenheit inne zu sein“ (ebenda 61) und für andere Möglichkeiten der Interpretation offen zu bleiben. Beispiel: Wenn ein Wissenschaftler verstehen will, welche Bedeutung archäologische Funde haben, muss er bereits wissen, in welche Epoche sie einzuordnen sind und wie die Menschen in dieser Zeit gelebt haben. Auf der anderen Seite erfährt er über <?page no="64"?> Methoden der Organisationsforschung · 39 den Einzelfund wiederum mehr und möglicherweise Neues über die Lebensweise der Menschen in dieser Epoche. (8) Qualitative Forschungsmethoden Das Programm der Hermeneutik legt bestimmte Erhebungs- und Auswertungstechniken bei der empirischen Forschung in Organisationen nahe. Weil das Verstehen komplexer Sinnzusammenhänge häufig ein längeres Sich-Einarbeiten und Sich-Hineinfinden in den interessierenden Bereich erfordert, liegt bspw. eine längere teilnehmende Beobachtung als Methode nahe. Um zu den Motiven der Organisationsmitglieder vorzudringen, bieten sich Interviews, insbesondere unstrukturierte Tiefeninterviews an. Wenn man sich in die untersuchten Personen hineinversetzen will, sind persönlich gefärbte Beziehungen und Interaktionen mit ihnen hilfreich. Die Forschung wird eher partizipativ. Man versucht, die gesamte „Lebenswelt“ der Organisationsmitglieder zu rekonstruieren, um so ihre Äußerungen und Handlungen authentischer zu verstehen. Die eingesetzten Methoden sind als „qualitativ“ zu charakterisieren (vgl. Cassell/ Symon [Guide]). Die Dichte und Tiefe der erhobenen Daten lässt i.d.R. nur Fallstudien in einzelnen Organisationen zu, einfach weil der Forscher sonst überfordert wäre. Hermeneutik gilt eigentlich als Methode, die die Besonderheit jedes Einzelfalles betont. Verstehen findet aber nicht nur in der Form statt, dass man versucht, den real gemeinten Sinn einer einzelnen Handlung oder eines einzelnen Handlungsprodukts genau nachzuvollziehen. Damit würde man ja auch für die Gestaltung wenig gewinnen. Auch die verstehende Wissenschaft will letztlich Regelmäßigkeiten und „Gesetze“ finden. Es wird nach typischen Erklärungen gesucht, die nach unserer Erfahrung normalerweise (im Durchschnitt) stimmen. Die Einzelhandlung wird dann einfach unter diesen Typ subsumiert, auch wenn die Erklärung dann für den Einzelfall nur annäherungsweise stimmt (vgl. Weber [Wirtschaft] 4f.). Die Methode der Induktion findet so Eingang in die Hermeneutik (vgl. S. 42ff.). (9) Prüfbarkeit der hermeneutischen Erkenntnisse Obwohl der Forscher bei der Interpretation etwas schafft, was über die Einzelfakten hinausgeht, und insofern etwas Subjektives hinzufügt, darf man die Hermeneutik nicht als „geistreiches Hineinlegen beliebiger Deutungen“ verstehen. Andere Personen, insbesondere sachkundige Personen, können durchaus nachvollziehen, welche Fakten der Auslegung zugrundegelegt wurden und können die Deutung mehr oder weniger plausibel finden. Es ist die Gemeinschaft der Wissenschaftler - die Scientific Community -, die die Erkenntnisse prüft. Vor allem wenn das Ausgangsmaterial dürftig ist, kann es aber auch zu sehr <?page no="65"?> 40 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung kontroversen Auslegungen kommen, bei denen letztlich nicht entschieden werden kann, „wer Recht hat“. (10) Anwendung in der Organisationsforschung Die Hermeneutik schlägt sich in der Organisationsforschung an vielen Stellen nieder, auch wenn sie selten explizit zu den Methoden der Organisationsforschung gezählt wird. Hermeneutisches Denken zeigt sich allgemein: • im Wissen, dass empirische Daten nicht für sich sprechen, sondern vom Forscher mit Bedeutungen versehen werden. • in dem Gedanken, dass jeder Forscher mit einem gewissen, die Forschung prägenden Vorverständnis an seinen Untersuchungsgegenstand herangeht. • im Bewusstsein für die Besonderheiten bei der Erforschung menschlicher Lebensäußerungen, zu denen auch die Organisation gehört. Insbesondere ist zu beachten, dass Menschen intentional handelnde Subjekte sind und nicht einfach einem Reiz-Reaktions-Schema folgen. • in der Anwendung qualitativer Forschungsmethoden. Als Methode wird die Hermeneutik bewusst v.a. im interpretativen Ansatz, im Selbstorganisationsansatz und im Strukturationsansatz eingesetzt (vgl. S. 172ff., S. 184ff. und S. 197ff.). 2.3 Analytisch-deduktive Methode (1) Allgemeine Kennzeichnung Die Deduktion ist eine Grundform logischen Schließens. Sie besteht darin, dass vom Allgemeinen auf das Besondere geschlossen wird. Aus Sätzen mit einem höheren Informationsgehalt leitet man logisch implizite Sätze mit einem niedrigeren Informationsgehalt ab. Die Ausgangssätze können als intuitiv einleuchtende Grundwahrheiten verstanden werden oder als bewusste Setzungen. Bei der analytisch-deduktiven Methode, auch Modellanalyse genannt, werden bestimmte Ausgangsbedingungen (Prämissen) als wahr vorausgesetzt. Dann wird untersucht, was bei Geltung der Prämissen logisch daraus folgen würde (logische Möglichkeitsanalyse). Die Modellanalyse ist die bevorzugte Methode der Ökonomik. Man versucht nicht, durch empirische Forschung zu verstehen, warum Menschen in einer bestimmten Art und Weise handeln bzw. warum sie bestimmte Institutionen geschaffen haben, also was ihre tatsächlichen Motive sind. Man setzt vielmehr die Geltung eines bestimmten Verhaltensmodells als <?page no="66"?> Methoden der Organisationsforschung · 41 gegeben voraus: Menschen verhalten sich als rationale Nutzenmaximierer. Sie tun zuverlässig das, was sie weniger kostet bzw. ihnen mehr einbringt. Das ist keine empirische Aussage, sondern ein Modellannahme. Man kann nun vor dem Hintergrund dieser Annahme Gedankenexperimente anstellen. Wie würde das Handeln ablaufen, wie würden die Menschen auf bestimmte Situationsänderungen reagieren, wenn sie tatsächlich „rein ökonomisch“ handeln würden. Beispiele: Bei einer Erhöhung der Marktbenutzungskosten werden mehr Aktivitäten ins Unternehmen verlagert, um diese Kosten zu senken. Arbeitnehmer werden mehr arbeiten, wenn sie Leistungslohn bekommen als wenn sie Stundenlohn bekommen, weil sich Fleiß nur bei Leistungslohn direkt auszahlt. Das ist zunächst „reine Logik“ und „präempirisch“ (Pies [Grundlagen] 19). Innerhalb des Modells kann bei entsprechenden Prämissen das Handeln mit mathematischer Präzision erfasst und prognostiziert werden. (2) Probleme und Gefahren der Modellanalyse Das Problem dieser Methode besteht darin, dass man keine Erkenntnisse gewinnt, die nicht bereits in den Prämissen enthalten wären. Sind die Prämissen realitätsfern, dann liefern auch die logischen Schlussfolgerungen keine Erkenntnisse über die Realität. Nun ist die Prämisse der ökonomischen Nutzenmaximierung sicher bis zu einem gewissen Grad „wirklichkeitsfremd“ (Weber [Wirtschaft] 10), denn ein „rein ökonomisches“ Verhalten wird man in der Wirklichkeit kaum finden. Die radikale Vereinfachung kann aber auch gerade als Stärke der Methode gesehen werden (vgl. Pies [Grundlagen] 21). Denn aufgrund des vereinfachten Modells lassen sich logisch auch empirisch gehaltvolle Verhaltens- und Entwicklungsprognosen gewinnen, die an der Realität überprüft werden können. Durch den Vergleich mit der Realität kann man schließen, wie weit die ökonomische Erklärung reicht, wo das Verhalten ökonomisch bestimmt oder mitbestimmt war oder zu sein pflegt und wo andere Motive ins Spiel kommen (vgl. Weber [Wirtschaft] 10). Die Modellanalyse geht dann in die hypothetisch-deduktive Methode über. Zwei Gefahren können speziell mit der ökonomischen Modell-Analyse verbunden sein: Die erste Gefahr ist die Immunisierung des Modells gegen empirische Überprüfungen, indem der Begriff der „Nutzenmaximierung“ auf jede denkbare Form von Nutzen ausgedehnt wird. Dann wird keine Verhaltensweise mehr ausgeschlossen und die Aussagen werden inhaltsleer. Beispiel: Bei einer Preiserhöhung kauft ein Konsument weniger von einem Gut, um Geld zu sparen oder er kauft mehr von dem Gut, um einen hohen Status zu demonstrieren oder er reagiert auf die Preiserhöhung aus Bequemlichkeit überhaupt nicht. <?page no="67"?> 42 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung Der Ökonomik wird eine Neigung zu solchen Immunisierungen nachgesagt (vgl. Albert [Modell-Platonismus]). Die zweite Gefahr besteht in der „Problemverschlingung“ (Weber [Sinn] 536f.): Die methodisch nützlichen Modellannahmen werden nach und nach als erschöpfendes Abbild der Wirklichkeit verstanden und schließlich sogar zum Ideal erhoben. Man bewegt sich nur noch in einer fiktiven Modellwelt und blendet dogmatisch alles aus, was nicht dazu passt. (3) Anwendung in der Organisationsforschung Die Modellanalyse ist in den letzten Jahren im Zuge der Verbreitung der Neuen Institutionenökonomik zu einer sehr beliebten Methode geworden. Bestechend ist v.a. die logische Stringenz der Argumentation. Analytisch-deduktives Vorgehen kann man aber auch in älteren organisationstheoretischen Ansätzen finden. Die deutende Erfassung der Realität über Idealtypen bei Max Weber, die strukturtechnische Möglichkeitsanalyse von Erich Kosiol und der entscheidungslogische Ansatz der Organisationstheorie tragen Züge dieser Methode. 2.4 Induktion (1) Allgemeine Kennzeichnung Die Induktion oder induktive Methode wurde früher als das charakteristische Verfahren der Erkenntnisgewinnung durch empirische Forschung verstanden. Man glaubte, durch großzahlige, systematische Datenerhebung mit Hilfe von Fragebogen, Interview, Experiment, Beobachtung und Dokumentenanalyse zu Verallgemeinerungen und Gesetzmäßigkeiten zu kommen. Der induktive Schluss führt vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Einzelfall zur Gesetzmäßigkeit. Induktion ist auch die typische Art, wie wir Alltagstheorien bilden. Treten zwei Ereignisse häufig in engem zeitlichem Zusammenhang auf, deuten wir das als Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Die Induktion führt über die beobachteten Einzelfälle hinaus. Man spricht daher auch vom „Erweiterungsschluss“. Beispiel: Aus der Beobachtung, dass viele Produkte typische Lebensphasen durchlaufen und schließlich den Markt verlassen, wird die Gültigkeit der Produktlebenszykluskurve für alle Produkte abgeleitet. <?page no="68"?> Methoden der Organisationsforschung · 43 (2) Induktionsproblem In der Erweiterung liegt aber auch das Problem der Induktion. Man kann vermuten, dass ein Zusammenhang, der häufig beobachtet wurde, immer und überall gilt, man kann es aber letztlich nicht beweisen, weil sich eben nicht alle Einzelfälle beobachten lassen. Sichere Aussagen über die Zukunft lassen sich durch Induktion nicht gewinnen, es sei denn man unterstellt die Stabilität der Verhältnisse. Aber auch die Behauptung, dass die Zukunft der Vergangenheit gleicht, ist nur eine induktive Verallgemeinerung und kann nicht bewiesen werden. Aufgrund dieses „klassischen Induktionsproblems“ wird die Induktion heute nur noch als Methode akzeptiert, um zu Hypothesen zu kommen. Sie wird in den sog. „Entdeckungszusammenhang“ verwiesen. Aus der Kritik an der Induktion entwickelte sich die hypothetisch-deduktive Methode. (3) Anwendung in der Organisationsforschung Die Induktion spielt als Teilschritt in fast allen organisationstheoretischen Ansätzen eine Rolle. Es ist auch eine besonders nahe liegende Methode, aus einem häufig beobachteten Zusammenhang auf ein Gesetz zu schließen. Tatsächlich reicht uns eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Zusammenhanges ja oft auch aus. Besonders deutlich ist die Vorstellung, aus zahlreichen Einzelbeobachtungen zu Gesetzen zu kommen, in der Vorgehensweise von Taylor zu erkennen (vgl. S. 74f.). 2.5 Hypothetisch-deduktive Methode (1) Allgemeine Kennzeichnung Als hypothetisch-deduktiv wird jenes Forschungsverfahren bezeichnet, welches von Karl R. Popper (1902-1994) für die Erfahrungswissenschaften zur Aufstellung und Begründung von Theorien postuliert wird. Die Methode ist der Kern des von Popper begründeten „kritischen Rationalismus“ (zum kritischen Rationalismus vgl. bspw. Meyer [Methodologie]). Auf die Diskussion wirtschaftswissenschaftlicher Methoden übte Poppers Werk einen besonders starken und nachhaltigen Einfluss aus (vgl. Kretschmann [Diffusion] 1). Wegen dieser besonderen Bedeutung wird die hypothetisch-deduktive Methode im Folgenden ausführlich dargestellt. Nach der hypothetisch-deduktiven Methode hat der Forscher - stark vereinfacht - folgende Einzelschritte zu vollziehen (vgl. Wild [Theorienbildung] 3894ff.): <?page no="69"?> 44 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung (a) Zunächst werden vorläufig unbegründete, empirisch gehaltvolle Hypothesen theoretischen Charakters aufgestellt. Dies geschieht, indem Beobachtungen objektiver Daten verallgemeinert werden. Dieser Schritt entspricht der Induktion (vom Einzelnen zum Allgemeinen). (b) Aus der Hypothese werden singuläre Folgerungen (Prognosen eines Sachverhalts) abgeleitet. Dieser Schritt ist eine Deduktion (vom Allgemeinen zum Einzelnen). Die singulären Folgerungen werden sodann mit der Realität konfrontiert, also empirisch überprüft, z.B. durch Beobachtung und Experimente. Fällt die Hypothesenprüfung positiv aus, gilt die Hypothese als vorläufig bestätigt. Man sagt auch, sie wurde nicht falsifiziert (widerlegt). Nach Popper können Hypothesen zwar endgültig falsifiziert, aber nie endgültig verifiziert (bestätigt) werden, denn es ist nie auszuschließen, dass eines Tages doch noch eine Beobachtung gemacht wird, die der singulären Folgerung widerspricht. Das bestmögliche Ergebnis der Wissenschaft ist eine empirisch gut bewährte Hypothese, welche trotz zahlreicher und kritischer Überprüfungen noch nie falsifiziert wurde (vgl. Abb. 5-1). (2) Beispiel Ein Beispiel soll die Vorgehensweise verdeutlichen. Das Beispiel wurde den Aussagen des sog. situativen Ansatzes der Organisationstheorie entnommen, da dieser Ansatz dem hypothetisch-deduktiven Modell am deutlichsten folgt (vgl. S. 106ff.). Der Historiker A. Chandler (vgl. [Strategy]) machte bspw. die Beobachtung, dass mehrere große amerikanische Unternehmen die Spartenorganisation (divisionalisierte Struktur) einführten, nachdem sie zuvor das Produktionsprogramm erweitert hatten (Diversifikation). Daraus leitete er induktiv die Hypothese ab: „Structure follows strategy“. Aus dieser Hypothese ist deduktiv die Prognose zu gewinnen, dass jedes Unternehmen, welches sein Produktionsprogramm erweitert, in der Folge auch die Struktur ändert und unterschiedliche organisatorische Einheiten (Sparten oder Divisionen) für die unterschiedlichen Produkte einrichtet. Kann die Hypothese vorläufig bestätigt werden, ist die nun gut bewährte theoretische Aussage pragmatisch zu der Gestaltungsempfehlung umzuinterpretieren, dass man bei diversifiziertem Produktionsprogramm eine divisionale Struktur wählen sollte, weil man sich von ihr eine Effizienzsteigerung verspricht. Chandlers These wurde vielfach empirisch überprüft (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 245ff.), allerdings mit widersprüchlichen Ergebnissen. Bei vielen Untersuchungen konnte die These bestätigt werden. Im strengen Sinne muss sie <?page no="70"?> Methoden der Organisationsforschung · 45 aber als falsifiziert gelten, denn es wurden sowohl Unternehmen gefunden, die trotz eines diversifizierten Produktionsprogrammes eine funktionale Struktur beibehielten, als auch solche, die divisionalisierten, obwohl ihr Produktionsprogramm nicht als diversifiziert eingestuft wurde. Hypothese, Theorie Singuläre Folgerung, Prognose eines Sachverhalts Deduktive Ableitung Induktive Verallgemeinerung Empirische Prüfung (Beobachtung, Experiment) Tautologische Umformung des Ursache-Wirkungs- Zusammenhangs in einen Ziel-Mittel-Zusammenhang Beobachtung objektiver Daten (vorläufige) Bestätigung der Theorie/ Hypothese (endgültige) Widerlegung der Theorie/ Hypothese Start Hypothese, Theorie Singuläre Folgerung, Prognose eines Sachverhalts Deduktive Ableitung Induktive Verallgemeinerung Empirische Prüfung (Beobachtung, Experiment) Tautologische Umformung des Ursache-Wirkungs- Zusammenhangs in einen Ziel-Mittel-Zusammenhang Beobachtung objektiver Daten (vorläufige) Bestätigung der Theorie/ Hypothese (endgültige) Widerlegung der Theorie/ Hypothese Start Abb. 5-1: Hypothetisch-deduktive Methode der Theoriebildung Was für Chandlers These gilt, kann verallgemeinert werden. Werden die strengen Maßstäbe der hypothetisch-deduktiven Methode angelegt, dann gibt es nach allgemeiner Einschätzung bisher überhaupt keine empirisch gehaltvollen, gut bewährten Gesetzesaussagen im Rahmen der Organisationstheorie. Allenfalls verfügt man über raum-zeitlich begrenzte Quasitheorien, Trendaussagen, Erklärungsskizzen und gewisse regelmäßige „Muster“. Das im Prinzip einleuchtende Vorgehensmodell der hypothetisch-deduktiven Methode ist offensichtlich nicht ohne weiteres auf die Organisationstheorie zu übertragen. Die Probleme, die bei dieser Übertragung entstehen, sollen bei der Beschreibung der Einzelschritte im Folgenden näher betrachtet werden. <?page no="71"?> 46 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung (3) Probleme der Hypothesenbildung Nach der idealtypischen Vorgehensweise der Theoriebildung, wie sie in Abb. 5- 1 zum Ausdruck kommt, bilden „objektive Daten“, die beobachtet wurden, den Ausgangspunkt für die Hypothesen. Diese Daten sind aber nicht einfach voraussetzungslos gegeben, sondern werden vom Forscher unter Verwendung gewisser Basisannahmen wahrgenommen. Wie die Hermeneutik lehrt, gibt es keine Erkenntnis, die nicht auf einer „Vorstruktur“ beruhen würde. Ein Soziologe „sieht“ eine Unternehmung anders als ein Ingenieur oder ein Betriebswirt. Vor der Beobachtung muss schon eine gewisse Theorie vorhanden sein, um überhaupt sinnvoll und zielorientiert beobachten zu können. „Es gibt keine theorielose Beobachtung“ sagt auch Popper ([Erkenntnis] 72). Damit ist die Objektivität der Daten von vornherein in Frage gestellt. Daten werden immer unter einer bestimmten Sichtweise, einem Ansatz, erhoben. Mit dem Ansatz schafft der Forscher - häufig unbewusst - eine Reihe von Voraussetzungen: (a) Mit dem Organisationsbegriff legt er den ihn interessierenden Wirklichkeitsausschnitt und die Richtung der Forschung fest. Wird bspw. Organisation als Instrument aufgefasst, also der instrumentelle Organisationsbegriff gewählt, dann muss die Wirkung bestimmter organisatorischer Maßnahmen auf ein zuvor festgelegtes Ziel untersucht werden. (b) Wie Morgan ([Images]) herausgearbeitet hat, benutzt jeder Forscher eine bestimmte forschungsleitende Metapher, d.h. er hat ein bestimmtes Bild von seinem Untersuchungsgegenstand und dessen Bestandteilen und Funktionsweisen. Dieses Bild ist z.B. davon geprägt, welche Vorbildung der Forscher hat und auch in welcher Gesellschaft und Zeit er lebt. Für einen Ingenieur etwa ist die Unternehmung zu vergleichen mit einer Maschine, in welcher die Individuen wie Rädchen im Getriebe funktionieren. Nach dieser Sichtweise gibt es eine optimale Struktur, die nach einem exakten Bauplan entworfen wird und dann zuverlässig effizientes Verhalten produziert. Andere Metaphern vergleichen das Unternehmen mit einem Organismus, einem Gehirn, einer politischen Arena oder einem Herrschaftsinstrument. (c) Eine weitere wichtige Basisannahme betrifft das Menschenbild (vgl. Matthiesen [Kritik]). Wenn die Struktur das menschliche Verhalten zielorientiert regulieren soll, muss man sich Gedanken über die Natur des Menschen machen. Ob man die Menschen für vollkommen oder begrenzt rational hält, für ehrlich oder opportunistisch, für arbeitswillig oder faul, hat entscheidenden Einfluss auf die Bildung von Hypothesen zum Struktur-Verhaltens- Zusammenhang. Das Problem der Bestimmung von Verhaltensannahmen kann man nur dann umgehen, wenn die Menschen schon im ersten Schritt, bei der Begriffsbildung, aus dem Gegenstandsbereich der Organisationstheo- <?page no="72"?> Methoden der Organisationsforschung · 47 rie hinausdefiniert werden. Im strukturtechnischen Ansatz von Kosiol etwa kommen Menschen nur als abstrakte Aufgabenträger vor: „Die soziologisch-psychologischen Probleme werden in ihrer Bedeutung nicht übersehen, wohl aber ausgeklammert.“ (Kosiol [Organisation] 22). (d) Schließlich hat jeder Forscher eine bestimmte Vorstellung davon, was Wissenschaft ist und wie ein Wissenschaftler vorzugehen hat. Von Burrell und Morgan ([Paradigms]) werden vereinfachend zwei Grundpositionen in diesen Fragen unterschieden, nämlich die objektivistische und die subjektivistische Position. • Die objektivistische Position geht von der Annahme aus, dass es eine objektive Realität „da draußen“ gibt, die richtig und intersubjektiv prüfbar erfasst und abgebildet werden kann. Es können gesetzmäßige Ursache-Wirkungs-Beziehungen gefunden werden, nicht nur in der Natur, sondern auch in der sozialen Welt. Der Mensch ist vergleichbar einer „Trivialen Maschine“ (vgl. Foerster [Prinzipien] 245ff.), d.h. er reagiert vorhersehbar und gesetzmäßig auf bestimmte Anreize, die ihn quasi determinieren. Aufgabe der Forschung ist es, Gesetzeshypothesen aufzustellen und durch großzahlige empirische Untersuchungen zu überprüfen. • Die subjektivistische Position betont die subjektive Interpretation oder Konstruktion der jeweils nur individuell gültigen Realität (Konstruktivismus). Menschen sind „nicht-triviale Maschinen“ (vgl. Foerster [Prinzipien] 247ff.), deren wandelbare innere Zustandsfunktion das Verhalten unvorhersehbar macht. Darum hat es auch keinen Zweck, im sozialen Bereich nach gesetzmäßigen Zusammenhängen zu suchen. Man kann immer nur in Einzelfällen verstehend nachvollziehen, was warum geschehen ist. Aufgabe des Forschers ist es, sich in die Lage der betroffenen Menschen einzufühlen und ihr Verhalten zu verstehen. Eine Verallgemeinerung der Befunde ist eigentlich nicht zulässig. Wie diese Ausführungen zeigen, fallen schon bei den ersten Schritten der Theoriebildung viele Vorentscheidungen. Wer Organisationsmerkmale quantitativ misst und diese Daten zu einer Gesetzeshypothese verdichtet, vertritt offenbar eine eher objektivistische Position. Welche Daten überhaupt interessieren und zu welchen Hypothesen man gelangt, hängt vom Ansatz des Forschers ab. (4) Probleme der Hypothesenprüfung Hat man aus der allgemeinen Hypothese durch Deduktion die singuläre Prognose abgeleitet, muss noch überprüft werden, ob diese Prognose zutrifft. Auch <?page no="73"?> 48 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung dieser Schritt der Theoriebildung ist weitaus problematischer, als es zunächst den Anschein hat. Der zu untersuchende Wirklichkeitsausschnitt muss zunächst in einer empirisch messbaren Form abgebildet, d.h. operationalisiert werden. Die Operationalisierung muss den Ansprüchen der Validität und der Reliabilität genügen: Validität (= Gültigkeit) meint, ob das gemessene Kriterium das eigentlich interessierende Phänomen auch gültig abbildet. Nehmen wir z.B. die Hypothese, dass die Einführung von Gruppenarbeit die Zufriedenheit erhöht. Kann dann bspw. aus den Kriterien „Krankenstand“ und „Fluktuationsrate“ gültig auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter geschlossen werden? Bei mehrfacher Messung sollten sich außerdem zuverlässig immer die gleichen Ergebnisse einstellen (Reliabilität = Zuverlässigkeit). Das Kriterium der Fluktuationsrate ist vermutlich reliabel, d.h. wenn die Messung von jemand anders wiederholt würde, käme er zum gleichen Ergebnis. Weniger zuverlässig, aber wahrscheinlich valider, wäre dagegen eine Befragung der Mitarbeiter zu ihrem Zufriedenheitsgrad. Wenn das Problem der Operationalisierung gelöst ist, muss der Forscher überlegen, wie viele Unternehmen er wann und wie untersuchen will. Sollen möglichst viele und unterschiedliche Unternehmen zu einem Zeitpunkt mit Hilfe eines Fragebogens untersucht werden (breit angelegte Querschnittsanalyse)? Oder ist es sinnvoller, in einem einzelnen Unternehmen mehrere Monate lang den Arbeitsalltag zu beobachten und sich immer wieder zwanglos mit den Mitarbeitern zu unterhalten (tief angelegte Längsschnittsanalyse)? Hat man sich für eine Untersuchungsmethode entschieden und die Daten erhoben, müssen sie im nächsten Schritt ausgewertet und interpretiert werden. Zur Überprüfung von Zusammenhängen zwischen zwei Größen bietet sich eine Korrelationsanalyse an. Wird ein statistischer Zusammenhang nachgewiesen, ist dieser noch zu interpretieren. Wird etwa ein positiver Zusammenhang zwischen der Einführung von Gruppenarbeit und der Zufriedenheit der Mitarbeiter gemessen, wird dies kausal interpretiert: Gruppenarbeit als Ursache ruft Zufriedenheit als Wirkung hervor. In vielen Fällen ist die kausale Schlussfolgerung aus dem statistischen Befund keineswegs zwingend. Der von Chandler festgestellte Zusammenhang zwischen Strategie und Struktur („structure follows strategy“) wurde bspw. von anderen Forschern gerade entgegengesetzt interpretiert („strategy follows structure“). Möglicherweise entsteht eine starke Korrelation zwischen zwei Größen auch nur deshalb, weil sie gemeinsam von einer dritten Größe abhängen: Ein positiver Zusammenhang zwischen dem Formalisierungsgrad einer Unterneh- <?page no="74"?> Methoden der Organisationsforschung · 49 mung und dem Gewinn kann etwa darauf beruhen, dass die steigende Unternehmensgröße sowohl die Ursache für die zunehmende Formalisierung darstellt als auch für den Gewinnzuwachs. Zwischen Formalisierung und Gewinn besteht also nur scheinbar ein positiver Zusammenhang. Vielleicht ist der direkte Zusammenhang zwischen Formalisierung und Gewinn sogar negativ, was aber durch die positiven Effekte des Unternehmenswachstums überkompensiert wird. Bei der Interpretation der Befunde muss man die Fakten in einen Sinnzusammenhang stellen, d.h. auch an dieser Stelle fließt die Hermeneutik in die hypothetisch-deduktive Methode ein. Die Hypothesenprüfung birgt so viele Probleme in sich, dass die empirische Bestätigung einer Hypothese nicht ohne weiteres als Beweis für die Gültigkeit genommen werden kann. In diesem Zusammenhang ist auf das sog. Popper-Kriterium hinzuweisen. Karl Popper (österreichisch-englischer Philosoph, 1902-1994) verlangt, dass Hypothesen so formuliert werden, dass sie falsifizierbar sind. Die Wissenschaftler sollten dann versuchen, ihre Theorien zu widerlegen. So kommt man der Wirklichkeit immer näher. Eine endgültige Falsifikation ist aber auch nicht möglich, denn es kann immer argumentiert werden, dass die Art der Überprüfung fehlerhaft war. Bestenfalls erhält man Tendenzaussagen (je..., desto...), die in vielen Fällen (wenn auch nicht in allen) bestätigt werden konnten. Nicht zu vernachlässigen ist bei der Hypothesenprüfung sicherlich auch, dass die Forscher entgegen Poppers Idealvorstellung nicht das Interesse haben, ihre Hypothese zu verwerfen und sie so streng wie möglich zu prüfen. Es liegt menschlich näher, dass i.d.R. nach bestätigenden Informationen gesucht wird. Dabei muss keine betrügerische Absicht unterstellt werden. Vielmehr kann das Untersuchungsdesign unbewusst in einer Art und Weise konstruiert werden, welche die These des Forschers stützt. (5) Probleme der Theorieanwendung Letztlich soll die Theorie den Unterbau für die Gestaltung liefern. Idealtypisch wird die überprüfte Ursache-Wirkungs-Beziehung tautologisch umgeformt in eine Ziel-Mittel-Beziehung. „Tautologisch“ bedeutet, dass man den gleichen Sachverhalt nur in andere Worte kleidet, ohne etwas Neues hinzuzufügen. Aus „Wirkung“ wird „Ziel“ und aus „Ursache“ wird „Mittel“. Aus Chandlers These „structure follows strategy“ wird bspw. geschlossen, dass man die Struktur der Strategie anpassen sollte, präziser: dass eine divisionalisierte Struktur bei einem diversifizierten Produktionsprogramm zur Erfolgssteigerung beiträgt. In dieser <?page no="75"?> 50 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung Argumentation ist allerdings wieder eine ganze Reihe von (fragwürdigen) Voraussetzungen enthalten: (a) Die tautologische Umformung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen in Ziel-Mittel-Zusammenhänge ist nur dann zulässig, wenn die Ursache die Wirkung kausal-genetisch hervorruft. Wenn Penicillin (Ursache) Bakterien abtötet (Wirkung), dann kann ich also Penicillin (Mittel) einsetzen, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen (Ziel). Der Zusammenhang von Strategie und Struktur ist nicht von dieser Art, denn die Strategie „produziert“ die Struktur nicht. Vielmehr sind es die Organisationsgestalter, die eine Restrukturierung in die Wege leiten. Dabei gehen sie vermutlich von der Plausibilitätsüberlegung aus, dass es bei sehr unterschiedlichen Produkten und Märkten sinnvoll ist, wenn sich bestimmte organisatorische Einheiten darauf spezialisieren. Sie verfügen ihrerseits über eine „implizite Theorie“, die etwa lauten könnte: Koordination im Unternehmen ist umso schwieriger, je heterogener die abzustimmenden Einheiten sind. Oder: Jeder Mensch kann nur begrenzt Informationen verarbeiten und sollte sich darum besser auf Teilbereiche spezialisieren. Oder: Bei marktorientierten Organisationseinheiten lässt sich deren Anteil am Gesamterfolg der Unternehmung leichter feststellen. (b) Eine pragmatische Nutzung der theoretischen Aussagen ist im Grunde nur dann sinnvoll, wenn auch ein systematischer Zusammenhang mit der interessierenden Zielgröße theoretisch nachgewiesen wurde. Das eigentlich interessierende Ziel ist in unserem Beispiel nicht die divisionale Struktur, sondern der Unternehmenserfolg, etwa ein hoher Gewinn oder die Steigerung des Shareholder Value. Nur wenn Unternehmen, die bei diversifiziertem Produktionsprogramm eine divisionalisierte Struktur eingeführt haben, regelmäßig erfolgreicher sind als solche, die trotz Strategieänderung eine funktionale Struktur beibehielten, kann die Strukturänderung empfohlen werden. Die bloße Beobachtung, dass die meisten Organisationsgestalter eine bestimmte Strukturform bei einer bestimmten Strategie bevorzugen, kann nur dann zu einer Gestaltungsempfehlung führen, wenn man zugleich unterstellt, dass die Organisationsgestalter rational gehandelt haben. Man vollzieht ihre Plausibilitätsüberlegungen verstehend nach und hält es ebenfalls für einleuchtend, dass die neue Struktur zur neuen Strategie besser passt. Die eigentliche Begründung für die Gestaltungsempfehlung liegt in diesen Überlegungen und nicht in der empirisch nachgewiesenen Regelmäßigkeit. (c) Eine schlichte tautologische Umformung des theoretischen Zusammenhanges in einen technologischen Zusammenhang ist selbst dann nicht sinnvoll, <?page no="76"?> Methoden der Organisationsforschung · 51 wenn Unternehmen, die ihre Struktur der Strategie angepasst haben, häufig erfolgreicher sind als solche, die diese Anpassung nicht vorgenommen haben. Denn der Unternehmenserfolg hat immer viele Ursachen gleichzeitig. Wettbewerbsfähige Produkte, attraktive Märkte, gute Konjunktur, moderne Technologie, moderater Wettbewerb, engagierte Mitarbeiter, all das und mehr trägt zum Erfolg bei. Es ist daher sehr schwierig, den Anteil, den die Struktur am Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmung hat, aus diesem Ursachenbündel zu isolieren. Eine Strukturänderung alleine kann keinen Erfolg garantieren. Die Ursache-Wirkungs-Kette ist weitaus komplexer und ungewisser, als der simplifizierende Befund vom Strategie-Struktur-Zusammenhang zunächst vermuten lässt. Entsprechend problematisch ist auch die pragmatische Verwendung der Theorie. 2.6 Ansätze Die Organisationstheorie stellt sich heute nicht als homogene Disziplin dar. Es gibt unterschiedliche Auffassungen vom Erkenntnisgegenstand und den anzuwendenden Methoden. Statt einer Theorie gibt es viele unterschiedliche theoretische Ansätze. Die Fülle der Ansätze kann damit erklärt werden, dass die Komplexität des Forschungsgegenstandes sehr viele Freiheiten eröffnet (vgl. auch Göbel [Organisationstheorie]). Man kann • sich dem Forschungsgegenstand „Organisation“ von unterschiedlichen Disziplinen her nähern (bspw. Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Soziologie, Psychologie), • unterschiedliche Organisationsbegriffe in den Vordergrund stellen (bspw. Organisation als Instrument, Organisation als Institution), • sich von unterschiedlichen Metaphern leiten lassen (bspw. Organisation als Maschine, Organisation als Organismus), • unterschiedliche Aspekte der Organisation betrachten (bspw. die Art der Arbeitsteilung, das Entscheidungsverhalten der Organisationsmitglieder, die Grenzziehung zwischen Organisation und Umwelt), • unterschiedliche Untersuchungsmethoden verwenden (bspw. großzahlige empirische Erhebung quantitativer Merkmale mit statistischer Auswertung oder langfristiges Miterleben und Beobachten des Mitarbeiterverhaltens und Erstellen eines Erfahrungsberichts), • von unterschiedlichen Menschenbildern ausgehen (bspw. der Mensch ist faul, der Mensch will seine Potenziale entfalten) und <?page no="77"?> 52 · Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Organisationsforschung • unterschiedliche Vorstellungen von der gezielten Gestaltbarkeit der Organisation entwickeln. In der Fülle der Ansätze präsentiert sich zugleich die Reichhaltigkeit des Erkenntnisgegenstandes „Organisation“. Dass sich so viele verschiedene Forscher im Rahmen von unterschiedlichen Ansätzen mit der Organisation beschäftigt haben, zeigt, wie ergiebig, spannend und dynamisch das Forschungsfeld ist. Jeder Ansatz trägt seinen Teil dazu bei, den Forschungsgegenstand „Organisation“ besser zu verstehen und zu erklären und damit auch besser gestalten zu können. Weil die organisationstheoretischen Ansätze das Fundament für eine zielgerichtete Gestaltung der Organisation bilden, werden sie im folgenden Kapitel ausführlich dargestellt. Hinweise für den Leser: Um das Verständnis der einzelnen Ansätze zu erleichtern und die Vergleichbarkeit zu verbessern, wird jeder Ansatz nach demselben Schema charakterisiert. Eine zusammenfassende Gegenüberstellung findet sich dann noch auf S. 213-215. Die Reihenfolge der einzelnen Ansätze entspricht der Zeit, in der sie entstanden sind. Die Lektüre der einzelnen Ansätze kann von dieser Reihenfolge durchaus abweichen. Jeder Ansatz ist so beschrieben, dass er ohne Vorkenntnisse und isoliert verstanden werden kann. <?page no="78"?> Fragen zur Wiederholung und Vertiefung · 53 Fragen zur Wiederholung 1. Beschreiben Sie die drei Ziele der Wissenschaft und ihren Zusammenhang. (1) 2. Welche Vorteile bringt ein methodisches Vorgehen bei der Entwicklung einer Theorie mit sich? (2.1) 3. Was versteht man unter dem „hermeneutischen Zirkel“? (2.2) 4. Unterscheiden Sie Induktion und Deduktion. (2.3 und 2.4) 5. Welche Einzelschritte hat ein Forscher im Rahmen der hypothetischdeduktiven Methode zu vollziehen? (2.5) 6. Was versteht man unter einer forschungsleitenden Metapher? (2.5) 7. Welche Einzelaufgaben umfasst die Hypothesenprüfung? (2.5) 8. Unter welchen Bedingungen ist eine Umformung von empirisch nachgewiesenen Regelmäßigkeiten in eine Gestaltungsempfehlung sinnvoll? (2.5) 9. Warum gibt es in der Organisationstheorie so viele unterschiedliche Ansätze? (2.6) Fragen zur Vertiefung 1. Heute ist man allgemein der Meinung, dass Erklären und Verstehen sich ergänzen. Wie fließt das Verstehen in das Erklären ein und welchen Input liefern Erklärungen für das Verstehen? 2. Obwohl der Methodenpluralismus auch innerhalb der Organisationsforschung grundsätzlich akzeptiert ist, beziehen sich nur wenige Forscher explizit auf Methoden wie Hermeneutik und Induktion. Woran könnte das liegen? 3. In der Betriebswirtschaftslehre wird häufig modellanalytisch gearbeitet. Überlegen Sie, was für und was gegen diese Methode spricht. 4. Überlegen Sie, welche Eigenschaften des Menschen für die Organisationslehre besonders wichtig sein könnten und wie man zu einem bestimmten Menschenbild kommt. <?page no="79"?> 54 · Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen 5. Stellen Sie sich vor, Sie sollten im Rahmen einer Diplomarbeit die Hypothese „Gruppenarbeit verbessert die Zufriedenheit der Mitarbeiter“ empirisch prüfen. Wie könnten Sie grundsätzlich vorgehen? 6. Warum kann man von Korrelationen nicht unbedingt auf Kausalitäten schließen? Literaturempfehlungen Für einen allgemeinen Überblick über die Wissenschaftstheorie: Ruß, H. G.: Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie und die Suche nach Wahrheit, Eine Einführung, Stuttgart 2004. Speziell zu den Problemen der Organisationsforschung: Cassell, C., Symon, G.: Essential Guide to Qualitative Methods in Organizational Research, London u.a. 2004. Kieser, A.: Anleitung zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 1. A., Stuttgart, Berlin, Köln 1993, S. 1-35. Kühl, S., Strodtholz, P.: Methoden der Organisationsforschung, Reinbek 2002. Matiaske, W.: Methoden der empirischen Managementforschung, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 853-861. Scherer, A. G.: Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? Wissenschaftstheoretische Bemerkungen zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A., Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, 6. A., Stuttgart 2006, S. 19-61. <?page no="80"?> Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 1 Systematik 2 Bürokratieansatz 3 Tayloristischer Ansatz 4 Human-Relations-Ansatz 5 Strukturtechnischer Ansatz 6 Situativer Ansatz 7 Entscheidungstheoretischer Ansatz 8 Institutionenökonomischer Ansatz 9 Evolutionstheoretischer Ansatz 10 Interpretativer Ansatz 11 Selbstorganisationsansatz 12 Strukturationsansatz 1 Systematik Die Fülle der organisationstheoretischen Ansätze zwingt zu einer Auswahl. Diese Auswahl kann nur nach Zweckmäßigkeitsaspekten erfolgen, weil es kein zwingendes Auswahlkriterium gibt. Folgende Überlegungen spielen eine Rolle: • Es sollten die wichtigsten Ansätze vorgestellt werden, also jene, die als „Klassiker“ des Faches gelten. • Das breite Spektrum unterschiedlicher Basisannahmen und Methoden sollte sichtbar werden. • Es sollten die theoretischen Grundlagen erarbeitet werden, auf welche die Organisationsgestaltung Bezug nimmt. Die Reihenfolge der dargestellten Ansätze entspricht in etwa der chronologischen Entwicklung. Dieses Kriterium ist allerdings nicht streng durchzuhalten, da häufiger unterschiedliche Ansätze ungefähr zur gleichen Zeit entwickelt <?page no="81"?> 56 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze wurden. Es gibt auch nicht immer eine zentrale Veröffentlichung eines bestimmten Forschers, deren Erscheinungsjahr quasi als „Geburtsstunde“ eines Ansatzes bezeichnet werden könnte. Die chronologische Reihenfolge legt es nahe, alte und moderne Ansätze zu unterscheiden. Dies soll hier jedoch nicht geschehen, weil damit ein systematischer Fortschritt hin zu immer moderneren und somit „besseren“ Ansätzen suggeriert würde, der so nicht stattgefunden hat. Die „modernen“ Ansätze haben die „alten“ nicht abgelöst, sondern das komplexe Gesamtbild der Organisation weiter bereichert. Alle Ansätze haben in bestimmten Teilaspekten ihre Aktualität bewahrt. Folgende Ansätze werden näher beschrieben: • Bürokratieansatz, • tayloristischer Ansatz, • Human-Relations-Ansatz, • strukturtechnischer Ansatz, • situativer Ansatz, • entscheidungstheoretischer Ansatz, • institutionenökonomischer Ansatz, • evolutionstheoretischer Ansatz, • interpretativer Ansatz, • Selbstorganisationsansatz und • Strukturationsansatz. Bei allen Ansätzen sollen - nach Möglichkeit - zur Sprache kommen: • Vertreter des Ansatzes und wichtige Quellen für organisationstheoretische Aussagen, • Organisationsbegriff in institutioneller, instrumenteller und prozessorientierter Hinsicht, • Metapher (= bildliche Übertragung, besonders eines konkreten Begriffs auf einen abstrakten Begriff, z.B. die Organisation als Maschine), • zentrale Aussagen des Ansatzes, • dem Ansatz zugrundeliegendes Menschenbild, <?page no="82"?> Der Bürokratieansatz · 57 • Methoden der Erkenntnisgewinnung und • die aktuelle Bedeutung des Ansatzes. Da die Forscher selbst zu diesen Aspekten nicht immer ausdrücklich Stellung beziehen, sind z.T. Interpretationen nötig. Insbesondere die philosophischanthropologischen Grundüberzeugungen der Wissenschaftler, die implizit in die Theorie einfließen, lassen sich nur spekulativ aus den Texten erschließen (vgl. Hesch [Menschenbild] 41f.). Die Darstellung der Ansätze ist also nicht völlig „objektiv“. 2 Der Bürokratieansatz Vertreter Quellen Metapher Max Weber (1864-1920) Hauptwerk: Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, 1922, also postum erschienen Organisation kann verstanden werden als Maschine, Apparat, Herrschaftsinstrument. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist eine Form legitimer Herrschaft. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll Herrschaft sichern und legitimieren. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch rationale Satzung. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch handelt zweckrational, wertrational, gefühlsmäßig und gewohnheitsmäßig. Bildung von Idealtypen; Erklärendes Verstehen: induktives, hypothetischdeduktives und hermeneutisches Vorgehen werden gemischt. • Sicherung von Herrschaft (Führung) • Bildung von Idealtypen • Merkmale zur Beschreibung einer Struktur • Strukturtyp „Bürokratie“ 2.1 Vertreter und wichtige Quellen Als Begründer des Bürokratieansatzes gilt Max Weber (1864-1920). Obwohl Max Weber in Jura promoviert wurde und sich auch dort habilitierte und anschließend an verschiedenen Universitäten (Freiburg, Heidelberg, Wien, München) Nationalökonomie lehrte, wird er heute i.d.R. als Soziologe verstanden. <?page no="83"?> 58 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Er gilt als Mitbegründer der modernen Soziologie. Soziologie ist ein Kunstwort, das aus dem lateinischen Teil „socius“ (adj.: gemeinsam, verbunden, oder subst.: Gefährte, Teilnehmer) und dem griechischen Teil „logos“ (= Wort, Begriff) zusammengesetzt ist. Vereinfachend kann Soziologie übersetzt werden als „Wissenschaft vom Zusammenleben der Menschen“ (vgl. Gukenbiehl [Soziologie] 12). Max Weber selbst definiert Soziologie folgendermaßen: „Soziologie soll heißen eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ... Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen und darin in seinem Ablauf orientiert ist.“ (Weber [Wirtschaft] 1). Da in jeder Organisation Menschen zusammenleben und sozial handeln, haben die Erkenntnisse der Soziologie für die Organisationsgestaltung Relevanz. Für organisationstheoretische Aussagen stellt das postum (1922) herausgegebene Hauptwerk Max Webers mit dem Titel „Wirtschaft und Gesellschaft“ die zentrale Quelle dar. Das Thema „Bürokratie“ wird v.a. in den Kapiteln „Typen der Herrschaft“ und „Soziologie der Herrschaft“ behandelt. Von Interesse sind aber auch die Ausführungen zu den „soziologischen Grundbegriffen“. 2.2 Organisationsbegriff und Metapher Organisation ist für Max Weber ein Herrschaftsinstrument. „Herrschaft“ oder auch „Autorität“ wird genauer bestimmt als die Chance, für Befehle bei einer Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden. Ein bestimmtes Maß an Bereitschaft zum Gehorchen bei den Beherrschten gehört zu jedem echten Herrschaftsverhältnis (Weber [Wirtschaft] 122). Besonders sicher ist der Fortbestand der Herrschaft daher, wenn der Herrschaftsanspruch als legitim, d.h. als rechtens und begründet anerkannt wird. Nach der Art dieses Legitimitätsanspruchs unterscheidet Weber drei Formen legitimer Herrschaft: • die legale Herrschaft kraft Satzung (Bürokratie), • die traditionale Herrschaft und • die charismatische Herrschaft. Bürokratische Organisation ist also für Weber ein Instrument, um einer Herrschaft Geltung zu verschaffen. „Geltung“ meint, dass die rational gesetzten Regeln der Bürokratie „Fügsamkeit finden“ ([Wirtschaft] 549) und dies nicht nur aus dumpfer Gewohnheit oder aus rationalem Kalkül, sondern auch aus <?page no="84"?> Der Bürokratieansatz · 59 einer gewissen inneren Überzeugung von der Angemessenheit des Herrschaftsverhältnisses. Nach Morgan ([Images] 273ff.) ist dieses Verständnis der Organisation als „instrument of domination“ die forschungsleitende Metapher von Max Weber. Wenn Weber die Effizienz der Bürokratie lobt, dann verwendet er daneben auch das Bild von der Organisation als Maschine: „Ein vollentwickelter bürokratischer Mechanismus verhält sich zu diesen (anderen Formen der Herrschaft; die Verf.) genau wie eine Maschine zu den nicht mechanischen Arten der Gütererzeugung“ ([Wirtschaft] 561). Die Bürokratie ist daher anderen Herrschaftsformen „technisch“ überlegen. Sie ist ein rational gestalteter Apparat. 2.3 Zentrale Aussagen Da Max Weber „Bürokratie” als eine von drei Formen legitimer Herrschaft thematisiert, seien zunächst die beiden anderen Herrschaftsformen kurz skizziert: (1) Die Legitimitätsgeltung traditionaler Herrschaft beruht „auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen“ (Weber [Wirtschaft] 124). Es wird ein Herr-Diener-Verhältnis begründet. (2) Charismatische Herrschaft beruht „auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen“ (Weber [Wirtschaft] 124). Es wird ein Führer-Anhänger-Verhältnis begründet. (3) Diese beiden alten Herrschaftstypen wurden vom „modernen“ Herrschaftstyp der Bürokratie abgelöst. Die Legitimitätsgeltung der Bürokratie beruht „auf dem Glauben an die Legalität gesetzter Ordnung und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen“ (Weber [Wirtschaft] 124). Es wird ein Vorgesetzter-Untergebener-Verhältnis begründet. Eine Bürokratie weist folgende Merkmale auf (vgl. Weber [Wirtschaft] 125ff., 551ff.): Sie ist durch die zweckrationale Setzung einer Vielzahl abstrakter Regeln entstanden, die zusammen eine unpersönliche Ordnung bilden. Dieser unpersönlichen Ordnung sind sowohl die Vorgesetzten als auch die Untergebenen unterworfen. Alle Amtsgeschäfte werden strikt regelgebunden abgewickelt. <?page no="85"?> 60 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Jedes Organisationsmitglied hat genau abgegrenzte Kompetenzen, d.h. bestimmte Aufgaben, Pflichten und Rechte. Eine Amtshierarchie (Instanzenzug) legt den vertikalen Dienstweg fest. Anweisungen verlaufen von oben nach unten, Beschwerden von unten nach oben. Die Kommunikation wird zum größten Teil schriftlich fixiert (Aktenmäßigkeit). Das Personal ist fachlich spezialisiert und geschult, ist hauptberuflich tätig, wird kraft freier Auslese angestellt und erhält ein vertraglich vereinbartes festes Gehalt. Ein Aufstieg in der Hierarchie ist möglich entlang einer genau definierten Laufbahn. Die Beförderung kann von der Leistung abhängig gemacht werden (die der jeweilige Vorgesetzte beurteilt), aber auch vom „Amtsalter“ abhängen. Die Ausübung des Berufes erfolgt völlig getrennt vom Privatbereich in speziellen Büroräumen, die mit den benötigten Sachmitteln ausgestattet sind. Der Untergebene unterliegt einer strengen Disziplin und Kontrolle. Er soll sein Amt „sine ira et studio, ohne Hass und Leidenschaft“ (Weber [Wirtschaft] 129) lediglich pflichtgemäß erfüllen. Seine eigenen Ansichten über den Wert oder Unwert eines Befehles spielen keine Rolle. Im Vergleich mit den älteren Herrschaftsformen, also der feudalistischen und ständischen Ordnung, hat die Bürokratie in erster Linie Vorteile. Weber preist die Präzision, Eindeutigkeit, Kontinuität, Schnelligkeit, Aktenkundigkeit, Sachlichkeit, Berechenbarkeit, Straffheit und Verlässlichkeit der Bürokratie. Sie ist die „rein technisch zum Höchstmaß der Leistung vervollkommenbare, ...formal rationalste Form der Herrschaftsausübung“ ([Wirtschaft] 128). Diese sehr positive Bewertung ist verständlich vor dem Hintergrund der alternativen Herrschaftsformen. Wenn die Alternative darin besteht, dass bspw. ein charismatischer Führer kraft Eigenwillens Regeln erlässt oder widerruft, Anhänger ohne Rücksicht auf deren fachliche Qualifikation mit Aufgaben betraut, Kompetenzen beliebig erweitert oder beschneidet, dann bedeutet dies für alle Beherrschten einen hohen Grad an Unsicherheit. Der „Herr“ im traditionalen Sinne kann nicht ganz so willkürlich agieren, da er ja die Traditionen zu beachten hat. Aber auch er entscheidet vergleichsweise beliebig, lässt Gnade walten oder auch nicht, überträgt seinen persönlichen Günstlingen Ämter und Rechte und verteilt Mittel nach freiem Ermessen. Wenn Herrschaft dagegen durch eigens dafür fachlich geschultes Personal, nach rational gesetzten Regeln, zuverlässig und diszipliniert ausgeübt wird, dann kann dies in der Tat als Fortschritt, als Rationalisierung und Modernisierung, angesehen werden. Als Vorteile der Bürokratie können im Einzelnen angeführt werden (in Klammern werden die Seiten aus „Wirtschaft und Gesellschaft“ genannt): <?page no="86"?> Der Bürokratieansatz · 61 • Das geschulte, nach Qualifikation ausgewählte und hauptberuflich tätige Personal verfügt nicht nur von Anfang an über Fachwissen, sondern erwirbt im Laufe der Tätigkeit spezifisches Dienstwissen (129). • In den Büros können spezielle Sachmittel zum Einsatz kommen, die die Effizienz der Arbeit steigern (566). • Die streng regelorientierte Amtsführung schützt alle davon Betroffenen vor Willkürakten. Der Vorgesetzte darf z.B. die Kompetenzen eines Untergebenen nicht einfach an sich ziehen. Und jeder in gleicher Lage befindliche Interessent wird ohne Ansehen der Person formal gleich behandelt (129, 551). • Die bürokratische Organisation führt zu einem Höchstmaß an zuverlässiger Ordnung, d.h. das Verhalten ist regelmäßig und vorhersehbar (562). • Die bürokratische Herrschaft ist außerordentlich stabil (834). Wegen dieser Vorteile meint Weber: „Der Bürokratisierung gehört die Zukunft“ (834). Es sollte aber nicht unterschlagen werden, dass Weber auch negative Effekte und Gefahren der Bürokratie sieht: • Bürokratie kann zum „Gehäuse der Hörigkeit“ werden, in welches sich die Menschen ohnmächtig fügen müssen (835). • Gerade die Effizienz des „Apparates“ lässt die Frage virulent werden, in wessen Händen er sich befindet. Die Unpersönlichkeit der Ordnung und das Prinzip des formalen Gehorsams lassen den Apparat in den Händen eines jeden Herrschers tadellos funktionieren, „der sich der Herrschaft über ihn einmal zu bemächtigen gewusst hat“ (570). • Eine Kontrolle der Bürokratie ist schwierig, weil der Fachmann dem Nicht-Fachmann stets an Wissen überlegen ist. „Diese Überlegenheit des berufsmäßig Wissenden sucht jede Bürokratie noch durch das Mittel der Geheimhaltung ihrer Kenntnisse und Absichten zu steigern. ... Die Bürokratie verbirgt ihr Wissen und Tun vor der Kritik, soweit sie irgend kann“ (572). • Selbständige Entschlüsse, eigene Ideen und Eigenverantwortung sind dem Typus des „Bürokraten“ fremd. Er muss sein Pflichtgefühl stets über seine Eigenwilligkeit stellen und funktionieren. Zumindest an der Spitze des bürokratischen Apparates müssen daher „Führer“ (Unternehmer oder Politiker) stehen, die eigenverantwortlich neue Ideen durchsetzen (836f.). • Die Arbeit wird ohne gefühlsmäßige Beteiligung, ohne „Liebe und Enthusiasmus“ ausgeübt (129). <?page no="87"?> 62 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze • Die rein formale, sachlich kühle Gleichbehandlung aller Fälle stößt mit den am konkreten Fall und der konkreten Person orientierten Postulaten unvermeidlich zusammen (565). Da heute bei der Bewertung der Bürokratie i.d.R. nicht mehr der Vergleich mit den anderen Herrschaftsformen gesucht wird, weil eine rein traditionale oder charismatische Herrschaft gar nicht mehr zur Debatte steht, rücken die Nachteile der Bürokratie automatisch in den Vordergrund. „Bürokratie“ ist so im Laufe der Zeit zunehmend zum Schmähwort geworden. 2.4 Menschenbild Weil Weber die Metapher der „Maschine“ verwendet, liegt es nahe zu glauben, dass er den Menschen als „Rädchen im Getriebe“ versteht, der einfach mechanisch funktioniert. Da ihn als Soziologe menschliches Handeln besonders interessiert, begnügt er sich aber nicht mit dieser stark vereinfachenden Verhaltensannahme. Er sucht vielmehr nach Gründen dafür, dass Menschen ihr Handeln an einer legitimen Ordnung orientieren. Folgende Gründe für die Akzeptanz von Herrschaft werden von ihm genannt: Das menschliche Handeln ist interessengeleitet. Normalerweise, so Weber, orientieren Menschen ihre Handlungen an der Deckung eigener ideeller oder materieller Interessen. In einer modernen Wirtschaft gilt das Hauptinteresse im Normalfall der Erzielung von Einkommen (vgl. Weber [Wirtschaft] 119f.). (1) Menschen handeln i.d.R. zweckrational, d.h. sie stellen vor dem Handeln Ziel-Mittel-Überlegungen an ([Wirtschaft] 9f., 13). Der Gehorsam des Einzelnen in der Bürokratie kann somit sehr einfach damit begründet werden, dass die regelgerechte Amtsführung (als Mittel) das Einkommen (Ziel) sichert. Neben der Sicherung eines standesgemäßen Arbeitseinkommens können als weitere materielle Ziele eine ausreichende Altersversorgung und die Karriere vermutet werden. Als nicht-materielles Ziel kommt die „soziale Schätzung“ hinzu, die dem Inhaber einer bestimmten Stelle entgegengebracht wird ([Wirtschaft] 555f.). (2) Menschen handeln auch „wertrational“, d.h. sie glauben an den „Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchem und unabhängig vom Erfolg“ ([Wirtschaft] 12). Ein Beamter lässt sich bspw. von der „Kulturwertidee“ leiten, dass er dem Staat zu dienen habe (553). Diese innere Überzeugung von der Pflicht zum Gehorsam entsteht aus der Anerkennung der Legitimität der Ordnung. Ist die Ordnung als legitim akzeptiert, ist Gehorsam aus Sicht der Untergebenen Pflicht und Gebot. <?page no="88"?> Der Bürokratieansatz · 63 (3) Menschliches Handeln ist immer auch affektisch, d.h. durch Gefühle bestimmt ([Wirtschaft] 12). Wenn Untergebene die Anweisungen der Vorgesetzten bereitwillig ausführen und viel leisten, dann kann das auch durch eine affektive Arbeitswilligkeit begründet werden. Solche Freude an der Arbeit ist insbesondere dann zu erwarten, wenn der „individuelle Leistungserfolg dem Arbeitenden sichtbar vor Augen liegt“ ([Wirtschaft] 87). (4) Schließlich ist das Handeln des Menschen auch traditions- und gewohnheitsbestimmt ([Wirtschaft] 12). Traditionales Handeln reicht vom unbewussten „dumpfen“ gewohnheitsmäßigen Reagieren bis hin zum bewussten Anerkennen der Geltung der Tradition, was dem wertrationalen Handeln sehr ähnlich ist. Traditionales Handeln wirkt selbstverstärkend: Je länger die gewohnten Normen und Reglements befolgt werden, desto mehr wird das gehorsame Sichfügen zur festen inneren Einstellung ([Wirtschaft] 570). Das menschliche Handeln ist sehr selten nur in die eine oder andere Richtung orientiert; normal ist vielmehr die gleichzeitige Geltung verschiedener Motive. Die aufgezählten Handlungsorientierungen sind zudem „in gar keiner Weise erschöpfende Klassifikationen der Arten der Orientierung des Handelns“ ([Wirtschaft] 13). Webers Menschenbild ist also sehr komplex. 2.5 Methoden (1) Bildung von Idealtypen Weber geht davon aus, dass die Realität durch den Forscher nicht einfach objektiv „registriert“ wird. „Zu glauben: die historische Gesamtrealität lasse sich ... einfangen, liegt hier so fern wie möglich“ ([Wirtschaft] 124). Stattdessen bildet der Wissenschaftler abstrakte Begriffe und Idealtypen, die in der reinen, idealen Form in der Realität nicht vorkommen. Diese Vorgehensweise hat eine terminologische, klassifikatorische und heuristische Funktion. Nehmen wir den Idealtyp „Bürokratie“. Der Typus „Bürokratie“ kann anhand bestimmter Merkmale eindeutig beschrieben werden (terminologische Funktion). Er bietet damit ein Modell, mit dem reale Organisationen verglichen werden, die dann als mehr oder weniger bürokratisch eingeordnet werden können (klassifikatorische Funktion). Die fehlende Übereinstimmung von Modell und Realität kann außerdem zum Anlass genommen werden, den Idealtyp zu ändern oder durch weitere Überlegungen zu ergänzen (heuristische Funktion). Die Bildung bestimmter Typen ist nicht zwingend. Sie enthalten immer ein gewisses Maß an <?page no="89"?> 64 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze „Setzung“ durch den Forscher. Die Wirklichkeitsferne der Idealtypen ist stets im Auge zu behalten. Sie sind nicht „wahr“, sondern höchstens zweckmäßig. (2) Erklären und Verstehen Als seine wissenschaftliche Aufgabe sieht es Weber an, soziales Handeln zu verstehen und dadurch ursächlich zu erklären. Hier ist speziell von Interesse, warum Menschen ihr Handeln an der unpersönlichen Ordnung der Bürokratie orientieren. Entsprechend Webers Menschenbild ist das erste Motiv in zweckrationalen Überlegungen zu suchen. Wenn wir das Handlungsziel einer Person zu kennen glauben und nach unserer Erfahrung die beobachtete Handlung ein Mittel im Hinblick auf die Erreichung dieses Zieles ist, dann können wir uns die Handlung aus dem Sinnzusammenhang „erklären“ ([Wirtschaft] 4). Im gleichen Zusammenhang spricht Weber auch vom rationalen oder motivationsmäßigen Verstehen. Dieses erklärende Verstehen steht bei Weber im Vordergrund. Idealtypisch wird jedes Handeln zunächst als rein zweckrational konstruiert und festgestellt, „wie das Handeln bei Kenntnis aller Umstände und aller Absichten der Mitbeteiligten und bei Setzung zweckrationaler, an der uns gültig scheinenden Erfahrung orientierter, Wahl der Mittel verlaufen wäre“ ([Wirtschaft] 2f.). Solche idealtypischen Konstruktionen sind z.B. die von der reinen Wirtschaftstheorie aufgestellten Begriffe und „Gesetze“. „Sie stellen dar, wie ein bestimmt geartetes, menschliches Handeln verlaufen würde, wenn es streng zweckrational, durch Irrtum und Affekte ungestört, und wenn es ferner ganz eindeutig nur an einem Zweck (Wirtschaft) orientiert wäre“ ([Wirtschaft] 4). Falls tatsächliches Handeln auf diese Weise nicht vollständig erklärt werden kann, müssen weitere Handlungsmotive in Betracht gezogen werden, wie etwa die wertrationalen, emotionalen oder traditionalen Motive. Solche Gründe für spezifische Handlungen können wir auch verstehen. Weil wir aus unserem eigenen Erleben oder durch das Vorbild anderer wissen, dass Handeln auch an Ideen, Gefühlen und Traditionen orientiert ist, können wir auch so motiviertes Handeln einfühlend und nacherlebend in einen Sinnzusammenhang stellen. (3) Regeln und Gesetze Der soziologische Forscher ist nicht in erster Linie daran interessiert, in Einzelfällen alle Handlungsursachen eines speziellen Individuums zu verstehen, sondern er sucht nach Gesetzen oder zumindest gewissen Regelmäßigkeiten für das soziale Handeln. Eine rational evidente Deutung menschlichen Handelns bei gegebenen Bedingungen und unter der idealtypischen Voraussetzung eines zweckrationalen Handelns wird verallgemeinert. Ein als sinnvoll gedeutetes <?page no="90"?> Der Bürokratieansatz · 65 Handeln einer Person (z.B. den bürokratischen Regeln Folge zu leisten, um das Einkommen zu sichern), wird auch für andere Personen und die Zukunft erwartet. Damit ist eine Hypothese aufgestellt worden, die empirisch geprüft werden sollte. Zur Bestätigung der Hypothese reicht es nach Weber aus, wenn der unterstellte Zusammenhang „in irgendeiner Annäherung“ beobachtet werden kann ([Wirtschaft] 6). Beides zusammen, die sinnvolle Deutung des Handelns und die Bestätigung der These durch die Erfahrung, etabliert „soziologische Regeln“ und „Gesetze“ ([Wirtschaft] 6, 9). Solche „Gesetze“ sind „durch Beobachtung erhärtete typische Chancen eines bei Vorliegen gewisser Tatbestände zu gewärtigenden Ablaufes von sozialem Handeln, welche aus typischen Motiven und typisch gemeintem Sinn der Handelnden verständlich sind“ ([Wirtschaft] 9). Eine statistische Regelmäßigkeit alleine ist noch keine Erklärung; vielmehr muss bei einer Erklärung diese Regelmäßigkeit immer auch sinnhaft verständlich sein. Bei bloßer rationaler Evidenz ohne Erfahrungsprobe kann andererseits auch nicht von einem Gesetz gesprochen werden. In den Grundzügen entspricht Webers Vorgehen zum Finden von „Gesetzen“ durchaus dem hypothetisch-deduktiven Modell (vgl. Abb. 5-1). Für gewisse Beobachtungen wird eine sinnvoll erscheinende Deutung entwickelt, die dann an der Erfahrung überprüft wird. Weber entwickelt aber bei der Anwendung dieser Methode auf den sozialen Bereich ein großes Problembewusstsein. Die Realität wird auf der Grundlage idealtypischer Begriffe erfasst, die Hypothesenbildung erfolgt unter der idealtypischen Annahme der Zweckrationalität und ein strenger, immer und überall geltender Ursache-Wirkungs-Zusammenhang wird erst gar nicht erwartet. Das Ziel ist relativ bescheiden: Leidlich eindeutige Begriffe (vgl. [Wirtschaft] 124), durchschnittliche, annähernde, typischerweise auftretende Regelmäßigkeiten (vgl. [Wirtschaft] 5ff.), mehr sollte man realistischerweise nicht erwarten. 2.6 Aktuelle Bedeutung Warum beschäftigt man sich heute überhaupt noch mit Max Weber? Sind seine organisationstheoretischen Überlegungen nicht völlig veraltet und längst von „modernen“ Ansätzen abgelöst worden? Dass diese Frage verneint werden muss, und wie Webers Aussagen auch heute noch fortwirken, soll im Folgenden gezeigt werden. (1) Herrschaft und Führung Weber sieht Organisation als Herrschaftsinstrument. Ihn interessiert, wie eine legitime Ordnung beschaffen sein muss, damit sie stabil bleibt und die Unterge- <?page no="91"?> 66 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze benen ihr „gehorchen wollen“. Worte wie „Herrschaft“, „Befehl“ und „Gehorsam“ haben heute einen schlechten Klang und passen nicht mehr in eine moderne Unternehmung. Webers Beispiele für Herrschaftsverhältnisse umfassen aber auch die Situation eines Arbeitnehmers, der den Anweisungen des Arbeitgebers bzw. Vorgesetzten und den unpersönlichen Arbeitsordnungen Folge leisten soll ([Wirtschaft] 123). Zu erreichen, dass Mitarbeiter in einer Unternehmung so handeln, wie sie nach der Vorstellung der Leitenden handeln sollen, ist auch im modernen Management ein zentrales Anliegen geblieben. Führung, verstanden als zielbezogene Verhaltensbeeinflussung, Handlungssteuerung, Motivation oder auch „Fremd-Willensdurchsetzung“ (vgl. Neuberger [Führen] 5) greift das Herrschaftsproblem wieder auf. Organisation wird vom Herrschaftsinstrument zum Führungsinstrument. Wenn heute von Führung statt von Herrschaft gesprochen wird, dann ist damit natürlich mehr verbunden als ein bloßer Wechsel der Begriffe. Ein „blinder“ Gehorsam ohne Rücksicht auf eigene Ansichten wird von den Untergebenen nicht mehr erwartet. Man versucht vielmehr, ihnen Anreize zu geben, sich im Sinne der Organisation einzusetzen. Webers Ausführungen zu der Frage, warum eine Ordnung akzeptiert wird, können diese moderne Anreizdiskussion durchaus bereichern. Er benennt nicht nur das materielle Eigeninteresse als Motiv, an dem eine Führung ansetzen kann, sondern erkennt auch bspw. die Freude an der Arbeit, die gefühlsmäßige Bindung an Personen und die innere Verpflichtung gegenüber bestimmten Wertideen als Handlungsmotive. Die aktuelle Wiederbelebung des Konzeptes der „charismatischen Führung“ und der Führung durch gemeinsame Werte (Unternehmenskultur) zeigt die unverminderte Brauchbarkeit von Webers Ausführungen. (2) Methoden Die Bildung von Idealtypen als Möglichkeit, Eindeutigkeit und Ordnung in die komplexe Realität zu bringen und damit über den individuellen Einzelfall hinaus zu generalisierenden Aussagen zu kommen, wird von der modernen Organisationstheorie, insbesondere von Mintzberg ([Structuring]) wieder aufgegriffen. Jede Organisation besteht nach Mintzberg aus fünf typischen Elementen, fünf typischen Koordinationsmechanismen und fünf typischen Funktionsabläufen, die zu fünf grundlegenden Konfigurationstypen verdichtet werden (vgl. S. 312ff.). Die (Maschinen-)Bürokratie ist einer dieser fünf Typen. Dass damit von der Realität abstrahiert wird, zeigt sich schon darin, dass in späteren Konzeptionen sieben statt fünf Konfigurationstypen unterschieden werden (vgl. Mintzberg [Power]). Aber wie schon Weber konstatiert, ist die Typenbildung <?page no="92"?> Der Bürokratieansatz · 67 nie „wahr“, sondern höchstens „zweckmäßig“. Mit den typologischen Aussagen betritt man einen gangbaren Mittelweg zwischen wenig nützlichen singulären und kaum zu findenden generellen Aussagen. Es kann zumindest eine Theorie mittlerer Reichweite aufgestellt werden (vgl. Bea/ Haas [Management] 39). Dass im sozialen Kontext das Erklären immer eine sinnvolle Deutung beinhalten muss und es nicht mit der Aufdeckung einer lediglich statistischen Regelmäßigkeit getan ist, hat ebenfalls als methodisches Postulat weiterhin Gültigkeit. Die Kritik am sog. situativen Ansatz (vgl. S. 96ff.) greift genau diese Forderung wieder auf. Das Verstehen, die deutende Erklärung, geht über die bloße Erfassung und Beobachtung von Daten hinaus. Diese Überlegungen werden von den Vertretern des sog. interpretativen Ansatz (vgl. S. 172ff.) der Organisationstheorie zentral thematisiert. (3) Merkmale zur Beschreibung einer Struktur Die empirische Organisationsforschung hat das Problem zu lösen, wie die Merkmale festzulegen sind, anhand derer die untersuchte Organisation beschrieben werden soll. Webers Beschreibung der Bürokratie hat großen Einfluss auf die Auswahl dieser Merkmale gehabt (vgl. Kieser [Ansatz] 219). „Spezialisierung“, „Über- und Unterordnung in der Hierarchie“, „Formalisierung durch Regeln“, „Aktenmäßigkeit“, „Dienstweg“ sind Merkmale, die auch heute noch zur Beschreibung einer Organisation herangezogen werden. Das Modell von Weber behält seine heuristische Kraft bis heute, wenn bspw. festgestellt wird, dass moderne Organisationen „unbürokratisch“ sind. (4) Der Strukturtyp „Bürokratie“ Als effizienten und empfehlenswerten Organisationstyp sieht man die Bürokratie heute nicht mehr an, insbesondere nicht in privatwirtschaftlichen Unternehmen. Statt blindem Gehorsam wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie mitdenken und mitentscheiden. Die formale Gleichbehandlung aller Interessenten ist der individuellen Kundenorientierung gewichen. Große Stabilität gilt als kontraproduktive Starrheit. An Stelle von Regeltreue sind Innovation, Kreativität und Schnelligkeit gefragt. Leistungsorientierte Bezahlung und Beförderung sowie interessante Arbeit sollen Begeisterung und Engagement der Mitarbeiter dort wecken, wo die Bürokratie nur auf die mechanische Pflichterfüllung setzt. Als Strukturtyp kann die Bürokratie zu Recht als veraltet angesehen werden. Als Modell, an dem zu messen ist, wie bürokratisch ein Unternehmen ist, hat sie aber noch nicht ausgedient. <?page no="93"?> 68 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 3 Der tayloristische Ansatz Vertreter Quellen Metapher F. W. Taylor (1856-1915) H. Fayol (1841-1925) Hauptwerke: F. W. Taylor: Shop Management, 1903; derselbe: The Principles of Scientific Management, 1911 Organisation wird verstanden als Maschine. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist ein Aufgabenerfüllungssystem. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll für eine effiziente (ressourcensparende) Aufgabenerfüllung sorgen. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch wissenschaftlich fundierte Konstruktion. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch (Arbeiter) ist leistungsunwillig und egoistisch. Er ist nur über Geld zu motivieren. Induktion, empirische Forschung durch systematische Beobachtung, Experiment • Optimierung von Arbeitsvorgängen • Fließbandproduktion • Eignungsdiagnostik bei Mitarbeitern • Verlagerung von „Kopfarbeit“ auf spezielle Stellen (Stäbe) 3.1 Vertreter und wichtige Quellen Der tayloristische Ansatz wurde nach seinem Begründer, dem Amerikaner Frederick Winslow Taylor (1856-1915) benannt. Taylor hat zunächst eine Lehre als Maschinenbauer absolviert, später im Selbststudium ein Ingenieursdiplom erworben und lange Jahre als Ingenieur und Unternehmensberater v.a. in der Stahlbranche (Bethlehem Steel Company) gearbeitet. Er gilt als Vater der wissenschaftlichen Betriebsführung („Father of Scientific Management“ steht sogar auf seinem Grabstein). Seine Zeitgenossen beschreiben ihn als arbeitsbesessen, leistungsorientiert und äußerst diszipliniert. Taylors Wirken fällt in eine Zeit, in der die Industrie einen gewaltigen Aufschwung nahm. Die enorme Güternachfrage heizte die Produktion an. Gleichzeitig herrschte ein akuter Mangel an gut geschulten, tüchtigen Arbeitern. <?page no="94"?> Der tayloristische Ansatz · 69 Die wichtigsten Veröffentlichungen von Taylor sind „Shop Management“ (1903) und „The Principles of Scientific Management“ (1911). Beide Bücher wurden immer wieder neu aufgelegt und auch ins Deutsche übersetzt (vgl. [Betriebsleitung] und [Grundsätze]). Als Vertreter des Scientific Management wird häufig auch der Franzose Henri Fayol (1841-1925) genannt. Auch Fayol war Ingenieur und gewann seine Erkenntnisse aus der Praxis als langjähriger Topmanager eines großen Konzerns. Im Gegensatz zu Taylor beschäftigte er sich jedoch nicht mit dem effizienten Vollzug von Arbeitsprozessen auf der untersten Hierarchieebene. Ihn interessierte v.a. die wissenschaftliche Fundierung seiner eigenen Arbeit, also der Unternehmensführung. Sein zentrales Werk heißt „Administration industrielle et générale“ und ist im Jahr 1916 zum ersten Mal erschienen. Darin unterscheidet Fayol als Erster fünf Aufgaben der Unternehmensführung: Vorausschauen (prévoir), Organisieren (organiser), Anordnen (commander), Koordinieren (coordonner) und Kontrollieren (controller). Seine Prinzipien für eine gute Organisation (u.a. Spezialisierung, Autorität und Gehorsam, Instanzenzug, Zentralisierung, Einheit der Auftragserteilung) erinnern stark an den Strukturtyp der Bürokratie. Da die Bürokratie schon ausführlich behandelt wurde, sollen die Aussagen Fayols hier nicht weiter vertieft werden. Eine nach Fayols Prinzipien gestaltete, bürokratische Verwaltung wird teilweise als ideale Ergänzung einer tayloristischen Arbeitsorganisation angesehen (vgl. Urwick/ Brech [Scientific] 39). In die Organisationstheorie sind Fayols Überlegungen als “administrativer Ansatz” eingegangen. 3.2 Organisationsbegriff und Metapher Taylor spricht im Allgemeinen nicht von Organisation, sondern von systematischer oder wissenschaftlicher Betriebsführung (scientific management). Die wissenschaftliche Betriebsführung geht über das hinaus, was man traditionell zum Bereich der Organisation zählt. Die systematische Auslese guter Arbeiter und die Gestaltung der Entlohnungssysteme gehören bspw. ebenso zu Taylors „System“ wie die starke Spezialisierung und die ausgeprägte Formalisierung. Die wissenschaftliche Betriebsführung hat instrumentellen Charakter. Ziel ist es, „gleichzeitig die größte Prosperität des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers herbeizuführen und so beider Interessen zu vereinen“ ([Grundsätze] 7). Dies soll gelingen, wenn alle Ressourcen möglichst ökonomisch genutzt werden. Die allgemeine Steigerung der Leistungsfähigkeit durch ein wissenschaftlich fundiertes Organisieren bringt mehr Gewinn durch billigere Produkte, eine bessere Güterversorgung für alle und gleichzeitig höhere Löhne für die Arbeiter (vgl. <?page no="95"?> 70 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze [Grundsätze] 10f.). Die Institution „Organisation“ wird von Taylor als Aufgabenerfüllungssystem verstanden, in welchem eine planvoll konstruierte, technisch durchdachte Ordnung für hohe Effizienz sorgen sollte. Als Ingenieur hatte Taylor die forschungsleitende Vorstellung, die Organisation lasse sich wie eine Maschine präzise und optimal konstruieren. Er spricht daher immer wieder vom „Mechanismus“ seines neuen Systems. Das System soll sich durch Effizienz und „Vollkommenheit“ auszeichnen. Das Maschinendenken spiegelt sich auch in seiner Absicht, die Arbeitsleistung der Arbeiter in PS zu messen (vgl. [Grundsätze] 61). Die Erforschung der Motive der Menschen kann nach seiner Vorstellung im Prinzip genauso erfolgen, wie man auch ein optimales Werkzeug erforscht (vgl. [Grundsätze] 126ff.). 3.3 Zentrale Aussagen Vordergründig ist das zentrale Ziel für Taylor die Steigerung der nationalen Leistungsfähigkeit und die beste Ausnutzung aller Ressourcen (vgl. [Grundsätze] 1). Im Hintergrund steht aber ein grundsätzlicheres Ziel bzw. eine „Philosophie“. Die letzten Ziele sind wachsender Wohlstand und dessen gerechte Verteilung auf die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und das „Volk“ ([Grundsätze] 149f.), die Erziehung und Schulung der Arbeiter, so dass sie geschickte und fleißige, „wertvolle“ Menschen werden ([Grundsätze] 77), sowie die harmonische, reibungslose und „innige“ Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im gemeinsamen Interesse. Ein bloßes Antreiben zu härterer Arbeit ohne gerechten Lohnausgleich hält er für verwerflich ([Grundsätze] 144, 155). In der handwerklich geprägten Ausgangssituation, wie Taylor sie erlebte, war man von diesen Zielen weit entfernt. Taylor machte dafür drei zentrale Probleme verantwortlich (in Klammer werden die Seiten aus „Die [Grundsätze] der wissenschaftlichen Betriebsführung“ genannt): • Verschwendung von Ressourcen, insbesondere Arbeitskraft, durch unökonomische Verausgabung (4, 14); • bewusste Leistungszurückhaltung (Drückebergerei, Faulheit) durch die Arbeiter (12, 18); • tiefes Misstrauen und Kampfstimmung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (29). <?page no="96"?> Der tayloristische Ansatz · 71 Eine tiefergehende Problemanalyse lässt die Gründe für diese Probleme im „alten System“ vermuten. Im Einzelnen moniert Taylor an diesem alten System: • Die Arbeiter wählen selbst die Art ihrer Tätigkeit und Ausbildung (38). • Die Arbeiter haben das Wissen, wie man eine Arbeit am besten und praktischsten ausführt, im Kopf (38). • Die Arbeit wird nach mündlich überlieferten Faustregeln verrichtet und nicht nach einer allgemein als mustergültig anerkannten Methode (33). • Die Arbeiter sind aufgrund ihres Wissens die wahren „Herren der Werkstatt“ (52). Sie bestimmen, wie viel und wie sie arbeiten, leisten alle „Kopfarbeit“ selbst und tragen die Verantwortung (39f., 65). • Gruppenarbeit ist die gängige Arbeitsform (vgl. [Betriebsleitung] 14). • Die Initiative der Arbeiter soll durch ein „Locksystem“ gesteigert werden. Durch Belohnungen sollen die Arbeiter veranlasst werden, ihr Wissen und Können ganz in den Dienst des Arbeitgebers zu stellen (34ff.). Da nach Meinung Taylors dieses alte System zu den genannten Problemen geführt hat, soll es durch das neue, tayloristische System abgelöst werden. Die Merkmale des neuen Systems sind: • Die Arbeiter werden nach wissenschaftlichen Methoden für eine ganz bestimmte Arbeit ausgewählt (38, 93). • Jeder ist auf eine Tätigkeit spezialisiert (41, 152). Die traditionellen Aufgaben eines Meisters werden auf acht Funktionsmeister verteilt (Vorrichtungsmeister, Geschwindigkeitsmeister, Prüfmeister, Instandhaltungsmeister, Arbeitsverteiler, Unterweisungsbeamter, Zeit- und Kostenbeamter und Aufsichtsbeamter) (vgl. [Betriebsleitung] 48 f). Taylor gilt als Erfinder des „Funktionsmeisterprinzips“, also einer Spezialisierung in den Leitungsfunktionen. Damit verbunden ist das Mehrliniensystem (vgl. S. 300). • Alle Kenntnisse der Arbeiter werden „aus den Köpfen geholt“, systematisch zusammengetragen, klassifiziert und ausgewertet (38). • Aus diesem gesammelten Wissen werden Gesetze und Formeln für die mustergültige Methode der Arbeitsverrichtung gewonnen, die die Faustregeln ersetzen. • Jede Arbeit ist bis ins Detail nach der mustergültigen Methode durchzuführen; diese Methode ist systematisch einzuüben (41). <?page no="97"?> 72 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze • Die tägliche Arbeitsleistung wird aufs Genaueste festgelegt. Dieses „Pensum“ ist bemessen nach der Tagesleistung einer erstklassigen Arbeitskraft, welche durch sorgfältige Studien herausgefunden wird (45). • Bei Erledigung des Pensums wird eine Prämie gezahlt. Dieser Bonus sollte 30 bis 100 % des normalen Lohnes betragen (41). Bei Minderleistung sind Strafen wie Lohnabzug oder Aussperrung als Disziplinierungsmittel zulässig (vgl. [Betriebsleitung] 116). • Der Lohn sollte sich, wann immer möglich, an der Einzelleistung eines Arbeiters orientieren (76). Er sollte in kurzen zeitlichen Abständen, am besten täglich, ausgezahlt werden. Eine Gewinnbeteiligung ist dagegen als Anreiz unwirksam (99f.). • Kopf- und Handarbeit sollten vollständig getrennt werden. Jegliche Leitungs- und Überlegungsarbeiten sollten in einem Arbeitsbüro vereinigt werden. Die Leitung hat die volle Verantwortung für die Arbeitsausführung (38, 40, 47; [Betriebsleitung] 58). • Der Betrieb ist stark formalisiert. Es werden Bücher, Statistiken, Formulare, Dokumentationen und Listen verwendet. Fast die gesamte Kommunikation erfolgt schriftlich (vgl. [Betriebsleitung] 59ff., 77). • Es gibt eine ausgefeilte Kontrolle. Zum Beispiel werden Arbeiterinnen, die die Qualität von Stahlkugeln für Kugellager zu prüfen haben, ihrerseits von „Nachprüferinnen“ kontrolliert und diese wiederum von einem „Generalinspektor“ ([Grundsätze] 95). Taylor ist von den positiven Effekten seines neuen Systems zutiefst überzeugt: „Die allgemeine Annahme von Arbeits- und Betriebsmethoden und überhaupt das Denken auf wissenschaftlicher Grundlage (scientific management) würde künftig sofort die Produktivität der meisten Menschen, die materiell, schöpferisch tätig sind, verdoppeln. Man denke nur, was dies für das ganze Land bedeutet! Man denke an den Zuwachs, der dadurch sowohl an unsern täglichen Lebensbedürfnissen wie an Luxusgegenständen vorhanden sein würde. Man denke, welche Möglichkeiten sich damit eröffnen, die Arbeitsstunden, falls es wünschenswert erscheinen sollte, zu verkürzen, welche Zunahme an Gelegenheiten zur Erhöhung von Bildung und Kultur und zur Erholung damit geschaffen würde. Aber während aus dieser erhöhten Produktion die ganze Welt Nutzen zieht, werden Fabrikant und Arbeiter sich weit mehr für den Gewinn interessieren, der ihnen und ihrer unmittelbaren Umgebung zuteil wird“ ([Grundsätze] 154). <?page no="98"?> Der tayloristische Ansatz · 73 3.4 Menschenbild Das Menschenbild Taylors ist sehr pessimistisch. Er hält v.a. die Arbeiter für faule Drückeberger und Bummelanten, die alle Tricks anwenden, um so wenig wie möglich zu arbeiten (vgl. [Grundsätze] 12). Bei Gruppenarbeit werden auch die Fleißigeren schnell auf das Niveau der Faulpelze hinabgezogen ([Betriebsleitung] 8f.). Die Arbeiter lügen und täuschen und halten ihr Wissen bewusst zurück, damit ihre wahren Leistungsmöglichkeiten auf keinen Fall bekannt werden (vgl. [Grundsätze] 21; [Betriebsleitung] 10). Wollen Kollegen schneller arbeiten, werden sie massiv unter Druck gesetzt. Auch bewusste Sabotage ist ein beliebtes Mittel, um die Leistung auf einem niedrigen Niveau zu halten (vgl. [Grundsätze] 52f.). Die Arbeiter werden von Taylor als ungebildet, dickfellig und grobschrötig beschrieben. Sie werden mit Tieren verglichen - intelligenter Gorilla, Lastpferd, Stier - und ihre Leistung wird in Pferdestärken gemessen (vgl. [Grundsätze] 60ff.). Auch als „große Kinder“ ([Grundsätze] 129) werden sie bezeichnet, die ein scharf umgrenztes Pensum brauchen und belehrt und erzogen werden müssen. Lohn und Strafe sind die adäquaten Erziehungsmittel; milde Behandlung wird von ihnen als Furcht und Schwäche ausgelegt (vgl. [Betriebsleitung] 115). Eine Motivation der Arbeiter ist v.a. durch Geld möglich (Bonus oder Geldstrafe). Der Lohn sollte direkt und fühlbar mit der Leistung verbunden sein, weil sonst immer die Bequemlichkeit siegt. Die Entlohnung darf aber auch nicht zu hoch sein, weil dies zu Faulheit, Verschwendung und Vergnügungssucht führt (vgl. [Grundsätze] 77f.). Der ideale Mensch ist für Taylor nüchtern, sparsam und fleißig, gebildet, aufrichtig, höflich und strebsam. Taylor betont zwar, dass es solche „wertvollen“ Mitglieder der Gesellschaft mit gutem Charakter auch unter der arbeitenden Bevölkerung gibt; es ist aber deutlich zu merken, dass er die genannten guten Eigenschaften v.a. der „leitenden Klasse“ zutraut ([Betriebsleitung] 112). Vor allem die intelligenten, theoretisch gebildeten Ingenieure sind anscheinend in Taylors Augen zugleich motiviert und fleißig und stehen selbstverständlich auf der Seite der Arbeitgeber. Die leitenden Personen sind die Lehrer, die wohlwollenden, väterlichen Freunde, aber auch die mächtigen Autoritäten, die den Auftrag haben, die Arbeiter anzuweisen und sie in jeder Hinsicht fachlich und moralisch zu erziehen. Es gibt demnach zwei Klassen von Menschen, wodurch zugleich auch die Hierarchie begründet ist. Manche sind aufgrund ihrer angeborenen Intelligenz, ihres Fleißes und ihrer theoretischen Bildung zum Leiten berufen, andere dagegen aufgrund ihrer körperlichen Kraft zum Schleppen von Roheisen (vgl. [Grundsätze] 122). Und für jeden ist es eine Wohltat, von den Tätigkeiten be- <?page no="99"?> 74 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze freit zu werden, für die er nicht taugt, und tun zu dürfen, wofür er veranlagt ist (vgl. [Grundsätze] 7, 67). 3.5 Methoden Taylor nimmt für sich in Anspruch, die Betriebsführung als „wirkliche Wissenschaft“ zu etablieren, basierend auf klar definierten Gesetzen, Regeln und Grundsätzen (vgl. [Grundsätze] 5). Eine Methode zum Auffinden solcher Gesetze sieht er in der systematischen Sammlung, Sichtung und Aufbereitung des schon vorhandenen Wissens, welches nur aus den Köpfen geholt und zu Formeln und Regeln verdichtet werden muss (vgl. [Grundsätze] 38). Da die Arbeiter solches Wissen nicht gerne preisgeben, es möglicherweise auch gar nicht artikulieren können, weil sie es selbst „fast unbewusst erlernt“ haben ([Grundsätze] 33), sind gründliche, systematische Beobachtungen nötig. Verschiedene Arbeiter werden bei bestimmten Tätigkeiten beobachtet. Die Gesamttätigkeit (bspw. Roheisen verladen oder Steine aufmauern) wird in elementare Einzeloperationen zerlegt. Die Zeitdauer jeder Einzeloperation wird mit der Stoppuhr gemessen. Aus Hunderten solcher Beobachtungen, deren Ergebnisse in Formularen festgehalten werden, ergibt sich, wie viel Zeit jeder Arbeiter für jede Einzeloperation braucht. Die schnellste Art und Weise, eine Einzeloperation durchzuführen, wird dann zur Norm erhoben. Jeder Arbeiter muss in Zukunft mit den „besten Bewegungen“ die Gesamttätigkeit in der minimalen Zeit durchführen (vgl. [Grundsätze] 125f.; [Betriebsleitung] 91ff.). Neben der systematischen Beobachtung war das Experiment eine bevorzugte Methode Taylors. Beim Experiment werden bestimmte Parameter kontrolliert geändert, um die Folgen festzustellen. Taylor hat bspw. experimentell untersucht, mit welcher Schaufellast eine optimale Tagesleistung erbracht wird, wie sich die Gruppengröße auf die Leistung auswirkt, welche Prämienhöhe optimal ist und wie Ruhepausen über den Tag verteilt sein sollten. Er hielt es im Prinzip auch für möglich, die Motivation der Menschen experimentell in gleicher Weise zu erforschen wie die optimale Beschaffenheit eines Werkzeuges (vgl. [Grundsätze] 128). Um die optimale Methode des Schneidens von Stahl herauszufinden, wurden über 26 Jahre hinweg ca. 50.000 Versuche angestellt (vgl. [Grundsätze] 111ff.)! Wie Taylor selbst feststellt, sind seine wissenschaftlichen Ergebnisse auf die optimale Durchführung operativer Tätigkeiten beschränkt. Der Taylorismus wird deshalb auch als “Arbeitswissenschaftlicher Ansatz” bezeichnet. Taylor betreibt eine „Wissenschaft des Roheisenverladens“, des „Schaufelns“ oder des „Mauerns“ ([Grundsätze] 51, 68, 82f.). Aber selbst diese Gesetze (etwa dass ein <?page no="100"?> Der tayloristische Ansatz · 75 Arbeiter 43 % des Tages unter Last sein kann ohne zu ermüden, wenn die Last genau 40 kg beträgt; vgl. [Grundsätze] 61) können nicht ohne weiteres verallgemeinert werden, weil die Experimente mit ausgesucht guten Arbeitern durchgeführt wurden, die sich der Beobachtung bewusst waren und hohe Prämien für gute Leistungen erhielten. Die Empfehlungen für die Organisationsgestaltung, wie etwa die starke Arbeitsteilung und Formalisierung, die Trennung von Hand- und Kopfarbeit und das Mehrlinienprinzip, sind nicht in gleicher Weise wissenschaftlich geprüft. Seine Organisationsprinzipien erscheinen Taylor „selbstverständlich“; er ist tief und fest von ihrer Gültigkeit überzeugt (vgl. [Grundsätze] 8, 11, 30, 150). Die unbestreitbaren und z.T. wirklich verblüffenden Effizienzsteigerungen durch das „scientific management“ scheinen ihm allerdings Recht zu geben. Beispielsweise konnten bei der Prüfung von Stahlkugeln aufgrund von Taylors System nach einiger Zeit 35 Arbeiterinnen das Pensum von zuvor 120 Arbeiterinnen erledigen, bei besserer Qualität, verkürzter Arbeitszeit und mehr Urlaub (vgl. [Grundsätze] 100f.). Da immer mehrere Parameter gleichzeitig geändert wurden (Arbeitsteilung, Arbeitsweise, Entlohnungssystem, Auswahl und Schulung der Mitarbeiter, Arbeitszeit und Pausenregelung, verwendete Werkzeuge usw.), ist es allerdings äußerst schwierig, den Anteil einzelner Maßnahmen an der Effizienzsteigerung zu isolieren. Außerdem verbesserten sich zu Taylors Lebzeiten auch die äußeren Bedingungen für die Unternehmen, z.B. aufgrund des technischen Fortschritts und wachsender Märkte. Empirisch gehaltvolle, pragmatisch nutzbare, gut bewährte Gesetze des Organisierens hat allerdings auch das scientific management nicht gefunden. 3.6 Aktuelle Bedeutung (1) Methoden Taylors Methode der detaillierten Zeit- und Bewegungsstudien wurde in Deutschland seit 1924 vom Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (REFA; 1951 neu konstituiert als Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation) weiter ausgebaut. Das REFA-Verfahren der individuellen Zeitaufnahme ist im Prinzip nicht anders aufgebaut als Taylors Studien. Ziel dieser Studien ist in erster Linie die Optimierung der Ablauforganisation in der industriellen Fertigung. Taylor hat auch den Grundstein gelegt für die wissenschaftliche Eignungsdiagnostik. Seinem Credo entsprechend, dass jeder zu einer bestimmten Aufgabe besonders begabt ist, während er für andere Aufgaben nicht taugt, versuchte er, <?page no="101"?> 76 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze die persönlichen Fähigkeiten der Menschen zu messen (vgl. [Grundsätze] 93f.). Dieser Grundgedanke ist bis heute aktuell geblieben, auch wenn die ausgeklügelten Assessment Center zur Auswahl der besten Kandidaten ansonsten nur noch wenig gemein haben mit den einfachen Reaktionstests Taylors. (2) Der tayloristische Organisationstyp Taylors Vorstellungen sind in der Organisationspraxis z.T. auf große Resonanz gestoßen. Die Vorstellung, dass sich die Arbeiter auf wenige Handgriffe spezialisieren, die sie dann in optimaler Weise in der vorgegebenen Zeit ausführen, wobei sich alle Einzeltätigkeiten zu einer ununterbrochenen Kette zusammenfügen sollen (vgl. [Grundsätze] 87), gipfelte in der Fließbandproduktion mit festen Taktzeiten, die nach der REFA-Methode ermittelt wurden. Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit wirkt nach in der Einrichtung von sog. Stabsabteilungen, welche die ausführenden Tätigkeiten denkend vorbereiten sollen. Auch das Bedürfnis, Daten in Büchern, Statistiken und Formularen zu sammeln und die ausführend Tätigen eng zu kontrollieren, kann als Ausfluss tayloristischen Denkens angesehen werden. Lediglich das Funktionsmeister- oder Mehrlinienprinzip konnte sich nie ganz durchsetzen. Die situativen Bedingungen haben sich seit Taylors Zeiten massiv verändert und mit ihnen auch die Bewertungen des tayloristischen Organisationstyps. Heute dient der Taylorismus v.a. als Modell, um aufzuzeigen, wie man nicht organisieren sollte (vgl. Alioth [Selbststeuerungskonzepte] 1896). Statt strikter Arbeitsteilung wird empfohlen, die Arbeit anzureichern und größere, mehrere Teilaufgaben integrierende Aufgabenpakete zu schnüren, die dann auf Gruppen übertragen werden. Die Arbeitnehmer sollen selbst denken, selbst Verantwortung übernehmen und sich selbst steuern und kontrollieren. Die Vorgabe im Detail soll überflüssig werden, weil die Arbeitnehmer ihr Wissen und Können nutzen. Die Motivation - von Taylor „Locksystem“ genannt - wird wieder wichtig, wenn nicht jeder Handgriff vorgeschrieben und kontrolliert werden kann. Interessanterweise kommt also in vielen Punkten das von Taylor als „alt“ verworfene System wieder zu neuen Ehren. <?page no="102"?> Der Human-Relations-Ansatz · 77 4 Der Human-Relations-Ansatz Vertreter Quellen Metapher F. J. Roethlisberger (1898-1974) W. J. Dickson (geb. 1904) E. Mayo (1880-1949) Hawthorne-Studien 1924-1932 F. J. Roethlisberger und W. J. Dickson: Management and the Worker, 1. A., 1939, 14. A., 1966 Die Organisation wird als Organismus verstanden. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist ein soziales, humanes und formales, zielorientiertes System. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll ökonomische Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit bewirken. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch rationale Fremdorganisation und informale Organisation. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch ist ein soziales Wesen mit individuellen Werten, Gefühlen und Erfahrungen. Sein Verhalten hängt von vielen Einflüssen gleichzeitig ab. Induktives und hypothetisch-deduktives Vorgehen; empirische Forschung durch Experiment, Beobachtung, Tiefeninterviews • Informale Organisation • Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Leistung • Soziotechnischer Strukturtyp 4.1 Vertreter und wichtige Quellen Der Human-Relations-Ansatz ist aufs Engste verbunden mit verschiedenen mehrjährigen empirischen Untersuchungen in den Hawthorne-Werken der Western Electric Company (Chicago). Diese sog. Hawthorne-Studien wurden in den Jahren 1924 bis 1932 von F. J. Roethlisberger, einem Professor der Harvard Graduate School of Business Administration, und W. J. Dickson, einem führenden Mitarbeiter der Western Electric Company, geleitet. Unterstützend mitgewirkt haben außerdem - neben vielen anderen - die Harvard-Professoren Elton Mayo und North Whitehead. Die Hawthorne-Studien haben in verschiedenen Veröffentlichungen ihren Niederschlag gefunden: Elton Mayo, The Human Problems of an Industrial Civilization, 1933; North Whitehead, The Industrial Worker, 1938; F. J. Roethlisberger und W. J. Dickson, [Management] and the Worker, 1939. Im Folgenden wird die Veröffentlichung von Roethlisber- <?page no="103"?> 78 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze ger/ Dickson (14. Auflage von 1966) als Quelle herangezogen, weil in diesem Buch die Hawthorne-Studien vollständig und detailliert beschrieben werden. 4.2 Organisationsbegriff und Metapher (1) Organisation wird von Roethlisberger/ Dickson zunächst verstanden als soziales System (vgl. [Management] 551ff.). In der sozialen Organisation geht es darum, dass die Menschen täglich miteinander interagieren und dabei bestimmte Formen und Muster von Beziehungen ausbilden: „These patterns of relations, together with the objects which symbolize them, constitute the social organization of the industrial enterprise“ (554). Zugleich ist die Organisation ein humanes System (vgl. [Management] 553f., 566). Damit ist gemeint, dass sich jede Organisation aus Individuen zusammensetzt, die jeweils einen ganz persönlichen Background mitbringen: „In the human organization we find a number of individuals working together toward a common end: The collective purpose of the total organization“. Die Organisation ist schließlich auch ein formales System von Regeln und Vorschriften, die auf eine Regulierung der humanen, sozialen und technischen Beziehungen in einem Unternehmen ausgerichtet sind. Zusammenfassend verstehen Roethlisberger/ Dickson „Organisation“ als eine Institution, in der Menschen nach bestimmten Regeln auf ein gemeinsames Ziel hin interagieren. (2) Mit ihrer Unterscheidung von formaler und informaler Organisation vertreten sie zugleich auch einen prozessorientierten Organisationsbegriff. Die formale Organisation wird bewusst und planvoll mit dem Ziel höchster ökonomischer Effizienz gestaltet. Die im Unternehmen geltende Ordnung ist aber nur „in part formally organized“ ([Management] 558). „Too often it is assumed that the organization of a company corresponds to a blue print plan or organization chart. Actually, it never does.“ ([Management] 559). Neben der formalen Organisation findet immer auch eine informale Organisation durch die Organisationsmitglieder statt. Diese kann die formale Organisation stören, aber auch sinnvoll ergänzen (vgl. [Management] 559). (3) Nach der instrumentellen Sichtweise hat die Organisation zwei Hauptfunktionen, nämlich • die ökonomisch effiziente und technisch optimale Produktion sicherzustellen (Sachziel) und <?page no="104"?> Der Human-Relations-Ansatz · 79 • die Zufriedenheit der Organisationsmitglieder zu bewirken. Beide Ziele sind komplementär in dem Sinne, dass die Zufriedenheit und die daraus folgende Motivation der Mitarbeiter auch das Effizienzziel befördern (vgl. Roethlisberger/ Dickson [Management] 569). Alle drei Organisationsbegriffe werden in der Weise kombiniert, dass die Aufgabe des Managers in der Schaffung einer effizienten Organisation unter Beachtung der Tatsache gesehen wird, dass die Individuen auch selbst eine informale Ordnung schaffen. Für Morgan verbindet sich der Human-Relations-Ansatz mit der Metapher des Organismus. Er begründet dies damit, dass die Bedürfnisbefriedigung in diesem Ansatz thematisiert wird: „A new theory of organization began to emerge, built on the idea that individuals and groups, like biological organisms, operate most effectively only when their needs are satisfied.“ (Morgan [Images] 41). Bei Roethlisberger/ Dickson wird das Bild des Organismus nicht verwendet. 4.3 Zentrale Aussagen Die Hawthorne-Studien umfassen mehrere Untersuchungsreihen mit jeweils unterschiedlichem Design: (1) Die beiden ersten Untersuchungsreihen, die Beleuchtungsexperimente (1924-1927) und die Experimente in der Relay-Assembly-Group (1927- 1932), waren ganz traditionell darauf ausgerichtet, die Wirkung der Arbeitsbedingungen (z.B. Beleuchtung) auf die Leistung der Arbeiter (z.B. Produktivität) herauszufinden. Schon die Beleuchtungsexperimente brachten allerdings die Erkenntnis, dass ein monokausaler Zusammenhang zwischen einzelnen Arbeitsbedingungen und der Arbeitsleistung nicht hergestellt werden kann. So stieg die Leistung der untersuchten Gruppe nicht nur bei besserer, sondern auch bei schlechterer Beleuchtung an, und die Leistung in einer Kontrollgruppe, in der die äußeren Arbeitsbedingungen unverändert blieben, verbesserte sich ebenfalls. Noch interessanter war, dass die Arbeitsleistung stieg oder sank, wenn nur behauptet wurde, die Arbeitsbedingungen hätten sich verändert, obwohl dies objektiv gar nicht der Fall war. Hier deutete sich bereits an, wie komplex die Ursache- Wirkungs-Beziehungen im sozialen Bereich sind. Das Bewusstsein, beobachtet zu werden, das Gefühl, zu einer ausgesuchten Gruppe zu gehören, die psychologisch verzerrte Wahrnehmung der Umwelt, das Bedürfnis, sozial erwünschtes Verhalten zu zeigen, all das und vieles mehr wirkte sich auf die Leistung aus. <?page no="105"?> 80 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze (2) Die zweite Untersuchungsreihe wurde schon unter der Prämisse durchgeführt, dass immer mehrere Faktoren gleichzeitig auf die Leistung einwirken. Arbeitszeit, Pausenregelung, Berechnung des Lohns, Führungsstil, Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, soziale Vergünstigungen wie freies Essen, mit all diesen Bedingungen wurde experimentiert. Das Problem war, die festgestellte Leistungssteigerung von 30 % kausal den einzelnen Bedingungen zuzuordnen. Als Ergebnis weiterer Experimente, bei denen jeweils versucht wurde, nur eine Bedingung gezielt zu verändern, wurde v.a. festgestellt: „...that many significant variations either in the level of output or in the rate of improvement could not be related to physical working conditions alone“ (Roethlisberger / Dickson [Management] 161). Die Leistung hängt nämlich immer auch vom persönlichen Hintergrund der Individuen ab, von ihren Beziehungen untereinander, von ihrem Verhältnis zu den Vorgesetzten und ihrer inneren Einstellung zur Arbeit und zum Unternehmen. (3) Die mentale Einstellung (mental attitude) oder Arbeitsmoral (morale) wurde für so wichtig für die Leistung angesehen, dass ein weiteres großes Untersuchungsprogramm gestartet wurde mit dem Ziel, die Ursachen für eine bessere Arbeitsmoral herauszufinden. Man ging davon aus, dass die Einstellung von der Zufriedenheit abhängt und befragte von 1928-1931 ca. 20.000 Arbeiter nach ihren Vorlieben und Abneigungen für bzw. gegen Arbeitsbedingungen, die Arbeit selbst und die Führung. Tendenziell wurden folgende Zusammenhänge ermittelt (vgl. [Management] 321ff.): • Stark repetitive Arbeit führt leichter zu Unzufriedenheit. • Der Führungsstil spielt eine wichtige Rolle für die Zufriedenheit. • Gute persönliche Beziehungen zu den Kollegen steigern die Zufriedenheit. Daneben wurden viele weitere Bedingungen für die Zufriedenheit/ Unzufriedenheit ermittelt, bis hin zur familiären Situation, zu persönlichen Vorurteilen und psychischen Defekten. Die Ursachen wirken immer gemeinsam. Als Fazit ist daraus zu schließen, dass es zu simpel und zu mechanistisch gedacht ist, nach den objektiven Faktoren zu suchen, die zuverlässig Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft hervorrufen. (4) Von 1931-1932 wurde schließlich noch eine Untersuchungsreihe in der sog. Bank-Wiring-Group durchgeführt (vgl. [Management] 379ff.). Das Untersuchungsziel war, die sozialen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern herauszufinden. Aus dieser Untersuchungsreihe sind die Aussagen zur informalen Organisation gewonnen worden. Beobachtet wurde v.a. die <?page no="106"?> Der Human-Relations-Ansatz · 81 Ausbildung informaler Normen zur Leistungszurückhaltung, was ja auch schon von Taylor thematisiert wurde. Weitere informale Normen besagten, dass man sich in einer Gruppe gegenseitig hilft und dass man gegenüber den Vorgesetzten zusammenhält. Auch die formale Hierarchie wurde informal abgeändert. Formal Vorgesetzten wurde z.T. der Gehorsam einfach verweigert, andererseits genossen manche Arbeiter eine privilegierte Stellung in der Gruppe und wurden als Führer akzeptiert, obwohl sie keinerlei offizielle Autorität hatten. Eine wesentliche Schlussfolgerung aus den Studien ist für Roethlisberger/ Dickson, dass es neben der „technischen“ Organisation auch eine „humane“ Organisation gibt. Die reale Organisation entspricht nie dem „blue print plan“. Eine Organisation, die nur der formalen Logik folgt, löst sich von der Wirklichkeit und wird damit letztlich auch ineffizient. Vor allem die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit hängt sehr stark von der informalen Organisation ab, von den sozialen Konventionen, Regeln, Traditionen, Routinen und Beziehungen, die die Mitarbeiter selbst ausbilden (vgl. [Management] 568). Das Management hat bei der technischen Organisation die menschliche Seite zu berücksichtigen. Drei Hauptprobleme machen Roethlisberger/ Dickson dabei aus ([Management] 578ff.): • Strukturänderung: Jede Modifizierung der technischen und formalen Organisation führt auch zu Abwandlungen der sozialen Struktur, was zu großen Widerständen bei den Betroffenen und zu unvorhergesehenen Folgen führen kann. • Kontrolle und Kommunikation: Die Kommunikation ist immer von Vorurteilen, Gefühlen, Spezialistendenken und dem rationalen Kalkül der Eigeninteressen gefiltert. Eine Fremdkontrolle ist daher sehr schwierig. • Anpassung der Individuen an die Struktur: Jedes Individuum muss sich in der Struktur zurechtfinden und seinen Platz bewerten. Dabei können Fehlinterpretationen auftreten, die in der Folge zu Unzufriedenheit und zu Fehlverhalten führen. Diese Probleme stellen an eine gezielte Strukturierung wesentlich größere Anforderungen, als es bspw. im tayloristischen Ansatz unterstellt wird. Das Management muss kontinuierlich lernen, wie die Organisation wirklich funktioniert (vgl. Roethlisberger/ Dickson [Management] 604). <?page no="107"?> 82 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 4.4 Menschenbild Im Verlaufe der Hawthorne-Studien wurde für die Forscher immer deutlicher, dass das Bild vom „economic man“, den man nur über die materiellen Anreize motivieren kann, viel zu simpel ist: „None of the results, however, gave the slightest substantiation to the theory that the worker is primarily motivated by economic interests“ (Roethlisberger/ Dickson [Management] 569, 575f.). Die Zufriedenheit und Kooperationsbereitschaft hängen von vielen Dingen gleichzeitig ab: den äußeren Arbeitsbedingungen, dem Spezialisierungsgrad, der Entlohnung, der Arbeitszeit- und Pausenregelung, den formalen Regeln, dem Führungsstil, den Kollegen, dem sozialen Status in der Gruppe usw. Dabei rufen nie bestimmte Fakten zuverlässig und logisch ein ganz bestimmtes Verhalten hervor, weil auch immer die individuellen Interpretationen, Gefühle und Werte eine Rolle spielen (vgl. [Management] 557). Das Menschenbild des Human-Relations-Ansatzes ist das des „complex man“. Jedes Individuum bringt nicht nur eine persönliche physische Konstitution mit, sondern auch eine Sozialisationsgeschichte in einer bestimmten Kultur und Familie, bestimmte Werte, Gefühle, Vorurteile, Erfahrungen, Kenntnisse, Fertigkeiten usw. Das Individuum trifft in der Organisation auf Kollegen, Vorgesetzte und Untergebene, auf eine formale Struktur, technische Gegebenheiten und eine gewachsene soziale Organisation. Es muss sich in dieser Umgebung orientieren und Beziehungen zu den anderen Individuen aufbauen. Die vorhandene Struktur und Kultur sind ein Rahmen, in den sich der Einzelne einfügt. Ähnlich einem „stranger in the city“ ([Management] 586) möchte er sich richtig orientieren, v.a. in seiner Arbeitsgruppe. Die formalen und informalen Regeln, die er vorfindet, sind aber kein Diktat. Jeder Einzelne passt sich der Organisation nicht nur an, sondern verändert sie zugleich. 4.5 Methoden In den Hawthorne-Studien kamen die Methoden der Beobachtung, des Experiments und der persönlichen Befragung zur Anwendung. Die Experimente wurden mit kleinen Gruppen durchgeführt, die in einem Testraum unter kontrollierten Bedingungen arbeiteten (Relay-Assembly-Group). Es wurde versucht, isoliert einzelne Parameter zu ändern (Entlohnungssystem, Pausenregelung, Arbeitszeitverkürzung, Arbeitsmethoden usw.), um die Wirkungen zu messen. Als Effekte interessierten nicht nur die Outputmengenänderungen, sondern auch die Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer. Dazu wurden medizinische Untersuchungen und persönliche Befragungen durchgeführt. Die auch nur annähernde Einhal- <?page no="108"?> Der Human-Relations-Ansatz · 83 tung der Ceteris-paribus-Regel, also dass alle Bedingungen gleich gehalten werden und nur ein Parameter gezielt geändert wird, war allerdings nie erfüllt. Über die mehrjährige Untersuchungsperiode hinweg wurde der Testraum gewechselt und besser ausgestattet, technologische Neuerungen wurden eingeführt, schließlich wurde auch die Zusammensetzung der Gruppe geändert. Gegenüber den normalen Arbeitnehmern genossen die Testpersonen einige Vorteile. Sie durften sich freier bewegen und unterhalten, bekamen kostenloses Essen, durften jederzeit offen ihre Meinung äußern und erhielten überhaupt deutlich mehr Beachtung. Wie die Leiter der Hawthorne-Studien selbst einräumen, • war es völlig unmöglich, alle Bedingungen konstant zu halten, um den Effekt eines isolierten Parameters zu messen (vgl. Roethlisberger/ Dickson [Management] 183); • konnten durch Befragungen keine Fakten erhoben werden, sondern nur persönliche Interpretationen (vgl. [Management] 572); • änderte jedes Experiment und jede Untersuchung die untersuchte Realität radikal: „The investigators had not been studying an ordinary shop situation but a socially contrived situation of their own making.“ ([Management] 183). Diese Erkenntnisse führten zu einer Änderung der Methoden. Unstrukturierte Tiefeninterviews, bei denen der Interviewer sich bewusst zurückzunehmen hatte, sollten die wahren Gründe für die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu Tage fördern (vgl. [Management] 270ff.). Über 20.000 Mitarbeiter der Hawthorne-Werke wurden in einem mehrjährigen Prozess interviewt. Eine weitere Methode bestand darin, möglichst unparteiisch und ohne Eingriffe die Arbeitssituation einer Gruppe über längere Zeit zu beobachten und alles Beobachtete zu protokollieren (vgl. [Management] 379ff.; Bank-Wiring-Group). Die Ergebnisse waren umfangreich und detailliert bis hin zu Charakterstudien einzelner Mitarbeiter. Simple Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ließen sich allerdings umso weniger finden, je genauer und umfangreicher die Untersuchungen waren. Wissenschaftliche Methoden „borrowed mainly from physics or chemistry“ sind für die Organisationsforschung ungeeignet, folgert Elton Mayo (vgl. Roethlisberger/ Dickson [Management] XI). Die Ergebnisse der Hawthorne-Experimente wurden später von anderen Wissenschaftlern wiederholt unter die Lupe genommen und teilweise ganz anders interpretiert. Den Hawthorne-Forschern wurde ideologische Befangenheit vorgeworfen, welche zu einer (unbewussten) Verfälschung der Daten geführt hätte. Allerdings sind auch die Ergebnisse dieser Kritiker wieder umstritten. Diese Auseinandersetzung zeigt deutlich, dass auch Daten und statistische Analysen <?page no="109"?> 84 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze keine eindeutigen Ergebnisse liefern, da das Erkenntnisinteresse des Forschers die Datensammlung und -auswertung unweigerlich beeinflusst (vgl. Kieser [Human Relations] 149). 4.6 Aktuelle Bedeutung (1) Informale Organisation In den Hawthorne-Studien wurde die Bedeutung der informalen Organisation erkannt. Als informale Organisation gelten die persönlichen Beziehungen zwischen den Organisationsmitgliedern sowie ihre Überzeugungen und Normen, die von der formalen Organisation gar nicht oder anders repräsentiert werden. Dass die Organisationsmitglieder selbst Normen der Verhaltenssteuerung ausbilden, war keine neue Erkenntnis. Die informale Norm der Leistungszurückhaltung beschrieb und beklagte bereits Taylor. Im Human-Relations- Ansatz wurden aber weitere informale Erscheinungen wahrgenommen, wie informale Normen der Zusammenarbeit, informale Gruppen und informale Führer. Außerdem wurden auch die positiven Effekte der informalen Organisation erkannt: „Informal organization exists in every plant, and can be said to be a necessary prerequisite for effective collaboration. Much collaboration exists at an informal level, and it sometimes facilitates the functioning of the formal organization“ (Roethlisberger/ Dickson [Management] 559). Anders als bei Taylor wird auch die Möglichkeit eingeschätzt, unerwünschte informale Phänomene zu unterbinden. Dies kann nicht „ingenieurhaft“ geschehen, sondern erfordert ein tief gehendes Verständnis der jeweils konkreten menschlichen Situationen (vgl. [Management] 590). Informale Erscheinungen in der Organisation wurden v.a. in den Sechzigerjahren eingehend untersucht und bewertet (vgl. z.B. Grün [Informale Erscheinungen]; Irle [Systeme]). Wie der Managementbestseller von Peter Scott-Morgan mit dem Titel “Die heimlichen Spielregeln, Die Macht der ungeschriebenen Gesetze im Unternehmen” (1994) zeigt, sind informale Phänomene in der Organisation ein aktuelles Thema; nur die Begriffe haben gewechselt. (2) Arbeitszufriedenheit und Effizienz Im Human-Relations-Ansatz wurden dem Management zwei Hauptaufgaben zugeordnet (vgl. Roethlisberger/ Dickson [Management] 569): Es muss für eine Erreichung des ökonomischen Ziels der Unternehmung sorgen und ein soziales Gleichgewicht anstreben, so dass die Individuen in der Organisation zufrieden <?page no="110"?> Der Human-Relations-Ansatz · 85 sind. Die Zufriedenheit ist aber kein Selbstzweck, sondern steht auch wieder im Dienste des ökonomischen Ziels. Es interessiert letztlich, wie man die latente Energie der Mitarbeiter und ihre Fähigkeit zur produktiven Mitarbeit aktiviert (vgl. [Management] 185). Als wichtigste Bedingung für die bereitwillige Kooperation wurde die Einstellung (attitude) bzw. Arbeitsmoral (morale) herausgestellt; diese hängt wiederum ganz allgemein gesprochen von der Zufriedenheit (likes and dislikes) mit der Arbeitssituation ab (vgl. [Management] 191). Wenn sich bspw. herausstellt, dass weniger Spezialisierung, mehr Möglichkeiten zu persönlichem Kontakt, mehr Mitspracherecht, ein kooperativer Führungsstil die Zufriedenheit und damit auch die Leistungsbereitschaft erhöhen, dann werden diese Maßnahmen zur Verbesserung der Mitarbeitersituation eingeführt. Diese Denkweise ist nach wie vor aktuell. „Motivation“ und „Zufriedenheit“ sind Effizienzkriterien der Führung und der Organisation. Kritik an dieser Denkweise kann in zwei Richtungen zielen: Ideologisch wird kritisiert, die Gefühle und Einstellungen der Mitarbeiter würden in ausbeuterischer Absicht instrumentalisiert; die „Humanisierung“ der Arbeit sei nur vorgeschoben, um den wirtschaftlichen Interessen zu dienen. Methodisch kann kritisiert werden, dass weder stringente Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen bestimmten Arbeitsbedingungen und der Zufriedenheit gefunden wurden, noch zwischen Zufriedenheit und Arbeitsleistung. Die populäre und einleuchtende Hypothese, dass eine starke Arbeitsteilung mit ständiger Wiederholung der gleichen Handgriffe zu Langeweile und Unzufriedenheit führe, konnte bspw. nicht eindeutig bestätigt werden: „Yet there was little evidence, ..., that monotony in any simple sense could characterize their responses to the work.“ (Roethlisberger/ Dickson [Management] 573). Der Human-Relations-Ansatz hat jedenfalls einen wichtigen Anstoß geliefert, sich im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre stärker mit Motivationsfragen zu beschäftigen. Die Anreiz-Beitrags-Theorie von Chester I. Barnard (1886-1961) kann in gewisser Weise als Weiterführung dieser Überlegungen gelten. Für Barnard ist die Organisation v.a. ein Verbund kooperierender Individuen, welche Beiträge zur Erreichung der Organisationsziele liefern können und sollen. Sie tun dies aber nur, wenn die Organisation ihnen ausreichende Anreize bietet. Ganz im Einklang mit den Ergebnissen der Human-Relations-Ansatzes ist auch Barnard davon überzeugt, dass v.a. die nicht-materiellen Anreize zur Motivation der Organisationsmitglieder führen (vgl. Barnard [functions] 143). Zu diesen Anreizen gehören bspw. die Identifikation mit den Zielen der Organisation, die Qualität des Arbeitsplatzes und zufrieden stellende soziale Beziehungen zwischen den Organisationsmitgliedern. Die Frage, was die Organisationsmitglieder dazu bewegen könnte, die Ziele der Organisation zu verfolgen und sich der <?page no="111"?> 86 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Herrschaft der Vorgesetzten zu unterwerfen, verbindet Barnards Theorie sowohl mit dem älteren Bürokratieansatz Max Webers als auch mit den modernen institutionenökonomischen Ansätzen. (3) Soziotechnischer Strukturtyp Die Hawthorne-Studien erlauben kaum Schlussfolgerungen für eine effiziente Gestaltung der Organisationsstruktur. Ergiebiger sind in dieser Hinsicht die Untersuchungen des „Tavistock Institute for Human Relations“, welches 1946 zum Zwecke der Beratung der Industrie auf der Grundlage psychologischer und soziologischer Erkenntnisse in London gegründet wurde (vgl. Sydow [Organisationsgestaltung] 14). Auf der Basis empirischer Studien im englischen Kohlebergbau (vgl. Trist/ Bamforth [consequences]) und in verschiedenen Industriebetrieben Norwegens (vgl. Emery/ Thorsrud [Demokratie]) wurde versucht, eine „soziotechnisch“ optimale Organisation zu entwerfen. Das Verständnis der Unternehmung als technisches und zugleich soziales System (= soziotechnisches System) schließt unmittelbar an die Befunde von Roethlisberger und Dickson an. Konkrete Gestaltungsvorschläge für die Arbeitsorganisation zielen v.a. auf die Einrichtung „teilautonomer Gruppen“ ab, die möglichst selbstbestimmt einen größeren zusammenhängenden Aufgabenbereich bewältigen sollen. Innerhalb der Gruppe sollen die Aufgaben wechseln, so dass jeder mehrfach qualifiziert ist. Es wird eine intrinsische Motivation über die Gestaltung der Aufgabe selbst angestrebt. Außerdem erhofft man sich eine gute Kooperation innerhalb der Gruppe und ein wechselseitiges Lernen. Für Alioth ([Selbststeuerungskonzepte] 1896) ist der soziotechnische Strukturtyp das idealtypische Gegenmodell zum tayloristisch-bürokratischen Strukturtyp. Die ursprünglich eher unter dem Banner der Humanisierung entwickelten Gestaltungsempfehlungen werden heute aus wirtschaftlichen Gründen, speziell der Qualitätsverbesserung, der Produktivitätssteigerung, der erhöhten Flexibilität und der Kostensenkung propagiert (vgl. Sydow [Organisationsgestaltung] 35). Fortentwicklungen des Human-Relations-Ansatzes firmieren heute v.a. unter dem Namen “Human-Ressourcen-Ansatz”, weil die motivationsorientierte Neugestaltung organisatorischer Strukturen zu einer besseren Ausnutzung der Humanressourcen bei gleichzeitig hoher Bedürfnisbefriedigung führen soll. Vorausgesetzt wird dabei, dass Menschen nach persönlicher Entfaltung, Verantwortung, interessanten Aufgaben und Mitentscheidungsrechten streben (vgl. Schreyögg [Organisation] 48ff.). <?page no="112"?> Der strukturtechnische Ansatz · 87 5 Der strukturtechnische Ansatz Vertreter Quellen Metapher F. Nordsieck (1906-1984) E. Kosiol (1899-1990) F. Nordsieck: Grundlagen der Organisationslehre, 1934 E. Kosiol: Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, 1959 derselbe: Organisation der Unternehmung, 1962 Die Organisation entsteht wie ein Gebäude nach einem Bauplan. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist ein Aufgabenerfüllungssystem. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll für eine effiziente Aufgabenerfüllung sorgen. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch rationale Strukturierung in drei Schritten: Analyse, Synthese und Verteilung von Aufgaben. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch interessiert nur als abstrakter Aufgabenträger. Analytisch-deduktive Gedankenkonstruktion, empirisch-induktiv: Strukturierte Interviews • Fachterminologie • Strukturtechnische Vorgehensweise: Analyse, Synthese, Verteilung von Aufgaben 5.1 Vertreter und wichtige Quellen Der strukturtechnische Ansatz wird im Folgenden in erster Linie in Anlehnung an Erich Kosiol (1899-1990) dargestellt. Kosiols Ansatz wird häufig zu den sog. betriebswirtschaftlich-pragmatischen Ansätzen gerechnet. Als betriebswirtschaftlich-pragmatisch gilt dieser Ansatz deswegen, weil die zweckrationale Aufgabenerfüllung des Unternehmens als Ziel der Organisation im Vordergrund steht. Es erscheint allerdings etwas unglücklich, einen bestimmten Ansatz als „betriebswirtschaftlich-pragmatisch“ zu kennzeichnen, da doch die effiziente Organisationsgestaltung letztlich das Ziel aller hier dargestellten Ansätze ist. Es wird darum im Folgenden vom strukturtechnischen Ansatz gesprochen. Zusammen mit Kosiol werden häufig noch Fritz Nordsieck und Hans Ulrich als Vertreter dieses Ansatzes genannt. Kosiol hat - auch über seine Schüler (u.a. <?page no="113"?> 88 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Knut Bleicher, Erwin Grochla, Marcell Schweitzer, Jürgen Wild) - einen starken Einfluss auf die deutsche betriebswirtschaftliche Organisationslehre ausgeübt. Wichtige Veröffentlichungen sind: Nordsieck, F., Grundlagen der Organisationslehre, 1934; Ulrich, H., Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 1949; Kosiol, E., Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, 1959; Kosiol, E., Organisation der Unternehmung, 1962, 2. A. 1976. 5.2 Organisationsbegriff und Metapher Kosiol vertritt in erster Linie einen prozessorientierten Organisationsbegriff. Organisieren ist nach ihm technisches, ordnendes und zweckgerichtetes Handeln. Er definiert: Organisieren ist eine „bestimmte Verfahrenstechnik im Sinne einer integrativen Strukturtechnik“ (Kosiol [Aktionszentrum] 55). Das Ergebnis dieser Tätigkeit ist die Organisation als eine auf längere Sicht stabile Ordnung (Struktur) zur Erfüllung von Aufgaben. „Struktur“ meint generelle und dauerhafte Regeln, die an die Stelle individueller Disposition und Improvisation treten. Die Organisation i.S. eines Sozialgebildes interessiert Kosiol nicht. Er betrachtet die Unternehmung nur als Aufgabenerfüllungssystem. Die Struktur ist zweckmäßig einzurichten. Im Unternehmen bedeutet dies konkret, dass die Unternehmensaufgabe mit Hilfe der Struktur technisch effizient (mit geringstem Mitteleinsatz) und ökonomisch ergiebig (mit höchster Rentabilität) gelöst werden soll. Die Struktur hat damit eindeutig instrumentalen Charakter. Das Unternehmen hat eine Organisation, die durch planmäßiges Strukturieren aufgebaut worden ist. Bildlich vergleicht Kosiol die Organisationsstruktur mit der Ordnung, welche „in Organismen aufgrund von Naturgesetzen vorliegt“ ([Organisation] 19). Die wesentliche Gemeinsamkeit sieht er darin, dass eine „Ganzheit“ (der Organismus, das Unternehmen) in Untereinheiten zergliedert werden kann, die in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander integrativ zusammenwirken. Beim Unternehmen wird diese Struktur aber - anders als beim Organismus - durch Menschen bewusst und planvoll geschaffen. Obwohl Kosiol die Metapher des Organismus verwendet und den Vergleich der Organisation mit einer Maschine ablehnt (vgl. [Organisation] 21), ist nicht zu übersehen, dass sein Organisationsverständnis weit stärker von der Technik als von der Biologie geprägt ist. Die gefügehafte Ordnung soll aufgrund eines „Bauplanes“, durch „Strukturtechnik“, nach der „Idee der technischen Perfektion“ hergestellt werden. Er steht damit dem Organisationsverständnis von Taylor nahe. <?page no="114"?> Der strukturtechnische Ansatz · 89 5.3 Zentrale Aussagen Ein zentrales Anliegen ist für Kosiol die Entwicklung einer Strukturtechnik, also einer Verfahrensweise zur strukturierenden Gestaltung der Unternehmung. Wie schafft der Organisator am besten die zweckgerichteten, dauerhaften Regeln und Einrichtungen in der Unternehmung? Als Antwort auf diese Frage schlägt er ein Vorgehen in drei Schritten vor: (1) Analyse: Die Sachaufgabe der Unternehmung ist in Teilaufgaben zu zerlegen. (2) Synthese: Die Teilaufgaben werden zu Stellen zusammengefasst. (3) Verteilung: Die Stellenaufgaben werden bestimmten Personen als Aufgabenträgern übertragen. Zu diesen drei Schritten im Einzelnen: (1) Aufgabenanalyse Die Aufgabenanalyse als erster Schritt beginnt bei der Sachaufgabe der Unternehmung, welche für den Organisator ein Datum darstellt. Diese Sachaufgabe kann nach sechs unterschiedlichen Merkmalen in Teilaufgaben zerlegt werden: 1. Analyse nach der Verrichtung: Einkauf, Produktion, Lagerung, ... 2. Analyse nach dem Objekt: Arbeiten an bestimmten Produkten, für bestimmte Kunden, ... 3. Analyse nach dem Rang: Entscheidungs- und Ausführungsaufgaben 4. Analyse nach der Phase: Planungs-, Realisations- und Kontrollaufgaben 5. Analyse nach der Zweckbeziehung: Primäre und sekundäre Aufgaben 6. Analyse nach den Sachmitteln: Arbeiten mit bestimmten Maschinen, Werkzeugen, ... In großen Unternehmen kann eine sehr tief gehende Analyse unter Verwendung mehrerer Analysemerkmale sinnvoll sein und bspw. die Teilaufgabe der Absatzplanung für eine bestimmte Kundengruppe gebildet werden. Die praktische Grenze der Aufgabenanalyse sieht Kosiol dort, wo eine Teilaufgabe sinnvollerweise nicht mehr auf verschiedene Aufgabenträger verteilt werden kann, wobei allerdings die Synthese gedanklich vorweggenommen werden muss. Die Teilaufgaben der untersten Ebene - die sog. Elementaraufgaben - werden weiter zerlegt in Arbeitsgänge und Gangelemente. Hierbei wird aber nicht mehr von der Aufgabenanalyse gesprochen, sondern von der Arbeitsanalyse. In der Arbeitsanalyse wird die Zerlegung der Aufgaben bis in die einzelnen Handgrif- <?page no="115"?> 90 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze fe, ja bis zu einzelnen Griffelementen vorgetrieben. Durch die Analyse soll das Gefüge der Einzelaufgaben restlos und detailliert aufgehellt werden. (2) Aufgabensynthese Im zweiten Schritt folgt die Zusammenfassung der Teilaufgaben zu Aufgabenbündeln. Die Synthese führt zu sog. Stellen; das sind versachlichte Aufgabenkomplexe, die im Hinblick auf einen gedachten Aufgabenträger vereinigt werden. Mit der Bildung von Stellen entsteht das Verteilungssystem der Unternehmung. So grenzt man bspw. die Stelle eines Vertriebsleiters oder einer Produktmanagerin oder eines Lagerarbeiters ab. Die exakten Teilaufgaben und die Anforderungen an den Stelleninhaber können in einer Stellenbeschreibung niedergelegt werden. Die Synthese der Aufgaben kann nach den gleichen Merkmalen erfolgen wie die Analyse. Die Stelle des Vertriebsleiters entsteht bspw. dadurch, dass die Teilaufgaben nach dem Rang (Entscheidung), nach der Phase (Planung und Kontrolle) und nach der Verrichtung (Vertrieb) zusammengefasst werden. Die Produktmanagerin hat alle Entscheidungs-, Planungs- und Kontrollaufgaben im Hinblick auf ein bestimmtes Objekt (Produkt) zu erfüllen. Der Lagerarbeiter bekommt die Ausführungsbzw. Realisationsaufgaben (Rang, Phase) im Hinblick auf die Verrichtung „Lagern“ zugewiesen. Mit der Stellengliederung entsteht zum einen eine rein sachliche Aufgabenteilung oder Spezialisierung. Je kleiner das Unternehmen ist, desto mehr unterschiedliche Teilaufgaben werden zu einer Stelle zusammengefasst, d.h. desto geringer ist die Spezialisierung und umgekehrt. Zum anderen bildet sich bei der Synthese zugleich das Leitungssystem. Dadurch dass bestimmten Stellen die Entscheidungskompetenz zugeordnet wird, während anderen die Ausführung obliegt, entsteht ein System von über-, unter- und nebengeordneten Stellen. Stellen mit einer Leitungsfunktion werden als Instanz bezeichnet. Im Falle des sog. Einliniensystems erhält jeder Untergebene nur von einer Instanz Weisungen. Hat ein Untergebener von verschiedenen Vorgesetzten Weisungen entgegenzunehmen, spricht man vom Mehrliniensystem. Eine Zusammenfassung mehrerer Stellen unter einheitlicher Leitung nennt man eine Abteilung. Mehrere Abteilungen können wiederum zu größeren organisatorischen Einheiten unter einheitlicher Leitung zusammengefasst werden. Den Instanzen können Leitungshilfsstellen, sog. Stäbe, zugeordnet werden. (3) Aufgabenverteilung Im dritten Schritt, der Aufgabenverteilung, sind die geeigneten Personen für die Stellen zu finden. Die Stelle als versachlichter Aufgabenkomplex ist gewöhnlich unabhängig von bestimmten Personen gebildet worden, so dass der Aufgaben- <?page no="116"?> Der strukturtechnische Ansatz · 91 träger jederzeit ausgewechselt werden kann. Die tatsächliche Verteilung der Stellenaufgaben auf konkrete Personen ist nicht mehr Sache des Organisators, weshalb die Stellenbesetzung bei Kosiol auch nur sehr kurz behandelt wird (vgl. [Organisation] 95ff.). Das aus der Analyse und Synthese hervorgegangene Verteilungs-, Leitungs- und Stabssystem ergeben gemeinsam das Gliederungssystem der Unternehmung. Damit ist die auf längere Sicht stabile Struktur, die eine Unternehmung hat, im Wesentlichen festgelegt. Sie kann optisch in einem Bauplan -dem Organigramm- dargestellt und durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet werden. Nach der Art der Spezialisierung unterscheidet man bspw. verrichtungs- oder objektzentralisierte Organisationen. Das Leitungssystem kann durch seine Breite (Zahl der direkten Untergebenen einer Instanz) und seine Tiefe (Zahl der Leitungsstufen) beschrieben werden. Der Bauplan veranschaulicht v.a. die Art der Arbeitsteilung. Die Koordination zwischen den Stellen und Abteilungen wird nur indirekt zum Ausdruck gebracht. Zum Ersten legt die Art der Synthese den Koordinationsbedarf fest. Sind die Abteilungen bspw. auf unterschiedliche Verrichtungen spezialisiert, müssen diese Verrichtungen über Abteilungsgrenzen hinweg im Hinblick auf die Produkte und Kunden koordiniert werden. Zum Zweiten wird über die Linie zwischen den Vorgesetzten und den Untergebenen zum Ausdruck gebracht, dass die Instanz die untergeordneten Stellen durch persönliche Weisung koordinieren kann. Diese Weisungslinien sind damit zugleich Teil des Kommunikationssystems. Die vielfältigen, zwischen den Stellen tatsächlich existierenden Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen (auch Verkehrssystem genannt) lassen sich aus dem Organigramm aber nicht ersehen. Nach Ansicht Kosiols sollte die Kommunikation formal geregelt werden, egal ob es sich um Anweisungen, Mitteilungen, Vorschläge, Rückfragen oder Beschwerden handelt. Dass neben der offiziell geregelten Kommunikation auch eine informale Kommunikation stattfindet, wird festgestellt, aber nicht weiter vertieft (vgl. [Organisation] 149). Als Sonderfall des Kommunikationssystems stellt Kosiol die Kollegien vor. Ein Kollegium ist eine Personenmehrheit, die sich zusammenfindet, um gemeinsam eine Sonderaufgabe zu bearbeiten. Mit dem Gliederungssystem und dem Kommunikationssystem ist das Gesamtsystem der Aufbauorganisation beschrieben. Von der Aufbauorganisation wird die Ablauforganisation unterschieden. Diese Unterscheidung von „Beziehungslehre“ (Aufbauorganisation) und „Ablauflehre“ (Ablauforganisation) wurde bereits von Nordsieck ([Grundlagen]) getroffen. Mit der Aufbauorganisation wird die stabile, unveränderliche Struktur festgelegt. In dieser Struktur laufen dann raum-zeitlich fortschreitende Prozesse ab. Beispiel: Eingekauftes <?page no="117"?> 92 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Material muss in die Produktionshalle gebracht werden, dort sind verschiedene Bearbeitungsprozesse durchzuführen, das fertige Produkt ist zu lagern und zu versenden usw. Diese Prozesse raum-zeitlich zu strukturieren, ist Aufgabe der Ablauforganisation. Detailliert beschäftigt sich Kosiol nur mit der Ablauforganisation einzelner Arbeitsprozesse in der Fertigung. Reihenfolge, Dauer und Menge der sog. Arbeitsgänge und Gangelemente werden festgelegt. Bei der Festlegung der Arbeitsmenge (Pensum) wird von einem gedachten Arbeitssubjekt mit normalem Leistungsvermögen ausgegangen. Ziel ist die Optimierung der Durchlaufzeit. 5.4 Menschenbild Der reale Mensch mit seinen Gefühlen, Bedürfnissen, Schwächen usw. wird im strukturtechnischen Ansatz bewusst ausgeklammert. An seine Stelle tritt der „Aufgabenträger“, ein gedachtes Subjekt ohne irgendwelche menschlichen Eigenschaften. Dieses gedachte Subjekt erfüllt die ihm zugewiesenen Aufgaben wie ein Rädchen im Getriebe. Dass die wirklichen Menschen diesem Bild nicht entsprechen, wird nicht übersehen. Wie Kosiol feststellt, ist es weder realistisch noch ethisch vertretbar, Menschen als reine Produktionsmittel zu verstehen (vgl. [Organisation] 26). Die menschliche Seite des Aufgabenträgers zu ignorieren, ist für ihn lediglich eine nützliche Fiktion, um die strukturtechnische Problematik klarer herausarbeiten zu können. An verschiedenen Stellen wird jedoch klar, dass eine völlige Ignoranz der menschlichen Eigenschaften in der Strukturtechnik nicht durchzuhalten ist. Wie Kosiol selbst feststellt, kann sich eine ausgeprägte Arbeitsteilung negativ auf den menschlichen Sinngehalt der Arbeitstätigkeit, auf Arbeitsfreude und Arbeitsinteresse auswirken, was bei der Stellenbildung zu berücksichtigen ist. An anderer Stelle weist er darauf hin, dass die Regelungen des Kommunikationssystems auch davon abhängen, für wie zuverlässig und ehrlich man die Beteiligten hält. Schließlich hält er es für sinnvoll, Kollegien zu bilden, auch wenn die Aufgabe der Unternehmung dies nicht erfordert, lediglich um der „Verbesserung der menschlichen Beziehungen“ willen ([Organisation] 161). So kommt er letztlich zu dem Schluss, „dass von einem guten Organisator in einem sehr weiten Umfange technisches und menschliches Verständnis... verlangt werden“ ([Organisation] 239). <?page no="118"?> Der strukturtechnische Ansatz · 93 5.5 Methoden Im strukturtechnischen Ansatz nach Kosiol wird in erster Linie die analytischdeduktive Forschungsmethode angewandt (vgl. [Organisation] Vorwort). Sie wird auch mit den Begriffen der „isolierenden Abstraktion“ und der „idealtypischen Betrachtungsweise“ umschrieben. Es geht um die Möglichkeiten der Strukturierung an sich, nicht um den Aufbau oder Ablauf in einem konkreten Unternehmen. Auf der Basis von „Gedankenkonstruktionen“ wird ein geschlossenes Begriffsgebäude errichtet. Das Ziel ist jedoch nicht nur die Entwicklung einer verbindlichen Fachterminologie (z.B. Stelle, Instanz, Kollegium), auch die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen für die Praxis wird intendiert. Eindeutig empfohlen wird die Vorgehensweise des Organisierens in den drei Schritten der Analyse, Synthese und Verteilung unter Verwendung der Merkmale „Verrichtung“, „Objekt“, „Rang“, „Phase“, „Zweck“ und „Sachmittel“. Diese Vorgehensweise wird als „notwendig“, „folgerichtig“ und „zweckmäßig“ angesehen. Eine bestimmte Struktur oder ein bestimmter Ablauf werden dagegen nicht empfohlen. Es werden vielmehr systematisch alle Möglichkeiten aufgezeigt, wie organisiert werden kann; bspw. objekt- oder verrichtungszentriert, nach dem Einlinien- oder Mehrlinienprinzip, mit Singular- oder Pluralinstanzen. Auch werden Vor- und Nachteile erörtert. Damit steht dem Organisator sozusagen ein Baukasten zur Verfügung, aus dem er die passenden Strukturteile für die konkrete Unternehmung auszuwählen hat. Neben der analytisch-deduktiven Methode wird im strukturtechnischen Ansatz auch die empirisch-induktive Forschungsmethode angewandt. Aus detaillierten empirischen Felduntersuchungen sollen induktiv Regeln und Gesetzmäßigkeiten abgeleitet werden. Die empirischen Studien gehen der abstraktdeduktiven Analyse voraus, indem sie die realistische Grundlage für die abstrahierenden Modelle und Prämissen liefern. Andererseits folgen sie der abstraktdeduktiven Methode in Form einer empirischen Überprüfung der logischen Gedankenkonstruktionen. Als Erhebungstechnik wurde von Kosiol und seinen Schülern v.a. die Befragung angewandt. Diese sollte durch einen Erhebungsleitfaden zwar strukturiert sein, aber doch eher einem offenen Gespräch gleichen. Eine bestimmte Fragestellung wurde in durchschnittlich 20 bis 30 Unternehmungen verschiedener Branchen untersucht, wobei pro Unternehmen etwa zwei Wochen Untersuchungszeit veranschlagt wurden. Als Ergebnis konnte zunächst einmal festgestellt werden, was an organisatorischen Gestaltungsformen in der Realität vorkommt und welche Lösungen typisch sind (sog. typisierende Deskription). Schlussfolgerungen über kausale Zusammenhänge, bspw. zwischen bestimmten Strukturformen und der Effizienz, erfordern nach Kosiol jedoch Interpretatio- <?page no="119"?> 94 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze nen des Forschers, die über die reinen Faktenfeststellungen deutlich hinausgehen (sog. interpretierende Synthese). Bestenfalls könne man generalisierende Hypothesen derart aufstellen, dass bei bestimmten Randbedingungen bestimmte Organisationsstrukturen ökonomisch besonders effizient sind. Einen Beweis für die reale Geltung solcher Hypothesen hält Kosiol für schlechthin unmöglich (vgl. [Organisationsforschung] 149). 5.6 Aktuelle Bedeutung (1) Betriebswirtschaftliche Organisationslehre Der strukturtechnische Ansatz hat weitgehend die Fachterminologie der deutschen betriebswirtschaftlichen Organisationslehre geprägt. Stelle, Abteilung, Instanz, Stab, Kollegium, diese und weitere Begriffe dienen auch heute noch zur Kennzeichnung der Aufbauorganisation einer Unternehmung. Auch die strukturtechnische Vorgehensweise, d.h. die Zerlegung der Gesamtaufgabe nach unterschiedlichen Merkmalen in Teilaufgaben und ihre Zusammenfassung zu Aufgabenbündeln, die dann auf Aktionseinheiten übertragen werden, erscheint weiterhin zweckmäßig. Schließlich ist auch das instrumentale Organisationsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre nach wie vor dominant: Die Organisation soll im Hinblick auf das Unternehmensziel zweckmäßig sein. Die betriebswirtschaftliche Organisationslehre, wie sie sich heute darstellt, erschöpft sich allerdings nicht in der Strukturtechnik. Vielmehr müssen die Aussagen der anderen Ansätze, bspw. zur Akzeptanz von Herrschaft oder zu den zwischenmenschlichen Beziehungen in Arbeitsgruppen, ergänzend hinzutreten, wenn sich ein vollständiges Bild der Unternehmensorganisation ergeben soll. (2) Weiterentwicklungen Auch wenn der strukturtechnische Ansatz in vieler Hinsicht nach wie vor zentral für die betriebswirtschaftliche Organisationslehre ist, so haben sich doch auch einige deutliche Akzentverschiebungen ergeben. So stehen für Kosiol die Unternehmensaufgaben vor aller Organisation fest, ebenso wie die Grenzen der Unternehmung. Andere organisationstheoretische Ansätze, v.a. der Transaktionskosten-Ansatz, gehen aber davon aus, dass bereits die Arbeitsteilung zwischen den Unternehmen eine organisatorische Frage ist. Heute wird in den Unternehmen immer wieder überlegt, welche Produkte und Leistungen überhaupt intern erstellt werden sollen und was vom Markt zu beziehen ist. Zwischen Selbsterstellung und Fremdbezug liegt die Form der zwischenbetrieblichen Kooperation, die sich immer mehr ausbreitet. Unternehmensaufgaben <?page no="120"?> Der strukturtechnische Ansatz · 95 und Unternehmensgrenzen sind heute nicht mehr so stabil wie vor 40 Jahren und müssen in die Organisationsüberlegungen verstärkt einbezogen werden. Im strukturtechnischen Ansatz wird die Stabilität der Struktur betont. Die Organisation soll endgültig oder doch auf längere Sicht fest und unveränderlich sein. Organisatorischer Wandel, organisationales Lernen und Reorganisation spielen als Themen keine Rolle, wenn man von der Idee ausgeht, dass sich die langfristig stabile Unternehmensaufgabe ein für alle Mal technisch perfekt organisieren lässt. Angesichts der turbulenten Umweltveränderungen, denen die meisten Unternehmen heute ausgesetzt sind und die auch Strukturanpassungen erforderlich machen, ist die Veränderung der Struktur ein weiteres Thema geworden. Für Kosiol ist die Ablauforganisation der Aufbauorganisation nachgeordnet (vgl. [Organisation] 186). Zunächst wird das Gliederungssystem mit den verschiedenen Stellen geschaffen. Innerhalb dieser Stellen kommt es zu Arbeitsprozessen, die raum-zeitlich zu strukturieren sind. Wenn bspw. ein Arbeitsgang in der Montage von zwei Halbfertigerzeugnissen zu einem Endprodukt besteht, dann wird durch die Ablauforganisation bestimmt, in welcher Reihenfolge und welcher Zeit welche Handgriffe durchzuführen sind. Diese sehr technische und detaillierte Betrachtung der Abläufe erinnert stark an Taylors Untersuchungen bspw. zur Optimierung des Roheisenverladens. Unter dem Begriff der Prozessorganisation erlebt die Untersuchung der Abläufe in Unternehmen z.Zt. eine Wiederbelebung. Allerdings werden die Prozesse sehr viel umfassender abgegrenzt. Geht man bspw. von einem Prozess „Neuproduktplanung“ aus, dann ist auch dieser Prozess zur Minimierung der Entwicklungszeit raum-zeitlich zu strukturieren. Die Reihenfolge und Zeitdauer der einzelnen Schritte sind festzulegen und die beteiligten Akteure werden evtl. in räumliche Nähe zueinander gebracht, damit die Kooperation leichter gelingt. Dabei ist die Ablaufanalyse der Aufbauorganisation aber nicht mehr nachgelagert. Vielmehr sollen nach heutigem Verständnis die Überlegungen zu den Abläufen aufbauorganisatorisch berücksichtigt werden und bspw. zu anderen Aufgabenbündeln oder zur Einrichtung neuer Stellen und Kollegien führen. Schließlich wird angezweifelt, ob die von den menschlichen Eigenschaften abstrahierende Sichtweise des „Aufgabenträgers“ tatsächlich nützlich ist. Dass die Bedürfnisse, Einstellungen, Interessen und Erwartungen der „Organisierten“ einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten in den Organisationen und damit letztlich auch auf die Effizienz der Struktur haben, wird nicht nur von den älteren (z.B. Taylor), sondern gerade auch von den neueren Ansätzen (z.B. Neue Institutionenökonomik) betont. Ohne Einbeziehung des Verhaltens <?page no="121"?> 96 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze der Organisationsmitglieder kann man - dies ist heute unbestritten - nicht zu einer überzeugenden Organisationstheorie gelangen. 6 Der situative Ansatz Vertreter Quellen Metapher T. Burns und G.M. Stalker P. R. Lawrence und J. W. Lorsch Joan Woodward A. D. Chandler Astongruppe u.a. T. Burns und G. M. Stalker: The Management of Innovation, 1961 P. R. Lawrence und J. W. Lorsch: Organization and Environment, 1967 A. D. Chandler: Strategy and Structure, 1962 A. Kieser und P. Walgenbach: Organisation, 4. A., 2003 G. Schreyögg: Umwelt, Technologie und Organisationsstruktur, 1978 Die Organisation wird als Organismus, aber auch als Maschine verstanden. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist ein soziales, formales, zielorientiertes und offenes System. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll das Verhalten der Organisationsmitglieder zielorientiert steuern. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch die rationale Wahl einer situativ passenden Konfiguration. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch ist umweltoffen und lernfähig. Das Verhalten wird von der Struktur (entscheidend) beeinflusst. Induktives und hypothetischdeduktives Vorgehen; vergleichende empirische Organisationsforschung durch strukturierte Befragungen, Dokumentenanalyse, Korrelationsanalyse, Typenbildung • Idee der Abstimmung von Organisation und externen und internen Situationsfaktoren (Fit-Hypothese) • Bildung von Konfigurationstypen <?page no="122"?> Der situative Ansatz · 97 6.1 Vertreter und wichtige Quellen Der situative Ansatz zielt darauf ab, durch empirische Forschung Unterschiede zwischen den Organisationsstrukturen verschiedener Unternehmen durch Unterschiede in deren Kontext (Situation) zu erklären. Es interessiert also, ob bestimmte Situationsmerkmale und bestimmte Strukturmerkmale „kontingent“ sind, d.h. regelmäßig zusammen auftreten. Daher wird auch vom Kontingenzansatz gesprochen. Weiter gehend wird aus solchen Befunden dann gefolgert, dass bestimmte Strukturen zu bestimmten Situationen „passen“ und dass dieser „Fit“ die Effizienz der Unternehmung sicherstellt. Diese Denkweise wurde in den Sechzigerjahren im angelsächsischen Raum entwickelt und konnte in den Siebzigerjahren auch in der deutschsprachigen Organisationsforschung zunehmend Fuß fassen. Die Forschungslandschaft des situativen Ansatzes ist so breit gefächert, dass man besser von situativen Ansätzen sprechen sollte. Daher ist es auch schwierig, einzelne Personen als Vertreter auszuwählen. Einige empirische Studien werden aber immer wieder als wegweisend angeführt, so die Studie von Burns und Stalker (The Management of Innovation, 1961), die den Zusammenhang von Umwelt und Struktur erforscht haben. Renommiert und theoretisch ausgefeilt ist auch die Studie von Lawrence und Lorsch zum gleichen Zusammenhang (Organization and Environment, 1967). Den Einfluss der Technologie, insbesondere der Fertigungstechnologie, auf die Struktur untersuchte Woodward (Industrial Organization, Theory and Practice, 1965). Wie die Größe der Unternehmung die Struktur beeinflusst, wurde u.a. von Blau und Schoenherr untersucht (The Structure of Organizations, 1971). Chandler beschäftigte sich mit dem Zusammenhang von Strategie und Struktur (Strategy and Structure, 1962). Bekannt geworden ist auch eine Forschergruppe, die sich an der Universität Aston, Birmingham, um Derek S. Pugh bildete. Die Arbeiten dieser Gruppe sind in vier Sammelbänden mit dem Titel „The Aston Programme I - IV“ zusammengefasst worden (vgl. Pugh und Hickson [Aston Programme I] 1976; Pugh und Hinings [Aston Programme II] 1976; Pugh und Payne [Aston Programme III] 1977; Hickson und McMillan [Aston Programme IV] 1981). Die Bedeutung der Astongruppe liegt v.a. darin, dass sie den Einfluss mehrerer Kontextfaktoren gleichzeitig berücksichtigt, z.B. Größe der Unternehmung, Beschaffenheit des Leistungsprogramms, Fertigungstechnologie, Informationstechnologie. Auch wurde das Verhalten der Organisationsmitglieder explizit in die Untersuchung mit einbezogen. <?page no="123"?> 98 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Die Fülle der Forschungsergebnisse zum situativen Ansatz lässt es sinnvoll erscheinen, für die folgenden Ausführungen auf Sekundärquellen zurückzugreifen, in welchen bereits eine Aufarbeitung und Verdichtung der wichtigsten Ergebnisse stattgefunden hat. Im Folgenden werden v.a. das Lehrbuch von Kieser und Walgenbach (Organisation, 5. A., 2007) sowie die Dissertation von Schreyögg (Umwelt, Technologie und Organisationsstruktur, 1978) herangezogen. 6.2 Organisationsbegriff und Metapher Wie Schreyögg ([Umwelt] 14) konstatiert, findet im situativen Ansatz „ausnahmslos der institutionelle Organisationsbegriff“ Verwendung. Organisationen werden als soziale Gebilde verstanden, die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf ein Ziel ausgerichtet werden sollen (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 6). In den empirischen Untersuchungen zum situativen Ansatz steht aber ganz eindeutig die formale Struktur, also die Organisation, die eine Unternehmung hat, im Vordergrund. Strukturen sollen beschrieben, verglichen, situativ erklärt und empfohlen werden. Das instrumentelle Organisationsverständnis besteht also zumindest gleichberechtigt neben dem institutionellen, wenn es nicht sogar überwiegt. Insofern lässt sich der situative Ansatz auch ohne weiteres als Ergänzung des strukturtechnischen Ansatzes begreifen. Wenn Kosiol i.S. einer Möglichkeitsanalyse aufzeigt, welche Strukturierungsalternativen dem Organisator zur Verfügung stehen (bspw. Verrichtungs- oder Objektzentralisation), dann schließt sich als logische Frage an, unter welchen Umständen welche Strukturalternative gewählt werden sollte. Genau diese Frage versucht der situative Ansatz zu beantworten: „The major difference of this newer approach from earlier organizational theories lies in the acknowledgment that the process of designing organization involves the selection of a configuration that will best suit that particular situation which prevails“ (Child [Choice] 237). Das Organisieren als Prozess wird im situativen Ansatz in der Weise verstanden, dass ein rationaler Organisationsgestalter die zur Zielerreichung der Unternehmung am besten geeignete Strukturalternative auswählt. Der prozessorientierte Organisationsbegriff spielt aber keine große Rolle im situativen Ansatz. Die Organisation im institutionellen Sinne wird im situativen Ansatz auch als offenes System beschrieben. Es ist v.a. der Gedanke der Umweltoffenheit, der nach Morgan (vgl. [Images] 45) einen Unterschied zu älteren organisationstheoretischen Ansätzen markiert. Die Organisation ist in einen Kontext nicht nur eingebettet, sondern muss sich auch immer wieder den Anforderungen aus <?page no="124"?> Der situative Ansatz · 99 diesem Kontext anpassen: „Organizations are open systems that need careful management to satisfy and balance internal needs and to adapt to environmental circumstances“ (Morgan [Images] 48). Als offene Systeme, die sich an ihre Umwelt anpassen müssen, um zu überleben, sind sie wiederum mit Organismen vergleichbar (vgl. Morgan [Images] 49). Die biologische Analogie bleibt aber im situativen Ansatz tatsächlich sehr dürftig. Es wird bspw. i.d.R. nicht thematisiert: • die Interaktion von System und Umwelt, • die Selbstorganisation und Entwicklungsfähigkeit des Systems, • die Komplexität des Systems. Stattdessen findet man viele Vorstellungen wieder, die Morgan dem klassischen „mechanistischen“ Organisationsverständnis zuordnet. Auch im situativen Ansatz ist bspw. intendiert, die Unternehmung rational und zielgerichtet „as efficient ... as possible“ (Morgan [Images] 29) zu strukturieren. Es wird lediglich zusätzlich beachtet, dass bei unterschiedlichen Randbedingungen unterschiedliche Strukturen effizient sind. 6.3 Zentrale Aussagen Als die entscheidende neue Erkenntnis des situativen Ansatzes wird i.d.R. angeführt, dass es den „one best way of organizing“ nicht gibt. Stattdessen muss die Gestaltung der Struktur im Zusammenhang mit den jeweils vorherrschenden Situationsbedingungen und deren Erfordernissen gesehen werden (vgl. Schreyögg [Umwelt] 3). Nun kann den älteren Ansätzen der Organisationstheorie nicht vorgeworfen werden, sie hätten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, dass in verschiedenen Situationen verschiedene Maßnahmen angebracht sind. Nach Taylor sollte sich etwa die Zahl der „Unproduktiven“ nach der Eigenart der Erzeugnisse und nach der Größe der Unternehmung richten (vgl. [Betriebsleitung] 52, 58). Allerdings erfolgen die situativen Anpassungen „unter Beibehaltung der ... als richtig erkannten Grundsätze“ (Taylor [Betriebsleitung] 59). Das heißt, gewisse fundamentale Prinzipien, wie die Pensumidee, die Trennung von Kopf- und Handarbeit oder das Mehrlinienprinzip, sollten auf jeden Fall beibehalten werden. Im strukturtechnischen Ansatz wurde dagegen bereits angenommen, dass die Organisatoren grundsätzlich alternative Strukturierungsoptionen haben. Sie können bspw. zwischen Ein- und Mehrlinienorganisation wählen, wobei Rand- <?page no="125"?> 100 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze bedingungen bei der Wahl zu berücksichtigen sind (vgl. Kosiol [Organisation] 93). Was also ist neu am situativen Ansatz? (1) Der situative Ansatz rückt die Unterschiede zwischen den Strukturen verschiedener Unternehmen bewusst in den Vordergrund der Betrachtung (deskriptives Ziel). (2) Es wird versucht, diese Unterschiede systematisch auf Unterschiede in gewissen Kontextfaktoren (Situation) zurückzuführen (theoretisches Ziel). (3) Man will herausfinden, welche Struktur in welcher Situation empfehlenswert ist (pragmatisches Ziel). (4) Als Methodik wird die vergleichende empirische Organisationsforschung angewandt. Zu den ersten drei Punkten im Einzelnen: (1) Deskriptives Ziel Ausgangspunkt für die Untersuchung von Unterschieden zwischen den Organisationsstrukturen war in vielen Fällen Max Webers Bürokratietyp. Wie beobachtet wurde, können Unternehmen tatsächlich mehr oder weniger bürokratisch sein. Der Bürokratietyp konnte offensichtlich nicht als der einzig rationale Strukturtyp angesehen werden. Im einfachsten Fall wurden die Unterschiede zwischen den real existierenden Strukturformen in der Weise dargestellt, dass dem Idealtyp „Bürokratie“ (auch mechanistisches System genannt) der Typ des unbürokratischen organischen Systems entgegengesetzt wurde (vgl. Burns/ Stalker [Innovation]). Eine solche typologische Vorgehensweise war vielen Forschern aber nicht präzise genug. Sie gingen davon aus, dass die realen Strukturen der Unternehmen im Prinzip alle nur denkbaren Formen zwischen bürokratisch (mechanistisch) und unbürokratisch (organisch) annehmen können. Methodisch drückt sich diese Annahme so aus, dass die Merkmale zur Charakterisierung einer bürokratischen Struktur (z.B. funktionelle Arbeitsteilung, Hierarchie, System formaler Regeln, Unpersönlichkeit) als voneinander unabhängige Variablen angesehen werden. In einer bestimmten Unternehmung kann jedes Merkmal eine beliebige (messbare) Ausprägung annehmen, unabhängig von der Ausprägung der anderen Merkmale, so dass eine hohe Anzahl von Kombinationen unterschiedlicher Merkmalsausprägungen denkbar ist (vgl. beispielhaft Hall [Strukturen] und Pugh/ Hickson [Strukturen]). Diese Vorgehensweise kann als typisch <?page no="126"?> Der situative Ansatz · 101 für den situativen Ansatz angesehen werden (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 43f.). Sozusagen ein „Nebenprodukt“ der Bemühungen, Unterschiede zwischen real existierenden Strukturen zu beschreiben, ist die Operationalisierung der Struktur. Wenn man messen will, wie ähnlich oder unähnlich die Strukturen verschiedener Unternehmen sind, muss genau festgelegt werden, anhand welcher Merkmale Strukturen zu kennzeichnen sind und welche Ausprägungen diese Merkmale annehmen können. In diesem Lehrbuch verwenden wir zur Charakterisierung der Aufbauorganisation eines Unternehmens die Strukturdimensionen Spezialisierung, Delegation, Koordination und Konfiguration (vgl. S. 288ff.). Es sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur eine Möglichkeit ist, Organisationsstrukturen zu beschreiben. (2) Theoretisches Ziel Die Unterschiede in den Strukturen verschiedener Unternehmen sollen situativ erklärt werden. Bevor die These eines Zusammenhanges von Situation und Struktur empirisch geprüft werden kann, muss der Forscher eine Vorentscheidung treffen, welches Kontextmerkmal er für ausschlaggebend hält. Unterschiedliche Auffassungen über die wichtigsten situativen Faktoren markieren unterschiedliche Teilansätze innerhalb des Kontingenzansatzes. Grundsätzlich werden mono- und multivariate Ansätze unterschieden. Wichtige Situationsfaktoren wurden bereits vorgestellt (vgl. S. 97): Umwelt, Fertigungstechnologie, Unternehmensgröße, Strategie (genauer: Leistungsprogramm). Weitere untersuchte Kontextmerkmale sind Alter der Unternehmung, Rechtsform und Eigentumsverhältnisse (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 218). Bei den monovariaten Ansätzen werden die Strukturunterschiede maßgeblich auf eine einzelne Einflussgröße zurückgeführt. Die multivariaten Ansätze gehen dagegen von einem Bündel von Einflussgrößen aus. Das Grundmodell des situativen Ansatzes unterstellt also einen Zusammenhang zwischen einem oder mehreren Situationsmerkmalen und einem oder mehreren Strukturmerkmalen, wie es - bewusst simplifizierend - Abb. 6-1 ausdrückt. Exemplarisch seien einige Befunde zu diesem Zusammenhang vorgestellt: • In dynamischen Umwelten sind die Strukturen eher unbürokratisch (organisch), in statischen Umwelten eher bürokratisch (mechanistisch). • Bei der Werkstattfertigung ist der Spezialisierungsgrad niedrig, bei der Fließfertigung hoch. <?page no="127"?> 102 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze • In großen Unternehmen werden Pläne und Programme als Koordinationsinstrumente eher eingesetzt als in kleinen Unternehmen. • Ein diversifiziertes Produktprogramm führt zu einer divisionalen Struktur, während Einproduktunternehmen funktional organisiert sind. Situation Struktur Abb. 6-1: Grundmodell des situativen Ansatzes Grundlage solcher Aussagen sind empirische Befunde, die das häufige gemeinsame Auftreten bestimmter Situations- und bestimmter Strukturmerkmale statistisch belegen. Daraus wird interpretierend der Schluss gezogen, dass die Situation als unabhängige Variable die Struktur als abhängige Variable beeinflusst. (3) Pragmatisches Ziel Hat man lediglich die Information, dass eine bestimmte Struktur in einer bestimmten Situation gehäuft auftritt, dann kann daraus alleine nicht sinnvoll eine Gestaltungsempfehlung abgeleitet werden. Das erfordert zumindest einige zusätzliche Gedankenschritte. Man könnte bspw. „evolutionär“ argumentieren, dass Unternehmen mit „falscher“ Struktur im Wettbewerbsprozess selektiert werden und die Unternehmen mit der „richtigen“ Struktur überleben. Strukturformen, die häufig zu finden sind, müssen demnach in gewisser Weise Erfolg versprechend sein. Solche Schlussfolgerungen sind allerdings sehr gewagt, weil die Ursachen für den Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmung sehr vielfältig sind und jederzeit Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Strukturen überleben. Eine andere Art der Begründung könnte in der Annahme bestehen, dass die rationalen Organisationsgestalter schon wissen, was sie zu tun haben und dass eine Lösung, die viele für gut halten, auch gut sein muss. Dann müssten die Organisationsgestalter aber offenbar ihrerseits die organisationstheoretischen Zusammenhänge bereits kennen, die ja erst gesucht werden. Außerdem müssten sie vollkommen rational handeln. Der schlichte Zusammenhang von Situation und Struktur ist offensichtlich nicht ohne weiteres pragmatisch verwertbar. Zusätzlich muss die Effizienz bestimmter Kontext-Struktur-Kombinationen kontrolliert und begründet werden. Die Wirkungen der Struktur auf die ökonomischen Erfolgsgrößen stellen sich <?page no="128"?> Der situative Ansatz · 103 letztlich über das Verhalten der Organisationsmitglieder ein. Diese Zusammenhänge werden im erweiterten Grundmodell des situativen Ansatzes folgendermaßen dargestellt (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 215). Formale Organisationsstruktur Situation der Organisation Verhalten der Organisationsmitglieder Effizienz der Organisation empirisch zu ermittelnde Zusammenhänge Abb. 6-2: Erweitertes Grundmodell des situativen Ansatzes Es ist bspw. zu erwarten, dass in dynamischen Umwelten (Situation) unbürokratische Strukturen mit geringer Spezialisierung, flacher Hierarchie, starker Entscheidungsdelegation und viel Selbstbestimmung (Struktur) erforderlich sind, um die in dynamischen Umwelten erforderliche Flexibilität und Innovationsfähigkeit der Organisationsmitglieder (Verhalten) zu stärken. Demnach sollten eigentlich Unternehmen, die in dynamischen Umwelten unbürokratisch strukturiert sind, regelmäßig erfolgreicher sein (Effizienz) als Unternehmen, die in vergleichbarer Situation eine mechanistische Struktur gewählt haben. Die organische Struktur „passt“ zur dynamischen Umwelt besser; man spricht auch vom „Fit“. Solche Befunde lassen sich pragmatisch verwerten. Wie dies zu geschehen hat, ist im pragmatischen Modell des situativen Ansatzes in Abb. 6-3 skizziert. Die Situation ist nach dieser Sichtweise natürlich nicht unmittelbar Ursache der Struktur, sondern wird vom Organisationsgestalter als zu beachtende Rahmenbedingung wahrgenommen und in seinen Entscheidungsprozess über die richtige Struktur einbezogen. <?page no="129"?> 104 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Situation Struktur „ Fit “ situativ angepasste Struktur Verhaltenserwartungen Effizienz konkretisiert in erfordern Abb. 6-3: Pragmatisches Modell des situativen Ansatzes Beispiel: Ein Unternehmer beobachtet eine Verkürzung der Produktlebenszyklen und eine Überalterung der Produktpalette (Situation). Daraus leitet er das Ziel ab, die Innovationsfähigkeit der Unternehmung zu verbessern und die Produktentwicklungszeit deutlich zu verkürzen (Effizienzziel). Von den Mitarbeitern wird konkret erwartet, dass sie kreativ sind, viele gute neue Produktideen hervorbringen und diese dann schnell bis zur Marktreife weiterentwickeln. Forschung und Entwicklung, Marketing und Fertigung sollen kooperativ zusammenwirken (Verhaltenserwartungen). Im Idealfall weiß der Organisationsgestalter durch die Organisationsforschung, welche Struktur dieses Verhalten hervorruft (Struktur-Verhaltens-Zusammenhang) und wählt dann jene Struktur, welche die Situation erfordert. Konkret richtet er bspw. funktionsübergreifende Produktentwicklungsteams ein oder geht zur Projektorganisation über. Dieser komplexe Gesamtzusammenhang, wie er sich im erweiterten Grundmodell darstellt, ist weit weniger empirisch erforscht als der Teilzusammenhang zwischen situativen Merkmalen und Strukturmerkmalen. Die Befunde sind außerdem widersprüchlich. Es ist also häufig so, dass die Gestaltungsempfehlungen empirisch nur schwach gestützt sind und die Interpretationen, Plausibilitäten und Gedankenkonstruktionen des Forschers jene Lücken zwischen Beschreibung und pragmatischer Gestaltung überbrücken müssen, die eigentlich von einer empirisch gehaltvollen Theorie auszufüllen wären (vgl. auch Kieser/ Walgenbach [Organisation] 480ff.). <?page no="130"?> Der situative Ansatz · 105 6.4 Menschenbild Das menschliche Verhalten wird im situativen Ansatz zwar berücksichtigt, denn Motivation, Zufriedenheit, Verhalten in Konflikten, Akzeptanz von Rollen u.a. werden thematisiert. Ein bestimmtes Menschenbild lässt sich aus der Fülle der Teilansätze allerdings nur schwer ableiten. Bemerkenswert ist eine gewisse Änderung in der Argumentationskette gegenüber den älteren Ansätzen. Taylor bspw. leitet aus einem bestimmten fest gefügten Menschenbild die Notwendigkeit gewisser Managementmaßnahmen ab. Weil der Mensch nun mal von Natur aus faul sei, brauche er ein festes Pensum und ständige Aufsicht. Diese Maßnahmen rufen dann als Reaktion eine gesteigerte Leistung als konkretes Verhalten hervor. Man hat quasi ein zweistufiges Verhaltensmodell, wie es in Abb. 6-4 dargestellt ist: Menschenbild (z.B.: „Mensch ist faul“) Struktur (z.B.: Pensum und Kontrolle) Verhalten (z.B.: Leistungs steigerung) Abb. 6-4: Zweistufiges Verhaltensmodell Für Taylor ist die Beziehung (1) zentral. Das konkrete Verhalten ist dann die logische Folge. Bei nachlassender Kontrolle und weniger detaillierter Aufgabenzuteilung wird sofort ein Absinken der Leistung die Folge sein. Im situativen Ansatz interessiert dagegen stärker der Zusammenhang von Struktur und Verhalten, also die Beziehung (2). Außerdem wird ein bestimmtes Verhalten in bestimmten Strukturen und Situationen nicht einfach vorausgesetzt, sondern empirisch getestet. Diese Akzentverschiebung ist insofern wichtig, als sie den Menschen weit weniger ex ante auf bestimmte Verhaltensweisen festlegt. Bei einer empirischen Überprüfung mag sich bspw. herausstellen, dass die Menschen mal arbeitsscheu und mal arbeitsfreudig, mal aufgabenorientiert und mal personenorientiert, mal lernwillig und mal lernvermeidend, mal innovativ und mal konservativ, mal egoistisch und mal sozial orientiert sind. Auch für das Verhalten gilt also „... it all depends on the particular circumstances in a specific situation“ (Kast und Rosenzweig [Organization] 307). Es läge nun natürlich im Interesse der Organisationsgestalter, genau zu wissen, welche Struktur welches Verhalten hervorruft. Einfache Ursache-Wirkungs- Zusammenhänge lassen sich hier aber nicht finden. So garantiert z.B. die Ein- <?page no="131"?> 106 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze richtung abteilungsübergreifender Teams für Innovationsvorhaben keineswegs eine problemlose Kooperation der Beteiligten. Das liegt an den unterschiedlichen Arbeits- und Denkstilen in den Abteilungen, am Machtstreben der Beteiligten, an ihrer Risikoeinstellung, am Integrationsgeschick eines Teamleiters, an den Anreizsystemen, an den Werten und Normen usw. Man kann wohl annehmen, dass die Orientierung des situativen Ansatzes an der Methodik der empirischen Forschung zwangsläufig das Menschenbild des komplexen Menschen hervorruft. Dieser komplexe Mensch ist weltoffen und lernfähig, kommunikationsfähig, fähig zur Selbstbestimmung und zur Ausbildung einer persönlichen Identität (vgl. Matthiesen [Kritik] 176). Da ein solcher „complex man“ nicht als strukturdeterminiert angesehen werden kann, lassen sich eindeutige gesetzmäßige Beziehungen zwischen Struktur und Verhalten nicht finden. Die Ergebnisse empirischer Studien sind dementsprechend widersprüchlich und z.T. kontraintuitiv. So wurden positive Zusammenhänge zwischen der Unternehmensgröße und dem Bürokratisierungsgrad und der Zufriedenheit festgestellt. Der häufig unterstellte negative Zusammenhang von starker Zentralisierung und Formalisierung (Bürokratie) und Zufriedenheit konnte aber auch bestätigt werden. Da der Struktur-Verhaltens-Zusammenhang einen wesentlichen Bestandteil des erweiterten Grundmodells des situativen Ansatzes darstellt, wirken sich die Schwierigkeiten bei der Feststellung von Verhaltensgesetzmäßigkeiten auf den gesamten Ansatz aus. Es ist positiv zu werten, dass der situative Ansatz diese Probleme nicht einfach ignoriert, sondern aufdeckt. 6.5 Methoden Die zentrale Methode des situativen Ansatzes ist die empirische vergleichende Organisationsforschung. Geht man vom erweiterten Grundmodell des situativen Ansatzes aus, dann erfordert eine empirische Untersuchung die Operationalisierung (d.h. Herstellen von Messbarkeit) der Größen „Situation“, „Struktur“, „Verhalten“ und „Effizienz“. Da man herausfinden will, ob bestimmte Situations-Struktur-Kombinationen häufiger vorkommen und erfolgreicher sind als andere, muss eine größere Anzahl von Unternehmen miteinander verglichen werden. Die typische Forschungsform ist daher die Querschnittsanalyse, also die Untersuchung einer möglichst großen Anzahl von Unternehmen zu einem Zeitpunkt und der Vergleich der Ergebnisse. Als Forschungstechniken kommen v.a. die Befragung mittels Fragebogen und die Dokumentenanalyse zum Einsatz. Die Ergebnisse werden dann statistisch ausgewertet, etwa mit Hilfe der Korrelationsanalyse. Ganz typisch für den situativen Ansatz ist die Präsentation der Ergebnisse in Form von Zahlentabellen. <?page no="132"?> Der situative Ansatz · 107 Die Vorgehensweise soll in Grundzügen am Beispiel der Studie von Lawrence und Lorsch illustriert werden (zu Einzelheiten vgl. Schreyögg [Umwelt] 22ff.). Lawrence und Lorsch unterstellen einen systematischen Zusammenhang zwischen Umwelt, Struktur, Verhalten und Effizienz der Unternehmen. (1) Zur Operationalisierung (a) Das situative Merkmal „Umwelt“ musste noch näher spezifiziert werden. Die Forscher gingen von der These aus, dass v.a. die Unsicherheit der Umwelt einen starken Einfluss auf die passende Struktur hat. Die Umweltunsicherheit wurde durch drei Dimensionen gekennzeichnet: 1. Bestimmtheit der Information, 2. Gewissheit über kausale Beziehungen, 3. Zeitspanne bis zur definitiven Rückmeldung aus der Umwelt. Für jede dieser drei Dimensionen wurde eine Skala von 1 bis 7 gebildet, wobei 1 „große Bestimmtheit der Information“ und 7 „große Unklarheit über relevante Informationen“ bedeutete. Manager aus drei unterschiedlichen Subsystemen der Unternehmung, nämlich aus der Produktion, dem Marketing und der Forschung und Entwicklung, wurden gebeten, die Umwelt ihres Subsystems anhand dieser Skalen einzuschätzen. Für jedes Subsystem ergab sich durch Zusammenfassung der Punktzahlen der drei Dimensionen ein „Sicherheitswert“. (b) Die durch diesen Sicherheitswert repräsentierte Umweltunsicherheit sollte - so die Annahme - einen systematischen Einfluss auf die Struktur und das Verhalten ausüben. Die Struktur wurde durch sechs Merkmale gekennzeichnet: 1. Durchschnittliche Kontrollspanne, 2. Anzahl der Hierarchieebenen, 3. Zeitspanne zwischen den Leistungskontrollen in den Abteilungen, 4. Spezifität der Leistungskontrollen, 5. Bedeutung formeller Regelungen, 6. Spezifität der Beurteilungskriterien der Rolleninhaber. Für alle sechs Merkmale wurde eine vierstufige Skala gebildet. Die Summierung der Einzelwerte über alle sechs Merkmale ergab einen „Strukturwert“, welcher den Formalisierungsgrad einer Unternehmensstruktur repräsentieren sollte. <?page no="133"?> 108 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze (c) Das Verhalten der Führungskräfte wurde in drei Dimensionen konkretisiert: 1. Interpersonale Orientierung mit der Unterscheidung von Aufgabenorientierung und Personenorientierung, 2. Zeitliche Orientierung mit der Unterscheidung von kurz-, mittel- und langfristiger Orientierung, 3. Zielorientierung mit der Unterscheidung von funktionsspezifischer und unternehmensbezogener Zielorientierung. (d) Zur Messung der Effizienz zogen die Forscher drei Wirtschaftlichkeitskriterien heran: 1. Gewinnentwicklung der letzten fünf Jahre, 2. Umsatzentwicklung der letzten fünf Jahre, 3. Prozentualer Anteil der in den letzten fünf Jahren neu eingeführten Produkte am Gesamtumsatz des letzten Jahres. Die drei Einzelwerte wurden zu einem Gesamtwert aggregiert und drei Klassen gebildet: Sehr, mittel und weniger erfolgreiche Unternehmen. (2) Zur Erhebungstechnik Zur vergleichenden Analyse wurden zehn Industriebetriebe in den Vereinigten Staaten gezielt ausgewählt. Entsprechend der Ausgangsthese suchte man Unternehmen mit sicheren und unsicheren Umwelten und großem und geringem Erfolg. Als Techniken kamen die Befragung und die Analyse von Organigrammen, Stellenbeschreibungen, Handbüchern usw. zum Einsatz. Befragt wurde ausschließlich das Topmanagement. Getestet wurden zahlreiche Einzelhypothesen. Zentral waren folgende Hypothesen: • Die Unsicherheit der Subumwelt bestimmt Struktur und Verhalten im Subsystem (Produktion, Marketing, Forschung und Entwicklung). • Sind die Subumwelten einer Unternehmung sehr unterschiedlich, dann sind auch die Subsysteme sehr differenziert, d.h. sehr unterschiedlich, was Struktur und Verhalten betrifft. • Bei sehr differenzierten Subsystemen sind verstärkte Integrationsanstrengungen nötig. • Eine Unternehmung ist in einer unsicheren Umwelt dann sehr effizient, wenn ihre Subsysteme an die Erfordernisse der Subumwelten angepasst sind (hoher Differenzierungsgrad), aber auch eine Integration der Subsysteme gelingt (Kongruenz-Effizienz-Hypothese). <?page no="134"?> Der situative Ansatz · 109 • Eine Integration gelingt u.a. besonders gut, wenn Konflikte offen ausgetragen werden und alle Beteiligten sich als einflussreich im Integrationsprozess erleben. Um diese Thesen zu testen, waren weitere Operationalisierungen nötig. Man musste z.B. messen, wie unterschiedlich die Subsysteme eines Unternehmens sind, ob Konflikte offen ausgetragen werden und wie gut die Integration gelingt. (3) Zu den Ergebnissen Wie Schreyögg (vgl. [Umwelt] 58) moniert, wurden in der Studie von Lawrence und Lorsch nicht nur solche Hypothesen getestet, die vor der Untersuchung bereits entwickelt worden waren. Zum Teil wurden nämlich Hypothesen erst im Verlauf der Studie aufgrund der Befunde formuliert. Hypothetisch-deduktive und induktive Vorgehensweise wurden also vermischt. Die zentrale Kongruenz- Effizienz-Hypothese konnte bestätigt werden. Das methodische Vorgehen des situativen Ansatzes erfordert einige problematische Vorentscheidungen. Dies wird schon daran deutlich, dass die zahlreichen empirischen Studien zum Umwelt-Struktur-Zusammenhang sowohl in der Vorgehensweise als auch in den Ergebnissen so gut wie nie übereinstimmen. Von Lawrence und Lorsch wurde die spezifische Aufgabenumwelt der Subsysteme für entscheidend gehalten; viele andere Studien gehen dagegen von einer Gesamtumwelt für das Unternehmen aus. Als die entscheidenden Umweltmerkmale werden neben der Umweltunsicherheit auch die Umweltdynamik und Umweltkomplexität angesehen. Die Umweltdynamik wurde über die Wettbewerbsintensität operationalisiert, aber auch über das Ausmaß der zu erwartenden Änderungen. Gemessen wurden sowohl objektive Daten als auch die subjektiven Meinungen von Managern. Auch wurden andere Strukturmerkmale als bei Lawrence und Lorsch herangezogen, wie bspw. Dezentralisierung und Spezialisierung. Zur Effizienzmessung wurden neben Gewinn und Umsatz auch Größen wie Zufriedenheit der Mitarbeiter, Fehlerquote und Produktivität benutzt. So heterogen wie die aufgestellten Hypothesen, die Operationalisierungen, Mess- und Auswertungstechniken sind auch die Ergebnisse. Zwischen Umweltdynamik und Formalisierungsgrad wurden bspw. sowohl positive als auch negative und neutrale Beziehungen festgestellt (vgl. Schreyögg [Umwelt] 70ff.). „Das behauptete Wirkungsgefüge lässt sich jedenfalls nach den vorliegenden Ergebnissen weder in der angegebenen Richtung noch in der vermuteten Stärke belegen“, schlussfolgert Schreyögg ([Umwelt] 78f.). <?page no="135"?> 110 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 6.6 Aktuelle Bedeutung (1) Typologisches Vorgehen Frühe Studien, die dem situativen Ansatz zuzurechnen sind, gingen in Anlehnung an Max Weber von einer Typenbildung aus. Von Burns und Stalker wurden etwa die zwei Idealtypen der mechanistischen und organischen Struktur unterschieden und mit typischen Umweltzuständen (statisch/ einfach und dynamisch/ komplex) plausibel verbunden. Später wurde es dann als Präzisierung und methodische Weiterentwicklung des situativen Ansatzes verstanden, die Situation, die Struktur, das Verhalten und die Effizienz jeweils über Kataloge voneinander unabhängiger, messbarer Variablen zu operationalisieren und Zusammenhänge zwischen diesen Variablen exakt zu quantifizieren. Diese Vorgehensweise hat eine große Menge an Zahlen geliefert, aber insgesamt wenig pragmatisch verwertbare Ergebnisse gebracht. In jüngerer Zeit wurde das typologische Vorgehen daher wiederbelebt, v.a. von Mintzberg (vgl. [Structuring]). Er bildete empirisch-induktiv zunächst fünf, später sieben Typen von Organisationsstrukturen. Diese wurden charakterisiert über (vgl. S. 312ff.): • Die Ausprägung ihrer wichtigsten Elemente (strategische Spitze, mittlere Linie, operativer Kern, Technostruktur, Hilfsstäbe), • das vorherrschende Koordinationsinstrument (direkte Überwachung, Arbeitsstandardisierung, Standardisierung der Fähigkeiten, Standardisierung der Ergebnisse, Standardisierung von Normen), • die Strukturdimensionen (Arbeitsspezialisierung, Verhaltensformalisierung, Indoktrination und Dezentralisation). Diese Typen sind wiederum in bestimmten Kontexten Erfolg versprechend. Zum Kontext gehören Alter, Größe, technisches System, die nähere und weitere Umwelt und die Machtverteilung. Als Hilfestellung für den Praktiker können die typologischen Aussagen Mintzbergs in der Weise verstanden werden, dass zum einen überprüft werden kann, ob ein Unternehmen in sich so konsistent organisiert ist, dass es einem der Typen zugeordnet werden kann, zum anderen, ob dieser Typ zum Kontext des Unternehmens passt. Präzise und durch quantitative Methoden bewiesen sind diese Zuordnungen allerdings nicht, dafür aber plausibel und daher heuristisch verwertbar (vgl. auch S. 314ff.). <?page no="136"?> Der situative Ansatz · 111 (2) Strategisches Management Zentral für den situativen Ansatz ist die Vorstellung, dass zwischen Situation und Struktur ein „Fit“ hergestellt werden muss. Organisationsmaßnahmen sind dann erfolgreich, wenn sie zum Kontext passen. Derselbe Fitgedanke ist ebenfalls typisch für das strategische Management (vgl. Bea/ Haas [Management] 16ff.). Über den situativen Ansatz kann die Organisationslehre stringent in das Denkgebäude des strategischen Managements eingeführt werden. Die Thesen, dass die Struktur von der Strategie und von der Umwelt beeinflusst wird, lassen sich etwa mit Erkenntnissen aus der strategischen Planung in einem ersten Schritt zum Umwelt-Strategie-Struktur-Zusammenhang verbinden. Die Wettbewerbsumwelt bestimmt zunächst die Strategie, an diese muss dann die Struktur angepasst werden. Dass für den Erfolg der Unternehmung die Struktur aber nicht alleine ausschlaggebend ist, sondern Sachverhalte wie die Zielorientierung der Mitarbeiter, das Führungsverhalten und die Anreizsysteme ebenfalls eine Rolle spielen, wird bereits im Ansatz von Lawrence und Lorsch thematisiert. Im strategischen Management wird daraus die Idee des umfassenden Fit zwischen den internen Subsystemen des Unternehmens und zwischen Umwelt und Unternehmung (vgl. Bea/ Haas [Management] 19). Eine intensive Abstimmung ist bspw. zwischen der Gestaltung der Anreizsysteme im Rahmen des Personalmanagements, der Kultur, der Strategie und der Gestaltung der Struktur notwendig. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass die Zusammenhänge zwischen allen Subsystemen nicht einseitig, sondern interdependent sind. Mit der Strategie wird bspw. auch eine Umwelt gewählt, und eine bestehende Struktur bildet den Rahmen für die Strategiefindung. Ein solches komplexes Wirkungsgefüge ist sicherlich realitätsnäher, aber auch forschungstechnisch noch schwerer in den Griff zu bekommen, als der ursprüngliche situative Ansatz. Wenn schon schlichte bivariate Zusammenhänge nicht eindeutig zu beweisen waren, so könnte man fragen, was bringt dann eine derartige Weiterentwicklung für die Praxis? Sie liefert zumindest Hinweise auf folgende Zusammenhänge: • Es gibt Strukturwahlmöglichkeiten. Sie sind zwar begrenzt, aber der Sachzwang des „one best way“ existiert nicht. • Bei der Strukturwahl ist eine ganze Reihe von situativen Faktoren zu beachten; die Struktur sollte sowohl zum internen als auch zum externen Umfeld passen. <?page no="137"?> 112 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze • Für diese Anpassung gibt es keine eindeutigen Gesetze, so dass immer auch ein Spielraum für unternehmensspezifische Entscheidungen bleibt (ähnlich auch Schreyögg [Umwelt] 335f.). (3) Umweltbezogener Institutionalismus Der Institutionalismus, oft auch als Neoinstitutionalismus bezeichnet, kommt aus der Soziologie und will die Entstehung und Veränderung von Institutionen, insbesondere auch Organisationen, erklären. Man unterscheidet verschiedene Teilansätze. Als kritische Weiterentwicklung des situativen Ansatzes gilt der umweltbezogene Institutionalismus (vgl. Türk [Ansätze] 926f.). Mit dem situativen Ansatz teilt er die Annahme, dass sich Organisationen an ihre Umwelt anpassen müssen. Es lassen sich aber auch deutliche Unterschiede zur Kontingenztheorie feststellen (vgl. Scott [Institutions]): • Der Institutionalismus richtet sein Augenmerk auf die Anpassung der Unternehmung an sozio-kulturelle Faktoren. Insbesondere werden die gesellschaftlichen Vorstellungen von rationalen und modernen Strukturen und Praktiken als Umweltfaktoren betrachtet, an die sich die Unternehmen anpassen müssen, um ihre gesellschaftliche Legitimität zu erhalten und ihre Reputation zu steigern. Zur Zeit wird von den Unternehmen insbesondere eine nachhaltigere und verantwortungsbewusstere Unternehmensführung eingefordert, die nicht nur den kurzfristigen Gewinn maximiert, sondern auch auf die Interessen der Arbeitnehmer und anderer Bezugsgruppen Rücksicht nimmt. • Eine solche Anpassung kann als „Modernitätsfassade“ rein oberflächlich bleiben. Das heißt, sie wird nach außen kommuniziert, während sich in Wirklichkeit praktisch nichts ändert an den Vorgehensweisen. Mit einer derartigen Pseudoanpassung können Unternehmen eventuell auftretende Diskrepanzen zwischen der gesellschaftlich erwünschten und der im Sinne des Unternehmensziels effektiven Lösung überbrücken. • Es finden immer auch reale aber ungeplante Anpassungsprozesse statt, bspw. indem die Organisatoren unbewusst die geltenden „Rationalitätsmythen“ verinnerlichen und umsetzen oder indem sie unreflektiert die Praktiken kopieren, die im Moment gerade als modern gelten. Damit wird die Vorstellung einer rein rationalen Strukturgestaltung selbst als Rationalitätsmythos entlarvt. Letzteres verbindet den Institutionalismus mit dem evolutionstheoretischen Ansatz und dem Selbstorganisationsansatz. <?page no="138"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 113 7 Der entscheidungstheoretische Ansatz Vertreter Quellen Metapher Entscheidungslogischer Ansatz: J. Marschak (1898-1977) H. Hax (1933-2005) H. Laux F. Liermann J. Marschak: Elements for a Theory of Teams, 1955; H. Hax: Die Koordination von Entscheidungen, 1965; H. Laux und F. Liermann: Grundlagen der Organisation, 6. A., 2005 Entscheidungsprozessorientierter Ansatz: H. A. Simon (1916-2001) R. M. Cyert (1921-1998) und J.G. March (geb. 1928) H. A. Simon: Administrative Behavior, 1945; R.M. Cyert und J. G. March: A Behavioral Theory of the Firm, 1963; J. G. March (Hrsg.): Entscheidung und Organisation, 1990 Die Organisation wird verglichen mit einem Gehirn, einem politischen System, einem Mülleimer und einem Tempel. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist eine Koalition von Individuen mit je eigenen Interessen. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll die Objektentscheidungen der Organisationsmitglieder zielorientiert steuern. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch eine (optimale) Entscheidung zwischen Organisationsalternativen. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Die Menschen sind selbstinteressiert, begrenzt rational und individuell verschieden. Induktion; Modellanalyse; Empirische Forschung durch Befragung, Beobachtung, Dokumentenanalyse, Experimente; Berufung auf Alltagswissen (Phänomenologie), Hermeneutik • Problem divergierender Interessen in der Organisation • Bedeutung organisationalen Lernens <?page no="139"?> 114 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 7.1 Vertreter und wichtige Quellen In den bisher behandelten Ansätzen stand mehr oder weniger explizit die Leistung eines Unternehmens im Vordergrund. Sie verlangt, dass verschiedene Organisationsmitglieder unterschiedliche Tätigkeiten verrichten, die miteinander zu koordinieren sind. Entscheidungen werden dabei insoweit zum Thema, als zu überlegen ist, wer die einer Ausführung vorangehenden Entscheidungen treffen soll. In der Regel wird dabei postuliert, dass bestimmte Organisationsmitglieder dafür zuständig und dann als Instanzen gegenüber den ausführenden Stellen leitungsberechtigt sind. Es interessiert das Leitungssystem, nicht der Prozess der Entscheidung an sich. Im entscheidungstheoretischen Ansatz werden dagegen die Entscheidungsprozesse zum zentralen Ansatzpunkt der Organisationsanalyse. Organisationen sind Systeme, in denen laufend Entscheidungen zu treffen sind. Im Anschluss an die Zweiteilung der Entscheidungstheorie in einen normativen und einen deskriptiven Zweig können ebenfalls zwei unterschiedliche Strömungen im entscheidungstheoretischen Ansatz unterschieden werden: • Der entscheidungslogische Ansatz folgt eher der normativen Entscheidungstheorie und will Entscheidungsprozesse optimieren. Als früher Vertreter dieses Zweiges wird häufig Marschak mit seiner Teamtheorie genannt ([Theory]). Im deutschsprachigen Raum sind Hax ([Entscheidungen]) und Laux/ Liermann ([Grundlagen]) zu nennen. • Der entscheidungsprozessorientierte Ansatz orientiert sich eher an der deskriptiven Entscheidungstheorie und will die tatsächlich im Unternehmen ablaufenden Entscheidungsprozesse beschreiben. Als wichtigste Vertreter dieses Zweiges sind zu nennen: der Nobelpreisträger Simon mit seinem Konzept der „bounded rationality“ ([Behavior]) und Cyert/ March ([Theory]). Die zentralen Quellen für die folgenden Ausführung sind: H. A. Simon: Entscheidungsverhalten in Organisationen, erstmals 1945, R. M. Cyert und J. G. March: Eine verhaltenswissenschaftliche Theorie der Unternehmung, erstmals 1963, und H. Laux und F. Liermann: Grundlagen der Organisation, 6. A. 2005. <?page no="140"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 115 7.2 Organisationsbegriff und Metapher Der entscheidungstheoretische Ansatz kennt drei verschiedene Organisationsbegriffe: den institutionellen, den instrumentellen und den prozessorientierten Organisationsbegriff. (1) Im entscheidungstheoretischen Ansatz wird zunächst ein institutioneller Organisationsbegriff vertreten. Die moderne Unternehmung ist eine große, komplexe Organisation, in welcher laufend Entscheidungen getroffen werden (vgl. Cyert/ March [Theorie] 1). Für Cyert und March ist es ein wichtiger Unterschied zu herkömmlichen Interpretationen der Unternehmung, dass die Unternehmung eine Organisation ist, in welcher verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Zielen, Informationen und Erwartungen in komplexen Wahlakten Entscheidungen treffen (vgl. Cyert/ March [Theorie] 11, 24). Die Organisation ist eine Koalition von Individuen (bspw. Manager, Arbeiter, Aktionäre, Lieferanten, Kunden, Behörden), die jeweils ihre eigenen Interessen in die Entscheidungen einbringen. Um mit North ([Institutionen] 5) zu sprechen, gibt es in der Organisation nicht nur Spielregeln, sondern auch Spieler. (2) Des Weiteren geht es im entscheidungstheoretischen Ansatz aber auch darum, wie die Organisation, die ein Unternehmen hat, die Entscheidungen beeinflusst. Über die Organisationsstruktur wird Autorität zugeteilt, es werden Informationsströme gelenkt, Einstellungen und Gewohnheiten geprägt, Prämissen und Erwartungen vorgegeben, Kommunikation kanalisiert. All das wirkt sich auf das Entscheidungsverhalten in der Organisation aus. Organisation als „die komplexe Struktur der Kommunikation und Beziehungen in einer Gruppe von Menschen“ (Simon [Entscheidungsverhalten] 21) muss gezielt gestaltet werden, damit sie „beim Entscheiden und Problemlösen von höchstem Nutzen“ ist (Simon [Entscheidungsverhalten] 26). Diese instrumentelle Sichtweise dominiert im entscheidungslogischen Ansatz: „Das Problem der organisatorischen Gestaltung besteht demnach im Kern darin, die Entscheidungen von Organisationsmitgliedern zielorientiert zu steuern“ (Laux/ Liermann [Grundlagen] 2). (3) Im prozessorientierten Sinn wird Organisation als Entscheidungsprozess verstanden. Für den entscheidungslogischen Ansatz bedeutet dies: Ein Organisator wählt aus verschiedenen Strukturalternativen zielorientiert die optimale aus. Die Güte einer Strukturalternative wird daran gemessen, wie ihre Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten der Organisationsmitglieder eingeschätzt werden. In der Terminologie von Laux/ Liermann ([Grundlagen] 13) führen optimale Organisationsentscheidungen zu <?page no="141"?> 116 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze guten „Objektentscheidungen“ der Organisationsmitglieder. Objektentscheidungen sind die alltäglichen unternehmerischen Entscheidungen wie Beschaffungsentscheidungen, Produktionsentscheidungen usw. Dass die Entscheidungen (auch Organisationsentscheidungen) in der Realität nicht immer in dieser Weise getroffen werden, beschreibt der entscheidungsprozessorientierte Ansatz. Der entscheidungslogische Ansatz setzt den Akzent eher auf die Instrumentalisierung der Organisation und geht im Grundsatz davon aus, dass die Organisation optimiert werden kann (vgl. auch Hax [Optimierung]). Im entscheidungsprozessorientierten Ansatz geht es schwerpunktmäßig um die Beschreibung der in der Institution „Organisation“ tatsächlich ablaufenden Entscheidungsprozesse (vgl. Cyert/ March [Theorie] 2). Der entscheidungstheoretische Ansatz betrachtet die Organisation als eine Art Gehirn (vgl. Morgan [Images] 81ff.), welches Informationen verarbeitet und Entscheidungen produziert, etwas im Gedächtnis behält und lernen kann (vgl. Cyert/ March [Theorie] 23, 37, 231). Die Organisation filtert Informationen, interpretiert, zerlegt und bündelt sie und entwickelt Verarbeitungsroutinen, um auch mit einer komplexen und unsicheren Umwelt fertig zu werden. Spezialisierung, Hierarchie, Programm, Pläne, Teambildung, all das ist darauf ausgerichtet, Entscheidungsprozesse zu ermöglichen und zu steuern. Vom entscheidungstheoretischen Ansatz her lässt sich die Organisation aber auch als politisches System begreifen (vgl. Morgan [Images] 141ff.). Wie Cyert/ March ([Theorie] 30) betonen, stoßen in jeder Organisation konfliktäre Interessen aufeinander, welche in Verhandlungen zur Geltung gebracht werden. Nach dieser Sichtweise sind die organisatorischen Maßnahmen v.a. geeignet, Interessensphären gegeneinander abzugrenzen, das Konfliktpotenzial zu senken, Zugang zu wichtigen Informationen zu eröffnen oder zu verwehren und für die einzelnen Organisationsmitglieder gute oder schlechte Verhandlungspositionen zu schaffen (Machtverteilung). Die Entscheidungen in der Organisation sind nur schwer durch Organisation gezielt zu optimieren, da die Unternehmung als Gehirn nur begrenzt rational und als politisches System den Interessenkonflikten der Beteiligten ausgesetzt ist. Während der entscheidungslogische Ansatz trotzdem an dem Ideal einer Optimierung festhält, radikalisiert ein Zweig des entscheidungsprozessorientierten Ansatzes die entgegengesetzte Sichtweise und betrachtet die Organisation als „Mülleimer“. In diesem Mülleimer treffen Probleme, Lösungen, Entscheidungsträger und Entscheidungsgelegenheiten zufällig aufeinander und werden nahezu beliebig miteinander verknüpft. Ob ein Problem überhaupt gelöst wird <?page no="142"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 117 und welche Lösung gewählt wird, hängt weit mehr von Zufälligkeiten ab als von einem rationalen Kalkül (vgl. Cyert/ March [Theorie] 232). In einem Epilog, den Cyert und March der Neuauflage ihres Werkes „A Behavioral Theory of the Firm“ im Jahre 1995 hinzufügen (vgl. [Theorie] 206ff.), vergleichen sie die Organisation schließlich auch noch mit einem „Tempel“, in welchem geheiligte Rituale ablaufen. Der Entscheidungsprozess ist ein solches Ritual, bei dem es v.a. darauf ankommt, nach außen zu symbolisieren, wie wichtig die Beteiligten sind, wie viel Einfluss sie haben und wie rational und zielorientiert sie agieren. Der rationale Entscheidungsprozess ist ein Artefakt, ein Kunstgebilde, mit dessen Hilfe den „Mülleimer-Entscheidungen“ Sinn beigelegt wird (vgl. Cyert/ March [Theorie] 234ff.). 7.3 Zentrale Aussagen 7.3.1 Entscheidungslogischer Ansatz Die wichtigsten Aussagen des entscheidungslogischen Ansatzes können anhand von Abb. 6-5 erläutert werden. Die Organisationsmitglieder entscheiden, d.h. sie wählen Handlungsalternativen zielorientiert aus. Es wird hervorgehoben, dass alle Personen in einer Organisation Entscheidungen treffen und nicht nur die Instanzen. Die meisten Entscheidungen sind sog. „Objektentscheidungen“, wie Entscheidungen über Preise, Mengen, Investitionen, Maschinenbelegung usw. Von diesen Objektentscheidungen werden „Organisationsentscheidungen“ unterschieden, welche ausschließlich von Instanzen getroffen werden. Bei den Organisationsentscheidungen geht es um die Wahl von Managementmaßnahmen mit dem Ziel, die Objektentscheidungen der nachgeordneten Mitarbeiter zu beeinflussen. Damit ist der Grundzusammenhang bereits dargestellt: Organisatoren (Instanzen) müssen die richtigen organisatorischen Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung wählen (d.h. gute Organisationsentscheidungen treffen), damit die Organisationsmitglieder gute Objektentscheidungen treffen. <?page no="143"?> 118 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung Eigenschaften des Entscheidungsträgers Umwelt des Entscheidungsträgers Metaentscheidungen Ausprägungen der Primärdeterminanten der Entscheidung gewählte Handlungsalternative Abb. 6-5: Das entscheidungslogische Grundmodell (Quelle: Laux/ Liermann [Grundlagen] 73) Dieser Grundzusammenhang wird nun genau betrachtet. Zunächst ist zu klären, wovon es abhängt, welche Objektentscheidungen die Organisationsmitglieder treffen, also welche Handlungsalternativen sie wählen. Einen direkten Einfluss auf die gewählte Alternative haben die Ausprägungen der Primärdeterminanten der Entscheidung. Zu diesen Primärdeterminanten zählen: • Das Entscheidungsmodell (EM), • die Menge der erwogenen Handlungsalternativen (A), • die möglichen Ergebnisse (E), • die Informationsstruktur des Entscheiders (IS), • die Prognosefunktion des Entscheiders (PF) und • die Zielfunktion des Entscheiders (ZF). Den Zusammenhang der Primärdeterminanten gibt Abb. 6-6 wieder. Entscheidungen werden eindeutig als rationale Wahlakte modelliert, so wie es auch in der normativen Entscheidungstheorie üblich ist. Eine „gute“ Entscheidung ist zu erwarten, wenn der Entscheider ein angemessenes Entscheidungs- <?page no="144"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 119 modell wählt, wenn er auf Basis seiner Informationsstruktur und seiner Prognosefunktion treffende Wahrscheinlichkeitsurteile über zukünftige Umweltentwicklungen abgeben kann, wenn er viele Alternativen in seine Auswahl einbezieht und wenn er bei seiner Entscheidung die Zielfunktion der Unternehmung zugrundelegt. Informations struktur Prognose funktion Entscheidungsmodell Alternativenmenge A 1 A 2 . . . A A Wahrscheinlichkeitsurteil w(S 1 ) w(S 2 ) · · · w(S S ) Ergebnisse E as Φ(A 1 ) Ф(A 2 ) . . . Ф(A A ) Zielfunktion A â (EM) (A) (E) (IS) (PF) (ZF) Informations struktur Prognose funktion Entscheidungsmodell Alternativenmenge A 1 A 2 . . . A A Wahrscheinlichkeitsurteil w(S 1 ) w(S 2 ) · · · w(S S ) Ergebnisse E as Φ(A 1 ) Ф(A 2 ) . . . Ф(A A ) Zielfunktion A â (EM) (A) (E) (IS) (PF) (ZF) Abb. 6-6: Die Primärdeterminanten der Entscheidung (Quelle: Laux/ Liermann [Grundlagen] 65) Wie die Primärdeterminanten der Entscheidung aussehen, hängt wiederum von den Sekundärdeterminanten der Entscheidung ab. Zu den Sekundärdeterminanten gehören die Eigenschaften und die Umwelt des Entscheidungsträgers: (1) Die Eigenschaften des Entscheidungsträgers äußern sich in seiner Motivation, seiner Qualifikation (Wissen und Können) und seiner Grundeinstellung zur Zukunft. Von der Motivation hängt bspw. ab, ob der Entscheider die Zielfunktion der Unternehmung verfolgt, ob er viele Alternativen untersucht, ob er sorgfältige Prognosen erstellt. Vom Wissen und Können hängt ab, ob er auch komplexere Entscheidungsmodelle anwenden kann, ob er die benötigten Informationen besitzt oder zu beschaffen weiß, ob er <?page no="145"?> 120 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Prognosetechniken beherrscht. Die Grundeinstellung zur Zukunft hat Einfluss darauf, wie die Unsicherheit der Zukunft in das Entscheidungsmodell eingeht. (2) Auch die Umwelt des Entscheidungsträgers hat Einfluss auf die Primärdeterminanten des Entscheiders. Welche Alternativen überhaupt in Erwägung gezogen werden, wird bspw. vom Handlungsspielraum des Entscheidungsträgers bestimmt. Art und Umfang der Informationen hängen von den Zugriffsmöglichkeiten auf Informationstechniken und von der allgemeinen Kommunikationskultur im Unternehmen ab. Die organisatorischen Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung zielen unmittelbar auf die Sekundärdeterminanten der Entscheidung, dadurch indirekt auf die Primärdeterminanten der Entscheidung und letztlich auf die gewählte Handlungsalternative ab. Im Grunde müsste Abb. 6-5 nach unten noch weiter fortgesetzt werden, denn ob die gewählte Handlungsalternative „gut“ ist, hängt wiederum von ihrem Einfluss auf das Unternehmensziel ab. Das Unternehmensziel kann als Sachziel formuliert werden, etwa als „Herstellung einer bestimmten Menge von Produkten“. Das Sachziel ist aber auch nicht das erste oder oberste Ziel der Unternehmung, sondern dient wiederum der Erreichung des Formalziels: „Wir gehen im folgenden davon aus, das Ziel organisatorischer Gestaltungsüberlegungen bestehe letztlich darin, den Barwert der ‚erwarteten‘ Erfolge ... (den Wert) des Unternehmens zu maximieren“ (Laux/ Liermann [Grundlagen] 15). Nachdem der Grundzusammenhang des Modells geklärt wurde, stellen sich aus dem Blickwinkel der Organisationstheorie zwei entscheidende Fragen: (1) Welche Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung stehen dem Organisator zur Verfügung? (2) Wie wirken sich diese Maßnahmen über die Qualität der Objektentscheidungen auf das Unternehmensziel aus? (1) Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung Der Katalog organisatorischer Maßnahmen wird bei Laux/ Liermann sehr weit gefasst. Zu den organisatorischen Gestaltungsmaßnahmen zählen sie sämtliche Aktivitäten einer Instanz, die dazu dienen sollen, die Entscheidungen der nachgeordneten Mitarbeiter zu steuern. Im Grunde beschäftigen sie sich also nicht nur mit Organisation, sondern mit dem Gesamtbereich der Führung. Entsprechend umfangreich ist der Katalog der Steuerungsmaßnahmen: • Eröffnung bzw. Begrenzung von Verfügungsmöglichkeiten über Ressourcen, <?page no="146"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 121 • Vorgabe von Verhaltensnormen, • Verbesserung der Information, • Verbesserung der Fähigkeiten der Entscheidungsträger über Aus- und Weiterbildung, • Verbesserung der Motivation der Entscheidungsträger über Führungsstil und Anreizsysteme. Der übliche Kanon organisatorischer Maßnahmen (z.B. Aufgabenverteilung, Entscheidungsdelegation) wird bei Laux/ Liermann als „Vorgabe von Verhaltensnormen“ verstanden. Explizite Verhaltensnormen schreiben dem Organisationsmitglied detailliert und präzise vor, wie es sich zu verhalten hat. Implizite Verhaltensnormen lassen dem Organisationsmitglied bei Vorgabe eines Ziels Handlungsspielraum bei der Wahl der Aktionen. (2) Auswirkungen auf das Unternehmensziel Ideal wäre eine exakte Zurechnung von Gewinnerwartungswerten zu einzelnen organisatorischen Maßnahmen. Dieses Ideal wird am „Delegationswertkonzept“ näher erläutert (Laux/ Liermann [Grundlagen] 214ff.). Folgende Situation wird betrachtet: Eine Instanz überlegt, ob sie eine Entscheidung selbst treffen oder an eine oder mehrere nachgeordnete Organisationsmitglieder delegieren soll. Um diese Organisationsentscheidung optimal treffen zu können, müsste die Instanz kennen: • Den Gewinnerwartungswert bei eigener Entscheidung, • den Gewinnerwartungswert bei Delegation, • die Kosten der Delegation (z.B. Erfolgsprämien für die Organisationsmitglieder, um sie zu motivieren). Dass ein solches Optimierungsmodell in der Realität „unüberschaubare Probleme“ verursacht und aufgrund seiner Komplexität unlösbar ist, wird von Laux/ Liermann zugestanden ([Grundlagen] 230ff.). Das Bewertungsproblem wird daher auch radikal vereinfacht und auf zwei Kriterien reduziert: Anforderungskompatibilität und Anreizkompatibilität. Schlicht formuliert müssen alle organisatorischen Maßnahmen danach beurteilt werden, ob die Organisationsmitglieder die übertragenen Aufgaben lösen können (Anforderungskompatibilität) und lösen wollen (Anreizkompatibiliät). Die Vorteilhaftigkeit einer Abteilungsbildung ergibt sich etwa daraus, dass innerhalb einer Abteilung die Aufgaben weniger heterogen sind, dass Kommunikation und Koordination besser funktionieren, dass der Arbeitsbereich überschaubar ist und Er- <?page no="147"?> 122 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze folge eindeutiger zugerechnet werden können. All das spricht dafür, dass eine Bündelung von Aufgaben in Abteilungen die Anforderungs- und die Anreizkompatibilität der Struktur erhöht. Im entscheidungslogischen Ansatz wird der vielstufige, komplexe Ziel-Mittel- Zusammenhang zwischen den organisatorischen Maßnahmen und ihren Auswirkungen auf das Formalziel der Unternehmungen sehr systematisch dargestellt. Es werden z.B. folgende Hypothesen aufgestellt: Abwechslungsreiche Tätigkeitsfelder beeinflussen die Motivation des Organisationsmitgliedes positiv, wodurch es gewillt ist, bessere Entscheidungen i.S. der Unternehmung zu treffen. Die guten Entscheidungen fördern über eine gute Sachzielerreichung letztlich auch den Unternehmenswert. Die Systematik der Darstellung lässt aber zugleich auch deutlich werden, wie außerordentlich schwierig sich eine exakte Zurechnung von monetären Wirkungen auf einzelne organisatorische Maßnahmen gestaltet. In der Realität haben die Organisationsentscheidungen mit einem optimierenden Kalkül nur sehr wenig Ähnlichkeit. Stattdessen werden auf der Basis einer stark vereinfachenden Abwägung von Vor- und Nachteilen einzelner Alternativen vorläufige Lösungen gewählt, die sich bewähren müssen (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 583ff.). 7.3.2 Entscheidungsprozessorientierter Ansatz Der entscheidungsprozessorientierte Ansatz wird im Folgenden im Vergleich mit dem entscheidungslogischen Ansatz charakterisiert. Wichtige Basisannahmen sind in beiden Ansätzen durchaus vergleichbar: • Es besteht für alle Organisationsmitglieder ein Handlungs- und Entscheidungsspielraum. • Wie dieser Spielraum ausgefüllt wird, hängt von den Eigenschaften der Organisationsmitglieder ab (Einstellungen, Überzeugungen, Wissen, Können, ...). • Die Organisation beeinflusst das Entscheidungsverhalten (und sollte es zielgerichtet kanalisieren). • Erwünscht sind „richtige“ (effiziente, wirksame) Entscheidungen. Zentrale Unterschiede zwischen den Ansätzen ergeben sich bei der Beschreibung der Entscheidungsprozesse in Organisationen. Der entscheidungsprozessorientierte Ansatz will die tatsächliche Entscheidungsfindung untersuchen, wie sie wirklich in der Unternehmung abläuft. Die realen Entscheidungsprozesse erweisen sich nämlich als weit weniger rational, als es das normative Modell des <?page no="148"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 123 entscheidungslogischen Ansatzes postuliert. Im Einzelnen ergeben sich folgende Unterschiede zum normativen Modell: • Zielbildung: Es gibt nicht das Organisationsziel. Stattdessen gibt es unterschiedliche persönliche Ziele der Koalitionsteilnehmer, die in einem Verhandlungsprozess mit unterschiedlichem Geschick und unterschiedlicher Macht zur Geltung gebracht werden. Das Ergebnis ist kein logisch durchgestuftes Zielsystem, sondern eine Menge unterschiedlicher, auch konfligierender Ziele, die neben- und nacheinander verfolgt werden. Unternehmensziele werden oft bewusst vage formuliert, um solche Zielkonflikte zu verdecken. • Problemanalyse: Das Entscheidungsproblem ist nicht einfach „da“, sondern muss wahrgenommen werden. Es kann zwischen den Organisationsmitgliedern durchaus umstritten sein, ob überhaupt ein Problem vorliegt, wie das Problem beschaffen und wie es zu lösen ist. • Alternativensuche: Der Alternativenraum wird nicht vollständig durchsucht. Es werden i.d.R. nur sehr wenige und keine radikal neuen Alternativen erwogen. • Ergebnisermittlung: Man interessiert sich eher für die Folgen, die kurzfristig und im eigenen Handlungsbereich zu erwarten sind, wogegen langfristige und räumlich weit reichende Folgen ausgeblendet werden. Die Ergebnisse werden aufgrund stark vereinfachter Ursache-Wirkungs-Hypothesen prognostiziert. • Ungewissheit: Die Ungewissheit der Zukunft wird häufig gar nicht in das Entscheidungsmodell einbezogen. Der Entscheidungsträger unterstellt einfach eine Entscheidungssituation bei Sicherheit. • Entscheidung: Man sucht nicht nach der optimalen Alternative. Sobald eine Alternative als zufrieden stellend angesehen wird, wird die Entscheidung getroffen. Ist eine zufrieden stellende Alternative nicht so leicht zu finden, wird einfach das Anspruchsniveau gesenkt. • Gewohnheiten/ Routinen: Ein großer Teil des Verhaltens beruht gar nicht auf bewussten Entscheidungen, sondern auf Routinen und Gewohnheiten. Wirkliche Entscheidungen sind eher selten. Viele Entscheidungen sind folglich nur begrenzt rational: • Entscheidungen sind subjektiv rational, aber objektiv falsch (Irrtum). Beispiel: Man glaubt, verstärkte Spezialisierung würde die Effizienz erhöhen; tatsächlich wird sie gesenkt, weil man das Schnittstellenproblem nicht bedacht hat. <?page no="149"?> 124 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze • Entscheidungen sind persönlich rational, aber organisational falsch (Eigennutz). Beispiel: Der Leiter der Vertriebsabteilung spart Kosten durch schlecht ausgebildetes Personal und billige Speditionen. Er erhält dafür eine Kostensparprämie. In der Folge häufen sich Kommissionierungsfehler und Lieferterminüberschreitungen. Die Kunden sind unzufrieden und der Gewinn sinkt. • Entscheidungen sind lokal rational, aber in größerem Zusammenhang falsch (Identifikation mit Teilbereichen). Beispiel: Der Leiter einer Sparte beantragt Mittel zur Modernisierung der Maschinen und verbessert damit das Ergebnis seiner Sparte. Diese Mittel hätten aber in der Forschung und Entwicklung zu höheren Gewinnzuwächsen geführt. • Entscheidungen sind kurzfristig rational, aber langfristig falsch (begrenzte Voraussicht). Beispiel: Bestimmte Leistungen werden aus dem Unternehmen ausgelagert und von externen Lieferanten bezogen (Outsourcing). Dies führt kurzfristig zu Kosteneinsparungen aber langfristig zu großer Lieferantenmacht und einem Verlust von Kompetenzen. Wie rational die Entscheidungen ausfallen, hängt auch von der Organisation ab. Ähnlich wie beim entscheidungslogischen Ansatz ist der Katalog organisatorischer Maßnahmen beim entscheidungsprozessorientierten Ansatz breit gefächert: Arbeitsteilung, Standardisierung von Verfahren, die Schaffung eines Autoritäts- und Beeinflussungssystems, der Aufbau von Informations- und Kommunikationskanälen, Schulung von Wissen und Fähigkeiten von Organisationsmitgliedern und Maßnahmen zur Verbesserung der Loyalität und Identifikation mit dem Unternehmen gehören dazu (vgl. Simon [Entscheidungsverhalten] 134f.). Die Auswahl der organisatorischen Maßnahmen sollte zweckmäßig und zielorientiert erfolgen. Solche Organisationsentscheidungen werden aber genauso begrenzt rational getroffen wie die Objektentscheidungen. Die Ziele der Gestaltung sind unklar und widersprüchlich, Alternativen werden nicht wahrgenommen, die Folgen lassen sich nur sehr schwer abschätzen, Informationen werden subjektiv interpretiert, persönliche Interessen (z.B. Machtzuwachs) spielen eine wichtige Rolle. Bestenfalls kann man auf der Basis der Abwägung von Vor- und Nachteilen bestimmter organisatorischer Gestaltungen vermuten, welche Maßnahmen das Verhalten in der gewünschten Art und Weise kanalisieren. Eine Verbesserung der Organisationsstruktur erfolgt über Lernprozesse. Auch die begrenzt rationale Entscheidung, wie sie von Simon beschrieben wird, folgt noch der entscheidungslogischen Vorstellung, dass bewusst zwischen Alternativen gewählt wird. Von Cyert/ March wird diese Entscheidungslogik <?page no="150"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 125 radikal in Frage gestellt. Organisatorische Regeln und Normen bilden sich aus ihrer Sicht eher durch die unbewusste Befolgung von beruflichen Standards, kulturellen Normen und gewachsenen Traditionen als durch bewusste Entscheidungsakte (vgl. [Theorie] 226ff.). 7.4 Menschenbild Das Menschenbild des entscheidungstheoretischen Ansatzes ist von folgenden Grundannahmen geprägt: • Die Menschen haben persönliche Interessen. Sie verfolgen in der Organisation auch eigene Ziele und verhalten sich dabei u.U. auch unmoralisch. • Die Menschen sind begrenzt rational. Sie können nur begrenzt Informationen aufnehmen, speichern, verarbeiten und übermitteln. Sie sind jedoch lernfähig. • Die Menschen sind individuell verschieden in ihrer Begabung, ihrem Wissen, Können und ihrer Motivation (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 25f.; Simon [Entscheidungsverhalten] 115ff.; Cyert/ March [Theorie] 29ff.). Während diese Grundannahmen von allen entscheidungstheoretischen Ansätzen geteilt werden, gibt es Unterschiede im Detail: Im entscheidungslogischen Ansatz wird vorausgesetzt, dass die Menschen sich grundsätzlich nutzenmaximierend verhalten. Es wird zwar offen gelassen, wie dieser Nutzen für den Einzelnen aussieht; im Menschenbild von Laux/ Liermann dominiert aber die Vorstellung, dass • die Menschen im Allgemeinen sich vor der Arbeit drücken wollen; • die Menschen im Allgemeinen ihr persönliches Einkommen maximieren wollen; • die Menschen im Allgemeinen risikoscheu sind (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 115). Die Vorstellung der Nutzenmaximierung passt eigentlich nicht konsistent zur Vorstellung der begrenzten Rationalität. Wenn der Einzelne seinen persönlichen Nutzen maximieren will, muss er bspw. ein genaues Kalkül aufstellen, in welchem er sein „Arbeitsleid“ gegen den verminderten Gewinnerwartungswert bei geringerem Arbeitseinsatz aufrechnet, wobei er auch noch die Reaktion der anderen Organisationsmitglieder zu berücksichtigen hat (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 112). Dies erfordert umfassendes Wissen und ein Höchstmaß an <?page no="151"?> 126 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze kognitiven Fähigkeiten. Der Mensch im entscheidungslogischen Ansatz ähnelt letztlich sehr dem homo oeconomicus. Der entscheidungsprozessorientierte Ansatz nimmt die Grenzen der Rationalität (bounded rationality) ernster. Die Menschen verfolgen zwar persönliche Interessen, sind aber keine Maximierer, sondern Satisfizierer, geben sich also mit Lösungen zufrieden, die „gut genug“ sind (vgl. Simon [Entscheidungsverhalten] 31). Oft haben sie gar keine konsistente und stabile Präferenzordnung, sondern verfolgen unterschiedliche Ziele gleichzeitig oder nacheinander. Um sich zu entlasten, handeln sie vielfach gewohnheitsmäßig, ohne explizite Zielorientierung. Es wird sogar bezweifelt, ob menschliches Verhalten überhaupt sinnvoll als eine Reihe von „Wahlakten“ gesehen werden kann. Aus der Sicht der Entscheidungstheorie verhalten sich Menschen häufig nämlich geradezu irrational: Sie ignorieren entscheidungsrelevante Informationen, sie entscheiden sich für Alternativen, die sie dann gar nicht wollen, sie nehmen am Entscheidungsprozess teil, obwohl sie das Entscheidungsergebnis überhaupt nicht interessiert. Von Cyert/ March (vgl. [Theorie] 234f.) wird dieses Verhalten so gedeutet, dass es nicht um die Entscheidungen geht, sondern um die damit verbundenen Rituale, Mythen und Symbole. Die Beteiligten suchen einen Rahmen, um ihre Wichtigkeit, ihre Position und ihre Kompetenz zu zeigen. Die Ergebnisse sind weniger wichtig als der Prozess selbst: „Das unverwechselbar Menschliche ist nicht Wahlverhalten, sondern Interpretation“ (March [Entscheidungsprozesse] 16). Das Menschenbild des entscheidungstheoretischen Ansatzes ist also in Bezug auf die Grenzen der Rationalität uneinheitlich. Im entscheidungslogischen Ansatz ähnelt der Mensch dem vollkommen rationalen homo oeconomicus. Bei Simon beabsichtigt der Mensch rational zu entscheiden, er verfügt aber über zu wenig Informationen (vgl. [Entscheidungsverhalten] 29f.). Für March ist fraglich, ob Menschen überhaupt versuchen, rational zu wählen. Er betont, dass sehr viele Handlungen intuitiv, gewohnheitsmäßig, nach einfachen Faustregeln und ritualisiert ablaufen (vgl. z.B. [Torheit]). 7.5 Methoden Die beiden Teilansätze des entscheidungstheoretischen Ansatzes unterscheiden sich deutlich in ihrer Zielsetzung und Methodik. Der entscheidungslogische Ansatz ist primär gestaltend-normativ ausgerichtet. Es geht also darum, Vorschläge zu entwickeln, wie in und über Organisationen entschieden werden soll. Wie in der Realität tatsächlich entschieden wird, bleibt weitgehend offen. <?page no="152"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 127 Als Vertreter des entscheidungsprozessorientierten Ansatzes formulieren dagegen Cyert/ March ([Theorie] 2) programmatisch: „Wir legen besonderen Wert auf die Untersuchung konkreter Entscheidungsprozesse.“ Das tatsächliche Entscheidungsverhalten soll so genau wie möglich reproduziert werden. Die pragmatische Verwendbarkeit der Ergebnisse beurteilen die Forscher sehr skeptisch. Die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Ansätze haben Konsequenzen für die Methode der Untersuchung: Im entscheidungslogischen Ansatz kommt v.a. die Modellanalyse zur Anwendung. Ein prägnantes Beispiel stellt das Delegationswertkonzept dar (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 217ff.). Es wird zunächst eine bestimmte Situation modelliert, indem verschiedene Prämissen gesetzt werden (z.B. die Instanz verfolgt das Ziel der Gewinnmaximierung, sie kennt den Gewinnerwartungswert bei eigener Entscheidung, sie kann den Gewinnerwartungswert bei Delegation der Entscheidung abschätzen, sie kennt die Delegationskosten usw.). Sind diese Bedingungen erfüllt, kann daraus logisch abgeleitet werden, ob es aus Sicht der Unternehmung vorteilhaft ist, eine Entscheidung an andere Organisationsmitglieder zu delegieren oder nicht. Optimale Organisationsentscheidungen können „errechnet“ werden. Da Organisationsentscheidungen in der Realität weitaus komplexer sind, als in diesem Modell unterstellt wird, sind die Modellanalysen allerdings für die Praxis nicht verwertbar. Aus dieser Erkenntnis entwickeln Laux/ Liermann ein stark vereinfachtes Strukturierungskalkül. Zur Bewertung der Strukturalternativen werden die „Hilfskriterien“ der Anforderungskompatibilität und der Anreizkompatibiliät herangezogen. Jede Alternative ist danach zu beurteilen, wie sie diese Kriterien erfüllt. Die Prognose der alternativen Wirkungen ist allerdings nur eine globale Tendenzaussage, die weit entfernt von einer exakten Zurechnung von Erfolgsströmen ist (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 237ff.). Im entscheidungsprozessorientierten Ansatz von Cyert/ March steht die empirische Forschung im Vordergrund. Aus detaillierten Fallstudien bestimmter Entscheidungsprozesse in bestimmten Unternehmen (Entscheidungen über Preise und Produktionsmengen) sollen induktiv verallgemeinernde Schlussfolgerungen gezogen werden. Man sucht nach Antworten auf Fragen der Art: Wie entstehen Ziele in Organisationen und wie verändern sie sich? Wie und wann sucht und verarbeitet eine Organisation Informationen? Wie werden in einer Organisation Alternativen ausgewählt und bewertet? Wie bilden sich in der Organisation Erwartungen aus? Wie gehen Organisationen mit der Ungewissheit um? Als Forschungsmethoden kommen Interviews, Beobachtungen und Dokumentenanalysen zum Einsatz. Zum Problem der Informationsverarbeitung in Organisationen wurden zudem auch Experimente mit Studenten durch- <?page no="153"?> 128 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze geführt (vgl. Cyert/ March [Theorie] 53ff., 56ff.). Aus diesen Fallstudien und Experimenten wurde bspw. gefolgert, dass bei Entscheidungen in Organisationen konfliktäre Ziele aufeinander stoßen, Informationen verzerrt werden, nur sehr wenige Alternativen zur Debatte stehen, Unsicherheit ignoriert wird, unrealistische Erwartungen gehegt und nicht optimale, sondern befriedigende Lösungen angestrebt werden. Die induktive Verallgemeinerung aus empirischen Daten wird bei Cyert/ March ergänzt durch konzeptionelle Überlegungen und abstrakte Modelle. Deutlich wird dies bei der Entwicklung eines allgemein gültigen Ablaufmodells für organisationale Entscheidungen. Dieses Modell wird weniger aus empirischen Daten abgeleitet, als vielmehr gedanklich konstruiert und dann anhand einer Fallstudie geprüft (vgl. [Theorie] 154, 168). Simon beruft sich bei seinen Ausführungen auf sein introspektives Wissen, d.h. auf das Wissen über seine eigenen Entscheidungsprozesse, seine Erfahrungen mit Entscheidungsprozessen in einer Universität, eigene Fallstudien, empirische Studien von anderen Forschern, - Gedanken, Ideen und den gesunden Menschenverstand. Sein Wissenschaftsziel ist sowohl deskriptiv als auch pragmatisch. Sein Buch ist für „Organisationsbeobachter und für Organisationsgestalter“ geschrieben (Simon [Entscheidungsverhalten] 14). Allerdings sieht er ein gravierendes Problem für die Generierung organisationstheoretischer Aussagen in der Tatsache, dass der Organisationsforscher es mit „bewussten Menschen“ zu tun hat, deren Verhalten durch Wissen, Gedächtnis und Erwartungen beeinflusst und verändert wird (vgl. [Entscheidungsverhalten] 268). 7.6 Aktuelle Bedeutung (1) Konfliktmanagement in Organisationen Eine zentrale Erkenntnis des entscheidungstheoretischen Ansatzes liegt in der Feststellung konfligierender Interessen in der Organisation. Die Vorstellung eines Zielkonfliktes in der Organisation ist dabei nicht neu. Schon bei Taylor wurde bspw. unterstellt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer entgegengesetzte Interessen verfolgen. Dies ist aber der einzige potenzielle Konflikt, und er ist relativ leicht zu lösen. Übereinstimmung mit den Zielen der Organisation wird durch die Zahlung von hohen Leistungsprämien an die Arbeiter erkauft (vgl. <?page no="154"?> Der entscheidungstheoretische Ansatz · 129 Taylor [Grundsätze] 8). Für Cyert/ March ([Theorie] 29ff.) ist zum Ersten das Ausmaß potenzieller Konflikte viel größer. Interessengegensätze sind möglich u.a. zwischen Aktionären, Managern, Arbeitern, Lieferanten, Kunden und staatlichen Institutionen. Zum Zweiten sind die Konflikte durch die „klassische Methode“ der Ausgleichszahlungen nicht immer lösbar. Nach Cyert/ March ist vielmehr typisch, dass es in Organisationen dauerhaft ungelöste Konflikte gibt. Die Organisation wird zum politischen System, in welchem wechselseitig voneinander abhängige Spieler ihre jeweiligen Interessen durchsetzen wollen. Die Organisation verfügt über verschiedene Möglichkeiten des Konfliktmanagements: • Lokale Rationalität: Verschiedene Subeinheiten der Organisation verfolgen unterschiedliche Ziele mit unterschiedlicher Intensität. Sie reduzieren das komplexe Entscheidungsproblem auf ein handhabbares Teilproblem und blenden die restlichen Probleme aus. In der Folge sind jedoch weitere Maßnahmen nötig, damit die lokal rationalen Entscheidungen auch miteinander verträglich sind. Diese Übereinstimmung wird erreicht durch: • Akzeptanzniveau-Entscheidungsregeln: Jede lokale Entscheidung muss bestimmten Mindestanforderungen genügen, die sich aus anderen lokalen Entscheidungen ergeben. Damit wird kein Gesamtoptimum, aber eine akzeptable Lösung erreicht. Die Abstimmung zwischen den lokalen Entscheidungen wird erleichtert durch den • Organizational slack: Darunter versteht man Ressourcenüberschüsse, die potenzielle Inkonsistenzen in den lokalen Entscheidungen absorbieren können. Eine mangelnde Abstimmung zwischen Produktion und Absatz kann bspw. durch den Aufbau von Fertigwarenlagern überdeckt werden. Eine weitere Möglichkeit der Quasi-Lösung von Zielkonflikten ist die • Sequenzielle Beachtung von Zielen: Das Unternehmen konzentriert sich mal auf das eine und dann auf das andere Ziel. Beispielsweise steht zu einem Zeitpunkt die Kosteneinsparung im Vordergrund, zu einem anderen Zeitpunkt die Kundenzufriedenheit. Wie im Rahmen der Strukturgestaltung Konflikte verhindert oder zumindest begrenzt werden können, wird in einer Veröffentlichung von Jost ([Konfliktmanagement]) thematisiert. Er bezieht sich dabei ausdrücklich auf den entscheidungsorientierten Ansatz der Organisationstheorie: „Durch die Gestaltung der Interaktionen sowie die Steuerung des Verhaltens der organisatorischen Einheiten zielt das Konfliktmanagement auf eine mittelbare bzw. unmittelbare Beeinflussung der Entscheidungen der organisatorischen Einheiten, um so die <?page no="155"?> 130 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Erreichung des Organisationsziels zu gewährleisten.“ (Jost [Konfliktmanagement] 37). (2) Organisationales Lernen Der entscheidungsprozessorientierte Ansatz betont sehr stark die begrenzte Rationalität der Menschen. Ihre begrenzte Informationsverarbeitungskapazität verhindert, dass komplexe Entscheidungen „aus einem Guss“ optimal getroffen werden. Das Handicap des begrenzten Wissens und Könnens wird allerdings gemildert durch die Lernfähigkeit der Menschen. Sie können ihr Verhalten aufgrund von Erfahrung revidieren und anpassen und sich so im Verlaufe eines Versuchs-Irrtums-Prozesses einer guten Lösung annähern. Solche Lern- und Anpassungsprozesse können auch auf der aggregierten Ebene der Organisation beobachtet werden. „Organisationen lernen“ heißt es bei Cyert/ March ([Theorie] 164) dezidiert. Sie konzentrieren sich auf Lernprozesse im Hinblick auf drei verschiedene Phasen des Entscheidungsprozesses (vgl. [Theorie] 165ff.): Anpassung von Zielen: Je nach der Erfahrung mit der Zielerreichung wird das Anspruchsniveau gehoben oder gesenkt. Anpassung von Beobachtungsregeln: Je nach der Erfahrung mit der Beobachtung und der Bewertung der Umwelt wird die Aufmerksamkeit im Laufe der Zeit auf andere Umweltbereiche und andere Indikatoren zu deren Beschreibung fokussiert. Anpassung von Suchregeln: Je nach der Erfahrung mit den verwendeten Such- und Entscheidungsregeln werden diese beibehalten oder verändert. Mit dem Thema „organisationales Lernen“ hat sich besonders Argyris beschäftigt (vgl. z.B. [Learning]). Sein Credo lautet: „... organizational learning is a competence that all organizations should develop“ ([Learning] 1). Schwerpunktmäßig untersucht er die Lernhindernisse und -barrieren, die das Lernen in und von Organisationen erschweren. Darauf aufbauend werden Vorschläge zur Verbesserung der organisationalen Lernfähigkeit entwickelt. Der Managementbestseller von Peter Senge (The Fifth Discipline, 1993) bescherte dem Thema „organisationales Lernen“ einen Boom, der bis heute anhält. Aus der Sicht des situativen Ansatzes kann das Interesse an diesem Thema damit erklärt werden, dass in vielen Organisationen in immer rascherer Folge immer komplexere Entscheidungen getroffen werden müssen. Wie der Strukturtyp einer „lernenden Organisation“ aussehen könnte, wird später noch explizit thematisiert (vgl. S. 420ff.). <?page no="156"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 131 8 Der institutionenökonomische Ansatz Vertreter Quellen Metapher Property-Rights-Ansatz: A. A. Alchian H. Demsetz E. G. Furubotn S. Pejovich A. A. Alchian: Some Economics of Property, 1961 H. Demsetz: Towards a Theory of Property Rights, 1967 Transaktionskosten-Ansatz: R. H. Coase O. E. Williamson R. H. Coase: The Nature of the Firm, 1937 O. E. Williamson: Markets and Hierarchies, 1983 Principal-Agent-Ansatz: S. Ross M. C. Jensen W. H. Meckling M. C. Jensen und W. H. Meckling: Theory of the Firm, 1976 J. W. Pratt und R. J. Zeckhauser (Hrsg.): Principals and Agents, 1985 Die Organisation wird als Netzwerk von (relationalen) Verträgen verstanden. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist • eine Verfügungsrechtsstruktur. • ein alternatives institutionelles Engagement zum Markt. • eine Institution, in welcher Prinzipale Aufgaben an Agenten delegieren. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll • Verfügungsrechte anreizoptimal verteilen. • Für die effiziente Abwicklung von (spezifischen) Transaktionen sorgen. • Die Agenturkosten für die Prinzipale minimieren. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch • rationale Wahl der anreizoptimalen Lösung. • (rationale) Wahl der transaktionskostenminimalen Lösung. • Rationale Wahl der agenturkostenminimalen Lösung. <?page no="157"?> 132 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Property-Rights-Ansatz: Der Mensch ist Nutzenmaximierer und Opportunist. Er ist begrenzt rational. • Gestaltung der Unternehmensverfassung Transaktionskosten- Ansatz: Der Mensch ist begrenzt rational und opportunistisch. Der Eigennutz wird durch das Gefühl moralischer Verpflichtung gedämpft. • Entscheidung über Grenzen der Unternehmung • Gestaltung von Kooperationen Principal-Agent-Ansatz: Der Mensch ist ein (unbegrenzt) rationaler Nutzenmaximierer. Als Arbeitnehmer ist er v.a. unmotiviert und bequem. Induktion; Modellanalyse; Empirische Forschung durch Fallstudien; Typenbildung • Entscheidungen über Delegation/ Dezentralisation • Motivation der Organisationsmitglieder 8.1 Vertreter und wichtige Quellen Das Gedankengebäude, das heute als „Neue Institutionenökonomik“ (NIÖ) bezeichnet wird, war zunächst nichts weiter als der Versuch, den Anwendungsbereich der neoklassischen Mikroökonomik zu erweitern. Einige realitätsferne Prämissen der neoklassischen Modellwelt wurden aufgegeben, ohne dass ein koordiniertes Bemühen um eine neue Lehre dahinter stand (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 1ff.). Daher ist der institutionenökonomische oder mikroökonomische Ansatz der Organisationstheorie auch in sich heterogen. Der institutionenökonomische Ansatz besteht aus drei Teilansätzen: (1) Der Property-Rights-Ansatz (auch Theorie der Verfügungsrechte genannt) (2) Der Transaktionskosten-Ansatz (3) Der Principal-Agent-Ansatz (auch Agenturtheorie oder Agency-Theorie genannt) <?page no="158"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 133 Gemeinsam ist allen Ansätzen, dass sie die neoklassische Vorstellung der völlig reibungslosen und kostenlosen Interaktion zwischen den ökonomischen Akteuren aufgeben. Die effiziente Ressourcennutzung und die Übertragung arbeitsteilig erstellter Produkte oder Dienstleistungen über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg (= Transaktion; vgl. Williamson [Institutionen] 1) gelingen in der Realität nicht so friktionslos und automatisch, wie es in der ökonomischen Modellwelt vorausgesetzt wird. Ursächlich für die Probleme ist die „menschliche Natur“, zu deren wesentlichen Merkmalen Opportunismus (List, Betrug, Lüge usw.) und begrenzte Rationalität gehören. Erst diese Verhaltensannahmen lassen es überhaupt notwendig werden, dass man sich - über das Wirken des Preismechanismus hinaus - Gedanken macht über eine Regelung und Steuerung ökonomischer Interaktionen. Mit der Erfassung und Erklärung von Phänomenen solcher geregelter Kooperation befasst sich die Theorie der Institutionen (vgl. Gukenbiehl [Institution] 142). Eine Institution ist ein System von formalen und informellen Regeln (Normen) einschließlich ihrer Garantieinstrumente, welches den Zweck verfolgt, individuelles Verhalten auf ein bestimmtes Zielbündel auszurichten (vgl. Richter [Institutionenökonomik] 325). Eine Ökonomik, die realistische menschliche Verhaltensweisen nicht ignoriert, muss sich mit Fragen der Verhaltenssteuerung und demnach mit Institutionen beschäftigen. „Kernaussage der Neuen Institutionenökonomik ist der Satz, dass Institutionen für den Wirtschaftsprozess von Bedeutung sind“ (Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 1). Insoweit sich verschiedene Institutionen in ihren Wirkungen und Kosten unterscheiden, sollten zudem effizientere Institutionen weniger effizienten vorgezogen werden. Das heißt, es wird nicht nur in Institutionen (choice within rules), sondern auch über Institutionen ökonomisch entschieden (choice of rules) (vgl. Abb. 6-7). Um diesen gemeinsamen Kern der Institutionenökonomik herum haben sich die oben genannten drei Teilansätze entwickelt: (1) Als Begründer des Transaktionskosten-Ansatzes gilt Coase, der 1937 in seinem Werk „The Nature of the Firm“ auf die Kosten der Marktbenutzung (marketing costs) hinwies und daraus die Entstehung der Institution „Unternehmung“ ableitete. Ausgebaut und bekannt gemacht wurde der Transaktionskosten-Ansatz v.a. durch Williamson. Seine Publikation hat den programmatischen Titel „Markets and Hierarchies“, 1983. O.E. Williamson erhielt im Jahre 2009 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. <?page no="159"?> 134 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze (2) Häufig genannte Quellen zur Theorie der Verfügungsrechte sind u.a. Alchian ([Property]), Demsetz ([Property]), Alchian/ Demsetz ([Organization]) und Furubotn/ Pejovich ([Economics]). (3) Aus der Fülle der Veröffentlichungen zum Principal-Agent-Ansatz seien genannt: Ross ([Agency]), Jensen/ Meckling ([Theory]), Fama ([Agency]), Pratt/ Zeckhauser ([Principals]) und Laux ([Principal]). Rationales Individuum Austauschverhalten Effizienz Kosten “ choice of rules“ wählt Institution reguliert Kriterien für die Wahl beeinflussen führt zu “ choice within rules“ führt zu Abb. 6-7: Ökonomische Institutionenanalyse (in Anlehnung an Ebers/ Gotsch [Theorien] 248) Ein zentrales englischsprachiges Lehrbuch zur Institutionenökonomik ist das von Paul Milgrom und John Roberts (vgl. [Organization]). Arnold Picot, Helmut Dietl und Egon Franck legten das erste deutschsprachige Organisationslehrbuch vor, welches sich explizit auf die Institutionenökonomik bezieht (vgl. [Organisation]). Einen zusammenfassenden Überblick über alle drei Teilansätze bieten Richter und Furubotn (vgl. [Institutionenökonomik]) und Göbel (vgl. [Institutionen- <?page no="160"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 135 ökonomik]). Eine Einführung in die Betriebswirtschaftslehre aus institutionenökonomischer Sicht hat Werner Neus vorgelegt (vgl. [Einführung]). 8.2 Organisationsbegriff und Metapher Wie der Begriff der Institutionenökonomik bereits nahe legt, dominiert in der NIÖ eine institutionelle Betrachtung der Organisation. Eine Unternehmung ist eine Organisation i.S. einer besonderen Art von Institution. Warum diese Art der Institution überhaupt entstanden ist und unter welchen Bedingungen sie anderen Institutionen (v.a. dem Markt) überlegen ist, gehört zu den Fragen, mit denen sich die NIÖ beschäftigt. Die Institutionenökonomik steckt damit den Rahmen für die Gegenstände einer Organisationstheorie viel weiter ab als die bisher behandelten Ansätze. Im weitesten Sinne geht es um die Organisation ökonomischer Tätigkeit in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, also z.B. auch um Fragen der Wirtschaftsordnung. Eine tragende Rolle in der Regelung ökonomischer Tätigkeit spielen nach den Vorstellungen der NIÖ Vertragsverhandlungen und Verträge (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 155). Die Organisation „Unternehmung“ wird daher auch als „Netzwerk relationaler Verträge zwischen Einzelpersonen“ charakterisiert (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 295). Was das Vertragsnetzwerk „Unternehmung“ auszeichnet, wird unterschiedlich charakterisiert: (1) Von Vertretern des Property-Rights-Ansatzes werden als typische Merkmale der Unternehmung herausgestellt, dass • es einen Eigentümerunternehmer gibt, der die anderen Mitarbeiter kontrolliert und überwacht und dafür das Recht erhält, das Residualeinkommen (den Gewinn) einzubehalten, • eine arbeitsteilige Zusammenarbeit mehrerer Personen zur Erledigung einer Aufgabe vorteilhaft ist. Eine Unternehmung ist eine bestimmte vertraglich geregelte Verfügungsrechtsstruktur. Dagegen streiten die Vertreter des Property-Rights- Ansatzes ab, dass es in Unternehmen irgendeine Art von langfristiger Bindung der Beteiligten oder von Autorität gebe (vgl. Alchian/ Demsetz [Organization] 777). Betont wird die Ähnlichkeit der Institutionen „Markt“ und „Unternehmung“. (2) Für den Transaktionskosten-Ansatz ist ein Unternehmen insbesondere durch hierarchische und langfristige Beziehungen gekennzeichnet, in <?page no="161"?> 136 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze deren Verlauf sich vielseitige informelle Bindungen entwickeln. Betont wird der Unterschied zwischen den klassischen Verträgen der Markttransaktionen und den „relationalen Verträgen“ in Unternehmen (vgl. Williamson [Institutionen] 77ff). Das institutionelle Arrangement „Unternehmung“ hat durchaus Ähnlichkeit mit einem Herrschaftsinstrument i. S. Max Webers (vgl. S. 58f.). (3) Property-Rights-Ansatz und Transaktionskosten-Ansatz interessieren sich für die institutionellen Rahmenbedingungen ökonomischer Tätigkeit, für ihre Entstehung und ihre Vor- und Nachteile. Im Principal-Agent- Ansatz wird dagegen i. Allg. bereits vorausgesetzt, dass es Institutionen wie Markt, Unternehmen, Privateigentum und Vertragsfreiheit gibt. Im Rahmen dieser Institutionen treffen jeweils Auftraggeber (Prinzipal) und Auftragnehmer (Agent) aufeinander, die angesichts beschränkten Wissens und Opportunismus das Problem haben, einen fairen bilateralen Austausch von Leistung und Gegenleistung zu erreichen. Dieses Problem tritt auch innerhalb der Unternehmung auf und muss v.a. durch ausgeklügelte Verträge gelöst werden. Die Organisationsstruktur gewinnt in diesem Zusammenhang wieder eher eine instrumentale Bedeutung. Die Organisationsstruktur, die ein Unternehmen hat, kann Agenturprobleme erzeugen (v.a. durch Delegation) und eindämmen (v.a. durch die Vorgabe von Verhaltensnormen und die Kontrolle). Die Organisation ist ein Verhaltenssteuerungsinstrument in der Hand des Prinzipals neben anderen Instrumenten, wie z.B. dem Lohnsystem. Durch die unterschiedlichen Analyseebenen der verschiedenen Teilansätze der NIÖ wird der Organisationsbegriff uneinheitlich. Die Marktwirtschaft mit Privateigentum ist eine gesamtwirtschaftliche Organisationsform (Wirtschaftsordnung). Innerhalb dieses institutionellen Umfeldes gibt es die Unternehmung als einzelwirtschaftliche Organisationsform (institutionelles Arrangement). Und innerhalb der „Unternehmung“ gibt es die Organisation als Herrschafts- und Disziplinierungsinstrument (verbunden mit Begriffen wie Hierarchie, Anordnung, Beherrschung, Überwachung). 8.3 Zentrale Aussagen 8.3.1 Der Property-Rights-Ansatz 8.3.1.1 Verfügungsrechte Der Property-Rights-Ansatz beschäftigt sich mit der Verfügungsrechtsstruktur einer Gesellschaft. Es geht dabei in erster Linie um die absoluten Verfügungs- <?page no="162"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 137 rechte, d.h. um die Frage: „Wem gehört was“ (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 79). In einer Welt mit eingeschränkten Informationen und selbstsüchtigen Individuen wird die Frage nach dem Eigentum an Sachen deshalb virulent, weil vom Eigentum starke Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten ausgehen. Es ist eine zentrale Prämisse des Verfügungsrechtsansatzes, dass die Menschen mit solchen Ressourcen effizienter umgehen, die ihnen selbst gehören (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 81). Eigentum kann genauer bestimmt werden als ein Bündel von vier Verfügungsrechten: • Recht auf Gebrauch (usus), • Recht auf Aneignung der Erträge (usus fructus), • Recht auf Veränderung der Substanz (abusus) und • Recht auf Übertragung auf andere. 8.3.1.2 Anreizwirkungen Unter dem Aspekt der Anreizwirkungen sollten alle Dinge idealerweise in irgendjemandes Eigentum stehen (Universalität der Verfügungsrechte), sie sollten ausschließlich vom Eigentümer genutzt werden (Ausschließlichkeit) und jederzeit veräußerbar sein (Übertragbarkeit). Dann wäre eine effiziente Nutzung aller Ressourcen garantiert, trotz eingeschränkten Wissens und Egoismus (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 85). Tatsächlich kann dieser Idealzustand nie erreicht werden. Zum einen lassen sich nicht alle Dinge als Eigentum von irgendjemand spezifizieren (z.B. Luft, Wasser im Meer). Zum anderen lassen sich andere Nutzer nicht immer ausschließen (z.B. free rider). Auch wenn die Spezifizierung der Rechte und der Ausschluss anderer Nutzer grundsätzlich möglich wären, können evtl. die hohen Kosten die Eigentümer davon abhalten, ihre Rechte durchzusetzen. Und schließlich sind die Eigentumsrechte häufig „verdünnt“. Gesetze können bspw. einem Hausbesitzer verbieten, sein denkmalgeschütztes Heim beliebig umzubauen oder einem Mieter von heute auf morgen zu kündigen. Eigentümer können auch freiwillig auf einen Teil ihrer Verfügungsrechte verzichten. Es ist in der modernen Wirtschaft gang und gäbe, dass ein Eigentümer bspw. das Recht zur Nutzung einer Sache vermietet oder verpachtet oder dass er ein Darlehen gibt. In Arbeitsverträgen „vermieten“ die Arbeitnehmer in gewisser Weise ihr Humankapital und verzichten dabei auf einen Teil ihres Selbstbestimmungsrechtes. Offensichtlich bringt es auch ökonomische Vorteile mit sich, Verfügungsrechte aufzuteilen. <?page no="163"?> 138 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Unter diesen Bedingungen schwer durchsetzbarer und/ oder verdünnter Verfügungsrechte kommt es zu Anreizproblemen. Die Verfügungsrechtstheorie versucht nachzuweisen, dass sich die Verfügungsrechtsstruktur in ganz bestimmter, prognostizierbarer Weise auf die Allokation und Nutzung von Ressourcen auswirkt. Beispielsweise ist folgendes Verhalten zu erwarten: Wer Land nur pachtet, beutet es stärker aus, weil er an der langfristigen Substanzerhaltung weniger interessiert ist als ein Eigentümer, der an den Verkaufswert denkt. Wer mit seiner Arbeitskraft Produkte herstellt, von deren Verkauf er nicht unmittelbar profitiert, strengt sich nicht so an, wie jemand, dem die Früchte seiner Arbeit in voller Höhe zufallen. Solchen Erwartungen liegt die Basishypothese zugrunde, dass jeder Akteur seinen Nettonutzen maximiert und zwar sowohl innerhalb gegebener Verfügungsrechtsstrukturen als auch bei der Gestaltung der Verfügungsrechtsstrukturen selbst. Weil sich die Wirkungen einer Verfügungsrechtsstruktur also abschätzen lassen, kann man auch mehr oder weniger effiziente Verfügungsrechtsstrukturen unterscheiden. Uns interessiert hier besonders die einzelwirtschaftliche Organisation. Alchian/ Demsetz ([Organization] 782) plädieren bspw. für die Organisationsform der Eigentümerunternehmung (the classical firm). Ihre Argumentation verläuft so: • Wenn es vorteilhaft ist, dass mehrere Personen gemeinsam eine Leistung erbringen, • wobei sich allerdings die Inputs der Individuen nicht genau messen lassen, • tritt das Problem der Drückebergerei (shirking) auf, • welches durch einen „Aufseher“ gelöst werden soll. • Damit der Aufseher sich nicht auch „drückt“, erhält er das „Residualeinkommen“ aus der gemeinsamen Leistung („net earnings of the team, net of payments to other inputs“). Alchian/ Demsetz legen großen Wert darauf festzustellen, dass der Eigentümerunternehmer lediglich ein zentraler Vertragspartner in dem Vertragsnetzwerk „Unternehmung“ ist und dass er nicht als Vorgesetzter mit Autorität und Macht verstanden werden darf. Sie leugnen auch, dass die Langfristigkeit von Verträgen typisch für ein Unternehmen ist. Das Verhältnis zwischen dem Eigentümerunternehmer und seinen Angestellten unterscheidet sich für sie nicht im Geringsten vom Verhältnis zwischen irgendeinem Kaufmann und seinem Kunden: „It (the firm) has no power of fiat, no authority, no disciplinary actions any different in the slightest degree from ordinary market contracting between any two people“ ([Organization] 777). So wie jemand täglich neu überlegt, bei welchem Bäcker er seine Brötchen kauft, müssen sich Arbeitgeber und <?page no="164"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 139 Arbeitnehmer täglich neu entscheiden, ob der Leistungsaustausch für beide Seiten zufrieden stellend verläuft. Und in beiden Fällen haben die Vertragspartner bei Unzufriedenheit lediglich die Option, den Vertragspartner zu „feuern“ oder zu verklagen (fire or sue; vgl. Alchian/ Demsetz [Organization] 777). Das System „Unternehmung“ steht quasi täglich zur Disposition. Diese sehr pointierte These wird nicht in Reinform durchgehalten. Es wird zugestanden, dass sich in Unternehmen auch Teamgeist und Loyalität entwickeln, die ebenfalls disziplinierend wirken (vgl. Alchian/ Demsetz [Organization] 790f.). Betont wird jedoch die große Ähnlichkeit zwischen den Transaktionen am Markt und in Unternehmen. Die Verfügungsrechtstheorie hat die Aufmerksamkeit auf die Verhaltenswirkungen bestimmter Verfügungsrechtsstrukturen in Unternehmen gelenkt. Damit leistet sie einen wichtigen Diskussionsbeitrag für die Gestaltung der Unternehmensverfassung. Die von Alchian/ Demsetz vorgeschlagene Lösung einer zentralen Eigentümerkontrolle ist aber nicht in allen Fällen anwendbar. Vor allem in großen Unternehmen wird der Eigentümer auch Aufsichtsaufgaben delegieren, wobei sich erneut das Problem stellt „Who will monitor the monitor? “ (Alchian/ Demsetz [Organization] 782). Der Principal-Agent-Ansatz beschäftigt sich ausführlich mit diesen Problemen (vgl. zur Unternehmensverfassung auch S. 153ff.). 8.3.2 Der Transaktionskosten-Ansatz 8.3.2.1 Transaktionskosten Der Transaktionskosten-Ansatz beschäftigt sich mit den Kosten, die entstehen, wenn ein Gut oder eine Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird (vgl. Williamson [Institutionen] 1). Die Übertragung macht einen expliziten oder impliziten Vertrag notwendig, in welchem die Überbertragungsmodalitäten geregelt werden. Dabei entstehen • Ex-ante-Transaktionskosten wie Kosten für die Suche nach passenden Vertragspartnern, Kosten der Verhandlung und Vereinbarung, sowie • Ex-post-Transaktionskosten wie Kontroll- und Anpassungskosten (vgl. Williamson [Institutionen] 22 ff). Der Zusammenhang mit der Verfügungsrechtstheorie ist so zu verstehen, dass sich bei unterschiedlichen Verfügungsrechtsstrukturen auch die Qualität der zu überwindenden Schnittstellen ändert. Wenn die Herstellung eines Gutes Vorleistungen erfordert, so lassen sich diese bspw. von eigenen Maschinen und <?page no="165"?> 140 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze eigenen Arbeitskräften im eigenen Unternehmen herstellen oder von einem Lieferanten beziehen, der dann die entsprechenden Ressourcen besitzt. Das heißt, die Transaktion kann über den Markt oder im Unternehmen erfolgen, wobei jeweils unterschiedliche Transaktionskosten anfallen. 8.3.2.2 Die Institution „Unternehmung“ Während Alchian/ Demsetz die prinzipielle Ähnlichkeit von Transaktionen am Markt und in Unternehmen betonen und lediglich die Produktionskostenvorteile von Unternehmen hervorheben, stellt Williamson gerade die Unterschiede zwischen diesen beiden „institutionellen Arrangements“ heraus. Typisch für die Institution „Unternehmung“ (bei Williamson oft mit Hierarchie und Bürokratie gleichgesetzt) sind langfristige und unvollständige Verträge, in denen der Arbeitnehmer sich verpflichtet, den jeweils situativ durch den Vorgesetzten erteilten Anweisungen Folge zu leisten. Beide Seiten haben ein Interesse an der Fortsetzung der Beziehung, weil es Erfahrungskurveneffekte gibt. Konflikte werden nicht nur durch Kündigung oder Gerichtsverfahren gelöst, sondern durch unternehmensinterne Konfliktlösungsmechanismen. Alle Beteiligten kennen sich besser und können leichter miteinander kommunizieren als mit externen Marktpartnern. Die Langfristigkeit der Beziehungen mit der Möglichkeit eines Aufstieges im Unternehmen lässt es dem Mitarbeiter attraktiv erscheinen, in sein Humankapital zu investieren. Es entsteht eine Atmosphäre der Loyalität und Kooperationsbereitschaft (vgl. Williamson [Markets] 67ff.). Typisch für eine Markttransaktion ist dagegen, dass anonyme Partner einen einzelnen, isolierten Tausch vornehmen, wobei sie einen mehr oder weniger förmlichen, kurzfristigen und vollständigen Vertrag schließen. Aus dem Vertrag evtl. entstehende Konflikte werden gerichtlich gelöst. Die Tauschpartner haben kein persönliches Interesse aneinander. Sie können jederzeit auf gleichwertige Alternativen ausweichen (vgl. Williamson [Institutionen] 78). Zwischen den Formen des reinen Markttausches und der reinen hierarchischen Transaktion gibt es noch Zwischenformen, etwa langfristige Lieferverträge und Kooperationen zwischen Unternehmen. 8.3.2.3 Markt oder Hierarchie Die entscheidende Frage des Transaktionskosten-Ansatzes lautet: Ist die marktliche oder die hierarchische Koordination empfehlenswerter? <?page no="166"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 141 Gewählt werden sollte dasjenige institutionelle Arrangement, welches im ordinalen Vergleich die kleinere Summe aus Produktions- und Transaktionskosten aufweist (vgl. Williamson [Institutionen] 25). Nun ist aber keines der Arrangements absolut vorteilhaft. Es kommt vielmehr auf die Art der Transaktion an, ob die Hierarchie oder der Markt oder eine Zwischenform das beste Überwachungs- und Beherrschungssystem ist. Die wichtigsten Transaktionsmerkmale sind: • Die Faktorspezifität, • die Unsicherheit und • die Häufigkeit der Transaktion. (1) Faktorspezifität meint, dass die Güter und Leistungen, die in der Transaktion übertragen werden, einmalig oder doch zumindest nur unvollkommen standardisiert sind. Spezialmaschinen und spezialisierte Arbeitskräfte sind z.B. solche spezifischen Faktoren, für die nicht ohne weiteres Ersatz gefunden werden kann. Eine solche Spezialisierung der Faktoren kann die Produktionskosten senken. Sie führt aber auch zum sog. „lock-in“-Effekt (Williamson [Institutionen] 61), d.h. zu einer restriktiven Bindung der Transaktionspartner. Faktorspezifität entwickelt sich häufig im Laufe der Zeit von selbst. Auch wenn ein Lieferant ein Standardprodukt anbietet, arbeitet man doch immer wieder mit dem gleichen Lieferanten zusammen, weil das wachsende Vertrauen und die Lerneffekte die Transaktion erleichtern. Das nennt Williamson die „fundamentale Transformation“ ([Institutionen] 70ff.). (2) Unsicherheit tritt in den Formen der zustands- und der verhaltensbedingten Unsicherheit auf. Bei Vertragsabschluss weiß man weder genau, wie sich die Umweltsituation entwickeln wird noch, wie sich die Vertragspartner verhalten werden. Bei Standardtransaktionen entsteht aus der Unsicherheit kein allzu großes Problem, weil man den Vertragspartner leicht wechseln kann. Aber in Wechselwirkung mit der Faktorspezifität, die die Vertragspartner längerfristig aneinander bindet, ist Unsicherheit ein wichtiger, die Transaktionskosten erhöhender Faktor. (3) Die Häufigkeit der Transaktion ist ebenfalls v.a. in Verbindung mit der Spezifität entscheidungsrelevant. Häufige Standardtransaktionen weisen keine besonderen Probleme auf. Bei Transaktionen mit spezifischen Faktoren ist das Transaktionsvolumen dagegen wichtig, um zu entscheiden, ob sich ein spezialisiertes Beherrschungs- und Überwachungssystem lohnt. <?page no="167"?> 142 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Dass sich die Transaktionskosten bei Spezifität und Unsicherheit der Transaktion erhöhen, ist nur plausibel in Verbindung mit zwei zentralen Verhaltensannahmen des Transaktionskosten-Ansatzes, nämlich der begrenzten Rationalität und dem Opportunismus. Begrenzte Rationalität bedeutet, dass die Vertragspartner zwar durchaus intendieren, rational zu handeln, dass sie aber nicht alle Informationen wahrnehmen und verarbeiten können, die für ein Maximierungskalkül notwendig wären. Unter Opportunismus versteht Williamson die Verfolgung des Eigeninteresses auch unter Zuhilfenahme von List und Täuschung (vgl. [Institutionen] 54). Trifft nun Faktorspezifität mit Opportunismus zusammen, kann damit gerechnet werden, dass die Vertragspartner den „lock-in“-Effekt ausnutzen wollen. Beispiel: Wenn ein Automobilzulieferer sich ganz auf die Belieferung eines bestimmten Automobilherstellers spezialisiert, den Standort für die Produktion in dessen Nähe wählt, Spezialmaschinen anschafft, dann kann er nicht mehr ohne weiteres auf andere Tauschpartner ausweichen. Der Automobilhersteller könnte diese Abhängigkeit auszunutzen versuchen, indem er bspw. die Preise drückt. Diese Unsicherheit über das mögliche Verhalten des Partners in Verbindung mit Unsicherheiten über zukünftige Umweltentwicklungen ist wiederum problematisch wegen der begrenzten Rationalität, die es verhindert, dass man sich gegen alle Eventualitäten in einem komplexen Vertrag absichert. Aber nicht nur die Faktorspezifität begünstigt opportunistisches Verhalten. Auch die Unsicherheit, insbesondere die ungleiche Verteilung von Informationen ruft in Verbindung mit dem Opportunismus Probleme hervor. Williamson bezeichnet diesen Problembereich als „information impactedness“ (vgl. [Markets] 31ff.). Dieses mit „Informationsverkeilung“ übersetzte Problem (vgl. Williamson [Institutionen] 58) ist zentraler Gegenstand des Principal-Agent- Ansatzes. Wenn eine Vertragspartei bessere Informationen hat hinsichtlich relevanter Transaktionsfaktoren, kann sie dies zu ihren Gunsten ausnützen. Betrifft der Informationsvorsprung transaktionsspezifisches Know-how, entsteht zugleich wieder Faktorspezifität. Diese Zusammenhänge werden von Williamson in einem „Organizational Failures Framework“ abgebildet (vgl. Abb. 6-8). Je nach Ausprägung der Transaktionsmerkmale sind also mehr oder weniger große Transaktionsprobleme zu erwarten, welche zu ihrer Bewältigung unterschiedliche institutionelle Arrangements (Beherrschungs- und Überwachungssysteme) erforderlich machen. Die größte Bedeutung hat die Faktorspezifität. Je spezifischer die übertragenen Güter und Dienstleistungen sind, desto sinnvoller ist es, die Schnittstelle in das Unternehmen zu verlegen und so die Vertragspartner einer einheitlichen Kontrolle zu unterstellen. <?page no="168"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 143 beschränkte Rationalität Unsicherheit/ Komplexität Opportunismus Spezifität Informationsverkeilung Transaktionsatmosphäre und Transaktionshäufigkeit Verhaltensannahmen Umweltfaktoren beschränkte Rationalität Unsicherheit/ Komplexität Opportunismus Spezifität Informationsverkeilung Transaktionsatmosphäre und Transaktionshäufigkeit Verhaltensannahmen Umweltfaktoren Abb. 6-8: Organizational Failures Framework (Quelle: Williamson [Markets] 40) Wachsende Unsicherheit verstärkt die Tendenz zur Hierarchie. Dies kann folgendermaßen begründet werden: Bei Unsicherheit können Verträge nur unvollständig formuliert werden. Sind die Faktoren zudem hoch spezifisch, müssen sich die aneinander gebundenen Partner immer wieder neu einigen, wobei die Gefahr des Opportunismus ständig virulent ist. In dieser Situation stellt die Hierarchie ein gutes institutionelles Arrangement dar. Als Vorteile der Hierarchie gelten: • Die Transaktionspartner kennen sich besser, so dass eine Informationsverkeilung weniger wahrscheinlich ist. • Die Kommunikation ist einfacher, weil es einen einheitlichen „Code“ gibt. • Die Gefahr des Opportunismus wird gedämpft, zum einen durch eine bessere Kontrolle, zum anderen durch eine moralische Selbstverpflichtung der Organisationsmitglieder. Unter Kollegen gilt eher ein Kodex der Loyalität und Hilfsbereitschaft als unter anonymen Marktpartnern. Es stellt sich eine Atmosphäre des Vertrauens und der Verlässlichkeit ein (vgl. Williamson [Markets] 29ff., 35ff., 38f.). • Schließlich kann sich die Hierarchie gut an wechselnde Bedingungen anpassen, weil die Arbeitsverträge i.d.R. sehr offen sind. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich in erster Linie, den situativ spezifischen Anweisungen Folge zu leisten. Anpassung erfolgt schlicht durch Anordnung (vgl. Williamson <?page no="169"?> 144 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze [Institutionen] 86). Eine solche Anordnungsbefugnis ist auch ein sehr effizienter Mechanismus zur Beilegung von Konflikten (vgl. Williamson [Markets] 30). Die Hierarchie (auch als Bürokratie bezeichnet) hat aber auch Nachteile: • Zunächst sind die Kosten für einen solchen spezifischen Beherrschungs- und Überwachungsapparat zu bedenken. Die Einrichtung lohnt sich nur, wenn die Transaktion auch häufig genug stattfindet. • Weiterhin kann die eigentlich erwünschte Kollegialität in Unternehmungen auch zum Vertuschen von Fehlern führen und zu wechselseitigen Gefälligkeiten, die nicht im Interesse des Unternehmens sind. • Vor allem aber entstehen im Unternehmen leicht Anreizprobleme. Insbesondere in größeren Unternehmen mit verdünnten Verfügungsrechten werden sich die Organisationsmitglieder nicht im gleichen Maße anstrengen wie ein Eigentümer (vgl. Williamson [Institutionen] 169 ff). Einen Überblick über die Zuordnung von Beherrschungs- und Überwachungssystemen zu Transaktionsmerkmalen gibt Abb. 6-9. gemischt dreiseitige Kontrolle (neoklassischer Vertrag) zweiseitige Kontrolle vereinheitlichte Kontrolle (Kooperation) hochspezifisch nichtspezifisch Marktkontrolle (klassischer Vertrag) wiederholt gelegentlich Investitionsmerkmale Häufigkeit gemischt dreiseitige Kontrolle (neoklassischer Vertrag) zweiseitige Kontrolle vereinheitlichte Kontrolle (Kooperation) hochspezifisch nichtspezifisch Marktkontrolle (klassischer Vertrag) wiederholt gelegentlich Investitionsmerkmale Häufigkeit Abb. 6-9: Effiziente Überwachung und Beherrschung (Quelle: Williamson [Institutionen] 89) Transaktionen werden nach dem Merkmal „Spezifität“ in die drei Klassen „nichtspezifisch“, „gemischt“ und „hochspezifisch“ unterteilt. Für das Transaktionsmerkmal „Häufigkeit“ werden die beiden Klassen „gelegentlich“ und <?page no="170"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 145 „wiederholt“ gebildet. Die Marktkontrolle funktioniert bei allen nichtspezifischen Transaktionen, egal wie häufig sie stattfinden. Werden die Transaktionen spezifischer, dann reicht der klassische Vertrag nicht mehr aus zur Absicherung der Vertragspartner. Bei nur gelegentlichen gemischten oder hochspezifischen Transaktionen wäre es aber auch zu aufwändig, eine Kooperation einzugehen. Man behilft sich damit, für den Fall eines Streites ein Schiedsgerichtsverfahren zu vereinbaren. Weil der „Schiedsrichter“ (z.B. ein unabhängiger Experte) als Dritter neben die Vertragsparteien tritt, spricht man auch von einer dreiseitigen Kontrolle. Finden die gemischten Transaktionen wiederholt statt, ist es sinnvoll, über eine engere Kooperation zwischen den Vertragspartnern nachzudenken. Die Kooperationspartner bleiben aber rechtlich selbständig, so dass von einer zweiseitigen Kontrolle gesprochen werden kann. Den Vertragspartner vollständig unter die eigene Kontrolle zu bringen, also vertikal zu integrieren, ist nur angebracht bei wiederholten, hochspezifischen Transaktionen. Der Markttausch wird in diesem Fall durch die vereinheitlichte Kontrolle in einer Hierarchie ersetzt. Die wichtigste praktische Anwendung des Transaktionskosten-Ansatzes liegt in der Bestimmung der Unternehmensgrenzen. Mit der Auswahl des passenden institutionellen Arrangements für die verschiedenen Arten von Transaktionen werden zugleich diese Grenzen festgelegt. Vgl. zur Bestimmung der Unternehmensgrenzen auch S. 155f. 8.3.3 Der Principal-Agent-Ansatz 8.3.3.1 Verhältnis von Prinzipal und Agent Der Principal-Agent-Ansatz (auch Agency-Theorie genannt) richtet sein Augenmerk auf den bilateralen Vertrag zwischen einem Prinzipal (Auftraggeber) und einem Agenten (Auftragnehmer). Principal-Agent-Beziehungen treten in allen Institutionen auf: Auf dem Markt zwischen Käufern und Verkäufern genauso wie in Unternehmen zwischen den Aktionären und dem Top Management, aber auch zwischen den Managern und den anderen Mitarbeitern sowie in Kooperationen zwischen den Partnern (vgl. Abb. 6-10). Das Basisproblem ist immer das gleiche: Sobald eine Person (Prinzipal) eine andere Person (Agent) beauftragt, kann sie nicht sicher sein, dass diese andere Person völlig in ihrem Sinne handelt. Dieses Problem entsteht, • weil der Agent einen Informationsvorsprung vor dem Prinzipal hat. Der Agent kann seine Fähigkeiten und seine Absichten besser beurteilen, er <?page no="171"?> 146 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze kennt sich besser aus in der Bearbeitung einer Aufgabe, und er weiß, wie sehr er sich angestrengt hat. • weil der Agent Nutzenmaximierer und Opportunist ist. Bei Zieldivergenzen zwischen Prinzipal und Agent wird der Agent versuchen, seinen Informationsvorsprung zu Lasten des Prinzipals auszunutzen. Prinzipal Agent Problem Aktionär Manager Geschäftsführung im Sinne der Aktionäre Käufer Verkäufer Faire Gegenleistung für den Kaufpreis Arbeitgeber Arbeitnehmer Faire Gegenleistung für den Lohn Vermieter Mieter Sorgfältiger Umgang mit der Mietsache, Mietzahlung Versicherer Versicherter Offenlegung von Versicherungsrisiken Abb. 6-10: Beispiele für Principal-Agent-Beziehungen (Quelle: Göbel [Institutionenökonomik] 99) Die aus diesen Prämissen zu erwartenden Agenturprobleme werden häufig in bestimmte Typen unterteilt (vgl. Breid [Aussagefähigkeit]): (1) Bevor man einen Vertrag eingeht, weiß man nicht, welche Eigenschaften der Vertragspartner hat. Dieser Typ von Informationsasymmetrie wird „hidden characteristics“ genannt; die daraus resultierende Gefahr ist die der falschen Auswahl des Agenten (adverse selection) (vgl. Abb. 6-11). Problemtyp Entstehungszeitpunkt Problem Hidden characteristics Vor Vertragsschluss Adverse Selection Hidden action Nach Vertragsschluss Shirking, consumption on the job Hidden information Nach Vertragsschluss Eigennützige Entscheidungen, z.B. zur Erzielung von „fringe benefits“ Hidden intention Vor/ nach Vertragsschluss Adverse selection/ Hold up Abb. 6-11: Überblick über typische Agencyprobleme (Quelle: Göbel [Institutionenökonomik] 100) <?page no="172"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 147 (2) Nach Vertragsschluss können zwei Typen von Informationsasymmetrien auftreten: (a) Der Agent ist im Besitz von Informationen, die für die Wohlfahrt des Prinzipals eine Rolle spielen und die in die Entscheidungen des Agenten einfließen. Da der Prinzipal die Informationen selbst nicht hat, kann er nicht beurteilen, ob der Agent sie in seinem Sinne genutzt hat (hidden information). Der Agent wählt bspw. eine Investitionsalternative, die i.S. des Prinzipals nicht optimal ist. (b) Der zweite, am häufigsten betrachtete Typ von Informationsasymmetrie, ist jener der „hidden action“. Damit ist das Problem angesprochen, dass der Prinzipal das Aktivitätsniveau des Agenten nicht ohne weiteres beobachten kann. Die Unternehmensleitung weiß bspw. nicht, ob ein Manager sich genügend anstrengt, um die relevanten Informationen für eine Investitionsentscheidung zu beschaffen. Aus diesen beiden Typen von Informationsasymmetrien folgt das Problem des „moral hazard“ (moralisches Risiko). Es kann im Einzelnen verschiedene Formen annehmen: Der Agent wählt bspw. eine Alternative in Abhängigkeit davon, ob sie ihm einen persönlichen Nutzen verschafft wie Status und Macht (fringe benefits). Oder er benutzt Ressourcen des Prinzipals für private Zwecke (consumption on the job). Am häufigsten wird das moralische Risiko des „shirking“, d.h. der Drückebergerei, erörtert. (3) Manchmal wird noch ein weiterer Typ von Informationsasymmetrie unterschieden, „hidden intention“ genannt. Es geht darum, dass dem Prinzipal die Absichten des Agenten verborgen bleiben (z.B. ob er sich fair verhalten will). Die Trennung zwischen verborgenen Eigenschaften (hidden characteristics) und verborgenen Absichten (hidden intention) ist allerdings nicht sehr einleuchtend. Verhaltensmerkmale wie Kulanz, Fairness, Ehrlichkeit usw. könnten durchaus auch unter die Eigenschaften des Agenten subsumiert werden. Das aus der „hidden intention“ abgeleitete Problem des „hold up“ (Überfall) ist eigentlich kein Problem aus asymmetrischer Informationsverteilung, sondern eines, das sich aus der gegenseitigen Bindung der Vertragspartner ergibt. Auch wenn der Prinzipal weiß, dass der Agent nicht in seinem Sinne handelt, kann er den Agenten nicht einfach wechseln, bspw. weil „Faktorspezifität“ besteht. Der Agent kann den Prinzipal ungestraft „ausrauben“. Dies ist das Problem, welches der Transaktionskosten-Ansatz in den Mittelpunkt stellt. Im Principal-Agent-Ansatz hat es keine besondere Beachtung gefunden (vgl. Breid [Aussagefähigkeit] 825). <?page no="173"?> 148 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 8.3.3.2 Lösung des Agenturproblems Ein Hauptanliegen des Principal-Agent-Ansatzes ist es, aus Sicht des Prinzipals Lösungsansätze für die Agenturprobleme zu entwickeln. Die Möglichkeiten, den Agenten zu disziplinieren, können in drei Bereiche unterteilt werden: • Markt • Normen • Anreizsysteme (1) Der Markt ist in einer Wettbewerbswirtschaft eigentlich das Kontroll- und Anreizsystem schlechthin. Manager sind bspw. Teilnehmer am Arbeitsmarkt und haben insofern Interesse daran, sich einen guten Ruf, eine Reputation, aufzubauen, um vorteilhafte Arbeitsverträge abschließen zu können. Diese Reputation hängt wiederum davon ab, ob ihre Aktivitäten vom Produktmarkt und Kapitalmarkt positiv bewertet werden. Insofern hat jeder Manager als Agent der Unternehmenseigentümer ein gewisses Selbstinteresse, sich i.S. des Prinzipals anzustrengen. Der Markt ist allerdings auch nicht in der Lage, das Verhalten des Agenten problemlos zu bewerten. Die Disziplinierung durch den Markt misslingt übrigens immer, wenn der Prinzipal nicht auf Alternativen ausweichen kann und daher an den Agenten gebunden ist. Es gibt zwar sehr viele Menschen, die an Informationen über das Verhalten der Manager interessiert sind, etwa potenzielle neue Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt oder auch die Anleger auf dem Kapitalmarkt. Sie können sich aber oft nur schwer ein genaues Bild machen, weil sie über keinerlei Insiderwissen verfügen. Es ist also auch nicht sicher, ob sie Fehlverhalten feststellen und sanktionieren können. (2) Die typische organisatorische Lösung der Agenturproblematik besteht in der Vorgabe von Normen. Der Handlungsspielraum des Agenten soll durch Vorschriften, Regeln und Anweisungen eingeschränkt werden, deren Einhaltung natürlich überwacht werden muss. Der Versuch einer direkten Überwachung des Agenten zieht häufig die Einrichtung eigener Überwachungs- und Kontrollstellen nach sich. Die Fremdkontrolle hat aber auch bei unternehmensinternen Überwachungssystemen ihre Grenzen. Der Prinzipal delegiert einen Teil der Aufgaben ja gerade deshalb, weil er das bessere Wissen und Können des Agenten ausnützen will. Dann kann er dem Agenten aber nicht zugleich jede einzelne Aktivität im Detail vorschreiben und die Informationsasymmetrie auf Null senken. (3) Eine weitere Lösung besteht darin, die Interessen von Prinzipal und Agent über die Ausgestaltung von Anreizsystemen zu harmonisieren. Indem die <?page no="174"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 149 Agenten am Erfolg ihrer Aktivitäten beteiligt werden, soll ihr Eigeninteresse mit dem Interesse des Auftraggebers deckungsgleich werden (Anreizverträglichkeit). Die Agencytheorie favorisiert diese Lösung und versucht, die ex post-Vertragsprobleme durch die geschickte Gestaltung von Anreizverträgen ex ante zu lösen. Beispiel: Der Agent wird am Unternehmensgewinn oder am Shareholder Value beteiligt. Der Agent kontrolliert sich dann quasi selbst. So bestechend diese Lösung erscheint, so schwierig ist es, perfekte Anreizsysteme zu kreieren, weil die Nutzenfunktion des Agenten - anders als in den Modellen - in der Realität nicht bekannt ist. Auch wirken häufig viele Agenten gleichzeitig auf den Erfolg ein und der Beitrag des Einzelnen ist kaum aus dem Gesamterfolg zu erschließen. Dies bedeutet wiederum einen Anreiz für den Agenten, sich als „free rider“ zu verhalten und von den Anstrengungen anderer zu profitieren. Nachteilig können sich starke Anreize auswirken, wenn der Agent mehrere verschiedene Aufgaben erledigen soll, von denen nur manche gezielt belohnt werden können. Er konzentriert sich dann ausschließlich auf die belohnten Aufgaben und vernachlässigt die anderen. Wenn bspw. ein Arbeiter nach der produzierten Stückzahl entlohnt wird, hat er einen starken Anreiz, sich bei der Fertigung zu beeilen, aber keinen Anreiz, auf die Qualität der Produkte zu achten. Die beste Lösung des Agenturproblems ist jene, die die „agency costs“ minimiert (vgl. Pratt/ Zeckhauser [Principals] 3). In Anlehnung an Jensen/ Meckling ([Theory]) werden drei Arten von solchen Agenturkosten unterschieden: (1) Monitoring Costs: Das sind alle Kosten, die dem Prinzipal dadurch entstehen, dass er den Agenten disziplinieren muss. Dazu gehören Überwachungskosten genauso wie etwa Prämien, die als Anreiz für gute Leistungen zugesagt werden. (2) Bonding Costs: Das sind jene Kosten, die dem Agenten entstehen, weil er dem Prinzipal seine Vertrauenswürdigkeit zeigen will. Ein Verkäufer gibt bspw. eine Garantie auf das Produkt oder ein Angestellter verpflichtet sich, regelmäßig Kontrollberichte abzuliefern. Da der Prinzipal diese Leistungen honoriert, trägt er letztlich auch die Bonding Costs. (3) Residual Loss: Er ergibt sich aus der Differenz zwischen der Leistung des Agenten und der i.S. des Prinzipals bestmöglichen Leistung. In dieser Größe drückt sich die Güte der Agentenleistung aus. Zwischen Monitoring und Bonding Costs und dem Residual Loss ist ein Trade-off zu vermuten, d.h. eine Verbesserung der Agenturleistung (der Residual Loss nimmt also <?page no="175"?> 150 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze ab) muss mit verstärkten Aufwendungen seitens des Prinzipals erkauft werden. Eine Operationalisierung der Agenturkosten ist schwierig. Vor allem der Residual Loss wird sich kaum feststellen lassen, weil der Prinzipal die bestmögliche Leistung ja in aller Regel nicht kennt. Er hat die Aufgabe schließlich einem Agenten übertragen, weil dieser bessere aufgabenrelevante Fähigkeiten und Kenntnisse hat als der Prinzipal. Eine rechnerische Optimierung der Problemlösung gelingt immer nur bei sehr restriktiven Modellprämissen, die mit der Realität wenig zu tun haben. Im Vergleich zum Transaktionskosten-Ansatz setzt der Principal-Agent-Ansatz nicht so stark auf die „hierarchische“ Lösungsmöglichkeit des Opportunismusproblems. Bei Jensen/ Meckling wird sogar die Existenz der Unternehmung i.S. einer Organisation geleugnet. Sie ist eine „legale Fiktion“ (legal fiction; vgl. [Theory] 311) ohne angebbare Grenzen, die völlig in einzelne Vertragsbeziehungen disaggregiert werden kann. Auch wenn man diese radikale Sichtweise sicher nicht allen Vertretern der Agenturtheorie zuschreiben kann, ist doch eine deutliche Tendenz festzustellen, die Möglichkeiten „bürokratischer“ Kontrolle gering zu schätzen und mehr auf die monetären Anreizsysteme zu setzen. Für die Strukturgestaltung kann der Principal-Agent-Ansatz in der Weise Anregungen liefern, als man fragen kann, welche Struktur mehr oder weniger Agenturprobleme hervorruft. Insbesondere Fragen von Zentralisierung und Dezentralisierung könnten agenturtheoretisch behandelt werden. Zur Zentralisierung und Dezentralisierung vgl. auch S. 156f. 8.4 Menschenbild Alle drei institutionenökonomischen Teilansätze unterstellen dem Menschen stark eigennütziges Verhalten, welches auch vor List und Täuschung nicht zurückschreckt. Menschen sind - so wird behauptet - im Allgemeinen Opportunisten, die lügen, stehlen, betrügen, verbergen, verschleiern, vorsätzlich irreführen usw., um ihren Nutzen zu mehren (vgl. Williamson [Institutionen] 54). Diese Basisannahme führt zu typischen Verhaltenserwartungen. Ein Pächter wird versuchen, den gepachteten Boden weitgehend auszubeuten, ein Arbeiter wird so viel wie möglich faulenzen, wenn er nicht kontrolliert wird. Abhängigkeit vom Vertragspartner wird schamlos ausgenutzt, um sich die Quasi-Rente anzueignen. Um solche Verhaltenserwartungen formulieren zu können, muss die allgemeine Vorstellung der Nutzenmaximierung allerdings inhaltlich präzisiert werden. So <?page no="176"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 151 unterstellt der Principal-Agent-Ansatz grundsätzlich, dass der Mensch Arbeitsleid empfindet und so wenig wie möglich arbeiten will (vgl. Breid [Aussagefähigkeit] 837). Die Annahme der Drückebergerei erinnert stark an Taylors Menschenbild, der ebenfalls davon ausging, dass der Mensch von Natur aus faul sei und daher streng überwacht werden müsse. Dieses sehr negative Menschenbild wird im Transaktionskosten-Ansatz z.T. allerdings wieder gemildert. Williamson hält es für wahrscheinlich, dass sich v.a. bei langfristigen Verträgen auch eine Art moralischer Verpflichtung („moral involvement“; vgl. [Markets] 38, 128) der gegenseitigen Rücksichtnahme entwickelt. Nicht jede Gelegenheit zur Ausbeutung des anderen wird genutzt, weil man die Atmosphäre des Vertrauens schätzt und nicht aufs Spiel setzen will. Kleinere organisatorische Einheiten, in denen man sich persönlich kennt, fördern dieses partielle Abrücken vom hemmungslosen Eigennutz. Was die Rationalität des Menschen betrifft, werden in den Teilansätzen unterschiedliche Meinungen vertreten. Der Transaktionskosten-Ansatz „bekennt sich zur begrenzten Rationalität“ (Williamson [Institutionen] 52). Die Wirtschaftssubjekte wollen zwar rational handeln, haben aber eine begrenzte Denk- und Informationsverarbeitungskapazität. Bei langfristigen und komplexen Austauschbeziehungen sind die geschlossenen Verträge daher auch sehr unvollständig und offen. Die Beziehung wird erst nach und nach genauer definiert und enthält viele informelle Elemente (vgl. Williamson [Institutionen] 80f.). Dagegen herrscht im Principal-Agent-Ansatz die Vorstellung unbegrenzter Rationalität vor (vgl. Hartmann-Wendels [Agency] 78). Im Prinzip werden isolierte Einzelverträge beliebiger Komplexität geschlossen, die alle Anreizprobleme vorwegnehmen und durch entsprechende Vertragsgestaltung lösen. Die optimale Vertragsgestaltung ist der entscheidende Schritt; die Durchsetzung der Verträge stellt dagegen kein großes Problem dar (vgl. Williamson [Institutionen] 31f.). Allerdings gibt es innerhalb der Agencytheorie wiederum unterschiedliche Zweige, die sich mehr oder weniger stark auf die Möglichkeit einer vertraglichen Anreizordnung ex ante konzentrieren. Die strikte Eigennutzenthese verbunden mit der Vorstellung vollkommener Rationalität kennzeichnet v.a. die mathematisch orientierte Principal-Agent-Theorie. Grundsätzlich ist der Agency-Ansatz aber auch geeignet, realistischere Annahmen zu treffen und bspw. „socially mediated rewards“ in längerfristigen Vertragsbeziehungen in seine Argumentationsweise zu integrieren. Gefühle moralischer Verpflichtung ergänzen das rein monetäre Kosten-Nutzen-Kalkül. Auch die begrenzten Fähigkeiten der Menschen, sehr komplexe Verträge auszuarbeiten und alle Anreizprobleme ex ante zu lösen, werden zunehmend akzeptiert. Diese Annäherung an die Rea- <?page no="177"?> 152 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze lität hält Arrow für eine wichtige Weiterentwicklung des Principal-Agent- Ansatzes (vgl. [Agency] 50). 8.5 Methoden Die in der Institutionenökonomik eingesetzten Methoden sind uneinheitlich. Ein Teil der Institutionenökonomik ist stark modellanalytisch ausgerichtet: Aus einer Vielzahl von Prämissen wird eine Modellwelt gebaut, in welcher dann logisch optimale Lösungen für institutionelle Probleme entwickelt werden können. Die formale Geschlossenheit der Modelle wird allerdings mit einer erheblichen Realitätsferne erkauft. In der mathematischen Agency-Theorie kennt ein Vorgesetzter bspw. die exakte Arbeitsleidfunktion seines Untergebenen und weiß auch genau, welchen Nutzen dieser aus „fringe benefits“ wie Status und Macht zieht. Nur unter solchen (und vielen weiteren) Annahmen ist eine mathematische Optimierung des Entlohnungssystems denkbar (vgl. bspw. Ewert [Controlling] 284ff.). Ein anderer Teil der Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostentheorie sind stärker an der Realität orientiert und damit wesentlich gehaltvoller. Man versucht, auch langfristige und komplexe Tauschbeziehungen zu erfassen, wobei die Rationalitätsannahmen schwächer sind und die Opportunismusthese durch die Berücksichtigung gefühlsmäßiger und moralischer Bindungen aufgeweicht wird. Die größere Realitätsnähe fordert den Preis weniger exakter Aussagen und Gestaltungsempfehlungen. Es können höchstens Typen gebildet und einander zugeordnet werden. Anschaulich ist die Typenbildung bei Williamson, der bei bestimmten Transaktionstypen (z.B. hochspezifisch, unsicher, häufig) bestimmte institutionelle Arrangements empfiehlt (z.B. Hierarchie). Dem Ideal der empirischen Prüfung gehaltvoller Hypothesen zu folgen, ist für die Institutionenökonomik schwierig, v.a. wegen der mangelnden Operationalisierbarkeit zentraler Größen wie Transaktionskosten und Agenturkosten. Zur Stützung der Aussagen kann allerdings beobachtet werden, ob zumindest tendenziell die von der Institutionenökonomik propagierten Lösungen auch praktisch relevant sind. Manche z.Zt. zu beobachtenden Entwicklungen scheinen dabei recht gut zur Theorie zu passen. Die zunehmende Anzahl von Kooperationen zwischen Lieferanten und Abnehmern (vertikale Netzwerke) passt in die Argumentation des Transaktionskosten-Ansatzes, der die Formen zwischen Markt und Hierarchie für besonders zukunftsträchtig hält. Andere empirische Ergebnisse lassen aber auch Zweifel an der Richtigkeit zentraler Aussagen aufkommen. So werden Manager und Mitarbeiter deutlich weniger erfolgsabhängig entlohnt, als es die Agency-Theorie nahe legt. <?page no="178"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 153 Für die Zukunft wird eine immer stärkere Abwendung der Institutionenökonomik von den alten Ideen der Neoklassik erwartet. Die Institutionenökonomik wird weniger orthodox ökonomisch und stärker soziologisch ausgerichtet sein. Konzepte wie Organisationskultur, Solidarität, Identifikation und Moral werden schon jetzt in die NIÖ einbezogen (vgl. Richter [Institutionenökonomik] 335ff.). Dies hat Folgen für die Methodik. Die Vorstellung, man könne Organisationen mathematisch optimieren, erscheint zunehmend weniger praktikabel. Stattdessen wird es darum gehen, verschiedene Institutionen qualitativ danach zu bewerten, ob sie zu „vernünftigen“ Lösungen führen (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 505f.). 8.6 Aktuelle Bedeutung (1) Unternehmensverfassung Unter einer Unternehmensverfassung (auch als Corporate Governance bezeichnet) versteht man im engeren Sinne die Gesamtheit der rechtlich institutionalisierten Rahmenregelungen für die zentralen unternehmerischen Entscheidungsprozesse. Die Unternehmensverfassung regelt grundlegend und langfristig die Macht- und Einkommensverteilung im Unternehmen. Die gesetzlichen Grundformen einer Unternehmensverfassung, wie sie im Gesellschaftsrecht festgelegt werden, können durch eigenständige Regelungen der einzelnen Unternehmen ergänzt werden. Zwei zentrale Fragen soll die Unternehmensverfassung regeln (vgl. Gerum/ Mölls [Unternehmensordnung] 227): 1. Wer soll die Zielsetzungen unternehmerischer Tätigkeiten überhaupt bestimmen (Legitimationsfrage)? 2. Wie ist die formale Entscheidungsstruktur des Unternehmens interessenkonform zu gestalten (Organisationsfrage)? Institutionenökonomisch betrachtet wäre die beste Lösung, wenn es nur Einzelunternehmer ohne Mitarbeiter gäbe. Die Verfügungsrechte sind völlig unverdünnt; der Eigentümer entscheidet und arbeitet selbst im eigenen Interesse. Innerhalb der Einzelunternehmung gibt es keinerlei Agenturprobleme. Da es aber natürlich produktionstechnisch sehr sinnvoll sein kann, Ressourcen zu poolen, arbeiten häufig mehrere Personen in einem Unternehmen zusammen. Dadurch entstehen möglicherweise innerhalb des Unternehmens Agency- Probleme, etwa in Form des „shirking“, also der Drückebergerei. Nach dem Property-Rights-Ansatz ist es in dieser Situation vorteilhaft, einen Kontrolleur (monitor) einzusetzen, der für die effiziente Ressourcennutzung sorgt. Damit dieser Kontrolleur einen Anreiz hat, seine Kontrollaufgabe gut auszuführen, <?page no="179"?> 154 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze sollten ihm die Rechte zustehen, den Gewinn zu behalten und das Unternehmen zu verkaufen (vgl. Alchian/ Demsetz [Organization]). Auf diese Weise wird die klassische Eigentümerunternehmung beschrieben: Der Eigentümer bestimmt die Ziele der Unternehmung, er richtet die Unternehmensaktivitäten selbst auf diese Ziele aus und trägt auch das Risiko. Eigentum, Geschäftsführung und Kontrolle liegen in einer Hand. Die Eigentümerkontrolle funktioniert allerdings nur in kleineren Unternehmen, in denen der Eigentümer wirklich in der Lage ist, alle Entscheidungen selbst zu treffen und die Ausführung eng zu überwachen. Nun gibt es in der Realität aber nicht nur kleine Eigentümerunternehmen, sondern viele große, von Managern geführte Unternehmen. Ihre Entstehung lässt sich u.a. durch Spezialisierungsvorteile erklären (vgl. Fama [Agency]). Es muss ja nicht unbedingt sein, dass diejenigen, die Kapital besitzen und die risikofreudig genug sind, auch diejenigen sind, die ein Unternehmen gut führen können. Es kommt daher zu einer Arbeitsteilung zwischen Kapitalgebern und Geschäftsführern. Gibt es zahlreiche Kapitalgeber, wie dies bspw. bei AGs mit vielen Kleinaktionären der Fall ist, können diese nicht alle selbst an der Entscheidungskontrolle beteiligt werden. Es kommt zu einer weiteren Spezialisierung, indem die Kontrolle auf bestimmte Personen oder Gremien delegiert wird. Eigentum, Geschäftsführung und Kontrolle sind getrennt. In der Unternehmensverfassung schlägt sich diese Trennung z.B. in den drei Organen einer AG nieder: Vorstand (Geschäftsführung), Hauptversammlung (Eigentum) und Aufsichtsrat (Kontrolle). Dass in allen Unternehmensverfassungen v.a. das Interesse der Kapitaleigner als konstituierend und schützenswert angesehen wird, hängt damit zusammen, dass den Kapitalgebern auch das größte Risiko des Eigentumsverlustes zugeschrieben wird. Während diese Auffassung beim Eigentümerunternehmen noch einleuchtet, kann man die Begründung bei großen Publikumsgesellschaften durchaus in Zweifel ziehen. Ein Arbeitnehmer, der sich an eine Unternehmung bindet und unternehmensspezifisches Humankapital bildet, ist von möglichen Misserfolgen des Unternehmens viel stärker betroffen als ein Kleinaktionär, der sein Kapital sehr leicht aus der Unternehmung abziehen kann und der von vorne herein sein Risiko streuen kann, indem er sich an vielen verschiedenen Unternehmen beteiligt (vgl. Fama [Agency] 291). Als Investor von Humankapital hat ein Arbeitnehmer durchaus auch ein Recht, die Verwendung seines „Eigentums“ mitzukontrollieren. Eine Verankerung von Mitbestimmungsrechten in der Unternehmensverfassung kann also ebenfalls institutionenökonomisch begründet werden (vgl. Richter/ Furubotn [Institutionenökonomik] 429ff., Dilger/ Frick/ Speckbacher [Mitbestimmung]). <?page no="180"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 155 (2) Die Grenzen der Unternehmung Die Suche nach den effizienten Grenzen der Unternehmung setzt zunächst einmal voraus, dass eine Unternehmung überhaupt als ein System mit identifizierbaren Grenzen verstanden wird. Von Jensen/ Meckling ([Theory] 310f.) wird dies bspw. geleugnet. Nach ihrer Meinung ist es nicht sinnvoll, Transaktionen innerhalb und außerhalb einer Unternehmung zu unterscheiden. Sie wollen damit betonen, dass es keinen Unterschied macht, ob Prinzipal und Agent am Markt tauschen oder innerhalb einer Hierarchie. Nach Ansicht von Williamson ist dagegen der Unterschied zwischen den institutionellen Arrangements „Markt“ und „Hierarchie“ sehr deutlich. Deshalb ist es nach seiner Meinung auch eine sehr wichtige Entscheidung festzulegen, welche Transaktionen am Markt und welche in der Hierarchie abzuwickeln sind. Die Grenzen des Unternehmens sind von dieser Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug (make or buy) betroffen. Wie bereits ausgeführt, entscheiden die Merkmale der Transaktion darüber, wie die Entscheidung ausfällt. Hochspezifische Faktoren (z.B. Einsatz von Spezialkräften) verbunden mit Unsicherheit und Häufigkeit sind Gründe für eine Internalisierung der Transaktion. Standardleistungen oder spezifische, aber nur selten benötigte Leistungen werden eher fremdbezogen. Da sowohl Markt als auch Hierarchie Vor- und Nachteile aufweisen, hält es Williamson für besonders interessant, sich den hybriden Formen zwischen Markt und Hierarchie zuzuwenden. Die Anreizvorteile einer Markttransaktion sollen so mit den Bindungsvorteilen der Hierarchie kombiniert werden. In Form von sog. vertikalen Kooperationen (Netzwerke) hat diese Zwischenform tatsächlich in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Je nach Ausgangssituation kann man darin eine Entwicklung hin zu „mehr Markt“, aber auch hin zu „mehr Hierarchie“ sehen. Wenn Unternehmen sich freiwillig stärker und langfristig an einen Lieferanten binden und sogar auf dessen Geschäftsführung Einfluss nehmen, ist dies mehr Hierarchie. Werden dagegen bisher unter einheitlicher Kontrolle stehende Unternehmensteile verselbständigt und zukünftig wie externe Lieferanten behandelt, ist dies mehr Markt. Aber nicht nur die vertikalen Grenzen der Unternehmung können transaktionskostentheoretisch betrachtet werden, sondern auch die horizontalen. Mit wachsender Unternehmensgröße steigen die internen Koordinationskosten, und die Anreizverluste werden deutlicher. Daher kann es sinnvoll sein, große diversifizierte Unternehmen in kleinere autonome Subsysteme zu zerlegen. Auch mit dem Property-Rights-Ansatz lässt sich für kleinere Unternehmen plädieren, weil die Einheit von Eigentum und Kontrolle dort eher gegeben ist. Die agenturtheoretische Begründung für kleine Unternehmen könnte lauten: Dort funk- <?page no="181"?> 156 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze tioniert die Marktkontrolle effizienter, weil z.B. keine Quersubventionierung zwischen Geschäftsbereichen stattfinden kann. (3) Zentralisation und Dezentralisation Die Begriffe der Zentralisation und Dezentralisation beziehen sich im engeren Sinne auf die Verteilung der Entscheidungskompetenzen im Unternehmen. Bei vollständiger Zentralisation behält sich die Unternehmensspitze sämtliche Entscheidungen vor, bei vollständiger Dezentralisation werden alle Entscheidungskompetenzen auf die unterste Hierarchieebene verteilt (vgl. Beuermann [Zentralisation] 2613). In der Praxis haben beide Extremformen keine Relevanz. Vielmehr geht es bei der Organisationsgestaltung um den richtigen Grad von Entscheidungszentralisation bzw. -dezentralisation. Bei dieser Wahl sind die Vor- und Nachteile beider Lösungen zu vergleichen. Folgendes spricht gegen eine Zentralisierung (Zentralisierungskosten): • Bei der Informationsweitergabe an die Unternehmensspitze entstehen Informationsverluste, weil die Agenten Informationen nicht offen und ehrlich weitergeben, wenn sie sich damit selbst schaden könnten. • Die untergeordneten Mitarbeiter „buhlen“ um die Gunst der Entscheidungsträger und binden damit nicht nur Ressourcen, sondern provozieren u.U. auch falsche Entscheidungen (influence costs; vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 192f.). • Die Unternehmensspitze kann überlastet und fachlich überfordert sein und daher die Agenten nur schlecht kontrollieren. • Die untergeordneten Mitarbeiter werden demotiviert. Aber auch die Dezentralisierung hat Nachteile (Dezentralisierungskosten): • Bei steigender Dezentralisierung verstärkt sich die Informationsasymmetrie zugunsten des Agenten und die Gefahr von Agenturproblemen wächst. Die Anreiz- und Kontrollkosten steigen. • Dezentrale Entscheidungen können miteinander unvereinbar sein, z.B. weil auf die gleichen knappen Ressourcen zugegriffen wird. Man kann die Entscheidung über den optimalen Dezentralisierungsgrad agenturtheoretisch fundieren. Ein Agent wird mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet, um sich dessen Wissen und Können zunutze zu machen. Handlungsspielraum und Verantwortung des Agenten steigen bei zunehmender Dezentralisierung. Der Agent ist bspw. für den Gewinn eines Geschäftsbereiches verantwortlich (Profit-Center) oder sogar für Gewinn und langfristige Investiti- <?page no="182"?> Der institutionenökonomische Ansatz · 157 onen (Investment-Center). Wachsende Autonomie erlaubt dem Agenten natürlich auch, die zunehmende Informationsasymmetrie zu seinen Gunsten auszunutzen, sodass mehr Mittel für Anreiz- und Kontrollsysteme aufzuwenden sind. Eine exakte Quantifizierung von Zentralisierungs- und Dezentralisierungskosten ist allerdings nicht möglich. Ob man eher die Vorteile oder eher die Gefahren der Dezentralisierung betont, hängt auch vom Menschenbild ab. Der Principal-Agent-Ansatz betont aufgrund seines negativen Menschenbildes v.a. die Gefahren einer Dezentralisation. Es ist aber durchaus möglich, dass das Verantwortungsgefühl und die Motivation der Mitarbeiter durch eine weit gehende Autonomie gesteigert werden. An die Stelle der Misstrauensorganisation tritt dann die Vertrauensorganisation (vgl. Probst [Organisation] 599). (4) Motivation der Organisationsmitglieder Alle drei Teilansätze der NIÖ beschäftigen sich explizit mit dem Problem der Verhaltensbeeinflussung der Wirtschaftsakteure. Es wird als zentrales ökonomisches Problem gesehen, wie Vertragspartner mit konkurrierenden Interessen zu einem fairen bilateralen Austausch kommen können, wenn sie - anders als im Modell des idealen Marktes vorausgesetzt - nicht über alle Tauschbedingungen perfekt informiert sind (Informationsasymmetrie) und wenn sie auch nicht immer auf homogene Vertragspartner ausweichen können (Spezifität). Speziell innerhalb der Unternehmung kommt es zu Vertragsproblemen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat etwa das Anliegen, den Arbeitnehmer zu ehrlicher Berichterstattung, zu Fleiß und Präzision bei der Arbeit, zu Kooperation mit den Kollegen, zu einem sorgfältigen Umgang mit den Maschinen und zur Sparsamkeit bei der Verwendung von Unternehmensressourcen zu motivieren. Der Arbeitnehmer dagegen hat aufgrund seiner verfügungsrechtlichen Position keinen „natürlichen“ Grund, sich um ein solches Verhalten zu bemühen, denn der „usus fructus“ seiner Arbeit fällt dem Arbeitgeber zu und die Reparatur defekter Maschinen oder den Ersatz verschwendeter Ressourcen muss er nicht selbst zahlen. Viele institutionenökonomische Überlegungen kreisen um das Problem, wie man die Organisationsmitglieder unter diesen Umständen zu dem erwünschten Verhalten bringen kann (etwa durch Miteigentum, Leistungslohn, Prämien, die Gestaltung eines attraktiven Arbeitsumfeldes). Wenn die Motivation der Organisationsmitglieder als wichtige Organisationsaufgabe angesehen wird, dann gehört eigentlich auch die Gestaltung der Anreizsysteme (bspw. die Wahl einer Entlohnungsform) im weiteren Sinne zu den Aufgabengebieten der Organisation. Tatsächlich beschäftigt sich das institutionenökonomisch geprägte Organisationslehrbuch von Milgrom/ Roberts <?page no="183"?> 158 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze (vgl. [Organization]) ausführlich mit verschiedenen Entgeltformen wie Stücklohn, Verkaufsprämien, Gewinnbeteiligung, Stock Options usw. Innerhalb der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre ist dagegen bisher eine Art Arbeitsteilung „vereinbart“, nach welcher Fragen des Personalentgelts der speziellen Betriebswirtschaftslehre „Personalwirtschaft“ zugewiesen sind. Diese Arbeitsteilung soll hier nicht aufgehoben werden. Die NIÖ weist aber zu Recht auf den engen Abstimmungsbedarf zwischen den Subsystemen „Anreiz- und Motivationssystem“ und „Organisationsstruktur“ hin. Einerseits kann die Organisationsstruktur selbst mehr oder weniger motivierend wirken. So hat etwa die Chance zur Selbstverwirklichung in dezentralen Strukturen eine motivierende Wirkung. Andererseits können bestimmte monetäre Anreizformen nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn die Struktur dazu die Voraussetzungen schafft. Die Entlohnung der Manager nach dem von ihnen erwirtschafteten Gewinn setzt bspw. eine Profit-Center-Struktur voraus. In Kapitel 10, S. 317ff., werden wir auf diese Zusammenhänge noch ausführlich eingehen. Hypothesen über die Motivationswirkung von Strukturen gehen im Übrigen häufig auch in die Würdigung der praktischen Organisationsmodelle ein. 9 Der evolutionstheoretische Ansatz Vertreter Quellen Metapher H. E. Aldrich B. McKelvey M. T. Hannan J. Freeman H. E. Aldrich: Organizations and Environments, 1979 B. McKelvey: Organizational Systematics, Taxonomy, Evolution, Classification, 1982 M. T. Hannan und J. Freeman: The Population Ecology of Organization, 1977 Die Organisation wird verglichen mit einem lebendigen Organismus. Unternehmen gehören wie Lebewesen zu einer Spezies und haben einen Genotyp. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist ein Organismus mit bestimmten Fähigkeiten. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll das Unternehmen vor einer externen Selektion schützen. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch Evolution (Variation, Selektion und Retention). <?page no="184"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 159 Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch ist weitgehend blind und unwissend. Er ist ein Spielball der Evolution. Induktives und hypothetischdeduktives Vorgehen; Analogiebildung; Empirische Forschung durch Regressionsanalyse, Clusteranalyse, Faktorenanalyse, Beobachtung, Fallstudien • Prozesse ungeplanten Wandels in der Unternehmung • Bedeutung der Kompetenzen für die Überlebensfähigkeit der Unternehmung • Überlegungen zu einem evolutionären Management 9.1 Vertreter und wichtige Quellen Das zentrale Thema des evolutionstheoretischen Ansatzes ist die Frage nach dem organisationalen Wandel. Wie werden Organisationen gegründet, wie verändern sie sich, warum sterben sie? In den bisher präsentierten Ansätzen dominierte die Vorstellung, dass Organisationen bewusst und planvoll von bestimmten Individuen geschaffen und verändert werden. Bei einer Änderung der situativen Bedingungen wird bspw. die Struktur zielgerichtet angepasst, um den „Fit“ zwischen Umwelt und Struktur wieder herzustellen. Der evolutionstheoretische Ansatz behauptet dagegen, dass es nicht einzelne Individuen (die Organisatoren) sind, die Organisationen gestalten. Organisationen entwickeln sich vielmehr evolutionär, indem unpassende Varianten durch die Umwelt selektiert und passende Varianten bewahrt werden (survival of the fittest). Am striktesten schließt der „Population-Ecology-Ansatz“ an die biologische Evolutionstheorie an. Der Ansatz betrachtet die Entwicklung von sog. Populationen ähnlicher Organisationen. Veränderungen der Population ergeben sich v.a. aus der Neugründung und dem Untergang ganzer Organisationen. Eine gezielte Veränderung innerhalb von Organisationen wird für sehr schwierig gehalten. Wichtige Vertreter des populationsökologischen Ansatzes sind Aldrich ([Organizations]), McKelvey ([Systematics]), McKelvey/ Aldrich ([Populations]) und Hannan/ Freeman ([Population] und [Ecology]). Innerhalb des breiten Themas „organisationale Evolution“ stellt die Populationsökologie nur einen Teilaspekt dar. In den anderen Teilansätzen geht es eher um die Evolution innerhalb von einzelnen Unternehmen, um die Evolution von Regeln, Handlungs- und Erklärungsmustern, welche die Organisationen vor einer Selektion durch die Umwelt gerade bewahren soll. Nelson und Winter ([Theory]) beschäftigen sich bspw. mit der evolutionären Entstehung von <?page no="185"?> 160 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Handlungsroutinen in Organisationen. Weick ([Prozess]) thematisiert die Evolution von Wahrnehmungs- und Erklärungsmustern. 9.2 Organisationsbegriff und Metapher Evolutionstheoretische Ansätze beschäftigen sich zunächst einmal mit dem Prozess des Organisierens. Anders als beim traditionellen prozessorientierten Organisationsbegriff wird allerdings dieser Prozess nicht als gezielte Tätigkeit eines bestimmten Organisators angesehen, sondern als größtenteils unkontrollierbare und unvorhersehbare Systementwicklung: „Managers, or other people in organizations, do not have much if any control of organizational success - they essentially generate variations, some of which are selected favorably, and a selected organizational form is an accumulation of favorably selected variations“ (McKelvey [Systematics] 448). Organisieren heißt also v.a., Variationen zu produzieren, um der Evolution Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung zu liefern. Diese Art von Organisieren wird bildlich verglichen mit der Abfahrt eines Skifahrers, der ein Rennen gewinnen will. Er muss gut trainiert sein, die Technik beherrschen und Talent haben, aber das garantiert nicht den Erfolg. Es gewinnt, wer mit vollem Risiko fährt und die Kontrolle teilweise aufgibt (vgl. McKelvey [Systematics] 448). Das Resultat des Organisierens ist die organisationale Form, die ein Unternehmen hat. Diese organisationale Form (organizational form; vgl. McKelvey [Systematics] 444f.) wird sehr weit definiert und umfasst sowohl die Organisationsstruktur als auch Technologie, Prozesse, Fähigkeiten, Verhaltensweisen usw. Sie kann auch als Bündel von Kompetenzen angesehen werden (vgl. McKelvey [Systematics] 196). Ein Unternehmen mit einer bestimmten organisationalen Form ist vergleichbar mit einem individuellen Organismus. In Anlehnung an die Biologie bezeichnet man die äußere Gestalt einer Organisation als ihren „Phänotyp“. Das Bündel von Kompetenzen, das diesen speziellen Organismus auszeichnet, ist der „Genotyp“ („The comps play the same genotypic role as the genetic material of biological organisms“; McKelvey [Systematics] 197). Der Vergleich von Organisationen mit Lebewesen wird sehr weit getrieben. Organisationen werden bspw. geboren, sie werden erwachsen, kämpfen ums Überleben, pflanzen sich fort und sterben. Die eigentliche evolutionäre Weiterentwicklung findet nach Ansicht der Populationsökologen nicht auf der Ebene einzelner Organisationen statt, sondern auf der Ebene von Populationen. Eine Population entspricht in etwa dem, was im <?page no="186"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 161 Tierreich als „Spezies“ bezeichnet wird. Tiere einer Spezies sind äußerlich sehr ähnlich (Phänotyp), verfügen über sehr ähnliche erbliche Informationen (Genotyp) und kreuzen sich. Sie teilen einen gemeinsamen Genpool und besetzen eine ökologische Nische. Alle Organisationen gehören zu einer Population, die sich in ihrer organisationalen Form ähneln (Phänotyp), über ein ähnliches Set von Kompetenzen verfügen (Genotyp) und diese Kompetenzen austauschen. Sie teilen einen gemeinsamen „Comppool“ und sind an eine bestimmte Umwelt angepasst. Jedes einzelne Mitglied der Population ist von jedem anderen in Teilen verschieden. Dennoch sind die Mitglieder in der Population relativ homogen und deutlich verschieden von Mitgliedern anderer Populationen. So wie man Löwen von Zebras unterscheiden kann, lässt sich bspw. die Population der Restaurants von jener der Automobilhersteller unterscheiden. Der „Comppool“ einer Population wird im Laufe der Zeit immer homogener und immer besser an die jeweilige Umwelt angepasst. Dies geschieht v.a. über die Selektion (den Untergang) jener Organisationen, die nicht über die „richtigen“ Kompetenzen verfügen. 9.3 Zentrale Aussagen 9.3.1 Grundprinzipien der Evolution Allen evolutionstheoretischen Ansätzen gemeinsam ist das Modell der natürlichen Auslese, wie es von Charles Darwin (1809-1882) entwickelt wurde. Von McKelvey/ Aldrich ([Populations] 114f.) werden folgende vier Prinzipien zur Kennzeichnung des Evolutionsmodells herangezogen: 1. Prinzip der Variation: In jeder Unternehmung/ Population finden ständig Veränderungen statt, sei es gewollt oder zufällig und „blind“. 2. Prinzip der Selektion: Veränderungen, die nutzlos oder gar schädlich sind, führen zum „Tod“ der Organisation oder des organisationalen Subsystems. Umgekehrt erhöhen gute Variationen die Überlebenschancen der Organisation/ des Subsystems. 3. Prinzip der Retention (Bewahrung und Weitergabe): Nützliche Variationen müssen gespeichert und an folgende Generationen weitergegeben werden. 4. Prinzip des Existenzkampfes: Nur wenn die Ressourcen knapp sind, findet eine Selektion weniger gut angepasster Organisationen statt. In sehr reichhaltigen Umwelten (z.B. mit viel staatlicher Unterstützung) können dagegen auch Schwächere überleben. <?page no="187"?> 162 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze In den Einzelheiten unterscheiden sich die Teilansätze dann allerdings. Wir unterscheiden im Folgenden • die populationsorientierte Evolutionstheorie und • die unternehmensorientierte Evolutionstheorie. 9.3.2 Populationsorientierte Evolutionstheorie Hannan/ Freeman ([Population] 930ff.) betonen, dass die einzelnen Organisationen sich nur sehr wenig an Umweltveränderungen anpassen können. Darin ähneln die Organisationen Lebewesen, die sich auch nicht neue Organe zulegen können, wenn es die Umwelt erfordert. Die Gründe für die geringe Anpassungsfähigkeit liegen in mikropolitischen Manövern intraorganisationaler Interessengruppen, unvollkommener Information über Zweck-Mittel-Zusammenhänge und der organisationalen Trägheit (organizational inertia). Organisationen weisen ein großes Beharrungsvermögen auf, weil sie an bestimmte Technologien gebunden sind, das Personal spezialisiert ist, das Informationssystem auf die bestehenden Aktivitäten und Umweltsegmente fokussiert ist, durch soziale Strukturen gemeinsame Werte und Routinen entstanden sind usw. Eine Änderung des „Genpools“ einer Population ist also nur möglich, wenn neue Organisationen „geboren“ werden und bestehende Organisationen „sterben“: „Population ecology theory holds that most of the variability in organizational structure comes about through the creation of new organizations and organizational forms and the replacement of old ones“ (Hannan/ Freeman [Inertia] 150). Welche Organisationen eine Überlebenschance haben, entscheidet die Umwelt: „From a population ecology perspective, it is the environment which optimizes“ (Hannan/ Freeman [Population] 939). Bei McKelvey ([Systematics] 196ff.) setzt die Variation und Selektion dagegen nicht an den Organisationen als Ganzheiten an, sondern an einzelnen organisationalen Kompetenzen (sog. „Comps“). Das einzelne Unternehmen besitzt ein Bündel an Kompetenzen, beherrscht bspw. bestimmte Technologien, hat eine effiziente Struktur, gute Führungstechniken, Verfahrensweisen, Informationssysteme, Kontrollsysteme. Diese Kompetenzen sind in den Organisationsmitgliedern „verkörpert“. Variationen ergeben sich aus neuen Ideen der Organisationsmitglieder, die zu gezielten Veränderungen führen, aber auch aus blindem, zufälligem Herumprobieren. Eine weitere Quelle der Variation ist der Wechsel der Organisationsmitglieder. Ein ausscheidendes Organisationsmitglied nimmt sozusagen Kompetenzen aus der Organisation heraus, ein neu eintretendes Mitglied bringt eigene Kompetenzen und Fähigkeiten mit. <?page no="188"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 163 Die Selektion findet auf unterschiedliche Art und Weise statt. Manche Varianten werden bewusst und überlegt in Entscheidungsprozessen ausgeschieden. Andere scheitern an informalen Barrieren; sie werden sozusagen unbewusst vom System selektiert. Ob die Organisation intern die richtigen Varianten selektiert hat, zeigt sich wiederum darin, ob das Unternehmen von der Umwelt selektiert wird, oder ob es überlebt. Im Tierreich verbreiten sich erfolgreiche Gene dadurch, dass die überlebenden Tiere mehr Chancen haben, ihre Gene an Nachkommen weiterzugeben. Im populationsökologischen Ansatz wird ein analoger Mechanismus bei der Weitergabe „guter Comps“ festgestellt. Erfolgreiche Unternehmen werden genauer beobachtet, ihre Verfahrensweisen werden in Fallstudien vorgestellt, ihre Mitglieder werden abgeworben, ihre Führungskräfte werden zu Konferenzen eingeladen (vgl. McKelvey/ Aldrich [Populations] 113). In der Folge verbessert sich der „Comppool“ ständig (Retention). Allerdings verbreiten sich die Kompetenzen nur innerhalb einer Population. Ideen aus anderen Populationen werden erst gar nicht wahrgenommen oder nicht für nützlich gehalten. Innerhalb einer Population werden die Organisationen im Laufe der Zeit homogener. Es gibt höchstens zwei, drei Überlebenspfade in einer bestimmten Umwelt (vgl. McKelvey [Systematics] 111). Die Umwelt ist die Ursache für eine organisationale Form (vgl. McKelvey [Systematics] 446) und es gibt wenig Freiheitsgrade der Gestaltung. 9.3.3 Unternehmensorientierte Evolutionstheorie Der populationsökologische Ansatz interessiert sich für das Werden, Wachsen und Vergehen von Populationen ähnlicher Organisationen. Zur Verbesserung des „Genpools“ der Population wird auch der „Tod“ von einzelnen Organisationen akzeptiert. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre eigentlich wichtiger zu wissen, ob einzelne Unternehmen „fitter“ sind als andere und warum: „Differences in fitness at the organization level are, ..., central to the evolutionary view in economics“ (Winter [Survival] 286). Die zentrale Frage einer unternehmensorientierten Theorie (im Kontrast zu einer populationsorientierten Theorie) ist: „Why do firms differ? “ (vgl. Nelson [Firms]; Carroll [Firms]). Es wird auf die Beobachtung verwiesen, dass auch sehr unterschiedliche Unternehmen in derselben Umwelt überleben können (vgl. Nelson [Firms] 248) und dass die Unternehmen weit davon entfernt sind, durch die Umwelt determiniert zu sein. Was die Unternehmen voneinander unterscheidet, sind die „routines“ (Winter [Survival] 274ff.) oder „capabilities“ (Nelson [Firms] 258ff.), das einmalige Know-how, das spezifische Wissen und Können, die unersetzliche Erfahrung, die besonderen Kompetenzen. Diese <?page no="189"?> 164 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Fähigkeiten entwickeln sich evolutionär, enthalten verborgenes Wissen und sind sozial eingebettet. Sie können nicht ohne weiteres bewusst hergestellt oder von anderen kopiert werden. Sie entwickeln sich zum großen Teil ohne bewusste Kontrolle, aber nicht beliebig. Eine Strategie gibt zumindest grob den Entwicklungspfad vor, der beschritten werden kann. Und dieser Strategie folgt eine Struktur, die zur Umsetzung der Strategie geeignet ist. Man sollte sich allerdings die Etablierung einer Organisationsstruktur nicht einfach als rationale Wahl vorstellen: „New modes of organization aren’t simply ‘chosen’ when circumstances make them appropriate. They, ..., evolve in a manner that is foreseen only dimly“ (Nelson [Firms] 266). Organisationsstrukturen entwickeln sich aus Experimenten und Lernprozessen, und es gibt sehr wenig gesichertes Wissen über die beste Art von Struktur. Aber - und das ist ein wichtiger Unterschied zum Population-Ecology-Konzept (v.a. in der Interpretation von Hannan/ Freeman) - es gibt gezielten Wandel auf der Ebene der einzelnen Unternehmen (Winter [Survival] 292f.). Organisatoren haben nicht die volle Voraussicht und das komplette Wissen, um Strukturen planvoll zu optimieren, aber sie können im Laufe der Zeit dazulernen. Mit der evolutionären Strukturbildung in der Organisation befasst sich auch der soziologisch orientierte Interne Institutionalismus. Er will herausfinden, wie sich Routinen, Muster, Normen, Handlungsstile usw. in Organisationen im Laufe der Zeit herausbilden und verfestigen (vgl. Türk [Ansätze] 925f.). 9.4 Menschenbild Das Menschenbild des evolutionstheoretischen Ansatzes hat Ähnlichkeit mit dem der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie. Betont wird v.a. die geringe Rationalität der Organisationsmitglieder und die Unvorhersehbarkeit individuellen Verhaltens. Langeweile, Vergesslichkeit, Bosheit, Kreativität, Launenhaftigkeit, all das spielt im Handeln von Menschen eine Rolle (vgl. Aldrich [Organizations] 87). Und selbst wenn die Menschen beabsichtigen, rational zu handeln, dann produzieren sie letztlich nichts als blinde Versuche. McKelvey (vgl. [Systematics] 112, 115) vergleicht die Organisationsmitglieder mit einer Gruppe Sträflinge, die bei Dunkelheit über ein Minenfeld laufen und mit Wanderern, die sich im Wald verirren. Niemand weiß im Voraus, wer überlebt und wer nicht. Können und Wissen spielen eine relativ geringe Rolle. Die Menschen sind letztlich nichts als eine Quelle von Variationen (vgl. McKelvey [Systematics] 448), die von der Umwelt selektiert werden. Dieses Menschenbild passt zum biologi- <?page no="190"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 165 schen Evolutionsprozess, in welchem ja auch die einzelnen Organismen nicht in der Lage sind, sich willentlich an neue Umweltbedingungen anzupassen. Rationalität, Vernunft und Voraussicht der Menschen müssen gering geschätzt werden, wenn die Umwelt entscheidet. Letztlich scheint aber auch den Populationsökologen nicht so ganz wohl zu sein bei der Vorstellung, dass die Menschen völlig blind und hilflos zum Spielball der Umwelt werden. McKelvey ([Systematics] 446ff.) hält es für möglich, dass einzelne Manager besser als andere in der Lage sind, die „richtigen“ Variationen zu erzeugen. Außerdem sollten sie ständig ihr Können und Wissen verbessern: „Manager have to be purposeful, highly-talented, hard-working, and all of these other good things associated with nonalienated, useful people“ (McKelvey [Systematics] 448). Training von Kompetenzen und Bemühen um Rationalität garantieren keinen Erfolg, erhöhen aber doch die Chancen, erfolgreiche Variationen hervorzubringen. Auch Aldrich warnt davor, die Organisationsmitglieder von aller Verantwortung für die Folgen ihres Tuns freizusprechen. Die Konsequenzen bestimmter Handlungsweisen sind durchaus vorhersehbar: „External constraints do not rob self-conscious persons of all their freedom“ (Aldrich [Organizations] 87). Autoren, die sich stärker mit der innerorganisationalen Evolution beschäftigen und weniger mit der populationsökologischen Perspektive, schätzen die Möglichkeiten zielgerichteten, rationalen Handelns insgesamt besser ein. Manager in Organisationen verfolgen eine bestimmte Strategie, und sie bemühen sich, dazu passende Strukturen und Kompetenzen aufzubauen. Dies gelingt keineswegs vollkommen und problemlos. Erfolgreiche Routinen können nur langsam und evolutionär entwickelt werden, und die Welt ist zu komplex, um genau vorherzusehen, welche Entwicklung langfristig in die richtige Richtung führt. Die Menschen sind aber lernfähig. Sie können sich zumindest begrenzt zielgerichtet an Umweltveränderungen anpassen. Und sie sind erfinderisch genug, aktiv unterschiedliche „Überlebenspfade“ in einer gegebenen Umwelt zu kreieren (vgl. Nelson [Firms] und Winter [Survival]). 9.5 Methoden Der populationsökologische Ansatz sucht nach einer Theorie „mittlerer Reichweite“ (vgl. McKelvey [Systematics] 169). Das Credo lautet: Nicht alle Organisationen sind gleich, so dass keine generellen Aussagen möglich sind. Aber es sind auch nicht alle Organisationen verschieden, mit der Folge lediglich singulärer Aussagen. Es gibt vielmehr Populationen relativ ähnlicher Organisationen, für welche theoretische Erkenntnisse gewonnen werden können. <?page no="191"?> 166 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Zunächst sind solche Populationen zu bestimmen. Relative Ähnlichkeit bedeutet, dass die Organisationen zwar viele Merkmale gemeinsam haben, aber dass keine zwei Organisationen völlig identisch sind. Diese Vorgehensweise ähnelt der schon früher besprochenen Typenbildung. Gegen die gedankliche Konstruktion von Idealtypen grenzt McKelvey seine Vorgehensweise jedoch ab (vgl. [Systematics] 40). Nach seiner Meinung müssen durch empirische Forschung real existierende Populationen gefunden werden (vgl. McKelvey/ Aldrich [Populations] 110). Diese empirische Forschung beginnt nicht völlig theorielos. Es gibt bestimmte Merkmale, nach denen Organisationen sozusagen „auf den ersten Blick“ zumindest grob einer Population zugeteilt werden können. Das wichtigste Merkmal ist die primäre Aufgabe (Sachaufgabe). Idealerweise sollte man Populationen danach abgrenzen, ob sie einen gemeinsamen „Comppool“ teilen, was einem gemeinsamen „Genpool“ bei einer Population von Lebewesen entsprechen würde. Aber so wie man auch Lebewesen zunächst nur nach äußeren Ähnlichkeiten gruppiert, so werden auch Organisationen zu einer Population zusammengefasst, die sich offensichtlich ähneln, weil sie die gleiche Aufgabe erfüllen. Eine Population entspricht nach dieser ersten Einteilung ungefähr einer Branche. Zum Beispiel gehören Krankenhäuser, Gefängnisse, Hotels, Universitäten und Chemieunternehmen offensichtlich zu jeweils verschiedenen Populationen (vgl. McKelvey [Systematics] 260f.). Diese erste grobe Einteilung müsste allerdings noch verfeinert werden. So gibt es sehr unterschiedliche Krankenhäuser; große Universitätskliniken können nicht ohne weiteres mit kleinen Privatkliniken oder Rehabilitationskliniken in einen Topf geworfen werden (vgl. McKelvey [Systematics] 342). Eine feinere Gruppenbildung sollte durch quantitative Methoden unterstützt werden, wie Regressionsanalyse, Faktorenanalyse und Clusteranalyse. Das größte Problem besteht darin, die „richtigen“ Merkmale auszuwählen, anhand derer Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Organisationen quantitativ gemessen werden sollen. Es gibt sehr unterschiedliche Listen solcher Merkmale. Die Anzahl der einbezogenen Merkmale schwankt zwischen 16 und 300. Manche Forscher beschäftigen sich v.a. mit Unterschieden in der formalen Struktur (z.B. die sog. Aston-Gruppe, die beim situativen Ansatz bereits erwähnt wurde, vgl. S. 97), andere beziehen technologische, soziologische und psychologische Merkmale in den Vergleich mit ein. Ob und wie einzelne Merkmale gewichtet werden sollen, ist ebenso umstritten wie die Art der Operationalisierung. Die enormen Schwierigkeiten bei der empirischen Abgrenzung von Populationen führen zu dem Ergebnis: „... since widely accepted, empirically based species of organizations are not yet identified“ (McKelvey [Systematics] 372). <?page no="192"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 167 Während McKelvey sich ausführlich mit dem Problem beschäftigt, wie Populationen abgegrenzt werden könnten, widmen sich andere Forscher eher den Fragen, wie sich einzelne Populationen entwickeln, warum sie bspw. schrumpfen oder wachsen und ob die Sterberate von Organisationen systematisch mit bestimmten Merkmalen zusammenhängt. Folgende Hypothesen wurden bspw. aufgestellt: • Junge Organisationen sterben eher als alte (liability of newness). • Kleine Organisationen sind gefährdeter als große. • Stabile, träge, routinierte Organisationen (die zugleich oft groß und alt sind) überleben leichter als solche, die oft reorganisieren. • Spezialisierte Unternehmen sind den „Generalisten“ überlegen, solange die Umwelt relativ stabil ist. Sie sind auch dann noch überlegen, wenn die Umwelt schnell zwischen sehr unterschiedlichen Zuständen wechselt (finegrained variation), weil sie die widrigen Umweltzustände einfach „aussitzen“. Bei nachhaltigen, langfristigen Umweltveränderungen sind Generalisten im Vorteil, die sich einer neuen Situation besser anpassen können. • Innovatoren haben es besonders schwer, weil ihnen selbst und auch der Umwelt (z.B. den Kunden und Lieferanten) die Erfahrung fehlt. Es ist daher anzunehmen, dass eine neue Population zunächst langsam wächst. Dann folgt eine stürmische Wachstumsphase, in welcher zunehmende Routine und Effizienzsteigerung zu verzeichnen sind. Da die Ressourcen, die der Population zur Verfügung stehen, begrenzt sind, verlangsamt sich das Wachstum mit stärker werdender Konkurrenz. Die Sterberaten steigen. Solche Hypothesen sind empirisch getestet und auch z.T. bestätigt worden, bspw. für die Halbleiterindustrie (vgl. Freeman [Ecological]). Einige Unternehmen der sog. New Economy, die mit viel Elan die Aufmerksamkeit auf sich zogen, haben nach kurzer Zeit nicht nur den Elan, sondern auch ihre Existenz verloren. Es gibt aber auch widersprüchliche und ebenfalls empirisch bestätigte Thesen: • Die „liability of adolescence“-These besagt, dass Organisationen nicht in den ersten Jahren nach ihrer Gründung besonders gefährdet sind, sondern erst nach einigen Jahren, wenn der Schwung und die Begeisterung der Gründerjahre verbraucht sind (vgl. Aldrich u.a. [Minimalism] 28). • Neben der These von der besonderen Gefährdung kleiner Unternehmen wird auch die These von der geringen Überlebensfähigkeit mittelgroßer Unternehmen vertreten. Große und kleine Unternehmen kreieren sozusagen ihre jeweils eigenen Nischen in der Umwelt, während die mittleren <?page no="193"?> 168 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Unternehmen nach beiden Seiten um Ressourcen kämpfen müssen (vgl. Hannan/ Freeman [Population] 946). • Mit wachsendem Alter und zunehmender Trägheit können Unternehmen auch wieder einem erhöhten Sterberisiko unterliegen („liability of aging“- These; vgl. Aldrich/ Auster [Liabilities]). Die empirischen Tests sind i.d.R. so angelegt, dass für eine bestimmte Population (bspw. amerikanische Gewerkschaften, irische Zeitungen) die Sterberate in Abhängigkeit von bestimmten Merkmalen gemessen wird. Da es um langfristige Entwicklungen geht, werden lange Zeitreihen (100 bis 150 Jahre sind keine Seltenheit) zugrundegelegt. Die untersuchte Grundgesamtheit ist i.d.R. recht groß (vgl. z.B. Carroll/ Hannan [Density]). Es fällt auf, dass die Abgrenzung der Population i.d.R. nicht problematisiert wird. Eine Population scheint im Grunde das Gleiche zu sein wie eine Branche (industry). Wie Hannan/ Freeman (vgl. [Ecology] 62f.) einräumen, verlassen sie sich bei ihren Abgrenzungen von Populationen auf „conventional wisdom“ und „native classifications“. Außerdem wird eigentlich nicht nach populationsspezifischen, sondern nach generellen Regelmäßigkeiten gesucht (vgl. Carroll/ Hannan [Density] 104). Eine populationsspezifische Theorie mittlerer Reichweite, wie sie von McKelvey intendiert war, kann aus solchen empirischen Untersuchungen nicht abgeleitet werden. Die Befunde sind sehr allgemein und als Basis für Gestaltungsempfehlungen kaum geeignet. Was nützt z.B. die Erkenntnis, dass ein Unternehmen am besten alt, groß und kompetent werden sollte, weil dann das Sterberisiko sinkt? Die zentrale Frage ist doch, wie man langfristiges Überleben, Wachstum und Kompetenzenaufbau gezielt ansteuern kann. Da der populationsökologische Ansatz die Möglichkeiten gezielter Anpassung grundsätzlich sehr gering einschätzt, ist er an der Beantwortung dieser Gestaltungsfrage wenig interessiert. Forscher, die sich mit der evolutionären Entwicklung in einzelnen Organisationen beschäftigen, setzen weniger auf groß angelegte, quantitative empirische Untersuchungen, sondern mehr auf die beispielhafte Beschreibung einzelner Unternehmungen und der in ihnen ablaufenden evolutionären Prozesse (vgl. z.B. Nelson/ Winter [Theory]). Durch Variation und Selektion bilden sich in der Organisation die Fähigkeiten und Routinen aus, die zur Umwelt passen. Am weitesten entfernt sich Weick ([Prozess]) von der Methodik der quantitativen empirischen Organisationsforschung. Er beschreibt die evolutorische Entwicklung von Organisationen mit Hilfe von Metaphern, Aphorismen, Gedichten und Alltagsgeschichten. Auf diese Weise erzeugt er v.a. ein intuitives Ver- <?page no="194"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 169 ständnis dafür, wie fragwürdig die Vorstellung von einer vollkommen rationalen, gezielten Organisationsgestaltung ist. 9.6 Aktuelle Bedeutung (1) Organisationaler Wandel Inwieweit können Organisationen überhaupt gezielt verändert und aktiv an neue Umweltentwicklungen angepasst werden? Evolutionstheoretiker behaupten, dass die gezielte Machbarkeit von Organisationen geringer ist, als normalerweise angenommen wird. Vor allem im populationsökologischen Ansatz wird die Kontroverse „Anpassung oder Selektion“ zugunsten der Selektion entschieden. Wenn auch die Position extrem erscheinen mag, dass gezielte Anpassung aufgrund der organisationalen Trägheit (structural inertia) so gut wie gar nicht möglich sei, so ist doch nicht zu leugnen, dass der geplante organisationale Wandel tatsächlich ein schwerfälliger und problembeladener Prozess ist. Organisationen sind in vielfältiger Weise an das gebunden, was sie in der Vergangenheit gemacht haben. Sie haben etablierte Verbindungen zu Kunden und Lieferanten, verwenden bestimmte Technologien, die Organisationsmitglieder haben Routinen und Kompetenzen aufgebaut, eine Kultur ist gewachsen, all das kann nicht beliebig und von heute auf morgen geändert werden. Die entscheidungslogische Vorstellung, dass bspw. eine optimale Organisationsstruktur aus einem breiten Menü von Alternativen rational ausgewählt und dann einfach implementiert werden kann, ist aus Sicht der Evolutionstheorie äußerst fragwürdig (vgl. Nelson/ Winter [Theory] 134). Sind die Organisationen in sich völlig wandlungsunfähig, dann ist eine Weiterentwicklung nur auf der Ebene der Population möglich. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dieser Befund unbefriedigend, denn kein Unternehmen ist daran interessiert unterzugehen, um damit den „Genpool“ der Population zu verbessern. Was aber erhöht die innerorganisationale Wandlungsfähigkeit? Evolutionstheoretiker empfehlen v.a. die Ausweitung der Varietät, um den Evolutionsprozess in Gang zu halten. Organisationen sollten schwatzhaft, ungeschickt, abergläubisch, heuchlerisch, ungeheuerlich, übellaunig und abschweifend sein, lauten die überraschenden Empfehlungen (vgl. McKelvey/ Aldrich [Populations] 122). Blindes Herumprobieren, viele Experimente und selbst Fehler und Irrtümer sind nach dieser Sichtweise vorteilhaft, weil dabei auch immer günstige Varianten auftauchen können. Die Umwelt erhält mehr Angebote zur Selektion. Die Empfehlung des permanenten Experimentierens widerspricht allerdings dem Befund der strukturellen Trägheit. Offensichtlich besteht ein Bedürfnis <?page no="195"?> 170 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze nach Verlässlichkeit und Stabilität der Verhältnisse, sowohl unter den Organisationsmitgliedern als auch aus Sicht des organisatorischen Umfeldes. Ein gewisses Maß an Beharrungsvermögen erhöht die Überlebenschancen (vgl. Hannan/ Freeman [Inertia] 155). Zwischen völliger Starrheit, Rigidität und Überorganisation auf der einen Seite und pausenlosem Experimentieren und Variieren auf der anderen Seite sollte ein Mittelweg gefunden werden. Ebenso erscheint eine mittlere Position zwischen den Extremen der vollkommen rationalen, optimierenden Organisationsgestaltung und dem völlig blinden und hilflosen Herumprobieren angemessen. „Not all variations are blind“ räumt auch McKelvey ein ([Systematics] 449). Warum sollte man sich auch überhaupt bemühen, eine Theorie mittlerer Reichweite für einzelne Populationen zu entwickeln, wenn nicht, um sie dann zur gezielten Gestaltung einzusetzen? Zumindest innerhalb einer Population können Manager voneinander lernen. Sie können versuchen, erfolgreiche Varianten zu kopieren, sie können gezielt Personal mit Erfolg versprechenden Kompetenzen abwerben und planmäßig Varianten selektieren, die sich nicht bewähren (vgl. McKelvey/ Aldrich [Populations] 120ff.). Der Evolutionsprozess aus Variation, Selektion und Retention wird dann zum Lernprozess aus Versuch, Irrtum und Speicherung der Erfahrungen in der organisationalen Wissensbasis. Dieses Lernpotenzial der Unternehmung hat nach der Einschätzung von Kieser/ Woywode ([Ansätze] 338f.) im Laufe der Geschichte beträchtlich zugenommen. Die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen den Unternehmen verschiedener Populationen hat sich erhöht. Das Konzept des „Benchmarking“ geht z.B. davon aus, dass man die besten Praktiken durchaus auch von branchenfremden Unternehmen kopieren kann. Zusammenfassend kann man sagen: Der Prozess organisationalen Wandels vereinigt Aspekte gezielter rationaler Gestaltung, blinder Versuche und Zufälle und organisationalen Lernens. Das Verdienst der evolutionstheoretischen Ansätze besteht v.a. darin, dass sie auf die Grenzen der gezielten Machbarkeit aufmerksam gemacht haben. (2) Kernkompetenzen Was Unternehmen voneinander unterscheidet und in ihrer Umwelt mehr oder weniger erfolgreich sein lässt, sind ihre jeweiligen Kompetenzen. Die passenden Kompetenzen schützen die Unternehmung vor einer externen Selektion. Die Kompetenzen haben sich in der Organisation durch Evolution und Lernen entwickelt. <?page no="196"?> Der evolutionstheoretische Ansatz · 171 Geht man von einem Umweltdeterminismus aus, der in jeder Umwelt nur einen einzigen Überlebenspfad zulässt, müssen die Unternehmen einer Population in ihrem Kompetenzenprofil nach und nach immer homogener werden. Offensichtlich gibt es in der Realität aber unterschiedliche Möglichkeiten, in der gleichen Umwelt erfolgreich zu sein. Auch die Mitglieder einer Branche unterscheiden sich in ihren Kompetenzen (vgl. Nelson [Firms] 248). Aus der Sichtweise des „Resource Based View“ liegen die entscheidenden Wettbewerbsvorteile einzelner Unternehmen in ihren jeweils besonderen Kernkompetenzen. Eine Verbindung zwischen dem Konzept der Kernkompetenzen und der Gestaltung der Organisation ergibt sich in zweierlei Hinsicht: Bei der Gestaltung der Grenzen der Organisation ist zu berücksichtigen, dass • beim Auslagern von Aktivitäten aus dem Unternehmen (Outsourcing) keine zentralen Kompetenzen ausgehöhlt werden sollten; • bei einer Erweiterung des Tätigkeitsspektrums (Diversifikation) bestehende Kernkompetenzen genutzt werden sollten; • lerninduzierte Partnerschaften (strategische Netzwerke) dazu dienen sollten, Kompetenzen mit dem Partner gleichgewichtig auszutauschen (vgl. Rasche [Kernkompetenzen] 290ff.). Die unternehmensinterne Strukturgestaltung sollte die Entwicklung von Kernkompetenzen unterstützen. Insofern die Kompetenzen erlernt werden, bedeutet dies, eine „lernende Organisation“ aufzubauen (vgl. Raub/ Büchel [Lernen]). Entstehen die Kompetenzen evolutionär, sollte die Struktur eine Evolution begünstigen, also z.B. offen sein für Variationen (vgl. Nelson/ Winter [Theory]). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „dynamic capabilities“ und meint damit die Fähigkeit einer Organisation, immer wieder neue Kompetenzen aufzubauen. <?page no="197"?> 172 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 10 Der interpretative Ansatz Vertreter Quellen Metapher P. Berger T. Luckmann K. E. Weick M. Wollnik T. E. Deal A. A. Kennedy E. H. Schein P. Berger und T. Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, 16. A., 1999 K. E. Weick: Der Prozess des Organisierens, 2. A., 1998 M. Wollnik: Interpretative Ansätze in der Organisationstheorie, 1993 T. E. Deal und A. A. Kennedy: Corporate Cultures, 1982 E. H. Schein: Organizational Culture and Leadership, 1985 Die Organisation wird verglichen mit einer Gesellschaft oder einem Volksstamm mit einer bestimmten Kultur. Die Organisationsmitglieder agieren wie Schauspieler nach einem Drehbuch. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist eine Minigesellschaft mit einer bestimmten Kultur. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll Mehrdeutigkeiten in den Interpretationen reduzieren und Konsens fördern. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch Aushandlungs-, Lern- und Evolutionsprozesse. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch ist weltoffen und bildbar sowie sozial. Er hat ein Interesse an Ordnung und intersubjektiver Verständigung. Induktion; Phänomenologie und Hermeneutik; Empirische Forschung durch teilnehmende Beobachtung, Tiefeninterviews, Rollenspiele • Bedeutung der Organisationskultur • Problematik einer objektivistischen Organisationsforschung 10.1 Vertreter und wichtige Quellen Die sozialwissenschaftlich orientierte Organisationstheorie versucht i. Allg., das Handeln von Menschen in Organisationen zu erklären, um darauf Prognosen und Gestaltungsempfehlungen aufzubauen. Für die Gestaltung wäre es ideal, Gesetzmäßigkeiten zu finden für das Verhältnis von Struktur und Verhalten nach dem Grundmuster eines Reiz-Reaktion-Schemas: Die Organisationsmit- <?page no="198"?> Der interpretative Ansatz · 173 glieder reagieren eindeutig messbar auf die objektiv gegebenen organisationalen Merkmale. Der interpretative Ansatz stellt die mit dieser Vorgehensweise verbundenen Annahmen fundamental in Frage. Nach Ansicht seiner Vertreter gibt es gar keine „objektive“ organisationale Wirklichkeit, die den Organisationsmitgliedern sozusagen von außen entgegentritt. Die Organisationswirklichkeit wird vielmehr von den Organisationsmitgliedern selbst fortlaufend konstituiert durch Interpretation und Interaktion. Alle Zustände, Ereignisse und Regeln werden als etwas verstanden; sie werden mit Bedeutungen versehen, die der physikalischen Messung unzugänglich sind. Durch Kommunikation entstehen intersubjektiv geteilte Bedeutungsmuster, welche die Interpretationsoffenheit für die Individuen teilweise einschränken und den Anschein erwecken, dass es die eine objektive Wirklichkeit „da draußen“ gibt. Die Einordnung des interpretativen Ansatzes in die Organisationstheorie ist eigentlich irreführend, weil es eher um eine wissenschaftstheoretische Grundsatzposition geht, die in unterschiedlichen konkreten Aussagenzusammenhängen eine Rolle spielen kann. Diese Position wird als „subjektivistisch“ bezeichnet oder auch als „Konstruktivismus“. Es gibt daher auch eine Vielzahl interpretativer Ansätze und es kann schwerlich ein „Begründer“ genannt werden. Im Folgenden wird v.a. auf den soziologischen Grundlagenbeitrag von Berger und Luckmann ([Konstruktion]), auf den organisationstheoretischen Beitrag von Weick ([Prozess]) sowie auf die Veröffentlichungen von Wollnik ([Ansätze] und [Organisationstheorie]) zurückgegriffen, die einen guten Überblick über die verschiedenen interpretativen Ansätze vermitteln. Eng verbunden mit dem interpretativen Ansatz ist das Konzept der Organisationsbzw. Unternehmenskultur. Zwei Standardwerke zu diesem Themenbereich sind die Veröffentlichungen von Deal/ Kennedy ([Cultures], 1982) und Schein ([Culture], 1985). Dass auch die Organisationsforscher die Wirklichkeit interpretieren und nicht einfach objektiv abbilden, ist das Thema von Morgan ([Images]). 10.2 Organisationsbegriff und Metapher Im interpretativen Ansatz wird die Organisation zunächst als Institution untersucht. Organisation kann als Synonym für „Unternehmung“ verstanden werden. Jede Organisation ist eine Art „Minigesellschaft“ oder ein „Volksstamm“ (Morgan [Images] 121, 134) mit je eigener Kultur, welche sich in der Sprache, den Ritualen, Regeln, Werten, Erwartungen, Bedeutungen usw. äußert. Der <?page no="199"?> 174 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Forscher betrachtet die Organisation wie ein Ethnologe, der sich für die Sitten und Gebräuche einer ihm fremden Kultur interessiert. Möglicherweise zerfällt eine einzelne Unternehmung wiederum in Subkulturen. Es gibt aber auf jeden Fall Subsysteme, in denen bestimmte Regeln, Werte, Denkschemata usw. intersubjektiv geteilt werden, sodass von einer gemeinsamen Kultur gesprochen werden kann. Eine gemeinsame Sicht der Wirklichkeit ist die Aufgabe eines Organisationsprozesses, damit ineinander greifende Verhaltensweisen zueinander passen und „vernünftige Ergebnisse erzielt werden“ (Weick [Prozess] 11). Mehrdeutigkeit soll durch Organisation reduziert werden. Es muss „Konsens“ erzielt werden über die „richtige“ Sicht der Dinge. Der Prozess der Konsenserzielung kann als bewusster Aushandlungsprozess zwischen unterschiedlichen Gruppen mit je eigenen Interessen verstanden werden oder allgemeiner als „kommunikative Leistung“ der Organisationsmitglieder (vgl. Wollnik [Ansätze] 287ff. und die dort angegebene Literatur). Zumindest partiell entstehen die Bedeutungs- und Erwartungsmuster aber auch unkontrolliert durch evolutionäre Prozesse (vgl. Weick [Prozess] 193ff.). Im Ergebnis hat die Organisation eine Menge von mehr oder weniger bewussten Regeln, Konventionen, Rezepten und Routinen, aufgrund derer die Mitglieder wissen, wie Dinge getan und verstanden werden sollen. Es gibt eine Art gemeinsamer Grammatik (Weick [Prozess] 12), einen gemeinsamen „Code“ (Weick [Prozess] 71), geteilte „mentale Modelle“ (Senge [Discipline] 174ff.) oder ein gemeinsames „Drehbuch“ (Wollnik [Ansätze] 293), welche eine verbindliche Organisationswirklichkeit entstehen lassen. Die Struktur, wie sie sich in einem Organigramm darstellen lässt, spiegelt demnach die wirklichen Verhältnisse in einem Unternehmen nur sehr oberflächlich wider. Erst in Verbindung mit den Interpretationen der Organisationsmitglieder gewinnt sie Substanz und handlungsleitende Wirkung. 10.3 Zentrale Aussagen Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail sind folgende Grundzüge allen interpretativen Ansätzen gemeinsam (vgl. Wollnik [Ansätze] 282ff.): • Das, was in sozialen Systemen als Wirklichkeit erlebt wird, wird durch Interpretationen und Interaktionen der Mitglieder hergestellt und aufrechterhalten. Die Mitglieder verleihen den Fakten Sinn und Bedeutung und konstruieren eine Wirklichkeit, die über Faktizität hinausgeht. <?page no="200"?> Der interpretative Ansatz · 175 • Daher ist die soziale Wirklichkeit auch „kontingent“, d.h. sie ist nicht eindeutig fixiert, sondern auch anders möglich. • Damit Interaktion und Verständigung in sozialen Systemen gelingen, muss eine intersubjektiv geteilte Sicht der Wirklichkeit vorliegen, zumindest in Bezug auf leistungsrelevante Bedeutungen. • Durch fortlaufende Interaktion und Kommunikation bildet sich eine ausreichende Perspektivenkongruenz. Die Mitglieder verfügen im Laufe der Zeit über gemeinsame kognitive Schemata, mentale Modelle und Wissensinhalte, die bestimmte Denk- und Verhaltensweisen als „normal“ und „selbstverständlich“ erscheinen lassen. Häufig erscheint die hergestellte Wirklichkeit den Mitgliedern als die einzig mögliche, objektiv gegebene Wirklichkeit. Die interpretativen Ansätze befassen sich v.a. mit der Frage, wie gemeinsame Interpretationsschemata entstehen. Der Prozess interessiert mehr als die Inhalte. Dieser Prozess kann unterschiedlich modelliert werden: • Als Lernprozess, in dessen Verlauf die Mitglieder eine gemeinsame Theorie über die Organisation entwickeln (Organisation wird als lernendes System verstanden). • Als Aushandlungsprozess, in dessen Verlauf Mitglieder mit je eigenen Interessen einen Konsens über die organisatorischen Verhältnisse herstellen (Organisation wird als politisches System verstanden). • Als Evolutionsprozess, in dessen Verlauf die Mitglieder Interpretationsvarianten erzeugen, welche selektiert werden, wenn sie nicht passen und bewahrt werden, wenn sie passen (Organisation wird als evolutionäres System verstanden). Der Zusammenhang mit den formalen Regeln der Organisationsstruktur ist so zu verstehen, dass sie zunächst nur eine Art groben Rahmen für die Ordnung im Unternehmen vorgeben, der durch Kommunikation und Interaktion präzisiert und mit Leben erfüllt werden muss. Die Freiheitsgrade bei der Gestaltung der organisationalen Wirklichkeit bestehen darin, dass sich häufig große Unterschiede ergeben zwischen der offiziellen Handlungstheorie der Organisation (espoused theory) und der tatsächlich praktizierten Theorie (theory-in-use; vgl. Argyris [Learning] 25) bzw. zwischen der offiziell vorgegebenen Ordnung und der „ausgehandelten“ Ordnung (negotiated order; vgl. Preston [Order]). Es genügt demnach nicht, organisationale Regelungen zu erlassen. Vielmehr muss auch der Sinn der Regelungen verdeutlicht und intersubjektiv verankert werden, damit sie richtig verstanden und gelebt werden. <?page no="201"?> 176 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Regelsysteme sind nie fertig. Sie werden permanent interpretiert, benutzt sowie situativ reformuliert und ergänzt. Die Persönlichkeit der Akteure, ihre Denkweise, ihr Wissen, ihre Fähigkeiten, ihr Wille zur Befolgung der Regeln formen die geltende Ordnung. Insofern ist es eine fortwährend zu erbringende Leistung, organisationale Regeln zur Geltung zu bringen. Fraglich ist allerdings, inwiefern ein Maximum an Perspektivenkongruenz bezüglich der Regelauslegung und -anwendung zwischen den Mitgliedern einer Organisation erstrebenswert ist. Positiv zu bewerten ist die starke Reduktion der Mehrdeutigkeit, wenn alle Organisationsmitglieder wie selbstverständlich die gleiche Sichtweise der Dinge haben und jeder „normal“ denkt und handelt. Aus evolutorischer Sicht ist dagegen der permanente Wandel der Regelsysteme wünschenswert, weil nur so günstige Variationen erzeugt werden. Wie Weick provokativ formuliert, sollen Unordnung, Chaos, Störungen und Fehler gefördert werden, damit kein Entwicklungsstillstand eintritt (vgl. [Prozess] 346ff.). Letztlich ist aber Ordnung - und damit Reduktion von Mehrdeutigkeit - das Ziel der Organisation, und es ist zu fragen, welche Faktoren auf die entstehende Ordnung einwirken. Morgan betont die Wichtigkeit der Gründerpersönlichkeiten (vgl. [Images] 124). Ihre Werte und Ansichten prägen den Geist einer Unternehmung häufig sehr nachhaltig. Weiterhin haben jene Personen und Gruppen einen wichtigen Einfluss, die über Macht verfügen (vgl. Wollnik [Ansätze] 290). Sie können Regeln nicht nur bewusst ändern, sondern verfügen auch über Sanktionsmöglichkeiten, wenn jemand nicht „auf Kurs“ ist. Zudem dienen sie häufig als Vorbild in Lernprozessen. Schließlich besteht bei allen Organisationsmitgliedern - mehr oder minder bewusst - ein Interesse daran, eine gemeinsame Sicht der Dinge und „stabile Verhältnisse“ zu schaffen, in denen man sich dann auskennt. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn neue Mitglieder in die Organisation eintreten. Sie bemühen sich i.d.R. sehr darum, die Kultur der Organisation zu erfassen und sich ihr schnell anzupassen. 10.4 Menschenbild Die zentrale Botschaft des interpretativen Ansatzes ist, dass die Menschen nicht einfach passiv auf objektiv gegebene Außenreize reagieren, sondern selbst die Wirklichkeit miterschaffen, in der sie leben. Sie sind an der Gestaltung der sie umgebenden „Umwelt“ stärker beteiligt, als ihnen gemeinhin bewusst ist. Erst das „Einklammern“ von Daten durch aktive Wahrnehmung verleiht dem Strom der Außenreize Sinn (Weick [Prozess] 190, 221ff.). Dass diese Konstruktion der Wirklichkeit normalerweise nicht bewusst wird, liegt daran, dass Menschen, die in einer ähnlichen Kultur aufgewachsen sind, die Wirklichkeit auch ähnlich wahrnehmen. Man wird in einer Gesellschaft „sozialisiert“, d.h. der Einzelne <?page no="202"?> Der interpretative Ansatz · 177 erwirbt das Wissen und die Fähigkeiten, um sich in dieser Gesellschaft „richtig“ zu verhalten und das Verhalten der anderen „richtig“ zu interpretieren (vgl. zum Folgenden Berger/ Luckmann [Konstruktion] 49ff. und passim). Die vielen „Selbstverständlichkeiten“, das, „was jedermann weiß“, das Sammelsurium von Maximen, Regeln, Werten, Traditionen, Mythen, Glaubenssätzen und Rezeptwissen, werden im Verlaufe der Sozialisation verinnerlicht und prägen Handlungen und Wahrnehmungen. An diesem Prozess der Sozialisation haben alle Beteiligten ein Interesse. Es erleichtert das Zusammenleben ungemein, wenn auf gemeinsames Hintergrundwissen zurückgegriffen werden kann und alle wissen, „wie man sich benimmt“ und wie bestimmte Handlungsweisen einzuordnen sind. Diese Sozialisation ist notwendig, weil der Mensch nicht wie ein Tier durch Instinkte weitgehend festgelegt ist. Er ist „weltoffen“ und „bildbar“ und kann seine konstitutionell angelegten Fähigkeiten auf einer sehr breiten und noch dazu ständig wechselnden Skala variierender Anforderungen einsetzen. In der Interaktion mit anderen Menschen wird das Fehlen der Instinkte zum Mangel, weil diese Interaktion auf Ordnung und Stabilität im Verhalten angewiesen ist. Es muss also eine Ordnung (Gesellschaftsordnung) künstlich geschaffen werden, und jede neue Generation muss mit dieser Ordnung vertraut gemacht (sozialisiert) werden. Indem der Mensch in einer bestimmten Gesellschaftsordnung und Kultur groß wird, ist er ein Produkt dieser Gesellschaft. Zugleich ist die Gesellschaftsordnung und Kultur aber auch Produkt des Menschen, denn sie entsteht nur durch menschliches Tun. Dass diese Ordnung „kontingent“ ist, d.h. auch anders aussehen könnte, wird den Menschen häufig erst bewusst, wenn sie in einen ganz anderen Kulturkreis kommen, mit ganz anders gearteten Regeln, Werten, Traditionen, Tabus. Der primären Sozialisation in der Kindheit folgt die sekundäre Sozialisation in institutionalisierten „Subwelten“ (vgl. Berger/ Luckmann [Konstruktion] 148ff.). Auch Unternehmen sind solche Subwelten mit einem spezifischen Vokabular, mit Ritualen, Symbolen, Umgangsregeln, Rollenbildern und Bekleidungsvorschriften. Die sekundäre Sozialisation ist längst nicht so prägend und unausweichlich wie die primäre Sozialisation. Dennoch ist i.Allg. zu beobachten, dass Neulinge in Unternehmen sehr bemüht sind, sich schnell in die bestehende Ordnung einzufügen und sich den Gepflogenheiten der Subwelt entsprechend richtig zu verhalten und auszudrücken. Die sekundäre Sozialisation kann aber durchaus oberflächlich bleiben. Man spielt mit einer gewissen inneren Distanz die Rolle, die in der Subwelt Unternehmung von einem erwartet wird (vgl. Berger/ Luckmann [Konstruktion] 183f.). <?page no="203"?> 178 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze „Menschsein ist sozio-kulturell variabel“ (Berger/ Luckmann [Konstruktion] 51). Es gibt daher auch wenig allgemein Gültiges über die menschliche Natur zu sagen. Zu den wenigen anthropologischen Konstanten gehören nach dem interpretativen Ansatz die Weltoffenheit und Bildbarkeit des Menschen sowie sein Bedürfnis nach Gemeinschaft mit anderen Menschen. Damit unter der Voraussetzung großer Verhaltensflexibilität Interaktion mit anderen Menschen gelingt, hat der Mensch ein starkes Interesse daran, den Rahmen der Möglichkeiten wieder einzuschränken und Muster, Routinen, Gewohnheiten, Regeln oder ganz allgemein „Ordnung“ zu bilden und zu kennen. Die Ordnungsbildung wird ermöglicht durch die typisch menschliche Fähigkeit der Symbolverwendung, wie sie v.a. in der Sprache zum Ausdruck kommt. Alle genaueren inhaltlichen Bestimmungen der „Natur des Menschen“ und dessen, was als normales oder natürliches Verhalten erwartet werden kann, müssen mit Vorsicht genossen werden, weil menschliches Handeln sehr stark subjektiv und situationsgebunden bestimmt wird. 10.5 Methoden 10.5.1 Grundannahmen Alle interpretativen Ansätze teilen - in unterschiedlicher Prägnanz - bestimmte wissenschaftstheoretische Grundannahmen (vgl. Wollnik [Ansätze] 278): • Die Wirklichkeit ist sozial konstruiert und bewusstseinsabhängig. • Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse ergeben sich bei Berücksichtigung der Perspektive der Akteure. • Die Menschen folgen eigenen Zielen und Motiven und handeln auf der Grundlage ihres freien Willens. Aus diesen Grundannahmen, die oft als „anti-positivistisch“, „subjektivistisch“ oder „konstruktivistisch“ bezeichnet werden, ergeben sich Konsequenzen für die angemessenen Forschungsmethoden. Der Forscher, welcher reale Organisationen empirisch untersucht, muss versuchen, die Welt aus der Perspektive der Organisationsmitglieder wahrzunehmen, ihre Interpretationen und ihre Sicht der Dinge unvoreingenommen nachzuvollziehen. Dieses „Sich-hineinversetzen“ in die Lage der Handelnden erzwingt eine sehr detaillierte und tief gehende Analyse des Organisationsgeschehens. Um zu verstehen, aufgrund welcher Prozesse sich eine bestimmte Sicht der Dinge und bestimmte Regeln entwickelt haben, müssten zudem Längsschnittstudien gemacht werden. Der Aufwand, der mit tief gehenden Längsschnittstudien verbunden ist, lässt jedoch kaum eine Forschung zu, die über Fallstudien hinausgeht. <?page no="204"?> Der interpretative Ansatz · 179 Die in solchen Fallstudien eingesetzten Forschungsmethoden orientieren sich ganz überwiegend an der sog. qualitativen Sozialforschung: Daten werden bspw. über Tiefeninterviews, teilnehmende Beobachtung, Tonband- und Filmaufnahmen und Interaktionsspiele gewonnen. Der Forscher ist bemüht, die Perspektive der Handelnden zu rekonstruieren, die Akteure zu verstehen und sich mit ihnen zu verständigen. Die Ergebnisse werden unter bewusstem Rekurs auf das Alltagswissen gedeutet (vgl. Wollnik [Ansätze] 280f.). Der Forscher verfährt phänomenologisch und hermeneutisch (vgl. S. 35ff.). Durch diese Methoden kann die soziale Wirklichkeit vermutlich angemessen und authentisch dargestellt werden, allerdings immer nur für Einzelfälle. Über plausible Verallgemeinerungen wird versucht, aus den Einzelbefunden induktiv allgemein gültige theoretische Aussagen abzuleiten. Eine solche allgemein gültige Aussage ist, dass die offiziellen, formalen Regelsysteme immer von den Akteuren unterschiedlich verstanden, reformuliert und ergänzt werden. Die geltende Ordnung erschöpft sich nicht in der formalen Struktur. Im Hinblick auf die formalorganisatorischen Verhältnisse der Arbeitsumgebung existieren deutliche Perspektivendifferenzen zwischen den Organisationsmitgliedern. 10.5.2 Prozesstheorien Aus diesem Befund ergibt sich die Frage, wie es denn immer wieder gelingt, eine ausreichende Perspektivenkongruenz zwischen den Organisationsmitgliedern herzustellen. Die Organisationsmitglieder gehen ja i.Allg. davon aus, dass es eine eindeutige, objektiv vorhandene Ordnung im Unternehmen gibt, die von allen in gleicher Weise wahrgenommen wird. Wie läuft dieser Prozess der Vereinheitlichung der Perspektiven ab? Wie kommt es zu intersubjektiv geteilten Bedeutungen und Erwartungen, zu allgemein anerkannten Regeln? Die Frage nach diesen Prozessen der Entstehung von Ordnung interessiert die dem interpretativen Ansatz verbundenen Forscher am meisten. Sie versuchen, diese Prozesse zu beschreiben und zu systematisieren, wobei sie auf empirische Befunde, Alltagswissen und Erfahrungen sowie Plausibilität rekurrieren. Metaphern sollen die Prozesse veranschaulichen. Die Organisationsmitglieder werden z.B. mit Schauspielern verglichen, die auf der Basis eines Drehbuches ein Stück aufführen und sich dabei mehr oder weniger an die eingeübte Version halten. Organisation wird verstanden als „Inszenierung der Aufgabenhandhabung“ (Wollnik [Ansätze] 292). Andere Metaphern vergleichen die Organisationsmitglieder mit Menschen, die gemeinsam musizieren oder die sich auf der Basis einer gemeinsamen Grammatik verständigen (vgl. Weick [Prozess] 12f.). Es gibt jeweils einen Satz von Regeln (Drehbuch, Noten, Grammatik), aber erst <?page no="205"?> 180 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze durch das kompetente Mitwirken der Akteure entsteht die reale Aufführung, in welcher die Regeln mehr oder weniger zur Geltung gebracht werden. 10.5.3 Inhaltstheorien Die meisten interpretativen Ansätze erstellen solche „Prozesstheorien“, die beschreiben sollen, wie sich in einem fortwährenden interpretativen und kommunikativen Prozess die Ordnung im Unternehmen bildet. Der Organisationskultur-Ansatz, der ebenfalls zu den interpretativen Ansätzen gezählt wird (vgl. Wollnik [Organisationstheorie] 1779), geht dagegen auch auf die konkreten Inhalte ein, die durch diese Prozesse entstehen. Genau genommen müssen innerhalb des Organisationskultur-Ansatzes zwei Auffassungen auseinander gehalten werden, die mehr oder weniger prozessbzw. inhaltsorientiert sind und auch mehr oder weniger den wissenschaftstheoretischen Grundannahmen des interpretativen Ansatzes folgen: (1) Zum interpretativen Ansatz passt die Auffassung, dass die Unternehmung eine Kultur ist. Das Verständnis der Unternehmung als Kultur ist die forschungsleitende Metapher (root metaphor for conceptualizing organizing; vgl. Wollnik [Verhältnis] 59). Dieses Verständnis lenkt die Aufmerksamkeit eher auf die Entstehungsprozesse der Kultur und fördert den Einsatz der oben schon beschriebenen qualitativen Forschungsmethoden. (2) Ein großer Teil der Organisationskulturforschung geht dagegen von der Auffassung aus, dass die Unternehmung eine Kultur hat. Kultur ist ein abgrenzbares Phänomen, eine interne Variable neben anderen (vgl. Wollnik [Verhältnis] 58f.). „Culture should be viewed as a property of an independently defined stable social unit“ definiert bspw. Schein ([Culture] 7). Und weiter heißt es: „The phenomenon of culture is real“ (Schein [Culture] 24). Diese Kultur ist im Prinzip objektiv analysierbar und messbar. Vergleichsweise leicht ist die Messung der „Artifacts and Creations“, welche von Schein als erste bzw. sichtbarste Kulturebene bezeichnet werden (vgl. [Culture] 14f.). Dazu gehören Dinge wie Gebäude, Ausstattung der Räumlichkeiten, Statussymbole, formale Struktur, Rituale, spezielle Fachausdrücke und Ähnliches. Die Analyse von Dokumenten wie Handbüchern, Organigrammen, Unternehmensleitbildern und Geschäftsberichten sowie die Beobachtung von Gepflogenheiten und Äußerlichkeiten geben über diese Kulturebene Auskunft. Hinter den sichtbaren Symbolen liegt die zweite Kulturebene der „Values“ (vgl. Schein [Culture] 15f.). Damit sind Grundsätze der Art gemeint, wie eine <?page no="206"?> Der interpretative Ansatz · 181 Aufgabe zu erledigen ist, wie man miteinander umgeht, welche Ziele das Unternehmen hat, was wichtig und unwichtig ist. Solche Grundsätze können offiziell in einem Unternehmensleitbild fixiert sein. Sie sind aber zu einem guten Teil auch in den Organisationsmitgliedern „verkörpert“ und nur über Kommunikation erschließbar. Die Schicht der Werte und Normen setzt auf der dritten Ebene, den „Basic Assumptions“, auf (vgl. Schein [Culture] 18ff.). Solche Grundüberzeugungen betreffen das vorherrschende Menschenbild, die Annahmen über die soziale Wirklichkeit, das Grundmuster sozialer Beziehungen und Ähnliches. Die „Basic Assumptions“ sind die sehr stabilen „Selbstverständlichkeiten“, die kaum reflektiert und in Frage gestellt werden. Sie sind am schwersten analysierbar. Da sie aber sozusagen das Herzstück der Kultur bilden (vgl. Schein [Culture] 6), ohne die auch die sichtbaren Zeichen einer Kultur nicht richtig verstanden werden können, ist eine Kulturanalyse sehr schwierig. Als Forschungsmethoden, die auch die zweite und dritte Kulturebene erfassen sollen, empfiehlt Schein unstrukturierte Interviews, Gruppendiskussionen und Beobachtung. Nach Scheins Überzeugung ist jede Kulturanalyse ein langwieriger, iterativer Prozess, den Outsider (Forscher) und Insider (Organisationsmitglieder) nur gemeinsam bewältigen können (vgl. [Culture] 112ff.). Das reine Messen von Fakten reicht nicht aus, um die Kultur zu verstehen. Phänomenologie und Hermeneutik müssen die Empirie ergänzen. 10.6 Aktuelle Bedeutung (1) Organisationskultur Den deutlichsten Anwendungsbezug aller interpretativen Ansätze hat der Organisationskultur-Ansatz. Seit dem Management-Bestseller von Deal/ Kennedy (Corporate Cultures, erschienen 1982) gilt eine starke Unternehmenskultur als wesentlicher „weicher“ Erfolgsfaktor neben den „harten“ Erfolgsfaktoren wie Strategie und Struktur. Die Kultur erfüllt zwei wesentliche Funktionen: • Sie zeigt den Organisationsmitgliedern, wie sie mit den Herausforderungen der externen Umwelt umzugehen haben, um erfolgreich zu sein, und • sie führt zu einer unternehmensinternen Integration (vgl. Schein [Culture] 50ff.). <?page no="207"?> 182 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze (a) Zur externen Anpassung Die Kultur vermittelt den Mitgliedern, worin die Aufgabe, die „Mission“ der Unternehmung besteht, für die sie arbeiten, welche Ziele erreicht werden sollen, welche Mittel dabei einzusetzen sind, wie die Zielerreichung gemessen und honoriert wird und was passiert, wenn die Ziele verfehlt werden. (b) Zur internen Integration Die Kultur schafft eine gemeinsame Sprache, sie gibt Kriterien dafür vor, wer zum Unternehmen „passt“ und wer nicht, sie regelt den persönlichen Umgang miteinander, legt fest, welches Verhalten belohnt und welches bestraft wird, bestimmt mit darüber, wer welche Macht hat und wie der Status demonstriert wird, filtert die Wahrnehmungen und reduziert Unsicherheit. Sie schafft die nötige Perspektivenkongruenz und bildet damit die Basis für Koordination und Konsens. Die Bedeutung der Kultur zeigt sich aber nicht nur in ihren positiven Funktionen, sondern auch an ihren potenziellen negativen Folgen: Strategien, die nicht zur Kultur passen, lassen sich nicht durchsetzen, Unternehmenszusammenschlüsse scheitern an inkompatiblen Unternehmenskulturen, Abteilungen mit sehr unterschiedlichen Subkulturen haben Verständigungsprobleme. Aus der praktischen Bedeutung der Kultur erwächst der Wunsch, sie zielgerichtet zu „managen“. Bei Deal und Kennedy ([Cultures]) erscheint die Aufgabe des Kulturmanagements als relativ einfach. Die bestehende Kultur wird diagnostiziert, mit anderen Kulturen verglichen und bewertet, es wird eine Soll-Kultur entworfen und diese dann implementiert. Die Kultur manifestiert sich in messbaren Größen, es gibt eine Vorstellung von einer „guten“ Kultur und diese ist auch herstellbar. Im Prinzip vertritt auch Schein diese pragmatische Sichtweise, wobei er allerdings die Schwierigkeiten einer Kulturdiagnose und -gestaltung verdeutlicht. Andere Forscher, die von Schreyögg als „Kulturalisten“ bezeichnet werden (vgl. [Unternehmenskulturen] 156), hinterfragen dagegen kritisch, ob man Unternehmenskulturen gestalten kann und darf. In seiner ethnographischen Fallstudie zur Kultur eines Computerkonzerns unterscheidet bspw. der empirische Kulturwissenschaftler Wittel ([Belegschaftskultur] 10ff.) zwischen der „Firmenideologie“ als der offiziellen, erwünschten und von einer „Deutungselite“ instrumentalisierten Kultur und der wirklichen, gewachsenen, von den Mitarbeitern kreierten „Belegschaftskultur“. Er sieht in der Firmenideologie v.a. ein Instrument der Machterhaltung der Elite, der subtilen Kontrolle, der Verschleierung von Interessengegensätzen, der Ausbeutung der Mitarbeiter und der <?page no="208"?> Der interpretative Ansatz · 183 Imagepflege nach außen (vgl. [Belegschaftskultur] 85ff.). Er stellt aber auch fest, dass die Mitarbeiter der Ideologie keineswegs hilflos und ohnmächtig ausgeliefert sind. Auch die Ideologie wird individuell und gruppenspezifisch gedeutet, gewichtet und bewertet. Eine zu aufdringliche Ideologisierung ruft Abwehr und Distanzierung hervor. Die Firmenideologie wird nur in dem Ausmaß in der Belegschaftskultur reproduziert, wie die Mitarbeiter einen Nutzen daraus ziehen (vgl. Wittel [Belegschaftskultur] 316f., 318). Die Gefahr einer Manipulation und Totalkontrolle der Mitarbeiter ist schon deshalb nicht allzu groß, weil Kultur nicht mechanistisch hergestellt werden kann. Die Thematisierung der Kultur kann zudem zu einer Reflexion der „Selbstverständlichkeiten“ führen und gerade dadurch auch Anstöße zu einer Kurskorrektur geben, die für die Mitarbeiter vorteilhaft ist. Ein als offener, partizipativer Prozess gestalteter Kulturwandel ist von daher als begrenzt machbar und u.U. durchaus wünschbar anzusehen (vgl. Schreyögg [Unternehmenskulturen] 165f.). In der Organisationsberatungspraxis machen sich v.a. die Fachleute für Organisationsentwicklung die Erkenntnisse des interpretativen Ansatzes zu Nutze. (2) Organisationsforschung Wollnik ([Organisation]) beschreibt, wie er mit seinen Versuchen, die Organisationsstruktur verschiedener Unternehmen systematisch-vergleichend zu messen, gescheitert ist. Was z.B. durch strukturierte Befragung ermittelt wurde, war nicht die „wirkliche“ Organisation, wie sie die Organisationsmitglieder selbst erlebten, sondern ein „Artefakt“ - also ein Kunsterzeugnis - welches nur durch die Befragung geschaffen wurde. Unstrukturierte offene Gespräche mit den Organisationsmitgliedern brachten zutage, dass sich die formalorganisatorischen Verhältnisse für verschiedene Subjekte sehr unterschiedlich präsentieren können und dass es darum sehr schwer ist, die Organisation in objektiven Messwerten valide darzustellen. Nach seiner Meinung erfassen qualitative Methoden die organisatorische Wirklichkeit besser (vgl. [Verhältnis] 57). Auch Schein (vgl. [Culture] 122, 135) stellt fest, dass zwei Unternehmen mit identischer messbarer Struktur aufgrund einer unterschiedlichen Kultur eine sehr unterschiedliche geltende Ordnung haben können. Und auch er schließt daraus, dass sehr formalisierte, auf eine quantitative Auswertung hin konzipierte Erhebungsmethoden nur sehr oberflächlich erfassen, welche Ordnung in einem Unternehmen tatsächlich gilt. Die interpretativen Ansätze haben sich z.T. sehr dezidiert von einer „positivistischen“ oder „objektivistischen“ Forschungstradition abgewandt und lehnen <?page no="209"?> 184 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze auch die entsprechenden Forschungsmethoden ab. Diese radikale Ablehnung der Möglichkeit objektiver wissenschaftlicher Erkenntnis wird hier nicht geteilt. Offensichtlich ist aber auch eine gesunde Skepsis angebracht, was die Möglichkeiten objektiver Organisationsmessung betrifft. Sowohl die Perspektive des Forschers, seine vorgefassten Meinungen, seine Interessen, sein Menschenbild, als auch die Operationalisierungen und eingesetzten Methoden - also alle seine „Wahrnehmungsfilter“ - haben einen Einfluss auf die Ergebnisse. Es ist das Verdienst der interpretativen Ansätze, diese Einflüsse verdeutlicht und das Spektrum der Forschungsmethoden erweitert zu haben. 11 Der Selbstorganisationsansatz Vertreter Quellen Metapher Die Organisation wird verglichen mit einem Organismus, einer Pflanze, einem Laserstrahl. H. von Foerster H. Haken H. R. Maturana F. J. Varala F. A. von Hayek G. J. B. Probst E. Göbel H. von Foerster: Über selbstorganisierende Systeme und ihre Umwelten, 2. A., 1994 H. Haken: Erfolgsgeheimnisse der Natur, 3. A., 1983 H. R. Maturana und F. J. Varela: Der Baum der Erkenntnis, 1987 F. A. von Hayek: Recht, Gesetzgebung und Freiheit, 1980 G. J. B. Probst: Selbst- Organisation, Ordnungsprozesse in sozialen Systemen aus ganzheitlicher Sicht, 1987 E. Göbel: Theorie und Gestaltung der Selbstorganisation, 1998 Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist ein dynamisches, komplexes, soziales und formales, offenes und zielorientiertes System. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll die Deutungen und Handlungsweisen der Organisationsmitglieder in gewünschter Weise normieren. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch Fremdorganisation, aber auch durch autonome und autogene Selbstorganisation. <?page no="210"?> Der Selbstorganisationsansatz · 185 Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Der Mensch verfolgt ein aufgeklärtes Selbstinteresse. Er ist begrenzt rational, aber lernfähig. Induktion; Analogiebildung; Phänomenologie, Hermeneutik; Empirische Forschung durch Fallstudien • Organisation autonomer Selbstorganisation • Überlegungen zu Steuerungsmöglichkeiten autogener Prozesse 11.1 Vertreter und wichtige Quellen Für den Selbstorganisationsansatz steht die Frage im Vordergrund, wie Ordnung in dynamischen komplexen Systemen - wie bspw. Unternehmen - entsteht. „Selbstorganisation“ ist ein Begriff, der in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt wird. Paslack und Knost ([Geschichte]) stellen in ihrer Geschichte der Selbstorganisationsforschung fest, dass die Ursprünge dieses Ansatzes v.a. in den Naturwissenschaften zu suchen sind. Heinz von Foerster (Systemtheorie und Kybernetik), Hermann Haken (Synergetik) sowie Humberto R. Maturana und Francesco J. Varela (Autopoiese) sind wichtige Vertreter naturwissenschaftlich orientierter Selbstorganisationskonzepte. Diese Naturwissenschaftler (Physiker, Biologen, Mathematiker) sehen die Möglichkeit der analogen Übertragung ihrer Erkenntnisse auf sozialwissenschaftliche Fragen (vgl. Foerster [Systeme] und [Prinzipien]; Haken [Erfolgsgeheimnisse] 133ff.; Maturana/ Varela [Erkenntnis] 221ff.). Neben den naturwissenschaftlichen Urkonzepten gibt es auch ein originär ökonomisches, nämlich von Hayeks Konzept der „spontanen Ordnung“ (vgl. Hayek [Studien] und [Recht]).Von Hayek beruft sich wiederum auf frühere ökonomische Denker, v.a. auf Adam Smith und seine Idee von der „unsichtbaren Hand“. In die betriebswirtschaftliche Organisationstheorie wurde der Selbstorganisationsansatz v.a. von Probst eingebracht (vgl. [Selbst-Organisation] und [Selbstorganisation]). Die folgenden Ausführungen stützen sich v.a. auf Göbel ([Selbstorganisation]). 11.2 Organisationsbegriff und Metapher Im Zentrum des Selbstorganisationsansatzes steht der prozessorientierte Organisationsbegriff. Gefragt wird nach den Prozessen der Ordnungsbildung in natürlichen und sozialen Systemen. Ordnung in sozialen Systemen meint, dass man richtige oder doch zumindest wahrscheinlich richtige Erwartungen bezüg- <?page no="211"?> 186 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze lich des Verhaltens der Systemmitglieder bilden kann (vgl. Hayek [Recht] 57). Die Ordnung erzeugt die notwendige Konsistenz, Konstanz und Verlässlichkeit, ohne die kein Glied der Gesellschaft seine Ziele wirksam verfolgen könnte. Idealtypisch wird die Ordnungsbildung in Unternehmen als rationale Fremdorganisation konzipiert. Ein bestimmtes Subjekt (der Organisator) plant bewusst eine optimale Organisationsstruktur, die für die Organisationsmitglieder verbindlich ist und auch von ihnen umgesetzt wird. Sie legt v.a. fest, wer, was, wann, wie und womit zu tun hat. Die Ordnung im Unternehmen wird als künstliche Ordnung verstanden, die von einem Ordner angeordnet wird und in welcher das Prinzip von Befehl und Gehorsam gilt (vgl. Hayek [Recht] 59). Mit dem Begriff der Selbstorganisation wird dieser Vorstellung insofern widersprochen, als behauptet wird, dass es daneben noch andere Prozesse der Ordnungsbildung gibt. Je nachdem, wer oder was als ordnende Kraft angesehen wird, können zwei Arten von selbstorganisierenden Prozessen unterschieden werden: • Autonome Selbstorganisation: Ordnung entsteht „selbstbestimmt“ durch die Organisationsmitglieder. Bei entsprechendem Handlungsspielraum können alle Organisationsmitglieder an der sie betreffenden Ordnung mitwirken. • Autogene Selbstorganisation: Ordnung entsteht „von selbst“ durch die Eigendynamik komplexer dynamischer Systeme. Ohne bewusste menschliche Planung entstehen „spontan“ bestimmte Regelmäßigkeiten und Muster. Das Ergebnis fremd- und selbstorganisierender Prozesse ist die Ordnung, die ein Unternehmen hat. Diese Ordnung geht über die Organisationsstruktur hinaus und umfasst auch jene Verhaltensregeln und Denkmuster, die gemeinhin zur Organisationskultur gerechnet werden. Die Ordnung, die ein Unternehmen tatsächlich hat, erschöpft sich nicht im offiziellen Strukturbauplan. Bildhaft verglichen werden die autogenen Selbstorganisationsprozesse häufig mit natürlichen Prozessen. Von Hayek illustriert sein Konzept der spontanen Ordnungsbildung mit Beispielen wie der Bildung eines Kristalls aus bestimmten Ausgangselementen oder dem Wachstum einer Pflanze (vgl. [Studien] 35). Für Haken ([Erfolgsgeheimnisse] 134f.) sind die Ordnungsbildungsprozesse in der Wirtschaft vergleichbar mit den physikalischen Vorgängen bei der Entstehung von Laserlicht. Auch die für lebendige Systeme typische Autopoiese wird gerne herangezogen, um die Entstehung von Ordnung in sozialen Systemen zu modellieren (vgl. Luhmann [Autopoiesis]; Lipp [Autopoiesis]; Kirsch/ Knyphausen <?page no="212"?> Der Selbstorganisationsansatz · 187 [Unternehmungen]). Schließlich wird auch die Ähnlichkeit mit evolutionären Prozessen hervorgehoben (vgl. Malik [Evolution]; Kirsch [Handeln]). Diese Vergleiche zeigen eine starke Anlehnung der Organisationstheorie an die Naturwissenschaften, wie sie auch bei älteren Ansätzen schon festgestellt wurde (z.B. Bürokratieansatz, Taylorismus). In den älteren Ansätzen war aber das Referenzmodell für die Organisation die Maschine, welche ingenieurhaft perfekt konstruiert werden kann. Im Rahmen des Selbstorganisationskonzeptes ist der Vergleich der Organisation (im institutionellen Sinne) mit einem Organismus bzw. einem „lebensfähigen System“ vorherrschend (vgl. Probst [Selbst- Organisation] 59). Von Foerster benutzt zwar die Metapher der „Maschine“, ist aber dennoch weit von einem technokratischen Machbarkeitsglauben entfernt. Für ihn ist die Organisation ein komplexes Netzwerk interagierender „nichttrivialer Maschinen“, deren Verhalten analytisch indeterminierbar und unvorhersagbar ist (vgl. [Prinzipien] 247ff.). Die Folge selbstorganisierender Prozesse ist die begrenzte zielgerichtete Gestaltbarkeit der Organisation. So wie man einer Pflanze nur günstige Wachstumsbedingungen bieten kann, kann auch die Ordnung im Unternehmen nicht vollkommen hergestellt, sondern nur „begünstigt“ werden. 11.3 Zentrale Aussagen 11.3.1 Autonome und autogene Ordnungsbildung „Ordnung ist für einfach denkende Menschen das Ergebnis der ordnenden Tätigkeit eines ordnenden Wesens“, stellt von Hayek fest ([Studien] 32f.). Die offensichtliche Funktionalität der Ordnung verführt zu dem Irrtum, Ordnung sei immer von einer Autorität mit Weisungsgewalt geschaffen und müsse von dieser aufrechterhalten werden (vgl. Hayek [Recht] 47). Vor allem die Organisation sozialer Systeme wird als planvoll und bewusst hergestellte, künstliche Ordnung verstanden. Idealtypisch wird die Organisation von einer zentralen Instanz gebildet, welche alle Elemente an bestimmte Stellen setzt und die Bewegungen dieser Elemente durch Befehle leitet. Allerdings kann auf diese Weise nur eine Ordnung der „allereinfachsten Art“ (Hayek [Studien] 41) entstehen, weil sie nur das Wissen eines einzelnen Verstandes benutzt. (1) Autonome Ordnungsbildung Schon bei etwas komplexeren Organisationen müssen die direkten Anweisungen ergänzt werden durch Regeln, welche Aufgaben und Methoden nur allgemein vorgeben und die Einzelheiten dem Wissen und Können der Individuen <?page no="213"?> 188 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze überlassen. Der Organisator muss dafür sorgen, dass die Individuen von Wissen Gebrauch machen, das er selbst nicht besitzt. Die Organisationsmitglieder ergänzen dann offen gelassene Details im Lichte der zugewiesenen Funktionen und Zwecke und gewinnen damit begrenzte Autonomie. Die „Lücken“, welche die Befehle lassen, werden mit zunehmender Komplexität der Organisation größer, mit der Folge, dass autonome Ergänzungen der Anweisungen immer wichtiger werden. Ein gewisses Maß an autonomer Selbstorganisation (Selbstbestimmung) ist unumgänglich. Heute ist man allgemein der Ansicht, die autonome Selbstorganisation solle nicht nur eine „Lückenbüßerfunktion“ haben, sondern gezielt und bewusst gefördert werden, indem der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Organisationsmitglieder - besonders auch der unteren Hierarchieebenen - erweitert wird. Davon verspricht man sich Effizienzvorteile wie eine höhere Flexibilität, größere Schnelligkeit in den Abläufen und eine bessere Ausnutzung der Humanressourcen. Die größere Selbstbestimmung entspricht außerdem Forderungen nach einer Humanisierung der Arbeitswelt, wie sie schon lange gestellt werden. (2) Autogene Ordnungsbildung Komplexe Organisationen müssen sich zudem „auf jene überpersönlichen selbstorganisierenden Kräfte“ (Hayek [Recht] 79) verlassen, die spontane Ordnung schaffen. In jeder Organisation entstehen auch Verhaltensmuster und Regeln „von selbst“, sie „emergieren“, „evolvieren“ oder „wachsen“. Diese autogene Selbstorganisation ist das Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs (Hayek [Studien] 97ff.). Die Bewertung dieser autogenen Selbstorganisation fällt unterschiedlich aus. Man kann optimistisch auf die immanente Rationalität solcher selbstorganisierender Prozesse hoffen. Während dem bewussten Organisieren die Funktionalität abgesprochen wird, besteht zugleich die Hoffnung auf die selbsttätige (etwa evolutionäre) Entstehung einer funktionalen Ordnung im Unternehmen. Wenn man überhaupt eine Gestaltungsempfehlung ausspricht, dann lautet diese: „Behandle das System mit Respekt“ (Probst [Selbst-Organisation] 114). Werden negative Aspekte der autogenen Selbstorganisation betont, etwa die selbst organisierte Einengung des Blickfeldes durch unhinterfragte mentale Modelle oder die selbst organisierte Reduktion der Handlungsalternativen durch Routinen, Gewohnheiten und Spielregeln, dann ist das Anliegen, selbstorganisierende Prozesse zu reflektieren, zu kritisieren und zu kanalisieren (vgl. Abb. 6-12). <?page no="214"?> Der Selbstorganisationsansatz · 189 Ordnung entsteht „von selbst“ (autogen): • Die immanente Rationalität selbstorganisierender Prozesse führt zu wünschbaren Ergebnissen. Eine Gestaltung ist nicht nötig. Grundsatz: Respektiere die Selbstorganisation! • Durch selbstorganisierende Prozesse entstehen unerwünschte, schädliche Muster, die man beeinflussen möchte. Grundsatz: Kanalisiere die Selbstorganisation! Ordnung entsteht „selbstbestimmt“ (autonom): • Bei entsprechendem Handlungsspielraum können alle Organisationsmitglieder selbst an der sie betreffenden Ordnung mitwirken. Die entstehende Ordnung wird dadurch den Bedürfnissen der Betroffenen besser angepasst und effizienter. Grundsatz: Kreiere die Selbstorganisation! Abb. 6-12: Unterschiedliche Auffassungen von Selbstorganisation Selbstorganisation kann zusammenfassend als teils erwünschte, teils unerwünschte, autonome und autogene Ordnungsbildung in Unternehmen umschrieben werden. 11.3.2 Normierungsbereiche Damit Handlungswiederholungen und demzufolge -erwartungen entstehen, können Normen definiert werden i.S. verbindlicher Regeln und Standards, welche bestimmte Möglichkeiten ausschließen und damit Komplexität reduzieren und Ordnung schaffen (vgl. Bahrdt [Schlüsselbegriffe] 48ff.). Statt von Ordnungsbildung kann man also auch von „Normierung“ sprechen. Normen als Handlungsorientierung bzw. Handlungsregulative von Einzelnen und Gruppen können sich auf unterschiedliche Inhalte beziehen. Die betriebswirtschaftliche Organisationslehre befasst sich traditionell mit Normen des Aufbaus und des Ablaufs betrieblicher Prozesse im „technischen“ Sinne. Jedes Organisationsmitglied soll wissen, wer, was, wann, wo und womit zu tun hat, wer wem Weisungen erteilen darf, wer sich mit wem worüber abzustimmen hat usw. Diese Normen werden zum größten Teil fremdorganisiert. Bei entsprechender Autonomie der Mitarbeiter können sie aber auch von den Betroffenen selbst bestimmt werden. <?page no="215"?> 190 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Die strukturellen Positionen mit den jeweiligen Aufgaben definieren jedoch alleine nicht erschöpfend die geltende Ordnung. Hinzu kommt die Art und Weise, wie die Positionen tatsächlich ausgefüllt und „gelebt“ werden. Da die Organisationsstruktur über diese „menschliche“ Seite der Aufgabenerfüllung nichts aussagt, müssen soziale Handlungsnormen die technischen Aufbau- und Ablaufnormen ergänzen. Um eine ganz bestimmte, erwünschte Art des Umgangs miteinander zu erreichen, wurden in jüngerer Zeit in vielen Unternehmen explizit solche Normen, z.B. Führungsrichtlinien, erlassen. Der Vorgesetzte soll bspw. überzeugen statt befehlen, die Abteilungen sollen miteinander kooperieren, Informationen offen austauschen, solches und Ähnliches wird in diesen Richtlinien postuliert. Im Widerspruch zu diesen offiziellen Normen oder auch in Ergänzung dazu entwickeln sich aber auch viele soziale Handlungsnormen „von selbst“. Diese „heimlichen Spielregeln“ (Scott-Morgan [Spielregeln]) erweisen sich häufig als kontraproduktiv. In vielen Unternehmen gehört es bspw. zu den unausgesprochenen Regeln, dass man Informationen für sich behält, um Herrschaftswissen anzuhäufen, dass man andere Abteilungen als „Feinde“ im Kampf um Ressourcen behandelt, dass kurzfristige Erfolge mehr zählen als langfristige und dass Fehler auf keinen Fall zugegeben werden. Basis für die sozialen Handlungsnormen ist eine bestimmte Denkweise, ein mentales Modell der Organisationswirklichkeit, welches als Wahrnehmungsfilter die Interpretationen der Organisationsmitglieder beeinflusst. Auch diese Interpretationen der Organisationswirklichkeit sollen normiert werden. In sog. Unternehmensleitbildern oder -philosophien kann man den Versuch sehen, die Wahrnehmungen der Organisationsmitglieder zielgerichtet zu vereinheitlichen. Es werden Deutungsnormen angeboten, z.B. über Sinn und Zweck der Unternehmung, die zentralen Werte, die Bedeutung des Menschen und Ähnliches. Wie schon früher - bei der Frage nach der Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur - diskutiert wurde, ist allerdings in diesem Bereich eine gezielte Gestaltung besonders schwierig. Deutungsnormen organisationaler Wirklichkeit entstehen zum größten Teil „autogen“. Die autonomen und autogenen Selbstorganisationsprozesse beziehen sich also inhaltlich auf drei unterschiedliche Normierungsbereiche: • Die Deutung der Organisationswirklichkeit, • das soziale Handeln sowie • die Aufbau- und Ablauforganisation im technischen Sinne. Die selbst organisierten Normen können die Fremdorganisation ergänzen (Komplement), korrigieren (Korrektiv) oder stören (Störfaktor). Abb. 6-13 gibt <?page no="216"?> Der Selbstorganisationsansatz · 191 zusammenfassend wieder, nach welchen Merkmalen unterschiedliche Formen der Selbstorganisation unterschieden werden können. Typische Merkmalskombinationen sind: • Die autonome Organisation des Ablaufs betrieblicher Prozesse, welche Lücken der Fremdorganisation sinnvoll schließt. • Die autonome Umgehung des vorgeschriebenen Dienstweges, welche die Fremdorganisation u.U. korrigiert. • Die autogene Entwicklung von Spielregeln menschlichen Umgangs, welche sich als Störfaktor hinsichtlich der Zusammenarbeit erweisen. • Die autogene Entwicklung einer geteilten „Weltsicht“, welche die Koordinationsinstrumente ergänzt. Normierungsbereiche: • Deutung der Organisationswirklichkeit • Soziales Handeln • Aufbauorganisation und Ablauf betrieblicher Prozesse Entstehung der Normen: • Autonom • Autogen Verhältnis Selbstorganisation zu Fremdorganisation: • Komplement • Korrektiv • Störfaktor Abb. 6-13: Merkmale zur Beschreibung von unterschiedlichen Formen der Selbstorganisation Diese Überlegungen weisen in zweifacher Hinsicht auf einen Gestaltungsbedarf hin: • Sofern die Selbstorganisation die Fremdorganisation sinnvoll ergänzt und korrigiert, sollte sie bewusst ermöglicht werden. • Störende Effekte selbstorganisierender Prozesse sollten zugleich erkannt und nach Möglichkeit eingedämmt werden. Es wird also eine - zunächst paradox anmutende - Organisation der Selbstorganisation gefordert. Damit die Organisationsmitglieder Aufbau- und Ablaufnormen selbst bestimmen können, müssen die bisher gültigen Normen <?page no="217"?> 192 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze außer Kraft gesetzt und verändert werden. Eine Fremdorganisation, welche etwa steile Hierarchien abschafft oder allgemein gesprochen die Unternehmung „entbürokratisiert“, bereitet der autonomen Selbstorganisation den Weg. Die Erweiterung der Handlungsspielräume der Organisationsmitglieder, welche heute modisch als „Empowerment“ bezeichnet wird (vgl. S. 398ff.), passt im Grunde nahtlos zu traditionellen organisationstheoretischen Annahmen. Die im Anschluss an den Human-Relations-Ansatz entwickelte „Soziotechnik“ hat bereits vor fünfzig Jahren einige organisatorische Maßnahmen empfohlen, die heute wieder ganz modern klingen, (z.B. die Einrichtung teilautonomer Gruppen, Mehrfachqualifikation durch Job Rotation). Heute wird allerdings der potenzielle Effizienzgewinn durch die größere Selbstbestimmung der Mitarbeiter stärker betont als der damals vorherrschende Humanisierungsgedanke. Prekärer erscheint eine Organisation der autogenen Selbstorganisation. Kann man überhaupt in Prozesse eingreifen, die „von selbst“ ablaufen? Die Antwort lautet: „Man kann, wenn man die autogenen Prozesse richtig versteht.“ Wird der Entstehungsprozess heimlicher Spielregeln etwa als Lernprozess verstanden, dann ist zu fragen, inwiefern eine unerwünschte soziale Norm vom Unternehmen „belohnt“ und insoweit „gelehrt“ wird. Wird ein Evolutionsprozess unterstellt, könnte empfohlen werden, mehr Varianten im Verhalten zuzulassen und die geltenden Selektionsmechanismen zu hinterfragen. 11.4 Menschenbild Eine erste zentrale Annahme ist die der begrenzten Rationalität des Menschen. Das menschliche Denk-, Urteils- und Problemlösungsvermögen ist begrenzt; der Mensch kann nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten. Vor allem von Hayek geißelt immer wieder die Hybris des Menschen, die ihn an der Fiktion festhalten lässt, alles zu wissen, um eine wünschenswerte Ordnung mit allen Einzelheiten aus einem Guss zu errichten (vgl. [Recht] 30 und passim). Obwohl uns die begrenzte Rationalität heute weniger als Annahme, denn als unumstößliche Tatsache erscheint, war das Bild des Organisators und der Führungskraft lange Zeit von der Prämisse geprägt, dass bestimmte, besonders geeignete Menschen mit überlegenem Wissen die anderen, die nichts wissen, detailliert lenken und anweisen müssen. Während zunächst das Defizitäre des begrenzten Wissens in den Vordergrund trat, zeichnet sich mit der Selbstorganisation, v.a. in der Form der Selbstbestimmung, eine neue Interpretationsmöglichkeit ab: Alle wissen etwas! „Wissen aller statt Allwissenheit weniger“ lautet plakativ formuliert die moderne Version der Annahme der begrenzten Rationalität. <?page no="218"?> Der Selbstorganisationsansatz · 193 Die zweite wichtige Verhaltensannahme ist die des Selbstinteresses des Menschen. Der Begriff „Selbstinteresse“ soll nicht abwertend i.S. von Egoismus aufgefasst werden. Die Menschen sind bei ihren Handlungen in bestimmter Weise motiviert, und sie wollen ihre Bedürfnisse erfüllen. Wie die Triebfedern des Handelns aussehen, darüber allerdings besteht große Uneinigkeit. Ob der Mensch Arbeit sucht oder meidet, ob er v.a. nach materiellen Dingen strebt oder nach sozialen Kontakten und Selbstentfaltung, ob er Verantwortung ablehnt oder wünscht, ob er neugierig ist und gerne lernt oder das Lernen routiniert vermeidet, all das ist ebenso umstritten wie die Art und Weise, in welcher der Einzelne sein Selbstinteresse durchsetzt. Das Bild vom Selbstinteresse des Menschen prägt ganz entscheidend die Gestaltung von Organisation und Führung mit. Wenn die Mitarbeiter für faul, verantwortungsscheu, desinteressiert, passiv und opportunistisch gehalten werden, sind einfachste Arbeiten, Anordnung, Überwachung, Zwang, Kontrolle und Strafandrohung die effektiven Mittel zur Verhaltensbeeinflussung. Umgekehrt passt zum Modell der Selbstbestimmung nur eine Vorstellung vom Selbstinteresse der Mitarbeiter an Autonomie, Weiterentwicklung, Verantwortungsübernahme, Initiative, vielfältiger Tätigkeit, Herausforderungen, Lernen, Gruppenintegration und partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Außerdem schließt das Selbstinteresse Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit nicht aus. Ein solches „aufgeklärtes“ Selbstinteresse, welches von Mitgefühl, Gewissenhaftigkeit und Rechtschaffenheit begleitet wird, hatte auch Adam Smith (1723-1790) schon vor Augen, als er sein Konzept der unsichtbaren Hand entwickelte. Der vernünftige Mensch erkennt, dass er als Mitglied der Gesellschaft sein Eigeninteresse nur innerhalb der kollektiven Normen und Regeln ausüben kann, die auch die Interessen der anderen berücksichtigen. Bei den Menschenbildern der älteren Ansätze wird der Mensch gerne im Hinblick auf seine kognitiven Fähigkeiten überschätzt (er hat das notwendige Wissen für umfassende, optimale Gestaltung) und charakterlich unterschätzt (er ist träge, inaktiv, verantwortungsscheu, opportunistisch), wobei implizit zwei Gruppen von Menschen unterschieden werden. Die allwissenden und auch aktiven, verantwortungsvollen, ehrgeizigen Führungskräfte und die faulen und zugleich unwissenden Mitarbeiter. Besonders deutlich wird dies z.B. bei Taylor, der absichtliche Minderleistung, Bummelei, Schlendrian und sogar Sabotage für das normale Mitarbeiterverhalten hielt. Mit der Selbstorganisation sind die gegenteiligen Annahmen verbunden. Alle, Führungskräfte wie Mitarbeiter, haben nur begrenztes Wissen, aber alle haben eben auch Wissen, welches die Unternehmung nutzen kann. Und allen wird das Vertrauen entgegengebracht, dass sie zu Weiterentwicklung, vielfältiger Tätigkeit, Verantwortungsübernahme, <?page no="219"?> 194 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Eigenständigkeit und Engagement bereit sind, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. 11.5 Methoden Die Selbstorganisationsforschung schöpft aus vielerlei Quellen. Die Vertreter der naturwissenschaftlichen Urkonzepte stellen systematische Beobachtungen an, machen Modellanalysen und Experimente. Typischerweise werden die Erkenntnisse durch Analogieschlüsse auf andere Erkenntnisgegenstände ausgedehnt. Haken beschreibt die Ergebnisse seiner Laserlicht-Experimente mit Begriffen, die dem Bereich des Sozialen entlehnt sind. Die Lichtwellen werden von einem „Ordner“ zu einem einheitlichen Rhythmus „versklavt“. Außerdem überträgt er die Ergebnisse seiner Laserforschung analog auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen (vgl. [Erfolgsgeheimnisse] 68, 134ff., 157ff.). Umgekehrt bedienen sich auch die Sozialwissenschaftler gerne naturwissenschaftlicher Begriffe und Beispiele. Ein Unternehmen wird als autopoietisches System, als Organismus, als Spezies oder als Ökosystem beschrieben. Dass die Grenzen zwischen den einzelwissenschaftlichen Disziplinen verschwinden, ist typisch für die Selbstorganisationsforschung. Auf der Suche nach der „einheitlichen Weltschau“ (Haken [Erfolgsgeheimnisse] 16) werden die Forschungsergebnisse von einer naturwissenschaftlichen Disziplin auf die andere übertragen sowie auf philosophische, wirtschaftliche, soziologische, ästhetische und ethische Fragen. Mit den Methoden der vergleichenden empirischen Organisationsforschung lässt sich am ehesten im Bereich der autonomen Selbstorganisation arbeiten. Ob ein Unternehmen z.B. teilautonome Gruppenarbeit eingeführt hat, welche Entscheidungen in den Gruppen autonom gefällt werden dürfen und ob damit Effizienzvorteile erreicht werden, lässt sich vermutlich einigermaßen valide und objektiv messen. Peters ([Hierarchien]) dokumentiert zahlreiche Praxisbeispiele, in denen durch die Einrichtung selbstbestimmter Teams die Auftragsbearbeitung beschleunigt, die Produktion gesteigert, die Qualität verbessert und die Kosten gesenkt wurden. Allerdings dürfen seine Beobachtungen sicher nicht ohne weiteres verallgemeinert werden, weil er bewusst jene Fälle beschreibt, die seine These stützen. Ungleich schwieriger gestaltet sich die empirische Forschung im Bereich der autogenen Selbstorganisation. Die Komplexität des Forschungsgegenstandes führt dazu, dass eher tief gehende Fallstudien einzelner Unternehmen gemacht werden als breit angelegt Querschnittstudien. Bei diesen Fallstudien werden typischerweise lange, unstrukturierte Interviews geführt und Beobachtungen angestellt, die dann auf der Basis bestimmter Modellvorstellungen (Lerntheorie, <?page no="220"?> Der Selbstorganisationsansatz · 195 Synergetik) interpretiert werden (vgl. z.B. Scott-Morgan [Spielregeln] und Beisel [Synergetik]). Mit welchem Aufwand die empirische Erfassung autogener Organisationsprozesse verbunden sein kann, zeigen die schon beschriebenen Hawthorne-Studien zur sog. informalen Organisation (vgl. S. 80f.). Da der Erkenntnisgegenstand dem der Unternehmenskultur ähnelt, können im Prinzip alle Methoden der „Kulturforschung“ auch im Bereich der Selbstorganisationsforschung eingesetzt werden. Auch der Rekurs auf persönliche Erfahrungen und das „Alltagswissen“ ist erlaubt. 11.6 Aktuelle Bedeutung (1) Gestaltung der autonomen Selbstorganisation Wie bereits erwähnt, kann und muss mehr Selbstbestimmung der Organisationsmitglieder im Vorfeld fremdorganisatorisch ermöglicht werden. Gestaltungsempfehlungen weisen in zwei Richtungen: • Hemmnisse der Selbstorganisation sind abzubauen. • Innovative, die Selbstorganisation fördernde Strukturen sind aufzubauen. Bürokratie und Taylorismus gelten als Prototypen fremdbestimmter Organisationsmodelle. Entsprechend wird postuliert, die typischen bürokratischen bzw. tayloristischen Strukturmerkmale in der Unternehmung abzuschaffen. Weniger Arbeitsteilung, Abflachung der Hierarchie, Abbau formaler Regeln und Vorschriften, Zusammenfügen von Denken und Handeln, kompetentes Mitarbeiten statt blindem Gehorsam, so oder ähnlich lauten die zentralen Forderungen. Zwei Basisbausteine für Organisationsstrukturen, die Selbstorganisation ermöglichen, sind die Prozessstruktur und die Gruppenstruktur. Mit der Prozessorganisation sollen größere, zusammenhängende Aufgabenkomplexe geschaffen und die Arbeitsteilung zurückgenommen werden. Die Prozesse, die sehr viel umfassender sind als die Stellenaufgaben alten Zuschnitts, werden auf Gruppen übertragen, die sie dann mehr oder weniger autonom abwickeln. Je nach Freiraum können die Gruppenmitglieder selbst über die Arbeitsteilung, den Arbeitsablauf, die Arbeitszeit und Ähnliches entscheiden, selbst einen Gruppensprecher wählen, evtl. sogar selbst Investitions- und Personalentscheidungen treffen. Bildlich werden die notwendigen Veränderungen in der Weise illustriert, dass ein Wandel von einer „Palastorganisation“ zu einer „Zeltorganisation“ stattfinden müsse. Diese Metapher geht auf einen Aufsatz von Hedberg u.a. ([Cam- <?page no="221"?> 196 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze ping]) zurück. Merkmale einer Zeltorganisation sind kleine autonome Einheiten, Mehrfachqualifikation der Mitglieder, überlappende Aufgaben, instabile Rollen- und Statusverteilung, offene, kontroverse Kommunikation, Flexibilität, Kreativität, Initiative und partizipative Führung. Von der Umstrukturierung erhofft man sich zugleich einen Wandel im Denken: Aufgeschlossenheit, Änderungsbereitschaft, Zukunftsorientierung und Offenheit für Umweltentwicklungen sollen das für „Paläste“ typische Stabilitäts- und Verteidigungsdenken ablösen. (2) Gestaltung der autogenen Selbstorganisation Die Möglichkeiten, auf die autogene Selbstorganisation einzuwirken, hängen v.a. davon ab, wie der Prozess der Normenbildung rekonstruiert wird: Entstehen die Normen durch Evolution, dann ist zu fragen, in welchem Umfang Variationen bisheriger Normen zugelassen werden, auf welche Weise eine Selektion der Normen stattfindet und wie die selektierten Normen bewahrt werden. Ein „systemisch-evolutionäres Management“ (Königswieser/ Lutz [Management]) versucht, die Evolution zu lenken, indem die Varietät des Systems bewusst erhöht wird, die geltenden Selektionsmechanismen überdacht und verändert werden und reflektiert wird, was zu bewahren ist. Versteht man den Prozess der Ordnungsbildung als Lernprozess, dann ist v.a. zu fragen, was die Unternehmung „lehrt“. Damit gewinnt man zugleich Anhaltspunkte für eine Gestaltung des Lernkontextes mit dem Ziel, wünschbares Verhalten zu belohnen und somit „von selbst“ zur Norm werden zu lassen. Wenn sich eine „gute“ Ordnung im Unternehmen von selbst einstellen soll, dann muss die Befolgung der ordnungsstiftenden Normen für die Mitarbeiter vorteilhaft werden. In vielen Unternehmen werden zwar in den Unternehmensleitbildern und Unternehmensrichtlinien bestimmte Denkweisen und Verhaltensregeln postuliert, tatsächlich honoriert wird aber ein ganz anderes Denken und Verhalten. Solange das Anreiz- und Motivationssystem, das Vorbild der Führungskräfte und die Struktur nicht zur offiziellen Handlungstheorie der Unternehmung passen, wird sich immer wieder von selbst ein unerwünschtes Verhalten entwickeln. Die autogenen Prozesse sind häufig dann besonders deutlich und auch störend, wenn ein organisationaler Wandel vollzogen werden soll. Geplante und gelebte Struktur können u.U. lange Zeit auseinanderklaffen, wenn man die autogenen Prozesse unbeachtet lässt. Bei einer Umgestaltung der Organisation hin zu mehr autonomer Selbstorganisation muss sich bspw. zwischen der Führungsspitze und den Mitarbeitern ein größeres Vertrauen entwickeln, als es in klassischen Organisationsmodellen notwendig ist. War das Verhältnis bisher von Misstrauen und Kontrollbedarf geprägt, dann wird sich ein solches Verhalten <?page no="222"?> Der Strukturationsansatz · 197 nicht ohne weiteres von alleine einstellen. Es ist notwendig, sich über die Bedingungen für die Entstehung von Vertrauen klar zu werden und diese entsprechend zu beeinflussen. Vgl. auch Sjurts [Vertrauen] und die Ausführungen zu den Formen des Wandels auf S. 484ff. 12 Der Strukturationsansatz Vertreter Quellen Metapher Anthony Giddens Anthony Giddens: The Constitution of Society: Outline of the Theory of Structuration, Cambridge 1984. Die Organisation wird verglichen mit einem Strom, einer Fahrt mit Haltestellen, einer Region, einer Epoche. Organisationsbegriff institutionell instrumentell prozessorientiert Die Organisation „Unternehmung“ ist eine reflexiv gesteuerte Raum-Zeit- Zone mit den Strukturmomenten Signifikation, Legitimation und Herrschaft. Die Organisation, die eine Unternehmung hat, soll für eine stabile Reproduktion des Systems sorgen. Sie besteht aus Regeln und Ressourcen. Ordnung in der Unternehmung entsteht durch routinierte soziale Praktiken innerhalb eines reflexiv gesteuerten Bezugsrahmens. Menschenbild Bevorzugte Methoden Aktuelle Bedeutung Jeder Mensch ist in Bezug auf soziale Interaktion ein Experte. Menschen handeln in der Regel bewusst und wissen, was sie tun. Hermeneutik, Phänomenologie, Dialektik • Integration theoretischer Ansätze • Bewusstsein für rekursive Zusammenhänge • Probleme des geplanten Wandels • Raum-Zeit-Bezug der Organisation 12.1 Vertreter und wichtige Quellen Die Theorie der Strukturierung, auch Strukturationstheorie genannt, wurde von dem 1938 geborenen britischen Soziologen Anthony Giddens entwickelt. Giddens war Professor für Soziologie in Cambridge und von 1997 bis zu seinem Ruhestand 2003 Direktor der London School of Economics and Political Science. <?page no="223"?> 198 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze In der Organisationstheorie rezipiert wurde vor allem sein Werk „The Constitution of Society, Outline of the Theory of Structuration, Cambridge 1984“ (deutsche Fassung: Die Konstitution der Gesellschaft: Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, Frankfurt M./ New York 1992). Seine methodischen Vorstellungen finden sich insbesondere in dem Werk „New Rules of Sociological Method“, London 1976 (deutsche Fassung: Interpretative Soziologie: Eine kritische Einführung, Frankfurt M./ New York 1984). 12.2 Organisationsbegriff und Metapher Wie der Begriff der „Strukturierung“ schon nahelegt, ist Giddens stark am Prozess der Strukturbildung interessiert. Der prozessorientierte Organisationsbegriff (Organisation als Prozess der Ordnungsbildung) ist bei ihm besonders wichtig. Die Bedeutung, welche er den dynamischen Abläufen zuweist, zeigt sich auch in seinen häufigen Verweisen auf die Zeitlichkeit und Räumlichkeit aller sozialen Phänomene. Als Fluss, Strom, Geschichte oder auch eine Fahrt mit „Haltestellen“ ([Konstitution] 171; alle folgenden Seitenangaben beziehen sich auf dasselbe Buch, sofern nicht ausdrücklich eine andere Quelle genannt wird), so beschreibt er bildlich den Strukturierungsprozess. Struktur wird quasi permanent hergestellt, vor allem durch routinisiertes soziales Handeln (vgl. 36f.). Für Organisationen (im Vergleich zu bloßen Gemeinschaften) ist kennzeichnend, dass die „reflexive Steuerung“ (256) der Strukturbildung eine große Bedeutung hat. Das heißt, es gibt in Organisationen typischerweise „strategisch situierte Akteure“ (80), welche die Bedingungen der Systemreproduktion reflexiv zu regulieren versuchen, entweder, um die Dinge so zu erhalten, wie sie sind, oder um sie zu verändern. Allerdings ist diese bewusste Gestaltung prekär: Routinen können bspw. einen gewünschten Wandel verhindern, die Akteure können sich den Regeln widersetzen und immer kommt es auch zu unbeabsichtigten Folgen von Handlungen. Die im 1. Kapitel dieses Buches mit „Fremdorganisation“ und „Selbstorganisation“ bezeichneten Entstehungsweisen von Struktur finden im Prozess der Strukturierung zusammen. Die Organisation im Sinne einer begrenzten und dauerhaften Institution bzw. eines stabilen sozialen Systems ist angesichts der Betonung des ständigen „Werdens“ von sozialer Struktur für Giddens schwer fassbar. Er hält es sogar für eine Kernfrage der Sozialtheorie, wie sich so etwas wie ein soziales System aus stets flüchtigen und episodenhaften Interaktionen überhaupt konstituieren kann. Soziale Systeme haben für ihn letztlich keine feste Struktur, sondern weisen allenfalls „Strukturmomente“ auf (69), die darin bestehen, dass bestimmte Formen sozialen Verhaltens über längere Zeit permanent reproduziert werden (vgl. 34). Strukturmomente sind „institutionalisierte Aspekte sozialer Systeme“ <?page no="224"?> Der Strukturationsansatz · 199 (240). Nur durch wiederholte Praxis und Erinnerungsspuren der Akteure gewinnen soziale Systeme eine kontinuierliche, überindividuelle Langzeitexistenz über Raum- und Zeitspannen hinweg und eine gewisse Form und Festigkeit. Giddens konstatiert: „Soziale Systeme existieren einzig in der und durch die Kontinuität sozialer Praktiken…“ (137) und werden damit im Grunde virtuell. Sie können dem Einzelnen dennoch auch als äußerlich gegeben (vgl. 224), stabil und objektiv vorhanden (vgl. 231), real und Zwang ausübend (vgl. 388) erscheinen. Zum einen, weil den Handelnden nicht immer bewusst ist, dass sie selbst mit ihren Handlungen die Systeme reproduzieren, zum anderen, weil soziale Systeme mit großer Raum-Zeit-Ausdehnung durchaus eine „Widerstandskraft“ (224) gegen Veränderungen durch einzelne Akteure besitzen. Soziale Systeme sind für Giddens in der Dimension des Raumes vergleichbar mit bestimmten Orten, in der Dimension der Zeit mit bestimmten Epochen. Durch das Einhegen von bestimmten Zonen von Zeit und Raum werden unterschiedliche Sektoren geschaffen für bestimmte routinisierte soziale Praktiken. Giddens nennt das „Regionalisierung“ (171). Beispiel: Eine Interaktion bei einer privaten Einladung und eine Interaktion auf einer Sitzung im Unternehmen finden in verschiedenen Sektoren statt. Für die Akteure bildet der „Sektor“ den Bezugsrahmen für ihr Handeln, d.h. sie kennen die dort herrschenden Regeln, Erwartungen, Sitten, Gewohnheiten, Routinen, Pflichten, Rechte, Rollen, sie beherrschen die entsprechende Gestik, Mimik, Sprache, sie wissen, wie man sich dort angemessen kleidet, spricht, verhält und akzeptieren in der Regel auch die damit verbundene Macht und Herrschaft. Indem sie sich im Bezugsrahmen „regelgerecht“ verhalten, reproduzieren sie das System. Das Unternehmen als Organisation kann so auch als eine bestimmte Raum-Zeit-Zone oder ein Lebenssektor verstanden werden, und zwar als einer, der im Allgemeinen das Handeln der Akteure durch seine Struktur recht straff reguliert, eindeutige Rollen kennt, disziplinierende Macht generiert und damit für eine relativ stabile Reproduktion sorgt. Die Struktur, die ein soziales System aufweist - bei Giddens bestimmt als Menge von Regeln und Ressourcen - kann instrumentell aufgefasst werden als Mittel der „Einbindung“ von Raum und Zeit in soziale Systeme, was diesen Systemen überhaupt erst Stabilität und Form gibt, weil es ihre Reproduktion ermöglicht. Die Struktur institutionalisiert Praktiken (vgl. 74), regelt Interaktionen (vgl. 75), stabilisiert Beziehungen und Erwartungen (vgl. 45), routinisiert das Verhalten und führt damit zu „Strukturmomenten“. Das trägt auch zu einer Beruhigung und Entlastung der Individuen bei, weil Gefühle von Vertrautheit und Seinsgewissheit erzeugt werden (vgl. 75). Die Struktur dient aus Sicht der Strukturgestalter als Mittel der Regulierung und Kanalisierung der Handlungen und damit der Systemreproduktion (oder dem geplanten Wandel). Wie weit die Regulierung gelingt, ist ungewiss. Sieht man die Struktur nur als regionalen Bezugsrahmen für relativ eigenständige und reflektierte Handlungen der Akteure, dann sind Abweichungen von den Vorgaben durchaus zu erwarten. Ob- <?page no="225"?> 200 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze wohl Giddens eindringlich auf die Bedeutung von Macht in sozialen Systemen hinweist (vgl. 337), schätzt er insgesamt die Möglichkeit gering ein, die Akteure tatsächlich in einen Interaktionsrahmen zu „pferchen“ und sie zu gewünschten Handlungen zu zwingen. Ihnen verbleiben seiner Meinung nach selbst unter Zwang immer noch viele Möglichkeiten des Ausweichens und des (passiven) Widerstandes. So ist die Autorität eines Vorgesetzten nicht ein Faktum, welches sich einfach aus dem Stellenplan ergibt, sondern eine Art „Abkommen“ zwischen dem Vorgesetzten und den Untergebenen (191). Auch die kollegiale Zusammenarbeit kann nicht befohlen werden, sondern muss von den Mitarbeitern freiwillig geleistet werden (vgl. 212). Mitarbeiter bleiben auch unter den rigorosesten Formen der Disziplinierung handelnde und lernfähige Menschen und werden nicht zu Automaten (vgl. 209). Zusammenfassend könnte man die nicht immer eindeutige Giddens´sche Terminologie folgendermaßen interpretieren: Mit Hilfe der Struktur (instrumenteller Organisationsbegriff) werden im Prozess der Strukturierung (prozessorientierter Organisationsbegriff) dauerhafte Strukturmomente erzeugt (institutioneller Organisationsbegriff). 12.3 Zentrale Aussagen 12.3.1 Dualität von Struktur Eine zentrale Idee des Strukturierungsansatzes ist die „Dualität von Struktur“ (77ff.). Die Struktur ist einerseits Ergebnis des Handelns von Akteuren und wird quasi permanent produziert. Andererseits ist das Handeln der Akteure immer auch von der schon vorhandenen Struktur beeinflusst. Die Struktur ist „Medium“ (Vermittler) des Handelns, weil sie bestimmte Regeln für das Handeln vorgibt. Damit kommt es zu einer Art Kreislauf. Die vorhandene Struktur wird durch die Handlungen immer wieder hergestellt, reproduziert. Beispiel: Die formale Hierarchie führt dazu, dass der Mitarbeiter den Anweisungen der Vorgesetzten gehorcht (Struktur als Medium). Der Gehorsam bestätigt die Autorität der Vorgesetzten und damit die Hierarchie (Struktur als Ergebnis). Da die Handelnden von der vorhandenen Struktur zwar beeinflusst, aber nicht determiniert sind, und weil es immer auch zu nicht intendierten Handlungsfolgen kommen kann, sind die Strukturen trotzdem nicht statisch. Identische Reproduktion und Wandel können also durch Strukturierung erklärt werden. Dieser Kreislauf aus Struktur - Handlung - Struktur - Handlung usw. kann von der Forschung unterschiedlich „eingeklammert“ werden (342ff.). Man kann erstens die Sequenz Struktur - Handeln in den Vordergrund stellen und untersuchen, wie sich die Akteure auf eine „gegebene“ Struktur beziehen (Struktur <?page no="226"?> Der Strukturationsansatz · 201 als Medium). Sind sich die Akteure des Einflusses der Struktur (diskursiv oder praktisch) bewusst, dann verhalten sie sich strategisch innerhalb der Struktur, spielen bspw. ganz bewusst eine Rolle oder üben bewusst Widerstand aus gegen strukturelle Erwartungen. Echten Zwang übt die Struktur nur dann auf das Handeln aus, wenn die Einflüsse des Bezugsrahmens von den Akteuren unerkannt bleiben. Zweitens kann auch die Sequenz Handeln - Struktur eingeklammert werden, d.h. der Forscher interessiert sich stärker für die strukturbildenden Folgen des Handelns (Struktur als Ergebnis). Auch bei dieser Sequenz kann die Bewusstheit der Akteure unterschiedlich eingeschätzt werden. Die Akteure können die Struktur bewusst reproduzieren oder auch bewusst ändern wollen. Häufig erzeugen sie jedoch auch unintendierte systemstabilisierende oder -ändernde Handlungsfolgen (vgl. 79), die ihnen in der Zukunft wiederum als Handlungsbedingungen begegnen. Um der Dualität von Struktur gerecht zu werden, muss man letztlich beide Sequenzen im Kontext betrachten. Giddens führt als Beispiel eine soziologische Studie zum Verhalten von Arbeiterkindern an, die in einem Armengebiet eine Schule besuchen (vgl. 343ff.). Die Kinder beziehen sich auf die vorgegebene Struktur in der Schule indem sie bewusst Widerstand leisten, die Autorität der Lehrer in Frage stellen, gegen Regeln verstoßen. Die ungewollte Folge davon ist die Reproduktion der Ausgangssituation dieser Kinder. Sie gehen ohne Abschluss von der Schule und bleiben in schlecht bezahlten Arbeiterjobs hängen. Die „sozialen Kräfte“ der Struktur üben ihre Wirkung aus, aber nur vermittels bewusster Handlungen der Akteure und nicht wie ein „Erdbeben“, das als Naturgewalt auf die passiven Akteure einwirkt (235). 12.3.2 Struktur als Regeln und Ressourcen Die Struktur, auf die sich die Akteure beziehen und die sie zugleich hervorbringen, manifestiert sich in der Form von Regeln und Ressourcen. Regeln und Ressourcen sichern die Reproduktion sozialer Systeme, indem sie für stabile soziale Praktiken sorgen. Man kann zwei Aspekte von Regeln unterscheiden: Regeln haben einen normativen Aspekt (vgl. 45), d.h. sie schreiben vor, wie man handeln soll bzw. nicht handeln darf in der sozialen Interaktion. Sie geben „methodische Verfahrensweisen“ für die soziale Interaktion vor, bestimmen Rechte und Pflichten und sanktionieren bestimmte soziale Verhaltensweisen (vgl. 70). Der zweite Aspekt ist der eines „Signifikationscodes“ (45), der etwas über die Situation aussagt, in der der Handelnde sich befindet. Der Handelnde muss den „Sinn“ (70) der Interaktion erfassen, er muss die soziale Situation definieren. Auch <?page no="227"?> 202 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze dabei wendet er Regeln (Deutungsschemata, Stereotype) an. Giddens spricht bewusst nicht von zwei Arten von Regeln, weil ein und dieselbe Regel beide Aspekte aufweisen kann. Die Regel „alle Arbeiter müssen bei Dienstantritt die Stechuhr bedienen“ schreibt bspw. ein bestimmtes Handeln vor (normativer Aspekt), definiert aber auch die Situation des Arbeiters als die eines Menschen, der sich fremder Herrschaft unterwirft. Insofern kann die Regel auch als Signal dafür dienen, dass man sich jetzt in einer industriellen Bürokratie befindet (Signifikationscode). Regeln können ausformuliert, schriftlich fixiert und stark sanktioniert sein, bspw. in Form von Gesetzen oder bürokratischen Vorschriften. Sie können aber auch stillschweigend und informell akzeptiert werden und nur schwach sanktioniert werden, bspw. in Form von Stereotypen, Gewohnheiten und Routinen. Im Alltagshandeln spielen nach Giddens gerade letztere eine viel größere Rolle. Die scheinbar trivialen Verfahrensregeln des täglichen Lebens sind besonders intensiv an der Strukturierung beteiligt (vgl. 74). Von den Ressourcen gibt es ebenfalls zwei Typen: autoritative Ressourcen und allokative Ressourcen (vgl. 45). „Ressourcen sind Medien, durch die Macht … ausgeübt wird“ definiert Giddens (67). Eine solche Machtausübung bezieht sich im Falle autoritativer Ressourcen auf die Herrschaft über Personen, im Falle allokativer Ressourcen auf die Herrschaft über materielle Dinge (vgl. 86). Beide Arten von Ressourcen verleihen den Akteuren, die sie besitzen, ein Gestaltungsvermögen bzw. Einfluss. Wie Giddens betont, darf eine Herrschaftsstruktur dennoch nicht als einseitige Ausübung von Macht verstanden werden, weil immer auch die Unterworfenen die Aktivitäten der Herrschenden beeinflussen (vgl. 67). Giddens nennt das die „Dialektik der Herrschaft“ (67). Zusammenfassend besteht die Struktur also aus Regeln der Sinndeutung (Stereotype, Deutungsschemata, Weltbilder, …), Regeln des sozialen Handelns (Gesetze, moralische Normen, Bräuche, Verfahren, Routinen, …) sowie autoritativen (Hierarchie) und allokativen (Verfügungsrechte) Ressourcen. Man könnte auch von einer kognitiven, einer normativen, einer hierarchischen und einer allokativen Ordnung sprechen (Giddens benutzt diese Begriffe nicht). Abb. 6- 14 verdeutlicht diese Zusammenhänge. Regeln und Ressourcen sind in den Handlungen miteinander verwoben. Damit etwas getan wird, muss zuerst die Situation verstanden werden. Dann muss man wissen, wie in dieser Situation zu handeln ist und man muss die Macht haben, das Gewollte zu tun (bzw. von anderen tun zu lassen). Beispiel: Ein Mitarbeiter in einem Unternehmen deutet den Satz „wir müssen mehr produzieren“ als dienstliche Anweisung des Chefs. Der Chef hat durch die Hierarchie <?page no="228"?> Der Strukturationsansatz · 203 und die Verfügung über materielle Belohnungs- und Bestrafungsmöglichkeiten (Lohnerhöhung, Karriere, Entlassung…) die Macht, das Handeln des Mitarbeiters zu beeinflussen. Der Mitarbeiter weiß, dass es seine Pflicht ist, den Anweisungen Folge zu leisten und dass er das Recht hat, bis zu einem bestimmten Investitionsvolumen neue Maschinen zu kaufen, um die Produktion auszuweiten. Indem er sich auf die Struktur bezieht, reproduziert der Mitarbeiter sie zugleich. Er bestätigt die Rolle des Chefs, dessen Autorität, seine eigenen Pflichten und Rechte und die Besitzverhältnisse, auch wenn ihm diese Folgen nicht immer bewusst sind. Möglicherweise ruft er auch unerwünschte Folgen hervor, weil er die Anweisung unkritisch übernimmt, obwohl sie falsch ist und das Unternehmen in den Konkurs treibt. „Der Handlungsstrom produziert kontinuierlich Folgen, die die Akteure nicht beabsichtigt haben“, konstatiert Giddens (79). Regeln Ressourcen Struktur Regeln der Sinndeutung (kognitive Ordnung) Regeln des Handelns (normative Ordnung) Einfluss auf Personen (hierarchische Ordnung) Verfügung über Dinge (allokative Ordnung) Regeln Ressourcen Struktur Regeln der Sinndeutung (kognitive Ordnung) Regeln des Handelns (normative Ordnung) Einfluss auf Personen (hierarchische Ordnung) Verfügung über Dinge (allokative Ordnung) Abb. 6-14: Struktur als Regeln und Ressourcen Die menschliche Geschichte ist Folge intentionaler Handlungen, aber sie folgt insgesamt dennoch nicht dem menschlichen Entwurf. 12.3.3 Typen von Institutionen Giddens typisiert bestimmte Institutionen durch die besondere Bedeutung, die eine bestimmte strukturelle Dimension in dieser Institution gewinnt. Er unterscheidet drei Strukturmomente sozialer Systeme: • Signifikation, • Herrschaft und • Legitimation. <?page no="229"?> 204 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Signifikation bedeutet, dass die sozialen Systeme bestimmte Codes oder Zeichen verwenden. Herrschaft beinhaltet die Möglichkeit, auf Personen Einfluss zu nehmen und/ oder über Dinge zu verfügen und dadurch die Realität umzugestalten. Legitimation meint das Recht zur normativen Regulierung des Handelns. Diese Strukturmomente kommen immer nur durch konkrete Handlungen der Akteure zur Geltung: Signifikation wird realisiert in der Kommunikation. Herrschaft wird real in der Ausübung und Anerkennung von Macht. Und die Legitimation wird zur Geltung gebracht, wenn bestimmte Verhaltensweisen erfolgreich sanktioniert werden. Die Strukturmomente der Institution müssen quasi in konkretes Handeln übersetzt werden, um überhaupt real zu werden. Diese „Übersetzung“ von Strukturmomenten in konkrete soziale Interaktion erfordert Vermittlungsleistungen, welche von Giddens als „Modalitäten“ bezeichnet werden. Folgende Abbildung zeigt diese Zusammenhänge. Signifikation Herrschaft Legitimation Struktur(moment) Interpretatives Schema Fazilität Norm Modalität Kommunikation Macht Sanktion Interaktion Abb. 6-15: Verbindung zwischen Interaktion und strukturellen Momenten sozialer Systeme (leicht modifiziert nach Giddens [Strukturation] 81) Die Abbildung kann man folgendermaßen interpretieren: Die sozialen Systeme, bspw. Unternehmen, haben ein Strukturmoment der Herrschaft. Dieses Strukturmoment wird aktualisiert, indem tatsächlich in der Interaktion Macht ausgeübt wird (bspw. ein Befehl erteilt und diesem gehorcht wird). In der Interaktion wird das Strukturmoment bestätigt und gefestigt (Struktur als Ergebnis), wobei <?page no="230"?> Der Strukturationsansatz · 205 sich die Handelnden zugleich auf das Strukturmoment beziehen (Struktur als Medium). Das entspricht dem Grundgedanken der Dualität von Struktur. Damit die Akteure in ihrem Handeln die Strukturmomente reproduzieren und bspw. das Moment der Herrschaft festigen, bedarf es einer „Fazilität“, d.h. einer Basis oder eines Mediums für die Machtausübung. Obwohl Giddens dies nicht ausdrücklich sagt, darf man wohl die autoritativen und allokativen Ressourcen als solche Fazilitäten betrachten. Das Strukturmoment der Legitimation wird bestätigt, wenn die Akteure eine Handlungsweise bspw. als Pflichtverletzung ansehen und bestrafen (Sanktion) und sich dabei auf die im System geltenden Normen beziehen. Der von dem sozialen System verwendete Code wird in der Kommunikation der Akteure bestätigt, wenn sie aufgrund der Regeln der Sinndeutung diesen Code richtig interpretieren. So verstanden ist die Struktur in der Form von Regeln und Ressourcen zugleich als Modalität zu verstehen, weil sie zwischen den einzelnen sozialen Handlungen der Akteure und den institutionalisierten Strukturmomenten der sozialen Systeme vermittelt. Durch die Struktur verbinden sich die einzelnen Interaktion zu einem vergleichsweise stabilen System. Bestimmte Institutionen sind nun dadurch zu kennzeichnen, dass in ihnen eine Strukturdimension im Vordergrund steht. Für ein Unternehmen ist dies nach Giddens die Dimension der Herrschaft und zwar auf der Basis der allokativen Ressourcen. Ausgangspunkt der Strukturierung ist die Herrschaft über „materielle Phänomene“ (86), konkret über Produktivvermögen. Diese Verfügungsrechte können umgewandelt werden in autoritative Ressourcen, sprich in das Recht zur Unternehmensführung durch die Eigner selbst oder durch von ihnen beauftragte Manager (vgl. 46). Im Unternehmen findet eine Umwandlung von Geld in Kapital und Arbeit statt, die letztlich zu einem „Mehr“ an Geld, einem Profit führen soll (240ff.). Damit diese Umwandlung gelingt, braucht man neben der Herrschaft aber immer auch die beiden anderen Strukturdimensionen. So müssen die Untergebenen bspw. einen gesprochenen Satz richtig als „dienstliche Anweisung“ verstehen und anerkennen, dass sie aufgrund ihres Arbeitsvertrages verpflichtet sind, dieser Anweisung zu folgen. In einer Handlung wie der „Ausführung einer Anweisung“ sind Signifikation, Legitimation und Herrschaft eng verflochten. Nach Giddens ist es typisch für die gesamte Sphäre des Ökonomischen, dass die allokativen Ressourcen den Ausgangspunkt für die Strukturierung bilden (87). Außerdem ist es für Unternehmen als Organisationen bezeichnend, dass sie versuchen ihre Reproduktion reflexiv zu steuern, vor allem indem sie Informationen aufbereiten, speichern und kontrollieren (256). <?page no="231"?> 206 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze 12.4 Menschenbild Die Menschen werden von Giddens als sehr kompetent eingeschätzt. Sie sind im Grunde alle Sozialtheoretiker (vgl. 47), die genauso gut infomierte soziologische Reflexionen anstellen können, wie die Spezialisten. Im Rahmen der Bewältigung der Alltagspraxis können sie als beträchtlich qualifizierte „soziologische Experten“ (78) angesehen werden, sie verfügen über ein verblüffendes und detailliertes Wissen über sich selbst, andere Menschen und gesellschaftliche Regeln, sie sind „hochgebildet“ (73) im Hinblick auf soziale Interaktion. Sie handeln, d.h. sie steuern ihre Aktionen reflexiv und „verstehen, was sie tun, während sie es tun“ (36). Indem Giddens die Menschen als „bewusst handelnde Subjekte“ (335) anerkennt, wehrt er vor allem die Vorstellung ab, Menschen könnten durch Strukturen auf bestimmte Handlungen „programmiert“ werden und würden dann nur noch „reagieren“. Tatsächlich kann die Struktur nur dann Wirkung erzielen, wenn sie durch Handlungen reproduziert wird und die Menschen haben immer die Wahl, anders zu handeln (vgl. 60). Selbst vermeintliche strukturelle Zwänge sind nicht mit Naturkräften gleich zu setzen, die kausal mit Sicherheit eine bestimmte Wirkung hervorrufen. Vielmehr haben die Akteure oft „gute Gründe“ (232) eine ganz bestimmte Handlungsalternative zu wählen. Sie „müssen“ in diesem Sinne bspw. dem Chef gehorchen, weil sie genau wissen, dass ihnen ansonsten Ärger oder sogar eine Entlassung drohen. Ihnen bleibt nichts übrig, weil sie bestimmte Ziele als gegeben akzeptieren (z.B. das Ziel, Karriere zu machen oder auch nur ihren Arbeitsplatz zu behalten). Es bleibt dennoch ein bewusstes Handeln. So etwas wie eine rein strukturelle Erklärung für das Handeln von Akteuren kann es daher auch nicht geben (vgl. 233). Diese sehr starke Position der sozialen Akteure wird allerdings etwas aufgeweicht, wenn Giddens verschiedene Grade von Bewusstsein bei den Handlungen unterscheidet. Am stärksten ist das „diskursive Bewusstsein“. Die Akteure sind sich voll bewusst darüber, was sie tun, welches die Bedingungen und Folgen ihres Handelns sind und können die Gründe für ihr Handeln darlegen. Im Alltagsleben spielt nach Giddens das „praktische Bewusstsein“ eine weitaus größere Rolle. Die Akteure handeln routiniert und gewohnheitsmäßig richtig in einem bestimmten Bezugsrahmen, ohne dass sie sich selbst oder anderen gegenüber direkt begründen könnten, warum sie jetzt so und nicht anders gehandelt haben (vgl. 36). Sie finden sich stillschweigend zurecht, weil sie einfach wissen, wie „man“ sich in einem bestimmten Kontext verhält. In einem Meeting im Unternehmen wartet man bspw. zunächst ab, was der Chef sagt, man redet sachlich und im Fachjargon, präsentiert Ergebnisse mit Folien oder Beamer, trinkt keinen Alkohol, verlässt nicht einfach den Raum usw. Gerade diese <?page no="232"?> Der Strukturationsansatz · 207 routinierten Praktiken sind nach Giddens entscheidend für die Reproduktion sozialer Systeme (vgl. 336). Der Kontext gewinnt bei solchen Routinehandlungen einen deutlichen Einfluss auf die Handlungen. Man tut, was „alle“ tun, was „schon immer“ getan wurde, was „normal“ ist. Zwischen diskursivem und praktischem Bewusstsein gibt es allerdings keine klare Schranke (vgl. 55, 57). Durch Nachfragen kann den Handelnden zum Bewusstsein kommen, warum sie etwas tun. Ein außenstehender Beobachter könnte bspw. fragen, warum der Fachjargon englisch ist. Die Akteure, die den Jargon zuvor einfach routiniert benutzt haben, könnten ihr Handeln mit der Notwendigkeit begründen, sich im globalen Business international verständigen zu müssen. Aus dem praktischen wird diskursives Bewusstsein, aus der unreflektierten Routine eine echte Handlung. Schließlich können Akteure auch von unbewussten Motiven zu Taten bewegt werden. Das kommt der Vorstellung am nächsten, der Kontext, bspw. eine bestimmte Struktur, könnte die Akteure sozusagen hinter deren Rücken zu einem bestimmten Verhalten nötigen. Giddens steht dieser „strukturtheoretischen“ Sichtweise skeptisch gegenüber, denn - so sein Argument - die Handelnden können darüber aufgeklärt werden, was mit ihnen „geschieht“ und daraus lernen (33). 12.5 Methoden Giddens konstatiert im angelsächsischen Sprachraum eine starke Tendenz, die Soziologie als eine „Naturwissenschaft der Gesellschaft“ ([Interpretative] 13) zu verstehen. Der Mensch klärt sich selbst über seine gesellschaftlichen Existenzbedingungen wissenschaftlich auf, findet sozusagen Gesetze des menschlichen Verhaltens in der Gesellschaft und wendet sie anschließend rational an, um sozusagen sein eigenes Schicksal zu formen. Dabei wird, wie Giddens kritisch bemerkt, ein gravierender Unterschied zwischen Natur und Gesellschaft ignoriert: Die Gesellschaft wird vom Menschen erzeugt. Die „Produktion der Gesellschaft“ ist eine vom Menschen vollbrachte Leistung (ebenda, 16). Die naturwissenschaftliche Auffassung von den Sozialwissenschaften unterstellt, man könne die Gesetze finden, die hinter dem Rücken der Akteure deren Verhalten determinieren. Der sozialwissenschaftliche Experte durchschaut die Ursachen für ein bestimmtes Verhalten der „normalen“ Menschen, während diese selbst unbewusst zu ihrem Verhalten getrieben werden ([Konstitution] 401f.). Eine solche strukturtheoretische Erklärung muss das Wissen und die Reflexionsfähigkeit der sozialen Akteure gering schätzen. Zu dem bewusst handelnden, in der sozialen Praxis kompetenten, die Strukturen reflexiv organisierenden Akteur, also zu Giddens´ Auffassung vom Menschen, passen die naturwissenschaftlichen Me- <?page no="233"?> 208 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze thoden schlecht. Er räumt den „verstehenden“ Methoden Hermeneutik und Phänomenologie daher auch eine wichtige Rolle ein (vgl. 53). Der Wissenschaftler muss sich zunächst mit den Gründen der Akteure für ihre Handlungen vertraut machen, mit ihren Intentionen und Theorien. Er muss verstehend nachvollziehen, was die Akteure schon wissen und sich in ihre Lebensformen - durch Befragung und Beobachtung hineinversetzen. Darin hat die Soziologie große Ähnlichkeit mit der Ethnografie und Kulturanthropologie. Mit seinen Interpretationen nimmt der Wissenschaftler aber auch selbst wieder Einfluss auf die Akteure und ihre Handlungen. Die Reflexion über soziale Prozesse tritt in die Welt, die sie beschreibt, fortwährend ein und verändert sie. Giddens nennt diese wechselseitige Durchdringung von Forscher und Erforschtem die „doppelte Hermeneutik“ (47, 338) und sieht darin den zentralen Grund dafür, dass die Sozialwissenschaften niemals Gesetze im streng naturwissenschaftlichen Sinne finden können. Zugleich gewinnen die Ergebnisse der Sozialwissenschaften aber enorme praktische Bedeutung indem sie in die Alltagstheorien der handelnden Laien einfließen und deren Handlungen beeinflussen. Obwohl Giddens der interpretativen Forschung näher steht als einem positivistischen Verständnis von Wissenschaft, lehnt er auch eine rein interpretative Sozialforschung als zu einseitig ab. Den „Positivisten“ ist seiner Meinung nach vorzuwerfen, dass sie die gesellschaftlichen Strukturen als objektiv gegebene Zwänge verstehen, auf welche die Subjekte nur noch passiv reagieren können. Handlungsmöglichkeiten werden negiert. Bei der interpretativen Soziologie kritisiert er dagegen die systematische Unterbelichtung objektiver gesellschaftlicher Einflüsse auf die Handelnden. Das Subjekt herrscht quasi souverän und kreiert seine Umwelt (vgl. 78). Giddens will beide Einseitigkeiten vermeiden und weder den individuellen Akteur noch die Gesellschaft als Ganzes als zentrales Forschungsfeld ansehen (vgl. 52). Vielmehr interessiert ihn die dynamische Beziehung zwischen Struktur und Handeln, die jeder sozialen Praxis innewohnt. Die Akteure handeln, aber sie handeln „positioniert“ oder „situiert“, innerhalb eines Bezugsrahmens, der ihre Handlungen beeinflusst, und den sie selbst wiederum durch ihre Handlungen herstellen. Giddens mahnt an, die Sozialwissenschaften sollten für den Raum- Zeit-Bezug ihrer Forschung sensibler werden, weil soziale Aktivitäten immer in raum-zeitlichen Bezugsrahmen stattfinden. Er hält eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Soziologen, Historikern und Geografen für fruchtbar (340) und bezieht sich selbst ausführlich auf die „Zeitgeographie“ (161ff.). Qualitative und quantitative Forschungsmethoden erscheinen ihm eher als komplementär denn konkurrierend, weil jede quantitative Studie notwendigerweise auch qualitative, hermeneutische Verfahren benutzt (vgl. 390). <?page no="234"?> Der Strukturationsansatz · 209 Wenn alle Menschen - wie Giddens betont - kompetente, beträchtlich qualifizierte soziologische Experten sind, deren Wissen und Fertigkeiten sich der Wissenschaftler zunächst einmal selber aneignen muss, dann stellt sich natürlich die Frage, ob die sozialwissenschaftliche Forschung noch etwas anderes leisten kann als eine solche Verdoppelung von Wissen. Wo schafft sie etwas Neues? (1) Eine erste Leistung der Sozialwissenschaft kann darin gesehen werden, dass sie zwischen verschiedenen Kontexten oder Milieus vermittelt. Die sozialen Akteure sind oft nur Experten in Bezug auf die Sektoren, die ihnen vertraut sind. Der Sozialwissenschaftler kann als „Kommunikator“ zwischen den Kontexten wirken und so das wechselseitige Verständnis fördern (339). (2) Zweitens kann der Sozialwissenschaftler die Akteure zum Teil auch über ihre eigenen Handlungen aufklären. Das ist möglich, weil es immer auch unbewusste Motive für Handlungen gibt, unerkannte oder auch uneingestandene Handlungsbedingungen und unbeabsichtigte Folgen von intentionalen Handlungen (vgl. 33). So könnte ein unbewusstes Motiv für die häufige Benutzung englischer Fachausdrücke in den Unternehmen sein, dass die Akteure sich dadurch modern, weltläufig und kompetent fühlen. Als unbeabsichtigte Folge breitet sich ein „denglisches“ Kauderwelsch innerhalb der Gesellschaft aus. Der Sozialwissenschaftler vollzieht nicht nur verstehend nach, was „da passiert“ (Teilnehmerperspektive), sondern kann auch quasi von außen mehr sehen als die Akteure (Beobachterperspektive). (3) Aus dieser Aufklärung ergibt sich drittens die Möglichkeit, Einfluss auf das künftige Handeln der Akteure zu nehmen. Sind strukturelle „Zwänge“ erst einmal als solche erkannt und benannt, dann büßen sie im Grunde ihren zwanghaften Charakter ein, weil den Handelnden bewusst ist, wie sie sich dazu stellen. Ob sie den Status quo dann beibehalten oder ändern wollen ist eine Sache der Entscheidung (kritische Funktion). Es ist eine Besonderheit der Sozialwissenschaft, dass sie ihr eigenes Objekt verändern kann (vgl. 406). Das macht die Forschung schwieriger, verhilft ihr aber zugleich zu einer weitreichenden praktischen Bedeutung. 12.6 Aktuelle Bedeutung (1) Integration verschiedener Ansätze Für Giddens sind die Überwindung von „Dualismen“ und die Integration gegensätzlicher Positionen zentrale Anliegen. Er hält Handlung und Struktur für <?page no="235"?> 210 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze wesentlich, sieht Struktur als Medium und Ergebnis, erklärt Stabilität und Wandel von Struktur; er erkennt im Wandel bewusste Gestaltung und ungeplante Verläufe, erfasst in den Aktivitäten der Menschen Handeln und Verhalten, hält qualitative und quantitative Forschung für sinnvoll, will erklären und verstehen. Sein Programm ist, sowohl einseitigen Subjektivismus als auch einseitigen Objektivismus zu überwinden (vgl. 41). Die Strukturationstheorie bietet daher möglicherweise einen guten Ansatzpunkt, um verschiedene Ansätze der Organisationstheorie miteinander zu verbinden. Zumindest lassen sich Giddens´ Ausführungen mit organisationstheoretischen Gedanken aus unterschiedlichen Ansätzen in Verbindung bringen. In den Strukturmomenten „Herrschaft“ und „Legitimation“ kann man die Vorstellung Max Webers von der Bürokratie als Form legitimer Herrschaft wiedererkennen. Ebenfalls bei Max Weber findet sich schon die methodische Verknüpfung von „erklären“ und „verstehen“. Dass sich in und neben der formalen Struktur immer auch soziale Praktiken ausbilden, die diese Struktur ergänzen oder sie unterlaufen, wurde durch den Human Relations Ansatz erkannt und als „informale Organisation“ thematisiert. Während der Hawthorne- Studien bildete sich ebenfalls schon die Erkenntnis, dass sozialwissenschaftliche Forschung das eigene Untersuchungsobjekt verändern kann und eine am naturwissenschaftlichen Ideal orientierte Forschung für den Bereich des Sozialen deshalb problematisch ist. Der grundsätzliche Raum-Zeit-Bezug von Strukturen findet sich im situativen Ansatz wieder. Die konstitutive Bedeutung allokativer Ressourcen für die Unternehmen betont der Verfügungsrechtsansatz. Auch die Umwandlung allokativer Ressourcen in autoritative Ressourcen und Herrschaft wird dort zum Thema im Rahmen der Diskussion um die Unternehmensverfassung. Die im evolutionstheoretischen Ansatz angesprochene „organisationale Trägheit“, welche den Wandel der Struktur erschwert, kann zwanglos mit der großen Bedeutung der Routinen erklärt werden. Ein erklärendes Moment für die Beharrungskräfte bestehender Strukturen kann auch in der Notwendigkeit gesehen werden, die drei Strukturdimensionen Signifikation, Herrschaft und Legitimation bei einem Wandel neu aufeinander abstimmen zu müssen. Wie der interpretative Ansatz stellt die Strukturationstheorie die Bedeutung der Interpretationen und Interaktionen der Subjekte für die Schaffung der Organisationswirklichkeit heraus. Die daraus erwachsenden Probleme für die Organisationsforschung (doppelte Hermeneutik) sind ebenfalls in beiden Ansätzen Thema. Mit dem Selbstorganisationsansatz gibt es verschiedene Berührungspunkte. Zentrale Übereinstimmungen bestehen in der Überzeugung von der Notwendigkeit einer Normierung auch im Bereich der Deutungen (Signifikation), der Bedeutung selbstreferentieller Prozesse und der Wichtigkeit von nichtinten- <?page no="236"?> Der Strukturationsansatz · 211 dierten Folgen intentionaler Handlungen. Die geringsten Übereinstimmungen lassen sich mit den Ansätzen finden, welche am stärksten der „objektivistischen“ und „strukturalistischen“ Sichtweise zuneigen, dem tayloristischen, dem strukturtechnischen und dem entscheidungslogischen Ansatz. Ob der Ansatz von Giddens wegen seiner integrativen Sichtweise als „Metatheorie“ taugt, ist nicht unumstritten. Dafür plädieren u.a. Weaver/ Gioia [Paradigms], dagegen äussern sich bspw. Osterloh/ Grand [Theorie]). Zumindest aber zeigt die Strukturationstheorie die Möglichkeit auf, mit kontroversen Positionen „gelassen“ umzugehen (Ortmann/ Sydow/ Windeler [Organisation] 322f.) und scheinbar unvereinbare Sichtweisen zusammen zu denken, um insgesamt - gerade als Basis für die Gestaltung ein vollständigeres Bild von der Organisation zu gewinnen. (2) Bedeutung von Rekursivität, Strukturdimensionen und Raum-Zeit- Bezug Mittlerweile ist eine große Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen erschienen, die sich strukturationstheoretischer Überlegungen bedienen (einen Überblick findet man bei Ortmann/ Sydow/ Windeler [Organisation] 342ff.). Die Themen sind sehr breit gestreut. In vielen Publikationen hat die Idee der Rekursivität ihren Niederschlag gefunden, wie sie auch im Konzept der „Dualität von Struktur“ steckt: Strukturelle Handlungsbedingungen beeinflussen Handlungen, die wieder zu strukturellen Handlungsbedingungen führen, die wieder Handlungen beeinflussen usw. Allgemein formuliert besteht bei Rekursivität zwischen zwei Größen kein linearer, sondern ein zirkulärer Zusammenhang. Eine solche Rekursivität wurde festgestellt bspw. für den Zusammenhang von Informationstechnik und Struktur, Strategie und Struktur sowie Accountingpraktiken und Struktur. Über die Rekursivität lassen sich auch teilweise widersprüchliche empirische Befunde erklären, etwa dass die Strategie der Struktur folgt aber auch die Struktur der Strategie. Die begrenzte Entscheidungsfreiheit der Manager kann ganz allgemein auf die Rekursivität von Handlung und System zurückgeführt werden. Die Manager sind diejenigen, die durch ihre Entscheidungen Systembedingungen schaffen, sind aber auch von den vorangegangenen Entscheidungen und deren Folgen beeinflusst und eingeschränkt. In der Organisationstheorie spricht man in diesem Zusammenhang auch von der Pfadabhängigkeit von Entscheidungen. Von Giddens inspiriert sind daneben Untersuchungen zu Reorganisationsprozessen, insbesondere im Produktionsbereich. Aus strukturationstheoretischer Perspektive interessiert besonders das subtile Zusammenspiel der drei Strukturdimensionen Signifikation, Herrschaft und Legitimation. Die Durchsetzung der Interessen der Organisationsgestalter im Reorganisationsprozess ist letztlich nur <?page no="237"?> 212 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze möglich, wenn ihnen die passende Gestaltung der „Modalitäten“ gelingt. D.h. sie müssen nicht nur über die entsprechenden Ressourcen verfügen (als Basis von Herrschaft), sondern auch Anerkennung für ihre Normen finden (Legitimation) und die Regeln der Interpretation in ihrem Sinne vorgeben (Signifikation). Dabei müssen sie in allen drei Dimensionen mit den routinierten sozialen Praktiken rechnen, welche das System bis dato stabilisiert haben. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass ein struktureller Wandel nicht ohne weiteres durch bloße Anordnung gelingt. Vielmehr muss der Wandel sich auch „in den Köpfen“ vollziehen. Giddens mahnt eine stärkere Berücksichtigung der Raum-Zeit-Dimension in der sozialwissenschaftlichen Forschung an, da sich seiner Meinung nach Strukturen immer in Bezug auf raum-zeitlich abgegrenzte Sektoren bilden. In der Managementforschung wurde dieser Mahnung in verschiedener Art und Weise entsprochen (vgl. Whittington [Putting]): Es gibt Untersuchungen, wie sich die verschiedenen Sektoren, in denen sich Manager befinden, und die damit verbundenen unterschiedlichen sozialen Identitäten (etwa als Führungskraft, Mutter, Staatsbürgerin, Nachbarin usw.) aufeinander auswirken. Für die Praxis relevant ist u.a. die Frage, ob es besser ist, die verschiedenen Sektoren strikt voneinander zu trennen, wie es bspw. im Bürokratieansatz vorgesehen ist, oder ob man sich durch die Durchlässigkeit der Sektorengrenzen eine wechselseitige Bereicherung und Inspiration erhoffen kann. Mit dem Konzept der Work-Life- Balance versucht man z. Zt. eher, unterschiedliche Sektoren (Beruf, Familie, Ehrenamt, Hobby usw.) miteinander in Einklang zu bringen. Auch durch die Entwicklung neuer Technologien (Mobiltelefon, Internet) wurde die „Entgrenzung“ zwischen Privat- und Berufsleben in den letzten Jahren gefördert. In Bezug auf globale Unternehmen gewinnt die Mahnung von Giddens besondere Relevanz, weil diese in sehr unterschiedlichen Regionen tätig sind, für die es keine universell passende Struktur gibt. Managementtechniken müssen auch zur lokalen Kultur passen, zu den „Alltagsgewissheiten“ in Bezug auf Interpretationen und Normen. Nicht alles, was in einem Kontext erfolgreich ist, taugt auch in jedem anderen Kontext. 13 Überblick über die organisationstheoretischen Ansätze In der folgenden Abb. 6-16 sind die wesentlichen Aussagen der erörterten organisationstheoretischen Ansätze dargestellt. <?page no="238"?> Überblick über die organisationstheoretischen Ansätze · 213 Experiment, Beobachtung, Unstrukturierte Tiefeninterviews Der Mensch ist ein soziales Wesen mit individuellen Werten, Gefühlen und Erfahrungen. Sein Verhalten hängt von vielen Einflüssen gleichzeitig ab. Organismus … rationale Fremdorganisation und informale Organisation. … ökonomische Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit bewirken. … ein soziales, humanes und formales, zielorientiertes System. Human- Relations- Ansatz Systematische Beobachtung, Experiment Der Mensch (Arbeiter) ist faul und egoistisch. Er ist nur über Geld zu motivieren. Maschine … wissenschaftlich fundierte Konstruktion. … für eine effiziente (ressourcensparende) Aufgabenerfüllung sorgen. … ein Aufgabenerfüllungssystem. Tayloristischer Ansatz Strukturierte Befragungen, Dokumentenanalyse, Korrelationsanalyse, Typenbildung Der Mensch ist umweltoffen und lernfähig. Das Verhalten wird von der Struktur entscheidend beeinflusst. Organismus, Maschine … die rationale Wahl einer situativ passenden Konfiguration. … das Verhalten der Organisationsmitglieder zielorientiert steuern. … ein soziales und formales, zielorientiertes, offenes System. Situativer Ansatz Analytischdeduktive Gedankenkonstruktion, Strukturierte Interviews Der Mensch interessiert nur als abstrakter Aufgabenträger. Bauplan … rationale Strukturierung (Analyse, Synthese, Verteilung). … für eine effiziente Aufgabenerfüllung sorgen. … ein Aufgabenerfüllungssystem. Strukturtechnischer Ansatz Bildung von Idealtypen, erklärendes Verstehen Der Mensch handelt zweckrational, wertrational, gefühlsmäßig und gewohnheitsmäßig. Maschine, Apparat … rationale Satzung. … Herrschaft sichern und legitimieren. … eine Form legitimer Herrschaft. Bürokratieansatz Bevorzugte Methoden Menschenbild Metapher Ordnung im Unternehmen entsteht durch … Die Organisation, die ein Unternehmen hat, soll … Die Organisation „Unternehmung“ ist … Ansatz Experiment, Beobachtung, Unstrukturierte Tiefeninterviews Der Mensch ist ein soziales Wesen mit individuellen Werten, Gefühlen und Erfahrungen. Sein Verhalten hängt von vielen Einflüssen gleichzeitig ab. Organismus … rationale Fremdorganisation und informale Organisation. … ökonomische Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit bewirken. … ein soziales, humanes und formales, zielorientiertes System. Human- Relations- Ansatz Systematische Beobachtung, Experiment Der Mensch (Arbeiter) ist faul und egoistisch. Er ist nur über Geld zu motivieren. Maschine … wissenschaftlich fundierte Konstruktion. … für eine effiziente (ressourcensparende) Aufgabenerfüllung sorgen. … ein Aufgabenerfüllungssystem. Tayloristischer Ansatz Strukturierte Befragungen, Dokumentenanalyse, Korrelationsanalyse, Typenbildung Der Mensch ist umweltoffen und lernfähig. Das Verhalten wird von der Struktur entscheidend beeinflusst. Organismus, Maschine … die rationale Wahl einer situativ passenden Konfiguration. … das Verhalten der Organisationsmitglieder zielorientiert steuern. … ein soziales und formales, zielorientiertes, offenes System. Situativer Ansatz Analytischdeduktive Gedankenkonstruktion, Strukturierte Interviews Der Mensch interessiert nur als abstrakter Aufgabenträger. Bauplan … rationale Strukturierung (Analyse, Synthese, Verteilung). … für eine effiziente Aufgabenerfüllung sorgen. … ein Aufgabenerfüllungssystem. Strukturtechnischer Ansatz Bildung von Idealtypen, erklärendes Verstehen Der Mensch handelt zweckrational, wertrational, gefühlsmäßig und gewohnheitsmäßig. Maschine, Apparat … rationale Satzung. … Herrschaft sichern und legitimieren. … eine Form legitimer Herrschaft. Bürokratieansatz Bevorzugte Methoden Menschenbild Metapher Ordnung im Unternehmen entsteht durch … Die Organisation, die ein Unternehmen hat, soll … Die Organisation „Unternehmung“ ist … Ansatz <?page no="239"?> 214 · Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Modellanalyse, Typenbildung, Fallstudien Der Mensch ist begrenzt rational und opportunistisch, zugleich Gefühl moralischer Verpflichtung. Netzwerk von relationalen Verträgen … (rationale) Wahl der transaktionskostenminimalen Lösung. … für die effiziente Abwicklung (spezifischer) Transaktionen sorgen. … ein alternatives (hierarchisches) institutionelles Arrangement zum Markt. Transaktionskostenansatz Modellanalyse, Fallstudien Der Mensch ist Nutzenmaximierer und Opportunist. Er ist unbegrenzt rational. Netzwerk von Verträgen … rationale Wahl der anreizoptimalen Lösung. …Verfügungsrechte anreizoptimal verteilen. … eine Verfügungsrechtsstruktur. Property- Rights- Ansatz Regressionsanalyse, Clusteranalyse, Faktorenanalyse, Beobachtung, Fallstudien Der Mensch ist weitgehend „blind“ und unwissend. Er ist ein Spielball der Evolution. Organismus, Spezies … Variation, Selektion und Retention. … das Unternehmen vor einer externen Selektion schützen. … ein Organismus mit bestimmten Fähigkeiten. Evolutionstheoretischer Ansatz Modellanalyse, Typenbildung, Fallstudien Der Mensch ist ein (unbegrenzt) rationaler Nutzenmaximierer. Als Arbeitnehmer ist er v.a. unmotiviert. Netzwerk von Verträgen … rationale Wahl der agenturkostenminimalen Lösung. … die Agenturkosten für die Prinzipale minimieren. … eine Institution, in welcher Prinzipale Aufgaben an Agenten delegieren. Principal- Agent- Ansatz Modellanalyse, Befragung, Beobachtung, Dokumentenanalyse, Experimente, Berufung auf Alltagswissen Die Menschen sind selbstinteressiert, begrenzt rational und individuell verschieden. Gehirn, politisches System, Mülleimer, Tempel … eine (optimale) Entscheidung zwischen Organisationsalternativen. … die Objektentscheidungen der Organisationsmitglieder zielorientiert steuern. … eine Koalition von Individuen mit je eigenen Interessen. Entscheidungstheoretischer Ansatz Bevorzugte Methoden Menschenbild Metapher Ordnung im Unternehmen entsteht durch … Die Organisation, die ein Unternehmen hat, soll … Die Organisation „Unternehmung“ ist … Ansatz Modellanalyse, Typenbildung, Fallstudien Der Mensch ist begrenzt rational und opportunistisch, zugleich Gefühl moralischer Verpflichtung. Netzwerk von relationalen Verträgen … (rationale) Wahl der transaktionskostenminimalen Lösung. … für die effiziente Abwicklung (spezifischer) Transaktionen sorgen. … ein alternatives (hierarchisches) institutionelles Arrangement zum Markt. Transaktionskostenansatz Modellanalyse, Fallstudien Der Mensch ist Nutzenmaximierer und Opportunist. Er ist unbegrenzt rational. Netzwerk von Verträgen … rationale Wahl der anreizoptimalen Lösung. …Verfügungsrechte anreizoptimal verteilen. … eine Verfügungsrechtsstruktur. Property- Rights- Ansatz Regressionsanalyse, Clusteranalyse, Faktorenanalyse, Beobachtung, Fallstudien Der Mensch ist weitgehend „blind“ und unwissend. Er ist ein Spielball der Evolution. Organismus, Spezies … Variation, Selektion und Retention. … das Unternehmen vor einer externen Selektion schützen. … ein Organismus mit bestimmten Fähigkeiten. Evolutionstheoretischer Ansatz Modellanalyse, Typenbildung, Fallstudien Der Mensch ist ein (unbegrenzt) rationaler Nutzenmaximierer. Als Arbeitnehmer ist er v.a. unmotiviert. Netzwerk von Verträgen … rationale Wahl der agenturkostenminimalen Lösung. … die Agenturkosten für die Prinzipale minimieren. … eine Institution, in welcher Prinzipale Aufgaben an Agenten delegieren. Principal- Agent- Ansatz Modellanalyse, Befragung, Beobachtung, Dokumentenanalyse, Experimente, Berufung auf Alltagswissen Die Menschen sind selbstinteressiert, begrenzt rational und individuell verschieden. Gehirn, politisches System, Mülleimer, Tempel … eine (optimale) Entscheidung zwischen Organisationsalternativen. … die Objektentscheidungen der Organisationsmitglieder zielorientiert steuern. … eine Koalition von Individuen mit je eigenen Interessen. Entscheidungstheoretischer Ansatz Bevorzugte Methoden Menschenbild Metapher Ordnung im Unternehmen entsteht durch … Die Organisation, die ein Unternehmen hat, soll … Die Organisation „Unternehmung“ ist … Ansatz <?page no="240"?> Überblick über die organisationstheoretischen Ansätze · 215 Hermeneutik, Phänomenologie, Dialektik Jeder Mensch ist in Bezug auf soziale Interaktion ein Experte. Menschen handeln bewusst und wissen, was sie tun. Strom, Fahrt, Region, Epoche … routinierte soziale Praktiken innerhalb eines reflexiv gesteuerten Bezugsrahmens. … für eine stabile Reproduktion des Systems sorgen. … eine reflexiv gesteuerte Raum- Zeit-Zone mit den Strukturmomenten Signifikation, Legitimation und Herrschaft. Strukturationsansatz Analogiebildung, Phänomenologie, Hermeneutik, Fallstudien Der Mensch verfolgt ein aufgeklärtes Selbstinteresse. Er ist begrenzt rational, aber lernfähig. Organismus, Pflanze, Laserstrahl … Fremdorganisation, autonome und autogene Selbstorganisation. … die Deutungen und Handlungsweisen der Mitglieder in gewünschter Weise normieren. … ein dynamisches, komplexes, soziales und formales, offenes, zielorientiertes System. Selbstorganisationsansatz Phänomenologie, Hermeneutik, Beobachtung, Tiefeninterviews, Rollenspiele Der Mensch ist weltoffen, bildbar und sozial. Er hat ein Interesse an Ordnung und intersubjektiver Verständigung. Volksstamm, Kultur, Drehbuch, Grammatik … Aushandlungs,- Lern- und Evolutionsprozesse. … Mehrdeutigkeit in den Interpretationen reduzieren und Konsens fördern. … eine Minigesellschaft mit einer bestimmten Kultur. Interpretativer Ansatz Bevorzugte Methoden Menschenbild Metapher Ordnung im Unternehmen entsteht durch … Die Organisation, die ein Unternehmen hat, soll … Die Organisation „Unternehmung“ ist … Ansatz Hermeneutik, Phänomenologie, Dialektik Jeder Mensch ist in Bezug auf soziale Interaktion ein Experte. Menschen handeln bewusst und wissen, was sie tun. Strom, Fahrt, Region, Epoche … routinierte soziale Praktiken innerhalb eines reflexiv gesteuerten Bezugsrahmens. … für eine stabile Reproduktion des Systems sorgen. … eine reflexiv gesteuerte Raum- Zeit-Zone mit den Strukturmomenten Signifikation, Legitimation und Herrschaft. Strukturationsansatz Analogiebildung, Phänomenologie, Hermeneutik, Fallstudien Der Mensch verfolgt ein aufgeklärtes Selbstinteresse. Er ist begrenzt rational, aber lernfähig. Organismus, Pflanze, Laserstrahl … Fremdorganisation, autonome und autogene Selbstorganisation. … die Deutungen und Handlungsweisen der Mitglieder in gewünschter Weise normieren. … ein dynamisches, komplexes, soziales und formales, offenes, zielorientiertes System. Selbstorganisationsansatz Phänomenologie, Hermeneutik, Beobachtung, Tiefeninterviews, Rollenspiele Der Mensch ist weltoffen, bildbar und sozial. Er hat ein Interesse an Ordnung und intersubjektiver Verständigung. Volksstamm, Kultur, Drehbuch, Grammatik … Aushandlungs,- Lern- und Evolutionsprozesse. … Mehrdeutigkeit in den Interpretationen reduzieren und Konsens fördern. … eine Minigesellschaft mit einer bestimmten Kultur. Interpretativer Ansatz Bevorzugte Methoden Menschenbild Metapher Ordnung im Unternehmen entsteht durch … Die Organisation, die ein Unternehmen hat, soll … Die Organisation „Unternehmung“ ist … Ansatz Abb. 6-16: Überblick über die organisationstheoretischen Ansätze <?page no="241"?> 216 · Fragen zur Wiederholung Fragen zur Wiederholung (1) Bürokratieansatz 1. Welche drei Formen legitimer Herrschaft unterscheidet Max Weber? (2.2 und 2.3) 2. Welche Merkmale weist die Bürokratie auf? (2.3) 3. Welche Vorteile und Gefahren bringt die Bürokratie mit sich? (2.3) 4. Welche Gründe können Menschen bewegen, Herrschaft zu akzeptieren? (2.4) 5. Welche Funktion hat die Bildung von Idealtypen? (2.5) (2) Tayloristischer Ansatz 1. Was ist die forschungsleitende Metapher des Taylorismus? (3.2) 2. Welche Gründe sieht Taylor für die geringe Leistungsfähigkeit der Betriebe? (3.3) 3. Durch welche Merkmale ist das „neue System“ Taylors gekennzeichnet? (3.3) 4. Kennzeichnen Sie das Menschenbild Taylors. (3.4) 5. Welche Methoden wendet Taylor bei seiner Forschung an? (3.5) (3) Human-Relations-Ansatz 1. Was ist damit gemeint, wenn die Organisation als ein soziales und humanes System gesehen wird? (4.2) 2. Beschreiben Sie Anliegen und Ergebnisse der „Beleuchtungsexperimente“ im Rahmen der Hawthorne-Studien. (4.3) 3. Was versteht man unter der informalen Organisation? (4.3 und 4.6) 4. Welche Probleme ergaben sich bei den Experimenten im Rahmen der Hawthorne-Studien? (4.5) 5. Wie kann der soziotechnische Strukturtyp gekennzeichnet werden? (4.6) <?page no="242"?> Fragen zur Wiederholung · 217 (4) Strukturtechnischer Ansatz 1. Welchen Organisationsbegriff vertritt Kosiol? (5.2) 2. Beschreiben Sie die drei Schritte des Organisierens im Rahmen der Strukturtechnik. (5.3) 3. Was ist ein „Aufgabenträger“ i.S. des strukturtechnischen Ansatzes? (5.4) 4. Beschreiben Sie die Forschungsmethoden des strukturtechnischen Ansatzes. (5.5) 5. Für Kosiol hat die Organisation die Aufgabe, für einen effizienten Vollzug der Sachaufgabe des Unternehmens zu sorgen. Welche weiteren Aufgaben kommen nach heutigem Organisationsverständnis hinzu? (5.6) (5) Situativer Ansatz 1. Welches sind die zentralen Ziele des situativen Ansatzes? (6.3) 2. Charakterisieren Sie das Grundmodell und das erweiterte Grundmodell des situativen Ansatzes. Können aus dem Grundmodell Gestaltungsempfehlungen abgeleitet werden? (6.3) 3. Warum ist es schwierig, gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen der Struktur und dem Verhalten zu finden? (6.4) 4. Was bedeutet „Operationalisierung“ von Variablen im situativen Ansatz und welche Probleme wirft die Operationalisierung auf? (6.5) 5. Wie kann das typologische Vorgehen gekennzeichnet werden? (6.6) (6) Entscheidungstheoretischer Ansatz 1. Kennzeichnen Sie die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem entscheidungslogischen und dem entscheidungsprozessorientierten Ansatz. (7.1) 2. Im entscheidungstheoretischen Ansatz wird die Organisation bildhaft verglichen mit einem Gehirn, einem politischen System, einem Mülleimer und einem Tempel. Wie können diese Vergleiche begründet werden? (7.2) <?page no="243"?> 218 · Fragen zur Wiederholung 3. Die Objektentscheidungen der Organisationsmitglieder werden von Primär- und Sekundärdeterminanten beeinflusst. Beschreiben Sie diese Determinanten und erläutern Sie den Zusammenhang zwischen den Primär- und den Sekundärdeterminanten. (7.3) 4. Welche Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung stehen dem Organisator im entscheidungslogischen Ansatz zur Verfügung? (7.3.1) 5. Welche Unterschiede bestehen zwischen der Entscheidungsfindung nach dem normativen Modell des entscheidungslogischen Ansatzes und dem realen Entscheidungsprozess, wie ihn der entscheidungsprozessorientierte Ansatz beschreibt? (7.3.2) 6. Was versteht man unter „begrenzter Rationalität“ von Entscheidungen? (7.3.2) 7. Wie charakterisieren die beiden entscheidungstheoretischen Teilansätze jeweils den Menschen? (7.4) 8. Wie unterscheiden sich die beiden Teilansätze in ihrer Methodik? (7.5) 9. Wird die Organisation als politisches System verstanden, in welchem unterschiedliche Interessen aufeinander stoßen, dann ist es wichtig, die daraus entstehenden Konflikte zu managen. Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der „organizational slack“? (7.6) (7) Institutionenökonomischer Ansatz 1. Welche drei Teilansätze werden zur Institutionenökonomie gezählt? (8.1) 2. Welche Verfügungsrechte unterscheidet der Property-Rights-Ansatz? (8.3.1.1) 3. Warum ist eine Eigentümerunternehmung nach der Verfügungsrechtstheorie besonders effizient? (8.3.1.2) 4. Was versteht man unter Transaktionskosten? Welche Arten kann man unterscheiden? (8.3.2.1) 5. Welche Unterschiede weisen die institutionellen Arrangements „Hierarchie“ und „Markt“ auf? (8.3.2.2) 6. Was versteht man unter „Faktorspezifität“? (8.3.2.3) <?page no="244"?> Fragen zur Wiederholung · 219 7. Welche Vor- und Nachteile weist das institutionelle Arrangement „Hierarchie“ auf? (8.3.2.3) 8. Warum sind Probleme zu erwarten, wenn ein Prinzipal einen Agenten damit beauftragt, eine Aufgabe für ihn zu erledigen? (8.3.3.1) 9. Welche typischen Principal-Agent-Beziehungen werden unterschieden? (8.3.3.1) 10. Welche Maßnahmen stehen zur Disziplinierung des Agenten zur Verfügung? (8.3.3.2) 11. Welche Arten von Agenturkosten werden unterschieden? (8.3.3.2) 12. Welche Probleme wirft die Trennung von Eigentum, Geschäftsführung und Kontrolle in einer AG nach der Verfügungsrechtstheorie auf? (8.6) 13. Welche Nachteile sprechen gegen eine Zentralisierung und welche gegen eine Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen im Unternehmen? (8.6) (8) Evolutionstheoretischer Ansatz 1. Was versteht man im Rahmen des populationsökologischen Ansatzes unter einer „Population“? (9.2) 2. Welche vier Prinzipien kennzeichnen das Evolutionsmodell? (9.3.1) 3. Aus welchen Gründen sind Organisationen träge und wenig anpassungsfähig? (9.3.2) 4. Was spricht für die These, dass Organisationen nicht von ihrer Umwelt determiniert werden? (9.3.3) 5. Der populationsökologische Ansatz sucht nach einer Theorie „mittlerer Reichweite“. Was ist darunter zu verstehen? (9.5) 6. Der evolutionstheoretische Ansatz untersucht, ob bestimmte Merkmale einer Organisation systematisch mit ihrem „Sterberisiko“ verknüpft werden können. Welche Thesen werden in diesem Zusammenhang untersucht? (9.5) <?page no="245"?> 220 · Fragen zur Wiederholung (9) Interpretativer Ansatz 1. Welche Aufgabe hat die Organisation i.S. des interpretativen Ansatzes? (10.2) 2. Wie wird der Prozess der Entstehung einer gemeinsamen Sicht der Wirklichkeit modelliert? (10.3) 3. Welche Bedeutung haben die formalen Regeln der Organisationsstruktur im Rahmen des interpretativen Ansatzes? (10.3) 4. Was versteht man unter der „sekundären Sozialisation“ im Unternehmen? (10.4) 5. Von welchen wissenschaftstheoretischen Grundannahmen geht der interpretative Ansatz aus? (10.5) 6. Inwiefern kann die Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor betrachtet werden? Ist die Kultur gestaltbar? (10.6) (10) Selbstorganisationsansatz 1. Was versteht man in sozialen Systemen unter „Ordnung“ und welche Arten der Ordnungsbildung können unterschieden werden? (11.2 und 11.3) 2. Welche Arten von Normen können im Unternehmen unterschieden werden? (11.3.2) 3. Wie kann das Verhältnis von Fremd- und Selbstorganisation aussehen? (11.3.2) 4. Wie kann das Menschenbild des Selbstorganisationsansatzes charakterisiert werden? (11.4) 5. Wie kann eine „Zeltorganisation“ gekennzeichnet werden? (11.6) (11) Strukturationsansatz 1. Wie benutzt Giddens die Begriffe „Struktur“, „Strukturierung“ und „Strukturmomente“? (12.2) 2. Was versteht man unter der „Dualität von Struktur“? (12.3) 3. Welche Funktion haben die „Modalitäten“ in Giddens Konzept? (12.3) <?page no="246"?> Fragen zur Vertiefung · 221 4. Wie unterscheiden sich diskursives und praktisches Bewusstsein? Wie kann der Übergang vom praktischen zum diskursiven Bewusstsein aussehen? (12.4) 5. Welche Leistungen können die Sozialwissenschaften erbringen? (12.5) Fragen zur Vertiefung (1) Bürokratieansatz 1. Im Rahmen der Führungstheorie ist eine Renaissance des charismatischen Herrschaftstyps zu beobachten. Woran könnte das liegen? Ist charismatische Herrschaft i.S. Webers tatsächlich als Führungsform in Unternehmen geeignet? 2. Welche der von Weber genannten Gründe für die Akzeptanz von Herrschaft halten Sie für die wichtigsten? Begründen Sie Ihre Meinung. 3. Was heißt „erklären“ und was heißt „verstehen“? 4. Überlegen Sie, warum die Bürokratie von Weber für eine besonders effektive Form von Herrschaft gehalten wurde und warum heute die kritische Einstellung gegenüber der Bürokratie überwiegt. (2) Tayloristischer Ansatz 1. Viele Merkmale des von Taylor verworfenen „alten Systems“ muten heute wieder ganz modern an. Wie lässt sich erklären, dass zu Taylors Zeiten die Ablösung des alten Systems zu einer deutlichen Effektivitätssteigerung führte, wogegen heute gerade die teilweise Rückkehr zum alten System einen Effektivitätsgewinn verspricht? 2. Für wie realistisch halten Sie Taylors Menschenbild? 3. Ist Taylors Anspruch, eine „wissenschaftliche Betriebsführung“ begründet zu haben, berechtigt? 4. Glauben Sie, dass der Taylorismus in den Unternehmen heute ausgedient hat? <?page no="247"?> 222 · Fragen zur Vertiefung (3) Human-Relations-Ansatz 1. Im Human-Relations-Ansatz wird die Organisation nicht nur als formales, sondern auch als soziales und humanes System angesehen. Halten Sie es für sinnvoll, sich im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre auch mit sozialen und humanen Faktoren zu beschäftigen? 2. Warum tut sich die Forschung wohl so schwer, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Strukturfaktoren, der Arbeitszufriedenheit und der Leistung festzustellen? 3. Im Rahmen der Hawthorne-Studien wurden auch sehr viele zeit- und kostenintensive Tiefeninterviews geführt. Was spricht für und was spricht gegen diese Methode? 4. Das Tavistock Institute for Human Relations hat schon vor rund fünfzig Jahren Gestaltungsvorschläge für die Organisation gemacht, die erst heute in der Praxis richtig Fuß fassen. Wie ist diese Zeitverzögerung zu erklären? (4) Strukturtechnischer Ansatz 1. Kosiol unterscheidet sechs Merkmale einer Aufgabe, nach welchen sie im Rahmen der Aufgabenanalyse zerlegt werden kann. Könnte man eine Aufgabe auch noch nach anderen Merkmalen kennzeichnen und zerlegen? 2. Im strukturtechnischen Ansatz wird dem Gestalter nur eine Art „Baukasten“ mit den unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten geliefert. Mit konkreten Empfehlungen für die Gestaltung ist der Ansatz sehr vorsichtig. Was halten Sie von dieser Vorgehensweise? (5) Situativer Ansatz 1. Dem situativen Ansatz wird u.a. vorgeworfen, „theorielos“ zu sein. Was könnte hinter diesem Vorwurf stecken? 2. Die empirischen Befunde des situativen Ansatzes sind äußerst heterogen. Welche Gründe könnte das haben? <?page no="248"?> Fragen zur Vertiefung · 223 3. Überlegen Sie, wie Sie die Situationsfaktoren Größe, Umweltdynamik und Leistungsprogramm, die Strukturfaktoren Spezialisierung und Formalisierung sowie die Effizienz operationalisieren könnten, um eine empirische Erhebung durchzuführen. 4. Beim typologischen Vorgehen werden die Unterschiede zwischen den real existierenden Organisationsformen vergröbert und bspw. nur fünf oder sogar nur drei oder zwei Typen unterschieden. Was halten Sie von dieser Vorgehensweise? Ist die Typenbildung willkürlich, wenn mal zwei, mal drei, mal fünf und mal sieben Typen unterschieden werden? (6) Entscheidungstheoretischer Ansatz 1. Der entscheidungsprozessorientierte Ansatz vergleicht Organisationen mit Mülleimern und Tempeln und bestreitet, dass Entscheidungen in Unternehmen so rational getroffen werden, wie es die normative Entscheidungstheorie postuliert. Halten Sie diese Vergleiche für realistisch? 2. Wenn Sie das entscheidungslogische Grundmodell nach Laux/ Liermann betrachten (Abb. 6-5, S. 118), für wie wahrscheinlich halten Sie es dann, dass man die Maßnahmen der Verhaltensbeeinflussung i.S. des Unternehmensziels optimieren kann? 3. Wie sieht der Entscheidungsprozess für eine bestimmte organisatorische Maßnahme aus a) nach dem entscheidungslogischen Ansatz? b) nach dem entscheidungsprozessorientierten Ansatz? 4. Wie erfüllen die beiden entscheidungstheoretischen Teilansätze jeweils die drei Ziele der Wissenschaft, wie sie im Kapitel 5, S. 32ff. beschrieben wurden? (7) Institutionenökonomischer Ansatz 1. Welches Verhalten ist nach der Verfügungsrechtstheorie von den Arbeitnehmern zu erwarten, wenn sie • nur das Recht haben, die Produktionsmittel (Maschinen) zu benutzen (usus)? • darüber hinaus das Recht haben, die erwirtschafteten Erträge einzubehalten (usus fructus)? <?page no="249"?> 224 · Fragen zur Vertiefung • außerdem die Produktionsfaktoren verändern und veräußern dürfen (abusus und Recht auf Übertragung)? 2. Wie beurteilen Sie die Aussage von Alchian/ Demsetz, dass Kaufverträge und Arbeitsverträge praktisch gleich zu setzen sind? 3. Wie beurteilen Sie die Aussage von Williamson, dass Transaktionen am Markt und in der Hierarchie unterschiedlich abgewickelt werden? 4. Machen Sie sich an einem beliebigen Beispiel aus dem Alltag (bspw. Beauftragung eines Handwerkers mit Reparaturen) die verschiedenen Agenturprobleme klar. 5. Um den Managern einer AG Anreize zu bieten, i.S. der Aktionäre zu handeln, erhalten die Manager immer häufiger Aktien als Teil ihrer Entlohnung. Ob dieses Anreizinstrument den gewünschten Effekt hat, ist allerdings umstritten. Was könnte dagegen sprechen, das Agenturproblem so zu lösen? 6. Wie realistisch erscheint Ihnen die Arbeitsleidthese der Agenturtheorie? 7. Überlegen Sie, warum die wachsende Größe einer Unternehmung aus Sicht der drei institutionenökonomischen Teilansätze jeweils als Problem angesehen werden kann. (8) Evolutionstheoretischer Ansatz 1. Im populationsökologischen Ansatz werden Unternehmen mit Lebewesen verglichen, die geboren werden, sterben, über bestimmte Gene verfügen usw. Was halten Sie von diesem Vergleich? 2. Die Befunde der empirischen Forschung zum Zusammenhang zwischen bestimmten Merkmalen von Unternehmen und ihrem „Sterberisiko“ sind recht widersprüchlich. Wie könnte das erklärt werden? 3. Im evolutionstheoretischen Ansatz sind die Manager nur eine Quelle blinder Variationen, während ihnen traditionell die Rolle des „Machers“ und „Gestalters“ zugeordnet wird. Überlegen Sie, was jeweils für und gegen die beiden Auffassungen spricht. <?page no="250"?> Fragen zur Vertiefung · 225 4. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren Aktivitäten aus der Organisation ausgelagert (Outsourcing), um die entsprechenden Leistungen anschließend über den Markt zu beziehen. Neuerdings wird in diesem Zusammenhang vor einer Aushöhlung der Kernkompetenzen gewarnt. Ist diese Warnung gerechtfertigt? (9) Interpretativer Ansatz 1. Nach einer radikal subjektivistischen Auffassung erfindet jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit. Was halten Sie von dieser Sichtweise? 2. Jedes Unternehmen ist geprägt von einer bestimmten Sprache, bestimmten Ritualen, Symbolen, Rollenbildern, Bekleidungsvorschriften usw. Überlegen Sie, wie diese sichtbaren Kulturmerkmale konkret aussehen könnten. Haben Sie selbst schon einmal unterschiedliche Organisationskulturen erlebt? 3. Stellen Sie sich vor, Sie sollten im Rahmen einer empirischen wissenschaftlichen Arbeit die Kultur eines Unternehmens darstellen und bewerten. Wie könnten Sie die Kultur erfassen? Nach welchen Kriterien würden Sie eine Bewertung vornehmen? 4. Die Instrumentalisierung der Kultur wird teilweise sehr kritisch beurteilt. Es wird nicht nur hinterfragt, ob man die Kultur gestalten kann, sondern auch, ob man das überhaupt darf. Nehmen Sie zu dieser Kritik Stellung. (10) Selbstorganisationsansatz 1. In vielen Unternehmen entstehen von selbst „heimliche Spielregeln“. Überlegen Sie sich Beispiele für solche Spielregeln. Wie könnten die Spielregeln entstehen? 2. In welchem Verhältnis stehen „informale Organisation“ und „Selbstorganisation“ zueinander? 3. Halten Sie das Menschenbild des Selbstorganisationsansatzes für realistisch? 4. Überlegen Sie, warum die Prozessstruktur und die Gruppenstruktur die beiden Basisbausteine für eine Gestaltung der autonomen Selbstorganisation sind. <?page no="251"?> 226 · Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen (11) Strukturationsansatz 1. Was halten Sie von der Aussage, soziale Systeme existierten nur in der Form von wiederholten sozialen Praktiken und Erinnerungsspuren der Akteure? 2. Giddens zählt zur Struktur auch die Ressourcen. Findet man diese Vorstellung auch in anderen organisationstheoretischen Ansätzen wieder? 3. Inwiefern können Probleme beim geplanten organisationalen Wandel mit dem Strukturationsansatz erklärt werden? 4. Was bedeutet die „Dialektik der Herrschaft“? Stimmt es, dass die Untergebenen immer auch die Aktivitäten der Vorgesetzten beeinflussen können? 5. Ist es sinnvoll, im Bereich der Sozialwissenschaften nach gesetzmäßigen Ursache-Wirkungszusammenhängen zu suchen? Literaturempfehlungen Da zu den einzelnen Ansätzen bereits Literaturhinweise gegeben wurden, sollen hier nur noch einige Bücher genannt werden, die sich allgemein mit den organisationstheoretischen Ansätzen beschäftigen: Frese, E.: Organisationstheorie: Historische Entwicklung - Ansätze - Perspektiven, 2. A., Wiesbaden 1992. Kieser, A., Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, 6. A., Stuttgart 2006. Schreyögg, G.: Organisation, 5. A., Wiesbaden 2008. Walter-Busch, E.: Organisationstheorien von Weber bis Weick, Amsterdam 1996. <?page no="252"?> Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung 1 Synopse der organisationstheoretischen Ansätze 2 Kombination der organisationstheoretischen Ansätze 3 Aktuelle Bedeutung der organisationstheoretischen Ansätze 1 Synopse der organisationstheoretischen Ansätze Die Aufgabe einer Theorie besteht hauptsächlich darin, den Unterbau für die Gestaltung bereitzustellen. So sieht es jedenfalls das Wissenschaftsverständnis der Betriebswirtschaftslehre. Für den Bereich der Organisation heißt das: Organisationstheoretische Erklärungen sollen helfen, die Effektivität der Organisation zu verbessern. Dabei interessieren v.a.: • Erklärungen zur Entstehung und zum Wandel von Organisationen sowie • Erklärungen zu den Wirkungen der Organisation. Die hier vorgestellten Ansätze kommen hinsichtlich dieser beiden Erklärungen zu teils ähnlichen, aber auch zu teils sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Das folgende Schema zeigt die zu untersuchenden Zusammenhänge vereinfacht auf: Umwelt, Gesellschaft Individuen Organisation (3) (1) (2) (4) Umwelt, Gesellschaft Individuen Organisation (3) (1) (2) (4) Abb. 7-1: Organisationstheoretische Zusammenhänge <?page no="253"?> 228 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung Mit den Pfeilen 1 und 2, die zur Organisation hinführen, werden Hypothesen zur Entstehung und zum Wandel von Organisationen symbolisiert, mit den Pfeilen 3 und 4 dagegen die Wirkungen, die von der Organisation ausgehen. Ad (1) Der Bürokratieansatz, der tayloristische, der strukturtechnische, der situative, der entscheidungslogische und der institutionenökonomische Ansatz gehen davon aus, dass die Organisation (Beziehung 1: Individuen → Organisation) i.S. einer rationalen Strukturgestaltung durch Organisatoren zu erklären ist. Die Organisation entspricht im Wesentlichen dem Entwurf. Der Human-Relations- Ansatz, der entscheidungsprozessorientierte, der interpretative, der Selbstorganisations- und der Strukturationsansatz verstehen den Prozess als komplexes Zusammenwirken von formalen Vorgaben durch Organisatoren und mehr oder weniger bewussten Gestaltungsmaßnahmen durch die Organisationsmitglieder. Was im Ergebnis herauskommt, ist relativ ungewiss. Ad (2) Mit der Beziehung 2 (Umwelt → Organisation) befassen sich der situative, der evolutionstheoretische, der interpretative, der Selbstorganisations- und der Strukturationsansatz. Die Interpretationen der Beziehung divergieren teils deutlich. Im klassischen situativen Ansatz spielt die Umwelt nur die Rolle einer zu beachtenden Randbedingung bei der rationalen Gestaltung, d.h. die Beziehung 1 dominiert. Beim evolutionstheoretischen Ansatz ist es dagegen letztlich die Umwelt, die die Organisation „gestaltet“, während die Organisatoren und die Organisationsmitglieder nur zufällige Variationen als Input für die Evolution liefern. Der interpretative Ansatz und der umweltbezogene Institutionalismus (eine kritische Weiterentwicklung des situativen Ansatzes) thematisieren das Zusammenwirken der Beziehungen 1 und 2 wiederum anders: Von der Gesellschaft werden Vorstellungen über richtiges Organisieren, Schemata, Skripte, mentale Modelle usw. bereitgestellt, die unbewusst in die Gestaltung der Organisation einfließen. Die Gestalter folgen bspw. unbewusst einer Mode, während sie selbst den Eindruck haben, sie würden die Organisation rein rational gestalten. Bewusste und unbewusste Prozesse tragen zur Entstehung und zum Wandel der Organisation bei. Der Selbstorganisations- und der Strukturationsansatz thematisieren alle diese Beziehungen. Ad (3) Vorstellungen über die Beziehung 3 (Organisation → Individuen) entwickeln die meisten Ansätze, weil solche Wirkungshypothesen ja der rationalen Gestaltung zugrunde liegen müssen. Bewusst ausgeklammert wird die Beziehung vom strukturtechnischen Ansatz. Da es ihm v.a. um die logischen Möglichkeiten der Strukturierung geht und nicht um Gestaltungsempfehlungen, spielen Struktur-Verhaltens-Hypothesen keine Rolle. Der Mensch kommt nur als abstrakter Aufgabenträger vor. Für den evolutionstheoretischen Ansatz sind <?page no="254"?> Synopse der organisationstheoretischen Ansätze · 229 die Wirkungshypothesen uninteressant, weil er die Möglichkeit einer rationalen Organisationsgestaltung ja sowieso als sehr gering veranschlagt. Die meisten Ansätze gehen von zweckrational handelnden Organisationsmitgliedern (und anderen Individuen wie bspw. Marktpartnern) aus, welche einigermaßen vorhersehbar auf bestimmte „Anreize“ reagieren. Institutionenökonomik und Entscheidungslogik unterstellen ein rein ökonomisch-zweckrationales Handeln als Modellannahme. Auf dieser Grundlage kann logisch erwogen werden, welche organisatorischen Maßnahmen vermutlich welche Verhaltensweisen hervorrufen. Der Taylorismus geht von einer ganz ähnlichen Annahme aus, die aber von Taylor nicht als Modellprämisse, sondern als empirische Tatsache speziell in Bezug auf Arbeiter eingeführt wird. Basis seiner Annahme ist die induktive Verallgemeinerung seiner Erfahrungen. Auch im Bürokratieansatz dominiert die zweckrational-ökonomische Erklärung des Handelns der Organisationsmitglieder. Sie akzeptieren Herrschaft, so die idealtypische Annahme, weil sie damit ihre Einkommen sichern. Allerdings nennt Weber auch noch andere Motive für ein bestimmtes Verhalten, nämlich die Verpflichtung gegenüber bestimmten Werten, Gefühle wie bspw. Stolz auf die Arbeit sowie weiterhin Traditionen und Gewohnheiten. Auch im Strukturationsansatz dominiert die Sichtweise, die Akteure hätten im Allgemeinen „gute Gründe“, sich in einem bestimmten Kontext bewusst für eine bestimmte Handlungsalternative zu entscheiden. Sie handeln „zweckgerichtet“ und „vernünftig“, indem sie die Handlung wählen, die ihre Ziele am besten zu erfüllen verspricht. Die Organisation kann in diesem Sinne die Wahl einer Handlungsalternative nahe legen, wenn auch nicht wirklich erzwingen. Auf der anderen Seite wird vom Strukturationsansatz auch weniger bewusstes, routiniertes Handeln für sehr bedeutsam gehalten. Ansätze, die stark der empirischen Forschung verpflichtet sind, wie der Human-Relations-Ansatz, der situative Ansatz und der entscheidungsprozessorientierte Ansatz, kommen oft zu komplizierten und widersprüchlichen Hypothesen über die Wirkung der Organisation auf die Akteure. Im Gefolge des Human- Relations-Ansatzes wurde die These populär, dass die Organisationsmitglieder v.a. an Autonomie und vielfältigen, herausfordernden Arbeiten sowie an guten Sozialkontakten interessiert sind und auf solche Strukturen mit hoher Motivation, Innovations- und Lernbereitschaft reagieren. Diese These macht sich auch der Selbstorganisationsansatz zueigen, wenn er mehr autonome Selbstorganisation empfiehlt. Wirklich eindeutige Beweise zur Stützung solcher Thesen ließen sich aber aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge nicht finden. So scheint es - nach Erkenntnissen des situativen Ansatzes für die Wirkung eines Strukturpa- <?page no="255"?> 230 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung rameters (etwa der Hierarchie) auf das Verhalten eine Rolle zu spielen, wie groß die untersuchte Unternehmung ist, wie der Einzelne seine Rolle in der Unternehmung wahrnimmt, welche Koordinationsinstrumente eingesetzt werden, wie gut das Organisationsmitglied ausgebildet ist und wie die persönlichen Erfahrungen in einer bestimmten Organisation sind. Schon der Human-Relations- Ansatz deckte zudem das Problem auf, welches der interpretative Ansatz in den Vordergrund stellt, nämlich dass die Organisation nicht unmittelbar verhaltensrelevant ist, sondern nur über die Interpretationen der Organisationsmitglieder wirkt. Es sind die Wahrnehmungen von der Organisation, die auf das Handeln einwirken. Ein hoher Grad von Fremdbestimmung wird bspw. gar nicht als solcher gedeutet, wenn die Fremdbestimmung stark formalisiert abläuft, also über Pläne, Programme, schriftliche Richtlinien. De facto gleichstarke Fremdbestimmung, die aber durch persönliche Weisungen zum Ausdruck kommt, wird dagegen viel stärker als „Einschnürung“ erlebt. Das kann auch den kontraintuitiven Befund erklären, dass die Organisationsmitglieder in stark bürokratischen und formalisierten Unternehmen ihre Arbeit nicht selten als selbstbestimmt, interessant und zufrieden stellend erleben und sich als besonders flexibel und offen gegenüber Innovationen erweisen (vgl. Kieser/ Kubicek [Organisation] 430ff.). Ad (4) Die Frage, wie die Organisation die Gesellschaft beeinflusst, wird von der Organisationsforschung auch behandelt (mit dem Themenbereich Organisation und Gesellschaft beschäftigt sich bspw. Ortmann/ Sydow/ Türk [Theorien]). Da diese Überlegungen für eine betriebswirtschaftliche Organisationslehre nicht unmittelbar von Interesse sind, seien sie hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Solche Zusammenhänge sind: Die Bestätigung und damit Verstärkung der „Rationalitätsmythen“ der Gesellschaft durch die Organisation, die zunehmende „Rationalisierung“ der Gesellschaft durch die Organisationen, die „Zurichtung“ der Gesellschaftsmitglieder für Organisationszwecke (bspw. durch Schule und Universität), innovative Ideen, die in Organisationen entwickelt werden und dann in die Gesellschaft diffundieren. Insgesamt können die beschriebenen Ergebnisse im Verhältnis zum Ideal der Umwandlung informativer und gut bewährter gesetzmäßiger Ursache- Wirkungs-Zusammenhänge in Ziel-Mittel-Zusammenhänge wenig befriedigen. Man hat nicht die eine richtige Organisationstheorie, sondern eine Fülle von teils widersprüchlichen Einzelerkenntnissen. <?page no="256"?> Kombination der organisationstheoretischen Ansätze · 231 2 Kombination der organisationstheoretischen Ansätze Aus der Vielzahl der Ansätze ergibt sich die Frage, wie man mit der Vielfalt umgehen soll. Eine Möglichkeit ist die Entscheidung für einen einzigen Ansatz zur Ableitung von Gestaltungsempfehlungen. Man argumentiert bspw. ausschließlich institutionenökonomisch. Ein großer Vorteil dieser Vorgehensweise ist die logische Geschlossenheit der Argumentation, ein großer Nachteil besteht jedoch in der Ausblendung vieler Erkenntnisse, die in der Praxis tatsächlich Relevanz besitzen. Es bietet sich daher eine Kombination der Ansätze an, um alle Facetten des Gestaltungsproblems in den Blick zu bekommen. Das ist teilweise unproblematisch und wird auch praktiziert. Der situative Ansatz integriert bspw. den Bürokratieansatz, indem er die Typen der bürokratischen und der unbürokratischen Struktur bildet und nach regelmäßigen Zusammenhängen zwischen diesen Strukturtypen und bestimmten Umweltsituationen sucht. Die Kombinierbarkeit der Ansätze wird aber teilweise auch stark in Frage gestellt, nämlich immer dann, wenn sie von ganz unterschiedlichen Grundannahmen ausgehen. Wissenschaftstheoretisch spricht man von unterschiedlichen Paradigmen, und es wird nun behauptet, solche Paradigmen seien nicht miteinander kombinierbar, weil sie absolut unvergleichbar oder „inkommensurabel“ seien (vgl. Scherer [Kritik] 40ff.). Eine Entscheidung für das eine oder das andere Paradigma sei unumgänglich. Wir halten einen Dialog über konkurrierende Ansätze hinweg für möglich und sehen gerade darin eine Chance, zu umfassenderen Erklärungen und realistischeren Gestaltungsempfehlungen zu kommen. Dieses Vorgehen soll nun mit Hilfe des sog. Burrell/ Morgan-Schemas (S. 49f.) begründet werden (vgl. Burrell/ Morgan [Paradigms]). Danach werden zwei Grundpositionen unterschieden: Die objektivistische und die subjektivistische. Während die objektivistische Position von der Annahme einer objektiven Realität ausgeht, betont die subjektivistische Position die Interpretation oder Konstruktion der jeweils nur individuell gültigen Realität. Die idealtypische, anschauliche Gegenüberstellung eines „objektivistischen“ und eines „subjektivistischen“ Paradigmas beruht auf folgenden Merkmalen (vgl. Abb. 7-2): • Annahmen über die Realität (realistisch versus konstruktivistisch), • Annahmen über die Möglichkeit von Erkenntnis (positivistisch versus antipositivistisch), • Annahmen über die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt (deterministisch versus voluntaristisch), <?page no="257"?> 232 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung • Annahmen über die Angemessenheit von Methoden (nomothetische versus idiographische Position). 2.1 Realistische versus konstruktivistische Position Das erste Gegensatzpaar bezieht sich auf die Annahmen über die Realität. Die realistische Position geht von einer objektiv gegebenen Realität aus, die „da draußen“ in der Welt unabhängig vom Beobachter existiert. Nicht nur in der Natur, sondern auch im Bereich des Sozialen gibt es nach realistischer Auffassung harte, konkrete und stabile Strukturen. Dagegen betonen Konstruktivisten die subjektive Produktion einer jeweils nur individuell gültigen Realität. Für die Organisationsforschung bedeutet eine realistische Position, dass es die untersuchten Phänomene, wie Struktur, Hierarchie, Umwelt, Motivation objektiv messbar und intersubjektiv prüfbar „da draußen“ gibt, und dass sie richtig abgebildet werden können und sollen. Wie die Diskussion um die Reliabilität und Validität der jeweiligen Operationalisierungen für diese Phänomene zeigt, ist diese Annahme nicht ohne weiteres haltbar. Der Forscher muss, damit er Zusammenhänge erkennen kann, die teils amorphe Realität für seine Bedürfnisse vereinfachen und bspw. davon ausgehen, dass es zwei Typen von Organisationen gibt (nämlich bürokratische und unbürokratische) oder vier Kulturtypen (nämlich aussenorientierte und binnenorientierte, änderungsfreundliche und änderungsfeindliche Kultur). Er geht bereits mit einem Vorverständnis oder einer Theorie an die Beobachtung der Realität heran. Komplizierend kommt hinzu, dass nicht nur die Organisationsforscher Schwierigkeiten haben, von außen zu sehen, was die wirkliche reale, objektive Organisation des Unternehmens ist, sondern dass es den Menschen in der Organisation nicht besser geht. Auch sie interpretieren ihre Umgebung und schaffen sich ihre Wirklichkeit z.T. selbst. Eine radikal konstruktivistische Position, die die Realität kurzerhand zur Erfindung erklärt (vgl. bspw. Watzlawick [Wirklichkeit]), ist aber aus diesen Überlegungen nicht begründbar. Paradoxerweise kommen die subjektiven Komponenten der Realitätswahrnehmung ja gerade erst dadurch in den Blick, dass man sie mit der „objektiven“ Realität konfrontiert und Abweichungen identifiziert. Man stellt bspw. fest, dass Taylor die Organisation mit dem Vorverständnis des Ingenieurs wie eine Maschine versteht und kritisiert dies als einseitig, weil sie eben objektiv keine Maschine ist. Oder man erkennt im Rahmen der empirischen Forschung, dass die Organisationsmitglieder eine objektiv gleichstarke Fremdbestimmung subjektiv unterschiedlich wahrnehmen. Die These, dass Menschen ihre Umgebung interpretieren und insofern die Realität nicht einfach <?page no="258"?> Kombination der organisationstheoretischen Ansätze · 233 passiv rezipieren, sondern konstruieren, wird außerdem selbst als objektiv wahr behauptet. Nach diesen Überlegungen scheint als Basisannahme für die Organisationsforschung die integrative Perspektive einer „gefilterten Realität“ am besten zu passen. Jede Realität ist letztlich wahrgenommene Realität und insofern nicht vollkommen unabhängig vom Beobachter. Der subjektive Anteil ist aber nicht in jedem Fall gleich groß. Es gibt sie sehr wohl, die sog. „hard facts“, die von verschiedenen Beobachtern in gleicher Weise wahrgenommen werden und die einen relativ hohen Grad an Objektivität beanspruchen können. So wird man bspw. objektiv feststellen können, ob eine bestimmte Aufgabe bei starker oder geringer Arbeitsteilung schneller ausgeführt wird. Die Interpretation des Befundes, bspw. dass geringere Arbeitsteilung Prozesse beschleunigt, enthält dagegen sicher subjektive Komponenten. Eine solche Interpretationsmöglichkeit wäre z.B.: Sehr einseitige, repetitive Arbeiten führen zu Monotonie und Unzufriedenheit und senken so den Leistungswillen. Eine andere Interpretation: Weniger Arbeitsteilung senkt die Anzahl der Schnittstellen, wo es immer zu Zeitverzögerungen kommen kann. Eine einseitig konstruktivistische Sicht unterschätzt die Chance, zu intersubjektiv prüfbaren Aussagen zu kommen. Eine einseitig realistische Sicht unterschlägt die Wahrnehmungsfilter der Forscher und der Beforschten und maßt sich so an, problemlos die objektive Wahrheit erkennen zu können. Die Basisannahme der gefilterten Realität bekommt dagegen sowohl die „hard facts“ als auch die Interpretationen in den Blick. 2.2 Positivistische versus anti-positivistische Position Die unterschiedlichen Annahmen über die Realität korrespondieren unmittelbar mit zwei entgegengesetzten erkenntnistheoretischen Basisannahmen, die von Burrell/ Morgan als Positivismus und Anti-Positivismus bezeichnet werden. Unter der Voraussetzung, dass die Welt „da draußen“ aus realen, harten, objektiven Daten und Fakten besteht, kann ein Forscher diese Außenwelt richtig erfassen und intersubjektiv prüfbare Aussagen machen, die eindeutig als wahr oder falsch beurteilt werden können. Der positivistische Forscher geht außerdem davon aus, dass es auch in der sozialen Welt gesetzmäßige Ursache- Wirkungs-Beziehungen gibt, die entdeckt werden können und dass wissenschaftlicher Fortschritt in der Kumulation solcher wahrer Gesetze besteht. Die Gegenposition der Anti-Positivisten ist v.a. dadurch gekennzeichnet, dass sie die Existenz solcher Gesetze in der sozialen Welt leugnet. Der Forscher kann immer nur im Einzelfall verstehend nachvollziehen, was warum geschehen <?page no="259"?> 234 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung ist, indem er sich in die Beteiligten hineinversetzt. Verallgemeinerungen sind eigentlich unzulässig. Ein Großteil der Organisationsforschung geht von erkenntnistheoretischen Voraussetzungen aus, die nach diesem Schema als "positivistisch" einzuordnen wären, denn sie suchen und versprechen Gesetzmäßigkeiten, die zur Grundlage einer rationalen Organisationsgestaltung gemacht werden können. Nach strengen Maßstäben gemessen wird allerdings dieses Versprechen von keinem organisationstheoretischen Ansatz eingelöst, denn zu jeder Ursache-Wirkungs- Hypothese wurden auch Gegenbeispiele gefunden. Es wäre aber verfehlt, deswegen zu behaupten, jede Suche nach Regelmäßigkeiten im Bereich des Wirtschaftsgeschehens sei sinnlos. Es existieren oft gewisse „Muster“ und typische Zusammenhänge, die zwar nicht zwingend in jedem Einzelfall, aber doch im Allgemeinen gelten, und deren Kenntnis hilfreich ist, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. So ist der Strategie-Struktur-Zusammenhang sicher kein Gesetz im strengen Sinne. Die Beobachtungen Chandlers (vgl. [Strategy]) haben aber zu der einleuchtenden Idee geführt, dass Strategie und Struktur einer Unternehmung aufeinander abgestimmt sein sollten. Wie schon bei den Annahmen über die Realität erweist sich auch hier wieder die integrative Position zwischen den Extremen als die angemessenste für die Organisationsforschung. Es gibt keine „ehernen Gesetze“ der Organisation und es kann sie nicht geben, weil der Forschungsgegenstand nicht einfach ein „Objekt“ ist. Man hat es im Bereich der Organisation mit intentional handelnden Menschen und deren Lebensäußerungen zu tun. Es gibt aber dennoch gewisse Muster und Regelmäßigkeiten (typische Zusammenhänge), die die Forschung mit Gewinn für die Praxis aufdecken kann. 2.3 Deterministische versus voluntaristische Position Die deterministische Sicht sieht den Menschen als durch die faktisch gegebene Umwelt im Wesentlichen konditioniert und bestimmt an. Bestimmte Umweltbedingungen rufen quasi mechanistisch bestimmte Reaktionen hervor. Nach voluntaristischer Sicht schafft und kontrolliert der Mensch seine Umwelt dagegen selbst und setzt seinen freien Willen durch. Bezogen auf die Organisationsforschung wäre eine deterministische Sicht für die Organisatoren so zu verstehen, dass sie in bestimmten extern vorgegebenen Situationen bestimmte Organisationsstrukturen quasi wählen müssen. Ein solcher Determinismus wird v.a. dem situativen Ansatz vorgeworfen. Determinismus in Bezug auf die Organisationsmitglieder bedeutet, dass ihre Handlungen von der Struktur determiniert sind. Sie reagieren quasi zwangsläufig auf <?page no="260"?> Kombination der organisationstheoretischen Ansätze · 235 bestimmte Strukturmerkmale mit bestimmten Handlungen. Ein extremer Voluntarismus würde dagegen jederzeit jede beliebige Handlung (und Umweltdeutung) für möglich halten. Auch zwischen diesen Extremen scheint wiederum die Zwischenposition am einleuchtendsten. Hinsichtlich der Organisatoren wird diese Position mit der Formel der „begrenzten Wahl von Begrenzungen strukturbezogener Wahlmöglichkeiten“ (Kieser/ Kubicek [Organisation] 430) gekennzeichnet. Damit wird ausgesagt, dass es zwar externe Begrenzungen der Strukturwahl gibt (deterministisches Moment), dass aber zugleich auch diese Begrenzungen zumindest teilweise „wählbar“ sind (voluntaristisches Moment). So können zumindest die Topmanager bspw. wählen, ob sie das Produktionsprogramm erweitern, ob sie das Geschäft aufs Ausland ausdehnen, ob sie das Unternehmen an die Börse bringen, welche Fertigungstechnologie eingesetzt wird usw. Sie können über die strategischen Entscheidungen für ein bestimmtes Tätigkeitsfeld sogar ihre Umwelt in gewisser Weise auswählen. Die Situationsfaktoren, welche die Struktur (mit)bestimmen, sind also wählbar. Und auch wenn diese Entscheidungen gefallen sind, gibt es noch eine Bandbreite dazu passender organisatorischer Lösungen. Und auch in Bezug auf die Organisationsmitglieder kann diese Formel sinnvoll angewendet werden. Sie sind zwar einerseits durch die Struktur auf bestimmte Handlungsweisen mehr oder weniger festgelegt (deterministisches Moment), aber sie bringen auch ihrerseits durch ihre Deutungen und Handlungen Struktur hervor, die von der Vorgabe abweichen kann (voluntaristisches Moment). Offene Befehlsverweigerung führt zwar wahrscheinlich zur Entlassung; insofern kann das Organisationsmitglied nicht beliebig handeln. Innerhalb einer akzeptablen Bandbreite kann es aber sicher seine eigenen Interpretationen und seinen eigenen Willen zur Geltung bringen. 2.4 Nomothetische versus idiographische Position Die bisher beschriebenen unterschiedlichen Grundannahmen münden in zwei entgegengesetzten methodologischen Positionen, die von Burrell/ Morgan als nomothetisch und idiographisch bezeichnet werden. Die nomothetische Forschung sucht nach Gesetzen (positivistische Position) in der Realität „da draußen“ (realistische Position), die das Handeln der Menschen zwingend beeinflussen (deterministische Position). Als typische empirische Forschungsmethode kann dieser Position die großzahlige Querschnittstudie mit statistischer Auswertung (z.B. Korrelationsanalyse) zugeordnet werden. Idealerweise werden durch solche Studien Hypothesen getestet, d.h. die Theorie geht dem Test voran. <?page no="261"?> 236 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung Die idiographische Forschung konzentriert sich dagegen auf das Verstehen von Einzelfällen (anti-positivistische Position), weil es sowieso keine harten Fakten gibt (konstruktivistische Position) und jeder anders reagiert (voluntaristische Position). Als Forschungsmethode steht bei dieser Position die Längsschnitt-Fallstudie im Vordergrund, mit dem Ziel, authentische Eindrücke aus der „Lebenswelt“ der Akteure zu gewinnen. Schlussfolgerungen werden induktiv gewonnen, die verwendeten Methoden der Datenerhebung und -auswertung werden als qualitativ bezeichnet. Die Beobachtungen sollen möglichst unvoreingenommen durchgeführt werden, ohne feste Hypothesen. Die Theoriebildung folgt dem praktischen Befund. Der Mainstream empirischer Organisationsforschung neigt der nomothetischen Position zu. Vielen Forschern gilt diese Art der Forschung, die am Ende mit Zahlen aufwarten kann, als die einzig richtige. Es mangelt aber auch nicht an Kritik. Die Kritik bezieht sich zum einen auf Details des Forschungsdesigns, etwa falsche Operationalisierungen, zu kleine Samples, unangemessene statistische Methoden, Konzentration auf die falschen Teilzusammenhänge oder vage Ergebnisse. Zum anderen wird auch fundamentalere Kritik laut: Aufgrund naiver Basisannahmen würden irgendwelche fragwürdigen Zahlen produziert und notdürftig begründete Teilzusammenhänge festgestellt, die keinesfalls als Ursache-Wirkungs-Hypothesen gelten könnten. Der wahre Reichtum der studierten Phänomene könnte so niemals eingefangen werden und zu den wahren Gründen würde man auf diese Weise nicht vorstoßen. Nur eine intensive, langfristige, teilnehmende Untersuchung eines Einzelfalls mit qualitativen Methoden könne die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes angemessen einfangen und zu wirklichen Erklärungen führen. Dass auch diese Art der Forschung angreifbar ist, liegt allerdings auf der Hand. Als unpräzise, intuitiv, deskriptiv, impressionistisch und anekdotenhaft wird sie charakterisiert. Die Güte qualitativer Untersuchungen ist schwer zu beurteilen, weil es an verbindlichen Standards fehlt. Und v.a. ist natürlich die Zulässigkeit induktiver Verallgemeinerungen fraglich. Die bloße Beschreibung eines Einzelfalls bleibt aber theoretisch und pragmatisch unbefriedigend, wenn man nicht irgendetwas daraus lernen kann, was auch für andere Fälle gilt und die künftige Praxis verbessert. Die Kritik der beiden Extrempositionen lässt auch hier wieder eine integrative Position, nämlich die des Methodenverbunds angemessen erscheinen. Zum einen können durch qualitative Fallstudien gewonnene Hypothesen durch „härtere“ Tests abgesichert werden, zum anderen können aber auch in quantitativen Studien ermittelte Zusammenhänge durch qualitative Studien angereichert werden. Wie schon Max Weber (vgl. [Wirtschaft] 5f.) festgestellt hat, reicht eine <?page no="262"?> Kombination der organisationstheoretischen Ansätze · 237 bloße statistische Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Zusammenhanges nicht als Erklärung aus. Man muss auch den Sinn verstehen. Andererseits reicht aber auch das Verstehen des Sinns in einem Einzelfall nicht als Erklärung aus. Man kann nur dann von einer Erklärung sprechen, wenn der Zusammenhang tatsächlich häufiger (im Durchschnitt) aufzutreten pflegt. Beide Methoden (sowie auch die bei Burrell/ Morgan gar nicht thematisierte Modellanalyse) haben ihre Berechtigung. Das zu erwartende Ergebnis ist in jedem Fall relativ bescheiden, nämlich Zusammenhänge zu finden, die häufiger zu beobachten sind und die uns sinnhaft verständlich erscheinen. Abb. 7-2 vermittelt einen zusammenfassenden Überblick über die integrative Perspektive in der Organisationsforschung. Objektivismus Subjektivismus Realismus (Realität wird abgebildet) Gefilterte Realität Konstruktivismus (Realität wird erfunden) Positivismus (Der Forscher erkennt Gesetze) Muster, typische Zusammenhänge Anti-Positivismus (Der Forscher versteht Einzelfälle) Determinismus (Der Mensch reagiert zuverlässig auf Umweltstimuli) Begrenzte Wahl von Begrenzungen Voluntarismus (Der Mensch handelt unabhängig von der Umwelt) Nomothetik (Großzahlige, quantitative Querschnittsanalyse mit statistischer Auswertung, um Hypothesen zu testen) Methodenverbund Idiographie (Tief gehende, qualitative Längsschnittsanalyse eines Einzelfalls mit induktiver Hypothesengewinnung) Abb. 7-2: Integration des subjektivistischen und objektivistischen Paradigmas Aufgrund dieser Überlegungen scheint es uns nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll, für die Gestaltung die Befunde verschiedener Ansätze heranzuziehen und ihnen eine jeweils relative Gültigkeit zuzubilligen, auch über sog. Paradigmengrenzen hinweg. Die moderneren Theorieansätze haben die älteren nicht abgelöst, sondern stellen nur andere Facetten der komplexen Organisations- <?page no="263"?> 238 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung wirklichkeit heraus. Insofern sind nach unserer Meinung alle Ansätze in Teilen aktuell geblieben. 3 Aktuelle Bedeutung der organisationstheoretischen Ansätze Praktische Gestaltungsempfehlungen können aus einem einzigen theoretischen Ansatz nicht abgeleitet werden. Der Organisationsgestalter in der Praxis muss seinen Blick vielmehr gleichzeitig auf alle Facetten des Erfahrungsgegenstandes richten. D.h. er muss die unterschiedlichen Erkenntnisse insgesamt berücksichtigen, wobei für unterschiedliche Gestaltungsfragen unterschiedliche Ansätze besonders relevant sind. Bei welcher Gestaltungsfrage welcher Ansatz eine besondere Rolle spielt, soll im Folgenden gezeigt werden: (1) Grundlegende Aufgaben der Organisationsgestaltung betreffen die Führungsorganisation bzw. die Unternehmensverfassung sowie die Ausgestaltung der Grenzen der Unternehmung. Im Rahmen einer Führungsorganisation werden Normen aufgestellt, die regeln, wer in welcher Weise zur Unternehmensführung berechtigt ist oder an ihr mitwirken darf. Die Gestaltungsspielräume sind in diesem Bereich durch das Gesellschafts-, Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsrecht eingeschränkt. Bei der Frage nach der „richtigen“ Führungsorganisation kann der Property- Rights-Ansatz die theoretische Grundlage liefern. Wenn es darum geht zu entscheiden, welche Aufgaben eine Unternehmung selbst wahrnehmen will und welche Leistungen sie vom Markt beziehen soll, d.h. also wo die Grenzen der Unternehmung verlaufen, dann ist der Transaktionskosten-Ansatz die passende theoretische Grundlage. Die Wahl zwischen verschiedenen institutionellen Arrangements (Hierarchie, Markt, hybride Formen) kann mit Hilfe der Transaktionskostentheorie rationalisiert werden. (2) Die „klassischen“ Gestaltungsaufgaben der Aufbau- und Ablauforganisation stehen an, wenn die Führungsorganisation und die Grenzen der Unternehmung bereits festliegen. Die feststehende Sachaufgabe soll effizient erledigt werden, wobei letztlich eine Erreichung der Formalziele (Gewinn, Rentabilität, Shareholder Value) intendiert ist. Der strukturtechnische Ansatz Kosiols gibt dem Organisator einen Leitfaden an die Hand, wie er die Aufgabenerfüllung organisieren kann. Die Gesamtaufgabe wird zerlegt, die entstandenen Teilaufgaben werden sinnvoll zusammengefasst und die Aufgabenbündel den Organisationsmitgliedern zur Erfüllung übertragen. Am Ende des Prozesses soll feststehen, wer, was, woran, womit, wann und wo zu erledigen hat und wer gegen- <?page no="264"?> Aktuelle Bedeutung der organisationstheoretischen Ansätze · 239 über wem weisungsberechtigt ist. Kosiol schreibt allerdings nicht vor, wie die entstehende Organisation konkret aussehen soll. Er zeigt vielmehr die verschiedenen Strukturierungsmöglichkeiten auf: Man kann kleine und umfangreiche Aufgabenbündel schnüren, die Aufgaben nach Funktionen, Objekten oder Prozessen zusammenfassen, die Weisungsbeziehungen können einlinig oder mehrlinig sein, Entscheidungsbefugnisse können zentralisiert oder dezentralisiert werden, die Hierarchie kann steil oder flach gestaltet werden usw. Die Verhaltenswirkungen der alternativen Möglichkeiten blendet er jedoch aus. Dem entscheidungslogischen Ansatz entspricht die Vorstellung, dass der Organisator unter diesen Möglichkeiten zielgerichtet die optimale auswählt. Realistischerweise muss er dabei die divergierenden Interessen oder ganz allgemein das Verhalten der Organisationsteilnehmer berücksichtigen. Das theoretische Fundament für eine optimale Organisationsentscheidung ist aber brüchig. Verschiedene Ansätze haben sowohl unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele der Strukturierung als auch über die richtigen Mittel zur Zielerreichung. Für den Taylorismus steht bspw. die Steigerung der Arbeitsleistung als Ziel im Vordergrund, für den Human-Relations-Ansatz die Zufriedenheit der Mitarbeiter neben der Steigerung der Arbeitsleistung, für den entscheidungslogischen Ansatz die Güte der Objektentscheidungen, für den Principal- Agent-Ansatz die Disziplinierung des opportunistischen Agenten und für den evolutionstheoretischen Ansatz das Überleben. Wie diese Ziele sich zueinander verhalten, ist umstritten. Zwischen der Steigerung der Arbeitsleistung und der Zufriedenheit werden z.B. sowohl konfliktäre als auch komplementäre Beziehungen vermutet. Umstritten ist auch, welche Maßnahmen zur Zielerreichung führen. Sowohl für Taylor als auch für den Principal-Agent-Ansatz ist es z.B. eine wichtige Aufgabe der Organisation, Drückebergerei zu verhindern. Taylor empfiehlt eine starke Arbeitsteilung, strikte Reglementierung der Arbeitsausführung und enge Kontrollen. Der Informationsvorsprung des Agenten soll gesenkt werden, indem man „das Wissen aus den Köpfen holt“. Der Principal-Agent-Ansatz akzeptiert dagegen den Informationsvorsprung des Agenten eher und will sein Wissen nutzen. Drückebergerei soll v.a. durch eine passende Gestaltung der Anreizsysteme verhindert werden. Was die Organisationsentscheidungen noch komplexer macht, ist die Notwendigkeit der Berücksichtigung situativer Faktoren. Wie der situative Ansatz lehrt, ist eine Lösung, die für ein bestimmtes Unternehmen passt, für ein anderes Unternehmen möglicherweise nicht optimal. Die theoretischen Ansätze können demnach nicht das eine optimale Strukturmodell liefern. Sie können allerdings verdeutlichen, bei welchen Prämissen (Ziele der Organisation, Men- <?page no="265"?> 240 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung schenbild, situative Faktoren) welche Struktur vermutlich welche Wirkungen entfaltet. Auf die Notwendigkeit, den Kontextfaktoren „Raum“ und „Zeit“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken, weist auch der Strukturationsansatz hin. Anhaltspunkte für die Gestaltung können auch aus den Strukturtypen gewonnen werden, die von verschiedenen Ansätzen entwickelt wurden. Die Bürokratie oder die tayloristische Organisation sind solche Strukturtypen, die eine starke Wirkung auf die praktische Strukturgestaltung ausüben. Wirkten sie zunächst als Vorbilder, so dienen sie heute v.a. als Modelle für veraltete und überholte Strukturen. Der „soziotechnische Strukturtyp“ wurde bspw. im bewussten Gegensatz zum bürokratisch-tayloristischen Typ entwickelt (vgl. Alioth [Selbststeuerungskonzepte] 1896). Theoretische Grundlagen für diesen Strukturtyp liefern der Human-Relations-Ansatz und der Selbstorganisationsansatz. Aus dem evolutionären Ansatz, dem interpretativen Ansatz, dem Selbstorganisationsansatz und dem Strukturationsansatz kann man vor allen Dingen ableiten, was eine gezielte Organisation so schwierig macht. Die Vorstellung, dass organisationaler Wandel gleichzusetzen sei mit dem rationalen Entscheidungsprozess eines Organisators, der eine optimale Struktur wählt und implementiert, ist viel zu simpel und realitätsfern. In jedem Unternehmen bildet sich Ordnung (Struktur und Kultur) auch durch die Praxis der Organisationsmitglieder, die in ihren Aktivitäten durch die vorhandene Struktur und Kultur zwar beeinflusst, aber nicht determiniert sind. Sie wirken rekursiv an der Entstehung der Ordnung mit, die ihr weiteres Handeln beeinflusst. Unbewusste Routinen können einen geplanten Wandel ebenso erschweren wie bewusster Widerstand und unintendierte Folgen bewusster Handlungen. Ein Strukturwandel gelingt nur, wenn die Strukturdimensionen „Herrschaft“, „Legitimation“ und „Signifikation“ in ein neues Gleichgewicht gebracht werden können. In Abb. 7-3 ist noch einmal zusammengefasst, welche Bedeutung den verschiedenen theoretischen Ansätzen für die praktische Organisationsgestaltung heute zukommt. Wenn wir uns im Folgenden ausführlich mit der Gestaltung der Organisation befassen, greifen wir auf diese Erkenntnisse zurück. <?page no="266"?> Aktuelle Bedeutung der organisationstheoretischen Ansätze · 241 Ansatz Aktuelle Bedeutung der Ansätze für die Gestaltung der Organisation Bürokratieansatz • Sicherung von Herrschaft (Führung) • Bildung von Idealtypen • Merkmale zur Beschreibung einer Struktur • Strukturtyp „Bürokratie“ Tayloristischer Ansatz • Effiziente Erledigung von Arbeitsvorgängen • Fließbandproduktion • Idee der Eignungsdiagnostik bei Mitarbeitern • Idee der Verlagerung von „Kopfarbeit“ auf spezielle Stellen (Stäbe) • Tayloristischer Strukturtyp Human- Relations- Ansatz • Bedeutung der informalen Organisation • Überlegungen zum Zusammenhang von Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter (Motivation) • Gestaltungsvorschläge für eine soziotechnisch effiziente Organisationsstruktur Strukturtechnischer Ansatz • Fachterminologie der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre • Prozess des Organisierens in den drei Schritten Analyse, Synthese und Verteilung von Aufgaben Situativer Ansatz • Idee der Abstimmung (Fit) von Organisation, Umwelt und den anderen Subsystemen der Führung • Bildung von Konfigurationstypen Entscheidungstheoretischer Ansatz • Bedeutung divergierender Interessen in der Organisation • Bedeutung begrenzter Rationalität • Bedeutung organisationalen Lernens Institutionenökonomische Ansätze • Überlegungen zur Gestaltung der Unternehmensverfassung • Bestimmung der Grenzen der Unternehmung und Gestaltung von Kooperationen • Überlegungen zu Vor- und Nachteilen der (De-)Zentralisation • Motivation der Organisationsmitglieder Evolutionstheoretischer Ansatz • Prognose ungeplanten organisationalen Wandels • Bedeutung von Kompetenzen für die Überlebensfähigkeit einer Unternehmung • Überlegungen zu einem evolutionären Management <?page no="267"?> 242 · Kapitel 7: Organisationstheorie und Organisationsgestaltung Interpretativer Ansatz • Bedeutung der Organisationskultur • Problematik einer objektivistischen Organisationsforschung Selbstorganisationsansatz • Effizienzfördernde Wirkung autonomer Selbstorganisation • Bedeutung autogener Selbstorganisation und Überlegungen zu Eingriffsmöglichkeiten in die autogenen Prozesse Strukturationsansatz • Bewusstsein für rekursive Zusammenhänge • Probleme geplanten Wandels • Raum-Zeit-Bezug der Organisation Abb. 7-3: Aktuelle Bedeutung der organisationstheoretischen Ansätze <?page no="268"?> Fragen zur Wiederholung und Vertiefung · 243 Fragen zur Wiederholung 1. Welche unterschiedlichen Zusammenhänge zwischen Organisation und Individuen werden von der Organisationstheorie untersucht? (1) 2. Nach welchen Merkmalen unterscheiden Burrell/ Morgan das objektivistische und das subjektivistische Paradigma? (2) 3. Für welche Gestaltungsfrage ist welcher Ansatz besonders relevant? (3) Fragen zur Vertiefung 1. Es gibt z.Zt. zwei unterschiedliche Trends in der Organisationsforschung. Auf der einen Seite wird die Nähe zur Soziologie betont und die Schwierigkeit einer planvollen Gestaltung thematisiert. Auf der anderen Seite gibt es mit der Institutionenökonomik auch eine starke Strömung, die eine rein ökonomische Organisationstheorie vertritt und der Vorstellung einer rationalen Organisationsgestaltung anhängt. Wie könnte man diese Entwicklung erklären? Kann man die beiden Strömungen miteinander verbinden? 2. Es wird behauptet, dass Praktiker oft zuerst eine bestimmte Maßnahme ergreifen und dann hinterher die passende Theorie suchen, die diese Maßnahme „rationalisiert“. Stimmen Sie dem zu? Welche Gründe könnte es dafür geben? 3. Soll man die Güte eines theoretischen Ansatzes v.a. daran messen, ob er eine gute Basis für die organisatorische Gestaltung liefert? 4. Es gibt zwei unterschiedliche Ansichten zum Verhältnis von Theorie und Praxis: Theorie und Praxis sind komplementär („Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie! “) oder Theorie und Praxis sind konkurrierend („Das ist vielleicht theoretisch richtig, taugt aber nichts für die Praxis! “). Welcher Aussage stimmen Sie eher zu? <?page no="269"?> 244 · Literaturempfehlungen Literaturempfehlungen Burrell, G., Morgan, G.: Sociological Paradigms and Organisational Analysis, London 1979. Gioia, D.A., Pitre, E.: Multiparadigm Perspectives on Theory Building, in: Academy of Management Review, Vol. 15 (1990), S. 584-602. Kieser, A., Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, 6. A., Stuttgart 2006. Weaver, G.R., Gioia, D.A.: Paradigms Lost: Incommensurability vs. Structurationist Inquiry, in: Organization Studies, Vol. 15 (1994), S. 565-590. <?page no="270"?> Teil 3: Organisationsgestaltung ORGANISATIONSGESTALTUNG TEIL 3 GRUNDLAGEN TEIL 1 Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation TEIL 2 ORGANISATIONSTHEORIE Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ORGANISATIONSGESTALTUNG TEIL 3 GRUNDLAGEN TEIL 1 Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation TEIL 2 ORGANISATIONSTHEORIE Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK <?page no="271"?> Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung 1 Das Leistungsziel 2 Die Gestaltungsbereiche der Organisation 3 Elemente der Aufbauorganisation 4 Elemente der Ablauforganisation 1 Das Leistungsziel Die zentrale Aufgabe der Organisationsgestaltung ist die Sicherstellung der effektiven Erfüllung des Leistungsziels der Unternehmung. Dies gelingt immer dann, wenn die Organisation die Kriterien der Effektivität gut erfüllt. Wir haben zwischen unternehmensbezogenen und umweltbezogenen Effektivitätskriterien unterschieden (S. 12). Zu nennen sind unter den ersten Kriterien u.a. die Effizienz der Ressourcennutzung sowie die Ausnutzung von Synergieeffekten und bei den umweltbezogenen Kriterien die Verstärkung der Kunden- und Marktorientierung sowie die Erhöhung der Flexibilität. Die Sichtweise, dass die Organisation in erster Linie ein Instrument zur Verwirklichung des Leistungsziels ist, entspringt dem Modell der rationalen, zielgerichteten Fremdorganisation. Dieses Modell wiederum beruht auf dem entscheidungslogischen Ansatz der Organisationstheorie, nach dem der Organisator optimale Organisationsentscheidungen i.S. einer effektiven Ordnung schaffen will. Von diesem Ansatz gehen wir im Folgenden aus. Wir wählen damit eine in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre übliche Vorgehensweise. Worin besteht nun das Leistungsziel? Das Leistungsziel (auch als Sachziel, Sachaufgabe oder Marktaufgabe bezeichnet) dient erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen als Mittel zur Verwirklichung des Erfolgsziels, wie etwa der Steigerung des Gewinns. Das Sachziel besteht in der Erzeugung eines Leistungsprogramms, das am Markt angeboten wird und auf die Präferenzen der Nachfrager abgestimmt ist. Bei Nonprofit-Organisationen, etwa Museen, Kindergärten, Entsorgungsunternehmen, ist das Leistungsziel, also die Bereitstellung eines Leistungsprogramms, der primäre Zweck der wirtschaftlichen <?page no="272"?> Die Gestaltungsbereiche der Organisation · 247 Betätigung. In beiden Fällen ist das Leistungsziel jedoch möglichst effektiv wahrzunehmen. 2 Die Gestaltungsbereiche der Organisation In der Tradition der deutschen Organisationslehre hat es sich eingebürgert, zwei Gestaltungsbereiche der Organisation zu unterscheiden, die gemeinsam eine effektive Ordnung im Unternehmen bilden sollen: Die Gestaltung des Aufbaus einer Unternehmung und die Gestaltung des Ablaufs von Leistungsprozessen. Mit der Aufbauorganisation wird die stabile Struktur, das Stellengefüge der Unternehmung geschaffen, welche sich sichtbar im „Bauplan” der Unternehmung (dem Organigramm) niederschlägt (statischer Aspekt). Im Mittelpunkt der Aufbauorganisation steht die Verteilung von Aufgaben auf Aufgabenträger. Die Ablauforganisation befasst sich mit den einzelnen Prozessen der Aufgabenerfüllung (dynamischer Aspekt). Nicht die abstrakte Aufgabe ist Gegenstand der Betrachtung, sondern die konkrete Arbeit. Während die Aufbauorganisation die Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen widerspiegelt (statischer Aspekt), geht es bei der Ablauforganisation um die Wahrnehmung von Aufgaben und Kompetenzen in Raum und Zeit (dynamischer Aspekt). Werden die wesentlichen Inhalte der Aufbauorganisation und der Ablauforganisation schriftlich fixiert, so liegt ein Organisationshandbuch vor. Ein Organisationshandbuch enthält u.a. Organigramme und Stellenbeschreibungen (Aufbauorganisation) sowie Verfahrensvorschriften, Ablaufdiagramme und Arbeitsanweisungen (Ablauforganisation). Aufbauorganisation und Ablauforganisation sind nicht unabhängig voneinander zu sehen, sondern sie bedingen sich gegenseitig: Mit der Festlegung der Aufbaustruktur werden die Ablaufprozesse kanalisiert und mit der Regelung des Ablaufes wird die Wahl der Aufbauprinzipien beeinflusst. Dies hat auch praktische Konsequenzen: Wird bspw. der Schwerpunkt des Organisierens in der Strukturierung des Aufbaus gesehen, so führt dies zu einer verstärkten Spezialisierung nach Funktionen und damit zu einer Verschärfung der Schnittstellenproblematik. Umgekehrt werden bei einer Betonung des Ablaufprozesses der Aspekt der Spezialisierung vernachlässigt und die Prozessverantwortung gestärkt. Die Interdependenz von Aufbauorganisation und Ablauforganisation hat immer wieder zu Kritik an der getrennten Betrachtung beider Ansatzpunkte der Organisation geführt. Sie ist heute mehr denn je berechtigt, weil wir <?page no="273"?> 248 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung mit der Prozessorganisation über ein höchstaktuelles Organisationsmodell verfügen, das die Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation bewusst aufhebt. Die Trennung der Gestaltungsbereiche in ein Aufbauproblem und ein Ablaufproblem hat in Deutschland eine lange Tradition. Bereits im Jahre 1934 unterscheidet Nordsieck ([Grundlagen]) zwischen der Regelung von Zuständigkeiten (Aufbauorganisation) und der Regelung des Arbeitsvollzuges (Ablauforganisation). Kosiol ([Organisationsforschung] 19f.) unterscheidet zwischen der Gebildestrukturierung (Aufbauorganisation) und der Prozessstrukturierung (Ablauforganisation). Als Erster in Deutschland hat sich im Jahre 1983 Gaitanides ([Prozessorganisation]) mit der Einführung des Begriffes „Prozessorganisation” für die stärkere Integration von Aufbau- und Ablauforganisation engagiert. Für die USA gelten Porter (Wertkettenansatz) und Hammer/ Champy (Business Reengineering) als Verfechter der Einheit von Aufbau- und Ablauforganisation. Wir wollen zunächst beide Gestaltungsbereiche der Organisation getrennt behandeln. Dabei werden wir aber stets im Auge behalten, dass sich Aufbau- und Ablaufstruktur gegenseitig bedingen. Die aus didaktischen Gründen sinnvolle Trennung beider organisatorischen Gestaltungsbereiche werden wir aufheben, wenn wir auf Organisationsmodelle der Kombination eingehen. Hier ist insbesondere die Prozessorganisation zu nennen (vgl. S. 406ff.). 3 Elemente der Aufbauorganisation 3.1 Die Aufgabe Ausgangspunkt der Strukturierung ist die Unternehmensaufgabe, auch als Marktaufgabe, Sachaufgabe oder Leistungsziel bezeichnet. Diese Aufgabe kann von vornherein feststehen (so im strukturtechnischen Ansatz), sie kann aber auch das Ergebnis von organisatorischen Überlegungen zur Arbeitsteilung zwischen dem Unternehmen und dem „Markt” (also anderen Unternehmen) sein (so im Transaktionskosten-Ansatz). Ebenso könnte man es durchaus als Organisationsaufgabe ansehen festzulegen, wer in welcher Weise berechtigt sein soll, über die Unternehmensaufgabe zu bestimmen und damit die Unternehmensverfassung festzulegen (so im Property-Rights-Ansatz). Um die Elemente der Aufbauorganisation und der Ablauforganisation vereinfachend darstellen zu können, soll die Unternehmensaufgabe zunächst als Datum für die Organisation angesehen werden. Später bei der Frage nach der Grenzziehung zwischen Unternehmen und Markt (S. 401ff.) wird diese Prämisse aufgehoben. Die Verwirklichung des Leistungsziels bzw. die Lösung der Unternehmensaufgabe verlangt die Wahrnehmung einer Vielzahl von Teilaufgaben. Die Be- <?page no="274"?> Elemente der Aufbauorganisation · 249 schaffenheit dieser Aufgaben wiederum hängt von Art, Umfang und Zeitpunkt der Bereitstellung des Leistungsprogramms eines Unternehmens ab. Die Aufgaben eines Dienstleistungsunternehmens (bspw. einer Bank) unterscheiden sich gravierend von jenen eines Industrieunternehmens (bspw. eines Automobilzulieferers). Die Aufgaben sind daher einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Nach Kosiol (vgl. [Aktionszentrum] 72) lässt sich jede Aufgabe durch fünf Merkmale kennzeichnen: Verrichtung Objekt Hilfsmittel Zeit Raum Wie? Durch welche Tätigkeit soll die Aufgabe gelöst werden? Was? An welchen Gegenständen soll die Verrichtung vollzogen werden? Womit? Mit welchen die Arbeit unterstützenden Werkzeugen soll die Aufgabe erledigt werden? Wann? Zu welchem Zeitpunkt bzw. in welchem Zeitraum soll die Arbeit erledigt werden? Wo? An welchem Standort soll die Tätigkeit durchgeführt werden? Abb. 8-1: Aufgabenanalyse Die Beschreibung von Verrichtung und Objekt ist der unverzichtbare Kern der Kennzeichnung einer Aufgabe, während die anderen Elemente eher ergänzenden Charakter haben. Die Verrichtung lässt sich noch genauer spezifizieren. Nach dem Kriterium des sachlich-technologischen Aufgabenvollzuges lassen sich u.a. folgende Verrichtungen unterscheiden: beschaffen, lagern, montieren, verkaufen. Bei jeder Verrichtung kann man außerdem den Entschluss als Willensentscheidung von der eigentlichen Ausführung trennen. Das zugrundeliegende Unterscheidungskriterium ist nach Kosiol der „Rang”. Die Verrichtungen lassen sich weiterhin nach dem Merkmal „Phase” in Planungs-, Realisations- und Kontrollaktivitäten gliedern. <?page no="275"?> 250 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung Das Aufgabenmerkmal „Verrichtung” lässt sich näher kennzeichnen nach • dem sachlich-technologischen Aufgabenvollzug (beschaffen, fertigen, verkaufen...), • dem Rang (entscheiden, ausführen), • der Phase (planen, realisieren, kontrollieren). Im Prinzip lassen sich noch viele andere Merkmale finden, mit deren Hilfe Aufgaben genauer charakterisiert werden könnten. Nach dem Bezug zur Marktaufgabe unterscheidet Kosiol bspw. „Primäraktivitäten” von „Sekundäraktivitäten”. Als Primäraktivitäten gelten alle Teilaufgaben, welche sich unmittelbar auf die Erfüllung der Sach- oder Marktaufgabe beziehen. Sie werden auch als „kreativgestaltend” oder „exogen induziert” bezeichnet. Sekundäraktivitäten sind Teilaufgaben, welche bei der Erfüllung der Primäraktivitäten unterstützend wirken. Kosiol nennt sie auch „verwaltend” oder „endogen induziert” (vgl. [Aktionszentrum] 75f.). Letztere Unterscheidung wird im Konzept der Wertkette neuerdings wieder aufgegriffen. Porter unterscheidet hier zwischen primären Aktivitäten und unterstützenden Aktivitäten ([Wettbewerbsvorteile] 65, vgl. auch S. 353f.). Weitere Charakteristika einer Aufgabe sind die • strategische Bedeutung: Wie viel trägt die Teilaufgabe zum Kundennutzen bei? • Häufigkeit: Wie oft fällt eine Teilaufgabe an? • Beherrschung: Wie kompetent wird die Teilaufgabe erfüllt? • Komplexität: Wie umfangreich und kompliziert ist eine Teilaufgabe? • Eindeutigkeit: Wie klar lässt sich eine Teilaufgabe umreißen? • Variabilität: Ist die Aufgabe stabil oder kommt es zu vielen Ausnahmen? • Neuartigkeit : Wurden gleiche oder ähnliche Aufgaben schon durchgeführt? • Aufgabeninterdependenz: Wie stark hängt die Aufgabenerfüllung von der Erfüllung vor- oder nachgelagerter Aufgaben ab? Die Relevanz solcher Charakteristika zeigt sich bei der konkreten Gestaltung von Organisationsstrukturen. Neuartige und komplexe Aufgaben werden bspw. in besonderer Weise organisiert (z.B. in Form der Projektorganisation). Ob eine Aufgabe eher im Unternehmen selbst erfüllt oder die Leistung vom Markt zugekauft werden sollte, hängt u.a. von der Häufigkeit und der strategischen Bedeutung der Aufgabe ab. Sehr vage umrissene Aufgaben werfen besondere Orga- <?page no="276"?> Elemente der Aufbauorganisation · 251 nisationsprobleme auf: Kann man bspw. eine Person mit der Aufgabe der Verbesserung des Betriebsklimas betrauen? Ist die Aufgabe letztendlich definiert, stellt sich als Nächstes die Frage nach dem Vollzug. Die Unternehmensaufgabe kann nur verwirklicht werden, wenn alle Teilaufgaben bestimmten Personen (den Aufgabenträgern) zur Erfüllung übertragen werden. Dies geschieht in drei Schritten (vgl. Abb. 8-2): • Aufgabenanalyse: Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben. • Aufgabensynthese: Bildung von Aufgabenkomplexen. • Aufgabenverteilung: Zuordnung von Aufgabenkomplexen zu Personen. Teilaufgaben Aufgabe Aufgabenkomplexe Stellen Aufbauorganisation Aufgabenanalyse Aufgabensynthese Aufgabenverteilung Abb. 8-2: Die Aufgabenerfüllung (Quelle: Bleicher [Organisation] 49) 3.2 Aufgabenanalyse Die Aufgabenanalyse hat den Zweck, die Gesamtaufgabe nach unterschiedlichen Kriterien in Teilaufgaben zu zerlegen. Am Ende der Analyse sollten sämtliche Teilaufgaben, die im Unternehmen anfallen, im Detail beschrieben sein. Es herrscht dann Klarheit darüber, was alles getan werden muss, um das Leistungsziel zu erfüllen. Die Analyse bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Synthese. Unausgesprochen liegt der Analyse i.d.R. die Vorstellung zugrunde, dass man es mit bekannten, eindeutig zu beschreibenden, stabilen und oft wiederholten Aufgaben zu tun hat, die sich gut strukturieren lassen. Als Analysekriterien dienen die oben beschriebenen Merkmale der Aufgabe. (1) Nach dem Kriterium der Verrichtung könnten bspw. auf einer ersten Analyseebene die Teilaufgaben Beschaffung (A), Fertigung (B) und Absatz <?page no="277"?> 252 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung (C) unterschieden werden. Die Beschaffungsaufgabe lässt sich weiter in drei Aufgabenkomplexe zerlegen: Lieferantenauswahl (a 1 ), Bestellvorgang (a 2 ) und Warenannahme (a 3 ). Jeder Aufgabenkomplex besteht wiederum aus unterschiedlichen Subaktivitäten wie Lieferantensuche (a 11 ), Verhandlungen mit Lieferanten (a 12 ) und Auswahl eines Lieferanten (a 13 ). Eine weitere Zerlegung nach dem Rang könnte zu einer Differenzierung in „Auswahl der Lieferanten durch ein Scoringmodell” (a 131 ) und „die Aufnahme der Lieferbeziehungen” (a 132 ) führen. Aufgabe A B C a 1 a 2 a 3 a 11 a 12 a 13 a 131 a 132 Abb. 8-3: Beispiel für eine Aufgabenanalyse (2) Dienen die im Unternehmen bearbeiteten Objekte als Analysekriterium, könnten z.B. auf einer ersten Analyseebene die Aufgaben, die für ein Produkt A anfallen (bei einem Automobilhersteller bspw. PKW), von den Aufgaben getrennt werden, die für ein Produkt B anfallen (bspw. LKW). Bei tiefergehender Analyse könnten die Bereiche Motor (a 1 ), Karosserie (a 2 ) und Innenausstattung (a 3 ) unterschieden werden und weiterhin einzelne Motorbestandteile (a 11 , a 12 ...) usw. (3) Nach dem Analysekriterium Sachmittel lassen sich bspw. Aufgaben, die mit Hilfe eines Roboters erledigt werden, von jenen Aufgaben trennen, die mit herkömmlichen Maschinen zu vollziehen sind. (4) Nach dem Kriterium Raum könnte man die Gesamtaufgabe zerlegen in Teilaufgaben, die im Inland oder im Ausland, im Werk A oder im Werk B erledigt werden. Nach der Phase unterscheidet man bspw. im Rahmen der <?page no="278"?> Elemente der Aufbauorganisation · 253 Fertigung die Teilaufgaben Fertigungsplanung, Fertigungsprozess und Fertigungskontrolle. Die unterschiedlichen Analysekriterien können natürlich auch kombiniert werden. So erhält man am Ende der Analyse sehr genau gekennzeichnete Teilaufgaben, wie z.B. Kontrolle von Fertigerzeugnissen im Werk A mit Hilfe einer Prüfanlage. Ein Problem bei der Aufgabenanalyse ist die Festlegung der Analysetiefe. Wann soll man sinnvollerweise mit der Zerlegung aufhören? Kosiol löst dieses Problem durch einen Vorgriff auf die nachfolgende Aufgabensynthese und Stellenbildung. Die Aufgabenanalyse wird dann beendet, wenn die Teilaufgaben „zuordnungsreif” sind (vgl. [Organisationsforschung] 51), d.h. wenn klar ist, dass eine interpersonale Aufgabenteilung nicht mehr sinnvoll wäre. Die Teilaufgaben der untersten Analyseebene, die auf jeden Fall von einem einzigen Aufgabenträger wahrgenommen werden, heißen „Elementaraufgaben”. Eine noch tiefergehende Zerlegung der Elementaraufgaben nach dem Verrichtungskriterium, bis hin zu einzelnen Handgriffen, erfolgt erst im Rahmen der Arbeitsanalyse, welche die Grundlage der als Arbeitsorganisation verstandenen Ablauforganisation bildet. Das Ergebnis der Aufgabenanalyse kann in einem sog. Aufgabengliederungsplan festgehalten werden. In Abb. 8-4 ist ein derartiger Aufgabengliederungsplan für die Abwicklung von Aufträgen beschrieben. <?page no="279"?> 254 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung 1 Aufträge abwickeln 14 Fakturieren 11 Auftrag annehmen 12 Auftrag prüfen 13 Auftrag weiterleiten 15 Versenden 112 Telefonische Aufträge 111 Schriftliche Aufträge 121 Vollständigkeit prüfen 122 Bonität prüfen 123 Lieferfähigkeit prüfen 141 Rechnung erstellen 142 Rechnung prüfen 143 Rechnungssätze trennen 144 Rechnung weiterleiten 112 1 Entgegennehmen 112 2 Internen Auftrag erstellen 121 1 Nachfragen 121 2 Ergänzen 122 1 Vermerk: Rechn. 122 2 Vermerk: Nachn. 123 1 Absagen 123 2 Weiterbearbeiten 141 1 Maske aufrufen 141 2 Kundennr. eingeben 141 3 Auftragsdaten eingeben 141 4 Auslösen Abb. 8-4: Aufgabengliederungsplan (Quelle: Schmidt ([Methode] 237) 3.3 Aufgabensynthese Durch die Analyse sind viele eng umrissene Elementaraufgaben entstanden, die nun im Hinblick auf gedachte Aufgabenträger wieder sinnvoll zusammengefügt werden müssen. Die Synthese basiert auf den gleichen Kriterien wie die Analyse. Nur wenn bspw. in der Analyse eine Trennung von Teilaufgaben nach dem Rang durchgeführt wurde, können in der Synthese alle Entscheidungsaufgaben zu einem bestimmten Aufgabenkomplex und alle Ausführungsaufgaben zu einem anderen Aufgabenkomplex zusammengefasst werden. Bei der Synthese ist man gemeinhin bestrebt, ähnliche Teilaufgaben zusammenzufassen, um Spezialisierungsvorteile zu verwirklichen. Man geht davon aus, dass jemand, der nur ein enges Spektrum an Leistungen zu vollbringen hat (hohe Repertoire-Spezialisierung), diese Leistungen perfekter und schneller er- <?page no="280"?> Elemente der Aufbauorganisation · 255 bringt (hohe Routinisierungs-Spezialisierung) (vgl. Reiß [Spezialisierung] 2289f.). Solche Überlegungen spielen v.a. eine Rolle bei der Verrichtungsspezialisierung, welche aus diesem Grund schon von Taylor propagiert wurde (vgl. S. 71). Wer gleiche oder ähnliche Verrichtungen immer wieder ausführt, erzielt Übungsgewinne. Bei der Objektspezialisierung, also der Zusammenfassung von Teilaufgaben, die an einem bestimmten Produkt oder für einen bestimmten Kunden anfallen, liegt der Spezialisierungsgewinn weniger in der Übung von speziellen Fertigkeiten als vielmehr im Wissenszuwachs. Ein Aufgabenträger kann dann zum „Spezialisten” für das Produkt oder den Kunden werden, wenn der Aufgabenkomplex entsprechend abgegrenzt wurde. Die Rangspezialisierung bringt den Vorteil klarer Leitungsverhältnisse mit sich. Der „Entscheidungsspezialist” ist dem „Ausführungsspezialisten” rangmäßig übergeordnet und ihm gegenüber weisungsbefugt. Bei der Organisationsgestaltung ist allerdings zu beachten, dass durch eine weit gehende Spezialisierung ein sehr hoher Koordinationsbedarf entsteht, weil i.d.R. mehrere Spezialisten bei der Aufgabenerfüllung zusammenwirken müssen. Dies wird als „Schnittstellenproblem” bezeichnet. Außerdem kann eine zu enge Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs durch Monotonie und Langeweile zur Demotivation des Aufgabenträgers führen. Heute wird daher empfohlen, größere Aufgabenkomplexe zu bilden, in denen verschiedene Tätigkeiten sowie Entscheidung und Ausführung, Planung, Realisation und Kontrolle integriert sind. Das Job Enlargement und das Job Enrichment genügen diesen Anforderungen. Das Job Enlargement umfasst Maßnahmen zur Erweiterung des Arbeitsumfanges durch horizontale Zusammenfassung von Aufgabenbereichen. Das Job Enrichment verlangt eine Bereicherung des Arbeitsinhaltes durch vertikale Zusammenfassung von Aufgabenbereichen. Beim Job Enlargement entstehen Überschneidungen zwischen den Stellen auf derselben Hierarchieebene, beim Job Enrichment Überschneidungen zwischen Aufgaben auf unterschiedlichen Hierarchieebenen. Bei der Entscheidung über die Auswahl der Teilaufgaben, die für eine Synthese in Frage kommen, wird heute bevorzugt nach der Zugehörigkeit der Teilaufgaben zu einem Prozess vorgegangen. Man überlegt vor der Synthese, welche Teilaufgaben beim Aufgabenvollzug sachlich zusammengehören. Der reale Aufgabenvollzug, also der Ablauf, wird nicht erst betrachtet, wenn der Aufbau der Unternehmung feststeht, sondern der Aufbau richtet sich nach diesem Ablauf. <?page no="281"?> 256 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung Dies ist das Grundprinzip der Prozessorganisation. Sie wird auf S. 406ff. ausführlich dargestellt. 3.4 Aufgabenverteilung Aufgaben werden durch Personen wahrgenommen. Dem trägt die Verteilung der durch Aufgabensynthese gewonnenen Aufgabenkomplexe auf Personen Rechnung. Grundlage dieser Aufgabenverteilung ist die Stellenbildung. Eine Stelle kann demzufolge als versachlichter personenbezogener Aufgabenkomplex bezeichnet werden (vgl. Kosiol [Aktionszentrum] 78). Die Stellenbeschreibung (auch als Arbeitsplatzbeschreibung bezeichnet) legt die organisatorische Einordnung der Stelle, Ziele und Hauptaufgaben der Stelle sowie jene Anforderungen fest, die zur Erfüllung des Aufgabenkomplexes an die Personen zu richten sind. In Abb. 8-5 ist das Muster einer Stellenbeschreibung wiedergegeben. Organisatorische Einordnung der Stelle Ziele und Hauptaufgaben der Stelle Anforderungen an den Stelleninhaber bezüglich Ausbildung, Erfahrung und Verhalten • Bezeichnung der Stelle • Rang des Stelleninhabers • Vorgesetzte Stelle • Unterstellte Mitarbeiter • Stellvertretung von und durch • Anforderungen an die Art der Aufgabenerfüllung (z.B. Eigenverantwortung) • Einzelaufgaben • Informations- und Kommunikationspartner • Einzelaufträge (z.B. Teilnahme an Projekten) • Besondere Befugnisse (Kompetenzen) • Fachliche Kenntnisse - Grundkenntnisse (nachgewiesen durch Schulabschlüsse) - Unternehmensbezogene Kenntnisse - Berufserfahrung - IT-Kenntnisse - Beherrschung bestimmter Sprachen • Persönliche Voraussetzungen - Allgemeine Eigenschaften (z.B. Motivationsbereitschaft) - Spezifische Eigenschaften (z.B. Fähigkeit zur Teamleitung) Abb. 8-5: Muster einer Stellenbeschreibung <?page no="282"?> Elemente der Ablauforganisation · 257 Bei der Stellenbildung abstrahiert man normalerweise von konkreten Personen und geht von einem gedachten Aufgabenträger aus, der über die nötige Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft verfügt, um den Stellenanforderungen gerecht zu werden. Durch die Zuordnung von Sachaufgaben auf einzelne Personen oder Personenmehrheiten entstehen die Organisationseinheiten. Die verschiedenen Arten von Organisationseinheiten sowie die Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten werden auf S. 263ff. erläutert. Hat ein Organisator die drei Schritte der Aufgabenanalyse, der Aufgabensynthese und der Aufgabenverteilung vollzogen, stehen zentrale Merkmale der Aufbauorganisation fest, nämlich die Art der Spezialisierung, das Ausmaß an Entscheidungsdelegation und das Leitungssystem. Mit dem Leitungssystem steht zugleich ein Koordinationsinstrument zur Verfügung, nämlich die Möglichkeit zur Koordination durch persönliche Weisung. Damit sind wesentliche, aber nicht alle Gestaltungsparameter der Aufbauorganisation bestimmt. Es sind noch folgende Themen zu erörtern: • Inwiefern können die Spezialisierung, die Delegation und die Koordination als Gestaltungsparameter der Organisationsstruktur eingesetzt werden? Kapitel 10 befasst sich mit diesem Thema. • Wie lassen sich durch unterschiedliche Ausprägungen dieser Gestaltungsparameter konkrete Organisationsmodelle formieren und wie sind diese Modelle auf der Basis der verschiedenen Organisationsziele zu bewerten? Diese Frage ist Gegenstand der Kapitel 12 und 13. Bei der Wahl zwischen unterschiedlichen Organisationsmodellen sind die situativen Bedingungen zu beachten (Kapitel 14). Will eine Unternehmung ihre Organisation ändern, ist ein Reorganisationsprozess notwendig (Kapitel 15). 4 Elemente der Ablauforganisation Die Bedeutung der Ablauforganisation für die Unternehmensorganisation hängt davon ab, ob die Ablauforganisation als • Arbeitsorganisation oder als • Prozessorganisation verstanden wird. Beide werden im Folgenden erörtert. <?page no="283"?> 258 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung 4.1 Arbeitsorganisation 4.1.1 Arbeitsanalyse Nach traditionellem Verständnis von den Aufgaben der Organisationsgestaltung richtet sich die Ablauforganisation an der Aufbauorganisation aus: Nachdem die Aufgaben verteilt sind, macht man sich Gedanken über den konkreten Aufgabenvollzug. Im ersten Schritt werden die durch Aufgabenanalyse gewonnenen Elementaraufgaben verrichtungsorientiert noch weiter in Arbeitsschritte zerlegt bis hin zu einzelnen Handgriffen. Häufig werden zudem die Zeiten gemessen, die für die Durchführung der Verrichtungen benötigt werden. Die Arbeitsanalyse folgt der Tradition der Zeit- und Bewegungsstudien Taylors. 4.1.2 Arbeitssynthese Auf die Arbeitsanalyse folgt der Arbeitsvollzug. Dabei muss eine Synthese der analytisch gewonnenen Arbeitselemente vorgenommen werden. Die Arbeitssynthese umfasst die • personale Zuordnung, • zeitliche Strukturierung, • räumliche Anordnung. (1) Bei der personalen Zuordnung werden alle Arbeitsteile zu sog. Arbeitsgängen zusammengefasst, die von einer Person an einem Objekt bei Einsatz bestimmter Arbeitsmittel in einem räumlichen und zeitlichen Rahmen vollzogen werden sollen (vgl. Gaitanides [Ablauforganisation] 6). Ein Arbeitsgang ist ein raum-zeitlich abgeschlossener Teilprozess, der häufig wiederholt wird. Bei manuellen Arbeiten kann aufgrund der Zeit- und Bewegungsstudien genau vorgegeben werden, mit welchen Handgriffen und in welcher Zeit der Arbeitsgang zu erledigen ist. (2) Die zeitliche Strukturierung beinhaltet die zeitliche Abstimmung verschiedener Arbeitsgänge eines Arbeitsträgers bzw. der Leistungen verschiedener Arbeitsträger. Es geht bspw. darum festzulegen, in welcher Reihenfolge unterschiedliche Objekte bearbeitet werden sollen, wobei der Arbeitsgang sich stets wiederholt (Reihung von Arbeitsgängen), oder in welcher Reihenfolge unterschiedliche Arbeitsgänge an ein und demselben Objekt vollzogen werden sollen (Bestimmung von Gangfolgen). Sind mehrere Arbeitsträger an der Erstellung einer Leistung beteiligt, müssen deren Einzelleistungen zeitlich und mengenmäßig synchronisiert werden. <?page no="284"?> Elemente der Ablauforganisation · 259 (3) Bei der räumlichen Anordnung geht es um die räumlich zweckmäßige Arbeitsgestaltung. Bei der Beteiligung verschiedener Arbeitsträger an einer Leistung entstehen Transportprobleme. Um Transportkosten zu minimieren, kann es bspw. zweckmäßig sein, die Arbeitsträger entsprechend der Arbeitsgangfolge räumlich so anzuordnen, dass die räumliche Reihenfolge die Reihenfolge der Arbeitsgänge widerspiegelt (vgl. Abb. 8-6). Arbeitselemente Aufgabe personale Zuordnung zeitliche Strukturierung räumliche Anordnung Ablauforganisation Arbeitsanalyse Arbeitssynthese Arbeitselemente Aufgabe personale Zuordnung zeitliche Strukturierung räumliche Anordnung Ablauforganisation Arbeitsanalyse Arbeitssynthese Abb. 8-6: Der Aufgabenvollzug nach Bleicher ([Organisation] 49) Sehr weit entwickelt ist die Ablauforganisation i.S. der Arbeitsorganisation für den Bereich der industriellen Fertigung. Dies liegt sicher an der Beschaffenheit der zugrundeliegenden Aufgaben. Sie sind bekannt, stabil und gut strukturierbar. Ein Beispiel ist die Endmontage im Automobilbau. 4.2 Prozessorganisation Versteht man „Ablauforganisation” im obigen Sinne als Arbeitsorganisation, dann reduziert man die Ablauforganisation im Grunde auf eine Ablaufplanung im Fertigungsbereich. Bei einer als Prozessorganisation konzipierten Ablauforganisation gewinnt die Ablauforganisation dagegen eine fundamentale Bedeutung für die Ordnung im Unternehmen: 1. Die Analyse der Abläufe geht der Stellenbildung voran. Die Aufgabensynthese und die Stellenbildung orientieren sich am dynamischen Aspekt der Aufgabenerfüllung durch Prozesse. Es entsteht bspw. die Stelle eines Prozessverantwortlichen. Damit soll v.a. die aus der Spezialisierung erwachsende Schnittstellenproblematik gemildert werden. <?page no="285"?> 260 · Kapitel 8: Gegenstand und Elemente der Organisationsgestaltung 2. Die Abläufe werden nicht nur im Fertigungsbereich, sondern in allen Unternehmensbereichen untersucht, so auch bspw. in der Verwaltung. 3. Aufgrund einer Prozessanalyse kann sogar das Leistungsziel der Unternehmung zur Disposition stehen, da sich der Blick aus dem Unternehmen heraus auf vor- und nachgelagerte Teilprozesse erweitert. Zum Organisationsproblem werden dann nicht nur die Schnittstellen im Unternehmen, sondern auch die Schnittstellen zwischen dem Unternehmen und dem Markt. Die Prozessorganisation wird ausführlich auf S. 406ff. besprochen. <?page no="286"?> Fragen zur Wiederholung und zur Vertiefung · 261 Fragen zur Wiederholung 1. Was versteht man unter dem Leistungsziel? In welchem Verhältnis steht es zum Erfolgsziel bei erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen und bei Nonprofit-Organisationen? (1) 2. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen Aufbauorganisation und Ablauforganisation. (2) 3. Nehmen Sie Stellung zu der These: Mit der Aufbauorganisation wird die Ablauforganisation bestimmt und umgekehrt. (2) 4. Nach welchen fünf Merkmalen lässt sich eine Aufgabe kennzeichnen? (3.1) 5. Das Ergebnis der Aufgabenanalyse ist ein Aufgabengliederungsplan. Entwickeln Sie einen Aufgabengliederungsplan für die Anschaffung eines Notebooks. (3.2) 6. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen Verrichtungsspezialisierung und Objektspezialisierung. (3.3) 7. Welche Festlegungen trifft eine Stellenbeschreibung? (3.4) 8. Kosiol bezeichnet eine Stelle als versachlichten personenbezogenen Aufgabenkomplex. Was heißt hier „versachlicht“? (3.4) 9. Worin besteht der Unterschied zwischen der Aufgabenanalyse und der Arbeitsanalyse? (3.2 und 4.1.1) Fragen zur Vertiefung 1. Warum liegt einem Verständnis der Organisation als einem Instrument zur Verwirklichung des Leistungsziels das Modell der rationalen, zielgerichteten Fremdorganisation zugrunde? <?page no="287"?> 262 · Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen 2. Welche Überlegungen sprechen für eine getrennte Behandlung von Aufbauorganisation und Ablauforganisation und welche Überlegungen sprechen für eine abgestimmte Behandlung beider Gestaltungsbereiche der Organisation? 3. Spezialisierung führt zu einem Schnittstellenproblem. Wo bestehen in einem Unternehmen solche Schnittstellen? Welche Gefahren sind mit ihnen verbunden? Wie lässt sich dieses Problem lösen? 4. Im Rahmen der Prozessorganisation orientiert sich die Stellenbildung „am dynamischen Aspekt der Aufgabenerfüllung durch Prozesse“ (S. 259). Wie sind Stellen beschaffen, die dieser Anforderung entsprechen? Nennen Sie Beispiele. 5. Welche Argumente sprechen für und welche gegen eine Stellenbeschreibung? Literaturempfehlungen Eigler, J.: Aufgabenanalyse, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 54- 61. Frost, J.: Aufbau- und Ablauforganisation, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 45-53. Mellewigt, T.: Stellen- und Abteilungsbildung, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 1356-1365. Schmidt, G.: Methode und Techniken der Organisation, 13. A., Gießen 2005. <?page no="288"?> Kapitel 9: Organisationseinheiten 1 Arten von Organisationseinheiten 2 Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten Die Wahrnehmung der durch Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese gewonnenen Aufgabenkomplexe erfolgt in Organisationseinheiten. Ihnen werden im Rahmen der Aufgabenverteilung Kompetenzen zugewiesen. Organisationseinheiten stellen demzufolge eine Kombination von personaler Zuständigkeit und Wahrnehmung einer Aufgabe dar. Kosiol ([Aktionszentrum] 78) bezeichnet Organisationseinheiten daher auch als versachlichte personenbezogene Aufgabenkomplexe. Die eigentliche Aktionseinheit ist nach diesem Konzept ein menschlicher Aufgabenträger. Der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass sich heute auch reine Maschinen-Aktionseinheiten einrichten lassen, die zu einer weitgehend selbständigen Aufgabenerfüllung in der Lage sind (vgl. Thom [Stelle] 2322). Von dieser Besonderheit sehen wir im Folgenden ab und gehen von einer Übertragung von Aufgabenkomplexen auf Personen aus. Je nachdem, wie diese Aufgabenkomplexe abgegrenzt sind, lassen sich verschiedene Arten von Organisationseinheiten unterscheiden. 1 Arten von Organisationseinheiten Nach der Zahl der eine Organisationseinheit bildenden Personen unterscheiden wir: • Stellen und • Stellenmehrheiten. Stellen lassen sich nach der Art der Eingliederung in die Leitungshierarchie unterteilen in: • Instanz, • Ausführungsstelle, • Stab und • Dienstleistungsstelle. <?page no="289"?> 264 · Kapitel 9: Organisationseinheiten Stellenmehrheiten lassen sich untergliedern in: • Abteilung, • Ausschuss und • Gruppe. 1.1 Stellen Eine Stelle ist die kleinste selbständig handelnde Organisationseinheit. Eine Stelle ist mit Zuständigkeiten (Kompetenzen) zur Wahrnehmung eines definierten Aufgabenkomplexes ausgestattet. Die wahrzunehmenden Aufgaben sind in der Stellenbeschreibung festgehalten (vgl. das Muster einer Stellenbeschreibung in Abb. 8-5, S. 256). Aus ihr lassen sich die Stellenanforderungen ableiten. Wie bereits im Zusammenhang mit der Aufgabenanalyse, der Aufgabensynthese und der Aufgabenverteilung festgestellt wurde, können verschiedene Kriterien bei der Abgrenzung einer Stelle angewandt werden. So kann eine Stellenbildung nach dem Verrichtungsprinzip oder nach dem Objektprinzip erfolgen. Im ersteren Falle werden Stellen nach Tätigkeitsmerkmalen, wie z.B. Stellen für Lagerverwalter, Buchhalter, im zweiten Falle nach Gegenständen, wie z.B. Produktmanager, Kundenbetreuer gebildet. Diese Formen der Stellenbildung finden dann ihre Fortsetzung in den Modellen der Funktionalen Organisation bzw. der Divisionalen Organisation (vgl. S. 360ff.). Im Rahmen der Prozessorganisation werden auch Teilprozesse als Aufgabenkomplexe abgegrenzt und auf Stellen, bspw. Prozessverantwortliche, übertragen (vgl. S. 406ff.). Gehen wir vom Kriterium des Ranges einer Aufgabe im Rahmen der Leitungshierarchie aus, können folgende Arten von Stellen unterschieden werden: • Instanz (I), • Ausführungsstelle (A), • Stab (S) und • Dienstleistungsstelle (D). Die Einordnung dieser vier Stellenarten in den hierarchischen Organisationsaufbau (Instanzenzug) ist in Abb. 9-1 skizziert. <?page no="290"?> Arten von Organisationseinheiten · 265 D I S A 1 A 2 A 3 Informationsbeziehung eingeschränkte (fachliche) Leitungsbefugnis uneingeschränkte Leitungsbefugnis (fachlich und disziplinarisch) D I S A 1 A 2 A 3 Informationsbeziehung eingeschränkte (fachliche) Leitungsbefugnis uneingeschränkte Leitungsbefugnis (fachlich und disziplinarisch) Abb. 9-1: Arten von Stellen 1.1.1 Instanz Eine Instanz ist eine Stelle mit fachlichen und disziplinarischen Leitungsbefugnissen, d.h. mit Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen. Die Instanz wird auch als Leitungshauptstelle, als Linienstelle (engl.: line) oder genauer als Linieninstanz bezeichnet. Die Zweiteilung der Stellen in Linienstellen (line) und unterstützende Stellen (staff) ist v.a. in der englischsprachigen Managementlehre gebräuchlich. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es in einem Unternehmen bestimmte „primäre” oder „Hauptaufgaben” gibt und daneben „sekundäre” oder „Nebenaufgaben”, die lediglich dazu da sind, den Vollzug der primären Aktivitäten zu erleichtern. Wo allerdings die Grenze zu ziehen ist zwischen primären und lediglich unterstützenden Aktivitäten, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Vor allem dürfen die unterstützenden Aktivitäten keineswegs als „zweitrangig” angesehen werden. Mit den fachlichen Leitungsbefugnissen verbunden ist i.d.R. die Kontrollkompetenz sowie das Recht, die Untergebenen zu beurteilen und zu belohnen oder zu bestrafen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von disziplinarischen Leitungsbefugnissen. Die fachliche und die disziplinarische Leitungsbefugnis können auch auf unterschiedliche Leitungsstellen verteilt sein, wobei der disziplinarische Vorgesetzte meistens ranghöher ist als der Fachvorgesetzte. Den umfassenden Kompetenzen der Instanz entspricht eine besondere Verantwortung, die sich auch auf die Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter bezieht. Inhaber von Instanzen müssen daher über eine Reihe von Führungseigenschaften verfügen. Zu nennen sind u.a. soziale Kompetenz (bspw. Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Toleranz, Fairness) und konzeptionelle Kompetenz (Problemwahrnehmungs- und Problemlösungsfähigkeit). <?page no="291"?> 266 · Kapitel 9: Organisationseinheiten Je nach Einordnung der Instanz in den hierarchischen Organisationsaufbau (auch als Instanzenzug bezeichnet) unterscheidet man die • oberste Leitungsebene (top management), z.B. Unternehmensleitung, • mittlere Leitungsebene (middle management), z.B. Hauptabteilungsleiter und • untere Leitungsebene (lower management), z.B. Abteilungsleiter. Nach der Zahl der Mitglieder einer Instanz lassen sich die Singularinstanz (z.B. Abteilungsleiter) und die Pluralinstanz (z.B. Vorstand einer AG) unterscheiden. 1.1.2 Ausführungsstelle Eine Ausführungsstelle ist mit der Wahrnehmung von Aufgaben betraut, die unmittelbar dem Vollzug der betrieblichen Leistung zuzuordnen sind. Die Stelleninhaber handeln i.d.R. auf Anweisung der Instanz. Sie haben ihrerseits keine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Mitarbeitern, können aber durchaus über Entscheidungsspielräume hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung verfügen. Zu denken ist etwa an einen Arbeitnehmer am Fließband im Produktionsbereich oder einen Sachbearbeiter im Verwaltungsbereich. Auch die Ausführungsstellen werden als Linienstellen bezeichnet, sofern sie mit der Ausführung von betrieblichen Hauptaufgaben betraut sind (vgl. Schulte-Zurhausen [Organisation] 170). 1.1.3 Stab Eine Stabsstelle nimmt unterstützende Funktionen für die Instanz wahr. Ihre Tätigkeit dient also nur indirekt der Erfüllung der Hauptaufgabe, was sie von den Linienstellen unterscheidet. Der in der angelsächsischen Literatur verwendete Begriff „staff“ meint i.d.R. alle indirekten Bereiche der Unternehmung, also bspw. auch die Dienstleistungsstellen und die Verwaltung, und ist insofern deutlich weiter gefasst als der Stabsbegriff. Da Instanzen - wie oben dargelegt - auf mehreren Ebenen angesiedelt sein können, finden sich auch Stäbe auf verschiedenen Ebenen der Leitungshierarchie. Ihre Aufgabe besteht in der <?page no="292"?> Arten von Organisationseinheiten · 267 • Analyse von Entscheidungsproblemen, • Beschaffung von Informationen und • Erarbeitung von Lösungsvorschlägen. Im Gegensatz zur Instanz hat der Stab i. Allg. keine Leitungsbefugnis. Er bereitet hauptsächlich die Entscheidungen der Instanz vor und unterstützt sie gegebenenfalls auch beim Vollzug der Entscheidung. Stäbe werden daher auch als Leitungshilfsstellen bezeichnet. Dieses Prinzip wird allerdings aufgeweicht, wenn es in einem Unternehmen größere Stabsabteilungen gibt. Innerhalb dieser Stabsabteilungen können auch einzelne Stabsmitarbeiter durchaus leitungsbefugt sein. Nicht leitungsbefugt sind sie jedoch gegenüber Linienstellen. Beispiele für Stäbe sind die Rechtsabteilung, die Presse- und Informationsabteilung sowie die Direktionsassistentenstelle. Nach der Art der Spezialisierung des Stabes unterscheiden wir: • Stabsgeneralisten. Sie dienen dem Ausgleich der quantitativen Überforderung der Instanz. Ein Beispiel ist die Vorstandsassistentin; sie ist „Mädchen für alles”. • Stabsspezialisten. Sie dienen dem Ausgleich der qualitativen Überforderung der Instanz. Da eine Instanz für eine Vielzahl von Aufgaben zuständig ist, muss sie auf die fachliche Unterstützung von Stäben zugreifen können. Beispiele sind die Steuerabteilung und die volkswirtschaftliche Abteilung. Sie unterstützen die Instanz jeweils auf ihrem Spezialgebiet. Da Inhaber von Stabsstellen oft Spezialisten auf ihrem Gebiet sind, ihre grundsätzliche Überlegenheit der Instanz gegenüber aber wegen des Mangels an Weisungsbefugnissen nicht zur Geltung kommen kann, entsteht nicht selten ein Spannungsverhältnis zwischen Instanz und Stab. Auf der anderen Seite können Stäbe ihre Spezialkenntnisse auch zu einer informellen Entscheidungskompetenz nutzen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Macht der Stäbe, von „grauen Eminenzen”, von den „Drahtziehern im Hintergrund”. Inhaber von Stabsstellen haben nicht selten ein Problem des Aufstiegs in der Hierarchie, da der Wechsel von der Stabsstelle zur Linie i.d.R. auf Hindernisse stößt. Zur Lösung der Stabsproblematik wird u.a. empfohlen, die dominante Position der Instanz zugunsten einer Teamlösung aufzugeben, Stabsaufgaben auf externe Berater zu verlagern oder mehr Dienstleistungsstellen einzurichten (vgl. Neuwirth [Stäbe] 1355). <?page no="293"?> 268 · Kapitel 9: Organisationseinheiten 1.1.4 Dienstleistungsstelle Die Dienstleistungsstelle hat insofern Ähnlichkeit mit der Stabsstelle, als auch sie eine unterstützende Funktion gegenüber den Linienstellen einnimmt. Anders als die typische Stabsstelle unterstützt die Dienstleistungsstelle nicht eine bestimmte Instanz, sondern dient mehreren Linienstellen gleichzeitig. Außerdem hat die Dienstleistungsstelle häufig gewisse fachliche Leitungsbefugnisse gegenüber den Linienstellen. Beispiel: Die Dienstleistungsstelle „Informatik” kann die Benutzung bestimmter PC- Software und -hardware verbindlich vorschreiben. Eine solche Richtlinienkompetenz einer Dienstleistungsstelle hat v.a. den Sinn, über Abteilungsgrenzen hinweg eine einheitliche und wirtschaftliche Abwicklung bestimmter Aufgaben sicherzustellen (vgl. Schulte-Zurhausen [Organisation] 175). Häufige Beispiele für solche Aufgaben sind: FuE, EDV, Medienservice, Sprachendienst, Fuhrpark, Sicherheitsdienst, Kundenservice, Umweltschutz und Immobilienmanagement. In der Praxis setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die internen Dienstleistungen wettbewerbsfähig sein müssen. Nicht selten führt der Vergleich mit einem externen Dienstleistungsanbieter zu einer Outsourcing-Entscheidung. Andererseits bieten auch Dienstleistungsstellen zuweilen ihr Leistungsprogramm am Markt an. So ist bspw. das Forschungszentrum von Porsche weitaus stärker am Markt (etwa für VW und Airbus) als für das eigene Unternehmen aktiv. 1.2 Stellenmehrheiten Organisationseinheiten, die sich aus mehreren Stellen zusammensetzen, werden als Stellenmehrheit bezeichnet. In der Literatur wie auch in der Praxis besteht eine beträchtliche Unordnung im Hinblick auf die Bezeichnung und Definition der einzelnen Stellenmehrheiten. Wir unterscheiden folgende Arten: • Abteilung, • Ausschuss und • Gruppe. <?page no="294"?> Arten von Organisationseinheiten · 269 1.2.1 Abteilung Werden mehrere Stellen derart miteinander verbunden, dass sie einer Instanz unterstellt werden, also unter einheitlicher Leitung stehen, entsteht eine Abteilung. Der Abteilungsleiter ist die Instanz. Durch die Zusammenfassung mehrerer Stellen unter einer einheitlichen Leitung entstehen relativ geschlossene Verantwortungsbereiche (Schulte-Zurhausen [Organisation] 207ff.). Dadurch wird v.a. eine Vereinfachung der Abstimmungsprobleme in größeren Unternehmen angestrebt. Abstimmungsprobleme innerhalb der Abteilung werden von der verantwortlichen Instanz gelöst. Abstimmungsprobleme zwischen den Abteilungen können ebenfalls von den beteiligten Abteilungsleitern als Repräsentanten der Abteilungen gelöst werden. Unternehmensführung Instanzen Ausführungsstellen Abteilung Abteilung Abteilung Abb. 9-2: Abteilung Werden mehrere Abteilungen zusammengefasst und einer einheitlichen Leitung unterstellt, entsteht eine Hauptabteilung. Sie besteht aus mehreren Unterabteilungen (vgl. Abb. 9-3). Grundsätzlich sollten bei der Abteilungsbildung solche Stellen zusammengefasst werden, die „zusammen passen”. Die Kriterien für die Zusammengehörigkeit können allerdings unterschiedlich sein. So kann die Abteilung u.a. nach dem Funktionalprinzip (Beispiel: Abteilung „Beschaffung”), dem Objektprinzip (Beispiel: Abteilung „Hausgeräte”) oder dem Regionalprinzip (Beispiel: Abteilung „Auslandsgeschäfte”) aufgebaut sein. Vgl. dazu auch die Darstellung der Organisationsmodelle auf S. 361ff. <?page no="295"?> 270 · Kapitel 9: Organisationseinheiten Unternehmensführung Hauptabteilung Fertigung Abteilung Vertrieb Kaufmännische Abteilung Unternehmensführung Hauptabteilung Fertigung Abteilung Vertrieb Kaufmännische Abteilung Abb. 9-3: Hauptabteilung Man kann die Abteilungsbildung unter dem Aspekt der Delegation von Leitungsaufgaben betrachten (top-down-approach; vgl. Schulte-Zurhausen [Organisation] 207). Die oberste Unternehmensleitung delegiert dauerhaft einen Teil ihrer Leitungsbefugnisse auf untergeordnete Instanzen, um sich zu entlasten. Die untergeordneten Bereiche können - insbesondere bei der Anwendung des Objektprinzips - einen großen Teil der Aufgaben, der Kompetenzen und der Verantwortung übertragen bekommen. Die Organisationseinheiten auf der zweiten Hierarchieebene (man spricht bei einer Objektorientierung von Sparten, Divisionen oder Geschäftsbereichen) agieren weitgehend selbständig. Es ist aber oft nicht sinnvoll, dass alle Aufgaben an die Geschäftsbereiche delegiert werden. Um Synergieeffekte zu erzielen und auch bereichsübergreifende Ziele zu realisieren, delegiert die Unternehmensleitung einen Teil ihrer Aufgaben auch an sog. Zentralabteilungen oder Zentralbereiche. Die Zentralbereiche setzen sich aus Stabs- oder Dienstleistungsstellen zusammen und sind insofern dem „corporate staff” zuzuordnen (vgl. Frese/ Werder [Zentralbereiche] 3ff.). Ein Beispiel stellt die zentrale Planungsabteilung dar, welche die Planungsaktivitäten in den einzelnen Unternehmensbereichen koordiniert. Zu den Zentralbereichen bei der Divisionalen Organisation vgl. S. 366. <?page no="296"?> Arten von Organisationseinheiten · 271 Bei der Gestaltung von Abteilungen stellt sich nicht nur die Frage nach dem passenden Gruppierungskriterium, sondern auch die nach der richtigen Abteilungsgröße. In der Organisationslehre wird dieses Problem unter dem Begriff der Leitungsspanne diskutiert. Bei der Leitungsspanne (span of control), auch als Kontrollspanne bezeichnet, geht es um die Festlegung der Anzahl der einem Abteilungsleiter direkt unterstellten Mitarbeiter, mit denen ein Vorgesetzter optimal kommunizieren kann. Die Lösung dieses Optimierungsproblems kann nicht losgelöst von der jeweiligen Situation erfolgen. Das Ergebnis hängt vielmehr u.a. von den Fähigkeiten des Vorgesetzten, dessen Unterstützung durch Stäbe, der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Untergebenen sowie von der Komplexität der Aufgabe ab (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 161ff.). Eine große Leitungsspanne führt zu einer flachen Hierarchie, kleine Leitungsspannen vergrößern dagegen die Leitungstiefe, d.h. die Anzahl der Hierarchieebenen steigt. 1.2.2 Ausschuss Ausschüsse (auch als Kollegien oder Gremien bezeichnet) lassen sich durch folgende Merkmale charakterisieren (vgl. Mag [Ausschüsse] 252): • Es handelt sich um eine Personenmehrheit. • Die Mitglieder des Ausschusses kommen i.d.R. aus unterschiedlichen Teilbereichen der Organisation und z.T. auch aus unterschiedlichen Hierarchieebenen. • Es existiert keine interne formal-hierarchische Struktur. • Es werden nur bestimmte oder gelegentlich auftretende Aufgaben erfüllt (Spezial- oder Sonderaufgaben). • Die Ausschussmitglieder arbeiten nicht kontinuierlich zusammen, sondern treffen sich bei Bedarf zu Besprechungen, Konferenzen und Meetings. • Die Zusammenarbeit kann zeitlich befristet oder auf Dauer angelegt sein. In der Praxis sind viele verschiedene Ausschussarten entwickelt und eingesetzt worden. Nach dem Gegenstand der Ausschussarbeit unterscheidet man bspw. • Ausschüsse für Beschaffung, Absatz, Finanzen, • Planungs-, Entscheidungs-, Realisations- und Kontrollausschüsse. <?page no="297"?> 272 · Kapitel 9: Organisationseinheiten Nach der Zusammensetzung der Ausschussmitglieder werden unterschieden: • Horizontale Ausschüsse: Ein horizontaler Ausschuss vereint funktionsübergreifend Aufgabenträger gleicher Rangstufe. Beispiel: Abteilungsleiter-Ausschuss. • Vertikale Ausschüsse: Bei vertikalen Ausschüssen werden Aufgabenträger unterschiedlicher Rangstufen funktionsorientiert zusammengeführt. Beispiel: Produktionsausschuss mit den Mitgliedern Produktionsleiter, Betriebsleiter, Werkstattleiter und Meister. • Laterale Ausschüsse: Bei lateraler Bildung der Ausschüsse stammen die Mitglieder aus unterschiedlichen Organisationsbereichen und verschiedenen Hierarchiestufen. Beispiel: Planungsausschuss für ein neues Werk mit den Mitgliedern Finanzleiter, Produktionsleiter, Werksleiter, Meister und Mitarbeitervertreter. Nach der Dauer des Einsatzes unterscheidet man: • Befristete Ausschüsse, die sich nur solange treffen, bis eine bestimmte Sonderaufgabe erledigt ist. Beispiel: Planungsausschuss für ein neues Werk, Problemlösungsgruppe „Task Force“. • Unbefristete Ausschüsse, die sich mit Spezialaufgaben befassen, für die nur schwer ein definitives Ende bestimmt werden kann. Beispiel: Arbeitskreis „Qualitätssteigerung”. Weiterhin können Ausschüsse differenziert werden • aufgrund der Gleichbzw. Verschiedenartigkeit in der Zusammensetzung ihrer Mitglieder (z.B. nach den Merkmalen Alter und Geschlecht) in homogene und heterogene Ausschüsse, • nach ihrer Größe in Klein- und Großgremien und • nach der Freiwilligkeit der Teilnahme (Mitgliedschaft qua Amt oder freiwillig). Ausschüsse sind organisatorische Einheiten der „Sekundärorganisation”. Das heißt, die Ausschussmitglieder haben im Rahmen der sog. Primärorganisation eine Stelle mit bestimmten Hauptaufgaben und sind nur „nebenamtlich” Mitglieder eines Ausschusses. Das unterscheidet bspw. einen Entscheidungsausschuss von einer Pluralinstanz. <?page no="298"?> Arten von Organisationseinheiten · 273 Ausschüsse sind sehr flexibel in der Gestaltung. Sie lassen sich bei Bedarf bilden, abwandeln und wieder auflösen, ohne dass das stabile Stellengefüge der Primärorganisation dadurch verändert wird. Spezialisten aus unterschiedlichen Bereichen, die normalerweise nicht zusammenarbeiten, können so problemorientiert Wissen zusammenführen und sich untereinander abstimmen. Ob Ausschüsse effektiv arbeiten, hängt von vielen Parametern gleichzeitig ab: Der Zahl der Teilnehmer, der Homogenität in der Zusammensetzung, der Klarheit der Aufgabenabgrenzung, dem zeitlichen Rahmen, der Motivation der Teilnehmer usw. Ein erheblicher positiver Einfluss auf die Effektivität der Ausschussarbeit wird einem guten Moderator zugesprochen (vgl. Kahle [Ausschüsse] 75ff.). 1.2.3 Gruppe Eine Gruppe liegt dann vor, wenn eine überschaubare Zahl von Personen weitgehend eigenverantwortlich eine gemeinsame Aufgabe wahrnimmt und die Koordination durch Selbstabstimmung der Gruppenarbeit herbeiführt. Beispiele: Projektteam, Qualitätszirkel Im Gegensatz zum hierarchischen Leitungsprinzip wird hier also auf die Kräfte der Selbstorganisation und der Eigenverantwortung bei der Bewältigung einer Aufgabe vertraut: Die Gruppe leitet und kontrolliert sich selbst. In Abb. 9-4 ist das Ordnungsprinzip einer Gruppe am Beispiel eines Qualitätszirkels dargestellt. Es handelt sich um eine Gruppe, die im Rahmen eines regelmäßigen Erfahrungsaustausches Qualitätsprobleme analysiert und löst. Abb. 9-4 macht den Unterschied zwischen dem hierarchischen Aufbau einer Abteilung (vgl. Abb. 9-2) und der kollektiven Gleichstellung in der Gruppe deutlich. Arbeitet die Gruppe nur von Zeit zu Zeit zusammen, handelt es sich um einen Ausschuss. Häufig wird allerdings als konstitutives Merkmal für die Gruppe angesehen, dass ihre Mitglieder über eine längere Zeit hinweg kontinuierlich interagieren. Aus dieser Zusammenarbeit entwickeln sich Verhaltensregelmäßigkeiten, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit (Wir-Gefühl) und gruppeninterne Strukturen (Rollenstruktur, Kommunikationsstruktur, Autoritätsstruktur) (vgl. Wiswede [Gruppen] 736). Manchmal wird eine Gruppe, deren Mitglieder durch längere Interaktion einen besonders starken Zusammenhalt und eine ausgeprägte Kooperationsbereitschaft entwickelt haben, nicht mehr als Gruppe, sondern als „Team” bezeichnet. Da es sehr schwierig ist, die Stärke des Gruppenzusammenhalts zu bestimmen, soll die Unterscheidung von „Gruppe” und „Team” hier unterbleiben. <?page no="299"?> 274 · Kapitel 9: Organisationseinheiten Mitglied des Betriebsrats Prüfmeister Kostenstellenleiter Aufsichtsmeister Mitglied des Betriebsrats Prüfmeister Kostenstellenleiter Aufsichtsmeister Abb. 9-4: Gruppe am Beispiel eines Qualitätszirkels Gruppen, die bewusst als Organisationseinheiten gebildet werden, bezeichnet man als formelle Gruppen. Vom Organisationsplan abweichend bilden sich in der Unternehmung häufig auch informelle Gruppen (sozio-emotionale Gruppen), wie z.B. eine Sportgruppe. Als Mittelding zwischen formeller und informeller Gruppe gilt die „Community of Practice“ (vgl. Schneider [Community]). Ursprünglich entstanden Communities im Rahmen der informellen Organisation. Organisationsmitglieder bildeten spontan und freiwillig Interaktionsgemeinschaften innerhalb der Organisation, einerseits um über vorhandene Organisationsgrenzen hinweg gemeinsame Probleme unkonventionell zu lösen, andererseits auch als Orte des allgemeinen Austausches und der sozialen Gemeinschaft. In den eher kleinen und wenig formalisierten Gruppen herrschte die face-to-face Kommunikation vor. Sympathie, Vertrauen und Loyalität unter den Gruppenmitgliedern waren i.d.R. groß. Die Beobachtung, dass solche Gruppen für die Lösung von Organisationsproblemen sehr hilfreich sein können, ließ den Gedanken aufkommen, „Communities“ bewusst als Methode der Koordination und des grenzüberschreitenden Wissens- und Erfahrungsaustausches im Unternehmen zu etablieren. Solche bewusst etablierten, mehr oder weniger direkt gesteuerten Gruppen können auch externe Mitglieder integrieren (bspw. Kunden, Lieferanten), kommunizieren nicht nur persönlich, sondern auch virtuell und sind viel stärker formalisiert als die ursprüngliche informelle Gruppe. Die Formalisierung reicht von der gruppeninternen Bestellung eines Moderators, über die Terminierung von Treffen und die Festlegung von Tagesordnungen bis hin zur expliziten Zielvorgabe und der Bestimmung der Teilnehmer/ innen durch einen Vorgesetzten. Je mehr <?page no="300"?> Arten von Organisationseinheiten · 275 Vorgaben von Seiten der Unternehmensleitung gemacht werden, desto mehr verschwindet allerdings auch der für die Community of Practice eigentlich typische freiwillige, offene und informelle Charakter, und desto ähnlicher wird diese Organisationsform dem Ausschuss oder der Projektgruppe. Gruppen können unterschiedliche Aufgaben übernehmen und auf unterschiedlichen Hierarchiestufen angesiedelt sein. Der Vorstand einer AG kann bspw. als Entscheidungsgruppe bezeichnet werden (zugleich Pluralinstanz). Sehr häufig findet man heute Gruppenarbeit im Bereich der Fertigung, etwa bei sog. Fertigungsinseln (Ausführungsgruppe). Die Kreativitätsvorteile der Gruppe stehen im Vordergrund bei der Einrichtung von Gruppen für Innovationsvorhaben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Problemlösungsgruppen. Beispiele sind Venture Teams und Task Forces. Bei „Communities” ist das wichtigste Ziel, den bereichs- und unternehmensübergreifenden Informations- und Wissensaustausch zu forcieren. Die Einrichtung von Gruppen wirft eine Reihe schwieriger Probleme auf. So sind u.a. Fragen zu klären wie Gruppengröße, Zusammensetzung der Gruppe und Umfang der auf die Gruppe zu übertragenden Kompetenzen sowie Modalitäten des Gruppenentgelts. Auch ist sicherzustellen, dass die Verhaltensweise der Gruppe mit den Zielen der Organisation kompatibel ist. Bei Zielkonflikten neigen gerade hochkohäsive Gruppen zur Ausbildung informaler Normen der Leistungszurückhaltung. Die Aufgabe, die Organisationsmitglieder zielorientiert zu steuern, zu disziplinieren und zu motivieren, stellt sich also bei Gruppen mit hochgradiger Eigenverantwortung in besonderer Weise. Als Lösung wird vorgeschlagen, hierarchische Komponenten in die Gruppen zu integrieren. Zu nennen ist etwa die Personalunion von Gruppenleiter und Instanz in der Linie. Die kollektive Gleichstellung in der Gruppe, wie sie in Abb. 9-4 zum Ausdruck kommt, wird damit allerdings erheblich eingeschränkt. Andere Maßnahmen sind mit der gruppentypischen Selbstkoordination besser vereinbar, wie etwa die Vorgabe impliziter Verhaltensnormen, verständnis- und akzeptanzfördernde Informationen über die Unternehmensziele, Motivierung durch partizipative Ermittlung von Verhaltensnormen, Gewährung von Belohnungen und/ oder Androhung von Sanktionen (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 16ff.). Bei den Communities of Practice ist es besonders prekär, die richtige Balance zu finden zwischen Fremd- und Selbststeuerung, um einerseits den eher informellen Charakter nicht zu zerstören, andererseits aber ihre Zielgerichtetheit und Effektivität zu sichern. Über die Effektivität der Gruppenarbeit lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen. Positive Effekte wie wechselseitige Ergänzung, Anregung, Motivation und Integration werden überlagert von negativen Effekten wie Trittbrettfahren, <?page no="301"?> 276 · Kapitel 9: Organisationseinheiten einer Neigung zu riskanteren Entscheidungen (Risikoschub), der Abwertung von Fremdgruppen und Konformitätsdruck (group think) (vgl. Wiendieck [Gruppenverhalten] 391ff.). 2 Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten Die Bildung von Organisationseinheiten im Gefüge einer Organisationsstruktur wird wesentlich von vier Determinanten beeinflusst: • Der Beschaffenheit der Aufgabe (Aufgabenbezug), • den Eigenschaften der Aktionsträger (Personenbezug), • den Eigenschaften der Sachmittel (Sachmittelbezug) und • gesetzlichen Regelungen (Rechtsbezug). Diese Einflussgrößen sind ihrerseits von einer Reihe von Faktoren abhängig, so etwa der Größe einer Unternehmung, ihrer Rechtsform, dem Leistungsprogramm, der Marktbeschaffenheit. Wir werden dies bei der Erörterung der vier genannten Determinanten berücksichtigen. 2.1 Beschaffenheit der Aufgabe Die zur Verwirklichung des Leistungszieles wahrzunehmenden Aufgaben stellen unterschiedliche Anforderungen an die Aktionsträger. Wichtige Merkmale der Beschaffenheit einer Aufgabe wurden bereits genannt (vgl. S. 249f.). Als Einflussgrößen auf die Bildung von Organisationseinheiten besonders relevant sind: Umfang und Komplexität der Aufgabe, strategische Bedeutung, Häufigkeit, Neuartigkeit der Aufgabe und Aufgabeninterdependenz. Wie viele unterschiedliche Stellen mit welchem Spezialisierungsgrad gebildet werden, wird entscheidend von der Größe der Unternehmung abhängen, welche wiederum Umfang und Komplexität der Aufgabe bestimmt. In kleinen Unternehmen wird man nicht sehr viele unterschiedliche Stellen bilden, weil diese Spezialisten dann nicht ausgelastet sind. So werden in kleinen Unternehmen häufiger Stellen mit einem weitgespannten Aufgabenfeld eingerichtet. Ein Extrem ist beim Einmann-Unternehmer gegeben, der sämtliche Teilaufgaben selbst erledigt. Je größer die Unternehmung, umso mehr unterschiedliche Ausführungsstellen wird man bilden. Die Koordination der Stellen kann bis zu einer gewissen Unternehmensgröße ausschließlich in Form von Selbstabstimmung in der Gruppe geleistet werden. Je mehr unterschiedliche Ausführungsstellen koordiniert werden müssen, <?page no="302"?> Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten · 277 desto sinnvoller wird aber die Bildung von Abteilungen zur Komplexitätsreduktion und damit die Einrichtung von besonderen Leitungsstellen, den Instanzen. Die vertikale Arbeitsteilung wird so vom Umfang der horizontalen Arbeitsteilung induziert. Welche Aufgaben sich die Instanz vorbehält und welche sie delegiert, wird vermutlich stark von der strategischen Bedeutung der Aufgaben abhängen. Übersteigen Umfang und Komplexität der Leitungsaufgabe die Leistungsfähigkeit einer Instanz, dann bietet sich die Einrichtung von Stäben und Dienstleistungsstellen an. Ob man überhaupt eine Stelle für eine bestimmte Dienstleistung (z.B. Rechtsberatung) einrichtet oder diese am Markt erwirbt, hängt auch von der Häufigkeit ab, mit der die Aufgabe anfällt. Bei der Abteilungsbildung wird man insbesondere auf die Interdependenz der Aufgaben achten. Da die Teilaufgaben nach unterschiedlichen Kriterien als zusammengehörig betrachtet werden können, ist die Art der Abteilungsbildung dadurch aber nicht genau festgelegt. Ist die Abteilungsbildung nach einem Kriterium erfolgt (bspw. nach der Funktion), können Koordinationserfordernisse aufgrund anderer Interdependenzen über Ausschüsse gelöst werden. Ausschüsse werden auch eingesetzt für nicht routinemäßig auftretende und/ oder zeitlich befristete Aufgaben. Für selten anfallende, neuartige aber zugleich strategisch relevante und komplexe Aufgaben lohnt sich die Einrichtung einer eigenen Projektgruppe. 2.2 Eigenschaften der Aktionsträger Die Aufgaben werden von Aktionsträgern wahrgenommen. Demzufolge lassen sich aus der Beschaffenheit der Aufgabe Anforderungen an die Eigenschaften der Aktionsträger ableiten. Steht bspw. die Erledigung einer einfachen und repetitiven Arbeit an, deren Vollzug sich leicht kontrollieren lässt, ist der Einsatz einer ungelernten Hilfskraft sinnvoll. Als Gegenstück dazu lassen sich Aufgaben nennen, die Führungskompetenz, Sozialkompetenz und Fähigkeit zur Kommunikation verlangen. Bei der Bildung der Stellen sieht man normalerweise von den Eigenschaften und Fähigkeiten einer bestimmten Person ab. Die Stelle existiert unabhängig von einer bestimmten Person und kann im Laufe der Zeit von verschiedenen Stelleninhabern ausgefüllt werden. Es erfolgt also eine Stellenbildung ad rem (res (lat.) = Sache) und nicht ad personam. Andererseits muss man sich schon bei der Stellenbildung Gedanken darüber machen, ob man bei dem definierten Anforderungsprofil in der Lage sein wird, solche Personen für die Stellen zu finden, die die Aufgaben erfüllen können und wollen. <?page no="303"?> 278 · Kapitel 9: Organisationseinheiten Das Qualifikationsprofil (Können) potenzieller Aktionsträger ergibt sich weitgehend aus bestimmten Schul-, Hochschul- und Berufsausbildungen. Die Unternehmen bilden so auf der einen Seite Stellen nach den Fähigkeiten und Kenntnissen, die sie typischerweise von einem bestimmten Personenkreis mit einer bestimmten Ausbildung erwarten können. Andererseits sollte sich die Ausbildung nach den veränderlichen Bedürfnissen der Praxis richten, damit auch innovative Stellenbildungen möglich sind. Im Hinblick auf die Motivation (Wollen) der potenziellen Aktionsträger ist es daneben auch wichtig, sich über deren Bedürfnisse und menschliche Eigenschaften bereits bei der Bildung der Organisationseinheiten Gedanken zu machen. Darin spiegelt sich das Menschenbild, das man prinzipiell zugrunde legt. Bei der Erörterung der organisationstheoretischen Ansätze haben wir festgestellt, dass die Ausrichtung der Ansätze wesentlich geprägt wird von ihrem jeweiligen Menschenbild. Aus diesem Menschenbild wiederum lassen sich Schlussfolgerungen bezüglich Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter ableiten. So geht etwa der tayloristische Ansatz von einem stark pessimistischen Menschenbild aus. Die Mitarbeiter sind im Durchschnitt dumm, träge und widerspenstig. Die Konsequenzen für die Organisationsgestaltung münden daher in einer starken Spezialisierung und Formalisierung. Es sind Ausführungsstellen mit spezieller und enger Zuständigkeit einzurichten, die Anzahl der Instanzen und der unterstützenden Stäbe ist hoch, die Leitungsspanne klein. Gruppenarbeit kommt in diesem Konzept naturgemäß nicht vor. Die gegensätzlichen Schlussfolgerungen sind aus dem Selbstorganisationsansatz abzuleiten: Einrichtung vielseitiger Arbeitsplätze, Aufweichung der Trennung von Leitungsstellen und Ausführungsstellen, häufiger Einsatz von Gruppen. Im Principal-Agent-Ansatz wird die These aufgestellt, die Arbeitnehmer würden grundsätzlich Arbeitsleid empfinden und sich daher nach Möglichkeit drücken (shirking). Dies kann nur durch Kontrolle und/ oder finanzielle Anreize verhindert werden. Für die Einrichtung von Organisationseinheiten ist daraus zu folgern, dass diese „kontrolleffizient” und/ oder „anreizkonform” sein sollten (vgl. auch Kapitel 10). Abgesehen von dieser grundsätzlichen Einschätzung der menschlichen Eigenschaften hängt die Bildung von Organisationseinheiten auch zuweilen von den Fähigkeiten eines konkreten potenziellen Stelleninhabers ab. Zwar wird nicht selten gefordert, die Stellenbildung müsse sachbezogen (ad rem) und personenunabhängig erfolgen, die Praxis vermag der Ablehnung einer Stellenbildung ad personam jedoch nicht immer zu folgen. Eine personenorientierte Stellenbildung ist besonders auf der Ebene der Unternehmensleitung anzutreffen. Ein Vorstandsvorsitzender gestaltet bspw. seine Stelle nach seinen persönlichen <?page no="304"?> Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten · 279 Vorstellungen. Anlass für eine Stellenbildung ad personam könnte auch das ganz besondere Qualifikationsprofil einer Person sein. 2.3 Eigenschaften der Sachmittel Die Sachmittel unterstützen auf der einen Seite die Aktionsträger, auf der anderen Seite verlangen sie bestimmte Fähigkeiten von den Aktionsträgern. Dieser Zusammenhang ist besonders augenscheinlich bei der Informationstechnik. Zu nennen in diesem Zusammenhang ist etwa die Vernetzung von Informationssystemen, die auf der einen Seite die Informationsverarbeitungskapazität der Aktionsträger erhöht, auf der anderen Seite aber spezifische Kenntnisse in der Informationsverarbeitung verlangt. Die Vergrößerung der Informationsverarbeitungskapazität lässt sowohl eine horizontale wie auch eine vertikale Erweiterung der Aufgabeninhalte von Stellen zu. Die von einer Stelle wahrzunehmenden Aufgaben können also umfangreicher und komplexer gestaltet sein (vgl. Gaitanides [Ablauforganisation] 13f.). Auf die Bedeutung der Informationstechnik für die Organisationsgestaltung werden wir im Zusammenhang mit der Erörterung der Bedingungen für die Organisation noch ausführlich eingehen (vgl. S. 478f.). 2.4 Recht der Unternehmensverfassung 2.4.1 Aufgaben der Unternehmensverfassung Die Gestaltung der Organisation eines Unternehmens ist an eine Vielzahl von rechtlichen Regelungen gebunden. Zu nennen sind u.a. das Datenschutzgesetz, das Arbeitsrecht (z.B. Arbeitszeitordnung, Jugendarbeitsschutzgesetz), das Betriebsverfassungsgesetz (z.B. Mitwirkung des Betriebsrates bei der Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung von Mitarbeitern) und weitere Mitbestimmungsregelungen sowie das Gesellschaftsrecht. Aufgrund von rechtlichen Normen kann es - je nach Unternehmensgröße, Rechtsform und Leistungsprogramm - erforderlich sein, bestimmte Stellen einzurichten und mit sog. Beauftragten zu besetzen (bspw. Betriebsrat, Jugendvertreter, Datenschutzbeauftragte, Beauftragte für Gewässerschutz, Frauenbeauftragte) (vgl. Bühner [Organisationslehre] 77). Von besonderer organisatorischer Bedeutung sind jene gesetzlichen Regelungen, die auf die Unternehmensverfassung einwirken. Mit der Unternehmensverfassung werden die Eigentums-, Leitungs- und Kontrollrechte im Unternehmen und damit zugleich die grundlegende Macht- und Einkommensvertei- <?page no="305"?> 280 · Kapitel 9: Organisationseinheiten lung festgelegt (vgl. Göbel [Institutionenökonomik] 217ff.). Die Unternehmensverfassung ergibt sich aus gesetzlichen Regelungen, aus kollektivvertraglichen Vereinbarungen wie Firmentarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie privatautonomen Vereinbarungen (Gesellschaftsvertrag, Satzung). Die Unternehmensverfassung schafft insbesondere einen rechtlichen Rahmen für die Führungsorganisation. Die Führungsorganisation befasst sich mit der Strukturierung der Leitungsgremien und der Leitungsbeziehungen eines Unternehmens. Führung ist in einem Unternehmen in Abhängigkeit vom jeweils praktizierten Organisationsmodell zwar auf alle Ebenen verteilt, sie hat jedoch ihren Schwerpunkt in der Unternehmensspitze. Diese oberste Leitungsebene ist gemeint, wenn von Führungsorganisation die Rede ist. Maßgebliche rechtliche Regelungen für die Führungsorganisation sind das Gesellschaftsrecht, insbesondere das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das HGB und die Mitbestimmungsgesetze. Diese Gesetze legen die Organisation der Leitungsgremien, deren Informationspflichten und schließlich die Art und Weise der Abwicklung von Entscheidungsprozessen in den Gremien fest (vgl. Gerum/ Mölls [Unternehmensordnung] 231ff.). Die Regelungsdichte ist bei Personengesellschaften weniger ausgeprägt als bei Kapitalgesellschaften. Die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften zur Gestaltung der Unternehmensverfassung sollen im Folgenden erläutert werden. 2.4.2 Personengesellschaften Personengesellschaften sind die Offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG). Bei Personengesellschaften - die i.d.R. eher klein sind - lässt sich der Gesetzgeber grundsätzlich von der Vorstellung leiten, dass die Eigentümer zugleich das Unternehmen lenken. Es gilt also das Prinzip der Selbstorganschaft, d.h. die Eigentümer setzen ihre Interessen selbst durch; man braucht also kein eigenes Kontrollorgan. Die OHG kommt dem Ideal der „classical firm” nahe, wie es von Alchian/ Demsetz ([Organization] 783) beschrieben wird. Eigentum, Geschäftsführung und Kontrolle liegen weitgehend in einer Hand, was als verfügungsrechtlich günstig angesehen wird. Die Geschäftsführung einer OHG (Innenverhältnis) obliegt grundsätzlich den Gesellschaftern, wobei allerdings einzelne Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden können. Jedem ausgeschlossenen Gesellschafter steht ein Informations- und Kontrollrecht zu. Zur <?page no="306"?> Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten · 281 Vertretung nach außen (Außenverhältnis) ist jeder Gesellschafter berechtigt und sogar verpflichtet. Die Vertretungsmacht nach außen kann nicht eingeschränkt werden. Während für die OHG die Identität von Interessenvertretung und Interessendurchsetzung in der Person der Gesellschafter ihre Gültigkeit hat, gibt es bei der KG eine Ausnahme: Die Kommanditisten, welche nur beschränkt haften, sind im Gegensatz zu den unbeschränkt haftenden Komplementären sowohl von der Geschäftsführung wie auch von der Vertretung der Gesellschaft nach außen i.d.R. ausgeschlossen. Dafür haben die Kommanditisten ein Kontrollrecht. In großen KGs ist auch die Einrichtung eines eigenen Beirats zur Wahrung der Interessen der Kommanditisten üblich. Über die Aufnahme eines Kommanditisten soll v.a. zusätzliches Eigenkapital beschafft werden. Der Kommanditist erhält einen Anteil am Gewinn, darf aber nicht mitentscheiden und auch seinen Firmenanteil nicht ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter veräußern. Anders als bei einem Fremdkapitalgeber ist also die Verzinsung seines Kapitaleinsatzes ungewiss, und da er nicht mitentscheiden und auch nicht beliebig aus dem Unternehmen aussteigen darf, ist sein Risiko relativ groß. Die praktische Bedeutung der reinen KG ist daher auch als gering einzustufen. Beliebter ist die GmbH & Co. KG, bei der eine GmbH der einzige Komplementär ist und die Kommanditisten häufig zugleich Gesellschafter der GmbH sind. 2.4.3 Kapitalgesellschaften Die beiden wichtigsten Formen von Kapitalgesellschaften sind die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG). Im Gegensatz zu den Personengesellschaften ist bei den Kapitalgesellschaften wegen der i. Allg. größeren Zahl der Gesellschafter nicht mit einer Identität von Eigentümer und Unternehmensleitung zu rechnen. Es bedarf daher besonderer Vorkehrungen, um die Herrschaft der Kapitaleigner zu sichern. Im Folgenden soll die Verfassung der AG relativ ausführlich und jene der GmbH knapp erörtert werden. (1) Aktiengesellschaft Das Aktiengesetz schreibt für die AG zwingend drei Organe vor: Vorstand (Leitungsorgan), Aufsichtsrat (Überwachungsorgan) und Hauptversammlung (Organ der Anteilseigner). Da Vorstand und Aufsichtsrat als gleichberechtigte Organe nebeneinander stehen, wird das deutsche Verfassungsmodell auch als dualistisches System bezeichnet. Im angelsächsischen Raum ist dagegen das <?page no="307"?> 282 · Kapitel 9: Organisationseinheiten einstufige (monistische) Board-System gebräuchlich, bei welchem Unternehmensführung und -überwachung in einem Organ, dem Board of Directors, vereint sind. Seit 2004 steht mit der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, abgekürzt SE) auch deutschen Unternehmen die Möglichkeit offen, das monistische System zu wählen. Der Vorstand hat gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung” zu leiten. Damit wird vom Gesetz zum Ausdruck gebracht, dass die eigentliche Geschäftsführung beim Vorstand liegt und dass dieser seine Entscheidungen eigenverantwortlich, d.h. weisungsfrei zu treffen hat (Fremdorganschaft). Die Leitung des Unternehmens obliegt i.d.R. sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes gemeinsam (Pluralinstanz mit Kollegialprinzip). Das amerikanische Board-System konzentriert dagegen die Leitungsbefugnis beim Chief Executive Officer (CEO). Die Vorstandsmitglieder werden vom Aufsichtsrat für höchstens 5 Jahre bestellt, wobei allerdings eine Wiederwahl möglich ist. Der Aufsichtsrat ist das entscheidende Kontrollorgan der AG, welches die Durchsetzung der Interessen von Kapitaleignern (und Arbeitnehmern) sichern soll. Er ist notwendig, weil die Eigentumsrechte verdünnt sind (vgl. Property- Rights-Ansatz S. 136ff.). Der Aufsichtsrat hat den Vorstand zu bestellen, zu überwachen und wieder abzuberufen. Für die Überwachungsfunktion hat er ein weit gehendes Informations-, Einwirkungs- und Prüfungsrecht. Bei AGs, die dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 unterliegen (Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten), besteht der Aufsichtsrat je zur Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Da dem i.d.R. von der Anteilseignerseite bestimmten Aufsichtsratsvorsitzenden bei Pattsituationen ein Zweitstimmrecht zusteht, dominiert im Konfliktfall häufig das Interesse der Kapitaleigner (vgl. Gerum/ Mölls [Unternehmensordnung] 276f.). Eine wirklich paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer gibt es nur in den großen Kapitalgesellschaften der sog. Montanindustrie (Bergbau sowie eisen- und stahlerzeugende Industrie). Die entsprechenden Regelungen finden sich im Montan- Mitbestimmungsgesetz von 1951. Für kleinere Unternehmen gelten die Mitbestimmungsregelungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Vertreter der Aktionäre werden von der Hauptversammlung gewählt, die Arbeitnehmervertreter von der Belegschaft. Die Hauptversammlung ist die Versammlung der Aktionäre. Die Kompetenzen der Hauptversammlung sind in § 119 AktG festgelegt. Sie umfassen u.a. die Bestellung der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat, die Verwendung des Bilanzgewinns, die Satzungsänderungen, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und die Wahl der Abschlussprüfer. Die Entscheidungen in der Hauptversammlung werden im Regelfall mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen <?page no="308"?> Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten · 283 gefällt, wobei sich das Stimmrecht nach der Zahl der Aktien richtet (1 Aktie = 1 Stimme). Die Struktur der Aktiengesellschaft eröffnet mit ihrer Trennung von Eigentum, Geschäftsführung und Kontrolle massive Motivationsprobleme. Anders als die Eigentümerunternehmer dürfen die Manager einer AG die Gewinne ja nicht selbst einbehalten. Sie haben also eigentlich keinen Grund, sich besonders um den Erfolg der Unternehmung zu bemühen. Den Managern wird von den Vertretern der Institutionenökonomik häufig unterstellt, sie wollten sich vor der Arbeit drücken, v.a. ihren Status und ihr Prestige pflegen (z.B. mit teuren Büroeinrichtungen, Firmenjets) und durch die massive Reinvestition von Gewinnen in das eigene Unternehmen v.a. ihren eigenen Arbeitsplatz sichern (vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 492ff.). Das ist nicht im Interesse der Aktionäre, die allerdings in aller Regel das Gebaren der Manager nicht selbst kontrollieren können und wollen. Im Hinblick auf die Kontrolle durch den Aufsichtsrat besteht aber auch wieder ein Agencyproblem: Es wird häufig beklagt, der Aufsichtsrat käme seiner Aufsichtspflicht nur ungenügend nach. Die Neue Institutionenökonomik hat sich sehr ausführlich mit diesen speziellen Motivationsproblemen der AG beschäftigt. Empfohlen wird eine Stärkung der Stellung des Aufsichtsrates durch eine geringere Anzahl von Aufsichtsratsmandaten pro Person, häufigere Sitzungen, verschärfte Haftung der Aufsichtsratsmitglieder und höhere Vergütung. Einige dieser Anregungen wurden im KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom Mai 1998) aufgegriffen. Ein anderer Ansatzpunkt sind Anreize für Manager wie Gewinnbeteiligung, Prämien oder Aktienbezugsrecht (stock options) (vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 423ff.). Die Problematik wird z.T. auch dadurch gemildert, dass die Manager auf dem internen und externen Arbeitsmarkt miteinander konkurrieren und sich über gute Leistungen eine Reputation erarbeiten wollen (vgl. Fama [Agency] 291ff.). (2) GmbH Organe der GmbH sind grundsätzlich der oder die Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung. Für eine GmbH mit mehr als 500 Arbeitnehmern muss nach dem Drittelbeteiligungsgesetz von 2004 (entspricht dem BetrVerfG 1952) und für eine mitbestimmte GmbH (mehr als 2000 Arbeitnehmer) nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 ein Aufsichtsrat gebildet werden. Auch kleinere GmbHs können fakultativ einen „Beirat” einrichten, der beratende und kontrollierende Funktionen hat. Der Geschäftsführer leitet die GmbH, er muss nicht, kann aber Gesellschafter sein. Bei kleineren GmbHs ist dies häufig der Fall; man spricht dann vom Geschäftsführer-Gesellschafter. In diesem Fall hat <?page no="309"?> 284 · Kapitel 9: Organisationseinheiten man eine Einheit von Interessenvertretung und Interessendurchsetzung wie in einer Personengesellschaft. Anders als in der AG haben die Gesellschafter in der GmbH ein direktes Durchgriffsrecht auf alle Unternehmensaktivitäten. Da das GmbH-Recht insgesamt einen großen Spielraum für die Gestaltung von Entscheidungsgremien und -prozessen lässt, kann die faktische Ausgestaltung der Führungsorganisation einer GmbH der einer Personengesellschaft oder der einer AG ähneln. 2.4.4 Corporate Governance Die Debatte über die zweckmäßige organisatorische Gestaltung der Leitung und Überwachung von Unternehmen wurde in den letzten Jahren zunehmend unter dem Begriff der Corporate Governance (CG) geführt. Ursprünglich wurde der Begriff CG in einem engen Sinne für die Leitungsorganisation börsennotierter Gesellschaften benutzt. Vor dem theoretischen Hintergrund der Neuen Institutionenökonomik wurde diskutiert, wie man die Rechte der Aktionäre trotz der Trennung von Eigentum, Geschäftsführung und Kontrolle in der AG wahren und stärken kann. Die seit 2001 bestehende Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ hatte anfangs vor allem den Auftrag, internationalen Investoren den dualistischen Aufbau der Leitungs- und Überwachungsstruktur einer deutschen Aktiengesellschaft transparent zu machen, um mehr Vertrauen bei den Kapitalanlegern zu gewinnen. Darüber hinaus sollte sie Empfehlungen für die Verbesserung der aktionärsorientierten Unternehmensführung erarbeiten. Unternehmen müssen den Empfehlungen der Kommission nicht folgen, sind im Falle der Nichtbefolgung allerdings begründungspflichtig (sog. soft law). Unter Corporate Governance versteht man im engeren Sinne die an den Interessen der Kapitalgeber orientierte Gestaltung von und die Zusammenarbeit zwischen den Leitungs- und Aufsichtsgremien börsennotierter Gesellschaften. Im weiteren Sinne gehören zur Corporate Governance alle Institutionen, die zu einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmensführung unter Berücksichtigung der Belange aller Stakeholder führen sollen. Im Zeitverlauf hat sich das Verständnis von CG erheblich verändert. CG steht heute oft als Synonym für „Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ und wird in einem Atemzug mit der Corporate Social Responsibility (CSR) genannt. Inhaltlich geht es nicht mehr nur um Organisationsstrukturen, sondern auch um Personalselektion, Anreizsysteme und Informationssysteme. Und das Ziel hat sich auch verändert, von der Verbesserung der Situation <?page no="310"?> Kriterien für die Bildung von Organisationseinheiten · 285 der Aktionäre hin zu einer nachhaltigen, an den Interessen verschiedener Interessengruppen (Stakeholder) orientierten Unternehmensführung. Diese Entwicklung lässt sich am deutschen Corporate Governance Kodex nachvollziehen (vgl. www.corporate-governance-code.de). Hieß es in der Präambel bisher, dass der Kodex die Rechte der Aktionäre „verdeutlichen“ soll, so wird neuerdings gefordert, dass sich die Unternehmensführung an der nachhaltigen Wertschöpfung im Einklang mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft orientieren soll und dabei die Belange der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der sonstigen Stakeholder zu berücksichtigen sind. Allerdings kam es zu diesen deutlichen Kodexänderungen erst im Zusammenhang mit einer Gesetzesinitiative des deutschen Bundestages, welche im „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung“ (VorstAG) mündete. Das Gesetz bezieht sich vor allem auf die Vergütungssysteme von Aktiengesellschaften (angemessene Begrenzung der Vorstandsbezüge, Herabsetzung der Vergütung bei schlechter Geschäftslage, längere Haltefristen für Aktienoptionen, stärkere Haftung bei Schäden), nimmt aber auch Stellung zur Zusammensetzung der Organe und zur Aufgabenverteilung. So darf der Aufsichtsrat die Entscheidung über die Vorstandsbezüge nicht mehr an einen Ausschuss delegieren, sondern muss diese im Plenum treffen. Grundsätzlich soll eine zweijährige Karenzzeit für den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat gelten. Vergleichende Forschungen zur Effizienz der international sehr unterschiedlichen Corporate Governance-Systeme haben kein eindeutiges Ergebnis erbracht. Erklärlich ist dies durch das „Eingebettetsein“ (embeddedness) von Unternehmen in ein gesellschaftliches und kulturelles Umfeld. Zur Zeit scheint man in Deutschland wieder stärker zu der stakeholder- und konsensorientierten Unternehmensführung zurückzufinden, die vor dem Shareholder-Value-Boom in unserem Land Tradition hatte und zu der auch die relativ stark ausgeprägte Arbeitnehmermitbestimmung gehört. <?page no="311"?> 286 · Fragen zur Wiederholung und zur Vertiefung Fragen zur Wiederholung 1. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen fachlicher und disziplinarischer Leitungsbefugnis einer Instanz. (1.1.1) 2. Stabsstellen dienen dem Ausgleich der quantitativen und qualitativen Überforderung der Instanz. Was heißt in diesem Zusammenhang „quantitativ” und was „qualitativ”? (1.1.3) 3. Warum führt eine große Leitungsspanne zu einer flachen Hierarchie? (1.2.1) 4. Ausschüsse sind organisatorische Einheiten der „Sekundärorganisation”. Was heißt hier „Sekundärorganisation” und worin unterscheidet sie sich von der „Primärorganisation”? (1.2.2) 5. Wie lassen sich Gruppen in den hierarchischen Aufbau eingliedern? (1.2.3) 6. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen der Stellenbildung ad rem und jener ad personam. (2.2) 7. Beschreiben Sie die drei Organe der Aktiengesellschaft. (2.4.3) 8. Was versteht man unter „Corporate Governance“? (2.4.4) Fragen zur Vertiefung 1. Stäbe werden zuweilen als die eigentlichen Drahtzieher, zuweilen aber auch als Arbeiter für den Papierkorb bezeichnet. Wie erklären Sie sich diese Spannweite? 2. Wie bewerten Sie die Aufstiegschancen von Stabsstelleninhabern im Vergleich zu Inhabern von Linienstellen? 3. Zur Lösung der Stabsproblematik wird u.a. angeregt, die dominante Stellung der Instanz aufzuheben und im Team zu entscheiden. Was halten Sie von dieser Lösung? 4. Mit den Communities of Practice versucht man, das informelle Phänomen der freiwilligen spontanen Gruppenbildung stärker zu formalisieren. Welche Probleme ergeben sich daraus vermutlich? <?page no="312"?> Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen · 287 5. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Menschenbild und der Bildung von Organisationseinheiten? 6. Wodurch unterscheiden sich formelle Gruppen von informellen Gruppen? 7. Inwiefern beeinflusst die durch die Entwicklung der Informationstechnologie geschaffene Vergrößerung der Informationsverarbeitungskapazität die horizontale und vertikale Erweiterung der Aufgabeninhalte von Stellen? 8. Wie lässt sich erklären, dass die Führungsorganisation der AG besonders stark gesetzlich reglementiert ist? 9. Besonders umstritten war im Vorfeld der gesetzlichen Neuregelungen zur Corporate Governance die sog. Karenzzeit von 2 Jahren für den Wechsel von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat. Nehmen Sie Stellung zu der These des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI): Eine Karenzzeit bedeutet einen nichtakzeptablen Know-how- Verlust im Aufsichtsrat und widerspricht eklatant dem Unternehmensinteresse. Literaturempfehlungen Krüger, W.: Organisation, in: Bea, F.X., Friedl, B., Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Führung, 9. A., Stuttgart 2005, S. 140- 234. Mellewigt, T.: Stellen- und Abteilungsbildung, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 1356-1365. Schulte-Zuhausen, M.: Organisation, 4. A., München 2005. <?page no="313"?> Kapitel 10: Aufbauorganisation 1 Gegenstand der Aufbauorganisation 2 Gestaltungsparameter 3 Motivation 1 Gegenstand der Aufbauorganisation Das Leistungsziel eines Unternehmens wird i.d.R. durch Arbeitsteilung verwirklicht. Sie ist zum einen erforderlich, wenn ansonsten eine quantitative Überforderung der Aktionsträger stattfände. Zum anderen kann es aus Effizienzüberlegungen sinnvoll sein, eine Arbeitsteilung herbeizuführen, um Spezialisierungsvorteile wahrzunehmen. Spezialisierung wiederum verlangt nach Koordination, um Ziele und Handlungen der einzelnen Organisationsmitglieder aufeinander abzustimmen. Die Anforderungen an die Koordination sind umso größer, je ausgeprägter der Spezialisierungsgrad gewählt wurde und je divergenter die Ziele der Organisationsmitglieder sind. Organisationsmitglieder verfolgen Ziele und vollziehen Handlungen. Der dabei zur Verfügung stehende Freiheitsgrad ist abhängig von der Kompetenz, die auf ein Organisationsmitglied übertragen wurde. Die Verteilung dieser Kompetenz innerhalb einer Organisation ist die Folge von Delegationsentscheidungen. Mit der Delegation findet eine Übertragung von Kompetenz auf andere statt. Als Ergebnis von Spezialisierung, Delegation und Koordination erhalten wir die Aufbauorganisation, auch als formale Organisationsstruktur oder Konfiguration bezeichnet. Die Aufbauorganisation befasst sich mit der Zerlegung und Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen sowie der Koordination von Aufgaben und Aufgabenträgern. Das Ergebnis ist die formale Organisationsstruktur der Unternehmung. Wird die Organisationsstruktur graphisch dargestellt, so liegt ein Organigramm vor. Das Organigramm spiegelt v.a. die Art der Arbeitsteilung (das Stellengefüge) und die Leitungsbeziehungen wider. Von den verschiedenen Koordinationsinstrumenten kommt im Organigramm nur das Instrument der persönlichen Wei- <?page no="314"?> Gestaltungsparameter · 289 sung zum Ausdruck und zwar in der Über- und Unterordnung von Instanzen und Ausführungsstellen. Das Ausmaß an Delegation von Kompetenzen an untergeordnete Organisationsmitglieder kann indirekt aus dem Organigramm abgelesen werden. Je größer die Leitungsspanne einer Instanz (Leitungsspanne = Anzahl der direkt unterstellten Mitarbeiter) und je flacher also die Leitungstiefe (Leitungstiefe = Anzahl der Hierarchieebenen), desto größer muss das Ausmaß an Delegation sein. Spezialisierung, Delegation und Koordination stellen die zentralen Bestimmungsfaktoren der Organisationsstruktur dar und können insofern als Gestaltungsparameter eingesetzt werden. Im Folgenden sollen die genannten drei Gestaltungsparameter erörtert werden. Zuvor sei darauf hingewiesen, dass daneben noch andere Faktoren der Gestaltung der Organisationsstruktur zu beachten sind. Kieser/ Walgenbach ([Organisation] 169ff.) betrachten bspw. neben der Spezialisierung, der Delegation und der Koordination auch noch die Formalisierung der Organisation (Ausmaß schriftlich fixierter Regeln). In der Regelungsdichte einer Organisation, also in der Festlegung des Freiraumes für eine informale Organisation, kann ein weiterer Gestaltungsparameter gesehen werden. Er bringt den Grad der „Bürokratisierung” einer Organisation zum Ausdruck. Auf diesen Aspekt gehen wir im Zusammenhang mit der Darstellung der Selbstorganisation ein (vgl. S. 415ff.). Werden die Organisationsmitglieder nicht nur als abstrakte Aufgabenträger angesehen, sondern als Personen mit eigenen Interessen, dann sind bei der Strukturgestaltung auch immer die voraussichtlichen Motivationswirkungen zu bedenken. Vor allem die Institutionenökonomik betont die aus der Delegation entstehende Motivationsproblematik und zählt die Motivation zu den Grundfragen der Organisation. Wie die Strukturgestaltung und die Motivation zusammenhängen, soll im Anschluss an die Darstellung der Gestaltungsparameter thematisiert werden (S. 317ff.). 2 Gestaltungsparameter 2.1 Spezialisierung Spezialisierung ist die Zerlegung einer Aufgabe in einzelne voneinander verschiedene Teilaufgaben. Die Spezialisierung als Strukturmerkmal gibt Art und Grad der Arbeitsteilung in einem Unternehmen wider. Wir beschäftigen uns im Folgenden mit der inner- <?page no="315"?> 290 · Kapitel 10: Aufbauorganisation betrieblichen Spezialisierung, während die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung (bspw. Festlegung der Fertigungstiefe und damit Umfang des Fremdbezugs) als fixiert gilt. Zur unternehmensübergreifenden Arbeitsteilung vgl. die Darstellung der Kooperationsmodelle S. 423ff. Im Zusammenhang mit der Spezialisierung sind zwei Aufgaben zu lösen: • Bestimmung des Grades der Spezialisierung, • Festlegung der Art der Spezialisierung. 2.1.1 Grad der Spezialisierung Eine hochgradige Spezialisierung liegt dann vor, wenn die Gesamtaufgabe in sehr viele unterschiedliche, jeweils eng umrissene Teilaufgaben zerlegt wird. Dies bedeutet für die Aktionsträger eine sehr hohe Repertoire-Spezialisierung (vgl. Reiß [Spezialisierung] 2289f.). (1) Vorteile der Spezialisierung Mit der Spezialisierung sind Vorteile verbunden: Es können Unterschiede in den Fähigkeiten der Organisationsmitglieder genutzt werden. Jeder kann genau das machen, wozu er besonders befähigt ist. Außerdem kommen aufgrund der mit der Spezialisierung verbundenen Steigerung des Wiederholungsgrades von Tätigkeiten die Vorteile von Lerneffekten und damit des Erfahrungskurvengesetzes zur Geltung. Weiterhin können Stellen, die nur wenige einfache Teilaufgaben umfassen, mit billigen ungelernten Arbeitskräften besetzt werden. Schließlich kann bereits bei der Ausbildung für eine Tätigkeit eine Konzentration auf bestimmte Aufgaben stattfinden. Im Ergebnis führen diese Vorteile zu einem Kostendegressionseffekt. Da der Grad der Spezialisierung i.d.R. mit der Größe der Unternehmung zunimmt, gehören die Spezialisierungsvorteile mit zu den Erklärungsgründen für die sog. economies of scale, also die Kostendegression bei zunehmender Ausbringungsmenge. Diese Überlegungen sprechen für einen hohen Grad der Spezialisierung und damit für ein differenziertes Stellengefüge mit eng begrenztem Verantwortungsbereich des Stelleninhabers. Taylor baut auf diesen Grundlagen auf und fordert dabei ein hohes Maß an Spezialisierung. In Form des sog. Taylorismus hat sich dieses Gedankengut in Wissenschaft und Praxis (z.B. Fließbandproduktion mit fester Taktzeit) etabliert. Adam Smith hat mit seinem berühmt gewordenen Stecknadelbeispiel, in dem er die Vorteile der Arbeitsteilung deutlich machte, ebenfalls zur Ausbreitung der Spezialisierungsidee maßgeblich beigetragen. <?page no="316"?> Gestaltungsparameter · 291 (2) Nachteile der Spezialisierung Es ist inzwischen unbestritten, dass ein hoher Grad der Spezialisierung auch eine Reihe von Nachteilen aufweist: Mit der Spezialisierung verbunden ist eine Verengung des Blickfeldes und damit die Abneigung zur Übernahme von Verantwortung. Der Sinn für den Gesamtzusammenhang geht verloren. Eine Mentalität des „geht mich nichts an, dafür bin ich nicht zuständig” macht sich bemerkbar. Die damit verbundene Schnittstellenproblematik erhöht den Koordinationsaufwand. Nicht zu übersehen ist auch die mit einer starken Spezialisierung verbundene Verengung des Arbeitsumfangs und damit eine Verarmung des Arbeitsinhaltes (Entfremdung von der Arbeit). Insofern steht die Spezialisierung Bestrebungen der Humanisierung des Arbeitsplatzes entgegen. Außerdem können ursprünglich vorhandene Fähigkeiten des Mitarbeiters auch verlernt werden, wenn sie nicht benutzt werden. Das Humanpotenzial wird so im Laufe der Zeit entwertet. Schließlich ist keineswegs sichergestellt, dass eine häufige Wiederholung von Tätigkeiten die Qualität der Leistung steigert. Es können sich im Gegenteil mit zunehmender Routine Gleichgültigkeit und Demotivation einschleichen (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 81ff.). 2.1.2 Art der Spezialisierung Während bei der Frage nach dem Grad der Spezialisierung v.a. die Zahl der zu bildenden unterschiedlichen Stellen angesprochen wird, geht es bei der Art der Spezialisierung um die inhaltliche Ausrichtung der Stellen, also um die Stellenbeschreibung. Es bieten sich im Prinzip drei Möglichkeiten an, um eine Spezialisierung herbeizuführen: Die Spezialisierung nach • Verrichtungen, • Objekten und • Rang. Die Spezialisierung nach Verrichtungen oder Objekten wird auch als horizontale Arbeitsteilung, jene nach dem Rang auch als vertikale Arbeitsteilung bezeichnet. (1) Eine Spezialisierung nach Verrichtungen führt zu Organisationseinheiten mit Zuständigkeiten für Funktionen, wie z.B. Beschaffung, Fertigung, Absatz, und innerhalb dieser Verrichtungen zu Spezialisierungen wie Lieferan- <?page no="317"?> 292 · Kapitel 10: Aufbauorganisation tenauswahl bei der Beschaffung, Reihenfolgeplanung bei der Fertigung und Marktforschung beim Absatz. (2) Bei der Spezialisierung nach Objekten hängt die Eigenart der Spezialisierung von der Definition des Objektes ab. In Frage kommen u.a. Produkte, Produktgruppen, Kunden, Regionen. Der Stelleninhaber wird zum Spezialisten für ein Produkt (z.B. Produktmanager), einen Kunden (z.B. Kundenbetreuer), eine Region (z.B. Gebietsleiter). Eine Objektspezialisierung führt tendenziell zu einem geringeren Spezialisierungsgrad als die Verrichtungsspezialisierung, weil objektorientiert unterschiedliche Funktionen zusammengefasst werden. Die Verrichtungsspezialisierung ist das dominante Aufbauprinzip der Funktionalen Organisation und die Objektspezialisierung jenes bei der Divisionalen Organisation. Beide Konfigurationstypen werden ausführlich erörtert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Vor- und Nachteile der Spezialisierung nach Objekten bzw. Verrichtungen eingegangen (vgl. S. 360ff.). (3) Eine Spezialisierung nach dem Rang führt zu einer Trennung von Leitungsaufgaben (Entscheidung, Anordnung, Kontrolle) und Durchführungsaufgaben. Es findet also eine Spezialisierung auf Managementfunktionen und auf Realisationsfunktionen statt. Darin klingt die tayloristische Vorstellung einer strikten Trennung von Hand- und Kopfarbeit nach. Diese Art von Spezialisierung begründet die Rangordnung oder Hierarchie in der Unternehmung. Als Hierarchie bezeichnet man das Rollengefüge von übergeordneten Führungsstellen und untergeordneten Ausführungsstellen, welches den Vorgesetzten das Recht gibt, Weisungen zu erteilen und die Untergebenen zum Gehorsam verpflichtet. Dass die Mitglieder einer Unternehmung die Anweisungsbefugnis von Vorgesetzten akzeptieren und sich insofern einer Herrschaft unterwerfen, gilt als das typische Merkmal einer Unternehmung. Im Transaktionskostenansatz wird die Unternehmung als Form der hierarchischen Koordination von einer marktlichen Koordination zwischen gleichgestellten und unabhängigen Marktpartnern unterschieden. Die Rangordnung kann aber innerhalb verschiedener Unternehmen durchaus unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Heute wird i. Allg. eine stärkere Integration von Denken und Handeln bzw. von Planen, Entscheiden und Ausführen präferiert. Die Spezialisierung nach dem Rang schlägt sich in unterschiedlichen Graden der Delegation nieder. Sie sollen im Folgenden erörtert werden. <?page no="318"?> Gestaltungsparameter · 293 2.2 Delegation 2.2.1 Begriff der Delegation Unter Delegation versteht man die Übertragung von Kompetenzen auf andere. Häufig steht hinter dem Delegationsbegriff (vgl. Steinle [Delegation] 500ff.) die Vorstellung, dass sich die Unternehmensspitze hierarchieabwärts entlastet, indem sie bestimmte Kompetenzen (Rechte, Vollmachten), die eigentlich ihr selbst zustehen würden, auf untergeordnete Stellen verteilt. Zugleich mit den Kompetenzen delegiert sie damit auch einen Teil ihrer Verantwortung. Da sich die Kompetenzen auf mehrere Felder erstrecken können, lassen sich auch verschiedene Delegationsarten unterscheiden. Zu nennen sind u.a. die Entscheidungsdelegation, die Anordnungsdelegation und die Kontrolldelegation. Im Zusammenhang mit der Delegation wird häufig auch von Dezentralisation gesprochen. Dezentralisation ist - ganz allgemein ausgedrückt - das Ergebnis einer Streuung eines Merkmals in einer Gesamtheit von Elementen. Zentralisation liegt dagegen dann vor, wenn ein Merkmal konzentriert in der Gesamtheit auftritt (vgl. Bassen [Dezentralisation] 31). Nach dieser sehr allgemeinen Definition kann der Begriff Zentralisation auch als Synonym für den Begriff Spezialisierung benutzt werden. Statt von Verrichtungs-, Objekt- und Rangspezialisierung wird dann von Verrichtungs-, Objekt- oder Rangzentralisation gesprochen (vgl. etwa Bleicher [Organisation] 49ff.). Um die damit einhergehende Begriffsverwirrung zu vermeiden, soll hier von Zentralisation/ Dezentralisation nur die Rede sein im Zusammenhang mit der Verteilung der Leitungskompetenzen. Wählen wir als Ausgangspunkt der Betrachtung die Unternehmensspitze, ergeben sich je nach Umfang der Delegation unterschiedliche Grade der Zentralisation bzw. Dezentralisation. Zentralisation liegt dann vor, wenn die Kompetenzen - insbesondere die Entscheidungskompetenzen - auf die oberste Leitungsebene konzentriert sind. Von Dezentralisation sprechen wir dann, wenn (Entscheidungs-)- Kompetenz systematisch nach unten verlagert wird. Da vom Grad der Zentralisation i.d.R. Einflüsse auf die Zahl der Über- Unterordnungsbeziehungen in Unternehmen ausgehen, wird über die Zentralisation auch die Hierarchie beeinflusst. Zentralisation begründet i.d.R. eine steile Hierarchie. Dezentralisierung führt zu einer Abflachung der Hierarchie. Dies kann so begründet werden: Werden viele Leitungskompetenzen auf die <?page no="319"?> 294 · Kapitel 10: Aufbauorganisation Mitarbeiter delegiert, können die Instanzen eine große Leitungsspanne bewältigen, ohne überfordert zu sein. Große Leitungsspannen reduzieren zugleich die Leitungstiefe. In Abb. 10-1 sind die steile und die flache Hierarchie schematisch dargestellt. steile Hierarchie geringe Delegation Zentralisation flache Hierarchie starke Delegation Dezentralisation Abb. 10-1: Steile und flache Hierarchie Von der Delegation zu unterscheiden ist die Partizipation. Unter Partizipation versteht man die freiwillige und fallweise Beteiligung rangniederer Mitarbeiter an den Entscheidungen einer höheren Instanz. Es handelt sich dabei eher um einen bestimmten Führungsstil als um ein Strukturmerkmal. Für die Verwirklichung der Delegation stehen unterschiedliche Formen zur Verfügung: Kriterien Formen der Delegation Zeitlich: Bis wann? z.B. befristete, unbefristete Delegation Sachlich: Für was? z.B. Delegation für Preisfestsetzung, Lieferantenauswahl Strukturell: An wen? z.B. Delegation an Stelle, Abteilung, Geschäftsbereich, Tochtergesellschaft Abb. 10-2: Formen der Delegation Mit der Delegation verbunden ist die Aufgabe, die Verhaltensweisen der Delegationsempfänger mit dem Unternehmensziel zu harmonisieren. Wenn davon auszugehen ist, dass die Organisationsmitglieder eigene Interessen verfolgen, dann erscheint eine Delegation in gewisser Weise riskant, weil mit der Delegation die Spielräume für eigennütziges Verhalten größer werden. Das gilt auch schon bei der Delegation der Leitungskompetenz von den Eigentümern einer Unternehmung (bspw. den Aktionären) an die Top-Manager. Mit diesen Problemen beschäftigt sich v.a. der Principal-Agent-Ansatz (vgl. S. 145ff.). Als organisatorische Instrumente zur Disziplinierung der Delegationsempfänger (Agen- <?page no="320"?> Gestaltungsparameter · 295 ten) stehen v.a. Anreizsysteme und Kontrollhandlungen zur Verfügung. Ihr Einsatz wiederum hängt davon ab, welche Form der Delegation gewählt wurde. Bei einer Übertragung von Kompetenz auf eine Tochtergesellschaft bietet sich bspw. das Instrument der Anreizgewährung in Form einer Beteiligung am erwirtschafteten Gewinn an (vgl. Profit Center, S. 367f.). 2.2.2 Prinzipien und Regeln der Delegation Die Berechnung eines optimalen Delegationsgrades gelingt nur in Modellen mit sehr rigiden und realitätsfernen Prämissen (vgl. das Delegationswertkonzept von Laux/ Liermann ([Grundlagen] 217ff.), welches S. 121f. beim entscheidungstheoretischen Ansatz bereits angesprochen wurde). Im Prinzip müsste bei diesem Konzept die delegierende Instanz die eigene Entscheidung und die Entscheidung der Delegationsempfänger im Voraus kennen, um berechnen zu können, wessen Entscheidung zu einer besseren Zielerreichung führt. Der dabei anfallende Planungsaufwand macht aber Delegation, die ja Entlastung bringen soll, fragwürdig. Die genaue Bestimmung eines optimalen Dezentralisierungsgrades gilt als unmöglich (vgl. Drumm [Delegation] 183). Um dennoch zu guten Delegationsentscheidungen zu kommen, behilft man sich daher mit bestimmten Prinzipien und Regeln, die plausibel erscheinen und die sich in der Praxis bewährt haben (vgl. Steinle [Delegation] 508ff.). Folgende Grundprinzipien sind zentral: (1) Kongruenzprinzip: Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung sollen deckungsgleich sein. (2) Subsidiaritätsprinzip: Aufgaben (und entsprechende Kompetenzen) sollen jeweils der niedrigsten Hierarchieebene zugewiesen werden, die noch zur Erfüllung in der Lage ist. (3) Relevanzprinzip: Die Aufgaben- und Kompetenzverteilung sollte zu gesamthaften und relativ bedeutsamen Aufgabenkomplexen führen. Ergänzend treten folgende Regeln hinzu: (1) Regel der Ausschöpfung des Informationspotenzials: Entscheidungen sollten möglichst dort getroffen werden, wo auch die benötigten Informationen anfallen. (2) Regel der Qualifikations- und Kapazitätsadäquanz: Aufgaben sollten die Potenziale der Aktionsträger möglichst umfassend ausschöpfen. (3) Ziel-Aufgaben-Kohärenzregel: Die Aktionsträger sollten mit ihren Aufgaben einen tatsächlichen Einfluss auf die ihnen gesetzten Ziele haben. <?page no="321"?> 296 · Kapitel 10: Aufbauorganisation (4) Minimalebenenregel: Die Delegation sollte so erfolgen, dass möglichst wenig Hierarchieebenen koordiniert werden müssen. 2.2.3 Vorteile und Nachteile der Delegation Bei den Entscheidungen zugunsten eines bestimmten Umfanges von Delegation und bei der Wahl der Delegationsformen sind die Vor- und Nachteile der Delegation und in diesem Zusammenhang der Dezentralisation zu beachten. Nachteile der Delegation: • Entstehung von Kontrollproblemen, • Überlastung und Überforderung der Mitarbeiter, • Demotivierung der Instanzen durch Macht- und Statusverluste, • Inkonsistenz von Teilentscheidungen. Vorteile der Delegation: • Entlastung der Instanzen, • bessere Ausnutzung des Wissens und Könnens der Mitarbeiter, • verstärkte Motivation der Mitarbeiter, • größere Flexibilität durch raschere Entscheidungen, • Förderung des Führungskräftenachwuchses. Vor- und Nachteile müssen jeweils situativ gewichtet werden. Ob etwa die Kompetenz der Preisfestlegung auf die Außendienstmitarbeiter delegiert wird, hängt von der Preissensibilität der Kunden ab, von den Erwartungen der Kunden hinsichtlich sofortiger Preisauskünfte, von der Spezifität der Kundenkenntnisse der Außendienstmitarbeiter und der Einschätzung der Identifikation der Außendienstmitarbeiter mit den Zielen der Unternehmung (vgl. Wiltinger [Preiskompetenz]). Bei der aktuellen Bedeutung der Effektivitätskriterien „Flexibilität”, „Motivation” und „Innovations- und Lernbereitschaft” der Mitarbeiter ist eine Delegation sicherlich als vorteilhaft anzusehen. Die potenziellen Nachteile und Gefahren müssen aber auch beachtet werden. Ihnen ist mit Anreiz- und Kontrollsystemen, mit Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter und veränderten Karrierepfaden für die Instanzen zu begegnen. Mildernd auf die Agencyprobleme wirkt sich grundsätzlich auch eine starke Unternehmenskultur aus. <?page no="322"?> Gestaltungsparameter · 297 2.3 Koordination Zur Erfüllung des Leistungszieles bedarf es der Zusammenführung der durch Arbeitsteilung gebildeten Teilaufgaben zu einer Gesamtaufgabe. Arbeitsteilung erzeugt bekanntlich Koordinationsbedarf, denn jedes Organisationsmitglied erzeugt nur eine Teilleistung und ist auf Zuarbeit und Zusammenarbeit angewiesen. Koordination ist die Abstimmung von Einzelaktivitäten zu einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung. Der Koordinationsbedarf ist umso größer, je höher der Grad der Spezialisierung entwickelt und je mehr damit die Zahl der Schnittstellen ausgeweitet worden ist. Koordination und Spezialisierung stehen demzufolge in einem Spannungsverhältnis, das letztlich darin begründet ist, dass die Absicht der Erzielung von Spezialisierungsgewinnen in Konflikt gerät mit den Vorteilen der Ganzheitlichkeit. Diese Vorteile bestehen nicht nur in einem geringeren Koordinationsaufwand, sondern auch im besseren Wissenstransfer und in der Motivationssteigerung. Die Koordinationsinstrumente können unterteilt werden in: • Instrumente der Fremdkoordination und • Instrumente der Selbstkoordination. Von Selbstkoordination soll dann gesprochen werden, wenn die Abstimmung von den betroffenen Mitarbeitern selbst vorgenommen wird oder sich quasi „von selbst” - ohne bewusste Planung - ergibt. Fremdkoordination heißt, dass die Abstimmung nicht in der Hand der Betroffenen selbst liegt, sondern von außen vorgegeben wird. Zu einer von dieser Klassifikation der Koordinationsinstrumente etwas abweichenden Systematisierung vgl. Kieser/ Walgenbach ([Organisation] 108). <?page no="323"?> 298 · Kapitel 10: Aufbauorganisation Märkte Unternehmenskultur Professionalisierung Selbstabstimmung Koordinationsinstrumente Fremdkoordination Arten: Koordinationsmechanismen: Persönliche Weisung Programme Pläne Hierarchie (direct supervision) Regelung der Arbeitsprozesse = Verhaltensstandardisierung (standardisation of work) Ergebnisvorgabe = Outputstandardisierung (standardisation of output) Selbstkoordination Arten: Koordinationsmechanismen: Gegenseitige Abstimmung (mutual adjustment) Preismechanismus Standardisierung von Denk- und Verhaltensweisen (standardisation of norms) Standardisierung von Qualifikationen (standardisation of skills) Märkte Unternehmenskultur Professionalisierung Selbstabstimmung Koordinationsinstrumente Fremdkoordination Arten: Koordinationsmechanismen: Persönliche Weisung Programme Pläne Hierarchie (direct supervision) Regelung der Arbeitsprozesse = Verhaltensstandardisierung (standardisation of work) Ergebnisvorgabe = Outputstandardisierung (standardisation of output) Selbstkoordination Arten: Koordinationsmechanismen: Gegenseitige Abstimmung (mutual adjustment) Preismechanismus Standardisierung von Denk- und Verhaltensweisen (standardisation of norms) Standardisierung von Qualifikationen (standardisation of skills) Abb. 10-3: Instrumente der Fremd- und Selbstkoordination 2.3.1 Instrumente der Fremdkoordination Wir unterscheiden folgende Instrumente der Fremdkoordination (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 108ff.): • Koordination durch persönliche Weisung, • Koordination durch Programme und • Koordination durch Pläne. Das erste Koordinationsinstrument wird auch als persönliches Instrument bezeichnet, das zweite und dritte Koordinationsinstrument zählen zu den technokratischen Instrumenten. Als „persönliches” Instrument gilt die Weisung deshalb, weil eine Kommunikation zwischen genau zu identifizierenden Personen stattfindet. Es handelt sich bei der Weisung um einen sozialen Prozess. Pläne und Programme werden demgegenüber weit weniger als das Ergebnis der <?page no="324"?> Gestaltungsparameter · 299 Entscheidungen einzelner Personen aufgefasst. Die Medien der Koordination verselbständigen sich in gewisser Weise. Daher werden sie als „unpersönlich” oder eben „technokratisch” bezeichnet. 2.3.1.1 Koordination durch persönliche Weisung Die Koordination durch persönliche Weisung erfolgt über ein durch Über- Unterordnungsbeziehungen charakterisiertes Leitungssystem. Die übergeordnete Stelle erteilt der ihr nachgeordneten Stelle Weisungen, die wiederum in Anweisungen für die nachfolgende Hierarchiestufe transformiert werden. Insgesamt entsteht dann ein hierarchischer Leitungsaufbau. Weil die Weisungsbeziehungen im Organigramm als vertikale Linien zum Ausdruck kommen, spricht man in diesem Zusammenhang auch vom Liniensystem. An grundsätzlichen Möglichkeiten für die Gestaltung des Leitungssystems stehen zur Verfügung: das • Einliniensystem, • Mehrliniensystem und • Stabliniensystem. (1) Das Einliniensystem Das Einliniensystem ist dadurch gekennzeichnet, dass eine untergeordnete Stelle lediglich Anweisungen von der ihr direkt übergeordneten und mit Allzuständigkeit ausgestatteten Stelle erhält (Einfachunterstellung). Ein Stelleninhaber hat also nur einen einzigen direkten Vorgesetzten. Fayol (1841-1925), der Begründer des Einliniensystems, formulierte damit das Prinzip der Einheit der Auftragserteilung, welches aussagt, dass jeder Untergebene nur von einem Vorgesetzten Weisungen erhalten sollte. Beim Informationsfluss zwischen den Stellen muss der sog. Dienstweg eingehalten werden. Abstimmungsbedürftige Probleme zwischen Stellen oder Abteilungen müssen bis zum nächsten gemeinsamen Vorgesetzten hinauf gemeldet werden. Von dort fließt dann die Anweisung wieder über den Dienstweg an die zu koordinierenden Stellen zurück. Ein Überspringen einer Stelle bzw. Beziehungen zwischen Stellen auf derselben Hierarchieebene sind nicht vorgesehen. Eine Ausnahme stellt die sog. Fayol‘sche Brücke dar. Danach sind in speziellen Situationen Informationsbeziehungen zwischen Stellen auf derselben Hierarchieebene zulässig, wobei die zuständige Instanz aber nachträglich zu informieren ist. Die Direktabstimmung sollte allerdings nur eine Ausnahme sein (vgl. Abb. 10-4). <?page no="325"?> 300 · Kapitel 10: Aufbauorganisation Beschaffung B 1 Unternehmensleitung Fayol‘sche Brücke Produktion Absatz B 2 P 1 P 2 A 1 A 2 Einliniensystem B 1 Unternehmensleitung B 2 P 1 P 2 A 1 A 2 Mehrliniensystem Beschaffung Produktion Absatz Beschaffung B 1 Unternehmensleitung Fayol‘sche Brücke Produktion Absatz B 2 P 1 P 2 A 1 A 2 Einliniensystem B 1 Unternehmensleitung B 2 P 1 P 2 A 1 A 2 Mehrliniensystem Beschaffung Produktion Absatz Abb. 10-4: Ein- und Mehrliniensystem (2) Das Mehrliniensystem Beim Mehrliniensystem wird eine Spezialisierung in Form einer Aufteilung der Weisungsbefugnisse auf einzelne Entscheidungsträger vorgenommen. Daraus ergibt sich, dass eine untergeordnete Stelle Weisungen von mehreren übergeordneten Stellen erhält (Mehrfachunterstellung). Beispiel: Ein Meister in einer Fertigungsabteilung erhält Anweisungen vom vorgesetzten Abteilungsleiter hinsichtlich der Ausstattung eines Erzeugnisses und vom Leiter der Kostenrechnungsabteilung Anweisungen bezüglich der Einhaltung eines Kostenbudgets. Das Mehrliniensystem geht auf Taylor (1856-1915 ) zurück, der das Funktionsmeisterprinzip für die Fertigung erfunden hat. Danach hat ein Funktionsmeister nur eine ganz bestimmte, scharf umrissene Leitungsfunktion, für die er Fachkompetenz aufweist. Taylor sah u.a. einen Arbeitsverteilungsmeister, einen Aufsichtsmeister und einen Kosten- und Zeitmeister vor. Da die Mitarbeiter verschiedener Gruppen dadurch gemeinsame Vorgesetzte haben, ist der Informationsfluss bei Abstimmungen kürzer als im Einliniensystem (vgl. Abb. 10-4). In der Praxis tritt die Mehrfachunterstellung heute häufig in der Weise auf, dass fachliche und disziplinarische Leitungsbefugnisse voneinander getrennt werden. Die Mitarbeiter sind dann in disziplinarischer Hinsicht einem Vorgesetzten unterstellt. Dieser Vorgesetzte darf sie z.B. kontrollieren, bewerten, Urlaub genehmigen, über Beförderung oder Entlassung (mit-)entscheiden. Natürlich hat er auch fachliche Leitungskompetenzen gegenüber seinen Untergebenen, aber nicht in allen Fragen. Für bestimmte Fragen, die ein besonderes Fachwissen erfordern oder die zentral für das gesamte Unternehmen einheitlich geregelt werden sollen, kommt es zu einer zusätzlichen fachlichen Unterstel- <?page no="326"?> Gestaltungsparameter · 301 lung. In den Organisationsschaubildern werden solche zusätzlichen fachlichen Unterstellungsverhältnisse oft durch gestrichelte Linien dargestellt. Typisch ist bspw. eine Fachkompetenz der Personalabteilung für Lohn- und Gehaltsfragen oder der Organisationsabteilung für Arbeitsverfahren in der Verwaltung. Die begrenzte Leitungsbefugnis ist typisch für die sog. Dienstleistungsstellen (vgl. S. 268). Ausdrücklich zu Koordinationszwecken werden in Unternehmen auch Stellen eingerichtet, denen im Hinblick auf einen speziellen Entscheidungsbereich (bspw. ein Projekt oder ein Produkt) eine begrenzte Leitungsbefugnis zugeordnet wird. Je nach Umfang der Kompetenz dieser Stellen entsteht eine mehr oder weniger deutliche Mehrfachunterstellung der ausführenden Stellen. Ein Marketingmitarbeiter bekommt dann bspw. Weisungen sowohl vom Leiter der Marketingabteilung als auch von einem oder mehreren Produktmanagern. Solche unklaren Weisungsbeziehungen können sehr konfliktär sein. Kriterien Einliniensystem Mehrliniensystem 1. Informationswege Lang, da Instanzenweg eingehalten werden muss Kurz, da ein direkter Zugriff zum gemeinsamen Vorgesetzten möglich ist 2. Abgrenzung der Kompetenz Klar, da die Zuordnung auf einen einzigen Vorgesetzten erfolgt Mehrdeutig, da mehrere Vorgesetzte vorhanden sind 3. Spezialisierung bezüglich der Kompetenz Gering, da der Vorgesetzte mit Allzuständigkeit ausgestattet ist Hoch, da Zuständigkeiten auf mehrere Vorgesetzte aufgeteilt sind Abb. 10-5: Vergleich von Einliniensystem und Mehrliniensystem (3) Das Stabliniensystem Das Grundgerüst des Stabliniensystems ist das Einliniensystem. Eine Instanz ist i.d.R. mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet. Um auf der einen Seite das Prinzip der Einheit der Auftragserteilung durchhalten zu können und auf der anderen Seite die Überlastung der Instanz auszugleichen, werden Stabsstellen in das Leitungssystem einbezogen. Stabsstellen nehmen unterstützende Funktionen wahr. Sie sind daher einer Instanz seitlich zugeordnet. Stäbe können auf verschiedenen Leitungsebenen eingesetzt werden (vgl. Abb. 10-6). Zu den Stäben vgl. S. 266f. <?page no="327"?> 302 · Kapitel 10: Aufbauorganisation Unternehmensleitung Rechtsabteilung Planungsstab Produktion Absatz Controlling Marktforschung EDV Abb. 10-6: Stabliniensystem Fazit: Das Koordinationsinstrument der persönlichen Weisung hat Vor- und Nachteile. Das Instrument ist sehr flexibel einsetzbar und leicht zu gestalten. Es müssen lediglich die Entscheidungskompetenzen verteilt werden, während über die Inhalte der Koordinationsentscheidungen keine Festlegungen getroffen werden müssen. Durch persönliche Weisung kann nicht nur eine Vorauskoordination, sondern auch eine Feedbackkoordination erfolgen, d.h. der Vorgesetzte kann aktuell entstandene Abstimmungsprobleme lösen. Nachteilig wirkt sich die potenzielle Überlastung der Instanzen - v.a. im Einliniensystem - aus. Die Vorauskoordination kann sich immer nur auf wenige Variablen und relativ kurze Zeiträume beziehen, weil eine einzelne Person nicht in der Lage ist, sehr komplexe Abhängigkeiten für lange Zeiträume vorauszudenken. Das persönliche Moment in der Weisungsbeziehung kann Vor- und Nachteile haben. Weil gerade in der persönlichen Weisung die Hierarchie sehr stark zum Ausdruck kommt, ist es für eine funktionierende Koordination sehr wichtig, inwieweit die Untergebenen die Autorität des Vorgesetzten akzeptieren. Hat der Vorgesetzte Autorität in dem Sinne, dass seine Persönlichkeit und seine Fachkompetenz von den Mitarbeitern anerkannt werden und dass sie daher auch seinen Weisungen freiwillig und gerne nachkommen, dann gelingt die Koordination gerade durch die persönliche Beziehung besonders gut. Ein nicht akzeptierter Vorgesetzter kann aber auch mit seinen Weisungen vermutlich mehr Widerstand provozieren, als es die unpersönlichen, technokratischen Koordinationsinstrumente vermögen. <?page no="328"?> Gestaltungsparameter · 303 2.3.1.2 Koordination durch Programme In den meisten Unternehmen gibt es für eine Reihe von Aktivitäten generelle Verhaltensrichtlinien, durch die der einzelne Mitarbeiter detaillierte Anweisungen erhält. Auf diese Art und Weise wird sein Verhalten fremdgesteuert, ohne dass ein Vorgesetzter persönliche Weisungen erteilt. Man bezeichnet diese Form der Koordination auch als Verhaltensstandardisierung. Programme werden oft schriftlich fixiert und schlagen sich in umfangreichen Handbüchern nieder. Die Koordination durch Programme dominiert insbesondere in bürokratischen Systemen. Die Hauptlast der Koordinationsarbeit liegt auf der perfekten Abfassung der Verhaltensrichtlinien. Die koordinierende Wirkung von Programmen liegt ganz allgemein darin, dass das Verhalten der Organisationsmitglieder in den geregelten Bereichen vereinheitlicht und stabilisiert wird. Außerdem können auch immer wieder auftauchende Koordinationsprobleme „programmiert” werden. Um die Koordination zwischen Beschaffung, Lagerhaltung und Fertigung zu bewerkstelligen, können bspw. bestimmte Mindestlagermengen für die Rohstoffe verbindlich festgelegt werden. Sobald die Mindestlagermenge eines Rohstoffes unterschritten wird, ermittelt der Lagerist nach einer Formel die zu bestellende Menge und gibt diese Informationen an den Einkauf weiter. Die Abstimmung erfolgt ganz ohne Eingreifen einer Instanz (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 116). Da Programme das Verhalten für längere Zeit relativ detailliert festlegen, eignen sie sich nur für die Vorauskoordination unter stabilen Bedingungen. Es besteht immer die Gefahr, dass die Organisationsmitglieder mit so vielen Richtlinien reglementiert werden, dass für flexible Anpassungen kein Raum mehr bleibt. 2.3.1.3 Koordination durch Pläne Pläne stellen Zielvorgaben dar. Aus ihnen kann der Mitarbeiter Erkenntnisse für sein Handeln ableiten. Beispiel: Ein Verkaufsleiter erhält einen Absatzplan, der die Zahl der abzusetzenden Produkte in einer bestimmten Periode normiert. Dieser Absatzplan ist in einem Planungsprozess abgestimmt worden, u.a. mit dem Fertigungsplan, dem Beschaffungsplan und dem Finanzplan. Wenn alle Pläne eingehalten werden, dann funktioniert die horizontale Abstimmung zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen. Die vertikale Koordination zwischen unterschiedlichen Hierarchieebenen kann ebenfalls durch Planung erfolgen. Die Unternehmensspitze gibt bspw. strategische Ziele für die Gesamtunternehmung vor, die dann in Ziele für einzelne Geschäftsbereiche, Funktionsbereiche und Stellen heruntergebrochen werden. Bei Einhaltung der Pläne fügen sich alle Teilaktivitäten so zusammen, dass das Unternehmensziel erreicht wird. <?page no="329"?> 304 · Kapitel 10: Aufbauorganisation Da sich die Koordination durch Pläne am Ergebnis orientiert, wird diese Koordinationsform auch als Outputstandardisierung bezeichnet. Anders als bei der Verhaltensstandardisierung wird das Verhalten der Organisationsmitglieder nicht im Detail festgelegt. Von den Programmen unterscheidet sich die Koordination durch Pläne weiterhin dadurch, dass Pläne immer nur für eine bestimmte Periode gelten und daher flexibler sind. Die Koordination durch Pläne dominiert insbesondere im Organisationsmodell der Divisionalen Organisation, das vom Führungsprinzip des Management by Objectives ausgeht. Das Führungskonzept MbO sieht vor, dass der Vorgesetzte und die ihm zugeordneten Mitarbeiter gemeinsam Ziele für eine Planperiode vereinbaren. Möglichst klare und operationale Zielvorgaben sollen eine ex post- Kontrolle ermöglichen und so den Mitarbeiter motivieren. Die Koordination durch Pläne erfährt ihre stärkste Ausprägung z.Zt. in der Konzernorganisation der Holdingstruktur (vgl. S. 372ff.). Die Koordination durch einen institutionalisierten Planungsprozess wird schnell recht aufwändig. Häufig übernehmen Spezialisten in eigens eingerichteten zentralen Planungsabteilungen die Planungsaktivitäten (Dienstleistungsstelle oder Stab). Damit ist allerdings die Gefahr verbunden, dass sich die Planung zu realitätsfern entwickelt, was durch eine Partizipation der Linienstellen am Planungsprozess verhindert werden kann. Die Leistungsfähigkeit der Koordination durch Planung ist sehr stark abhängig von der Möglichkeit, individuelle Ziele und unternehmerische Planung zur Deckung zu bringen. Die Planung ist wie die Programmierung nur für eine Vorauskoordination geeignet. 2.3.2 Instrumente der Selbstkoordination Wir unterscheiden vier Varianten: • Koordination durch Selbstabstimmung, • Koordination durch Märkte, • Koordination durch Unternehmenskultur, • Koordination durch Professionalisierung. 2.3.2.1 Koordination durch Selbstabstimmung Die Koordination durch Selbstabstimmung ist das Gegenstück zur persönlichen Weisung im Rahmen der hierarchischen Fremdkoordination. Als Organisationseinheiten werden Gruppen gebildet, bei denen anstelle der Über-Unterordnung <?page no="330"?> Gestaltungsparameter · 305 die Entscheidungsfindung durch gegenseitige Abstimmung aller betroffenen Stellen erfolgt. Bei reiner Selbstabstimmung würde die Unternehmensleitung von der Gesamtheit aller Organisationsmitglieder gebildet. Vorstellbar ist das in kleineren Unternehmen, die von gleichberechtigten, professionellen Gesellschaftern gemeinsam geführt werden. Solche „partnerships” (Milgrom/ Roberts [Organization] 522f.) sind etwa typisch für Anwaltssozietäten, ärztliche Gemeinschaftspraxen und Architekturbüros. In der Praxis werden i.d.R. jedoch nur Teilbereiche der Organisation durch Selbstabstimmung koordiniert, da die Voraussetzungen für die Anwendung dieses anspruchsvollen Koordinationsinstrumentes nicht immer erfüllt sind. Diese Voraussetzungen bestehen in der Fähigkeit und Bereitschaft der Mitarbeiter zur Kooperation sowie in der Bereitstellung der dafür nötigen Zeit. Als Regelfall kann die Selbstabstimmung innerhalb der Unternehmensleitung gelten. Die Selbstabstimmung hält aber auch immer mehr Einzug in die Organisation der Fertigungsprozesse, die bislang als eine Domäne der persönlichen Weisung angesehen werden konnte. Hier hat insbesondere die Konzeption des Lean Production mit der Forderung nach teamorientierter Produktionsorganisation den Boden bereitet. Selbstabstimmung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Koordination im freien Ermessen der Betroffenen liegt. In der formalen Aufbauorganisation können dafür Komitees, Ausschüsse, Arbeitskreise und ähnliche Gruppen eingerichtet werden, deren Mitglieder sich selbst abstimmen müssen. In einem Produktplanungsausschuss treffen sich bspw. Mitglieder aus dem Marketing, der Forschung und Entwicklung und der Produktionsplanung, um Koordinationsprobleme bereits bei der Planung neuer Produkte zu lösen. Aber auch ohne strukturelle Vorgaben findet Selbstabstimmung statt, manchmal sogar unter Umgehung des offiziellen Dienstweges. Der sog. kleine Dienstweg (die betroffenen Stellen schließen sich kurz) wurde schon immer von den Organisationsmitgliedern benutzt, um die langwierige Abstimmung über die Hierarchie zu umgehen. Von der Selbstabstimmung erhofft man sich schnellere und besonders sachkompetente Entscheidungen sowie eine erhöhte Motivation der Mitarbeiter. Unter Umständen ist diese Form der Koordination aber auch sehr langwierig und konfliktbeladen, besonders wenn zwischen den betroffenen Stellen und Gruppen ein starkes Konkurrenzdenken herrscht. Die praktische Erfahrung zeigt, dass oft erst ein Gruppentraining nötig ist, um von der hierarchischen Koordination auf die Selbstabstimmung umsteigen zu können. <?page no="331"?> 306 · Kapitel 10: Aufbauorganisation 2.3.2.2 Koordination durch Märkte Bei der Anwendung des Prinzips der Koordination durch Märkte bedient man sich der Organisationsregeln des Marktes. Im Markt werden ja ständig viele dezentrale Einzelentscheidungen dadurch aufeinander abgestimmt, dass der Preismechanismus Angebot und Nachfrage regelt. Wie durch eine „unsichtbare Hand” (Adam Smith) geleitet, kommt es zu einer Abstimmung zwischen Nachfragern und Produzenten von Gütern und Dienstleistungen. Obwohl die Institution „Unternehmung“ eigentlich das Gegenmodell zum Markt darstellt (der Transaktionskosten-Ansatz unterscheidet zwischen der Koordination durch Markt und Hierarchie; vgl. S. 139ff.), versucht man, auch im Unternehmen etwas Ähnliches wie einen Markt zu etablieren (vgl. zum Folgenden Neus [Verrechnungspreise]). Für die innerbetriebliche Inanspruchnahme von Leistungen werden Verrechnungspreise (man spricht auch von Lenkpreisen) festgelegt, an die sich die einzelnen Leistungseinheiten in ihrem Mengenverhalten dann eigenverantwortlich anpassen. Die einzelnen Organisationseinheiten „kaufen” bzw. „verkaufen” die Vorprodukte und Dienstleistungen, die zur Erstellung der Gesamtleistung nötig sind, wobei der Lenkpreis für die Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage sorgen soll. Vorab werden selbständige Organisationseinheiten (Profit Center) geschaffen, denen Entscheidungsautonomie mit Gewinnverantwortung zugewiesen wird (vgl. S. 367f.). Die Profit Center können untereinander in Lieferungs- und Leistungsbeziehungen stehen, v.a. aber werden sie auf die Zulieferungen und Dienstleistungen der sog. Zentralbereiche angewiesen sein. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich diese Organisationseinheiten so verhalten wie Unternehmen am Markt. An die Stelle struktureller Koordination tritt die Koordination durch den Preismechanismus. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1909) hat Schmalenbach auf die Möglichkeiten der Marktkoordination innerhalb von Unternehmen mit Hilfe von Verrechnungspreisen verwiesen und darauf aufbauend das Konzept der „Pretialen Wirtschaftslenkung” (1947/ 1948) entwickelt. Es verlangt eine Unternehmenssteuerung bei dezentraler Organisation mit Hilfe von Lenkpreisen. Das Problem der Bestimmung richtiger Verrechnungsbzw. Lenkpreise kann aber bis heute nicht als gelöst angesehen werden: • Die Vorgabe von Lenkpreisen durch eine Zentrale scheitert daran, dass die richtigen Preise erst auf der Grundlage eines optimalen Gesamtplanes ermittelt werden könnten. Wenn ein solcher aber erstellt werden könnte, brauchte man gar keine Lenkpreise mehr, weil das Koordinationsproblem bereits gelöst wäre. <?page no="332"?> Gestaltungsparameter · 307 • Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die beteiligten Organisationseinheiten über die Preise verhandeln zu lassen. Da die nachfragenden und anbietenden Stellen in der Unternehmung aber oft eine monopolähnliche Stellung haben, drohen Preisverzerrungen durch strategisches Verhalten, was den Gesamterfolg gefährdet. • Als Ausweg bietet sich an, Marktpreise als Verrechnungspreise zu benutzen. Sofern jedoch für die nachgefragte Leistung ein funktionierender externer Markt existiert, tritt sofort die Frage auf, warum man die Leistungserstellung überhaupt in das Unternehmen integriert hat. Es muss entweder Integrationsvorteile geben, die dann auch im Preis zum Ausdruck kommen müssten, oder es ist tatsächlich besser, die Leistung aus dem Unternehmen auszugliedern. Wenn man dem Markt mehr Effizienz zutraut als der hierarchischen Koordination, ist es nur konsequent, die Leistung extern zu beziehen. Die zunehmende Bedeutung des Outsourcing weist darauf hin, dass in den Unternehmen solche Überlegungen tatsächlich angestellt werden. Der Versuch, den Markt im Unternehmen über Verrechnungspreise zu imitieren, ist nicht unproblematisch (vgl. Neus [Verrechnungspreise] 44). Falsch gesetzte Verrechnungspreise können eine massive Fehlallokation von Ressourcen hervorrufen. So musste die Firma Bellcore feststellen, dass ihre hoch qualifizierten und gut bezahlten Forschungsingenieure ihre Zeit mit dem Tippen von Briefen, Berichten und Aktennotizen verbrachten, während die Schreibkräfte im zentralen Schreibpool unterbeschäftigt waren. Die Verrechnungspreise für die Inanspruchnahme interner Schreibdienste betrug zeitweise 50 $ die Seite und die Ingenieure wurden u.a. nach der Einhaltung finanzieller Budgets bezahlt (vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 81). Was sich allerdings als sehr vorteilhaft erweisen kann, ist die damit verbundene Idee interner Kunden- Lieferanten-Beziehungen. Dienstleistungsbereiche der Unternehmung sollten die zu beliefernden Stellen nicht als lästige Bittsteller, sondern als Kunden ansehen, die ein Recht auf schnelle und qualitativ hochwertige Leistungen haben. Diese Mentalität bildet sich sicherlich schneller aus, wenn die Koordinationsform einem Markt ähnelt (vgl. Frese [Märkte] 552). 2.3.2.3 Koordination durch Unternehmenskultur Der Transaktionskosten-Ansatz (vgl. S. 139ff.) unterscheidet zwei grundsätzliche Koordinationsmöglichkeiten: Hierarchie (v.a. persönliche Weisung) und Markt. Ouchi (vgl. [Clans]) hat diesen Koordinationsinstrumenten als dritte Möglichkeit den „Clanmechanismus” hinzugefügt. Er beruft sich auf seine Erfahrungen mit japanischen Unternehmen, in welchen nach Ouchis Beobachtungen nur sehr <?page no="333"?> 308 · Kapitel 10: Aufbauorganisation wenig Kontrollen und Anweisungen nötig sind „since the employees‘ natural (socialized) inclination is to do what is best for the firm” ([Clans] 132). Der innerbetriebliche Austausch von Leistungen und die Zusammenarbeit funktionieren quasi „von selbst”, weil die Organisationsmitglieder ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl empfinden und in dem Bewusstsein agieren, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dies gelingt durch die langjährige Sozialisation der Mitarbeiter im Unternehmen. Peters und Waterman haben diese Überlegungen unter dem Begriff der Unternehmenskultur populär gemacht (vgl. [Excellence]). Jedes Unternehmen hat eine bestimmte „Kultur”, die sich in verschiedenen Formen äußert: in einer unternehmensspezifischen Sprache, einer (ungeschriebenen) Kleiderordnung, der Ausstattung des Firmengebäudes und der Firmenfahrzeuge sowie dem Logo. Ausdruck der Unternehmenskultur sind auch die Führungsgrundsätze, die Verhaltensrichtlinien, die dominierenden Werte und Ziele (vgl. das Schichtenmodell von Schein [Organizational Culture] 14). Insoweit die Organisationsmitglieder diese Kultur verinnerlichen, gelingt eine Verständigung zwischen ihnen leichter. Sie gehen wie selbstverständlich von ähnlichen Denk- und Verhaltensmustern aus, wodurch sich die Komplexität ihrer Umwelt erheblich verringert (vgl. dazu auch die Ausführungen zum interpretativen Ansatz und zum Strukturationsansatz, S. 172ff. und S. 197ff.). Außerdem entwickeln sie ein Gefühl der Solidarität und der „Selbstverpflichtung” (vgl. Rößl [Selbstverpflichtung]), wodurch das Problem der Zieldivergenzen stark gedämpft wird und die Abstimmung leichter wird. Eng damit verknüpft ist die Motivationswirkung der Unternehmenskultur. Die kulturelle Integration gibt dem Einzelnen ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer sozialen Gruppe. Dies kann sich in geringeren Fehlzeiten, niedrigerer Fluktuationsrate und zunehmender Innovationsbereitschaft niederschlagen. In Bezug auf die Koordinationswirkung wäre eigentlich eine starke und einheitliche Unternehmenskultur wünschenswert. Tatsächlich weisen unterschiedliche Organisationseinheiten häufig unterschiedliche „Subkulturen” auf, die zwar partiell effizienzfördernd sind, eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit aber eher behindern als befördern. Es ist daher wünschenswert, gemeinsame Ziele, Werte und Normen für das Gesamtunternehmen zu etablieren, ohne allerdings die Besonderheiten der einzelnen Organisationseinheiten völlig zu ignorieren. <?page no="334"?> Gestaltungsparameter · 309 Die Koordination durch Unternehmenskultur ist besonders dann angebracht, wenn die Aufgabenstellung sehr komplex und neuartig ist und die Leistung der Organisationsmitglieder deshalb nur schwer bewertet werden kann. In solchen Situationen muss man versuchen, die Zieldivergenz zwischen den beteiligten Stellen zu reduzieren (vgl. Ouchi [Clans] 135). Kritisch kann gegen das Koordinationsinstrument „Kultur” eingewandt werden, dass es leicht in die Nähe einer ideologischen Indoktrination gerät und dass eine starke Kultur die Anpassungsfähigkeit einer Unternehmung herabsetzen kann, weil sie wie ein Wahrnehmungsfilter wirkt, die Umweltsensibilität reduziert und leicht zu einer Selbstüberschätzung führt. Positive Wirkungen Negative Wirkungen Koordination (gemeinsames Orientierungsmuster) Integration (Wir-Gefühl) Motivation (Engagement für das Unternehmen) Repräsentation (positives Erscheinungsbild eines Unternehmens) Selbstüberschätzung Reduktion von Umweltsensibilität Wahrnehmungsfilterung Konformitätsdruck Behinderung von − strategischer Neuorientierung − struktureller Anpassung − Innovation − organisationalem Lernen Abb. 10-7: Grundlegende Wirkungen der Unternehmenskultur (Quelle: Bea/ Haas [Management] 509) Ein gezieltes „Kulturmanagement” ist alles andere als einfach. Mögliche Ansatzpunkte bestehen in der Auswahl geeigneter Personen, der schriftlichen Fixierung von Unternehmensgrundsätzen, dem gezielten Einsatz von Ritualen und Symbolen. Zu beachten ist auch, dass strukturelle Regelungen die Kultur beeinflussen. So ist bspw. zu erwarten, dass eine Matrixorganisation mit dem ihr innewohnenden Konfliktpotenzial eine andere Unternehmenskultur hervorbringt als eine hierarchisch ausgerichtete und zentralisierte Funktionale Organisation. <?page no="335"?> 310 · Kapitel 10: Aufbauorganisation 2.3.2.4 Koordination durch Professionalisierung Die Abstimmung zwischen unterschiedlichen Stellen, die gemeinsam zu einer Leistung beitragen, gelingt nur dann, wenn das Verhalten der Beteiligten einigermaßen bekannt und stabil ist. Verlässliche Verhaltenserwartungen werden u.a. über die Standardisierung von Qualifikationen und Kenntnissen erreicht, wie sie eine bestimmte Berufsausbildung normalerweise vermittelt. Jeder, der diese Berufsausbildung durchlaufen hat, verfügt über ein gewisses Standardrepertoire an Fachwissen und -fertigkeiten, kennt gewisse Fachausdrücke und beherrscht die notwendigen Routinen. Wenn jemand über längere Zeit hinweg komplexe Qualifikationen erwirbt, spricht man auch von „Professionalisierung” (vgl. Mintzberg [Struktur], 64f.). Solche „Profis” können auch ohne besondere Weisungen oder Programme reibungslos Hand in Hand arbeiten, weil jeder seinen Part im Zusammenspiel kennt und beherrscht. Die Unternehmen können bei der Koordination durch Professionalisierung einen Teil ihrer Koordinationskosten nach außen verlagern, bspw. auf die Universitäten überwälzen. Für die Organisationsmitglieder besteht ein wesentlicher Vorteil dieser Qualifikationsstandardisierung darin, dass sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auch anderen Unternehmen anbieten können und daher flexibel sind. Die Unternehmen profitieren von der größeren Transparenz bei der Auswahl von Bewerbern, wenn Ausbildungen standardisiert sind und Bildungsabschlüsse zuverlässig einen gewissen Kenntnisstand signalisieren. Auf der anderen Seite braucht jedes Unternehmen auch ganz spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten. Die innerbetriebliche Ausbildung und „Routinisierung” muss also die externe Berufsausbildung ergänzen. Die Entwicklung des Koordinationsinstruments Professionalisierung braucht Zeit, so wie auch die Entwicklung des Instruments Unternehmenskultur. Dafür ist es gerade auch für komplexe und wenig formalisierbare Aufgaben gut verwendbar. Außerdem kann ein Unternehmen, dem eine hochgradige unternehmensspezifische Professionalisierung gelingt, Wettbewerbsvorteile erreichen, die nicht leicht zu imitieren sind. Koordinationsinstrumente wie Selbstabstimmung, Unternehmenskultur und Professionalisierung wirken über das Wollen und Können der Mitarbeiter. Deshalb können im weiteren Sinne auch Maßnahmen des Personalmanagements wie Rekrutierung und Personalentwicklung sowie die Gestaltung der Anreizsysteme zu den Koordinations- und Integrationsinstrumenten gerechnet werden. Eine wichtige unterstützende Funktion bei der Koordination kommt überdies dem Informationsmanagement zu (bspw. unternehmensinterne Vernetzung, Videokonferenzen) (vgl. Reiß [Koordination] 692f.). <?page no="336"?> Gestaltungsparameter · 311 2.4 Konfiguration Die Wahl der Gestaltungsparameter „Spezialisierung”, „Delegation” und „Koordination” führt - wie dargelegt - zu unterschiedlichen Ausprägungen der formalen Aufbauorganisation. Das Ergebnis stellt dann die äußere Gestalt, die Makrostruktur oder „Konfiguration” dar. Der Begriff „Konfiguration” wird hier nicht so eng gefasst, dass es sich lediglich um ein Synonym für „Leitungssystem” oder gar „Organigramm” handelt (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 137ff.). Als Konfiguration bezeichnen wir bestimmte Kombinationen von Organisationsmerkmalen, wie sie sich in Theorie und Praxis herausgebildet haben. Dahinter steht die Vorstellung, dass es bestimmte weit verbreitete, bewährte und logisch konsistente Merkmalsbündel gibt, bestimmte Grundmuster der Aufbauorganisation, die von den einzelnen Unternehmen nur noch im Detail variiert werden. In der Literatur kann man zwei verschiedene Grundprinzipien der Beschreibung von Konfigurationen finden: • Die klassischen Konfigurationen und • die Konfigurationen nach Mintzberg. Sie unterscheiden sich v.a. in der „Reichhaltigkeit” der einbezogenen Beschreibungsmerkmale, der Anzahl der gebildeten Typen und der Art der grafischen Darstellung der Typen. 2.4.1 Klassische Konfigurationen Die Organisationspraxis hat insgesamt drei als klassisch zu bezeichnende Konfigurationen hervorgebracht: • Die Funktionale Organisation, • die Divisionale Organisation und • die Matrixorganisation. Diese Konfigurationen unterscheiden sich hinsichtlich Grad und Art der Spezialisierung auf der zweiten Hierarchieebene, dem Grad der Delegation und der Form der Koordination, speziell der Festlegung der Leitungsbeziehungen für die persönlichen Weisungen. Sie werden im übernächsten Kapitel (S. 359ff.) ausführlich beschrieben. An dieser Stelle sei bereits darauf hingewiesen, dass die <?page no="337"?> 312 · Kapitel 10: Aufbauorganisation Konfigurationen der Organisationspraxis nicht selten Mischformen aus Elementen dieser drei klassischen Konfigurationen darstellen. Außerdem kann bei einem praxisrelevanten Organisationskonzept die Primärorganisation von einer Sekundärorganisation überlagert sein. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn im Rahmen einer Funktionalen Organisation für zeitlich befristete Aufgaben eine Projektorganisation installiert wird. Die Primärorganisation ist auf die Lösung von Daueraufgaben ausgerichtet, die Sekundärorganisation (Parallelorganisation) dient der Lösung von Spezialaufgaben. 2.4.2 Die Konfigurationen nach Mintzberg Henry Mintzberg (geb. 1939) hat Ende der 70er Jahre eine eigene Konzeption der Aufbauorganisation von Unternehmen entwickelt, die in der Managementforschung große Beachtung gefunden und diese nicht unwesentlich beeinflusst hat. Sein Hauptwerk trägt den Titel „The Structuring of Organizations” (1979). Nach Mintzberg setzt sich jede Organisation aus fünf Bausteinen, sog. basic parts, zusammen, die in ihrer Bedeutung und ihrem Zusammenwirken den Konfigurationstyp ausmachen. 2.4.2.1 Grundbausteine der Organisation (a) Strategische Spitze (Strategic Apex) Sie bezeichnet die oberste Führungsebene des Unternehmens. Die Festlegung der unternehmensweiten Strategie, die Gestaltung der Führungsinstrumente, nicht zuletzt der Organisation selbst, sowie die Vertretung der Unternehmung nach außen sind die zentralen Aufgabenbereiche der strategischen Spitze. Sie kann dabei aus einer Einzelperson bestehen oder sich bei einer Aktiengesellschaft aus Vorstand und Aufsichtsrat und damit einer Personenmehrheit zusammensetzen. Unmittelbar unterstützende Stäbe sind ebenfalls der strategischen Spitze zuzurechnen. (b) Operativer Kern (Operating Core) Im operativen Kern vollzieht sich die eigentliche Leistungserstellung. Im Industriebetrieb fallen darunter die Produktion, die Beschaffung der notwendigen Ressourcen sowie der Vertrieb der Produkte. Direkt unterstützende Einheiten, wie bspw. der eigene Fuhrpark oder die Instandhaltung, sind ebenfalls zum operativen Kern zu zählen. <?page no="338"?> Gestaltungsparameter · 313 (c) Mittlere Linie (Middle Line) Ab einer bestimmten Organisationsgröße werden i.d.R. zwischen die oberste Führung und die operative Ebene eine oder mehrere zusätzliche Führungsebenen eingezogen. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Steuerung der Strategieimplementierung, also der Arbeitsprozesse im operativen Kern. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Konkretisierungs- und Abstimmungsfunktion im Zielbildungsprozess. Die Ebene der Spartenleiter in der divisionalisierten Unternehmung stellt die mittlere Linie dar, ebenso die Werks-, Hauptabteilungs- und Abteilungsleiterebene. (d) Technostruktur (Technostructure) Hauptaufgabe der Technostruktur ist die Standardisierung von Aktivitäten im Unternehmen. Die Standardisierung (Normierung) kann sich auf Prozesse (Standardization of Work Processes), auf Ergebnisse (Standardization of Outputs) oder auf Fähigkeiten bzw. Kenntnisse (Standardization of Skills) beziehen. Elemente der Technostruktur können u.a. das Qualitätswesen, die Planungs- und Budgetierungsabteilung, das Rechnungswesen sowie die betriebliche Aus- und Weiterbildung darstellen. In der Regel handelt es sich bei der Technostruktur um Stäbe. (e) Hilfsstäbe (Support Staff) Hilfsstäbe erfüllen Dienstleistungsaufgaben. Je nach Art und hierarchischer Einordnung unterstützen sie die übrigen Bausteine der Konfiguration. Beispiele sind die Rechts- und Steuerabteilung, die PR-Abteilung oder Teile von Forschung und Entwicklung, aber auch Kantine, betriebliche Kindertagesstätte oder betriebsärztliche Abteilung. Diese fünf Grundbausteine bilden gemeinsam die Konfiguration der Aufbauorganisation nach Mintzberg (vgl. Abb. 10-8). 2.4.2.2 Konfigurationstypen Die Vielfalt der in der Realität anzutreffenden Organisationsstrukturen wird von Mintzberg auf fünf (später sieben) typische Konfigurationen reduziert. Sie unterscheiden sich v.a. in der Gewichtung der oben genannten Grundbausteine, was grafisch in unterschiedlichen „Logos” zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Abb. 10-9). Zur Typenbeschreibung gehört aber auch noch die Darstellung des dominierenden Koordinationsinstrumentes, die Art der „Gruppierung” (Spezialisierung), das Ausmaß der Formalisierung und der Umfang an Entscheidungsdezentralisation. Außerdem beschreibt Mintzberg, unter welchen situativen Bedin- <?page no="339"?> 314 · Kapitel 10: Aufbauorganisation gungen bestimmte Konfigurationstypen normalerweise zu beobachten sind. Solche Situationsmerkmale sind Alter, Größe, Fertigungstechnologie, Informationstechnologie der Unternehmung sowie Dynamik und Komplexität ihrer Umwelt. Operativer Kern Mittlere Linie Strategische Spitze Technostruktur Hilfsstäbe Operativer Kern Mittlere Linie Strategische Spitze Technostruktur Hilfsstäbe Abb. 10-8: Konfiguration nach Mintzberg (Quelle: Mintzberg [Struktur] 28) Fünf Konfigurationstypen lassen sich nach Mintzberg unterscheiden: 1. Einfache Struktur (Simple Structure) Dominanter Baustein ist die strategische Spitze, die Entscheidungen sind zentralisiert. Auf Technostruktur, Hilfsstäbe oder Mittlere Linie kann weitgehend verzichtet werden. Diese Konfiguration eignet sich, da sie straff und flexibel ist, in einer dynamischen Umwelt für kleine, meist funktional gegliederte Unternehmen mit einer begrenzten Zahl von Mitarbeitern. Beispiel: Tante-Emma-Laden. 2. Industrielle Bürokratie (Machine Bureaucracy) Dominanter Baustein ist die Technostruktur. Sie ist zur Entwicklung des zentralen Koordinationsinstruments „Arbeitsstandardisierung” notwendig. Da es sich meist um große Unternehmen handelt, ist die mittlere Linie ebenfalls deutlich ausgeprägt. Es findet eine eingeschränkte Entscheidungsdelegation statt. Die Formalisierung ist ausgeprägt. Beispiele: Behörden sowie Fast Food-Ketten. <?page no="340"?> Gestaltungsparameter · 315 Abb. 10-9: Konfigurationstypen nach Mintzberg 3. Expertokratie (Professional Bureaucracy) Der operative Kern, bestehend aus Experten, ist der zentrale Baustein, die Standardisierung von Qualifikation und Kenntnissen (Professionalisierung) der dominante Koordinationsmechanismus. Die Entscheidungskompetenzen sind eher dezentralisiert. Die strategische Spitze hat meist nur repräsentative Funktionen, die Technostruktur ist weitgehend überflüssig. Jedoch bedarf es umfangreicher Hilfsstäbe zur Unterstützung der Experten. Beispiele: Universitäten, Krankenhäuser und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. 4. Divisionalisierung (Divisionalized Form) Die Divisionalisierung ist eine partielle Struktur innerhalb der, je nach Art der Gruppierung, unterschiedliche Gestaltungsformen oder Typen auftreten können. Die mittlere Linie ist wichtigster Baustein, die Ergebnisstandardisierung <?page no="341"?> 316 · Kapitel 10: Aufbauorganisation (Management by Objectives) wichtigstes Koordinationsinstrument. Die Entscheidungen können weitgehend dezentralisiert werden. Zu finden ist diese Form eher bei großen und alten Unternehmen, die auf mehreren Märkten positioniert sind. Beispiele: Großunternehmen mit Spartenorganisation, wie etwa die Siemens AG. 5. Adhokratie (Adhocracy) Dieser Typ ist v.a. für Branchen (aus der New Economy) geeignet, in denen Flexibilität und Innovationskraft in besonderem Maße gefordert sind. Er stellt die dafür nötige Projektstruktur zur Verfügung, d.h. die spezialisierten Mitarbeiter werden problemorientiert zu multidisziplinären Teams zusammengefasst. Die Entscheidungskompetenzen sind fließend und temporär, die Formalisierung ist gering. Man lässt bewusst Raum für die Improvisation, denn Improvisation wird mit Kreativität, Innovation, Schnelligkeit und Flexibilität in Verbindung gebracht (vgl. Lehner [Improvisation] 462). Es dominiert die wechselseitige Abstimmung als Koordinationsmechanismus. Hilfsstab und operativer Kern sind die dominanten Bausteine. Beispiele: Kleine High Tech-Unternehmen mit Auftragsfertigung, Werbeagenturen, Filmgesellschaften, Internetdienstleister. In der Realität treten oft gemischte Konfigurationstypen auf. Eine Unternehmung entspricht nur mehr oder weniger einem bestimmten Typ. Außerdem müssen viele Unternehmen im Laufe ihres Lebens den Typ wechseln. Die einfache Struktur kann in einem wachsenden Unternehmen nicht beibehalten werden. Oder: Aus kleinen kreativen Adhokratien gehen innovative Ideen hervor, deren effiziente Vermarktung besser in einer industriellen Bürokratie vollzogen würde. Der Übergang von einem Typ zum anderen ist oft ein sehr krisenhafter und schwieriger Prozess (vgl. Mintzberg [Effective] 61f.). Statt des strukturellen Wandels von einem Typ zum anderen könnte man auch eine Kombination verschiedener Typen ins Auge fassen. Eine kleine innovative Adhokratie könnte als „Ideengeber” fungieren, während eine große, effiziente Maschinenbürokratie die Produktion und Vermarktung der Ideen übernimmt. Viele große etablierte Unternehmen versuchen, durch strategische Allianzen (vgl. auch S. 432) mit kleinen, neuen Technologiefirmen an deren Kreativitätspotenzial teilzuhaben. <?page no="342"?> Motivation · 317 3 Motivation Mit der Aufbauorganisation wird das Stellen- und Leitungsgefüge festgelegt, Aufgaben und Kompetenzen werden verteilt. Formal ist somit geregelt, wer, wann, was, wie und womit zu tun hat, wer sich mit wem worüber abstimmen muss, wer wem Weisungen erteilen darf usw. Damit ist aber noch nicht gesichert, ob die Organisationsmitglieder auch gewillt sind, die ihnen zugeordneten Aufgaben in der gewünschten Art und Weise auszuführen. Mit dem Arbeitsvertrag, der sie zu Organisationsmitgliedern macht, haben sie sich zwar verpflichtet, ihre Aufgaben zu erfüllen und den Vorgesetzten Folge zu leisten, aber der Arbeitsvertrag beschreibt oft nur sehr unscharf und allgemein, was von den Arbeitnehmern erwartet wird. Überdies gilt „Dienst nach Vorschrift” schon als eine Form der Arbeitsverweigerung. Das heisst, „dass erquickliche Beschäftigungsverhältnisse ... rechtlich nicht erzwingbare motivationale Voraussetzungen haben” (Sadowski [Personalpolitik] 225). 3.1 Motivationsziele Mit der Formulierung von Vorschriften und dem Aufstellen von Organigrammen und Stellenbeschreibungen ist die Organisationsaufgabe noch nicht erledigt. Die Organisationsmitglieder müssen immer wieder dafür gewonnen werden, sich aktiv und engagiert in den Dienst der Organisation zu stellen. Sie müssen motiviert werden. Grob können zwei Motivationsziele unterschieden werden: • Die engagierte Aufgabenerfüllung und • die Bindung an das Unternehmen. Engagierte Aufgabenerfüllung kann im Einzelnen sehr Unterschiedliches bedeuten, etwa körperliche oder geistige Anstrengung, Kreativität, Kooperationsbereitschaft, Vorsicht, Präzision, Qualitätsbewusstsein, Sparsamkeit, Freundlichkeit gegenüber Kunden, Schnelligkeit und vieles andere mehr. Es dürfte leichter sein, für die Ausführungsaufgaben konkrete Motivationsziele vorzugeben, als für die Führungsaufgaben. Eine Bindung an das Unternehmen wird angestrebt, um langfristig unerwünschte Fluktuation zu verhindern und kurzfristig die Fehlzeiten zu minimieren (vgl. Klimecki/ Gmür [Personalmanagement] 332ff.). Die Unternehmen sind bemüht, gute Mitarbeiter auch langfristig zu halten, um sich ihr firmenspezifisches Know how zunutze zu machen, Wissensverlust zu vermeiden und auch um die Kosten für Personalsuche, -auswahl und -einarbeitung gering zu halten. Fehlzei- <?page no="343"?> 318 · Kapitel 10: Aufbauorganisation ten, also Formen der Abwesenheit vom Arbeitsplatz während der vertraglich vereinbarten regulären Arbeitszeit, sollten so gering wie möglich gehalten werden, weil damit ein vorübergehender Ressourcenverlust verbunden ist. 3.2 Motivationstheorien Um die richtigen Maßnahmen im Hinblick auf diese Ziele ergreifen zu können, bedürfte es einer Motivationstheorie. Diese müsste idealerweise gesetzmäßige Zusammenhänge enthalten über bestimmte Führungsmaßnahmen und deren Wirkung auf das Verhalten der Organisationsmitglieder (also auf deren Fleiß, Kooperationswilligkeit usw.). Leider gilt aber auch für die Motivationstheorie, was schon für die Organisationstheorie festgestellt wurde: Es gibt keinen Kanon empirisch gehaltvoller und bewiesener Gesetzesaussagen. Stattdessen finden wir viele motivationstheoretische Ansätze. Vereinfachend können die Ansätze zwei unterschiedlichen Richtungen zugeordnet werden: • Bedürfniskonzept: Motivation ist möglich durch die Befriedigung arbeitsrelevanter Bedürfnisse. • Anreiz- und Kontrollkonzept: Motivation basiert auf einem ökonomischen Kalkül des Arbeitnehmers. Er strengt sich nur an, wenn die Leistung kontrolliert und entsprechend finanziell honoriert wird. (1) Die beiden Richtungen gehen von unterschiedlichen Menschenbildern aus. Die Vertreter des Bedürfniskonzeptes unterstellen grundsätzlich, dass die Organisationsmitglieder in der Arbeit und aus der Arbeit heraus die Möglichkeit haben, Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Schreyögg [Organisation] 187f.). Die Arbeitssituation selbst kann mehr oder weniger motivieren, bspw. weil die Aufgabe interessant ist, Kontakt mit anderen ermöglicht, als herausfordernd erlebt wird. Die Ziele von Unternehmung und Mitarbeiter sind nicht grundsätzlich konträr, weil sich die Mitarbeiter im Grunde gerne engagieren wollen. Gute Arbeit und Firmentreue sind das Ergebnis von Arbeitsfreude sowie Gefühlen der Loyalität und Verpflichtung gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und/ oder der Unternehmung als Ganzes. Kernstück der Argumentation sind die dem Menschen generell unterstellten Bedürfnisse. Nach den Motivationstheorien von McGregor [vgl. [Human]), Argyris (vgl. [Integrating]) und Ouchi (vgl. [Theory]) sind folgende Bedürfnisse typisch: • Aktivität, d.h. Wahrnehmung vielfältiger und wichtiger Aufgaben, • Herausforderung und Verantwortung, <?page no="344"?> Motivation · 319 • Entfaltung von Fähigkeiten, Wachstum und Reife der Persönlichkeit, • Gemeinschaft mit anderen, soziale Einbettung, Zugehörigkeit, Bindung, • Gleich- oder Überordnung, • Selbstkontrolle, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung. Ein vergleichbares Menschenbild ist im Human-Relations-Ansatz und in der Anreiz-Beitrags-Theorie zu finden sowie im Selbstorganisationsansatz. Zu dieser Art von Motivationstheorie passt die Vorstellung, dass die Organisationsstruktur selbst mehr oder weniger motivierend wirken kann. Sie sollte bedürfnisgerecht gestaltet werden. (2) Die Vertreter des Anreiz- und Kontrollkonzeptes wählen die Ausgangsannahme, dass die Arbeit den Menschen nur Leid verursacht. Der Mensch ist von Natur aus bequem und arbeitsscheu, er will Anstrengung vermeiden, keine Verantwortung übernehmen, kein Risiko eingehen und ist in jeder Hinsicht auf seinen individuellen Vorteil bedacht. Auch vor List und Lügen (Opportunismus) schreckt er nicht zurück, wenn es ihm nutzt. Zwischen den Zielen der Unternehmung und den Zielen der Organisationsmitglieder besteht grundsätzlich ein Konflikt. Motivation kann nur über Lohn und Strafe erreicht werden. Ein Arbeitnehmer unterlässt eine unerwünschte Handlung, weil er befürchten muss, durch Kontrolle „erwischt” und anschließend bestraft zu werden. Oder er ist bereit, sich in einer erwünschten Art und Weise zu verhalten (etwa sorgfältig zu arbeiten), wenn ihm dann ein zusätzlicher materieller Lohn winkt (etwa eine Qualitätsprämie). Man erkennt das Menschenbild des Taylorismus und der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) wieder. Die Organisationsstruktur wirkt nach dieser Vorstellung nicht unmittelbar motivierend/ demotivierend. Sie bietet nur mehr oder weniger gute Voraussetzungen für die Kontrolle und den Einsatz leistungsbezogener Entgelte. Die Struktur sollte also anreiz- und kontrollgerecht gestaltet werden. Trotz ihrer recht unterschiedlichen motivationstheoretischen Vorstellungen kommen die Vertreter beider Richtungen teilweise zu ähnlichen Empfehlungen für die Gestaltung der Aufbauorganisation. Dies soll nun im Einzelnen dargestellt werden. 3.3 Bedürfnisgerechte Aufbauorganisation Ausgehend vom Bedürfniskonzept sind Zusammenhänge zwischen Gestaltungsparametern der Aufbauorganisation und der Motivation zu vermuten (vgl. Schrey- <?page no="345"?> 320 · Kapitel 10: Aufbauorganisation ögg [Organisation] 192ff., Klimecki [Organisationsmodelle]). Sie sollen im Folgenden analysiert werden. (1) Ein geringes Ausmaß an Spezialisierung ist motivierend, denn es bedeutet vielfältigere, weniger monotone Aufgaben, bei deren Vollzug unterschiedliche Fähigkeiten eingesetzt werden können. Die Objektspezialisierung ist unter Motivationsgesichtspunkten grundsätzlich günstiger zu beurteilen als die Verrichtungsspezialisierung, denn sie führt tendenziell zu ganzheitlicheren und bedeutsameren Aufgaben mit mehr Spielräumen für eigene Gestaltungsvorschläge und stärkerer Verantwortung. Bei weniger ausgeprägter Rangspezialisierung sind Denken und Handeln, Entscheiden, Ausführen und Kontrollieren stärker in einer Stelle integriert. Dies kommt den Bedürfnissen nach Selbstbestimmung und Selbstkontrolle entgegen. (2) Die geringere Rangspezialisierung bedeutet zugleich eine Delegation von Entscheidungskompetenzen nach unten und eine flachere Hierarchie. Dem Bedürfnis nach Gleichordnung und Selbstbestimmung wird damit besser entsprochen. Die Organisationsmitglieder sind weniger passive Befehlsempfänger als vielmehr aktive Mitentscheider. Die größere Leitungsspanne in der flachen Hierarchie bedeutet zugleich weniger Fremd- und mehr Selbstkontrolle. Problematisch ist allerdings, dass die bessere Motivation der Ausführenden eventuell mit einem Motivationsverlust bei den Instanzen erkauft wird, denn diese können ihr Bedürfnis nach Macht und Überordnung schlechter erfüllen, wenn sie Kompetenzen abgeben müssen. Da das Machtmotiv v.a. bei Führungskräften für sehr wichtig gehalten wird (vgl. Klimecki/ Gmür [Personalmanagement] 277f.), liegt hier ein deutlicher Zielkonflikt vor. (3) Bei einer Koordination durch persönliche Weisung kommt die hierarchische Unterordnung der Mitarbeiter am deutlichsten zum Ausdruck. Das Gefühl, fremdbestimmt zu handeln und nur Befehlsempfänger zu sein, ist vermutlich größer als bei den „technokratischen” Koordinationsinstrumenten (Pläne und Programme), auch wenn das reale Ausmaß an Selbstbestimmung möglicherweise kaum differiert. Andererseits erlaubt die persönliche Beziehung zu einem Vorgesetzten auch eher, dass sich Gefühle der Zugehörigkeit und Bindung entwickeln. Persönlichkeit und Führungsstil des Vorgesetzten dürften eine große Rolle für die Motivationswirkung spielen. Wird das Koordinationsinstrument der Planung mit dem Führungsprinzip des Management by Objectives verbunden, dann kommt dies dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstkontrolle entgegen, weil die Mitarbeiter an der Zielvereinbarung mitwirken und die Zielerreichung selbst <?page no="346"?> Motivation · 321 kontrollieren können. Von den Instrumenten der Selbstkoordination bringt die Selbstabstimmung eine relative Gleichordnung und Autonomie der Organisationsmitglieder am stärksten zum Ausdruck. Setzt die Unternehmung auf die Koordinationswirkung einer starken Unternehmenskultur, dann wird damit v.a. das Bedürfnis nach Gemeinschaft und sozialer Einbettung angesprochen. Bei einer starken Kultur können zugleich Fremdbestimmung und -kontrolle durch die Vorgesetzten zurückgenommen werden, weil die Selbstkontrolle und die soziale Kontrolle durch die Kollegen besser greifen. Die Koordination über Märkte kann den Bedürfnissen nach Autonomie, Verantwortung und Gleichordnung entgegenkommen, indem sie den Organisationsmitgliedern ermöglicht, ganzheitliche „unternehmerische” Leistungen zu erbringen und zu „verkaufen”. Die Motivationswirkung hängt allerdings stark davon ab, ob zuvor auch tatsächlich objektbezogene, relativ autonome Organisationseinheiten geschaffen wurden, die eine eigenständige Marktleistung erbringen können. (4) Im Hinblick auf die Organisationseinheiten wird eine motivierende Wirkung besonders von Gruppen erwartet. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass den Gruppen größere zusammenhängende Aufgabenkomplexe übertragen werden können, was wiederum mehr Selbstbestimmung erlaubt und eine größere Vielfalt von Aufgaben bedeutet. Die Gruppe kann zugleich ein stärkeres Gefühl von Gleichordnung, sozialer Einbettung, Zugehörigkeit und Bindung vermitteln. (5) Die hier dargestellten Zusammenhänge sind keine bewiesenen Gesetzmäßigkeiten. Sie werden vielmehr plausibel aus dem Menschenbild der bedürfnisorientierten Motivationstheorien abgeleitet. Kritiker halten das Menschenbild für zu harmonistisch und idealisierend (vgl. zur Kritik auch Schreyögg [Organisation] 240ff.). Sicher ist es immer problematisch, bestimmte Verhaltensannahmen zu generalisieren. Ohne irgendwie geartete Festlegungen hinsichtlich der „Natur des Menschen” könnten aber keinerlei Hypothesen gebildet werden zum Struktur-Verhaltens-Zusammenhang. Ob es so viel realistischer ist, von einer grundsätzlichen Abneigung der Organisationsmitglieder gegen Arbeit, Verantwortung und Leistung auszugehen, sei dahin gestellt. <?page no="347"?> 322 · Kapitel 10: Aufbauorganisation 3.4 Anreiz- und kontrollgerechte Aufbauorganisation 3.4.1 Theoretische Grundlagen Ausgehend vom misstrauischen Menschenbild, wie es dem Taylorismus und der NIÖ zugrunde liegt, ist Leistung eigentlich immer nur bei Fremdkontrolle zu erwarten. Je genauer der Vorgesetzte die Leistung seiner Untergebenen beobachten kann, desto weniger Spielraum hat der Mitarbeiter für schädigendes Verhalten (z.B. Drückebergerei). Jede Form von Fehlverhalten kann dann nämlich bestraft werden - bis hin zur Kündigung - und diese Gefahr geht in das ökonomische Kalkül des Arbeitnehmers ein. Ist die Gefahr des „Erwischtwerdens” groß genug und die Strafe empfindlich, dann wird er jedes Fehlverhalten meiden. Ein solches Kalkül wird etwa in der Effizienzlohntheorie aufgestellt (vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 251ff.). Eine genaue Kenntnis der individuellen Leistung ermöglicht zugleich auch den Einsatz positiver Leistungsanreize, wie es in reinster Form die Stücklöhne sind (vgl. Lazear [Performance]). Da die individuelle Stückleistung sich direkt im Lohn niederschlägt, ist der Arbeitnehmer stark motiviert, schnell zu arbeiten. Die tayloristische Struktur kann als ein Modell gelten, welches besonders im Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten und die individuelle Leistungsentlohnung hin konzipiert wurde. Die hochgradige Verrichtungsspezialisierung unterstützt die direkte Leistungskontrolle, weil die Aufgabe und die zu erwartende Standardleistung sehr genau vorgegeben werden können. Die Rangspezialisierung ist ausgeprägt und die Delegation gering, weil die Verrichtungsspezialisten nach Möglichkeit keine Entscheidungs-, Planungs- und Kontrollaufgaben übernehmen sollen. Für solche Aufgaben sind nämlich nur schwer exakte Leistungsvorgaben zu ermitteln. Eine Rückführung der Spezialisierung im ausführenden Bereich und eine Anreicherung der Stellenaufgaben (job enlargement, job enrichment) erscheinen vor dem Hintergrund individueller Leistungskontrolle prekär, denn es ist dann nicht mehr so exakt anzugeben, welche Zeit für welche Teilaufgabe zu verwenden ist. Werden leichter zu messende Ausführungsaufgaben und schwerer zu messende Führungsaufgaben in einer Stelle vermischt, dann entsteht die Gefahr einer einseitigen Konzentration auf die leichter zu messenden Teilaufgaben, weil sich Kontrolle und Entlohnung ebenfalls häufig auf diese konzentrieren (vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 403). Das ausgeprägte Kontrollbedürfnis macht eine kleine Leitungsspanne notwendig, was zu einer steilen Hierarchie führt. Der Gefahr einer Überforderung der Unternehmensspitze versucht man durch Stabsstellen vorzubeugen. Gruppenarbeit erscheint kontraproduktiv, weil die individuelle Leistung dann nur schwer festgestellt werden kann und in der Folge ein „Trittbrettfahrerverhalten” der <?page no="348"?> Motivation · 323 Gruppenmitglieder erwartet wird. Das heißt, jeder versucht, sich selbst zu drücken und von den Anstrengungen der anderen zu profitieren. Die kontrollgerechte Unternehmensstruktur scheint nach Taylors Konzeption der bedürfnisgerechten Struktur diametral entgegengesetzt zu sein. Allerdings werden von institutionenökonomisch orientierten Organisationswissenschaftlern bei ähnlichem Menschenbild teilweise auch ganz andere Vorstellungen für die Strukturgestaltung entwickelt. Milgrom/ Roberts (vgl. [Organization] 221f.) weisen darauf hin, dass es nicht sinnvoll ist, ein einzelnes Organisationsmitglied zu einer besonderen Leistung anzureizen, wenn diese sehr stark mit den Leistungen anderer Organisationsmitglieder verbunden ist. Genau dies ist aber das Ergebnis einer hochgradigen Verrichtungsspezialisierung. Ein Arbeiter in der Fertigung kann bspw. die von ihm geforderte Leistung gar nicht erbringen, wenn der Beschaffungsspezialist die nötigen Rohstoffe nicht rechtzeitig bestellt hat, wenn der Lagerspezialist erforderliche Teile nicht schnell genug bereit stellt, wenn der Instandhaltungsspezialist die Maschinen nicht ordentlich wartet und der Kollege krank ist, dem die vorhergehende Fertigungsstufe zugeordnet ist. Werden die Teilaufgaben dagegen gebündelt auf einen Stelleninhaber übertragen (der Arbeiter besorgt sich selbst Teile aus dem Lager, vollzieht alle Fertigungsschritte und wartet auch seine Maschine), dann kann er auch für den Output leichter verantwortlich gemacht werden. Die Motivationsprobleme könnten im Extremfall auch so gelöst werden, dass jeder alle Teilaufgaben selbst vollzieht, die zur Erzeugung eines Outputs nötig sind, und diesen Output dann Gewinn bringend verkauft. Das Unternehmen würde quasi in lauter Einzelunternehmer zerlegt. Es liegt allerdings auf der Hand, dass der damit verbundene Verlust von Größen- und Spezialisierungsvorteilen und der Anstieg der Markttransaktionskosten diese Lösung nicht attraktiv erscheinen lassen. In Ansätzen wird aber heute eine solche Lösung propagiert. Unter dem Begriff „Prozessorganisation” (vgl. auch S. 406ff.) findet vielfach eine Integration von Teilaufgaben zu ganzheitlichen Aufgabenbündeln (Prozessen) statt, für deren Output ein Prozessverantwortlicher gerade stehen muss. Die Verantwortung kann dann nicht mehr so gut auf andere Stellen abgeschoben werden. Wenn die Prozesse einen Einzelnen qualitativ und quantitativ überfordern, werden sie auf Gruppen übertragen. Die Gruppe ist dann für das Ergebnis verantwortlich. Mit der Prozessorganisation verbunden ist i.d.R. eine Rückführung der Rangspezialisierung, Dezentralisation und eine flache Hierarchie. Da die Koordinationserfordernisse durch den Abbau der Funktionsspezialisierung nicht mehr so hoch sind und die Kontrolle durch klare Verantwortungszuweisung erleichtert wird, entfallen einige typische Vorgesetztenaufgaben und die Selbstbestimmung nimmt zu (vgl. Picot/ Dietl/ Franck [Organisation] 296f.). Unter Anreizgesichtspunkten ist die Abflachung der Hierarchie aller- <?page no="349"?> 324 · Kapitel 10: Aufbauorganisation dings auch ungünstig zu beurteilen, denn der vertikale Aufstieg in der Hierarchie ist ein verbreitetes Anreizinstrument. In vielen Unternehmen wird eine direkte Leistungsentlohnung durch die Aussicht auf eine Karriere ersetzt (vgl. auch das Tournament-Modell von Lazear/ Rosen (vgl. [Rank]). In flachen Hierarchien gibt es aber weniger Möglichkeiten zum Aufstieg, was sich demotivierend auf leistungsorientierte und ehrgeizige Mitarbeiter auswirken kann. 3.4.2 Gestaltungsprobleme Besonders schwierig gestaltet sich die Motivation durch Kontrolle und Leistungsentlohnung bei den Managern, denn bei ihnen sind die Stellenaufgaben immer vielfältig und die Leistung ist teilweise kaum messbar. Der Grad ihrer Anstrengung kann meist nur indirekt erschlossen werden, über den Erfolg der Organisationseinheit, die sie leiten. Sie werden motiviert, indem sie an diesem Erfolg z.B. dem Gewinn beteiligt werden. Damit sie auch tatsächlich für den Gewinn verantwortlich gemacht werden können, müssen zuvor objektorientierte Organisationseinheiten geschaffen werden, in denen sämtliche Verrichtungen gebündelt sind, die zur Erzielung der Marktleistung nötig sind. Zugleich sind den Managern die nötigen Entscheidungskompetenzen zu übertragen (Delegation). Stehen die Manager verrichtungsorientierten Einheiten vor (funktionale Abteilungen), dann kann sich ein starker Anreiz zur Verbesserung des Abteilungsergebnisses kontraproduktiv auswirken, denn die Unternehmensgesamtleistung entsteht nur durch die kooperative Zusammenarbeit aller Abteilungen. Wird die Bezahlung der Manager an das Abteilungsergebnis geknüpft, dann fördert dies den Ressortegoismus (vgl. Williamson [Institutionen] 245f.). In etwas abgeschwächter Form gibt es dieses Problem allerdings auch bei objektorientierter Spezialisierung, sobald mehrere objektorientierte Einheiten (Sparten) unter einheitlicher Leitung stehen. Spartenegoismus kann die Erreichung der Unternehmensziele erschweren, wenn es Verflechtungen zwischen den Unternehmensbereichen gibt, die eigentlich eine Kooperation wünschenswert erscheinen lassen. In relativ kleinen und wenig komplexen Unternehmen mit einheitlichem Produktionsprogramm können diese „Fliehkräfte” evtl. noch durch eine starke Unternehmensspitze und persönliche Weisung unterdrückt werden. In der Spartenorganisation versucht man v.a. durch die Vorgabe von Planzielen und die Kontrolle der Planverwirklichung die Motivation auch auf die Gesamtunternehmensziele zu lenken. Eine weitere Möglichkeit stellen Entlohnungsformen dar, die das Einkommen der Manager mit dem Erfolg der Gesamtunternehmung verbinden. Bei den großen Kapitalgesellschaften sind aktienkursbezogene Vergütungssysteme und insbesondere Aktienoptionsprogramme (stock options) beliebt. Diese berechtigen das Management, innerhalb eines <?page no="350"?> Motivation · 325 Zeitraumes Aktien des eigenen Unternehmens zu einem relativ niedrigen Basispreis zu erwerben. Ist der Aktienkurs am Markt höher, können so Gewinne realisiert werden (vgl. Rudolph/ Schäfer [Optionen]). Auf diese Weise soll der Manager motiviert werden, den Wert der Gesamtunternehmung zu erhöhen. In jüngster Zeit ist diese Entlohnungsform allerdings stark in die Kritik geraten, weil sie die Manager eher zu kurzfristigen Kursmanipulationen als zu einer wirklich nachhaltigen Unternehmenspolitik angereizt hat. Der Gesetzgeber versucht, dieser Kurzfristorientierung durch die Verlängerung der vorgeschriebenen Haltefristen von 2 auf 4 Jahre zu begegnen. In den Gestaltungsempfehlungen zu einer kontroll- und anreizgerechten Struktur lassen sich Widersprüche erkennen, die vielleicht durch folgendes Dilemma erklärt werden können: Starke materielle Anreize lenken die Anstrengungen der Organisationsmitglieder zuverlässig auf das belohnte Ziel, aber zugleich werden die nicht belohnten Teilziele wahrscheinlich umso mehr vernachlässigt. Eine Schlussfolgerung für die Struktur könnte sein, durch hochgradige Verrichtungsspezialisierung dafür zu sorgen, dass ein Mitarbeiter möglichst wenig unterschiedliche Aufgaben zu erledigen und möglichst wenig Entscheidungsspielraum hat. Leistung kann dann exakt gemessen und belohnt werden, etwa als produzierte Stückzahl mal Stücklohn. Dies entspricht dem tayloristische Ansatz, der zu einer dem Bedürfniskonzept entgegengesetzten Organisationsstruktur führt. Die andere Lösung wäre, die Bemessungsgrundlage für die Belohnung so zu wählen, dass mehrere Teilziele gleichzeitig angesprochen werden. Wird ein Arbeiter bspw. nur nach der hergestellten Stückzahl entlohnt, dann steht die Schnelligkeit der Fertigung als Teilziel im Vordergrund. Würde er dagegen einen Anteil am Gewinn erhalten, dann müsste er sich auch um Qualität bemühen, Sparsamkeit in der Verwendung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie eine schonende Behandlung der Maschinen. Damit ein Zusammenhang zwischen der Bemessungsgrundlage und der Anstrengung des Mitarbeiters hergestellt werden kann, muss die Spezialisierung dann zurückgefahren werden und das Organisationsmitglied muss durch einen entsprechenden Entscheidungsspielraum in die Lage versetzt werden, tatsächlich Einfluss auf die belohnte Größe (z.B. den Gewinn) zu nehmen. Eine exakte individuelle Leistungsentlohnung ist dann aber nicht mehr möglich, denn auf die globalen Erfolgsgrößen wirken viele interne und externe Einflüsse ein. Aktienoptionen für Manager können schwerlich als individuelle Leistungsentlohnung aufgefasst werden (vgl. Frey [Leistung] 70). <?page no="351"?> 326 · Kapitel 10: Aufbauorganisation 3.5 Fazit Interessanterweise kommen die beiden motivationstheoretischen Richtungen trotz sehr verschiedener Ausgangsüberlegungen zu teilweise übereinstimmenden Gestaltungsempfehlungen für die Aufbauorganisation: Weniger ausgeprägte Spezialisierung, Objektorientierung, Dezentralisation und mehr Autonomie werden einerseits für positiv gehalten, weil dadurch den Bedürfnissen der Organisationsmitglieder entsprochen wird und diese dann intrinsisch (von innen kommend) motiviert sind. Andererseits erscheint eine solche Struktur vorteilhaft, weil sich dann die Verantwortung für Ergebnisse leichter zuordnen lässt. Von der Intention her soll letztlich die Fremdkontrolle erleichtert und eine Basis für materielle (extrinsische) Belohnungen geschaffen werden. Trotz der Ähnlichkeit der Gestaltungsempfehlungen ist es aber sicher nicht gleichgültig, welche Motivationstheorie der Gestaltung zugrunde liegt, denn bei intrinsisch motivierten Mitarbeitern können Fremdkontrollen und Leistungslöhne demotivierend wirken (vgl. Frey [Leistung] 78ff.). Außerdem beruht das Kontrollkonzept viel stärker auf der Idee eines individuellen Nutzenkalküls. Zugehörigkeitsgefühl, Loyalität, Bindung und soziale Einbettung spielen darin keine Rolle. Wenn Kooperation ein wichtiges Motivationsziel ist, tut sich der Kontrollansatz schwer. Ob es realistischer ist, vom Bedürfniskonzept ausgehend auf Selbstbestimmung, soziale Normen und intrinsische Motivation zu setzen oder auf der Basis des Kontrollkonzeptes auf Fremdkontrolle und extrinsische, materielle Anreize, kann nicht pauschal beantwortet werden. Damit eine bestimmte Struktur sich positiv auf die Leistungsbereitschaft auswirkt, müssen Struktur, Mitarbeitertyp, Unternehmenskultur, Führungsstil und Entgeltsysteme zusammenpassen. Bei der Beschreibung der Organisationsmodelle wird im Folgenden immer wieder auf die Struktur-Verhaltens-Hypothesen zurückgegriffen, die hier vorgestellt wurden. Das Bedürfniskonzept steht dabei im Vordergrund. Vor allem die neueren Organisationsmodelle passen besser zum positiven Menschenbild dieses Konzeptes. Es wird nicht übersehen, dass eine angemessene, als (leistungs- )gerecht empfundene Entlohnung sicherlich auch ein wichtiger Motivationsfaktor ist. Die Struktur in erster Linie mit dem Ziel der individuellen Leistungskontrolle zu konzipieren, erscheint uns aber nicht angemessen, denn die direkte Leistungsentlohnung spielt in der Realität nur eine sehr geringe Rolle (vgl. Frey [Leistung] 70). Bei den heute wichtigen, sehr schwer messbaren, qualitativen Motivationszielen wie Weitergabe von Wissen, Lernbereitschaft, Kooperationswilligkeit in Teams, Kundenorientierung, ist eine individuelle Leistungskontrolle weniger denn je möglich und es wird zunehmend wichtiger, dass die Organisationsmitglieder auch intrinsisch motiviert sind. <?page no="352"?> Fragen zur Wiederholung · 327 Fragen zur Wiederholung 1. In welchem Verhältnis stehen Spezialisierung und Koordination zueinander? (1) 2. Nennen Sie Vorteile und Nachteile der Spezialisierung. (2.1.1) 3. Beschreiben Sie unter Verwendung einer Skizze eine steile und eine flache Hierarchie. (2.2.1) 4. Was versteht man unter dem Subsidiaritätsprinzip im Zusammenhang mit der Bestimmung des Delegationsgrades? (2.2.2) 5. Warum ist der Informationsfluss beim Mehrliniensystem kürzer als beim Einliniensystem? (2.3.1.1) 6. Vergleichen Sie die Spezialisierung bezüglich der Kompetenz beim Einliniensystem mit jener beim Mehrliniensystem. (2.3.1.1) 7. Warum setzt eine Koordination durch Programme stabile Umweltbedingungen voraus? (2.3.1.2) 8. Bei der Koordination durch Märkte sind Verrechnungspreise festzulegen. Welche Möglichkeiten bestehen, um diese Verrechnungspreise zu bestimmen? (2.3.2.2) 9. Warum verringert eine stabile Unternehmenskultur die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens? (2.3.2.3) 10. Warum kann man eine Universität als Professional Bureaucracy i.S. von Mintzberg bezeichnen? (2.4.2.2) 11. Von welchen Menschenbildern gehen die beiden Richtungen der Motivationstheorien (Bedürfniskonzept und Anreiz- und Kontrollkonzept) aus? (3.2) 12. Stellen Sie den Zusammenhang her zwischen den einzelnen Koordinationsinstrumenten und deren Motivationswirkung. (2.3 und 3.3) <?page no="353"?> 328 · Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen Fragen zur Vertiefung 1. Die tayloristische Vorstellung verlangt eine strikte Trennung von Kopf- und Handarbeit. Heute wird dagegen eine starke Integration von Denken und Handeln gefordert. Welche Überlegungen haben diesen Gesinnungswandel herbeigeführt? 2. Inwiefern hängt die Gewichtung der Vorteile und der Nachteile der Dezentralisation vom Menschenbild ab? 3. Warum ist die Leistungsfähigkeit des Koordinationsinstrumentes „Planung” abhängig von der Möglichkeit, individuelle Ziele und unternehmerische Planung zur Deckung zu bringen? 4. Nehmen Sie Stellung zu der These: Wenn die Bedingungen für eine Koordination durch Märkte innerhalb eines Unternehmens gegeben sind, ist es sinnvoll, die Leistung aus dem Unternehmen auszugliedern (Outsourcing). 5. Warum ist eine Koordination durch Unternehmenskultur besonders dann geeignet, wenn die Aufgabenstellung sehr komplex ist? 6. Welche Koordinationsinstrumente charakterisieren die Konfigurationstypen nach Mintzberg? 7. Welche Rolle spielt die Motivation bei den einzelnen organisationstheoretischen Ansätzen? Literaturempfehlungen Kieser, A., Walgenbach, H.: Organisation, 5. A., Berlin, New York 2007. Mintzberg, H.: Die Mintzberg-Struktur, Organisationen effektiver gestalten, Landsberg/ Lech 1992. Schulte-Zurhausen, M.: Organisation, 4. A., München 2005. <?page no="354"?> Kapitel 11: Ablauforganisation 1 Gegenstand der Ablauforganisation 2 Ziele der Ablauforganisation 3 Ablauforganisation als Arbeitsorganisation 4 Ablauforganisation als Prozessorganisation 1 Gegenstand der Ablauforganisation Mit der Aufbauorganisation werden Aufgaben und Kompetenzen auf Organisationseinheiten verteilt sowie die Koordinationsinstrumente festgelegt. Damit wird die stabile Konfiguration geschaffen, wie sie sich in Stellenverteilungsplänen und Organigrammen niederschlägt (statischer Aspekt). Nach der traditionellen Vorstellung von den Aufgaben der Organisationsgestaltung geht die Aufbauorganisation der Ablauforganisation voraus. Nachdem grundsätzlich festliegt, wer, was, woran und womit machen soll, besteht der nächste Schritt nun im Vollzug der Aufgabe, d.h. der Umsetzung der Aufgabe in Arbeit. Dabei sind Tätigkeiten zu verrichten, Prozesse abzuwickeln (dynamischer Aspekt). Es muss konkretisiert werden, in welcher sachlichen, zeitlichen und räumlichen Abfolge einzelne Tätigkeiten zu realisieren sind. Kosiol spricht in diesem Zusammenhang von in Raum und Zeit fortschreitenden Arbeitsprozessen, welche die Erfüllung des Aufgabenkomplexes bewirken ([Aktionszentrum] 89). Diese Prozesse müssen organisiert werden, wenn sie effizient ablaufen sollen. Das ist die Aufgabe der Ablauforganisation. Ablauforganisation ist die raum-zeitliche Strukturierung von Prozessen. Wie bereits festgestellt (vgl. S. 258ff.), wird die Ablauforganisation traditionell als „Arbeitsorganisation” verstanden. Die Ablauforganisation beginnt mit der Arbeitsanalyse. Sie stellt die Fortsetzung der Aufgabenanalyse dar oder wie Gaitanides ([Ablauforganisation] 4) dies ausdrückt: „Arbeit ist ... das ablauforganisatorische Äquivalent für das aufbauorganisatorische Gestaltungsobjekt ‚Aufgabe‘”. Die Ablauforganisation findet im Rahmen der Aufbauorganisation statt. <?page no="355"?> 330 · Kapitel 11: Ablauforganisation Heute hat sich die Meinung durchgesetzt, dass die Ablauforganisation nicht nur als ein „Anhängsel” der Aufbauorganisation verstanden werden sollte. Vielmehr seien die Abläufe bereits bei der Konfiguration zu berücksichtigen. Die Ablauforganisation wird in diesem Sinne als „Prozessorganisation” aufgefasst. Die Aufbauorganisation richtet sich nach den Abläufen. Zur Unterscheidung von Ablauforganisation als Arbeitsorganisation und als Prozessorganisation vgl. Gaitanides ([Ablauforganisation] 3ff.). Im Folgenden erörtern wir die Ablauforganisation sowohl als • Arbeitsorganisation (Abschnitt 3) wie auch als • Prozessorganisation (Abschnitt 4). Zunächst ist allerdings noch zu klären, welche Ziele mit der Ablauforganisation verfolgt werden. 2 Ziele der Ablauforganisation Die fundamentale Aufgabe der Ablauforganisation besteht darin, die Abläufe so zu strukturieren, dass den Anforderungen nach organisatorischer Effektivität entsprochen wird. Diese generelle Formulierung lässt sich konkret fassen, wenn man nach Zielen sucht, die zur Effektivität der Organisation beitragen. Aus dem Katalog der Effektivitätskriterien der Organisation (vgl. S. 13) sind folgende Ziele der Ablauforganisation besonders relevant: • Effizienz der Ressourcennutzung, • Stärkung der Motivation und • Erhöhung der Flexibilität. 2.1 Effizienz der Ressourcennutzung Im Streben nach effizienter Ressourcennutzung kann die Domäne der Ablauforganisation gesehen werden. Der Grund mag darin liegen, dass sich auf diesem Felde häufig geeignete Bedingungen vorfinden für den Einsatz quantitativer Methoden der Entscheidung (bspw. Losgrößenmodelle, Modelle der Linearen Programmierung, Warteschlangenmodelle, Entscheidungsbaumverfahren; vgl. Schweitzer ([Ablauforganisation] 5). Eine effiziente Ressourcennutzung findet dann statt, wenn u.a. folgende Ziele erfüllt werden: <?page no="356"?> Ziele der Ablauforganisation · 331 • Minimierung der Herstellkosten, • Minimierung der Durchlaufzeit, • Minimierung der Terminüberschreitung, • Maximierung der Kapazitätsauslastung, • Minimierung der Lagerzeiten, • Minimierung der Transportwege. Die genannten Ziele können sich ergänzen, also in komplementärer Beziehung zueinander stehen (so etwa Kostenminimierung und Maximierung der Kapazitätsauslastung); sie können aber auch konkurrieren (so etwa Minimierung der Terminüberschreitung und Kostenminimierung). Zielkonflikte lassen sich u.a. durch Zielgewichtung lösen. Welchen der genannten Ziele dann Priorität (hohes Gewicht) einzuräumen ist, hängt von der jeweiligen Entscheidungssituation ab. So kann das Ziel der Termineinhaltung alle anderen Ziele dann dominieren, wenn ein Großkunde zu beliefern ist oder Vertragsstrafen drohen. Ob die genannten Ziele erreicht werden, hängt ganz maßgeblich von einer gelungenen Koordination ab. In den konkreten Abläufen ist der Vollzug der getrennten Teilaufgaben so zu harmonisieren, dass die bearbeiteten Objekte schnell, auf kurzen Wegen und ohne lange Liegezeiten verschiedene Verrichtungen durchlaufen, wobei die bereitgestellten Ressourcen (Menschen und Maschinen) möglichst gut ausgelastet sein sollten. Wenn sich Abläufe in der gleichen Art und Weise häufig wiederholen (Routinefall), kann die Koordination hauptsächlich über Pläne und Programme geleistet werden. Diese Bedingungen gelten v.a. im Bereich der Fertigung, weshalb hier auch der Begriff „Ablaufplanung” häufig synonym zum Begriff der Ablauforganisation benutzt wird. 2.2 Steigerung der Motivation Mitarbeiter sind nicht nur Träger von Funktionen, sondern in ihnen steckt ein beachtliches Kreativitätspotenzial. Die Ablauforganisation kann in unterschiedlichem Maße dazu beitragen, dieses Potenzial zu nutzen. Die Voraussetzungen für motivierte Mitarbeiter sind i.d.R. dann erfüllt, wenn die Beschaffenheit der Aufgabe der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter entspricht. Außerdem sollten die Bedürfnisse der Mitarbeiter - bspw. nach sozialer Einbettung und Zugehörigkeit, Aktivität, vielfältigen Aufgaben, Selbstbestimmung - erfüllt sein (vgl. das Bedürfniskonzept der Motivation, S. 318f.). Die Verbindung von Ablauforganisation und Motivation ist in den letzten Jahren verstärkt beachtet worden (vgl. z.B. Klimecki/ Gmür [Personalmanagement] <?page no="357"?> 332 · Kapitel 11: Ablauforganisation 182ff.). Als organisatorische Maßnahmen des motivationsfördernden Personalmanagements kommen u.a. in Frage: • Systematischer Arbeitsplatzwechsel (job rotation), • Reduktion der Spezialisierung (Reintegration der Arbeit, job enlargement und job enrichement) und • Gruppenkonzepte zur Verbesserung der Mitarbeitermotivation. Diese Maßnahmen passen v.a. zu einer als Prozessorganisation verstandenen Ablauforganisation. Ein Kennzeichen der Prozessorganisation ist nämlich die Bündelung von Teilaufgaben zu größeren, ganzheitlichen Aufgabenpaketen und deren Übertragung auf Gruppen. Die damit verbundene Autonomie schafft eine Atmosphäre des „Unternehmertums im Unternehmen”, welche die Innovations- und Lernfähigkeit der Mitarbeiter fördert. Aber auch die Ablauforganisation i.S. der Arbeitsorganisation kann Aspekte des Personalmanagements berücksichtigen. Wenn nicht jeder Handgriff samt Dauer und Reihenfolge genau festgelegt wird, ergeben sich individuelle Handlungsspielräume, die nicht nur die Flexibilität der Organisation erhöhen, sondern vermutlich auch von den Mitarbeitern mit einer höheren Zufriedenheit und einer besseren Motivation honoriert werden. In den letzten Jahren hat sich v.a. die strikte Arbeitszeitordnung erheblich gelockert (vgl. Klimecki/ Gmür [Personalmanagement] 186ff.). 2.3 Erhöhung der Flexibilität Die Ablauforganisation soll durch Standardisierung und Vorstrukturierung Varianz in der Ausführung der Aufgaben verhindern und so stabile Verhaltenserwartungen schaffen. Eine hohe Regelungsintensität ist v.a. dann sinnvoll, wenn die Aufgabe klar und endgültig definiert ist und sich oft wiederholt. In einer solchen Situation steht der stabile und wirtschaftliche Aufgabenvollzug im Vordergrund. Ist die Aufgabenstellung jedoch weniger stabil und planbar, dafür aber innovativ und unbestimmt, kann die schematische Behandlung und Formalisierung der Vorgänge zur ineffektiven Starrheit entarten. Die massenhafte Reproduktion einer gleichförmigen Leistung ist heute häufig nicht mehr gefragt. Rascher Produktwechsel, individuelle Kundenwünsche und schwer strukturierbare Dienstleistungsaufgaben kennzeichnen den heutigen Wettbewerb. Nicht nur die Aufbauorganisation, auch die Ablauforganisation muss in der Lage sein, sich diesen veränderten Bedingungen anzupassen. <?page no="358"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 333 Flexibilität und Marktnähe sind also weitere Ziele der Ablauforganisation. Das Ziel der Flexibilität führt z.B. zur Einrichtung IT-gestützter flexibler Bearbeitungszentren, die an die Stelle traditioneller taktgebundener Fertigungsstraßen treten. Bearbeitungszentren sind in der Lage, sich den Veränderungen in den Auftragsbeständen in quantitativer und qualitativer Hinsicht anzupassen. Ein Wechsel in der herzustellenden Produktart lässt sich relativ leicht über eine entsprechende Programmierung der Anlage vollziehen. Mit der Prozessorganisation erhöht sich die Anpassungsfähigkeit durch eine Reduktion der Regelungsdichte und der Spezialisierung. Die Aufgabenträger dürfen und können sich veränderten Situationen anpassen. Wenn alle Prozesse von der Wertschöpfung für die Kunden ausgehen, ist auch die Marktnähe gesichert. 3 Ablauforganisation als Arbeitsorganisation 3.1 Gegenstand der Arbeitsorganisation Im Folgenden beschäftigen wir uns mit der Organisation der Aufgabenerfüllung in einer bestehenden Aufbauorganisation. Den Kern der zu organisierenden Arbeitsprozesse bilden die Verrichtungen. Die Arbeitsorganisation beschäftigt sich mit der raum-zeitlichen Strukturierung von Arbeitsprozessen (Verrichtungen an Objekten) in einer bestehenden Aufbauorganisation. Wie wir bereits festgestellt haben, lassen sich die Verrichtungen nach verschiedenen Kriterien kennzeichnen, und zwar nach dem sachlich-logischen Aufgabenvollzug (fertigen, verkaufen usw.), dem Rang (entscheiden und ausführen), der Phase (planen, realisieren und kontrollieren). Alle diese Verrichtungen können im Prinzip raum-zeitlich strukturiert werden. In größeren Unternehmen werden bspw. die Abläufe der Planungs- und Kontrollprozesse genau geregelt, um die Vielzahl von Planungsaktivitäten, die große Zahl der beteiligten Personen und die Verflechtungen zwischen den Teilplänen in den Griff zu bekommen. Bei einer solchen Ablauforganisation der Planung und Kontrolle geht es insbesondere um die Festlegung von Zeitpunkten und Orten, an denen bestimmte Pläne aufgestellt, koordiniert, verabschiedet und kontrolliert werden durch bestimmte Stellen (Instanzen, Ausführungsstellen, Stäbe, Dienstleistungsstellen). Die Ablauforganisation richtet sich dabei nach der Aufbauorganisation, d.h. sie sieht z.B. in einer Funktionalen Organisation anders aus als in einer Divisionalen Organisation. <?page no="359"?> 334 · Kapitel 11: Ablauforganisation Die eigentliche Domäne der Ablauforganisation sind aber nicht die Führungsaktivitäten, sondern die Ausführungsprozesse. Die Ausführungsaufgaben sind im Vergleich zu den Führungsaufgaben i.d.R. genauer bestimmbar, weniger komplex, häufiger wiederkehrend und daher besser standardisierbar und routinisierbar. Die Abläufe für Routineaufgaben können relativ präzise und für längere Zeit geregelt werden. Daher wurden auch insbesondere für die häufig wiederkehrenden Realisationsprozesse Ablaufmodelle entwickelt. Die Realisationsprozesse lassen sich weiterhin grob unterteilen in Prozesse der Fertigung und solche der Büroarbeit. Bei beiden finden sowohl materielle als auch informationelle Prozesse statt, allerdings mit deutlich unterschiedlicher Gewichtung. Kennzeichen der Fertigungsprozesse ist die physische Umwandlung von Inputmaterial in Outputmaterial. Fertigungsprozesse werden daher auch vereinfachend mit materiellen oder physischen Prozessen gleichgesetzt. Kennzeichen der Büroarbeit ist dagegen die geistige Umwandlung von Inputinformationen in Outputinformationen. Man spricht daher auch von informationellen oder geistigen Prozessen. Im Folgenden erörtern wir die raum-zeitliche Strukturierung von • materiellen Prozessen der Fertigung (Ablauforganisation der Fertigung) und • informationellen Prozessen der Büroarbeit (Ablauforganisation der Büroarbeit). Da die Ablauforganisation in beiden Bereichen eine Fülle sehr komplexer Detailprobleme aufwirft, können wir nur prinzipiell auf spezielle Probleme und Lösungstechniken eingehen. Die Einzelheiten der Ablauforganisation in der Fertigung sind eher die Domäne der Industriebetriebslehre, insbesondere der Produktions- oder Fertigungswirtschaft. Die Ablauforganisation im Bereich der Büroarbeit entwickelt sich mehr und mehr zu einem Arbeitsgebiet der Wirtschaftsinformatik. 3.2 Ablauforganisation der Fertigung 3.2.1 Arbeitsanalyse und personale Zuordnung Ein Produktionsprozess besteht aus einer Vielzahl von Teilprozessen. Sie werden aus einem für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlichen Gesamtprozess derart gewonnen, dass sukzessive und vollständig eine Zerlegung von oben nach unten stattfindet. Die Beschaffenheit der dadurch gewonnenen Teilprozesse hängt von der Art des herzustellenden Produktes und vom Produktionsver- <?page no="360"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 335 fahren ab. Für die kleinsten Partialprozesse, die sich nicht mehr weiter sinnvoll zerlegen lassen, sind spezielle Bezeichnungen festgelegt worden. Gutenberg nennt sie in seiner Produktionsfunktion vom Typ B Verbrauchsfunktionen. Im Rahmen der Produktionstheorie vom Typ C bezeichnet Heinen sie als Elementarkombinationen. In der Prozesskostenrechnung hat sich für die Prozesse der untersten Zerlegungsstufe der Begriff „Aktivitäten” durchgesetzt. Typisch für die „klassische” Ablauforganisation im Anschluss an Nordsieck und Kosiol ist eine sehr tief gehende Zerlegung der Prozesse nach Verrichtungsarten. Die Arbeitsanalyse beginnt bei den Elementaraufgaben, die sich als Teilaufgaben der untersten Stufe im Rahmen der Aufgabenanalyse ergeben haben. Werden diese Elementaraufgaben noch weiter zerlegt, geht die Aufgabenanalyse in die Arbeitsanalyse über und damit zugleich auch die Aufbauorganisation in die Ablauforganisation. In Abb. 11-1 ist ein Beispiel für die Zerlegung eines Arbeitsprozesses in Teilprozesse nach Verrichtungsarten dargestellt. Bei Nordsieck ( [Betriebsorganisation] 145) heißen die entsprechenden Arbeitsprozesse Arbeitsgang (Vorgang), Arbeitsstufe (Teilvorgang), Griff (Vorgangsstufe) und Griffelement (Vorgangselement). Kosiol ([Organisation] 209) unterscheidet Arbeitsgang, Gangstufe und Gangelement. Eine Zerlegung der Tätigkeiten bis zu den Gangelementen (Griffen, Griffelementen) hat den Sinn, Bewegungsabläufe zu optimieren, präzise Zeitvorgaben für die Tätigkeiten festzulegen und ergonomisch günstige Maschinen und Werkzeuge zu konstruieren. Diese Fragen werden i.d.R. in sog. REFA-Studien von Fachleuten vom Verband für Arbeitsorganisation untersucht (vgl. Schweitzer [Fertigungswirtschaft] 685). Die Nähe zu den Zeit- und Bewegungsstudien Taylors wird hier sehr deutlich. Den Organisator interessiert in erster Linie der Arbeitsgang, welcher näher bestimmt werden kann als eine raum-zeitlich abgeschlossene Verrichtung eines Arbeitssubjektes an einem Arbeitsobjekt (vgl. Kosiol [Organisation] 196). Nur bei einer Reorganisation werden auch die Arbeitsteile mit einem höheren Zerlegungsgrad wieder interessant. Ein Arbeitsgang in einem Sägewerk ist bspw. das Prismieren eines Klotzes, in einem Einzelhandelsgeschäft der Verkauf an einen Kunden. <?page no="361"?> 336 · Kapitel 11: Ablauforganisation Zentrierbohrer aus Werkstück herausführen Vorgang Teilvorgang Vorgangsstufe Vorgangselement Werkstück abstechen Zentrierbohrer in Support einspannen A-Seite vordrehen Zum Support hinlangen Werkstück zentrieren Support an Werkstück heranfahren Maschine einschalten Zentrierbohrer in Werkstück einführen Welle ausspannen Support zurückstellen Maschine abstellen Werkstück vordrehen Werkstück fertigdrehen Werkstück rundschleifen A-Seite anbohren Rollspitze einführen Arretierung lösen Support verschieben Support arretieren Zentrierbohrer aus Werkstück herausführen Vorgang Teilvorgang Vorgangsstufe Vorgangselement Werkstück abstechen Zentrierbohrer in Support einspannen A-Seite vordrehen Zum Support hinlangen Werkstück zentrieren Support an Werkstück heranfahren Maschine einschalten Zentrierbohrer in Werkstück einführen Welle ausspannen Support zurückstellen Maschine abstellen Werkstück vordrehen Werkstück fertigdrehen Werkstück rundschleifen A-Seite anbohren Rollspitze einführen Arretierung lösen Support verschieben Support arretieren Abb. 11-1: Beispiel für die Zerlegung eines Arbeitsprozesses nach Verrichtungsarten (Quelle: Küpper/ Helber [Ablauforganisation] 7) Der Grad der Arbeitsteilung in einer Unternehmung bestimmt, wie umfangreich ein Arbeitsgang ist und wo die Aufgabenanalyse in die Arbeitsanalyse übergeht. Hat man im Rahmen der Aufgabenanalyse die Elementaraufgaben „Kunden bedienen” und „Kaufpreis kassieren” unterschieden und die Stelle einer Verkäuferin von der Stelle einer Kassiererin getrennt, dann sind „bedie- <?page no="362"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 337 nen” und „kassieren” zwei Arbeitsgänge. Beides kann bei geringerer Arbeitsteilung aber auch zu einem einzigen Arbeitsgang gehören. D.h. die Elementaraufgabe aus der Aufgabenanalyse entspricht dem Arbeitsgang bei der Arbeitsanalyse. Die Definition von Arbeitsgängen wird von der personalen Zuordnung bestimmt: Arbeitsteile werden zu solchen Arbeitsgängen zusammengefasst, die von einem Arbeitsträger zu erledigen sind. Zur personalen Zuordnung gehört auch noch die Bestimmung des Arbeitspensums, welches je nach Aufgabe mehr oder weniger präzise festgelegt werden kann. Sind die Leistungskraft des Arbeitsträgers und der unterstützenden Arbeitsmittel bekannt, wird nach der Anzahl der Gangwiederholungen gesucht, die den Arbeitsträger über eine bestimmte Zeit voll beschäftigen. Das konkrete Pensum für eine konkrete Person kann allerdings erst dann festgelegt werden, wenn auch die temporale Strukturierung und die räumliche Anordnung vollzogen worden sind. Eine genaue Festlegung von Standardleistungen (also des Pensums) ist wichtig als Grundlage der Entlohnung, v.a. bei Zeit- und Stückakkord (vgl. Oechsler [Personal] 451). Beim Stückakkord wird auf der Basis einer „Normalleistung” ein Geldsatz pro bearbeiteter Mengeneinheit festgelegt, beim Zeitakkord wird für die Ausführung einer Tätigkeit eine „Normalzeit” vorgegeben, deren Einhaltung zur Auszahlung eines Grundlohnes führt. Stellt der Mitarbeiter mehr Stücke her, als dem normalen Pensum entspricht oder unterschreitet er die Vorgabezeit, dann führt diese individuelle Mehrleistung zu einem entsprechenden Mehrverdienst. Eine solche individuelle Leistungsentlohnung gilt als sehr motivierend (vgl. Lazear [Performance]), kann aber auch nur dann eingesetzt werden, wenn sich ein Pensum bestimmen und die Ist-Leistung exakt messen lässt. 3.2.2 Zeitliche Strukturierung 3.2.2.1 Reihenfolgeplanung Die zeitliche Strukturierung richtet ihr Augenmerk auf den Arbeitsprozess im Zeitablauf. Es geht darum festzulegen, in welcher Reihenfolge die Arbeitsgänge verrichtet werden sollen und wie lange sie dauern dürfen. Im einfachsten Fall wiederholt der Arbeitsträger den gleichen Arbeitsgang so oft, wie es in der Arbeitszeit möglich ist. Man spricht von objekt- und verrichtungsgleicher Gangfolge. Es besteht die Möglichkeit, am gleichen Objekt nacheinander verschiedene Verrichtungen durchzuführen (objektgleiche Gangfolge) bzw. die gleiche Verrichtung an unterschiedlichen Objekten (verrichtungsgleiche Gangfolge). Ein Arbeiter in einer Tischlerei kann bspw. den ganzen Tag Stuhlbeine lackieren (gleiches Objekt, gleiche Verrichtung), oder ein Stuhlbein nach dem anderen <?page no="363"?> 338 · Kapitel 11: Ablauforganisation erst drechseln, dann schleifen und dann lackieren (gleiches Objekt), oder er lackiert nacheinander Stuhlbeine, Tischplatten und Schränke (gleiche Verrichtung). In die Gangfolgen müssen auch Ruhe- und Wartezeiten eingearbeitet werden. Die Gangfolgen können zudem „getaktet” werden. Das bedeutet, die Zeitspanne vom Beginn eines Arbeitsganges bis zum Beginn des nächsten Arbeitsganges wird genau festgelegt. Die zeitliche Strukturierung betrifft aber nicht nur die Arbeit eines einzelnen Arbeitsträgers. Bei arbeitsteiliger Fertigung müssen auch die Gangfolgen der verschiedenen Arbeitsträger miteinander abgestimmt werden (Leistungsabstimmung). Sind die Gangfolgen schlecht abgestimmt, kommt es zu ungewollten Wartezeiten einerseits und unerwünschten Zwischenlagern andererseits. Die Ziele einer Minimierung der Durchlaufzeit und einer Minimierung der Lagerzeit können nur durch eine gelungene Leistungsabstimmung verwirklicht werden. Bei einer schlechten Leistungsabstimmung ist auch der Einsatz von Leistungslöhnen konfliktträchtig, weil die individuelle Leistung stark von den Aktivitäten anderer Organisationsmitglieder beeinträchtigt werden kann, z.B. wenn ein Arbeiter immer wieder auf Zulieferungen von anderen warten muss. 3.2.2.2 Durchlaufterminierung und Kapazitätsplanung Sehr komplex wird die zeitliche Planung der Produktionsdurchführung, wenn unterschiedliche Aufträge mit unterschiedlichen Fertigstellungsterminen unterschiedliche Stellen (Menschen und Maschinen) mit je begrenzter Kapazität durchlaufen müssen. Die Aufgabe besteht darin, Anfangs- und Endzeitpunkte der mengenmäßig bestimmten Fertigungsaufträge so zu terminieren (Durchlaufterminierung) und die Arbeiten auf die Kapazitäten zu verteilen (Kapazitätsplanung), dass die ablauforganisatorischen Ziele wie minimale Durchlaufzeit, hohe Termintreue und maximale Kapazitätsauslastung bestmöglich erfüllt werden. Die Durchlaufterminierung kann nicht losgelöst von der Kapazitätsplanung erfolgen, so dass an sich eine simultane Termin- und Kapazitätsplanung notwendig wäre (vgl. Zahn/ Schmid [Produktionswirtschaft] 445f.). In der Praxis tastet man sich sukzessive an eine machbare Lösung heran. Zunächst macht man eine Termingrobplanung ohne Berücksichtigung von Kapazitätsgrenzen. Für jeden Auftrag muss festgestellt werden, wie lange die einzelnen Vorgänge dauern und in welcher Reihenfolge welche Arbeitsvorgänge durchzuführen sind, um den Auftrag abzuwickeln. Die eigentliche Terminplanung legt dann vorläufige Anfangs- und Endtermine für einzelne Fertigungsschritte fest. Ausgangspunkt für die Terminierung ist entweder der frühestmög- <?page no="364"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 339 liche Bearbeitungsbeginn (Vorwärtsterminierung) oder der vom Abnehmer fixierte spätestzulässige Fertigstellungstermin (Rückwärtsterminierung). Ein häufig eingesetztes Verfahren der Terminierung ist neben den Balkendiagrammen (auch als Gantt-Diagramme bezeichnet) die sog. Netzplantechnik. Die Netzplantechnik umfasst nach DIN 69900, Teil 1, „alle Verfahren zur Analyse, Planung, Steuerung und Überwachung von Abläufen auf der Grundlage der Graphentheorie, wobei Zeit, Kosten, Einsatzmittel und weitere Einflussgrößen berücksichtigt werden können“ und ist somit die „graphische oder tabellarische Darstellung von Abläufen und deren Abhängigkeiten“. Die wichtigsten Verfahrensschritte der Netzplantechnik sind die Strukturanalyse und die Zeitanalyse. Mit Hilfe der Strukturanalyse wird der Ablaufprozess beschrieben, die Zeitanalyse ordnet den Vorgängen die einzelnen Zeiten zu. Aus der Vielzahl von Netzplantechniken seien folgende Arten von Netzplänen genannt (vgl. Bea/ Scheurer/ Hesselmann [Projektmanagement] 166ff.): • Vorgangspfeil-Netzplan (wichtigstes Beispiel: CPM = Critical Path Method), • Ereignisknoten-Netzplan (wichtigstes Beispiel: PERT = Program Evaluation and Review Technique) und • Vorgangsknoten-Netzplan (wichtigstes Beispiel: MPM = Metra Potenzial Method). Am Beispiel eines einfachen CPM-Netzplans seien Aufbau und Arbeitsweise der Netzplantechnik erläutert; CPM arbeitet mit deterministischen Vorgangs- Pfeil-Netzplänen. Als Grundelemente eines Netzplanes lassen sich Vorgänge, Ereignisse und Anordnungsbeziehungen unterscheiden: • Ein Vorgang ist ein Ablaufelement, das ein mit einer bestimmten Zeit verbundenes Geschehen beschreibt. Hierzu gehört auch, dass Anfang und Ende des Vorgangs definiert sind. Beispiel: Rüsten von Maschinen. • Ein Ereignis beschreibt das Eintreten eines bestimmten Zustandes. Es ist zeitpunktbezogen. Beispiel: Beginn der Vormontage. • Die Anordnung der Vorgänge und Ereignisse bringt die Abhängigkeiten i.S. von Vorgänger-Nachfolger-Beziehungen zum Ausdruck. Ein Ereignis kann erst dann eintreten, wenn alle einmündenden Vorgänge abgeschlossen sind. <?page no="365"?> 340 · Kapitel 11: Ablauforganisation Zunächst werden im Rahmen einer Vorwärtsterminierung ausgehend von einem Termin für das Startereignis die frühestmöglichen Eintrittstermine aller Ereignisse ermittelt. Rechentechnisch geschieht dies durch Addition der Vorgangsdauern. Wenn in ein Ereignis mehrere Vorgänge einmünden, stellt der größte Summenwert den gesuchten frühesten Ereigniszeitpunkt dar. Anschließend folgt eine Rückwärtsterminierung, bei welcher ausgehend vom spätestmöglichen Termin für das Endereignis jeweils die spätestmöglichen Termine für die Ereignisse ermittelt werden. Rechnerisch geschieht dies durch Subtraktion der Vorgangsdauern. G 23 23 E 11 21 B 3 13 A 0 0 D 9 16 F 13 20 C 7 7 8 2 3 6 3 4 2 7 16 1 2 x Legende: = Vorgang mit Vorgangsdauer x = Ereignis j mit frühestmöglichem Ereigniszeitpunkt FZ und spätestmöglichem Ereigniszeitpunkt SZ j SZ j FZ j = kritischer Pfad Abb. 11-2: CPM Netzplan Weichen frühestmöglicher und spätestzulässiger Termin voneinander ab, entstehen Pufferzeiten. Das heißt ein Vorgang darf länger dauern, ohne dass die Terminplanung beeinträchtigt wird. Der kritische Pfad gibt Auskunft darüber, welche Wege durch den Netzplan keine Puffer enthalten. Die angegebenen Zeiten müssen daher eingehalten werden, wenn der Fertigstellungstermin nicht überschritten werden soll. <?page no="366"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 341 Die Termingrobplanung muss später durch eine Terminfeinplanung unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten ergänzt werden. Diese Kapazitätsterminierung ist äußerst komplex. Zur Lösung dieser Problematik ist im Rahmen des Operations Research eine Vielzahl analytischer und heuristischer Modelle entwickelt worden. Unter den analytischen Modellen sind die Vollenumeration, die Modelle der Linearen Programmierung und die Entscheidungsbaumverfahren zu nennen. Diese Modelle, die mit Hilfe eines Lösungsalgorithmus ein exaktes Optimum suchen, haben sich jedoch in der Praxis nicht bewährt. Die Ursachen für das Scheitern liegen v.a. im gewaltigen Rechenumfang. Praktisch bewährt haben sich dagegen die heuristischen Verfahren in Form sog. Prioritätsregeln. Eine Prioritätsregel stellt eine einfache Vorschrift dar, welche die Aufträge, die um die knappen Ressourcen konkurrieren, nach einem Zielkriterium in eine Rangfolge bringt. Beispiele für Prioritätsregeln: • Kürzeste Operationszeitregel: Der Auftrag mit der kürzesten Fertigungszeit auf der zu belegenden Maschine hat erste Priorität. • Frühester Lieferterminregel: Höchste Priorität kommt dem Auftrag mit dem frühesten Liefertermin zu. • Dynamische Wertregel: Höchste Priorität wird jenem Auftrag eingeräumt, der bisher die höchsten Herstellkosten verursacht hat, also den größten „Wert” darstellt. • Schlupfzeitregel: Vorgezogen wird jener Auftrag, bei dem die Differenz (Schlupfzeit) zwischen dem Liefertermin und der restlichen Durchlaufzeit am geringsten ist. 3.2.2.3 Computergestütztes Produktionsplanungs- und Steuerungssystem Die Ablauforganisation der Fertigung ist heute untrennbar mit dem Einsatz computergestützter Informationssysteme verbunden. Ein computergestütztes Informationssystem ist die Gesamtheit von • Menschen (Benutzern), • Maschinen (Hard- und Software) sowie • deren Informations- und Kommunikationsbeziehungen. Computergestützte Informationssysteme haben im Rahmen der Ablauforganisation insbesondere die Aufgabe, die Entscheidungen vorzubereiten. Sie werden daher auch als Entscheidungsunterstützungssysteme (decision support sys- <?page no="367"?> 342 · Kapitel 11: Ablauforganisation tems) bezeichnet. Ein klassisches Beispiel für ein computergestütztes Entscheidungssystem stellt das Produktionsplanungs- und Steuerungs-System (PPS) dar. Die Aufgabe eines Produktionsplanungs- und Steuerungs-Systems (PPS) besteht darin, die Produktionsprozesse von der Auftragsbearbeitung bis zur Auslieferung des Produktes so zu gestalten, dass unter Beachtung der gegebenen Restriktionen (z.B. Kapazität, Zeit) die angestrebten Ziele (z.B. Kostenminimierung, Termintreue) verwirklicht werden. Die Organisation erfolgt rechnergestützt. In Abb. 11-3 ist die Grundstruktur eines PPS-Systems dargestellt. Die Grundstruktur enthält jene Teilprobleme (Module), die im Rahmen des PPS-Systems sukzessive abgearbeitet werden. Am Anfang steht die Produktionsprogrammplanung. Sie legt die Mengen der einzelnen Produktarten fest. Aus ihr werden die Mengenplanung (Materialwirtschaft) sowie Termin- und Kapazitätsplanung abgeleitet. Die Mengenplanung ermittelt die Einsatzfaktoren nach Art, Menge und Termin. Die Termin- und Kapazitätsplanung ordnet die einzelnen Aufträge der vorhandenen Kapazität unter Berücksichtigung terminlicher Anforderungen zu. Die Produktionssteuerung hat die Aufgabe der Durchsetzung und Sicherung des Planungsvollzugs. 3.2.3 Räumliche Anordnung Die personale und zeitliche Arbeitssynthese muss ergänzt werden um die räumliche Strukturierung. Unter diesem Blickwinkel wird die räumliche Anordnung der Arbeitsplätze im Arbeitsprozess sowie ihre zweckgerechte Ausstattung betrachtet. Ein wichtiges Ziel bei der räumlichen Anordnung ist die Minimierung der Durchlaufzeiten durch eine Optimierung der notwendigen Transportwege (vgl. Kosiol [Organisation] 235). Bei der räumlichen Strukturierung ist darüber zu entscheiden, ob die Arbeitssubjekte den Objekten folgen sollen und den Arbeitsplatz wechseln (Mehrplatzarbeit), oder ob die Objekte den Subjekten an ihrem Arbeitsplatz zugeführt werden sollen. Außerdem muss die räumliche Anordnung der Arbeitsplätze geklärt werden. <?page no="368"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 343 Teilgebiete des PPS Hauptfunktionen des PPS Teilfunktionen des PPS Produktionsplanung Produktionssteuerung G r u n d d a t e n v e r w a l t u n g Produktionsprogrammplanung Mengenplanung (Materialwirtschaft) Prognoserechnung Auftragsfreigabeentscheidung (Fertigungsauftrag/ Bestellauftrag) Grobplanung Kundenauftragsverwaltung Stücklistenauflösung Bestandsführung Verbrauchsorientierte Lagerdisposition Losgrößenrechnung Termin- und Kapazitätsplanung (Zeitwirtschaft) Durchlaufterminierung Kapazitätsbedarfsrechnung Kapazitätsterminierung Reihenfolgeplanung Auftragsfreigabe Belegerstellung Auftragsveranlassung Arbeitsverteilung Auftragsüberwachung Kundenauftrags- und Fertigungsauftragsüberwachung Kapazitätsüberwachung Teilgebiete des PPS Hauptfunktionen des PPS Teilfunktionen des PPS Produktionsplanung Produktionssteuerung G r u n d d a t e n v e r w a l t u n g Produktionsprogrammplanung Mengenplanung (Materialwirtschaft) Prognoserechnung Auftragsfreigabeentscheidung (Fertigungsauftrag/ Bestellauftrag) Grobplanung Kundenauftragsverwaltung Stücklistenauflösung Bestandsführung Verbrauchsorientierte Lagerdisposition Losgrößenrechnung Termin- und Kapazitätsplanung (Zeitwirtschaft) Durchlaufterminierung Kapazitätsbedarfsrechnung Kapazitätsterminierung Reihenfolgeplanung Auftragsfreigabe Belegerstellung Auftragsveranlassung Arbeitsverteilung Auftragsüberwachung Kundenauftrags- und Fertigungsauftragsüberwachung Kapazitätsüberwachung Abb. 11-3: Grundstruktur eines traditionellen PPS-Systems (Quelle: Zäpfel [Entwicklungsstand] 723) Nach der Art der Zuordnung von Arbeitskräften und Betriebsmitteln zu den Objekten lassen sich zwei elementare Grundtypen unterscheiden: • Die Werkstattfertigung und • die Fließfertigung. Neuerdings wird mit der Gruppenfertigung eine Mischung der beiden Grundtypen propagiert. <?page no="369"?> 344 · Kapitel 11: Ablauforganisation Insgesamt unterscheiden wir folgende Organisationstypen der Fertigung: • Werkstattfertigung • Fließfertigung ungebundene Fließfertigung gebundene Fließfertigung • Gruppenfertigung flexibel automatisierte Fertigung - Bearbeitungszentren flexible Fertigungszellen flexible Fertigungssysteme - Inselfertigung Diese Organisationstypen werden im Folgenden besprochen. 3.2.3.1 Werkstattfertigung Bei der Werkstattfertigung werden Träger gleichartiger Verrichtungen organisatorisch zu Werkstätten zusammengefasst. Es findet also eine Verrichtungszentralisation statt. Die Gangfolgen sind verrichtungsgleich, während das Objekt wechselt. Auf diese Weise entstehen Werkstätten wie Dreherei, Schleiferei, Lackiererei. Das Bearbeitungsobjekt wird in Abhängigkeit von der jeweils benötigten Funktion zu den einzelnen Werkstätten transportiert. Die Reihenfolge des Durchlaufs kann bei jedem Objekt anders sein (vgl. Abb. 11-4). 3.2.3.2 Fließfertigung Wird die Organisation am Ablauf des Produktionsprozesses bestimmter Objekte ausgerichtet, dann werden Einrichtungen für verschiedene Verrichtungen entlang einer Linie bzw. Fertigungsstraße angeordnet. Es findet damit Objektzentralisation statt. Die Gangfolgen sind objektgleich, i.d.R. für die einzelnen Arbeitsträger sogar verrichtungs- und objektgleich. Das Objekt „fließt” entsprechend der Reihenfolge der notwendigen Bearbeitungsschritte an jenen Arbeitsträgern vorbei, die jeweils einen Arbeitsgang an diesem Objekt ausführen. Dieser Organisationstyp wird daher auch als Fließfertigung oder Linienbzw. Straßenfertigung bezeichnet. Die Fließfertigung tritt in verschiedenen Organisationsformen auf: Die Zeit für den Objektdurchlauf kann ungebunden oder gebunden sein. Eine ungebundene Fließfertigung (auch Fließreihe genannt) ist eine lose Verkettung von Ar- <?page no="370"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 345 beitsgängen ohne Zeitzwang; Zwischenlager gelten als Puffer. Die gebundene Fließfertigung wird auch Taktverfahren oder Fließbandfertigung genannt; diese Bezeichnung macht deutlich, dass für alle Bearbeitungsvorgänge die gleiche Zeit (Taktzeit) oder ein Vielfaches von ihr zur Verfügung steht. Durch das Weiterlaufen eines Fördermittels wird der Arbeitsrhythmus erzeugt. Vgl. auch Abb. 11-4. Die Werkstattfertigung und die Fließfertigung unterscheiden sich wesentlich nach der Zusammensetzung der Produktionskosten und der Flexibilität. Kennzeichnend für die Werkstattfertigung ist die gegenüber der Fließfertigung hohe Flexibilität. Die bei der Werkstattfertigung mögliche Änderung der Kapazität durch sukzessive Investitionen oder Stilllegung geringeren Ausmaßes sowie die vielseitige Einsetzbarkeit der Werkstätten für unterschiedliche Objekte führen im Verhältnis zur Fließfertigung zu geringen Anpassungskosten bei Beschäftigungsschwankungen oder Umstellkosten bei Programmänderungen. Diesen Vorteilen steht jedoch der Nachteil verhältnismäßig hoher variabler Kosten gegenüber: Bei der Werkstattfertigung entstehen schwierige Transportprobleme und demzufolge hohe Materialflusskosten und tendenziell lange Durchlaufzeiten. Die Kapazitätsauslastung ist eher ungleichmäßig und es gibt eine Tendenz zur Bildung von Zwischenlagern. Die Organisation des Fertigungsablaufs (Terminplanung, Reihenfolgeplanung, Maschinenbelegungsplanung) ist wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Objekte komplizierter als bei der Fließfertigung. Bei der Fließfertigung findet die Ablauforganisation quasi nur einmal statt und kann dann für lange Zeit gleich bleiben. Die Durchlaufzeiten sind geringer als bei der Werkstattfertigung, die Transportkosten niedriger, die Bildung von Zwischenlagern wird weitgehend vermieden. Auf der anderen Seite ist die Kapitalbindung bei diesem Fertigungstyp hoch und die Flexibilität gering. Auch die monotonen Arbeitsprozesse können als Nachteil genannt werden. Insgesamt lässt sich mit einer gewissen Berechtigung feststellen, dass die Fließfertigung im Vergleich zur Werkstattfertigung höhere fixe Kosten und dafür geringere variable Kosten verursacht. Das wichtigste Kriterium zur Auswahl des einen oder anderen Typs der Fertigung ist die Häufigkeit der Wiederholung einer objektgleichen Gangfolge. Wird ein einziges Objekt in großen Mengen hergestellt (Massenfertigung), dann lohnt sich die Einrichtung eines Fließbandes. Bei vielen unterschiedlichen Objekten (Einzel- oder Kleinserienfertigung) ist dagegen die Fließbandfertigung zu starr und das Werkstattprinzip besser geeignet. <?page no="371"?> 346 · Kapitel 11: Ablauforganisation 3.2.3.3 Gruppenfertigung Modernste Technik erlaubt heute eine Kombination der Vorteile beider Organisationstypen im Typ der Gruppenfertigung. Kurze Durchlaufzeiten werden mit der Flexibilität der Werkstattfertigung verbunden. Organisatorisch werden verschiedenartige Betriebsmittel bzw. Arbeitsträger räumlich zu Funktionsgruppen zusammengefasst. In der Funktionsgruppe gilt das Fließbzw. Objektprinzip, während die Gruppen untereinander nach dem Verrichtungsprinzip organisiert werden. Volvo hat als erstes großes Unternehmen bereits im Jahre 1974 im Werk Kalmar die Gruppenmontage eingeführt: Einer Arbeitsgruppe wurde der gesamte Montagevorgang übertragen. Als Erscheinungsformen der Gruppenfertigung können die Konzeptionen der flexibel automatisierten Fertigung und der Inselfertigung unterschieden werden: (1) Die einfachste Organisationsform einer flexibel automatisierten Fertigung sind die sog. Bearbeitungszentren. Bei ihnen handelt es sich um numerisch gesteuerte Maschinen, die mehrere Arbeitsgänge durchführen können (bspw. drehen, bohren, fräsen). So können ohne großen Umrüstaufwand unterschiedliche Objekte in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden. Diese Organisationsform ist relativ nah an der Werkstattfertigung, reduziert aber die Durchlaufzeit. Eine Zusammenfassung mehrerer Arbeitszentren führt zur Bildung von flexiblen Fertigungszellen. Werden die Fertigungszellen über Transporteinrichtungen miteinander verbunden und erfolgt eine vollautomatische Prozesssteuerung, spricht man von flexiblen Fertigungssystemen. Diese haben große Ähnlichkeit mit der Fließfertigung, sind aber nicht so starr, weil die Prozessfolge relativ leicht geändert werden kann. (2) Das Konzept der Inselfertigung geht über eine rein technisch orientierte Weiterentwicklung der bisherigen Fertigungsorganisation hinaus. Dieses neue Organisationskonzept kann auch als Ergebnis der Bemühungen um moderne, zeitgemäßere Formen der Arbeitsstrukturierung wie Job Rotation (Arbeitsplatzwechsel), Job Enlargement (Arbeitserweiterung) oder Job Enrichment (Arbeitsbereicherung) angesehen werden. Die bisherige einzelplatzorientierte und hochspezialisierte Arbeit wird ersetzt durch eine multifunktionale Arbeit in Kleingruppen mit Funktionsüberlappung. Die Gruppe bildet eine räumliche und organisatorische Einheit zur Bearbeitung spezieller Objekte (z.B. Baugruppe). Damit verbunden ist auch die Übertragung von Aufgaben und Kompetenzen aus der Fertigungsplanung und -steuerung in die Eigenverantwortlichkeit der Gruppe, so dass die Mitarbeiter jetzt selbst bestimmen, was von wem in welcher Reihenfolge zu <?page no="372"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 347 tun ist. Je nach Umfang der den Gruppen zugeordneten Aufgaben und Kompetenzen gewinnen diese Inseln einen unterschiedlichen Grad an Autonomie. Werden in die Fertigungsgruppen auch Funktionen aus den Bereichen Einkauf und Vertrieb integriert, entwickeln sich die Fertigungsinseln zu quasi autonomen internen Zulieferern. Die objektorientierte Gruppenfertigung kann auch mit einer Verrichtungsorientierung in sog. technischen Zentren verbunden werden (vgl. Hallwachs [Fertigungsinseln]). Die Vorteile der Inselfertigung bestehen in der Erfüllung von Anforderungen an eine humane Arbeitsplatzgestaltung und in der Aufgabenerweiterung als Motivationsinstrument sowie in der gesteigerten Flexibilität gegenüber qualitativen und quantitativen Änderungen im Produktionsablauf. Auf unterschiedliche Kundenwünsche kann so individueller eingegangen werden, ohne die Schnittstellenproblematik der Werkstattfertigung in Kauf nehmen zu müssen. In die modernen Konzepte der Produktionsorganisation wie Lean Production und Total Quality Management hat diese Organisationsform längst Eingang gefunden. In Abb. 11-4 werden die unterschiedlichen Typen der Fertigungsorganisation stark vereinfacht visualisiert. Die Einrichtung moderner Strukturkonzepte der Produktion wie der Inselfertigung erfordert häufig eine umfassende Reorganisation. Die Einrichtung von Organisationseinheiten (z.B. Gruppen) sowie Art und Umfang der Spezialisierung richten sich nach den Abläufen. Die Ablauforganisation als Arbeitsorganisation geht in die Prozessorganisation über. 3.3 Ablauforganisation der Büroarbeit 3.3.1 Personale, zeitliche und räumliche Strukturierung Nicht nur in der Fertigung sind Abläufe zu organisieren, sondern auch auf jenen Tätigkeitsfeldern der Unternehmung, die als „indirekte” oder „unterstützende” Bereiche oder zusammenfassend als „Büro- und Verwaltungsbereich” bezeichnet werden. Auch die Aufgaben einer Sekretärin, einer Buchhalterin oder eines Einkäufers - um Beispiele zu nennen - sind in konkrete Arbeitsabläufe zu übersetzen und mit anderen Abläufen abzustimmen. Die Büroarbeit besteht typischerweise in der Bearbeitung, der Bewertung und dem Austausch von Informationen. Der Kommunikation - also dem Austausch von Informationen zum Zwecke der Abstimmung - kommt dabei besondere Bedeutung zu (vgl. Picot/ Reichwald [Bürokommunikation] 30ff.). <?page no="373"?> 348 · Kapitel 11: Ablauforganisation Werkstattfertigung Planung & Steuerung Werkstätte: Bohrerei Werkstätte: Fräserei Werkstätte: Schleiferei Werkstätte: Dreherei Werkstätte: Montage Fließfertigung Planung & Steuerung Fräsen Drehen Bohren Schleifen Fräsen Drehen Bohren Schleifen Montage Inselfertigung Fräsen, Schleifen, Drehen Bohren, Planung & Steuerung (Beschaffung, Instandhaltung) Fräsen, Schleifen, Drehen Bohren, Planung & Steuerung (Beschaffung, Instandhaltung) Fertigungsinsel 1 Fertigungsinsel 2 Montage Planung & Steuerung (Instandhaltung) Legende: Montageinsel Objekt A Objekt B Transportweg A Transportweg B Werkstattfertigung Planung & Steuerung Werkstätte: Bohrerei Werkstätte: Fräserei Werkstätte: Schleiferei Werkstätte: Dreherei Werkstätte: Montage Fließfertigung Planung & Steuerung Fräsen Drehen Bohren Schleifen Fräsen Drehen Bohren Schleifen Montage Inselfertigung Fräsen, Schleifen, Drehen Bohren, Planung & Steuerung (Beschaffung, Instandhaltung) Fräsen, Schleifen, Drehen Bohren, Planung & Steuerung (Beschaffung, Instandhaltung) Fertigungsinsel 1 Fertigungsinsel 2 Montage Planung & Steuerung (Instandhaltung) Legende: Montageinsel Objekt A Objekt B Transportweg A Transportweg B Abb. 11-4: Organisationstypen der Fertigung (1) Im Vergleich zur Arbeitsanalyse im Fertigungsbereich macht es bei der Büroarbeit i.Allg. wenig Sinn, die Analyse bis zu sehr kleinen Arbeitsteilen (Griff, <?page no="374"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 349 Griffelement) voranzutreiben, weil nicht die Handarbeit, sondern die Kopfarbeit im Vordergrund steht. Wie umfangreich und verschiedenartig die Arbeitsgänge eines Arbeitsträgers bei der personalen Zuordnung ausfallen, hängt - wie im Fertigungsbereich - vom Spezialisierungsgrad der Aufbauorganisation ab. Eine Schreibkraft hat im Wesentlichen einen einzigen Arbeitsgang zu bewältigen, nämlich die „Texterstellung”. Bei einer Sekretärin fallen dagegen neben der Texterstellung verschiedene weitere Arbeitsgänge an (Aktenablage, Besucherbetreuung, Terminplanung, Telefonate usw.). (2) Bei der zeitlichen Strukturierung geht es zunächst um die Festlegung der Reihenfolge der Arbeitsgänge eines Arbeitsträgers. Bei der Schreibkraft, welche die gleiche Verrichtung an verschiedenen Objekten ausübt, ist bspw. festzulegen, in welcher Reihenfolge die unterschiedlichen Schreibaufträge abzuarbeiten sind (nach der Reihenfolge des Eingangs, nach Dringlichkeit, nach Umfang usw.). Für die Sekretärin kann festgelegt werden, in welcher Reihenfolge sie unterschiedliche Arbeitsgänge vollziehen soll (erst Ablage, dann Korrespondenz, dann Besucherbetreuung usw.). Werden auch noch die Zeiten pro Arbeitsgang ermittelt, kann ein genaues Pensum bestimmt werden. Allerdings sind die Bürotätigkeiten selten so beschaffen, dass eine exakte Vorgabe von Reihenfolgen und Zeiten sinnvoll ist. Die in einem Schreibbüro zu bearbeitenden Texte sind z.B. verschieden umfangreich und kompliziert und erfordern daher mehr oder weniger Bearbeitungszeit. Bei den unterschiedlichen Arbeitsgängen einer Sekretärin lässt sich nie genau voraussagen, welche Tätigkeit in welcher Reihenfolge und mit welcher Dringlichkeit anfällt. Zur zeitlichen Strukturierung gehört auch noch die Abstimmung der Arbeitsgänge verschiedener Arbeitsträger. Wenn ein Objekt - z.B. ein Kreditantrag bei einer Bank - verschiedene Stellen zu durchlaufen hat, muss die Reihenfolge dieses Durchlaufs festgelegt werden. Da sich die Arbeitsgänge in der Büroarbeit kaum „takten” lassen, ist eine Minimierung der Durchlaufzeiten und der Lagerzeiten noch schwieriger als in der Fertigung. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Wird die Post von einer Stelle A um elf Uhr vormittags zu einer zentralen internen Postverteilungsstelle gebracht, von einer anderen Stelle B aber bereits um zehn Uhr vormittags die Post an der Postverteilungsstelle abgeholt, kommt die Post von A nach B erst einen Tag später an. Muss ein Objekt viele unterschiedliche Stellen durchlaufen, können sich solche Zeitabstimmungsprobleme vervielfachen. (3) Für die räumliche Anordnung der Büroarbeit ist bisher eine Verrichtungszentralisation typisch. Es gibt räumlich getrennte Abteilungen wie den Einkauf, den Wareneingang und die Kreditorenbuchhaltung. Da die Objekte häufig ver- <?page no="375"?> 350 · Kapitel 11: Ablauforganisation schiedene Verrichtungen durchlaufen müssen, ist der abteilungsübergreifende Kommunikationsbedarf hoch. 3.3.2 Die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie Da Büroarbeit praktisch mit Informationsverarbeitung und Kommunikation (kurz: IuK) gleichzusetzen ist, haben die modernen IuK-Technologien starken Einfluss auf die Ablauforganisation in diesem Bereich ausgeübt (vgl. Peters [Ablauforganisation] 263ff.). Im Bereich der personalen Zuordnung ist der Spielraum für eine Integration verschiedener Tätigkeiten durch die IuK-Technologien größer geworden, d.h. der Grad der Spezialisierung kann zurückgefahren werden. Die Tendenz zur Zusammenführung einer Reihe informationsbasierter administrativer Tätigkeiten spiegelt sich dem entsprechend in einer zunehmenden Relevanz integrierter Standardsoftwarepakete für die tägliche Büroarbeit in Unternehmen wider. Die geläufigsten Officeanwendungen wie Microsoft Office, Corel WordPerfect Office oder Lotus SmartSuite kombinieren eine Vielzahl spezialisierter Anwendungsprogramme zu einem Gesamtpaket, das alle standardisierbaren bürobezogenen Kommunikations- und Informationsprozesse abdeckt und frühere Schnittstellenprobleme zwischen den Anwendungen eliminiert. Moderne Betriebssysteme erlauben darüber hinaus auch eine problemlose Integration der Bürostandardpakete mit unternehmensspezifischen Softwarelösungen zur administrativen Sachbearbeitung. Zur Basisausstattung integrierter Bürosoftwarepakete gehören mittlerweile (vgl. Hansen/ Neumann [Wirtschaftsinformatik 1] 451ff.): • Ein Programm für das persönliche Informationsmanagement mit Terminkalender, Adressbuch und E-Mail-Kommunikation, • ein Textverarbeitungsprogramm, • ein Programm zur Tabellenkalkulation und • ein Programm für die professionelle Erstellung von Präsentationen. Als Beispiel werden in Abb. 11-5 die Basiskomponenten des Microsoft Office Systems 2007 dargestellt. Die Komponenten werden in verschiedenen Editionen unterschiedlich kombiniert: Die Anwendungen „Word“ (Textverarbeitung), „Excel“ (Tabellenkalkulation), „Outlook“ (Persönliches Informationsmanagement) und „PowerPoint“ (Präsentationen) bilden den Kern aller Editionen. Das System kann um „Access“ (Datenbanken), „Publisher“ (Desktop Publishing) und andere Anwendungen erweitert werden. <?page no="376"?> Ablauforganisation als Arbeitsorganisation · 351 Excel (Tabellenkalkulation) Outlook (Informationsmanagement) Word (Textverarbeitung) PowerPoint (Präsentation) Excel (Tabellenkalkulation) Outlook (Informationsmanagement) Word (Textverarbeitung) PowerPoint (Präsentation) Abb. 11-5: Basiskomponenten des Microsoft Office Systems 2007 Im Hinblick auf die räumliche Gestaltung der Arbeitsabläufe wird eine Dezentralisierung gefördert. Je mehr der Informationsaustausch auch über große Entfernungen erleichtert wird, desto weniger ist räumliche Nähe für eine Abstimmung zwischen den Arbeitsträgern erforderlich. Im Extrem führt diese Entwicklung zur Auflösung von Büros zugunsten einer „virtuellen” Zusammenarbeit über IuK-Technologien („Telearbeit”). Wegbereiter dieser Delokalisierung von Bürotätigkeiten ist die zunehmende Verbreitung von mobilitätsorientierten Hard- und Softwarelösungen. So gehört der Internetzugang via Modem und DSL im „Home Office” heutzutage für viele Erwerbstätige zum Alltag. Notebooks und personalisierte mobile Büroassistenten (PDA = Personal Digital Assistant) mit Schnittstellen zu den betrieblichen Officeanwendungen erlauben auch unterwegs jederzeit die Erledigung von Büroarbeiten. IuK-Technologien ermöglichen schließlich auch eine stärkere zeitliche Entkoppelung der Tätigkeiten (Asynchronisation). Informationen können in den elektronischen Medien gespeichert und vom Kommunikationspartner jederzeit nach seinem Bedarf abgerufen werden. Neuere Data Warehouse-Konzepte etwa führen alle in einem Unternehmen anfallenden Daten unter einem gemeinsamen systemtechnischen Dach zusammen und erlauben es im Prinzip, an jedem Ort zu jeder Zeit die vorhandenen Informationen über verschiedene Aggregationsstufen hinweg anwenderspezifisch abzurufen. In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Büro- und Dienstleistungsbereiches ständig gestiegen. Heute ist bereits mehr als die Hälfte der Beschäftigten unserer Volkswirtschaft in diesem Bereich tätig. Dieser Bedeutungszuwachs der Büroarbeit in Verbindung mit den ganz neuen Gestaltungsmöglichkeiten durch <?page no="377"?> 352 · Kapitel 11: Ablauforganisation die IuK-Technologie hat mit dazu geführt, dass sich die Ablauforganisation auch außerhalb der Fertigungswirtschaft zu einem wichtigen Thema entwickelt hat. Dabei hat sich die Auffassung von der Ablauforganisation als Arbeitsorganisation zunehmend in Richtung auf deren Verständnis als Prozessorganisation verschoben. 4 Ablauforganisation als Prozessorganisation 4.1 Wachsende Bedeutung der Ablauforganisation Die wissenschaftliche Durchdringung der Ablauforganisation hat in den letzten Jahren eine deutliche Renaissance erfahren. Dafür sind verschiedene situative Faktoren verantwortlich: • Angesichts der Individualisierung des Kundenbedarfs ist eine reine Fließfertigung zu starr. Man muss über flexiblere Lösungen nachdenken. • Kürzere Produktlebenszyklen erfordern immer drängender die Minimierung von Durchlaufzeiten. Schnittstellenprobleme verzögern aber den Durchlauf. • Der Anteil der Kosten für Verwaltungstätigkeiten ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Hier ist Rationalisierungsbedarf in den Abläufen erkennbar. • Bei gut ausgebildeten Mitarbeitern macht es immer weniger Sinn, durch hochgradige Spezialisierung nur einen Bruchteil des Potenzials auszunutzen. • Die Ansprüche der Arbeitnehmer an die Ausgestaltung der Erwerbsarbeit steigen. Selbstbestimmung, sozialer Kontakt und eine abwechslungsreiche Tätigkeit werden zu wichtigen Motivationsfaktoren. • Die Fortschritte in der IuK-Technologie eröffnen ganz neue Handlungsspielräume. Mit der gestiegenen Bedeutung der Ablauforganisation ist zugleich auch ein Wandel im Verständnis verbunden, welcher sich in dem neuen Begriff der Prozessorganisation manifestiert. 4.2 Prozessorganisation statt Arbeitsorganisation Auf die wichtigsten Unterschiede zwischen Arbeitsorganisation und Prozessorganisation wurde bereits verwiesen (vgl. S. 258ff.). Die Argumentation soll hier erweitert und vertieft werden. <?page no="378"?> Ablauforganisation als Prozessorganisation · 353 Die Prozessorganisation beschäftigt sich mit der raum-zeitlichen Strukturierung von Geschäftsprozessen als Grundlage für die Aufbauorganisation. Zunächst ist zu konstatieren, dass in der Ablauforganisation traditionellen Zuschnitts zwar auch von Prozessen die Rede ist, aber von Arbeitsprozessen. Der Begriff „Arbeitsprozess” beschreibt eine eng umrissene Einheit, nämlich idealtypisch eine Verrichtung eines Subjektes an einem Objekt. In der Prozessorganisation steht dagegen der Begriff „Prozess” für größere, umfassende Analyseeinheiten, für ein Bündel von Aktivitäten oder eine integrierte Handlungsfolge. Man spricht auch von „Geschäftsprozessen”. Letztlich kann die gesamte Tätigkeit des Unternehmens als ein Prozess der Umwandlung von Inputgütern in Outputgüter mit Kundennutzen verstanden werden. Porter hat zur Verdeutlichung dieses Sachverhaltes die sog. Wertkette (value added chain) entwickelt. Unterstützende Aktivitäten Primäre Aktivitäten Eingangslogistik Operationen Marketing und Vertrieb Ausgangslogistik Kundendienst Gewinnspanne Gewinnspanne Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung Unterstützende Aktivitäten Primäre Aktivitäten Eingangslogistik Operationen Marketing und Vertrieb Ausgangslogistik Kundendienst Gewinnspanne Gewinnspanne Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung Abb. 11-6: Die Wertkette nach Porter (vgl. [Wettbewerbsvorteile] 62) Die im Rahmen der Wertkette ablaufenden Prozesse können in Teilprozesse untergliedert werden, die Porter in zwei Kategorien bündelt, nämlich die primären und die unterstützenden Aktivitäten. Die primären Aktivitäten sind unmittelbar mit der Herstellung und dem Vertrieb eines Produktes verbunden. Die sekundären Aktivitäten unterstützen die primären Aktivitäten. Soll ein Wettbewerbsvorsprung erzielt werden, ist bei allen diesen Aktivitäten zu untersuchen, <?page no="379"?> 354 · Kapitel 11: Ablauforganisation ob sie kostengünstiger und/ oder nutzbringender zu vollziehen sind, als dies der Konkurrenz gelingt. Die Ablauforganisation wird damit aus dem engen Bezug zur Fertigung herausgelöst und auf alle Unternehmensbereiche ausgedehnt. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie ein Prozess abzuwickeln ist. Vielmehr kann sogar zur Disposition stehen, ob überhaupt ein Prozess selbst wahrgenommen oder ausgegliedert werden soll (Outsourcing). Die Grenzen zwischen Unternehmung und Markt werden aus der Sicht der Prozesse fließend. Die Schnittstellenoptimierung bezieht sich auch auf die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Markt. Gehen wir davon aus, dass über das Problem der Ein- und Ausgliederung von Prozessen entschieden, also die betriebliche Wertschöpfung festgelegt ist, sind die einzelnen Prozesse zu analysieren und zu gestalten. Voraussetzung dafür ist zunächst die Beschreibung des Prozesses als Kernelement der Wertkette. Ein Prozess umfasst Verrichtungen oder Aktivitäten, durch die Einsatzgüter bzw. Inputinformationen in Ausbringungsgüter bzw. Outputinformationen transformiert werden. Diese Transformation ist aber nur ein Aspekt des Produktionsprozesses. Er ist zu ergänzen um die Gesichtspunkte der Verkettung der einzelnen Teilprozesse, der Zielorientierung eines Prozesses und des Personalbezugs. Unter Berücksichtigung der genannten vier Aspekte lässt sich ein Prozess wie folgt definieren (vgl. Bea/ Schnaitmann [Prozesse]): • Ein Prozess enthält Tätigkeiten zur Umwandlung von Einsatzgütern/ Inputinformationen in Ausbringungsgüter/ Outputinformationen (Transformationsaspekt). • Umfangreichere Prozesse (Hauptprozesse) lassen sich in mehrere miteinander verbundene Teilprozesse zerlegen (Verkettungsaspekt). • Die Prozesse dienen der Verwirklichung unternehmerischer Ziele (Zielaspekt). • Prozesse werden von Personen durchgeführt, kontrolliert und verantwortet (Personalaspekt). In Abb. 11-7 ist der Bezugsrahmen des Prozessbegriffes dargestellt. Anders als bei der Arbeitsorganisation bildet die Analyse der Abläufe die Grundlage für den Aufbau der Organisation. In einer Prozessanalyse sind zunächst Teilprozesse zu isolieren, die sich unter Berücksichtigung des Verkettungsaspekts als ganzheitliche, logisch verknüpfte Aufgabenbündel zur Erzeugung eines Kundennutzens darstellen lassen. Solche Prozesse heißen bspw. „Kreditvergabe” und nicht „Bonitätsprüfung”, weil die Bonitätsprüfung nur ein kleiner Teilschritt im Rahmen des kundenorientierten Prozesses der Kreditvergabe ist. Die Stellen- <?page no="380"?> Ablauforganisation als Prozessorganisation · 355 bildung folgt dann der Prozessanalyse nach. Es wird z.B. die Stelle eines Prozessverantwortlichen (process owner) geschaffen (vgl. Striening [Prozessmanagement] 327). Bei umfangreichen Prozessen, die das Leistungsvermögen eines Einzelnen überschreiten, kann der Prozess auch in die Verantwortung einer Personenmehrheit (case team) gestellt werden. Durch die Berücksichtigung der Abläufe beim Aufbau werden v.a. Schnittstellen vermieden, die den Durchlauf von Objekten durch die verschiedenen Verrichtungen verzögern. Die Aufgabe der Koordination wird also durch eine Reduktion von Koordinationsbedarf erleichtert. Als Koordinationsinstrument wird in vielen Fällen die Selbstabstimmung eingesetzt. Ziele Transformation Verkettung Einsatzgüter Ausbringungsgüter Personal Ziele Transformation Verkettung Einsatzgüter Ausbringungsgüter Personal Abb. 11-7: Bezugsrahmen des Prozessbegriffes Von der Arbeitsorganisation unterscheidet sich die Prozessorganisation auch noch im Hinblick auf die Einbeziehung des menschlichen Aspekts der Organisation. Der „Arbeitsträger” der strukturtechnisch ausgerichteten Arbeitsorganisation ist eine gedachte Person, die nur als Träger einer bestimmten Arbeitsleistung in Erscheinung tritt und ansonsten keine Eigenschaften hat. Insofern das tayloristische Gedankengut in die Arbeitsorganisation einfließt, dominiert die Vorstellung, dass die Menschen eng reglementiert werden müssen und eine hohe Spezialisierung zu Lerneffekten führt. Die Prozessorganisation setzt dagegen auf die <?page no="381"?> 356 · Kapitel 11: Ablauforganisation Motivation der Mitarbeiter durch vielfältige, abwechslungsreiche Tätigkeit, größere Handlungsspielräume und Lernen durch das Erkennen von Zusammenhängen. Das Ziel der Mitarbeitermotivation findet v.a. über die Prozessorganisation Eingang in die Ablauforganisation. <?page no="382"?> Fragen zur Wiederholung · 357 Fragen zur Wiederholung 1. Inwiefern steht das Ziel der Minimierung der Herstellkosten in Konkurrenz zum Ziel der Minimierung der Terminüberschreitung im Rahmen einer effizienten Ressourcennutzung? (2.1) 2. Inwiefern kann eine Reduktion der Spezialisierung die Innovations- und Lernfähigkeit der Mitarbeiter fördern? (2.2) 3. Welche Merkmale der Unternehmensumwelt verlangen eine Beachtung der Ziele der Flexibilität und Marktnähe im Rahmen der Ablauforganisation? (2.3) 4. Warum kann man die Ablauforganisation auch als Arbeitsorganisation bezeichnen? (3.1) 5. Welchen Beitrag liefern die Zeit- und Bewegungsstudien Taylors für die Arbeitsanalyse im Rahmen der Ablauforganisation der Fertigung? (3.2.1) 6. Was versteht man unter Vorwärtsterminierung und unter Rückwärtsterminierung im Rahmen der Durchlaufterminierung? (3.2.2.2) 7. Beschreiben Sie die Aufgaben von Strukturanalyse und Zeitanalyse im Rahmen der Netzplantechnik. (3.2.2.2) 8. Wie wird der kritische Pfad im Rahmen der Netzplantechnik ermittelt? (3.2.2.2) 9. Vergleichen Sie die Vorteile der Fließfertigung mit jenen der Werkstattfertigung. (3.2.3) 10. Inwiefern kann im Rahmen der Inselfertigung auf Kundenwünsche eingegangen werden? (3.2.3.2) 11. Inwiefern beeinflusst die Informations- und Kommunikationstechnologie die Dezentralisierung im Rahmen der Büroarbeit? (3.3.2) 12. Wie ist die Wertkette nach Porter aufgebaut? (4.2) 13. Was versteht man unter dem Transformationsaspekt und was unter dem Verkettungsaspekt eines Prozesses? (4.2) <?page no="383"?> 358 · Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen Fragen zur Vertiefung 1. Wie lässt es sich erklären, dass der Begriff „Ablauforganisation” häufig durch den Begriff „Ablaufplanung” ersetzt wird? 2. Welche Gefahr birgt eine Arbeitsanalyse in sich, die einen Arbeitsprozess in eine Vielzahl von einzelnen Teilprozessen zerlegt? 3. In vielen Industriebetrieben findet man die Organisationstypen der Fließfertigung und der Werkstattfertigung gleichzeitig. Was spricht für diese Parallelisierung? 4. Gruppenfertigung ist in. Was hat diese Entwicklung begünstigt? 5. Inwiefern führt eine Prozessorganisation zur Beseitigung der Trennlinie zwischen Aufbauorganisation und Ablauforganisation? 6. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Prozessorganisation ist häufig von der Schnittstellenproblematik die Rede. Inwiefern ist die Prozessorganisation geeignet, zur Lösung des Schnittstellenproblems beizutragen? Literaturempfehlungen Gaitanides, M.: Prozessorganisation, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 1208-1218. Hansen, H.R., Neumann, G.: Wirtschaftsinformatik 1, Grundlagen und Anwendungen, 10. A., Stuttgart 2009. Küpper, H.-U., Helber, S.: Ablauforganisation in Produktion und Logistik, 2. A., Stuttgart, New York 1995. <?page no="384"?> Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle 1 Gestaltungsmöglichkeiten 2 Funktionale Organisation 3 Divisionale Organisation 4 Matrixorganisation 5 Sekundärorganisation 6 Zusammenfassung 1 Gestaltungsmöglichkeiten Die Organisationsstrukturen, denen wir in der Praxis begegnen, sind nicht auf dem Reißbrett entstanden, sie sind vielmehr das Ergebnis einer historischen Entwicklung, in deren Verlauf es erforderlich wurde, auf die Veränderungen und Anforderungen der Umwelt adäquat zu reagieren. Im Prinzip hat jedes Unternehmen eine individuelle Organisation und eine eigenständige Organisationsentwicklung. Bei typisierender Betrachtung lassen sich jedoch drei Grundmodelle identifizieren, die als Ordnungsmuster für die praxisrelevanten Organisationskonzepte gelten können. Wir bezeichnen diese Grundmodelle als traditionell oder als klassisch, da sie bisher fast ausschließlich Gültigkeit hatten. Seit einigen Jahren deuten sich jedoch mehr oder weniger starke Trends zu einer Neuausrichtung der Organisationsmodelle an. Mit diesen „modernen” Organisationsmodellen werden wir uns im nächsten Kapitel befassen. Die traditionellen Organisationsmodelle lassen sich nach den Gestaltungsparametern der Aufbauorganisation klassifizieren. Je nachdem, welche Ausprägung diese Gestaltungsparameter erfahren, ergeben sich unterschiedliche Konfigurationen. Wir haben folgende Gestaltungsparameter unterschieden (vgl. S. 289ff.): • Den Grad und die Art der Spezialisierung, • den Grad der Delegation und • die Form der Koordination. <?page no="385"?> 360 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Folgende Ausprägungen dieser Gestaltungsparameter stellen Merkmale der Klassifikation dar (vgl. auch Krüger [Organisation] 95ff.): • Spezialisierung: Verrichtungsprinzip oder Objektprinzip, • Delegation: Zentralisation oder Dezentralisation, • Koordination: Einliniensystem oder Mehrliniensystem. Neben den Ausprägungen der Gestaltungsparameter wird noch die Dimensionalität als Klassifikationskriterium verwandt. Ein eindimensionales Organisationsmodell liegt dann vor, wenn auf einer bestimmten Hierarchieebene die Spezialisierung nach einem einzigen Kriterium erfolgt. Bei mehrdimensionalen Organisationsmodellen kommen zwei oder mehr Spezialisierungsprinzipien auf der gleichen Hierarchieebene zur Geltung. Art und Dimensionalität der Spezialisierung werden i.d.R. nach der Gliederung auf der zweiten Hierarchieebene - unmittelbar unter der Unternehmensleitung - ermittelt. Bei einer Betrachtung mehrerer Hierarchieebenen ist letztlich jede Organisation mehrdimensional. Im Folgenden werden drei Organisationsmodelle (auch als Organisationsformen bezeichnet) ausführlich erörtert, die sich jeweils durch eine charakteristische Kombination der genannten Merkmale auszeichnen: Die • Funktionale Organisation, • Divisionale Organisation und • Matrixorganisation. Es handelt sich dabei um Modelle der Primärorganisation, also der dauerhaften, hierarchischen Grundstruktur, die durch verschiedene Formen der Sekundärorganisation, der Organisation für Sonderaufgaben, ergänzt und abgewandelt werden können. Einige Formen der Sekundärorganisation werden am Ende dieses Kapitels beschrieben. 2 Funktionale Organisation Die Funktionale Organisation markiert den Anfang der Entwicklung von Organisationsmodellen. Sie dominierte in jener Zeit, als die Unternehmen angebotsorientiert und kaum diversifiziert ausgerichtet waren. <?page no="386"?> Funktionale Organisation · 361 2.1 Merkmale Die Funktionale Organisation ist durch drei Merkmale gekennzeichnet: • Verrichtungsprinzip, • Einliniensystem, • Zentralisation. 2.1.1 Verrichtungsprinzip Bei der Funktionalen Organisation werden auf der zweiten Hierarchieebene gleichartige Funktionen (Verrichtungen) zusammengefasst und zu deren Wahrnehmung auf organisatorische Einheiten übertragen. Bei der Auswahl dieser Funktionen richtet man sich am Leistungsprozess aus. Klassische Verrichtungsbereiche etwa einer Industrieunternehmung sind: Beschaffung, Produktion, Absatz, Forschung und Entwicklung (FuE), Finanzierung, Personal. Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz FuE Einkauf Lagerhaltung Werk 1 Werk 2 Marketing Marktforschung Vertrieb Produkt A Produkt B Abb. 12-1: Grundmodell der Funktionalen Organisation Die Auswahl der Funktionen hängt von deren Bedeutung für den Leistungsprozess ab. Bei einem Versicherungsunternehmen könnten die Funktionen lauten: Kundenakquisition, Kundenbetreuung, Schadensregulierung, Verwaltung. Auf der dritten Gliederungsebene lassen sich dann organisatorische Einheiten nach Objekten bilden, das heißt z. B: die Funktion „Forschung und Entwick- <?page no="387"?> 362 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle lung” bezieht sich auf das Produkt A und das Produkt B oder die Produktion findet in einem Werk 1 und einem Werk 2 statt. Das Verrichtungsprinzip kann aber auch in einer tieferen Gliederung weitergeführt werden, so dass bspw. im Absatzbereich die Teilfunktionen „Marktforschung”, „Marketing” und „Vertrieb” oder im Beschaffungsbereich die Teilfunktionen „Einkauf” und „Lagerhaltung” gebildet werden. 2.1.2 Einliniensystem Charakteristisch für die Gestaltung der Leitungsbeziehungen in der Funktionalen Organisation ist das Einliniensystem: Eine in der Leitungshierarchie untergeordnete Stelle erhält lediglich von einer einzigen übergeordneten Stelle Anweisungen (Einfachunterstellung). Im Gegensatz dazu wird beim Mehrliniensystem eine Spezialisierung in Form einer Aufteilung der Weisungsbefugnisse vorgenommen. Daraus ergibt sich eine Mehrfachunterstellung. Zum Vergleich von Einliniensystem und Mehrliniensystem vgl. S. 299ff. Um die Instanz bei größeren Unternehmen von ihren Koordinationsaufgaben zu entlasten, werden häufig Stabsstellen eingerichtet, so dass ein Stabliniensystem entsteht. Werden im Rahmen der Sekundärorganisation spezielle Organisationseinheiten mit Koordinationsfunktion und begrenzter fachlicher Weisungsbefugnis geschaffen, wird das Einliniensystem aufgeweicht (z.B. bei der Projektorganisation; vgl. S. 385ff.). 2.1.3 Zentralisation Im Organigramm der Funktionalen Organisation kommt nur das Koordinationsinstrument der persönlichen Weisung zum Ausdruck. Weitere für die Funktionale Organisation typische Koordinationsinstrumente sind Pläne (Budgets) und Programme (Verhaltensrichtlinien) sowie die Selbstabstimmung in Form von Ausschüssen. Die funktionale Professionalisierung (z.B. Ingenieure im Fertigungsbereich) erleichtert die Abstimmung innerhalb eines Funktionsbereichs, erschwert aber möglicherweise die Verständigung zwischen unterschiedlichen Funktionsbereichen. Die Unternehmensleitung hat in der Funktionalen Organisation die Aufgabe, die verschiedenen Funktionsbereiche zu koordinieren. Kein Funktionsbereich kann eigenständig die vollständige Marktleistung erbringen. Da nur die Unternehmensleitung den Überblick über die Unternehmung als Ganzes hat, sind die Entscheidungsbefugnisse weitgehend zentralisiert. Die Unternehmensleitung gibt <?page no="388"?> Funktionale Organisation · 363 die Ziele, Strategien und Maßnahmen vor, die den Funktionsbereichen lediglich noch Spielraum für operative Detailentscheidungen übrig lassen. Um die Fachkompetenz der Funktionsbereichsleiter zu nutzen, können diese allerdings im Leitungsorgan der Unternehmung vertreten sein und dort auch an strategischen Entscheidungen mitwirken. Die Koordination in der Unternehmensleitung erfolgt über Selbstabstimmung, was allerdings aufgrund divergierender Interessen der Funktionsbereiche zu langwierigen Diskussionen und suboptimalen Entscheidungen führen kann. Die Gesamtunternehmenssicht wird dann dadurch gewahrt, dass ein Mitglied der Unternehmensleitung ohne funktionales Ressort zum Sprecher oder Vorsitzenden mit besonderen Kompetenzen ernannt wird (vgl. Bühner [Organisationslehre] 134). 2.2 Vorteile, Nachteile (1) Vorteile (a) Die Ausrichtung der organisatorischen Einheiten auf Funktionen erlaubt die Wahrnehmung von Spezialisierungsvorteilen. Dazu zählen Erfahrungs- und Lerneffekte sowie Fixkostendegressionseffekte. Die Bereitstellung von Personal ist erleichtert, weil i.d.R. Funktionsspezialisten ausgebildet werden. (b) Die Anknüpfung der Organisation am Realgüterprozess schafft günstige Voraussetzungen für eindeutige Zuständigkeiten und damit für ein „reibungsloses Funktionieren” der einzelnen Wertschöpfungsprozesse. (2) Nachteile (a) Das Spezialistentum und die eng begrenzten Zuständigkeiten führen aber auch zu mangelnder Gesamtsicht und fehlendem Verständnis für die anderen Funktionsbereiche (Ressortegoismus). Dies ist problematisch, weil die einzelnen Bereiche auf Zusammenarbeit angewiesen sind. (b) Die Gliederung nach Funktionen führt in Verbindung mit dem Einliniensystem zu einer Überlastung der Unternehmensspitze. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sog. Kamineffekt: Die Unternehmensleitung zieht die Entscheidungen an sich und wird deshalb von der Beschäftigung mit Tagesfragen absorbiert, so dass die Kontroll- und Steuerungsfähigkeit leidet. Dies bedeutet auf der anderen Seite auch, dass auf der mittleren Führungsebene kein Führungskräftenachwuchs heranwächst. (c) Die beträchtliche Distanz einzelner Funktionen zum Markt begünstigt einen Mangel an Markt- und damit Wettbewerbsorientierung. Die Er- <?page no="389"?> 364 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle füllung der Funktionen wird quasi zum Selbstzweck. So kann sich etwa im Forschungsbereich ein primär ingenieurwissenschaftlich ausgerichtetes Denken entwickeln, welches vor allem danach fragt, was technisch machbar ist und nicht danach, was der Kunde honoriert. (d) Bei der Funktionalen Organisation sind infolge der starken Interdependenzen zwischen den Teilbereichen die Voraussetzungen für die Einrichtung von erfolgsorientierten autonomen Subsystemen nicht gegeben. Die Subsysteme können höchstens an der Einhaltung von Kostenbudgets gemessen werden (Cost Center). Die Vorteile, die man sich von der Bildung erfolgsorientierter autonomer Subsysteme verspricht (Motivation, Innovationskraft, unternehmerisches Denken der Mitarbeiter), kann man in der Funktionalen Organisation demnach nur schwer erlangen. Trotz der genannten Schwächen präferieren viele kleine und mittelgroße Unternehmen die Funktionale Organisation. Insbesondere wenn sie nur über ein eng begrenztes Produktionsprogramm verfügen, ist dies auch durchaus sinnvoll, weil dann die Spezialisierungsvorteile die Nachteile überkompensieren. Eine zentrale Leitung ist bei kleinen und wenig komplexen Unternehmen durchaus zu leisten. Die Gewichtung der Vor- und Nachteile ändert sich allerdings mit zunehmender Unternehmensgröße und zunehmender Diversifikation des Produktionsprogramms. 3 Divisionale Organisation Die Divisionale Organisation (wörtliche Übersetzung von „divisional organization”) wird auch als Geschäftsbereichsorganisation, Spartenorganisation oder Objektorganisation bezeichnet. Sie hat sich in den 20er Jahren in den USA aus der Funktionalen Organisation herausgebildet. Pioniere waren die Unternehmen „General Motors” und „Du Pont”. Sie lösten sich vom Leitbild der Einproduktunternehmung und erschlossen neue Märkte mit neuen Produkten. Die strategischen Entscheidungen wurden dadurch komplexer und weniger überschaubar. Entsprechend der Feststellung Chandlers „structure follows strategy” musste die Organisationsstruktur den veränderten Strategien Rechnung tragen (vgl. auch die Ausführungen zum situativen Ansatz S. 96ff. und zu den Ursachen des Wandels von Organisationen S. 470ff.). <?page no="390"?> Divisionale Organisation · 365 3.1 Merkmale Die Divisionale Organisation ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Objektprinzip, • Dezentralisation durch Center-Konzepte, • Mehrliniensystem. 3.1.1 Objektprinzip Im Gegensatz zur Funktionalen Organisation werden auf der zweiten Hierarchieebene nicht gleichartige Verrichtungen (Verrichtungsprinzip), sondern gleiche oder verwandte Objekte zu organisatorischen Einheiten, den Sparten (auch als Geschäftsbereiche oder Divisionen bezeichnet), zusammengefasst (Objektprinzip). Die Divisionale Organisation ist durch eine Objektspezialisierung auf der zweiten Hierarchieebene gekennzeichnet. Objekte können u.a. sein: Produkte, Produktgruppen, Kunden, Kundengruppen, Regionen. In der Regel wird nach Produkten bzw. Produktgruppen gegliedert. So lassen sich etwa in einem Automobilunternehmen folgende Sparten bilden: PKW, LKW, Omnibusse. Bei einer Bank kann eine Gliederung in Privatkundengeschäft, Firmenkundengeschäft und Investment Banking vorgenommen werden. Während eine Abgrenzung der Geschäftsbereiche nach Kunden und Kundengruppen selten ist, ist eine Gliederung nach regionalen Gesichtspunkten in der Praxis häufig anzutreffen. Eine derartige Regionalorganisation erlaubt eine stärkere Ausrichtung der Unternehmenspolitik an den spezifischen Anforderungen einzelner Marktsegmente (etwa europäischer und asiatischer Markt). Die Sparten bilden relativ autonome Einheiten, d.h. einzelne Funktionen sind ausschließlich ihnen zugewiesen. Insofern stellen sie Unternehmen im Unternehmen dar. Sie stehen aber unter einheitlicher Leitung und sind rechtlich unselbständig. Die dritte Ebene kann durch Funktionen gebildet werden; in Abb. 12-2 sind dies die Funktionen „Forschung und Entwicklung”, „Produktion” und „Absatz”. Bei großen Unternehmen kann das Objektprinzip aber auch auf mehreren Hierarchieebenen untereinander angewandt werden (Beispiel: Die Sparte „Omnibusse” wird noch weiter gegliedert in Reisebusse und Linienbusse). <?page no="391"?> 366 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Unternehmensleitung Zentralabteilungen Personal Unternehmensplanung Finanzen Beschaffung Sparte A (PKW) Sparte B (LKW) Sparte C (Omnibusse) FuE FuE Produktion Absatz Produktion Absatz Reisebusse Linienbusse FuE Prod. Absatz FuE Absatz Prod. Unternehmensleitung Zentralabteilungen Personal Unternehmensplanung Finanzen Beschaffung Sparte A (PKW) Sparte B (LKW) Sparte C (Omnibusse) FuE FuE Produktion Absatz Produktion Absatz Reisebusse Linienbusse FuE Prod. Absatz FuE Absatz Prod. Abb. 12-2: Grundmodell der Divisionalen Organisation (am Beispiel eines Automobilunternehmens) Nicht alle Funktionen werden den Sparten zugewiesen. Funktionen, die spartenübergreifend gleichartig sind (etwa Personalmanagement), die für die Erfüllung einer einheitlichen Unternehmensstrategie zentral sind (bspw. Unternehmensplanung, Finanzen) oder für die starke Größenvorteile zu erwarten sind (bspw. Mengenrabatte durch große Beschaffungsmengen), werden in sog. Zentralabteilungen zusammengefasst. Über die Zuweisung von Funktionen auf Zentralabteilungen wird der Autonomiegrad der Sparten eingeschränkt. Damit diese tatsächlich als „Unternehmen im Unternehmen” agieren können, sollten ihnen mindestens die zentralen Funktionsbereiche zugeordnet werden. In reinster Form ist die Divisionale Organisation dann verwirklicht, wenn die oberste Unternehmensleitung - evtl. unterstützt von Zentralbereichen - nur die strategische Führung übernimmt, also die Unternehmenspolitik und -strategie formuliert, für das Gesamtunternehmen die Erfolgs- und Finanzplanung sowie die entsprechenden Kontrollen übernimmt, die Geschäftsbereichsleiter einsetzt und über Investitions- und Forschungsschwerpunkte entscheidet, sich dagegen aus dem operativen Geschäft völlig heraushält (vgl. Bühner [Spartenorganisation] 2280). In der Praxis findet aber häufig eine personelle Verflechtung zwischen Unternehmensleitung und Geschäftsbereichsleitung bzw. Zentralbe- <?page no="392"?> Divisionale Organisation · 367 reichsleitung statt. Mitglieder der Unternehmensleitung sind in Personalunion auch Leiter einzelner Geschäftsbereiche oder Zentralbereiche. Dies kann die Koordination zwischen den Sparten erleichtern, widerspricht aber eigentlich dem Dezentralisierungsgedanken der Divisionalen Organisation. 3.1.2 Dezentralisation durch Center-Konzepte Die Bildung organisatorischer Einheiten nach dem Objektprinzip schafft Voraussetzungen für die Verwirklichung von Center-Konzepten. Von besonderer Bedeutung ist das Profit Center, aber auch Investment Center, Cost Center und Revenue Center sind möglich. Ein Profit Center liegt dann vor, wenn für einen abgegrenzten Objektbereich (etwa eine Produktgruppe) eine Erfolgszurechnung vorgenommen wird. Dies setzt voraus, dass einer Sparte mindestens die Produktionsfunktion und die Absatzfunktion zugewiesen werden. Steht dem Spartenleiter auch die Kompetenz der Gewinnverwendung zu, so liegt ein Investment Center vor. In diesem Falle ist der Grad der Selbständigkeit eines Centers besonders stark ausgebildet. Bei Cost Centern wird eine organisatorische Einheit über die Kosten gesteuert. Es sind entweder bestimmte Kostenbudgets einzuhalten oder die Kosten sind bei vorgegebenem Leistungsvolumen und fixierter Qualität zu minimieren. Dieses Center-Konzept eignet sich v.a. für jene Zentralbereiche, deren Beitrag zum Gesamterfolg nur schwer messbar ist, wie z.B. für die Personalabteilung, die Rechtsabteilung oder den Werksschutz (vgl. Müller [Führungsorganisation] 76f.). Revenue Center werden auch als Leistungscenter bezeichnet. Die organisatorische Einheit hat den Umsatzerlös zu verantworten. Voraussetzung für ein Revenue Center ist die Bestimmbarkeit des Leistungsprogramms nach Art, Quantität und Qualität. In Abb. 12-3 sind vier Arten von Center-Konzepten, die entsprechenden Maßgrößen für Verantwortung und Anreize sowie die jeweilige Entscheidungskompetenz genannt. Insbesondere die Maßgröße „Erfolg” macht deutlich, dass das Center-Konzept Elemente des Marktes in die Organisation einbezieht. Voraussetzung für die Eignung der in Abb. 12-3 genannten Maßgrößen ist die Übertragung von Zuständigkeit für die Beeinflussung dieser Maßgrößen. Die Motivation der Manager kann dann durch eine erfolgsbasierte Bezahlung gesteigert werden. Dadurch werden auch günstigere Voraussetzungen für die <?page no="393"?> 368 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kontrolle geschaffen. Es findet eine Ergänzung der unternehmensinternen Kontrolle durch die Marktkontrolle statt. Arten von Center Maßgrößen für Verantwortung und Anreiz Entscheidungskompetenz Profit Center Erfolg (z.B. Betriebsergebnis, RoI, Verlust) Beschaffungs-, Produktions- und Absatzentscheidung Investment Center Rentabilität des eingesetzten Kapitals Neben den Beschaffungs-, Produktions- und Absatzentscheidungen auch Investitionsentscheidungen Cost Center Kosten (z.B. Einhaltung von Kostenbudgets) Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses Revenue Center (Leistungscenter) Erlös (z.B. Vorgabe eines Mindesterlöses bei gegebenem Absatzprogramm) Wahl der absatzpolitischen Instrumente bei gegebenem Absatzprogramm Abb. 12-3: Center-Konzepte Problematisch ist bei den Center-Konzepten allerdings die exakte Zurechnung von Kosten und Erlösen auf die Organisationseinheiten, insbesondere bei internem Leistungsaustausch zwischen den Profit Centern oder zwischen den Zentralbereichen und den Profit Centern. Sind die Zentralbereiche stark ausgeprägt, kann von einer wirklich autonomen Gewinnverantwortung der Spartenleiter oft gar nicht mehr die Rede sein. Über die Festlegung der Verrechnungspreise für die internen Leistungen hat die Zentrale zudem die Möglichkeit, die Erfolgsgröße selbst zu beeinflussen. Aus Sicht der Spartenleiter ergibt sich daraus ein Agency-Problem, denn bei erfolgsbasierter Bezahlung könnte die Zentrale daran interessiert sein, den Erfolg durch hohe Verrechnungspreise nach unten zu manipulieren. Im Rahmen des entscheidungslogischen Ansatzes (vgl. S. 117ff.) wird besonders problematisiert, wie die Zentrale gesamtunternehmensbezogene Ziele durchsetzen kann, wenn die Entscheidungskompetenz sehr weitgehend dezentralisiert ist, wie das etwa bei Investment Centern der Fall ist (vgl. Laux/ Liermann [Grundlagen] 418ff.). Es wird also auf die Agency-Probleme hingewiesen, die der Zentrale entstehen, wenn die Manager einen großen Handlungsspielraum haben. <?page no="394"?> Divisionale Organisation · 369 3.1.3 Mehrliniensystem Aufgrund der Dezentralisierung entwickelt die Divisionale Organisation „Fliehkräfte”, d.h. die Ziele der Gesamtunternehmung werden durch egoistisches Verhalten der Sparten vernachlässigt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Spartenegoismus. Es ist daher immer wieder für eine Koordination im Hinblick auf die Ziele der Gesamtorganisation zu sorgen. Die Koordination der Sparten erfolgt v.a. über Pläne, Märkte (Verrechnungspreise) und personelle Verflechtungen. Eine wichtige Rolle bei der Koordination spielen die Zentralabteilungen. Ihnen obliegt z.T. die Wahrnehmung von Planungs- und Kontrollaufgaben im Gesamtinteresse des Unternehmens, also in einem spartenübergreifenden Sinn. Williamson (vgl. [Institutionen] 249) sieht die Hauptaufgabe der Zentralbereiche darin, durch Anreize und Kontrollen den Opportunismus der Sparten zu dämpfen. Ihre koordinierende Wirkung liegt daneben in der Bereitstellung einer einheitlichen „Infrastruktur” für das Unternehmen, etwa eines einheitlichen Berichtswesens für das Controlling, von einheitlichen Prozeduren für Investitionsentscheidungen oder der Sicherstellung einer einheitlichen Verwendung einer bestimmten Software. Damit diese Infrastruktur auch implementiert wird, verfügen die Zentralbereiche über begrenzte fachliche Weisungsbefugnisse gegenüber den Sparten. In dem Umfang, wie den Zentralabteilungen Kompetenzen zugewiesen werden, findet eine Einschränkung des Autonomiegrades der Sparten statt. Die Kombination von Dezentralisation und Zentralisation führt so zu einem Mehrliniensystem. Die Divisionale Organisation rückt damit je nach Umfang der Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse der Zentralabteilungen in unterschiedliche Nähe zur sog. Matrixorganisation (vgl. S. 378ff.). In Abb. 12-4 ist die Divisionale Organisation am Beispiel des Siemens-Konzerns dargestellt (2009). <?page no="395"?> 370 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Siemens AG Sparten Power Medical Information and Communications Automation and Control Transportation Zentralabteilungen Corporate Technology Corporate Personnel Corporate Finance Corporate Development Lighting Siemens AG Sparten Power Medical Information and Communications Automation and Control Transportation Zentralabteilungen Corporate Technology Corporate Personnel Corporate Finance Corporate Development Lighting Abb. 12-4: Divisionale Organisation am Beispiel des Siemens-Konzerns 3.2 Vorteile, Nachteile (1) Vorteile (a) Die Gliederung nach dem Objektprinzip ermöglicht die Schaffung von Einheiten mit relativ hoher Autonomie. Nach dem Bedürfniskonzept der Motivation wirkt sich ein hohes Maß an Selbstbestimmung leistungssteigernd aus. Können den Einheiten Erfolge verursachungsgerecht zugerechnet werden, dann ist auch eine bessere Leistungskontrolle und erfolgsbezogene Entlohnung der Manager möglich, was die Motivation ebenfalls fördert. Mit der Schaffung von Transparenz findet eine Stärkung des Kostenbewusstseins statt. (b) Die Bildung überschaubarer Einheiten verbessert Marktnähe und Flexibilität und damit die Wettbewerbsfähigkeit. Mit der Marktnähe verbunden ist die frühzeitige Wahrnehmung von Umweltveränderungen. Flexibilität heißt, die organisatorischen Einheiten können bei ausreichender Autonomie selbständig und rasch auf Umweltveränderungen, etwa auf neue Kundenbedürfnisse reagieren. Es werden die Voraussetzungen für unternehmerisches Denken (entrepreneurship) geschaffen. Die Koordination wird erleichtert, weil kritische Interdependenzen in die Teilsysteme verlegt werden. <?page no="396"?> Divisionale Organisation · 371 (c) Die Delegation von Verantwortung entlastet die Unternehmensführung und ermöglicht so auf der obersten Unternehmensebene die Konzentration auf die Wahrnehmung gesamtunternehmerischer, insbesondere strategischer Aufgaben. Auf der mittleren Führungsebene entstehen Entscheidungsbereiche, welche dem Führungskräftenachwuchs die Chance zur Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten erlauben. Da dies zugleich auch einen höheren Bedarf an fähigen Führungskräften verursacht, kann darin sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil gesehen werden. (d) Die Verselbständigung von Teilbereichen erleichtert eine Reorganisation. Subsysteme können unterschiedlich strukturiert werden, ohne dass dies allzu große Anpassungszwänge im Gesamtsystem hervorruft. Auch eine Aus- und Eingliederung von Teilbereichen fällt leichter. Die Ausgliederung kann über die rechtliche Verselbständigung bis hin zur Veräußerung getrieben werden (vgl. dazu die Holding S. 372ff.). (2) Nachteile (a) Die relative Autonomie der Sparten begünstigt nicht nur die Mobilisierung des marktwirtschaftlichen Denkens, sie fördert auch den sog. Spartenegoismus. Diese Gefahr ist besonders groß, wenn die Sparten direkt am Markt konkurrieren. Sie tritt aber auch schon dadurch auf, dass die Sparten z.T. auf gemeinsame Ressourcen zugreifen müssen und um diese konkurrieren. Diese Kosten der Dezentralisierung nennt man „influence costs” (vgl. Milgrom/ Roberts [Organization] 192ff.). Damit gehen Synergieeffekte verloren. (b) Um die weit gehende Autonomie der Sparten zu sichern, ist in Kauf zu nehmen, dass verschiedene Funktionen parallel in den Sparten wahrgenommen werden. Auf die Größen- und Spezialisierungsvorteile der Funktionalen Organisation muss man damit verzichten. Dieser Tendenz soll die Bildung von Zentralabteilungen, deren Aufgabe in der Wahrnehmung spartenübergreifender Verrichtungen liegt, entgegenwirken. (c) Der Balanceakt zwischen Dezentralisierung (durch Spartenbildung) und Zentralisierung (durch Schaffung von Zentralabteilungen) gelingt nur bei einer ausgeprägten Kooperationsbereitschaft zwischen den verschiedenen Unternehmensebenen. Ansonsten ist mit einem Bruch zwischen den strategischen Plänen auf zentraler Ebene und den operativen Handlungen auf dezentraler Ebene zu rechnen. Diese Gefahr wird durch den Umstand gefördert, dass sich Erfolg und Misserfolg nur schwer den Zentralabteilungen und den dezentralen Geschäftsbereichen zuordnen lassen. <?page no="397"?> 372 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Die Divisionale Organisation eignet sich nur für große Unternehmen mit diversifiziertem Leistungsprogramm. Je kleiner die Unternehmen, desto ineffizienter wird die parallele Erfüllung von Funktionen in den verschiedenen Sparten. Ob man die Vorteile oder die Nachteile der Dezentralisierung betont, hängt auch vom Menschenbild ab. Auf der Basis der Agency-Theorie werden insbesondere die Gefahren und Kosten der Dezentralisierung in den Vordergrund gerückt (vgl. S. 157f.). 3.3 Weiterentwicklung der Divisionalen Organisation zur Holding 3.3.1 Entstehung der Holding Die Holding stellt eine Weiterentwicklung der Divisionalen Organisation dar. Die in der Divisionalen Organisation angelegte Verselbständigung der Sparten wird konsequent weitergeführt, indem aus den Sparten rechtlich selbständige Einheiten gebildet werden, die gleichwohl unter einheitlicher Leitung stehen. Es handelt sich somit um eine Form der Konzernorganisation. In der Regel entsteht die Holding aus dem Stammhauskonzern. Hier handelt es sich um einen Konzern, bei dem die Muttergesellschaft ein direkt am Markt agierendes Unternehmen darstellt, welches auch operative Tätigkeiten ausführt. Gleichzeitig leitet das Stammhaus rechtlich selbständige Tochtergesellschaften, an denen es Mehrheitsbeteiligungen hält. Die Tochtergesellschaften sind i.d.R. wesentlich kleiner und üben oft eine Teilfunktion für das Stammhaus aus (bspw. Vertriebsgesellschaft). Die Muttergesellschaft übernimmt sowohl die strategische als auch die operative Leitung der Tochtergesellschaften. Wenn der Stammhauskonzern in einen Konzern mit Holdingstruktur überführt wird, werden die operativen Aufgaben der Muttergesellschaft auf Tochtergesellschaften übertragen. Bei der Holding verbleibt dann die Konzernführung und die Verwaltung der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften. Gehen wir als Beispiel von einem Stammhauskonzern aus, der als Kerngeschäft die Herstellung von PKW betreibt. Er erwirbt im Laufe der Jahre Beteiligungen an einem Automobilzulieferer und einem LKW-Hersteller. In Abb. 12-5 ist dargestellt, wie dieser Stammhauskonzern in eine Holdingstruktur überführt werden kann. <?page no="398"?> Divisionale Organisation · 373 Automobilzulieferer Stammhaus PKW-Hersteller Beteiligungen an Tochtergesellschaften B und C LKW- Hersteller Tochtergesellschaft C Muttergesellschaft A Tochtergesellschaft B Holding Beteiligungen an Tochtergesellschaften A, B und C Automobilzulieferer PKW- Hersteller LKW- Hersteller Tochtergesellschaft C Tochtergesellschaft B Tochtergesellschaft A Automobilzulieferer Stammhaus PKW-Hersteller Beteiligungen an Tochtergesellschaften B und C LKW- Hersteller Tochtergesellschaft C Muttergesellschaft A Tochtergesellschaft B Holding Beteiligungen an Tochtergesellschaften A, B und C Automobilzulieferer PKW- Hersteller LKW- Hersteller Tochtergesellschaft C Tochtergesellschaft B Tochtergesellschaft A Abb. 12-5: Vom Stammhauskonzern zur Holding 3.3.2 Begriff und Arten der Holding Eine Holding ist ein Unternehmen, das Beteiligungen an mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen hält („to hold”) und dabei selbst nicht am Markt auftritt, also keine operative Tätigkeit wahrnimmt. Anstelle des Begriffs Holding wird auch von Holding-Obergesellschaft oder Holding-Dachgesellschaft gesprochen. Holding-Gesellschaften oder Beteiligungsgesellschaften sind dann diejenigen Gesellschaften, an denen die Holding beteiligt ist. Die Holding-Struktur bezeichnet den gesamten Komplex aus Holding und Holding-Gesellschaften unter besonderer Berücksichtigung aller formalen und informalen aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen und Beziehungen innerhalb dieses Komplexes. Das zentrale Kriterium zur Klassifikation von Holding-Strukturen ist die Leitungsintensität oder der funktional-inhaltliche Aspekt der Holdingaktivitäten. <?page no="399"?> 374 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Danach kann man unterscheiden: • Finanz-Holding-Struktur und • Management-Holding-Struktur (1) Finanz-Holding-Struktur In der Finanz-Holding-Struktur nimmt die Holding-Obergesellschaft, die Finanz-Holding, keine strategischen Führungsaufgaben bezüglich der Konzern- oder Beteiligungsgesellschaften wahr. Diese sind jeweils selbst für die strategische Orientierung und Steuerung zuständig. Die Aufgabe der Finanz-Holding besteht danach im reinen Halten („to hold” im engeren Sinne) von Anteilen an den Holding-Gesellschaften. Die Holding hat rein finanziellen Charakter als Portfolio von Beteiligungen, welches durch Kauf und Verkauf optimiert werden soll. Die Beteiligungen können von wenigen Prozent bis zu 100 Prozent reichen. Die Holding-Obergesellschaft nimmt ihre Rechte „distanziert” über rein rechtliche Kontrollgremien und Kontrollinstrumente wie Aufsichtsratsmandate, Gesellschafterversammlungen sowie Satzungsgestaltung wahr (vgl. Keller [Holding] 422). (2) Management-Holding-Struktur In der Management-Holding-Struktur übernimmt die Holding-Obergesellschaft, die Management-Holding, die Leitung der gesamten Holding-Struktur. Sie unterscheidet sich von der Finanz-Holding durch die Verantwortung der Holding- Dachgesellschaft für strategische Führungsaufgaben. Die Obergesellschaft hält zumindest die einfache Mehrheit am Gesellschaftskapital ihrer Töchter. Von einem Stammhauskonzern unterscheidet sie sich durch den Verzicht der Holding-Obergesellschaft auf die Wahrnehmung operativer Tätigkeiten. Im Bereich „strategische Planung” ist die Obergesellschaft v.a. für die Entwicklung einer Strategie für die gesamte Holding-Struktur zuständig, für den Kauf und Verkauf von Beteiligungen, für die Zuteilung von Ressourcen an die Holdinggesellschaften und für die Führungskräfteentwicklung. In Abbildung 12-6 ist die Management-Holding-Struktur der Bayer AG dargestellt. Dazu das Unternehmen: „Die Bayer AG definiert die gemeinsamen Werte, Ziele und Strategien des gesamten Konzerns. Drei Teilkonzerne und drei Servicegesellschaften arbeiten eigenverantwortlich unter der Führung der Management-Holding. Der Konzernvorstand wird bei der strategischen Führung des Unternehmens vom Corporate Center unterstützt.“ <?page no="400"?> Divisionale Organisation · 375 Bayer AG Bayer MaterialScience Bayer CropScience Bayer HealthCare Corporate Center Bayer Business Services Bayer Technology Services Currenta Servicegebiete Abb. 12-6: Beispiel einer Management-Holding-Struktur Die Weiterentwicklung im Vergleich zur klassischen divisionalen Struktur sieht Bühner ([Management-Holding] 27ff.) v.a. darin, dass die Zentralbereiche („Servicegebiete“) stark reduziert werden und die Autonomie der Geschäftsbereiche deutlich gestärkt wird. Man verzichtet z.T. bewusst auf die Realisation von Größen- und Synergievorteilen und setzt stattdessen auf die zunehmende Flexibilität und Innovationskraft der kleinen autonomen Einheiten. Die Kunst der Holding-Leitung besteht v.a. darin, die Vorteile des Unternehmensverbundes zu wahren, ohne in die Tochtergesellschaften zu stark hinein zu regieren. 3.3.3 Koordination in der Holding Drei konzernbzw. holdingspezifische Koordinationsinstrumente haben sich herausgebildet (Bea/ Haas [Management] 432): (1) Koordination durch Unternehmensverträge Durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages erhält die Muttergesellschaft eine weit gehende Leitungs- und Weisungsbefugnis gegenüber den abhängigen Gesellschaften. Die Weisungen haben auch dann Gültigkeit, wenn sie eine einzelne Gesellschaft benachteiligen, insgesamt aber dem Vorteil des gesamten Konzerns dienen (§ 308 Abs. 1 AktG). Oft wird in Verbindung mit dem Beherrschungsvertrag oder isoliert davon ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, durch den sich die abhängige Gesellschaft verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an die Muttergesellschaft abzuführen (§ 291 Abs. 1 AktG). Dadurch kommt es zusätzlich zu einer steuerlichen Organschaft. <?page no="401"?> 376 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle (2) Koordination durch Finanzhoheit Die Allokation der Finanzmittel und damit die Ausübung der Finanzhoheit ist eine Aufgabe der Muttergesellschaft. Dadurch erhält sie auch die materielle Möglichkeit, eigene Ziele gegenüber den Einzelinteressen der Tochtergesellschaften durchzusetzen. (3) Koordination durch Personalunion Die personenidentische Besetzung von Aufsichts- und Geschäftsführungsorganen von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften unterstützt die Abstimmung von Zielen und Aktivitäten innerhalb des Konzerns. So können bspw. Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft Positionen im Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaften übernehmen. Die Einsetzbarkeit der erörterten Koordinationsinstrumente und damit die potenzielle Führungsintensität sowie der Grad der Abhängigkeit der Tochtergesellschaften von der Mutter hängen entscheidend von der rechtlichen Ausgestaltung der Regelungen zwischen diesen Gesellschaften ab. 3.3.4 Vorteile, Nachteile (1) Vorteile (a) Marktnähe und Ergebnisverantwortung fördern die Anpassungsfähigkeit der Tochtergesellschaften an Veränderungen im Wettbewerbsumfeld. Darüber hinaus ist, ähnlich der herkömmlichen Spartenorganisation, eine bessere Anpassung der eigenen Wertschöpfungskette an jene der Marktpartner, insbesondere der Abnehmer möglich (vgl. dazu Porter [Wettbewerbsvorteile] 61). Besondere Bedeutung hat die Flexibilität bezüglich der Aufnahme neuer bzw. dem Ausscheiden bestehender Geschäftsbereiche. Käufe und Verkäufe von Geschäftsbereichen sind bei rechtlich selbständigen Sparten leichter und schneller durchführbar als bei einer herkömmlichen Spartenorganisation. Die Holdingstruktur bietet auch günstige Voraussetzungen für Spin-offs und Management-Buy-Outs. (b) Die rechtliche Verselbständigung von Geschäftsbereichen stärkt das unternehmerische Handeln in den Holdinggesellschaften. In einer Holding wird vielen kleinen Unternehmensbereichen der Vorzug gegeben vor wenigen großen Geschäftsbereichen. Diese kleinen Bereiche sind überschaubar und konzentrieren sich auf einen unternehmerischen Kernbereich. Sie können Veränderungen in den Kundenbedürfnissen rasch wahrnehmen und individuell auf Nachfragepräferenzen reagieren. Durch die abnehmende Bedeu- <?page no="402"?> Divisionale Organisation · 377 tung der Zentralbereiche wird das Verantwortungsbewusstsein der dezentralen Bereiche gestärkt. Motivation und Innovationskraft der Mitarbeiter werden gefördert. (c) Die Bedeutung von Kooperationen ist durch die Globalisierung gestiegen. Die rechtliche Selbständigkeit der Sparten fördert das Zustandekommen von Kooperationen. Ähnlich wie beim Kauf oder Verkauf von Unternehmensteilen können Entscheidungen schneller getroffen werden. Potenzielle Kooperationspartner lassen sich besser identifizieren, Vorverhandlungen effizienter führen. (d) Die Management-Holding-Struktur ermöglicht die eindeutige Zuordnung des Erfolges zu den einzelnen Holding-Gesellschaften und schafft damit Transparenz. Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses gesondert für jede Holding-Gesellschaft verbessert darüber hinaus die Bewertungsmöglichkeiten der Gesellschaft (des Geschäfts) durch die Kapitalgeber. Handelt es sich bei der Holding-Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft, so treten Publizitätspflichten hinzu. (e) Eine Holding bietet dem Führungskräftenachwuchs zahlreiche attraktive Stellen mit viel Entscheidungsspielraum und hoher Verantwortung. Eine motivierende Erfolgsbeteiligung ist leichter, wenn die Teilbereiche wirklich autonom sind. (2) Nachteile (a) Die problematische Kompetenzabgrenzung zwischen der Management- Holding und den Holding-Gesellschaften kann zu Auseinandersetzungen über die richtige Strategie und damit zu Motivationsproblemen führen. Um Verbundvorteile zu realisieren, kann es notwendig sein, gegen die Einzelinteressen der Gesellschaften zu verstoßen. (b) Beherrschungsverträge sowie Gewinn- und Verlustabführungsverträge fordern einen eventuellen Verlustausgleich zwischen den Gesellschaften. Eine Unterstützung defizitärer Holding-Gesellschaften durch profitable Gesellschaften (Quersubventionierung) kann der Gesamteffizienz schaden und Motivationsprobleme hervorrufen. (c) Die rechtliche Verselbständigung der Sparten erhöht die Distanz zur „strategischen Spitze” und kann damit das Verständnis der Holdingleitung für die Probleme der Holding-Gesellschaften reduzieren. Die Holding-Gesellschaften können auf der anderen Seite leichter ihren eigenen Interessen folgen. Dies kann sogar so weit gehen, dass eine Loslösung von der Holding angestrebt wird. <?page no="403"?> 378 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle So haben sich z.B. Infineon und Epcos im Rahmen eines Spin-off von der Mutter Siemens gelöst. (d) Obwohl mit der Holdingstruktur einer Bürokratisierung begegnet werden soll (vgl. Bühner [Management-Holding] 28f.), besteht doch die Gefahr, dass sich die Holding-Obergesellschaft zu einer großen bürokratischen Konzernzentrale entwickelt. (e) Die zunehmende Autonomie der Geschäftsbereiche macht z.T. einen Verzicht auf Größenvorteile und Synergien notwendig. 4 Matrixorganisation Die Matrixorganisation stellt - wie der Name schon sagt - ein zweidimensionales Organisationsmodell dar. Darin unterscheidet sie sich von der Funktionalen Organisation, für die - wie dargelegt - das Einlinienprinzip Gültigkeit hat. Bei der Divisionalen Organisation hatten wir aber bereits Ansätze für eine Mehrfachunterstellung registriert (vgl. S. 369). Unter einer Matrixorganisation versteht man die Bildung von Organisationseinheiten unter gleichzeitiger Anwendung von zwei Gliederungsprinzipien. 4.1 Merkmale Die Matrixorganisation ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Mehrdimensionalität, • Mehrliniensystem, • Dezentralisation. 4.1.1 Mehrdimensionalität Bei der Matrixorganisation stehen die ausführenden organisatorischen Einheiten im Schnittpunkt zweier Dimensionen. Je nach Konkretisierung dieser Dimensionen unterscheidet man folgende Modelle der Matrixorganisation: • Verrichtungsmatrix in sich, • Verrichtungs-Objektmatrix, • Verrichtungs-Regionalmatrix, <?page no="404"?> Matrixorganisation · 379 • Objekt-Regionalmatrix. In Abb. 12-7 sind die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Matrix-Modelle dargestellt: Die Verrichtungs-Objektmatrix und die Verrichtungsmatrix in sich. Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz FuE A B C Verrichtungs-Objekt-Matrix Verrichtungsbereiche Objektbereiche Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz FuE Verrichtungsbereiche Controlling Personal Verrichtungsbereiche Verrichtungsmatrix in sich Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz FuE A B C Verrichtungs-Objekt-Matrix Verrichtungsbereiche Objektbereiche Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz FuE Verrichtungsbereiche Controlling Personal Verrichtungsbereiche Verrichtungsmatrix in sich Abb. 12-7: Modelle der Matrixorganisation Bei der Verrichtungs-Objektmatrix findet eine Kombination von organisatorischen Einheiten statt, die nach Objekten und nach Verrichtungen gebildet werden. Als Objekte kommen bspw. Kunden, Produkte und Regionen in Frage. In Abb. 12-7 sind A, B und C jeweils Produkte, denen die Funktionsbereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und FuE gegenüberstehen. Die verrichtungsorientierten Matrixstellen bilden i.d.R. die vertikale Dimension im Organigramm der Matrix. Sie werden häufig als Linieninstanz bezeichnet, während die objektorientierten Matrixstellen „Matrixinstanz” genannt werden (vgl. Scholz [Matrix-Organisation] 1303). Die Matrixstellen koordinieren entlang ihrer jeweiligen Dimension. Bereits bei der Divisionalen Organisation ist uns die Verrichtungs-Objektmatrix in den Grundzügen begegnet; dort sind die Sparten für <?page no="405"?> 380 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle die Objekte zuständig, die Verrichtungen sind z.T. in den Zentralabteilungen untergebracht. Bei der Verrichtungsmatrix in sich werden zwei verrichtungsorientierte Organisationseinheiten miteinander kombiniert. Dies ist nur sinnvoll, wenn die eine Gruppe der Verrichtungen Querschnittsfunktionen wahrnimmt. Dies trifft in unserem Beispiel für das Controlling und das Personal zu. Findet eine Kombination von drei Dimensionen statt, entsteht eine Tensororganisation. In Abb. 12-8 ist eine denkbare Ausprägung einer Tensororganisation dargestellt, nämlich eine Verrichtungs-Objekt-Regionalmatrix. Unternehmensleitung Zentralbereich I Produkt A Zentralbereich II Zentralbereich III Produkt B Produkt C Region 1 Region 2 Region 3 Unternehmensleitung Zentralbereich I Produkt A Zentralbereich II Zentralbereich III Produkt B Produkt C Region 1 Region 2 Region 3 Abb.12-8: Die Tensororganisation 4.1.2 Mehrliniensystem Aus dem Merkmal der Mehrdimensionalität ergibt sich zwangsläufig die Verwirklichung des Mehrliniensystems in der Matrixorganisation. Ein Mitarbeiter in der Matrixzelle erhält Weisungen von zwei sich kreuzenden Weisungslinien. Bei der Tensororganisation handelt es sich gar um drei Weisungslinien. Beim Mehrliniensystem der Matrixorganisation steht nicht so sehr der Spezialisierungseffekt bei den Führungsaufgaben im Vordergrund, sondern vielmehr der Koordinationseffekt, der sich durch die Mehrfachunterstellung ergeben soll. Die Koordination in der Matrixorganisation vollzieht sich häufig in Form der Selbstabstimmung im Rahmen eines Koordinationsausschusses, der aus den unterschiedlichen Matrixstellen und Mitarbeitern der Matrixzellen gebildet wird. Der durch die Mehrfachunterstellung der Mitarbeiter institutionalisierte Kon- <?page no="406"?> Matrixorganisation · 381 flikt soll gerade dazu beitragen, Abstimmungsbedarf frühzeitig erkennen zu lassen. Die beiden Matrixdimensionen sollen grundsätzlich gleichberechtigt sein (vgl. Leumann [Matrix-Organisation] 3). Dies bedeutet aber nicht, dass bei jedem Problem beide Matrixstellen genau die gleichen Kompetenzen besitzen müssen. Verbreitet ist die Kompetenzabgrenzung mittels „W-Fragen”. Die Linieninstanzen entscheiden bspw. über das Wer und Wie, die Matrixinstanzen über das Was und Wann. Von Leumann (vgl. [Matrix-Organisation] 76f.) wird eine solche strikte Trennung von Zuständigkeiten allerdings abgelehnt, weil sie dem Grundgedanken der Matrixorganisation entgegenläuft. Aus dem gleichen Grund lehnt er auch die eindeutige disziplinarische Unterstellung der Mitarbeiter unter eine Matrixstelle ab. Die Konflikte sollen in einem ausgeprägten Willensbildungsprozess ausgetragen werden, bei welchem fachliche Kompetenz und Überzeugungskraft mehr Gewicht haben sollen als formale Autorität (vgl. Leumann [Matrix-Organisation] 104f.). 4.1.3 Dezentralisation Die Matrixorganisation sieht zwar keine den Center-Konzepten vergleichbare dezentrale Einheiten vor, doch bietet der Aufbau der Matrixorganisation die Möglichkeit, Probleme relativ hierarchiefrei in Gruppen zu lösen (vgl. Scholz [Matrix-Organisation] 1305). An diesen Gruppenentscheidungen partizipieren i.d.R. auch die ausführenden Mitarbeiter in den Matrix-Schnittstellen. Aus Sicht der Unternehmensleitung findet eine starke Delegation statt, weil nicht nur die operativen Tätigkeiten, sondern auch die Koordinationsaufgaben weitgehend den untergeordneten Stellen übertragen werden. In der teamorientierten und dezentralen Ausrichtung der Matrixorganisation wird auch der große Vorzug dieses zweidimensionalen Grundmodells der Organisation gesehen. 4.2 Vorteile, Nachteile (1) Vorteile (a) Die bewusste Schaffung von Konflikten ist die Grundidee mehrdimensionaler Organisationsmodelle. Durch diese Strukturierung sollen kreative Problemlösungen gefördert werden. Der u.U. langwierige Willensbildungsprozess führt im besten Fall zu einem allseits getragenen Konsens, der die Entscheidungsdurchsetzung erleichtert. Die Gefahr langwieriger unfruchtbarer Diskussionen ist aber nicht von der Hand zu weisen. <?page no="407"?> 382 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle (b) Die Gleichberechtigung unterschiedlicher Instanzen weicht die traditionelle Hierarchie auf. Entscheidungen werden fast immer als Gruppenentscheidungen getroffen mit starker Partizipation der Mitarbeiter. Die Sachkompetenz gewinnt stärkeres Gewicht als die formale Autorität. (2) Nachteile (a) Die Mehrfachunterstellung der organisatorischen Einheiten lässt die Kompetenzabgrenzung z.T. offen. Konflikte und Machtkämpfe zwischen den beiden Dimensionen „auf dem Rücken” der organisatorischen Einheit in den Schnittpunkten der Matrixstruktur sind daher wahrscheinlich. (b) Erfolge und Misserfolge lassen sich nur schwer eindeutig zuordnen. Das „Herumreichen des Schwarzen Peters” wird gelegentlich als Hauptmerkmal der Matrixorganisation festgestellt. (c) Eine Matrixorganisation ist kompliziert und wegen der zahlreichen Führungsstellen auch kostspielig. Die ständigen Konflikte können zu einem starken Absicherungsbedürfnis der Organisationsmitglieder führen, was einer Bürokratisierung Vorschub leistet. Insgesamt ist festzustellen, dass die Matrixstruktur nur dann die Erwartungen erfüllen kann, wenn eine sog. Matrixkultur verbunden mit einer offenen Informationskultur die Matrixstruktur mit Leben füllt, d.h. ein kooperativer Führungsstil und entsprechende persönliche und fachliche Qualifikationen der Mitarbeiter das Verhalten bestimmen. Konflikte müssen als Chance zur Verbesserung der Lösung und nicht als Störung interpretiert werden. Um die Probleme der Matrixstruktur zu mildern und zugleich die Vorzüge der Mehrdimensionalität zu nutzen, wird in der Praxis häufig einer Dimension ein Kompetenzübergewicht eingeräumt. Die zweite Dimension kommt dann nur in einer die Primärorganisation ergänzenden Sekundärorganisation zum Ausdruck. Die Übergänge zwischen einer klassischen Matrixorganisation und den verschiedenen Kombinationen von Primär- und Sekundärstrukturen sind allerdings fließend. Im Folgenden sollen einige Formen der Sekundärorganisation kurz vorgestellt werden. <?page no="408"?> Sekundärorganisation · 383 5 Sekundärorganisation 5.1 Begriff Der Begriff der Sekundärorganisation ist unscharf. Häufig wird er verwendet für Ausschüsse, Komitees und ähnliche Gremien, deren Mitglieder - im Gegensatz zur Primärorganisation nicht ständig zusammenarbeiten, sondern sich nur zu bestimmten Terminen treffen. Die Sekundärorganisation muss aber nicht in Form einer Personenmehrheit auftreten. Die Aufgaben der Sekundärorganisation bestehen in der schnittstellenübergreifenden Koordination und in der Bearbeitung von innovativen oder selten auftretenden Spezialaufgaben. Als „sekundär” werden diese Organisationseinheiten nicht deshalb bezeichnet, weil sie unwichtig sind. Vielmehr steckt dahinter die Vorstellung, dass die stabile Organisationsstruktur zunächst (primär) auf die effiziente Abwicklung der Routineaufgaben ausgelegt ist und dabei zunächst (primär) auf die Koordination über die hierarchischen Leitungsbeziehungen setzt. Diese stabile hierarchische Primärorganisation (z.B. eine Funktionale Organisation) ist dann je nach Situation mehr oder weniger ergänzungsbedürftig. Zum einen fallen immer mal komplexe Sonderaufgaben (Projekte) an (etwa Bau eines neuen Werkes, Umstellung auf ein neues Produktionsverfahren), für welche organisatorische Zuständigkeiten geschaffen werden müssen. Zum anderen führt jede Art von eindimensionaler Spezialisierung zwangsläufig zu Schnittstellen im Hinblick auf andere Dimensionen, die nach zusätzlichen Koordinationsmaßnahmen verlangen. Bei einer Funktionalen Organisation fehlt es bspw. an einer Stelle, die funktionsübergreifend für ein Produkt zuständig ist. Bei einer Produktspezialisierung kann es zu Schnittstellen im Hinblick auf bestimmte Kundengruppen oder Regionen kommen, die produktübergreifend koordiniert werden müssen. Für diese Koordinationsaufgabe werden eigene Stellen oder Ausschüsse geschaffen. Nach diesem Verständnis umfasst die Sekundärorganisation v.a. hierarchieergänzende und hierarchieübergreifende Organisationsstrukturen (vgl. Schulte-Zurhausen [Organisation] 301). Die Überlagerung der Primärorganisation durch eine Sekundärorganisation ist nicht unproblematisch, da Abstimmungskonflikte hervorgerufen werden. Sollen sie vermieden werden, ist der Einsatz eines effizienten Koordinationsmechanismus unerlässlich. Im Sinne eines hierarchieergänzenden Koordinationsinstrumentes könnte auch die Unternehmenskultur zur Sekundärorganisation gerechnet werden. Bei einer <?page no="409"?> 384 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle kooperativen Kultur lassen sich bspw. die Schnittstellen auch durch informale Kommunikation überwinden. Hier soll es jedoch um die geplanten, formalen Einrichtungen der Sekundärorganisation gehen. Beispielhaft sollen folgende Formen der Sekundärorganisation vorgestellt werden: • Produktmanagement, • Key-Account-Management, • Projektmanagement. 5.2 Formen 5.2.1 Produktmanagement Das Produktmanagement übernimmt die produktbezogene, funktionsbereichsübergreifende Koordination aller Aktivitäten in einem funktional gegliederten Unternehmen oder Geschäftsbereich. Die Koordination erfolgt entweder über spezielle Produktmanager, die häufig als Stabsstelle der obersten Unternehmensleitung oder der Absatzleitung zugeordnet sind, oder sie erfolgt durch Selbstabstimmung in einem Produktausschuss. Bei reinem Stabs- Produktmanagement hat der Produktmanager nur indirekt Einfluss, indem er die Entscheidungen der Instanz vorbereitet. Dem Produktmanager können aber auch begrenzte fachliche Weisungsbefugnisse erteilt werden. Je nach Ausprägung der Kompetenzen des Produktmanagers nähert sich diese Organisationsform der Matrixorganisation an (vgl. Schulte-Zurhausen [Organisation] 309ff.). 5.2.2 Key-Account-Management Während beim Produktmanagement eine die Funktionen übergreifende produktbezogene Koordination erfolgt, um den Verschiedenheiten der Produkte Rechnung zu tragen, findet beim Key-Account-Management (Kundenmanagement) eine kundenbezogene Koordination statt. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass einzelne Kunden (insbesondere Schlüsselkunden) eine spezielle Betreuung erfahren. Die institutionellen Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Querschnittsaufgabe werden durch die Bestellung von Key-Account-Managern geschaffen. Der Vorteil für den Kunden besteht darin, dass Schnittstellen, die ein Kunde überwinden müsste (unterschiedliche Zuständigkeiten), beseitigt werden. Der Unternehmung ihrerseits eröffnet sich die Chance, das Kundenprofil differenzierter und individueller erfassen und damit auch nutzen zu können. Auf dieser Basis lassen sich dann zielgruppenspezifische Marketingkonzepte entwickeln. <?page no="410"?> Sekundärorganisation · 385 Das Key-Account-Management bedient sich heute v.a. der Prozessorganisation, um die Voraussetzungen für die Kundenorientierung zu schaffen. Die einen Kundennutzen stiftenden Prozesse werden kundenorientiert zusammengefasst und einem Prozessverantwortlichen übertragen (zur Prozessorganisation vgl. S. 406ff.). 5.2.3 Projektmanagement Projekte sind neuartige, einmalige, zeitlich befristete und komplexe Vorhaben, die innerhalb einer bestehenden Organisation nicht ohne weiteres abgewickelt werden können bzw. sollen. In der Regel ist daher eine besondere Projektorganisation erforderlich, die je nach Grad der organisatorischen Verselbständigung des Projektes gegenüber der Primärorganisation und je nach projektinterner Strukturierung unterschiedliche Formen annehmen kann. Wir unterscheiden folgende Grundformen der Projektorganisation (vgl. Bea/ Scheurer/ Hesselmann [Projektmanagement] 62ff.): • Die Stabs-Projektorganisation, • die Matrix-Projektorganisation, • die Reine Projektorganisation. (1) Die Stabs-Projektorganisation (Abb. 12-9) greift am wenigsten in die bestehenden Strukturen ein. Die Hierarchie wird lediglich um die Stabsstelle eines Projektkoordinators ergänzt. Seine Aufgabe besteht darin, die mit Projektaufgaben betrauten Mitarbeiter mit Informationen zu versorgen und ihre Aktivitäten aufeinander abzustimmen. Da der Stab jedoch über keine formalen Weisungsbefugnisse verfügt, spricht man auch vom Einfluss- Projektmanagement. (2) Die Matrix-Projektorganisation (Abb. 12-10) entsteht durch Überlagerung von zwei Gliederungsmerkmalen. Die Mitarbeiter bleiben auf ihren Stellen in der Primärorganisation, bspw. in den Funktionsbereichen. Den Projektleitern werden jedoch Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse bzgl. des Projektes zugewiesen. Die Projektmitarbeiter erhalten damit Anweisungen aus zwei Richtungen: zum einen von den Linienstellen der Funktionsbereiche und zum anderen von den Projektleitern. Konflikte zwischen Projektleitung und Funktionsbereichsleitung sind daher vorprogrammiert. <?page no="411"?> 386 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz Vorteile + Einfache organisatorische Umsetzung + Flexibler Personaleinsatz + Stab als Vermittlungsinstanz + relativ hohe Akzeptanz - Problem der Verantwortungsübernahme - Fehlende Identifikation mit Projekt - Verlängerte Reaktionszeit - Spannungsverhältnis Stab-Linie Nachteile Projekt A Abb. 12-9: Stabs-Projektorganisation Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz Vorteile + Mehr Verantwortungsgefühl + Keine Unsicherheit für Mitarbeiter + Gezielte Übertragung von Spezialwissen + Flexibler Personaleinsatz - Konfliktpotenzial wegen Doppelunterstellung - Übergenaue Dokumentation - Herumreichen des „Schwarzen Peters“ Nachteile Projekt A Projekt B Unternehmensleitung Beschaffung Produktion Absatz Vorteile + Mehr Verantwortungsgefühl + Keine Unsicherheit für Mitarbeiter + Gezielte Übertragung von Spezialwissen + Flexibler Personaleinsatz - Konfliktpotenzial wegen Doppelunterstellung - Übergenaue Dokumentation - Herumreichen des „Schwarzen Peters“ Nachteile Projekt A Projekt B Abb. 12-10: Matrix-Projektorganisation (3) Bei der Reinen Projektorganisation (Abb. 12-11) werden alle am Projekt beteiligten Mitarbeiter aus der Primärorganisation ausgegliedert und einer Projektgruppe hauptamtlich zugewiesen. Dem Leiter der Projektgruppe werden weit reichende fachliche und disziplinarische Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse übertragen. Ihm obliegt auch die Verantwortung für das Projekt. Damit entsteht neben der Primärorganisation eine weitere Linienorganisation auf Zeit. <?page no="412"?> Zusammenfassung · 387 Unternehmensleitung F&E Vorteile + Hohe Motivation und Identifikation + Eindeutige Weisungsbefugnis + „Unternehmer im Unternehmen“ - Integration des Projektergebnisses - Wiedereingliederung der Mitarbeiter nach Projektende Nachteile Personal Marketing Finanzen Projekt A Beschaffung Produktion Absatz Projekt B Beschaffung Produktion Absatz Unternehmensleitung F&E Vorteile + Hohe Motivation und Identifikation + Eindeutige Weisungsbefugnis + „Unternehmer im Unternehmen“ - Integration des Projektergebnisses - Wiedereingliederung der Mitarbeiter nach Projektende Nachteile Personal Marketing Finanzen Projekt A Beschaffung Produktion Absatz Projekt B Beschaffung Produktion Absatz Abb. 12-11: Reine Projektorganisation 6 Zusammenfassung In Abb. 12-12 sind die charakteristischen Merkmale sowie die wesentlichen Vorteile und Nachteile der traditionellen Organisationsmodelle im Überblick dargestellt. Unternehmen können zwischen den erörterten Organisationsmodellen wählen. Bei der Berücksichtigung der beschriebenen Vorteile und Nachteile sind folgende Aspekte zu beachten: 1. Eine exakte quantitative Optimierung der Entscheidung zugunsten eines bestimmten Organisationsmodells ist nicht möglich. Zum einen sind i.d.R. viele unterschiedliche - teils qualitative - Ziele nebeneinander zu berücksichtigen. Zum anderen fehlt es an Nachweisen über exakte Ursache- Wirkungs-Zusammenhänge. Welche Wirkung bspw. der Autonomiegrad von Organisationseinheiten auf die Motivation und die Kreativität der Mitarbeiter ausübt, lässt sich quantitativ nicht nachweisen. 2. Die Gewichtung der Vorteile und Nachteile wird wesentlich beeinflusst von der Situation, in der sich ein Entscheidungsträger befindet. So ist bspw. die Entlastung der Führungsspitze durch Dezentralisierung für ein Kleinunternehmen irrelevant, für ein Großunternehmen dagegen von existenzieller Bedeutung. Ein Unternehmen mit engem Produktionsprogramm oder gar mit Einproduktfertigung hat weniger Koordinationsprobleme zu bewälti- <?page no="413"?> 388 · Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle gen, als dies bei einem stark diversifizierten Konzern der Fall ist. In dynamischen Umwelten kommt es stärker auf das unternehmerische Denken der Mitarbeiter an als in statischen Umwelten. Charakteristische Merkmale Wesentliche Vorteile und Nachteile Funktionale Organisation • Eindimensionale Spezialisierung nach Funktionen • Einliniensystem • Zentralisation • Spezialisierungsvorteile • Eindeutige Zuständigkeiten • Mangelnde Gesamtsicht in den Funktionsbereichen • Überlastung der Unternehmensspitze Divisionale Organisation • Eindimensionale Spezialisierung nach Objekten • Mehrliniensystem durch Zentralabteilungen • Dezentralisation durch Center-Konzepte • Marktnähe und Flexibilität • Motivation und unternehmerisches Denken • Entlastung der Unternehmensspitze • Spartenegoismus • Parallelarbeit und Verzicht auf Größenvorteile Matrixorganisation • Mehrdimensionale Spezialisierung nach Funktionen und Objekten • Mehrliniensystem • Dezentralisation durch Selbstabstimmung • Willensbildung durch Gruppen führt zu kreativen und abgestimmten Entscheidungen • Sachkompetenz wird betont • Gefahr destruktiver Konflikte und Machtkämpfe • Unklare Zuständigkeiten begünstigen Abschiebung von Verantwortung • Komplexität und hohe Kosten Abb. 12-12: Die traditionellen Organisationsmodelle im Überblick 3. Die Organisationsmodelle lassen sich kombinieren. In der divisionalen Struktur sind die Zentralbereiche häufig funktional organisiert. Auch begegnen wir in der Praxis dem Phänomen, dass in Unternehmen mit Funktionaler Organisation einzelne Aufgabenbereiche objektorientiert organisiert sind. So findet man in Funktionalen Organisationen nicht selten eine Projektorganisation für die Wahrnehmung eines neuen und spezifischen Aufgabenbereichs, wie etwa die Produktentwicklung. In diesem Fall wird die Primäror- <?page no="414"?> Zusammenfassung · 389 ganisation „Funktionale Organisation” durch die Sekundärorganisation „Projektorganisation” überlagert. 4. Die Modelle lassen sich weiterentwickeln. Eine Anpassung ist erforderlich, wenn sich die Bedingungen für die Organisation allgemein und speziell für ein Unternehmen geändert haben. Im nächsten Kapitel werden Trends in der Organisationsforschung und in der Organisationspraxis beschrieben sowie die daraus abzuleitenden Organisationsmodelle dargestellt. <?page no="415"?> 390 · Fragen zur Wiederholung Fragen zur Wiederholung 1. Wodurch unterscheiden sich eindimensionale von mehrdimensionalen Organisationsmodellen? (1) 2. Die Funktionale Organisation ist nach dem Verrichtungsprinzip aufgebaut, die Divisionale Organisation nach dem Objektprinzip. Worin besteht der Unterschied zwischen dem Verrichtungsprinzip und dem Objektprinzip? (2.1.1 und 3.1.1) 3. Warum entsteht bei der Funktionalen Organisation ein sog. Kamineffekt? (2.2) 4. Welche Funktionen nehmen Zentralabteilungen in der Divisionalen Organisation wahr? (3.1.1) 5. Wodurch unterscheiden sich Profit Center, Investment Center und Cost Center? (3.1.2) 6. Was versteht man unter dem Spartenegoismus im Rahmen der Divisionalen Organisation? (3.1.3) 7. Inwiefern erleichtert die Divisionale Organisation die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten und damit die Förderung des Führungskräftenachwuchses? (3.2) 8. Wie entsteht aus einem Stammhauskonzern eine Holding? (3.3.1) 9. Was versteht man unter der Quersubventionierung bei einer Managementholding? (3.3.4) 10. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen einer Verrichtungsmatrix in sich und einer Verrichtungs-Objektmatrix. (4.1.1) 11. Worin bestehen die Unterschiede zwischen einer Divisionalen Organisation und einer Verrichtungs-Objektmatrix? (4.1.1) 12. Nehmen Sie Stellung zu der These: Eine Matrixstruktur funktioniert nur dann, wenn eine Matrixkultur in einem Unternehmen vorhanden ist. (4.2) 13. Inwiefern stellt das Key-Account-Management eine Sekundärorganisation dar? (5.2.2) <?page no="416"?> Fragen zur Vertiefung · 391 14. Die Stabs-Projektorganisation wird auch als Einfluss-Projektorganisation bezeichnet. Was versteht man unter „Einfluss” in diesem Zusammenhang? (5.2.3) Fragen zur Vertiefung 1. Entwerfen Sie ein Organigramm für einen Supermarkt, der einmal funktional und zum anderen divisional organisiert ist. 2. Durch die Bildung von Profit Centern findet eine Ergänzung der unternehmensinternen Kontrolle um die Marktkontrolle statt. Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, damit die Marktkontrolle „funktioniert”? Stichwort: Verrechnungspreise. 3. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Management by Objectives und der Divisionalen Organisation? 4. Nehmen Sie Stellung zu der These: Das Vordringen der Shareholder- Value-Orientierung begünstigt die Einrichtung von Holdingstrukturen. 5. Nehmen Sie Stellung zu der These: Die Matrixorganisation ist eine Schönwetterorganisation. 6. Die Projektorganisation hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Management by Projects. Als Begründung wird häufig angeführt, Projekte würden das Unternehmertum im Unternehmen (intrapreneurship) fördern. Nehmen Sie dazu Stellung. 7. Man kann Projekte als „selbstorganisierende Systeme“ verstehen, in denen Ordnung „von selbst“ entsteht. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Sichtweise für die Führung in Projekten? 8. Um eine Entscheidung zwischen verschiedenen Organisationsmodellen treffen zu können, benötigt man empirisch fundierte Erkenntnisse über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Welchen Schwierigkeiten begegnet man bei der Erforschung dieser Zusammenhänge? <?page no="417"?> 392 · Literaturempfehlungen Literaturempfehlungen Bea, F.X., Scheurer, S., Hesselmann, S.: Projektmanagement, Stuttgart 2008. Hamel, W.: Funktionale Organisation, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 324-332. Keller, T.: Holding, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 421-428. Krüger, W.: Organisation, in: Bea, F.X., Friedl, B., Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Führung, 9. A., Stuttgart 2005, S. 140- 234. Schulte-Zurhausen, M.: Organisation, 4. A., München 2005. Thommen, J.-P., Richter, A.: Matrix-Organisation, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 828-836. Schewe, G.: Spartenorganisation, in: Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004, Sp. 1333-1341. <?page no="418"?> Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle 1 Trends: Prozessorientierung, Teamorientierung, Empowerment, Dynamisierung, Entgrenzung, Corporate Social Responsibility 2 Neue Organisationsmodelle: Prozessorganisation, Teamorganisation, Selbstorganisation, Lernende Organisation, Kooperationen, Integrity- und Compliance- Strukturen 3 Von traditionellen zu neuen Organisationsmodellen 1 Trends 1.1 Trends als Fortschritt oder Moden Die Managementpraxis ist in einem ständigen Wandel begriffen. Er wird getrieben von „Management-Bestsellern”, die eine „revolutionäre” Idee propagieren und sie unter einem griffigen Schlagwort als Allheilmittel für die Lösung von Problemen in den Unternehmen „verkaufen”. Sie greifen aktuelle Trends auf und werden ihrerseits zum Trendverstärker. Kulturmanagement, Lean Management, Total Quality Management, Business Reengineering, Liberation Management und Corporate Social Responsibility sind einige der bekanntesten Schlagworte des letzten Jahrzehnts. Auch die betriebswirtschaftliche Theorie, insbesondere die Organisationsforschung, ist von solchen Moden nicht frei (vgl. Kieser [Moden]). Die Wirtschaftspraktiker, die ständig auf der Suche nach einer Patentlösung für alle Organisationsprobleme sind, und die Unternehmensberatungen, die sich in einem Wettbewerb der Ideen und Problemlösungen behaupten müssen, tragen gemeinsam zu einer Dynamisierung der Modewellen bei. Für den umweltbezogenen Institutionalismus (vgl. S. 112) und den Strukturationsansatz (vgl. S. 197ff.) stellt die - teils unbewusste - Anpassung der Unternehmen an das, was gerade als modern gilt, eine wichtige Quelle von organisationalem Wandel dar. Die Unternehmen müssen gegenüber der Gesellschaft immer wieder die Legitimität ihrer Ziele und Mittel verteidigen und sind des- <?page no="419"?> 394 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle halb teilweise gezwungen, die jeweils aktuellen „blueprints“ für modernes Organisieren zu übernehmen. Wenn diese Anpassung die Effektivität der Organisation in den Augen der Verantwortlichen nicht verbessert oder sogar herabsetzt, dann begnügen sie sich allerdings nicht selten mit reinen Lippenbekenntnissen zu den modernen Strukturen, während sich tatsächlich so gut wie nichts ändert. Dass auch Theorien dem Auf und Ab von Moden unterliegen und sich nicht einfach gradlinig fortentwickeln, ist ein von der Wissenschaftsforschung in allen Disziplinen registriertes Phänomen (vgl. Krohn/ Küppers [Selbstorganisation]). Dies hat sowohl Nachteile als auch Vorteile. Bezogen auf die Management- oder Organisationsmoden wird kritisiert (vgl. Kieser [Moden]), dass • komplexe Sachverhalte allzu grob vereinfacht werden; es wird oft nur ein ganz bestimmter Schlüsselfaktor in den Vordergrund gestellt. • leichte Umsetzbarkeit suggeriert wird; selbst radikaler organisationaler Wandel wird als ohne weiteres machbar dargestellt. • die Vermarktung im Vordergrund steht; die Kategorien der Wahrheit und Fruchtbarkeit eines Ansatzes treten zurück hinter die Kategorien der Attraktivität und Durchsetzbarkeit auf dem „Markt der Ideen”. Die Dynamik der Moden hat aber nicht nur Nachteile. Es ist nämlich zu erwarten, dass die Fülle der Ideen auch zu einem Erkenntnisfortschritt führt. Dieser Fortschrittsprozess lässt sich auf verschiedene Art und Weise mit den Moden verbinden: • Fortschritt durch Dialektik: Wenn ein in Mode gekommenes Konzept unangenehme Nebenwirkungen zeitigt, entwickelt sich flugs eine „Gegenmode” (vgl. Kieser [Moden] 33). Nach der Methode der Dialektik eröffnet sich damit die Chance, über These und Antithese zur Synthese zu finden und so einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen. • Fortschritt durch Lernen: Die Moden können als Test in einem Versuchs- Irrtums-Prozess interpretiert werden. Organisationsmoden führen zu Experimenten, aus denen (auch schlechte) Erfahrungen gewonnen werden können. • Fortschritt durch Evolution: Evolutionärer Fortschritt ist nur möglich durch Variationen. Die Moden liefern sozusagen den Rohstoff für die Evolution und den Fortschritt. Nicht jeder modische Trend erweist sich automatisch als Fortschritt, aber ohne solche Moden ist ein Fortschritt auch schwer vorstellbar. Selbst wenn alte Erkenntnisse nur neu verpackt werden, kann dies einen Fortschritt bedeuten, weil <?page no="420"?> Trends · 395 immer schon richtige und nützliche Ideen auf einmal durchsetzbar werden, wenn sie eben voll im Trend liegen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Trends der letzten Jahre umrissen werden. Es geht dabei zunächst um eine Darstellung der Ideen und „Leitbilder” (Kieser [Moden] 26). Anschließend wird überlegt, wie sich diese Trends in praktischen Organisationsmodellen konkretisieren lassen. Trends • Prozessorientierung • Teamorientierung • Empowerment • Dynamisierung • Entgrenzung • Corporate Social Responsibility Organisationsmodelle • Prozessorganisation • Teamorganisation • Selbstorganisation • Lernende Organisation • Kooperationen • Integrity- und Compliance-Strukturen Trends • Prozessorientierung • Teamorientierung • Empowerment • Dynamisierung • Entgrenzung • Corporate Social Responsibility Organisationsmodelle • Prozessorganisation • Teamorganisation • Selbstorganisation • Lernende Organisation • Kooperationen • Integrity- und Compliance-Strukturen Abb. 13-1: Aktuelle Trends und neue Organisationsmodelle 1.2 Prozessorientierung Der Begriff „Prozess” hatte in den letzten Jahren Konjunktur: Im Rahmen des Lean-Management-Konzeptes ist die Prozessorientierung ein fundamentales Prinzip (vgl. Pfeiffer/ Weiß [Lean] 63ff.). Das japanische Kaizen verlangt eine ständige Kostensenkung durch kontinuierliche Prozessverbesserung (vgl. Imai [Kaizen]). Porter propagiert eine Orientierung am Wertschöpfungsprozess, um Wettbewerbsvorteile zu generieren (vgl. [Wettbewerbsvorteile]). Im internen Rechnungswesen gilt die Prozesskostenrechnung als zukunftsweisend. Und „Unternehmensprozesse” ist „das wichtigste Wort überhaupt” im Business Reengineering (Hammer/ Champy [Business] 52). Das sog. Supply Chain Management verlangt die konsequente Abstimmung der einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette vom Lieferanten bis zum Nutzer. Unter einem Prozess versteht man eine zusammenhängende Folge von Tätigkeiten, die einen Kundennutzen erzeugen. Mit dem Begriff „Prozess” werden häufig folgende Gedankenverbindungen hergestellt: <?page no="421"?> 396 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle • dynamisch, fließend, • ganzheitlich, integriert, • horizontal und • kundenorientiert. Ein Prozess überdeckt einen Zeitraum mit einem zu definierenden Anfang und Ende. Innerhalb dieses Zeitraums findet eine Veränderung statt, d.h. am Ende des Prozesses steht etwas anderes als am Anfang. Der Prozess umfasst diese dynamische Entwicklung von etwas zu etwas anderem, produktionstheoretisch ausgedrückt die Transformation von Input zu Output durch eine Folge von Aktivitäten. Diese Folge von Aktivitäten steht in einem inneren Zusammenhang. Der Prozess wird näher bestimmt als Bündel von Aktivitäten, als ganzheitliche, integrierte Operationsfolge, die zum gewünschten Output führt. An der Abwicklung von Prozessen sind i.d.R. mehrere Stellen, bei umfangreichen Prozessen auch mehrere Abteilungen oder sogar mehrere Unternehmen beteiligt. Die mit der Wahrnehmung von Funktionen betrauten Prozessbeteiligten müssen daher horizontal und vertikal koordiniert werden. Dies ist eine wesentliche Aufgabe des Prozessmanagements. Der Output des Prozesses soll dabei auf die Lösung eines Kundenproblems gerichtet sein bzw. für den Kunden ein Ergebnis von Wert erzeugen. Auch innerbetriebliche Stellen, die Vorleistungen und Dienstleistungen empfangen, werden als „Kunden” verstanden. Der Grundgedanke der Prozessorientierung besteht darin, dass viele Einzelaktivitäten in den Unternehmen interdependent sind und daher zusammengehören, durch die herkömmliche Arbeitsteilung aber „zerschnitten” werden. Dieser Sachverhalt kann darauf zurückgeführt werden, dass im traditionellen Organisationsprozess die Strukturierung des Aufbaus derjenigen des Ablaufs vorgelagert ist. Der dynamische Aspekt der Prozessabläufe spielt beim Aufbau noch keine Rolle. Daher kann es passieren, dass Abläufe, die logisch zu einem Prozess gehören (z.B. Auftragsabwicklung), sehr viele Schnittstellen zu überwinden haben, weil die Teilaktivitäten auf verschiedene Personen oder Abteilungen verteilt sind. Eine Prozessorganisation verfolgt demnach in erster Linie das Anliegen, eine geringere und v.a. „andere” Arbeitsteilung zu verwirklichen. Die Prozessorientierung kann unter institutionenökonomischen Aspekten analysiert und bewertet werden. Ein Bezug zur Transaktionskostentheorie liegt nahe, weil eine Transaktion als Übertragung eines Gutes oder einer Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg definiert wird (vgl. William- <?page no="422"?> Trends · 397 son [Institutionen] 1). Es ist das Ziel einer Prozessorganisation, die Anzahl der Schnittstellen im Unternehmen und damit zugleich so könnte man sagen die internen Transaktionskosten (Hierarchiekosten) zu reduzieren. Überträgt man interdependente Teilaufgaben in die Verantwortung einer Stelle oder Stellenmehrheit, entfallen die Kosten der „Übergabe” von einer Stelle auf die andere (z.B. durch Zeitverzögerungen, Übergabeverhandlungen, Missverständnisse). Der Transaktionskostenansatz sagt zwar weniger über die interne Arbeitsteilung aus und mehr über die Grenzziehung zwischen Unternehmung und Markt, dennoch kann sein Erklärungspotenzial teilweise auch auf die interne Strukturgestaltung übertragen werden (vgl. Picot/ Dietl/ Franck [Organisation] 63). Auch ein Bezug zur Principal-Agent-Theorie ist möglich. Bei sehr vielen Schnittstellen im Unternehmen und zersplitterter Verantwortlichkeit kann die Leistung eines Organisationsmitgliedes nur schwer kontrolliert und belohnt werden. Die Verantwortung für Fehler lässt sich dann leicht abschieben. Fallen dagegen alle Teilaufgaben eines Gesamtprozesses in die Verantwortung einer Stelle oder Stellenmehrheit, kann die extrinsische Motivation über Kontrolle und materielle Leistungsentlohnung besser zur Geltung kommen, die Agencykosten sind damit geringer (vgl. Picot/ Dietl/ Franck [Organisation] 287f.). Das in der Tradition der Human-Relations-Bewegung stehende Bedürfniskonzept der Motivation verweist dagegen eher auf die intrinsisch motivierende Wirkung der ganzheitlichen Aufgaben, welche die Einbringung verschiedener Fähigkeiten erlauben sowie mehr Selbstbestimmung und mehr Verantwortung zulassen. Die Argumentation beider Ansätze verläuft trotz der ähnlichen Gestaltungsempfehlungen teilweise konträr, denn die von der Agency-Theorie für motivierend gehaltene Fremdkontrolle wirkt nach dem Bedürfniskonzept eher demotivierend. 1.3 Teamorientierung Aufgaben können einzelnen Mitarbeitern oder sog. Stellenmehrheiten übertragen werden. Wenn mehrere Mitarbeiter gemeinsam eine Aufgabe erfüllen und sich untereinander selbst abstimmen, spricht man von Gruppen- oder Teamarbeit. Ein Team ist eine auf Dauer oder vorübergehend zusammengehörige, zahlenmäßig überschaubare Gruppe von Personen, die sich durch eine gemeinsame Zielsetzung, relativ hohe, grundsätzlich aber begrenzte Autonomie und eine spezifische Arbeitsform (Teamwork) auszeichnet. <?page no="423"?> 398 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Gruppenarbeit ist im Prinzip nichts Neues. Taylor berichtet bspw., dass im „alten System” sog. „Rotten” von Arbeitern nebeneinander agierten und als Gruppe entlohnt wurden. Er lehnte die Gruppenarbeit aber entschieden ab, weil nach seiner Meinung das Niveau der Arbeitsleistung vom faulsten Gruppenmitglied bestimmt würde (vgl. [Grundsätze] 76). Ähnliche Bedenken meldet auch die Institutionenökonomik an. Weil bei Teamarbeit jeder von den Anstrengungen der anderen mit profitieren kann, entstehen externe Effekte. Nach dem Menschenbild der Verfügungsrechtstheorie werden sich die Gruppenmitglieder unter diesen Voraussetzungen als Trittbrettfahrer betätigen und ihre Leistung zurückhalten. Der von der Human-Relations-Bewegung inspirierte soziotechnische Ansatz plädierte wiederum nachdrücklich für Gruppenarbeit. Nach einer lebhaften Diskussion der Gruppenarbeit in den 70er Jahren (im Zusammenhang mit der Fertigungsorganisation bei Volvo) geriet die Idee etwas in Vergessenheit und wurde erst in den letzten Jahren wiederentdeckt. In vielen modernen Management-Konzeptionen (Lean Management, Business Reengineering, organisationales Lernen) spielt die Teamorientierung wieder eine zentrale Rolle. Die Teamarbeit ist insofern eine logische Folge der Prozessorientierung, als die größeren, zusammenhängenden Aufgabenbereiche (Prozesse) oft nicht allein von einer Einzelperson zu bewältigen sind. Gruppenarbeit wird heute nicht mehr in erster Linie als humane, sondern v.a. als effiziente Arbeitsform gepriesen (vgl. Katzenbach/ Smith [Teams]). Der Gruppe wird eine motivierende, stimulierende und kontrollierende Funktion zugewiesen. Mitglieder einer Gruppe fühlen sich integriert und verbunden, entwickeln ein „Wir-Gefühl”, ergänzen sich gegenseitig durch ihre Fähigkeiten, sind kreativer und regen sich wechselseitig zu Höchstleistungen an, lauten die Argumente. Die Fremdkontrolle wird ersetzt durch die wechselseitige soziale Kontrolle der Organisationsmitglieder untereinander, was durch entsprechende Entlohnungsformen (z.B. Gruppenprämien) noch verstärkt werden kann. Anzunehmen ist auch, dass sich in der Gruppe Gefühle wechselseitiger Verpflichtung (Reziprozität) und Loyalität entwickeln. Negative Aspekte wie Gruppendruck, eine erhöhte Risikobereitschaft, leistungssenkende informale Normen und Konflikte mit Fremdgruppen werden (v.a. von der Beraterliteratur) gerne heruntergespielt. Zu den Vor- und Nachteilen der Gruppe vgl. auch Wiendieck [Gruppenverhalten]. 1.4 Empowerment Hinter dem Schlagwort „Empowerment” verbergen sich Gestaltungsempfehlungen, die ebenfalls - wie die Teamorientierung - in der Tradition von Hu- <?page no="424"?> Trends · 399 man-Relations-Bewegung und Soziotechnik verwurzelt sind (vgl. Gerum/ Schäfer/ Schober [Empowerment]). Es geht darum, den Mitarbeitern einen höheren Grad an Autonomie zuzugestehen, sie zu eigenen Entscheidungen zu ermächtigen und zu befähigen (vgl. Schreyögg [Organisation] 228, Pesch [Empowerment]). Nancy Foy ([Empowering] 4) illustriert den Unterschied zwischen Entscheidungsdelegation und Empowerment mit einem Alltagsbeispiel: Wenn eine Mutter ihrer Tochter Geld gibt, damit diese sich selbst eine Jeans kauft, findet Entscheidungsdelegation statt. Wenn die Tochter aber Geld erhält ohne eine detaillierte Vorgabe, wofür sie es ausgeben soll, dann liegt Empowerment vor. Übertragen auf die Mitarbeiter eines Unternehmens bedeutet Empowerment also v.a., die Mitarbeiter mit mehr Entscheidungsspielraum, mehr Autonomie auszustatten. Empowerment heißt, mehr Kompetenzen, Befugnisse und Wissen, d.h. auch mehr Macht, auf die Mitarbeiter zu übertragen. Autonomie bedeutet Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Unabhängigkeit von Weisungen kann als vertikale, Unabhängigkeit von anderen Unternehmensbereichen als horizontale Autonomie bezeichnet werden. Autonomie ist nur unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich. Große Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume ergeben sich nur, wenn umfangreiche Bündel zusammenhängender Teilaufgaben geschnürt und auf Gruppen übertragen werden. Die drei Trends der Prozessorientierung, der Teamorientierung und des Empowerment ergänzen sich also. Die Freiheitsgrade der Gestaltung innerhalb der Gruppe nehmen außerdem mit den wachsenden Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitglieder zu. Wenn viele Gruppenmitglieder mehrere Teilaufgaben gleichermaßen beherrschen (Polyvalenz, Redundanz; vgl. Probst [Selbst-Organisation] 136f.), eröffnen sich bspw. verschiedene Möglichkeiten der Arbeitsteilung innerhalb der Gruppe. Den Organisationsmitgliedern wird mit dem „Empowerment” nicht nur mehr Macht, sondern auch mehr Verantwortung zugemutet (vgl. Sprenger [Selbstverantwortung]). Man muss daher auch ein großes Vertrauen in das Wissen und Können sowie die Loyalität der Mitarbeiter setzen. Das dem Empowerment zugrundeliegende Menschenbild ist sehr optimistisch: Menschen wollen Verantwortung tragen, lernen, gute Arbeit verrichten, etwas leisten. Kontrolle soll dabei v.a. in Form der Selbstkontrolle und der Gruppenkontrolle stattfinden (vgl. Foy [Empowering]). <?page no="425"?> 400 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Auch das Empowerment verfolgt letztlich Effizienzziele. Man verspricht sich u.a. eine verbesserte Motivation der Mitarbeiter, eine bessere Ausnutzung der Humanressourcen, mehr Schnelligkeit in den Abläufen, größere Flexibilität, mehr Kundenorientierung. Solche Effizienzvorteile einer erweiterten Mitarbeiterautonomie wurden auch schon vom soziotechnischen Ansatz berücksichtigt (vgl. Emery/ Thorsrud [Demokratie]), aber nicht in den Mittelpunkt gestellt. Die situativen Bedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Empowerment sind heute jedoch eher noch besser geworden. Der oft zitierte Wertewandel hin zu Selbstentfaltungswerten und weg von Pflicht- und Akzeptanzwerten begünstigt Autonomie am Arbeitsplatz ebenso wie die i.Allg. hohe Qualität der Ausbildung. Die geringere Planbarkeit der Zukunft, welche durch eine dynamische und komplexe Umwelt erzeugt wird, erfordert die Delegation von Verantwortung auf die Mitarbeiter, damit diese situativ flexibel reagieren können. Die „Ermächtigung” der Mitarbeiter greift allerdings auch in das bestehende Machtgefüge im Unternehmen ein. Dass diese Umverteilung von Macht nicht ohne Probleme und Widerstände ablaufen wird, ist zu erwarten. 1.5 Dynamisierung Einen Trend zur Berücksichtigung der „Dynamik” in der Organisationstheorie beobachtete Türk ([Entwicklungen] 51ff.) schon vor Jahren. Die Organisationstheorie setzt sich in der Tat verstärkt mit der Frage auseinander, wie Ordnung im Unternehmen entsteht und sich wandelt. Der Prozess der Ordnungsbildung und -veränderung kann bspw. nicht nur als mehr oder weniger rationaler Entscheidungsprozess, sondern auch als Evolutionsprozess, als Lernprozess oder als autopoietischer (griechisch autos = selbst, poien = machen, also = sich selbst erzeugender) Prozess modelliert werden. Rückt diese Erkenntnis in das Blickfeld, werden auch ungeplante und ungewollte Prozesse zum Thema. Dynamisierung bringt zum Ausdruck, dass man die Themen „Entwicklung”, „Veränderung”, „Wandel der Organisation” stärker beachtet. Die Organisationstheorie vollzieht die Wandlungsprozesse aber nicht nur nach, sondern bewertet die Veränderung der Organisation zunehmend positiv. Allenthalben wird ein (radikaler) Wandlungsbedarf diagnostiziert. Wie dieser Wandel zu bewerkstelligen ist, das ist allerdings strittig. „Klassisch” ist die Sichtweise, dass der gewünschte Organisationstyp durch gezieltes, rationales Vorgehen hergestellt werden kann. Organisationaler Wandel ist <?page no="426"?> Trends · 401 danach ein wohldefiniertes Projekt mit Anfang und Ende, mit einzelnen Ablaufphasen, zuständigen Stellen und passenden Techniken. Nach der entgegengesetzten Sichtweise ist ein zielgerichteter Wandel dagegen praktisch ausgeschlossen. Man kann höchstens sehr viele Varianten erzeugen in der Hoffnung auf eine vorteilhafte Evolution (evolutionstheoretischer Ansatz). Zwischen diesen Extremen liegen die Konzepte der Organisationsentwicklung (OE) und des organisationalen Lernens. OE steht dem Gedanken des direkten, geplanten, technologischen Wandels näher. Probleme (Widerstände, Beharrungsvermögen, ungeplante Prozesse) werden aber durchaus erkannt (vgl. French/ Bell [Organisationsentwicklung]). Mit der Idee des organisationalen Lernens ist eher die Vorstellung verknüpft, dass der eigentliche Wandel nur indirekt angestoßen werden kann und sich dann endogen im System vollzieht, ohne dass man genau weiß, was schließlich herauskommt. Damit werden geplante Prozesse aber nicht völlig ausgeschlossen. Dass die „Lernfähigkeit” der Organisation gezielt zu verbessern sei, etwa durch Änderungen in Struktur, Führung und Personalpolitik, ist eine weit verbreitete Meinung (vgl. z.B. Wieselhuber [Handbuch]). Der rationalen Organisationsgestaltung wird also keineswegs eine Absage erteilt. Das Problembewusstsein hinsichtlich der Schwierigkeiten, einen gewollten Organisationszustand systematisch herbeizuführen, ist aber insgesamt deutlich gestiegen. Der Human-Relations-Ansatz, der entscheidungsprozessorientierte, der evolutionstheoretische, der interpretative, der Selbstorganisations- und der Strukturationsansatz machen Aussagen zu den Prozessen der Ordnungsentstehung im Unternehmen, welche die Vorstellung der gezielten Machbarkeit ergänzen und auch in Frage stellen. 1.6 Entgrenzung Nach dem institutionellen Organisationsbegriff ist die Unternehmung eine Organisation. Zu den Merkmalen der Organisation „Unternehmung” gehört es, dass sie erkennbare Grenzen aufweist. Es gibt die Institution und die Umwelt, Mitglieder und Nichtmitglieder, Ein- und Austritte. Für die moderne Systemtheorie ist es die zentrale Aufgabe jedweder sozialer Systeme, diese Innen-Außen- Differenz zu erhalten (vgl. Willke [Systemtheorie]). Obwohl uns die Denkweise völlig geläufig ist, dass ein Unternehmen ein klar umrissenes Gebilde darstellt, ist es bei näherem Hinsehen gar nicht so einfach festzustellen, wer nun zur Organisation gehört und wer nicht. Für Cyert/ March (vgl. [Theorie] 29) ist die Unternehmung eine Koalition, der Manager, Arbeiter, Aktionäre, Lieferanten, Kunden, Rechtsanwälte, Finanzbehörden, Aufsichtsbehörden usw. angehören. Die Grenzen der organisationalen Koalition sind nach <?page no="427"?> 402 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle ihrer Meinung nicht einfür allemal festzulegen. Üblicher ist es, Lieferanten, Kunden, Anwälte und Behörden zur Umwelt der Organisation zu zählen (vgl. Probst [Organisation] 28) und hauptsächlich Eigentümer, Manager und Mitarbeiter zu den Organisationsmitgliedern zu rechnen. Ein mögliches Merkmal, nach welchem Mitglieder von Nichtmitgliedern unterschieden werden könnten, ist die Art der Vertragsgestaltung. Mitglieder sind durch Arbeitsverträge in die Organisation eingebunden. Arbeitnehmer unterstehen damit den Arbeitgebern, welche ein Weisungsrecht bekommen. Die Arbeitnehmer verpflichten sich allgemein, Leistungen für die Organisation zu erbringen, die erst situativ im Detail festgelegt werden. Die Bindung ist typischerweise auf Dauer angelegt und es findet auch eine soziale Einbindung statt. Nichtmitglieder sind über Kaufverträge, Werkverträge und Kreditverträge mit dem Unternehmen verbunden. Leistung und Gegenleistung sind präzise festgelegt, die Beziehung ist auf den (flüchtigen) Akt des Vertragsabschlusses beschränkt, die Vertragseinhaltung ist über die Rechtsprechung gesichert, eine soziale Einbindung findet nicht statt. Der Transaktionskosten-Ansatz zieht die Grenze zwischen „Hierarchie” (Organisation) und „Markt” nach diesen Vertragstypen (vgl. Göbel [Institutionenökonomik] 182ff.). Unabhängig davon, nach welchen Grundsätzen eine Grenzziehung zwischen Organisation und Markt erfolgt, eine Aufweichung der Grenzen ist generell festzustellen. Gehen wir von der Grenzziehung nach Vertragstypen i.S. des Transaktionskosten-Ansatzes aus, ist zu beobachten, dass sich die hybriden Vertragsformen, die sowohl Hierarchieals auch Marktmerkmale aufweisen, zunehmend ausbreiten und damit zu einer „Entgrenzung” beitragen. Entgrenzung bedeutet, dass die Grenzen der Unternehmung zunehmend undeutlicher werden. Mitglieder sind von Nichtmitgliedern immer schwerer zu unterscheiden. Mitarbeiter werden nur noch befristet eingestellt oder sind „freie Mitarbeiter”, die auf der Basis von Werkverträgen arbeiten. Bisherige Mitarbeiter werden als Dienstleister in die (Schein-)Selbständigkeit entlassen, ihre Dienste bei Bedarf gekauft und auch fest angestellte Mitarbeiter müssen dank neuer Technologien nicht mehr ständig im Unternehmen präsent sein (Telearbeit). Die Bindung zwischen der Unternehmung und ihren Mitarbeitern lockert sich also. Auf der anderen Seite schließen viele Unternehmen mit wichtigen Lieferanten langfristige Verträge, nehmen Einfluss auf deren Geschäftsführung und wollen eine vertrauensvolle Beziehung zu ihnen aufbauen, so etwa zwischen Automobilhersteller und Zulieferern. Die Bindung zwischen der Unternehmung und den „Externen” verfestigt sich. Es wird angestrebt, die Anreiz- und Flexibilitätsvor- <?page no="428"?> Trends · 403 teile des institutionellen Arrangements „Markt” mit den Vorteilen der „Hierarchie” (soziale Einbindung, Weisungsbefugnis) zu verknüpfen. „Die grenzenlose Unternehmung” gilt als Organisation der Zukunft (vgl. Picot/ Reichwald/ Wigand [Unternehmung]). 1.7 Corporate Social Responsibility In den letzten Jahren ist unter Namen wie „Corporate Social Responsibility“ (CSR), „Corporate Citizenship“ (CC), „Compliance“ oder „Unternehmensethik“ ein deutlicher Trend entstanden, von den Unternehmen mehr soziale Verantwortung einzufordern. Doch was heißt das: „Soziale Verantwortung des Unternehmens“? Verantwortung ist ein Begriff, der in der Ethik eine zentrale Rolle spielt (vgl. zum Folgenden Göbel [Unternehmensethik] 99ff.). Die Ethik, definiert als Lehre vom moralisch guten bzw. richtigen Handeln, meint mit Verantwortung, dass ein Subjekt für die Wirkungen seines Handelns eintreten muss. Besonders bei negativen Folgen für die Betroffenen ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Tun zu verantworten ist. Im Begriff Verantwortung steckt, dass man jemand „antworten“ muss, dass es eine Instanz gibt, die Rechenschaft fordert. Die Instanzen, vor denen man sich verantworten muss und die oft zugleich die Maßstäbe für die Abwägung der Folgen liefern, können extern sein, wie bspw. die Gerichte oder die Öffentlichkeit. Von diesen Instanzen kann ein Subjekt auch gegen seinen Willen zur Verantwortung „gezogen“ werden. Verantwortung ist auch ein wichtiger juristischer Begriff. Wenn ein Subjekt selbst moralische Verantwortung übernimmt, sind dabei immer auch die inneren Instanzen der Vernunft und des Gewissens maßgeblich. Verantwortungsübernahme oder -zuschreibung ist nur sinnvoll, wenn eine Kausalbeziehung besteht zwischen den Handlungen eines Subjekts und (negativen) Wirkungen auf andere. Auf vergangene Handlungen bezogen spricht man von Handlungsfolgenverantwortung, in die Zukunft gerichtet von Aufgabenverantwortung. Im Zusammenhang mit den Unternehmen spricht man meist von einer sozialen Verantwortung. Ein Verständnis dafür, was „sozial“ bedeutet, lässt sich am leichtesten über den Gegenbegriff „asozial“ gewinnen. Asozial bedeutet rücksichtslos, egoistisch, ausbeuterisch, schädlich für andere. Sozial ist es dementsprechend, sich als kooperativ, fürsorglich, gerecht und nützlich für andere zu zeigen. <?page no="429"?> 404 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Mehr soziale Verantwortung wurde von den Unternehmen zunächst vor allem gegenüber den Mitarbeitern gefordert. Angesichts skandalöser Arbeitsbedingungen in den Anfangszeiten der Industrialisierung stellte sich Ende des 19. Jahrhunderts die „soziale Frage“ nach erträglicher Arbeit, weniger Kinderarbeit, mehr Sicherheit bei der Arbeit und gerechteren Löhnen. Später wurden im Zuge der Debatte um die „Humanisierung der Arbeit“ weitergehende Forderungen gestellt. Die organisatorische Gestaltung der Arbeitsplätze sollte den Mitarbeitern mehr Selbstbestimmung ermöglichen, Abwechslung bieten, zwischenmenschliche Kontakte erlauben und zur Entfaltung der Potenziale beitragen (vgl. auch Human-Relations-Ansatz und Selbstorganisationsansatz, S. 77ff. und S. 184ff.). Wenn heute von den Unternehmen mehr soziale Verantwortung eingefordert wird, dann geht es in der Regel nicht nur um die Mitarbeiter, sondern um eine Verantwortung gegenüber allen von der Unternehmenstätigkeit betroffenen Menschen, den Stakeholdern oder Anspruchsgruppen. Adressaten einer sozialen Verantwortung sind neben den Mitarbeitern und Kapitalgebern bspw. die Kunden, die Lieferanten, die Wettbewerber, der Fiskus und die Öffentlichkeit. Inhaltlich umfasst die soziale Verantwortung nicht nur die Einhaltung bestimmter Sozialstandards, sondern auch ökologische und ökonomische Aspekte. Von manchen wird daher auch der Terminus „Corporate Responsibility“ (CR) bevorzugt. Die Forderung legitimiert sich aus dem Charakter des Unternehmens als offenes System, welches sich mit seiner Umwelt in einem ständigen Austausch befindet. Es zehrt einerseits von natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen wie Rohstoffen, Arbeit, Kapital, Bildung, Infrastruktur und gibt andererseits Outputs an die Gesellschaft zurück. Ihrem eigentlichen Sinn nach sollen Unternehmen eine „öffentliche“ Aufgabe erfüllen, nämlich für die bestmögliche Versorgung der Menschen mit den notwendigen Gütern sorgen unter sparsamem Einsatz knapper Ressourcen. Nur wenn sie diese Aufgabe zufriedenstellend erfüllen, erhalten sie von der Gesellschaft auf Dauer die notwendige Akzeptanz, die „licence to operate“. Die zahlreichen Skandale der letzten Jahre (Bilanzfälschungen, Steuerhinterziehung, Korruption, Konkursverschleppung, Bespitzelung von Mitarbeitern, Verkauf von „Gammelfleisch“, vorsätzliche Falschberatung von Kunden, Insidergeschäfte usw.) haben Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Unternehmen ihren gesellschaftlichen Auftrag noch erfüllen. Die „Vertrauenskrise“ in Bezug auf die Unternehmen droht sich zur Systemkrise zu entwickeln. Nach einer Allensbach-Umfrage vom Juni 2008 halten nur noch 31% der Deutschen das marktwirtschaftliche System für gut. „Wir brauchen dringend mehr Moral in <?page no="430"?> Trends · 405 der Wirtschaft“ verlangt angesichts dieser Entwicklung nicht nur die Bundeskanzlerin. Doch wer ist eigentlich mit dieser Forderung angesprochen? Populäre Begriffe wie „Corporate Social Responsibility“ und „Corporate Citizenship“ legen nahe, dass es die Unternehmen sind, von denen mehr Verantwortungsbewusstsein verlangt wird. Doch kann man Unternehmen überhaupt verantwortlich machen? Strafrechtlich geht man in Deutschland bisher davon aus, dass nur Personen schuldhaft handeln können, nicht aber Unternehmen als solche. Eine korporative Verantwortung der Unternehmung wird insofern juristisch abgelehnt. Allerdings können bei Ordnungswidrigkeiten, etwa Verstößen gegen das Kartellrecht, auch bei uns Geldbußen gegen das Unternehmen verhängt werden. In der Verhängung solcher Geldbußen erkennen manche Juristen ein „Quasi-Strafrecht“ gegen Unternehmen. In den USA, vielen EU-Ländern und der Schweiz existieren rechtliche Regelungen, die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmen explizit festschreiben. Das Unternehmen als solches wird damit als handlungsfähiger Normadressat und Verantwortungsträger anerkannt, die „Schuldfähigkeit“ von Unternehmen festgestellt. Unternehmensverantwortung bedeutet, dass ein Unternehmen auf die ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen des Unternehmenshandelns für alle Betroffenen achten und sie vor dem Hintergrund gesetzlicher und moralischer Normen und Prinzipien verantwortungsbewusst gegeneinander abwägen soll. Eine solche Verantwortungszuschreibung an das Unternehmen als Ganzes erscheint gerade deshalb sinnvoll, weil das Unternehmen eine Organisation ist. Organisatorische Maßnahmen wie die Arbeitsteilung und die Trennung von Entscheidung, Ausführung und Kontrolle machen es häufig sehr schwer, individuell Verantwortliche zu ermitteln auch wenn die Verantwortung des Unternehmens insgesamt (bspw. für eine Umweltverschmutzung) außer Frage steht. Entweder muss man dann die Verantwortung einzelner Personen überdehnen und sie nach dem Prinzip des Sündenbocks für das Unternehmensversagen bestrafen. Oder es kann letztlich niemand zur Rechenschaft gezogen werden. Die repressive, strafende Funktion von Recht und Moral kann gegenüber Unternehmen oft nur greifen, wenn man die Verantwortungsfähigkeit der Organisation voraussetzt. Aber auch die Präventionsfunktion moralischer und gesetzlicher Normen funktioniert besser bei Anerkennung einer Unternehmensverantwortlichkeit. So können sich Unternehmen in den USA bei Gesetzesverstößen ihrer Mitarbeiter im Rahmen der Unternehmenstätigkeit dann eine Strafmilderung oder einen Straferlass für das Unternehmen erhoffen, wenn sie nachweis- <?page no="431"?> 406 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle lich organisatorische Maßnahmen ergriffen haben, um solche Taten zu verhindern. 2 Neue Organisationsmodelle 2.1 Prozessorganisation 2.1.1 Grundidee Die Kritik an der herkömmlichen Art der Arbeitsteilung vereint die Verfechter einer Prozessorganisation. Arbeitsteilung schafft Schnittstellen, also Orte des Übergangs. An Schnittstellen treten zwei Probleme auf: Informationsprobleme und Kompetenzprobleme. Schnittstellen bergen stets die Gefahr in sich, dass Informationen bei der Übergabe unvollständig, ungenau, verändert oder verfälscht weitergegeben werden. Die Verantwortung lässt sich nicht eindeutig zuordnen, so dass gegenseitige Schuldzuweisungen zu erwarten sind. Nun kann wegen dieser - bekannten - Folgen nicht völlig auf Arbeitsteilung verzichtet werden, auch wenn das Business Reengineering diese Radikallösung suggeriert (vgl. Hammer/ Champy [Business] 70). Arbeitsteilung bleibt sinnvoll und in größeren Unternehmen auch völlig unverzichtbar. Nicht die Abschaffung der Arbeitsteilung ist daher das eigentliche Ziel der Prozessorganisation, sondern die Einrichtung einer anderen Art der Arbeitsteilung. Zu Recht kritisiert wird eine exzessive, „tayloristische” Spezialisierung auf einzelne Funktionen. Das Gegenprogramm der Prozessorganisation lautet: • Zusammenhängende Verrichtungen sowie • Denken und Handeln, • Entscheiden und Ausführen sollen • kundenorientiert zusammengefügt und • einem Prozessverantwortlichen (bzw. einem Team) übertragen werden. Die Grundidee der Prozessorganisation besteht darin, dass kundenorientierte Prozesse Gegenstand der Strukturierung von Unternehmen sein sollen. Es werden somit organisatorische Einheiten mit Prozessverantwortung geschaffen. Diese integrierten, kundenorientierten Einheiten werden auch als Module bezeichnet und die Prozessorganisation als modulare Organisation (vgl. Picot/ Neuburger [Modulare] 897). <?page no="432"?> Neue Organisationsmodelle · 407 Hammer/ Champy ([Business] 53ff., 73ff.) führen die Verbesserungsmöglichkeiten durch Prozessorganisation an unterschiedlichen Fallbeispielen vor: So wurde die Kreditgewährung an IBM-Kunden durch die IBM Credit Corporation ursprünglich von sechs verschiedenen Mitarbeitern bearbeitet, die jeweils auf eine Teilaufgabe spezialisiert waren. Seit ein Generalist (Deal Structurer genannt) den gesamten Prozess alleine übernommen hat, dauert die Abwicklung eines Kreditantrages nicht mehr 7 Tage, sondern 4 Stunden. Bei der Fernmeldegesellschaft Bell Atlantic wurde der Prozess „Abwicklung eines Installationsauftrages” einer Gruppe von Mitarbeitern (Case Team genannt) übertragen, wodurch die benötigte Zeit von 30 auf 3 Tage verkürzt werden konnte. In Abb. 13-2 ist die Struktur einer Prozessorganisation am Beispiel der Auftragsabwicklung und einer Produktentwicklung dargestellt. Unternehmensleitung FuE Fertigung Vertrieb Verwaltung Auftragsabwicklung Produktentwicklung Kunde Abb. 13-2: Prozessorganisation Die Grundidee, die Prozessschritte kundenorientiert zusammenzufassen, trägt auch bei rein unternehmensinternen Prozessen. Die Fertigung kann bspw. durchaus als „Kunde” der Materialbeschaffung gesehen werden. (1) Die Prozessorganisation bietet folgende Vorteile (vgl. Servatius [Reengineering]): • Prozessbeschleunigung, • Kostensenkung, • Qualitätsverbesserung, • Verstärkte Kundenorientierung, • Reduktion der Schnittstellenproblematik, • Verbesserung der Innovationsfähigkeit, <?page no="433"?> 408 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle • Steigerung der Motivation der Mitarbeiter, • Übernahme von Gesamtverantwortung. Generell wird eine Änderung im Denken erwartet. Die starke Identifikation mit innerbetrieblichen Funktionen, die eine Zusammenarbeit bspw. zwischen Abteilungen bislang oft erschwert, soll abgelöst werden von einer Orientierung am Gesamtunternehmen oder sogar an überbetrieblichen Prozessen. Zum Gesamtprozess der Erzeugung eines Kundennutzens am Markt gehören nämlich auch die Vorleistungen, die außerhalb der Grenzen der Unternehmung erbracht werden. „Ganzheitlich” zu denken, ist daher eine häufige Forderung im Zusammenhang mit der Prozessorganisation. (2) Eine Prozessorganisation bringt allerdings u.U. auch Nachteile mit sich. Da die Spezialisierung zurückgefahren wird, ist immer dort mit nachteiligen Wirkungen zu rechnen, wo die Spezialisierungsvorteile groß sind. So können bspw. Schnittstellen vermieden werden, wenn eine Projektleiterin ihren Projektbericht selbst schreibt. Übergabeprozeduren zwischen Führungskraft und Schreibkraft mit Erklärungen und Rückfragen entfallen. Wenn allerdings komplizierte grafische Abbildungen auf dem PC zu erstellen sind, dann kann eine dafür ausgebildete Expertin diese Aufgabe vermutlich sehr viel besser, schneller und kostengünstiger erledigen, als die Projektleiterin, die dafür nicht ausgebildet ist. Überdies kann die Ausdehnung der Stellenaufgaben auf solche fachfremden Aktivitäten demotivierend wirken, weil sie den Stelleninhaber überfordern oder auch weil sie sich mit dem Status der Stelle nicht vertragen. 2.1.2 Business Reengineering Vor allem Michael Hammer und James Champy stellen heraus, dass Prozessorganisation einen grundsätzlichen Wandel des Unternehmens bedeute. In ihrem 1993 erschienenen Buch „Business Reengineering” (in der deutschen Übersetzung von 1994: „Radikalkur für das Unternehmen”) versprechen sie eine radikale Veränderung: Wir werden in unserem „Manifest für die Wirtschaftsrevolution” zeigen, „wie die heutigen Unternehmen eine wahrhafte Renaissance einleiten können.” Wie der Begriff „Reengineering” schon vermuten lässt, stellen sie sich diesen Wandel als planmäßig machbar vor. Sie und andere empfehlen eine systematische Vorgehensweise nach einem Phasenmodell, welches etwa folgendermaßen aussieht (vgl. Bea/ Haas [Management] 443): (1) Selektion: Auswahl und Abgrenzung wichtiger Prozesse, der sog. Kernprozesse. In die Auswahl müssen solche Prozesse fallen, die durch inten- <?page no="434"?> Neue Organisationsmodelle · 409 siven Ressourcenverbrauch oder hohen Anteil am Kundennutzen gekennzeichnet sind. Ein Kernprozess könnte etwa die Auftragsabwicklung bei einem Unternehmen der Werkzeugmaschinenbranche sein, bei einem Kreditinstitut die Abwicklung einer Anfrage auf Kreditgewährung. (2) Analyse: Ermittlung der Ist-Situation durch Analyse der Prozessstruktur, Zerlegung der Kernin Teilprozesse sowie Ermittlung der Prozessverantwortlichen, des Ressourcenverbrauchs und der Prozessdauer je Teilprozess. Als Technik der Prozessanalyse steht etwa die Wertkette nach Porter zur Verfügung (vgl. S. 353). (3) Gestaltung: Entwicklung der Soll-Prozessstruktur auf der Basis der strategischen Zielsetzung der Unternehmung. Dabei sind zwei Entscheidungen zu treffen: Einmal ist darüber zu befinden, welche Prozesse selbst wahrgenommen und welche ausgegliedert werden sollen (outsourcing). Zum anderen ist zu entscheiden, welche Prozesse zu integrieren sind, um der Intention der Prozessorganisation nach Schaffung kundenorientierter Prozesse mit Prozessverantwortung zu entsprechen. (4) Implementierung: Umsetzung der Soll-Prozessstruktur durch Abbau von Hierarchieebenen, Spaltung, Auflösung oder Neuordnung von Abteilungen sowie Übertragung von Prozessverantwortung auf Einzelne oder Gruppen. (5) Monitoring: Kontrolle und gegebenenfalls Adaption der Reengineeringmaßnahmen und -ergebnisse mit der Absicht einer kontinuierlichen Verbesserung der Prozessabwicklung. Wie erste Praxiserfahrungen zeigen, ist die Umsetzung des radikalen Wandels allerdings alles andere als einfach. Das natürliche Beharrungsvermögen bestehender Strukturen, der Widerstand der Mitarbeiter gegenüber Veränderungen sowie die Bedeutung selbstorganisierender Prozesse stellen mächtige Barrieren dar. James Champy dazu in einem Interview knapp 20 Jahre nach Erscheinen des Bestsellers zum Reengineering: „Ein Mangel, den man der Idee der Restrukturierung ankreiden könnte, ist vielleicht, nicht erkannt zu haben, dass die Prozessveränderungen sich innerhalb einer größeren Unternehmenskultur abspielen - und die zu ändern, dauert Jahre.” (Handelsblatt 15.10.2002) Bedenkt man, dass v.a. das enorme Rationalisierungspotenzial der Prozessorganisation immer wieder als vorteilhaft gepriesen wird, dann ist der Widerstand der Mitarbeiter, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, durchaus verständlich. Zum organisationalen Wandel vgl. auch S. 451ff. <?page no="435"?> 410 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle 2.2 Teamorganisation Gruppen- und Teamarbeit tritt in der Praxis in verschiedenen Formen auf. Gruppen können • auf Dauer oder nur für begrenzte Zeit zusammenarbeiten, • aus vielen oder wenigen Mitarbeitern bestehen, • Vollzeit- oder Teilzeitmitglieder umfassen, • flächendeckend oder für Teilbereiche eingerichtet werden, • über umfassende oder geringe Kompetenzen verfügen, • parallel zur regulären Organisation bestehen oder ihr integrierter Bestandteil sein. Das gemeinsame Kennzeichen der Teammodelle ist die Übertragung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung auf Gruppen an Stelle von Einzelpersonen. Einige (teils praxiserprobte) Formen der Gruppenarbeit sollen im Folgenden vorgestellt werden (vgl. Wahren [Teamarbeit] 34ff.): • Teilautonome Arbeitsgruppen, • Qualitätszirkel, • Projektgruppen und • Team-Work-Management. 2.2.1 Teilautonome Arbeitsgruppen Als teilautonome Arbeitsgruppe bezeichnet man eine organisatorische Gruppe mit folgenden Merkmalen: • Kleine (6-20 Personen umfassende) funktionale Einheit, • der die Erstellung eines kompletten Produkts oder einer sonstigen Leistung (Kernaufgaben) • sowie unterstützende Nebenaufgaben • eigenverantwortlich übertragen werden, • wobei die Gruppe weitgehend selbständig handelt • und auch Organisations-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben übernimmt. <?page no="436"?> Neue Organisationsmodelle · 411 Solche teilautonomen Arbeitsgruppen sind bisher v.a. im Bereich der Fertigung zu finden, im Prinzip aber in allen betrieblichen Teilbereichen einsetzbar. Um der Gruppe den entsprechenden Handlungsspielraum zu verschaffen, sind prozessorientierte Umstrukturierungen nötig. Die Kernaufgabe (bspw. Montage) wird um vor- und nachgelagerte Nebenaufgaben erweitert (Materialdisposition, Qualitätsprüfung, Wartung von Maschinen etc.). Durch job rotation innerhalb der Gruppe erwerben die Mitglieder unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse, was ihren Handlungsspielraum nochmals erweitert. Die Zusammenarbeit ist auf Dauer angelegt, die Gruppen sind integrierter Bestandteil der Organisation. Die Praxiserfahrungen mit teilautonomen Gruppen sind überwiegend positiv (vgl. Antoni/ Eyer/ Kutscher [Unternehmen]). Vor allem in der Automobilbranche ist die Gruppenarbeit schon zum Normalfall geworden. An positiven Effekten sind zu nennen: Qualitäts- und Produktivitätsverbesserungen, Verkürzung von Entwicklungs- und Durchlaufzeiten, sinkende Absentismus- und Fluktuationsraten, zunehmende Zufriedenheit, Hilfsbereitschaft und Engagement. Methodisch anspruchsvolle quasi-experimentelle Längsschnittsuntersuchungen mit Vergleichsgruppen deckten allerdings auch negative Effekte auf, wie z.B. erhöhte Fehlzeiten, so dass die Effektivitätsbeurteilung z.Zt. uneinheitlich ist (vgl. Antoni [Gruppen] 383). 2.2.2 Qualitätszirkel Als „Qualitätszirkel” bezeichnet man Gruppen, die folgende Merkmale aufweisen: • Kleine (6-9 Personen umfassende) Gesprächsgruppen, • zusammengesetzt aus Mitarbeitern verschiedener Hierarchiestufen, • eines bestimmten Arbeitsbereiches, • treffen sich in regelmäßigen Abständen (etwa wöchentlich) • während der Arbeitszeit zu ca. 90-minütigen Sitzungen, • um vorgegebene oder selbstgewählte Probleme des eigenen Arbeitsbereichs zu diskutieren • und Lösungsvorschläge zu erarbeiten • sowie deren Umsetzung zu initiieren und zu kontrollieren. Die Arbeit in Qualitätszirkeln soll nicht nur ökonomische Vorteile mit sich bringen (etwa konkrete Verbesserungsvorschläge), sondern v.a. auch in menschlicher und sozialer Hinsicht positiv wirken. Die Bereitschaft, offen miteinander zu <?page no="437"?> 412 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle reden und Verantwortung zu übernehmen, soll gestärkt, isolierte Mitarbeiter sollen integriert, und Verständnis füreinander soll geweckt werden. Eng verwandt mit dem Qualitätszirkel ist das Lernstatt-Konzept. In der Praxis sind Lernstattmodelle oft nicht von Qualitätszirkeln zu unterscheiden. Es beruht auf Gruppenarbeit mit Selbstkoordination. Im Laufe der Zeit wurde der Aufgabenbereich der Lernstatt um die Erörterung genereller humaner Fragen, wie die Förderung von Engagement, die Persönlichkeitsentfaltung und den Abbau von Egoismus erweitert. Insofern unterscheidet sich die Lernstatt vom Qualitätszirkel, weil in ihr auch persönliche Probleme zur Sprache kommen. 2.2.3 Projektgruppen Projektgruppen stellen die am längsten etablierte Form von Gruppenarbeit dar. Sie weisen folgende Merkmale auf: • Eine kleine (3-9 Personen umfassende) Gruppe von Mitarbeitern, • meist aus dem unteren und mittleren Führungsbereich, • wird nach fachlichen Aspekten • für eine bestimmte Aufgabe zusammengestellt • und arbeitet so lange zusammen, • bis die Aufgabe (das Projekt) abgeschlossen ist. Projekte sind komplexe, umfangreiche, neuartige und zeitlich befristete Vorhaben, die zusätzlich zu den routinemäßigen Aufgaben zu erledigen sind und innerhalb der regulären Organisation nicht optimal bearbeitet werden können. Je nach Umfang des Projektes können die Projektgruppen verschiedene Formen annehmen. Im Rahmen der Stabs-Projektorganisation verbleiben die Projektmitglieder in ihrer bisherigen organisatorischen Funktion und arbeiten parallel zu ihrer regulären Arbeit von Zeit zu Zeit am Projekt mit (vergleichbar einem Ausschuss). Der Projektleiter hat i.d.R. keine oder nur begrenzte Weisungsbefugnisse. Bei umfangreicheren Projekten werden dagegen die Projektmitarbeiter aus der Primärorganisation ausgegliedert und arbeiten bis zum Projektende dann ausschließlich für das Projektteam, welches voll verantwortlich vom Projektleiter geführt wird. Es liegt dann eine Reine Projektorganisation vor. Nach Beendigung des Projektes kehren sie in ihre angestammten Positionen zurück oder wechseln in ein anderes Projekt (vgl. S. 385ff.). Werden Projektgruppen v.a. mit dem Ziel gebildet, mit innovativen Produkten neue Märkte zu erschließen, spricht man auch vom „Venture-Team”. In den <?page no="438"?> Neue Organisationsmodelle · 413 Venture-Teams steht nicht die zügige Abwicklung einer wohlstrukturierten Aufgabe im Vordergrund, sondern v.a. die Steigerung der Kreativität. Im Venture- Team soll sich ein „unternehmerischer Geist” einstellen (vgl. Müller-Stewens/ Bretz [Stimulierung]). Traditionell werden Projektgruppen nur für einmalige oder seltene Sonderaufgaben gebildet. Heute sind Unternehmen jedoch in eine stark dynamische Umwelt eingebettet. Sie können im Wettbewerb daher nur bestehen, wenn die Unternehmensentwicklung die Herausforderungen aus der Umweltdynamik beantwortet. Unternehmensentwicklung wiederum findet über Projekte statt. Die Studie „Deutschland im Jahre 2020“ der Deutschen Bank Research im Jahre 2007 sieht in einer Projektwirtschaft ein Wertschöpfungsmuster für die Bewältigung der Herausforderungen aus der Umwelt. Die Auswahl von Projekten kann auf die Strategie, die Organisation und die Unternehmenskultur ausgerichtet sein. Strategische Planung vollzieht sich über Projekte. Reorganisation und Unternehmenskulturgestaltung werden zweckmäßigerweise ebenfalls durch ein Projektmanagement abgewickelt. Unternehmensführung durch Projekte (Management by Projects) kann insofern als Multiprojektmanagement verstanden werden. Dem Charakter von Projekten folgend wird die Unternehmensführung nicht mehr als Angelegenheit höchster Hierarchieebenen oder spezialisierter Stäbe verstanden, sondern als hierarchie- und fachübergreifende Tätigkeit interpretiert (vgl. Bea/ Scheurer/ Hesselmann [Projektmanagement]). 2.2.4 Team-Work-Management Gruppenarbeit wird bisher eher als Form der Sekundärorganisation, also in Ergänzung zur traditionellen Struktur, in einzelnen Bereichen und für einzelne Aufgaben eingesetzt. Teamarbeit könnte aber auch zum „flächendeckenden” Strukturprinzip gemacht werden. Jeder Mitarbeiter, einschließlich der Führungskräfte, ist dann Teil einer Arbeitsgruppe. Für die praktische Umsetzung eines solchen „Team-Work-Management” schlägt Wahren ([Teamarbeit] 43) den Rückgriff auf ein Organisationsmodell von Likert vor. Likert ([Ansätze]) hat mit seinem „System überlappender Gruppen” das bekannteste Modell für eine umfassende Teamorganisation geliefert. Als „überlappend” werden die Gruppen deshalb bezeichnet, weil einzelne Personen in verschiedenen Gruppen gleichzeitig Mitglieder sind. Diese „linking pins” verknüpfen horizontal gleichrangige Teilbereiche (bspw. Funktionsbereiche) und vertikal unterschiedliche Hierarchieebenen (vgl. Abb. 13-3). <?page no="439"?> 414 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Vertikaler linking pin Horizontaler linking pin Vertikaler linking pin Horizontaler linking pin Abb. 13-3: Das System überlappender Gruppen von Likert Entscheidungen sollten im Idealfall innerhalb der Gruppen durch Diskussion und Konsens zustandekommen. Der Teamleiter (vertikaler linking pin) behält aber im Grunde seine Vorgesetztenrolle und kann im Konfliktfall auch alleine entscheiden. Die Hierarchie wird also sicherlich nicht aufgehoben, sondern allenfalls „etwas relativiert” (Wahren [Teamarbeit] 45). Wie deutlich sich das Team-Work-Management durchsetzen lässt, ist letztlich mehr eine Frage des Arbeits- und Führungsstils (kooperativ, partizipativ) und der Unternehmenskultur (offen, kommunikations- und mitarbeiterorientiert) als der Aufbauorganisation (vgl. Bea/ Haas [Management] 447ff.). Mittlerweile haben viele Unternehmen Gruppenarbeit eingeführt und positive Erfahrungen gesammelt. Insbesondere haben sich nach der Alterszusammensetzung gemischte Teams bewährt: Junge Mitarbeiter bringen Leistungsfähigkeit und ältere Mitarbeiter Erfahrungswissen ins Teamwork ein. Vor einer Euphorie ist dennoch zu warnen. Nicht alle Aufgaben und auch nicht alle Menschen eignen sich zur Gruppenarbeit. Die Ansprüche an den Einzelnen steigen, nicht nur was die fachliche Mehrfachqualifikation betrifft, sondern auch im Hinblick auf Eigenschaften wie soziale Kompetenz und Kommunikationsvermögen. Der Druck der Gruppenmitglieder untereinander kann schlimmer werden als der Druck durch einen Vorgesetzten. Die Frage einer gerechten und anreizkompatiblen Entlohnung ist bei Gruppenarbeit besonders schwer zu beantworten und bietet daher erheblichen Konfliktstoff. Der Übergang zur Teamorganisation ist ein langwieriger und schwieriger Prozess. Insbesondere beim Start von Gruppen muss die Teamentwicklung oft durch Interventionen unterstützt werden, welche die Ziele, Spielregeln und <?page no="440"?> Neue Organisationsmodelle · 415 Aufgaben klären helfen. Eine parallele Personalentwicklung ist empfehlenswert. Zur Kontrolle der Teamleistung müssen evtl. teamspezifische Kennzahlen und Feedbacksysteme entwickelt werden. Ebenso kann es nötig sein, die Entgeltsysteme umzustellen und andere Arbeitszeitmodelle einzuführen. Es bedarf sicherlich eines längeren Lern- und Entwicklungsprozesses, bis die Teamorganisation funktioniert. Allerdings muss nach bisherigen Erfahrungen das Potenzial zur Effektivitätssteigerung hoch eingeschätzt werden. 2.3 Selbstorganisation Wir unterscheiden zwei Formen der Selbstorganisation: • Die autonome Selbstorganisation und • die autogene Selbstorganisation. 2.3.1 Autonome Selbstorganisation Der Trend zum Empowerment der Mitarbeiter erweitert in den Organisationsmodellen die Spielräume für die autonome Selbstorganisation deutlich (zur Selbstorganisation vgl. auch S. 184ff.). Voraussetzung dafür ist i.d.R. eine Restrukturierung hin zu mehr Prozessorganisation und Teamorganisation, denn sie lassen autonome Entscheidungen in großem Umfang überhaupt erst zu. Nur wenn interdependente Aufgaben zu Prozessen gebündelt werden, entsteht ausreichende horizontale Autonomie. Wenn die Aufgabenbündel einen Einzelnen qualitativ und quantitativ überfordern, werden sie auf Gruppen übertragen, deren Mitglieder sich dann selbst abstimmen. Praktisch erprobt ist die Verselbständigung der Mitarbeiter v.a. im Fertigungsbereich in Form der sog. Fertigungsinseln (vgl. S. 346f.). Solche Inseln stellen teilautonome Organisationseinheiten dar, in denen die für die komplette Bearbeitung eines Objektes (z.B. eines Produktes, einer Baugruppe) erforderlichen Betriebsmittel und Arbeitskräfte systematisch zusammengeführt werden. Zahlreiche arbeitsorganisatorische Entscheidungen dürfen von den Mitarbeitern selbst gefällt werden, z.B. wer wann welche Arbeit verrichtet, in welcher Reihenfolge Aufträge bearbeitet werden, wie lange gearbeitet wird, wer wann Urlaub machen kann. Je nach konkreter Ausgestaltung können die Gruppen auch selbst Material bestellen, Reparaturen in Auftrag geben oder selbst erledigen, Personal einstellen, Qualitätsprüfungen durchführen usw. Ein Beispiel für die Umsetzung der Selbstorganisation ist der Waagen-Hersteller Mettler-Toledo in Albstadt-Ebingen. In der als „Zukunftsfabrik” gefeierten Unternehmung plant jeder Mitarbeiter seine Arbeitswoche selbst. Er kann zwischen vier und <?page no="441"?> 416 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle zehn Stunden am Tag arbeiten, je nach Auftragslage. Jeder Mitarbeiter verschafft sich selbst einen Überblick darüber, welches Waagenmodell an welchem Tag ausgeliefert werden soll und entscheidet dann, wie viele Stunden er an welchem Tag arbeiten und welche Modelle er in welcher Reihenfolge produzieren will. Auch der Arbeitsplatz kann frei gewählt werden. Jeder Arbeiter kann mindestens zwei Drittel der Modellpalette vollständig montieren, was durch eine ausgeprägte Weiterbildung der Mitarbeiter erreicht wird. Die Abteilungen für Produktionsplanung und Qualitätssicherung konnten aufgelöst werden. Die Mitarbeiter dieser Abteilungen bilden jetzt zusammen mit Produktentwicklern und Marketingexperten fünf Produktentwicklungsteams, die kooperativ und selbständig maßgeschneiderte Problemlösungen für bestimmte Kundengruppen entwickeln. Die Produktivität der Mitarbeiter ist fast doppelt so hoch wie die Durchschnittsproduktivität in der Branche, Auftragsschwankungen zwischen 50% weniger und bis zu 200% mehr als der Durchschnitt können ohne weiteres bewältigt werden. Jeder Auftrag wird in spätestens fünf Tagen erledigt, es gibt keine Produktion auf Lager mehr und die Kunden werden sehr individuell bedient. Geringe Fehlzeiten und Fluktuationsraten zeigen neben der guten Produktivität die Zufriedenheit der Mitarbeiter an. Die Berücksichtigung der autonomen Selbstorganisation im Rahmen von Organisationsmodellen zielt darauf ab, Kompetenzen auf Mitarbeiter zu übertragen, um die positiven Effekte der Selbstverantwortung zu nutzen. Dürfen die Mitarbeiter viele Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen, entsteht quasi ein „Unternehmen im Unternehmen”. Mit dem Modell der „fraktalen Fabrik” propagiert Warnecke ([Revolution]) die Forderung, ein Unternehmen in viele „Kleinunternehmen” (Fraktale) zu zerlegen, die möglichst eigenständig agieren sollen. Mit dieser „Fabrik der Zukunft” ließen sich die Prinzipien der Selbstorganisation, nämlich die Setzung eigenständiger Ziele, die Zielverwirklichung, Schnelligkeit und Flexibilität in der Anpassung an die Unternehmensumwelt sowie die Motivationsförderung am besten verwirklichen. Ein oft verwendetes Schlagwort im Zusammenhang mit der Selbstorganisation ist jenes der „Zeltorganisation”. Ein Unternehmen, welches auf Selbstorganisation setzt, soll kein „Palast” sein, sondern ein „Zelt”. Eine Zeltorganisation zeichnet sich durch folgende Merkmale aus (vgl. Hedberg/ Nystrom/ Starbuck [Camping]): • Wenig Spezialisierung, redundante Fähigkeiten der Mitarbeiter, • instabile Autoritätsverhältnisse, flache Hierarchie, • selbstbestimmte Kommunikation, kontroverse Diskussionen, • partizipativer Führungsstil, Delegation von Verantwortung, • kleine autonome Einheiten, • wenig Stabilität, viel Flexibilität. <?page no="442"?> Neue Organisationsmodelle · 417 Wie die anschauliche Metapher von den Palästen und Zelten verdeutlicht, wird ein ziemlich radikaler Wandel von den Unternehmen verlangt. Dieser Wandel bringt auch Probleme und Nachteile mit sich. (1) Die geringere Spezialisierung und erhöhte Redundanz wird teilweise mit Effizienzverlusten bezahlt, denn es werden viel mehr Funktionen mehrfach nebeneinander ausgeführt. Wie das Modell der fraktalen Fabrik vor Augen führt, müssten im Grunde lauter kleine Unternehmen nebeneinander bestehen, wenn die Autonomie so groß wie möglich sein sollte. Es liegt auf der Hand, dass Zentralisierungsvorteile dann verloren gehen. (2) Wird den Mitarbeitern eine viel größere Palette von Aufgaben zugemutet, kann dies auch zu Überforderung führen. Auf jeden Fall ist eine massive Weiterbildung erforderlich. (3) Die instabilen Autoritätsverhältnisse erzeugen im Verein mit der Aufgabe, sich mit den Kollegen selbst abzustimmen, unter Umständen schwer lösbare Konflikte. Führungskräfte fühlen sich entmachtet und sind demotiviert, eine Karriere in Form des Aufstieges in der Hierarchie ist weniger gut möglich. (4) Die ausgeprägte Delegation erfordert Vertrauen in das Können und Wollen der Mitarbeiter, und dieses Vertrauen kann auch ausgenutzt werden. Je weniger die Mitarbeiter durch Fremdbestimmung reglementiert werden, desto mehr rücken die informalen Normen bzw. impliziten Vereinbarungen in den Vordergrund, welche sich von selbst entwickeln (autogene Selbstorganisation). 2.3.2 Autogene Selbstorganisation Unter dem Begriff autogene Selbstorganisation werden alle Prozesse zusammengefasst, die „von selbst” zu Regelmäßigkeiten und Verhaltensmustern, also zu Ordnung, führen. Auch ohne die bewusst ordnende Hand eines Vorgesetzten oder der Organisationsmitglieder stellen sich in den Unternehmen Verhaltensnormen ein, welche das Handeln in bestimmte Bahnen lenken. Die Ordnung ist dann zwar das Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs. Mit dieser Form von Ordnungsentstehung, der spontanen oder gewachsenen Ordnung, hat sich u.a. F. A. von Hayek intensiv beschäftigt (vgl. [Recht] und [Studien]). <?page no="443"?> 418 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Eine spontane Ordnung bildet sich aus, wenn die Individuen sich an bestimmten abstrakten Regeln orientieren bzw. sich in gewisser Weise ähnlich und regelmäßig verhalten. Der Marktmechanismus beruht bspw. auf der Annahme, dass die Menschen als Nachfrager regelmäßig weniger kaufen, wenn die Preise steigen und mehr, wenn die Preise sinken. Bei den Anbietern steigt dagegen das Interesse an einem Angebot bei steigenden Preisen und sinkt bei sinkenden Preisen. So kommt es „von selbst” zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Ganz allgemein wird erwartet, dass die Individuen spontan ihr Eigeninteresse im Auge haben und dass sich daher regelmäßig „belohnte” Verhaltensweisen durchsetzen werden. Die Entstehung von „heimlichen Spielregeln” (Scott-Morgan [Spielregeln]) im Unternehmen wird etwa so erklärt: Die Menschen suchen im Unternehmen nach Belohnungen, wollen bspw. in der Hierarchie aufsteigen und Karriere machen. Dann überlegen sie, wer im Unternehmen die Macht hat, über diese Belohnung zu entscheiden und was man tun muss, um diesen Personen zu gefallen. Sind für den Aufstieg z.B. die in einem Profit-Center erzielten Gewinne ausschlaggebend, wird es vermutlich zu der Spielregel kommen, dass das „eigene Revier” geschützt wird und alles getan wird, um gute Quartalsergebnisse präsentieren zu können (vgl. auch Abb. 13-4). Motivierende Kräfte, Aufstiegschancen Stellenwechsel Vorgesetzter zufrieden, Sich abheben, Keine Fehlschläge Revier schützen, Quartalsergebnisse Machtausübende Kräfte Handlungsauslösende Kräfte Motivierende Kräfte, Aufstiegschancen Stellenwechsel Vorgesetzter zufrieden, Sich abheben, Keine Fehlschläge Revier schützen, Quartalsergebnisse Machtausübende Kräfte Handlungsauslösende Kräfte Abb. 13-4: Die Entstehung heimlicher Spielregeln (Quelle: Scott-Morgan [Spielregeln] 40) Solche Spielregeln können sich als fatal erweisen, weil sie die notwendige Kooperation mit anderen Bereichen erschweren und zu einer sehr kurzfristigen Unternehmenspolitik führen. In vielen Unternehmen sind folgende Spielregeln zu finden: Sich nur auf jene Aktivitäten konzentrieren, die zu Prämien führen; vorrangig quantitativ messbare Ergebnisse liefern; wichtige Informationen für <?page no="444"?> Neue Organisationsmodelle · 419 sich behalten; viel Zeit für die Beziehungspflege investieren; keine Fehler zugeben; keine Risiken eingehen. Da die spontane Ordnung die formale und erwünschte Ordnung sowohl unterstützen als auch stören und außer Kraft setzen kann, ist es wichtig, die autogenen selbstorganisierenden Prozesse im Blick zu behalten und - soweit möglich - zielgerichtet zu beeinflussen. Mehr autonome Selbstorganisation soll bspw. auch die Spielregeln im Unternehmen positiv beeinflussen. Es wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass sich in den veränderten Strukturen auch positive autogene Selbstorganisationsprozesse einstellen und sich eine Kultur der Beweglichkeit, Innovationsbereitschaft, Zukunftsgläubigkeit, Offenheit und Kooperationswilligkeit einstellt. Es wäre aber naiv zu glauben, dass sich die autogene Selbstorganisation bei vermehrter Autonomie immer in die gewünschte Richtung entwickelt. Eine Verflachung der Hierarchie wird „von selbst” zu noch schärferer Konkurrenz unter den Kollegen führen, wenn die gewohnte Karriereorientierung des „Aufstiegs nach oben” ungebrochen erhalten bleibt. Eine radikale Strukturänderung kann zu einem regelrechten „Kultur-Schock” führen. Wer lange Jahre nur auf Befehl gehandelt hat, wird nicht einfach zum Unternehmertyp. Massive Probleme zeigten sich bspw. bei der Reorganisation der Lufthansa. Aus der früheren Bürokratie mit vielen Hierarchiestufen wurden mehrere selbständige mittelständische Unternehmen gemacht, mit sehr hohem Delegationsgrad, viel Projektarbeit und wenig Führungsstellen. Die Folge waren zunächst Re-Delegation, Abwehr von Verantwortung, Angst und Unsicherheit bei den Mitarbeitern und Frustration bei jenen Führungskräften, die Macht abgeben mussten (vgl. Fischer/ Risch [Kultur-Revolution]). Von anderen Unternehmen wird berichtet, dass es den Mitarbeitern ungeheuer schwer fällt, auf die gewohnten Titel und Statussymbole zu verzichten, die traditionell den Erfolg im Unternehmen demonstrieren. Nach kurzer Zeit bildet sich von selbst eine „Schattenhierarchie” mit subtilen Signalen für Machtunterschiede, und wenn es nur ein andersfarbiges Türschild ist (vgl. Risch/ Sommer [Wo] 312). Daraus ist zu schließen: Eine reine Strukturänderung hat wenig Erfolgsaussichten. Zahlreiche weitere Managementsubsysteme (wie Führungsstil, Kultur, Anreizsysteme, Personalentwicklung) müssen gemeinsam mit der Struktur verändert werden, wenn die Erwartungen an die Selbstorganisation nicht enttäuscht werden sollen. <?page no="445"?> 420 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle 2.4 Lernende Organisation Vor dem Hintergrund einer sich stets schneller ändernden Umwelt wird von den Unternehmen ein hoher Grad an Wandlungsfähigkeit verlangt. Da Produkte und Märkte in immer kürzerer Zeit veralten, können dauerhafte Wettbewerbsvorteile nur durch die Fähigkeit erzielt werden, mit diesem Wandel immer wieder Schritt zu halten. Sie müssen permanent lernen: “The ability to learn faster than your competitors may be the only sustainable competitive advantage” (De Geus [Learning] 71). Die Rede vom „Lernen der Unternehmung” oder „organisationalen Lernen” ist nicht unumstritten, weil damit das Unternehmen zu sehr „vermenschlicht” wird. Tatsächlich sind es zunächst einmal Individuen in der Organisation, die lernen. “Organizations have no other brains and senses than those of their members” (Hedberg [Organizations] 6). Andererseits tritt die Organisation dem Einzelnen in vielerlei Gestalt als Wissensreservoir gegenüber, wobei dieses Wissen in Strukturen, Richtlinien, Abläufen, Routinen, Technologien, Normen und anderen Medien sedimentiert sein kann. Individuelles Wissen und Können wird kollektiviert und es entsteht eine organisationale Wissensbasis, die unabhängig von einzelnen Individuen weiter existiert. Organisationales Lernen ist der Prozess der Schaffung und stetigen Weiterentwicklung der organisationalen Wissensbasis. Soll organisationales Lernen gefördert werden, sind drei Schlüsselprobleme zu lösen (vgl. Steinmann/ Hennemann [Organisation] 39f.): (1) Kollektivierung individuellen Wissens Der Einzelne muss in der Lage und bereit sein, seine Kenntnisse und Fähigkeiten mit anderen zu teilen, sie der Unternehmung zur Verfügung zu stellen und in die gemeinsame Aufgabenerfüllung einzubringen, also aus implizitem Wissen explizites Wissen zu machen. Das Unternehmen muss quasi wissen, was an Wissen da ist. (2) Sicherstellung der Verwendung des vorhandenen Wissens Das vorhandene Wissen ist daraufhin zu bewerten, ob es besonders unternehmensdienlich ist und daher vorrangig gefördert und genutzt werden sollte. Die tatsächliche Anwendung solchen Wissens sollte sichergestellt werden. <?page no="446"?> Neue Organisationsmodelle · 421 (3) Dauerhafte Forcierung der Lernprozesse Der Lernprozess sollte permanent in Gang gehalten werden. Die Individuen müssen immer wieder die Möglichkeit haben, neues Wissen und Können zu erwerben. Sie sollten erfahren, dass dieses Lernen erwünscht ist und honoriert wird. Außerdem wird die Wissensbasis ständig auch um die Erfahrungen aus der Verwendung des vorhandenen Wissens bereichert. Ein zentraler Begriff in der Diskussion zum organisationalen Lernen ist der des Wissensmanagements. Wissensmanagement ist die zielorientierte Gestaltung des Wissensprozesses im Unternehmen. Der Wissensprozess umfasst die Wissensgenerierung, den Wissenstransfer, die Wissensspeicherung und die Wissensnutzung. (a) Wissensgenerierung. Die traditionelle Form der Wissensgenerierung erfolgt im Rahmen der betrieblichen Fort- und Weiterbildung. Uns beschäftigt hier jedoch insbesondere die Frage, wie die Struktur einer „lernenden Organisation” aussehen sollte. Es wird also nach einem Organisationsmodell gesucht, welches Lernen begünstigt. Interessanterweise werden alle bisher vorgestellten neuen Organisationsmodelle mit dem Lernen in Verbindung gebracht. Die Prozessorganisation begünstigt das organisationale Lernen durch das Denken in Zusammenhängen, die Rückführung der Spezialisierung und die Integration von Denken und Handeln (vgl. Göbel [Bedeutung]). Durch die Teamorganisation kann das Lernen gefördert werden, weil die Individuen in der Gruppe mehr kommunizieren, unterschiedliches Wissen austauschen und besser motiviert sind, ihr Wissen der Gruppe zur Verfügung zu stellen (vgl. Senge [Discipline] 233ff.). Selbstorganisation ist nur möglich, wenn die Mitarbeiter über vielerlei Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, was systematisch gefördert wird. Flache Hierarchien verhindern, dass auf dem Weg durch die Instanzen viel Wissen verloren geht. Selbstkontrolle verbessert das Erfahrungslernen. Bei unternehmensübergreifender Kooperation lernt man fremdes Know how und andere mentale Modelle kennen. Der Blick über die eigenen Grenzen hinaus kann „Betriebsblindheit” verhindern und neue Perspektiven eröffnen. (b) Wissenstransfer. Die Aufgabe des Wissenstransfers besteht in der Übertragung von Wissen, über das Individuen und Gruppen verfügen, auf andere Individuen bzw. Gruppen. In struktureller Hinsicht bieten sich die bereits für die Wissensgenerierung bevorzugten Team- und Kooperationsmodelle an. In Joint Ventures und strategischen Allianzen findet systematisch ein Wis- <?page no="447"?> 422 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle sensaustausch zwischen den Partnern statt. Teammodelle sind geeignet, die funktionalen und hierarchischen Barrieren für den Wissensaustausch zu überwinden. (c) Wissensspeicherung. Die heutige Medientechnik ist in besonderem Maße fähig, Wissen zu speichern, sowohl in gedruckter als auch in elektronischer Form. Ein besonders geeignetes Speichermedium ist jedoch der Mitarbeiter. Seine Speicherkapazität übersteigt jene künstlicher Systeme - weniger im Hinblick auf die Quantität als auf die Art des zu speichernden Wissens. Die Bereitschaft zur Wissensspeicherung wird gefördert durch eine Grundeinstellung, die sich insbesondere in einer starken Unternehmenskultur ausdrückt. Zur Wissensspeicherung gehört auch die Wissensbewahrung, also die Verhinderung von Wissensverlust. Er ist insbesondere dann zu verzeichnen, wenn das Wissen einer Gruppe oder eines Individuums durch Auflösung einer Gruppe (etwa im Rahmen der Projektorganisation) oder Abwanderung des Mitarbeiters verloren geht. (d) Wissensnutzung. Eine konsequente Verwendung des vorhandenen Wissens ist nur dann gewährleistet, wenn die Organisation die Freiheit gewährt, das Wissen aller in den Unternehmensprozess einzubringen. Voraussetzung dafür sind Führungsstile und Strukturen, die die Mitarbeiter motivieren, sich am Unternehmensgeschehen zu beteiligen und die auch dafür sorgen, dass das Wissen der Mitarbeiter gefragt und berücksichtigt wird. Beispiel: Der Hörgerätehersteller Phonak in der Schweiz, ein High Tech- Unternehmen mit 550 Mitarbeitern, gilt als Experte und Vorbild in Sachen Wissensmanagement. Das Unternehmen ist äußerst innovativ und erfolgreich. Die Ursprünge des Unternehmens liegen in einem kleinen Team von Experten, die gemeinsam ein völlig neues Hörgerät entwickelten. Jeder fragte jeden, alle arbeiteten ganz gleichberechtigt zusammen. Phonak versteht sich als ein „Kommunikationshaus”. Jeder soll mit jedem reden und zwar informell. Die Cafeteria ist der wichtigste Ort im Unternehmen. Die gemeinsame Kaffeepause am Morgen ist Pflicht. Jeder Neuling stellt sich allen Mitarbeitern persönlich vor. Es gibt kaum formelle Regeln, keine vorgeschriebenen Dokumente, keine offiziellen Meetings, keine Dienstwege, keine Hierarchie. Alle Arbeit wird in Projektteams erledigt. So eine Art „Chef” ist immer derjenige, der sich gerade am besten auskennt. Das Gebäude spiegelt die Kultur wieder. Es gibt fast keine Trennwände, kaum Unterschiede bei den Arbeitsplätzen, alle Bereiche gehen nahtlos ineinander über. Forscher und Entwickler sitzen direkt neben der Fertigung und alle Entwicklungen müssen parallel in der Produktion getestet werden, damit nicht jahrelang im stillen Kämmerlein für den Papierkorb gearbeitet wird. Es werden ständig Kunden eingeladen, bis zu 8000 im Jahr, mit denen die Forscher und Entwickler reden müssen. Die Mitarbeiter dürfen und sollen Kontakte <?page no="448"?> Neue Organisationsmodelle · 423 zu Universitäten aufbauen, Fachbücher lesen, Lehrbücher schreiben, Vorträge halten... Es gibt auch Forscher, die die Freiheit haben, sozusagen ohne direkte Anwendungsorientierung zu forschen, die nur den Puls der Entwicklung in der Technologie fühlen sollen. Problem: Die wachsende Unternehmensgröße zwingt mittlerweile zu mehr Struktur. Bei 360 Mitarbeitern im Stammhaus gelingt nicht mehr alles rein informell. Man braucht mehr und mehr offizielle Termine und Formulare. 2.5 Kooperationen 2.5.1 Interorganisationale Beziehungen zwischen Markt und Hierarchie Nicht nur die innerbetriebliche Organisation hat sich im Laufe der Zeit stark verändert, auch die zwischenbetriebliche Organisation wurde neu gestaltet. Die interorganisationalen Beziehungen werden traditionell als Marktbeziehungen verstanden. Unternehmen, die eine gleiche oder ähnliche Leistung anbieten, stehen sich demnach als Konkurrenten im Wettbewerb gegenüber (Beispiel: BMW und Daimler). Man geht von einer Unabhängigkeit der Konkurrenten, antagonistischen Interessen und einer eher misstrauisch-feindseligen Beziehung aus. Bieten die Unternehmen Güter und Leistungen an, die sich im Rahmen der überbetrieblichen Arbeitsteilung ergänzen, dann begegnen sie sich auf dem Markt als Lieferant und Abnehmer, die Kaufverträge schließen (Beispiel: Daimler als Abnehmer und Bosch als Lieferant von Autoelektronik). Auch in dieser Beziehung wird die Autonomie der Vertragspartner unterstellt und zumindest teilweise eine entgegengesetzte Interessenlage, weil beide Parteien Preis und Lieferkonditionen zu ihren Gunsten beeinflussen wollen. Im Modellmarkt ist der Kauf ein kurzer, formeller und anonymer Akt, bei welchem v.a. die Vertragsgestaltung im Verein mit der Rechtsprechung die Interessen der Parteien absichern soll. Der Vertragspartner kann jederzeit gewechselt werden. Unternehmen schließlich, deren Leistungen weder konkurrieren noch sich als Teile einer Wertschöpfungskette ergänzen, haben überhaupt keinen Kontakt im Markt (Beispiel: Nahrungsmittel- und Kosmetikhersteller). Solche interorganisationalen Beziehungen können von den beteiligten Unternehmen radikal verändert werden. Das Gegenmodell zu den Marktbeziehungen bilden die Beziehungen in einer gemeinsamen Hierarchie. Fusionen und Übernahmen machen aus Konkurrenten Kollegen unter gemeinsamer hierarchischer Leitung, vertikale Integration führt Lieferanten und Abnehmer unter ein gemeinsames Dach und auch bisher beziehungslose Unternehmen können im <?page no="449"?> 424 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Rahmen einer konglomeraten Diversifikation zu einem Unternehmen zusammengeschlossen werden. Die Parteien geben ihre Selbständigkeit auf, verfolgen gemeinsame Interessen, wirken langfristig zusammen und bilden - so steht zu hoffen persönliche, vertrauensvoll-kooperative Beziehungen aus. Mit der Unternehmenskooperation versucht man nun, Zwischenformen zwischen Markt- und Hierarchiebeziehungen zu finden, um die Vorteile beider Formen zu kombinieren bzw. ihre jeweiligen Nachteile zu mildern. In den letzten Jahren erlangten die Kooperationen eine stark steigende Bedeutung. Letztlich zielen Kooperationen auf die Wahrnehmung von Wettbewerbsvorteilen. Kooperation ist eine auf Wettbewerbsvorteile zielende, relativ stabile und enge Zusammenarbeit zwischen mehreren Unternehmen, bei der die wirtschaftliche Selbständigkeit lediglich in den von der Kooperation betroffenen Bereichen für die Dauer der Kooperation eingeschränkt wird, die rechtliche Selbständigkeit der Kooperationspartner aber vollständig erhalten bleibt. Man kann sich dieser hybriden Organisationsform zwischen Markt und Hierarchie aus beiden Richtungen nähern: (1) Auf der einen Seite wird in vormals hierarchischen Beziehungen „mehr Markt“ eingebracht. Das beginnt mit der Etablierung relativ autonomer organisatorischer Subeinheiten, die als „Unternehmen im Unternehmen“ über Verrechnungspreise marktähnlich koordiniert werden und die innerhalb der Hierarchie zu einer Art Lieferanten-Abnehmer-Verhältnis führen sollen, und geht bis hin zum Outsourcing, also der realen Auslagerung von Aktivitäten mit anschließendem Fremdbezug. (2) Auf der anderen Seite wird aber auch die Zusammenarbeit mit den externen Marktpartnern zunehmend hierarchisch „angereichert“. Schon die langfristige Zusammenarbeit mit einem bestimmten Lieferanten führt bspw. zu eher persönlich gefärbten und vertrauensvollen Beziehungen sowie zu einer Annäherung der Interessen, was eigentlich typisch für die Hierarchie ist. Spezialisiert sich der Lieferant ganz auf die Bedürfnisse eines Abnehmers und arbeitet womöglich auch noch in dessen Räumen, dann nähert sich die Marktbeziehung sehr stark an die vertikale Integration an. Wie bereits dargelegt (vgl. S. 402), verschwimmen durch solche gemischten Beziehungen die Grenzen der Unternehmung. Die intensive Beschäftigung von Theorie und Praxis mit den innovativen Formen unternehmensübergreifender wirtschaftlicher Aktivitäten hat nicht nur zu einer Fülle von unterschiedlichen Kooperationsmodellen, sondern auch zu einer verwirrenden Begriffsvielfalt geführt. So werden die Begriffe „Netzwerk- <?page no="450"?> Neue Organisationsmodelle · 425 organisation“ und „strategische Allianz“ heute zunehmend als Synonyme zum Begriff der „Unternehmenskooperation“ verstanden, während früher der Begriff der Allianz für Kooperationen von Wettbewerbern und der Begriff des Netzwerkes für vertikale Kooperationen reserviert waren. Netzwerkorganisationen werden zudem auch als modulare Organisation, als Business Web oder virtuelle Unternehmung bezeichnet. Im Folgenden werden nach der Richtung der verknüpften Aktivitäten drei Arten von Kooperationen unterschieden: • Vertikale Kooperationen beziehen sich auf die Zusammenarbeit von Unternehmen, die sich in einem Zulieferer-Abnehmer-Verhältnis zueinander befinden. • Horizontale Kooperationen erfassen die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die sich auf derselben Marktbzw. Wertschöpfungsstufe befinden und gleiche oder ähnliche Leistungen anbieten und somit in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. • Laterale Kooperationen werden von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen eingegangen, die weder Konkurrenten sind noch in einem Zulieferer-Abnehmer-Verhältnis stehen. Zudem werden noch zwei Sonderformen der Kooperation analysiert, nämlich das • Joint Venture und die • Virtuelle Organisation. 2.5.2 Vertikale Kooperationen Von vertikalen Beziehungen spricht man immer dann, wenn es um die Zusammenarbeit von Unternehmen geht, die auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette angesiedelt sind, also in einem Zulieferer-Abnehmer- Verhältnis zueinander stehen. Der Trend zu mehr Unternehmenskooperation lässt sich am deutlichsten bei der Zusammenarbeit „entlang der Wertkette“ beobachten (vgl. Sydow [Unternehmenskooperation] 1545). Die Koordination zwischen Abnehmern und Lieferanten erfolgt nach klassischer Sicht über den Preismechanismus des Marktes. Die Alternative zum Kauf am Markt ist die Eigenfertigung. Bei vertikaler Integration wechselt man vom Markttausch zur Wertschöpfung im Unternehmen, beim Outsourcing findet ein Wechsel von der Hierarchie zum Markttausch statt. Markt und Hierarchie sind aber nur Extrempole auf einem Kontinuum möglicher Formen der Gestaltung von Transaktionen. <?page no="451"?> 426 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Zwischen diesen Polen liegen die hybriden Formen der Kooperation (vgl. Abb. 13-5). Kaufvertrag Langfristige Lieferverträge Franchisingverträge Regionale Netzwerke Funktionale Organisation marktliche Koordination hierarchische Koordination Markt Netzwerkorganisation Hierarchie Divisionale Organisation Abb. 13-5: Netzwerkorganisation zwischen Markt und Hierarchie (in Anlehnung an Sydow [Netzwerke] 104) Die intensive Zusammenarbeit zwischen Abnehmer und Lieferant firmiert unter Begriffen wie vertikale strategische Allianz (vgl. Hoffmann [Allianz] 14), strategisches Netzwerk (vgl. Staber [Netzwerke] 932), Zulieferkooperation, Wertschöpfungspartnerschaft, Supply Chain Management, Quasi-Integration (vgl. Sydow [Unternehmenskooperation] 1545) und Netzwerkorganisation. Traditionell betrachtet man die vertikale Kooperation aus dem Blickwinkel des Abnehmers, der die Beziehung zu seinen Lieferanten neu gestaltet. Die Inititative für eine Kooperation kann aber auch vom Lieferanten ausgehen, welcher eine engere Zusammenarbeit mit den Kunden sucht. In diesen Fällen redet man von Kundenkooperation, Relationship Marketing oder Customer Relationship Management (vgl. Sydow [Unternehmenskooperationen] 1545. In jedem Fall werden typische Merkmale innerbetrieblicher Kooperation (wie Langfristigkeit und Partnerschaftlichkeit der Beziehungen, Entwicklung von Loyalität und Vertrauen, gemeinsame Ziele, Eingehen von Abhängigkeiten) mit Merkmalen des Markttausches (völlige rechtliche und teilweise wirtschaftliche Selbständigkeit der Partner, keine direkten Weisungsbeziehungen, teilweise Interessendivergenzen, Lieferverträge) kombiniert. <?page no="452"?> Neue Organisationsmodelle · 427 Drei vertikale Kooperationen sollen im Folgenden näher betrachtet werden: • Langfristige Lieferverträge, • Franchisingverträge und • Regionale Netzwerke. (1) Langfristige Lieferverträge Nach dem klassischen Marktmodell begegnen sich Abnehmer und Lieferant anonym auf dem Markt und schließen einen vollständigen Kaufvertrag ab. Der Lieferant wird durch den Wettbewerb diszipliniert und im Eigeninteresse gezwungen, dem Kunden ein attraktives Angebot zu machen, weil dieser sonst zu einem anderen Lieferanten wechselt. Wie der Transaktionskosten-Ansatz lehrt, funktioniert die Marktkoordination aber nur im Fall unspezifischer Transaktionen problemlos. Sobald die Faktorspezifität zunimmt, kann man nicht mehr ohne weiteres auf andere Marktpartner ausweichen und muss damit rechnen, dass diese Abhängigkeit opportunistisch ausgenützt wird. Nun kann es für den Abnehmer aber durchaus Vorteile bringen, wenn der Lieferant ihm sehr spezifische, „maßgeschneiderte” Leistungen bietet: • Die Arbeitsteilung im Wertschöpfungsprozess lässt sich optimieren; der Abnehmer kann bspw. seine Fertigungstiefe senken und größere Bauteile fertig montiert beziehen. • Die Lagermengen können durch Just-in-time-Lieferungen gesenkt werden. • Entwicklungszeiten und -kosten für neue Produkte lassen sich verringern; der Lieferant kann seine Zulieferteile parallel entwickeln. • Die Produktionskosten können durch spezifische Investitionen und maßgeschneiderte Prozesse gesenkt werden. Bevor sich ein Lieferant allerdings auf eine solche enge Bindung an einen Abnehmer einlässt und bspw. in Spezialmaschinen investiert oder sein Werk in der Nähe des Abnehmers aufbaut, strebt er eine gewisse Sicherheit vor Ausbeutung durch den Abnehmer an. Je stärker er sich nämlich an einen bestimmten Abnehmer bindet, desto mehr ist er diesem auch ausgeliefert. Die Gefahr von Vertragsnachverhandlungen und Streitereien über die Verteilung der gemeinsam erzielten Vorteile (Quasi-Rente) steigt. Diese Überlegungen haben die Tendenz begünstigt, dass viele Unternehmen heute mit wenigen, sorgfältig ausgewählten Zulieferern langfristige Liefer- <?page no="453"?> 428 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle verträge schließen und eng kooperieren. Typische Merkmale innerbetrieblicher Kooperation, wie Vertrauen und Loyalität, entwickeln sich dann auch zwischen den Marktpartnern. Die Stabilität der Beziehung wird gefördert, wenn die Abhängigkeit nicht zu asymmetrisch ist. Meistens entwickelt sich im Laufe der Zeit von selbst eine wechselseitige Abhängigkeit, denn auch der Abnehmer kann nicht mit einem Lieferantenwechsel drohen, wenn er von dessen spezifischen Leistungen abhängig ist. Besonders in der Automobilbranche arbeitet man heute vielfach in durch langfristige Lieferverträge abgesicherten Netzwerken zusammen. Von einer fokalen Unternehmung ausgehend, die den Endkunden beliefert, besteht das Netz auf der Beschaffungsseite oft aus mehreren Systemlieferanten, die ihrerseits wiederum mit ausgewählten Vorlieferanten zusammenarbeiten. Die Anzahl der Lieferanten wird drastisch gesenkt. Daimler arbeitet bei den neuesten Automobilmodellen nur noch mit ca. 25 Lieferanten direkt zusammen, während es früher im Durchschnitt über 1000 waren. Mit diesen Lieferanten werden langfristige Kooperationsverträge geschlossen, oft für die gesamte Laufzeit eines Modells. Den Lieferanten werden bedeutend mehr Aufgaben und Kompetenzen übertragen. Sie entwickeln und produzieren eigenständig komplette Module wie Bremssysteme, Getriebe oder Sitzgarnituren. Der Modullieferant übernimmt die volle Entwicklungs-, Logistik- und Qualitätsverantwortung für seine Teilleistungen. Er koordiniert die Material- und Teileströme, beschafft das notwendige Know how und stimmt seine Vorlieferanten zeitlich und inhaltlich aufeinander ab. Der Endprodukthersteller erzeugt nur noch einen kleinen Anteil der Wertschöpfung im eigenen Unternehmen (teilweise unter 20%). Er übernimmt v.a. strategische Aufgaben, definiert den Markt für das Netzwerk und gibt netzwerkweite Ziele und Strategien vor. Über die fokale Unternehmung (sog. „hub-firm”) kann sich so auch eine „Netzwerkidentität” und eine „Netzwerkkultur” entwickeln. Man spricht auch von strategischen Netzwerken (vgl. Sydow [Netzwerke] 81f.). (2) Franchisingverträge Zur Form der Netzwerkorganisation wird auch das Franchisesystem gerechnet. Die Beziehung zwischen einem Franchisegeber und einem Franchisenehmer ist wie folgt organisiert: Der Franchisegeber erteilt dem Franchisenehmer gegen Entgelt die Lizenz, den geschützten Markennamen und ein bestimmtes Geschäftssystem unternehmerisch zu nutzen (Beispiel: McDonalds Restaurants, OBI Baumärkte). Die Partner sind rechtlich unabhängig, der Franchisenehmer kauft die Lizenz und weitere Dienstleistungen <?page no="454"?> Neue Organisationsmodelle · 429 des Franchisegebers (bspw. Werbung, Know how-Vermittlung, Gestaltung der Geschäftsräume). Den Gewinn aus seiner unternehmerischen Tätigkeit darf der Franchisenehmer selbst einbehalten. Der Franchisegeber verkauft sozusagen eine Geschäftsidee und eine Reputation. Das entspricht einer Marktbeziehung. Da ihm an der Erhaltung eines einheitlichen Konzeptes und an der Reputation gelegen ist, behält der Franchisegeber sich zugleich gewisse hierarchieähnliche Regelungskompetenzen vor. Er kann bspw. vorschreiben, dass bestimmte Produkte ins Sortiment aufgenommen werden müssen, dass systemweite Werbekampagnen durchgeführt werden, dass die Innenausstattung der Geschäftsräume bestimmten Standards genügt und vieles mehr. Die Aus- und Weiterbildung der Franchisenehmer durch den Franchisegeber, die soziale Kontrolle der Franchisenehmer untereinander und das Bemühen um eine einheitliche Systemkultur sind weitere hierarchieähnliche Elemente des Franchisesystems. Das Franchising ist eine Art Mittelding zwischen vertikaler Vorwärtsintegration und Verkauf an unabhängige Marktpartner. Die marktähnlichen Elemente führen zu einer stärkeren Motivation der Franchisenehmer, die ja als selbständige Unternehmer an der Erzielung von Gewinnen interessiert sind. Die hierarchieähnlichen Elemente sorgen für Synergieeffekte und Größenvorteile. (3) Regionale Netzwerke Ein gesteigertes Interesse gilt in letzter Zeit den interorganisationalen Netzwerken, in denen sich hauptsächlich kleine und mittlere und auf wenige Produktionsschritte spezialisierte Unternehmen kooperativ zusammenfinden, um gemeinsam ein Endprodukt für den Konsumenten herzustellen (vgl. Staber [Netzwerke] 933ff.). Solche Netzwerke arbeiten oft räumlich konzentriert in einer bestimmten Region. Man spricht daher auch von regionalen Netzwerken oder von Industriedistrikten. Häufig genannte Beispiele sind die Industriedistrikte in Norditalien in Bereichen wie Textilien- und Schuhproduktion. Die kleinen Familienunternehmen übernehmen jeweils nur einzelne Schritte im Verarbeitungsprozess, bspw. Besticken von Stoffen, Zuschneiden, Knöpfe herstellen, Etiketten einnähen, Bügeln. Durch diese Spezialisierung können sie sich in ihrem Bereich besondere Kompetenzen erarbeiten. Zudem gelten die kleinen Unternehmen als sehr flexibel. Schließlich sind sie als Unternehmer i.d.R. hochmotiviert, so dass keine Kontrollkosten anfallen, wie es bei angestellten Mitarbeitern in einem großen integrierten Unternehmen der Fall wäre. <?page no="455"?> 430 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Diesen Vorteilen steht ein sehr hoher unternehmensübergreifender Koordinationsbedarf gegenüber, denn schließlich müssen bspw. die Stoffe und Knöpfe zum Design und dieses wiederum zum Vermarktungskonzept passen, und die bearbeiten Güter müssen zeitgerecht an die nächste Produktionsstufe weitergereicht werden. Diese Koordinationsaufgabe übernimmt ebenfalls ein Spezialist, der Impranatore. Er lässt den Markt erkunden, beauftragt die Designer, nimmt die Aufträge des Textilhandels entgegen und setzt die Fertigungskette in Gang. An sich würden die sehr hohen Marktbenutzungskosten gegen eine solche extreme zwischenbetriebliche Arbeitsteilung sprechen. Hilfreich wirken sich jedoch die langfristige Zusammenarbeit, die räumliche Nähe und die Einbettung der Kooperationspartner in ein gemeinsames soziales Milieu aus. Ein gemeinsames Verständnis von Kooperation, Kommunikation und Konfliktlösung, geteilte Normen, wechselseitiges Vertrauen und ein tief verwurzeltes Zusammengehörigkeitsgefühl in der Region können offenbar die Transaktionskosten des Marktes in ähnlicher Weise senken wie eine innerbetriebliche Unternehmenskultur. (4) Theoretische Grundlage der Netzwerkorganisation Als theoretische Grundlage für die Begründung von vertikalen Kooperationsmodellen wird v.a. der Transaktionskosten-Ansatz herangezogen. Nach der These „Im Anfang war der Markt” (Williamson [Institutionen] 99) werden sich hierarchieähnlichere Tauschformen nur dann entwickeln, wenn der Markt versagt. Marktversagen ist wiederum dann zu erwarten, wenn es nicht genügend austauschbare Anbieter homogener Leistungen gibt, d.h. wenn es um spezifische Leistungen geht. Die Praxis zeigt allerdings, dass Netzwerke oft gar nicht aus einer Situation des Marktversagens heraus entstanden sind. Den Automobilherstellern standen bspw. sehr viele homogene Lieferanten zur Verfügung, die sie im Wettbewerb gegeneinander ausspielen konnten. Die Auftraggeber haben sich dann freiwillig in eine größere Abhängigkeit von den Lieferanten begeben, indem sie die Anzahl der Lieferanten drastisch reduzierten, bis hin zum single sourcing, also der exklusiven Zusammenarbeit mit nur einem einzigen Lieferanten für eine bestimmte Leistung. Zugleich haben sie mit dem Outsourcing auch hochspezifische Leistungen aus der Hierarchie in den Markt verlagert. Dass sich die Unternehmen somit freiwillig in eine Situation begeben haben, die aus Sicht der Institutionenökonomik als nachteilig eingestuft wird, kann mit dem „Resource Based View“ erklärt werden. Nach dem „Resource based View of the firm” kann ein Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile nur über besondere Kompetenzen erreichen. Nur wenn ein Unternehmen ganz <?page no="456"?> Neue Organisationsmodelle · 431 besondere, unternehmensspezifische und nicht leicht imitierbare Ressourcen besitzt, kann es sich dauerhaft positiv von den Konkurrenten abheben. Aus einem traditionellen Marktkauf können solche Ressourcen nicht hervorgehen, denn dann können die Konkurrenten jederzeit auf die gleichen Ressourcen zugreifen. Nur eine exklusive, auf die besonderen Bedürfnisse des Abnehmers extra zugeschnittene Leistung der Lieferanten, kann Basis eines Wettbewerbsvorteils werden. Spezifität ist nach dieser Sichtweise erwünscht, weil sie die Grundlage von Wettbewerbsvorteilen bildet. Sie sollte daher aktiv hergestellt werden und das geht nur, wenn sich Lieferant und Abnehmer genauer aufeinander einstellen und langfristiger binden. Durch die engere Zusammenarbeit werden sich im Laufe der Zeit auch die hierarchietypischen „invisible assets” (vgl. Itami [Mobilizing]) ausbilden. Die Netzwerkpartner kennen sich persönlich, man hat gemeinsame Erfahrungen gemacht, eine gemeinsame Sprache gefunden, Missverständnisse ausgeräumt, voneinander gelernt, gemeinsame Routinen entwickelt und Know how ausgetauscht. Nach und nach sammelt sich neben dem spezifischen Sach- und Humankapital auch ein gemeinsames Wissens- und Sozialkapital an, welches den Partner immer weniger austauschbar erscheinen lässt. Diese Nicht-Austauschbarkeit der Lieferanten birgt Gefahren, weil die Marktkontrolle versagt. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Gegenüber den eigenen Kunden möchte jedes Unternehmen nämlich sehr gerne als „nicht austauschbar” und „einmalig” erscheinen. Die Differenzierungsstrategie von Porter (vgl. [Wettbewerbsvorteile] 40f.) beruht genau auf diesem Gedanken. Kann die eigene Differenzierung nur über eine engere und exklusivere Zusammenarbeit mit den Lieferanten (bzw. Vertriebspartnern) erreicht werden, weil nur so die Wertschöpfungskette insgesamt optimiert werden kann, dann erscheint der teilweise Verzicht auf die Marktkontrolle als vergleichsweise geringfügiger Nachteil. Die Logik des Transaktionskosten-Ansatzes wird also umgedreht: Die Netzwerkstruktur ist nicht die Folge von Marktversagen durch Spezifität, sondern die Ursache für eine erwünschte Spezifität. Sie ist eine „Metakompetenz” (vgl. Rasche [Kernkompetenzen] 159), welche die Akkumulation von besonderen Fähigkeiten und einmaligen Ressourcen erleichtert. 2.5.3 Horizontale Kooperationen Neben den dominierenden vertikalen Kooperationen sind zunehmend auch horizontale Kooperationen zu beobachten. Von horizontaler Kooperation spricht man dann, wenn Unternehmen auf derselben Wertschöpfungsstufe, also Wettbewerber, eine Zusammenarbeit vereinbaren. Ziel ist die gemeinsame Erarbei- <?page no="457"?> 432 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle tung eines Wettbewerbsvorteils durch die Verknüpfung der Ressourcen und Aktivitäten der Partner. Solche Kooperationen werden häufig auch als horizontale strategische Allianz bezeichnet und können viele Formen annehmen. Die Partner können die Ressourcen innerhalb eines bestimmten Bereiches bündeln und eine Aufgabe (bspw. Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Vertrieb) gemeinsam erfüllen oder in mehreren Funktionsbereichen zugleich zusammenarbeiten. Manchmal werden Teilfunktionen zunächst aus dem Unternehmen ausgegliedert und auf eigens gegründete Unternehmen („Spin-off“) übertragen, mit denen dann eine enge Zusammenarbeit vereinbart wird. Mit den Spin-offs ist die Hoffnung verbunden, dass durch sie ein „unternehmerisches“ Umfeld entsteht und neue Ideen heranreifen. Durch eine horizontale Kooperation können unterschiedliche Organisationstypen kombiniert werden, welche jeweils für eine Teilaufgabe besonders geeignet sind. Kleine, wenig strukturierte „Adhokratien“ (vgl. S. 316) fungieren als Keimzelle für kreative, innovative Ideen. Die effiziente Produktion und Vermarktung übernehmen dann die großen, durchstrukturierten „Maschinenbürokratien“ (vgl. S. 314). Das Pharmaunternehmen Pfizer pflegt bspw. weltweit mehr als 150 Allianzen mit Biotechnikunternehmen, medizinischen Zentren und Forschungslabors, um immer über den neuesten Stand der Forschung unterrichtet zu sein und auf diese Weise auch Gelegenheiten für Akquisitionen zu entdecken. Die Bindungsintensität einer horizontalen Kooperation kann sehr unterschiedlich sein. Relativ gering ist sie bei den reinen Vertragskooperationen ohne Kapitalverflechtung. Die Bindung steigt deutlich, wenn für den Kooperationsbereich eigens ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) gegründet wird. Im Extremfall läuft die Allianz schließlich auf eine Akquisition oder Fusion hinaus, d.h. die Partnerunternehmen werden in einer Hierarchie zusammengelegt. Als Ursachen für den Trend zur stärkeren Zusammenarbeit von Wettbewerbern werden vermutet: • Die Verkürzung der Produktlebenszyklen bei steigender Entwicklungszeit für Neuprodukte. Durch gebündeltes Know how lassen sich die Entwicklungszeiten verkürzen, die Kosten und die Risiken können geteilt werden und durch größere Absatzmengen lassen sich die Kosten leichter wieder erwirtschaften. • Der Trend zur Globalisierung der Nachfrage. Weltweit ähnliches Kaufverhalten führt zu sehr großen Märkten. Das Potenzial lässt sich mit einheimischen Partnern in den verschiedenen Ländern leichter erschließen. <?page no="458"?> Neue Organisationsmodelle · 433 • Zunehmender Kostendruck durch weltweiten Wettbewerb. Durch Kooperationen im Beschaffungsbereich kann Marktmacht gegenüber den Lieferanten aufgebaut werden, durch Produktionskooperationen lassen sich Skaleneffekte erzielen. Die Vorteile einer horizontalen Kooperation liegen in erster Linie im Zugriff auf externe Ressourcen und fremdes Know how, wodurch sich wiederum Zeitvorteile, Wissens- und Marktzugang, Risiko- und Kostensenkungen ergeben können. Die Zusammenarbeit kann im Vergleich mit einer Akquisition sehr gezielt nur für bestimmte Bereiche erfolgen. Vor allem die vertragliche Kooperation weist zudem eine geringe Bindungsintensität auf und kann deshalb flexibel eingesetzt werden. Diese Flexibilität ist aber mit dem Nachteil größerer Unsicherheit behaftet. Da die Partner i.d.R. gleichzeitig Konkurrenten sind mit natürlicherweise antagonistischen Interessen, besteht immer die Gefahr, dass ein Partner das in der Kooperation erworbene Wissen und Können letztlich gegen den anderen Partner ausspielt. Empirische Studien zeigen, dass relativ viele strategische Allianzen, nach manchen Studien jede zweite, scheitern. Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Versuch, die Vorteile der institutionellen Arrangements „Markt“ und „Hierarchie“ zu kombinieren, kann zu einem Dilemma führen. Ohne Vertrauen zueinander und die Offenlegung strategisch relevanter Informationen ist die Kooperation sinnlos. Da eine feste Bindung und eine einheitliche Leitung fehlen, ist eine solche Offenlegung aber auch riskant. 2.5.4 Laterale Kooperationen Zu Kooperationen können auch Unternehmen zusammenfinden, die aus ganz unterschiedlichen Branchen stammen. Als wichtiger Auslöser für solche lateralen Kooperationen kann die Veränderung und Auflösung von Branchengrenzen (bspw. Verschmelzung von Computer, Telekommunikation und Massenmedien, von Versicherungen und Banken, von Automobilbau und Elektronik) gelten. Die neu entstehenden Märkte erfordern Wissen aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Wollen Unternehmen in diese neuen Märkte diversifizieren, dann kommen sie durch eine Kooperation schneller an das notwendige Know how als durch internes Lernen. Gegenüber einer Akquisition oder Fusion hat die Kooperation zudem die Vorteile größerer Flexibilität und eines geringeren Risikos. Die Strategie der lateralen Diversifikation durch Akquisition erwies sich bisher in vielen Studien als sehr riskant. Vermutlich werden die sowieso schon erheblichen Schwierigkeiten des Zusammenwachsens unterschiedlicher Unternehmen nach einem Zusammenschluss noch größer, wenn die beteiligten Unternehmen <?page no="459"?> 434 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle völlig verschiedenen Branchen entstammen. Eine Kooperation ermöglicht dagegen eine leichter reversible und auf wenige Bereiche beschränkte Zusammenarbeit. Gegenüber einer Kooperation von Wettbewerbern sind die Konkurrenzprobleme der lateralen Kooperation deutlich geringer. Dafür sind die Unterschiede in den Geschäftspraktiken und der Kultur größer, was eine Zusammenarbeit erschwert. 2.5.5 Joint Venture Eine Kooperation wird als Joint Venture (= Gemeinschaftsunternehmen) bezeichnet, wenn die Partnerunternehmen zur Durchführung der Kooperationsaufgabe gemeinsam eine rechtlich selbständige Gesellschaft gründen. Ein Joint Venture kann bei vertikaler, horizontaler und lateraler Kooperation eingesetzt werden. Die Anteile am Gemeinschaftsunternehmen können zu gleichen Teilen aber auch asymmetrisch zwischen den Partnern aufgeteilt werden. Das Beteiligungsverhältnis hat Einfluss auf die Kompetenzverteilung. Bei starker Dominanz eines Partners und de facto einheitlicher Leitung entsteht ein Konzern. Die Gründung einer gemeinsamen Tochter und der hohe Kapitaleinsatz machen das Joint Venture zu einer sehr bindungsintensiven und wenig flexiblen Kooperationsform, die nur bei längerfristiger oder zeitlich unbegrenzter Partnerschaft zur Anwendung kommen sollte. Wie der Name „Joint Venture“ (gemeinsames Risiko) schon nahe legt, spielt der Aspekt der Risikoreduktion durch Teilung des Kapitaleinsatzes eine wichtige Rolle. Zum anderen stellt die Gründung eines Joint Ventures oft die einzige Chance für den Zugang zu neuen Märkten dar. Viele Entwicklungsländer und ehemalige Ostblockstaaten lassen Direktinvestitionen in ihren Ländern nur zu, wenn einheimische Unternehmen als Partner in ein Joint Venture aufgenommen werden. Sie erhoffen sich von der Zusammenarbeit v.a. einen Know how-Transfer (vgl. auch Kumar [Venture]). Während früher Joint Ventures v.a. bei Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern gegründet wurden, sind sie heute auch als Kooperationsform zwischen Unternehmen in Industrieländern beliebt. 2.5.6 Virtuelle Organisation Davidow und Malone haben 1992 mit ihrem Werk „The Virtuell Corporation, Structuring and Revitalizing the Corporation for the 21 st Century“ den Begriff der virtuellen Unternehmung eingeführt. Seitdem wird die Virtualisierung der Organisation zu einem immer wichtigeren Thema. „Virtuell“ bedeutet, dass etwas der Möglichkeit nach vorhanden, aber nicht realisiert ist. Als Beispiel kann man <?page no="460"?> Neue Organisationsmodelle · 435 sich vorstellen, dass ein Architekt dem Bauherrn zunächst alle möglichen Entwürfe am Computer präsentiert, die aber solange virtuell bleiben, bis eben eine Möglichkeit physisch realisiert wird. Unter einer Virtualisierung der Organisation versteht man dementsprechend, dass es ein großes Potenzial oder Reservoir an verschiedenen Organisationsmöglichkeiten gibt, die sich daraus ergeben, dass einzelne selbständige Organisationsmodule problem- und aufgabenorientiert sehr unterschiedlich miteinander kombiniert und vernetzt werden können. Man spricht auch von dynamischen Netzwerken (vgl. Miles/ Snow [Failure] 66f.). Der Kanadier Don Tapscott (geb. 1947) propagiert seit kurzem eine - wie er es nennt - revolutionäre Form der virtuellen Zusammenarbeit. Dieses „Zeitalter der Partizipation“ wird als „Wikinomics“ bezeichnet: „Wir alle haben teil an der Entstehung einer globalen, allgegenwärtigen Plattform für die Zusammenarbeit mit vernetzten Computern, die beinahe jeden Aspekt menschlichen Austausches revolutioniert. Im alten Web ging es um Websites, Mausklicks und „Zugriffe“, im neuen Web geht es um Community, Partizipation und Gleichrangigkeit.“ (Tapscott/ Williams [Wikinomics] 19). Nach Tapscott beruht Wikinomics auf 4 Prinzipien (vgl. Tapscott/ Williams [Wikinomics] 20): (1) Offenheit (Bereitschaft zur Vernetzung) (2) Gleichrangigkeit (Selbstorganisation statt Hierarchie) (3) Kultur des Teilens (Bereitstellung von Wissen und Wissen für alle) (4) Globales Handeln (Inanspruchnahme eines globalen Talentpools). Beispiele für die virtuelle Organisation von Gemeinschaftsprojekten sind das Betriebssystem „Linux“ (Open-source-Software) sowie das Lexikon „Wikipedia“. Virtuelle Organisationsformen entstehen durch die problem- und aufgabenorientierte Vernetzung von Organisationsmodulen zu einer kundenorientierten Gesamtleistung auf der Basis einer geeigneten informations- und kommunikationstechnischen Infrastruktur. Die Module können einzelne Personen, Teams oder ganze Unternehmen sein. Bei einer unternehmensinternen problembezogenen dynamischen Vernetzung von Organisationseinheiten kann man auch von Projektorganisation sprechen. Sie wird als Organisationsform der Zukunft gepriesen (vgl. auch Peters [Hierarchien] 223ff.). So bezeichnet sich z.B. das Beratungsunternehmen „accenture“ (früher Andersen Consulting) selbst als virtuellen Verbund, weil die Mitarbeiter je nach Auftrag und vorhandenen Kompetenzen projektbezogen eingesetzt <?page no="461"?> 436 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle werden, auf der Basis einer globalen elektronischen Informations- und Kommunikationsplattform (vgl. Picot/ Neuburger [Virtuelle] 816.). Von einem virtuellen Unternehmen spricht man in der Regel nur dann, wenn es zu einer überbetrieblichen, temporären Vernetzung verschiedener selbständiger Unternehmen kommt (vgl. Picot/ Neuburger [Modulare] 899f.). Ein virtuelles Unternehmen ist: • Ein zeitlich begrenzt kooperierendes Netzwerk • aus selbständigen Unternehmen (und Freiberuflern), • die über spezifische Kompetenzen verfügen • und gemeinsam ein Projekt abwickeln. Es gibt keine Hierarchie; lediglich ein broker bzw. eine sog. hub firm (hub = Mittelpunkt) übernimmt die Koordination. Als Beispiel kann ein Übersetzungsbüro dienen, dass mit anderen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Übersetzungsbüros sowie freiberuflichen Übersetzern weltweit vernetzt ist. Auftragsbezogen werden die benötigten Fachkompetenzen temporär konfiguriert. Die hub firm kann auch auftragsbezogen variieren. Dann übernimmt bspw. immer diejenige Unternehmung die Leitung eines Projektes, die den Auftrag akquiriert hat (vgl. Picot/ Neuburger [Virtuelle] 812f.). Textilunternehmen (Lieferung des Stoffes) Designer (Herstellung eines Schnittmusters) Schneiderei (Nähen des Hemdes) Handel (Vertrieb des Hemdes) hub firm (Manager der Wertschöpfungs- Kette) Textilunternehmen (Lieferung des Stoffes) Designer (Herstellung eines Schnittmusters) Schneiderei (Nähen des Hemdes) Handel (Vertrieb des Hemdes) hub firm (Manager der Wertschöpfungs- Kette) Abb. 13-6: Virtuelle Organisation am Beispiel eines neu entworfenen Herrenhemdes <?page no="462"?> Neue Organisationsmodelle · 437 Die Ressourcen und Fähigkeiten der virtuellen Unternehmung übersteigen bei weitem die der einzelnen Teilnehmer. Bei einer solchen dynamischen Vernetzung spielen die modernen Mittel der Informations- und Kommunikationstechnologie (Internet, Videokonferenzen, Mobilkommunikation, Datenbanken etc.) eine zentrale Rolle. Dies gilt v.a. bei einer weltweiten Verteilung der Standorte der Beteiligten. Die Zusammenarbeit ist nicht auf Langfristigkeit angelegt; sobald das Projekt abgewickelt ist, trennen sich die Netzwerkbeteiligten wieder (vgl. Garrecht [Entstehung] 110). Die virtuelle Organisation wird daher auch als „Ereignisorganisation“ bezeichnet (vgl. Scholz [Organisation] 320ff.). Die virtuelle Organisation weist folgende Vorteile auf: (1) Die beteiligten Unternehmen können sich auf wenige Kernkompetenzen konzentrieren und relativ klein und „schlank“ bleiben, dabei aber zugleich auf die Kompetenzen und Kapazitäten der anderen beteiligten Unternehmen zugreifen und so ihr Potenzial enorm steigern. (2) Es existiert ein hoher Grad an Flexibilität, da keinerlei Bindung an den bisherigen Partner existiert und stets aufs Neue der „Beste“ engagiert werden kann. (3) Es ist eine sehr hohe Kundenorientierung möglich. Im Prinzip kann für jeden Kunden eine eigene Konfiguration geschaffen werden. (4) Bereitschafts- und Fixkosten können gesenkt werden. (5) Es findet eine ständige Herausforderung auf dem „Marktplatz der Ideen“ statt. Diese wiederum stellt eine ideale Grundlage für das Lernen dar. (6) Die Bindung an Ort und Zeit wird aufgehoben (Wirtschaftsprozess „anytime/ anyplace“). An Nachteilen sind zu nennen: (1) Labilität und Unsicherheit der Organisation behindern die Entwicklung einer Organisationskultur i.S. eines gegenseitigen Kennenlernens und Vertrauens. Die Partnerwahl ist daher von elementarer Bedeutung. (2) Jedes neue Projekt führt zu erneuten Vorbereitungs- und Anlaufkosten. (3) Die Steuerung von virtuellen Unternehmen ist sehr kompliziert. (4) Kurzfristigkeit und Dynamik der Konfiguration erschweren die Zuschreibung von Verantwortung und die Entwicklung einer Reputation. (5) Mängel in der technischen Infrastruktur können die Bildung virtueller Unternehmen stark behindern. <?page no="463"?> 438 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle (6) Eine face-to-face Kommunikation der Beteiligten erfordert u.U. hohen Reiseaufwand. (7) Gefahr des Free Rider-Verhaltens einzelner Mitglieder (Free Rider = Trittbrettfahrer, Ausbeuter). Die virtuelle Unternehmung hat Ähnlichkeit mit dem regionalen Netzwerk. Es gibt aber auch wichtige Unterschiede. Beim regionalen Netzwerk spielen die räumliche Nähe der Netzwerkpartner und die Einbettung in ein gemeinsames soziales Milieu eine entscheidende Rolle, während es bei der virtuellen Unternehmung gerade die weltweite Verteilung der Standorte ist, die als typisch gilt. Man spricht daher auch von einer Form der Telekooperation (vgl. Picot/ Reichwald/ Wigand [Unternehmung] 418). Kennzeichen der regionalen Netzwerke ist zudem die langfristige, prinzipiell unbefristete Zusammenarbeit der gleichen Partner. Als Vorteil der virtuellen Unternehmung gilt dagegen gerade die Flexibilität in der Zusammensetzung der Akteure. Die virtuelle Unternehmung liegt auf dem Kontinuum der hybriden Formen zwischen Markt und Hierarchie deutlich näher bei den Marktbeziehungen (vgl. Abb. 13-5). 2.6 Integrity- und Compliance-Strukturen Unternehmen sind heute in wachsendem Maße gezwungen und auch bereit, soziale Verantwortung zu übernehmen. Der Grund für „Corporate Social Responsibility“ (CSR) dürfte darin liegen, dass sich Verantwortung „lohnt“, denn die Öffentlichkeit honoriert und belohnt in zunehmendem Maße soziales Verhalten und sie „bestraft“ unsoziales Verhalten. Es gibt zwei prinzipielle organisatorische Ansätze, um der Corporate Social Responsibility zum Durchbruch zu verhelfen: (1) Der Abbau organisationaler Verantwortungsbarrieren, also durch die Schaffung von Integrity-Strukturen (2) Der Aufbau organisationaler Unterstützungspotenziale durch Einrichtung von Compliance-Stellen. <?page no="464"?> Neue Organisationsmodelle · 439 2.6.1 Abbau organisationaler Verantwortungsbarrieren durch Schaffung von Integrity-Strukturen Wenn unmoralische Praktiken in der Wirtschaft bekannt werden, fragt man sich meist spontan, was das wohl für Menschen sind, die „so etwas“ tun, also bspw. Anleger vorsätzlich schlecht beraten, verdorbene Lebensmittel falsch etikettiert in den Verkehr bringen, Bilanzen fälschen, Bestechungsgelder zahlen oder annehmen. Für die Ethik in Organisationen ist aber eine andere Frage zentral, nämlich „was sind das für Unternehmen, in denen Menschen so etwas tun? “ (Waters [Corporate] 283f.). Es ist keineswegs nur eine billige Ausrede von unmoralischen Individuen, wenn angesichts der sich häufenden Wirtschaftsskandale von einem „Systemversagen“ gesprochen wird. Tatsächlich behindern Organisationsstruktur und -kultur häufig die individuelle Wahrnehmung von Verantwortung. In komplex-arbeitsteiligen Systemen kommt es zu einer Verantwortungsdiffusion oder auch zur „organisierten Unverantwortlichkeit“ (vgl. Blickle [Ethik] 6). Die „organisierte Unverantwortlichkeit“ lässt sich auf die zahlreichen Trennungen zurückführen, die für die Organisationsstruktur im Unternehmen typisch sind: Die einen kaufen ein, die anderen produzieren, wieder andere verkaufen, den einen obliegt die Planung, den anderen die Ausführung oder Kontrolle einer Handlung, manche bereiten eine Entscheidung vor, die anderen treffen die Entscheidung, die einen handeln nur auf Befehl von oben, die anderen geben nur Ziele und Absichten vor, setzen sie aber nicht selbst in die Tat um. Durch Spezialisierung und Hierarchie fühlt sich letztlich niemand für das Endergebnis verantwortlich. Jeder hat ja nur eine kleine Teilaufgabe erfüllt bzw. einer Weisung von oben oder einem vorgegebenen Programm gehorcht. Viele Mitarbeiter trennen auch zwischen ihrer Rolle als Aufgabenträger der Unternehmung und der Privatperson. Sie glauben, dass sie als Funktionär der Organisation Dinge tun dürfen oder sogar tun müssen, die sie als Privatperson ablehnen würden. Korruption um an Aufträge zu gelangen ist dafür ein typisches Beispiel. Weiterhin entfaltet die Hierarchie eine Filterwirkung. Untergebene hüten sich, negative Informationen und Kritik nach oben zu kommunizieren, Vorgesetzte beschönigen oder ignorieren problematische Informationen. Überdies neigen vor allem spezialisierte Techniker dazu, Gefahren, die von der Technik ausgehen könnten, zu verharmlosen. Die für die moralische Verantwortung wesentliche Verbindung von Absicht/ Gesinnung, Handlung und Folgen wird in einem Unternehmen vielfach unterbrochen. Zum einen, weil die meisten Mitarbeiter nicht selbst entscheiden, sondern nur Befehle ausführen bzw. vorgegebenen Plänen und Programmen folgen. Zum anderen, weil sie immer nur für Teilhandlungen zuständig sind, die <?page no="465"?> 440 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle erst im Zusammenhang mit weiteren Handlungen und situativen Faktoren möglicherweise zu negativen Folgen führen. Den Mitarbeitern fehlt deshalb häufig das Kontrollbewusstsein, d.h. das Gefühl, selbst handeln und auf die Umwelt wesentlich einwirken zu können. Selbst Führungskräfte fühlen sich externen Zwängen durch die Konsumenten, die Investoren oder Konkurrenten ausgeliefert und begreifen sich tendenziell als Objekt ihrer Umwelt. Ohne das Bewusstsein eigener Handlungskompetenz entsteht aber auch kein Verantwortungsbewusstsein (vgl. Hoff [Verantwortungsbewusstsein] 72f.). Empfehlungen zum Abbau der Organisationsbarrieren basieren dementsprechend auch hauptsächlich auf der Idee der Herstellung von Integrity-Strukturen. In ganzheitlichen Arbeitsprozessen sollen Teilfunktionen wieder zusammengeführt werden, so dass auch ein Verantwortlicher für das Endergebnis benannt werden kann. Entscheiden, Ausführen und Kontrollieren, Denken und Handeln sollen wieder stärker integriert, die Hierarchie abgebaut werden. Die Selbstabstimmung von Teilaufgaben in der Gruppe soll die Verantwortung für die Koordination an die Ausführenden delegieren. Mit job rotation wird der Blick über den eigenen Zuständigkeitsbereich hinaus geweitet. Eine flache Hierarchie verbunden mit partnerschaftlicher Führung baut Informationsfilter ab und fördert angstfreie symmetrische Kommunikation. Durch mehr Autonomie wird Vertrauen in die Selbstverantwortung der Organisationsmitglieder signalisiert und deren moralische Kompetenz gestärkt (vgl. Rebstock [Ethik]). 2.6.2 Aufbau organisationaler Unterstützungspotenziale durch Einrichtung von Compliance-Stellen Immer mehr Unternehmen ergreifen strukturelle Maßnahmen, um das Verantwortungsbewusstsein und die Verantwortungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu unterstützen. Der Aufbau spezieller Compliance-Strukturen (to comply = sich fügen, Folge leisten) gilt zumindest in den großen börsennotierten Unternehmen mittlerweile zum Pflichtprogramm der Manager. Beispiele: Bei Siemens waren 2008 weltweit mehr als 600 Personen nur für Compliance-Maßnahmen abgestellt. Gegenüber 2006 hat sich die Anzahl der Compliance- Mitarbeiter versiebenfacht. In Deutschland kümmert sich die zentrale Abteilung „Compliance Helpdesk und Monitoring“ um eingehende Hinweise auf ungesetzliche oder unmoralische Praktiken (Hotline „tell us“) und gibt Ratschläge an Mitarbeiter, die verunsichert sind, was die Zulässigkeit ihrer Handlungen betrifft (Hotline „ask us“). Unterstützt werden die regionalen Stellen von einem externen Unternehmen in den USA, welches für Siemens als Anlaufstelle für sog. Whistleblower agiert. Ein Whistleblower ist jemand, der unethische Praktiken einer Organisation gegenüber den eigenen Vorgesetzten oder gegenüber der Öffentlichkeit aufdeckt, also „ver- <?page no="466"?> Neue Organisationsmodelle · 441 pfeift“. Zahlreiche Wirtschaftsskandale konnten nur über solche Insiderinformationen aufgeklärt werden. Zu den Aufgaben spezieller Einrichtungen für CSR und Compliance gehören u.a. die Bereitstellung von ethischem/ juristischem Fachwissen, die Umgehung organisationaler Informationsbarrieren, der direkte Kontakt mit Stakeholdern, die Anleitung von Diskursen, die Vermittlung in Konflikten, die Treuhänderfunktion für öffentliche Interessen wie Umwelt- und Tierschutz, die Vermittlung der sozialen und ökologischen Standards des Unternehmens nach innen und außen und nicht zuletzt die Rolle als Vorbild für integres Handeln im Unternehmen. Die konkrete Ausgestaltung solcher Einrichtungen kann in Abhängigkeit von Größe, Branche und Interesse der Unternehmen stark variieren. So können Einzelpersonen zuständig sein oder multipersonale Gremien, sie können eher juristisch orientiert sein oder eher ethisch, für spezielle Stakeholder zuständig sein oder ganz allgemein das Thema CSR vertreten, die Aufgaben als Spezialisten oder nur nebenbei wahrnehmen, zum Unternehmen gehören oder als externe Dienstleister arbeiten. Einige typische Lösungen sollen nun vorgestellt werden. Einen Überblick gibt Abb. 13-7. Abb. 13-7: Spezielle interne Strukturen zur Unterstützung der Unternehmensethik Einrichtungen für spezielle Stakeholder bzw. Anliegen Einrichtungen für den gesamten Bereich der sozialen Verantwortung Einzelpersonen Ombudsperson bspw. für Mitarbeiter Beschwerdestelle für Kunden Beauftragte (bspw. für Umweltschutz, für Gleichstellung, Behinderte, Verbraucherschutz) Public Interest Director ... Ombudsstelle für Ethik Ethikbeauftragter Corporate social responsibility officer Compliance officer ... Gremien Arbeitsbewertungskommission Ausschuss „Managerentlohnung“ Verbraucherabteilung Antikorruptionsabteilung .... Ethik-Kommission Abteilung für Umwelt- und Gesellschaftspolitik Ethik-Gesprächskreise ... <?page no="467"?> 442 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle (1) Einzelpersonen (a) Viele Unternehmen beschäftigen einen Ombudsmann. Der Begriff „Ombudsmann“ kommt ursprünglich aus Schweden und bezeichnet dort ein Amt, dessen Inhaber die Stellung des einzelnen Bürgers gegenüber staatlichen Stellen stärken soll, indem er Beschwerden und Klagen z.B. wegen Amtsmissbrauch oder willkürlicher Entscheide überprüft. Im Kontext von Unternehmen ist der Ombudsmann (der natürlich auch eine Frau sein kann) die offizielle Ansprechstelle für Anliegen externer oder interner Gruppierungen. Die Ombudsstelle hat somit eine Zugangsfunktion. Sie soll die Hemmschwelle zur Kommunikation abbauen. Dazu gehört auch, dass diese Stelle nicht als Sprachrohr der Unternehmensinteressen fungiert, sondern wirklich offen ist für die Stakeholderanliegen, die an sie herangetragen werden. Die Ombudsperson hat daneben auch die Funktion, Konflikte abzufangen, bevor sie eskalieren. Im Hinblick auf die Mitarbeiter kann sie bspw. ein externes whistle blowing überflüssig machen, indem die Missstände über die Ombudsstelle angesprochen und gelöst werden. Im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden versucht der Ombudsmann, Streitfälle außergerichtlich zu schlichten. Um die Neutralität der Stelle zu unterstreichen und das Vertrauen insbesondere der Mitarbeiter zu erhöhen, ist es empfehlenswert, sie mit einer unternehmensexternen Person zu besetzen. (b) Eine ganz ähnliche Funktion erfüllt die Beschwerdestelle, die bisher vor allem im Hinblick auf Kundenbeschwerden eingerichtet wird. Wie der Begriff „Beschwerdestelle“ schon aussagt, will man auf diese Weise Reklamationen und Unzufriedenheit mit den Produkten wahrnehmen. Bei einer echten Stakeholderorientierung wird die Stelle aber nicht nur als „Meckerkasten“ aufgefasst, sondern als Ort des Dialogs zwischen Unternehmen und Verbrauchern. So hat die Schweizer Einkaufsgenossenschaft Migros eine Verbraucherabteilung eingerichtet, die aktiv und präventiv nach Lösungen verbraucherpolitischer Probleme sucht und Impulse für verbraucherfreundliche Innovationen im Unternehmen gibt. Sie engagiert sich auch öffentlich im Bereich der Verbraucheraufklärung mit Broschüren und Videotextprogrammen zu vollwertiger Ernährung, Gesundheit und Umweltschutz. Die Konsumenten haben so großes Vertrauen in diese Einrichtung, dass sie dort aktiv Rat suchen in Verbraucherfragen. (c) Beauftragte können ebenfalls die Funktion einer Ombuds- und Beschwerdestelle übernehmen. Ihr Aufgabenspektrum geht aber darüber hinaus. Der/ die Beauftragte soll nicht nur Anlaufstelle für Vorschläge und Beschwerden sein, sondern im Interesse einzelner Gruppierungen oder im Hinblick auf bestimmte Bereiche Probleme und Konflikte antizipativ diag- <?page no="468"?> Neue Organisationsmodelle · 443 nostizieren und aufgrund seiner/ ihrer Fachkompetenz auch Lösungsvorschläge machen. Beauftragte sind in vielen Bereichen gesetzlich vorgeschrieben (bspw. Datenschutz-, Gewässerschutz-, Frauen-, Schwerbehinderten-, Arbeitssicherheitsbeauftragte), können aber auch freiwillig ernannt werden (bspw. Antikorruptionsbeauftragte, Klimaschutzbeauftragte). (d) In zahlreichen US-Unternehmen werden externe Interessengruppen durch die sog. Public Interest Directors vertreten, die Sitz und Stimme im Board haben. Sie vertreten bspw. die Anliegen von Verbrauchern, von Frauen oder von ethnischen Minderheiten. Sie sammeln einschlägige Informationen, machen Verbesserungsvorschläge, kontrollieren die Fortschritte und sind Ansprechpartner bei Problemen. Auf deutsche Verhältnisse übertragen könnten besonders relevanten Stakeholdergruppen Sitz und Stimme im Aufsichtsrat eingeräumt werden, vergleichbar der bereits bestehenden Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Das öffentliche Interesse an Umweltschutz könnte bspw. durch einen Umweltdirektor im Aufsichtsrat gewahrt werden (vgl. Gerum [Umweltdirektor]). Die tatsächlichen Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten können sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wer diese Personen auswählen darf, wieviel Einblick ihnen in die Unternehmensführung gewährt wird und ob sie neben einem Anhörungsrecht auch wirkliche Mitbestimmungsrechte haben (z.B. über einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte). (e) Einzelpersonen können auch für das gesamte Spektrum unternehmensethischer Probleme und Fragen zuständig sein. Sog. „ethics officers“ oder „compliance officers“ sind in immer mehr großen Unternehmen zu finden. Die „Ethics and Compliance Officer Association“, eine 1992 gegründete Vereinigung dieser Fachleute, weist zur Zeit etwa 1300 Mitglieder auf. Zu den zentralen Aufgaben zählt der Berufsverband die proaktive Unterstützung „ethischer Praktiken“ im Geschäftsleben, die Sorge für die unbedingte Einhaltung aller Gesetze, die Prüfung neuer Geschäftsideen und Strategien auf rechtliche und moralische Bedenken, das Aufdecken von juristischen und ethischen Problemen, die Weitergabe von Informationen auch an die Öffentlichkeit (Whistle blowing), wenn Sicherheit und Gesundheit von Stakeholdern gefährdet sind und die Weiterentwicklung der Idee einer moralischen Verantwortung der Unternehmen. Überdies sollen sie als Rollenvorbilder verdeutlichen, dass moralisches Handeln im Unternehmen erwünscht ist. <?page no="469"?> 444 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle (2) Gremien (a) Zu den am häufigsten diskutierten Möglichkeiten der organisatorischen Unterstützung der Unternehmensethik gehört die Ethik-Kommission. Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Bereichen, können wechseln und es können auch Externe einbezogen werden. Die Mitglieder arbeiten nicht ständig zusammen, sondern treffen sich in (festen) zeitlichen Abständen. Es handelt sich also um eine Form der Sekundärorganisation. Die Kommission kann - ohne Anspruch auf Vollständigkeit sehr unterschiedliche Aufgaben haben: • Die Einhaltung von Gesetzen und internen Richtlinien kontrollieren und externen sowie internen Beschwerden nachgehen, • Fragen zu Grauzonen der Unternehmenspolitik diskutieren und Empfehlungen abgeben, • weitere Anstrengungen zur Institutionalisierung von CSR unternehmen, • die ethischen Standards nach innen und außen kommunizieren, • Einzelmaßnahmen koordinieren, • ethische Probleme bei der Unternehmensführung zur Sprache bringen. Die Kommission wird meist als Dienstleistungsgremium für die Unternehmensführung verstanden, kann aber auch zum „Forum des Dialogs“ zwischen Konfliktparteien werden (vgl. Steinman/ Löhr [Grundlagen] 115). Im Vordergrund steht dann die Möglichkeit, dass Vertreter des Unternehmens und bestimmter Interessengruppen zusammentreffen um miteinander zu reden. Die beiden Funktionen schließen sich nicht aus, legen aber teilweise unterschiedliche organisatorische Lösungen nahe. (b) Soll die Kommission in erster Linie Expertenwissen bereitstellen, bei Problemfällen helfen, die internen Maßnahmen weiterentwickeln und ganz allgemein die Unternehmensführung in Sachen Ethik beraten, dann liegt im Grunde die Weiterentwicklung in Richtung einer Stabsabteilung mit festen Mitarbeitern nahe, die sich vollzeit diesen Aufgaben widmen. Der Otto- Versand verfügt bspw. über eine Stabsabteilung „Umwelt- und Gesellschaftspolitik“ mit Experten aus den Bereichen Naturwissenschaft, Umwelttechnik, Betriebswirtschaft, Recht und Kommunikation, die dem erklärten Ziel einer nachhaltigen und sozialverantwortlichen Unternehmenspolitik zur Durchsetzung verhelfen sollen (vgl. Lohrie/ Merck [Sozialverantwortung] 45). Geht es dagegen mehr um die konfliktbezogene direkte Auseinandersetzung mit Betroffenen oder eine ganz konkrete Problematik, <?page no="470"?> Neue Organisationsmodelle · 445 dann ist der flexible Ausschuss mit situativ ausgewählten Mitgliedern die sinnvolle Lösung. Der Ausschuss wird dann bspw. für ein bestimmtes Projekt mit großer Relevanz für bestimmte Stakeholdergruppen ins Leben gerufen, trifft sich in zeitlichen Abständen und wird nach Abwicklung des Projektes wieder aufgelöst. Oder der Ausschuss bearbeitet eine aktuelle Thematik (bspw. gerechtere Managerentlohnung) bis eine zufrieden stellende Lösung gefunden wurde. Als wünschenswert wird eine große Offenheit des Gremiums hinsichtlich der Teilnehmer angesehen. (c) Nach allerdings schon älteren empirischen Erhebungen bei US- Unternehmen setzen sich die Kommissionen in der Praxis häufig nur aus Führungskräften des eigenen Unternehmens zusammen. Das „Integrity- Team“ bei der Lufthansa umfasst bspw. die Leiter der Bereiche Konzernsicherheit, Revision, Recht und Personal. Damit ist zwar gewährleistet, dass die Kommissionsmitglieder auch in die zentralen Informations- und Entscheidungsprozesse involviert und nicht von der Machtbasis abgeschnitten sind, wie es einer reinen Stabseinheit passieren könnte. Auf der anderen Seite fehlt es wahrscheinlich an kritischer Distanz und an ethischer Kompetenz. Außerdem kommt kein Diskurs mit den Betroffenen zustande. Die Kommission ähnelt dann eher einem Ethik-Gesprächskreis für Führungskräfte. Durch die Teilnahme von Unternehmensexternen an den Kommissionssitzungen scheint insgesamt eher gewährleistet, dass diese Einrichtung so unabhängig, kritisch und fordernd gegenüber der Unternehmensführung auftritt, wie sie es idealerweise sollte. (d) Als Blockade oder Unterstützung für ethisches Handeln können sich neben der Organisationsstruktur auch die Organisationskultur, die Anreizsysteme, das Personalmanagement und das Controlling erweisen. So haben eine Kultur des schnellen Geldes, die Belohnung kurzfristiger Gewinnmaximierung, kurze Amtszeiten für Vorstände und die Messung von Erfolg ausschließlich über quantitativ-ökonomische Größen sicher zur Entstehung der „Ökonomie der Gier“ beigetragen, die schließlich in der globalen Finanzkrise mündete. Eine strukturelle Maßnahme kann deshalb ihre Wirkung immer nur in Kombination mit anderen Maßnahmen eines integrierten Ethik- Managements entfalten (vgl. Göbel [Unternehmensethik]). <?page no="471"?> 446 · Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle 3 Von traditionellen zu neuen Organisationsmodellen In den letzten Jahren hat sich - wie dargelegt - sehr viel an der Vorstellung geändert, wie eine effektive Organisationsstruktur beschaffen sein sollte. „In der deutschen Wirtschaftsgeschichte hat es keine Zeit gegeben, in der bestehende Organisationsstrukturen in so weitreichender Weise in Frage gestellt, in der organisatorische Änderungen mit so tief greifenden Konsequenzen verfolgt wurden. ... Noch nie war der Stellenwert der Fähigkeit, Organisationskonzepte entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können, beim Aufbau und bei der Sicherung von Wettbewerbsvorteilen so hoch wie heute” (Frese/ Werder [Organisation] 3,4). Der Übergang von einem traditionellen zu einem modernen Organisationskonzept bedeutet für die Unternehmung einen umfassenden organisationalen Wandel. In vielen Unternehmen schlagen die hoch gesteckten Reformprojekte allerdings fehl. Im gleichen Maße, wie die Notwendigkeit des Wandels erkannt wurde, stieg auch aus leidiger Erfahrung die Einsicht in die Schwierigkeiten eines gezielten Wandels. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, einem „Management des Wandels” mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Der folgende vierte Teil des Buches ist darum dem Thema „Wandel von Organisationen” gewidmet. Dabei soll in Kap. 14 v.a. die Notwendigkeit des Wandels begründet werden, während in Kap. 15 das Management des Wandels und die damit verbundenen Probleme dargestellt werden. <?page no="472"?> Fragen zur Wiederholung · 447 Fragen zur Wiederholung 1. Was ist der Grundgedanke der Prozessorientierung? (1.2) 2. Was versteht man unter Empowerment? (1.4) 3. Nehmen Sie Stellung zu der These: Die grenzenlose Unternehmung ist die Organisation der Zukunft. (1.6) 4. Es wird behauptet, die Prozessorganisation verstärke die Kundenorientierung. Ist diese Behauptung begründet? (2.1) 5. Welche Aufgaben übernehmen Qualitätszirkel? (2.2.2) 6. Wie wird die horizontale und wie die vertikale Koordination beim System überlappender Gruppen nach Likert vorgenommen? (2.2.4) 7. Was versteht man unter einer fraktalen Fabrik? (2.3.1) 8. Wie entsteht in einem Unternehmen eine organisationale Wissensbasis? (2.4) 9. Kooperationen sind angesiedelt zwischen der marktlichen Koordination und der hierarchischen Koordination. Was bedeutet in diesem Zusammenhang „marktliche Koordination” und was bedeutet „hierarchische Koordination”? (2.5.1 und Abb. 13-5) 10. Was versteht man unter regionalen Netzwerken? (2.5.2) 11. Welche Ursachen können für die verstärkte Kooperation von Wettbewerbern vermutet werden? (2.5.3) 12. Was versteht man unter einer virtuellen Organisation? (2.5.6) 13. Inwiefern können die Organisationen von Wikipedia und Linux als virtuelle Organisationen bezeichnet werden? (2.5.6) 14. Wie unterscheiden sich Compliance- und Integrity-Programme in Unternehmen? (2.6) <?page no="473"?> 448 · Fragen zur Vertiefung Fragen zur Vertiefung 1. Der umweltbezogene Institutionalismus behauptet, Organisationen würden sich manchmal nur dem äußeren Anschein nach auf einen neuen Managementtrend einlassen, tatsächlich aber nichts ändern. Halten Sie das für machbar? Wenn es dieses Phänomen gibt, wie könnte es dann erklärt werden? 2. Erfahrungen mit einer gruppenorientierten Entlohnung zeigen, dass dieses Entlohnungssystem allgemein akzeptiert wird, wenn es „aufwärts geht”. In Krisenzeiten entsteht dagegen Sprengstoff. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen? 3. Die „Communities of Practice” (vgl. S. 274ff.) gelten als viel versprechende Organisationsform zur Verbesserung des organisationalen Lernens. Wie kann man das begründen? 4. Inwiefern hat der Fortschritt in der Informationstechnologie das Entstehen von virtuellen Organisationen begünstigt? 5. Die starke Arbeitsteilung in regionalen Netzwerken erzeugt eigentlich hohe Transaktionskosten. Dass sie trotzdem effektiv funktionieren, wird oft mit der „Sozialen Einbettung” der Akteure erklärt. Was bedeutet „Soziale Einbettung” in diesem Zusammenhang und wie wirkt sie sich vermutlich auf die Transaktionskosten aus? 6. Die Formulierung „Organisation der Selbstorganisation” klingt zunächst widersprüchlich. Warum ist dies nicht der Fall? 7. Das Modell der Prozessorganisation definiert das Verhältnis von Aufbauorganisation und Ablauforganisation neu. Erläutern Sie diese Neuinterpretation. 8. Im Rahmen der Prozessorganisation spielt der Begriff des Kundennutzens eine wichtige Rolle. Was versteht man unter diesem Begriff und welcher Zusammenhang besteht mit der Prozessorganisation? 9. Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, von einer Unternehmensverantwortung zu sprechen oder haben nicht immer nur Individuen in einer Unternehmung Verantwortung? <?page no="474"?> Literaturempfehlungen · 449 Literaturempfehlungen Bea, F. X. / Haas, J.: Strategisches Management, 5. A., Stuttgart 2009. Göbel, E.: Unternehmensethik, Stuttgart 2006. Jansen, S.A.: Mergers and Acquisitions, 4. A., Wiesbaden 2001. Tapscott, D., Williams, A.D.: Wikinomics. Die Revolution im Netz. Titel der Originalausgabe: Wikinomics. How mass collaboration changes everything. New York 2006. <?page no="476"?> Teil 4: Wandel von Organisationen WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 GRUNDLAGEN TEIL 1 Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation TEIL 2 ORGANISATIONSTHEORIE Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze TEIL 3 ORGANISATIONSGESTALTUNG Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK WANDEL VON ORGANISATIONEN TEIL 4 GRUNDLAGEN TEIL 1 Kapitel 4: Management der Organisation Kapitel 1: Begriff der Organisation Kapitel 2: Ziele der Organisation Kapitel 3: Aufgaben der Organisation TEIL 2 ORGANISATIONSTHEORIE Kapitel 5: Aufgaben der Organisationstheorie und Methoden der Organisationsforschung Kapitel 7: Die Bedeutung der Organisationstheorie für die Organisationsgestaltung Kapitel 6: Organisationstheoretische Ansätze TEIL 3 ORGANISATIONSGESTALTUNG Kapitel 8: Gegenstand der Organisationsgestaltung Kapitel 9: Organisationseinheiten Kapitel 10: Aufbauorganisation Kapitel 11: Ablauforganisation Kapitel 12: Traditionelle Organisationsmodelle Kapitel 13: Neuausrichtung der Organisationsmodelle Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kapitel 15: Formen des Wandels ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK <?page no="477"?> Kapitel 14: Ursachen des Wandels 1 Die Fit-Hypothese 2 Externe Ursachen 3 Interne Ursachen Im vorangehenden Kapitel wurde dargestellt, wie sich in den letzten Jahren die Vorstellung von einer effektiven Organisation geändert hat. In fast allen Branchen rüsten sich die Unternehmen mit teilweise revolutionären Strukturänderungen für den Wettbewerb in den nächsten Jahrzehnten. Im Folgenden soll zunächst dargelegt werden, auf welche Ursachen dieser Bedarf an organisationalem Wandel zurückgeführt werden kann. Ausgehend von der Fit-Hypothese des situativen Ansatzes werden wichtige Änderungen im Kontext der Unternehmen beschrieben, die einen Strukturwandel erforderlich machen. Dabei werden externe und interne Ursachen des Wandels unterschieden. In Kapitel 15 steht dann die Frage im Vordergrund, auf welche Art und Weise der Wandel im Unternehmen vollzogen werden kann. 1 Die Fit-Hypothese Die Organisationsstrukturen, die wir in der Realität vorfinden, sind recht heterogen. Es gibt wohl kaum eine Aufbauorganisation eines Unternehmens, die mit jener eines anderen Unternehmens identisch wäre. Unternehmen wählen zwar bestimmte Grundmodelle der Organisation, sie variieren aber diese Modelle und kombinieren sie mit Sekundärorganisationen (vgl. Kap. 12) und passen sie neueren Entwicklungen entsprechend ihrer jeweiligen situativen Bedingungen an (vgl. Kap. 13). Jede gravierende Änderung der Situation, in der sich ein Unternehmen befindet, erzeugt den Bedarf nach organisationalem Wandel. Die Erkenntnis, dass es keine universell effektiven Strukturen gibt, ist die zentrale Aussage des situativen Ansatzes (vgl. S. 96ff.). Er führt die Unterschiede von Organisationen auf die jeweiligen spezifischen Kontextfaktoren zurück. Aus empirischen Befunden werden dann Hypothesen abgeleitet zur Beantwortung der Frage, welche Struktur zu welcher Situation „passt” und daher zu empfehlen ist. <?page no="478"?> Die Fit-Hypothese · 453 Gehen wir von dieser Grundthese des situativen Ansatzes aus, stellt sich die Frage, welche Strukturvariablen zu welchen Situationsvariablen passen und welche Änderungen im Kontext der Unternehmung zur Entwicklung neuer Organisationsmodelle beigetragen haben. Es liegt eine Reihe empirisch ausgerichteter Arbeiten vor, die dem Thema des Zusammenhangs von Situation und Struktur gewidmet sind. So werden monovariate und multivariate Ansätze unterschieden. Während die monovariaten Ansätze einzelne Einflussgrößen auf die Organisation, wie Technologie und Unternehmensgröße untersuchen, befassen sich die multivariaten Ansätze mit einem ganzen Bündel von Einflussgrößen. Als Beispiel sei der Ansatz von Kieser/ Kubicek bzw. Kieser/ Walgenbach genannt, welcher die in Abb. 14-1 aufgeführten Situationsvariablen von Organisationen unterscheidet. Die interne Situation wird in gegenwartsbezogene und vergangenheitsbezogene Faktoren untergliedert. Die Dimensionen der externen Situation sind in eine aufgabenspezifische und eine globale Umwelt zerlegt. Die mit einem Stern gekennzeichneten Dimensionen werden von beiden Autoren näher betrachtet (vgl. Kieser/ Walgenbach [Organisation] 216ff.). Dimensionen der internen Situation Dimensionen der externen Situation Gegenwartsbezogene Faktoren • Leistungsprogramm* • Größe* • Fertigungstechnologie* • Informationstechnologie* • Rechtsform und Eigentumsverhältnisse Aufgabenspezifische Umwelt • Konkurrenzverhältnisse* • Kundenstruktur • Technologische Dynamik* Vergangenheitsbezogene Faktoren • Alter der Organisation • Art der Gründung • Entwicklungsstadium der Organisation Globale Umwelt • Gesellschaftlich-kulturelle Bedingungen* Abb. 14-1: Die Situationsvariablen nach Kieser/ Walgenbach ([Organisation] 218) Wir erörtern im Folgenden solche Einflussfaktoren, von denen zu erwarten ist, dass sie in der Praxis eine große Relevanz aufweisen (vgl. Abb. 14-2). Im Einzelnen unterscheiden wir in Anlehnung an Kieser/ Walgenbach interne und externe Einflussfaktoren auf die Organisation. Als externe Einflussfaktoren betrachten <?page no="479"?> 454 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels wir die Segmente „Markt”, „Gesellschaft” und „Recht”. Mit ihnen muss die Organisation einen sog. System-Umwelt-Fit herstellen. Externe Einflussfaktoren Interne Einflussfaktoren 1. Markt 2. Gesellschaft 3. Recht 1. Zielsystem des Unternehmens 2. Strategie des Unternehmens 3. Fertigungstechnologie und Informationstechnologie 4. Unternehmenskultur Abb. 14-2: Einflussfaktoren auf die Organisation Die internen Einflussfaktoren stellen die aus unserer Sicht wesentlichen Managementsubsysteme dar, mit denen die Organisation im Rahmen eines Intra- System-Fits abzustimmen ist. Sie sind aus der Vielzahl von Fit-Konzepten herausgefiltert worden, die in Wissenschaft und Unternehmensberatung Verbreitung gefunden haben. Das bekannteste Konzept für den Intra-System-Fit ist von McKinsey entwickelt worden. Von diesem Beratungsunternehmen stammt das sog. 7-S-Modell. Es verlangt eine Abstimmung der Organisation (structure) mit der Strategie (strategy), den Systemen (systems), den Spezialkenntnissen (skills), dem Stammpersonal (staff), dem Stil (style) und dem Selbstverständnis (superordinate goals). Als Konsequenz aus einer kritischen Auseinandersetzung mit dem 7-S-Modell entwickelte Krüger das sog. KOMPASS-Modell (Konzept zur mehrdimensionalen Planung und Analyse strategischer Erfolgs-Segmente) (Krüger [Organisation] 28). In diesem Konzept sind die aufeinander abzustimmenden Erfolgssegmente: Struktur, Strategie, Träger (der Unternehmenspolitik), Potenziale, Systeme und Kultur. Nach dem situativen Ansatz der Organisationstheorie muss die Struktur u.a. zur Größe der Unternehmung, zum Leistungsprogramm, zum Grad der Internationalisierung, zur Fertigungs- und Informationstechnologie und zu den Eigentumsverhältnissen passen. Wir wollen uns im Folgenden auf vier interne Einflussfaktoren beschränken, mit welchen die Struktur abzustimmen ist: • Das Zielsystem der Unternehmung, in welchem nicht nur zum Ausdruck kommt, welche Ziele Richtschnur für die Unternehmenssteuerung sind, sondern auch, wer die Personen sind, die maßgeblich Einfluss auf die Un- <?page no="480"?> Die Fit-Hypothese · 455 ternehmensentscheidungen ausüben (sollten). In der Terminologie Kieser/ Walgenbachs geht es also auch um die Eigentumsverhältnisse. • Die Strategie, mit der die Aktionsfelder der Unternehmung und der Wettbewerb auf diesen Aktionsfeldern festgelegt werden. Strategische Entscheidungen beziehen sich u.a. auf das Leistungsprogramm und den Grad der Internationalisierung. • Die Fertigungstechnologie und Informationstechnologie, welche im Unternehmen eingesetzt werden. • Die Unternehmenskultur als die Gesamtheit der in einer Unternehmung im Laufe der Zeit entstandenen und akzeptierten Werte und Normen, die über bestimmte Denk- und Verhaltensmuster das Entscheiden und Handeln der Organisationsmitglieder prägen. Bei der Analyse der einzelnen in Abb. 14-2 dargestellten Einflussfaktoren ist zu berücksichtigen, dass diese Situationsvariablen sich gegenseitig beeinflussen und ihrerseits wiederum von anderen Einflussfaktoren abhängig sind. So beeinflussen sich die Strategie des Unternehmens und die Unternehmenskultur nicht nur gegenseitig, sondern sie sind auch abhängig von Situationsvariablen wie der Größe des Unternehmens, der Entwicklungsgeschichte des Unternehmens, der Branchenzugehörigkeit und gesellschaftlichen Bedingungen. Welche Fertigungs- und Informationstechnologien im Unternehmen eingesetzt werden, hängt auch von dem externen Faktor der technologischen Entwicklung ab. Die genannten Einflussfaktoren auf die Organisation sind ihrerseits auch nicht unbeeinflusst von der Organisation. Da die Organisation nicht als Vollzugssystem, sondern als eigenständiges Führungssubsystem zu begreifen ist, setzt sie ihrerseits wiederum Bedingungen für die sie umgebenden Führungssubsysteme. Strategie und Kultur hängen auch von der Struktur einer Unternehmung ab. Es findet so ein ständiger Abstimmungsprozess statt. Gelingt dieser Fit, so sind die Voraussetzungen für den Erfolg eines Unternehmens geschaffen. Die Organisation ist in diesem Sinne ein „strategischer Erfolgsfaktor” (Bea/ Haas [Management] 401ff.). Im Folgenden wollen wir vereinfachend die Zusammenhänge zwischen je einem externen bzw. internen Einflussfaktor und der Organisation darstellen. Die Beziehung zwischen den Einflussfaktoren und der Organisationsstruktur wird in erster Linie als Abhängigkeit der Organisation vom Situationsfaktor interpretiert. Änderungen der situativen Faktoren begründen die Notwendigkeit eines organisationalen Wandels. In welche Richtung dieser Wandel gehen soll, wird im Folgenden untersucht. <?page no="481"?> 456 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels 2 Externe Einflussfaktoren 2.1 Markt Eine Organisation muss - so haben wir festgestellt - effektiv sein. Das heißt für ein Privatunternehmen in einer Wettbewerbswirtschaft: Es muss sich letztlich am Markt bewähren. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn sich die Bedingungen des Marktes in der Struktur des Unternehmens und in den Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder niederschlagen. Ein erster Blick auf die Entwicklung der Güter- und Kapitalmärkte zeigt, dass die Wettbewerbsintensität beträchtlich zugenommen hat. Dieser Effekt ist im Wesentlichen zurückzuführen auf: • Die Globalisierung der Märkte, • die Deregulierung von Märkten, • die Verkürzung der Marktzyklen und • die Marktsättigung durch Überkapazitäten. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Organisation von Unternehmen, die sich im Wesentlichen auf die Steigerung • der Flexibilität, • der Kundenorientierung und • der Innovationsfähigkeit beziehen. (1) Flexibilität Die Dynamik der Märkte verlangt eine Organisation, die in der Lage ist, Veränderungen schnell wahrzunehmen (Früherkennung schwacher Signale), die Informationen unverzerrt und unmittelbar an die Entscheidungsträger heranzutragen (Überwindung von Informationsbarrieren) und die Informationen rasch in Aktionen umzusetzen (Reagibilität). Der Vergleich der einzelnen Organisationsmodelle hat gezeigt, dass diesen Anforderungen v.a. die Delegation und mit ihr die Dezentralisation von Verantwortung genügen. Die Hierarchie ist möglichst flach zu gestalten, um das Versickern von Informationen, die von der Basis wahrgenommen werden, zu vermeiden. Die Schaffung autonomer und marktorientierter Profit Center im Rahmen der Divisionalen Organisation bzw. der Holdingstruktur trägt in hohem Maße zur Flexibilisierung bei, weil diese Einheiten ihren Markt besser kennen und auch <?page no="482"?> Externe Einflussfaktoren · 457 besser motiviert sind, Marktsignale wahrzunehmen. Außerdem dürften sie im Rahmen der Selbstbestimmung eigenständig und rasch auf die Signale reagieren. Die relativ autonomen Einheiten können außerdem bei Bedarf leichter verändert oder sogar ausgegliedert werden, ohne eine unternehmensweite Reorganisation auszulösen. Ebenfalls flexibilitätserhöhend wirkt sich eine Verringerung der Spezialisierung aus: Wenn die Organisationsmitglieder mehrere Tätigkeiten beherrschen, entsteht zwar eine gewisse Redundanz in der Organisation, dafür ist aber das Spektrum an Reaktionsmöglichkeiten ausgeweitet. Dieselbe Wirkung ist von der Schaffung eines organizational slack (= Ressourcenüberschuss) zu erwarten. Ressourcen wie Personal und Lagerbestände werden großzügig bereitgestellt. Der Slack erhält dann die Bedeutung einer Pufferfunktion und trägt damit zur Steigerung der Flexibilität bei. (2) Kundenorientierung Kundenorientierung verlangt eine aktive und eine proaktive Erfassung von Kundenpräferenzen. „Aktiv” bedeutet, dass auf Beschwerden und auf neue Kundenwünsche schnell reagiert wird. An der Schnittstelle zwischen Unternehmung und Kunden können z.B. eigene Stellen geschaffen werden, die die Kunden beraten und/ oder Beschwerden und Anregungen entgegennehmen. Eine „proaktive” Einstellung einer Organisation liegt dann vor, wenn das eigentliche Kundenproblem in den Mittelpunkt der unternehmerischen Anstrengungen zur Problemlösung gerückt wird. Dies verlangt einen verstärkt an Kundenprojekten anstatt an Funktionsbereichen orientierten Aufbau des Unternehmens. Sog. Key-Account-Managern wird bspw. die Koordination der Leistungen für wichtige Großkunden übertragen (vgl. S. 384f.). Daraus entsteht z.B. das Organisationsmodell einer Kunden-Funktions-Matrix. Bei einer prozessorientierten Organisation bildet die Erzeugung von Kundennutzen den Ausgangspunkt für die Abgrenzung der Kernprozesse. Eine Verbesserung der Flexibilität steigert zugleich die Möglichkeiten zur Kundenorientierung durch maßgeschneiderte Lösungen an Stelle von standardisierter Massenware. Schließlich können die Kunden auch direkt an den Entscheidungen der Unternehmung beteiligt werden, indem sie z.B. an Ausschüssen für Produktentwicklung partizipieren. <?page no="483"?> 458 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels (3) Innovationsfähigkeit Ausgeprägte Wettbewerbsintensität auf Märkten verlangt von den Unternehmen die Fähigkeit, durch Entwicklung von Innovationspotenzialen zumindest „mithalten” zu können. Schon in einer der frühen Untersuchungen zum situativen Ansatz wurde von Burns/ Stalker ([Innovation]) die Frage aufgeworfen, welche Strukturen die Innovationsfähigkeit der Unternehmung steigern. Sie kamen zu dem Schluss, dass ein „organischer” Organisationstyp besser geeignet sei als ein „mechanistischer”. Der organische Typ ist gekennzeichnet durch flache Hierarchie, geringe Regelungsdichte und wenig Spezialisierung. Wenn möglichst viele, verschiedene und ungewöhnliche Ideen entwickelt werden sollen, gelten zudem Gruppen den Einzelpersonen gegenüber als überlegen. Die innovationsbewusste Organisation räumt den Organisationsmitgliedern schließlich mehr Handlungsspielraum ein. Solche innovationsförderlichen Merkmale weisen die Prozessorganisation, die Teamorganisation und die lernende Organisation auf. Im Rahmen eher traditioneller Organisationsmodelle können durch spezielle Venture-Einheiten quasi-autonome „Innovationsinseln” geschaffen werden, die bewusst von der Routine des laufenden Geschäftes befreit werden. Werden aus ihnen rechtlich selbständige Einheiten gebildet, spricht man auch vom Spin-off. 2.2 Gesellschaft Die Entscheidung der „Organisatoren” über Art und Grad der Strukturierung sowie die Wünsche der Organisationsmitglieder an die Struktur werden wesentlich mitbestimmt von den Vorstellungen in der Gesellschaft zum Verhältnis zwischen Unternehmung und Arbeitnehmern, zum Stellenwert von Arbeit und Freizeit, Tugenden wie Gehorsam, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit. Soziologische Studien haben in all diesen Bereichen wichtige Änderungen konstatiert. So wurde von Klages ([Indikatoren]) ein Wertewandel bei der jüngeren Generation festgestellt. Werte wie Disziplin, Gehorsam, Pflichterfüllung, Anpassungsbereitschaft und Selbstbeherrschung wurden abgewertet, Demokratie, Autonomie, Abwechslung, Selbstverwirklichung und Ungebundenheit aufgewertet. Die moderne Gesellschaft ist eine „Erlebnisgesellschaft” (vgl. Schulze [Erlebnisgesellschaft]), in welcher die Menschen sich weniger als früher nach äußeren Vorgaben richten wollen. Sie streben vielmehr nach inneren Erlebnissen (daher auch die Bezeichnung „Spaßgesellschaft”). Man ordnet sich nicht in eine vorgegebene Welt ein, sondern will die Welt nach seinen Bedürfnissen gestalten. Selbstverwirklichung, Stimulierung und Unterhaltung werden höher <?page no="484"?> Externe Einflussfaktoren · 459 geschätzt, Konformität und Streben nach Rang sind unwichtiger geworden als früher. Zugleich gilt die Gesellschaft heute als „Risikogesellschaft”, in welcher die Menschen mit vielen Problemen konfrontiert sind (vgl. Beck [Risikogesellschaft]). Aus dem Problem der Massenarbeitslosigkeit - um nur ein Beispiel zu nennen - erwächst eine allmähliche gesellschaftliche Umbewertung der Arbeit. Das Modell der standardisierten Vollbeschäftigung (Standardarbeitsvertrag, Standardarbeitszeit, Standardarbeitsort) trägt nicht mehr. An seine Stelle wird ein risikoreiches System flexibler, pluraler, dezentraler Teilzeitarbeitsverhältnisse treten. Die Grenze zwischen selbständiger und abhängiger Arbeit wird fließend. Dadurch werden die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit verbessert und die Arbeitslosigkeit gemildert. Allerdings geschieht dies um den Preis höherer individueller Risiken und einer breiten Unterbeschäftigung. Für Willke ist die Gesellschaft heute v.a. als eine „Wissensgesellschaft” zu charakterisieren (vgl. [Wissensmanagement]). Während die einfache (Hand-) Arbeit zunehmend von Maschinen übernommen wird oder in die noch vorhandenen Billiglohnländer abwandert, ist die Arbeit in den hoch entwickelten Industriegesellschaften eine von Expertise und Kompetenz bestimmte Wissensarbeit. Aus dieser Arbeit entstehen wissensbasierte bzw. intelligente Produkte und Dienstleistungen. Wissen wird zum zentralen Produktionsfaktor. Immer größere Bedeutung gewinnt auch die sog. Zivilgesellschaft, die häufig als „dritter Sektor“ der Gesellschaft neben Wirtschaft und Staat bezeichnet wird. Akteure der Zivilgesellschaft sind mehr oder weniger formal organisierte Personengruppen, die anders als Wirtschaftsorganisationen vorrangig einem öffentlichen Interesse dienen, die aber keine staatlichen Institutionen darstellen, sondern auf dem freiwilligen Engagement der Bürger aufbauen. Beispiele für eine Zivilgesellschaft sind Greenpeace, Amnesty International oder Food Watch. Zusammenfassend werden sie oft als NGOs (non governmental organizations) oder CSOs (civil society organizations) bezeichnet. Zahlreiche dieser Gruppen kritisieren explizit die Wirtschaft im Allgemeinen oder auch einzelne Unternehmen im besonderen wegen Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung, Verstößen gegen den Tierschutz, Kinderarbeit, Betrug am Verbraucher usw. Sie bündeln die Anliegen einzelner Stakeholder und verleihen ihnen Nachdruck, weshalb manchmal auch von „pressure groups“ gesprochen wird. Den Unternehmen drohen Reputationsverluste, Käuferboykotte, Prozesse und Schadenersatzforderungen, wenn sie legitime Forderungen der Zivilgesellschaft ignorieren. <?page no="485"?> 460 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels Alle diese Entwicklungen müssen auch bei der Organisation berücksichtigt werden. Arbeit sollte als sinnvoll und erfüllend erlebt werden können, die Kompetenzen der Mitarbeiter sind bestmöglich zu nutzen, Autonomie und Demokratie sollten eine bürokratische Überreglementierung und einseitige Herrschaftsbeziehungen ablösen, Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsvertrag sollten flexibilisiert werden, Wissen ist als wertvolle Ressource zu behandeln, für legitime Anliegen der Zivilgesellschaft sollte das Unternehmen sensibel sein. Die neueren Organisationsmodelle (z.B. lernende Organisation, Selbstorganisation, virtuelle Organisation, Prozessorganisation, Integrity- und Compliance-Strukturen) können so auch als Reaktion auf die genannten gesellschaftlichen Trends verstanden werden. Die Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen wird hier als rationale Entscheidung zur Verbesserung des Umwelt-System-Fit interpretiert. Der umweltbezogene Institutionalismus spricht im Zusammenhang mit Anpassungen der Organisation an gesellschaftliche Vorstellungen aber auch von normativen und kulturell-kognitiven Einflüssen, die z.T. ihre Wirkung ohne bewusste Entscheidung und Planung der Organisatoren entfalten. Man folgt einfach gewissen Moden und imitiert erfolgreiche Unternehmen, ohne im Einzelnen zu prüfen, ob damit tatsächlich die Effektivität verbessert werden kann. 2.3 Recht Das Recht setzt in vielerlei Hinsicht Rahmenbedingungen sowohl für die Aufbauorganisation wie auch für die Ablauforganisation. Zwar gibt es keine zwingenden Vorschriften etwa für die Wahl eines bestimmten Organisationsmodells, doch sieht das Recht Regelungen vor, die beim Aufbau einer Organisation und bei der Gestaltung von Prozessen innerhalb einer Organisation beachtet werden müssen. Die gesetzlichen Regelungen erzeugen einen gewissen „zwangsweisen Isomorphismus” (Gleichförmigkeit), weil sich alle Unternehmen dem Recht unterwerfen müssen (vgl. auch Türk [Ansätze] 928). Da das Recht i.d.R. dann Platz greift, wenn Interessen der Öffentlichkeit oder Interessen von Mitgliedern einer Organisation zu schützen sind, ist zunächst zu prüfen, welchen organisationsrelevanten Verpflichtungen die Unternehmen unterworfen sind, um Ansprüchen der Öffentlichkeit zu genügen. Im Anschluss daran soll das „Organisationsgesetz”, nämlich das Recht der Unternehmensverfassung, einer besonderen Würdigung unterzogen werden. (1) Der Gesetzgeber hat in verschiedenen Feldern den Handlungsspielraum von Unternehmen eingeschränkt, um Interessen der Gesellschaft zur Geltung zu bringen bzw. zu schützen. Einige Beispiele seien genannt: <?page no="486"?> Externe Einflussfaktoren · 461 (a) Als einen wichtigen Trend in der Organisationspraxis haben wir die Entgrenzung herausgestellt (vgl. S. 401ff.). Die Grenzziehung zwischen Unternehmen und Markt ist unscharf geworden. Die Entwicklung zum „grenzenlosen Unternehmen” begünstigt die Wahl von Organisationsmodellen der horizontalen und vertikalen Kooperation. Da jedoch mit der Kooperation die Grenzen zur Wettbewerbsbeschränkung erreicht oder gar überschritten werden, ist das Verbotsprinzip des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) zu beachten. Danach sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen verboten (§ 1 GWB). Dasselbe gilt für Zusammenschlüsse, durch die eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird (§ 36 GWB). Das Recht kann einer - transaktionstheoretisch begründeten - Argumentation zugunsten der „Hierarchie” Grenzen setzen. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit stellt das 2008 novellierte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) dar, welches bei stark vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen eine teilweise Entflechtung vorschreibt, um einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb sicherzustellen und damit letztlich eine preisgünstige und umweltfreundliche Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas zu erreichen. Zentral ist die rechtliche und operative Trennung des Netzbetriebs vom restlichen Unternehmen. Das Netz soll „diskriminierungsfrei“ allen möglichen Energieproduzenten zur Durchleitung zur Verfügung gestellt werden, um eine Monopolstellung des Netzeigentümers zu verhindern. (b) Verschiedene Rechtsgebiete sehen die Bildung von organisatorischen Einheiten zwingend vor. Zu nennen ist eine Reihe gesetzlich vorgeschriebener sog. Beauftragter: Der Beauftragte für den Datenschutz, der Jugend- und Auszubildendenvertreter, die Frauenbeauftragte, die Schwerbehindertenbeauftragte (vgl. Bühner [Organisationslehre] 77). Energieversorger müssen eine Stelle für eine Person schaffen, welche die diskriminierungsfreie Ausübung des Netzgeschäftes überwacht. Zu nennen sind auch Regelungen der Mitbestimmung im Rahmen der Betriebsverfassungsgesetze von 1952 (vgl. Drittelbeteiligungsgesetz von 2004) und 1972 und des Mitbestimmungsgesetzes von 1976. An rechtlichen Regelungen, die auf die Ablauforganisation Einfluss nehmen, sind u.a. arbeitsrechtliche Vorschriften (z.B. Kündigungsschutzgesetz, Arbeitszeitordnung, Bundesurlaubsgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Schwerbehindertengesetz), Arbeitsplatzvorschriften (etwa für die Bildschirmarbeit), Immissionsschutzregelungen sowie gesundheitsrechtliche Vorschriften (etwa für werdende Mütter) zu nennen (vgl. v. Werder [Recht] 2178 ff.). <?page no="487"?> 462 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels (2) Die Unternehmensverfassung ist in einer Vielzahl von Gesetzen verankert. Je nach Rechtsform sind das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das HGB zu nennen. Als rechtsformübergreifende Regelungen sind das Mitbestimmungsgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz relevant. Zwar kennen diese Regelungen keinerlei Vorschriften, die sich auf die Wahl und Ausgestaltung von Organisationsmodellen beziehen, doch nehmen sie Einfluss auf die Institutionalisierung der Willensbildung in den Unternehmen und haben insofern organisatorische Relevanz. Das Recht der Unternehmensverfassung wurde bereits beschrieben (vgl. S. 279ff.). Da es an dieser Stelle um den Wandel von Organisationen geht, sollen Sachverhalte angesprochen werden, die eine Veränderung von Organisationsstrukturen aktuell befördern können. Die Unternehmensverfassung war immer wieder in der Diskussion. Lange Zeit stand die Debatte um die Arbeitnehmermitbestimmung im Vordergrund. Im Rahmen der Shareholder-Value-Orientierung galt dann die Aufmerksamkeit in erster Linie der Wahrung der Interessen der Anteilseigner. Unter dem Begriff der Corporate Governance wurde problematisiert, wie man insbesondere in den großen Aktiengesellschaften die Rechte der Aktionäre stärken kann, die sich ja nicht selbst um die Geschäftsführung kümmern, sondern diese Aufgabe an Manager delegieren. Wie der institutionenökonomische Ansatz, insbesondere der Teilansatz der Agenturtheorie lehrt, ist jede Übertragung von Verfügungsrechten auf Agenten mit Risiken verbunden. Wenn die Eigentümer einer AG wesentliche Kompetenzen auf den Vorstand übertragen, entsteht das Problem der Disziplinierung der Delegationsempfänger. An sich sollte dieses Problem mit der Einrichtung eines Aufsichtsrates gelöst sein. Da in der Praxis der Aufsichtsrat seiner Kontrollfunktion nicht immer gerecht wurde, gab es verschiedene „Nachbesserungen“ des Handels- und Gesellschaftsrechts, auf welche die Unternehmen reagieren mussten. (a) Mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom Mai 1998 wurde bspw. von den Aktiengesellschaften die stärkere Überwachung von Risiken eingefordert, die Berichtspflichten des Vorstandes an den Aufsichtsrat und an die Öffentlichkeit wurden erweitert, eine stärkere Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern verlangt. Ganz aktuell sind im Frühjahr 2009 mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) und dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) zwei weitere Rechtsreformen auf den Weg gebracht worden, die auch die Unternehmensverfassung berühren. <?page no="488"?> Externe Einflussfaktoren · 463 (b) Durch das Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) wird klargestellt, dass der Aufsichtsrat neben anderen Ausschüssen auch einen Prüfungsausschuss einrichten kann, der sich insbesondere mit Fragen der Rechnungslegung, des Risikomanagements und der Compliance, der erforderlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, der Erteilung des Prüfungsauftrages an den Abschlussprüfer, der Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten und der Honorarvereinbarung befasst. Wer in den letzten drei Jahren Vorstandsmitglied der Gesellschaft war, kann nicht Mitglied des Prüfungsausschusses werden. (c) Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) soll vor allem die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrates für die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung stärken. Der Aufsichtsrat kann die Entscheidung über Vorstandsverträge nicht mehr an einen Ausschuss delegieren, muss für mehr Transparenz gegenüber den Aktionären und der Öffentlichkeit sorgen und auch stärker haften, wenn die Vergütung als unangemessen gilt. In den neuesten Reformen ist eine Tendenz erkennbar, von einer alleinigen Orientierung an den Interessen der Anteilseigner abzugehen und die Unternehmung mehr auf die Interessen aller beteiligten Bezugsgruppen auszurichten. Sehr deutlich wird diese Umorientierung im Deutschen Corporate Governance Kodex, der als sog. „soft law“ Empfehlungen für die Unternehmensführung deutscher börsennotierter Unternehmen ausspricht. Hieß es in der Präambel bis vor kurzem, dass der Kodex die Rechte der Aktionäre verdeutlichen soll, so wird neuerdings die Verpflichtung des Vorstandes darin gesehen, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen. Ausdrücklich wird auch darauf hingewiesen, dass die Belange der Arbeitnehmer und der sonstigen Stakeholder zu berücksichtigen sind. Nach den Erfahrungen der Finanzkrise wird von den Unternehmen insgesamt ein nachhaltigeres und verantwortungsvolleres wirtschaftliches Handeln gefordert, welches durch eine einseitige Ausrichtung auf den Shareholder Value nicht mehr gesichert erscheint. Die Diskussion um die Unternehmensverfassung wird daneben auch durch die Internationalisierung des Rechts, insbesondere im Rahmen der EU, immer wieder angeheizt. So ist die Debatte um das deutsche Modell der Arbeitnehmermitbestimmung durch die international agierenden Unternehmen wieder aufgeflammt. Die Befürworter der Mitbestimmung erhoffen sich einen „Export“ des deutschen Modells in viele EU-Länder, die Kritiker sehen den „deutschen Sonderweg“ dagegen als Auslaufmodell an, weil die Unternehmen inzwi- <?page no="489"?> 464 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels schen dem deutschen Recht ausweichen und eine europäische Rechtsform wählen können. Zwar ist auch für die Europäische Aktiengesellschaft (SE) eine Arbeitnehmermitbestimmung vorgesehen, diese kann aber deutlich eingeschränkt sein gegenüber dem deutschen Recht. In der Diskussion ist schließlich auch, ob in der SE das monistische Board-Modell gewählt werden sollte oder das deutsche dualistische Modell mit Vorstand und Aufsichtsrat. Insgesamt sind Vielfalt und Komplexität der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Unternehmensverfassung enorm gestiegen. Zusammenfassend können im Wesentlichen zwei Trends für die Gestaltung der Unternehmensverfassung ausgemacht werden: • Das Unternehmen soll nicht mehr alleine auf die Rechte der Kapitaleigner ausgerichtet werden, sondern die Interessen der anderen Stakeholder durch eine nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung mitberücksichtigen. • Im Zuge der Internationalisierung der Unternehmen wird in Zukunft supranationales Recht eine größere Rolle spielen. Das weit verbreitete einstufige Board-Modell wird sich möglicherweise gegen das dualistische Modell (Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat) durchsetzen. Es müssen neue Formen der Arbeitnehmermitbestimmung auf internationaler Ebene gefunden werden. 3 Interne Einflussfaktoren 3.1 Zielsystem des Unternehmens 3.1.1 Bedeutung des Zielsystems für die Organisation Nach der eingangs vorgestellten Fit-Hypothese muss die Organisationsstruktur - um effektiv zu sein - mit den externen und internen Kontextbedingungen harmonieren. Da die Organisation im instrumentellen Sinne zur Verwirklichung der Unternehmensziele beitragen soll, muss sie zunächst - ganz allgemein gesprochen - zu den Zielen der Unternehmung passen. Das Zielsystem wird allerdings nur selten explizit als interner Kontextfaktor angeführt. Dies kann damit begründet werden, dass man sich im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre i. Allg. auf die Betrachtung erwerbswirtschaftlicher Organisationen beschränkt, deren Ziele (bspw. Gewinn, Rendite, Unternehmenswert) mehr oder weniger feststehen und für alle Unternehmen gleichermaßen gelten. Deutliche, die Organisationsstruktur beeinflussende Unterschiede zwischen den <?page no="490"?> Interne Einflussfaktoren · 465 erwerbswirtschaftlichen Organisationen ergeben sich erst bei der Konkretisierung der Ziele durch die Wahl unterschiedlicher Strategien (bspw. Unterschiede in der Breite und Tiefe des Leistungsprogramms, Unterschiede im Grad der Internationalisierung). Die Wirkung des Zielsystems auf die Organisation erschließt sich daher besser, wenn man von der Beschränkung auf erwerbswirtschaftliche Organisationen absieht und möglichst gegensätzliche Zielsysteme vergleicht. Im Folgenden soll daher überlegt werden, welche Struktur zu einem Unternehmen mit einer ausgesprochen erwerbswirtschaftlichen Orientierung, speziell einer Orientierung an der Steigerung des Unternehmenswerts für die Aktionäre (Shareholder Value) passt, und welche Struktur ein nichterwerbswirtschaftliches Zielsystem (Nonprofit-Organisation) impliziert. Wie sehr die Zielsetzung die Managementsubsysteme beeinflusst, wird häufig erst deutlich, wenn sich die Ziele gravierend ändern. Zurzeit trifft dies v.a. die ehemals öffentlichen Nonprofit- Unternehmen, die sich aufgrund ihrer Privatisierung nun an Zielen wie Gewinn und Shareholder Value orientieren müssen (z.B. Bahn, Post). Diese Beispiele zeigen auch recht eindrücklich, dass die Änderung des Zielsystems immer auch eine Reorganisation nach sich zieht. 3.1.2 Unternehmenswertorientierte Organisation In den letzten Jahren haben die Anteilseigner eine stärkere Orientierung an ihren Interessen abverlangt. Professionelle Großanleger (z.B. Hedge-Fonds) haben die Finanzmittel vieler Privatpersonen gebündelt und übten damit eine nie gekannte Macht auf das Management aus. Der Shareholder Value wurde zum obersten Unternehmensziel. Die Ausrichtung am Shareholder Value verlangt insbesondere eine Organisation, die aus Sicht der Anteilseigner als kontrolleffizient gelten kann. Neben einer entsprechenden Ausgestaltung der Einwirkungsrechte und Informationsrechte der Anteilseigner im Rahmen der Unternehmensverfassung sowie einem anreizkompatiblen Vergütungssystem für das Management verlangt diese Bedingung eine bestimmte Aufbauorganisation des Unternehmens. Nach Rappaport ([Shareholder] 118) muss das Management folgende Fragen beantworten können: „Welche Geschäftseinheiten schaffen Shareholder Value und welche nicht? ” und „Wie könnten alternative Strategien den Shareholder Value und künftige Eigentümerrenditen beeinflussen? ”. Eine Antwort auf diese Fragen setzt voraus, dass solche organisatorischen Einheiten gebildet werden, die mit der Wahrnehmung einer bestimmten Strategie (einer bestimmten Aufgabe) betraut sind, einen klar definierten Markt bedienen und der sich Zah- <?page no="491"?> 466 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels lungsströme eindeutig zurechnen lassen. Es sollten also möglichst autonome Einheiten, quasi Unternehmen im Unternehmen, gebildet werden, damit sich klare Verantwortungsbereiche ergeben. Die Einwirkungsrechte, Informationsrechte und Vergütungssysteme können dann shareholder-value-konform auf „Wertsteigerungsprojekte” ausgerichtet werden. In einem derart konzipierten Organisationsmodell bleibt bspw. für eine übergeordnete Managementholding mit strategischer Führungsfunktion den einzelnen Geschäftsbereichen gegenüber wenig Platz. Diese organisatorische Konstruktion führt nämlich zu jenen Verwischungen von Verantwortungsbereichen, die als kontraproduktiv i.S. des Shareholder-Value-Ansatzes gewertet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Aufgabe der vertikalen Koordination zwischen der Holding und den Holding-Gesellschaften durch Personalunion gelöst wird, also der Vorstand der Holding mit Vertretern der Holding-Gesellschaften besetzt wird. Bei dieser Konstruktion wird von vornherein die für eine Kontrolle wesentliche Abgrenzung der Verantwortung für die einzelnen Geschäftsbereiche verwischt. Im Zuge der Shareholder-Value-Orientierung ist auch eine Welle des Outsourcing in Gang gesetzt worden. Die Neubestimmung der Grenzen der Unternehmung hat die Fertigungstiefe erheblich reduziert. Darin mag auch ein Indiz dafür zu sehen sein, dass die Organisationsgestaltung vorher nicht nur von Renditeüberlegungen, sondern auch vom Wunsch der Manager nach Größe bestimmt war. Die beschriebenen Strukturempfehlungen sind von der Agency-Theorie inspiriert, die einen grundsätzlichen Interessenkonflikt zwischen den Aktionären und den Managern annimmt. Aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen Aktionären und Managern bleibt ihnen genügend Spielraum, um ihren eigenen Nutzen auf Kosten der Aktionäre zu mehren. Die Struktur muss nach dieser Sichtweise v.a. geeignet sein, die Manager genau zu kontrollieren und ihre Leistung gezielt zu belohnen. Damit die Manager aber wirklich für einen bestimmten „Wertbeitrag” verantwortlich gemacht werden können, müssen sie am besten einer völlig autonomen Einheit vorstehen, in der sämtliche Funktionen gebündelt sind. Im Extrem laufen die Gestaltungsempfehlungen auf eine Zerschlagung von großen divisionalen Unternehmen in lauter Einzelunternehmen hinaus, denn dann ist der Leistungsbeitrag am eindeutigsten festzustellen. Allerdings gehen die Vorteile des Unternehmensverbundes dadurch verloren. Bei vielen Funktionen führt eine Zentralisierung zu Vorteilen. Gemeinsame Beschaffung gibt mehr Verhandlungsmacht und führt zu besseren Einkaufskonditionen, die gemeinsame Nutzung von Maschinen erlaubt eine bessere Ausnutzung der Kapazität, gemeinsamer Vertrieb bietet dem Kunden eine brei- <?page no="492"?> Interne Einflussfaktoren · 467 tere Palette von Produkten, gemeinsame Komponentenfertigung senkt die Kosten. Neben diesen Vorteilen, die auf materiellen Verflechtungen zwischen Organisationseinheiten beruhen, können auch immaterielle Verflechtungen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen genutzt werden. So kann ein Transfer von Know how stattfinden oder ein gemeinsamer Markenname verbindet unterschiedliche Geschäftsbereiche durch ein einheitliches Image. Solche Verflechtungen zu erkennen und durch eine explizite Horizontalstrategie in Wettbewerbsvorteile zu verwandeln, ist nach Porter (vgl. [Wettbewerbsvorteile] 409ff.) zur zentralen strategischen Aufgabe aller diversifizierten Unternehmen geworden. Stimmt diese Diagnose, dann würde eine Struktur, die die Abschottung der Organisationseinheiten zwecks besserer Kontrolle fördert, gerade nicht zu einer Wertsteigerung des Unternehmens beitragen. Ganz im Gegenteil wäre eine Organisationsarchitektur zu fordern, in der die Unternehmensteile stärker vernetzt sind, Querbeziehungen ausgebaut werden und Wissenstransfer gefördert wird (vgl. Schmidt/ Maßmann [Mißverständnisse] 12ff.). Starke Anreize für die Manager, sich auf den Erfolg ihres Bereiches zu konzentrieren, wären kontraproduktiv. Das misstrauische Menschenbild der Agency- Theorie führt zu einer Überbewertung der rechnerischen Kontrolle der Wertbeiträge, welche möglicherweise die Voraussetzungen zur Schaffung von Wert konterkariert. 3.1.3 Nonprofit-Organisationen Mit dem Etikett „Nonprofit-Organisation” werden alle jene Organisationen versehen, deren Zweck nicht erwerbswirtschaftlich ist, die also nicht gegründet und geführt werden mit dem Zweck, für die Kapitalgeber einen Gewinn zu erwirtschaften. Bei nichterwerbswirtschaftlichen Betrieben steht nicht das Erfolgsziel (z.B. Steigerung des Shareholder Value) im Vordergrund, sondern ein Sachziel, d.h. die Bedarfsdeckung durch die Bereitstellung eines Leistungsprogramms. Man nennt sie daher auch bedarfswirtschaftlich. Diese Voraussetzung ist häufig bei den öffentlichen Betrieben erfüllt, also jenen Betrieben, die sich im Eigentum bzw. in der Verfügungsgewalt der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Gemeinden) befinden und öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Zu nennen sind u.a. Rundfunkanstalten, Universitäten, Energieversorgungsunternehmen, Verkehrsbetriebe, Theater. Aber auch private Betriebe können sich ganz oder teilweise an bedarfswirtschaftlichen Zielen orientieren. Zu nennen sind u.a. Betriebe in der Rechtsform von Vereinen, Genossenschaften und Stiftungen wie bspw. Wirtschaftsverbände, Parteien und die Organisationen der Zivilgesellschaft. <?page no="493"?> 468 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels Im angelsächsischen Sprachraum werden die bedarfswirtschaftlichen Betriebe als Nonprofit-Organisationen und das Führen dieser Betriebe als Public Management oder Non-Profit-Management bezeichnet. Nonprofit- Organisationen umfassen eine sehr heterogene Menge von Betrieben. Allgemein gültige Aussagen lassen sich daher nur mit Einschränkungen formulieren. Erwerbs- und bedarfswirtschaftliche Organisationen haben durchaus einiges gemeinsam. Auch Nonprofit-Organisationen sind zielgerichtete produktive soziale Systeme, welche eine spezifische Leistung erbringen, indem sie Produktionsfaktoren kombinieren. Sie brauchen Finanzmittel, Arbeitskräfte, Sachmittel und Managementleistungen, um die Organisation auf die Zielerfüllung auszurichten. Auf der anderen Seite agieren die Nonprofit-Organisationen doch in mancher Hinsicht in einem anderen Kontext als die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen. Einige dieser spezifischen Kontextfaktoren sollen zunächst dargestellt werden, wobei wir v.a. die öffentlichen bedarfswirtschaftlichen Organisationen vor Augen haben. Im Anschluss daran wird geprüft, welche Konsequenzen sich aus den einzelnen Bedingungen für die Organisation ergeben. Kontextfaktoren (a) rechtliche Beschränkungen (b) politische Einflussnahme (c) Leistungsprogramm (d) Finanzierung Organisation (a) Leitungsstruktur (b) Koordinations- und Kontrollmechanismus (c) Organisationskultur Kontextfaktoren (a) rechtliche Beschränkungen (b) politische Einflussnahme (c) Leistungsprogramm (d) Finanzierung Organisation (a) Leitungsstruktur (b) Koordinations- und Kontrollmechanismus (c) Organisationskultur Abb. 14-3: Kontextfaktoren für Nonprofit-Organisationen (1) Kontextfaktoren (a) Rechtliche Beschränkungen: Nichterwerbswirtschaftliche Betriebe sind i.d.R. einschneidenden rechtlichen Beschränkungen ihres Handlungsspielraums unterworfen. Zu nennen sind u.a. arbeitsrechtliche Regelungen (z.B. Berufsbeamtentum, Tarifstruktur im öffentlichen Dienst), administrierte Preisbildung (z.B. Gebühren bei Rundfunkanstalten) sowie die Verpflichtung zu einem bestimmten Angebot (z.B. Zwang zur Aufrechterhaltung unrentabler Strecken im öffentlichen Nahverkehr). (b) Politische Einflussnahme: Nonprofit-Organisationen unterliegen i.d.R. einer starken Einflussnahme durch die Politik (unterstützt durch die gesellschaftlichen Gruppen), da in ihnen Instrumente zur Umsetzung politischer Ziele gesehen werden können. Der Zwang zum Interessenausgleich führt <?page no="494"?> Interne Einflussfaktoren · 469 oft zu einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und erschwert manche Änderung. Institutionell wird die Einflussnahme häufig abgesichert durch eine Besetzung der Entscheidungsgremien in diesen Unternehmen durch Politiker (z.B. Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten). (c) Leistungsprogramm: Die Leistungen von Nonprofit-Organisationen bestehen i.d.R. aus einem breiten Spektrum immaterieller Güter in Form von Dienstleistungen (z.B. Sicherheit, Bildung), die häufig vom Markt nicht bewertet, vielmehr unentgeltlich oder zu politisch festgesetzten Preisen abgegeben werden. Das Fehlen einer quantifizierbaren und einheitlichen Maßgröße (wie etwa des Umsatzes oder des Gewinnes) erschwert die Bildung eines konsistenten Zielsystems (etwa in Form eines Kennziffernsystems) und damit verbunden die Beurteilung des Managements und der Mitarbeiter an Erfolgsindikatoren. Daran anknüpfende Anreiz- und Sanktionsmechanismen lassen sich kaum einsetzen. (d) Finanzierung: Während bei erwerbswirtschaftlichen Betrieben die Finanzierung direkt (Selbstfinanzierung) oder indirekt (Fremdfinanzierung, Beteiligungsfinanzierung) vom Markterfolg abhängig ist, besteht diese Rückkopplung bei Nonprofit-Organisationen i.d.R. nicht in dieser Form. Mechanistische Fortschreibungen von Etatansätzen im Bereich der öffentlichen Betriebe, pauschalierte Subventionierungsverfahren, Gebührenfinanzierung und eine v.a. vom Beschaffungsmarketing abhängige Spendenbereitschaft für gemeinnützige Organisationen fördern eine primär inputorientierte Ausrichtung von Nonprofit-Organisationen. (2) Organisation (a) Nonprofit-Organisationen - v.a. staatliche - sind häufig durch hierarchische Leitungsstrukturen gekennzeichnet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen verlangen, dass die Art der Leistungserstellung über die Festlegung der Rechte und Pflichten der Mitarbeiter sowie über ein System von Dienstwegen rechtlich abgesichert ist. Es geht in erster Linie um eine regelkonforme Leistungserstellung und legitime Herrschaftsausübung. Dies behindert eine Delegation und Dezentralisierung von Kompetenz und damit die Einrichtung autonom organisierter Einheiten. (b) Aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Leistungsprogramms und der fehlenden Marktsteuerung kommt der Standardisierung von Outputgrößen zur Verhaltenssteuerung eine geringe Bedeutung zu. Besteht die Aufgabe dieser Organisationen - wie in vielen Verwaltungsbetrieben - aus weitgehend bekannten Arbeitsabläufen, wird häufig als Koordinations- und <?page no="495"?> 470 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels Kontrollmechanismus das bürokratische Modell der Verhaltensstandardisierung, also die genaue Vorgabe von abgegrenzten Arbeitsinhalten und -abläufen praktiziert. (c) Die geringe Abhängigkeit der Nonprofit-Organisationen vom Absatzmarkt in Verbindung mit einer langfristig einigermaßen stabilen Versorgung mit Finanzmitteln führte in der Vergangenheit zu einer verhältnismäßig stabilen Umweltsituation. Auswirkungen sind v.a. im Verhaltensmuster von Nonprofit-Organisationen festzustellen. Bei ihnen ist häufig eine Organisationskultur anzutreffen, die durch Introvertiertheit, Immunisierung gegen Kritik, ein starkes Vertrauen auf Erfahrungen und insgesamt eine risikoaverse, innovationshemmende Grundeinstellung gekennzeichnet ist. Wesentliche Entscheidungen bedürfen der Zustimmung durch politisch geprägte Organe. Deren Unberechenbarkeit führt häufig zu Passivität und Desinteresse der Organisationsmitglieder („Dienst nach Vorschrift”). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Nonprofit-Organisationen zumindest im Bereich der öffentlichen Betriebe tendenziell bürokratisch strukturiert sind. In den letzten Jahren hat sich die Umweltsituation für Nonprofit- Organisationen durch die Aufhebung staatlicher Monopole, steigende Ansprüche an das Leistungsangebot, die zunehmende Ressourcenknappheit v.a. im öffentlichen Bereich und eine sensibilisierte Öffentlichkeit jedoch geändert. Im Zielsystem der öffentlichen Verwaltung sind jetzt Ziele wie Kundenorientierung, Qualitätssteigerung und Prozesseffizienz verankert. Diese Annäherung an die Ziele der erwerbswirtschaftlichen Unternehmen hat auch die Einführung moderner Strukturierungskonzepte wie Delegation, Autonomie, Selbstorganisation, Projektmanagement, Public-Private Partnership begünstigt. Das von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung entwickelte „Neue Steuerungsmodell” (NSM) für die öffentliche Verwaltung sieht bspw. eine Dezentralisierung in teilautonome Einheiten, eine Verflachung der Hierarchie und eine kundenorientierte Bündelung von Leistungen vor. Es gilt der Grundsatz: Eigenverantwortung statt Hierarchie, Resultate statt Regeln. 3.2 Strategie des Unternehmens Mit der Strategie eines Unternehmens wird dessen Leistungsprogramm bestimmt. Es wäre deshalb auch denkbar, das Leistungsprogramm als Einflussgröße auf die Organisation zu untersuchen. Kieser/ Walgenbach haben diesen Weg gewählt ([Organisation] 230). Wir gehen hier vom situativen Faktor „Strategie” aus, da „Strategie” den weiteren Begriff darstellt und damit auch das Leistungsprogramm umfasst. <?page no="496"?> Interne Einflussfaktoren · 471 Der Zusammenhang zwischen Strategie und Struktur ist besonders intensiv im Strategischen Management thematisiert worden. Auslöser dieser Diskussion war eine auf amerikanische Großunternehmen bezogene Längsschnittuntersuchung des Wirtschaftshistorikers Chandler, die im Jahre 1962 unter dem Titel „Strategy and Structure” veröffentlicht wurde. Chandlers Ergebnisse können thesenartig zusammengefasst werden: 1. Die Organisationsstruktur eines Unternehmens folgt seiner Wachstumsstrategie (structure follows strategy). 2. Es lässt sich eine stufenartige Folge von Wachstumsstrategien und Strukturanpassungen feststellen. 3. Die Struktur ist reaktiv, sie ändert sich erst, wenn ihre Ineffizienz dazu zwingt. Die Arbeit von Chandler löste eine Reihe verschiedener Folgeuntersuchungen in den USA und Europa aus. Dabei wurden die Thesen von Chandler teilweise bestätigt, gleichzeitig aber auch die Erkenntnis zutage gefördert, dass die Struktur auch Einfluss nimmt auf die Strategie (strategy follows structure). Aus der Vielzahl von Beziehungen zwischen der Strategie und der Organisationsstruktur sollen vier Zusammenhänge herausgegriffen werden, denen in der Praxis ein beachtliches Gewicht und gleichzeitig besondere Aktualität zukommt (vgl. Abb. 14-4): Ausgehend von einem Ein-Produkt-Unternehmen untersuchen wir die strukturellen Auswirkungen von Wachstumsstrategien, insbesondere der Diversifikationsstrategie, der Kooperationsstrategie und der Internationalisierungsstrategie (vgl. dazu auch Schertler [Unternehmensorganisation] 210ff). Strategie • Einproduktstrategie • Diversifikationsstrategie • Kooperationsstrategie • Internationalisierungsstrategie Struktur • Funktionale Organisation • Divisionale Organisation • Unternehmensübergreifende Kooperationsmodelle • Internationale Organisation Strategie • Einproduktstrategie • Diversifikationsstrategie • Kooperationsstrategie • Internationalisierungsstrategie Struktur • Funktionale Organisation • Divisionale Organisation • Unternehmensübergreifende Kooperationsmodelle • Internationale Organisation Abb. 14-4: Zusammenhang von Strategie und Struktur (1) Einproduktstrategie und Funktionale Organisation Als Ein-Produkt-Unternehmen kann eine Unternehmung dann gekennzeichnet werden, wenn ein sehr hoher Anteil des Umsatzes (ca. 95%) auf eine einzige <?page no="497"?> 472 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels Produktgruppe entfällt. Da in diesem Fall quasi nur ein Objekt vorliegt, bietet sich eine Spezialisierung nach den unterschiedlichen Funktionen, die an diesem Objekt durchzuführen sind, natürlicherweise an. Die Funktionale Organisation knüpft bei der organisatorischen Gestaltung am Realgüterprozess an. Dies begünstig ein „reibungsloses” Funktionieren der einzelnen Bestandteile der Wertschöpfung. Damit verbunden wiederum ist eine Begünstigung einer Politik der Kostensenkung und/ oder der Qualitätssteigerung durch Spezialisierungseffekte wie Lerneffekte und Fixkostendegressionseffekte. Werden die Koordinationsanforderungen komplexer - wie dies bei einer Mehrproduktstrategie bzw. Diversifikationsstrategie der Fall ist -, machen sich die Nachteile der Funktionalen Organisation bemerkbar. (2) Diversifikationsstrategie und Divisionale Organisation Eine Diversifikationsstrategie liegt dann vor, wenn ein Unternehmen neue Geschäftsfelder erschließt. Es entsteht ein Unternehmen, das auf mehreren Märkten aktiv ist. Bereits Chandler hat aufgrund seiner empirischen Untersuchungen die Erkenntnis gewonnen, dass der Diversifikationsstrategie die divisionalisierte Organisation folgt. Es gibt viele Argumente, die für eine strukturelle Unterstützung der Diversifikation durch eine Divisionale Organisation sprechen: Mit der Schaffung überschaubarer objektorientierter Einheiten wird die Marktnähe und damit die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert. Mit der Möglichkeit der Schaffung von Profit Centern wird die Transparenz des Erfolges einer Sparte erhöht und damit das Kostenbewusstsein gestärkt. Die Unternehmensleitung wird von unüberschaubaren Koordinationserfordernissen entlastet. Die genannten Vorteile einer Divisionalen Organisation werden verstärkt durch eine rechtliche Verselbständigung der Sparten in Form der Holding-Organisation (vgl. S. 372ff.). (3) Kooperationsstrategie und unternehmensübergreifende Kooperationsmodelle Kooperationsstrategien stellen eine Alternative zur Akquisitionsstrategie dar. Sie zielen auf eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen auf einem bestimmten Betätigungsfeld ab, um auf diese Weise Synergieeffekte für beide Partner zu erreichen. Dabei können horizontale und vertikale Kooperationen zustandekommen. Als Organisationsstruktur für die horizontale Kooperation bieten sich u.a. das Joint Venture und die strategische Allianz an. Vertikale Kooperationen lassen sich in vertikalen Netzwerken organisieren. Bei Netzwerken sind die Grenzen des Unternehmens nur noch schwer feststellbar. Die bisherige Umwelt wird Teil des zu organisierenden Systems. Ein Beispiel für vertikale Netzwerke stel- <?page no="498"?> Interne Einflussfaktoren · 473 len die Zulieferer-Hersteller-Netzwerke in der Automobilindustrie dar. Hier wird der Beschaffungsmarkt durch Integration der Zulieferer Systembestandteil. (4) Internationalisierungsstrategie und internationale Organisation Internationalisierungsstrategien sind dadurch gekennzeichnet, dass Märkte über die eigenen Landesgrenzen hinaus geschaffen werden. Damit verbunden ist die Konfrontation mit neuen Umweltbedingungen, insbesondere in Form von Marktverhältnissen, der Landeskultur und der politisch-rechtlichen Situation. Diesen Bedingungen kann durch unterschiedliche Modelle der Aufbauorganisation Rechnung getragen werden. Perlitz ([Management] 601ff.) unterscheidet je nach Integrationsgrad des Auslandsgeschäfts in die nationale Organisationsstruktur zwei grundsätzliche Formen der Gestaltung: • Differenzierte Strukturen, bei denen Inlands- und Auslandsaktivitäten getrennt sind und • integrierte Strukturen, bei denen Inlands- und Auslandsgeschäft gemeinsam organisiert sind. (a) Differenzierte Strukturen: Bei schwach ausgeprägter Internationalisierung bietet sich als primäre organisatorische Maßnahme die Einrichtung einer Exportabteilung an. Bei zunehmenden Auslandsaktivitäten kommt es i.d.R. zur Gründung einer internationalen Division, welche als selbständige Hauptsparte im Stammhaus das Auslandsgeschäft steuert und kontrolliert (vgl. Abb. 14-5). Inlands- und Auslandsgeschäft werden also deutlich getrennt. Unternehmensleitung Internationale Division FuE Beschaffung Produktion Vertrieb Abb. 14-5: Internationale Division (Quelle: Perlitz [Management] 601) (b) Integrierte Strukturen: Es handelt sich um Formen der Aufbauorganisation, bei denen keine Trennung in einen Inlands- und einen Auslandsbereich vorgenommen wird. Es werden vielmehr Segmente gebildet, deren Leiter sowohl für das inländische als auch das ausländische Geschäft zuständig <?page no="499"?> 474 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels sind. Solche Strukturen verkörpern ein globales Unternehmenskonzept. Die Segmente auf der zweiten Hierarchieebene können sowohl nach Funktionen als auch nach Produkten und Regionen gebildet werden. aa) Bei einer integrierten Funktionalstruktur gehören etwa zum Funktionssegment „Produktion” verschiedene in- und ausländische Werke, zum Funktionssegment „Vertrieb” in- und ausländische Vertriebsniederlassungen (vgl. Abb. 14-6). Unternehmensleitung FuE Beschaffung Produktion Vertrieb Ausland Inland Ausland Inland Ausland Inland Ausland Inland Ausland Inland Ausland Inland Ausland Inland Ausland Inland Abb. 14-6: Integrierte Funktionalstruktur (Quelle: Perlitz [Management] 603) Diese Organisationsform eignet sich v.a. für Ein-Produkt-Unternehmen. bb) Bei der integrierten Produktstruktur werden alle in- und ausländischen Aktivitäten in die Verantwortung der jeweiligen Spartenleiter gestellt (vgl. Abb. 14-7). So können weltweit einheitliche Produktstrategien entwickelt werden. Diese Organisationsform ist v.a. für stark diversifizierte Unternehmen geeignet, weil den Besonderheiten der verschiedenen Produkte Rechnung getragen wird. Die Besonderheiten einzelner regionaler Märkte lassen sich allerdings nicht berücksichtigen. Schwierigkeiten ergeben sich auch, wenn die Auslandsgesellschaften selbst Mehrspartenorganisationen sind. Die einheitliche Leitung dieser Auslandsgesellschaften fällt schwer, wenn die einzelnen Auslandssparten getrennt an die Heimatsparten berichten müssen. <?page no="500"?> Interne Einflussfaktoren · 475 Unternehmensleitung Regionale Fachstäbe Funktionale Fachstäbe Produktdivision A Produktdivision B Produktdivision C Produktdivision D Region I Region II Region III Region I Region II Region III Region I Region II Region III Region I Region II Region III Abb. 14-7: Integrierte Produktstruktur (in Anlehnung an Perlitz [Management] 604) cc) Schließlich können auch einzelne Regionen die Segmente auf der zweiten Hierarchieebene bilden (vgl. Abb. 14-8). Unternehmensleitung Produkt- Manager Funktionale Fachstäbe regionale Division I regionale Division II regionale Division III regionale Division IV Produktgruppe A Produktgruppe B Produktgruppe C Produktgruppe A Produktgruppe B Produktgruppe C Produktgruppe A Produktgruppe B Produktgruppe C Produktgruppe A Produktgruppe B Produktgruppe C Abb. 14-8: Integrierte Regionalstruktur (in Anlehnung an Perlitz [Management] 604) <?page no="501"?> 476 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels Die Führungskräfte der regionalen Divisionen sind innerhalb einer bestimmten Region für das gesamte Leistungsprogramm verantwortlich. Landesspezifische Besonderheiten können so besonders gut beachtet werden. Dafür entstehen Probleme bei der Koordination der unterschiedlichen Produkte, weshalb sich dieser Organisationstyp v.a. für Unternehmen mit einem homogenen und standardisierten Leistungsprogramm eignet. Eine weitere Möglichkeit stellen die mehrdimensionalen Strukturen dar. Das Grundmodell ist die zweidimensionale Matrixorganisation, bei der gleichzeitig Funktional- und Regionalbereiche gebildet werden. Auch dreidimensionale Tensororganisationen mit Funktions-, Produkt- und Regionalbereichen sind in der Praxis nicht selten (vgl. Holtbrügge [Internationale] 546f.). 3.3 Technologie Die Technologie, also die Gesamtheit des Wissens eines Unternehmens über Verfahren und Techniken bei der Produktion (Fertigungstechnologie) und der Informationsverarbeitung (Informationstechnologie), setzt entscheidende Bedingungen für die Organisation. Der Vollzug einer Unternehmensaufgabe geschieht im Wechselspiel zwischen Arbeitseinsatz und Sachmitteleinsatz. Die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine wird aber entscheidend beeinflusst durch die Technik und zwar zunächst in quantitativer Hinsicht. Das heißt der manuelle Arbeitseinsatz wird immer mehr durch den technischen Fortschritt zurückgedrängt. Außerdem legen neuere technologische Entwicklungen eine Neuordnung der Arbeitsorganisation nahe. Es entstehen moderne Organisationstypen der Fertigung wie etwa die Inselfertigung. 3.3.1 Fertigungstechnologie Den Einfluss der Fertigungstechnologie auf die Struktur des Produktionsprozesses hat bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Taylor untersucht. Seine Empfehlungen auf den Grundlagen eines „Scientific Management” für die Organisationsgestaltung bestanden in einer starken Arbeitsteilung, einer Trennung von Hand- und Kopfarbeit sowie in der Einführung des Mehrliniensystems. Allerdings dominierte in der damaligen Arbeitswelt noch die Handarbeit und die „Technologie” bestand v.a. darin, diese Handarbeit so effizient und mechanisch wie möglich auszuführen. Eine sehr bekannte Studie zum Zusammenhang zwischen der Fertigungstechnologie und der Organisationsstruktur wurde von Joan Woodward ([Organiza- <?page no="502"?> Interne Einflussfaktoren · 477 tion]) erstmals 1958 vorgelegt. Sie untersuchte u.a. die Relationen zwischen der Komplexität der Fertigung und der Leitungsspanne. Drei Hauptklassen der Fertigungstechnologie (mit zunehmender Komplexität) wurden unterschieden: Die Einzel- und Kleinserienfertigung, die Großserien- und Massenfertigung und die Prozessfertigung. Auf der Basis empirischer Studien ergab sich die Hypothese: Die Leitungsspanne nimmt mit der technischen Komplexität zunächst zu und ab einem bestimmten Schwellenwert wieder ab. Für den Spezialisierungsgrad gilt das gleiche. Zusammenfassend kann behauptet werden, dass sich v.a. bei der Großserien- und Massenfertigung ein mechanistischbürokratischer Organisationstyp entwickelt, während sowohl bei der Einzelals auch bei der Prozessfertigung eher organische Strukturen zu finden sind. Die wachsende Bedeutung der organischen Strukturen kann somit auch auf die tendenziell abnehmende Relevanz der Massenfertigung zurückgeführt werden. Kieser/ Walgenbach ([Organisation] 335ff.) haben sich ausführlich mit den Beziehungen zwischen der Fertigungstechnologie i.S. der Fertigungsverfahren (Werkstattfertigung, Fließfertigung, Gruppenfertigung) und einzelnen Strukturmerkmalen beschäftigt, wesentliche Forschungsergebnisse zusammengetragen und eigene Überlegungen angestellt. Besonders die moderne, computergestützte Fertigungstechnologie, zusammengefasst unter dem Begriff CIM (Computer Integrated Manufacturing), hat nach ihrer Meinung ganz neue Möglichkeiten der Arbeitsorganisation eröffnet. Numerisch gesteuerte Maschinen bilden den Kern von Bearbeitungszentren, flexiblen Fertigungszellen und flexiblen Fertigungssystemen, die zusammen mit führerlosen Transportsystemen und Industrierobotern zu einer weit gehend automatisierten Fertigung führen, in welcher der Konflikt zwischen Produktivität und Flexibilität entschärft ist. Diese Entwicklungen in der Technologie führen allerdings keineswegs deterministisch zu bestimmten Formen der Arbeitsorganisation. Es ist sowohl eine besonders hochgradige Zentralisierung und Spezialisierung denkbar als auch die weit gehende Integration von steuernden, planenden, kontrollierenden und ausführenden Tätigkeiten in teilautonomen Gruppen (Fertigungsinseln). Welche der Alternativen gewählt wird, hängt u.a. von der „Gestaltungsphilosophie” der Verantwortlichen ab. Bei einer technozentrischen Einstellung werden Menschen als Residuen einer fortschreitenden Automatisierung und potenzieller Störfaktor angesehen, deren Einfluss so weit wie möglich zu reduzieren ist. Tayloristisches Denken wird mit anderen Mitteln fortgesetzt. Ein anthropozentrisches Gestaltungskonzept sieht dagegen in den neuen technischen Möglichkeiten die Chance, humane, sinnvolle und motivierende Arbeitsplätze zu schaffen. <?page no="503"?> 478 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels 3.3.2 Informationstechnologie Das ausgehende 20. Jahrhundert wird nach einer bekannten soziologischen Untersuchung von Daniel Bell ([Gesellschaft]) als „nachindustriell” gekennzeichnet. Wesentliche Kennzeichen der nachindustriellen Gesellschaft sind die Dominanz der Dienstleistungswirtschaft über die Fertigungswirtschaft und die große Bedeutung der „intelligenten Technologien”, in erster Linie der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK-Technologie). Sie hat in den vergangenen Jahren eine ausgeprägte Dynamik erlebt und nicht nur die Fertigung, sondern v.a. auch den Büro- und Verwaltungsbereich der Unternehmen stark beeinflusst. Während in den Sechzigerjahren die Institution „Rechenzentrum” Rahmenbedingungen für eine zentralistisch und hierarchisch ausgerichtete Organisation setzte, eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten der organisatorischen Gestaltung durch die Entwicklung von PC, Mobilfunk und Fax im Hardwarebereich sowie von Kommunikationssoftware für Datentransfer, E-Mail und Fax im Softwarebereich sowie durch die Bereitstellung von Diensten (z.B. Internet). Folgende Trends lassen sich ausmachen: 1. Die Verbesserung der IuK-Technologie erlaubt die räumliche Dezentralisierung der Arbeitsplätze bis hin zur Telearbeit. Mit ihr findet eine vertikale Disaggregation des Wertschöpfungsprozesses statt, die den Einbau des Marktmechanismus zulässt. Der Einsatz moderner IuK-Technologie ermöglicht die Telekooperation von Abteilungen und Gruppen in verschiedenen Unternehmen. So können die Partner eines Projektes von ihren heimischen Standorten aus mit weltweit verteilten Spezialisten kooperieren. Die Effizienz der Kooperation kann noch dadurch gesteigert werden, dass sämtlichen Projektmitarbeitern Zugriff auf relevante Datenbanken (z.B. Fertigungsverfahren, Konstruktionszeichnungen) gewährt wird. 2. Die Abkehr vom informationstechnologisch bedingten Herrschaftswissen hin zur generellen Verfügbarkeit von Informationen („Dezentralisierung von Intelligenz”) begünstigt Entwicklungen zur Aufgabenintegration. Die Spezialisierung als Grundaufgabe der Organisation verliert dadurch immer mehr an Bedeutung. 3. Die modernen Techniken der Datenspeicherung in Verbindung mit der generellen Verfügbarkeit von Informationen trägt zu einer Auflösung starrer Arbeitsabläufe bei. Informationen können in den elektronischen Medien gespeichert und vom Kommunikationspartner jederzeit nach seinem Bedarf abgerufen werden. Neuere Data Warehouse-Konzepte führen alle Daten unter einem gemeinsamen systemtechnischen Dach zusammen und erlauben es im Prinzip, an jedem Ort zu jeder Zeit die vorhandenen Informationen über verschiedene Aggregationsstufen hinweg anwenderspezifisch <?page no="504"?> Interne Einflussfaktoren · 479 abzurufen. Die räumliche Flexibilität wird damit ergänzt durch eine zeitliche Flexibilität. Diese Trends wurden in den letzten Jahren begünstigt durch die beträchtliche Senkung der Transaktionskosten. Diese wurde u.a. gefördert durch den Preisverfall bei Computerprozessoren und Speichermedien in Verbindung mit einer beträchtlichen Leistungssteigerung in Form der Miniaturisierung und der Integration von PC, Telefon und Fernsehen. Eine extreme Form eines informationstechnologisch bedingten Organisationsmodells stellt die sog. virtuelle Organisation dar. Dieses Konzept ist auf S. 434ff. dargestellt. Es macht deutlich, dass die neueren Entwicklungen der Informationstechnologie die Globalisierung der Märkte forcieren, die Voraussetzungen für die Konzentration auf die Kernkompetenzen schaffen und die Frage nach den Grenzen des Unternehmens neu aufwerfen. Abschließend ist festzustellen, dass die neueren Entwicklungen sowohl in der Fertigungstechnologie wie auch in der Informationstechnologie nicht nur zur Entwicklung neuer Organisationsmodelle beigetragen, sondern das Verhältnis zwischen Technik und Organisation neu bestimmt haben: Im Gegensatz zur früheren Auffassung vom „technologischen Imperativ”, wonach die Technik (deterministisch) Bedingungen für die Organisation setzt, ist man heute der Meinung, dass die Technologie organisatorische Handlungsspielräume schafft. 3.4 Unternehmenskultur Die Kultur als situativer Faktor, welcher Einfluss auf die Gestaltung der Struktur nimmt, wurde in der Organisationsliteratur zunächst als externer Faktor verstanden. Bei einem Vergleich von japanischen und amerikanischen Unternehmen wurde festgestellt, dass die jeweilige Landeskultur mit ihrer unterschiedlichen Gewichtung von Gemeinschaft, Anpassung, Harmonie, Vertrauen und Kooperation zu unterschiedlichen Organisationsformen geführt hatte. Die Organisationsformen vom Typ J (Japan) und Typ A (Amerika) galten als „Antwort” auf die jeweils geltende kulturelle Umweltsituation (vgl. Ouchi [Theory]). Vor allem von der amerikanischen Beraterliteratur (z.B. Deal/ Kennedy [Cultures]) wurde der Kulturbegriff dann auf die Mikroebene der Unternehmung übertragen. Fortan ging es nicht mehr um die Landeskultur, sondern um die Organisations- oder Unternehmenskultur als Subkultur (bspw. die Kultur von IBM) und ihren Einfluss auf die Struktur und das Verhalten der Mitarbeiter in einem bestimmten Unternehmen. In diesem Sinne wird die Unternehmenskultur folgendermaßen definiert: <?page no="505"?> 480 · Kapitel 14: Ursachen des Wandels Unternehmenskultur ist die Gesamtheit von im Laufe der Zeit in einer Organisation entstandenen und akzeptierten Werten und Normen, die über bestimmte Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster das Entscheiden und Handeln der Mitglieder der Organisation prägen. Die Unternehmenskultur wurde zunehmend als unabhängig von der Landeskultur und als mehr oder weniger gestaltbares Managementsubsystem begriffen. Ist die Kultur eine interne Variable neben anderen (Strategie, Struktur, Systeme), muss auch sie im Rahmen des Intra-System-Fits mit diesen anderen Variablen abgestimmt werden. Wie kann nun der Zusammenhang von Kultur und Struktur verstanden werden? Zum situativen Ansatz passt zunächst die Vorstellung, dass die (vorhandene) Kultur die Struktur beeinflusst: Die Struktur folgt der Kultur. Man kann bspw. davon ausgehen, dass die Vorstellungen der Organisatoren über das Verhalten der Menschen (Menschenbild) ihre Strukturierungsmaßnahmen prägen. Ist die Kultur von großem Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern bestimmt, gelten die Mitarbeiter als faul, opportunistisch und dumm, dann wird die „passende” Struktur durch ausgeprägte Spezialisierung, Zentralisierung und Formalisierung geprägt sein, weil die Organisation v.a. als Komplexitätsreduktions-, Kontroll- und Disziplinierungsinstrument verstanden wird. Geht man dagegen von einem Menschenbild aus, welches Kooperationswille, Arbeitsinteresse und Unternehmenszielorientierung bei den Mitarbeitern voraussetzt, folgen Organisationsstrukturen, die weit weniger auf strikte Arbeitsteilung und enge Reglementierung setzen und mehr Dezentralisation und Teamarbeit zulassen. Eine starke unternehmenszielkonforme Kultur schafft Spielraum für ein hohes Maß an autonomer Selbstorganisation. Dass es nicht zu einem Misfit zwischen Kultur und Struktur kommt, hängt natürlich davon ab, inwieweit die Organisatoren die herrschende Kultur richtig einschätzen. Bei ihrer Einschätzung sind sie wiederum von den gesellschaftlichen Trends beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen Struktur und Kultur kann auch in der Weise interpretiert werden, dass die Kultur der (vorhandenen) Struktur folgt. Bestimmte Strukturen verlangen bestimmte Denk- und Verhaltensmuster und erzeugen diese im Laufe der Zeit. Eine starke Spezialisierung und Reglementierung führt bspw. oft zu der Einstellung, sich für nichts zuständig zu fühlen, es sei denn, der eigene Aufgabenbereich sei unmittelbar betroffen. Wie man aus der kritischen Auseinandersetzung mit der Bürokratie als Strukturform weiß, wird in hoch formalisierten Organisationen die strikte Einhaltung der Regeln leicht zum Selbstzweck. Eine funktionale Struktur fördert eher eine Binnenorientierung der Mitarbeiter, d.h. eine Ausrichtung an der Funktion und weniger <?page no="506"?> Interne Einflussfaktoren · 481 an den Bedürfnissen des Marktes. Eine Matrixorganisation fordert und fördert eine „Konfliktkultur”. Dass Organisationsstruktur und -kultur abstimmungsbedürftig sind, wird immer dann besonders deutlich, wenn sich die beiden Subsysteme konfliktär zueinander verhalten. Solche Konflikte treten v.a. dann auf, wenn das gewachsene Gleichgewicht zwischen Struktur und Kultur durch eine größere Reorganisation gestört wird. Die neue Struktur wird möglicherweise über lange Zeit vom System nicht akzeptiert und die vorhandenen Interaktions- und Interpretationstendenzen werden einfach beibehalten. Es kommt zu einer ausgeprägten informalen Struktur. Ein solches Beharrungsvermögen der Kultur lässt sich zurzeit bspw. bei den ehemals öffentlichen Organisationen beobachten, die sich zu profit- und wettbewerbsorientierten privaten Unternehmen wandeln sollen. Die Probleme der Abstimmung von Struktur und Kultur treten weiterhin bei internationalen Unternehmenszusammenschlüssen deutlich zutage. Schwierig ist die Herstellung des „Fit” zwischen Struktur und Kultur in erster Linie deshalb, weil sich die Kultur nicht ohne weiteres instrumentalisieren lässt. Zwar kann man versuchen, den Mitarbeitern über ein Unternehmensleitbild und entsprechende konkrete Richtlinien einen Orientierungs- und Interpretationsrahmen vorzugeben und auch bestimmte Riten, Zeremonien und Sprachregelungen bewusst einführen. Was zutiefst kulturell verankert ist, lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Ein solches Problembewusstsein sollte v.a. auch im Hinblick auf die Neuausrichtung der Organisationsmodelle vorhanden sein. Kulturell fest verankert ist bspw. das Verständnis von Karriere als „Aufstieg nach oben” auf die höheren Positionen der Hierarchie. Eine Verflachung der Hierarchie hat daher zunächst sicher die kontraproduktive Folge eines besonders starken Machtkampfes zwischen den Organisationsmitgliedern um die wenigen verbliebenen Führungspositionen. Damit die Struktur die gewünschten Verhaltenswirkungen entfaltet, muss daher auf die Kultur in der Weise eingewirkt werden, dass sich ein anderes Karriereverständnis entwickelt. Vgl. auch die Ausführungen zum interpretativen Ansatz, zum Selbstorga nisationsansatz und zum Strukturationsansatz S. 172ff., S. 184ff. und S. 197ff. <?page no="507"?> 482 · Fragen zur Wiederholung und Vertiefung Fragen zur Wiederholung 1. Was besagt die „Fit-Hypothese”? (1) 2. Wie haben sich die Marktbedingungen in den letzten Jahren entwickelt und welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Organisation? (2.1) 3. Welche Auswirkung auf die Organisationsstruktur hat die Orientierung am Shareholder Value? (3.1.2) 4. Welche besonderen Kontextfaktoren haben Nonprofit-Organisationen zu beachten? (3.1.3) 5. Wie ist es zu erklären, dass auf eine Diversifikationsstrategie häufig die Divisionalisierung folgt? (3.2) 6. Beschreiben Sie die drei Typen internationaler Strukturen. (3.2) 7. Welche Trends in der Strukturierung hat die zunehmende Bedeutung der Informationstechnologie ausgelöst? (3.3.2) 8. Inwiefern kann man sowohl behaupten, dass die Struktur der Kultur folgt, als auch, dass die Kultur der Struktur folgt? (3.4) Fragen zur Vertiefung 1. Wir haben vereinfachend die Zusammenhänge zwischen je einer externen bzw. internen Bedingung und der Organisation betrachtet und die Abhängigkeiten zwischen den Situationsfaktoren weitgehend vernachlässigt. Überlegen Sie, wie die externen und internen Bedingungen sich wechselseitig beeinflussen. <?page no="508"?> Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen · 483 2. In Zukunft wird die Grenze zwischen selbständiger und abhängiger Arbeit fließend. Das bedeutet auch, dass die Grenzen der Unternehmung unschärfer werden. Überlegen Sie, welche Vorteile und Risiken das mit sich bringt für die Arbeitnehmer und die Unternehmung. 3. Nachdem die Corporate Governance-Debatte lange Zeit vor allem die Stärkung der Position der Eigentümer zum Thema hatte (Shareholder- Perspektive), wird neuerdings eine nachhaltige Wertschöpfung im Interesse aller mit der Unternehmung verbundenen Gruppen als Ziel einer guten Corporate Governance angesehen (Stakeholder-Perspektive). Überlegen Sie, warum eine Orientierung am Shareholder Value nicht wie die Befürworter behaupten automatisch auch zu einer nachhaltigen Wertschöpfung im Interesse aller Stakeholder führt. Wie könnte sich die Stakeholderorientierung in der Unternehmensverfassung niederschlagen? 4. Es wird behauptet, die moderne Fertigungstechnologie habe den Konflikt zwischen Produktivität und Flexibilität entschärft. Überlegen Sie, wie diese Aussage begründet werden kann. 5. Internationale Kooperationen und Fusionen gelten als besonders konfliktträchtig, weil auch unterschiedliche Landeskulturen aufeinander stoßen. Welche Konflikte sind bei einer Kooperation zwischen einem deutschen und einem amerikanischen Unternehmen zu erwarten? Literaturempfehlungen Bea, F. X., Haas, J.: Strategisches Management, 5. A., Stuttgart 2009. Kieser, A., Walgenbach, P.: Organisation, 5. A., Stuttgart 2007. Schertler, W.: Unternehmensorganisation, 7. A., München, Wien 1998. <?page no="509"?> 484 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels Kapitel 15: Formen und Management des Wandels 1.1 Geplanter Wandel 1.2 Ungeplanter Wandel 2 Management des geplanten Wandels 3 Management des ungeplanten Wandels 1 Formen des Wandels Organisationaler Wandel ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Thema in der Organisationsforschung geworden. Viele Unternehmen haben Restrukturierungsprogramme gestartet mit dem Zweck, sich zu merklich besseren Wettbewerbern zu wandeln. Einige der Erneuerungsprojekte waren sehr erfolgreich, andere dagegen komplette Fehlschläge und die meisten lagen irgendwo dazwischen. Die Probleme, mit denen die Unternehmen der sog. New Economy zu kämpfen hatten, liefern reichlich Anschauungsmaterial für die Schwierigkeiten, die ein Übergang von einer ad hoc-Organisation (in der Innovationsphase) zu einer traditionellen Organisationsstruktur (für die Implementierungsphase) mit sich bringt. Eine der daraus zu ziehenden Lehren ist, dass eine fundamentale Transformation ein schwieriger und fehleranfälliger Prozess ist. In ihm spielen sich geplante und ungeplante Entwicklungen ab. Er kann außerdem nur gelingen, wenn die Struktur zu den Kontextbedingungen passt. Organisationaler Wandel meint demnach mehr als die geplante Restrukturierung. Welche anderen Formen des Wandels unterschieden werden können und wie ein „Management des Wandels” mit ihnen umgehen kann, soll uns im Folgenden beschäftigen. Dabei unterscheiden wir zwei Formen des Wandels: • Geplanter Wandel und • ungeplanter Wandel. 1.1 Geplanter Wandel Folgende Formen des geplanten Wandels werden unterschieden: • Reorganisation, <?page no="510"?> Reorganisation · 485 • Organisationsentwicklung, • Change Management 1.1.1 Reorganisation Wie zu Beginn des Buches ausgeführt wurde, dominiert in der Betriebswirtschaftslehre die instrumentelle Sichtweise der Organisation. Die Organisation i.S. der Ordnung, die ein Unternehmen hat, soll zur Zielerreichung der Unternehmung beitragen. Sie soll „effektiv” sein. Die Aufgabe einer effektiven Organisationsgestaltung stellt sich zum einen bei der Neugründung einer Unternehmung. Zum anderen stellt sich aber auch bei bereits bestehenden Unternehmen immer wieder die Aufgabe, die Strukturen und Abläufe neu zu ordnen, um Effektivitätsverluste aufzufangen bzw. die Effektivität zu steigern. Dabei geht man davon aus, dass ein Organisator (Manager, Stabsmitarbeiter, externer Berater) planvoll und zielgerichtet eine „bessere” und „passendere” Struktur entwirft und implementiert, d.h. eine Reorganisation durchführt. Unter Reorganisation versteht man die bewusste und geplante, i.d.R. tief greifende und umfassende Änderung der Aufbau- und Ablauforganisation mit dem Ziel der Effektivitätssteigerung. Idealtypisch kann man die Reorganisation als rationalen Entscheidungsprozess oder synoptischen Planungsprozess modellieren: Aus der Diskrepanz zwischen den angestrebten Zielen (Soll) und dem bisher Erreichten (Ist) ergibt sich eine exakt definierte Problemlücke. Es werden dann viele und innovative Alternativen (Strukturmodelle) erwogen, um diese Problemlücke zu schließen. Den einzelnen Alternativen werden Wirkungen zugeordnet, die beste Alternative wird schließlich ausgewählt und verwirklicht. Eine solche Vorgehensweise entspricht den Vorstellungen des entscheidungslogischen Ansatzes (vgl. S. 117ff.). Die Organisation wird also planmäßig und sprunghaft geändert. Da es sich bei der so modellierten Reorganisation um eine neuartige, zielgerichtete, zeitlich begrenzte und komplexe Aufgabe handelt, kann sie als Projekt angesehen und abgewickelt werden. Es wird eine eigene Projektorganisation geschaffen, die Projektphasen werden systematisch durchlaufen und die Entscheidungsträger mit Planungstechniken unterstützt. Diese Vorstellung wird in Abschnitt 2 vertieft. Ein solches Vorgehensmodell ist allerdings nur ein normativer Leitfaden. In der Praxis muss man sowohl mit der begrenzten Rationalität als auch mit den <?page no="511"?> 486 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels Eigeninteressen der Beteiligten rechnen. Beides führt dazu, dass die Planungsprozesse eher inkremental als synoptisch ablaufen. Inkrementale Planung bedeutet, dass man lediglich auf drängende Probleme reagiert, nur sehr wenige und kaum wirklich innovative Alternativen in Betracht zieht, die Wirkung der Alternativen nur grob abschätzt und sich mit befriedigenden Lösungen begnügt. Die Interessen der Beteiligten werden in Aushandlungsprozessen permanent gegeneinander abgewogen. Auf diese Art und Weise wird keine radikale und optimale, aber eine durchsetzbare Lösung gefunden. Der Wandel erfolgt nicht in Sprüngen, sondern in kleinen Schritten. Von manchen Forschern wird die inkrementale Vorgehensweise speziell im Zusammenhang mit dem organisationalen Wandel sogar für besser gehalten als die synoptische Vorgehensweise. Widerstände werden so von Anfang an erkannt und die Informationsverarbeitungskapazität der Organisatoren wird nicht überschätzt (vgl. Gerstner [Bewältigung] 108f., 121ff.). Ein ständiger Wandel in kleinen Schritten erspart der Unternehmung radikale, krisenhafte Änderungssprünge. Allerdings kann man nicht ohne weiteres voraussetzen, dass sich die vielen kleinen Änderungen zu einem tief greifenden Wandel in die richtige Richtung akkumulieren. Bisher gelingt es offensichtlich nur sehr wenigen Unternehmen, einen kontinuierlichen inkrementalen organisationalen Wandel planvoll zu erzeugen (vgl. Kieser/ Hegele [Kommunikation] 24). 1.1.2 Organisationsentwicklung Auch die Organisationsentwicklung stellt eine Form des geplanten Wandels dar. Es gibt Vorstellungen über einen geregelten Ablauf und anzuwendende Methoden (vgl. Trebesch [Organisationsentwicklung] 988ff.). Im Vergleich zur Reorganisation treten aber auch Unterschiede zutage. Vor allem geht es in der Organisationsentwicklung nicht um eine reine Restrukturierung, sondern auch oder v.a. um die Veränderung der Einstellungen und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder. Ein Beispiel für eine Organisationsentwicklung ist der Versuch, aus einem bisher hierarchisch geführten Staatsunternehmen (z.B. Bundespost) ein im globalen Wettbewerb agierendes Unternehmen zu entwickeln. Organisationsentwicklung ist ein längerfristig angelegter, umfassender Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und den in ihnen tätigen Menschen. Man kann auch sagen: Durch Organisationsentwicklung soll nicht nur die Struktur, sondern auch die Kultur einer Organisation verändert werden, denn <?page no="512"?> Change Management · 487 auch von der Kultur geht eine Verhaltensnormierung der Organisationsmitglieder aus. Nicht das instrumentelle Verständnis von Organisation steht im Vordergrund, sondern das institutionelle. Die Unternehmung ist eine Organisation i.S. eines sozio-technischen Systems. Ziele der Organisationsentwicklung sind gleichermaßen die Verbesserung der Effektivität als auch der Humanität des Arbeitslebens (vgl. Trebesch [Organisationsentwicklung] 988). Die Zielvorstellungen sind aber insgesamt oft unschärfer als in einem Restruktierungsprozess. Ein Prozessende lässt sich daher auch nur schwer definieren. Während man bei einer Restrukturierung diskutiert, ob die Betroffenen am Wandlungsprozess beteiligt werden sollen oder ob man den Prozess als reine Fremdorganisation gestaltet, ist die Partizipation der Betroffenen für die Organisationsentwicklung unabdingbare Voraussetzung. Organisatoren und externe Berater sollen nicht so sehr fertige Lösungen implementieren als vielmehr Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Anders bewertet wird auch der mögliche Widerstand der Betroffenen. Während er im klassischen Restruktierungsprozess als unerwünschtes Hindernis verstanden wird, gilt er in der Organisationsentwicklung als durchaus erwünschter Hinweis auf unerfüllten Kommunikationsbedarf und berechtigte Schutzmaßnahme der Betroffenen (vgl. Trebesch [Organisationsentwicklung] 993). Die Forschung zur Organisationsentwicklung ist insgesamt eher dem subjektivistischen Paradigma zuzuordnen (vgl. S. 231ff.). Dazu passt auch die Einzelfallorientierung der Entwicklungsforschung. Forschung und Beratung gehen im Rahmen der sog. Aktionsforschung oft ineinander über. 1.1.3 Change Management Seit etwa 15 Jahren wird die gezielte Veränderung von Unternehmen zunehmend unter dem Oberbegriff des „Change Management“ besprochen. Man kann sagen, das Change Management umfasst die Reorganisation und die Organisationsentwicklung, denn zum Change Management gehört die Restrukturierung (gezielte Veränderung von Strukturen und Prozessen) sowie die Remodellierung (gezielte Veränderung der Werte, Überzeugungen und Einstellungen der Mitarbeiter). Als weitere Komponenten kommen noch die Reorientierung (gezielte Veränderung der Strategie) sowie die Revitalisierung (gezielte Veränderung der Ressourcen und Fähigkeiten) hinzu (vgl. Krüger [Wandel]). <?page no="513"?> 488 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels Change Management bedeutet die aktive Handhabung von Wandlungsprozessen und umschließt alle Aufgaben, Prozesse, Träger und Instrumente unternehmensbezogener Veränderung und Entwicklung. Change Management geht damit weit über eine reine Reorganisation hinaus. Der Grundgedanke einer umfassenden Abstimmung zwischen Strategie, Struktur, Kultur, Ressourcen und Kompetenzen entspricht der Fit-Hypothese des strategischen Managements. Es leuchtet unmittelbar ein, dass eine Restruktierungsmaßnahme wie bspw. die Einführung einer Teamorganisation auch einen Bedarf an Teamentwicklung nach sich zieht (vgl. auch French/ Bell [Organisationsentwicklung] 142ff.). Die Teamentwicklung muss sich zudem sowohl auf bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse beziehen als auch auf innere Einstellungen und Werte. Ein isolierter Strukturwandel hat kaum Aussicht auf Erfolg. Plakativ wird dies oft so ausgedrückt, dass sich ein Wandel auch „in den Köpfen“ vollziehen müsse. Das Konzept des Change Management betont überdies die Notwendigkeit permanenten Wandels. Der unternehmerische Wandel soll nicht mehr als „Sondervorgang“ und „notwendiges Übel“ behandelt werden, sondern als zentraler Erfolgsfaktor und „tägliches Brot“ der Führungskräfte. Im Hinblick auf die Organisationsstruktur entsteht durch diese Forderung aber ein Widerspruch, denn die Organisation - so wurde schon eingangs dieses Buches konstatiert - soll Ordnung und d.h. Verlässlichkeit und Stabilität erzeugen. Der Widerspruch lässt sich auflösen, wenn man es schafft, eine (stabile und verlässliche) Struktur zu etablieren, die in sich „wandlungsfreundlich“ ist, wie es bspw. dem Konzept der lernenden Organisation entspricht. 1.2 Ungeplanter Wandel Organisationen verändern sich nicht nur im Rahmen tief greifender, zielgerichteter und fremdorganisierter Wandlungsprojekte. Sie sind nie statisch, sondern entwickeln und verändern sich kontinuierlich. Solche ungeplant ablaufenden Prozesse werden im Rahmen des evolutionstheoretischen Ansatzes, des Selbstorganisationsansatzes und des Strukturationsansatzes thematisiert (vgl. Kapitel 6). Um diese Prozesse zu beschreiben, kann man auf verschiedene Referenzmodelle zurückgreifen. Evolutionsmodelle und Lernmodelle sind die am häufigsten benutzten Ansätze, um den ungeplanten Wandel in Organisationen zu beschreiben (vgl. Göbel [Selbstorganisation] 114ff.). <?page no="514"?> Ungeplanter Wandel · 489 Evolutionsmodelle gibt es in unterschiedlichen Spielarten (vgl. Ringlstetter/ Kaiser [Lebenszyklus]): (1) Ein großer Teil der Managementliteratur versucht, Unternehmensentwicklung durch das Heranziehen des Lebenszykluskonzeptes zu verstehen und zu erklären (Evolutionsmodelle im weiteren Sinne). Es werden idealtypische, regelmäßig auftauchende Entwicklungsphasen unterschieden sowie besondere, kritische Situationen identifiziert. Man geht davon aus, dass die Unternehmen mit zunehmender Größe und fortschreitendem Alter quasi deterministisch bestimmte Veränderungen durchmachen. Aus der Großzahl der Modelle, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, können beispielhaft genannt werden: Wachstumskrisenmodelle (Greiner, Albach, Argenti), Strukturänderungsmodell (Mintzberg) und Verhaltensänderungsmodell (Miller/ Friesen). In Abb. 15-1 ist das Wachstumskrisenmodell von Greiner dargestellt. Greiner geht davon aus, dass Organisationen mit steigendem Alter und zunehmender Größe typische Krisen durchlaufen. Diese Krisen beruhen auf dem Fehlen einer formalen Organisation in der ersten Phase (Pionierphase), einer Konzentration der Führungsfunktion beim Unternehmensgründer (Autonomiekrise) in der zweiten Phase, einer mangelhaften Kontrolle der Geschäftsaktivitäten in der dritten Phase (Kontrollkrise) und schließlich einer zunehmenden Bürokratisierung in der vierten, der Reifephase. (2) Zum Teil sehen solche Modelle auch gezielte Änderungen der Entwicklungsphasen vor, wie bspw. das Überspringen einer Lebensphase oder die Rückkehr in eine vorangegangene Phase. Zumindest aber erhofft man sich aus der Analyse von Lebenszyklusmodellen Hinweise für die erfolgreiche Bewältigung der prognostizierten Phasen, bspw. durch rechtzeitiges Krisenmanagement. Die Lebenszyklusmodelle werden heute insgesamt eher als heuristisch nützliche Metapher verstanden und weniger als exakte Beschreibung der Entwicklung sozialer Systeme (vgl. Ringlstetter/ Kaiser [Lebenszyklus] 731). (3) Die Evolutionsmodelle im engeren Sinne knüpfen dagegen am biologischen Prozessmuster an. Evolution vollzieht sich im Dreischritt von Variation, Selektion und Retention. Diese Evolutionsmodelle sind in der Tendenz voluntaristischer als die Lebenszyklusmodelle, d.h. es werden eher steuernde Eingriffe für möglich gehalten. Außerdem geht es bei ihnen eher um die Entwicklung in einer Unternehmung und weniger um die Entwicklung der Unternehmung insgesamt. Im ersten Schritt ist es notwendig, dass die bisherigen Strukturen, Abläufe und Handlungsnormen variiert werden. Das geschieht bspw. dadurch, dass neue Mitarbeiter in die Unternehmung eintreten, Kooperationen verabredet, neue Kundengruppen bedient werden usw. Quasi unbemerkt kommen so <?page no="515"?> 490 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels neue Ideen in die Unternehmung, die entweder abgestoßen (selektiert) werden oder sich bewähren und beibehalten werden (Retention). jung alt Alter der Organisation Größe der Organisation klein groß Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Phase 5 Pionierkrise Wachstum durch Kreativität Wachstum durch Professionalisierung Autonomiekrise Kontrollkrise Krise durch ? Wachstum durch Dezentralisierung Wachstum durch Formalisierung Wachstum durch Motivation Bürokratiekrise Abb. 15-1: Wachstumskrisenmodell von Greiner ([Evolution] 42) (4) Auch Lernprozesse können in drei Schritten dargestellt werden. Der erste Schritt besteht im Versuch. Im zweiten Schritt wird der Versuch bewertet und entweder als Irrtum verworfen oder - bei positiver Erfahrung - im dritten Schritt der organisatorischen Wissensbasis hinzugefügt. Lernprozesse können mehr oder weniger bewusst ablaufen und daher auch mehr oder weniger Nähe zu den Evolutionsprozessen aufweisen. Die Evolutions- und Lernprozesse werden heute im Allgemeinen positiv bewertet. Sie können den geplanten Wandel aber aus zwei Gründen nicht ersetzen: • Organisationen sind „von selbst” häufig träge und konservativ. Das Bedürfnis nach Identität, Kontinuität und Sicherheit ist groß. „Das haben wir schon immer so gemacht” ist ein Satz, mit dem man sich in vielen Unternehmen gegen Neuerungen wehrt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass <?page no="516"?> Management des geplanten Wandels · 491 sich wirklich innovative Strukturen, Handlungsnormen und Denkweisen ganz ungeplant einstellen. • Was „von selbst” im Unternehmen wächst und erlernt wird, muss durchaus nicht wünschenswert sein. Auch gute Variationen können z.B. durch mikropolitische Manöver „selektiert” werden. Und in vielen Unternehmen lernen die Mitarbeiter als Erstes die „heimlichen Spielregeln”, die sich als kontraproduktiv im Hinblick auf das Unternehmensziel erweisen (vgl. Scott-Morgan [Spielregeln]). Diese Überlegungen haben dazu geführt, dass heute vielfach hybride Formen des Wandels propagiert werden, die Elemente des geplanten und des ungeplanten Wandels kombinieren. Unter Etiketten wie „Organisation der Selbstorganisation”, „gelenkte Evolution” und „Verbesserung der Lernfähigkeit” haben sich Ansätze herausgebildet, die die ungeplanten Prozesse im Dienste der Unternehmung kanalisieren und kultivieren wollen (vgl. auch Reiß [Change] 15). Sollen etwa „lernfreundliche Strukturen” (Probst [Lernen] 311ff.) etabliert werden, dann ist dazu eine gezielte Reorganisation erforderlich. Wie sich organisationales Lernen in den veränderten Rahmenbedingungen im Detail entwickelt, kann dann freilich nicht mehr organisiert werden. Im Folgenden wird die Reorganisation schwerpunktmäßig i.S. einer zielgerichteten, methodischen Restrukturierung behandelt. 2 Management des geplanten Wandels 2.1 Effektivitätssteigerung als übergeordnetes Reorganisationsziel Das Ziel einer Reorganisation besteht immer darin, eine bessere, effektivere Organisation zu etablieren. Wie bereits dargelegt (vgl. S. 11ff.), ist eine Präzisierung dieses Ziels nicht einfach. Wie in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre üblich, wollen wir vom sog. zielorientierten Ansatz ausgehen, nach welchem der Eigentümer der Unternehmung bzw. die dominante Koalition die obersten Unternehmensziele festlegt. Vereinfachend lässt sich dann feststellen, dass eine Organisationsstruktur dann effektiver ist als eine andere, wenn sie mehr zur Erreichung der Unternehmensziele (Gewinn, Rentabilität, Unternehmenswert) beiträgt. Die Zielorientierung ist für Bleicher ([Paradigmenwechsel]) Kennzeichen eines veralteten Managementparadigmas, welchem er u.a. das Menschenbild des homo oeconomicus, eine hierarchisch gegliederte, hochspezialisierte, stabile Struktur, ein <?page no="517"?> 492 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels von Machbarkeit und Herrschaft geprägtes Führungsverständnis und Interessenmonismus zuordnet. Ein solches Managementverständnis muss sich aber nicht automatisch aus einer Zielorientierung ergeben. Gewinnorientierung bedeutet nicht zwangsläufig eine kurzfristige Ausbeutungsstrategie, eine Vernachlässigung aller Stakeholderinteressen und „Hire-and-fire-Praktiken” gegenüber den Mitarbeitern (vgl. Bleicher [Paradigmenwechsel] 129). Wir vertreten vielmehr die Meinung, dass sich die Berücksichtigung der Interessen von Kunden und Mitarbeitern, flexible, wenig hierarchische und prozessorientierte Strukturen, die Pflege einer Vertrauenskultur und langfristige Entwicklungsstrategien sehr gut mit dem zielorientierten Ansatz verbinden lassen. Dieses Verständnis kommt auch in den Zielkriterien zum Ausdruck, die in einem Ziel-Mittel- Verhältnis zum Oberziel stehen und konkret dem Subsystem „Organisation” zugeordnet werden können. Wie bereits (auf S. 12ff.) dargestellt, zeichnet sich eine effektive Organisation durch folgende Merkmale aus: • Effizienz der Ressourcennutzung, • Ausnutzung von Synergieeffekten, • Verringerung des Koordinationsbedarfs, • Steigerung der Entscheidungsqualität, • Verbesserung des Informationsmanagements, • Stärkung der Motivation, • Verringerung des Konfliktpotenzials, • Steigerung der Innovations- und Lernbereitschaft, • Verstärkung der Kunden- und Marktorientierung, • Erhöhung der Flexibilität, • Grad der Partizipation der Stakeholder an Entscheidungen und • Qualität der Information von Stakeholdern. Die Bewertung eines Organisationsmodells bleibt schwierig, auch wenn man unterhalb des allgemeinen Ziels „Effektivitätssteigerung” besser messbare Kriterien gefunden hat. Die genannten Unterziele widersprechen sich teilweise, die Folgen einzelner Strukturierungsmaßnahmen sind keineswegs sicher vorhersagbar und die Wichtigkeit einzelner Subziele ändert sich mit der Veränderung der Situation, in welcher sich eine Unternehmung befindet. Diese Unsicherheit in der Bewertung alternativer Strukturmodelle trägt vermutlich mit dazu bei, dass ein geplanter organisationaler Wandel häufig erst dann in Angriff genommen wird, wenn das Unternehmen in eine Krise gerät. <?page no="518"?> Management des geplanten Wandels · 493 2.2 Auslöser für Reorganisationen Eine Reorganisation ist i.d.R. eine Reaktion auf einen wachsenden Problemdruck von außen oder von innen. Veränderungen der externen und internen Bedingungen der Organisation, wie wir sie im vorausgehenden Kapitel dargestellt haben, führen dazu, dass die Organisationsstruktur nicht mehr „passt”. Wichtige situative Bedingungen, die Änderungsdruck erzeugen, sind: • Strategieänderungen, insbesondere Änderungen des Produktionsprogramms und zunehmende Internationalisierung (structure follows strategy). • Verstärkung des Wettbewerbs durch den Markteintritt neuer Konkurrenten bspw. aus Osteuropa oder China, durch die Deregulierung von Märkten und eine hohe Marktsättigung in vielen Bereichen. • Strategie- und Strukturänderungen bei Konkurrenten, etwa Unternehmenszusammenschlüsse oder Vorstoß in neue Märkte. • Verändertes Nachfrageverhalten, z.B. Nachfrage nach individuell differenzierten Produkten, verstärktes Qualitätsbewusstsein, erhöhte Serviceansprüche, schnelle Modewechsel. • Gesellschaftliche Veränderungen, wie ein zunehmendes ökologisches Bewusstsein, steigendes Bildungsniveau, Abwendung von traditionellen Werten wie Autoritätshörigkeit, Entstehung neuer Arbeitsmodelle. • Entstehung neuer Technologien (Fertigungs- und Informationstechnologien), die sich in neuen Produkten und Produktionsverfahren sowie völlig veränderten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten niederschlagen. • Verändertes Verhalten der Kapitalgeber, insbesondere große Flexibilität im Anlageverhalten bei der Suche nach der weltweit höchsten Rendite. • Neue Eigentümer, insbesondere als Folge der Privatisierung ehemals öffentlicher Unternehmen, aber auch im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen oder der Generationenfolge. • Wachstum, z.B. Entwicklung eines mittelständischen Unternehmens zum Großunternehmen. • Schlechte Ertragslage sowie bestimmte Einzelprobleme: Unzufriedenheit der Mitarbeiter, die sich in Konflikten, hohen Absentismus- und Fluktuationsraten äußert, Qualitätsprobleme, Lieferschwierigkeiten. • Übergang eines Unternehmens von der Innovationsphase in die Implementierungsphase (z.B. Anwendung einer Erfindung). • Streben nach engerer Zusammenarbeit mit Konkurrenten, Lieferanten und Kunden. <?page no="519"?> 494 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels • Gesetzliche Änderungen, die bspw. verschärfte Kontrollen der Unternehmenstätigkeit vorschreiben. Die Überzeugung, dass eine Reorganisation nötig ist, kann schließlich auch durch Organisationsmoden ausgelöst werden. Von der Beraterliteratur werden radikale Änderungen oft als unausweichlich dargestellt, um das Unternehmen auf Erfolgskurs zu halten. Eine Mode hat aber auch nur dann Chancen auf Durchsetzung, wenn sie tatsächlich vorhandene Schwächen und drohende Gefahren anspricht (vgl. Kieser/ Hegele [Kommunikation] 24ff.). 2.3 Organisation der Reorganisation 2.3.1 Modelle der Projektorganisation Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass eine Unternehmung einen tief greifenden strukturellen Wandel plant, um bestimmte Probleme zu lösen (Reorganisation). Sie steht damit vor einer neuartigen, komplexen Aufgabe, die in einem begrenzten Zeitraum erfolgreich abgewickelt werden soll und die mit erheblichen Risiken behaftet ist. Die Aufgabe „Reorganisation” erfüllt damit die typischen Merkmale eines Projektes (vgl. Bea/ Scheurer/ Hesselmann [Projektmanagement] 30). Wie bereits dargelegt (vgl. S. 385ff.), werden für Projekte, die sich ja normalerweise außerhalb des „Alltags” der Unternehmung abspielen, eigene Sekundärstrukturen geschaffen. Drei Grundformen der Projektorganisation werden unterschieden: • Die Stabs-Projektorganisation, • die Matrix-Projektorganisation und • die Reine Projektorganisation. Diese drei Formen unterscheiden sich im Wesentlichen im Hinblick auf die drei Kriterien der Ressourcenautonomie, der Verselbständigung gegenüber der Primärorganisation und der projektinternen Strukturierung. (1) Bei der Stabs-Projektorganisation sind die Ressourcenautonomie und die Verselbständigung gegenüber der Primärorganisation schwach ausgeprägt. Ein Mitarbeiter (z.B. in Stabsposition) wird mit der (nebenamtlichen) Koordination der projektbeteiligten Stellen beauftragt. Er hat keine Entscheidungs- und Weisungskompetenzen gegenüber den Projektmitarbeitern, die in ihren Stellen verbleiben. Zu einer projektinternen Struktur kommt es nicht. <?page no="520"?> Management des geplanten Wandels · 495 (2) In der Matrix-Projektorganisation wird die Verfügungsgewalt über die Ressourcen geteilt. Das Projekt gewinnt einen höheren Grad an Selbständigkeit, denn der Projektleiter hat gegenüber den beteiligten Mitarbeitern aus den verschiedenen Fachabteilungen der Primärorganisation gewisse Weisungsrechte. Er kann die notwendigen Leistungen fordern und Termine setzen, muss sich aber mit den Leitern der Fachabteilungen auseinander setzen. (3) Wird die Projektaufgabe einer eigens auf Zeit geschaffenen Organisationseinheit übertragen, die gänzlich aus der Primärorganisation herausgelöst wird, spricht man von Reiner Projektorganisation. Der Projektleiter verfügt wie die Linieninstanz über eigene personelle und sachliche Ressourcen, die dem Zugriff der Primärorganisation entzogen sind. Bei großen Projekten ist eine interne Strukturierung des Projektteams angebracht. Je umfassender das Reorganisationsprojekt ist, desto stärker wird die Tendenz sein, externe Organisationsberater in die Projektorganisation einzubinden. Grob lassen sich zwei Gruppen solcher Berater unterscheiden: Primär auf die Gestaltung von Strukturen und Abläufen spezialisierte Berater und verhaltenswissenschaftlich orientierte Berater, die sich v.a. um die sozialen Prozesse sowie die Werte und Einstellungen der Mitarbeiter kümmern. Das Hinzuziehen eines externen Beraters kann vorteilhaft sein, weil er über besondere Methodenkenntnisse verfügt und Erfahrungen in unterschiedlichen Reorganisationsprojekten sammeln konnte. Da er in die Organisation nicht selbst eingebunden ist, kann er sich auch offener und „objektiver” zu Schwachstellen äußern und innovative Lösungen entwickeln. Er eignet sich daher häufig besonders gut als „Change Agent” (Veränderungshelfer). 2.3.2 Überblick über die Projektphasen Für den Ablauf eines Projektes wird ein Vorgehen in bestimmten Phasen empfohlen. In den vielen unterschiedlichen Phasenmodellen kann eine gemeinsame Grundstruktur entdeckt werden, nämlich die drei Phasen Planung, Umsetzung und Kontrolle. <?page no="521"?> 496 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels Projektplanung Zielformulierung Alternativensuche Alternativenbewertung Projektumsetzung Machtstrategie Partizipationsstrategie Projektkontrolle Leistungskontrolle Zeitkontrolle Konzeption der Organisationsstruktur Implementierung der Organisationsstruktur Überwachung der Organisationsentwicklung Projektplanung Zielformulierung Alternativensuche Alternativenbewertung Projektumsetzung Machtstrategie Partizipationsstrategie Projektkontrolle Leistungskontrolle Zeitkontrolle Konzeption der Organisationsstruktur Implementierung der Organisationsstruktur Überwachung der Organisationsentwicklung Abb. 15-2: Projektphasen der Reorganisation 2.3.3 Projektplanung Die Projektplanung stellt einen systematischen Prozess der Analyse und Strukturierung eines Projektes dar. Dieser Prozess dient insbesondere der Reduktion der Komplexität der Planungsaufgabe. Am Anfang des Planungsprozesses steht die Zielformulierung. Das Zielsystem liefert Kriterien zur Bewertung von Alternativen. (1) Zielbildung/ Problemanalyse Reorganisationen werden häufig durch akute Probleme ausgelöst. Zunächst ist wahrscheinlich nur klar, dass bestimmte Unternehmensziele nicht im gewünschten Ausmaß erreicht werden, dass es etwa Qualitätsprobleme, Lieferschwierigkeiten, hohe Lagermengen, lange Durchlaufzeiten gibt. Fördert eine Problemanalyse zutage, dass die Organisationsstruktur die Probleme (mit-)verursacht, bietet sich eine Reorganisation als Lösung an. Es ist dann genauer zu analysieren, wo die Schwachstellen der Ist-Struktur liegen (Schwachstellenanalyse). Eine methodische Schwachstellenanalyse der Organisation wird auch als Organisationscontrolling bezeichnet (vgl. Wiedmann [Organisationscontrolling] 979). Methoden der Ist-Analyse sind Beobachtungen, Befragungen und Dokumentenanalysen. Die Ist-Daten werden mit den Soll-Vorstellungen abgeglichen, um die Schwächen zu ermitteln. <?page no="522"?> Management des geplanten Wandels · 497 Außerdem sollten die Ziele des Reorganisationsprojektes präzisiert werden. Es ist auch im Hinblick auf die spätere Realisationsphase wichtig, dass die Beweggründe für die Reorganisation und das angestrebte Ziel klar sind. (2) Alternativensuche In dieser Phase sollten alternative organisatorische Lösungen gesucht werden, die eine bessere Zielerreichung versprechen. Es besteht die Tendenz, neue Lösungen in der Nähe der alten Lösungen zu suchen. Damit auch wirklich innovative Alternativen gefunden werden, können sog. Kreativitätstechniken eingesetzt werden wie Brainstorming, Synektik oder morphologische Methode (vgl. Probst [Organisation] 350ff.). Auch die Organisationsmoden haben in der Phase der Alternativensuche eine positive Funktion, weil sie auf neue Konzepte aufmerksam machen. (3) Alternativenbewertung und -auswahl Die Bewertung von Organisationsmodellen ist schwierig. Wirkungen lassen sich meist nicht präzise prognostizieren und die meisten Lösungen haben sowohl Vorals auch Nachteile. Auf die Erfahrungen anderer Unternehmen kann auch nur bedingt rekurriert werden, da die situativen Bedingungen variieren. Ein brauchbares Instrument, um die Bewertung zu strukturieren und transparent zu machen, ist die Nutzwertanalyse. Das fundamentale Problem der Quantifizierung von Zielerträgen für die Organisationsalternativen kann die Nutzwertanalyse zwar auch nicht vermeiden. Zumindest aber wird die Bewertung - um die man ja nicht herumkommt - nachvollziehbar und damit weniger manipulationsanfällig. Externe Organisationsberater können in dieser Phase eine wichtige Rolle spielen, um die Bewertung zu objektivieren und eine einseitige Interessendurchsetzung zu verhindern. 2.3.4 Projektumsetzung Die Art und Weise, wie man den Veränderungsprozess angeht, kann sehr verschieden sein. Häufig werden grob zwei Veränderungsstrategien unterschieden: • Machtstrategie und • Partizipationsstrategie. <?page no="523"?> 498 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels (1) Machtstrategie (vgl. Kirsch/ Esser/ Gabele [Reorganisation] 247ff.) Unter weitgehender Geheimhaltung und unter Ausschluss der unmittelbar Betroffenen wird von der Führungsspitze, evtl. unter Hinzuziehung externer Berater, ein neues Organisationskonzept entworfen. Das neue Konzept wird dann von oben verordnet. Die vor vollendete Tatsachen gestellten Organisationsmitglieder werden sich dann - so hofft man - wohl oder übel mit der Reorganisation abfinden und sich anpassen. Ein harter schneller Schnitt soll v.a. verhindern, dass der Reorganisationsprozess in langwierigen Diskussionen versandet und schließlich alles beim Alten bleibt. Geringe Partizipationsmöglichkeiten lassen weniger Raum für Beeinflussungsaktivitäten und senken die Beeinflussungskosten (vgl. Picot/ Dietl/ Franck [Organisation] 399f.). Eine Machtstrategie kann gelingen, wenn die Führungskräfte nachträglich sehr viel Überzeugungsarbeit leisten und auch ihren Einfluss einsetzen, um die Organisationsmitglieder „auf Kurs” zu bringen. Die Strategie ist aber riskant. Sie kann zu einem Solidarisierungseffekt unter den Mitarbeitern führen, die dann jede aktive Unterstützung verweigern oder sogar explizit Widerstand gegen die Änderung leisten. Selbst wenn sie sich schließlich resignativ den neuen Bedingungen fügen, sind sie nicht wirklich motiviert, aktiv ihr Bestes zu geben, um der neuen Struktur zum Erfolg zu verhelfen. Geschriebene und gelebte Struktur klaffen möglicherweise für lange Zeit auseinander. (2) Partizipationsstrategie (vgl. Rosenstiel [Grundlagen] 198ff.) Sozial- und verhaltenswissenschaftlich fundierte Veränderungsstrategien gehen von ganz anderen Empfehlungen aus. Organisationen lassen sich nur dann nachhaltig verändern, so ihr Credo, wenn die Betroffenen zu Beteiligten gemacht werden, d.h. wenn sie partizipativ am Veränderungsprozess teilnehmen. Die Partizipation beginnt bereits in der Projektplanungsphase. Die Betroffenen stellen selbst die Schwächen des Ist-Zustandes fest, entwerfen ein Soll-Konzept und einen Aktionsplan. Umsetzungsprobleme und persönliche Widerstände kommen schon in der Planungsphase zum Vorschein und werden diskutiert. Als Vorteile sind zu erwarten, dass die Betroffenen ihr Wissen in den Wandlungsprozess einbringen, dass Interessengegensätze zur Sprache kommen und gelöst werden und dass die Beteiligten eher motiviert sind, von ihnen selbst entworfene Pläne auch nachhaltig zu verfolgen. Bei der Partizipationsstrategie können Strukturentwicklung sowie individuelle und Gruppenentwicklung integriert werden. Gegen die Partizipationsstrategie könnte angeführt werden, dass die Mitarbeiter weder über die nötige Zeit noch das nötige Wissen verfügen, dass die Entschei- <?page no="524"?> Management des geplanten Wandels · 499 dungssituation zu komplex wird, wenn viele beteiligt sind und dass der Veränderungsprozess in langwierigen Diskussionen schließlich versandet. Um solche Probleme zu reduzieren, können sog. „Promotoren” engagiert werden. Ein „Fachpromotor” verfügt als Spezialist über das nötige Fachwissen für die Organisationsveränderung. Der „Machtpromotor” hat eine starke Stellung im Unternehmen und setzt seine Macht ein, um den Veränderungsprozess zu puschen. Ein typisches Promotorengespann besteht aus einem externen Berater als Fachpromotor und einer Führungskraft der obersten Hierarchieebene als Machtpromotor (zum Promotorenmodell vgl. Witte [Organisation]). In Theorie und Praxis hat sich in letzter Zeit die Sichtweise durchgesetzt, dass die Partizipationsstrategie effizienter ist als die Machtstrategie (vgl. Kieser/ Hegele [Kommunikation] 218ff.). Viele Reorganisationsprojekte zielen ja gerade darauf ab, den Mitarbeitern mehr Autonomie einzuräumen, Verantwortung und Entscheidungskompetenz nach unten zu verlagern. Eine solche neue Struktur von oben durchdrücken zu wollen, wäre ein Widerspruch in sich. Die partizipative Veränderungsstrategie schlägt sich auch in der Projektorganisation nieder. Wenn ein Projektteam gebildet wird, dann sollten auch die betroffenen Mitarbeiter in diesem Team vertreten sein. Sie können nicht nur ihr Sachwissen einbringen, sondern auch die Kollegen mit den Veränderungen vertraut machen, Informationen über die Akzeptanz und mögliche Probleme sammeln und zurückmelden. Sie wirken als „Multiplikatoren” des Wandels (vgl. Probst [Organisation] 234). 2.3.5 Projektkontrolle Nach dem Phasenkonzept der Planung schließt sich an die Umsetzungsphase die Kontrollphase an. Bei der Reorganisation ist allerdings schwer zu sagen, wann die neue Struktur endgültig eingeführt und die Realisationsphase abgeschlossen ist. Gerade bei einem organisationalen Wandel ist die Grenze zwischen Einführung und Nutzung der neuen Struktur sehr unscharf. Es gibt immer eine Phase des Ausprobierens und Lernens, in welcher sich Realisations- und Kontrollphase überschneiden. Während der probeweisen Nutzung stellen sich evtl. Schwächen des neuen Konzeptes heraus, die eine erneute Planung und partielle Änderungen erforderlich machen. Insofern findet schon während der Realisation eine parallele Kontrolle statt, ob man auf dem richtigen Weg ist, d.h. ob ein Leistungsfortschritt erzielt und auch der Zeitplan eingehalten worden ist. <?page no="525"?> 500 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels (1) Leistungskontrolle Idealerweise steht am Ende des Projektes die Leistungskontrolle. Erst wenn die gewünschte Effektivitätssteigerung erreicht ist, kann das Projekt „Reorganisation” als erfolgreich abgeschlossen gelten. Eine solche Leistungskontrolle ist aber gar nicht so einfach. Waren die Reorganisationsziele nicht operational festgelegt, ist auch nicht genau zu beurteilen, ob sie erreicht wurden. Insbesondere bei qualitativen Zielen (bspw. Verbesserung der Kommunikation zwischen den Bereichen) zeigt sich dieses Problem. Unklar ist auch, wann die Erfolgskontrolle durchzuführen ist. Viele Reorganisationsprojekte dauern viel länger als geplant. (2) Zeitkontrolle Bis eine Reorganisation voll greift und die Veränderung in Struktur und Kultur fest verankert ist, können bis zu fünf Jahre vergehen (vgl. Streich [Veränderungsprozessmanagement] 253). Zu Beginn kann es sogar zu einer Konfusionsphase und zu Verschlechterungen der Zielerträge kommen. Möglicherweise wird eine Reorganisation deshalb bei einer zu frühen Leistungskontrolle zum Flop erklärt und rückgängig gemacht, obwohl sie langfristig effektivitätssteigernd wirken würde. Umgekehrt können sich aber auch anfängliche Leistungsverbesserungen als instabil erweisen. Wenn die Anfangseuphorie abebbt, treten die alten Probleme wieder auf. Schließlich lässt sich die Wirkung einer Reorganisation nicht ohne weiteres isolieren. Es ist daher nicht selten zu beobachten, dass eine Reorganisation zum „Sündenbock” für eine Verschlechterung der Geschäftsentwicklung erklärt wird, obwohl diese evtl. einer ganz anderen Ursache zuzurechnen ist, etwa einer Verschlechterung der konjunkturellen Situation oder einer Qualitätsminderung der Produkte. Im besten Fall mündet die Reorganisation in einen neuen Stabilitätszustand auf deutlich höherem Effektivitätsniveau. Während das Projekt „Reorganisation” damit als beendet gelten kann, darf die aufmerksame Beobachtung der Organisation im Grunde nie aufhören. Aufgrund interner und externer Veränderungen kann auch die neue Struktur wieder reformbedürftig werden. Es wird behauptet, dass lange Stabilitätsphasen heute eher die Ausnahme als die Regel darstellen (vgl. Reiß [Change] 6). <?page no="526"?> Management des geplanten Wandels · 501 2.4 Hindernisse beim geplanten Wandel 2.4.1 Überblick Viele Reorganisationsprojekte scheitern oder erweisen sich zumindest als viel schwieriger und langwieriger als geplant. Es wird in diesem Zusammenhang kritisiert, die Organisationen seien träge oder verkrustet und die Organisationsmitglieder unwillig und unflexibel. Tatsächlich steht dem geplanten Wandel häufig ein „organisatorischer Konservatismus” (Kieser/ Hegele [Kommunikation] 121ff.) im Weg, in welchem sich ein Bedürfnis nach Stabilität und Kontinuität äußert. Jede Veränderung muss mit Widerstand rechnen. Die Ursachen für den Konservatismus sind vielfältig (vgl. Abb. 15-3). Ursachen von organisatorischem Konservatismus Verhaltenswiderstände Verhaltensträgheit Systemwiderstände Systemträgheit Unternehmensinterne Widerstände und Trägheit Ungünstige unternehmensexterne Bedingungen Verhaltensebene Systemebene Gesetzgebung Technikangebot Soziokulturelle Normen und Werte Verhalten „externer“ Ressourcengeber Abb. 15-3: Ursachen des organisatorischen Konservatismus (Quelle: Kieser/ Hegele [Kommunikation] 123) Sie können in externen Bedingungen liegen, aber auch unternehmensinternen Ursprungs sein. Im Unternehmen kann das Verhalten von Individuen und Gruppen den Wandel behindern. Es gibt aber auch Wandlungsbarrieren, die sich nicht auf das Verhalten Einzelner, sondern nur auf das „Systemverhalten” zurückführen lassen. Mitarbeiter und Systeme können Widerstand leisten, was Ausdruck fehlender Anpassungsbereitschaft ist. Sie können aber auch „träge” sein, womit fehlendes Anpassungsvermögen gemeint ist. Die wichtigsten Wandlungsbarrieren sollen nun erläutert werden. 2.4.2 Unternehmensinterne Widerstände Verhaltenswiderstände sind die am häufigsten genannten Wandlungshindernisse. Jede Reorganisation löst bei den Betroffenen Ängste aus. Sie sollen sich von <?page no="527"?> 502 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels bekannten Kollegen trennen, Routinen und Gewohnheiten aufgeben, ihr Status ist bedroht, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten werden obsolet, sie müssen im schlimmsten Fall mit Arbeitsplatzverlust rechnen. Je radikaler der Umbau, desto weniger wissen die Mitarbeiter, was sie erwartet und ob sie den neuen Anforderungen gewachsen sind. Angst erzeugt Widerstand, der sich in vielerlei Formen äußert: Der Krankenstand wird höher, die Leistung sinkt, nicht genau definierte und zugeordnete Aufgaben werden ignoriert, auf Fehler wird bewusst nicht hingewiesen, das Verhalten gegenüber den Kollegen ist aggressiv und unkooperativ, es gibt keine Bereitschaft für Sonderleistungen (vgl. Schmidt [Widerstände] 89f.). Besonders gravierend kann der Widerstand werden, wenn sich Gruppen oder Abteilungen geschlossen gegen die geplanten Änderungen wehren. Widerstand kann aber auch positiv gewertet werden, wenn er zu einer kritischen Reflexion einzelner Reorganisationsmaßnahmen anregt. Als Wandlungsbarriere erweist sich auch die eher unbewusste Trägheit vieler Menschen. Sie halten an alten Denkmustern und Gewohnheiten fest, weil sie die Geborgenheit des Vertrauten schätzen. Von verschiedenen Organisationstheorien wird thematisiert, dass nicht nur Individuen, sondern auch Systeme nach Stabilität und Kontinuität streben und Wandel „abwehren” (vgl. evolutionstheoretischer Ansatz, Selbstorganisationsansatz, Strukturationsansatz; Kap. 6). Die Organisation soll ja gerade auch dazu beitragen, dass sich im Unternehmen stabile Verhaltenserwartungen bilden, dass jeder möglichst „systemkonform” denkt und handelt und damit dem System eine erkennbare Identität verleiht. Zu dieser Identität gehört, dass das Unternehmen bestimmte Dinge leisten kann, andere aber auch nicht. Es verfügt über bestimmte Technologien und ein bestimmtes Know how, bedient bestimmte Märkte, hat bestimmte Strategien, Strukturen und Systeme, eine bestimmte Kultur usw. Jede radikale Änderung stellt zunächst eine Störung des einmal erreichten Gleichgewichts zwischen den Systemelementen dar und wird daher nach Möglichkeit vom System absorbiert. Diese organisationale Trägheit hat durchaus Sinn. Sowohl für die Systemmitglieder als auch für die Umwelt ist es absolut wünschenswert, dass die Unternehmung berechenbar und verlässlich ist. Nur so entstehen die stabilen „Strukturmomente“, die aus stets flüchtigen Interaktionen eine stabile Organisation formen (vgl. 198f.). In dem Moment aber, wo ein System geändert werden soll, kann sich diese positiv zu wertende Stabilität und Verlässlichkeit als unerwünschte Starrheit und Rigidität entpuppen. Fatalerweise erweisen sich häufig gerade die sehr erfolgreichen und gut funktionierenden Systeme als besonders änderungsresistent. Starke Kulturen, optimierte Abläufe und perfekt abgestimmte Subsysteme sind insofern auch nicht un- <?page no="528"?> Management des geplanten Wandels · 503 eingeschränkt positiv zu wertende Merkmale einer Organisation, als sich der Erfolg von gestern als größtes Hindernis für den Erfolg von morgen erweisen kann (vgl. Kieser/ Hegele [Kommunikation] 126ff.). Success breeds failure. 2.4.3 Unternehmensexterne Widerstände Ungünstige unternehmensexterne Bedingungen können organisatorischen Wandel ebenso behindern (vgl. Kieser/ Hegele [Kommunikation] 131ff.). Einer flexibleren Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der Entgeltsysteme stehen etwa arbeitsrechtliche Regelungen entgegen. Aber auch gesellschaftliche Normen, Werte und Einstellungen können Änderungen verzögern. Kulturell stark verfestigt ist z.B. die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau bei der Kinderbetreuung. Nur sehr wenige Männer nehmen bisher die Chance wahr, Erziehungsurlaub zu nehmen oder dauerhaft halbtags zu arbeiten, um Berufs- und Familienpflichten zu vereinbaren. Halbtagsarbeit gilt traditionell als minderwertig, womit z.B. das Job-sharing unattraktiv wird. Tief verankert ist in unserer Kultur auch der Individualismus, wodurch den Gruppenkonzepten mit Misstrauen begegnet wird. Schließlich ist ein Karriereverständnis die Norm, nach welchem Karriere immer einen „Aufstieg nach oben” bedeutet, welcher sich in Titeln und Statussymbolen nach außen demonstrieren lässt. Die heute vielfach propagierte Verflachung der Hierarchie muss gegen dieses tradierte Karriereverständnis ankämpfen. Externe Ressourcengeber fördern den Konservatismus, weil sie nicht sehr experimentierfreudig sind. Große Reorganisationen werden eher als Krisensymptom denn als Chance gewertet, was zur Zurückhaltung der Ressourcengeber (speziell der Banken) führt. Schließlich orientieren sich auch die Anbieter von Technologien eher am vorhandenen Bedarf in bestehenden Strukturen als an einem potenziell entstehenden Bedarf in neuen Strukturen. Das bereits Bestehende hat so immer einen Vorteil gegenüber dem Neuen, welches sich zunächst legitimieren muss. Und das fällt bei Reorganisationen besonders schwer, weil sich die positiven Effekte nicht exakt prognostizieren lassen. 2.5 Kritik am Modell des geplanten Wandels Traditionell geht die Organisationslehre von der gezielten Machbarkeit der Organisationsstruktur aus. Organisationaler Wandel wird in erster Linie als ein planerisches Problem angesehen, welches man systematisch lösen kann. An diesem Wandelverständnis wird zunehmend Kritik geübt (vgl. Schreyögg [Organisation] 432ff.). Im Einzelnen wird problematisiert: <?page no="529"?> 504 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels • Das Verständnis von Wandel als Sonderfall und Ausnahme, • als in sich abgeschlossene Episode mit wohldefiniertem Anfang und Ende, • als von außen durch Experten • und direkt zu steuernder Prozess. Dem Planungsmodell wird entgegen gehalten: • Wandel sei der Normalfall, • Organisationsentwicklung könne nicht als abgeschlossenes Projekt begriffen werden, • der Wandel vollziehe sich endogen, im System selbst • und sei höchstens indirekt zu beeinflussen, aber nicht direkt zu steuern. Mit dem anderen Verständnis von Wandel wird aber nicht der Anspruch aufgegeben, zielgerichtet auf die Organisationsstruktur einwirken zu können. Dies wird im Folgenden vertieft. 3 Management des ungeplanten Wandels In den letzten Jahren ist das Bewusstsein gewachsen, dass die gezielte Gestaltbarkeit komplexer dynamischer sozialer Systeme begrenzt ist. Traditionell ist die Wirtschaft geprägt von einem „mechanistischen” Weltbild, in welchem der Manager als Planer, Macher, Entscheider und Lenker begriffen wird, der das Unternehmen im Griff hat. Ein ganz anderes Verständnis vom Management entwickeln dagegen die Vertreter eines „systemisch-evolutionären Managements” (Königswieser/ Lutz [Management]). Sie betonen die Bedeutung der ungeplanten, selbstorganisierenden Prozesse im Unternehmen. Die Führungskraft soll nach diesem Verständnis Impulse setzen, gedeihen lassen, kultivieren, was von selbst wächst. Da aber von „Management” die Rede ist, kann damit nicht gemeint sein, nichts zu tun. Die Führungskraft soll weiterhin zielorientiert auf die Unternehmung einwirken, allerdings weniger durch präzise Direktiven und umfassende Regelwerke als vielmehr durch eine Gestaltung von Rahmenbedingungen, die dann „von selbst” die gewünschte Ordnung erzeugen. Beim Selbstorganisationsansatz (vgl. S. 184ff.) ist die Idee einer „Organisation der Selbstorganisation” bereits angesprochen worden. Autogene Selbstorganisation, also das was sich im Unternehmen „von selbst” entwickelt, soll in erwünschter Weise kanalisiert werden. Welche Möglichkeiten man sieht, auf die autogene Selbstorganisation einzuwirken, hängt v.a. davon ab, wie die selbstorganisierenden Prozesse rekonstruiert werden. Entsteht Wandel „evolutionär”, <?page no="530"?> Management des ungeplanten Wandels · 505 dann ist zu fragen, in welchem Umfang Variationen bisheriger Normen zugelassen werden, auf welche Weise eine Selektion der Normen stattfindet und wie die selektierten Normen bewahrt werden (Lenkung der Evolution). Liegen dem ungeplanten Wandel Lernprozesse zugrunde, muss über eine Änderung des Lernkontextes nachgedacht werden. 3.1 Gelenkte Evolution Probst ([Selbst-Organisation] 113ff.) betont in seinen Empfehlungen zum Management im selbstorganisierenden System v.a. die Erhöhung der potenziellen Varietät des Systems: Erhalte und schaffe Möglichkeiten, lasse Ambiguität, Unbestimmtheit und Unsicherheit zu, erlaube Fluktuationen, experimentiere, schaffe neue Perspektiven, lauten seine Maximen. Damit werde die notwendige Mannigfaltigkeit als Rohstoff für die Evolution erzeugt. In Lebenszyklusmodellen der Organisation wird häufig unterstellt, dass die Organisationen von selbst im Laufe der Zeit träger und bürokratischer werden, dass sie also immer weniger Variationen zulassen und Neuerungen abstoßen. Eine Aufgabe des Managements kann also darin gesehen werden, diesen von selbst ablaufenden Erstarrungstendenzen hin zu immer größerer Systemträgheit entgegen zu wirken. Nun ist aber die Fülle der Variationen nur der erste Schritt in der evolutorischen Entwicklung. Mit dem zweiten Schritt vollzieht sich die Selektion „unpassender” Varianten. Die hier wirksamen Selektionsmechanismen sind bei der betriebswirtschaftlichen Anwendung des Evolutionsmodells eigens zu reflektieren. Gegenstand einer unternehmensinternen Selektion können betriebliche Subeinheiten, einzelne Mitarbeiter, aber auch deren Verhaltensweisen, beiters mit den falschen Normen führen, d.h. zu seinem Ausscheiden aus der Unternehmung. Die Vertreter passender Normen verbleiben dagegen im Unternehmen und erlangen umso eher die Herrschaft über andere, je besser ihre Handlungs- und Denkweisen in das bestehende System passen. Dass mit den Mitarbeitern auch bestimmte Normen systematisch bevorzugt und andere selektiert werden, kann unbewusst bleiben. Die Mitarbeiter können aber auch ihrerseits die Normen selektieren, welche sie als „unpassend” erleben. Sie passen sich der Umwelt an, um nicht selektiert, d.h. entlassen, zu werden. Es ist wichtig, über diese Selektionsmechanismen nachzudenken, weil nur jene Varianten im Unternehmen überleben, die in die Unternehmung passen. Es kann daher passieren, dass neue Ideen, Verfahrensweisen und auch neue Mitarbeiter im Unternehmen scheitern und damit ein geplanter Wandlungsprozess versandet. Andererseits kann sich die Unternehmung von selbst und unbemerkt in eine bestimmte (unerwünschte) Richtung weiterentwickeln. Eine „richtige” Ideen und Normen sein. Unpassende Normen können zur Selektion des Mitar- <?page no="531"?> 506 · Kapitel 15: Formen und Management des Wandels Selektion gelingt im Unternehmen nicht naturwüchsig. Im sozialen Kontext hat der Mensch eine Verantwortung dafür, welche der Varianten eine „Überlebenschance” hat. Auch die Retention, also die Bewahrung erfolgreicher Varianten, muss im Unternehmen gemanagt werden. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter, Aufbewahrung von Akten und Dokumenten, interne Schulung und Weiterbildung, Schaffung systemspezifischer Sprachen, Denkweisen und Überzeugungen zählt Dyllick ([Instabilität] 320) zu den Übertragungs- und Bewahrungsmechanismen sozialer Systeme. Erst mit der Bewahrung des Bewährten ist Fortschritt möglich und auch diese Retention ist der Handlungsverantwortung der Menschen im Unternehmen anheim gestellt. Evolution im sozialen Kontext stellt sich somit als zu lenkende Evolution dar. Varianten werden gezielt erzeugt, Selektion wird rational reflektiert, das Bewahrenswerte wird bewusst weitergegeben. Der Evolutionsprozess changiert im sozialen Kontext zum Lernprozess. Aus der Variation wird der Versuch, aus der Selektion der Irrtum, aus der Retention das Erfahrungswissen. 3.2 Gestaltung des Lernkontextes In jedem Unternehmen finden ständig Lernprozesse statt und zwar nicht nur explizit durch die Ausbildung und Weiterbildung der Mitarbeiter, sondern auch unbemerkt. Im Unternehmen bildet sich eine Wissensbasis, in welcher Fakten, Regeln, Standards, Routinen, Theorien und Rezepte abgelegt sind, die das Verhalten der Organisationsmitglieder steuern. Lernen und Wandel können in zweifacher Weise verknüpft werden: • Das bisher Erlernte kann Wandel behindern. Wandel ist nur möglich, wenn bisheriges Wissen, geltende Routinen und Standards in Frage gestellt und „verlernt” werden. • Organisatorischer Wandel kann nur gelingen, wenn auch die Wissensbasis in gewünschter Weise angepasst werden kann, d.h. wenn das Richtige neu gelernt wird. Eine Gestaltung des Lernkontextes zielt demnach auf zwei Wirkungen: (1) Der Hang zum Konservatismus sollte erkannt und bekämpft werden. Neues Wissen kann der Unternehmung von außen zugeführt werden, etwa durch die Imitation anderer Organisationen, durch die Einstellung von Spezialisten und den Kauf von Know how, durch die Kooperation mit Konkurrenten, Lieferanten und Kunden. Im Unternehmen sollte eine Kul- <?page no="532"?> Management des ungeplanten Wandels · 507 tur herrschen, die Experimente und auch Fehler erlaubt, den Informationsaustausch zwischen den Mitarbeitern fördert und Vertrauen in die Mitarbeiter setzt. Als strukturelle Maßnahmen können bspw. die Zusammenarbeit in crossfunktionalen Teams und job rotation dazu führen, gewohnte Abläufe und Denkweisen in Frage zu stellen. (2) Will man erreichen, dass das „Richtige” gelernt wird, dann ist v.a. zu fragen, was die Unternehmung bisher (unbewusst) „lehrt”. Damit gewinnt man zugleich Anhaltspunkte für eine Gestaltung des Lernkontextes. Wenn sich passendes „Wissen” (Regeln, Routinen, Theorien etc.) im Unternehmen einstellen soll, dann muss die Befolgung der erwünschten Normen für die Mitarbeiter vorteilhaft werden. In vielen Unternehmen wird zwar in den Unternehmensrichtlinien ein Katalog solcher Verhaltensregeln aufgestellt, tatsächlich honoriert wird aber ein ganz anderes Verhalten. Solange das Anreiz- und Motivationssystem und das Vorbild der Führungskräfte nicht zur offiziellen Handlungstheorie der Unternehmung passen, wird sich immer wieder von selbst ein unerwünschtes Verhalten entwickeln. <?page no="533"?> 508 · Fragen zur Wiederholung und zur Vertiefung Fragen zur Wiederholung 1. Was versteht man unter einer Reorganisation? (1.1.1) 2. Was versteht man unter Organisationsentwicklung? (1.1.2) 3. Anhand welcher Referenzmodelle kann der ungeplante Wandel beschrieben werden? (1.2) 4. Nennen Sie die wichtigsten Auslöser für Reorganisationen. (2.2) 5. Welche Aufgaben fallen in der Projektplanungsphase an? (2.3.3) 6. Unterscheiden Sie die Macht- und die Partizipationsstrategie im Veränderungsprozess. (2.3.4) 7. Was macht die Wirkungskontrolle bei Reorganisationsprojekten so schwierig? (2.3.5) 8. Beschreiben Sie die unternehmensinternen Wandlungshindernisse. (2.4.2) 9. Wie kann man die Evolution eines Systems lenken? (3) Fragen zur Vertiefung 1. Im Hinblick auf den organisationalen Wandel wird gesagt, dass schlechte Geschäftsergebnisse Segen und Fluch zugleich seien. Was steckt hinter dieser These? 2. In einigen Unternehmen wird die Reorganisation als Stabsaufgabe angesehen. Was ist daran problematisch? 3. Jede wirkliche Transformation braucht viel Zeit. Was kann man tun, um auf diesem langen Weg zu kontrollieren, ob man Fortschritte erzielt? <?page no="534"?> Fragen zur Vertiefung und Literaturempfehlungen · 509 4. Die Mitarbeiter lernen im Unternehmen häufig „heimliche Spielregeln”, die sich als kontraproduktiv im Hinblick auf das Unternehmensziel erweisen. Überlegen Sie Beispiele für solche Spielregeln. Kann man die Spielregeln ändern? Literaturempfehlungen Bea, F.X., Scheurer, S., Hesselmann, S.: Projektmanagement, Stuttgart 2008. Cummings, T.G., Worley, C.G.: Organizational development and change, 6. A., St. Paul 1997. Doppler, K., Lauterburg, C.: Change Management, 10. A., Frankfurt a.M. 2002. Krüger, W.: Organisation, in: Bea, F.X., Friedl, B., Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 2: Führung, 9. A., Stuttgart 2005, S. 140-234. Probst, G. J. B.: Organisation, Strukturen, Lenkungsinstrumente, Entwicklungsperspektiven, Landsberg/ Lech 1992. Schreyögg, G.: Organisation, 5. A., Wiesbaden 2008. <?page no="536"?> Zusammenfassung und Ausblick Organisation im prozessorientierten Sinne ist eine Managementaufgabe, welche die Gestaltung und Lenkung und Entwicklung sozialer Systeme - hier insbesondere Unternehmen - umfasst. Durch Organisation sollen die Grenzen der Unternehmung bestimmt, Macht verteilt und gesichert, die Organisationsmitglieder diszipliniert und motiviert, Selbstorganisation kanalisiert, Aufgaben verteilt und koordiniert und die Entwicklungsfähigkeit des Systems gesichert werden. Die durch Organisation entstehende Aufbau- und Ablaufstruktur soll zum strategischen Erfolgsfaktor werden, d.h. zum effektiven Instrument der Sicherung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung in einem zunehmend anspruchsvollen und dynamischen Markt. Sie soll bspw. den Effektivitätskriterien der effizienten Ressourcennutzung, der Flexibilität und der Marktnähe genügen. Dabei ist zu beachten, dass die Organisation als Institution nicht nur aus den „Spielregeln” besteht, sondern aus realen Menschen mit je eigenen Interessen, Interpretationen und Fähigkeiten. Darauf hat eine effektive Strukturgestaltung ebenso zu achten, wie auf die Eigendynamik komplexer, sozialer Systeme. (Kap. 1, 2, 3 und 4). Idealerweise baut die Gestaltung auf gesicherten organisationstheoretischen Erkenntnissen auf. Ein Organisationsgestalter weiß, wie Ordnung in sozialen Systemen entsteht und welche Verhaltenswirkungen Strukturierungsmaßnahmen hervorrufen. Da die Theorie das Fundament für die Gestaltung liefern soll, wurden die organisationstheoretischen Ansätze ausführlich dargestellt. Dabei wurde klar, dass keiner der Ansätze für sich in Anspruch nehmen kann, der einzig richtige zu sein, dass vielmehr alle Ansätze für bestimmte Gestaltungsfragen nützlich sind. (Kap. 5, 6 und 7) Dieser Zusammenhang von Theorie und Gestaltung wurde im dritten Teil dieses Buches wieder aufgegriffen, wobei allerdings die Fragen der praktischen Gestaltung in den Vordergrund traten. Es wurde dargestellt, was Organisieren als Prozess genau bedeutet (Kap. 8), welche Organisationseinheiten sich aus diesem Prozess ergeben (Kap. 9) und wie die Organisationseinheiten zur Aufbauorganisation zusammengefügt werden können (Kap. 10). Während die Aufbauorganisation die (relativ) stabile Struktur repräsentiert, beschäftigt sich die Ablauforganisation mit den konkreten (Arbeits-)Prozessen, die in dieser Struktur in Raum und Zeit ablaufen. Diese Prozesse sind ebenfalls zu organisieren, so dass jedes Organisationsmitglied weiß, wer, wann und wo was zu tun hat. Traditionell folgt die Ablauforganisation der Aufbauorganisation und ist dann als „Arbeitsorganisation” zu verstehen. Die Abläufe im Unternehmen <?page no="537"?> 512 · Zusammenfassung und Ausblick können aber auch zur Basis der Aufbauorganisation gemacht werden. Dies ist der Grundgedanke einer Ablauforganisation, die als „Prozessorganisation” verstanden wird und in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat (Kap. 11). Die aufgezeigten Organisationsmöglichkeiten wurden von der Praxis in konkrete Organisationsmodelle umgesetzt. Obwohl letztlich jede Unternehmung ihre spezifische Organisation hat, können nach den Merkmalen Spezialisierung, Delegation und Koordination vereinfachend bestimmte Grundtypen unterschieden werden, die als „traditionelle” Organisationsmodelle bezeichnet wurden (Kap. 12). Diese Grundmodelle haben nach wie vor ihre Gültigkeit. In den Einzelheiten der Organisationsgestaltung hat sich allerdings in den letzten Jahren eine deutliche Neuausrichtung ergeben. Die in Raum und Zeit ablaufenden Prozesse werden schon bei der Aufbauorganisation beachtet, Gruppenarbeit gewinnt an Bedeutung, den Organisationsmitgliedern wird mehr Autonomie zugestanden, die Unternehmen kooperieren stärker mit Konkurrenten und Lieferanten, die Lernprozesse sollen gelenkt und forciert werden und die gesellschaftliche Forderung nach mehr sozialer Verantwortung der Unternehmen schlägt sich auch in den Strukturen nieder (Kap. 13). Wenn heute andere Strukturen für effektiv gehalten werden als früher, dann bedeutet das für die Unternehmung einen Bedarf an organisationalem Wandel. Der Wandlungsbedarf der Organisation ergibt sich aus ihrem instrumentalen Charakter. Soll die Struktur ein strategischer Erfolgsfaktor sein, muss sie nach der Fit-Hypothese des strategischen Managements mit den externen und internen Bedingungen abgestimmt werden. Jeder gravierende Wandel in diesen Bedingungen erzeugt auch einen Bedarf an Strukturwandel, so wie auch jeder größere strukturelle Wandel die Anpassung anderer Managementsubsysteme erforderlich macht (Kap. 14). Idealtypisch kann der organisationale Wandel als Reorganisationsprojekt planvoll abgewickelt werden. Es gibt allerdings auch andere Formen des Wandels, insbesondere ungeplante Prozesse, die den gezielten Wandel behindern können. Soweit dies möglich ist, sollen auch die ungeplanten Prozesse in gewünschter Weise kanalisiert werden (Kap. 15). Wie die Ausführungen in diesem Buch gezeigt haben, ist „Organisation” ein Thema, welches in Theorie und Praxis ständig in der Entwicklung ist. Wie diese Entwicklung in der Zukunft weitergehen wird, kann nur vermutet werden. Für die Organisationsforschung lassen sich folgende Trends feststellen: • Die Organisationsforschung sucht erneut die Nähe zu den Naturwissenschaften. In den älteren Ansätzen war es allerdings die Physik, auf die Be- <?page no="538"?> Zusammenfassung und Ausblick · 513 zug genommen wurde, während es heute v.a. die Biologie ist. „Evolution” und „Autopoiese” von Systemen sind solche aus der Biologie entliehene Vorstellungen. • Die Verbindung zur Soziologie wird verstärkt. Ortmann/ Sydow/ Türk ([Theorien]) untertiteln ihre Bestandsaufnahme der Theorien der Organisation von 1997 bspw. mit „Die Rückkehr der Gesellschaft”. Die Theorie der Strukturierung des Soziologen Anthony Giddens und die Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann wurden in den vergangenen Jahren verstärkt von der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung berücksichtigt. Auch die Überlegungen des Soziologen Max Weber zur Legitimation von Herrschaft erleben im sog. Institutionalismus eine gewisse Renaissance. • Die subjektivistische Erkenntnistheorie gewinnt gegenüber der objektivistischen an Boden. Es wird zunehmend akzeptiert, dass die Wirklichkeit zumindest teilweise von den Individuen konstruiert wird. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Organisationsmitglieder und ihre Interpretationen, sondern auch für die Organisationsforscher, die die Organisationswirklichkeit immer unter einem bestimmten Blickwinkel wahrnehmen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der postmodernen Organisationstheorie (vgl. Schreyögg [Organisationstheorie] 1082ff.). • Besonders die „Neue Institutionenökonomik” will die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung wieder stärker als (rein) ökonomische Disziplin etablieren. Die rationale Wahl einer Organisationsform erfolgt nach Entscheidungskriterien wie „Minimierung der Transaktionskosten” oder „Minimierung der Agency Costs”. Darin kann eine Abwendung von einer eher soziologisch orientierten Forschung gesehen werden. Andererseits wird neuerdings auch erkannt, dass die Institutionenökonomik durchaus aufnahmefähig ist für soziologische Überlegungen und davon profitieren kann. • Die Gestaltung der Organisation wird zunehmend als Teil eines umfassenden strategischen Managements aufgefasst. Der praktische Abstimmungsbedarf zwischen der Struktur und den anderen Führungssubsystemen hat auch den Blickwinkel der Forscher erweitert, so dass heute unter dem Thema auch Fragen behandelt werden, die zuvor eher in Bereichen wie „Strategische Planung”, „Personalwirtschaft”, „Personalführung”, „Entrepreneurship”, „Controlling” oder „Unternehmenskommunikation” abgehandelt wurden. Dieses engere Zusammenwirken verschiedener Disziplinen kommt eindrücklich im Titel des neuen einschlägigen Handwörterbuchs zum Ausdruck, nämlich „Unternehmensführung und Organisati- <?page no="539"?> 514 · Zusammenfassung und Ausblick on” (vgl. Schreyögg, G., v. Werder, A. (Hrsg): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4. A., Stuttgart 2004). Was die Gestaltung der Organisationsmodelle in der Praxis betrifft, zeichnen sich die folgenden Entwicklungen ab: • Die Grenzziehung zwischen Unternehmen und Umwelt wird immer unschärfer. Die Beziehungen zwischen einer Unternehmenssparte und ihren wichtigsten Lieferanten sind möglicherweise enger und vertrauensvoller als die der Unternehmenssparten untereinander. Konkurrenten arbeiten auf ausgewählten Gebieten eng zusammen. Aus festen Mitarbeitern werden freie Mitarbeiter, deren Leistung man bei Bedarf einkauft. Im Extremfall wird die Unternehmung zum permanent veränderlichen, virtuellen Netzwerk auf Zeit. Ob diese Kombination der institutionellen Arrangements „Markt” und „Hierarchie” auf die Dauer gelingt, muss die Erfahrung zeigen. • Die Unternehmen experimentieren mit neuen Formen der Arbeitsorganisation wie Prozessorganisation, Teamorganisation und Selbstorganisation. Die Erfahrungen sind uneinheitlich. Es werden deutliche Verbesserungen der Effektivität beobachtet, aber auch von Fehlschlägen wird berichtet. Ob die Fehlschläge auf Schwächen der Modelle zurückzuführen sind oder ob der Prozess des Wandels nicht gelungen ist, kann nur die Organisationsforschung erweisen. • Die Aktivitäten der Unternehmen beschränken sich häufig nicht mehr auf den einheimischen Markt. Die Entwicklung Europas zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum hat grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse gefördert, die entsprechend organisiert werden müssen. Die Organisation internationaler Konzerne unter Beachtung von supranationalem Recht wird in Zukunft ein wichtiges Thema. • Die vielen Reorganisationsprojekte der letzten Jahren haben in der Praxis auch die Erkenntnis reifen lassen, dass ein Strukturwandel alles andere als einfach ist. Das hat mehr Offenheit für systemisch-evolutionäre Konzepte des Gestaltens erzeugt. • Vor allem durch die Finanzkrise sind die Unternehmen und die Manager erheblich in die Kritik geraten. Politik und Zivilgesellschaft fordern eine stärkere Berücksichtigung der Interessen aller von der Unternehmensführung betroffenen Gruppen und eine nachhaltigere, verantwortungsbewusstere Wertschöpfung. Die Unternehmen reagieren darauf verstärkt mit der Einrichtung von Strukturen, welche kriminelle und unfaire Praktiken verhindern sollen (Compliance) sowie die Verantwortungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter stärken sollen (Integrity). <?page no="540"?> Literaturverzeichnis Albert, H.: [Modell-Platonismus], in: H. Albert und F. Kassenberg (Hrsg.): Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung, Berlin 1963, S. 45-76. Alchian, A. A.: Some Economics of [Property], Santa Monica, CA., 1961. Alchian, A. 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Akkord 337 Aktiengesellschaft, Organe der 281ff. Aktionseinheiten, s. Organisationseinheiten 263ff. Aktionsträger 277f. Allianz, strategische 432 Analogieschluss 194 analytisch-deduktive Methode 40ff. Anreiz-Beitrags-Theorie 85 Anreize 137ff., 148f. Anreizsysteme 148f. Ansätze der Organisationstheorie 51f., 55ff. - Bürokratieansatz 57ff. entscheidungslogischer Ansatz 117ff. entscheidungsprozessorientierter Ansatz 122ff. entscheidungstheoretischer Ansatz 113ff. evolutionstheoretischer Ansatz 158ff. - Human-Relations-Ansatz 77ff. institutionenökonomischer Ansatz 131ff. interpretativer Ansatz 172ff. situativer Ansatz 96ff. - Selbstorganisationsansatz 184ff. - Strukturationsansatz 197ff. strukturtechnischer Ansatz 87ff. - Systematik 55f. tayloristischer Ansatz 68ff. Arbeit, Humanisierung der 291 Arbeitsgang 335ff. Arbeitsgruppe, teilautonome 410f. Arbeitsorganisation 258ff., 333ff. - Arbeitsanalyse 258, 334ff. - Arbeitssynthese 258f. Arbeitspensum 337 Arbeitsplatzbeschreibung 256 Arbeitsteilung 289ff., s. auch Spezialisierung Arbeitswissenschaftlicher Ansatz 74 Arbeitszufriedenheit 84f. Assessment Center 76 Astongruppe 97 Asynchronisation 351 <?page no="568"?> Stichwortverzeichnis · 543 Aufbauorganisation 248ff., 288ff. der internationalen Unternehmung 473ff. Aufgabe 248ff. - Elementaraufgabe 253 - Merkmale der 248ff., 276ff. Aufgabenanalyse 89f., 249ff. Aufgabengliederungsplan 253 Aufgabensynthese 90, 254ff. Aufgabenträger 92 Aufgabenverteilung 90f., 256ff. Aufsichtsrat 282 Ausführungsstelle 266 Ausschuss 271f. automatisierte Fertigung 344ff. Autonomie 399 Autopoiese 400 Autorität 302 B Balanced Scorecard 15ff. Balkendiagramm 339 Bearbeitungszentren 346 Bedürfniskonzept 318ff. Befragung 27 begrenzte Rationalität 125, 133, 192 Begriff der Organisation 2ff. Beleuchtungsexperimente 79 Beobachtung 27, 83 Beschwerdestelle 442 Betriebswirtschaftliche Organisationslehre 94 Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) 463 Board-System 282 Bonding Costs 149 Büroarbeit 347ff. Bürokratie - Begriff der 59f. - Gefahren der 61f. - Strukturtyp der 67 - Vorteile der 60f. Bürokratieansatz 57ff. Büroorganisation 347ff. Business Reengineering 408ff. C case team 355 Center-Konzepte 367ff. Change Agent 495 Change Management 487f. Charisma 59 Clanmechanismus 307 Community of Practice 274 Complex man 82, 106 Compliance 403, 438ff. Compliance Officer 443 Compliance-Stellen 440ff. Computergestütztes Planungs- und Steuerungssystem 341ff. consumption on the job 147 Controlling 496 Corporate Governance 284, 462 Corporate Governance Kodex 285, 463 Corporate Social Responsibility (CSR) 403ff., 438 Cost Center 367 CPM-Netzplan 339ff. D Darwin, Charles 161f. Deduktion 40ff. <?page no="569"?> 544 · Stichwortverzeichnis Delegation 293ff. - Vorteile und Nachteile der 296f. Delegationswertkonzept 121f. Dezentralisation 293f., 367f., 381ff. Dienstleistungsstelle 268 Dienstweg 60, 299 Disposition 3 Diversifikationsstrategie 472 Division 364 Divisionale Organisation 364ff., 472 - Vorteile und Nachteile der 370f. Divisionalized Form 315f. Durchlaufterminierung 338ff. Dynamisierung 400f. E economies of scale 290 Effektivität 15ff. Effektivitätskriterien 11ff. Effizienz 12 Eigentümerkontrolle 154 Eigentumsrechte 137 eindimensionales Organisationsmodell 360 Einfachunterstellung 300, 362 Einfluss-Projektorganisation, s. Stabs-Projektorganisation Einheit der Auftragserteilung (Fayol) 299 Einliniensystem 299, 362 Elementaraufgabe 253 empirische Organisationsforschung 106ff. Empowerment 398ff. Entgrenzung 401ff. Entscheidungen - Objektentscheidungen 117f. - Organisationsentscheidungen 117f. - Primärdeterminanten von 118 - Sekundärdeterminanten von 119f. entscheidungstheoretischer Ansatz 113ff. entscheidungslogischer Ansatz 117ff. entscheidungsprozessorientierter Ansatz 122ff. Entscheidungsunterstützungssysteme 341ff. Erfolgsziel 246 Ergebnisverantwortung 367ff. Ethic Officers 443 Ethik-Gesprächskreis 445 Ethik-Kommission 444 Ethik 403ff. Evolution 161ff., 488f., 505f. evolutionäres Management 504ff. evolutionstheoretischer Ansatz 158ff. Experiment 74, 82 Exportabteilung 473 F Fachpromotor 499 Faktorspezifität 141 Falsifikation 44, 49 Fayol’sche Brücke 299 Fertigung, automatisierte 344ff. Fertigungsinseln 346f., 415, s. auch Inselfertigung Fertigungssysteme, flexible 346 Fertigungstechnologie 476ff. Fertigungstypen 344ff. <?page no="570"?> Stichwortverzeichnis · 545 Fertigungszellen, flexible 346 Finanz-Holding-Struktur 374 Fit-Hypothese 111, 452ff. - Intra-System-Fit 454 - System-Umwelt-Fit 454 Flexibilität 14, 332, 456 flexible Fertigungssysteme 346f. flexible Fertigungszellen 346 Fließfertigung 344ff. - Vorteile und Nachteile der 344ff. formale Organisation 4, 78 fraktale Fabrik 416 Franchising 428ff. Free rider 149, 438 Fremdkoordination 297ff. fringe benefits (Lohnnebenleistungen) 147 Führungsinstrument 5 Führungseigenschaften 265 Führungsorganisation 280 Führungsrichtlinien 190 Funktionale Organisation 360ff. - Vorteile und Nachteile der 363f. Funktionsmeisterprinzip 71, 300 G Gangfolge 337 Gantt-Diagramm 339 Geschäftsbereichsorganisation 364ff., s. auch Divisionale Organisation Gesellschaft 458f. Globalisierung 473ff. GmbH 283f. Gremium 271 Grenzen der Unternehmung 401ff. Gruppe 273ff., 346, s. auch Team formelle u. informelle 274 Gruppenarbeit 397 - Formen der 410ff. - Vorteile und Nachteile der 398, 414 Gruppenfertigung 346ff. H Hauptabteilung 269f. Hauptversammlung 282f. Hawthorne-Studien 77f., 79ff. heimliche Spielregeln 84, 190, 418f. Hermeneutik 35ff. hermeneutischer Zirkel 38 Herrschaft - Formen der 59 hidden action 147 hidden characteristics 146 hidden information 147 hidden intention 147 Hierarchie 140ff., 292 - Nachteile der 144 - Vorteile der 143 hierarchischer Organisationsaufbau 266, 294, 299 flache Hierarchie 294 Holding 372ff. - Arten der 373f. - Begriff der 373 - Finanz- 374 - Koordination in der 375f. - Management- 374 - Vorteile und Nachteile der 376f. Hold up (Überfall) 147 horizontale Kooperationen 431ff. hub firm 436 Human-Relations-Ansatz 77ff. <?page no="571"?> 546 · Stichwortverzeichnis Humanisierung des Arbeitsplatzes 291 Human-Ressourcen-Ansatz 86 Hypothese 45ff. Hypothesenbildung 45ff. Hypothesenprüfung 47f. hypothetisch-deduktive Methode 43ff. I Idealtypen 63ff., 110f. Improvisation 21 Induktion 42 influence costs 156, 371 informale Organisation 4, 78, 81, 84 Informations- und Kommunikationstechnologie 350ff., 478ff. Informationsasymmetrie 147 Informationsverkeilung 142 inkrementale Planung 486 Innovationsbereitschaft 13 Innovationsfähigkeit 458 Inselfertigung 346f., 415 Instanz 265f. - Pluralinstanz 266 - Singularinstanz 266 Instanzenzug 60, 264, 266 Institution 133 - Merkmale der 5f. Institutionalismus 112 institutioneller Organisationsbegriff 5f. institutionenökonomischer Ansatz 131ff. instrumenteller Organisationsbegriff 5f. Integrity-Strukturen 438ff. internationale Division 473 internationale Organisation 473ff. Internationalisierungsstrategie 473ff. interpretativer Ansatz 172ff. Interview 83 Investment Center 367 J Job Enlargement 255, 346 Job Enrichment 255, 346 Job Rotation 346, 411 Joint Venture 432, 434 K Kaizen 395 Kamineffekt 363 Kapazitätsplanung 338ff. Kapitalgesellschaften 281ff. Kernkompetenz 170f. Key-Account-Management 384f. Kollegium 271, s. auch Ausschuss Kommunikation 350ff. Kompetenzen 162, 170f., 263 Komplexität 229f. Konfiguration 311ff. Konfiguration nach Mintzberg 312ff. - Grundbausteine 312f. - Konfigurationstypen 313f. Konflikte in Organisationen 128f., 381 Konfliktmanagement 128f. Kongruenzprinzip 295 Konstruktivismus 173, 232f. Kontextfaktor 100 Kontingenzansatz 97 KonTraG 283 <?page no="572"?> Stichwortverzeichnis · 547 Kontrolle der Unternehmensleitung 153f. Kontrollspanne 271 Konzernorganisation 372 Kooperationen 423ff. horizontale 431ff. laterale 433f. vertikale 425ff. Koordination 20, 297ff. - Fremdkoordination 297ff. - Selbstkoordination 297, 304ff. in der Holding 375f. in der Matrix 380f. Koordinationsinstrumente 297ff. Korrelationsanalyse 48 kritischer Pfad im Netzplan 340 kritischer Rationalismus 43 Kultur als Koordinationsinstrument 307ff. Kultur der Organisation 181f., 307, 479ff., s. auch Unternehmenskultur Kulturmanagement 309, 479ff. Kundenorientierung 14, 457f. L Längsschnittsanalyse 48 Leistungsziel 246 Leitbilder 190 Leitungsbefugnis disziplinarisch 265, 300 fachlich 265, 300 Leitungshilfsstelle, s. Stabsstelle Leitungsspanne 271, 289 Leitungssystem 299ff. Leitungstiefe 289 Lenkpreise 306 lernende Organisation 420ff. Lernprozesse in Organisationen 420ff., 506 Lernstatt-Konzept 412 Lieferverträge, langfristige 427f. Likerts System 413f. Liniensystem 299ff. linking pin 414 lock-in-Effekt (restriktive Bindung des Vertragspartners) 141f. Lücke, org., siehe organizational slack M Machine Bureaucracy 314 Machtpromotor 499 Machtstrategie 498 Management, strategisches 470ff., 513 Management by Objectives (MbO) 304, 320f. Management by Projects 413 Management der Organisation 25ff. Management-Holding-Struktur 374 Markt oder Hierarchie 150ff. Marktorientierung, Marktnähe 14, 456ff. Markttransaktion 140 Marktversagen 430 Märkte als Koordinationsinstrument 306f. Matrixorganisation 378ff. - Vorteile und Nachteile der 381f. Matrix-Projektorganisation 385f., 495 mehrdimensionale Organisationsmodelle 360, 378ff. <?page no="573"?> 548 · Stichwortverzeichnis Mehrfachunterstellung 300, 362 Mehrliniensystem 300f., 369, 380f. Menschenbild 46 des Bürokratieansatzes 62f. des entscheidungstheoretischen Ansatzes 125ff. des evolutionstheoretischen Ansatzes 164f. des Human-Relations-Ansatzes 82f. des institutionenökonomischen Ansatzes 150f. des interpretativen Ansatzes 176f. des Selbstorganisationsansatzes 192f. des situativen Ansatzes 105f. des Strukturationsansatzes 206ff. des strukturtechnischen Ansatzes 92 des tayloristischen Ansatzes 73f. Metapher 56 Methoden der Organisationsforschung 33ff. Microsoft Office Systems 351 Mintzbergs Konfigurationen 313ff. Mitbestimmung der Arbeitnehmer 154, 281ff. Modellanalyse 40ff. Monitoring costs 149 moral hazard 147 Motivation 317ff., 331f. extrinsische, intrinsische 326 Motivationstheorien 318ff. - Anreiz- und Kontrollkonzept 318ff. - Bedürfniskonzept 318ff. Motivationsziele 317f. N Nachhaltigkeit 514 Netzplantechnik 339ff. Netzwerke 426ff. regionale 429f. strategische 428 Netzwerkorganisation 426, 430f. Nonprofit-Organisation 10, 467f. Normen 189ff. Nutzwertanalyse 29, 497 O Objektorganisation 364 Objektprinzip 365f. Ombudsmann 442 Operationalisierung 48, 107 Opportunismus 133, 142, 150 Ordnung 187ff. Organigramm 288 Organisation - Aufgaben der 20ff. - Begriff der 2ff. - Definition 7 der Reorganisation 494ff. - Divisionale 364ff., 472 formale 4, 78 - Funktionale 360ff. informale 4, 78, 81, 84 internationale 473ff. lernende 420ff. - Management der 25ff. - Techniken der 26f. - Virtuelle 434ff. - Ziele der 10ff. organisationales Lernen 130ff., 420ff. organisationale Trägheit 162, 501ff. <?page no="574"?> Stichwortverzeichnis · 549 Organisationsbegriff 2ff. institutioneller 5f. instrumenteller 5f. prozessorientierter 3ff. Organisationsberater 495 Organisationscontrolling 26, 496f. Organisationseinheiten 263ff. - Arten von 263f. - Kriterien für die Bildung von 276ff. Organisationsentwicklung 486ff. Organisationsformen, s. Organisationsmodelle Organisationsforschung 33ff., 106ff. Organisationsgestaltung 245ff. Organisationshandbuch 25, 247 Organisationskultur, s. Kultur der Organisation Organisationsmodelle eindimensionale 360 mehrdimensionale 360, 378ff. neue 393ff. traditionelle 359ff. Organisationsmoden 393f. Organisationsprinzipien 75 Organisationstechniken 26f. Organisationstheorie 32ff., 227f. - Ansätze der 55ff. - Aufgaben der 32ff. - Methoden der 33ff. postmoderne 513 Organisationstypen der Fertigung 344ff. Organisator - Aufgabenbereich 20ff. organisatorischer Wandel 400, 484ff. organizational slack 129, 457 Outputstandardisierung 304 Outsourcing 354 P Parallelorganisation 312 Partizipation 294, 498 Pensum, s. Arbeitspensum personale Zuordung 258, 349 Personengesellschaften 280f. persönliche Weisung 299ff. Pfad, kritischer 340 Pläne als Koordinationsinstrument 303f. Planung, inkrementale 486 Pluralinstanz 266 Popper-Kriterium 49 Population-Ecology-Ansatz 159, 162ff. - Begriff der Population 160f. - Abgrenzung von Populationen 166 populationsspezifische Hypothesen 167 Positivismus 233f. Preismechanismus 306 Pretiale Wirtschaftslenkung 306 Primärorganisation 312, 383 Principal-Agent-Ansatz 145ff. Prinzipal 145f. Prioritätsregeln bei der Terminplanung 341 process owner 355 Produktionsplanungs- und Steuerungssystem PPS 342 Produktmanagement 384 Professional Bureaucracy 315 Professionalisierung als Koordinationsinstrument 310f. Profit Center 367f. <?page no="575"?> 550 · Stichwortverzeichnis Programme als Koordinationsinstrument 303 Projekt 385ff., 495ff. Projektgruppen 412f. Projektmanagement 385ff. Projektorganisation 385ff., 495ff. - Matrix-Projektorganisation 385f. - Reine Projektorganisation 386f., 495 - Stabs-Projektorganisation 385f., 494 Projektphasen 495ff. Promotorenmodell 499 Property-Rights-Ansatz 136ff. Prozess 395ff. prozessorientierter Organisationsbegriff 3ff. Prozessorganisation 352ff., 395ff., 406ff. - Vorteile der 407f. - Phasenmodell der 408f. Prozessverantwortung 355 Public Interest Director 443 Public Management 468 Q Qualitätszirkel 274, 411 Querschnittsanalyse 48, 106 Quersubventionierung 377 R Rang 250 Rationalität, begrenzte 125, 133, 192 räumliche Anordnung 259, 342ff. rechtliche Regelungen für die Organisation 279ff., 460ff. Redundanz 457 REFA-Verfahren 75 Regeln 64f., 133f. Regionalorganisation 365 Reihenfolgeplanung 337f. Reine Projektorganisation 386f., 495 Relevanzprinzip 295 Reliabilität 48 Reorganisation 485, 493ff. - Auslöser für 493f. - Organisation der 494ff. Residual Loss 149 Resource Based View 171, 430 Ressortegoismus 363 Ressourceneffizienz 330ff. Revenue Center 367 Rückwärtsterminierung 340 S Schnittstellenproblem 255, 396, 406 scientific management 72, 75 Sekundärorganisation 312, 383ff. - Begriff der 383 - Formen der 384ff. Selbstabstimmung 304f. Selbstkoordination 304ff. Selbstorganisation 185ff., 415ff. autogene 186, 187f., 417ff. autonome 186, 187f., 415ff. - Organisation der 191, 195f., 415ff. Selbstorganisationsansatz 184ff. Shareholder Value 10f., 462f., 465f. Shirking (Drückebergerei) 138, 147 Simple Structure 314 Singularinstanz 266 <?page no="576"?> Stichwortverzeichnis · 551 Situationsvariable 453 situativer Ansatz 96ff. erweitertes Grundmodell 103 - Grundmodell 101 monovariater Ansatz 101 multivariater Ansatz 101 pragmatisches Modell 102f. slack, s. organizational slack Sozialisation 177 Soziologie 58 soziotechnischer Strukturtyp 86 span of control 271 Spartenegoismus 371 Spartenorganisation 364ff., s. auch Divisionale Organisation Spezialisierung 254ff., 289ff. - Grad der 290f. - Objektspezialisierung 291f. - Rangspezialisierung 291f. - Verrichtungsspezialisierung 291f. spin off 432 Stabliniensystem 301f. Stabs-Projektorganisation 385f., 494 Stabsstelle 266f., 301f. Staff 265, 266 Stakeholder 10f., 14 Stammhauskonzern 372 Standardisierung 303 Stelle 256, 263ff. Stellenbeschreibung 256 Stellenbildung ad personam 277 ad rem 277 Stellenmehrheiten 268ff. Stock Options 324 Strategie 470ff. strategische Allianzen 432 strategisches Management 470ff., 513 Strukturanalyse 339 Strukturationsansatz 197ff. Strukturtechnik 20f., 89ff. strukturtechnischer Ansatz 87ff. Subsidiaritätsprinzip 295 Supply Chain Management 395f., 426 Synergie 12f. System überlappender Gruppen nach Likert 413ff. T Task Force 272, 275 Taylorismus 68ff. tayloristischer Ansatz 68ff. - Merkmale des tayloristischen - Systems 68f. Team 273, 397, 410, s. auch Gruppe Teammodelle 410ff. Team-Work-Management 413f. Techniken der Organisation 26f. Technologie 476ff. teilautonome Arbeitsgruppen 410f. Telekooperation 478 Tensororganisation 380 Theorie, s. Organisationstheorie Transaktionskosten 139 Transaktionskosten-Ansatz 139ff. Transaktionsmerkmale 141f. Typen der Organisation 63ff., 110f. <?page no="577"?> 552 · Stichwortverzeichnis U Umwelt 456ff. Unternehmensentwicklung 21ff. Unternehmensethik 403ff. Unternehmenskultur 181f., 307f., 479f., s. auch Kultur der Organisation Unternehmensverantwortung 405 Unternehmensverfassung 153f., 279ff., 462ff., s. auch Corporate Governance Ursache-Wirkungs-Beziehungen 15f., 32ff. V Validität 48 Venture-Team 275, 413 Veränderungsstrategien 497ff. - Machtstrategie 498 - Partizipationsstrategie 498 Verantwortung 265, 368, 399, 403 Verfügungsrechte 136ff. Verhaltensbezug der Organisation 21, 95f., 103 Verhaltensrichtlinien 303 Verhaltensstandardisierung 303 Verrechnungspreise 306 Verrichtung 250ff., 333, 360 Verrichtungsmatrix in sich 379 Verrichtungs-Objektmatrix 379 Verrichtungsorganisation 360ff. Verrichtungsprinzip 361f. Verstehen 35ff. vertikale Kooperationen 425ff. Verträge, relationale 135 Vertrauen 399 Virtuelle Organisation 434ff. Vorstand einer AG 282 Vorwärtsterminierung 340 W Wandel von Organisationen 452ff., 494ff. geplanter 484ff., 491ff. - Hindernisse beim geplanten Wandel 501ff. ungeplanter 488ff., 504 Wandlungsbarrieren 501ff. Wandlungsfähigkeit von Organisationen 452ff. Weber, Max: Bürokratieansatz 57ff. Weisung, persönliche 299ff. Werkstattfertigung 344ff. - Vorteile und Nachteile der 345 Wertewandel 458 Wertkette nach Porter 353 Widerstände 501ff. Wikinomics 435 Wir-Gefühl 398 Wirkungskontrolle einer Reorganisation 499ff. Wissen 420ff. explizites 420 implizites 420 Wissensbasis, organisationale 420 Wissenschaftsverständnis objektivistisches 47, 231ff. subjektivistisches 47, 231ff. Wissenschaftsziele deskriptives Ziel 32, 100f. pragmatisches Ziel 32, 102f. theoretisches Ziel 32f., 101f. Wissensgenerierung 421 Wissensmanagement 421ff. Wissenstransfer 421f. <?page no="578"?> Stichwortverzeichnis · 553 Z Zeitanalyse 339 zeitliche Strukturierung 337ff. Zeltorganisation 195, 416 Zentralabteilung 269, 366, 369 Zentralisation 293f., 362f. Zielbestimmung - Ansätze der 10 - Probleme der 11f. Ziele der Organisation 10f. Zielkonflikte 11 Ziel-Mittel-Beziehung 49f. <?page no="579"?> Stuttgart Franz X. Bea / Jürgen Haas Strategisches Management 5., neu bearbeitete Auflage 2009. XXII/ 631 Seiten, kt. € 27,90 UTB 1458 . Grundwissen der Ökonomik BWL ISBN 978-3-8252-1458-6 Dieses erfolgreiche Buch gibt den aktuellen Stand des Wissens zum Strategischen Management wieder. Behandelt werden folgende Bausteine des Strategischen Managements: · Strategische Planung · Strategische Kontrolle · Organisation · Unternehmenskultur · Information · Strategische Leistungspotentiale Diese Bausteine sind in ein Gesamtkonzept des Strategischen Managements integriert. Ein Quereinstieg und damit das separate Bearbeiten der einzelnen Bausteine des Strategischen Managements sind jedoch ohne weiteres möglich. Behandelt werden u. a. folgende Themen: Shareholder Value, Balanced Scorecard, Wissensmanagement, virtuelle Unternehmung, Netzwerkorganisation, Desinvestitionsstrategien, Going Public, Kennzahlen, Non-Profit-Organisationen, Wertkette, Lebenszyklus, Portfolio, schwache Signale, strategische Kostenrechnung, Business Reengineering, Unternehmenskultur, Outsourcing, Change Management, E- Business, Investor Relations, Kostenführerstrategie, Profit Center, Stock Options, SWOT-Analyse, Kennzahlen, Zeitmanagement, Lernende Organisation, Target Costing. Aktuelle Beispiele aus der Unternehmenspraxis erleichtern das Verständnis. Aus einer Rezension: „... Insgesamt ist es den Autoren gelungen, ein Buch zu verfassen, das für verschiedene Zielgruppen geeignet ist: aufgrund des übersichtlichen und gut strukturierten Aufbaus eignet es sich als handliches Nachschlagewerk für den Wissenschaftler, bietet dem Praktiker prägnante Informationen und unterstützt den Studenten in der Lernphase durch Fragen zur Wiederholung und Vertiefung sowie weiterführende Literaturhinweise.“ <?page no="580"?> Stuttgart Franz X. Bea Steffen Scheurer Sabine Hesselmann Projektmanagement 2008. XXIV/ 732 S., 241 Abb., kt. € 29,90. UTB 2388. Grundwissen der Ökonomik BWL ISBN 978-3-8252-2388-5 Die zentrale Bedeutung des Projektmanagements für die erfolgreiche Führung von Unternehmen wurde in den letzten Jahren immer stärker erkannt. Die Autoren stellen in übersichtlicher Form die Grundlagen, die richtige Projektauswahl, die Instrumente, das Management, das Projektcontrolling und insbesondere den Aspekt der Operationalisierung dar. Die Darstellung folgt den drei Entwicklungsschritten des Projektmanagements: Management von Projekten, Management durch Projekte, Projektorientiertes Unternehmen. Das Management von Projekten befasst sich mit der effizienten Abwicklung einzelner Projekte. Im Mittelpunkt stehen die Projektorganisation, die Projektstrukturplanung, die Ablaufplanung und die Projektkostenplanung. Das Management durch Projekte beschäftigt sich mit dem Multiprojektmanagement und der Frage, wie Projekte zur strategischen Unternehmensentwicklung und zur Wertsteigerung des gesamten Unternehmens beitragen können. In einem Projektorientierten Unternehmen sind Projekte Kern des Geschäftes. Dies verlangt eine konsequente Ausrichtung aller Führungsfunktionen auf das Projektmanagement. Das Buch zeigt fundiert den „State of the Art“ des Projektmanagements auf und setzt zudem innovative Impulse zur Weiterentwicklung des Projektmanagements. Es ist klar strukturiert und verständlich geschrieben. Fragen und Hinweise zu deren Beantwortung erleichtern die Verständniskontrolle. Das Buch ist für Studium und Praxis gleichermaßen geeignet. Aus einer Rezension: „... Den drei Autoren ist eine hochaktuelle und gut strukturierte Einführung in das Projektmanagement gelungen, die sich an fortgeschrittene Studenten sowie an Praktiker richtet. ...“ STUDIUM, Buchmagazin für Studierende. WS 089/ 09 <?page no="581"?> Grundwissen der Ökonomik BWL Herausgegeben von Franz X. Bea und Marcell Schweitzer Stuttgart Bea/ Helm/ Schweitzer BWL-Lexikon 2009. € 34,90 (UTB 8395) Bea/ Schweitzer Allgemeine BWL Band 1: Grundfragen 10. A. 2009. € 21,90 (UTB 1081) Bea/ Schweitzer Allgemeine BWL Band 2: Führung 9. A. 2005. € 23,90 (UTB 1082) Bea/ Schweitzer Allgemeine BWL Band 3: Leistungsprozeß 9. A. 2006. € 22,90 (UTB 1083) Bea/ Haas Strategisches Management 5. A. 2009. € 26,90 (UTB 1458) Bea/ Scheurer/ Hesselmann Projektmanagement 2008. € 29,90 (UTB 2388) Brockhoff Produktpolitik 4. A. 1999. € 7,90 (UTB 1079) Büschgen/ Börner Bankbetriebslehre 4. A. 2003. € 24,90 (UTB 917) Drukarczyk Finanzierung 10. A. 2008. € 29,90 (UTB 1229) Friedl Controlling 2002. € 28,90 (UTB 2117) Friedl Kostenmanagement 2009. € 29,90 (UTB 2706) Göbel Neue Institutionenökonomik 2002. € 21,90 (UTB 2235) Hansen/ Neumann Arbeitsbuch Wirtschaftsinformatik 7. A. 2007. € 23,90 (UTB 1281) Hansen/ Neumann Wirtschaftsinformatik 1 Grundlagen und Anwendungen 10. A. 2009. € 24,90 (UTB 2669) Hansen/ Neumann Wirtschaftsinformatik 2 Informationstechnik 9. A. 2005. € 21,90 (UTB 2670) Heinhold Kosten- und Erfolgsrechnung 4. Aufl. 2007. € 22,90 (UTB 1974) <?page no="582"?> Grundwissen der Ökonomik BWL Herausgegeben von Franz X. Bea und Marcell Schweitzer Stuttgart Helm Marketing 8. A. 2009. € 26,90 (UTB 919) Helm/ Gierl Marketing Arbeitsbuch 4. A. 2005. € 15,90 (UTB 1801) Heyd Internationale Rechnungslegung 2003. € 39,90 (UTB 2451) Klimecki/ Gmür Personalmanagement 3. A. 2005. € 24,90 (UTB 2025) Kuhnle Bilanzen 2004. € 22,90 (UTB 2119) Kuß/ Tomczak Käuferverhalten 4. A. 2007. € 19,90 (UTB 1604) Pechtl Preispolitik 2005. € 24,90 (UTB 2643) Perlitz Internationales Management 5. A. 2004. € 29,90 (UTB 1560) Schünemann Wirtschaftsprivatrecht 5. A. 2006. € 29,90 (UTB 1584) Schwarz/ Gebicke Wörterbuch Wirtschaft für Studium und Praxis Dt.-Russ./ Russ.-Dt. 2004. € 24,90 (UTB 2624) Schweiger/ Schrattenecker Werbung 7. A. 2009. € 29,90 (UTB 1370) Spremann/ Gantenbein Kapitalmärkte 2005. € 18,90 (UTB 2517) Troßmann Investition 1998. € 25,90 (UTB 2013) Troßmann/ Werkmeister Arbeitsbuch Investition 2001. € 16,90 (UTB 2205) Zahn/ Schmid Produktionswirtschaft I Grundlagen und operatives Produktionsmanagement 1996. € 31,90 (UTB 8126) <?page no="583"?> Stuttgart Unternehmenskommunikation Ein Leitfaden Von Claudia Mast mit Beiträgen von Simone Huck und Monika Hubbard 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2008. X/ 497 S., m. 61 Abb., kt. € 26,90. UTB 2308. ISBN 978-3-8252-2308-3 Die Turbulenzen auf den globalisierten Märkten nehmen zu. Unternehmen müssen in der Wahrnehmung der internen und externen Öffentlichkeiten, vor allem in den Medien, ein positives Image aufbauen. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit wichtiger Bezugsgruppen wird unter neuen Bedingungen ausgetragen. Die kommunikationswissenschaftliche Analyse stellt die Besonderheiten des Kommunikationsmanagements von Unternehmen vor. Der Kommunikationsprozess bildet die Grundlage für Profit-Organisationen, aber auch für Management- und Entscheidungsprozesse. Das Buch gibt einen Überblick über die theoretischen Ansätze sowie den Prozess der strategischen Planung und Optimierung von Unternehmenskommunikation und analysiert die Probleme bei der praktischen Umsetzung der Kommunikation. Im Mittelpunkt stehen daher die Stakeholder Mitarbeiter (Interne PR),Kunden (Kunden-PR), Medien (Media Relations), Kapitalgeber (InvestorRelations) und Gesellschaft (Public Affairs). Inhaltsübersicht: Teil I: Theoretische Ansätze und Modelle Kapitel 1: Einführung und Begriffserklärung Kapitel 2: Ausgewählte Theorien der Unternehmenskommunikation Kapitel 3: Wertorientiertes Kommunikationsmanagement Teil II: Planung und Optimierung Kapitel 4: Von der Analyse bis zur Erfolgskontrolle Kapitel 5: Medien und Kommunikationswege Kapitel 6: Kommunikationsnetze Kapitel 7: Kommunikationsform Gerücht Teil III: Umsetzung in der Praxis Kapitel 8: Kommunikation mit den Mitarbeitern Kapitel 9: Kundenkommunikation Kapitel 10: Kommunikation mit Kapitalgebern Kapitel 11: Medien als Multiplikatoren Teil IV: Herausforderungen und Perspektiven Kapitel 12: Vor der Krise - nach der Krise Kapitel 13: Simone Huck: Internationale Unternehmenskommunikation Kapitel 14: Monika Hubbard: Markenführung als Herausforderung für die interne Kommunikation