Kostenmanagement
0101
2009
978-3-8385-2706-2
UTB
Prof. Dr. Birgit Friedl
Zentrale Ansätze des Kostenmanagements sind u.a. das Kaizen, das Target Costing, die Wertanalyse und das Benchmarking. Bei der Anwendung dieser Ansätze in der betrieblichen Praxis treten u. a. zwei Probleme auf:
(1) Mitarbeiter müssen zur aktiven Mitwirkung an der Erarbeitung und Umsetzung von Kostensenkungsmaßnahmen motiviert werden. Zudem muss mit dem Widerstand der Mitarbeiter gegen die Umsetzung von Kostensenkungsmaßnahmen umgegangen werden.
(2) Die Senkung der Kosten erfordert immer häufiger die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Abnehmern in der Wertschöpfungskette. Die bekannten Ansätze müssen deshalb an die Erfordernisse des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements angepasst werden.
In dem Buch werden die Ansätze des Kostenmanagements detailliert erläutert und Lösungen für die Probleme bei der betrieblichen Anwendung diskutiert. Es enthält eine systematische und fundierte Darstellung des Entwicklungsstandes des Kostenmanagements. Weiterhin werden Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung des Kostenmanagements aufgezeigt.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Köln · Weimar · Wien Verlag Barbara Budrich · Opladen · Farmington Hills facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft · Stuttgart Mohr Siebeck · Tübingen Orell Füssli Verlag · Zürich Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB 2706 <?page no="2"?> Grundwissen der Ökonomik Betriebswirtschaftslehre Herausgegeben von F. X. Bea, Tübingen M. Schweitzer, Tübingen <?page no="3"?> Birgit Friedl Kostenmanagement mit 19 Abbildungen Lucius & Lucius · Stuttgart 5 <?page no="4"?> Anschrift der Autorin: Prof. Dr. Birgit Friedl Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Institut für Betriebswirtschaftslehre Olshausenstr. 40 24098 Kiel Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8282-0480-5 (Lucius & Lucius) © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2009 Gerokstr. 51, D-70184 Stuttgart www.luciusverlag.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Verarbeitung und Übermittlung in elektronischen Systemen. Druck und Einband: F. Pustet, Regensburg Printed in Germany UTB-Bestellnummer: 978-3-8252-2706-7 <?page no="5"?> Vorwort der Herausgeber Für die Studierenden im Anfängerwie im Fortgeschrittenenstadium ist es erfahrungsgemäß eine große Hilfe, wenn ihnen ein Teilgebiet eines Faches in einer knappen, systematisch aufbereiteten und leicht fasslichen Form dargeboten wird. Gleichzeitig müssen sie die Gewissheit haben, dass die wichtigsten Inhalte in einer Weise abgedeckt sind, die den jeweiligen Prüfungserfordernissen Rechnung trägt. Diesem Ziel dienen die Uni-Taschenbücher (UTB), die wir in der Reihe "Grundwissen der Ökonomik: Betriebswirtschaftslehre" bei der "Lucius & Lucius" Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart herausgeben. Die Themen der einzelnen Bände sind so gewählt, dass davon der gesamte Wissensbereich der modernen Betriebswirtschaftslehre erfasst wird. Als Autoren konnten Hochschullehrer gewonnen werden, die dank der Verschiedenheit von Alter, Herkunft und Wissenschaftsauffassung die Gewähr dafür bieten, dass der Charakter der Reihe von keiner bestimmten Schulrichtung geprägt, sondern ein getreues Abbild der Wissenschaftsvielfalt in der Betriebswirtschaftslehre geboten wird. Eine Besonderheit der Reihe besteht im Übrigen darin, dass Bände, bei denen es sich vom Gegenstand her anbietet, durch Arbeitsbücher ergänzt werden. Diese Studienhilfen dienen vor allem der Vertiefung theoretischer Erörterungen, der Einübung von Wissen und der Anwendung des Erlernten auf praktische Fälle. Außerdem sind sie ein nützliches Instrument für eine wirksame Lernkontrolle. Mit diesem Konzept ist zugleich die Chance verbunden, die Tätigkeit von Dozenten didaktisch zu unterstützen und sie von Arbeiten zu befreien, deren Erledigung zwangsläufig zu Lasten vordringlicher Aufgaben ginge. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass Teil der Reihe eine "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" in drei Bänden ist, die, von einem Expertenteam verfasst, die Klammer um die einzelnen Titel bildet. Die positive Aufnahme, die diese am Markt gefunden hat, führte bereits nach kurzer Zeit zu zahlreichen Neuauflagen. Gelegenheiten, die von Autoren und Herausgebern immer wieder für Erweiterungen und Verbesserungen genutzt werden. Tübingen, Juni 2009 F. X. Bea M. Schweitzer <?page no="6"?> Vorwort Die Problemstellung des Kostenmanagements kann vereinfachend folgendermaßen beschrieben werden: Wie können die Kosten, die bei der Erstellung des Leistungsprogramms der Unternehmung anfallen, zielorientiert gestaltet werden? Die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich seit ihren Anfängen unter wechselnden Bezeichnungen immer wieder intensiv mit dieser Problemstellung. Insbesondere seit den 1990er Jahren sind zahlreiche Bücher zum Kostenmanagement erschienen. Den Schwerpunkt dieser Veröffentlichungen bilden entweder konkrete Maßnahmen zur Kostengestaltung oder Instrumente zur Unterstützung von Projekten zur Erarbeitung von Kostensenkungsmaßnahmen. Wird Kostenmanagement als Daueraufgabe verstanden, stehen jedoch vor allem die folgenden Fragen im Vordergrund: 1. Wie können Kostensenkungspotentiale und Ineffizienzen erkannt werden? 2. Wie können Maßnahmen zur Kostengestaltung konzipiert und umgesetzt werden? 3. Wie kann sichergestellt werden, dass kontinuierlich nach Kostensenkungspotentialen und Ineffizienzen gesucht wird und die erforderlichen Maßnahmen zur Kostengestaltung konzipiert und umgesetzt werden? 4. Wie ist vorzugehen, damit Ineffizienzen gar nicht erst entstehen? Um diese Fragen beantworten zu können, ist die Literatur zu Fragen der Kostengestaltung aus verschiedenen Disziplinen ausgewertet worden. Ausgewählte Antworten auf diese Fragen werden in dem vorliegenden Buch dargestellt und erläutert. Die Ausführungen sind in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil wird gezeigt, welche Anforderungen die Unternehmungspolitik sowie die Unternehmungs- und Umweltbedingungen an die Kostensituation der Unternehmung stellen. Anhand dieser Anforderungen werden die Ansätze zur Lösung der Problemstellung aus den bekannten Konzeptionen des Kostenmanagements überprüft. Die führungsbezogene Konzeption des Kostenmanagements entspricht den herausgearbeiteten Anforderungen am besten. Im zweiten Kapital werden deshalb die Aufgaben des Kostenmanagements erläutert, die aus dem Lösungsansatz dieser Konzeption folgen. Kosten der Unternehmung können bei der Neugestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen und durch ihre nachträgliche Anpassung beeinflusst werden. Es sind die Produkte, die Prozesse und die Potentiale, aber auch die Lieferanten und Kunden der Unternehmung, die diese Rahmenbedingungen bilden. Weiterhin sind zur Gestaltung der Kosten bei der Leistungserstellung und -verwertung innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen Ineffizienzen zu vermeiden und bestehende Ineffizienzen abzubauen. Mit der Rationalisierung und der kontinuierlichen Verbesserung werden zwei dieser vier Handlungsfelder des Kostenmanagements im zweiten Teil des Buches beleuchtet. <?page no="7"?> VIII • Vorwort gorien beeinflusst werden sollen. Bei diesen Kosteneinflussgrößen kann es sich um Merkmale der Prozesse bei der Leistungserstellung und -verwertung, die Merkmale der Produkte der Unternehmung oder aber auch um Bestimmungsgrößen der Kosten im Einflussbereich der Kunden und Lieferanten handeln. Für diese Gestaltungsbereiche werden die Aufgaben und Instrumente des Kostenmanagements bei der Rationalisierung und der kontinuierlichen Verbesserung inhaltlich konkretisiert. Im vierten Teil werden zunächst die produktions- und kostentheoretischen Grundlagen der Kostengestaltung erläutert. Da es vor allem die Mitarbeiter sind, die durch ihre Entscheidungs- und Ausführungshandlungen die Kosten der Unternehmung bestimmen, ist die Einflussnahme auf die Entscheidungs- und Ausführungshandlungen der Mitarbeiter ein zentraler Ansatzpunkt für die Gestaltung der Kosten. In diesem letzten Teil werden deshalb auch Aussagen der Motivationstheorie und der Kreativitätsforschung erläutert, die das Kostenmanagement bei der Ausübung seiner Aufgaben nutzen kann. Bei der Arbeit an diesem Buch bin ich von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr engagiert unterstützt worden. Bedanken möchte ich mich vor allem bei Dipl. oec. troph. Hille Rowehl, Dipl.-Kffr. Rommy Zwilling und meinen Wissenschaftlichen Hilfskräften Monika Bukowski, Holger Gerken, Stefanie Pelz und Bastian Quast. Kiel, Mai 2009 Birgit Friedl Der dritte Teil beschäftigt sich mit einzelnen Gestaltungsbereichen des Kostenmanagements. Das sind Ausschnitte des Kostenmanagements der Unternehmung, die nach den Kosteneinflussgrößen abgegrenzt werden, über die spezifische Kostenkate- <?page no="8"?> Inhaltsübersicht Teil 1: Grundlagen des Kostenmanagements 1 Kostenmanagement als Führungsaufgabe ......................................................1 1.1 Konzeptionelle Grundlagen des Kostenmanagements................................1 1.2 Anforderungen an das Kostenmanagement ................................................8 1.3 Kostenmanagement nach der führungsbezogenen Konzeption ................35 2 Aufgaben des Kostenmanagements ...............................................................47 2.1 Abgrenzung des Aufgabenbereichs ..........................................................47 2.2 Sachbezogene Aufgaben des Kostenmanagements ..................................50 2.3 Strukturbezogene Aufgaben des Kostenmanagements .............................66 2.4 Personenbezogene Aufgaben des Kostenmanagements............................79 Teil 2: Handlungsfelder des Kostenmanagements 3 Rationalisierung als Handlungsfeld ..............................................................97 3.1 Grundlagen der Rationalisierung..............................................................97 3.2 Vorbereitende und begleitende Aktivitäten ............................................107 3.3 Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen ..................125 4 Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld......................................141 4.1 Grundlagen der kontinuierlichen Verbesserung .....................................141 4.2 Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung ........................147 4.3 Kaizen Costing zur Planung und Kontrolle von Vorgaben ....................167 4.4 Instrumente der kontinuierlichen Verbesserung .....................................174 Teil 3: Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements 5 Prozessorientiertes Kostenmanagement .....................................................203 5.1 Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagments.......................203 5.2 Prozessinnovationen zur zielorientierten Kostengestaltung ...................213 5.3 Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich ......................................225 5.4 Prozessoptimierung durch kontinuierliche Verbesserung.......................256 6 Produktorientiertes Kostenmanagement ....................................................265 6.1 Abgrenzung des produktorientierten Kostenmanagements ....................265 6.2 Kostenorientierte Produktplanung..........................................................270 6.3 Produkt-Kaizen ......................................................................................335 6.4 Wertanalyse als Instrument des Produkt-Kaizen ....................................338 <?page no="9"?> X • Inhaltsübersicht Teil 4: Theoretische Grundlagen des Kostenmanagements 8 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen des Kostenmanagements...404 8.1 Effizienz in der aktivitätsanalytischen Produktionstheorie.....................404 8.2 Kostentheoretische Fundierung der Gestaltungsparameter des Kostenmanagements...............................................................................411 9 Verhaltenstheoretische Grundlagen des Kostenmanagements ........................425 9.1 Motivationstheorien zur Herleitung von Einflussgrößen der Leistung ...425 9.2 Theorien zur Herleitung von Einflussgrößen der Kreativität .................449 7 Potentialorientiertes Kostenmanagement...................................................357 7.1 Abgrenzung des potentialorientierten Kostenmanagements ...................357 7.2 Schlanke Zulieferung als Ansatz des Kostenmanagements bei der Beschaffung von Material ......................................................................364 7.3 TPM als Ansatz des Kostenmanagements während der Betriebsphase von Betriebsmitteln ................................................................................394 <?page no="10"?> Inhaltsverzeichnis Teil 1: Grundlagen des Kostenmanagements 1 Kostenmanagement als Führungsaufgabe ......................................................1 1.1 Konzeptionelle Grundlagen des Kostenmanagements................................1 1.1.1 Komponenten einer Konzeption für das Kostenmanagement .........1 1.1.2 Abgrenzung konzeptioneller Ansätze des Kostenmanagements .....3 1.1.2.1 Konzeptionen nach der Problemstellung...........................3 1.1.2.2 Konzeptionen nach dem Problemlösungsansatz ...............6 1.2 Anforderungen an das Kostenmanagement ................................................8 1.2.1 Gründe für die Notwendigkeit der Effizienzgestaltung ...................8 1.2.1.1 Permanente Effizienzgestaltung ........................................9 1.2.1.2 Ereignisbezogene Effizienzgestaltung ............................13 1.2.2 Ineffizienzen als Gestaltungspotential des Kostenmanagements...17 1.2.2.1 Formen der Ineffizienz....................................................17 1.2.2.2 Handlungsfelder der Effizienzgestaltung ........................22 1.2.3 Gründe für Ineffizienzen ...............................................................26 1.2.3.1 Barrieren .........................................................................26 1.2.3.2 Differenzierung und Dezentralisierung ...........................32 1.2.3.3 Weitere Gründe für Ineffizienzen ...................................34 1.3 Kostenmanagement nach der führungsbezogenen Konzeption ................35 1.3.1 Abgrenzung des Kostenmanagements...........................................35 1.3.1.1 Ziele des Kostenmanagements ........................................35 1.3.1.2 Lösungsansatz des Kostenmanagements .........................36 1.3.2 Begriff des Kostenmanagements ...................................................38 1.3.3 Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements ..............................38 1.3.3.1 Gestaltungsobjekte des Kostenmanagements ..................39 1.3.3.2 Gestaltungsparameter des Kostenmanagements..............44 2 Aufgaben des Kostenmanagements ...............................................................47 2.1 Abgrenzung des Aufgabenbereichs ..........................................................47 2.2 Sachbezogene Aufgaben des Kostenmanagements ..................................50 2.2.1 Suche nach Rationalisierungspotentialen ......................................50 2.2.2 Planung von Vorgaben..................................................................55 2.2.2.1 Arten von Vorgaben........................................................55 2.2.2.2 Ansätze der Planung kostenbezogener Vorgaben ...........59 2.2.3 Kontrolle von Vorgaben ...............................................................61 2.2.3.1 Kontrolle und Kontrollformen ........................................61 2.2.3.2 Kontrollen bei der Effizienzgestaltung ...........................63 <?page no="11"?> XII • Inhaltsverzeichnis 2.3 Strukturbezogene Aufgaben des Kostenmanagements .............................66 2.3.1 Einflussnahme auf die Unternehmungskultur................................66 2.3.1.1 Kostenkultur als Teil der Unternehmungskultur .............66 2.3.1.2 Strategien für den Kulturwandel .....................................71 2.3.2 Ausrichten der Unternehmungsorganisation .................................73 2.3.2.1 Abgrenzung von Verantwortungsbereichen ....................74 2.3.2.2 Verrechnung interner Leistungen ....................................77 2.4 Personenbezogene Aufgaben des Kostenmanagements............................79 2.4.1 Obligatorische Aufgaben ..............................................................79 2.4.2 Fakultative Aufgaben ....................................................................86 2.4.2.1 Schaffen von Akzeptanz für die Effizienzgestaltung ......86 2.4.2.2 Sichern von Fachkenntnissen ..........................................90 2.4.2.3 Beeinflussen des Leistungsverhaltens .............................91 2.4.2.4 Fördern der Kreativität....................................................93 Teil 2: Handlungsfelder des Kostenmanagements 3 Rationalisierung als Handlungsfeld ..............................................................97 3.1 Grundlagen der Rationalisierung..............................................................97 3.1.1 Rationalisierungsziele und ihre Umsetzung ..................................97 3.1.1.1 Ziele der Rationalisierung ...............................................97 3.1.1.2 Strategien der Rationalisierung .......................................98 3.1.2 Ablauf von Rationalisierungsprojekten.......................................101 3.1.2.1 Phasen im Rationalisierungsprozess .............................101 3.1.2.2 Rationalisierung als Projekt ..........................................103 3.2 Vorbereitende und begleitende Aktivitäten ............................................107 3.2.1 Initialisieren der Rationalisierung ...............................................107 3.2.1.1 Prozess des Initialisierens .............................................107 3.2.1.2 Promotoren als Erfolgsfaktoren der Rationalisierung ...109 3.2.2 Aktivieren der Beteiligten und Betroffenen ................................111 3.2.2.1 Abgrenzung des Aktivierens .........................................111 3.2.2.2 Akzeptanzförderung durch Prozessgestaltung ..............113 3.2.2.3 Kommunikation zur Akzeptanzförderung .....................116 3.2.3 Aufgaben des Managements von Rationalisierungsprojekten .....121 3.2.3.1 Sachbezogene Aufgaben ...............................................121 3.2.3.2 Personenbezogene Aufgaben ........................................123 <?page no="12"?> Inhaltsverzeichnis • XIII 3.3 Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen ..................125 3.3.1 Konzipieren der Rationalisierungsmaßnahmen...........................125 3.3.2 Umsetzen der Rationalisierungsmaßnahmen...............................133 3.3.2.1 Teilphasen der Umsetzung............................................133 3.3.2.2 Gestaltung der mitarbeiterbezogenen Auswirkungen....134 3.3.3 Verstetigen der Rationalisierung .................................................137 4 Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld......................................141 4.1 Grundlagen der kontinuierlichen Verbesserung .....................................141 4.1.1 Abgrenzung der kontinuierlichen Verbesserung .........................141 4.1.2 Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens der Mitarbeiter ......143 4.1.2.1 Barrieren einer aktiven Mitwirkung der Mitarbeiter .....143 4.1.2.2 Strategien zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens ......................................................................145 4.2 Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung ........................147 4.2.1 Qualitätszirkel für das gruppenorientierte Kaizen.......................147 4.2.1.1 Abgrenzung von Qualitätszirkeln..................................147 4.2.1.2 Aufbauorganisation von Qualitätszirkeln......................148 4.2.1.3 Ablauforganisation von Qualitätszirkeln.......................151 4.2.2 Vorschlagswesen für das personenorientierte Kaizen .................154 4.2.2.1 Abgrenzung zum traditionellen Vorschlagswesen ........154 4.2.2.2 Organisation des betrieblichen Vorschlagswesens........158 4.2.3 Prämiensysteme für die kontinuierliche Verbesserung ...............161 4.2.3.1 Zulässigkeiten von Verbesserungsvorschlägen .............161 4.2.3.2 Struktur des Prämiensystems ........................................163 4.3 Kaizen Costing zur Planung und Kontrolle von Vorgaben ....................167 4.3.1 Abgrenzung der Kaizen Cost ......................................................167 4.3.2 Planung der Kaizen Cost.............................................................168 4.3.3 Kontrolle der Kaizen Cost ..........................................................172 4.4 Instrumente der kontinuierlichen Verbesserung .....................................174 4.4.1 Überblick über die Instrumente...................................................174 4.4.2 Phasenübergreifende Instrumente ...............................................176 4.4.3 Instrumente für die Problemfeststellung .....................................182 4.4.3.1 Affinitätsdiagramm .......................................................182 4.4.3.2 Ursache-Wirkungs-Diagramm ......................................183 4.4.3.3 Beziehungsdiagramm....................................................187 <?page no="13"?> XIV • Inhaltsverzeichnis 4.4.4 Instrumente für die Ideenermittlung ............................................190 4.4.4.1 Systematisches Diagramm ............................................191 4.4.4.2 Matrixdatenanalyse .......................................................193 4.4.5 Instrumente für die Umsetzung ...................................................200 Teil 3: Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements 5 Prozessorientiertes Kostenmanagement .....................................................203 5.1 Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagments.......................203 5.1.1 Begriff des prozessorientierten Kostenmanagements..................203 5.1.2 Merkmale des prozessorientierten Kostenmanagements .............204 5.1.2.1 Prozesswert als Gestaltungsobjekt ................................204 5.1.2.2 Prozessmerkmale als Gestaltungsparameter..................205 5.1.3 Handlungsfelder des prozessorientierten Kostenmanagements...211 5.2 Prozessinnovationen zur zielorientierten Effizienzgestaltung ................213 5.2.1 Kennzeichnung von Prozessinnovationen ...................................213 5.2.1.1 Merkmale von Prozessinnovationen .............................213 5.2.1.2 Voraussetzungen für Prozessinnovationen....................215 5.2.2 Ablauf einer Prozessinnovation ..................................................218 5.2.2.1 Träger einer Prozessinnovation.....................................218 5.2.2.2 Phasen des Business Reengineering..............................219 5.3 Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich ......................................225 5.3.1 Bedeutung der Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich...225 5.3.2 Gemeinkostenwertanalyse...........................................................227 5.3.2.1 Abgrenzung der Gemeinkostenwertanalyse ..................227 5.3.2.2 Prozess der Gemeinkostenwertanalyse .........................228 5.3.3 Zero-Base-Budgeting ..................................................................233 5.3.3.1 Grundgedanke des Zero-Base-Budgeting .....................233 5.3.3.2 Prozess des Zero-Base-Budgeting.................................236 5.3.4 Benchmarking .............................................................................245 5.3.4.1 Merkmale des Benchmarking........................................245 5.3.4.2 Formen des Benchmarking ...........................................247 5.3.4.3 Prozess des Benchmarking............................................251 5.3.5 Vergleichende Analyse der Verfahren zur Prozessverbesserung 256 5.4 Prozessoptimierung durch kontinuierliche Verbesserung.......................256 5.4.1 Abgrenzung des Prozess-Kaizen .................................................256 5.4.2 Elemente des House of Gemba ...................................................260 <?page no="14"?> Inhaltsverzeichnis • XV 6 Produktorientiertes Kostenmanagement ....................................................265 6.1 Abgrenzung des produktorientierten Kostenmanagements ....................265 6.1.1 Begriff des produktorientierten Kostenmanagements .................265 6.1.2 Merkmale des produktorientierten Kostenmanagements ............266 6.1.2.1 Produktwert als Gestaltungsobjekt................................266 6.1.2.2 Produktmerkmale als Gestaltungsparameter .................268 6.1.3 Handlungsfelder des produktorientierten Kostenmanagements ..269 6.2 Kostenorientierte Produktplanung..........................................................270 6.2.1 Abgrenzung der kostenorientierten Produktplanung ...................270 6.2.1.1 Phasen der Produktplanung...........................................270 6.2.1.2 Merkmale der kostenorientierten Produktplanung ........272 6.2.2 Prozess der Produktkostenplanung und -steuerung .....................274 6.2.2.1 Kennzeichnung der Produktkostenplanung ...................274 6.2.2.2 Aufgaben der Produktkostensteuerung .........................276 6.2.3 Target Costing zur Planung von Produktkostenvorgaben ...........277 6.2.3.1 Abgrenzung des Target Costing....................................277 6.2.3.2 Planung der originären Produktkostenvorgaben ...........280 6.2.3.3 Planung der Funktionenkostenvorgaben .......................285 6.2.3.4 Planung der Komponentenkostenvorgaben...................291 6.2.4 Instrumente der kostenorientierten Produktplanung....................299 6.2.4.1 QFD zur Planung der Funktionalität und Qualität ........299 6.2.4.2 Instrumente der kostenorientierten Konstruktion ..........309 6.2.4.3 Instrumente der Produktkostenkontrolle .......................316 6.2.5 Beeinflussung des Verhaltens der Beteiligten .............................327 6.2.5.1 Notwendigkeit der Verhaltensbeeinflussung.................327 6.2.5.2 Abbau von Willens- und Wissensbarrieren...................329 6.3 Produkt-Kaizen ......................................................................................335 6.3.1 Abgrenzung des Produkt-Kaizen ................................................335 6.3.2 Organisation des Produkt-Kaizen ...............................................336 6.4 Wertanalyse als Instrument des Produkt-Kaizen ....................................338 6.4.1 Wertanalyse in der Unternehmung..............................................338 6.4.1.1 Wertanalyse als Wertgestaltung und -verbesserung ......338 6.4.1.2 Organisation der Wertanalyse .......................................338 6.4.2 Merkmale der Wertanalyse .........................................................340 6.4.2.1 Funktionsorientierte Vorgehensweise ...........................341 6.4.2.2 Systematischer Ablauf ..................................................343 6.4.2.3 Weitere Merkmale ........................................................344 <?page no="15"?> XVI • Inhaltsverzeichnis 6.4.3 Ausgewählte Phasen des Wertanalyse-Arbeitsplanes..................346 6.4.3.1 Teilschritte der Analyse ................................................346 6.4.3.2 Teilschritte der Zielbildung...........................................353 6.4.3.3 Teilschritte bei der Alternativensuche und Bewertung .355 7 Potentialorientiertes Kostenmanagement...................................................357 7.1 Abgrenzung des potentialorientierten Kostenmanagements ...................357 7.1.1 Begriff des potentialorientierten Kostenmanagements................357 7.1.2 Merkmale des potentialorientierten Kostenmanagements ...........358 7.1.2.1 Total Cost of Ownership als Gestaltungsobjekt ............358 7.1.2.2 Gestaltungsparameter im Lebenszyklus von Produktionsfaktoren .................................................................360 7.1.3 Gestaltungsbereiche des potentialorientierten Kostenmanagements ...........................................................................................361 7.2 Schlanke Zulieferung als Ansatz des Kostenmanagements bei der Beschaffung von Material ......................................................................364 7.2.1 Gestaltung der Lieferantenstruktur..............................................364 7.2.1.1 Merkmale der Lieferantenstruktur ................................364 7.2.1.2 Reduktion der Lieferantenzahl für eine Komponente ...365 7.2.1.3 Modular Sourcing .........................................................368 7.2.1.4 Verwendung von Gleich- und Wiederverwendungsteilen .............................................................................369 7.2.2 Gestaltung der Lieferantenbeziehungen ......................................372 7.2.2.1 Einbeziehung der Lieferanten in die Produktplanung ...372 7.2.2.2 Auswahl der Lieferanten ...............................................374 7.2.2.3 Förderung des kooperativen Verhaltens der Lieferanten ....................................................................377 7.2.2.4 Gegenseitiger Informationsaustausch............................379 7.2.3 Unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement ...................381 7.2.3.1 Abgrenzung des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements .....................................................381 7.2.3.2 Unternehmungsübergreifende kostenorientierte Produktplanung .............................................................382 7.2.3.2.1 Target Costing als disziplinierende Maßnahme ...........................................................382 7.2.3.2.2 Ein- und mehrstufiges Target Costing..........383 7.2.3.2.3 Fördernde Maßnahmen ................................385 <?page no="16"?> Inhaltsverzeichnis • XVII 7.2.3.3 Unternehmungsübergreifendes Kaizen .........................390 7.2.3.4 Kostenorientierte Gestaltung der Schnittstelle zum Lieferanten ....................................................................391 7.3 TPM als Ansatz des Kostenmanagements während der Betriebsphase von Betriebsmitteln ................................................................................394 7.3.1 Abgrenzung des Total Productive Maintenance (TPM)..............394 7.3.2 Elemente des TPM-Konzeptes ....................................................398 Teil 4: Theoretische Grundlagen des Kostenmanagements 8 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen des Kostenmanagements...404 8.1 Effizienz in der aktivitätsanalytischen Produktionstheorie.....................404 8.1.1 Grundlagen der aktivitätsanalytischen Produktionstheorie .........404 8.1.2 Kennzeichnung effizienter Aktivitäten........................................407 8.2 Kostentheoretische Fundierung der Gestaltungsparameter des Kostenmanagements...............................................................................411 8.2.1 Arten von Kosteneinflussgrößen .................................................411 8.2.2 Systeme der Einflussgrößen auf die Stückkosten ........................412 8.2.3 Systeme von Einflussgrößen auf die relative Kostenposition......418 9 Verhaltenstheoretische Grundlagen des Kostenmanagements ........................425 9.1 Motivationstheorien zur Herleitung von Einflussgrößen der Leistung ...425 9.1.1 Grundlagen der Motivationstheorie ............................................425 9.1.1.1 Zentrale Begriffe der Motivationstheorie......................425 9.1.1.2 Fragestellungen der Motivationstheorie ........................427 9.1.2 Inhaltstheorien der Motivation ....................................................430 9.1.3 Prozesstheorien der Motivation ..................................................434 9.1.3.1 Erwartungs-Valenz-Theorien ........................................435 9.1.3.2 Zielsetzungstheorien .....................................................442 9.1.4 Herleitung von Parametern der Leistungsbeeinflussung .............447 9.2 Theorien zur Herleitung von Einflussgrößen der Kreativität .................449 9.2.1 Ansätze der Kreativitätsforschung ..............................................449 9.2.2 Komponentenorientierte Konzeption der Kreativität ..................450 9.2.2.1 Einflussgrößen auf die Kreativität.................................450 9.2.2.2 Phasen im Prozess der kreativen Problemlösung ..........452 9.2.2.3 Einfluss der Motivation auf die Kreativität ...................453 Literaturverzeichnis..............................................................................................459 Stichwortverzeichnis ............................................................................................491 <?page no="18"?> Teil 1: Grundlagen des Kostenmanagements 1 Kostenmanagement als Führungsaufgabe 1.1 Konzeptionelle Grundlagen des Kostenmanagements 1.1.1 Komponenten einer Konzeption für das Kostenmanagement In der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich der Begriff „Kostenmanagement“ erstmals 1982 im Zusammenhang mit der Rationalisierung im Verwaltungsbereich der Unternehmung (Jehle (1982); Wegmann (1982)). Durchgesetzt hat sich dieser Begriff erst mit den Veröffentlichungen zu den japanischen Techniken des Kostenmanagements während der 1990er Jahre. Bis zu diesem Zeitpunkt werden folgende Bezeichnungen verwendet: − Kostengestaltung (vgl. Lorentz (1932), S. 15; Henzel (1936), S. 139), − Kostenpolitik (vgl. Müller-Lindenberg (1976), S. 11; Adam (1997), S. 104), − Kostenbeeinflussung (vgl. Schönfeld (1970), Sp. 934), − Kostensteuerung (vgl. Gälweiler (1977), S. 70 ff.), − Kostensenkung (vgl. Mellerowicz (1966), S. 466) sowie − Rationalisierung (vgl. Haberstock (1981), Sp. 1087 f.). Eine allgemein akzeptierte Auffassung zum Gegenstand des Kostenmanagements hat sich noch nicht etabliert . Es gibt Autoren, die Kostenmanagement mit der Kostenrechnung gleichsetzen (vgl. Atkinson u.a. (2007), S. 84 f.), andere Autoren betonen, dass die Kostenrechnung gerade nicht den Gegenstand des Kostenmanagements bildet (vgl. Horngren/ Foster/ Datar (2000), S. 3). Vielfach werden dem Kostenmanagement bekannte Aufgaben und Instrumente der Kostensenkung enumerativ zugeordnet (vgl. z. B. Burger (1999)). Vereinzelt wird hervorgehoben, dass eine Kostenkultur geschaffen werden muss (vgl. Shields/ Young (1992), S. 22; Cooper (1995), S. 111). Einen Überblick über Auffassungen zum Kostenmanagement zeigt Abb. 1.1. Voraussetzung für die inhaltliche Abgrenzung des Kostenmanagements ist u. a. die Festlegung einer Problemstellung . Für eine Problemstellung kann es alternative Lösungsansätze geben, ebenso können mit der Lösung dieser Problemstellung verschiedene Unternehmungsziele verfolgt werden. Die eindeutige Abgrenzung des Kostenmanagements verlangt, dass neben der Problemstellung auch der gewählte Lösungsansatz und die mit der Lösung der Problemstellung verfolgten Ziele festgelegt werden (vgl. Schweitzer/ Friedl (1999), S. 275). Ein Aussagensystem zur zielorientierten Lösung einer spezifischen Problemstellung, zu den Aufgaben und ihrer Institutionalisierung sowie den Instrumenten zur Umsetzung dieser Lösung ist eine Konzeption. <?page no="19"?> 2 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Brinker (1992), S. 3: “Its [cost management] ultimate purpose is to supply the information that companies need to provide the value, quality, and timeliness that customers demand.” Bellis-Jones (1992), S. 101: “Cost management identifies the factors that drive costs.” Fröhling (1994a), S. 77: Unter Kostenmanagement ist die “empfängerorientierte Erfassung, Sammlung, Aufbereitung und Weiterleitung von operativ und strategisch unternehmensproblemrelevant erscheinenden Kosten-, Leistungs- und Erlösinformationen” zu verstehen. Hansen/ Mowen (2003), S. 2: “Cost management identifies, collects, measures, classifies, and reports information that is useful to managers for determining the cost of products, customers, and suppliers, and other relevant objects and for planning, controlling, making continuous improvements, and decision making.” Horngren/ Sundem/ Stratton (1999), S. 144: A cost-management system “identifies how management’s decisions affect costs, by first measuring the resources used in performing the organization’s activities and then assessing the effects on costs of changes in those actvities.” Informationsversorgung der Unternehmungsführung Horváth/ Brokemper (1998), S. 587: Strategieorientiertes Kostenmanagement ist die “Unterstützung des strategischen Planungs- und Kontrollprozesses mit bewerteten kundenbzw. marktorientierten Produkt- und Prozeßinformationen über den Ressourcenverbrauch.” Brede (1993), S. 344: “Unter Kostenmanagement versteht man Methoden der nachhaltigen Kostenbeeinflussung und -senkung.” Cooper (1995), S. 90 f.: “Their [cost management] objectives include accurate product costs and the creation of pressures to reduce and control costs.” Dellmann/ Franz (1994), S. 17: “Kostenmanagement umfasst die Gesamtheit aller Steuerungsmassnahmen, die der frühzeitigen und antizipativen Beeinflussung von Kostenstruktur und Kostenverhalten sowie der Senkung des Kostenniveaus dienen.” Drury (2000), S. 889: “Cost management consists of those actions that are taken by managers to reduce costs.” Fischer (2002), Sp. 1090: Als Kostenmanagement “wäre somit die Gesamtheit aller Steuerungsmaßnahmen durch das Management von Unternehmen zu bezeichnen, die der zielorientierten, antizipativen Beeinflussung des Niveaus sowie der Strukturen und Verläufe von Kosten ... dient.” Freedman (1993), S. 263: “managing costs is a proactive, business philosophy embedded in the culture and operational style of an organization”. Kajüter (2000), S. 11: “Kostenmanagement bedeutet die bewußte Beeinflussung der Kosten mit dem Ziel, die Wirtschaftlichkeit der Unternehmung zu erhöhen.“ Männel (1992), S. 289: “Das Kostenmanagement umfasst ein Bündel von Strategien und Maßnahmen bis hin zu spezifischen Instrumenten”. Streitferdt (1994), Sp. 1216 f.: “Unter Kostenmanagement versteht man die Gesamtheit der Maßnahmen, die in einem Betrieb mit der Absicht ergriffen werden, die Kosten unter Berücksichtigung der gesamtbetrieblichen Zielsetzung vorteilhaft zu gestalten.” Reiß/ Corsten (1992), S. 1478: “Kostenmanagement bezeichnet eine Gestaltung der Programme, Potentiale und Prozesse in einer Unternehmung nach Kostenkriterien.” Roolfs (1996), S. 135: Dem Kostenmanagement kommt die Aufgabe einer zielorientierten “Gestaltung und Lenkung der unternehmungsspezifischen Kosten unter Berücksichtigung leistungsbezogener Vorgaben mittels der Verwendung adäquater kostenbezogener Informationen” zu. Kostengestaltung Yoshikawa u.a. (1993), S. 13: “Cost management involves initiating and making decisions which will improve the cost-effectiveness of an organization.” Abb. 1.1: Kostenmanagement in der Literatur <?page no="20"?> Konzeptionelle Grundlagen • 3 1.1.2 Abgrenzung konzeptioneller Ansätze des Kostenmanagements 1.1.2.1 Konzeptionen nach der Problemstellung Den verschiedenen Konzeptionen des Kostenmanagements liegt als spezifische Problemstellung entweder die Versorgung der Unternehmungsführung mit Informationen zu den Kosten der Unternehmung oder die Kostengestaltung zugrunde (vgl. Abb. 1.1). Nach diesen Problemstellungen werden die kostenrechnungs- und die gestaltungsorientierten Konzeptionen des Kostenmanagements unterschieden (vgl. Konle (2003), S. 14). Abb. 1.2 gibt einen Überblick über die Konzeptionen des Kostenmanagements, die in der Literatur diskutiert werden. Abb. 1.2: Konzeptionelle Ansätze des Kostenmanagements (1) Kostenrechnungsorientierte Konzeptionen In der US-amerikanischen Literatur und einigen deutschsprachigen Beiträgen bildet die Versorgung der Unternehmungsführung mit Kosteninformationen für Planungs- und Steuerungsprobleme, die durch die traditionelle Kostenrechnung nicht unterstützt werden, die spezifische Problemstellung des Kostenmanagements. Der Unternehmungsführung sollen − Informationen über den Ressourcenverbrauch, den ein Bezugsobjekt (z. B. Produkte, Kunden, Prozesse) verursacht hat, sowie − Informationen zur Identifikation von Kosteneinflussgrößen für die mittel- und langfristige Planung und Steuerung bereitgestellt werden. Die kostenrechnungsorientierte Konzeption ist die Reaktion auf die Grenzen der traditionellen Systeme der Kostenrechnung, wie sie von den Vertretern prozessorientierter Systeme der Kostenrechnung identifiziert worden sind (zu diesen Grenzen vgl. Friedl (2004a), S. 389 ff.). Der Problemlösungsansatz wird deshalb häufig in den prozessorientierten Systemen der Kostenrechnung gesehen. In der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre wird die Gestaltung von Informationssystemen dem Controlling zugeordnet (vgl. z. B. Reichmann (1995), S. 8 f.; Konzeptionen des Kostenmanagements Kostenrechnungsorientierte Konzeptionen Gestaltungsorientierte Konzeptionen Informationsbezogene Konzeption Maßnahmenbezogene Konzeption Entscheidungsbezogene Konzeption Führungsbezogene Konzeption <?page no="21"?> 4 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Hahn/ Hungenberg (2001), S. 278; Horváth (2009), S. 295). Die kostenrechnungsorientierte Konzeption des Kostenmanagements wird hier deshalb nicht weiter betrachtet. (2) Gestaltungsorientierte Konzeptionen Als Problemstellung gestaltungsorientierter Konzeptionen des Kostenmanagements werden in der Literatur − die Gestaltung der Kosten, und zwar in der Form • der Minderung der Kosten (vgl. Mellerowicz (1966), S. 465; Schönfeld (1970), Sp. 934), • der Minimierung der Kosten (vgl. Adam (1997), S. 104) oder • der Minderung der Stückkosten (vgl. Lorentz (1932), S. 1), bzw. − die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit (vgl. Kajüter (2000), S. 11) genannt. In der Wirtschaftspraxis wird mit dem Kostenmanagement u. a. die Senkung der Kosten oder die Optimierung der Kostenstruktur angestrebt (vgl. Kajüter (2005), S. 85; PriceWaterhouseCoupers (2007), S. 9). Für diese Problemstellung finden sich in der englischsprachigen Literatur Bezeichnungen wie z. B. „Cost Cutting“, „Cost Reduction“, „Cost Containment“ und „Cost Avoidance“. Kosten können gesenkt werden, indem z. B. die Mengen reduziert, die Qualität verringert, die Lieferzeit verlängert, der Service vermindert oder Budgets (z. B. für Forschung und Entwicklung, Werbung) gekürzt werden. Aber diese Maßnahmen haben nicht nur eine Senkung der Kosten zur Folge, sondern auch einen Rückgang der Erlöse oder der zukünftigen Ertragskraft der Unternehmung. Eine Kostensenkung ist damit keine hinreichende Bedingung für die Erreichung der Unternehmungsziele, wie z. B. der Erhöhung des Unternehmungswertes. Weiterhin wird bei dieser Problemstellung nicht berücksichtigt, dass auch die Verbesserung einer vom Kunden erwünschten Leistung (z. B. Menge, Qualität, Lieferzeit, Service) bei gleichbleibenden oder in geringerem Maße steigenden Kosten oder ein Mengenwachstum ohne Anstieg der fixen Kosten zur Erreichung der Unternehmungsziele beiträgt. Die Gestaltung der Kosten ist damit nicht als Problemstellung des Kostenmanagements geeignet. Die Wirtschaftlichkeit ist definiert als Verhältnis aus der Leistung und dem zu ihrer Erstellung erforderlichen Mitteleinsatz. Um die Leistung und den Mitteleinsatz zu erfassen, können Mengen- oder Wertgrößen herangezogen werden (vgl. Kosiol (1972), S. 20 f.). Bei der Verwendung von Mengengrößen ergibt sich die Produktivität. Die Produktivität , die auch als technische Ergiebigkeit, technische Wirtschaftlichkeit oder Technizität bezeichnet wird, ist wie folgt definiert: <?page no="22"?> Konzeptionelle Grundlagen • 5 Ausbringungsgütermenge Produktivität = Einsatzgütermenge . Die Produktivität kann u. a. auch durch eine Senkung der Einsatzgütermengen zulasten der Qualität oder der Lieferzeit gesteigert werden. Eine Erhöhung der Produktivität ist deshalb keine hinreichende Bedingung für die Realisation der Unternehmungsziele. Die Argumente, die gegen die Gestaltung der Kosten als Problemstellung des Kostenmanagements sprechen, gelten damit weitgehend auch für die Produktivität. Durch die rein mengenmäßige Betrachtung des Mitteleinsatzes wird zudem der Einfluss der Einsatzgüterpreise auf die Kosten ausgeblendet. Die Gestaltung der Produktivität eignet sich deshalb ebenfalls nur begrenzt als Problemstellung des Kostenmanagements. Die Verwendung von Wertgrößen zur Erfassung von Leistung und Mitteleinsatz führt zur wertmäßigen Wirtschaftlichkeit. Andere Bezeichnungen sind „wertmäßige Ergiebigkeit“ oder „Ökonomität“ (vgl. Kosiol (1972), S. 21). Für die Berechnung dieser Kennzahl können die Wertgrößen des externen oder des internen Rechnungswesens herangezogen werden. Damit kann die wertmäßige Wirtschaftlichkeit wie folgt bestimmt werden: intern Erlös Wertmäßige Wirtschaftlichkeit = Kosten bzw. extern Ertrag Wertmäßige Wirtschaftlichkeit = Aufwand . Die Gestaltung der wertmäßigen Wirtschaftlichkeit eignet sich aus zwei Gründen nicht als Problemstellung des Kostenmanagements: (1) In einer Unternehmung werden auch Leistungen erstellt, die keine direkte Wirkung auf den Erlös bzw. den Ertrag der Unternehmung haben und auch durch die Ausbringungsmenge nicht vollständig erfasst werden können (z. B. Instandhaltungsabteilung). (2) Der Erlös und der Ertrag der Unternehmung hängen auch von der Marktnachfrage und der Absatzpolitik ab. Das kann dazu führen, dass eine sich kontinuierlich verschlechternde Kostenposition durch eine erfolgreiche Absatzpolitik oder eine konjunkturell bedingt hohe Marktnachfrage kompensiert wird und dadurch unerkannt bleibt. Um diesen Schwächen der wertmäßigen Wirtschaftlichkeit zu begegnen, werden interne Leistungen eingeführt. Dabei handelt es sich um Leistungen, die für andere Bereiche der Unternehmung erbracht werden und damit nur mittelbar zur Erstellung und Verwertung der Marktleistung beitragen. Mit der internen Leistung kann die Wirt- <?page no="23"?> 6 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe schaftlichkeit in die Effizienz und die Effektivität gespalten werden (vgl. Dellmann/ Pedell (1994), S. 25 ff.): interne Leistung Marktleistung Wirtschaftlichkeit = × Mitteleinsatz interne Leistung = Effizienz × Effektivität . Die Effizienz ist inputbezogen und ein Maß für die Ergiebigkeit der eingesetzten Mittel bei der Leistungserstellung. Die Effektivität ist outputbezogen und bringt die Wirksamkeit einer internen Leistung für die Marktleistung der Unternehmung zum Ausdruck. Definiert ist die Effizienz als das Verhältnis aus der internen Leistung und dem zu ihrer Erstellung erforderlichen Mitteleinsatz. Die Gestaltung der Effizienz ist keine hinreichende Bedingung für eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, da die Effektivitätswirkungen vernachlässigt werden. So erhöht beispielsweise eine Verbesserung der internen Leistung bei gleichbleibendem Mitteleinsatz die Effizienz, sie verringert jedoch die Effektivität, wenn es nicht gelingt, die Verbesserung der internen Leistung in eine Marktleistung umzusetzen. Dieser Fall liegt z. B. vor, wenn ein Produkt bei gleichbleibenden Kosten um eine Funktion erweitert wird, die jedoch nicht zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen beiträgt. Die Problemstellung der gestaltungsorientierten Konzeptionen des Kostenmanagements wird hier deshalb wie folgt präzisiert: Gestaltung der Effizienz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. 1.1.2.2 Konzeptionen nach dem Problemlösungsansatz Nach dem Problemlösungsansatz werden folgende gestaltungsorientierte Konzeptionen des Kostenmanagements abgegrenzt (in Anlehnung an Konle (2003), S. 14): − die informationsbezogene, − die maßnahmenbezogene, − die entscheidungsbezogene sowie − die führungsbezogene Konzeption. Nach der informationsbezogenen Konzeption bildet die Versorgung der Unternehmungsführung mit Informationen und Methoden zur Gestaltung der Effizienz den Lösungsansatz des Kostenmanagements. <?page no="24"?> Konzeptionelle Grundlagen • 7 Anders als in der kostenrechnungsorientierten Konzeption des Kostenmanagements, der die Versorgung der Unternehmungsführung mit Informationen für die strategische und taktische Planung und Steuerung als spezifische Problemstellung zugrunde liegt, bildet die Informationsversorgung in der informationsbezogenen Konzeption den Lösungsansatz für das Problem der Kostengestaltung. Die kostenrechnungsorientierte und die informationsbezogene Konzeption des Kostenmanagements unterscheiden sich damit im Zweck, der mit der Informationsversorgung verfolgt wird. Die maßnahmenbezogene Konzeption des Kostenmanagements sieht vor, dass die Effizienz durch die Planung und Steuerung spezieller Maßnahmen zielorientiert gestaltet und gesichert wird. Lange Zeit bildeten die Maßnahmen zur Effizienzgestaltung in der Produktion den Schwerpunkt der Beiträge zu dieser Konzeption. Themen waren u. a. die Fertigungsorganisation (z. B. Fertigungssegmentierung), die Automatisierung, die Entlohnung (z. B. Einführung der leistungsorientierten Entlohnung) und Arbeitszeitgestaltung, die Standardisierung und die Just-in-Time-Produktion. Weiterhin hatten sie auch Instrumente zur Erarbeitung dieser Maßnahmen zum Gegenstand, wie z. B. die Wertanalyse. Durch die Effizienzgestaltung in der Produktion ist der Anteil der Verwaltungsgemeinkosten an den Gesamtkosten kontinuierlich gestiegen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass ab den 1970er Jahren auch die Effizienzgestaltung im Verwaltungsbereich der Unternehmung thematisiert wurde. Die entscheidungsbezogene Konzeption sieht als Problemlösungsansatz die Ausrichtung von Entscheidungen an einem übergeordneten Erfolgsziel durch die Planung, Durchsetzung, Kontrolle und Sicherung von Kostenvorgaben für eine vorgegebene Leistung vor. Eine entscheidungsbezogene Konzeption ist das Total Cost Management , wie es in der japanischen Literatur diskutiert wird. Es hat die Planung und Kontrolle von Kostenvorgaben für die Produktentwicklung (Target Costing) sowie die Kostensicherung und -senkung während der Marktphase des Produktes (Kaizen Costing) zum Inhalt (vgl. Monden (1989), S. 16 f.). Nach der führungsbezogenen Konzeption soll die Effizienz über die Beeinflussung des Verhaltens der Träger von Entscheidungs- und Ausführungsaufgaben in der Unternehmung gestaltet werden. Diese Konzeptionen beruhen auf dem Gedanken, dass es die Entscheidungen und Ausführungshandlungen der Mitarbeiter auf allen Hierarchieebenen und in allen Bereichen sind, welche die Effizienz in der Unternehmung determinieren. Ihr Verhalten ist deshalb in die Richtung der angestrebten Steigerung der Effizienz zu lenken. Die Lö- <?page no="25"?> 8 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe sung des Effizienzgestaltungsproblems wird im Rahmen dieser Konzeptionen u. a. auch in der Personalentwicklung, der Motivierung sowie einer Reihe organisatorischer Maßnahmen gesehen (vgl. Shields/ Young (1992), S. 22 f.; Cooper (1998), S. 133). Um die verschiedenen Problemlösungsansätze beurteilen zu können, werden im folgenden Abschnitt Anforderungen an die Effizientgestaltung bzw. das Kostenmanagement erörtert. 1.2 Anforderungen an das Kostenmanagement 1.2.1 Gründe für die Notwendigkeit der Effizienzgestaltung Abb. 1.3 zeigt, dass die Ziele in denn verschiedenen Betriebsarten nicht die gleichen Inhalte aufweisen (vgl. hierzu auch Bea/ Haas (2001), S. 73 ff.). In allen Betriebsarten werden jedoch Ziele verfolgt, die Kosten zum Inhalt haben oder Kosten und Leistungen als Bestandteile aufweisen. Die Gestaltung der Effizienz ist damit in allen Betriebsarten zur Sicherung und Steigerung der Zielerreichung unverzichtbar. Unter speziellen Bedingungen kommt der kontinuierlichen Gestaltung und Sicherung der Effizienz besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus können es außergewöhnliche Ereignisse notwendig machen, die Effizienz in einem begrenzten Zeitraum deutlich und nachhaltig zu erhöhen. Betriebsarten Zielinhalte Erwerbswirtschaftliche private Unternehmungen 1) • Langfristige Überlebensfähigkeit • Unternehmungswert • Kapitalrentabilität • Periodenerfolg ... Non-Profit-Organisationen 2) • Leistungsziele − Leistungswirkungsziele (Wirkungen bei den verschiedenen Anspruchsgruppen) − Leistungserbringungsziele (zu erbringender Output konkreter Leistungseinheiten) • Kostendeckung bzw. Erzielung von Gewinnen für die leistungszielbezogene Verwendung Öffentliche Unternehmungen 3) • Bedarfsdeckung • Kostenminimierung • Erzielung von Gewinnen für die gemeinwirtschaftliche Verwendung Öffentliche Verwaltung 4) • Bedarfsdeckung • Haushaltsausgleich 1) Franz/ Kajüter (1997), S. 484; 2) Berens/ Karlowitsch/ Mertes (2000), S. 23 f.; Streim (2002), Sp. 1299 f.; 3) Eichhorn (1993), Sp. 2930 f.; 4) Budäus (1993), Sp. 1438 Abb. 1.3: Ziele verschiedener Betriebsarten <?page no="26"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 9 1.2.1.1 Permanente Effizienzgestaltung Als Gründe für eine permanente Effizienzgestaltung werden genannt: − die Entwicklungen auf den Märkten, − das Schaffen von Wettbewerbsvorteilen und − das Verfolgen wertorientierter Ziele. (1) Entwicklungen auf den Märkten Die Notwendigkeit des Kostenmanagements wird vielfach mit folgenden Entwicklungen auf den Märkten begründet (vgl. z. B. Franz/ Kajüter (2002), S. 4 ff.): − die Erhöhung der Wettbewerbsintensität auf den Absatzmärkten, − die Zunahme der Kundenanforderungen sowie − der Preisanstieg auf den Beschaffungsmärkten. Die Erhöhung der Wettbewerbsintensität auf den Absatzmärkten resultiert u. a. aus der Liberalisierung der Märkte in einigen Branchen (z. B. Telekommunikation, Banken und Versicherungen), der Sättigung der Absatzmärkte sowie dem Eintritt neuer Wettbewerber aus Niedriglohnländern (vgl. Günther (1997), S. 99). Die Unternehmungen reagieren auf die gestiegene Wettbewerbsintensität, indem die Absatzpreise gesenkt oder die Produktvielfalt, die Produktqualität oder der Innovationsgrad des Produktionsprogramms erhöht werden. Darüber hinaus fordern die Kunden zunehmend technisch verbesserte Produkte, akzeptieren jedoch keine Preissteigerungen gegenüber den Vorgängerprodukten (vgl. Wesselhöft (2003), S. 9). Periodische Lohnerhöhungen, permanente Preissteigerungen bei Rohstoffen (z. B. Rohöl), Wechselkursschwankungen sowie erhöhte Anforderungen an die Qualität der Einsatzgüter führen zu steigenden Lohn-, Gehalts- und Materialkosten . Sinkenden Absatzpreisen stehen damit steigende Einsatzgüterpreise gegenüber. Die Konsequenz dieser Entwicklung sind abnehmende Erfolge. Diesem Trend muss durch die kontinuierliche Senkung der Kosten für die Erstellung der vom Kunden geforderten Leistung begegnet werden (vgl. Franz/ Kajüter (2002), S. 4 f.). Durch die Entwicklung auf den Absatzmärkten hat sich der Anteil der Vorleistungs- und Folgekosten an den Kosten erhöht, die ein Produkt während seines Lebenszyklus verursacht. Als Gründe können u. a. die Verlängerung der Entwicklungszeiten für die Produkte, der Einarbeitungszeiten der Mitarbeiter und der Gewährleistungsfristen sowie die Verpflichtung zur Rücknahme der Produkte am Ende ihrer Nutzungsdauer genannt werden (vgl. Schehl (1994), S. 214 ff.). Bei einem Anstieg der Vorleistungs- und Folgekosten kann ein vorgegebenes Produktlebenszyklusergebnis nur erreicht werden, wenn der Überschuss der Erlöse des Produktes über seine Kosten während des Marktzyklus erhöht wird. Da die Preise für die Produkte nicht beliebig angepasst werden können, verlangt eine Erhöhung dieses Überschusses neben einer Absatzmen- <?page no="27"?> 10 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe gensteigerung vor allem eine Senkung der laufenden Kosten. Die laufenden Kosten und die Folgekosten können vor allem durch zusätzliche Aktivitäten während der Produktentwicklung gesenkt werden (vgl. Shields/ Young (1991), S. 39). Notwendig ist deshalb die frühzeitige Kostengestaltung . (2) Schaffen von Wettbewerbsvorteilen Strategien legen u. a. fest, wie die Stärken und Schwächen der Unternehmung genutzt werden, um die Wettbewerbsposition zu verbessern (vgl. Lorange (1980), S. 18 f.). Ein Parameter bei der Gestaltung der Wettbewerbsposition eines Geschäftsfeldes sind die Kosten, die durch die Leistung verursacht werden (vgl. Grundy (1996), S. 60). Folgende Strategietypen sehen zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen die Gestaltung der Kosten der Unternehmung vor (vgl. Cooper (1998), S. 38 f.): − die Kostenstrategie, − die Differenzierungsstrategie und − die Konfrontationsstrategie. Mit einer Kostenstrategie wird ein Wettbewerbsvorteil durch die Schaffung eines dauerhaften Kostenvorteils gegenüber allen tatsächlichen und potentiellen Wettbewerbern angestrebt. Bezieht sich die Kostenstrategie auf den Kernmarkt und nicht nur auf eine Marktnische, wird sie als Kostenführerschaftsstrategie bezeichnet (vgl. Porter (1990), S. 63 ff., (1992), S. 31 ff.). Eine Differenzierungsstrategie verlangt die Gestaltung eines Leistungsprogramms, das durch eine nicht preisbedingte Einmaligkeit für den Abnehmer einen höheren Wert besitzt als das Leistungsprogramm der tatsächlichen und potentiellen Wettbewerber (vgl. Porter (1990), S. 65 f., (1992), S. 34 f.). Der höhere Wert der Leistung wird durch einen Preiszuschlag vergütet. Dem höheren Preis stehen jedoch Mehrkosten gegenüber, die durch die Differenzierung verursacht werden. Die Kosten der Unternehmung sind bei der Umsetzung einer Differenzierungsstrategie so zu gestalten, dass keine Kostennachteile gegenüber den Wettbewerbern auftreten (vgl. Porter (1990), S. 35). Die Kosten- und die Differenzierungsstrategie verlangen damit, dass eine durch den Wettbewerb spezifizierte Kostensituation geschaffen und dauerhaft gesichert wird. Die Konfrontationsstrategie sieht vor, qualitativ hochwertige Produkte mit hoher Funktionalität zu niedrigen Kosten zu produzieren, und sie kontinuierlich in einer dieser Dimensionen (Funktion, Qualität, Preis) in einer für die Kunden wahrnehmbaren Form zu verbessern (vgl. Cooper (1995), S. 30 ff.). <?page no="28"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 11 Die von der Konfrontationsstrategie vorgesehene kontinuierliche Verbesserung von Funktionalität, Qualität und Kosten fordert, dass die Effizienzziele regelmäßig nach oben korrigiert werden. Die Senkung der Kosten wird damit zur Daueraufgabe . (3) Verfolgen wertorientierter Ziele Traditionell haben die Ziele der Unternehmung Gewinngrößen aus dem Rechnungswesen zum Inhalt. Beispiele für diese Ziele sind der Periodengewinn als Überschuss der Erträge über die Aufwendungen oder der Erlöse über die Kosten, die Gesamtkapitalrentabilität ROI (Return on Investment) und die Eigenkapitalrentabilität ROE (Return on Equity). Eigenkapitalgeber entscheiden über eine Kapitalanlage nicht auf der Basis einer rechnungswesenorientierten Gewinngröße, sondern auf der Grundlage der erzielbaren Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Sie erwarten von der Anlage des Kapitals eine Mindestverzinsung. Ihre Höhe wird bestimmt durch die Verzinsung einer risikofreien Anlage auf dem Kapitalmarkt und einer Risikoprämie für die Übernahme des Risikos, das mit der Anlage des Kapitals in der Unternehmung verbunden ist. Eine Unternehmung ist aus der Sicht eines Eigenkapitalgebers deshalb nur dann erfolgreich, wenn die Verzinsung der Kapitalanlage die erwartete Mindestverzinsung übersteigt (vgl. Bühner (1990a), S. 14 ff.). In diesem Fall erhöht sich das Vermögen der Eigenkapitalgeber. Es verringert sich, wenn die erwartete Mindestverzinsung nicht erreicht wird. Abb. 1.4 verdeutlicht diese Zusammenhänge (in Anlehnung an Bühner/ Weinberger (1991), S. 187 ff.). ER = Eigenkapitalrentabilität, MV = Mindestverzinsung Abb. 1.4: Gewinn und Verlust aus der Sicht des Rechnungswesens und der Eigenkapitalgeber Wertorientierte Ziele haben den Eigenkapitalwert (Shareholder Value) zum Inhalt (in Anlehnung an Hahn/ Hungenberg (2001), S. 13 ff.). Bei dem Eigenkapitalwert handelt es sich um den Marktwert des Eigenkapitals der Unternehmung (vgl. Ballwieser (2002), Sp. 1745). Verlust Gewinn aus der Sicht des Rechnungswesens Verlust 0 Gewinn ER MV Gewinn Gewinn aus der Sicht der Eigenkapitalgeber Wertvernichtung Werterhöhung <?page no="29"?> 12 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Zur Messung des Eigenkapitalwertes wird die Methode des Discounted Cash Flow herangezogen (vgl. Rappaport (1995), S. 54). Der Discounted Cash Flow einer Investition ist der Kapitalwert der während des Planungszeitraumes erzielten Cash Flows. Der Eigenkapitalwert kann ermittelt werden nach − dem Eigenkapitalansatz (Equity Approach) oder − dem Gesamtkapitalansatz (Entity Aproach). Der Eigenkapitalansatz zeichnet sich dadurch aus, dass der Marktwert des Eigenkapitals (EW) direkt aus den prognostizierten Zahlungen an die Eigenkapitalgeber während der Planungsperiode und der von den Eigenkapitalgebern geforderten Mindestrendite berechnet wird, d.h., der Flow to Equity (FTE) wird mit dem Eigenkapitalkostensatz (k e ) abdiskontiert (vgl. Ballwieser (2002), Sp. 1747): T t t t 1 e FTE EW (1 k ) = = + ∑ . Beim Gesamtkapitalansatz wird zuerst der Unternehmungswert bestimmt, d. h. der Marktwert des Gesamtkapitals. Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich anschließend als Differenz zwischen dem Unternehmungswert und dem Marktwert des Fremdkapitals (vgl. Rappaport (1995), S. 54). Der Unternehmungswert wird als Kapitalwert aus dem Free Cash Flow (vgl. Mandl/ Rabel (2002), Sp. 2011) und dem gewogenen durchschnittlichen Kapitalkostensatz berechnet. Der durchschnittliche gewogene Kapitalkostensatz wird als gewogenes Mittel aus dem Eigenkapitalkostensatz mit dem Fremdkapitalkostensatz ermittelt. Gewichtet werden die Kapitalkostensätze mit dem jeweiligen Kapitalanteil (vgl. Ballwieser (2002), Sp. 1748). Aus der Bestimmungsgleichung für den Eigenkapitalwert nach dem Gesamtkapitalansatz sind Werttreiber hergeleitet worden (vgl. Rappaport (1995), S. 75), d. h. Einflussgrößen auf den Eigenkapitalwert. Werttreiber sind u. a. die Kapitalkosten und die Kosten für Personal- und Sachressourcen zur Erstellung und Verwertung der Produkte, die über den Free Cash Flow Einfluss auf den Eigenkapitalwert haben. Für die Erreichung der verfolgten Wertziele sind diese Kosten zielorientiert zu gestalten (vgl. Coenenberg/ Salfeld (2003), S. 161 ff., 179 ff.). Der Übergang von rechnungswesenzu wertorientierten Unternehmungszielen hat folgende Konsequenzen : (1) die Erwartungen der Eigenkapitalgeber bilden die Basis der Zielplanung und (2) die langfristigen ökonomischen Wirkungen der Alternativen sind in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Um einen Eigenkapitalwert zu schaffen, müssen mindestens Erfolge in Höhe der von den Eigenkapitalgebern erwarteten Mindestverzinsung erzielt werden. Die während einer Planungsperiode anzustrebenden Erfolgsziele können deshalb nicht unter Berücksichtigung interessenbezogener Beurteilungskriterien ausgehandelt werden. Sie <?page no="30"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 13 sind durch die Mindestverzinsung vorgegeben, die von den Eigenkapitalgebern erwartet wird (vgl. Bühner (1990a), S. 1 ff.). Die Effizienz- und Effektivitätsziele der Unternehmung unterliegen damit den Anforderungen der Eigenkapitalgeber. Die rechnungswesenorientierten Ziele, wie z. B. der ROI, motivieren dazu, die ökonomischen Wirkungen von Entscheidungen zu vernachlässigen, die erst nach dem Abrechnungszeitraum auftreten (vgl. Kaplan/ Norton (1997), S. 262). Es werden deshalb Maßnahmen zur Kostensenkung ergriffen, die vor allem kurzfristig zur Steigerung der Zielerreichung führen. In der Unternehmungspraxis werden bei fallenden Gewinnen deshalb vorzugsweise folgende Maßnahmen ergriffen (vgl. Kajüter (2000), S. 3; Hus (2004), S. 1): − der Abbau von Personal sowie − die Reduktion von Budgets für Weiterbildung, Forschung und Entwicklung. Ein Personalkostenabbau in einem größeren Umfang, der entweder als alleinige Maßnahme oder im Zusammenhang mit Umstrukturierungsmaßnahmen die Verbesserung der Wettbewerbsposition zum Ziel hat, wird als Downsizing bezeichnet (vgl. Kieser (2002), S. 143). Das Downsizing wirkt sich ungünstig auf die Motivation der Mitarbeiter und die Innovationstätigkeit und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung aus (vgl. Amabile/ Conti (1999), S. 637; Marr/ Steiner (2003), S. 52 ff., 248 ff.). Kürzungen der Budgets für Weiterbildung sowie Forschung und Entwicklung führen zwar kurzfristig zu einer Verringerung der Kosten; mittel- und langfristig schwächen sie die Wettbewerbsposition der Unternehmung, so dass diesen Kostensenkungen ein Rückgang der Erlöse in nachfolgenden Abrechnungsperioden gegenübersteht. Diese Maßnahmen bewirken damit zwar eine verbesserte Erreichung kurzfristiger Erfolgs- und Rentabilitätsziele, aber nicht unbedingt auch eine Wertsteigerung (vgl. Wileman (2008), S. 9 f.). Wertorientierte Ziele verlangen nach Maßnahmen, deren Kostenwirkungen nicht durch mittel- oder langfristige Erlöswirkungen kompensiert werden (vgl. Grundy (1996), S. 67). 1.2.1.2 Ereignisbezogene Effizienzgestaltung Außergewöhnliche Ereignisse, die nach einer weitreichenden und nachhaltigen Steigerung der Effizienz verlangen, sind u. a. − Unternehmungszusammenschlüsse und − Unternehmungskrisen. (1) Unternehmungszusammenschlüsse Ein Unternehmungszusammenschluss ist eine Verbindung von Unternehmungen zum Zwecke der Zusammenarbeit, die mit einer Einschränkung oder der Aufgabe der Selbstständigkeit mindestens einer der beteiligten Unternehmungen verbunden ist (vgl. Schubert/ Küting (1981), S. 10 ff.). Mit Unternehmungszusammenschlüssen werden <?page no="31"?> 14 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Ziele wie z. B. die Sicherung der Überlebensfähigkeit oder die Erhöhung der Rentabilität verfolgt (vgl. Schubert/ Küting (1981), S. 16 ff.). Zur Erreichung dieser Ziele tragen Unternehmungszusammenschlüsse u. a. über die Realisation von Synergieeffekten bei (vgl. Bühner (1990b), S. 6 f.). Synergieeffekte sind diejenigen Zielbeiträge der Zusammenarbeit, die über die Summe der Zielbeiträge der beteiligten Unternehmungen bei getrennter Aufgabenerfüllung hinausgehen (vgl. Zelewski (1999), S. 113). Unter Synergien kann die Gesamtheit der Ursachen von Synergieeffekten verstanden werden. Es handelt sich um die Faktoren, die dazu führen, dass die Zielwirkungen bei Zusammenarbeit größer sind als die Summe der Zielwirkungen bei getrennter Aufgabenerfüllung. Nach den Zielen, auf die sich die Synergieeffekte beziehen, werden finanzwirtschaftliche, kosten- und leistungsbezogene Synergien unterschieden (vgl. Schmalenbach- Gesellschaft (1992), S. 968 ff.). Zu den kostenbezogenen Synergien können gezählt werden (vgl. Abb. 1.5): − Economies of Scale, − Economies of Scope und − Kosten senkende Innovationen. Abb. 1.5: Kostenbezogene Synergien Economies of Scale bewirken ein Sinken der Stückkosten bei zunehmender Ausbringungsmenge (vgl. Kräkel (2002), Sp. 1912). Die Stückkostensenkungen folgen aus der Beschäftigungs-, der Größen- oder der Auflagendegression (vgl. Abschnitt 8.2.2). Sind die Kosten der gemeinsamen Produktion zweier Produkte geringer als die Summe der Produktionskosten jedes Produktes bei getrennter Produktion, liegen Economies of Scope vor (vgl. Bühner (1993), S. 143). Beschäftigungsdegression Gemeinsame Nutzung von Aktivitäten Kostenbezogene Synergien Economies of Scale Economies of Scope Größendegression Auflagendegression Gemeinsame Nutzung von Ressourcen Produktinnovationen Prozessinnovationen Kosten senkende Innovationen <?page no="32"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 15 Sie werden erzielt, wenn Ressourcen von mehreren Produkten gemeinsam genutzt bzw. Aktivitäten für mehrere Produkte gemeinsam ausgeführt werden. Als Beispiele für die Kostenwirkungen von Economies of Scope können genannt werden (vgl. z. B. auch Zelewski (1999), S. 116 f.): − die Senkung der Entwicklungskosten, wenn die Ergebnisse der Entwicklung für mehrere Produkte genutzt werden können; − die Reduktion der Kosten für Marktforschung, wenn die Produkte auf demselben Markt angeboten werden; − die Verringerung der Materialbereitstellungskosten für Materialarten, die in mehrere Produktarten eingehen. Unternehmungszusammenschlüsse können dazu führen, dass jede Unternehmung am Wissen der jeweils anderen Unternehmung partizipiert. Dadurch können Kosten senkende Produkt- oder Prozessinnovationen ausgelöst werden, die bei der Leistungserbringung zu Kostensenkungen führen (vgl. Biberacher (2003), S. 70 ff.). Synergien, die durch Unternehmungszusammenschlüsse und -kooperationen entstehen, sind zunächst nur Kostensenkungspotentiale (vgl. Bühner (2002), Sp. 45). Um die Kostensenkungen zu realisieren, müssen die Synergien identifiziert sowie entsprechende Anpassungsmaßnahmen geplant, durchgesetzt und realisiert werden (vgl. Biberacher (2003), S. 195 ff.). (2) Bewältigen von Unternehmungskrisen Eine Unternehmungskrise liegt vor, wenn die Ergebnisentwicklung bei unveränderter Fortführung der Tätigkeiten den Bestand der Unternehmung gefährden würde (vgl. Hauschildt (2004), Sp. 1468 f.). Ursache einer Krise kann ein genereller bzw. konjunkturell bedingter Nachfragerückgang in der Branche oder die mangelnde Anpassung der Unternehmung an veränderte Wettbewerbsbedingungen sein (vgl. Hungenberg/ Wulf (2004), Sp. 1469 f.). Der Turnaround ist eine Folge von Maßnahmen, um die den Bestand der Unternehmung gefährdende Ergebnisentwicklung aufzuhalten, umzukehren und nachhaltig zu verbessern (vgl. Kelber (2004), S. 97). Der Prozess des Turnaround kann in folgende Phasen gegliedert werden (vgl. Pearce II/ Robbins (1993), S. 622 f.): − die Krisendiagnose, − die Krisenbewältigung und − die Erholung. Die Krisendiagnose umfasst folgende Aufgaben (vgl. Bibeault (1982), S. 95 ff.): − die Analyse der Überlebensfähigkeit der Unternehmung und − die Planung des Turnaround-Konzeptes. <?page no="33"?> 16 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Die Analyse der Überlebensfähigkeit ist die Grundlage der Entscheidung, ob ein Turnaround eingeleitet oder eine andere Strategie zum Umgang mit der Krise ergriffen werden soll, wie z. B. die Liquidation der Unternehmung. Bei einem Turnaround- Konzept handelt es sich um ein Maßnahmenprogramm zur Krisenbewältigung. Es ist ein Globalplan, durch den die Kontinuität und Konsistenz der in den nachfolgenden Phasen des Turnaround-Prozesses zu planenden Maßnahmen gesichert werden sollen (vgl. Tscheulin/ Römer (2003), S. 72 f.). Um bei der Krisenbewältigung Fehlentscheidungen zu vermeiden, sollte das Turnaround-Konzept Aussagen zur künftigen Ausrichtung der Unternehmung enthalten (vgl. Coenenberg/ Fischer (1993), S. 4 f.). Die Krisenbewältigung wird in zwei Teilphasen gegliedert: − die Abwendung der akuten Existenzgefährdung und − die Stabilisierung der Unternehmung. Ziel der ersten Teilphase ist es, die Zahlungsunfähigkeit bzw. die Überschuldung und damit die drohende Insolvenz zu verhindern. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit sind zur Abwendung der akuten Existenzgefährdung kurzfristig wirksame Maßnahmen zu ergreifen, durch die Einnahmen vorgezogen, zusätzliche Einnahmen generiert, Ausgaben gesenkt oder verschoben werden können (vgl. Hauschildt (2004), Sp. 713). Einer drohenden Überschuldung ist mit unmittelbar wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung von Verlustquellen oder zur Steigerung des Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital zu begegnen. Beispiele für diese Maßnahmen sind die Liquidation bzw. die Veräußerung von Geschäftsfeldern, die Mittelfreisetzung im Anlage- und Umlaufvermögen und die Beschaffung von Eigen- oder Fremdkapital (vgl. Bibeault (1982), S. 264 ff.). In der Teilphase der Stabilisierung haben nicht mehr Liquiditätsbzw. Verlustabbauziele die höchste Priorität, sondern Rentabilitätsziele und es wird von einem kurzfristigen zu einem mittelfristigen Planungszeitraum übergegangen. Die Maßnahmen zielen auf die Steigerung der Effizienz der Leistungserbringung sowie die Stärkung der Ertragskraft, z. B. durch die Elimination von Produkten, Marktsegmenten und Vertriebskanälen, welche nicht die geforderte Mindestrentabilität erreichen, sowie Kooperationen und Akquisitionen (vgl. Bibeault (1982), S. 264 ff.). Ziel der Erholung ist die nachhaltige Verbesserung der Rentabilität. Aufgaben in dieser Phase sind die Festlegung einer Turnaround-Strategie sowie die Planung und Steuerung von Maßnahmen zur Umsetzung dieser Strategie. Nach dem Inhalt dieser Strategie werden der leistungs- und der strategieorientierte Turnaround unterschieden (vgl. Hofer (1980), S. 20). Beim leistungsorientierten Turnaround wird die bisherige Unternehmungsstrategie auf einem niedrigeren Niveau weiterverfolgt. Ertrags- und Effizienzsteigerungen sowie der Abbau von Kapazitäten bilden bei dieser Strategie die Säulen der nachhaltigen Verbesserung der Rentabilität. Der strategieorientierte Turnaround basiert dagegen auf einer strategischen Neuausrichtung der Unternehmung. Die Eignung einer Turnaround-Strategie hängt u. a. von der Ursache der Krise ab (vgl. Barker III/ Duhaime (1997), S. 34). <?page no="34"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 17 Während des Turnaround-Prozesses können die Anspruchsgruppen (z. B. Banken, Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter) krisenverstärkende Gegenmaßnahmen auslösen, wie z. B. die Verweigerung weiterer Kredite durch Banken, die Abwanderung von Kunden, die Verschlechterung der Beschaffungskonditionen und das Ausscheiden wichtiger Mitarbeiter. Weiterhin haben Krisen einen ungünstigen Einfluss auf das Mitarbeiterverhalten, wie z. B. die Verringerung der Motivation, Widerstände gegen das Turnaround-Konzept sowie der Verlust der Glaubwürdigkeit von Führungskräften (vgl. Arogyawasamy/ Barker/ Yasai-Ardekani (1995), S. 499 f.). Parallel zum Turnaround- Prozess ist deshalb eine Krisenkommunikation notwendig, d. h. die Übermittlung von Informationen über die Liquiditäts- und die Rentabilitätsentwicklung der Unternehmung sowie über die Inhalte und Wirkungen der Maßnahmen des Turnaround- Konzeptes an die Anspruchsgruppen. Die erste Teilphase der Krisenbewältigung sieht Kostensenkungen und den Abbau von Kapazitäten vor. Die Bedeutung dieser Maßnahmen war Gegenstand zahlreicher empirischer Studien. Robbins/ Pearce II kommen zu dem Ergebnis, dass diese Maßnahmen für den Erfolg des Turnaround entscheidend seien (vgl. Robbins/ Pearce II (1992), S. 304). Nachfolgende Studien haben ergeben, dass Kostensenkungen und der Abbau von Kapazitäten die Folge der fortgesetzten Verschlechterung der Unternehmungssituation und keine Determinante des Erfolgs des Turnarounds seien (vgl. Baker III/ Mone (1994), S. 401 f.; Castrogiovanni/ Bruton (2000), S. 32). Dem Kostenmanagement kommt im Prozess des Turnaround dennoch hohe Bedeutung zu: (1) Durch die negative Unternehmungsentwicklung können sich Kostensenkungspotentiale gebildet haben, die dringend aufzulösen sind. (2) Kostensenkungen, die kurzfristig zu einer Verbesserung des Unternehmungsergebnisses führen, können das Vertrauen der Anspruchsgruppen in den Erfolg des Turnaround stärken und ihre Bereitschaft fördern, diesen Prozess zu unterstützen (vgl. Castrogiovanni/ Bruton (2000), S. 26 f.). (3) Da die Notwendigkeit überzeugend vermittelt werden kann, ist der Widerstand gegen tief greifende Kostensenkungsprogramme in Krisensituationen geringer (vgl. Bungard (1996), S. 259; Krüger (2007), Sp. 198). In einem Turnaround-Prozess lassen sich deshalb auch Kostensenkungsprogramme umsetzen, die ansonsten nicht durchsetzbar wären. 1.2.2 Ineffizienzen als Gestaltungspotential des Kostenmanagements 1.2.2.1 Formen der Ineffizienz Die Diskussion der Notwendigkeit des Kostenmanagements hat verdeutlicht, wie die Effizienz zu gestalten ist, wenn der Entwicklung auf den Märkten erfolgreich begegnet, Wettbewerbsvorteile geschaffen oder der Unternehmungswert erhöht werden sollen. Hinzu kommt, dass verschiedene Ereignisse im Leben einer Unternehmung in einem begrenzten Zeitraum deutliche Kostensenkungen ohne Schwächung der Er- <?page no="35"?> 18 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe tragskraft der Unternehmung notwendig machen. Abb. 1.6 fasst diese Anforderungen an die Effizienzgestaltung zusammen. Eine Konzeption des Kostenmanagements muss diesen Anforderungen an die Effizienzgestaltung genügen. Unternehmungs- und Umweltsituation Anforderungen an die Effizienzgestaltung Steigende Wettbewerbsintensität bei steigenden Einsatzgüterpreisen Kontinuierliche Senkung der Kosten zur Erstellung der vom Kunden geforderten Leistung Gestalten der Kosten der Produkte während der Entwicklung Schaffen von Wettbewerbsvorteilen Kostenstrategie : Schaffen eines dauerhaften Kostenvorteils gegenüber den Wettbewerbern Differenzierungsstrategie : Vermeiden eines differenzierungsbedingten Kostennachteils gegenüber den Wettbewerbern Konfrontationsstrategie : Kostensenkung als Daueraufgabe Verfolgen wertorientierter Unternehmungsziele Erwartungen der Eigenkapitalgeber als Determinante der notwendigen Kostensenkung Kostensenkungen, die mittel- und langfristig nicht durch Erlössenkungen kompensiert werden Umsetzen von Unternehmungszusammenschlüssen Identifikation und Realisation synergiebedingter Kostensenkungspotentiale innerhalb eines begrenzten Zeitraums Bewältigen von Unternehmungskrisen Umfangreiche Kostensenkungen innerhalb eines begrenzten Zeitraums ohne Schwächung der Ertragskraft Abb. 1.6: Anforderungen an die Effizienzgestaltung Potentiale für die Effizienzgestaltung gibt es nur im Umfang der in der Unternehmung vorhandenen Ineffizienzen. Es können drei Formen der Ineffizienz unterschieden werden (vgl. Abb. 1.7): − die ausführungsbedingte Ineffizienz, − die kundenbedingte Ineffizienz und − die strukturbedingte Ineffizienz. (1) Ausführungsbedingte Ineffizienz Die ausführungsbedingte Ineffizienz ist definiert als Differenz der für eine Ausbringungsgütermenge tatsächlich angefallenen Kosten und der Kosten der bei den gegebenen betrieblichen Rahmenbedingungen effizienten Aktivität. Eine Aktivität ist dabei eine realisierbare Kombination von Einsatzgütermengen, die bei Anwendung eines Produktionsverfahrens zu bestimmten Mengen definierter Ausbringungsgüter <?page no="36"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 19 führt. Eine Aktivität ist effizient , wenn sie technisch und wertmäßig effizient ist. Eine Aktivität ist technisch effizient, wenn es nicht möglich ist, die Menge eines Einsatzgutes zu reduzieren, ohne dass die Menge eines Ausbringungsgutes verringert oder die Menge eines anderen Einsatzgutes erhöht werden muss. Eine Aktivität ist wertmäßig effizient, wenn es nicht möglich ist, bei unveränderten Einsatzgüterpreisen die Ausbringungsmenge mit einer anderen technisch effizienten Aktivität zu realisieren, ohne dass die Kosten steigen (vgl. Abschnitt 8.1). Abb. 1.7: Formen der Ineffizienz Die ausführungsbedingte Ineffizienz ist der bewertete Mehrverbrauch (bewertete Minderleistung) gegenüber derjenigen Aktivität, die unter den gegebenen betrieblichen Rahmenbedingungen technisch und wertmäßig effizient ist. Beispiel 1.1: Ausführungsbedingte Ineffizienz In einer Unternehmung gibt es die Produktionsprozesse P 1 und P 2 , die in Abb. 1.8 dargestellt sind. Ausführungsbedingte Ineffizienzen in Höhe der Differenz zwischen den Einsatzgütermengen r B und r A entstehen, wenn zur Realisation der Ausbringungsmenge x 1 Aktivität B und nicht die effiziente Aktivität A gewählt wird. Wird die Aktivität A gewählt, entstehen ausführungsbedingte Ineffizienzen in Höhe der Differenz zwischen r C und r A , wenn durch eine nicht plangemäße Umsetzung der Entscheidung Ausschuss entsteht. Ausführungsbedingte Ineffizienzen treten zum einen auf, wenn bei den operativen Entscheidungen eine andere als die effiziente Aktivität gewählt wird. Gegenstand operativer Entscheidungen sind die Leistungsmengen, die Mengenrelationen bei den substituierbaren Einsatzgütern, die Verfahrenswahl und der Ablauf der Leistungserstellung. Zum anderen kommt es zu ausführungsbedingten Ineffizienzen, wenn die gewählten Alternativen operativer Entscheidungen nicht plangemäß realisiert werden oder widrige Umstände die Realisation behindern (vgl. Wollnik (1989), Sp. 1381 f.). Erscheinungsformen der ausführungsbedingten Ineffizienz sind z. B. Ausschuss, Nacharbeit, unnötig aufwendige Produktionsverfahren sowie störungsbedingte Wartezeiten. Das Ausmaß ausführungsbedingter Ineffizienz kann durch einen Soll-Ist-Vergleich der Kosten auf der Grundlage einer Grenzplankostenrechnung ermittelt werden (vgl. z. B. Friedl (2004), S. 277 ff.). Ineffizienzen in der Unternehmung Ausführungsbedingte Ineffizienzen Strukturbedingte Ineffizienzen Kundenbedingte Ineffizienzen <?page no="37"?> 20 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Abb. 1.8: Ausführungsbedingte Ineffizienz Als Ursachen für Fehlentscheidungen oder die nicht plangemäße Realisation von Entscheidungen werden u. a. genannt (vgl. Leibenstein (1978a), S. 353 ff.): − die begrenzte Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren und − lückenhafte Kenntnisse über die effizienten Aktivitäten. Die begrenzte Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren kann die Handlungsmöglichkeiten während der Ausführung einschränken, so dass die effiziente Aktivität nicht realisiert werden kann. Als Beispiele für diese Handlungszwänge können genannt werden: sachliche oder personelle Engpässe, qualitative, quantitative oder zeitliche Fehllieferungen von Material, Ausfall von Mitarbeitern oder Maschinen. Die minimale Einsatzgütermenge zur Erbringung einer bestimmten Leistung ist allenfalls bei Bauteilen bekannt. Bei Rohstoffen können schwierig zu lösende Verschnittprobleme auftreten. Der für die Erbringung einer Leistung erforderliche Arbeitseinsatz hängt u. a. von der Reihenfolge der Handlungselemente, der Auswahl der Hilfsmittel, der Anordnung der Hilfsmittel und Materialien, der Arbeitsgeschwindigkeit und der Anzahl der von einem Mitarbeiter zu bedienenden Maschinen ab. Für den Verbrauch von Hilfsstoffen können die Intensität, die Raumtemperatur, die Luftfeuchtigkeit usw. maßgebend sein. Durch die Vielzahl der wirksamen Einflussgrößen, die u. U. nicht einmal vollständig bekannt sind, ist die Bestimmung der effizienten Aktivität ein komplexes Problem. (2) Kundenbedingte Ineffizienz Bei der kundenbedingten Ineffizienz werden Leistungen erbracht, denen kein Bedarf eines Kunden gegenübersteht. Die Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Elimination dieser Leistungen bewirkt eine Verringerung des Mitteleinsatzes bei unveränderter Marktleistung (Erlös, Ertrag). Beispiele für kundenbedingte Ineffizienzen sind die • • P 3 • x 1 r B P 1 r A r x P 2 B A C r C r D D <?page no="38"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 21 quantitative oder qualitative Überproduktion sowie die Ausführung von Lager-, Rüst- und innerbetrieblichen Transportprozessen. Der Abbau kundenbedingter Ineffizienzen bildet den Schwerpunkt des Toyota-Produktionssystems bzw. des japanischen Kaizen (vgl. Liker (2008), S. 57). Unter der kundenbedingten Ineffizienz wird der bewertete Einsatzgüterverbrauch für die Erbringung nicht wertschöpfender Leistungen verstanden, d. h. von Leistungen, mit denen kein Wert für die Kunden geschaffen wird. (3) Strukturbedingte Ineffizienz Bei dieser Form der Ineffizienz ist es durch die Gestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen möglich, neue Produktionsverfahren einzuführen oder bestehende anzupassen, so dass neue effiziente Aktivitäten realisierbar sind. Die Wirkung angepasster Produktionsverfahren kann auch darin bestehen, dass ausführungsbedingte Ineffizienzen reduziert werden, die regelmäßig auftreten. Die strukturbedingten Ineffizienzen sind erfahrungsgemäß sehr viel bedeutsamer als die ausführungsbedingten (vgl. Skinner (1987), S. 18). Strukturbedingte Ineffizienzen sind die Folge von Fehlern bei der Planung und Umsetzung von Entscheidungen über die betrieblichen Rahmenbedingungen oder von fehlenden Initiativen zur Anpassung dieser Rahmenbedingungen. Die strukturbezogene Ineffizienz ist der bewertete Mehrverbrauch (die bewertete Minderleistung) bei der Deckung eines vorgegebenen Bedarfs gegenüber der Aktivität zur Deckung dieses Bedarfs, die bei einer grundsätzlich realisierbaren Veränderung der betrieblichen Rahmenbedingungen effizient wäre. Beispiel 1.2: Strukturbedingte Ineffizienz In der Unternehmung aus Beispiel 1.1 entsteht bei der Produktion eines Produktes durch die nicht montagegerechte Konstruktion regelmäßig Ausschuss. Für die Ausbringungsmenge x 1 des Produktes wird deshalb häufig die Einsatzgütermenge r C benötigt (vgl. Abb. 1.8). Durch die Veränderung des Produktes kann dieser Ausschuss vermieden werden, so dass die effiziente Aktivität A realisiert werden kann. Nach einer Erweiterungsinvestition steht eine moderne Produktionsanlage zur Verfügung, mit welcher der Produktionsprozess P 3 realisiert werden kann (vgl. Abb. 1.8). Die effiziente Aktivität zur Realisation der Ausbringungsmenge x 1 ist damit nicht länger Aktivität A, sondern Aktivität D. Die betrieblichen Rahmenbedingungen sind die Gesamtheit der Produkte, der Programme, der Potentiale, der Prozesse, der Märkte und der immateriellen Vermögenswerte der Unternehmung. <?page no="39"?> 22 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Produkte sind die absatzbestimmten Güter der Unternehmung. In Industrieunternehmungen zählen hierzu neben den Sachgütern auch die begleitenden Dienstleistungen (z. B. Schulungen). Das Programm der Unternehmung wird durch die Art und die Menge ihrer Produkte bestimmt. Bezieht sich das Programm auf einen Unternehmungsbereich, umfasst es die Gesamtheit seiner Leistungen. Dabei kann es sich um Zwischenprodukte oder interne Dienstleistungen handeln. Ein Prozess ist eine wiederholbare Folge von Aktivitäten mit messbarem Input und messbarem Output, die einen Wert für interne oder externe Kunden erzeugt. Zu den Märkten zählen der Absatz- und der Beschaffungsmarkt. Beim Absatzmarkt handelt es sich um die potentiellen und aktuellen Kunden, denen das Programm der Unternehmung angeboten wird. Der Beschaffungsmarkt umfasst alle aktuellen und potentiellen Lieferanten für das bereitzustellende Potential. Immaterielle Vermögenswerte bzw. Intangibles sind das nicht monetäre immaterielle Nutzungspotential zur Sicherung und Verbesserung der Stellung der Unternehmung am Markt (in Anlehnung an Lev (2001), S. 5; Kilger (1993), S. 136). Es umfasst u. a. das Wissen der Mitarbeiter, den Kundenstamm und die Kundenbeziehungen, die Anzahl und das Potential von Partnerschaften und das Image der Unternehmung (vgl. Stoi (2003), S. 175 f., Servatius (2003), S. 155). 1.2.2.2 Handlungsfelder der Effizienzgestaltung Die Gestaltung der Effizienz erstreckt sich auf das Vermeiden und den Abbau − ausführungsbedingter Ineffizienzen, − kundenbedingter Ineffizienzen sowie − strukturbedingter Ineffizienzen. Auf dieser Grundlage können die folgenden Handlungsfelder der Effizienzgestaltung abgegrenzt werden (vgl. Abb. 1.9): − das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung durch • das Sichern einer effizienten Leistungserbringung und • die kontinuierliche Verbesserung sowie − das Schaffen effizienter Rahmenbedingungen durch • die Neugestaltung und • die Rationalisierung von Rahmenbedingungen. (1) Schaffen einer effizienten Leistungserstellung Beim Schaffen einer effizienten Leistungserstellung handelt es sich um die Effizienzgestaltung bei gegebenen Rahmenbedingungen. Dieses Handlungsfeld umfasst das Vermeiden und Abbauen ausführungs- und kundenbedingter Ineffizienzen. Das Vermeiden ausführungsbedingter Ineffizienzen vollzieht sich durch das Sichern einer effizienten Leistungserbringung , die sich auf die <?page no="40"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 23 operativen Entscheidungen und ihre Realisation durch Ausführen der zugehörigen Arbeitsaufgaben erstreckt. Lückenhafte Kenntnisse über die effizienten Alternativen operativer Entscheidungen oder über die effiziente Ausführung der Arbeitsaufgaben sowie qualitativ unzureichende Produktionsfaktoren können zu Ineffizienzen führen. Der Abbau dieser Ineffizienzen bei den gegebenen Rahmenbedingungen ist der Gegenstand der kontinuierlichen Verbesserung. Sie umfasst die von jedem Mitarbeiter in der Unternehmung getragene ständige Verbesserung der Arbeit im jeweils eigenen Arbeitsumfeld in kleinen und kleinsten Schritten (vgl. Abschnitt 4.1.1). Abb. 1.9: Handlungsfelder der Effizienzgestaltung (2) Schaffen effizienter Rahmenbedingungen Das Schaffen effizienter Rahmenbedingungen erstreckt sich nicht nur auf die Planung von Maßnahmen zur Gestaltung der Rahmenbedingungen, sondern auch auf ihre Durchsetzung und Realisation (vgl. Glaser (1989), Sp. 1967). Die Realisation betrieblicher Rahmenbedingungen umfasst die Umsetzung der Pläne und die Leistungserbringung unter den neuen bzw. veränderten Rahmenbedingungen. In diesem Handlungsfeld werden das Vermeiden und Abbauen ausführungs-, kunden- und strukturbedingter Ineffizienzen zusammengefasst. Das Vermeiden dieser Formen der Ineffizienz vollzieht sich bei der Neugestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen (vgl. Wileman (2008), S. 55), während der Abbau die Aufgabe der Rationalisierung ist. Abb. 1.10 gibt einen zusammenfassenden Überblick über dieses Handlungsfeld. Mittel- und langfristige Entscheidungen zur Neugestaltung von Rahmenbedingungen der Unternehmung werden z. B. durch erwartete bzw. bereits eingetretene Nachfrageänderungen, Kapazitäts- oder Qualitätsprobleme ausgelöst. Als Beispiele für diese Entscheidungen können genannt werden: die Entwicklung eines neuen Produktes, Abbau Vermeidung Vermeidung Abbau Handlungsfelder der Effizienzgestaltung Schaffen effizienter Rahmenbedingungen Schaffen einer effizienten Leistungserstellung Sichern einer effizienten Leistungserbringung Rationalisierung Kontinuierliche Verbesserung Neugestaltung Ausführungs- und kundenbedingte Ineffizienzen Ausführungs-, kunden- und strukturbedingte Ineffizienzen <?page no="41"?> 24 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe die Einrichtung eines neuen Distributionskanals und die Erschließung eines neuen Marktes, Betriebserweiterungen und die Einführung eines Qualitätssicherungssystems. Während der mehrjährigen Geltungsdauer der Entscheidungen zur Neugestaltung der Rahmenbedingungen können sich die Ziele der Entscheidung oder das Entscheidungsfeld (Alternativen, Umweltzustand, Zielwirkungen der Alternativen) verändern, so dass die Rahmenbedingungen nicht länger effizient sind, d. h. ausführungs-, kunden- oder systembedingte Ineffizienzen auftreten (in Anlehnung an Schweitzer (1994), S. 731). Verursacht werden können diese Ineffizienzen durch Akquisitionen, Änderungen der Einsatzgüterpreise; die Novellierung von Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen; den Wandel von Bedürfnissen der Kunden, das Auftreten neuer Wettbewerber sowie durch technischen Fortschritt. Die Anpassung der Entscheidungen über die betrieblichen Rahmenbedingungen an interne oder externe Veränderungen ist Gegenstand der Rationalisierung. Sie erstreckt sich auf alle ökonomischen, technischen, ökologischen und sozialen Ziele der Unternehmung (in Anlehnung an Schweitzer (1994), S. 730 ff.; Pfeiffer (1993), Sp. 3639). Im Folgenden wird mit der Rationalisierung zur Sicherung der Effizienz betrieblicher Rahmenbedingungen nur ein Teilbereich der Rationalisierung betrachtet. Abb. 1.10: Schaffen effizienter Rahmenbedingungen Rationalisierung ist die Korrektur mittel- und langfristiger Entscheidungen während ihrer Geltungsdauer, so dass die betrieblichen Rahmenbedingungen nach einer Veränderung der Ziele oder des Entscheidungsfeldes wieder effizient sind (in Anlehnung an Picot (1979), S. 1145). Die Rationalisierung im Handlungsfeld der Effizienzgestaltung wird durch eine Initiative ausgelöst. Allgemein wird unter einer Initiative die Anregung für einen Entschei- Schaffen effizienter Rahmenbedingungen Neugestaltung Rationalisierung Leistungserstellung unter den neuen oder veränderten Rahmenbedingungen Planen der Rahmenbedingungen Realisation der Pläne <?page no="42"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 25 dungsprozess verstanden (vgl. Hauschildt (1969), Sp. 734). Voraussetzungen einer Initiative für einen Rationalisierungsprozess sind ausführungs-, kunden- oder strukturbedingte Ineffizienzen, das Wahrnehmen dieser Ineffizienzen, die Rationalisierungsbereitschaft und eine positive Einschätzung der Rationalisierungsfähigkeit (vgl. Gebert (2002), S. 88; Hauschildt/ Salomo (2007), S. 308 ff.). Wahrgenommen werden können Ineffizienzen im Rahmen einer kontinuierlichen Suche oder bei drohenden bzw. bereits eingetretenen Zielabweichungen. Das Rationalisierungspotential sind die Ineffizienzen, die durch die Anpassung bereits umgesetzter mittel- oder langfristiger Entscheidungen über betriebliche Rahmenbedingungen während ihres Geltungszeitraumes an geänderte Unternehmungs- und Umweltbedingungen abgebaut werden können. Nach dem Umfang des Rationalisierungsobjektes werden − die punktuelle Rationalisierung und − die Systemrationalisierung abgegrenzt. Bei der punktuellen Rationalisierung handelt es sich um die Anpassung einzelner Entscheidungen in einem Verantwortungsbereich. Die gemeinsame Anpassung aller Entscheidungen, die ein System determinieren, bildet den Gegenstand der Systemrationalisierung (vgl. Schneider (1996), Sp. 1775). Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: (1) Es werden Rahmenbedingungen mehrerer Unternehmungsbereiche angepasst und nicht nur die einzelner Untereinheiten. (2) Die Veränderungen sind innovativ und weitreichend in ihren Wirkungen. (3) Personen vieler Unternehmungsbereiche sind an der Anpassung der Entscheidungen beteiligt und in ihren Interessen erheblich betroffen. (4) Die Anpassung hat weitreichende Konsequenzen für Beteiligte und Betoffene (in Anlehnung an Gabele (1992), Sp. 2197). Das Gestalten betrieblicher Rahmenbedingungen geht über Routineaufgaben hinaus und erfordert − Innovationen oder − einen Wandel. Innovationen sind qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die eine Unternehmung erstmalig in den Markt oder in die Prozesse der Verwaltung oder der Leistungserstellung und -verwertung einführt (vgl. Hauschildt (1992), Sp. 1092). Zu ihnen zählen nicht nur technische, sondern auch soziale und organisatorische Neuerungen (vgl. Brockhoff (1999), S. 37). Bei der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen sind Innovationen zu generieren, die prinzipiell geeignet erscheinen, die ausführungs-, kunden- und systembedingten Ineffizienzen zu vermeiden. Innovationen werden in Prozessen generiert, die von der Kreativität der Beteiligten getragen werden (vgl. Hauschildt/ Salomo (2007), S. 402 ff.). <?page no="43"?> 26 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Unter einem Wandel werden Veränderungen verstanden, die für die Mitarbeiter auf breiter Basis weitreichende Konsequenzen haben. Diese Konsequenzen ergeben sich daraus, dass die Mitarbeiter Träger dieser Veränderungen sind oder von den Auswirkungen der Veränderungen betroffen sind (vgl. Krüger (2006a), S. 24). Objekte des Wandels können generell Strukturen, Prozesse und Systeme, Strategien, personelle Fähigkeiten oder Werte und Überzeugungen sein. Nach diesen Objekten werden die Restrukturierung, die Reorientierung, die Revitalisierung und die Remodellierung als Formen des Wandels abgegrenzt (vgl. Krüger (2006b), S. 53 f.). Formen des Wandels bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen sind: − die Restrukturierung : begrenzte Veränderung einzelner Prozesse und Potentiale − die Revitalisierung : Änderung der personellen Fähigkeiten (z. B. Stimulierung der Kreativität, verstärkte Partizipation, Übertragung von Eigenverantwortung). 1.2.3 Gründe für Ineffizienzen Als Gründe dafür, dass bestehende Ineffizienzen nicht erkannt, verzögert, unvollständig oder überhaupt nicht abgebaut werden, können genannt werden: − Barrieren der Beteiligten oder Betroffenen, − Differenzierung und Dezentralisierung von Entscheidungen, − lückenhafte Informationsversorgung, − mangelnde Kundenorientierung sowie − fehlende Motivation oder fehlendes Kostenbewusstsein der Mitarbeiter. 1.2.3.1 Barrieren Durch die Neuartigkeit der Problemlösung und die Konsequenzen, die sie für die Mitarbeiter haben, treten bei der Gestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen Barrieren auf (vgl. Jehle (1982), S. 65), die dazu führen können, dass die angestrebte Effizienz nicht oder nur verzögert erreicht wird oder die Neugestaltung bzw. Rationalisierung der betrieblichen Rahmenbedingungen gänzlich unterbleibt (vgl. Neider/ Zimmermann (1992), S. 374). Die kontinuierliche Verbesserung sieht vor, dass die Mitarbeiter ihr jeweils eigenes Arbeitsumfeld aktiv gestalten. Die erwarteten Konsequenzen dieser Gestaltung können Barrieren auslösen, die der kontinuierlichen Verbesserung entgegenstehen. Eine Barriere ist ein Tatbestand, der die Gestaltung der Effizienz verzögern, beeinträchtigen oder sogar verhindern kann (vgl. Witte (1998), S. 13). Nach der Beeinflussbarkeit durch die Unternehmungsführung und den Ursachen können mehrere Arten von Barrieren unterschieden werden. Abb. 1.11 nennt diese Barrieren und ihre Ursachen (vgl. Schewe/ Schaecke/ Nentwig (2004), S. 3 ff.). Nachfolgend sollen ausschließlich die beeinflussbaren Barrieren betrachtet werden. <?page no="44"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 27 Beeinflussbarkeit Ursache Nicht beeinflussbare Barrieren Beeinflussbare Barrieren Systembedingte Barrieren Externe systembedingte Barrieren Gesellschaftliche, juristische und technische Rahmenbedingungen Interne systembedingte Barrieren Merkmale der Unternehmungskultur, der Unternehmungsgrundsätze oder des Führungssystems Personenbedingte Barrieren Externe personenbedingte Barrieren Einstellungen, Normen und Werte der Gesellschaft Interne personenbedingte Barrieren Fähigkeiten und Einstellungen des einzelnen Individuums in der Unternehmung Abb. 1.11: Systematik der Barrieren Systembedingte Barrieren sind Merkmale der Unternehmungskultur, der Unternehmungsgrundsätze und des Führungssystems, die bei Mitarbeitern ein Verhalten auslösen können, das die Effizienzgestaltung behindert oder sogar verhindert. Beispiele für diese Merkmale sind eine überbordende Bürokratie, fehlende Partizipation und falsche Anreize (vgl. Schewe/ Schaecke/ Nentwig (2004), S. 4). Im traditionellen Vorschlagswesen finden sich zahlreiche systembedingte Barrieren, die der Schaffung einer effizienten Leistungserstellung entgegenstehen. Mit der Einführung des Vorgesetztenmodells wurden diese Barrieren abgebaut (vgl. Abschnitt 4.2.2). Personenbedingte Barrieren sind die mangelnde Bereitschaft oder fehlende Fähigkeiten der Beteiligten oder der Betroffenen zur Effizienzgestaltung. Abb. 1.12 gibt einen Überblick über die personenbedingten Barrieren. Die verschiedenen Barrieren stehen dabei nicht isoliert nebeneinander, sondern beeinflussen sich wechselseitig (vgl. Nieder/ Zimmermann (1992), S. 385 f.). Abb. 1.12: Barrieren bei der Gestaltung betrieblicher Bedingungen Zu den Beteiligten gehören die Personen, die an der Effizienzgestaltung mitwirken. Die Betroffenen sind die Mitarbeiter, auf die sich die Maßnahmen der Effizienzgestaltung unmittelbar auswirken. Personenbedingte Barrieren bei der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen Bereitschaftsbarrieren Fähigkeitsbarrieren Kreativitätsbarrieren Wissensbarrieren Willensbarrieren Risikobarrieren <?page no="45"?> 28 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Es handelt sich hierbei um keine eindeutige und starre Abgrenzung. Eine Person kann beiden Gruppen gleichzeitig angehören. Ebenso kann sich ihre Zuordnung zu den Gruppen im Prozess der Effizienzgestaltung verändern. Barrieren sind zunächst nur Störpotentiale . Werden sie nicht überwunden, kommt es zu Widerständen. Bei Widerständen handelt es sich um ein Verhalten von Beteiligten oder Betroffenen, das Maßnahmen zur Effizienzgestaltung verhindert, verzögert, verformt oder verändert (vgl. Hauschildt/ Salomo (2007), S. 182 f., 190 f.), so dass die angestrebte Steigerung der Effizienz überhaupt nicht, in vermindertem Umfang oder nur verzögert erreicht wird. Träger des Widerstandes finden sich in allen Mitarbeitergruppen, auch unter den Führungskräften (vgl. Palmer/ Dunford/ Akin (2009), S. 169 f.). Widerstand tritt nicht nur als destruktive Opposition auf, sondern kann auch konstruktiv sein. Destruktive Opposition wird verdeckt praktiziert und zielt auf das Verhindern, Verzögern oder Verformen der Maßnahmen zur Effizienzgestaltung. Abb. 1.13 nennt Beispiele für Erscheinungsformen destruktiven Widerstandes. Die konstruktive Opposition wird artikuliert und als nützlich angesehen. Sie äußert sich darin, dass Alternativen zu den geplanten Maßnahmen zur Effizienzgestaltung vorgeschlagen werden und zweckdienliche Informationen zu den Prämissen und Wirkungen der Maßnahmen übermittelt werden. Ziel der konstruktiven Opposition ist eine Veränderung der geplanten Maßnahmen (vgl. Hauschildt (1999), S. 9 f.). (1) Risikobarrieren Die Neugestaltung und Rationalisierung betrieblicher Rahmenbedingungen können für Beteiligte und Betroffene materielle oder ideele Nachteile zur Folge haben (vgl. Franz (2002), S. 418). Die Ankündigung oder die Erwartung einer Veränderung betrieblicher Rahmenbedingungen löst bei den Mitarbeitern deshalb Befürchtungen aus, dass die Befriedigung ihrer arbeitsbedingten Bedürfnisse beeinträchtigt wird (vgl. Marr/ Kötting (1992), Sp. 829). Abb. 1.14 nennt Beispiele für personalwirksame Folgen einer Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen, die Gegenstand dieser Befürchtungen sein können. Diese Befürchtungen, die auch durch die kontinuierliche Verbesserung ausgelöst werden können, werden als Risikobarrieren bezeichnet. Risikobarrieren sind Ängste der Mitarbeiter vor einer materiellen oder ideellen Verschlechterung der eigenen Arbeitssituation durch die Effizienzgestaltung (vgl. Thom (1996a), S. 45 f.; Deppe (1991), S. 661). <?page no="46"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 29 Opponent Erscheinungsformen destruktiver Opposition Beteiligte − Verringerung der Leistung beim Generieren von Alternativen für Rationalisierungsmaßnahmen − Unwahrheitsgemäße oder unvollständige Berichterstattung über die Wirkungen der Rationalisierungsmaßnahmen gegenüber der Instanz − Verringerung der Leistung bei der Realisation der Rationalisierungsmaßnahmen Betroffene − Durchführung von Maßnahmen mit negativen Auswirkungen auf den Ruf der Unternehmung als Lieferant, Kunde und in der Öffentlichkeit (z. B. Streik, Demonstration) − Reduzierung der Leistung und damit das Verursachen ausführungsbedingter Ineffizienzen − Sabotage Abb. 1.13: Erscheinungsformen destruktiver Opposition Personalwirksame Folgen der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen • Verlust des Arbeitsplatzes, Arbeitslosigkeit oder Wechsel der Arbeitsstelle • Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation durch Arbeitszeitverkürzung oder Abbau von Überstunden • Örtliche Versetzung mit längeren Fahrzeiten zur Arbeitsstelle oder Umzug • Qualitative Versetzung mit veränderten Anforderungen und Qualifizierungsnotwendigkeit (Überforderung) • Veränderung der Anforderungen mit Qualifizierungsnotwendigkeit (Überforderung) • Veralten von Qualifikationen • Abbau oder Verlust der Kontrolle über die eigene Arbeit, d. h. des Einflusses auf das Arbeitsergebnis • Verschlechterung der physischen Arbeitsbedingungen oder der Arbeitssicherheit • Systemgegebene Möglichkeiten zur Überwachung der Arbeitnehmer bei Einsatz neuer Arbeitstechniken • Verlust von Einfluss und Macht • Minderung des sozialen Status und Ansehens • Verschlechterung der interpersonellen Beziehungen zu Vorgesetzten und Kollegen Abb. 1.14: Personalwirksame Folgen der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen Risikobarrieren lösen bei den Mitarbeitern Reaktanz aus, d. h. eine Handlungsintention bzw. individuelle Ziele, die auf die Abwehr der erwarteten Verschlechterung der persönlichen Situation gerichtet ist. Sie äußert sich in Widerständen gegen diese Veränderungen und ihre Ergebnisse (vgl. Schanz (2000), S. 275 ff.; Wiendieck (1992), Sp. 91). Erscheinungsformen des Widerstandes aufgrund von Risikobarrieren sind − die nicht vollständige bzw. nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung über Rationalisierungspotentiale, − das Unterlassen von Initiativen zur Rationalisierung und − die Planung suboptimaler Rahmenbedingungen. <?page no="47"?> 30 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Bei der kontinuierlichen Verbesserung können Risikobarrieren zur Verweigerung der aktiven Mitarbeit bei der Erarbeitung von Verbesserungsmaßnahmen führen. (2) Wissensbarrieren Die Effizienzgestaltung kann innovative Problemlösungen erfordern. Die Erarbeitung und Umsetzung dieser Maßnahmen kann neue Anforderungen an die Aufgabenerfüllung stellen und weitreichende Veränderungen der Arbeitsabläufe und -inhalte zur Folge haben. Der Anpassung betrieblicher Rahmenbedingungen können deshalb Wissensbarrieren der Betroffenen entgegenstehen (vgl. Witte (1998), S. 14). Sind die Mitarbeiter tatsächlich oder vermeintlich nicht in der Lage, die Anforderungen der Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Effizienzgestaltung oder der Leistungserstellung und -verwertung unter den veränderten Rahmenbedingungen zu bewältigen, liegen Wissensbarrieren vor. (3) Willensbarrieren Willensbarrieren , d. h. das Nicht-Wollen, gehen auf die negative Einstellung der Mitarbeiter gegenüber den Maßnahmen der Effizienzgestaltung zurück (in Anlehnung an Witte (1998), S. 13 f.). Die Ursachen einer negativen Einstellung gegenüber einer Veränderung sind vielfältig (vgl. Palmer/ Dunford/ Akin (2009), S. 162 ff.): − die fehlende Bereitschaft, einen vertrauten Zustand zu verändern, − die Unsicherheit hinsichtlich der Art der Konsequenzen der Effizienzgestaltung, − die Unvereinbarkeit der Maßnahmen der Effizienzgestaltung mit der Unternehmungskultur, − das Gefühl einer Verletzung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, − die fehlende Einsicht in die Notwendigkeit der Effizienzgestaltung, − unklare Vorstellungen über die Effizienzgestaltung, − das Gefühl, dass die Maßnahmen zur Effizienzgestaltung unangemessen sind oder zum falschen Zeitpunkt vorgenommen werden, − die Überforderung der Fähigkeit zur Veränderung, − die persönlichen Lebensumstände der Mitarbeiter, − Bedenken ethischer Art, − die Erfahrungen mit früheren Vorhaben zur Effizienzgestaltung und − die Unzufriedenheit mit der Art, wie die Effizienzgestaltung durchgeführt wird. Viele Ursachen dieser negativen Einstellung haben ihren Grund in dem unzureichenden Informationsstand der Beteiligten und Betroffenen. Diese Barrieren aus Un- <?page no="48"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 31 kenntnis werden deshalb vielfach als eigenständige Form des Widerstandes abgegrenzt (vgl. z. B. Mohr/ Woehe/ Diebold (1998), S. 41). Hinzu kommen die Bequemlichkeit und die Trägheit einzelner Beteiligter oder Betroffener. Willensbarrieren behindern die Planung und Umsetzung der Veränderung, aber auch die Leistungserbringung unter den veränderten Rahmenbedingungen (vgl. Rosenstiel (1998), S. 34, 44 f.). (4) Kreativitätsbarrieren Zur Effizienzgestaltung sind u. a. Problemlösungsideen zu generieren. Nach der geforderten Neuartigkeit der Lösungsideen können zwei Arten von Problemen der Effizienzgestaltung unterschieden werden (vgl. Klein/ Scholl (2004), S. 139): 1. Probleme aus dem Erfahrungsbereich der Mitarbeiter Diese Probleme sind nicht neuartig, sondern stammen aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Mitarbeiter, die über Vorstellungen zu den Problemgrenzen, Restriktionen und grundlegenden Wirkungszusammenhängen verfügen. Probleme, die dieser Gruppe angehören, werden im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung oder in vielen Rationalisierungsprozessen (z. B. Prozessverbesserung) bearbeitet. Sie verlangen eine systematisch-analytische Vorgehensweise, um die Wirkungszusammenhänge zu erkennen und daraus Maßnahmen herzuleiten, die für die Problemlösung geeignet erscheinen (vgl. Klein/ Scholl (2004), S. 144 f.). 2. Innovative Probleme Probleme dieser Art zeichnen sich durch hohe Komplexität und Neuartigkeit aus. Es liegen deshalb keine Vorstellungen über mögliche Lösungsansätze, Restriktionen und Problemgrenzen vor, d. h., es müssen grundsätzlich neue Handlungsstrategien entwickelt werden. Innovative Probleme treten bei der Neugestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen (z. B. Produktplanung) und einigen Rationalisierungsprojekten (z. B. Prozessinnovation) auf. Für die Bearbeitung innovativer Probleme bei der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen ist Kreativität eine unabdingbare Voraussetzung. Kreativitätsbarrieren verhindern oder behindern das Generieren der zur Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen notwendigen Innovationen (vgl. Kroy (1984), S. 71; Jehle (1986), S. 95 ff.). Sie können ihre Ursachen in fehlender Qualifikation der Mitarbeiter, ungünstigen Arbeitsbedingungen, im Anreizsystem und in der Unternehmungskultur sowie in unzureichender Information und Kommunikation haben (vgl. Staudt/ Mühlemeyer (1995), Sp. 1204). Die kreative Leistung von Mitarbeitern kann durch sozio-emotionale Hilfestellungen, klare Vorgaben, die kontinuierliche Beobachtung mit Feedback, die Anerkennung erbrachter Leistungen, Partizipation sowie die Bereitschaft der Führung zur Mitwirkung bei der Lösung von Problemen positiv beeinflusst werden (vgl. Amabile u. a. (2003), S. 27 ff.). Kreativitätsbarrieren können damit auch aus dem Führungsverhalten resultieren. <?page no="49"?> 32 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe 1.2.3.2 Differenzierung und Dezentralisierung Die Entscheidungen der Unternehmung werden in sachlich und zeitlich abgegrenzte Teilentscheidungen differenziert , die mehr oder weniger isoliert in verschiedenen Verantwortungsbereichen der Unternehmung bzw. zeitlich sukzessive getroffen werden. Die abgegrenzten Teilentscheidungen können durch Sachinterdependenzen verbunden sein (vgl. Friedl (2003), S. 22 f.). Unter Sachinterdependenzen werden die Abhängigkeiten der Zielwirkungen einer Entscheidung von anderen Entscheidungen verstanden. Sachinterdependenzen treten nicht nur zwischen Entscheidungen verschiedener Verantwortungsbereiche in einer Unternehmung auf, sondern auch zwischen Entscheidungen der Unternehmung, seiner Lieferanten und Kunden. Aufgrund von Sachinterdependenzen kann eine Entscheidung in einem anderen Verantwortungsbereich bei einem Lieferanten oder Abnehmer Wirkungen haben, die zu einer Verringerung der Wirtschaftlichkeit in der Unternehmung führen. Die Differenzierung von Entscheidungen bei unzureichender Koordination kann deshalb Ursache von Ineffizienzen sein. Auf die unternehmungsinterne und -übergreifende Differenzierung als Ursache von Ineffizienzen weist auch Porter hin, wenn er von der Verknüpfung (unternehmungsinterne und -übergreifende Koordination) als Kosteneinflussgrößen spricht (vgl. Porter (1992), S. 109 ff.; Abschnitt 8.2.3). Beispiel 1.3: Ineffiziente Rahmenbedingungen durch Differenzierung Die Entscheidung der Produktentwicklung für die Materialart mit den niedrigeren Materialeinzelkosten kann zur Folge haben, dass in der Produktion ein aufwendigeres Fertigungsverfahren gewählt werden muss, das eine Zunahme der Fertigungsgemeinkosten bewirkt, die über der erzielten Einsparung bei den Materialeinzelkosten liegt. Die Koordination erfordert in diesem Beispiel die Abstimmung eines Produktentwurfs mit den Gegebenheiten des Produktionsbereichs (Design to Manufacturing, Design to Assembly). Die durch die Differenzierung gebildeten Teilentscheidungen werden vielfach nicht zentral von der Unternehmungsführung getroffen, sondern dezentral auf nachgeordneten Ebenen der Führungshierarchie. Die Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen verfolgen individuelle Ziele, die in einer konfliktären Beziehung zu den Unternehmungszielen stehen können. Diese Ziele können organisatorisch bedingt sein, wie z. B. das Versorgungssicherungsziel eines Beschaffungsmanagers oder das Deckungsbeitragsziel eines Profit Center-Leiters. Individuelle Ziele können auch aus den subjektiven Präferenzen der Entscheidungsträger folgen, wie z. B. die technischen Ziele eines Konstrukteurs oder das Streben nach einer Reduzierung des Arbeitseinsatzes (vgl. Wagenhofer (1995), S. 124 f.). Bei der Dezentralisation von Teilentschei- <?page no="50"?> Anforderungen an das Kostenmanagement • 33 dungen verfügen die Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen unter spezifischen Bedingungen über Handlungsspielräume, um − die Entscheidungen in den Verantwortungsbereichen und − die Berichterstattung an die Unternehmungsführung an ihren individuellen Zielen auszurichten (vgl. Ewert/ Wagenhofer (2003), S. 457 ff.). Die Berichte aus den Verantwortungsbereichen dienen als Grundlage zentraler Entscheidungen der Unternehmungsführung über die Verteilung knapper Ressourcen (z. B. Investitionsmittel) auf die Verantwortungsbereiche oder über Vorgaben, wie z. B. Budgets und Bereichsziele. Damit liegen sowohl dezentralen Entscheidungen als auch verschiedenen zentralen Entscheidungen nicht die Unternehmungsziele zugrunde, sondern die individuellen Ziel der Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen. Besteht zwischen den individuellen Zielen der Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen und den Unternehmungszielen ein Zielkonflikt , entstehen Ineffizienzen (vgl. Reding/ Dogs (1986), S. 30 f.). Verhaltensinterdependenzen sind die Abhängigkeiten der Unternehmungszielwirkungen zentraler und dezentraler Entscheidungen von den individuellen Zielen der Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen. Sie treten bei Entscheidungsdezentralisation unter folgenden Bedingungen auf (vgl. Ewert (1992), S. 279 f.): − Die dezentralen Entscheidungsträger verfolgen individuelle Ziele, die zu den Unternehmungszielen in einer konfliktären Beziehung stehen können. − Die Informationen sind asymmetrisch verteilt, d. h. die Unternehmungsführung verfügt nicht über dieselben Informationen wie die dezentralen Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen. − Die Fähigkeit der Unternehmungsführung zur Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen ist begrenzt oder die Informationsübermittlung verursacht Kosten. Beispiel 1.4: Ineffizienzen durch Dezentralisation Die Entscheidung über die technischen Merkmale eines Produktes (z. B. Wirkprinzip, Material) werden an Entwicklungsteams im FuE-Bereich delegiert. Mitarbeiter im FuE-Bereich geben technischen Zielen (individuelle Ziele) vielfach den Vorrang vor ökonomischen Zielen (Unternehmungsziele). Durch ihre Ausbildung und die zunehmende Spezialisierung bei der Gestaltung komplexer Produkte haben die Mitarbeiter im FuE-Bereich Informationsvorteile gegenüber der Unternehmungsführung. Die Entscheidungsträger im FuE-Bereich verfügen damit über Freiräume, um ihre individuellen Ziele zu realisieren. Dadurch kommt es u. a. zu Overengineering, bei dem ein Produkt Merkmale aufweist, die keine Bedürfnisse der Kunden befriedigen. Das Produkt weist damit kundenbedingte Ineffizienzen auf. <?page no="51"?> 34 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe 1.2.3.3 Weitere Gründe für Ineffizienzen Informationen werden u. a. für die Identifikation von Rationalisierungspotentialen benötigt. Ein Weg zur Identifikation von Rationalisierungspotentialen ist die systematische Suche nach Weiterentwicklungen, die zur Verbesserung der Effizienz genutzt werden können. Diese Suche setzt voraus, dass bestimmte Datenquellen regelmäßig ausgewertet werden. Rationalisierungspotentiale können aber auch durch die vergleichende Analyse Effizienz beeinflussender Faktoren identifiziert werden. Der inner- oder zwischenbetriebliche Vergleich verlangt Informationen über die Werte dieser Faktoren in der Unternehmung und beim Vergleichspartner. Werden diese Informationen nicht bereitgestellt, bleiben Ineffizienzen unerkannt und Initiativen zur Rationalisierung unterbleiben (vgl. Kajüter (1997), S. 90 f.). Beispiele für kundenbedingte Ineffizienzen sind Produkte mit Funktionen oder Qualitäten, die keine Bedürfnisse des Kunden decken, Maschinen mit quantitativen oder qualitativen Kapazitäten, die für die Erstellung des geplanten Leistungsprogramms nicht erforderlich sind, sowie überqualifizierte Mitarbeiter. Eine Ursache ineffizienter Rahmenbedingungen ist deshalb auch die fehlende Ausrichtung der Gestaltung der Produkte, Programme, Potentiale, Prozesse, Märkte und immateriellen Vermögenswerte am Bedarf der Kunden, d. h. mangelnde Kundenorientierung . Von Relevanz ist hierbei nicht nur der Bedarf der externen Kunden auf dem Absatzmarkt, sondern auch der Bedarf innerbetrieblicher Aufgabenträger an Leistungen anderer Verantwortungsbereiche. Insbesondere im Verwaltungsbereich wird die Ursache ineffizienter Rahmenbedingungen vielfach in der fehlende Kundenorientierung gesehen. Arbeitsverträge definieren die zu erbringende Arbeitsleistung nur unvollständig. Regelungslücken sind durch die Führung situationsbezogen zu schließen. Die Mitarbeiter verfolgen ihre individuellen Ziele, die zu den Unternehmungszielen in einer konfliktären Beziehung stehen können, wie z. B. die Reduzierung des eigenen Arbeitseinsatzes. Bei unzureichender Führung durch die Vorgesetzten verfügen die Mitarbeiter über Spielräume zur Realisation ihrer individuellen Ziele (vgl. Leibenstein (1978a), S. 354). Fehlende Motivation zur Erreichung der Unternehmungsziele und fehlendes Kostenbewusstsein äußern sich in einer Minderleistung der Mitarbeiter, aber auch in Mehrkosten durch innerbetriebliche Konkurrenzkämpfe, Unehrlichkeit und den Umstand, dass Mitarbeiter ihren Prestige-, Selbstdarstellungs- und Repräsentationsbedürfnissen nachgehen (vgl. Pentzek (1991), S. 261 ff.). <?page no="52"?> Kostenmanagement nach der führungsorientierten Konzeption • 35 1.3 Kostenmanagement nach der führungsbezogenen Konzeption 1.3.1 Abgrenzung des Kostenmanagements 1.3.1.1 Ziele des Kostenmanagements Die Problemstellung des Kostenmanagements ist die Gestaltung der Effizienz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit (vgl. Abschnitt 1.1.2.1). Die anzustrebende Wirtschaftlichkeit kann durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip vorgegeben werden. Es handelt sich bei diesem Prinzip um die Grundmaxime jeder Entscheidung über knappe Mittel mit alternativen Handlungsmöglichkeiten. Für dieses Prinzip finden sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur die folgenden Formulierungen (vgl. Bohr (1981), Sp. 1795 ff.): − Minimumprinzip Zur Erreichung einer bestimmten Leistung ist diejenige Handlungsalternative zu wählen, die den minimalen Mitteleinsatz erfordert. − Maximumprinzip Bei gegebenen Mitteln ist diejenige Handlungsalternative zu wählen, welche die Leistung maximiert. An diesen Formulierungen des Wirtschaftlichkeitsprinzips wird kritisiert, dass sie entweder gegebene Mittel oder eine vorgegebene Leistung voraussetzen. In der betrieblichen Realität treten jedoch regelmäßig Situationen auf, in denen weder der Mitteleinsatz noch die Leistung festliegen (vgl. Müller-Merbach (1982), S. 633). Zudem ist auch der für eine vorgegebene Leistung minimale Mitteleinsatz bzw. die mit gegebenen Mitteln maximal erzielbare Leistung meist nicht bekannt (vgl. Leibenstein (1978a), S. 354). Es sind deshalb häufig die vermuteten Ineffizienzen , die das Wirtschaftlichkeitsziel determinieren. Vermutungen über Ineffizienzen können aus Kostensenkungsideen, Erfahrungen oder dem Vergleich mit anderen Unternehmungen resultieren. Wird die Wirtschaftlichkeit nur im Umfang dieser Vermutungen verbessert, können keine Wettbewerbsvorteile geschaffen, Unternehmungsziele, die durch Erwartungen von Kapitalgebern bestimmt werden, nicht erreicht und Unternehmungskrisen nicht bewältigt werden. Um das Wirtschaftlichkeitsziel zu definieren, wird das generelle Extremumprinzip als allgemeinere Formulierung des Wirtschaftlichkeitsprinzips herangezogen. Das generelle Extremumprinzip besagt, dass der Mitteleinsatz und die Leistung so aufeinander abzustimmen sind, dass der durch sie gestaltete ökonomische Prozess optimiert wird. Das Optimalitätskriterium und der Prozess sind dabei problemindividuell zu definieren (vgl. Müller-Merbach (1982), S. 633 f.). Wie jeder andere Aufgabenbereich der Unternehmung ist auch das Kostenmanagement an den Zielen der Unternehmung auszurichten (vgl. Franz/ Kajüter (1997), <?page no="53"?> 36 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe S. 484). Bei der gewählten Problemstellung ist als Optimalitätskriterium deshalb das Unternehmungsziel (z. B. Gewinn, Rentabilität, Shareholder Value) zu verwenden. Das Ziel des Kostenmanagements ist ein Wirtschaftlichkeitsziel, dessen Ausmaß aus den Unternehmungszielen hergeleitet wird. Zur unternehmungszielorientierten Verbesserung der Wirtschaftlichkeit gestaltet das Kostenmanagement die Effizienz. Sie ist das Gestaltungsobjekt des Kostenmanagements. Maßnahmen zur Gestaltung der Effizienz können zulasten der Effektivität gehen, die gemeinsam mit der Effizienz die Wirtschaftlichkeit determiniert (vgl. Abb. 1.15). So kann das Material aus einer kostengünstigeren Bezugsquelle die Qualität des Produktes vermindern oder der Abbau von Beständen die Lieferbereitschaft verringern. Die Effizienzgestaltung kann deshalb nur im Rahmen der vorgegebenen Effektivität zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beitragen. Der Handlungsspielraum des Kostenmanagements wird deshalb durch Restriktionen begrenzt, welche die zur Realisation des Unternehmungszieles angestrebte Effektivität vorgeben. Effektivitätsbezogene Restriktionen begrenzen den Handlungsspielraum der Effizienzgestaltung, um die zur Unternehmungszielerreichung geforderte Effektivität zu sichern. Sie können sich auf die Marktleistung oder die interne Leistung beziehen. interne Leistung Marktleistung Wirtschaftlichkeit = × Mitteleinsatz interne Leistung = Effizienz × Effektivität Abb. 1.15: Ziele und Restriktionen des Kostenmanagements 1.3.1.2 Lösungsansatz des Kostenmanagements Abb. 1.16 gibt die in der Literatur genannten Problemlösungsansätze für die Effizienzgestaltung wieder. Sie zeigen die Vorgehensweise des Kostenmanagements bei der Effizienzgestaltung zur zielorientierten Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Unternehmungsziel Ziel des Kostenmanagements Generelles Extremumprinzip: Abstimmung zwischen Mitteleinsatz und Leistung, so dass das Unternehmungsziel erreicht wird Restriktion des Kostenmanagements Gestaltungsobjekt des Kostenmanagements <?page no="54"?> Kostenmanagement nach der führungsorientierten Konzeption • 37 Konzeption Problemlösungsansatz Informationsbezogene Konzeption Versorgung der Unternehmungsführung mit Informationen und Methoden zur Gestaltung der Effizienz Maßnahmenbezogene Konzeption Planung und Steuerung von Maßnahmen zur Gestaltung der Effizienz Entscheidungsbezogene Konzeption Planung, Durchsetzung und Kontrolle von Kostenvorgaben, um die Entscheidungen in der Unternehmung an den Erfordernissen der Effizienzgestaltung auszurichten Führungsbezogene Konzeption Beeinflussung des Verhaltens der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen in der Unternehmung, um es in die Richtung einer zielorientierten Veränderung der Effizienz zu lenken Abb. 1.16: Lösungsansätze des Kostenmanagements in der Literatur Wird das Kostenmanagement auf der Grundlage der informationsbezogenen Konzeption abgegrenzt, bildet es einen Aufgabenbereich des Controlling. Nach der maßnahmenbezogenen Konzeption entspricht das Kostenmanagement der Rationalisierung. Ineffizienzen, die bei der Neuplanung der betrieblichen Rahmenbedingungen und durch das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung erschlossen werden können, finden in dieser Konzeption keine Berücksichtigung. In diesen Konzeptionen ist z. B. die Anwendung der Wertanalyse auf Produkte im Marktzyklus (vgl. Abschnitt 6.3) von Bedeutung, nicht jedoch die kostenorientierte Produktgestaltung im Entstehungszyklus (vgl. Abschnitt 6.2). Die entscheidungsbezogene Konzeption sieht vor, dass sich die Kostengestaltung auf alle Entscheidungen der Unternehmung erstreckt. Ein nach dieser Konzeption abgegrenztes Kostenmanagement blendet die Ineffizienzen aus, die durch Barrieren bei der Realisation von Entscheidungen über die Rahmenbedingungen und bei der Leistungserbringung in allen Bereichen der Unternehmung entstehen. Die Problemlösungsansätze der informations-, der maßnahmen- und der entscheidungsbezogenen Konzeption vernachlässigen die personenbezogenen Aspekte der Effizienzgestaltung. Im Vordergrund steht die Lösung von Sachproblemen der Effizienzgestaltung, insbesondere die Planung und Kontrolle von Kostenvorgaben, die Planung von Maßnahmen zur Effizienzgestaltung sowie Planungs- und Kontrollinstrumente. Da es die Menschen in der Unternehmung sind, deren Handeln die Kosten determinieren, kann durch den Problemlösungsansatz dieser drei Konzeptionen ein bedeutender Teil der Ineffizienzen in einer Unternehmung nicht erschlossen werden. Becker empfiehlt daher, nicht von Kostenmanagement, sondern von Kostenpolitik zu sprechen (vgl. Becker (1993), S. 11). <?page no="55"?> 38 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Um den Entwicklungen auf den Märkten erfolgreich begegnen, Wettbewerbsvorteile schaffen und den Unternehmungswert steigern zu können, kann das Kostenmanagement in einer Unternehmung nicht einer Konzeption folgen, die von vornherein Handlungsfelder der Effizienzgestaltung aus der Betrachtung ausschließt. Eine Konzeption, deren Problemlösungsansatz sich auf alle Handlungsfelder der Effizienzgestaltung erstreckt und auch die personenbezogen Aspekte einbezieht, ist der Problemlösungsansatz der führungsbezogenen Konzeption, nach der es sich beim Kostenmanagement um einen Aufgabenbereich der Unternehmungsführung handelt. Der Problemlösungsansatz des Kostenmanagements ist die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen in der Unternehmung, um es zielorientiert zu lenken. 1.3.2 Begriff des Kostenmanagements Bei Abgrenzung nach der führungsbezogenen Konzeption ist das Kostenmanagement ein Aufgabenbereich der Unternehmungsführung, der wie folgt definiert werden kann: Kostenmanagement ist die Gestaltung der Effizienz durch die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen zur zielorientierten Veränderung der Wirtschaftlichkeit. Nach dieser Konzeption weist das Kostenmanagement folgende Merkmale auf: − die Gestaltung der Effizienz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit als spezifische Problemstellung, − das Unternehmungsziel als Ziel des Kostenmanagements und − die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen als Problemlösungsansatz. 1.3.3 Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements Für die Zwecke der Darstellung und Forschung, aber auch für das Setzen von Schwerpunkten der Effizienzgestaltung in der Unternehmungspraxis wird das Kostenmanagement in Gestaltungsbereiche gegliedert. Das sind überschaubare Ausschnitte (vgl. Reiß/ Corsten (1992), S. 1479) der zielorientierten Gestaltung der Effizienz. Die Gestaltungsbereiche werden nach − dem Gestaltungsobjekt und − den Gestaltungsparametern abgegrenzt. Durch das Gestaltungsobjekt wird der Aspekt festgelegt, der zielorientiert gestaltet werden soll. Mit den Gestaltungsparametern werden die Einflussgrößen bestimmt, über die auf das Gestaltungsobjekt eingewirkt werden soll. <?page no="56"?> Kostenmanagement nach der führungsorientierten Konzeption • 39 1.3.3.1 Gestaltungsobjekte des Kostenmanagements Das Gestaltungsobjekt des Kostenmanagements ist der Sachverhalt, der über die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen zielorientiert gestaltet werden soll. Das Gestaltungsobjekt des Kostenmanagements ist zunächst die Effizienz , d. h. das Verhältnis aus der Leistung und dem hierzu erforderlichen Mitteleinsatz. Sind die Art, der Zeitpunkt und die Qualität der Leistung durch effektivitätsbezogene Restriktionen vollständig definiert, kann die Effizienzgestaltung auf die Gestaltung der Kosten zur Erzeugung einer bestimmten Leistungsmenge begrenzt werden, d. h. auf die Gestaltung des Kostenniveaus. Die mengenmäßig Leistung, die von einer Unternehmung oder einem Teilbereich der Unternehmung in einer Periode erbracht wird, ist die Beschäftigung (vgl. Kilger (1993), S. 140). Die Beschäftigung kann konstant sein, trendmäßig zubzw. abnehmen oder mehr oder weniger stark schwanken. Um zu vermeiden, dass die Effizienz bei Veränderungen der Beschäftigung sinkt, kann es notwendig sein, das Kostenverhalten oder die Kostenstruktur zu gestalten. Bei artmäßig, zeitlich und qualitativ definierter Leistung treten an die Stelle der Effizienz als Gestaltungsobjekte des Kostenmanagements − das Kostenniveau, − das Kostenverhalten oder − die Kostenstruktur (vgl. Reiß/ Corsten (1990), S. 390). Nach diesen Gestaltungsobjekten werden das Kostenniveau-, das Kostenverlaufs- und das Kostenstrukturmanagement als Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements abgegrenzt (vgl. Reiß/ Corsten (1992), S. 1479). Sie eignen sich in folgenden Situationen als Schwerpunkte des Kostenmanagements: Bei konstanter Beschäftigung reicht es zur Gestaltung der Effizienz aus, das Kostenniveau zu senken. Nimmt die Beschäftigung trendmäßig zu oder ab, ist zur Sicherung der Effizienz das Kostenverhalten zu gestalten. Bei schwankender oder sinkender Beschäftigung kann die Zielerreichung die Gestaltung der Kostenstruktur erforderlich machen (vgl. Abb. 1.17). (1) Kostenniveau Das Kostenniveau bezeichnet die Höhe der Kosten einer nach − dem Bezugsobjekt, − dem Zurechnungszeitraum und − der Kostenart präzise abgegrenzten Kostenkategorie. <?page no="57"?> 40 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Abb. 1.17: Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements bei definierten Ausbringungsgütern Ein Bezugsobjekt ist ein Sachverhalt, für den Kosten angefallen sind. Nach dem Bezugsobjekt werden u. a. die Kosten der Unternehmung, eines Unternehmungsbereiches (Funktion, Division, Kostenstelle, Prozess), einer Produktgruppe, eines Produktes, einer Produkteinheit, eines Auftrags oder einer Losgröße unterschieden (vgl. Kosiol (1964), S. 28). Wird der Zurechnungszeitraum herangezogen, werden die Periodenkosten (Jahr, Quartal, Monat), die Kosten einer Lebenszyklusphase (Vorleistungskosten, laufende Kosten, Folgekosten) und die Lebenszykluskosten getrennt. Nach den verbrauchten Einsatzgütern werden die Kostenarten unterschieden, wie z. B. die Material- und Stoffkosten, die Personalkosten, die Dienstleistungskosten, die Informationskosten sowie die Kosten für Steuern. Die Kostenkategorie kann sich auf eine Kostenart oder wie z. B. bei den Herstellkosten auf mehrere Kostenarten gemeinsam beziehen. Abb. 1.18 nennt Beispiele für Kostenkategorien. Herstellkosten einer Produkteinheit Herstellkosten, die bei der Produktion einer Einheit eines Produktes anfallen Periodenkosten der Unternehmung Kosten, die in der Unternehmung während einer Periode anfallen Periodenherstellkosten des Produktes Herstellkosten, die für die in der Periode hergestellte Menge eines Produktes anfallen Lebenszykluskosten des Produktes Kosten, die in der Entstehungs- und Nachsorgephase sowie für die während der Marktphase hergestellte Menge eines Produktes in der Unternehmung anfallen Abb. 1.18: Beispiele für Kostenkategorien (2) Kostenverlauf Der Kostenverlauf beschreibt das Verhalten der Kosten bei Beschäftigungsänderungen. Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements bei definierten Ausbringungsgütern Konstante Beschäftigung Schwankende oder abnehmende Beschäftigung Trendmäßig steigende Beschäftigung Kostenniveaumanagement Kostenstrukturmanagement Kostenverlaufsmanagement <?page no="58"?> Kostenmanagement nach der führungsorientierten Konzeption • 41 Nach der Abhängigkeit der Kosten von der Beschäftigung werden abgegrenzt: − die fixen Kosten und − die variablen Kosten. Variabel sind Kosten, deren Höhe sich bei Variation der Beschäftigung verändert (vgl. Heinen (1983), S. 154). Nach der Art des Kostenverlaufs werden folgende Kategorien variabler Kosten unterschieden (vgl. Schmalenbach (1928), S. 8 f. und (1963), S. 47 ff.): proportionale, progressive (überproportionale), degressive (unterproportionale) und regressive Kosten. Fixe Kosten fallen vor allem für Potentialfaktoren (z. B. Gebäude, Maschinen, Arbeitskräfte) an. Diese Faktoren verfügen über eine bestimmte Kapazität. Diese begrenzt ein Intervall , in dem die Beschäftigung variieren kann, ohne dass der Potentialfaktorbestand verändert werden muss (vgl. Heinen (1983), S. 512 f.). Die fixen Kosten sind bei Beschäftigungsänderungen innerhalb eines Intervalls konstant. Die fixen Stückkosten sinken innerhalb dieses Intervalls mit zunehmender Beschäftigung. Nach der Breite dieses Intervalls werden die fixen Kosten in − die absolut fixen und − die sprungfixen Kosten untergliedert (vgl. Schmalenbach (1928), S. 25). Verändert sich die Beschäftigung innerhalb des Intervalls, so sind die Kosten absolut fix . Sprungfixe Kosten treten auf, wenn die Beschäftigung die Intervallgrenze übersteigt. Die fixen Kosten sind bei einem Beschäftigungsanstieg bis zur Kapazitätsgrenze konstant. Eine weitere Erhöhung der Beschäftigung erfordert eine Kapazitätserweiterung, die zu einem sprunghaften Anstieg der fixen Kosten führt. Bei einem weiteren Beschäftigungszuwachs sind die fixen Kosten wieder konstant (vgl. Heinen (1993), S. 513). Erfordert eine Beschäftigungszunahme z. B., dass eine weitere Lagerhalle angemietet wird, haben die Mietkosten den Charakter sprungfixer Kosten. Bewirken ein Beschäftigungsrückgang oder Maßnahmen der Potential-, der Prozess- oder Produktgestaltung eine Abnahme des Kapazitätsbedarfs, so können u. U. Kapazitäten abgebaut werden. Der Abbau von Kapazitäten ist mit einem gewissen Zeitbedarf verbunden, der folgende Komponenten umfasst: − die Erkenntnisverzögerung, − die Handlungsverzögerung und − die Wirkungsverzögerung. Die Erkenntnisverzögerung ist der Zeitraum von der Abnahme des Kapazitätsbedarfs bis zum Erkennen der Handlungsnotwendigkeit durch das Management. Die Planung und Realisation der Maßnahmen zum Kapazitätsabbau verursachen eine <?page no="59"?> 42 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Handlungsverzögerung . Die Wirkungsverzögerung erstreckt sich von der Durchsetzung der Anpassungsmaßnahmen bis zum Eintritt der Kostensenkung (vgl. Nink (2002), S. 32). Als Gründe für die Wirkungsverzögerung können genannt werden: Kündigungsfristen der Kauf-, Miet- und Arbeitsverträge für die Produktionsfaktoren, die begrenzte Teilbarkeit der Potentialfaktoren und der Verzicht auf einen Kapazitätsabbau, wenn eine Beschäftigungszunahme erwartet wird, sowie ungenaue Vorstellungen über den Kapazitätsbedarf bei verschiedenen Beschäftigungsgraden. Diese Verzögerungen, die analog auch bei steigender Beschäftigung auftreten können, sind für Kostenremanenzen verantwortlich (vgl. Kilger (1958), S. 102 ff.). Kostenremanenzen treten vor allem bei sprungfixen Kosten auf. Langfristige Verträge können jedoch auch bei variablen Kosten zu Kostenremanenzen führen. Als Kostenremanenz wird die Erscheinung bezeichnet, dass sich variable und sprungfixe Kosten bei einer Veränderung der Beschäftigung nicht sofort, sondern erst mit Verzögerung anpassen (vgl. Busse von Colbe (1958), Sp. 3460). Der Verlauf der variablen Kosten und der kurzfristig veränderbaren fixen Kosten ist für die Erreichung des kurzfristigen Erfolgszieles von Bedeutung, wenn eine Veränderung der Beschäftigung erwartet oder geplant wird. Bei einer Zunahme der Beschäftigung ist ein proportionaler oder degressiver Verlauf der variablen Kosten von Vorteil, da er ein gleichbleibendes bzw. sinkendes Niveau der variablen Stückkosten sichert (vgl. Reiß/ Corsten (1992), S. 1481). Bei einem progressiven Verlauf der variablen Kosten führt eine Beschäftigungszunahme zu steigenden variablen Stückkosten und damit abnehmenden Stückdeckungsbeiträgen des Produktes. Der Periodendeckungsbeitrag des Produktes steigt unter diesen Bedingungen unterproportional und nimmt sogar absolut ab, sobald die variablen Stückkosten den Preis des Produktes übersteigen (vgl. Männel (1995), S. 32). Bei einer Beschäftigungsabnahme verändern sich die fixen Kosten zunächst nicht. Den durch den Beschäftigungsrückgang verringerten Periodendeckungsbeiträgen stehen damit fixe Kosten in unveränderter Höhe gegenüber, d. h. der Erfolg geht zurück. Erst wenn die durch den Beschäftigungsrückgang frei werdenden Kapazitäten abgebaut werden, nehmen die fixen Kosten sprunghaft ab. Kostenremanenzen verstärken den Erfolgsrückgang bei einer Abnahme der Beschäftigung. Es sind deshalb Maßnahmen zu ergreifen, durch die Erkenntnis-, Handlungs- und Wirkungsverzögerungen bei der Anpassung sprungfixer Kosten vermieden oder zumindest verkürzt werden können (vgl. Busse von Colbe (1958), Sp. 3463). Die Gestaltung des Kostenverlaufs zielt auf − die Sicherung des Niveaus der variablen Stückkosten bei einer Beschäftigungszunahme durch das Vermeiden progressiver variabler Kosten und − den Abbau von Kostenremanenzen bei einer Beschäftigungsabnahme. <?page no="60"?> Kostenmanagement nach der führungsorientierten Konzeption • 43 (3) Kostenstruktur Unter der Kostenstruktur wird generell die Zusammensetzung der Gesamtkosten aus verschiedenen Kostenkategorien verstanden. Die Kostenkategorien können nach der Zurechenbarkeit zu einem Bezugsobjekt (Einzel- und Gemeinkosten) oder nach der Flexibilität abgegrenzt werden, d. h. der Fähigkeit zur Anpassung bei einem Beschäftigungsrückgang. Nach der Flexibilität werden Leistungs- und Bereitschaftskosten unterschieden. Leistungskosten verändern sich bei einer Variation der Beschäftigung automatisch. Bereitschaftskosten entstehen für die Vorhaltung einer Produktions-, Absatz-, Lagerungs- oder auch Führungs- und Verwaltungsbereitschaft und werden aufgrund von Erwartungen und Planungen vordisponiert. Sie sind von der tatsächlichen Leistung unabhängig (vgl. Riebel (1974), Sp. 1144 f.). Die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Einzel- und Gemeinkosten ist bisher kaum behandelt worden (zu einer Ausnahme vgl. Trost/ Wuttke (1997)). Im Mittelpunkt des Interesses steht das Verhältnis zwischen Leistungs- und Bereitschaftskosten , da die Flexibilität der Kosten bei Erlösunsicherheit das Beschäftigungsrisiko determiniert (vgl. Backhaus/ Funke (1997), S. 30). Unter dem Beschäftigungsrisiko wird die Gefahr einer Abweichung vom angestrebten Erfolgsziel der Unternehmung verstanden, die bei Erlösunsicherheit durch die Bereitschaftskosten entsteht (vgl. Funke (1995), S. 60 ff.). Nach der Abbaufähigkeit können folgende Kategorien von Bereitschaftskosten unterschieden werden (vgl. Oecking (1994), S. 78 f.): − die Kosten der Betriebsbereitschaft, − die budgetierten Kosten und − die beschäftigungsabhängig disponierbaren Kosten. Kosten der Betriebsbereitschaft fallen zur Sicherung der aktuellen und der zukünftigen Fähigkeit der Unternehmung zur Realisation des geplanten Leistungsprogramms an. Sie können nicht abgebaut werden. Budgetierte Kosten entstehen in Bereichen, deren Beschäftigung von der Auslastung der Produktion unabhängig ist, wie z. B. Public Relation und Controlling. Diese Kosten können durch den Abbau interner Leistungen oder effizienzsteigernde Maßnahmen gesenkt werden. Beschäftigungsabhängig disponierbare Kosten entstehen in Bereichen, deren Beschäftigung von den Produktionsmengen abhängig ist (z. B. Produktion, Beschaffung, Logistik). Diese Kosten können durch die Anpassung der Kapazitäten an Beschäftigungsänderungen verändert werden. Dem Abbau von Bereitschaftskosten stehen jedoch folgende Hemmnisse entgegen (vgl. Süverkrüpp (1968), S. 94 ff.): <?page no="61"?> 44 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe − die unternehmungspolitischen Erfordernisse, − die technisch-organisatorische Anpassungsfähigkeit der Unternehmung, − der rechtliche Verpflichtungsrahmen sowie − der psychologisch-gesellschaftliche Bedingungsrahmen. Unternehmungspolitische Erfordernisse sind die quantitativen, qualitativen und zeitlichen Merkmale des aktuellen und des geplanten Leistungsprogramms und der damit verbundene Einsatzgüterbedarf. Die technisch-organisatorische Anpassungsfähigkeit der Unternehmung wird u. a. durch die begrenzte Teilbarkeit der Potentialgüter und ihre Einsatzvielfalt eingeschränkt. Wird ein Potentialgut für die Erstellung verschiedenartiger Leistungen eingesetzt, kann es nicht abgebaut werden, solange mindestens eine dieser Leistungen erstellt werden soll. Zu dem rechtlichen Verpflichtungsrahmen zählen gesetzliche, tarif- und einzelvertragliche Regelungen, wie z. B. Auflagen im Bereich des Umweltschutzes und Kündigungsfristen, die einem Abbau der Bereitschaftskosten entgegenstehen. Die psychologisch-gesellschaftlichen Einflussgrößen haben ihre Ursache in unerwünschten Nebenwirkungen des Abbaus von Bereitschaftskosten, z. B. der Entlassung bewährter Mitarbeiter. Die Gestaltung der Kostenstruktur zielt auf die Flexibilisierung der Bereitschaftskosten zur Verringerung des Beschäftigungsrisikos. Das verlangt − die Erhöhung des Anteils der Leistungskosten, − die Senkung der Kosten der Betriebsbereitschaft sowie − die Beseitigung von Hemmnissen des Abbaus von Bereitschaftskosten. Kostenhöhe, Kostenverlauf und Kostenstruktur sind die Merkmale der Kostensituation der Unternehmung (vgl. Kajüter (2000), S. 117). Sie sind nicht unabhängig voneinander. So kann eine Verringerung des Anteils der Bereitschaftskosten eine Erhöhung der Gesamtkosten zur Folge haben. Auch kann es sein, dass die Vermeidung eines progressiven Kostenverlaufs eine Kapazitätsanpassung notwendig macht, die den Anteil der Bereitschaftskosten an den Gesamtkosten erhöht (vgl. Gälweiler (1977), S. 69 f.). Die drei Merkmale der Kostensituation sollten deshalb nicht isoliert gestaltet werden (vgl. Konle (2002), S. 18). 1.3.3.2 Gestaltungsparameter des Kostenmanagements Kosten können nicht unmittelbar gestaltet werden, sondern nur mittelbar über die Veränderung der Ausprägung von Kosteneinflussgrößen (vgl. hierzu Abschnitt 8.2). Gestaltungsparameter des Kostenmanagements sind alle Kosteneinflussgrößen, deren Ausprägung zum Zweck der Effizienzgestaltung zielorientiert verändert werden kann. <?page no="62"?> Kostenmanagement nach der führungsorientierten Konzeption • 45 Nach den Elementen eines Leistungserstellungssystems werden folgende Arten von Kosteneinflussgrößen abgegrenzt (vgl. Kern (1990); Corsten (2007), S. 25 f.): − die Kosten beeinflussenden Produktmerkmale (z. B. Produktfunktionen, Werkstoffe, Fertigungsverfahren, Teilezahl, Oberflächenart), − die Kosten beeinflussenden Programm-Merkmale (z. B. Anzahl der Produkte und Varianten, Produktionsmengen, Fertigungs- und Leistungstiefe), − die Kosten beeinflussenden Potentialmerkmale (z. B. Qualität, Kapazität, Flexibilität der Potentialgüter, Anzahl der Lieferanten, Bestellmengen und -zeitpunkte) und − die Kosten beeinflussenden Prozessmerkmale (z. B. Anzahl der Prozesse, Prozessvollzug, Reihenfolge der Prozesse, Ort der Prozessausführung). Die Auffassung, dass die Elemente eines Leistungserstellungssystems die Gestaltungsparameter des Kostenmanagements sind, ist in der Literatur weit verbreitet (vgl. Kajüter (2000), S. 161). Dabei wird jedoch übersehen, dass der Wertschöpfungsprozess nicht mit der Fertigstellung der Produkte endet. Die Leistungsverwertung, die sich an die Leistungserstellung anschließt, wirkt sich ebenfalls auf die Kosten der Unternehmung aus. Die Berücksichtigung des Leistungsverwertungsprozesses führt zur Abgrenzung der Kosten beeinflussenden Marktmerkmale als weitere Klasse von Gestaltungsparametern des Kostenmanagements, zu der u. a. die Kundenstruktur (vgl. Homburg/ Demmler (1995), S. 25) sowie die Anzahl und die Art der Vertriebskanäle (vgl. Porter (1992), S. 116) zählen. Kilger nennt als Entscheidungen mit Einfluss auf die Kosten der Unternehmung neben den Entscheidungen über die Elemente eines Leistungserstellungssystems auch Entscheidungen über den Aufbau immaterieller Vermögenswerte , die er als zeitungebundene Nutzungspotentiale bezeichnet (vgl. Kilger (1993), S. 135 f.). Es sind mehrere Systematiken für immaterielle Vermögenswert vorgeschlagen worden (zu einem Überblick vgl. Kaufmann/ Schneider (2004), S. 376 f.). Sehr detailliert ist die Systematik des Arbeitskreises „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft, die sieben Kategorien immaterieller Vermögenswerte unterscheidet (vgl. Schmalenbach-Gesellschaft (2001), S. 990 f.): − das Innovationskapital (z. B. Software, Patente, ungeschützte Rezepturen), − das Human Capital (z. B. Wissen der Mitarbeiter, Betriebsklima), − das Customer Capital (z. B. Kundenlisten, Kundenzufriedenheit, Marken, Abnahmeverträge), − das Supplier Capital (z. B. Verträge über den Bezug knapper Ressourcen), − das Investor Capital (z. B. günstiges Rating), − das Process Capital (z. B. funktionierendes Vertriebsnetz, hochwertige Qualitätssicherung) sowie − das Location Capital (z. B. günstige Verkehrsanbindung, Steuervorteile). <?page no="63"?> 46 • Kostenmanagement als Führungsaufgabe Beispiele für die Kosten beeinflussenden Merkmale immaterieller Vermögenswerte sind der Zuwachs und die Verbreitung von Wissen (vgl. Porter (1992), S. 106 ff.) und das Kostenbewusstsein der Mitarbeiter (vgl. Shank/ Govindarajan (1995), S. 38). Über die Preise der Einsatzgüter und die Transaktionskosten hängen die Kosten der Unternehmung mittelbar auch von den Kosteneinflussgrößen der Lieferanten und Kunden ab. Über Kooperationen kann das Entscheidungs- und Ausführungsverhalten bei den Lieferanten bzw. Kunden beeinflusst werden. Auf diesem Weg werden die Kosteneinflussgrößen bei den Lieferanten bzw. Kunden zu Gestaltungsparametern des Kostenmanagements der Unternehmung. Durch die sieben Klassen der Gestaltungsparameter können Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements abgegrenzt werden. Diese haben jeweils die zielorientierte Effizienzgestaltung durch die Veränderung der Gestaltungsparameter einer Klasse zum Gegenstand. Zu diesen Gestaltungsbereichen des Kostenmanagements zählen: das programmorientierte, das prozessorientierte (vgl. Kapitel 5), das produktorientierte (vgl. Kapitel 6), das potentialorientierte (vgl. Kapitel 7) und das marktorientierte Kostenmanagement sowie das Kostenmanagement immaterieller Vermögenswerte und das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement (vgl. Abschnitt 7.2.3). <?page no="64"?> 2 Aufgaben des Kostenmanagements 2.1 Abgrenzung des Aufgabenbereichs Nach der führungsbezogenen Konzeption wird die Effizienz durch die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen zielorientiert gestaltet. Die Aufgaben zur Einflussnahme auf das Handeln anderer Personen werden u. a. in folgende Bereiche gegliedert (in Anlehnung an Wild (1981), S. 32; Bleicher (1995), S. 24 f.; Krüger (2007), Sp. 198; Abb. 2.1): − die sachbezogenen Aufgaben, − die personenbezogenen Aufgaben und − die strukturbezogenen Aufgaben. Sachbezogene Aufgaben Strukturbezogene Aufgaben Personenbezogene Aufgaben − Suche nach Rationalisierungspotentialen − Planen von Vorgaben − Durchsetzen von Vorgaben − Sichern von Vorgaben − Kontrolle von Vorgaben − Schaffen einer Kostenkultur − Ausrichten der Unternehmungsorganisation − ... − Obligatorische Aufgaben − Fakultative Aufgaben • Schaffen von Akzeptanz • Sichern von Fachkenntnissen • Beeinflussen des Leistungsverhaltens • Fördern der Kreativität Abb. 2.1: Aufgaben des Kostenmanagements (1) Sachbezogene Aufgaben des Kostenmanagements Nach der Zielsetzungstheorie (vgl. Abschnitt 9.1.3.2) wirken Ziele auf die Richtung, die Intensität und die Ausdauer des Handelns von Aufgabenträgern. Durch die Vorgabe geeigneter Ziele kann das Handeln an den Wirtschaftlichkeitszielen ausgerichtet werden. Vorgaben werden für die Neuplanung und die Rationalisierung der Rahmenbedingungen, die Sicherung einer effizienten Leistungserstellung und die kontinuierliche Verbesserung geplant, durchgesetzt und kontrolliert. Rationalisierungsvorhaben werden nicht routinemäßig durchgeführt, sondern durch Initiativen zum Abbau von Ineffizienzen ausgelöst. Voraussetzung der Rationalisierung ist deshalb die permanente oder ereignisbezogene Suche nach Rationalisierungspotentialen . Die sachbezogenen Aufgaben des Kostenmanagements umfassen neben dem Initiieren von Rationalisierungsvorhaben vor allem die Planung, Durchsetzung, Kontrolle und Sicherung von Vorgaben für die Träger der Effizienzgestaltung. Das Schaffen effizienter Rahmenbedingungen und einer effizienten Leistungserstellung vollziehen sich in Planungs-, Umsetzungs- und Ausführungsprozessen. Diese Prozesse werden von der Planung, Durchsetzung und Kontrolle der Vorgaben begleitet. Abb. 2.2 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Effizienzgestaltung und den sachbezogenen Aufgaben des Kostenmanagements. <?page no="65"?> 48 • Aufgaben des Kostenmanagements Abb. 2.2: Sachbezogene Aufgaben des Kostenmanagements Durch die Planung werden Vorgaben in Abstimmung mit den Zielen des Kostenmanagements festgelegt, welche die Träger der Effizienzgestaltung während des Planungszeitraumes zu realisieren haben. Aufgaben der Durchsetzung geplanter Vorgaben sind das Schaffen der Voraussetzungen für die Realisation der Vorgaben sowie das hierzu erforderliche Vorbereiten der Aufgabenträger. Die Durchsetzung ist immer dann von Bedeutung, wenn die Vorgaben nicht von denjenigen umgesetzt werden, die sie auch geplant haben (vgl. Wild (1981), S. 42; Wollnik (1989), Sp. 1382). Die Kontrolle umfasst das Ermitteln realisierter oder erwarteter Abweichungen von den Vorgaben und die Analyse der Ursachen dieser Abweichungen (in Anlehnung an Schweitzer (2005), S. 75; Küpper (2008), S. 211). Bei Abweichungen von den Vorgabegrößen schließt sich an die Kontrolle die Sicherung an. Sie umfasst Aktivitäten, die auf die Abwendung erwarteter oder den Abbau eingetretener Abweichungen zielen. Die Aktivitäten können die Anpassung von Maßnahmenplänen (z. B. Korrektur eines Pro- Planung und Durchsetzung von Vorgaben für die Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen Planung von Maßnahmen zur Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen Sichern einer effizienten Leistungserbringung und kontinuierliche Verbesserung Planung und Durchsetzung von Vorgaben für das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung Umsetzung geplanter Maßnahmen zur Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen Kontrolle und Sicherung der Vorgaben für die Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen Kontrolle und Sicherung der Vorgaben für das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung Rückkopplungsinformationen Vorkopplungsinformationen Aufgaben des Kostenmanagements <?page no="66"?> Abgrenzung des Aufgabenbereichs • 49 duktentwurfs) oder der effektivitätsorientierten Restriktionen betreffen (z. B. Veränderungen bei den Produktmerkmalen, die der Produktentwicklung zusammen mit Produktkostenzielen vorgegeben werden). (2) Strukturbezogene Aufgaben des Kostenmanagements Der durch die Unternehmungskultur, die Unternehmungsgrundsätze und das Führungssystem geschaffene institutionelle Rahmen der Unternehmung kann eine systembedingte Barriere der Effizienzgestaltung sein, weil z. B. die Kostenverantwortung unklar oder nicht umfassend genug zugewiesen worden ist, falsche Anreize gewährt werden, steigenden Kosten nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zukommt, keine ambitionierten Kostenziele verfolgt werden oder das Kostenbewusstsein fehlt (vgl. KPMG (2007), S. 4 ff). Gegenstand der strukturbezogenen Aufgaben des Kostenmanagements ist es, bestehende systembedingte Barrieren der Effizienzgestaltung abzubauen bzw. das Entstehen neuer Barrieren bei der Gestaltung des institutionellen Rahmens zu vermeiden. (3) Personenbezogene Aufgaben des Kostenmanagements Der Realisation von Vorgaben können personenbedingte Barrieren entgegenstehen. Gegenstand der personenbezogenen Aufgaben des Kostenmanagements ist es, diese Barrieren zu überwinden und die Realisation der Vorgaben sowie die Wahrnehmung sich bietender Chancen für die Effizienzgestaltung zu sichern. Die personenbezogenen Aufgaben des Kostenmanagements betreffen die Optimierung der Bedingungen der Mitarbeiter für die Ausrichtung der Aufgabenerfüllung an den Vorgaben innerhalb der gegebenen Strukturen (in Anlehnung an Steiger (2008a), S. 114 ff.). Die Notwendigkeit personenbezogener Aufgaben folgt nicht nur aus der Existenz personenbedingter Barrieren, die in den Handlungsfeldern des Kostenmanagements die Gestaltung der Effizienz verzögern, beeinträchtigen oder verhindern können. Der Gesetzgeber macht vor allem im Betriebsverfassungsgesetz, im Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und im Kündigungsschutzgesetz Vorschriften zu den Rechten der Mitarbeiter bei der Gestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen. Bei den personenbezogenen Aufgaben sind deshalb − obligatorische und − fakultative zu unterscheiden. Die Wahrnehmung der obligatorischen Aufgaben ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Die fakultativen zielen darauf, die personenbedingten Barrieren der Effizientgestaltung zu überwinden. Der Effizienzgestaltung stehen Willens-, <?page no="67"?> 50 • Aufgaben des Kostenmanagements Risiko-, Wissens- und Kreativitätsbarrieren entgegen. Damit diese Barrieren der Effizienzgestaltung überwunden werden können, erstrecken sich die fakultativen Aufgaben auf die folgenden vier Bereiche (in Anlehnung an Franz/ Kajüter (2007), Sp. 977): − das Schaffen von Akzeptanz, − das Sichern von Fachkenntnissen, − das Fördern der Kreativität und − das Beeinflussen des Leistungsverhaltens. 2.2 Sachbezogene Aufgaben des Kostenmanagements 2.2.1 Suche nach Rationalisierungspotentialen Nach der Form der Suche nach Rationalisierungspotentialen werden unterschieden: − die passiv-reaktive Rationalisierung und − die aktiv-antizipative Rationalisierung. Die passiv-reaktive Rationalisierung wird ausgelöst, wenn Abweichungen von den Zielen erwartet werden bzw. bereits eingetreten sind. Die Initiative für ein Rationalisierungsvorhaben basiert auf einer ereignisbezogenen Suche nach Rationalisierungspotentialen. Die aktiv-antizipative Rationalisierung ist durch die kontinuierliche oder zumindest die regelmäßige Suche nach erwarteten oder tatsächlichen Rationalisierungspotentialen gekennzeichnet (vgl. Marr/ Hofmann (1992), Sp. 2146). Bei der kontinuierlichen Suche nach Rationalisierungspotentialen wird nach Veränderungen unternehmungsinterner oder -externer Bedingungen gesucht, die Einfluss auf die Ziele oder das Entscheidungsfeld von Entscheidungen über die Rahmenbedingungen während ihres Geltungszeitraums haben. Sie kann in der Form einer Prämissenkontrolle durchgeführt werden. Für die umfassende und systematische Suche nach Rationalisierungspotentialen, die in größeren Zeitabständen regelmäßig oder ereignisbezogen durchgeführt wird, sind verschiedene Methoden vorgeschlagen worden: die Einflussgrößenanalyse für die Rationalisierung auf der taktischen Ebene der Planungshierarchie (vgl. Abschnitt 3.3.1) und die Wertkettenanalyse. Die Wertkettenanalyse unterstützt die strategische Kostenanalyse, mit der Rationalisierungspotentiale zur Schaffung dauerhafter Kostenvorteile gegenüber den Wettbewerbern identifiziert werden sollen. Die Wertkettenanalyse basiert auf der Erkenntnis, dass die Kosten der Unternehmung durch die Struktur der Wertkette und die Kosteneinflussgrößen der Wertaktivitäten (vgl. Abschnitt 8.2.3) determiniert werden. Die Wertkettenanalyse ist die Analyse der Kostenunterschiede zu Wettbewerbern durch den Vergleich der Struktur der Wertkette und der Einflussgrößen auf die Kosten der Wertaktivitäten als Grundlage für die Planung von Maßnahmen zur Schaffung eines dauerhaften Kostenvorteils. <?page no="68"?> Sachbezogene Aufgaben • 51 Die Wertkette ist die Folge der Aktivitäten, die in einer Unternehmung zur Erstellung und Verwertung seiner Produkte ausgeführt werden (in Anlehnung an Gutschelhofer (2002), Sp. 2122). Die Aktivitäten in einer Wertkette lassen sich in neun generische Kategorien gliedern (vgl. Abb. 2.3). Die primären Aktivitäten dienen der Leistungserstellung und -verwertung und lassen sich direkt aus der Marktaufgabe herleiten. Unterstützende Aktivitäten erbringen Dienstleitungen für die primären Aktivitäten oder für die gesamte Wertkette (vgl. Porter (1992), S. 66 ff.). Abb. 2.3: Generische Kategorien von Aktivitäten in der Wertkette Der Prozess der Wertkettenanalyse kann in zwei Phasen gegliedert werden: die Vorbereitung und die Analyse. Jede Phase gliedert sich in mehrere Schritte. Abb. 2.4 gibt einen Überblick über diese Schritte. (1) Vorbereitung Zur Abgrenzung der Wertaktivitäten im ersten Schritt der Vorbereitungsphase werden zunächst die neun generischen Kategorien von Aktivitäten weiter untergliedert. Beispielsweise kann die Aktivität „Marketing & Vertrieb“ in folgende Teilaktivitäten gegliedert werden: Marketing-Management, Werbung, Verkaufsverwaltung, Außendienst, technische Literatur und Verkaufsförderung. Als Teilaktivitäten der primären Aktivität „Produktion“ können die Teilefertigung, die Komponentenfertigung, die Montage, die Feinabstimmung und Erprobung, die Instandhaltung und der Betrieb der Anlagen abgegrenzt werden (vgl. Porter (1992), S. 74 f.). Die abgegrenzten Teilaktivitäten werden weiter untergliedert und anschließend zu Einheiten kombiniert, die eigenständig und strategisch relevant sind (vgl. Porter (1992), S. 73). Eine Wertaktivität ist eine eigenständig gestaltbare und strategisch relevante Einheit von Teilaktivitäten. Kundendienst Primäre Aktivitäten Eingangslogistik Produktion Marketing & Vertrieb Ausgangslogistik Unterstützende Aktivitäten Unternehmensinfrastruktur (z. B. Führung, Rechnungswesen) Beschaffung Personalwirtschaft Technologieentwicklung <?page no="69"?> 52 • Aufgaben des Kostenmanagements Vorbereitung − Abgrenzung der Wertaktivitäten − Feststellung der Interdependenzen und Synergien − Bewertung der Wertaktivitäten • Zuordnung der Betriebskosten und des Anlage- und Umlaufvermögens • Grobanalyse Analyse − Analyse des Kostenverhaltens für jede einzelne Wertaktivität • Diagnose der Kosteneinflussgrößen • Analyse der Wechselwirkungen zwischen den Kosteneinflussgrößen • Analyse der Kosten gekaufter Einsatzgüter • Analyse des Kostenverhaltens in den Segmenten • Analyse der Kostendynamik − Analyse der Kosten des Wettbewerbers • Ermitteln und Bewerten der Wertkette des Wettbewerbers • Diagnose der Kosteneinflussgrößen des Wettbewerbers • Bestimmen der relativen Kosten − Identifizieren von Quellen der Kostenunterschiede Abb. 2.4: Prozess der Wertkettenanalyse Eigenständig gestaltbar sind Aktivitäten, wenn Entscheidungen über diese Aktivitäten andere Aktivitäten nicht tangieren. Das verlangt, dass eine Wertaktivität mit eigenen Potentialgütern ausgeführt wird, d. h. von Potentialgütern, die nicht auch für die Ausführung weiterer Wertaktivitäten eingesetzt werden. Weiterhin setzt die Eigenständigkeit einen selbständigen Beitrag zum Kundennutzen voraus, d. h. einen Beitrag zum Kundennutzen, der ohne Unterstützung durch andere Wertaktivitäten geschaffen wird (vgl. Porter (1992), S. 73). Strategisch relevant ist eine Einheit von Teilaktivitäten, wenn sie eine Quelle von Kostenvorteilen gegenüber den Wettbewerbern ist. Hierzu muss sie mindestens eines der folgenden vier Merkmale aufweisen (vgl. Porter (1992), S. 96 f.): − einen hohen oder wachsenden Anteil an den Gesamtkosten, − ein spezifisches Kostenverhalten, − die gemeinsame Ausführung durch mehrere Unternehmungsbereiche oder − die Ausführung in einer von den Wettbewerbern abweichenden Form. In einem zweiten Schritt sind die zwischen den Aktivitäten bestehenden kostenwirksamen Interdependenzen und Synergien festzustellen. Zwischen zwei Wertaktivitäten bestehen kostenwirksame Interdependenzen, wenn die Kosten der einen Wertaktivität von der art- oder mengenmäßigen Ausführung der anderen Wertaktivität abhängt. Sie treten auf, wenn der Output der Wertaktivität den Input einer anderen Wertaktivität <?page no="70"?> Sachbezogene Aufgaben • 53 bildet, d. h., wenn zwischen den Wertaktivitäten Lieferbeziehungen bestehen. Interdependenzen treten nicht nur zwischen den Wertaktivitäten der Wertkette einer Unternehmung auf, sondern auch zwischen dieser und den Wertketten der Lieferanten und Abnehmer (vgl. Porter (1992), S. 76 ff.). Weiterhin sind die Synergien zwischen den Wertaktivitäten aufzudecken, die getrennt in verschiedenen Unternehmungsbereichen ausgeführt werden. Synergien bewirken bei gemeinsamer Ausführung Kostensenkungen (vgl. Porter (1992), S. 112 f.). Im dritten Schritt werden die Wertaktivitäten bewertet. Hierzu werden ihnen zum einen die Betriebskosten zugerechnet, die sie verursacht haben. Zu den Betriebskosten zählen die Personalkosten und die Kosten für die verbrauchten Repetiergüter. Zum anderen werden den Wertaktivitäten Teile des Anlage- und des Umlaufvermögens zugeordnet. Die Vermögensteile werden jeweils derjenigen Wertaktivität zugeordnet, die den Einsatz erforderlich macht, die ihren Umfang zielorientiert gestaltet oder am stärksten beeinflusst. Danach wird ein Fließband der Montage, der Einsatzgüterbestand der Materialbeschaffung und der Bestand an Zwischenprodukten der Fertigungssteuerung zugeordnet. Für die Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens können der Buchwert, der Wiederbeschaffungswert, die Kapitalkosten oder die Abschreibungen herangezogen werden. Für die Auswahl der Methode zur Bewertung der Wertaktivitäten sind Branchenmerkmale und die Möglichkeiten der Datenerhebung maßgebend (vgl. Porter (1992), S. 97 ff.). Die Vorbereitungsphase schließt mit einer Grobanalyse der zugeordneten Betriebskosten und des zugeordneten Vermögens ab, um erste Kostensenkungspotentiale erkennen zu können. Hierzu werden die Kosten für − die direkten, − die indirekten und − die qualitätssichernden Tätigkeiten der Wertaktivität ermittelt und getrennt ausgewiesen. Die direkten Aktivitäten dienen unmittelbar der Leistungserstellung und -verwertung (z. B. Montage, Teilebearbeitung, Außendienst). Die indirekten Aktivitäten, zu denen z. B. die Instandhaltung, die Terminplanung und die Verkaufsverwaltung zählen, schaffen die Voraussetzungen für die Ausführung der direkten Aktivitäten. Als Beispiele qualitätssichernder Aktivitäten können die Überwachung, die Qualitätskontrolle, die Anpassung und Überarbeitung genannt werden (vgl. Porter (1992), S. 71, 99 ff.). (2) Analyse In dieser zweiten Phase des Prozesses der Wertkettenanalyse wird zunächst das Kostenverhalten untersucht. Hierzu werden in einem ersten Schritt für jede einzelne Wertaktivität die Einflussgrößen der Betriebskosten, der Umschlagshäufigkeit des Umlaufvermögens und der Auslastung des Anlagevermögens ermittelt und ihre Wir- <?page no="71"?> 54 • Aufgaben des Kostenmanagements kungen quantifiziert (vgl. Porter (1992), S. 119 f.). Für die Diagnose der Kosteneinflussgrößen werden vier Verfahren vorgeschlagen: die intuitive Erfassung, die Zeitreihenanalyse, der Betriebsvergleich und die Expertenbefragung (vgl. Porter (1992), S. 124 f.). Hängen die Betriebskosten und die Nutzung des eingesetzten Vermögens von mehreren Einflussgrößen ab, sind ihre Wechselwirkungen festzustellen. Zu untersuchen ist, ob sich die Wirkungen der Kosteneinflussgrößen verstärken oder neutralisieren (vgl. Porter (1992), S. 121 ff.). Analysiert wird weiterhin das Verhalten der Kosten gekaufter Einsatzgüter . Zu den Einsatzgütern zählen nicht nur die von außen bezogenen Repetiergüter (z. B. Rohstoffe, Dienstleistungen), sondern auch die gekauften Betriebsmittel (z. B. gemietete Büroräume, Maschinen). Die Höhe der Kosten der Einsatzgüter hängt ab vom Niveau der Einsatzgüterpreise, dem Auslastungsgrad durch eine Wertaktivität und von ihren Wirkungen auf die Kosten anderer Aktivitäten. Es können drei Arten von Einflussgrößen auf die Einsatzgüterpreise unterschieden werden: die Bestimmungsgrößen der Verhandlungsmacht (z. B. Betriebsgröße), die Maßnahmen der Kooperation und Integration sowie die Einflussgrößen auf die Kosten des Lieferanten. Bei der Gestaltung der Einflussgrößen der Einsatzgüterpreise sind stets auch die Auswirkungen auf den Auslastungsgrad und die Kosten anderer Aktivitäten zu berücksichtigen (vgl. Porter (1992), S. 125 ff.). Ein Unternehmungsbereich kann verschiedene Produkte bzw. Produktgruppen herstellen, verschiedene Kundengruppen bedienen, auf mehreren geographisch abgegrenzten Märkten tätig sein oder über mehrere Vertriebskanäle verfügen. Es ist zu untersuchen, ob die verschiedenartigen Produkte bzw. Vertriebsleistungen durch dieselben Aktivitäten erstellt werden und diese bei jedem Produkt bzw. bei jeder Absatzleistung dasselbe Kostenverhalten aufweisen. Werden Unterschiede in den Aktivitäten oder ihrem Kostenverhalten erkannt, sollten Segmente gebildet werden. Ein Segment umfasst dabei alle Aktivitäten bei der Herstellung eines spezifischen Produktes, beim Absatz an eine abgegrenzte Kundengruppe, über einen bestimmten Vertriebskanal oder in einer einzelnen Region. Für jedes Segment werden anschließend Wertaktivitäten definiert und deren Kostenverhalten getrennt analysiert (vgl. Porter (1992), S. 131 ff.). Kostenvorteile können auch dadurch erzielt werden, dass die Unternehmung früher als ihre Wettbewerber auf Veränderungen reagiert, die Kostensteigerungen oder eine Veränderung der Kostenstruktur zur Folge haben. Um derartige Chancen identifizieren zu können, sieht die Wertkettenanalyse auch die Analyse der Kostendynamik vor (vgl. Porter (1992), S. 133 ff.). Unter Kostendynamik wird die Entwicklung der Höhe der Kosten einer Wertaktivität und ihres Anteils an den Gesamtkosten der Unternehmung im Zeitablauf verstanden, die unabhängig von Maßnahmen der Kostengestaltung erwartet wird. <?page no="72"?> Sachbezogene Aufgaben • 55 Für die Analyse der Kosten des Wettbewerbers im zweiten Schritt der Analysephase sind die Wertaktivitäten in der Wertkette des Lieferanten abzugrenzen und zu bewerten sowie die Kosteneinflussgrößen zu diagnostizieren. Die Bereitstellung und Auswertung rechnungswesenbezogener Informationen über die Wettbewerber ist Aufgabe des strategischen Management Accounting. Dieser Bereich des Rechnungswesens informiert über die Höhe und die Entwicklung von Kosten, Preisen, Produktionsmengen, Marktanteilen, Cash Flow sowie über die Ressourcen der Unternehmung und bei den Wettbewerbern (vgl. Simmonds (1986), S. 17). Gegliedert wird das strategische Management Accounting in die strategische Kostenrechnung, das Brand Value Accounting und das Competitor Accounting, dem drei Aufgabenbereiche zugeordnet sind (vgl. Guilding/ Cravens/ Tayles (2000), S. 123): − die Schätzung der Kosten der Wettbewerber, − die Überwachung der Wettbewerbsposition der Wettbewerber sowie − die Bewertung der Wettbewerber auf der Basis publizierter Jahresabschlüsse. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit dem Competitior Accounting liegt derzeit auf der Diskussion von Notwendigkeit und Umfang dieser Aufgaben (vgl. Hoffjan (2003), S. 384 ff.). Zu den Instrumenten des Competitor Accounting finden sich in der Literatur nur wenige Hinweise. Ward nennt eine Vielzahl von Quellen, aus denen Informationen über die Wettbewerber gewonnen werden können (vgl. Ward (1992), S. 166). Im Beitrag von Jones wird über die Ergebnisse einer Fallstudie zur Analyse der Kosten von Wettbewerbern berichtet (vgl. Jones (1988), S. 33 ff.). Zur Bestimmung der relativen Kosten werden die Ergebnisse der Analyse des Verhaltens der Unternehmungskosten und der Kosten des Wettbewerbers gegenübergestellt. Zweck dieses Vergleichs ist es, für jede einzelne Wertaktivität die Unterschiede in der Höhe und im Verhalten der Kosten der Unternehmung und des Wettbewerbers festzustellen. Der letzte Schritt der Analyse besteht in der Identifikation von Quellen festgestellter Kostenunterschiede gegenüber Wettbewerbern. Aufgabe dieses Analyseschrittes ist es, die Kostenunterschiede gegenüber dem Wettbewerber mit Abweichungen bei den Kosteneinflussgrößen und Unterschieden in der Struktur der Wertkette zu erklären. Die Ergebnisse dieser Analyse bilden die Grundlage für die Planung von Maßnahmen zur Kostensenkung (vgl. Porter (1992), S. 137 ff.). 2.2.2 Planung von Vorgaben 2.2.2.1 Arten von Vorgaben Vorgaben werden für einzelne Projekte zur Gestaltung der Rahmenbedingungen (z. B. Produkte, Betriebserweiterungen), aber auch für die verschiedenen Verantwortungsbe- <?page no="73"?> 56 • Aufgaben des Kostenmanagements reiche geplant, um dort Rationalisierungsprojekte auszulösen oder zur Schaffung einer effizienten Leistungserbringung zu motivieren. Für die Einflussnahme auf das Verhalten der Aufgabenträger in den verschiedenen Handlungsfeldern stehen dem Kostenmanagement mehrere Arten von Vorgaben zur Verfügung (in Anlehnung an Laux/ Liermann (2003), S. 151 ff.). Abb. 2.5 gibt einen Überblick über diese Vorgaben. Abb. 2.5: Arten von Vorgaben des Kostenmanagements Ein Maßnahmenplan ist der Entwurf einer Entscheidung über Maßnahmen für das Erreichen der Ziele des Kostenmanagements (in Anlehnung an Schweitzer (2005), S. 18). Durch Pläne werden den Handlungsträgern Maßnahmen zur Effizienzgestaltung vorgegeben. Die Handlungsträger haben diese Pläne anschließend zu präzisieren und zu realisieren. Beispiele für diese Pläne sind die Maßnahmenprogramme, die im Rahmen eines Rationalisierungsvorhabens von Projektteams erarbeitet und anschließend den Verantwortungsbereichen zur Realisation vorgegeben werden. Ein Budget ist eine schriftlich festgelegte monetäre Plangröße, die einem Verantwortungsbereich zur Umsetzung übergeordneter Pläne für eine Periode vorgegeben wird (in Anlehnung an Wild (1974b), S. 325). Zur Effizienzgestaltung werden inputbezogene Budgets eingesetzt. Sie geben die Ressourcen vor, die einem Verantwortungsbereich für die effiziente Umsetzung der übergeordneten Pläne während des Geltungszeitraumes zur Verfügung stehen. Zu ihnen zählen die Kosten- und Ausgabenbudgets. Budgets sind Vorgaben für das Sichern einer effizienten Leistungserbringung . Als Beispiele für Budgets können zum einen die Kostenstellenpläne der flexiblen Plankostenrechnung genannt werden und zum Vorgaben des Kostenmanagements Maßnahmenpläne Ziele Kosten- oder Ausgabenbudgets Kostenbezogene Vorgaben Leistungsbezogene Vorgaben Kostenziele Mengen-, Zeit-, Qualitätsziele + <?page no="74"?> Sachbezogene Aufgaben • 57 anderen die Ergebnisse der Analyse-Phase im Prozess des Zero Base-Budgeting (vgl. Abschnitt 5.3.3). Bei einem Ziel handelt es sich um eine schriftlich festgelegte Plangröße, die einem Verantwortungsbereich für eine Periode zur Ausrichtung seiner Handlungen an dem Ziel des Kostenmanagements vorgegeben wird. Durch Pläne gibt das Kostenmanagement den Verantwortungsbereichen Maßnahmen zur Effizienzgestaltung vor. Budgets haben die Wirkungen vorliegender Pläne zur Effizienzgestaltung zum Inhalt. Da Ziele unabhängig von geplanten Maßnahmen vorgegeben werden, gelangen sie in allen Handlungsfeldern der Effizienzgestaltung zur Anwendung, in denen Maßnahmenpläne erst erarbeitet werden müssen. Diese Handlungsfelder sind die Gestaltung der Rahmenbedingungen sowie die kontinuierliche Verbesserung . Ziele lassen den Trägern der Effizienzgestaltung umfangreichere Handlungsspielräume als Pläne und Budgets. Diese Freiräume können für eine Effizienzsteigerung zu Lasten der Effektivität genutzt werden. Um das Erreichen der angestrebten Wirtschaftlichkeit zu sichern, weisen Ziele, die vom Kostenmanagement zur Einflussnahme auf das Entscheidungs- und Ausführungshandeln vorgegeben werden, zwei Bestandteile auf (vgl. Abschnitt 1.3.1.1): − eine leistungsbezogene Vorgabe und − eine kostenbezogene Vorgabe. Die leistungsbezogenen Vorgaben sind die effektivitätsbezogenen Restriktionen, die den Handlungsspielraum der Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen und der kontinuierlichen Verbesserung zur Sicherung der angestrebten Effektivität begrenzen. Sie sind in den Unternehmungsplänen festgeschrieben. Aufgabe des Kostenmanagements ist nicht die Planung der leistungsbezogenen Vorgaben, sondern nur ihre Präzisierung für einzelne Vorhaben zur Neugestaltung oder Rationalisierung der betrieblichen Rahmenbedingungen bzw. für die kontinuierliche Verbesserung. Ein Beispiel für eine leistungsbezogene Vorgabe sind die Produktfunktionen, die dem FuE-Bereich zusammen mit Produktkostenzielen zur kostenorientierten Entwicklung vorgegeben werden. Kostenbezogene Vorgaben werden vom Kostenmanagement geplant und den Aufgabenträgern vorgegeben. Mögliche Inhalte der kostenbezogenen Vorgaben sind − Kostengrößen und − nicht monetäre Größen, d. h. eine Mengen-, Zeit- oder Qualitätsgrößen. Kostenvorgaben sind nach dem Bezugsobjekt, dem Geltungszeitraum und der Kostenart präzise abgegrenzt. Das Ausmaß einer Kostenvorgabe kann in der Form eines Kostenniveaus, eines Kostensenkungsbetrags oder einer Kostensenkungsrate angegeben werden. Als Beispiel können die Kostenvorgaben für die Produktentwicklung aus dem Target Costing (vgl. Abschnitt 6.2.3) genannt werden. <?page no="75"?> 58 • Aufgaben des Kostenmanagements Für das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung sind Kostenvorgaben aus folgenden Gründen nicht geeignet (in Anlehnung an Horváth/ Lamla (1995), S. 79 f.): − fehlende Echtzeit-Rückkopplung, − unzureichende Akzeptanz von Kostenvorgaben bei den Ausführungsträgern, − begrenzte Auswertbarkeit von Kostengrößen sowie − geringe Beeinflussbarkeit der Kosten durch die Ausführungsträger. Die Kostenwirkungen von Aktivitäten können nicht unmittelbar beobachtet werden, sondern müssen auf der Basis von Preisen sowie Mengen- und Zeitgrößen berechnet werden. Bei Kostendaten kann es deshalb keine Echtzeit-Rückkopplung geben, d. h., Informationen über die Kostenwirkungen von Aktivitäten können nur zeitlich verzögert bereitgestellt werden. Aufgrund der zeitlichen Distanz und der Tatsache, dass sich mehrere Kosteneinflussgrößen gleichzeitig verändern können, kann kein unmittelbar erkennbarer Zusammenhang zwischen den ausgeführten Aktivitäten und den resultierenden Kosten hergestellt werden. Dadurch bleiben Lerneffekte aus. Nach dem Job Characteristic-Modell hat die fehlende Echtzeit-Rückkopplung zudem einen negativen Einfluss auf die intrinsische Motivation der Mitarbeiter (vgl. Abschnitt 9.1.2). Bei der Erfassung und Verrechnung von Kosten gibt es eine Vielzahl von Freiräumen, die rechnungszielorientiert zu schließen sind und zu Manipulationen genutzt werden können (vgl. Schweitzer/ Küpper (2003), S. 711 f.). Als Beispiel für diese Freiräume kann die Gemeinkostenverrechnung genannt werden. Hinzu kommt, dass den Aufgabenträgern im Leistungserstellungsprozess vielfach die Kenntnisse zur sachgemäßen Interpretation von Kostendaten fehlen. Manipulierbarkeit und Interpretationsschwierigkeiten führen dazu, dass Kostenvorgaben nur auf geringe Akzeptanz stoßen. Die begrenzte Auswertbarkeit von Kostendaten folgt aus der Tatsache, dass sie hoch verdichtet sind. Auch in sehr differenzierten Systemen der Kostenrechnung, wie z. B. der flexiblen Plankostenrechnung, können Kostenabweichungen nur auf einige wenige, vorab festgelegte Kosteneinflussgrößen zurückgeführt werden. Die Aufgabenträger im Leistungserstellungsprozess haben keinen Einfluss auf die Art und den Umfang der Potentialgüter, sondern nur auf den Umfang ihrer Nutzung. Durch das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung kann deshalb in der Regel zunächst nur eine Veränderung der Nutzung von Potentialgütern erreicht werden. Erst wenn der Bedarf an Potentialgütern in einem Umfang gesenkt worden ist, dass Kapazitäten abgebaut werden können, sind umfangreichere Kostenveränderungen möglich. Diese müssen durch Entscheidungen übergeordneter Instanzen über die Potentialgüter und ihre Umsetzung realisiert werden. Aufgrund der begrenzten Eignung werden für das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung keine Kostengrößen vorgegeben, sondern Mengen-, Zeit- oder Qualitätsgrößen. Abb. 2.6 zeigt Beispiele für diese Größen aus den verschiedenen Funktionsbereichen der Unternehmung (vgl. Horváth/ Lamla (1995), S. 82; Kajüter (2000), <?page no="76"?> Sachbezogene Aufgaben • 59 S. 111). Verwendung finden diese Kennzahlen vor allem bei der kontinuierlichen Verbesserung (vgl. Abschnitt 5.4). Dimension Bereich Zeitkennzahlen Qualitätskennzahlen Mengenkennzahlen Entwicklung Entwicklungszeiten Anzahl der Konstruktionsänderungen Anzahl der Gleichteile Anzahl der Prototypen Beschaffung Lieferzeit der Lieferanten Liefertreue der Lieferanten Anzahl fehlerhafter Kaufteile Anzahl verspäteter Lieferungen Anzahl der Lieferanten Anzahl der Bestellungen Anzahl der zu beschaffenden Einsatzgüter Fertigung Ausfallzeiten der Maschinen Durchlaufzeiten Rüstzeit Anteil der Gut-Teile Höhe des Ausschusses Höhe der Bestände Anzahl der Zwischenlager Vertrieb Eigene Lieferzeit Eigene Liefertreue Anzahl der Kundenreklamationen Anzahl zurückgerufener Produkte Anzahl der Kunden Anzahl der Aufträge Verwaltung Buchungszeit Anzahl fehlerhafter Rechnungen Anzahl der Buchungen Abb. 2.6: Beispiele für nicht monetäre Vorgabengrößen 2.2.2.2 Ansätze der Planung kostenbezogener Vorgaben Das Ausmaß der Vorgaben für die verschiedenen Projekte, Verantwortungsbereiche und Abteilungen ist auf einem Niveau festzulegen, das ein Erreichen des Zieles des Kostenmanagements ermöglicht. Aus den Motivationstheorien, die in Abschnitt 9.1 erörtert werden, lassen sich zwei weitere Anforderungen an Vorgaben herleiten: − ein hoher Spezifikationsgrad und − ein herausforderndes, aber realisierbares Anspruchsniveau. Für die Planung der Kostenvorgaben stehen folgende Ansätze zur Verfügung (in Anlehnung an Atkinson (2002), Sp. 1386 f.): − der theoriebasierte Ansatz, − der unternehmungsorientierte Ansatz, − der verhandlungsorientierte Ansatz, − der wettbewerberorientierte Ansatz und − der marktorientierte Ansatz. <?page no="77"?> 60 • Aufgaben des Kostenmanagements Theorien , die zur Planung von Kostenvorgaben herangezogen werden, sind vor allem das Lernkurven- und das Erfahrungskurvenkonzept (vgl. Coenenberg (1970), S. 114 f.; Betz (1995), S. 613 ff.). Bei Anwendung des Erfahrungskurvenkonzeptes zur Planung der Kostenvorgaben wird aus der Lernrate, der kumulierten Produktionsmenge zu Beginn des Planungszeitraumes und den jährlichen Produktionsmengen im Planungszeitraum die zu erzielende durchschnittliche jährliche Kostensenkungsrate zur Realisation des Erfahrungskurveneffektes berechnet (vgl. Abschnitt 8.2.3). Die Lernrate kann die Kostenentwicklung in früheren Perioden oder in der Branche widerspiegeln. Dieser Planungsansatz ergibt damit realisierbare, jedoch nicht unbedingt herausfordernde Kostenvorgaben. Da sie unabhängig von den Zielen ermittelt werden, führen sie nicht in jedem Fall zum Erreichen des Zieles des Kostenmanagements. Bei der unternehmungsorientierten Planung werden die Kostenvorgaben aus vermuteten Ineffizienzen hergeleitet. Für die Schätzung des Umfangs der Ineffizienzen werden zwei Vorgehensweisen vorgeschlagen: − die systematische Suche nach Ineffizienzen sowie − die Auswertung von Erfahrungen. Zur systematischen Suche nach kundenbedingten Ineffizienzen werden alle Leistungen, die in einem Unternehmungsbereich erbracht werden, darauf hin überprüft, ob ihnen ein Bedarf gegenübersteht und der Nutzen dieser Leistung ihre Kosten rechtfertigt. Diese Vorgehensweise liegt z. B. der Gemeinkostenwertanalyse zugrunde (vgl. Abschnitt 5.3.2). Weitere Ineffizienzen können durch die Prämissenkontrolle von Entscheidungen über die betrieblichen Rahmenbedingungen oder den Einsatz von Analyseinstrumenten (vgl. Abschnitt 2.2.1) identifiziert werden (vgl. Abschnitt 2.2.3). Erfahrungen werden beispielsweise bei der Planung der Zielvorgaben für die Produktentwicklung ausgewertet. Dabei wird die Erkenntnis genutzt, dass bei der Neuentwicklung eines Produktes 50 % und bei einer Anpassungsentwicklung 30 % der Kosten gegenüber dem Vorgängerprodukt eingespart werden können (vgl. VDI (1987), S. 17; Yoshikawa u.a. (1993), S. 46). Die nach diesem Ansatz geplanten Kostenvorgaben sind in der Regel realisierbar, jedoch nicht unbedingt herausfordernd. Da das Ziel des Kostenmanagements keine Berücksichtigung findet, kann mit der Planung der Kostenvorgaben nach dem unternehmungsorientierten Ansatz die Erreichung dieses Zieles nicht sichergestellt werden. Der verhandlungsorientierte Ansatz sieht vor, dass die Kostenvorgabe zwischen der Unternehmungsführung und dem Projektmanager bzw. dem Verantwortungsbereich ausgehandelt wird. Dieser Ansatz kann grundsätzlich zu Kostenvorgaben mit einem herausfordernden, aber realisierbaren Anspruchsniveau führen, die das Erreichen des Zieles des Kostenmanagements ermöglichen. Er ist in der Unternehmungspraxis am weitesten verbreitet. Merkmal der wettbewerberorientierten Planung von Kostenvorgaben ist die Erfassung und Auswertung von Kosten- und Leistungsinformationen anderer Unterneh- <?page no="78"?> Sachbezogene Aufgaben • 61 mungsbereiche (z. B. Filialen, Funktionsbereiche anderer Profit Center) oder anderer Unternehmungen. Verfahren, die auf diesem Ansatz der Planung von Kostenvorgaben aufbauen, sind das Benchmarking (vgl. Abschnitt 5.3.4) und das Reverse Engineering (vgl. Abschnitt 6.2.4.2). Die nach diesem Ansatz geplanten Kostenvorgaben sind realisierbar. Ob ihr Anspruchsniveau herausfordernd ist und ausreicht, das Ziel des Kostenmanagements zu realisieren, hängt von dem Kosten- und Leistungsniveau beim Vergleichspartner ab. Der marktorientierte Ansatz eignet sich vor allem zur Planung von Kostenvorgaben für Projekte zur Neugestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen (z. B. Produkte, Betriebserweiterungen). Nach diesem Ansatz werden die Kostenvorgaben für das neu zu gestaltende Objekt (z. B. ein Produkt) auf der Basis seiner zulässigen Kosten geplant. Die zulässigen Kosten sind definiert als die Kosten, die für das Bezugsobjekt höchstens anfallen dürfen, wenn das Ziel des Kostenmanagements bei den erwarteten Erlösen erreicht werden soll. Der Marktbezug des Ansatzes resultiert aus der Berücksichtigung der für die geplante Absatzleistung am Markt erzielbaren Erlöse. Ein Verfahren der marktorientierten Kostenplanung ist das Target Costing (vgl. Abschnitt 6.2.3). Mit den Kostenvorgaben des marktorientierten Planungsansatzes können die Ziele des Kostenmanagements erreicht werden. Da in die Planung keine Informationen über die Unternehmungssituation eingehen, bleibt offen, ob die ermittelte Kostenvorgabe überhaupt realisierbar ist. 2.2.3 Kontrolle von Vorgaben 2.2.3.1 Kontrolle und Kontrollformen Die Kontrolle umfasst die Ermittlung und Analyse realisierter oder erwarteter Abweichungen durch den Vergleich des zu kontrollierenden Wertes mit dem geplanten Wert einer Kontrollgröße. Kontrollen können durch folgende Merkmale gekennzeichnet werden: − das Kontrollziel, − das Kontrollobjekt und − die Kontrollgröße. Das Kontrollziel ist das Unternehmungsbzw. Bereichsziel, das durch die Kontrolle gesichert werden soll. Das Kostenmanagement strebt mit der Kontrolle die Sicherung des aus den Unternehmungszielen abgeleiteten Wirtschaftlichkeitszieles an. Die Aktivitäten, deren Zielwirkungen überprüft werden sollen, bilden das Kontrollobjekt . Objekte der Kontrollen des Kostenmanagements sind die Planungs- und Ausführungsaktivitäten in den Handlungsfeldern der Effizienzgestaltung, für die Vorgaben geplant worden sind, d. h. <?page no="79"?> 62 • Aufgaben des Kostenmanagements − die Planung und Realisation betrieblicher Rahmenbedingungen bei der Neugestaltung und bei der Rationalisierung, − die Planung und Realisation einer effizienten Leistungserstellung sowie − die kontinuierliche Verbesserung. Kontrollobjekte können grundsätzlich alle Ergebnisse, Prozesse und Verhaltensweisen der Aufgabenträger in diesen Handlungsfeldern sein, von denen Wirkungen auf das Wirtschaftlichkeitsziel ausgehen (vgl. Siegwart (1993), Sp. 2257). Die Größen zur Messung der realisierten oder erwarteten Zielerreichung sind die Kontrollgrößen . Dem Kostenmanagement dienen zunächst die monetären und nicht monetären Vorgaben als Kontrollgrößen, jedoch können auch alle Einflussgrößen auf die vorgegebene Größe Kontrollgrößen sein. Es haben sich verschiedene Kontrollformen herausgebildet. Abb. 2.7 gibt einen Überblick über Kontrollformen , die nach dem Kontrollobjekt, der Kontrollgröße sowie dem Kontrollzeitpunkt abgegrenzt sind. Abb. 2.7: Kontrollformen Der Plan als Ergebnis der Planung, der Planungsprozess und das Verhalten der Planungsträger sind Objekte der Planungskontrolle . Sie ist Bestandteil des Planungsprozesses und findet vor der Durchsetzung statt. Zweck der Planungskontrolle ist es, möglichst frühzeitig Fehlentwicklungen zu erkennen, um sie noch vor der Umsetzung korrigieren zu können. Die Realisationskontrolle beginnt nach Abschluss der Planung und endet mit dem Geltungszeitraum des Planes (vgl. Friedl (1990), S. 79 f.). Überprüft werden die Ergebnisse des Realisationsprozesses, die Ausführungsaktivitäten und das Verhalten von Trägern des Realisationsprozesses. Die Ergebniskontrolle bezieht sich auf die verschiedenen Planbestandteile, zu denen die Maßnahmen, ihre Wirkungen auf die Ziele, die Prämissen, Ressourcen und Termi- Kontrollformen Planungskontrolle Realisationskontrolle Ergebniskontrolle Prozesskontrolle Verhaltenskontrolle Wirkungskontrolle Termin- und Ressourcenkontrolle Endkontrolle Fortschrittskontrolle Maßnahmenkontrolle Prämissenkontrolle <?page no="80"?> Sachbezogene Aufgaben • 63 ne zählen. Bei Prozesskontrollen werden die Effizienz, die Ordnungs- und die Zweckmäßigkeit der Planungsbzw. Realisationsprozesse untersucht, die zu dem Ergebnis geführt haben. Die Betrachtung der Ordnungsmäßigkeit hat den Vergleich zwischen dem tatsächlich angewandten und dem vorgeschriebenen Verfahren zum Inhalt. Verhaltenskontrollen überprüfen, ob die Träger der Planungsbzw. Realisationsaufgaben unter den jeweiligen Bedingungen zielgerecht gehandelt haben (vgl. Horváth (1983), Sp. 628). Nach der Kontrollgröße werden als Erscheinungsformen der Ergebniskontrolle die Wirkungs-, die Maßnahmen-, die Prämissen-, die Ressourcen- und die Terminkontrolle abgegrenzt (in Anlehnung an Franken/ Frese (1989), Sp. 891 f.). Kontrollgrößen der Wirkungskontrolle sind die Zielgrößen. Bilden Merkmale der geplanten Maßnahmen den Inhalt der Kontrollgrößen, liegt eine Maßnahmenkontrolle vor. Prämissenkontrollen prüfen die Realitätsnähe bzw. Aktualität der Annahmen, die dem Plan zugrunde liegen. Termine im Planungs- und Realisationsprozess sind die Kontrollgrößen der Terminkontrolle . Die Kontrollgrößen der Ressourcenkontrolle haben den Verbrauch an personellen und sachlichen Ressourcen im Planungsbzw. Realisationsprozess zum Inhalt. Bei der Kontrolle des Realisationsergebnisses kann nach dem Kontrollzeitpunkt die End- und die Planfortschrittskontrolle unterschieden werden. Die Endkontrolle wird am Ende des Geltungszeitraumes des Planes durchgeführt, um realisierte Abweichungen festzustellen. Die Planfortschrittskontrolle wird parallel zum Realisationsprozess ausgeführt. Mit ihr können Informationen über die erwartete Abweichung gewonnen werden (in Anlehnung an Franken/ Frese (1989), Sp. 890 f.). Für kurzfristige Pläne werden Realisationskontrollen, für langfristige Pläne dagegen Planfortschrittskontrollen durchgeführt (vgl. Zettelmeyer (1984), S. 80 f.). 2.2.3.2 Kontrollen bei der Effizienzgestaltung Funktionen der Kontrolle im Aufgabenbereich des Kostenmanagements sind (in Anlehnung an Laux/ Liermann (1986), S. 7): − die Entscheidungsunterstützung und − die Verhaltensbeeinflussung. Durch Kontrollen werden die Entscheidungen über Vorgaben sowie über Maßnahmen zur Effizienzgestaltung durch die Gewinnung von Informationen unterstützt. Diese Informationen werden zum einen benötigt, um die Notwendigkeit weiterer Kostensenkungen beurteilen zu können. Zum anderen eignen sich diese Informationen, um erwartete oder bereits eingetretene Abweichungen von den Vorgabegrößen zu identifizieren, die eine Anpassung der Pläne oder eine Einflussnahme auf das Leistungsverhalten der Mitarbeiter notwendig machen. Durch Kontrollen kann das Verhalten der Beteiligten an den Vorgaben ausgerichtet werden. Zum einen führt bereits die Ankün- <?page no="81"?> 64 • Aufgaben des Kostenmanagements digung von Kontrollen zu einer Veränderung des Leistungsverhaltens der Mitarbeiter (vgl. Kloock (1988), S. 427). Zum anderen kann das Leistungsverhalten durch die Bereitstellung von Rückkopplungsinformationen aus den Kontrollen beeinflusst werden. Nach der Zielsetzungstheorie (vgl. Abschnitt 9.1.3.2) verstärkt die Bereitstellung von Rückkopplungsinformationen die Wirkung von Zielen auf die Leistung. Um die genannten Funktionen zu erfüllen, eignen sich die in Abb. 2.8 genannten Kontrollen. Phase Handlungsfeld Planung der Maßnahmen Realisation der Pläne Schaffen effizienter Rahmenbedingungen − Planinhaltskontrolle • Wirkungskontrolle • Maßnahmenkontrolle − Planungsprozesskontrolle Planfortschrittskontrolle − Ergebniskontrolle − Maßnahmenkontrolle − Terminkontrolle − Prämissenkontrolle Sichern einer effizienten Leistungserbringung − Endkontrolle der Ergebnisse Schaffen einer effizienten Leistungserstellung Kontinuierliche Verbesserung − − Endkontrolle der Ergebnisse • Kostenbezogene Vorgaben • Mitwirkung − Prozesskontrolle − Verhaltenskontrolle Abb. 2.8: Kontrollaufgaben des Kostenmanagements (1) Planen effizienter Rahmenbedingungen Die Planinhaltskontrolle ist vor allem für die Planung komplexer Probleme von Bedeutung, die in mehrere interdependente Teilprobleme gegliedert sind, um sie in zeitlich parallelen, sich überlappenden oder aufeinanderfolgenden Teilplanungsprozessen zu bearbeiten (vgl. Maune (1980), S. 52). Derartige Probleme treten z. B. bei der Produktentwicklung (vgl. Abschnitt 6.2.1) sowie bei der Prozessinnovation und der Prozessverbesserung (vgl. Abschnitt 5.1.3) auf. Um das Erreichen der Vorgabe zu sichern, werden parallel zum Planungsprozess Wirkungskontrollen durchgeführt, d. h., es werden erwartete Abweichungen von den Vorgaben ermittelt und analysiert. Hierzu werden aus den Angaben aller Teilpläne die Wirkungen auf die Vorgabegröße prognostiziert und mit dem Vorgabewert verglichen. Maßnahmenkontrollen werden durchgeführt, um die Zulässigkeit der geplanten Maßnahmen zu überprüfen. Untersucht wird, ob die leistungsbezogenen Vorgaben (effektivitätsbezogene Restriktionen) möglicherweise verletzt worden sind. Ein Beispiel für einen Planungsprozess, in dem Planinhaltskontrollen durchgeführt werden, ist die kostenorientierte Produktplanung <?page no="82"?> Sachbezogene Aufgaben • 65 (vgl. Abschnitt 6.2). Kontrolliert werden neben den Produktkostenzielen auch die Produktqualität, d. h. die Realisation der vorgegebenen Produktfunktionen. Durch Planungsprozesskontrollen kann in Rationalisierungsprozessen die Beachtung gesetzlicher Vorschriften, z. B. die des Betriebsverfassungsgesetzes, gesichert werden. Weitere Richtlinien, auf die sich Planungsprozesskontrollen beziehen können, betreffen den korrekten Planungsablauf beim Einsatz von Methoden des Kostenmanagements, wie z. B. bei der Gemeinkostenwertanalyse. (2) Realisation der Pläne über die Rahmenbedingungen Pläne über betriebliche Rahmenbedingungen haben einen langfristigen Geltungszeitraum. Die Kontrolle der Realisationsergebnisse wird deshalb als Planfortschrittskontrolle durchgeführt. Durch Planfortschrittskontrollen können bereits während der Umsetzung der Pläne sowie der Leistungserbringung Abweichungen von den verschiedenen Kontrollgrößen aufgedeckt und die Planung und Realisation von Sicherungsmaßnahmen ausgelöst werden (vgl. Zettelmeyer (1984), S. 79 f.). Die Wirkungskontrollen beziehen sich auf die Kostenvorgaben. Wichtige Aspekte der Maßnahmenkontrollen sind die Einhaltung der Restriktionen zur Sicherung der Effektivität sowie die Vollständigkeit der Umsetzung der geplanten Maßnahmen. Fixe Kosten können häufig erst nach Ablauf bestimmter Fristen abgebaut werden (z. B. Kündigungsfristen, Vertragslaufzeiten). Diese Fristen schlagen sich in den Plänen als terminierte Maßnahmen nieder. Damit haben auch Terminkontrollen im Aufgabenbereich des Kostenmanagements ihre Bedeutung. Während der Planung betrieblicher Rahmenbedingungen werden sukzessive Prämissen gesetzt, auf deren Basis die Produkte, Programme, Potentiale und Prozesse gestaltet werden. Beispiele für Prämissen sind z. B. Absatzzahlen, Preise der Einsatzgüter, Löhne und Gehälter, Art der angebotenen Einsatzgüter und verfügbare Technologien. Aufgabe der Prämissenkontrolle ist es, die Richtigkeit der Prämissen während des Realisationsprozesses laufend zu überprüfen (in Anlehnung an Schreyögg/ Steinmann (1985), S. 401). Weicht die tatsächliche Situation von den gesetzten Prämissen ab, wird überprüft, ob ein Rationalisierungsprozess initiiert werden muss (vgl. Zettelmeyer (1984), S. 79). (3) Sichern einer effizienten Leistungserbringung Die Leistungserbringung umfasst die operative Planung und die Realisation dieser Pläne. Da die Planungskontrolle und auch die Planfortschrittskontrolle bei der kurzfristigen Planung von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. Siegwart/ Menzl (1978), S. 89; Zettelmeyer (1984), S. 80 f.), steht hier die Endkontrolle der Realisationsergebnisse im Vordergrund. Kontrollgrößen sind die Kostenvorgaben. <?page no="83"?> 66 • Aufgaben des Kostenmanagements (4) Kontinuierliche Verbesserung Die Endkontrolle der Realisationsergebnisse der kontinuierlichen Verbesserung erstreckt sich auf die nicht monetären Kennzahlen, die den Trägern der Ausführung vorgegeben werden. Weiterhin kann auch eine Kontrolle der Beteiligung der Mitarbeiter an der kontinuierlichen Verbesserung von Interesse sein. Als Kontrollgrößen eignen sich folgende Kennzahlen (vgl. Ani ć (2006), S. 84 f.): − Beteiligungsquote: Verhältnis aus der Zahl eingereichter Vorschläge und der Anzahl aller Beschäftigten − Einreicherquote: Anteil der Mitarbeiter, die Vorschläge eingereicht haben, an der Anzahl aller Beschäftigten − Einreicherdichte: Verhältnis der Mitarbeiter, die Vorschläge eingereicht haben, zu der Zahl der eingereichten Vorschläge − Verteilungsquoten: Beteiligungsquoten abgegrenzter Unternehmungsbereiche Aus dem institutionellen Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung (Qualitätszirkel, betriebliches Vorschlagswesen; vgl. Abschnitt 4.2) können systembedingte Barrieren entstehen, die im Ablauf des Begutachtungsprozesses begründet sind. Identifiziert werden können sie durch Prozesskontrollen . Kontrollgrößen der Prozesskontrollen können sein (vgl. Ani ć (2006), S. 86): − Durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Vorschlags − Zeitspanne von der Einreichung des Vorschlags bis zu dem Zeitpunkt der Entscheidung über den Vorschlag − Zahl der Einsprüche gegen Entscheidungen über die Vorschläge − Verhältnis der Einsparungen zu den Kosten für die Begutachtung und Prämien Systembedingte Barrieren können auch im Verhalten der Vorgesetzten begründet sein, so dass auch Verhaltenskontrollen angebracht sein können. 2.3 Strukturbezogene Aufgaben des Kostenmanagements 2.3.1 Einflussnahme auf die Unternehmungskultur 2.3.1.1 Kostenkultur als Teil der Unternehmungskultur Die Unternehmungskultur ist das dynamische Gefüge der von den Mitarbeitern geteilten Wertüberzeugungen, Denkmuster und Verhaltensnormen, die im Laufe der Zeit in einer Unternehmung entstanden sind, und das Verhalten der Mitarbeiter in eine bestimmte Richtung lenken (vgl. Baetge u.a. (2007), S. 186). Die Unternehmungskultur bietet Orientierungsmuster für die Problemerkennung, die Problemlösung, die Bewertung und Legitimation und beeinflussen damit das Ent- <?page no="84"?> Strukturbezogene Aufgaben • 67 scheiden, Handeln und Verhalten der Unternehmungsangehörigen (vgl. Ebers (1995), Sp. 1674). Diese Orientierungsmuster − sind das Ergebnis historischer Lernprozesse im Umgang mit Problemen, − werden von der Mehrzahl der Unternehmungsangehörigen getragen, − liegen dem täglichen Handeln zugrunde und − sind nicht direkt wahrnehmbar und können deshalb nicht bewusst gelernt, sondern nur in einem Sozialisationsprozess vermittelt werden (vgl. Steinmann/ Schreyögg (2002), S. 624 f.). Nach der Sichtbarkeit für den Beobachter werden drei Ebenen der Unternehmungskultur unterschieden (vgl. Schein (1984), S. 3 f.): − die Symbole (artifacts), − die Werte und Normen (espoused beliefs and values) sowie − die Grundannahmen (basic assumptions). Unmittelbar wahrnehmbar, jedoch schwierig zu entschlüsseln sind die Symbole . Symbole sind mehrdeutig und können ohne Kenntnis der tiefer liegenden Ebenen der Unternehmungskultur nicht gedeutet werden (vgl. Schein (2004), S. 25 ff.). Sie können in folgenden Formen auftreten (vgl. Mayrhofer/ Meyer (2004), Sp. 1027): − sprachliche Medien (z. B. Mythen, Anekdoten, Jargon, Sprachregelungen), − interaktionale Medien (Rituale, Zeremonien, Tabus, Betriebsklima) oder − objektivierte Medien (z. B. Statussymbole, Design, Abzeichen, Kleidung). Werte sind vage Vorstellungen über das in einer Unternehmung Wünschenswerte, die für die konkrete Entscheidung jedoch wenig Hilfestellung bieten. Normen sind ungeschriebene Regeln über das Verhalten in bestimmten Situationen. Werte und Normen schlagen sich in Führungsgrundsätzen, Richtlinien, Verboten und Geboten nieder und sind damit teilweise sichtbar. Die Unternehmungsangehörigen sind sich der Werte und Normen bewusst und vermitteln diese an neue Gruppenmitglieder. Die Nichtbeachtung von Regeln, die mit den Grundannahmen übereinstimmen, führt zu Sanktionen, wie z. B. schlechtes Gewissen, Vorwürfe, Ausgrenzung. Mit den Werten und Normen kann das Verhalten in einer Unternehmung nicht vollständig erklärt oder prognostiziert werden (vgl. Steinle, Eggers, ter Hell (1994), S. 131). Haben sich Werte und Normen wiederholt bewährt, werden sie zu Grundannahmen. Grundannahmen bilden die unterste Ebene der Unternehmungskultur. Sie haben die grundlegenden Überzeugungen und Vorstellungen im Unterbewusstsein der Unternehmungsangehörigen zum Inhalt. Sie bestimmen, wie die Unternehmungsangehörigen Sachverhalte wahrnehmen, wie über sie gedacht wird und welche Gefühle sie auslösen. Sie sind selbstverständliche, unbewusste Orientierungspunkte, die von der Mehrzahl der Unternehmungsangehörigen getragen werden. Sie sind nicht sichtbar und nur sehr schwer zu verändern und verleihen dem Denken und Handeln in der Unternehmung eine Richtung. Die Grundannahmen betreffen (vgl. Schein (1984), <?page no="85"?> 68 • Aufgaben des Kostenmanagements S. 6; Schein (2004), S. 138): das Bild von der Umwelt, die Natur von Wahrheit und Wirklichkeit, die Natur der Zeit, die Natur des Raumes, die Natur des Menschen, die Natur menschlichen Handelns und die Natur zwischenmenschlicher Beziehungen. Beispiel 3.1: Unternehmungskultur Ein Orientierungsmuster der Unternehmungskultur von General Electric ist die Idee der grenzenlosen Unternehmung. Es ist in den 1990er Jahren unter Jack Welch ausgehend von der Erkenntnis entwickelt worden, dass eine Idee, die sich in einem Bereich bewährt hat, auch in anderen Bereichen erfolgreich genutzt werden kann. Es umfasst die positive Einstellung zur permanenten Suche nach Ideen sowie der Umsetzung der besten Ideen, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft. Dieses Orientierungsmuster begünstigt das Generieren immer neuer Ideen und ihre Verbreitung in der Unternehmung, die Weitergabe von Ideen an Lieferanten und Abnehmer, die Überwindung des Not-Invented-Here-Syndroms und stellt sicher, dass die Ideen der Mitarbeiter auf allen Ebenen der Unternehmung Gehör finden. Ein Symbol dieses Orientierungsmusters ist der Slogan „Finding a Better Way Every Day“, der auf Plakaten in den Produktionsanlagen und Büros in aller Welt zu lesen war. Ressortegoismus wurde mit Äußerungen sanktioniert, wie z. B. „Na, wenn das kein grenzenloses Verhalten ist“ (vgl. Welch (1998), S. 200 ff.). Die Unternehmungskultur kann eine systembedingte Barriere der Effizienzgestaltung sein (vgl. Schreyögg (1995), S. 119). Als Beispiele für Orientierungsmuster einer Unternehmungskultur, die systembedingte Barrieren der Effizienzgestaltung bilden, können genannt werden: − Not-Invented-Here-Syndrom Vorschläge für Maßnahmen zur Effizienzgestaltung werden abgelehnt, da sie von einem Abnehmer, einem Lieferanten oder einem Wettbewerber angeregt worden sind. Wirkungsvolle Instrumente zur Effizienzgestaltung, wie z. B. das Benchmarking und das Reverse Engineering, werden nicht konsequent eingesetzt, da sie auf die Auswertung externer Anregungen zielen. − Empire Building Das Ansehen und der Einfluss eines Bereichsleiters werden an die Höhe seines Budgets und die Zahl der ihm unterstellten Mitarbeiter geknüpft. Bereichsleiter tendieren deshalb zur Erweiterung des Leistungsprogramms ihres Bereichs. Die Bedeutung kundenbedingter Ineffizienzen wird heruntergespielt und der Abbau unterlassen. − Null-Tarif-Denken Im Verständnis der Bereichsleiter verursacht der Verbrauch von Verwaltungsleistungen keine Kosten. Der Bezug und der Verbrauch von Verwaltungsleistungen wird deshalb nicht hinterfragt. Die Verschwendung dieser Leistungen wird nicht erkannt und auch nicht abgebaut. <?page no="86"?> Strukturbezogene Aufgaben • 69 − Ressortegoismus Die Bereichsziele werden in den Bereichen höher gewichtet als die Erreichung der Unternehmungsziele. Erfahrungen mit der Umsetzung wirksamer Ideen zur Effizienzgestaltung werden nicht ausgetauscht. − Selbstherrlichkeit des Managements Äußerungen der Mitarbeiter zu Ideen für die Effizienzgestaltung werden als Kritik verstanden und ignoriert. Ideen zur Effizienzgestaltung werden von den Mitarbeitern als unerwünscht wahrgenommen und nicht länger geäußert. Vom Kostenmanagement ist eine Unternehmungskultur zu schaffen, welche die Effizienzgestaltung fördert, d. h., das Verhalten der Unternehmungsangehörigen auf die Effizienzgestaltung ausrichtet. Nach der Ausrichtung werden in der Literatur in erster Linie innovationsfreundliche Unternehmungskulturen diskutiert (vgl. Corsten/ Gössinger/ Schneider (2006), S. 80). Es finden sich jedoch auch einige Beiträge zur Kostenkultur (vgl. Richardson (1988), S. 118 ff.; Shields/ Young (1992), S. 23; Kajüter (1997), S. 82; Young (2003), S. 165 ff.; Wileman (2008), S. 17 ff.). Um das Schaffen effizienter Rahmenbedingungen und einer effizienten Leistungserstellung zu fördern, muss das Verhalten der Unternehmungsangehörigen durch − das permanente Streben nach Verbesserung und − ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein gekennzeichnet sein (vgl. Shields/ Young (1992), S. 22). Das permanente Streben nach Verbesserung dient dem Abbau von Ineffizienzen durch kontinuierliche Verbesserung und Rationalisierung. Unter Kostenbewusstsein kann ein Handlungsbzw. Entscheidungsmuster verstanden werden, das aus einer hohen Gewichtung der Effizienzziele sowie Kenntnissen über die Kosteneinflussgrößen und die Wirkungsbeziehungen zwischen diesen Einflussgrößen und den Kosten resultiert (vgl. Shields/ Young (1994), S. 192). Verfügen die Unternehmungsangehörigen über ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein, werden Ineffizienzen früher erkannt und abgebaut oder entstehen erst gar nicht. Die Kostenkultur ist der Ausschnitt aus den Wertüberzeugungen, Denkmustern und Verhaltensnormen einer Unternehmungskultur, in denen Kostenbewusstsein und permanentes Streben nach Verbesserung verankert sind. Abb. 2.9 nennt Beispiele zu den Inhalten einer Kostenkultur auf der Ebene der Symbole, der Werte und Normen sowie der Grundannahmen (in Anlehnung an Kieser (1986), S. 47 ff.; Gerpott (2005), S. 147 f.; Richardson (1988), S. 122 f.; Kajüter (1997), S. 89; Young (2003), S. 165 ff.; Balachandran/ Balachandran (2005), S. 16; Wileman (2008), S. 17 ff.). Sie beruhen ausschließlich auf Plausibilitätsüberlegungen. <?page no="87"?> 70 • Aufgaben des Kostenmanagements Abb. 2.9: Beispiele für die Inhalte einer Kostenkultur Sprachliche Medien − Anekdote über die Begegnung mit einem Manager, der in einem Abteil der zweiten Klasse zu einem Geschäftstermin unterwegs war − Anekdoten über herausragende Verbesserungsvorschläge Interaktionale Medien − Monatliche Bekanntmachung der drei besten Kostensenkungsideen − Plattformen zur unternehmungsweiten Verbreitung von Kostensenkungsideen Symbole Objektivierte Medien − Dienstwagen der Mittelklasse − Ausschließlich an der Zweckmäßigkeit ausgerichtete Büroausstattung auf allen Ebenen der Unternehmungshierarchie Werte und Normen − Es herrscht ein intensiver unternehmungsinterner Austausch von Kosteninformationen! − Wenn es der nachhaltigen Effizienzgestaltung dient, werden Kooperationspartner über die Kosten der Unternehmung informiert! − Es wird ein offener Kommunikationsstil zwischen den Unternehmungsbereichen gepflegt! − Vorschläge zur Effizienzgestaltung haben einen hohen Stellenwert im Wertesystem der Unternehmung! − Die kontinuierliche Suche nach Wegen, persönliche Risiken der Effizienzgestaltung für die Mitarbeiter zu vermeiden, hat einen hohen Stellenwert im Wertesystem der Unternehmung! − Verbesserungsvorschläge sind eine Chance zur Verbesserung der eigenen Arbeit! − Vorschläge zur Effizienzgestaltung werden objektiv und zügig beurteilt! − Die Erarbeitung und Umsetzung Erfolg versprechender Verbesserungsvorschläge wird unterstützt! − Die aktive Mitwirkung an der Effizienzgestaltung wird honoriert! − Eine gute Idee für eine Maßnahme zur Kostengestaltung kann auch in anderen Bereichen der Unternehmung umgesetzt werden. Die bereichsübergreifende Umsetzung von Ideen zur Kostengestaltung wird honoriert. Bild von der Umwelt − Um im Wettbewerb bestehen zu können, muss die Effizienz kontinuierlich und nachhaltig gesteigert werden. − Die Kosten sind nur das Symptom tiefer liegender Probleme. Diese Probleme gilt es zu lösen. − Der Markt setzt für die Kosten eine Obergrenze. − Die Umwelt ist eine Quelle für Chancen und Ideen zur Effizienzgestaltung. Natur der Wahrheit und Wirklichkeit Eine Analyse der Wirkungen auf die Kosten oder die Kosteneinflussgrößen hat hohe Überzeugungskraft. Natur der Zeit Jeder Tag, der bis zum Abbau bestehender Ineffizienzen vergeht, belastet das Unternehmungsergebnis. Natur des Raumes Die Raumgröße ist eine Kosteneinflussgröße und steht nicht für Einfluss und Macht. Natur des Menschen Die Mitarbeiter sind leistungsmotiviert und fähig, Kostensenkungsideen zu generieren und realisieren. Natur des menschlichen Handelns Erfolg hat, wer kontinuierlich Kostensenkungsideen generiert und realisiert, zumindest jedoch Rationalisierungsprozesse initiiert. Grundannahmen Natur zwischenmenschlicher Beziehungen Erfolge setzen die bereichsinterne und -übergreifende Zusammenarbeit voraus. <?page no="88"?> Strukturbezogene Aufgaben • 71 2.3.1.2 Strategien für den Kulturwandel Die Unternehmungskultur ist das Ergebnis eines Lernprozesses und wird durch Sozialisationsprozesse vermittelt. Sie ist deshalb grundsätzlich veränderbar. Die Unternehmungskultur ist jedoch nicht direkt wandelbar. Sie muss von den Unternehmungsangehörigen gelernt werden. Ob ein Wandel der Unternehmungskultur zielorientiert gesteuert, d. h., eine Kostenkultur geschaffen werden kann, ist umstritten (vgl. Ebers (1995), Sp. 1676). Ein Weg zur Schaffung einer Kostenkultur wird darin gesehen, einen unternehmungskulturellen Lernprozess zielorientiert in Gang zu setzen, seine Entwicklung aber offen zu lassen (vgl. Ulrich (1993), Sp. 4361). Um diesen Lernprozess auszulösen und aufrechtzuerhalten, stehen für jede Phasen im Lebenszyklus einer Unternehmung mehrere Strategien zur Verfügung. In Abb. 2.10 werden die Strategien zum Anstoß und zur Aufrechterhaltung eines Lernprozesses, der in einen Kulturwandel mündet, den Phasen im Lebenszyklus der Unternehmung zugeordnet. Die Strategien der frühen Phasen können auch in den nachfolgenden Phasen eingesetzt werden, jedoch eignen sich die Strategien der späten Phasen nicht für den Anstoß von Lernprozessen in den frühen Phasen (vgl. Schein (1995), S. 235 ff., (2004), S. 292 ff.). Nachdem er ausgelöst ist, läuft der Prozess des kulturellen Wandels in drei Phasen ab (vgl. Schein (2004), S. 319 ff.): − dem Auftauen, − dem Verändern und − dem Stabilisieren. Gründungs- und Wachstumsphase − Schrittweise Anpassung an die Entwicklung der Unternehmung Durch die Entwicklung der Unternehmung (z. B. Diversifikation, wachsende Komplexität) ändern sich die Ausdrucksformen der Kultur und bringen neue Verhaltensweisen hervor, die auf die Grundannahmen wirken. − Schrittweise Anpassung an die spezielle Entwicklung einzelner Unternehmungsbereiche Jeder Unternehmungsbereich wird mit anderen Unternehmungsbedingungen konfrontiert, an die er sich anpasst. Dadurch bildet sich eine Vielzahl von Subkulturen heraus, die auf die Unternehmungskultur wirken. − Selbsttherapie Das Management löst einen Prozess aus, in dem die Unternehmungsmitglieder die Stärken und Schwächen der Unternehmungskultur selbst bewerten, und unterstützen sie bei der Anpassung der kulturellen Annahmen, soweit es für das Überleben, die Effizienz und Effektivität der Unternehmung erforderlich ist. − Förderung von Mischformen innerhalb der Kultur Unternehmungsinterne Führungskräfte, deren Annahmen besser zu den veränderten Umwelt- und Unternehmungsbedingungen passen, und die von den Unternehmungsmitgliedern akzeptiert sind, werden in Schlüsselpositionen berufen. <?page no="89"?> 72 • Aufgaben des Kostenmanagements Mittlere Phase − Systematische Förderung ausgewählter Subkulturen Die Stärken und Schwächen der Subkulturen werden bewertet. Die Subkultur, die am besten zu den veränderten Unternehmungs- und Umweltbedingungen passt, wird gefördert, indem die Angehörigen der Subkultur in Schlüsselpositionen der Unternehmung berufen werden. − Technologische Attraktivität Das Management entscheidet sich bewusst für die Einführung einer neuen Technologie, um einen Kulturwandel auszulösen, wie z. B. Qualitätssicherungskonzepte (z. B. Six Sigma). Diese Strategie eignet sich, um bei kultureller Vielfalt die Wahrnehmung und das Verhalten der Unternehmungsmitglieder zu vereinheitlichen oder bestimmte kulturelle Annahmen zu stärken. − Durchdringung mit Unternehmungsexternen Durch die Neu- und Umbesetzung von Schlüsselpositionen in mehreren Unternehmungsbereichen und Ebenen der Führungshierarchie wird die Unternehmungskultur zerstört und ein Prozess zur Entwicklung einer neuen Unternehmungskultur ausgelöst. Reife und Niedergang − Skandale und Entlarvung von Mythen Diese Strategie greift, wenn das tatsächliche, von den Grundannahmen getragene Verhalten von den kommunizierten Werten und Normen abweicht. Der notwendige Kulturwandel wird ausgelöst, wenn die Grundannahmen die Ursache für einen Skandal sind, der nicht verborgen, vermieden oder geleugnet werden kann. Der für die Initiierung eines Kulturwandels notwendige Skandal kann auch bewusst herbeigeführt werden, indem zur rechten Zeit den richtigen Stellen Informationen übermittelt werden. − Turnaround Es handelt sich hierbei um keine eigenständige Strategie, sondern um die Kombination mehrerer Strategien zu einem Programm für den Kulturwandel durch einen starken Change Manager oder ein Change Team. − Unternehmungszusammenschlüsse Der Kulturwandel wird durch das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen ausgelöst, die mehr oder weniger unvereinbar sind. − Zerstörung und Neubelebung Die Gruppen, die Träger der Unternehmungskultur sind, werden aufgelöst und die Führungskräfte der alten Kultur freigesetzt. Die aus der Reorganisation hervorgehende Unternehmung entwickelt eine neue Unternehmungskultur. Abb. 2.10: Strategien für den Kulturwandel Ziel des Auftauens ist es, eine von der Mehrzahl der Unternehmungsmitglieder getragene Einsicht in die Notwendigkeit eines Kulturwandels und die Bereitschaft für einen Kulturwandel zu schaffen. Bevor eine Unternehmungskultur verändert werden kann, müssen die Annahmen aufgegeben werden, die in die Prozesse und Strukturen der Unternehmung übernommen worden und Bestandteile der individuellen Identität oder Gruppenidentität sind (vgl. Schein (2004), S. 320 ff.). Das Verändern der Unterneh- <?page no="90"?> Strukturbezogene Aufgaben • 73 mungskultur besteht im Erlernen neuer kultureller Annahmen. Diesem Lernprozess muss ein klar formuliertes Ziel vorgegeben werden (vgl. Kieser (1986), S. 50). Der Lernprozess ist durch verschiedene Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen und es sind Strukturen zu schaffen, die zu der neuen Art des Handelns, Entscheidens und Verhaltens konform sind (vgl. Schein (2004), S. 332 f.). Abb. 2.11 nennt Beispiele für Maßnahmen zur Förderung eines Lernprozesses, der zu einer Kostenkultur führen kann (vgl. Shields/ Young (1992), S. 23; Shields/ Young (1994), S. 190 f.). Das Stabilisieren setzt ein, wenn sich die neu erlernten kulturellen Annahmen wiederholt bewährt haben und zu Grundannahmen werden (vgl. Schein (2004), S. 328 f.). − Die Unternehmungsführung demonstriert beharrlich die Bedeutung der Effizienzgestaltung. − Es werden hervorragend qualifizierte Mitarbeiter zur Sicherung der Prozesssicherheit und Produktqualität eingestellt. − Der Handlungsspielraum der Mitarbeiter wird durch Partizipation an Entscheidungen, die stärkere Einbindung in das Unternehmungsgeschehen und die Einrichtung autonomer funktionsübergreifender Arbeitsgruppen erweitert. − Die Fertigkeiten, die Motivation und die Wandlungsfähigkeit werden durch Aus- und Weiterbildung sowie funktionsübergreifende Schulungen gefördert. − Die Mitarbeiter werden ermutigt, bei der Aufgabenerfüllung und Problembewältigung neue Wege zu gehen. − Den Mitarbeitern wird Kostenverantwortung übertragen. − Die Mitarbeiter werden in die Planung der Kostenvorgaben einbezogen. − Bürokratische Regeln werden abgebaut und ein offener funktionsübergreifender Kommunikationsstil gefördert und gepflegt. − Die Mitarbeiter werden kontinuierlich über die Entwicklung einiger weniger Erfolgskennzahlen ihres Arbeitsbereichs informiert. − Es wird ein Anreizsystem gestaltet, das Prämien für erfolgreiche Verbesserungsmaßnahmen oder Fortschritte bei den Erfolgskennzahlen gewährt. − Die Mitarbeiter werden regelmäßig über die Kosten bei den Wettbewerbern, die Effizienz im eigenen Bereich und in anderen Bereichen informiert. Abb. 2.11: Maßnahmen zur Schaffung einer Kostenkultur 2.3.2 Ausrichten der Unternehmungsorganisation Das Kostenmanagement ist Aufgabe der gesamten Unternehmungsführung und bedarf deshalb keiner speziellen Organisation (anders z. B. Franz/ Kajüter (2007), Sp. 981 f.). Die Organisation der Unternehmung ist jedoch für die Effizienzgestaltung von Bedeutung, da sie − eine Kosteneinflussgröße ist, − den institutionellen Rahmen für die Effizienzgestaltung in den verschiedenen Handlungsfeldern schafft und − einen Einfluss auf das Kostenbewusstsein in der Unternehmung hat. <?page no="91"?> 74 • Aufgaben des Kostenmanagements Die institutionellen Aspekte des Kostenmanagements betreffen deshalb nicht die Organisation dieses Aufgabenbereichs, sondern die Ausrichtung der Unternehmungsorganisation an den Erfordernissen der Effizienzgestaltung (in Anlehnung an Brehm/ Hackmann/ Jantzen-Homp (2006), S. 212). Auf die Organisation als Kosteneinflussgröße weisen Shields/ Young und Hammer/ Champy hin. Als Merkmale der Organisation mit Einfluss auf die Kosten werden die Art der horizontalen Gliederung der Unternehmung auf den verschiedenen Hierarchieebenen, die Stellenstruktur (einzelne Mitarbeiter oder Teams als Aufgabenträger) und die Leitungsstruktur genannt (vgl. Shields/ Young (1992), S. 24 f., (1995), S. E1- 8; Hammer/ Champy (1996), S. 71 ff.). Die Gestaltung der Effizienz durch die Einflussnahme auf Entscheidungen über diese Kosteneinflussgrößen wird in Abschnitt 5.2 im Zusammenhang mit der Prozessinnovation betrachtet. Aufgabe des Kostenmanagements ist es, den institutionellen Rahmen für die Effizienzgestaltung zu schaffen. Die organisatorischen Voraussetzungen für die kontinuierliche Verbesserung bilden Qualitätszirkel und ein betriebliches Vorschlagswesen (vgl. Abschnitt 4.2). Die Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen verlangt nach einer Projektorganisation (vgl. Abschnitt 3.1.2.2). Diese organisatorischen Voraussetzungen der Effizienzgestaltung werden in den nachfolgenden Kapiteln für jedes Handlungsfeld getrennt erörtert. Auf das Kostenbewusstsein in der Unternehmung kann das Kostenmanagement durch die Abgrenzung geeigneter Verantwortungsbereiche und die Verrechnung der Leistungsverflechtungen zwischen diesen Verantwortungsbereichen Einfluss nehmen (vgl. Young (2003), S. 139 ff.; Wileman (2008), S. 19 f.). Diese Aspekte werden im folgenden Abschnitt vertieft. 2.3.2.1 Abgrenzung von Verantwortungsbereichen Verantwortungsbereiche sind Unternehmungsbereiche, die interne Leistungen oder Absatzleistungen erstellen, über Entscheidungskompetenzen verfügen und für die Erreichung eines Zieles verantwortlich sind. Durch die regelmäßige Ermittlung und Analyse des Zielbeitrags gewinnen die Bereichsleiter Kenntnisse über den Einfluss ihrer Tätigkeit auf die Zielerreichung. Aus der hohen Gewichtung des Zieles, für das ein Bereichsleiter verantwortlich ist, den Kenntnissen über die Einflussgrößen auf die Zielerreichung sowie die sie verbindenden Wirkungsbeziehungen entsteht bei dem Bereichsleiter ein Bewusstsein für die Zielgröße. Dieses Bewusstsein ist ein Handlungs- und Entscheidungsmuster, das auf die Erhöhung des Zielbeitrags gerichtet ist. Es motiviert Bereichsleiter, die Leistungen ihr Mitarbeiter an dem verfolgten Ziel auszurichten (vgl. Cooper (1998), S. 327 f.). <?page no="92"?> Strukturbezogene Aufgaben • 75 Nach dem Inhalt und dem Umfang der übertragenen Entscheidungskompetenzen werden verschiedene Arten von Verantwortungsbereichen unterschieden, die in Abb. 2.12 abgegrenzt werden (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 131 ff.). Kriterium Center Verantwortlichkeit Entscheidungskompetenzen Vorgaben Beispiel Cost Center Produktivität Ausführung Input, Output, Investitionen Fertigungsbereich Service Center Ausgaben, Kosten Ausführung, Input Output, Investitionen Rechtsabteilung, Werbung, FuE Revenue Center Erlöse Ausführung, Output Input, Investitionen Vertriebsabteilung Profit Center Erfolg Ausführung, Input, Output Investitionen Division Investment Center Rentabilität Ausführung, Input, Output, Investitionen Finanzmittel Division Abb. 2.12: Arten von Verantwortungsbereichen Cost Center zeichnen sich durch drei Merkmale aus (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 134): − der Input kann durch Kostengrößen gemessen werden, − der Output kann quantitativ, jedoch nicht monetär erfasst werden und − die Standardkosten sind bestimmbar. Cost Center können im Fertigungsbereich der Unternehmung, teilweise aber auch im Verwaltungsbereich abgegrenzt werden. Da weder der Fertigungsnoch der Verwaltungsbereich am Markt tätig sind, kann der Output nicht monetär über den Umsatz erfasst werden. Die Standardkosten sind die unter den gegebenen Bedingungen minimalen Kosten einer abgegrenzten Leistung. Für eine Verwaltungseinheit lassen sie sich unter der Voraussetzung bestimmen, dass der Output in standardisierten Prozessen erstellt wird (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 134). Die Verantwortung der Cost Center erstreckt sich auf die Sicherung der Produktivität auf dem Niveau, das durch die Standardkosten vorgegeben ist. Erfasst werden kann der Zielbeitrag durch den Vergleich der Soll- und der Ist-Kosten aus einer flexiblen Plankostenrechnung (zur flexiblen Plankostenrechnung vgl. Friedl (2004), S. 280 ff.). Um nicht nur Einfluss auf das Bewusstsein für die Kosten, sondern auch auf das Bewusstsein für die Quantität und Qualität der Leistung zu nehmen und damit das Engagement für eine aggressivere Effizienzgestaltung zu stärken, sind in einigen japanischen Unternehmungen die Cost Center im Fertigungsbereich in Mikroprofit Center umgewandelt worden (vgl. Cooper/ Slagmulder (2006), S. 121 f.). <?page no="93"?> 76 • Aufgaben des Kostenmanagements Beim Konzept der Mikroprofit Center wird der Fertigungsbereich der Unternehmung in kleinere Bereiche gegliedert, denen nicht nur die Verantwortung für die Produktivität, sondern auch für die quantitative und qualitative Leistung übertragen wird (vgl. Cooper (1998), S. 327 f.). Mikroprofit Center sind erfolgsverantwortlich. Nach der Abhängigkeit des Mikroprofit Center von der Unternehmung werden − Pseudo-Mikroprofit Center und − echte Mikroprofit Center unterschieden (vgl. Cooper (1998), S. 327 f.). Pseudo-Mikroprofit Center sind Verantwortungsbereiche im Fertigungsbereich, die ihre Zwischenprodukte ausschließlich an andere Verantwortungsbereiche der Unternehmung liefern. Umsätze werden diesen Verantwortungsbereichen durch die Bewertung der innerbetrieblichen Leistungsverflechtungen mit Verrechnungspreisen zugerechnet (vgl. Cooper (1998), S. 331 ff.). Verrechnungspreise sind in der Unternehmung selbst festgelegte Wertansätze für Leistungen, die zwischen Verantwortungsbereichen innerhalb der Unternehmung ausgetauscht werden (vgl. z. B. Coenenberg (2003), S. 516). Das Konzept der Pseudo-Mikroprofit Center weist folgende Vorteile auf (vgl. Cooper (1998), S. 332): − stärkeres Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter, da der Beitrag zum Unternehmungserfolg sichtbar wird, − Motivierung zu leistungsorientiertem Verhalten durch den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Pseudo-Mikroprofit Centern, der durch die höhere Transparenz möglich wird, und − die Verlagerung des Betrachtungsschwerpunktes von der reinen Kostensenkung auf die Effizienzgestaltung über die Verbesserung der internen Leistung. Das Konzept der echten Mikroprofit Center sieht eine Verkleinerung der Unternehmung vor, indem zahlreiche autonome Einheiten gebildet werden. Echte Mikroprofit Center sind unabhängige, teilweise sogar rechtlich selbstständige Einheiten, die für den internen und externen Absatz abgegrenzter Ausschnitte des Produktsortiments der Unternehmung verantwortlich sind (vgl. Cooper (1998), S. 327 f., 356). Die Umsetzung dieses Konzeptes setzt voraus, dass es für die Zwischenprodukte auch unternehmungsexterne Kunden gibt und die Unternehmung bereit ist, die Zwischenprodukte an externe Kunden zu verkaufen. Die Gliederung des Fertigungsbereiches in echte Mikroprofit Center bremst das Wachstum der Bürokratie in der Unternehmung und verbessert die Fähigkeit der Unternehmung zur Anpassung an wechselnde Wettbewerbsbedingungen (vgl. Cooper (1998), S. 328 f.). Service Center sind Verwaltungseinheiten, deren Leistung nicht quantitativ erfasst werden kann. Standardkosten können deshalb nicht bestimmt werden. <?page no="94"?> Strukturbezogene Aufgaben • 77 Für Verwaltungseinheiten können keine Standardkosten bestimmt werden, wenn die Leistungserstellungsprozesse nicht repetitiv sind oder neuartige oder nur unpräzise abgegrenzte Aufgabenstellungen übertragen werden und damit der Ablauf des Leistungserstellungsprozesses unbekannt ist (vgl. Picot/ Rischmüller (1981), S. 333). Den Service Centern werden Kosten- oder Ausgabenbudgets vorgegeben. Diese spiegeln jedoch nicht die Kosten bzw. Ausgaben bei effizienter Leistungserstellung wider (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 134 f.). Revenue Center sind Absatzeinheiten, die primär für die Erlöse verantwortlich sind. Ihre Verantwortung für den Input erstreckt sich nur auf die Kosten des Prozesses der Leistungsverwertung, nicht jedoch auf die Kosten der verwerteten Produkte (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 133). Der Ablauf des Prozesses der Leistungsverwertung hängt von einer Vielzahl externer Faktoren ab und kann nicht standardisiert werden. Damit sind für diese Prozesse keine Standardkosten bestimmbar. Für die Leistungsverwertungsprozesse werden den Revenue Centern Ausgaben- oder Kostenbudgets vorgegeben. Wie auch die Budgets der Service Center spiegeln sie nicht den Input bei effizientem Prozessvollzug wider. Profit Center sind Verantwortungsbereiche, die sowohl für den Erlös als auch für die Kosten der Leistungserstellung und -verwertung verantwortlich sind, d. h. für den Erfolg. Die Verantwortung der Investment Center erstreckt sich nicht nur auf den Erfolg der Leistungserstellung und -verwertung, sondern auch auf das dafür eingesetzte Kapital (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 15). 2.3.2.2 Verrechnung interner Leistungen In den Verantwortungsbereichen fallen nicht nur Kosten für den Verbrauch von Einsatzgütern an, die vom Beschaffungsmarkt bezogen werden. Verbraucht werden auch Leistungen, die in anderen Verantwortungsbereichen der Unternehmung erstellt werden. Bei diesen Leistungen kann es sich um Betriebsstoffe, Bauteile oder Verwaltungsleistungen handeln. Um das Bewusstsein für die Kosten zu schärfen, die für den Verbrauch dieser Leistungen anfallen, sollen sie nicht den liefernden Verantwortungsbereichen angelastet, sondern den abnehmenden Verantwortungsbereichen zugerechnet werden (vgl. Johnson (1988), S. 27 f.). Zwischen dem Leistungsprogramm der Unternehmung und den Leistungen der Verwaltung besteht kein Zusammenhang (vgl. Picot (1979), S. 1156). Leiter von Verwaltungseinheiten sind zudem motiviert, das Leistungsprogramm ihres Bereichs mit dem Ziel auszudehnen, ihr Budget und damit ihren Einfluss zu erhöhen (vgl. Anthony/ Govindarajan (2007), S. 136). Dieses Verhalten wird auch als „Empire Building“ bezeichnet (vgl. Kaplan/ Atkinson (1998), S. 302 f.). Es besteht deshalb die Gefahr, <?page no="95"?> 78 • Aufgaben des Kostenmanagements dass im Verwaltungsbereich Leistungen erstellt werden, die objektiv nicht nötig sind, wie z. B. früher einmal benötigte Leistungen, auf die inzwischen jedoch verzichtet werden könnte. Durch die Verrechnung der Verwaltungsleistungen auf die abnehmenden Bereiche kann dem „Null-Tarif-Denken“ entgegengewirkt werden (vgl. Wegmann (1982), S. 48). Die Nachfrage nach nicht notwendigen Leistungen, die nur bei kostenloser Bereitstellung beansprucht werden, kann eingeschränkt oder vermieden werden (vgl. Sakurai (1997), S. 292) und Entscheidungsträger in den Verantwortungsbereichen können zu einem effizienten Umgang mit den Verwaltungsleistungen motiviert werden (vgl. Picot/ Rischmüller (1981), S. 333). Werden die Verwaltungseinheiten nur von den Kosten der tatsächlich beanspruchten Verwaltungsleistungen entlastet, werden die Leiter dieser Bereiche auch motiviert, nicht nachgefragte Verwaltungsleistungen abzubauen. Dem Empire Building kann so entgegengewirkt werden. Die Verrechnung der Kosten von Verwaltungsleistungen setzt jedoch voraus, dass die Verwaltungsleistung − abgrenzbar und messbar ist, − auf Veranlassung des abnehmenden Verantwortungsbereiches erstellt wird und − beim abnehmenden Verantwortungsbereich einen Nutzen erbringt (vgl. Scherz (1998), S. 165 ff.). Als Beispiele für diese Verwaltungsleistungen werden Schulungen und IV-Leistungen genannt (vgl. Sakurai (1997), S. 285 ff.). Für Verwaltungsleistungen, die diesen Anforderungen genügen, stehen zwei Verfahren der Kostenverrechnung zur Verfügung (vgl. Wegmann (1982), S. 47 ff.): − die Kostenumlage und − der Verrechnungspreis. Bei der Kostenumlage werden die gesamten Kosten einer Verwaltungseinheit nachträglich über eine Bezugsgröße möglichst verursachungsgerecht auf die Verantwortungsbereiche verrechnet, die Verwaltungsleistungen bezogen haben. Die Kosten, die einem Verantwortungsbereich zugerechnet werden, ergeben sich aus: i ij ij i ij J in n 1 K K b k b b = = ⋅ = ⋅ ∑ für i = 1, ..., I und j = 1, ..., J wobei K ij = Kosten der Verwaltungsstelle i (i = 1, ..., I), die dem Verantwortungsbereich j (j = 1, ..., J) zugerechnet werden, K i = Kosten der Verwaltungsstelle i, b ij = Leistung, die Verantwortungsbereich j von Verwaltungsstelle i bezieht, k i = Kostensatz der Verwaltungsstelle i. In der Regel sind die Kosten des Verwaltungsbereiches zumindest kurzfristig nicht von der Leistungsmenge abhängig. Reduzieren Verantwortungsbereiche ihre Nachfra- <?page no="96"?> Strukturbezogene Aufgaben • 79 ge nach Verwaltungsleistungen, werden die Kosten der liefernden Verwaltungseinheit auf eine geringere Menge abgesetzter Verwaltungsleistungen verteilt, d. h., der Kostensatz k i der Verwaltungseinheit steigt. Die Senkung der verrechneten Verwaltungskosten, die der abnehmende Verantwortungsbereich durch die Reduktion der Nachfrage anstrebt, wird damit nicht realisiert, da sie durch den gestiegenen Kostensatz zumindest teilweise kompensiert wird (vgl. Wagenhofer/ Riegler (1994), S. 481). Die Umlage der Verwaltungskosten motiviert die Leiter der Verantwortungsbereiche deshalb nur begrenzt zum Verzicht auf die Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen, die nicht benötigt werden oder nur von sehr geringem Nutzen sind. Der Leiter eines Verwaltungsbereichs wird auch nicht motiviert sein, nicht nachgefragte Verwaltungsleistungen abzubauen, wenn stets die gesamten Verwaltungskosten einer Periode auf die Verantwortungsbereiche verrechnet werden. Bei der Verrechnung über Verrechnungspreise wird ein Preis pro Leistungseinheit ausgehandelt oder vorgegeben. Die durch eine Senkung der Abnahmemenge angestrebte Senkung der verrechneten Verwaltungskosten wird damit in vollem Umfang realisiert. Die Verantwortungsbereiche sind deshalb motiviert, die Nachfrage nach Verwaltungsleistungen zu reduzieren. Die Kosten für Verwaltungsleistungen, die von den Verantwortungsbereichen nicht abgenommen werden, verbleiben bei der liefernden Verwaltungseinheit. Bei der Verrechnung von Verwaltungsleistungen über Verrechnungspreise werden die Verwaltungseinheiten motiviert, nicht nachgefragte Leistungen abzubauen. Die Verrechnung von Verwaltungsleistungen über Verrechnungspreise erhöht in den Verantwortungsbereichen das Bewusstsein für die Kosten von Verwaltungsleistungen. Dieses Verfahren zur Verrechnung der Kosten von Verwaltungsleistungen führt zu einer gründlicheren Analyse der Kosten und des Nutzens der Verwaltungsleistungen sowohl in der Verwaltungseinheit selbst als auch in den Verantwortungsbereichen und damit zu einem effizienteren Umgang mit den Ressourcen für die Erstellung der Verwaltungsleistungen (vgl. Sakurai (1997), S. 294 f.). Bei der Verrechnung von Verwaltungsleistungen über Verrechnungspreise werden nur die Kosten der Verwaltungsleistungen betrachtet, nicht aber ihre langfristigen Wirkungen auf die Unternehmungsziele. Es besteht deshalb die Gefahr, dass zur Erreichung kurzfristiger Kosten- oder Erfolgsziele auf Verwaltungsleistungen verzichtet wird, die für die Erreichung der langfristigen Unternehmungsziele von Bedeutung sind, wie z. B. Schulungen und Software-Entwicklungen (vgl. Picot/ Rischmüller (1981), S. 338). 2.4 Personenbezogene Aufgaben des Kostenmanagements 2.4.1 Obligatorische Aufgaben Die Rationalisierung kann zur Veränderung des Personalbedarfs, zum Einsatz neuer Arbeitstechniken oder zu einer Änderung der Arbeitsorganisation führen. Die Planung und Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen unterliegt deshalb generell den Mit- <?page no="97"?> 80 • Aufgaben des Kostenmanagements bestimmungsrechten der Arbeitnehmervertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und dem Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (SprAnG). Führt das Rationalisierungsvorhaben zu betriebsbedingten Kündigungen, ergibt sich aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für den Arbeitgeber eine Reihe von Pflichten. Die betriebliche Mitbestimmung ist für die leitenden Angestellten im Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (SprAuG), für alle anderen Arbeitnehmer im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Sie betrifft die Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungen über soziale, personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten, von denen sie unmittelbar betroffen sind, durch eine kollektive Interessenvertretung (vgl. Sundermann (1992), Sp. 1344 f.). Organe der kollektiven Interessenvertretung sind der Betriebsrat (§ 1 BetrVG), die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG), der Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) und der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten (§ 1 SprAuG). Nach § 106 BetrVG ist in Unternehmungen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern der Wirtschaftsausschuss über Rationalisierungsvorhaben und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu informieren. Darüber hinaus fallen viele Rationalisierungsmaßnahmen und ihre Konsequenzen unter die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und des Sprecherausschusses. Weiterhin sind Entlassungen , die aus einer Rationalisierungsmaßnahme folgen, ab einer bestimmten Größenordnung der Agentur für Arbeit zu melden. Abb. 2.13 gibt einen Überblick über die gesetzlichen Regelungen, die für Rationalisierungsvorhaben sowie für Maßnahmen in anderen Handlungsfeldern des Kostenmanagements relevant sein können. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Gegenstand Sachverhalte Rechte Soziale Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG) Vorübergehende Kürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit, Festsetzung leistungsbezogener Entgelte (Anreizsysteme), Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen Mitbestimmungsrecht Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§§ 90 f. BetrVG) Planung neuer oder Änderung bestehender betrieblicher Bauten, technischer Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe sowie Arbeitsplätze − Informationsrecht − Beratungsrecht − Initiativrecht bei besonderen Belastungen der Arbeitnehmer (angemessene Maßnahmen zur Abwendung, zur Milderung oder zum Ausgleich der Belastungen) <?page no="98"?> Personenbezogene Aufgaben • 81 Personalplanung, gegenwärtiger und künftiger Personalbedarf, personelle Maßnahmen, Maßnahmen zur Berufsbildung − Informationsrecht − Beratungsrecht (Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen, Vermeidung von Härten) Allgemeine personelle Angelegenheiten (§§ 92, 92a BetrVG) Vorschlagsrecht zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung (z. B. flexible Gestaltung der Arbeitszeit, neue Formen der Arbeitsorganisation, Änderung der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe, Alternativen zur Ausgliederung der Arbeit) Berufsbildung (§§ 97 II, 98 BetrVG) − Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung, wenn Maßnahmen geplant oder durchgeführt werden, die dazu führen, dass sich die Tätigkeiten der Arbeitnehmer ändern und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr ausreichen − Durchführung von Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung − Auswahl der Teilnehmer an Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung, die vom Arbeitgeber gefördert werden − Mitbestimmungsrecht Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung − Informationsrecht 1) − Zustimmungsverweigerungsrecht bei den in § 99 II abschließend aufgeführten Gründen 1) Kündigung Anhörungsrecht Personelle Angelegenheiten Personelle Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG) Ordentliche Kündigung Widerspruchsrecht bei den in § 102 III abschließend aufgeführten Gründen Wirtschaftliche Angelegenheiten Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 106 BetrVG) 2) − Rationalisierungsvorhaben − Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden − Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder von Betriebsteilen − Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen − Zusammenschluss oder Spaltung von Unternehmungen oder Betrieben − Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks Informationsrecht des Wirtschaftsausschusses, der den Betriebsrat zu unterrichten hat <?page no="99"?> 82 • Aufgaben des Kostenmanagements Geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können; Betriebsveränderungen sind − Einschränkung oder Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen − Verlegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile − Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben − Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen − Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren − Informationsrecht − Beratungsrecht − Interessenausgleich über die Betriebsänderung Vorschlagsrecht Betriebsänderungen (§§ 111 f. BetrVG) 1) − Sozialplan − Initiativrecht − Mitbestimmungsrecht Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (SprAuG) Arbeitsbedingungen und Beurteilungsgrundsätze (§ 30 SprAuG) − Gehaltsgestaltung − Allgemeine Arbeitsbedingungen Informations- und Beratungsrecht Einstellung, personelle Veränderung Informationsrecht Personelle Maßnahmen (§ 31 SprAuG) Kündigung − Anhörungsrecht − Widerspruchsrecht Wirtschaftliche Angelegenheiten nach § 106 BetrVG Informationsrecht Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, die für die leitenden Angestellten wesentliche Nachteile haben können Informationsrecht Wirtschaftliche Angelegenheiten (§ 32 SprAuG) Interessenausgleich über die Betriebsänderung Vorschlagsrecht Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung (§ 1a KSchG) 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses <?page no="100"?> Personenbezogene Aufgaben • 83 Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung (§ 1 Abs. 3 KSchG) Berücksichtigung sozialer Gründe bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) Anzeigepflicht (§ 17 KSchG) Entlassung von − mehr als 5 AN in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 AN) − 10 % der regelmäßig beschäftigten AN, aber mehr als 25 AN in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 AN − mindestens 30 AN in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 AN innerhalb von 30 Tagen − Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit − Informationspflicht und Beratungspflicht (Möglichkeiten der Vermeidung oder Einschränkung der Entlassungen und Milderung ihrer Folgen) gegenüber dem Betriebsrat über die Gründe der geplanten Entlassungen, Art und Berufsgruppe der zu entlassenden Arbeitnehmer, Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden usw. Entlassungssperre (§ 18 KSchG) Anzeigepflichtige Entlassungen werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit ihrer Zustimmung wirksam 1) Nur in Unternehmungen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern 2) Nur in Unternehmungen mit in der Regel mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern AN Arbeitnehmer Abb. 2.13: Rechtliche Regelungen zur Rationalisierung Wie Abb. 2.13 zeigt, sieht der Gesetzgeber bei der Rationalisierung neben Mitbestimmungsrechten eine Vielzahl verschiedener Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertretungen vor. Diese Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte haben folgende Inhalte (vgl. Hentze (1994), S. 129 ff.): − Mitbestimmungsrechte Der Betriebsrat kann bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber unter Einschaltung der Einigungsstelle eine verbindliche Regelung herbeiführen. − Zustimmungsverweigerungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die geplanten Maßnahmen zu unterrichten. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, können die Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Der Arbeitgeber kann beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung des Betriebsrates zu ersetzen. − Widerspruchsrechte bei ordentlicher Kündigung Widerspricht der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung und klagt der Betroffene auf Feststellung, muss er auf Verlangen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites unter unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigt werden. <?page no="101"?> 84 • Aufgaben des Kostenmanagements − Informations- und Beratungsrechte Der Betriebsrat bzw. der Wirtschaftsausschuss sind unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen so frühzeitig über vorgesehene Maßnahmen, die diesem Recht unterliegen, und die daraus resultierenden Auswirkungen für die Arbeitnehmer zu informieren, dass die vom Betriebsrat vorgetragenen Vorschläge und Bedenken bei der Planung noch berücksichtigt werden können. Kommt die Unternehmung ihren Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat nicht nach, können Ansprüche der Arbeitnehmer auf Nachteilsausgleich begründet werden (vgl. Sundermann (1992), Sp. 1358). − Initiativrechte Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Durchführung bestimmter Maßnahmen verlangen. − Vorschlagsrechte Der Betriebsrat hat das Recht, Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung und zum Interessenausgleich bei Betriebsänderungen zu unterbreiten. Die Ablehnung von Vorschlägen zur Beschäftigungssicherung und -förderung müssen vom Arbeitgeber begründet werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Interessenausgleich bei Betriebsänderungen sind Dritte (Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Einigungsstelle) als Vermittler einzuschalten. − Anhörungsrechte bei Kündigungen Eine Kündigung, die ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochen wird, ist unwirksam. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen werden Beratungen mit dem Ziel aufgenommen, einen Interessenausgleich herbeizuführen. Gegenstand der Verhandlungen sind die Notwendigkeit, die Art und der zeitliche Ablauf der Betriebsänderung, die technisch-organisatorischen und die personellen Maßnahmen sowie die Abgrenzung des betroffenen Personenkreises nach sozialen Gesichtspunkten (vgl. Schmidt (1989), S. 72 ff.). Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder dem Ausgleich von Nachteilen der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer sind Gegenstand des Sozialplans . Der klassische Sozialplan hat eine Überbrückungs- und Versorgungsfunktion. Geregelt werden vor allem die Abfindungen bei Entlassung und die Kompensation von Nachteilen bei Versetzung. Dem Sozialplan wird inzwischen zunehmend auch eine Beschäftigungssicherungsfunktion zugewiesen, die darin besteht, den Betroffenen neue, gleichwertige Beschäftigungschancen zu eröffnen oder die Existenzgründung zu ermöglichen. Diese Sozialpläne werden in der Wirtschaftspraxis auch als Transfersozialpläne bezeichnet (vgl. Kaba (2001), S. 21 f.). Sie konkretisieren die durchzuführenden Transfermaßnahmen. Das sind Maßnahmen, die der Eingliederung der Betroffenen in den Arbeitsmarkt oder dem Übergang in die Selbstständigkeit dienen. Seit dem 01.01.2004 werden nach § 216a SGB III Transfermaßnahmen finanziell gefördert. Voraussetzungen dieser Förderung sind <?page no="102"?> Personenbezogene Aufgaben • 85 − die Durchführung der Transfermaßnahmen vor Ablauf der Kündigungsfrist, − die Durchführung der Transfermaßnahmen durch einen Dritten, − die Sicherstellung der Durchführung der Transfermaßnahmen, − die Anwendung eines Systems zur Sicherung der Qualität der Transfermaßnahmen sowie − die angemessene Beteiligung des Arbeitgebers an den Kosten der Transfermaßnahmen. Transfermaßnahmen , die nach § 216a SGB III gefördert werden können, sind − Profiling Arbeitsmarktlich zweckmäßige Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten (vgl. § 216b SGB III); Maßnahmen, durch welche die Leistungsfähigkeit, die Arbeitsmarktchancen und der Qualifikationsbedarf der Betroffenen festgestellt wird; − Outplacement-Beratung Gezielte Hilfe bei der Bewerbung und Stellensuche, z. B. durch Stellensuche (aktive Ansprache von Unternehmungen, Auswertung von Stellenanzeigen in Zeitungen und im Internet), Beratung zu Stellenangeboten, Bewerbungstraining, Optimierung der Bewerbungsunterlagen; − Kurzqualifizierung sowie − Existenzgründerseminare. Der Transfersozialplan kann den Betroffenen die Möglichkeit eröffnen, für maximal 12 Monate in eine Transfergesellschaft (früher: Beschäftigungsgesellschaft) zu wechseln. Nach § 216b SGB III erhält der Arbeitnehmer während dieser Zeit Transferkurzarbeitergeld. Die Förderung setzt u. a. voraus, dass eine Vermittlung nicht möglich ist und der Betroffene an einem Profiling teilgenommen hat. Die Transfergesellschaft bietet dem Arbeitnehmer Transfermaßnahmen an. Zu diesen zählen mit Ausnahme des Profiling die oben genannten Maßnahmen, Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die zeitliche Überlassung der Mitarbeiter an eine andere Unternehmung (zum Zwecke der Erprobung oder Qualifizierung). Aus den gesetzlichen Regelungen, die für die Rationalisierung relevant sein können, ergeben sich folgende obligatorische Aufgaben des Kostenmanagements : − die Erfassung und Bereitstellung von Informationen über Rationalisierungsvorhaben, insbesondere über die Auswirkungen alternativer Rationalisierungsmaßnahmen auf die Arbeitnehmer, − die Analyse und Beurteilung der Vorschläge des Betriebsrates und des Sprecherausschusses, − die Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen mit dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss, − die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den Agenturen für Arbeit, <?page no="103"?> 86 • Aufgaben des Kostenmanagements − die Planung, Durchführung und Kontrolle von Transfermaßnahmen bzw. der Übertragung der Durchführung der Transfermaßnahmen an eine entsprechende Dienstleistungsunternehmung, wie z. B. Karent, Mypegasus, BAQ-Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft mbh, SKP AG; − die Planung, Realisation und Steuerung von Maßnahmen zur Finanzierung von Transfermaßnahmen. 2.4.2 Fakultative Aufgaben 2.4.2.1 Schaffen von Akzeptanz für die Effizienzgestaltung Der Effizienzgestaltung können vielfältige Barrieren entgegenstehen. Abb. 2.14 gibt einen Überblick über Objekte, gegen die sich diese Barrieren richten, und Träger dieser Barrieren. Damit aus den Barrieren keine destruktive Opposition der Beteiligten oder Betroffenen entsteht, ist es Aufgabe des Kostenmanagements, Akzeptanz für die Effizienzgestaltung im Allgemeinen und für die einzelnen Maßnahmen zur Effizienzgestaltung zu schaffen. Objekte der Barrieren Träger der Barrieren Systeme der Effizienzgestaltung, z. B. Systeme zur Planung und Kontrolle von Kostenvorgaben oder zur kontinuierlichen Verbesserung (Qualitätszirkel, Betriebliches Vorschlagswesen) Träger der Aufgaben innerhalb dieser Systeme; Mitarbeiter, die von den Ergebnissen dieser Systeme betroffen sind Vorgaben für das Schaffen einer effizienten Leistungserstellung oder effizienter Rahmenbedingungen Träger der Realisation dieser Vorgaben Maßnahmen zur Neugestaltung oder Rationalisierung der Rahmenbedingungen Träger der Umsetzung dieser Maßnahmen; Mitarbeiter, die von diesen Maßnahmen betroffen sind Leistungserstellungsprozesse, die durch die Effizienzgestaltung verändert worden sind Träger der Leistungserstellung Abb. 2.14: Barrieren gegen die Effizienzgestaltung Unter Akzeptanz wird nicht nur die positive Wertschätzung der Effizienzgestaltung verstanden, sondern zusätzlich auch die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung an der Effizienzgestaltung bzw. zur aktiven Anpassung an die durch die Effizienzgestaltung bewirkten Veränderungen (vgl. Wiendieck (1992), Sp. 91 f.). Akzeptanz für die Effizienzgestaltung wird durch die Einflussnahme auf die Ursachen der Widerstände von Beteiligten und Betroffenen geschaffen. Zu dieser Einflussnahme eignen sich die folgenden Maßnahmen (vgl. Koch (2004), S. 115 f.): <?page no="104"?> Personenbezogene Aufgaben • 87 − die Kommunikation, − die Partizipation der Betroffenen bei der Planung der Maßnahmen, − die Motivierung, − die Gestaltung des Veränderungsprozesses und − die Qualifizierung der Betroffenen und Beteiligten. In Abb. 2.15 werden diese Maßnahmen den Ursachen von Widerständen exemplarisch zugeordnet. Vielfach eignet sich zur Einflussnahme auf eine dieser Ursachen auch eine Kombination verschiedener Maßnahmen (zu einer ähnlichen Abbildung vgl. Steiger/ Hug (2008), S. 265). Maßnahmen zur Schaffung von Akzeptanz Ursache von Widerständen Kommunikation − Unsicherheit über die Konsequenzen der Rationalisierung − Ängste vor einer Verschlechterung der Arbeitssituation − Fehlende Einsicht in die Notwendigkeit der Rationalisierung − Unklare Vorstellungen über das Rationalisierungsvorhaben − Verletzung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber − Erfahrungen mit früheren Rationalisierungsvorhaben − Unvereinbarkeit mit der Unternehmungskultur − Ethische Bedenken Partizipation − Einschätzung, dass das Rationalisierungsvorhaben nicht zielführend ist oder zur falschen Zeit durchgeführt wird − Unzufriedenheit mit der Art der Durchführung des Rationalisierungsvorhabens Motivierung − Mangelnde Bereitschaft zur Veränderung, Bequemlichkeit − Persönliche Lebensumstände der Mitarbeiter Gestaltung der Veränderungsprozesse Überforderung der Fähigkeit der Mitarbeiter zur Veränderung Qualifizierung Befürchtungen der Beteiligten und Betroffenen bezüglich der geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten Abb. 2.15: Maßnahmen zur Schaffung von Akzeptanz (1) Kommunikation Was unter Kommunikation zu verstehen ist, hängt vom zugrunde liegenden Kommunikationsmodell ab. Unterschieden werden u. a. informations-, sprach- und verhaltenstheoretische Kommunikationsmodelle (vgl. Reichwald (1993), Sp. 2175 ff.). Hier wird von einem verhaltenstheoretischen Verständnis ausgegangen, d. h. von der Kommunikation als gegenseitige Verhaltensbeeinflussung durch die Übertragung von Informationen (vgl. Koch (2004), S. 38 ff.). <?page no="105"?> 88 • Aufgaben des Kostenmanagements Kommunikation ist ein Prozess zur zweckgerichteten Übertragung von Informationen zwischen Sender und Empfänger zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Kontext mit den Phasen (in Anlehnung an Titscher (1995), Sp. 1312 ff.; Brehm (2002), S. 266): − Auswahl der Informationen durch den Sender, − Mitteilung der ausgewählten Informationen und − Verstehen der übermittelten Informationen. Kommunikation ist damit nicht auf die Übermittlung von Informationen beschränkt, sondern schließt auch die Informationsverarbeitungs-, Wahrnehmungs- und Interpretationsvorgänge beim Sender und Empfänger ein (vgl. Gebert (1992), Sp. 1111). Zweck der Kommunikation ist es, die Beteiligten und Betroffenen in die Lage zu versetzen, die Notwendigkeit der Effizienzgestaltung zu erkennen und realistische Erwartungen über die Auswirkungen der Veränderungen auf ihre persönliche Situation zu bilden. (2) Partizipation der Betroffenen Unter Partizipation wird generell die Teilnahme oder Beteiligung betroffener Mitarbeiter an den Entscheidungen einer Instanz verstanden (vgl. Brose/ Corsten (1983), S. 26). Bei der Teilnahme an Entscheidungen verfügen die betroffenen Mitarbeiter über Mitwirkungsrechte, d. h. Anhörungs-, Vorschlags- oder Beratungsrechte. Bei der Beteiligung haben die betroffenen Mitarbeiter darüber hinaus Mitentscheidungsrechte (vgl. Wagner (2004), Sp. 1115 f.). Die Entscheidungen können Vorgaben, den Mitteleinsatz oder komplexe Maßnahmen zum Gegenstand haben (vgl. Schanz (1992), Sp. 1909 ff.). Betroffen sind Mitarbeiter, wenn sie die Ergebnisse der Entscheidung befolgen (z. B. inputorientiertes Budget) oder realisieren (z. B. Kostenvorgaben) müssen bzw. wenn die Ergebnisse der Entscheidung ihre persönliche (Arbeits-) Situation beeinflussen (z. B. Rationalisierungsmaßnahmen). Bei der direkten Partizipation arbeitet jeder einzelne der betroffenen Mitarbeiter an der Entscheidung mit. Eine repräsentative Partizipation ist gegeben, wenn die Mitwirkungsbzw. Mitbestimmungsrechte der betroffenen Mitarbeiter im Entscheidungsprozess von einem Interessenvertreter ausgeübt werden. Nach dem Partizipationsgrad, d. h. dem Ausmaß des Einflusses der Betroffenen auf die Entscheidung der Instanz, können folgende Formen der Partizipation unterschieden werden (vgl. Hill/ Fehlbaum/ Ulrich (1994), S. 243 ff., 259): − die Entscheidungsdiskussion Der Vorgesetzte trifft eine vorläufige Entscheidung und legt sie den Betroffenen unter Angabe der verfolgten Ziele, der Prämissen, der berücksichtigten Alternativen und der Alternativenbewertung vor. Die Betroffenen werden durch den Vorge- <?page no="106"?> Personenbezogene Aufgaben • 89 setzten motiviert, Bedenken und Einwände vorzubringen sowie neue Alternativen vorzuschlagen. Nach Auswertung der Gruppendiskussion trifft der Vorgesetzte die Entscheidung. − die Meinungsbildung in der Gruppe Den Betroffenen wird vom Vorgesetzten die Problemstellung präsentiert. Sie haben anschließend ihre Ziele zu artikulieren und Lösungsalternativen zu erarbeiten. Die Betroffenen werden damit von Beginn an in den Entscheidungsprozess einbezogen. Die Entscheidung wird durch den Vorgesetzten getroffen. − die Willensbildung durch die Gruppe Der Vorgesetzte gibt die Rahmenbedingungen für die zu treffende Entscheidung vor. Die Gruppe erarbeitet unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen eine Problemlösung und entscheidet im Rahmen eines demokratischen Willensbildungsprozesses. Der Vorgesetzte verfügt über ein Vetorecht für den Fall, dass die Gruppenentscheidung die vorgegebenen Rahmenbedingungen verletzt. Nach der sozialpsychologischen Reaktanztheorie sieht der Betroffene seine Handlungsfreiheit bedroht, wenn die Maßnahmen durch eine Instanz detailliert geplant und anschließend vorgegeben werden. Auf die Bedrohung ihrer Handlungsfreiheit reagieren die Betroffenen mit Reaktanz (vgl. Kirsch/ Esser/ Gabele (1979), S. 179). Durch die Einbeziehung von Vorschlägen der Betroffenen und ihre Zustimmung kann Widerständen gegen die erarbeitete Lösung vorgebeugt werden (vgl. Vroom/ Jago (1991), S. 25). Nach dieser Erklärung ist die Partizipation grundsätzlich geeignet, Widerstände der Betroffenen gegen Veränderungen zu vermindern oder sogar zu verhindern (vgl. Wiendieck (1992), Sp. 26). Darüber hinaus trägt die Partizipation zur Steigerung der Entscheidungsakzeptanz bei, indem sie die frühzeitige Offenlegung und Lösung von Zielkonflikten zwischen Instanz und Betroffenen ermöglicht. Der positive Einfluss der Partizipation auf die Akzeptanz von Veränderungen durch die Betroffenen ist durch viele Studien belegt worden (vgl. Gebert (1993), S. 484). Die Partizipation kann darüber hinaus auch zur Verbesserung der Entscheidungsqualität beitragen. Dafür sind folgende Gründe maßgebend (vgl. Vroom/ Jago (1991), S. 112): (1) Durch die Einbeziehung der Betroffenen verbreitert sich das Wissensspektrum und der Informationsstand im Entscheidungsprozess. (2) Durch das Zusammenwirken von Instanz und Betroffenen werden mehrere verschiedenartige Lösungsperspektiven in den Entscheidungsprozess eingebracht. Das erlaubt eine gründlichere Untersuchung des Problems und vermeidet Lösungen, die durch die "Tunnelperspektive" des Spezialisten geprägt sind. (3) Partizipation schafft die Voraussetzungen, um über Assoziation zu besseren Lösungen zu gelangen. (3) Weitere Maßnahmen Wissensbarrieren können zwei Ursachen haben: (1) Die Mitarbeiter befürchten, dass sie den Anforderungen der Leistungserstellung und -verwertung unter den veränderten Bedingungen nicht gerecht werden. (2) Die Mitarbeiter verfügen tatsächlich nicht über <?page no="107"?> 90 • Aufgaben des Kostenmanagements die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Leistungserstellung und -verwertung unter den veränderten Bedingungen erforderlich sind. Zur Einflussnahme auf Wissensbarrieren können sich damit kommunikative und qualifizierende Maßnahmen eignen. Unter Motivierung wird die Einflussnahme auf das Leistungsverhalten der Beteiligten und Betroffenen verstanden. Sie erstreckt sich auf das Leistungsverhalten der Beteiligten bei der Effizienzgestaltung und das Leistungsverhalten der Betroffenen bei der Leistungserstellung und -verwertung unter den durch die Effizienzgestaltung veränderten Bedingungen. Es wirkt sich ungünstig auf die Akzeptanz einer Maßnahme zur Effizienzgestaltung und ihrer Ergebnisse aus, wenn der ausgelöste Anpassungsbedarf die Anpassungsfähigkeit der Betroffenen übersteigt. Gestaltet werden kann der Anpassungsbedarf durch die zeitliche Lage, die Schrittlänge und die Zeitdauer der Prozesse zur Effizienzgestaltung (vgl. Krüger (2004), Sp. 1609 f). 2.4.2.2 Sichern von Fachkenntnissen Fachkenntnisse umfassen Fachwissen, Fähigkeiten sowie spezielle Begabungen. Das Fachwissen umfasst die in einem Lernprozess verarbeiteten Fakten und Daten. Erst wenn das Fachwissen mit Erfahrung in der Anwendung kombiniert wird, entstehen Fähigkeiten . Begabungen , wie z. B. geistige und motorische Fähigkeiten sowie die Wahrnehmungsfähigkeit der Aufgabenträger, sind nur mittelbar über die Personalauswahl und den Personaleinsatz gestaltbar. Fachwissen und Fähigkeiten werden dagegen durch Aus- und Weiterbildung, Erfahrung oder die Interaktion mit anderen Experten erworben (vgl. Abb. 2.16). Abb. 2.16: Sichern von Fachkenntnissen Eine Voraussetzung für die Effizienzgestaltung ist, dass die Aufgabenträger über − Methodenkenntnisse auf dem Gebiet der Effizienzgestaltung (z. B. Wertanalyse, Benchmarking) sowie − Fachwissen über die zentralen Kosteneinflussgrößen und ihre Wirkungen Fachkenntnisse Fachwissen Begabungen Fähigkeiten Aus- und Weiterbildung, Interaktion mit Experten Personalauswahl Personaleinsatz <?page no="108"?> Personenbezogene Aufgaben • 91 verfügen. Aufgabe des Kostenmanagements ist es, die benötigten Fachkenntnisse verfügbar zu machen, z. B. durch − die Planung, Durchsetzung und Kontrolle von Personalentwicklungsprogrammen, − die Personalzuweisung und − die Beschaffung externer Kenntnisträger. Ein Personalentwicklungsprogramm ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Erweiterung und Verbesserung der Fachkenntnisse von Aufgabenträgern im Hinblick auf die verfolgten Ziele, wie z. B. Schulungen. Die Zuordnung eines konkreten Mitarbeiters der Unternehmung zu einer Stelle oder einem Projekt bzw. die Zuordnung einer Aufgabe zu einem konkreten Mitarbeiter wird als Personalzuweisung bezeichnet. Beispielsweise können die für die Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen geforderten Fachkenntnisse über die Personalzuweisung verfügbar gemacht werden, wenn die Projektteams unter der Berücksichtigung des Bedarfs an Fachkenntnissen und der Fachkenntnisse der Mitarbeiter gebildet werden. Die Beschaffung externer Kenntnisträger gliedert sich in die Personalbeschaffung und in die Beschaffung von Beratungsleistungen. Durch Berater können vor allem erstmals oder in unregelmäßigen Zeitabständen benötigte Methodenkenntnisse verfügbar gemacht werden. 2.4.2.3 Beeinflussen des Leistungsverhaltens Unter der Einflussnahme auf das Leistungsverhalten werden alle Aktivitäten des Kostenmanagements verstanden, die darauf zielen, die Anstrengungen der Mitarbeiter bei der Schaffung einer effizienten Leistungserstellung und effizienter Rahmenbedingungen zu fördern. Die Förderung der Anstrengung umfasst zum einen die Ausrichtung des Handelns der Mitarbeiter an der Vermeidung und dem Abbau von Ineffizienzen. Zum anderen sollen der Einsatz, die Ausdauer und die Aufmerksamkeit bei den Handlungen zur Vermeidung und zum Abbau von Ineffizienzen verbessert werden. Beeinflusst werden soll das Leistungsverhalten − der Träger der Leistungserstellung bei • dem Vermeiden von Ineffizienzen und • dem Abbau von Ineffizienzen durch die Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen sowie − der Träger der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen bei • der Neuplanung und Rationalisierung und • dem Umsetzen der geplanten Maßnahmen. Auf der Grundlage der Parameter der Leistungsbeeinflussung, die in Abschnitt 9.1 aus Motivationstheorien abgeleitet werden, kann die Beeinflussung des Leistungsverhal- <?page no="109"?> 92 • Aufgaben des Kostenmanagements tens in die folgenden drei Aufgabenbereiche des Kostenmanagements gegliedert werden: − das Gestalten und Implementieren von Anreizsystemen, − das Schaffen von Arbeitsbedingungen, die der Effizienzgestaltung förderlich sind, sowie − die Kommunikation mit den Aufgabenträgern. (1) Gestalten und Implementieren von Anreizsystemen Anreizsysteme legen die Art, die Höhe und die Modalitäten der Auszahlung einer Belohnung fest, die Begünstigten als Folge einer bestimmten Leistung in Aussicht gestellt und gewährt wird, um sie zu einem bestimmten Verhalten extrinsisch zu motivieren (in Anlehnung an Gerpott/ Domsch (1991), S. 1004). Ein Anreizsystem kann durch folgende Parameter beschrieben werden: − das Anreizziel, − die Begünstigten, − die Belohnung, − die Bemessungsgrundlage, − die Belohnungsregel sowie − die Ausschüttungsregel. Das Anreizziel legt das Verhalten fest, zu dem das Anreizsystem die Begünstigten motivieren soll, und ist möglichst präzise aus den verfolgten Zielen herzuleiten. Eine Belohnung ist die Gesamtheit der materiellen und immateriellen Zuwendungen, die dem Begünstigen in Aussicht gestellt und gewährt werden (in Anlehnung an Gerpott/ Domsch (1991), S. 1004 f.). Als Belohnung eignen sich nur Zuwendungen, die Motive der Begünstigten aktivieren. Die Bemessungsgrundlage sind die Kriterien, auf deren Grundlage das Verhalten der Begünstigten beurteilt wird. Die Belohnungsregel legt fest, wie die Belohnung für den realisierten Wert der Bemessungsgrundlage bestimmt wird. Die Ausschüttungsregel gibt den Zeitplan an, nach dem eine Belohnung als Ganzes oder in Teilen gewährt wird. (2) Schaffen von Arbeitsbedingungen Das Schaffen von Arbeitsbedingungen für die Effizienzgestaltung betrifft u. a. das Bilden von Projektteams, die zeitliche Freistellung von Mitarbeitern für Zwecke der Effizienzgestaltung, die Bereitstellung finanzieller und sachlicher Ressourcen sowie die Einrichtung eines Zugangs zu den für die Effizienzgestaltung erforderlichen Informationen. Hierzu zählt auch die Institutionalisierung der Partizipation der Beteiligten an der Planung von Vorgaben und der Betroffenen an der Planung von Kostensenkungsmaßnahmen. Die Arbeitsbedingungen beeinflussen die Leistung in zweifacher <?page no="110"?> Personenbezogene Aufgaben • 93 Hinsicht. Zum einen können sie ein intrinsischer Anreiz sein. Zum anderen können sie die Aufgabenerfüllung unterstützen . (3) Kommunikation Sofern Vorgaben nicht partizipativ geplant werden, ist ein Zweck der Kommunikation die Vermittlung der Inhalte der Vorgaben und der mit ihnen verbundenen Erwartungen, um Missverständnissen bei der Effizienzgestaltung entgegenzuwirken (vgl. Laux/ Liermann (2003), S. 156 f.). Zweifel der Beteiligten an der Realisierbarkeit der Vorgaben wirken sich ungünstig auf ihre Anstrengungs- und Konsequenzerwartungen und damit auf ihre Anstrengung aus. Werden die Vorgaben nicht partizipativ geplant, ist der Nachweis der Realisierbarkeit der Vorgabe ein Zweck der Kommunikation. Dieser Nachweis kann z. B. über einen Vergleich mit Wettbewerbern oder anderen Unternehmungen geführt werden, wie es das Reverse Engineering und das Benchmarking vorsehen (vgl. Schäfer/ Seibt (1998), S. 368), oder durch gut und nachvollziehbar begründete Prognosen der Kosten- und Leistungswirkungen geplanter Maßnahmen. Zum anderen sollen im Handlungsfeld der kontinuierlichen Verbesserung die Aufgabenträger durch kommunikative Maßnahmen zur Erarbeitung und Umsetzung von Kostensenkungsvorschlägen ermutigt werden. Bei der Erarbeitung und Umsetzung dieser Vorschläge sollen sie durch die regelmäßige Bereitstellung von Rückkopplungsinformationen unterstützt werden. 2.4.2.4 Fördern der Kreativität Bei der Bearbeitung innovativer Projekte zur Gestaltung effizienter betrieblicher Rahmenbedingungen, wie z. B. bei der kostenorientierten Produktplanung (vgl. Abschnitt 6.2) und der Prozessinnovation (vgl. Abschnitt 5.2), ist es Aufgabe des Kostenmanagements, Kreativitätsbarrieren abzubauen. Zur Förderung der Kreativität der an der Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen beteiligter Mitarbeiter lassen sich aus der komponentenorientierten Konzeption individueller Kreativität folgende Aussagen herleiten (vgl. Abschnitt 9.2): 1. Es ist sicherzustellen, dass die Beteiligten über die erforderlichen Fachkenntnisse und kreativitätsrelevanten Fertigkeiten verfügen. 2. Es ist ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das die Beteiligten motiviert. 3. Extrinsische Anreize können die intrinsische Motivation der Beteiligten verdrängen und damit kreativitätshemmend wirken. Beeinflusst werden können die in der Unternehmung verfügbaren Fachkenntnisse und kreativitätsrelevanten Fertigkeiten durch Schulungs- und Rekrutierungsmaßnahmen (vgl. Locke/ Kirkpatrick (1995), S. 120). Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist zeitaufwendig und verursacht hohe Kosten. Maßnahmen, die auf eine Verände- <?page no="111"?> 94 • Aufgaben des Kostenmanagements rung des Arbeitsumfeldes zur Steigerung der intrinsischen Motivation zielen, sind mit geringerem Aufwand verbunden (vgl. Amabile (1998), S. 77 f.). Als Maßnahmen zur Steigerung der kreativen Leistung über die Gestaltung des Arbeitsumfeldes der Mitarbeiter können genannt werden (vgl. Amabile (1998), S. 81 ff.; Amabile/ Kramer (2007), S. 58 ff.): 1. Personalzuweisung Für ein Projektteam sollten Mitarbeiter ausgewählt werden, die über die erforderlichen Fachkenntnisse und kreativitätsrelevanten Fertigkeiten verfügen. Sie sollten die Aufgaben als anspruchsvoll empfinden, ohne dass es zu einer Überforderung kommt. Zudem sollten die ausgewählten Mitarbeiter an der jeweiligen Aufgabenstellung interessiert sein. 2. Entscheidungsbefugnisse Dem Projektteam sollten eindeutig definierte Projektziele vorgegeben werden (vgl. Locke/ Kirkpatrick (1995), S. 120). Diese Vorgaben sollten möglichst über einen längeren Zeitraum gültig sein, d. h. nur ausnahmsweise angepasst werden. Das Projektteam sollte selbst darüber entscheiden können, wie die Vorgaben im Rahmen der zeitlichen Restriktionen und der vorgegebenen Ausstattung mit Ressourcen erreicht werden sollen. Vorgaben zum Prozess der Zielerreichung sollten auf ein Minimum reduziert werden (vgl. auch Schlicksupp (1991), S. 541). Das Projektteam sollte ermuntert werden, von herkömmlichen Problemlösungen abzuweichen und neue Ideen zu erproben. Zudem sollte das Management den Projektfortschritt in einer von dem Projektteam wahrnehmbaren Form verfolgen (vgl. Sethi/ Smith/ Park (2003), S. 8 f.). 3. Ressourcen Das Projekt ist mit den zur Erreichung der Vorgaben erforderlichen personellen, sachlichen und finanziellen Ressourcen auszustatten, da ansonsten die Kreativität der Beteiligten auf die Beschaffung von Ressourcen gelenkt würde. 4. Zeitvorgaben Unnötig enge oder nicht realisierbare Zeitvorgaben wirken sich ungünstig auf die Kreativität aus, da sie die Beteiligten zwingen, die Lösungsideen mit den größten Aussichten auf Erfolg zu verfolgen und neuartige, aber risikoreiche Ideen frühzeitig zu verwerfen. Zeitdruck, der aus den Aktivitäten der Konkurrenten oder der Bedeutung der Aufgabe für die Unternehmung oder die Gesellschaft resultiert, kann dagegen positiv auf die Kreativität wirken. Starker Zeitdruck sollte, wann immer es möglich ist, vermieden werden. Das verlangt die Planung vorsichtiger, realistischer Zeitvorgaben. In Situationen mit unvermeidbarem Zeitdruck müssen Bedingungen geschaffen werden, die es den Mitarbeitern ermöglichen, sich einen bedeutenden Teil der Arbeitszeit ohne Unterbrechung durch Anforderungen von außen (z. B. Sitzungen, kurzfristige Änderungen der Projektdefinition) mit ihrer Aufgabe beschäftigen zu können (vgl. Amabile/ Hadley/ Kramer (2002), S. 61). <?page no="112"?> Personenbezogene Aufgaben • 95 5. Teambildung Es genügt nicht, wenn jedes einzelne Mitglied des Projektteams über die erforderliche Qualifikation und Motivation verfügt. Auch die Zusammensetzung des Projektteams sollte bestimmten Anforderungen genügen: (1) Die Teammitglieder teilen die Begeisterung für die gestellte Aufgabe. (2) Sie unterstützen sich gegenseitig, indem neuartige Ideen konstruktiv beurteilt und gegebenenfalls gemeinsam weiterverfolgt werden. (3) Im Projektteam sind verschiedenartige Erfahrungen und Denkstile vertreten, die von jedem Teammitglied anerkannt werden (vgl. Amabile (1988), S. 528). Diese Merkmale eines Projektteams wirken sich nicht nur auf die intrinsische Motivation der Teammitglieder günstig aus, sondern auch auf die Fachkenntnisse und die kreativen Fertigkeiten des gesamten Teams. 6. Unterstützung durch das Projektmanagement Auf die kreative Leistung wirkt es sich positiv aus, wenn sich das Projektteam der Bedeutung bewusst ist, welche die angestrebte Kostensenkung für den Erfolg der Unternehmung hat. Der Projektmanager hat dem Projekt diese Bedeutung zu erläutern (vgl. Amabile/ Kramer (2007), S. 60). Kreativitätsfördernd ist es auch, wenn der Projektmanager Fortschritte auch dann wahrnimmt und anerkennt, wenn der Beitrag zur Erreichung der Ziele noch nicht absehbar ist (vgl. Amabile/ Kramer (2007), S. 58), wenn er in Phasen ohne erkennbare Fortschritte das Projekt nicht vorschnell abbricht und die Teammitglieder zur Zusammenarbeit und Kommunikation ermutigt. 7. Unterstützung durch die Unternehmungsführung Die Unternehmungsführung hat den Mitgliedern des Projektteams die Bedeutung kreativer Ideen für die Unternehmung zu vermitteln. Das verlangt, dass es neuartige Ideen gerecht, konstruktiv und zeitnah beurteilt und anerkennt. Darüber hinaus hat es die projektübergreifende Weitergabe von Informationen und Zusammenarbeit zu fördern (vgl. Schlicksupp (1991), S. 542). Streitigkeiten zwischen Projektteams, Machtkämpfe, Ressortegoismen und Klatsch hemmen die Kreativität. Die Unternehmungsführung hat deshalb Streitigkeiten zwischen Projektteams oder Unternehmungsbereichen aktiv entgegenzuwirken. Extrinsische Anreize wirken bei hoher intrinsischer Motivation kreativitätsfördernd, sofern sie entweder die Problemlösungsfähigkeit oder die Arbeitsbedingungen in den Teams verbessern. Andere Anreize, wie z. B. Kostensenkungsprämien, werden als Einschränkung der Selbstbestimmung empfunden und wirken deshalb kreativitätshemmend. Zur Förderung der Kreativität sind deshalb keine formalen Anreizsysteme zu schaffen. Es sind vielmehr regelmäßig Ergebniskontrollen zur Leistungsbeurteilung durchzuführen. Auf der Basis der Ergebnisse sind entweder erbrachte Leistungen anzuerkennen oder unterstützende Maßnahmen zur Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit einzuleiten (vgl. Amabile (1988), S. 532). Aufgaben des Kostenmanagements zur Förderung der Kreativität in Projekten zur innovativen Gestaltung effizienter Rahmenbedingungen sind damit <?page no="113"?> 96 • Aufgaben des Kostenmanagements 1. die Verbesserung des Fachwissens und der kreativitätsrelevanten Fertigkeiten der Projektmitarbeiter durch • die Personalauswahl und die Personalzuordnung sowie • die Qualifizierung der Mitarbeiter, 2. die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, die es dem Projektteam ermöglichen, sich bei möglichst geringen äußeren Zwängen auf die Problemlösung konzentrieren zu können, 3. die Anerkennung erbrachter Leistungen und 4. das Gewähren von Anreizen in der Form einer Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit oder der Arbeitsbedingungen. <?page no="114"?> Teil 2: Handlungsfelder des Kostenmanagements 3 Rationalisierung als Handlungsfeld 3.1 Grundlagen der Rationalisierung 3.1.1 Rationalisierungsziele und ihre Umsetzung 3.1.1.1 Ziele der Rationalisierung Bei der Rationalisierung (vgl. Abschnitt 1.2.2.2) sind drei Ziele mit den folgenden Inhalten von Bedeutung (in Anlehnung an Krüger (1995), Sp. 1788; Abb. 3.1): − die Wirtschaftlichkeit des Rationalisierungsobjektes, − die Effizienz der Rationalisierung und − die soziale Effektivität der Rationalisierung. Abb. 3.1: Ziele der Rationalisierung Das Wirtschaftlichkeitsziel der Rationalisierung folgt aus dem Ziel des Kostenmanagements. Zum Ausdruck kommt das Wirtschaftlichkeitsziel in den kosten- und leistungsbezogenen Vorgaben (vgl. Abschnitt 2.2.2.1), die für Rationalisierungsvorhaben geplant werden. Das Rationalisierungsobjekt ist der Ausschnitt der betrieblichen Rahmenbedingungen, der an Unternehmungs- oder Umweltveränderungen angepasst werden soll, um die Effizienz der Rahmenbedingungen wieder herzustellen. Bei der Produktrationalisierung ist das ein Produkt im Marktzyklus, bei der Prozessinnovation die Aufbaustruktur der Unternehmung. Die Effizienz der Rationalisierung bezieht sich auf die Rationalisierungskosten, d. h. die Kosten, die bei der Planung, Realisation, Kontrolle und Sicherung der Rationalisierungsmaßnahmen entstehen. Sie sind von den Kosten zu unterscheiden, die durch die Rationalisierung zielorientiert gestaltet werden sollen, d. h. von den Wirkungen Rationalisierungsziele Effizienz der Rationalisierung Wirtschaftlichkeit des Rationalisierungsobjektes Soziale Effektivität der Rationalisierung Kostenbezogene Vorgabe Leistungsbezogene Vorgabe + <?page no="115"?> 98 • Rationalisierung als Handlungsfeld der Rationalisierungsmaßnahmen auf die Kosten der Leistungserstellung und -verwertung. So bilden bei der Produktrationalisierung die Materialkosten des Produktes einen Bestandteil des Wirtschaftlichkeitszieles und die Kosten der Wertanalyse und der Konstruktion zählen zu den Rationalisierungskosten, auf das sich das Effizienzziel der Rationalisierung bezieht. Die Rationalisierung zeichnet sich durch nachhaltige Auswirkungen auf Arbeitnehmer aus. Rationalisierungsvorhaben stehen deshalb personenbedingte Barrieren entgegen (vgl. Abschnitt 1.2.3.1). Werden diese Barrieren nicht überwunden, kommt es zu Widerständen bei Beteiligten und Betroffenen. Die Sicherung der sozialen Effektivität der Rationalisierung umfasst zum einen den Abbau von Barrieren und das Vermeiden destruktiven Widerstandes der Beteiligten und der Betroffenen (vgl. Marr/ Kötting (1992), S. 828 f.). Zum anderen erstreckt sich dieses Ziel auf die Erhaltung der Motivation und Loyalität der verbleibenden Mitarbeiter, sofern die Rationalisierung mit einem Personalabbau verbunden ist. Die Sicherung der sozialen Effektivität fordert die Schaffung von Akzeptanz des Rationalisierungsvorhabens und seiner Konsequenzen bei den Beteiligten und Betroffenen. 3.1.1.2 Strategien der Rationalisierung Eine Rationalisierungsstrategie ist die Vorgabe einer Vorgehensweise zur Erreichung der Rationalisierungsziele. Abb. 3.2 gibt einen Überblick über Rationalisierungsstrategien. Abgrenzungskriterium Rationalisierungsstrategien Identifizieren von Rationalisierungspotentialen Passiv-reaktive Rationalisierung Aktiv-antizipative Rationalisierung Umfang und Folgen der Anpassungsmaßnahmen Umbruchstrategie Evolutionsstrategie Antizipative Kontinuitätsstrategie Initiatoren der Rationalisierung Top-down- Strategie Bottom-up-Strategie Gegenstromstrategie Abb. 3.2: Arten von Rationalisierungsstrategien (1) Strategien nach dem Identifizieren von Rationalisierungspotentialen Nach der Suche nach Rationalisierungspotentialen werden die beiden folgenden Rationalisierungsstrategien unterschieden (vgl. Marr/ Hofmann (1992), Sp. 2146): − die passiv-reaktive und − die aktiv-antizipative Rationalisierung. <?page no="116"?> Grundlagen der Rationalisierung • 99 Die passiv-reaktive Rationalisierung wird ausgelöst, wenn Abweichungen von den Zielen erwartet werden bzw. bereits eingetreten sind. Mit dieser Form der Rationalisierung sind zwei Nachteile verbunden: (1) Es wird u. U. zu spät auf die Veränderungen reagiert, so dass Kostennachteile gegenüber den Wettbewerbern oder (existenzgefährdende) Verluste auftreten. (2) Die Planung und Realisation von Anpassungsmaßnahmen verursachen Kosten. Diese werden umso eher durch die künftigen Kostensenkungen kompensiert, je länger die verbleibende Geltungsdauer der ursprünglichen Entscheidung ist. Aus diesem Grund werden beispielsweise gegen Ende des Marktzyklus keine Maßnahmen ergriffen, um Kostensenkungspotentiale im Entwurf oder im Produktionsprozess eines Produktes zu heben (vgl. Cooper/ Slagmulder (2006), S. 120). Das mit Anpassungsmaßnahmen erschließbare Rationalisierungspotential nimmt mit dem Ablauf der Geltungsdauer der ursprünglichen Entscheidungen ab (vgl. Reiß (1989), S. 91). Entscheidungen sollten deshalb frühzeitig an Veränderungen angepasst werden. Das verlangt nach einer aktiv-antizipativen Rationalisierung . Sie ist durch die kontinuierliche Suche nach erwarteten oder tatsächlich vorhandenen Rationalisierungspotentialen gekennzeichnet. Von den nach dieser Strategie identifizierten Rationalisierungspotentialen geht noch keine unmittelbare Gefahr für die Zielerreichung aus. Die Notwendigkeit der Rationalisierung und der damit verbundenen Folgen für die Arbeitssituation der Beteiligen und Betroffenen ist deshalb nur schwer vermittelbar. Die Herstellung der sozialen Effektivität der Rationalisierungsvorhaben kann deshalb Probleme bereiten (vgl. Krüger (2006c), S. 133). (2) Strategien nach dem Umfang und den Folgen der Anpassungsmaßnahmen Nach diesem Merkmal werden zwei generische Rationalisierungsstrategien unterschieden (vgl. Krüger (1999), S. 868 ff.; Kajüter (2000), S. 128 ff.): − die Umbruch- und − die Evolutionsstrategie der Rationalisierung. Die Umbruchstrategie der Rationalisierung zeichnet sich durch die synoptische und eher passiv-reaktive Vorgehensweise bei der Planung und Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen aus. Sie sieht vor, dass in unregelmäßigen, größeren Zeitabständen umfassende, bereichsübergreifende Rationalisierungsprogramme mit dem Ziel konzipiert und umgesetzt werden, kurzfristig deutliche Effizienzsteigerungen zu erreichen. Der Vorteil der Umbruchstrategie ist die Schnelligkeit, mit der deutliche Effizienzsteigerungen erreicht werden können. Die synoptische Vorgehensweise bei der Planung der Rationalisierungsmaßnahmen erlaubt zudem die Erarbeitung abgestimmter Gesamtlösungen. Diesen Vorteilen steht der Nachteil der begrenzten Planbarkeit großer Veränderungen und der damit einhergehenden Umsetzungsprobleme gegenüber. Da in der Zeit zwischen den Rationalisierungsprojekten nicht systematisch nach Verbesserungen gesucht wird, muss von einer Verringerung der erreichten Effizienz bis zum nächsten Rationalisierungsvorhaben ausgegangen werden (vgl. Imai (1994), <?page no="117"?> 100 • Rationalisierung als Handlungsfeld S. 50). Zudem erzeugen größere Veränderungen personenbedingte Barrieren, da sie die Anpassungsfähigkeit der Beteiligten und Betroffenen übersteigen (vgl. Krüger (2004), Sp. 1610). Der Grundgedanke der Evolutionsstrategie der Rationalisierung besteht darin, die Rationalisierungsmaßnahmen inkremental zu planen. Bei diesem Planungsansatz werden permanent, in kurzen, regelmäßigen Zeitabständen punktuelle Rationalisierungsmaßnahmen erarbeitet. Im Mittelpunkt stehen dabei kleinere Anpassungen der Rahmenbedingungen, die in der Summe jedoch zu beachtlichen Effizienzsteigerungen führen können. Positiv zu bewerten ist die Beherrschbarkeit und die höhere Akzeptanz kleinerer Veränderungen. Das Problem der Evolutionsstrategie ist, dass auch eine Vielzahl punktueller Anpassungen nicht für fundamentale Veränderungen mit deutlichen Kostensenkungen ausreicht (vgl. Krüger (2004), Sp. 1610). Eine Kombination aus der Umbruch- und der Evaluationsstrategie ist die antizipative Kontinuitätsstrategie . Sie sieht vor, dass regelmäßig in vorgegebenen Zeitabständen bereichsübergreifend nach Rationalisierungspotentialen gesucht wird, die der Systemrationalisierung bedürfen. In der Zeit zwischen den Vorhaben zur Systemrationalisierung wird bereichsintern kontinuierlich nach Rationalisierungspotentialen gesucht, für die unmittelbar punktuelle Rationalisierungsmaßnahmen erarbeitet werden. Durch die regelmäßige bereichsübergreifende Suche nach Rationalisierungspotentialen kann ein Anpassungsbedarf frühzeitig erkannt werden, d. h. bevor der Erfolg sinkt. Ein Aufstauen des Anpassungsbedarfs kann ebenso vermieden werden wie Zeitdruck bei der Durchführung der Rationalisierungsvorhaben. Darüber hinaus wird in der Zeit zwischen den Vorhaben zur Systemrationalisierung die Effizienz durch punktuelle Rationalisierungsvorhaben gesichert. (3) Strategien nach den Initiatoren Nach den Initiatoren der Rationalisierung wird zwischen − der Top-down- und − der Bottom-up-Strategie unterschieden. Bei der Top-down-Strategie der Rationalisierung geht die Initiative für die Rationalisierung von der Instanz aus. Die Problemerkennung, d. h. die Identifikation eines Rationalisierungspotentials, ist bei dieser Rationalisierungsstrategie eine Aufgabe der Instanz. Als zweckmäßig erweist sich diese Strategie in Unternehmungskrisen und bei der Implementierung von Strategien. Es kann bei dieser Vorgehensweise selten das gesamte Rationalisierungspotential erschlossen werden, da bei der Problemerkennung das Wissen der Mitarbeiter nicht genutzt wird (vgl. Kieser/ Hegele (1998), S. 231). Bei der Bottom-up-Strategie der Rationalisierung ist die Problemerkennung eine Aufgabe der Mitarbeiter. Aufgaben der Instanz sind die Auswahl der zu realisierenden <?page no="118"?> Grundlagen der Rationalisierung • 101 Initiativen und ihre Abstimmung hinsichtlich der angestrebten Unternehmungsziele. Eine Bottom-up-Strategie ist an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden (vgl. Bach (2000), S. 251). Diese Voraussetzungen sind: − das Schaffen von Akzeptanz für die Eigeninitiative bei den Mitarbeitern, − die Gestaltung eines Anreizsystems für die Initiierung und die Durchführung von Rationalisierungsvorhaben, − der Aufbau eines transparenten Verfahrens zur objektiven Bewertung von Initiativen durch die Instanz, − die Unterstützung einer kreativitätsfördernden interdisziplinären Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und − das Schaffen zeitlicher und finanzieller Freiräume für die Mitarbeiter. Bei der Bottom-up-Strategie besteht die Gefahr, dass die Rationalisierungsvorhaben nicht mit der Unternehmungsstrategie abgestimmt sind, der Schwerpunkt auf der punktuellen Rationalisierung liegt und keine fundamentalen Veränderungen der Rahmenbedingungen mit deutlichen Effizienzsteigerungen vorgenommen werden. Da bei der Top-down-Strategie die Initiative von der Instanz ausgeht, müssen die Beteiligten und Betroffenen von der Notwendigkeit der Rationalisierung überzeugt werden, um die erforderliche Akzeptanz zu schaffen. Der sozialen Effektivität kommt bei diesen Rationalisierungsvorhaben deshalb ein stärkeres Gewicht zu als bei der Bottom-up- Strategie, bei der die Notwendigkeit des Rationalisierungsvorhabens von den Beteiligten oder Betroffenen selbst erkannt wird (vgl. Bach (2000), S. 252 f.). Um die Vorteile der Top-down- und der Bottom-up-Strategie zu nutzen und ihre Nachteile zu vermeiden, sind diese Strategien zu folgender Vorgehensweise zu kombinieren : Die Problemerkennung für Rationalisierungsvorhaben ist Aufgabe der Instanz. Die Betroffenen werden anschließend aufgefordert, das durch die Instanz identifizierte Rationalisierungspotential auf der Grundlage einer eigenständigen Problemerkennung zu erweitern oder zu modifizieren. Die Instanz wählt die zu realisierenden Rationalisierungspotentiale aus und initialisiert den Rationalisierungsprozess. Bei dieser Vorgehensweise handelt es sich um eine Gegenstromstrategie mit Anstoß von oben. 3.1.2 Ablauf von Rationalisierungsprojekten 3.1.2.1 Phasen im Rationalisierungsprozess Umfangreiche Rationalisierungsvorhaben, wie z. B. bei der Systemrationalisierung, stellen einen Unternehmungswandel dar. Die in der Literatur zum Change Management dargestellten Prozesse des Unternehmungswandels gehen überwiegend auf das Drei-Phasen-Modell von Lewin zurück (z. B. Kotter (1997), S. 37 ff.), das folgende Phasen abgrenzt (vgl. Lewin (1947), S. 34 f.): <?page no="119"?> 102 • Rationalisierung als Handlungsfeld − Auftauen (Unfreeze) In dieser Phase soll die Bereitschaft der Beteiligten und Betroffenen für den Unternehmungswandel geschaffen werden. Hierzu ist auf die Ursachen des Widerstandes Einfluss zu nehmen. − Bewegen (Move) Aufgaben dieser Phase sind die Analyse des identifizierten Problems sowie die Planung, Durchsetzung und Realisation von Problemlösungsmaßnahmen. − Einfrieren (Freeze) Zweck dieser Phase ist die Verankerung der Veränderungen, um einem Rückfall in alte Verfahrensweisen vorzubeugen. Die Instrumente zur Unterstützung von Rationalisierungsvorhaben , wie z. B. die Wertanalyse, die Gemeinkostenwertanalyse und das Cost Benchmarking, sehen eine Vielzahl von Einzelschritten vor, die zu drei Grundschritten zusammengefasst werden können: Vorbereitung, Analyse und Realisation (vgl. Friedl (2003), S. 320 ff.). Zusammengenommen bilden diese drei Grundschritte die zweite Phase im Drei-Phasen- Modell nach Lewin, d. h. das Bewegen. Wird das Drei-Phasen-Modell des Unternehmungswandels zugrunde gelegt, ergeben sich für den Rationalisierungsprozess die folgenden Phasen (in Anlehnung an Krüger (2006b), S. 66 ff.): Initialisieren, Konzipieren, Umsetzen, Verstetigen sowie Aktivieren (vgl. Abb. 3.3). Aufgabe des Initialisierens ist es, den Rationalisierungsbedarf festzustellen. Hierzu ist darüber zu entscheiden, ob ein diagnostiziertes Rationalisierungspotential realisiert, d. h. ein Rationalisierungsvorhaben ausgelöst werden soll. Ergebnis dieser Phase des Rationalisierungsprozesses ist der Rationalisierungsauftrag. Das Konzipieren umfasst die Planung der Rationalisierungsmaßnahmen. Gegenstand der Umsetzung ist die Realisation, Kontrolle und Anpassung der geplanten Rationalisierungsmaßnahmen. Bereits während der Umsetzung beginnt das Verstetigen , das bis zur Initialisierung des nächsten Rationalisierungsvorhabens andauert. In dieser Phase des Rationalisierungsprozesses sind zunächst die erzielten Rationalisierungsergebnisse zu sichern. Damit umfasst das Verstetigen auch das „Einfrieren“ im Drei-Phasen-Modell nach Lewin. Zum anderen ist ein Prozess der kontinuierlichen Verbesserung in Gang zu setzen und zu halten, der darauf zielt, die durch die Rationalisierungsmaßnahmen erreichte Effizienzsteigerung zu verbessern. Das Verstetigen bildet die Schnittstelle zwischen der Rationalisierung und der kontinuierlichen Verbesserung. Parallel zu diesen Phasen verläuft die Phase des Aktivierens . Diese Phase zielt auf das Schaffen von Akzeptanz für das Rationalisierungsvorhaben bei den Beteiligten und Betroffenen (in Anlehnung an Krüger (2000a), S. 56 ff. 85; Bach (2000), S. 226). Sie entspricht dem „Auftauen“ im Drei-Phasen-Modell nach Lewin. Jede Phase des Rationalisierungsprozesses umfasst eine Vielzahl von Teilaufgaben, die wieder einen Prozess bilden. Die Gliederung in die Phasen Initialisieren, Aktivieren, Konzipieren, Umsetzen und Verstetigen bildet nur eine logische Folge von Teilprozessen , die nicht streng linear aufeinanderfolgen. Die Teilprozesse können sich <?page no="120"?> Grundlagen der Rationalisierung • 103 überlappen und im Verlauf des Rationalisierungsprozesses mehrfach ausgeführt werden. Es handelt sich bei dieser Phasengliederung deshalb nur um einen grundsätzlichen Ablauf, der von Unterzyklen und Rückläufen überlagert wird. Initialisieren − Entscheiden über das Durchführen eines Rationalisierungsprojektes − Formulieren und Erteilen des Rationalisierungsauftrages Konzipieren − Planen der Rationalisierungsmaßnahmen − Kontrollieren der Rationalisierungspläne Umsetzen − Realisieren der Rationalisierungsmaßnahmen − Kontrollieren der Rationalisierungsmaßnahmen Verstetigen − Sichern der Rationalisierungsergebnisse − Kontinuierliches Verbessern Abb. 3.3: Phasen im Rationalisierungsprozess 3.1.2.2 Rationalisierung als Projekt Ein Projekt ist ein zeitlich befristetes, relativ neuartiges und komplexes Vorhaben, bei dessen Bewältigung Personen verschiedener Unternehmungsbereiche zusammenarbeiten. Von den routinemäßig durchgeführten Aktivitäten unterscheiden sich Projekte durch vier Merkmale (z. B. Frese (2005), S. 512 f.): − die zeitliche Befristung, − die relative Neuartigkeit, − die Komplexität und − die Interdisziplinarität. Aktivieren <?page no="121"?> 104 • Rationalisierung als Handlungsfeld Das Konzipieren und Umsetzen einer Anpassung betrieblicher Rahmenbedingungen an Umwelt- und Unternehmungsänderungen ist ein zeitlich befristetes Vorhaben und keine routinemäßig auszuführende Daueraufgabe. In Unternehmungen werden die betrieblichen Rahmenbedingungen zwar wiederholt angepasst. Die Rationalisierungsvorhaben werden jedoch in verschiedenen Unternehmungsbereichen für unterschiedliche Objekte realisiert und durch immer andere Umwelt- und Unternehmungsänderungen ausgelöst. Rationalisierungsvorhaben wiederholen sich damit nicht identisch, sie erfordern innovative Lösungen und sind deshalb relativ neuartig. An Rationalisierungsvorhaben wirken neben Mitarbeitern des betroffenen Verantwortungsbereiches auch Fachleute anderer Disziplinen mit (z. B. Rechnungswesen, Personalwesen). Bei der Rationalisierung sind Maßnahmen zur Anpassung betrieblicher Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung kosten- und leistungsbezogener Vorgaben, personalbedingter Barrieren sowie Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung und zum Kündigungsschutz zu planen und umzusetzen. Die Planung und Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen sowie das Aktivieren der Betroffenen ist damit eine befristete, relativ neuartige, komplexe und interdisziplinär zu bearbeitende Aufgabe. Diese Phasen der Rationalisierung weisen damit die Merkmale eines Projektes auf (vgl. Krüger (1993), Sp. 3559). Das Verstetigen der Anpassung ist dagegen eine Daueraufgabe, die im Zeitraum zwischen zwei Rationalisierungsvorhaben ausgeführt wird. Bis zum Projektende sind die Voraussetzungen für diese Aufgabe zu schaffen (vgl. Brehm/ Hackmann/ Jantzen-Homp (2006), S. 228). Die Komplexität des Rationalisierungsprozesses und sein interdisziplinärer Charakter machen ein Projektmanagement erforderlich. Das Management von Rationalisierungsprojekten beschäftigt sich mit der Gestaltung und Steuerung des Rationalisierungsprozesses (vgl. Marr/ Steiner (2004), Sp. 1198). Es erstreckt sich auf die Gesamtheit der Aktivitäten zur zielorientierten Einflussnahme auf das Handeln der am Rationalisierungsprozess Beteiligten. Das Projektmanagement umfasst die Planung und Steuerung aller Aktivitäten in der Konzipierungs-, Umsetzungs- und Aktivierungsphase im Rationalisierungsprozess unter Berücksichtigung der vorgegebenen Projektziele (in Anlehnung an Corsten/ Corsten/ Gössinger (2008), S. 5 f.). Das Projektmanagement der Rationalisierung verläuft parallel zum Konzipieren und Umsetzen. Es umfasst entsprechend − das Projektmanagement des Konzipieren sowie − das Projektmanagement der Umsetzung. Diese Untergliederung des Projektmanagements wird aus zwei Gründen eingeführt: (1) Das Konzipieren besteht aus Planungsaktivitäten, der Umsetzungsprozess aus Ausführungsaktivitäten. Die beiden Teilprozesse im Rationalisierungsprozess stellen da- <?page no="122"?> Grundlagen der Rationalisierung • 105 mit unterschiedliche Anforderungen an die Projektorganisation und das Projektmanagement (vgl. Huber (1987), S. 224 f.). (2) Die Aktivitäten, die zur Umsetzung der geplanten Rationalisierungsmaßnahmen ausgeführt werden müssen, liegen erst nach Abschluss des Konzipierens fest. Sie können deshalb nicht gemeinsam mit dem Konzipieren geplant werden. Das Projektmanagement des Konzipierens und des Umsetzens sind deshalb zwei aufeinanderfolgende Teilprozesse im Prozess des Managements von Rationalisierungsprojekten. Abb. 3.4 zeigt die Beziehungen zwischen Rationalisierung und Projektmanagement. Projektmanagement Rationalisierungsprozess Abb. 3.4: Beziehung zwischen Rationalisierung und Projektmanagement Die Organisation der meisten Unternehmungen ist für die Bewältigung von Routineaufgaben ausgelegt und nicht für die Durchführung innovativer Aufgaben, die sich auf mehrere Bereiche der Unternehmung erstrecken. Die Rationalisierung kann nicht von einzelnen Stellen oder Abteilungen der Primärorganisation übernommen werden, die das Tagesgeschäft tragen. Für die Rationalisierung wird deshalb eine Projektorganisation geschaffen (vgl. Krüger (2005), S. 222). Elemente der Organisation von Rationalisierungsprojekten sind (vgl. Huber (1987), S. 222 f.; Krüger (1993), Sp. 356 ff.): − der Lenkungsausschuss, − die Projektleiter, Projektmanagement des Konzipierens Projektmanagement des Umsetzens Konzipieren Initialisieren Umsetzen Verstetigen Aktivieren <?page no="123"?> 106 • Rationalisierung als Handlungsfeld − das Projektteam, − der Personalausschuss und − die Serviceeinheiten. Im Lenkungsausschuss sind die Unternehmungsführung oder Mitglieder der Führungsebene vertreten, die den von der Rationalisierung betroffenen Bereichen unmittelbar übergeordnet ist. Der Lenkungsausschuss erteilt den Rationalisierungsauftrag, gibt die Ressourcen frei und trifft Zwischen- und Abschlussentscheidungen. Er hält die Verbindung zum Betriebsrat und trägt die Verantwortung für das Aktivieren der Beteiligten und Betroffenen. Wird ein komplexer Rationalisierungsauftrag in mehrere Teilprojekte zerlegt, wie z. B. beim Business Reengineering (vgl. Abschnitt 5.2.2), kann als weiteres Leitungsorgan ein Programmleiter eingeführt werden. Hierarchisch ist er zwischen dem Lenkungsausschuss und den Projektleitern eingeordnet (vgl. Abb. 3.5). Seine Aufgabe besteht in der vertikalen und horizontalen Koordination der Teilprojekte (vgl. Brehm/ Hackmann/ Jantzen-Homp (2006), S. 226 ff.). Abb. 3.5: Organisation eines Rationalisierungsprojektes Der Lenkungsausschuss beruft die Projektleiter. Die Projektleiter sind dem Lenkungsausschuss unterstellt. Ihnen obliegt das Projektmanagement mit seinen sach- und personenbezogenen Aufgaben (vgl. Abschnitt 3.2.3). Das Konzipieren und Umsetzen der Rationalisierungsmaßnahmen ist die Aufgabe des Projektteams . Das sind zeitlich befristete Organisationseinheiten, die unter der Zuständigkeit der Projektleitung tätig sind. An die Zusammensetzung des Projektteams werden zwei Anforderungen gestellt: − die Fähigkeit zur Problemlösung und − die Vertretung aller Interessen. Die erste Anforderung verlangt, dass in den Projektteams alle Fähigkeiten vertreten sind, die zur Lösung des im Projektauftrag beschriebenen Problems erforderlich sind. Lenkungsausschuss Programmleitung Service-Einheit Projektleitung 1 Projektleitung 2 Projektleitung N PT 11 PT 12 PA 1 PT 21 PT 22 PA 2 PT N1 PT N2 PA N ... PT = Projektteam; PA = Personalausschuss <?page no="124"?> Grundlagen der Rationalisierung • 107 Um dieser Anforderung zu genügen, kann es erforderlich sein, neben Mitarbeitern verschiedener Unternehmungsbereiche auch externe Berater zu Teammitgliedern zu machen. Die zweite Anforderung folgt aus dem Ziel, die soziale Effektivität der Rationalisierung zu sichern. Sie fordert vor allem, dass die Betroffenen in den Projektteams vertreten sind. Darüber hinaus sollte die Instanz, die auf das Engste mit dem Untersuchungsobjekt beschäftigt ist, im Projektteam tätig sein (vgl. Anklesaria (2008), S. 46). Gebildet wird ein Projektteam vom jeweiligen Projektleiter. Um der Bedeutung des Zieles der sozialen Effektivität der Rationalisierung gerecht zu werden, kann es zweckmäßig sein, einen Personalausschuss zu bilden. Er ist ebenfalls eine zeitlich begrenzte Organisationseinheit, die dem Projektleiter unterstellt ist. Neben der Planung und Realisation von Maßnahmen zum Aktivieren der Beteiligten und Betroffenen hat der Personalausschuss das Projektteam hinsichtlich der Auswirkungen alternativer Rationalisierungsmaßnahmen auf die Betroffenen zu beraten (vgl. Huber (1987), S. 225). Die Projektorganisation kann bei entsprechender Projektgröße um Serviceeinheiten für die Dokumentation, die Administration, das Controlling, die Kommunikation und die Methodenberatung erweitert werden. Sie erbringen spezielle Dienstleistungen für den Lenkungsausschuss, die Projektleiter, die Projektteams und den Personalausschuss (vgl. Krüger (2005), S. 226). 3.2 Vorbereitende und begleitende Aktivitäten 3.2.1 Initialisieren der Rationalisierung 3.2.1.1 Prozess des Initialisierens Anlass für das Initialisieren eines Rationalisierungsprojektes ist die Diagnose eines Rationalisierungspotentials. Abb. 3.6 zeigt die Phasen im Prozess des Initialisierens. (1) Beurteilen des Rationalisierungsvorhabens Zweck der Bewertung des diagnostizierten Rationalisierungspotentials ist die Feststellung, ob die Wirkung der erzielbaren Effizienzsteigerung auf die Unternehmungsziele die Belastungen rechtfertigen, welche ein Rationalisierungsprojekt verursachen würde. Die Rationalisierung erfordert mittel- oder langfristige Entscheidungen über die betrieblichen Rahmenbedingungen. Zur Bewertung des Rationalisierungsbedarfs sollte deshalb eine Investitionsrechnung durchgeführt werden. Voraussetzung für die Bewertung ist die Prognose − der erzielbaren Effizienzsteigerung und − der mit der Effizienzsteigerung erzielbaren Erfolgswirkungen während der Geltungsdauer der Rationalisierungsentscheidung sowie − des einmaligen Rationalisierungsaufwandes. <?page no="125"?> 108 • Rationalisierung als Handlungsfeld Beurteilen des Rationalisierungsvorhabens − Bewerten des diagnostizierten Rationalisierungspotentials − Machbarkeits- und Risikoanalyse − Entscheiden über die Durchführung des Rationalisierungsvorhabens − Auswahl und Qualifizieren der Projektleiter − Bestellen der Projektleiter Erstellen des Rationalisierungsauftrages − Abgrenzen des Rationalisierungsprojektes − Planen der Rationalisierungsziele − Festlegen des Endtermins − Planen der Ressourcen − Erteilen des Rationalisierungsauftrages Abb. 3.6: Phasen des Initialisierungsprozesses Der Rationalisierungsaufwand wird zum einen durch das Projekt selbst verursacht, d. h. durch das Konzipieren, Umsetzen, Verstetigen und Aktivieren. Hierzu zählen z. B. die Gehälter für die Beteiligten und die Zahlungen an externe Experten. Rationalisierungsaufwand entsteht aber auch durch die Rationalisierungsmaßnahmen, z. B. durch die Qualifizierung der Betroffenen, Abfindungen und bauliche Veränderungen. Gegenstand der Machbarkeits- und Risikoanalyse sind die Erfolgsfaktoren von Rationalisierungsvorhaben sowie die Ursachen des Risikos einer Abweichung von dem Erfolg, der bei der Bewertung des Rationalisierungspotentials ermittelt worden ist (vgl. Marr/ Steiner (2004), Sp. 1199 f.). Ursachen der Risiken eines Rationalisierungsvorhabens sind vor allem eine eingeschränkte Abbaubarkeit der Kosten sowie system- und personenbedingte Barrieren. Erfolgsfaktoren können als Möglichkeiten der Unternehmung verstanden werden, Risiken zu verhindern oder zumindest zu vermindern. Nach der Bewertung des Rationalisierungspotentials und der Machbarkeits- und Risikoanalyse ist eine Entscheidung darüber zu treffen, ob das Rationalisierungsvorhaben durchgeführt werden soll. Ist die Entscheidung über das Rationalisierungsvorhaben getroffen, wird ein Projektleiter ausgewählt und qualifiziert. Gemeinsam mit dem Lenkungsausschuss entwickelt er den Rationalisierungsauftrag. (2) Entwickeln des Rationalisierungsauftrages Zur Abgrenzung des Rationalisierungsprojektes wird in einem ersten Schritt das Untersuchungsobjekt bestimmt. Das Untersuchungsobjekt ist ein Ausschnitt aus den betrieblichen Rahmenbedingungen. Dieser Ausschnitt kann bestimmte Produkte, Programme, Potentiale, Prozesse, immaterielle Vermögenswerte oder Marktbeziehungen betreffen oder einen spezifisch abgegrenzten Unternehmungsbereich mit seinen Rah- <?page no="126"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 109 menbedingungen. Für die Abgrenzung des Rationalisierungsprojektes ist zudem festzulegen, ob es unternehmungsintern oder unternehmungsübergreifend durchgeführt werden soll, d. h. unter Einbeziehung von Lieferanten oder Kunden. Generell werden nach den Inhalten drei Rationalisierungsziele unterschieden: die Erreichungsziele, die Bewahrungsziele und die Vermeidungsziele. Die Erreichungsziele geben den Zustand an, der als Ergebnis des Projektes eintreten soll. Die Bewahrungsziele haben Erfolgsfaktoren zum Inhalt, die nicht gefährdet werden dürfen. Die Vermeidungsziele beziehen sich auf unerwünschte Nebenwirkungen des Projektes (vgl. Huber (1987), S. 220). Bei Rationalisierungsprojekten ist das Erreichungsziel die kostenbezogene Vorgabe (vgl. Abschnitt 2.2.2.1). Bei den Bewahrungszielen handelt es sich um die effektivitätsbezogenen Restriktionen. Die Vermeidungsziele präzisieren bei Rationalisierungsprojekten das Ziel der sozialen Effektivität. Beispiele für diese Ziele sind die Vermeidung von Entlassungen oder einer Beschädigung des Unternehmungsimages. Das Initialisieren endet mit den Entscheidungen über den Endtermin und die finanziellen, sachlichen und personellen Ressourcen , die zur Durchführung des Projektes bereitgestellt werden. Der Endtermin ist der Zeitpunkt, bis zu dem der Projektauftrag erfüllt und das Projektteam aufgelöst sein soll. Sind diese Entscheidungen getroffen, wird der Rationalisierungsauftrag erteilt. 3.2.1.2 Promotoren als Erfolgsfaktoren der Rationalisierung Der Abbau personenbedingter Barrieren gegen ein Rationalisierungsvorhaben erfordert den persönlichen, engagierten und nachhaltigen Einsatz bestimmter Personen, die als Promotoren bezeichnet werden. Das Vorhandensein von Promotoren wird deshalb als wichtiger Erfolgsfaktor von Rationalisierungsprojekten gesehen (vgl. Krüger (2006c), S. 129). Promotoren eines Rationalisierungsvorhabens sind Projektbeteiligte, die den Rationalisierungsprozess aktiv und intensiv fördern (vgl. Witte (1998), S. 15). Zur Überwindung von Barrieren werden drei Typen von Promotoren benötigt (vgl. Hauschildt/ Chakrabarti (1998), S. 78): − ein Machtpromotor, − ein Fachpromotor und − ein Prozesspromotor. Der Machtpromotor ist in der Lage, die Opposition ranghoher Betroffener zu neutralisieren. Der Machtpromotor verfügt über die hierzu erforderliche Macht. Er muss jedoch kein Mitglied des Topmanagements mit legitimierter Macht sein, wenn er seine Macht aus anderen Quellen beziehen kann (z. B. Begeisterungsfähigkeit). Der Macht- <?page no="127"?> 110 • Rationalisierung als Handlungsfeld promotor beeinflusst die Willensbarrieren der Beteiligten, indem er günstige Rahmenbedingungen für die Projektdurchführung schafft. Der Fachpromotor bringt das erforderliche Fachwissen und die benötigte Kreativität in den Rationalisierungsprozess ein. Vom Fachpromotor gehen fachliche Impulse aus und er generiert innovative Ideen, die er anschließend weiterverfolgt und zu Durchführungsplänen ausarbeitet. Der Beitrag des Fachpromotors besteht in der Einflussnahme auf die Wissensbarrieren der Beteiligten. Der Prozesspromotor verfügt über das für die Projektdurchführung erforderliche Organisations- und Kommunikationsvermögen. Er hat das Wissen darüber, welche Bereiche an der Umsetzung der geplanten Maßnahmen mitwirken müssen, welche Personen die erforderlichen Kompetenzen haben und er verfügt über die nötigen personellen Netzwerke. Er stellt die Verbindung zwischen Fach- und Machtpromotor her. Zudem ist er in der Lage, die geplanten Maßnahmen den an der Umsetzung Beteiligten zu vermitteln und sie von der Notwendigkeit und der Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu überzeugen. Der Prozesspromotor treibt die Umsetzung der geplanten Maßnahmen voran, indem er für eine straffe Projektplanung und -steuerung sorgt und die Verbindungen zu den Bereichen herstellt, die zu ihrer Umsetzung beitragen müssen. Als Prozesspromotor kann ein Mitglied des mittleren oder höheren Managements geeignet sein. Der Beitrag des Prozesspromotors kann als Einflussnahme auf die systembedingten Barrieren beschrieben werden. Die Existenz von zwei bzw. drei Promotoren reicht für die Überwindung von Barrieren nicht aus. Die Promotoren müssen auch eng zusammenarbeiten und sich gegenseitig abstimmen. Die Promotoren müssen in einem Arbeitszusammenhang stehen, der nicht organisatorisch begründet sein muss, sondern auch aus ihrer Überzeugung resultieren kann, dass sie die Aufgabe nur gemeinsam bewältigen können (vgl. Hauschildt/ Salomo (2006), S. 169 f.). Je nach Projekttyp eignet sich eine Zwei-Personen- Konstellation , in der ein Macht- und ein Fachpromotor gemeinsam im Gespann tätig sind, oder eine Drei-Personen-Konstellation , d. h. die Troika aus Macht-, Fach- und Prozesspromotor (vgl. Hauschildt/ Kirchmann (1998), S. 93; Abb. 3.7). Die Drei- Personen-Konstellation ist bei innovativen Projekten vorteilhaft (vgl. Lechler (1997), S. 243; (1998), S. 208). Ohne Machtpromotor, der das Rationalisierungsprojekt zu Beginn ausreichend unterstützen würde, ist das Rationalisierungsvorhaben mit erheblichen Risiken behaftet und sollte nicht durchgeführt werden (vgl. Davenport (1993), S. 179 ff.). Ebenso sollte verfahren werden, wenn für das Projektteam keine Mitarbeiter gefunden werden können, die fähig und willens sind, die Rolle des Fachpromotors zu übernehmen (vgl. Lechler (1998), S. 209). <?page no="128"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 111 Abb. 3.7: Wirkungen und Konstellationen von Promotoren 3.2.2 Aktivieren der Beteiligten und Betroffenen 3.2.2.1 Abgrenzung des Aktivierens Zum Kreis der Betroffenen der Rationalisierung gehören alle Mitarbeiter, auf die sich die Rationalisierungsmaßnahmen unmittelbar auswirken. Hierzu zählen die Träger sowohl der Ausführungsals auch der Führungsaufgaben in den anzupassenden Bereichen. Die Rationalisierung kann vielfältige Auswirkungen auf die persönliche Arbeitssituation der Betroffenen haben. Bereits die Ankündigung eines Rationalisierungsvorhabens löst Befürchtungen aus, die personenbedingte Barrieren entstehen lassen (vgl. Abschnitt 1.2.3.1). Zu den Beteiligten zählen alle Personen, die am Konzipieren oder an der Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen mitarbeiten. Neben Betroffenen zählen zum Kreis der Beteiligten auch Experten, d. h. externe Berater oder Mitarbeiter aus anderen Unternehmungsbereichen, wie z. B. aus dem Personalwesen, der Entwicklung oder dem IT-Bereich. Begreifen die Beteiligten die rationalisierungsbedingten Veränderungen der persönlichen Arbeitssituation von Mitarbeitern oder ihre Folgen (z. B. Verschlechterung des Betriebsklimas) als negativ valent, werden auch sie Willensbarrieren gegen das Rationalisierungsvorhaben entwickeln, selbst wenn sie nicht zum Kreis der Betroffenen zählen. Damit sich aus den personenbedingten Barrieren nicht destruktive Opposition entwickelt, muss bei den Betroffenen und Beteiligten Akzeptanz für das Rationalisierungsvorhaben geschaffen werden (vgl. Abschnitt 2.4.2.1). Das Schaffen von Akzeptanz für das Rationalisierungsvorhaben ist der Zweck des Aktivierens. Diese Phase des Rationalisierungsprozesses beginnt bereits während des Initialisierens und erstreckt sich bis zum Verstetigen der geplanten und umgesetzten Rationalisierungsmaßnahmen. Zwei-Personen-Konstellation (Gespann) Drei-Personen-Konstellation (Troika) Fachpromotor Prozesspromotor Machtpromotor Wissensbarrieren Systembedingte Barrieren Willensbarrieren <?page no="129"?> 112 • Rationalisierung als Handlungsfeld Das Aktivieren umfasst die Gesamtheit der Aktivitäten zur Schaffung von Akzeptanz für das Rationalisierungsvorhaben bei den Betroffenen und Beteiligten. Träger des Aktivierens sind neben der Unternehmungsführung auch alle Organisationseinheiten, die für die Planung und Umsetzung von Rationalisierungsvorhaben Vorgaben planen und durchsetzen, d. h. der Lenkungsausschuss, die Projektleiter für die verschiedenen Projektteams sowie die Vorgesetzten der Betroffenen. Zu den Aufgaben des Aktivierens zählen − die Diagnose der Barrieren, − die Planung von Maßnahmen zur Förderung der Akzeptanz des Rationalisierungsvorhabens, − die Durchsetzung und Realisation dieser Maßnahmen sowie − die Kontrolle und Sicherung ihrer Wirkungen. Die Diagnose der Barrieren bezieht sich sowohl auf die personenbedingten als auch auf die systembedingten Barrieren. Zur Diagnose der personenbedingten Barrieren ist zunächst der Kreis der von Rationalisierungsvorhaben betroffenen Mitarbeiter abzugrenzen. Anschließend sind die erwarteten Auswirkungen für die Betroffenen festzustellen. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit die möglichen Ursachen von Widerständen vorliegen (vgl. Kleist/ Maetz (2003), S. 63 f.). Akzeptanz für ein Rationalisierungsvorhaben kann geschaffen werden, indem Einfluss auf die Ursache von Widerständen genommen wird (vgl. Abschnitt 1.2.3.1). Abb. 3.8 gibt einen Überblick über Maßnahmen zur Akzeptanzförderung , die zu planen, zu realisieren, zu kontrollieren und zu sichern sind. Abb. 3.8: Maßnahmen zur Schaffung von Akzeptanz Akzeptanzfördernde Maßnahmen Kommunikationsmaßnahmen Gestalten des Anpassungsbedarfs Prozessgestaltende Maßnahmen Partizipation der Betroffenen Fördern früher Rationalisierungserfolge <?page no="130"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 113 3.2.2.2 Akzeptanzförderung durch Prozessgestaltung Durch Prozess gestaltende Maßnahmen wird der Rationalisierungsprozess an die Bedürfnisse und die Anpassungsfähigkeit der Betroffenen und Beteiligten angepasst. Zu diesen Maßnahmen der Akzeptanzförderung zählen − das Gestalten des Umfangs des Rationalisierungsvorhabens, − die Partizipation der Betroffenen bei der Planung und Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen sowie − das Fördern früher Rationalisierungserfolge. (1) Umfang eines Rationalisierungsvorhabens Es wirkt sich ungünstig auf die Akzeptanz eines Rationalisierungsvorhabens und seiner Ergebnisse aus, wenn der ausgelöste Anpassungsbedarf die Anpassungsfähigkeit der Betroffenen übersteigt. Auf den Anpassungsbedarf kann über die Gestaltung des Umfangs des Rationalisierungsvorhabens Einfluss genommen werden. Bestimmt wird der Umfang eines Rationalisierungsvorhabens durch folgende Merkmale (vgl. Krüger (2004), Sp. 1609 f): − die zeitliche Lage, − die Schrittlänge und − die Zeitdauer. Grundsätzliche Alternativen der zeitlichen Lage sind die aktiv-antizipierende und die passiv-reaktive Rationalisierung (vgl. Abschnitt 3.1.1.2). Bei der aktiv-antizipierenden Rationalisierung kann u. U. die Notwendigkeit des Rationalisierungsvorhabens (noch) nicht vermittelt werden. Jedoch eröffnet nur diese Form der Rationalisierung Spielräume zur Gestaltung der Schrittlänge und der Zeitdauer der Rationalisierungsvorhaben. Die Schrittlänge bestimmt, ob das Rationalisierungsvorhaben in einem großen Schritt oder in mehreren kleinen Schritten durchgeführt wird. Die Zeitdauer , die für ein Rationalisierungsvorhaben vorgegeben wird, bestimmt die Länge des Zeitraums von der Initiierung bis zur Realisation der kostenzielbezogenen Vorgabe. Je kürzer die vorgegebene Zeitdauer, desto kürzer ist auch der Zeitraum, der für die Anpassung der Betroffenen zur Verfügung steht. Zeitvorgaben für ein Rationalisierungsvorhaben, die von den Betroffenen als zu kurz wahrgenommen werden, wirken sich ungünstig auf die Akzeptanz aus. (2) Partizipation der Betroffenen Bei der Partizipation der Betroffenen handelt es sich um die Teilnahme oder Beteiligung der von der Rationalisierung betroffenen Mitarbeiter an der Planung und Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen (vgl. Abschnitt 2.4.2.1). Die Partizipation der Betroffenen im Rationalisierungsprozess ist grundsätzlich geeignet, Barrieren zu vermindern oder sogar zu verhindern (vgl. Wiendieck (1992), Sp. 26). Als Gründe für <?page no="131"?> 114 • Rationalisierung als Handlungsfeld den positiven Einfluss der Partizipation auf die Akzeptanz von Rationalisierungsmaßnahmen können genannt werden: − Widersprüchliche Vorstellungen der Betroffenen, der beteiligten Experten und des Managements können frühzeitig erkannt und aufgelöst werden. − Das Management und die Experten gewinnen einen Eindruck von der Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit der Betroffenen (vgl. Schanz (2000), S. 278). − Den Betroffenen können die Notwendigkeit und die Ziele der Rationalisierung sowie die Hintergründe von Entscheidungen über Rationalisierungsmaßnahmen deutlicher vermittelt werden. − Das Wissen der Betroffenen kann besser ausgewertet und integriert werden. Dadurch kann nicht realisierbaren Lösungen und Umsetzungsproblemen entgegengewirkt werden, die sich vor allem auf die Akzeptanz nachfolgender Rationalisierungsvorhaben ungünstig auswirken können. Ziel der Gestaltung von Art und Umfang der Partizipation sollte sein, personenbedingte Barrieren in konstruktiven Widerstand zu wandeln, indem den Betroffenen die Möglichkeit eröffnet wird, auf ihre künftige Arbeitssituation Einfluss zu nehmen. Nach dem Umfang der Partizipation der Betroffenen werden drei Rationalisierungsstrategien abgegrenzt: − die Strategie des Bombenabwurfs, − die Partizipationsstrategie sowie − die Strategie der geführten Partizipation. Bei der Strategie des Bombenabwurfs wird ein Grobkonzept für die Rationalisierungsmaßnahmen durch ein kleines Projektteam unter weitgehender Geheimhaltung und Ausschluss der Betroffenen geplant. Zusammengesetzt ist das Projektteam aus Mitgliedern einer übergeordneten Führungsebene. Dazu kommen häufig auch externe Berater. Das Grobkonzept wird schlagartig und relativ unwiderruflich in Kraft gesetzt. Anschließend wird die Detailplanung unter Einbeziehung der Betroffenen geplant und realisiert, wobei das Grobkonzept der geplanten Rationalisierungsmaßnahmen unveränderlich festliegt (in Anlehnung an Kirsch/ Esser/ Gabele (1979), S. 180). Die Betroffenen wirken damit zwar bei der Umsetzung, nicht jedoch bei der Planung der Rationalisierungsmaßnahmen mit. In diesem Verzicht auf die Partizipation werden zwei Vorteile gesehen: Zum einen kommt es während der Planung zu keinen Entscheidungsverzögerungen, was sich positiv auf die Dauer und die Kosten der Rationalisierung auswirkt. Zum anderen kann der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die angestrebten Rationalisierungsziele verwässert werden. In der Bombenabwurfstrategie wird ein Ansatz für ein schnelles, abgestimmtes Handeln für eine dringend notwendige Steigerung der Wirtschaftlichkeit gesehen (vgl. Bach (2006), S. 186). Diesen Vorteilen steht als Nachteil die geringe Akzeptanz des Rationalisierungsvorhabens und seiner Ergebnisse gegenüber. Erfolgreich ist diese Strategie nur dann, wenn es durch eine <?page no="132"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 115 möglichst umfassende antizipatorische Interessenberücksichtigung gelingt, den Widerstand der Beteiligten unter dem für die Umsetzung kritischen Niveau zu halten (vgl. Marr (1987), S. 342 f.). Weiterhin kann das Wissen der Betroffenen weder bei der Problemanalyse noch bei der Planung von Lösungsideen genutzt werden. Diesem Nachteil kann durch eine partizipationsergänzte Generalplanung entgegengewirkt werden. Bei dieser arbeiten an der Planung des Grobkonzeptes Schlüsselpersonen aus den betroffenen Bereichen mit (vgl. Bach (2000), S. 245 ff.). Die Partizipationsstrategie sieht vor, dass die Rationalisierungsmaßnahmen von den Betroffenen geplant und umgesetzt werden. Die Entscheidung über diese Maßnahmen trifft die übergeordnete Instanz (vgl. Kirsch/ Esser/ Gabele (1979), S. 183 ff.). Der Rationalisierungsprozess kann durch eine Initiative sowohl der übergeordneten Instanz als auch der Betroffenen ausgelöst werden (vgl. Bach (2000), S. 251). Die Vorteile dieser Strategie sind die umfassende Problemanalyse durch die Nutzung des Wissens der Betroffenen sowie die Akzeptanz der Rationalisierungsmaßnahmen durch die Betroffenen (vgl. Marr/ Kötting (1992), Sp. 835). Die Umsetzung der Maßnahmen ist deshalb mit weniger Problemen verbunden als bei einer Bombenabwurfstrategie (vgl. Bach (2006), S. 198). Durch die Partizipation der Betroffenen können Konflikte entstehen, wenn das Management und die Betroffenen konkurrierende Ziele verfolgen oder die verschiedenen Akteure die Auswirkungen alternativer Rationalisierungsmaßnahmen unterschiedlich wahrnehmen (in Anlehnung an Glasl (2004), Sp. 629 f.). Auch bei Partizipation der Betroffenen können deshalb Widerstände nicht immer vermieden werden. Diese haben insbesondere dann einen negativen Einfluss auf den Erfolg des Rationalisierungsvorhabens, wenn die Betroffenen selbst die Kostensenkungsideen generieren sollen. Die Partizipationsstrategie wird z. B. bei der Gemeinkostenwertanalyse verfolgt (vgl. Abschnitt 5.3.2). Bei der Strategie der geführten Partizipation werden die Rationalisierungsmaßnahmen von den Betroffenen geplant und umgesetzt. Die übergeordnete Instanz trifft hier jedoch nicht nur die Entscheidungen. Sie führt parallel zur Planung der Rationalisierungsmaßnahmen Planinhaltskontrollen durch und greift gegebenenfalls korrigierend in den Planungsprozess ein (vgl. Marr/ Kötting (1992), Sp. 835 f.; Kieser/ Walgenbach (2003), S. 399). Dadurch können Verzögerungen im Rationalisierungsprozess ebenso vermieden werden, wie eine zu starke Verwässerung der angestrebten Rationalisierungsziele. Zudem werden Konflikte zwischen Management und Betroffenen frühzeitig sichtbar. (3) Fördern früher Rationalisierungserfolge Widerständen der Beteiligten kann wirksam begegnet werden, wenn kurzfristig Kostensenkungen erzielt werden können (vgl. Kotter (1997), S. 168 ff.). Beim Generieren von Rationalisierungsideen sollte deshalb gezielt nach Quick Hits gesucht werden <?page no="133"?> 116 • Rationalisierung als Handlungsfeld (vgl. Steiger (2008b), S. 283). Diese sollten sofort, d. h. noch während des Konzipierens umgesetzt und die erzielten Ergebnisse kommuniziert werden. Quick Hits sind Rationalisierungsideen, die einfach und kurzfristig umsetzbar sind, keine negativen Auswirkungen auf die Leistung des Untersuchungsobjektes haben, den Interessen der Beteiligten und Betroffenen entsprechen sowie unmittelbar kostenwirksam sind (vgl. Anklesaria (2008), S. 149 f.). 3.2.2.3 Kommunikation zur Akzeptanzförderung Ziel der Kommunikation ist die Realisation der Rationalisierungsziele durch das Schaffen von Akzeptanz für das Rationalisierungsvorhaben (vgl. Mohr/ Woehe/ Diebold (1998), S. 73 f.). Die Beteiligten und Betroffenen sollen in die Lage versetzt werden, die Notwendigkeit des Rationalisierungsvorhabens zu erkennen und realistische Erwartungen über die Auswirkungen des Rationalisierungsvorhabens zu bilden. Die Realisation dieses Kommunikationszieles verlangt, dass in jeder Phase des Rationalisierungsprozesses der Informationsbedarf der Beteiligten und Betroffenen gedeckt wird (vgl. Koch (2004), S. 138). In einem Kommunikationsplan werden alle Maßnahmen zur Übermittlung von Informationen an die Beteiligten und Betroffenen festgelegt. Jede Maßnahme wird durch folgende Merkmale beschrieben (vgl. Koch (2004), S. 153): − Kommunikationsziel und Kommunikationsinhalt, − Informationsempfänger, − Informationssender, − Informationsmittler, − Kommunikationskanal und Kommunikationsmittel, − Zeitpunkt der Durchführung sowie − Hilfsmittel der Kommunikation, z. B. Handouts, Präsentationsfolien. Beim Kommunikationsinhalt handelt es sich um die Informationen, die übermittelt werden sollen. Im Kommunikationsplan werden die Kernbotschaften festgehalten, die in den verschiedenen Phasen des Rationalisierungsprozesses übermittelt werden sollen (vgl. Brehm (2006), S. 294 ff.; Koch (2004), S. 245). Abb. 3.9 gibt einen Überblick über diese Kernbotschaften. Den Willensbarrieren der Beteiligten und Betroffenen wird mit dem Erzeugen von Handlungsdruck begegnet (vgl. Janz/ Krüger (2000), S. 142). Um diesen Handlungsdruck aufzubauen, werden die Konsequenzen aufgezeigt, die ein Verzicht oder das zeitliche Verschieben des Rationalisierungsvorhabens hätte. Hierzu können Informationen über die Erfolgsentwicklung, zu Kundenanforderungen, zu Nachteilen gegenüber Wettbewerbern oder zu den Hintergründen aktueller <?page no="134"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 117 Vorkommnisse (z. B. Verlust eines wichtigen Auftrags) übermittelt werden. Darüber hinaus müssen die Beteiligten davon überzeugt werden, dass die aufgezeigten Probleme bei Erreichen der Vorgaben nachhaltig gelöst werden können. Damit die Glaubwürdigkeit der Kommunikation erhalten bleibt, sollte auch über die Konsequenzen der Rationalisierung berichtet werden, die für die Mitarbeiter nachteilig sind (vgl. Davenport (1993), S. 191). Auch dürfen Probleme und Schwierigkeiten im Rationalisierungsprozess nicht verschwiegen werden. Sie sollten unter Aufzeigen von Lösungswegen bewusst kommuniziert werden (vgl. Koch (2004), S. 279). Kommunikationsziele und -inhalte in den Phasen des Rationalisierungsprozesses Konzipieren: Vermitteln der Bedeutung der Rationalisierungsmaßnahmen − Rationalisierungsmaßnahmen und Begründung ihrer Eignung − Chancen und Risiken der Rationalisierungsmaßnahmen − Konsequenzen der Rationalisierungsmaßnahmen − Terminplan für die Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen − Kurzfristige Erfolge (Quick Hits) Umsetzen: Sichern der Projektdurchführung − Mitarbeiterbezogene Konsequenzen − Maßnahmen zum Ausgleich nachteiliger Konsequenzen der Rationalisierungsmaßnahmen − Projektfortschritt − Erzielte Erfolge Aktivieren: Vermitteln der Bedeutung der Rationalisierungsmaßnahmen − Rationalisierungsmaßnahmen und Begründung ihrer Eignung − Chancen und Risiken der Rationalisierungsmaßnahmen − Konsequenzen der Rationalisierungsmaßnahmen − Terminplan für die Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen − Kurzfristige Erfolge (Quick Hits) Stabilisieren: Stabilisieren der erreichten Ergebnisse − Bestätigen erzielter Erfolge − Hervorhebung der Vorteile veränderter Vorgehensweisen − Erfolgsbeispiele Abb. 3.9: Kommunikationsinhalte im Rationalisierungsprozess Um die Betroffenen überzeugen zu können, dass das Rationalisierungsvorhaben notwendig ist und zielwirksam, fair und objektiv durchgeführt wird, muss der Informationssender authentisch sein. Bestimmt wird die Authentizität des Senders von seiner Glaubwürdigkeit, seiner Autorität und seiner Attraktivität (Bekanntheit und Sympathie; vgl. Mohr/ Woehe/ Diebold (1998), S. 85 f.). Vor allem in der Anfangsphase, in <?page no="135"?> 118 • Rationalisierung als Handlungsfeld der Vertrauen in das Rationalisierungsvorhaben aufgebaut werden muss, sollte das Topmanagement als Informationssender auftreten (vgl. Davenport (1993), S. 192). Über weitreichende Entscheidungen in nachfolgenden Phasen sollte ebenfalls das Topmanagement informieren. Informationen über den Projektfortschritt können vom Lenkungsausschuss oder Projektleiter übermittelt werden. Über die konkreten Konsequenzen der Rationalisierung für einzelne Bereiche, Abteilungen oder Mitarbeiter sollte das mittlere Management oder der direkte Vorgesetzte informieren (vgl. Koch (2004), S. 184). Für die Akzeptanzsicherung reicht eine pauschale und einheitliche Kommunikation nicht aus, da verschiedene Mitarbeiter jeweils einen spezifischen Informationsbedarf haben und sich auch in ihrem Informationsaufnahme- und -verarbeitungsvermögen unterscheiden. Für eine effektive und gleichzeitig effiziente Kommunikation sollte die Gruppe der Beteiligten und Betroffenen deshalb in kleinere Gruppen mit einem möglichst homogenen Informationsbedarf sowie einem ähnlichen Informationsaufnahme- und -verarbeitungsvermögen aufgeteilt werden. Kriterien für die Abgrenzung dieser Teilgruppen sind z. B. die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe oder einer Organisationseinheit. Als Informationsempfänger werden im Kommunikationsplan diese Teilgruppen genannt und durch Angaben zu ihrem Informationsbedarf und ihrem Informationsaufnahme- und -verarbeitungsvermögen ergänzt. Den verschiedenen Informationsempfängern werden nach ihrer Bedeutung für das Rationalisierungsvorhaben Prioritäten zugeordnet, nach denen der Kommunikationskanal, der Rhythmus und der Detaillierungsgrad der Informationsübermittlung an die verschiedenen Teilgruppen differenziert werden kann (vgl. Hammer/ Stanton (1995), S. 147 f.). Zwischen den Sender und den Empfänger einer Information kann ein Informationsmittler treten. Diese indirekte Form der Kommunikation tritt z. B. auf, wenn eine untergeordnete Organisationseinheit nur von der unmittelbar übergeordneten Instanz Informationen erhält. Neben den Instanzen zählen auch die Multiplikatoren zu den Informationsmittlern. Multiplikatoren sind Personen, die über eine Vielzahl von Verbindungen zu anderen Personen verfügen, angesehen sind und als glaubwürdig gelten. Um Widerstand der Mitarbeiter effektiv begegnen zu können, müssen die Multiplikatoren von der Notwendigkeit des Rationalisierungsvorhabens und der Vorteilhaftigkeit der Rationalisierungsmaßnahmen überzeugt werden. Ihnen sollte deshalb eine überdurchschnittlich hohe Priorität zugeordnet werden. Zu den Multiplikatoren zählen auch die Vertreter der Betroffenen, d. h. der Betriebsrat, der Sprecherausschuss und der Wirtschaftsausschuss, die im Zusammenhang mit der Rationalisierung verschiedene Informationsrechte haben (vgl. Abschnitt 2.4.1). <?page no="136"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 119 Nach der zeitlichen Gestaltung wird − die Entscheidungskommunikation und − die Prozesskommunikation unterschieden. Bei der Entscheidungskommunikation wird erst kommuniziert, nachdem alle Entscheidungen getroffen sind, d. h. nach Abschluss des Konzipierens. Der Vorteil dieser Vorgehensweise wird darin gesehen, dass nur sichere Inhalte übermittelt werden. Im Zeitraum bis zur Kommunikation decken die Mitarbeiter ihren Informationsbedarf über informelle Wege (Gerüchte), wodurch die Unsicherheit noch zunimmt. Gleichzeitig lässt die Glaubwürdigkeit der formalen Kommunikation nach, so dass die entstandene Unsicherheit nur noch unter Schwierigkeiten abgebaut werden kann. Der Unsicherheit, die eine zentrale Ursache des Widerstandes ist, kann mit dieser Kommunikationsstrategie nicht wirksam begegnet werden (vgl. Koch (2004), S. 178 f.). Um eine Verunsicherung der Mitarbeiter zu vermeiden, sollte frühzeitig, kontinuierlich und prozessorientiert kommuniziert werden. Die Forderung nach Frühzeitigkeit verlangt, dass mit den Kommunikationsaktivitäten so zeitnah wie möglich und unaufgefordert begonnen wird. Das Informationsangebot sollte danach in einem angemessenen Rhythmus aktualisiert und ausgeweitet werden. Die Prozesskommunikation sieht vor, dass bereits während des Konzipierens Zwischenergebnisse offen kommuniziert werden. Liegen keine Zwischenergebnisse vor, um den Informationsbedarf zu decken, wird über die Vorgehensweise sowie den voraussichtlichen Termin für die Kommunikation der geforderten Inhalte berichtet (vgl. Koch (2004), S. 277). Zu Beginn des Rationalisierungsprozesses liegen selten detaillierte Informationen über die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer vor. Es ist in dieser Situation darüber zu informieren, bis wann diese Informationen vorliegen, unter welchen Voraussetzungen sie gewonnen und wie sie kommuniziert werden. Das Kommunikationsmittel ist der Informationsträger, mit dessen Hilfe der Kommunikationsinhalt transportiert wird (z. B. mündliche Sprache, schriftliche Sprache, Gestik, Mimik). Der Weg der Informationen zwischen Sender und Empfänger ist der Kommunikationskanal , wie z. B. Face-to-face-Kontakt, Telefon, E-Mail, Video (vgl. Mast (2004), Sp. 599). Abb. 3.10 gibt einen Überblick über verschiedene Kommunikationskanäle. Nach der Ausrichtung des Informationskanals werden unterschieden (vgl. Koch (2004), S. 158 ff.): − die massenorientierte und − die persönliche Kommunikation. Bei der massenorientierten Kommunikation werden allen Beteiligten und Betroffenen identische Informationen übermittelt. Sie lässt in der Regel keine Rückkopplung zu und eignet sich für die zeitnahe Versorgung der Mitarbeiter mit exakt definierten <?page no="137"?> 120 • Rationalisierung als Handlungsfeld Inhalten zur Deckung vorhandener Informationslücken. Eingesetzt werden kann sie u. a. für die Übermittlung von Informationen über den Projektfortschritt. Spezifität Ausrichtung Vorhandene Kommunikationskanäle Speziell geschaffene Kommunikationskanäle Massenorientierte Kommunikation − Mitarbeiterzeitschrift − Aushänge am Schwarzen Brett − Intranet − E-Mail-Newsletter − Belegschaftsversammlung − Rundschreiben − Broschüren Persönliche Kommunikation − Abteilungsbesprechung − Mitarbeitergespräch − Sprechstunden − Kick-off-Veranstaltung − Workshop − Runde Tische − Roadshow − Direktes Anschreiben Abb. 3.10: Arten von Kommunikationskanälen Die persönliche Kommunikation sieht die direkte Ansprache einer Person oder einer kleinen Gruppe vor. Sie lässt die Übermittlung zielgruppenspezifischer Informationen und Rückkopplungen zu. Sie ist dadurch überzeugender und glaubwürdiger. Sie sollte deshalb trotz der höheren Kosten, die sie verursacht, eingesetzt werden, wenn die Vertrauensbildung im Vordergrund steht, über komplexe Sachverhalte zu informieren oder ein unbestimmter Informationsbedarf zu decken ist. Kommunikationsinhalte mit diesen Merkmalen sind die geplanten Rationalisierungsmaßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen sowie Einzelheiten über Freisetzungs- oder berufliche Bildungsmaßnahmen. Für die Kommunikation können vorhandene Kommunikationskanäle oder speziell für das Rationalisierungsvorhaben entwickelte Kommunikationskanäle genutzt werden. Da letztere ein höheres Maß an Interesse und Aufmerksamkeit auf sich ziehen, leisten sie einen größeren Beitrag zur Erreichung der Kommunikationsziele. Zur Übermittlung der Informationen zur Erzeugung von Handlungsdruck in den Projektteams eignen sich Kick-off-Veranstaltungen. Sie dienen der Durchsetzung der Projektaufträge in den Projektteams und werden beim Übergang vom Initialisieren zum Konzipieren und vom Konzipieren zum Umsetzen durchgeführt (vgl. Anklesaria (2008), S. 8). Bedeutung, Umfang und Inhalt dieser Veranstaltungen werden ganz erheblich von der gewählten Rationalisierungsstrategie geprägt. In diesen Veranstaltungen werden die Beteiligten über den Rationalisierungsauftrag, die Notwendigkeit des Rationalisierungsvorhabens, die Projektziele, die Projektorganisation, die Meilensteine, die Termine und Ressourcen informiert (vgl. Doppler/ Lauterburg (2000), S. 318). Um deutlich zu machen, dass die Unterstützung des Rationalisie- <?page no="138"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 121 rungsprojektes durch die Unternehmungsführung sichergestellt ist, sollte neben dem Projektleiter auch ein Mitglied der Unternehmungsführung auftreten. Durchgeführt werden können diese Veranstaltungen in der Form von Workshops und Klausurtagungen (vgl. Brehm (2002), S. 277, 290). 3.2.3 Aufgaben des Managements von Rationalisierungsprojekten Das Management von Rationalisierungsprojekten umfasst zwei Arten von Aufgaben (in Anlehnung an Krüger (1993), Sp. 3561 f.): − die sachbezogenen und − die personenbezogenen Aufgaben. Die sachbezogenen Aufgaben haben die Planung und Steuerung des Rationalisierungsprozesses zum Inhalt, d. h. der Aktivitäten in den Phasen des Konzipierens und Umsetzens. Personenbezogen sind alle Aufgaben, durch welche die Projektteams gebildet und ihre Mitglieder zur Realisation des geplanten Rationalisierungsprozesses befähigt und motiviert werden. Die sach- und personenbezogenen Aufgaben werden sowohl für die Konzipierungsals auch für die Umsetzungsprojekte ausgeführt. 3.2.3.1 Sachbezogene Aufgaben Die sachbezogenen Aufgaben bilden den in Abb. 3.11 dargestellten Prozess des Projektmanagements (vgl. z. B. Haberfellner (1992), Sp. 2094 ff.; Krüger (1993), Sp. 3561 f.; Reiß (1996), Sp. 1662). (1) Projektdefinition Die Projektdefinition ergänzt das Initialisieren des Rationalisierungsprojektes, sofern der Rationalisierungsauftrag in mehrere Teilprojekte gegliedert wird. Aufgabe dieser Phase ist das Entwickeln der Projektaufträge und die Zusammenstellung des Projektteams (vgl. Marr/ Steiner (2004), Sp. 1199). Die Zielfestlegung in der Phase der Projektdefinition umfasst die Zerlegung der kosten- und leistungsbezogenen Vorgaben in Teilziele und die Festlegung der Kosten- und Zeitziele des Rationalisierungsprojektes. Die Grobplanung dient u. a. einer Zerlegung des Rationalisierungsprojektes in Teilabschnitte und der Festlegung von Meilensteinen. Meilensteine sind markante Projektzustände, zu denen eine sachlich-inhaltliche Überprüfung des Projektes durchgeführt und über die Freigabe weiterer Projektabschnitte entschieden wird. Der Projektauftrag enthält für jeden Meilenstein Vorgaben zu den Terminen sowie zu den finanziellen, personellen und sachlichen Ressourcen, die bis zum Erreichen des jeweiligen Meilensteins höchstens eingesetzt werden dürfen (vgl. Corsten/ Corsten/ Gössinger (2008), S. 152 f.). <?page no="139"?> 122 • Rationalisierung als Handlungsfeld Projektdefinition − Festlegen der Projektziele − Grobplanung − Erteilen des Projektauftrags Projektplanung − Aufgabenplanung − Zeitplanung − Ressourcenplanung − Kostenplanung Projektsteuerung − Projektdurchsetzung − Projektkontrolle − Projektsicherung − Projektdokumentation Abb. 3.11: Prozess des Projektmanagements (2) Projektplanung Die Aufgabenplanung gliedert sich in die Projektstrukturplanung und die Projektablaufplanung. Aufgabe der Projektstrukturplanung ist die Zerlegung des Projektauftrags in Arbeitspakete und die Analyse der zwischen ihnen bestehenden Reihenfolgebeziehungen. Die identifizierten Arbeitspakete bilden die Grundlage der Projektablaufplanung . Diese umfasst die Planung der Reihenfolge, in der die Arbeitspakete bearbeitet werden sollen, unter Berücksichtigung der festgestellten Reihenfolgebeziehungen und der verfügbaren Ressourcen (vgl. Schmolke (2002), Sp. 1604 f.). Aufgabe der Zeitplanung ist die Prognose der Vorgangsdauer jedes einzelnen Arbeitspaketes im Rationalisierungsprozess. Mit den prognostizierten Vorgangsdauern werden im Projektablaufplan die Anfangs- und Endzeiten der Arbeitspakete unter Berücksichtigung des vorgegebenen Projektendtermins und der identifizierten Reihenfolgebeziehungen festgelegt. Ergebnis der Zeitplanung sind terminierte Arbeitspakete und Meilensteine, die als zeitliche Teilziele vorgegeben werden. Im Rahmen der Ressourcenplanung wird für jedes Arbeitspaket im Rationalisierungsprozess der Ressourcenbedarf bei planmäßiger Ausführung geschätzt. Auf dieser Basis werden die für das Projekt verfügbaren Ressourcen auf die Arbeitspakete verteilt (vgl. Marr/ Steiner (2004), Sp. 1201). Die Kostenplanung ordnet schließlich jedem Arbeitspaket im Rationalisierungsprozess auf der Grundlage der zugewiesenen Ressourcen die Projektkosten zu, die bei planmäßiger Bearbeitung verursacht werden. <?page no="140"?> Vorbereitende und begleitende Aktivitäten • 123 Für die Meilensteine werden kostenorientierte Teilziele ermittelt. Sie geben die Kosten vor, die bis zum Erreichen eines Meilensteins höchstens anfallen dürfen. (3) Projektsteuerung Sind die Konzipierungs- und Umsetzungsteams nicht identisch, kann das Erreichen der Projektziele durch fehlende Kenntnisse über den zu leistenden Beitrag, Widerstände oder unzureichende Motivation in den Umsetzungsteams beeinträchtigt werden (vgl. Wild (1981), S. 42). Aufgabe der Projektdurchsetzung ist deshalb zum einen, die Aufgabenträger auf die Realisation der geplanten Rationalisierungsmaßnahmen vorzubereiten und zum anderen die Voraussetzungen für die Realisation der geplanten Rationalisierungsmaßnahmen zu schaffen. Die Projektkontrolle umfasst die Ermittlung und Analyse realisierter oder erwarteter Abweichungen von den Projektzielen (Zeit- und Kostenziele) durch den Vergleich realisierter und geplanter Werte der Kontrollgrößen. Sie wird als Planfortschrittskontrolle durchgeführt, d. h. parallel zur Projektrealisation. Jeweils bei Erreichen eines Meilensteines werden der Projektfortschritt und die Kosten kontrolliert (vgl. Haberfellner (1992), Sp. 2096). Treten Abweichungen auf, die nicht toleriert werden können, sind Maßnahmen zu ergreifen, um die identifizierten Störungen und Fehler zu mindern oder zu beseitigen (vgl. Schweitzer (2005), S. 81). Die Auswahl und Durchsetzung dieser Maßnahmen ist Gegenstand der Projektsicherung . 3.2.3.2 Personenbezogene Aufgaben Die personenbezogenen Aufgaben des Projektmanagements beziehen sich auf die Beteiligten in den Projektteams. Zu diesen Aufgaben zählen vor allem − das Beeinflussen des Leistungsverhaltens sowie − das Sichern der erforderlichen Fachkenntnisse in den Projektteams. Als Maßnahmen zur Beeinflussung des Leistungsverhaltens eignen sich (vgl. Abschnitt 2.4.2.3): − das Fördern der Akzeptanz der Projektziele durch • präzise Vorgaben, • den Nachweis der Realisierbarkeit der Projektziele, • das Erläutern der Bedeutung der Projektziele, insbesondere der kosten- und leistungsbezogenen Vorgaben für die Unternehmung und • das Einbeziehen des Projektteams in die Planung der Projektziele; − das Gestalten von Anreizen sowie <?page no="141"?> 124 • Rationalisierung als Handlungsfeld − das Unterstützen der Arbeit der Projektteams durch • das Bereitstellen der erforderlichen Ressourcen und Informationen, • das Übermitteln von Rückkopplungsinformationen und • Hilfestellungen bei der Problembearbeitung. Die Leistung der Projektteams kann durch Wissensbarrieren und bei innovativen Aufgabenstellungen auch durch Kreativitätsbarrieren beeinträchtigt werden. Zu den personenbezogenen Aufgaben des Projektmanagements zählen deshalb auch die Qualifizierung der Mitglieder der Projektteams für die Projektaufgabe und u. U. auch das Fördern ihrer Kreativität (vgl. Abschnitt 2.4.2.4). Wissens- und Kreativitätsbarrieren in den Projektteams kann durch den Einsatz von − Moderatoren und − externen Beratern begegnet werden. Moderatoren sind unternehmungsinterne oder -externe Experten, die am Konzipieren und Umsetzen von Rationalisierungsmaßnahmen mitwirken, jedoch nur einen mittelbaren Beitrag leisten. Sie sind keine Problemlöser, sondern Prozessbegleiter, die dazu beitragen, dass die Projektbeteiligten Rationalisierungsideen generieren, in Aktionsplänen konkretisieren und schließlich umsetzen (vgl. von Rosenstiel (1997), S. 227 f.). Sie verfügen über Methodenkompetenz und unterstützen die Projektbeteiligten bei der Anwendung der Methoden, indem sie z. B. Arbeitsschritte vorgeben und erläutern und für die Ausführung der Arbeitsschritte Anregungen geben. Der Moderator leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Berater sind unternehmungsexterne Projektbeteiligte, die einen unmittelbaren Beitrag zum Konzipieren und Umsetzen der Rationalisierungsmaßnahmen leisten (vgl. Seeger/ Goede (1992), Sp. 318). Beiträge des Beraters zum Abbau von Wissensbarrieren in den Projektteams sind (in Anlehnung an Jarmai (1997), S. 173): − die Bereitstellung von Prozess- und Fachwissen, − die Einbringung neuer Lösungsperspektiven, d. h. die Reduzierung der Gefahr von Betriebsblindheit, sowie − die Verfügbarkeit von Erfahrungen aus mehreren Rationalisierungsprojekten in Unternehmungen verschiedener Branchen. Durch ihre Erfahrungen aus früheren Rationalisierungsprojekten fördern Berater u. a. die Realisation von Quick Hits (vgl. Janz/ Krüger (2000), S. 169). Neben diesem Einfluss auf die Wissensbarrieren in den Projektteams kann der Berater durch seine Neutralität und Unvoreingenommenheit zum Abbau von Willens- oder Risikobarrieren der Beteiligten und Betroffenen gegen Rationalisierungsideen beitragen (vgl. Huber (1987), S. 228). <?page no="142"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 125 3.3 Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen 3.3.1 Konzipieren der Rationalisierungsmaßnahmen Das Konzipieren umfasst die Planung von Rationalisierungsmaßnahmen. Abb. 3.12 zeigt die Phasen im Prozess des Konzipierens. Abb. 3.12: Prozess der Konzipierens (1) Kosten- und Leistungsanalyse Zweck dieser Phase im Prozess des Konzipierens ist die Diagnose von Kostensenkungspotentialen des Untersuchungsobjektes. Als Analysemethoden eignen sich − die Kosten-Nutzen-Analyse und − die Zielbeitragsanalyse der erbrachten Leistungen, − der Vergleich mit einem Leistungsführer sowie − die Einflussgrößenanalyse. Mit der Kosten-Nutzen- und der Zielbeitragsanalyse können Kostensenkungspotentiale im Leistungsprogramm des Untersuchungsobjektes identifiziert werden. Diese bei- Durchsetzen des Rationalisierungsprogramms Bewerten von Rationalisierungsideen Entscheiden über die Rationalisierungsideen Planinhaltskontrolle Analyse der Kosten und Leistungen des Untersuchungsobjektes Generieren von Rationalisierungsideen <?page no="143"?> 126 • Rationalisierung als Handlungsfeld den Analysemethoden gelangen bei der Gemeinkostenwertanalyse bzw. dem Zero- Base-Budgeting zum Einsatz. Der Vergleich mit einem Leistungsführer ist der Grundgedanke des Benchmarking und eignet sich zur Diagnose produkt-, programm-, potential- und prozessbezogener Kostensenkungspotentiale. Die Gemeinkostenwertanalyse, das Zero-Base-Budgeting und das Benchmarking sowie die zugehörigen Analysemethoden werden in Abschnitt 5.3 erläutert. Die Einflussgrößenanalyse ist ein neuerer Vorschlag für eine Methode zur Analyse von Kostensenkungspotentialen. Mit dieser Methode werden die Wirkungsbeziehungen (vgl. Abb. 3.13) untersucht, die für die Höhe der Kosten bestimmend sind. Für diese Methode kennzeichnend ist die getrennte Betrachtung − der Beziehungen zwischen den Kosten und ihren Bestimmungsfaktoren sowie − der Beziehungen zwischen den Bestimmungsfaktoren und ihren Einflussgrößen. Abb. 3.13: Wirkungsbeziehungen zwischen Kostenbestimmungsfaktoren, Einflussgrößen und Kosten Kostenbestimmungsfaktoren sind zum einen die Elemente der Kostendefinition, d. h. die Einsatzgüterpreise und die Einsatzgütermengen. Weitere Kostenbestimmungsfaktoren werden hergeleitet, indem die Einsatzgütermengen in eine Folge multiplikativ verknüpfter Quotienten gespalten werden. Der Nenner eines Quotienten ist dabei immer der Zähler des nachfolgenden Quotienten. Der Spaltungsprozess endet, sobald ein Quotient die Leistung enthält, mit der die Erlöse erzielt werden, d. h. die Marktleistung. Abb. 3.14 zeigt ein Beispiel für die Herleitung von Bestimmungsfaktoren der Lohnkosten (vgl. Anklesaria (2008), S. 87 ff.). Lohnkosten einer Periode = Lohnkosten pro Stunde (Lohnkostensatz) × Quotient aus der bezahlten und der tatsächlichen Arbeitszeit (Nutzungsgrad der Arbeit) × Quotient aus der tatsächlichen Arbeitszeit und der Ausbringungsmenge (Produktionsgeschwindigkeit) × Quotient aus der Ausbringungsmenge und der Anzahl der Gutteile (Arbeitseffizienz) × Quotient aus der Anzahl der Gutteile und der Prozessläufe (Prozessschwierigkeit) × Quotient aus der Anzahl der Prozessläufe und der Produktionsmenge (Auflagengröße) × Quotient aus der Produktions- und der Absatzmenge (Planungseffizienz) × Absatzmenge Abb. 3.14: Beispiel zur Herleitung von Kostenbestimmungsfaktoren Einflussgrößen Kosten Kostenbestimmungsfaktoren <?page no="144"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 127 Die Einflussgrößen determinieren die Ausprägungen der Kostenbestimmungsfaktoren. Über die Einflussgrößen können die Kostenbestimmungsfaktoren und damit mittelbar auch die Kosten gestaltet werden. Einflussgrößen des Nutzungsgrades der Arbeit in Abb. 3.14 sind z. B. tarifvertragliche Regelungen, Rüstzeiten, Arbeitsunterbrechungen durch Defekte an Maschinen, durch die verspätete Bereitstellung von Material oder durch die Bereitstellung fehlerhafter Materialien. Die Fähigkeiten der Mitarbeiter, der Zustand der Maschinen und die Anzahl der Arbeitsschritte sind Beispiele für Einflussgrößen auf die Prozessschwierigkeit. Abb. 3.15 zeigt den Zusammenhang zwischen den Kostenbestimmungsfaktoren und den Kosteneinflussgrößen (in Anlehnung an Anklesaria (2008), S. 87). Kosten = KBF 1 × KBF 2 × ... × KBF N × Marktleistung KBF N = f N (E N1 , ..., E NM ) ⋮ KBF 2 = f 2 (E 21 , ..., E 2L ) KBF 1 = f 1 (E 11 , ..., E 1J ) KBF n = Kostenbestimmungsfaktor n (n = 1, ..., N); E nm = Einflussgröße m (m = 1, ..., M) des Kostenbestimmungsfaktors n Abb. 3.15: Wirkungsbeziehungen in der Einflussgrößenanalyse Der Ablauf der Analyse der Kosten von Prozessen kann in drei Phasen gegliedert werden. Abb. 3.16 gibt einen Überblick über diese Phasen. Identifizieren kritischer Kosten − Prozessanalyse − Festlegen der Kostenstruktur − Ermitteln der Kostendaten − Auswahl der kritischen Kostenbestandteile Bestimmen der Schlüsselfaktoren − Herleiten der Kostenbestimmungsfaktoren − Beurteilen der Kostenbestimmungsfaktoren − Auswahl der Schlüsselfaktoren Generieren von Einflussgrößen Abb. 3.16: Einflussgrößenanalyse zur Diagnose von Kostensenkungspotentialen <?page no="145"?> 128 • Rationalisierung als Handlungsfeld Für das Identifizieren kritischer Kosten wird im ersten Schritt zunächst der Prozess analysiert, der als Untersuchungsobjekt gewählt worden ist. Ergebnis dieses ersten Schrittes ist ein Diagramm mit den Aktivitäten des Prozesses und den zwischen ihnen bestehenden Ablaufbeziehungen. Mit der Kostenstruktur wird im zweiten Schritt festgelegt, welche Bestandteile der Kosten gesondert betrachtet werden sollen. Auf der ersten Ebene werden Kostenarten abgegrenzt (z. B. Materialeinzelkosten, Lohn- und Gehaltskosten, Verwaltungsgemeinkosten), die auf der zweiten Ebene der Kostenstruktur in Kostenkategorien untergliedert werden (z. B. Lohn- und Gehaltskosten verschiedener Mitarbeitergruppen). Auf der dritten Ebene werden die Kostenkategorien in Kostenelemente zerlegt (z. B. Lohn- und Gehaltskosten einer Mitarbeitergruppe an verschiedenen Standorten). Die Einflussgrößenanalyse ist für das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement vorgeschlagen worden. Die Materialkosten werden deshalb als Kosten des Lieferanten interpretiert und ebenfalls auf mehreren Ebenen in Kostenbestandteile gespalten (vgl. Anklesaria (2008), S. 60 ff.). Im dritten Schritt werden für jede Aktivität die Kostendaten ermittelt. Abschließend werden im vierten Schritt die kritischen Kostenbestandteile anhand − der künftigen Zahlungswirksamkeit und − der Beeinflussbarkeit durch das Projektteam ausgewählt (vgl. Anklesaria (2008), S. 71 ff.). Mit dem ersten Kriterium werden Abschreibungen und alle Kostenbestandteile, die einmalig anfallen (z. B. Entwicklungskosten), aus der Analyse ausgeschlossen. Die Beeinflussbarkeit der Kosten hängt vom Handlungsspielraum bei der Gestaltung der Kosteneinflussgrößen ab, der durch leistungsbezogene Vorgaben, die Abgrenzung des Rationalisierungsprojektes oder die Kompetenzen des Projektteams begrenzt sein kann. Beispiel 3.1: Auswahl kritischer Kosten Untersucht wird das Erstellen einer Gebrauchsanweisung für einen Kopierer. Folgende Tabelle zeigt die Auswahl der kritischen Kostenbestandteile (vgl. Anklesaria (2008), S. 75): Kostenarten Kostenkategorien Zahlungswirksam Beeinflussbar Kritisch Lohnkosten × × × Kosten des Entwurfs Gemeinkosten × Materialkosten (Papier) × × × Druckkosten × × × Übersetzungskosten × × × <?page no="146"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 129 In der zweiten Phase des Analyseprozesses werden nur noch die kritischen Kostenbestandteile betrachtet. Für diese Kostenbestandteile werden die Kostenbestimmungsfaktoren hergeleitet (vgl. Abb. 3.14) und die Schlüsselfaktoren ausgewählt. Die Schlüsselfaktoren sind die Kostenbestimmungsfaktoren, für die in der dritten Phase Einflussgrößen generiert werden. Als Schlüsselfaktoren werden Kostenbestimmungsfaktoren ausgewählt, die − einen hohen Einfluss auf die Gesamtkosten haben, − ein hohes Verbesserungspotential aufweisen und − gestaltbar sind. Zur Beurteilung der Kostenbestimmungsfaktoren für die Auswahl der Schlüsselfaktoren wird ein Scoring-Verfahren vorgeschlagen, mit dem der Einflusswert jedes Kostenbestimmungsfaktors ermittelt wird. Der Einflusswert ist definiert als die Summe der gewichteten Wirkungsfaktoren der Kostenbestimmungsfaktoren. Ein Wirkungsfaktor bringt die Stärke des Einflusses eines Kostenbestimmungsfaktors auf die kritischen Kostenbestandteile zum Ausdruck. Als Gewichtungsfaktor wird der Anteil des jeweiligen Kostenbestandteils für die Gesamtkosten herangezogen. Den ermittelten Einflusswerten werden Zielwerte gegenübergestellt. Als Zielwerte eignen sich das theoretische Minimum bzw. Maximum oder Werte, die durch interne oder externe Betriebsvergleiche gewonnen worden sind. Die Differenz zwischen dem aktuellen Einflusswert und dem Zielwert ist ein Maß für das Verbesserungspotential des Kostenbestimmungsfaktors. Als Schlüsselfaktoren werden die durch das Projektteam gestaltbaren Kostenbestimmungsfaktoren mit dem größten Verbesserungspotential gewählt. Beispiel 3.2: Auswahl der Schlüsselfaktoren Die kritischen Kostenbestandteile aus Beispiel 3.1 können in folgende Kostenbestimmungsfaktoren gespalten werden (vgl. Anklesaria (2008), S. 975): Kritische Kostenbestandteile Lohnkosten des Entwurfs Materialkosten Druckkosten Übersetzungskosten Lohnkostensatz Papierpreis Designeffizienz Papiergewicht Preis pro Druckseite Preis einer übersetzten Seite Detaillierungsgrad Behandelte Themen Struktur des Inhalts Bedarf an Gebrauchsanweisungen Kostenbestimmungsfaktoren Zahl abgesetzter Drucker Folgende Tabelle zeigt die Auswahl der Schlüsselfaktoren (in Anlehnung an Anklesaria (2008), S. 108). <?page no="147"?> 130 • Rationalisierung als Handlungsfeld Kritische Kosten (Gewichtungsfaktoren) Kosten bestimmungsfaktoren Lohnkosten (4 %) Materialkosten (84 %) Druckkosten (10 %) Übersetzungskosten (2 %) Einflusswert Zielwert Beeinflussbarkeit Schlüsselfaktor Lohnkostensatz 5 0 0 0 0,2 0,2 Nein Designeffizien 3 0 0 0 0,12 0,5 Ja Papierpreis 0 5 0 0 4,2 3,5 Ja × Papiergewicht 0 3 0 0 2,52 2,3 Ja Preis pro Druckseite 0 0 5 0 0,5 0,48 Ja Preis einer übersetzten Seite 0 0 0 5 0,1 0,09 Nein Detaillierungsgrad 1 3 3 5 2,96 1,8 Ja × Behandelte Themen 1 1 1 3 1,04 0,8 Ja Struktur des Inhalts 1 1 1 3 1,04 0,8 Ja Bedarf an Gebrauchsanweisungen 3 3 5 5 3,24 2,2 Ja × Für die Schlüsselfaktoren werden in der dritten Phase in einem Prozess zur kreativen Problemlösung die auf sie wirkenden Einflussgrößen bestimmt und nach ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen geordnet. In der nächsten Phase des Prozesses des Konzipierens werden Ideen für Maßnahmen zur Gestaltung der Ausprägungen dieser Einflussgrößen generiert. Mit der Einflussgrößenanalyse werden damit nicht nur Kostensenkungspotentiale diagnostiziert, sondern auch Ansatzpunkte für die Suche nach Rationalisierungsideen gewonnen. Beispiel 3.3: Generieren von Einflussgrößen Für die in Beispiel 3.2 ausgewählten Schlüsselfaktoren sind die in der folgenden Tabelle genannten Einflussgrößen hergeleitet worden (vgl. Anklesaria (2008), S. 113). Für die vier markierten Einflussgrößen werden Rationalisierungsideen generiert. Detaillierungsgrad Bedarf an Gebrauchsanweisungen Papierpreis 2 1 − Menge an Informationen − Seitenlayout − Zahl der Grafiken − −− − Anteil der Informationen in anderen Medien − −− − Anzahl vorinstallierter Eigenschaften 3 − Kundenanforderungen − Anzahl der von einem Kunden gekauften Kopierer − Anzahl der Kunden, die mehrere Kopierer kaufen 4 − −− − Papierstärke − Wettbewerbssituation − Anzahl der Anbieter − Standort der Anbieter − Bedarfsmenge (2) Generieren von Rationalisierungsideen Aufgabe dieser Phase des Konzipierens ist es, eine große Zahl alternativer Rationalisierungsideen zu finden, die sich deutlich unterscheiden und möglichst innovativ sind (vgl. Huber (1987), S. 242). Eine große Anzahl von Ideen wird gefordert, da einige <?page no="148"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 131 der gefundenen Ideen nicht realisierbar und die Kostenwirkungen einzelner Ideen zu gering sein können. Es kann auch vorkommen, dass Ideen gefunden werden, deren Kostenwirkungen erst nach dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Rationalisierungsziele bereits erreicht sein sollten. Die Ideensuche sollte deshalb nicht bereits dann abgebrochen werden, wenn die geschätzten Kostenwirkungen der gefundenen Ideen die kostenbezogene Vorgabe erreichen. Als Abbruchkriterium für das Generieren von Rationalisierungsideen erhält das Projektteam deshalb eine anspruchsvollere Kostensenkungsvorgabe. Das Generieren innovativer Ideen ist ein kreativer Prozess (vgl. Hauschildt (2004), S. 375 ff.), der durch Kreativitätsbarrieren behindert werden kann. Das verlangt vom Projektleiter, dass er die Kreativität des Projektteams fördert (zu den Maßnahmen vgl. Abschnitt 2.4.2.4). (3) Bewerten der Rationalisierungsideen Die Kriterien , die zur Bewertung der Rationalisierungsideen herangezogen werden, sind (vgl. Huber (1987), S. 248): − die erwartete Veränderung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung bei Umsetzung der Rationalisierungsidee und die sich daraus ergebenden Erfolgswirkungen, − der einmalige Aufwand für die Umsetzung der Rationalisierungsidee, − die Chancen und Risiken sowie − die Realisationsdauer. Der Prognose der Erfolgswirkungen und des einmaligen Aufwandes liegen stets Annahmen zugrunde, wie z. B. über die Preisentwicklung bei den Einsatzgütern. Diese Annahmen sind zusammen mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten bei den prognostizierten Wirkungen anzugeben. Bei mittel- oder langfristig wirksamen Rationalisierungsmaßnahmen sollten die gewonnenen Informationen mit Methoden der Investitionsrechnung aufbereitet werden. Allgemein wird unter Risiko die Gefahr einer negativen, unter Chance die Möglichkeit einer positiven Abweichung von einem erwarteten Wert verstanden (vgl. Gebhardt (2002), Sp. 1714). Für die Bewertung der Rationalisierungsideen hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken werden die möglichen Ursachen für positive und negative Abweichungen von den kosten- und leistungsbezogenen Vorgaben und für jede dieser Ursachen das Ausmaß der Abweichung sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelt. Die Beurteilung der Chancen und Risiken verlangt darüber hinaus eine Einschätzung zu den Barrieren der Betroffenen bei der Umsetzung der Rationalisierungsideen. Die Realisationsdauer ist der Zeitraum zwischen der Durchsetzung der Rationalisierungsidee bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kostenänderungen eingetreten sind. Rationalisierungsideen mit kurzer Realisationsdauer sind daraufhin zu überprüfen, ob sie <?page no="149"?> 132 • Rationalisierung als Handlungsfeld sich als Quick Hits eignen. Gegebenenfalls sind aus diesen Rationalisierungsideen Teilaspekte herauszulösen und sofort umzusetzen. (4) Entscheiden über die Rationalisierungsideen In dieser Phase werden die Rationalisierungsideen ausgewählt, die realisiert werden sollen. Für jede ausgewählte Rationalisierungsidee wird darüber hinaus über den Zeitpunkt und die Zeitdauer der Realisation entschieden. Ergebnis dieser Phase ist ein terminiertes Programm der zu realisierenden Rationalisierungsmaßnahmen. Träger dieser Entscheidungen ist in der Regel der Lenkungsausschuss. (5) Planinhaltskontrolle Die Planinhaltskontrolle (vgl. Abschnitt 2.2.3.1) beginnt unmittelbar nachdem das Rationalisierungsprojekt initialisiert worden ist mit der Überprüfung der Vollständigkeit, der Eindeutigkeit und der Realisierbarkeit des Rationalisierungsauftrages. Sie wird anschließend parallel zur Kosten- und Leistungsanalyse, zum Generieren und Bewerten der Rationalisierungsideen sowie zur Entscheidung über ein terminiertes Maßnahmenprogramm durchgeführt. Abb. 3.17 gibt einen Überblick über die zu kontrollierenden Sachverhalte. Prozess des Konzipierens Kontrollobjekte Kosten- und Leistungsanalyse Plausibilität der Ergebnisse Generieren und Bewerten von Rationalisierungsideen − Realisierbarkeit und Zulässigkeit der Rationalisierungsideen − Vollständigkeit (Erreichen der Kostenvorgabe, Vollständigkeit der Beschreibung jeder Rationalisierungsidee und ihrer Wirkungen) − Realitätsnähe der Wirkungsprognosen und der prognostizierten Realisationsdauern, Plausibilität der Einschätzungen zu den Chancen und Risiken sowie zu den Barrieren der Betroffenen Entscheiden über ein terminiertes Maßnahmenprogramm − Realisierbarkeit innerhalb des vorgegebenen Realisationszeitraums − Konformität mit den Rationalisierungszielen − Wechselwirkungen zwischen den Rationalisierungsmaßnahmen im Maßnahmenprogramm Abb. 3.17: Planinhaltskontrolle beim Konzipieren (6) Durchsetzen des Rationalisierungsprogramms Ergebnis der Entscheidung über die Rationalisierungsideen ist ein terminiertes und mit Prioritäten versehenes Maßnahmenprogramm, für das der Lenkungsausschuss die Umsetzungsaufträge formuliert. Umfangreiche Maßnahmenprogramme zerlegt der Len- <?page no="150"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 133 kungsausschuss in mehrere Teilprojekte, für die er anschließend Projektleiter bestellt. Der Lenkungsausschuss hat dafür Sorge zu tragen, dass die Projektleiter über die erforderlichen Qualifikationen verfügen. Weiterhin werden den Umsetzungsprojekten die finanziellen, personellen und sachlichen Ressourcen zugeordnet. Abschließend erteilt der Lenkungsausschuss die Umsetzungsaufträge (vgl. Krüger (2006a), S. 74). 3.3.2 Umsetzen der Rationalisierungsmaßnahmen 3.3.2.1 Teilphasen der Umsetzung Aufgabe der Umsetzung ist es, das terminierte Maßnahmenprogramm in konkrete Maßnahmen zu transformieren und diese zu realisieren. Hierfür wird das bisherige Projektteam neu zusammengesetzt. Abb. 3.18 zeigt die Teilphasen der Umsetzung. Die Durchführungsplanung ist eine operative Planung, in der konkrete Handlungsanweisungen festgelegt werden. Objekte dieser Planung sind vor allem die komplexen perioden- oder bereichsübergreifenden Rationalisierungsmaßnahmen. Als Beispiele für diese Maßnahmen können genannt werden (vgl. Huber (1980), S. 258 ff.): − die Neuzuordnung von Mitarbeitern zu Stellen, − die personenbezogene Festlegung von Freisetzungsmaßnahmen, − die inhaltliche Gestaltung und Terminierung von Schulungsmaßnahmen, − die Durchführung von Baumaßnahmen sowie − die Beschaffung von Betriebsmitteln. Abb. 3.18: Prozess der Umsetzung Die Ausführung der verschiedenen Durchführungspläne ist Inhalt der Realisation . Die Kontrolle wird als Planinhalts-, Planfortschritts- und Endkontrolle ausgeführt. Die Planinhaltskontrolle wird parallel zur Durchführungsplanung vollzogen. Im Mittel- Durchführungsplanung Realisation Endkontrolle Planfortschrittskontrolle Planinhaltskontrolle Projektauswertung <?page no="151"?> 134 • Rationalisierung als Handlungsfeld punkt dieser Kontrolle steht die Abstimmung zwischen den Durchführungsplänen und dem terminierten Maßnahmenprogramm sowie den verschiedenen Durchführungsplänen untereinander. Die Planfortschrittskontrolle wird parallel zur gesamten Umsetzungsphase und die Endkontrolle nach Abschluss der Realisation durchgeführt. Die Kontrollziele der Planfortschritts- und Endkontrolle sind die kosten- und leistungsbezogenen Vorgaben sowie die Prämissen des terminierten Maßnahmenprogramms und der Durchführungspläne. Zweck der Projektauswertung ist es, das im Rationalisierungsprozess generierte Wissen zu nutzen, um weitere Rationalisierungspotentiale zu diagnostizieren oder die Effektivität oder Effizienz künftiger Rationalisierungsprojekte zu verbessern. Aufgaben dieser Phase im Rationalisierungsprozess sind − das Dokumentieren von Berichten, Protokollen, realisierten Rationalisierungsmaßnahmen, von generierten Rationalisierungsideen und Daten und Ergebnissen des Rationalisierungsprojektes sowie der gesammelten Erfahrungen und − das Analysieren der Übertragbarkeit generierter Rationalisierungsideen und realisierter Rationalisierungsmaßnahmen auf andere Bereiche. Die Analyse der Übertragbarkeit setzt die bereichsübergreifende Kommunikation der Rationalisierungsideen und -maßnahmen voraus. Als Kommunikationsmittel kann eine systematisch aufgebaute Ideensammlung dienen, auf die alle Bereiche Zugriff haben. Durch Prämien können die Konzipierungs- und Umsetzungsteams motiviert werden, als Sender von Informationen über Rationalisierungsideen und -maßnahmen tätig zu werden und in anderen Bereichen gezielt über diese Ideen und Maßnahmen zu berichten. Als Prämie wird ein Anteil an den Einsparungen vorgeschlagen, die durch die Ideen und Maßnahmen in den anderen Bereichen erzielt werden. Schließlich können als Kommunikationskanal regelmäßig bereichsübergreifende Sitzungen dienen, in denen das in Rationalisierungsprojekten generierte Wissen ausgetauscht wird (vgl. Anklesaria (2008), S. 206 f.). 3.3.2.2 Gestaltung der mitarbeiterbezogenen Auswirkungen Um Widerständen der Betroffenen gegen die Rationalisierungsmaßnahmen zu begegnen, kann versucht werden, die negativen Auswirkungen für die Betroffenen zu vermeiden, zu mindern oder auszugleichen bzw. positive Auswirkungen für die Betroffenen zu stärken oder zu schaffen. Einfluss auf die Auswirkungen der Rationalisierungsmaßnahmen für die Betroffenen kann genommen werden durch − die Gestaltung der Arbeitstechnik und der Arbeitsorganisation im Untersuchungsbereich, − die Personalfreisetzungsplanung sowie − die Bildungsplanung der Unternehmung. <?page no="152"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 135 (1) Gestaltung der Arbeitstechnik und der Arbeitsorganisation Zur Förderung der Akzeptanz von Rationalisierungsmaßnahmen durch die Betroffenen ist eine benutzeradäquate Gestaltung der Arbeitstechnik und der Arbeitsorganisation sicherzustellen. Für die Akzeptanz relevante Merkmale der Arbeitstechnik sind die Benutzerfreundlichkeit und die Aufgabenbezogenheit, d. h. der Umfang, in dem das Betriebsmittel die Anforderungen des Benutzers erfüllt und damit als Hilfe bzw. Belastung bei der Aufgabenbewältigung empfunden wird. Für die Arbeitsorganisation lassen sich die Handlungsfreiheit, die Aufgabenvielfalt sowie die Kooperations- und Koordinationsbeziehungen als Merkmale nennen, die für die Akzeptanz durch die Betroffenen relevant sind (vgl. Wiendieck (1992), Sp. 95 f.). (2) Personalfreisetzungsplanung der Unternehmung Wirkt sich die Rationalisierung auf den quantitativen oder qualitativen Personalbedarf aus, so ist es für die Akzeptanz der Rationalisierung durch die Betroffenen von zentraler Bedeutung, dass nachteilige Wirkungen, die sich durch den Ausgleich einer Personalüberdeckung für die Betroffenen ergeben, vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden. Die Planung dieser Maßnahmen ist Aufgabe der Personalfreisetzungsplanung . Sie umfasst (in Anlehnung an Drumm (2005), S. 299 f.): − die Auswahl von Freisetzungsmaßnahmen sowie − die Gestaltung flankierender Maßnahmen. Zu den Freisetzungsmaßnahmen zählen alle Maßnahmen, die zu einem Abbau der Personalüberdeckung führen. Einen Überblick über alternative Freisetzungsmaßnahmen zeigt Abb. 3.19 (vgl. Hentze (1991), S. 266 ff.; Berthel/ Becker (2003), S. 248 ff.). Flankierende Maßnahmen zielen auf den Ausgleich der Nachteile von Betroffenen aus den Freisetzungsmaßnahmen. Als Beispiele für flankierende Maßnahmen bei Versetzungen können Fahrtkostenzuschüsse, Umzugshilfen, Fortbildung oder Umschulung genannt werden. Bei Entlassungen sind es Abfindungen und das Outplacement. Unter Outplacement wird die aktive Unterstützung der Betroffenen bei der Stellensuche, der Bewerbung oder beim Übergang in das neue Arbeitsverhältnis verstanden (vgl. Bühner (2005), S. 84). Die Personalfreisetzungsplanung kann reaktiv und antizipativ durchgeführt werden. Die reaktive Personalfreisetzungsplanung ist eine kurzfristige Planung, die erst dann ausgelöst wird, wenn die Personalüberdeckung bereits besteht. Die antizipative Personalfreisetzungsplanung ist ein Bestandteil der Unternehmungsplanung und wird periodisch durchgeführt. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass auf der Grundlage der Unternehmungspläne und der identifizierten Rationalisierungspotentiale der langfristige Personalbedarf prognostiziert und damit eine Personalüberdeckung frühzeitig erkannt werden kann. Je früher eine künftige Personalüberdeckung identifiziert wird, desto größer ist der Handlungsspielraum für weiche Freisetzungsmaßnahmen, d. h. für <?page no="153"?> 136 • Rationalisierung als Handlungsfeld Freisetzungsmaßnahmen, die nicht zur Kündigung führen (vgl. Drumm (2005), S. 295). Bei reaktiver Personalfreisetzungsplanung sind harte Freisetzungsmaßnahmen dagegen kaum zu vermeiden (vgl. Berthel/ Becker (2003), S. 244). Die antizipative Personalfreisetzungsplanung ermöglicht zudem bereits in frühen Phasen des Rationalisierungsprozesses die Herleitung von Aussagen über das Ausmaß harter bzw. weicher Freisetzungsmaßnahmen, die im Rahmen der Kommunikation mit den Betroffenen glaubwürdig vermittelt werden können. Freisetzungsmaßnahmen Freisetzung ohne Änderung von Arbeitsverträgen − Einstellungsstopp (Nutzung der natürlichen Fluktuation) − Nichtverlängerung oder Kündigung von Personalleasingverträgen − Abbau von Mehrarbeit/ Überstunden Freisetzung durch Änderung bestehender Arbeitsverhältnisse − Arbeitszeitverkürzung • Allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit • Angebot individueller Arbeitszeitverkürzung − Versetzung • Horizontale Versetzung • Vertikale Versetzung Freisetzung durch Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse − Vorzeitige Pensionierung − Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge − Aufhebungsverträge (Beendigung von Arbeitsverträgen in gegenseitigem Einvernehmen) − Kündigung Abb. 3.19: Überblick zu den Freisetzungsmaßnahmen (3) Bildungsplanung Führt die Rationalisierung zu einer Qualifikationslücke, d. h. zu Abweichungen zwischen Anforderungs- und Qualifikationsprofil der Mitarbeiter, sind qualifizierende Maßnahmen zu planen. Gegenstand der Bildungsplanung ist − die Auswahl der zu qualifizierenden Arbeitnehmer, − die Entwicklung der Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie − das Festlegen flankierender Maßnahmen zum Ausgleich von Nachteilen der beruflichen Bildungsmaßnahmen für die Betroffenen. Wie die Personalfreisetzungsplanung kann auch die Bildungsplanung reaktiv und antizipativ durchgeführt werden. Da Bildungsinhalte nur sehr schwer zu prognostizieren sind, hat die antizipative Bildungsplanung keine Maßnahmen zum Inhalt, die dem Ausgleich konkreter Qualifikationslücken dienen. Geplant werden vielmehr Maßnahmen zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen (vgl. Gaugler/ Mungenast (1992), Sp. 240 f.), d. h. überfachlicher, extra- oder auch multifunktionaler Fähigkeiten. Zu <?page no="154"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 137 den Schlüsselqualifikationen zählen u. a. Lernfähigkeit, Denken in übergreifenden Zusammenhängen, analytisches Denken, Fähigkeit zur Gewinnung und Auswertung von Informationen, Kommunikations-, Innovations- und Kooperationsfähigkeit sowie Fähigkeit zur Konflikt- und Problemlösung (vgl. Schanz (2000), S. 485 f.). Durch die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen können berufliche Bildungsmaßnahmen zum Ausgleich vorhandener Qualifikationslücken auf die zentralen Inhalte beschränkt werden. Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen ist geeignet, Barrieren der Betroffenen zu vermeiden oder zu vermindern, die aus Befürchtungen resultieren, durch berufliche Bildungsmaßnahmen überfordert zu sein. 3.3.3 Verstetigen der Rationalisierung Mit der Rationalisierung wird eine deutliche Steigerung der Wirtschaftlichkeit in einem kurzen Zeitraum angestrebt. Insbesondere die Systemrationalisierung führt zu bedeutsamen Veränderungen der Rahmenbedingungen. Unmittelbar nach der Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen laufen Arbeitsprozesse nicht stabil ab, weil Teilprozesse nicht abgestimmt sind, unvollständig oder fehlerhaft ausgeführt werden, falsche oder ungeeignete Einsatzgüter (Materialien, Maschinen, Geräte, Informationen) bereitgestellt werden oder Mitarbeiter nicht hinreichend geschult worden sind. Darüber hinaus kann es sein, dass die Mitarbeiter die durch die Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen veränderten Arbeitsprozesse nicht beibehalten und zu den alten Arbeitsabläufen zurückkehren. Die Effizienz nimmt deshalb wieder ab, wenn die veränderten Arbeitsprozesse nach der Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen nicht gesichert und verbessert werden (vgl. Imai (1994), S. 49 ff.). Aus dieser Erkenntnis heraus tritt zum Konzipieren und Umsetzen die Phase der Verstetigung (vgl. Davenport (1993), S. 194). Ziel der Verstetigung ist es, die mit der Rationalisierung angestrebte Steigerung der Effizienz zu erreichen, zu erhalten und zu verbessern. Die Verstetigung ist ein Zyklus mit den Phasen Stabilisieren und Verbessern der durch die Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen veränderten Arbeitsprozesse. Sie wird bereits während der Umsetzung in Gang gesetzt und setzt sich bis zur Initialisierung eines neuen Rationalisierungsprojektes fort. Die Verstetigung unterscheidet sich in zwei Merkmalen vom Konzipieren und Umsetzen der Rationalisierungsmaßnahmen: (1) Nicht der Lenkungsausschuss und die verschiedenen Projektteams sind die Träger der Verstetigung, sondern die Träger der Führungs- und Ausführungsaufgaben in den von der Rationalisierung betroffenen Bereichen. (2) In dieser Phase tritt an die Stelle des Umbruchprinzips, das dem Konzipieren und Umsetzen der Rationalisierungsmaßnahmen zugrunde liegt, das Evolutionsprinzip, d. h. die Effizienzsteigerung in kleinen Schritten als Ergebnis fortlaufender Bemühungen (vgl. Krüger (2002), S. 58). Umgesetzt wird dieses Prinzip durch <?page no="155"?> 138 • Rationalisierung als Handlungsfeld den SDCA-/ PDCA-Zyklus (vgl. Imai (1997), S. 4 f.; Simon (1996), S. 24). Er beruht auf dem Gedanken, dass ein Arbeitsprozess zunächst stabil ablaufen muss, bevor er verbessert werden kann. Abb. 3.20 veranschaulicht das Zusammenwirken von SDCA- und PDCA-Zyklus (vgl. Imai (1997), S. 53). Das Stabilisieren vollzieht sich in einem SDCA-Zyklus , der folgende Phasen umfasst: − S tandardize: Festlegen präziser Anweisungen für den Arbeitsprozess − D o: Ausführen der Prozesse nach den festgelegten Arbeitsanweisungen − C heck: Gegenüberstellung von Anweisungen und tatsächlichem Ablauf des Arbeitsprozesses − A ct: Abweichungen von den Arbeitsanweisungen korrigieren bzw. Auslösen des PDCA-Zyklus Um den Arbeitsprozess zu verbessern, wird der PDCA-Zyklus mit den folgenden Phasen durchgeführt: − P lan: Festlegen von Verbesserungszielen und Konzipieren von Maßnahmen zu deren Verwirklichung − D o: Umsetzen der Verbesserungsmaßnahmen − C heck: Kontrolle der geplanten Verbesserung − A ct: Anpassungsmaßnahmen ergreifen bzw. Auslösen des SDCA-Zyklus. Abb. 3.20: Zusammenhang zwischen Stabilisieren und Verbessern Effizienz Zeit Stabilisieren Kontinuierliche Verbesserung D C S A D C S A D C S A D C P A D C P A <?page no="156"?> Planung und Realisation von Rationalisierungsmaßnahmen • 139 (1) Stabilisieren der Arbeitsprozesse In dieser Teilphase werden zunächst die Ziele, die Aufgaben und die Arbeitsabläufe entsprechend der konzipierten Rationalisierungsmaßnahmen umgestellt und die Führungsteilsysteme (z. B. Anreizsysteme) angepasst. Diese Umstellung beginnt bereits während der Umsetzung. In der Zeit unmittelbar nach der Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahmen werden die Arbeitsabläufe standardisiert. Die Standardisierung umfasst die Übersetzung technischer Anforderungen an die Arbeitsaufgabe in Ausführungsanweisungen (vgl. Imai (1997), S. 20). Inhalte der Standards bzw. Ausführungsanweisungen sind die Ziele und die Methoden, die angewendet werden sollen. Um zu verhindern, dass die Mitarbeiter zu den alten Arbeitsabläufen zurückkehren, werden die Standards in schriftlicher oder graphischer Form vorgegeben. Die Standards bilden die Grundlage für die Kontrolle der Arbeitsprozesse . Die Standards werden hierzu den tatsächlichen Arbeitsabläufen gegenübergestellt. Treten Abweichungen auf, greift der Verantwortliche in die Arbeitsprozesse ein oder verändert die Standards (vgl. Krüger (2002), S. 58). Sind alle Arbeitsabläufe auf dem Niveau der mit der Rationalisierung angestrebten Effizienzsteigerung standardisiert worden und befolgen alle Mitarbeiter diese Standards ohne jede Abweichung, ist der Arbeitsprozess stabil und die kontinuierliche Verbesserung kann eingeleitet werden. (2) Kontinuierliche Verbesserung Die kontinuierliche Verbesserung vollzieht sich in einem PDCA-Zyklus. In diesem Prozess werden Verbesserungsmaßnahmen geplant, realisiert, kontrolliert und korrigiert, die deutlich kleinere Veränderungen zur Folge haben als die Rationalisierungsmaßnahmen. Die können in kürzerer Zeit realisiert werden und erfordern keine größeren Investitionen. Die Verbesserungsmaßnahmen führen vielfach nicht unmittelbar zu einer Effizienzsteigerung. Sie bewirken zunächst nur eine Reduzierung der Bearbeitungsdauer, eine Verkürzung von Durchlaufzeiten, eine Verringerung der Zahl der Fehler oder einen Abbau von Beständen, d. h. eine Verringerung des Bedarfs an Potentialgütern oder finanziellen Mitteln. Erst die Summe der Wirkungen einer Vielzahl kleiner Veränderungen schafft die Voraussetzungen für Anpassungsmaßnahmen. Durch diese sollen die durch die Verbesserungsmaßnahmen geschaffenen Überkapazitäten in Kostensenkungen oder Leistungssteigerungen überführt werden. Nach jeder Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen, spätestens jedoch nach der Realisation von Anpassungsmaßnahmen wird ein SDCA-Zyklus ausgelöst. Erst wenn die veränderten Arbeitsprozesse wieder stabil ablaufen, werden weitere Verbesserungsmaßnahmen konzipiert und umgesetzt. Abb. 3.21 zeigt den Prozess der Verstetigung. <?page no="157"?> 140 • Rationalisierung als Handlungsfeld Abb. 3.21: Prozess der Verstetigung Umstellen der Arbeitsprozesse Standardisieren der Arbeitsprozesse Konzipieren und Umsetzen von Anpassungsmaßnahmen Konzipieren und Umsetzen von Verbesserungsmaßnahmen Kontrollieren und Anpassen der Arbeitsprozesse Stabilisieren der Arbeitsprozesse Kontinuierliches Verbessern <?page no="158"?> 4 Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld 4.1 Grundlagen der kontinuierlichen Verbesserung 4.1.1 Abgrenzung der kontinuierlichen Verbesserung Die kontinuierliche Verbesserung geht auf das japanische Kaizen zurück. In der Literatur wird sie gelegentlich als Teilgebiet des Kaizen definiert. Danach umfasst das Kaizen alle Verbesserungsmaßnahmen in sämtlichen Bereichen der Unternehmung. Die kontinuierliche Verbesserung hat dagegen nur die von jedem Mitarbeiter in der Unternehmung getragene ständige Verbesserung der eigenen Arbeit in kleinen und kleinsten Schritten zum Inhalt (vgl. Simon (1996), S. 22). Üblich ist es jedoch, den Begriff „kontinuierliche Verbesserung“ als Übersetzung für das japanische „Kaizen“ (eigentlich: „Ändern zum Guten“) zu verwenden (so auch Imai (1997), S. 1). Die kontinuierliche Verbesserung ( Kaizen ) ist ein stetiger, von allen Mitarbeitern getragener Prozess der Planung und Umsetzung kleiner, unzusammenhängender Verbesserungen messbarer Leistungsgrößen zur Erreichung des kurzfristigen Erfolgszieles der Unternehmung innerhalb gegebener Rahmenbedingungen. Die kontinuierliche Verbesserung kann durch vier Merkmale abgegrenzt werden (ähnlich Cooper/ Slagmulder (1995), S. 271): − Verbessern messbarer Leistungsgrößen innerhalb gegebener Rahmenbedingungen, − Kontinuität des Verbesserungsprozesses, − Erfolgszielorientierung sowie − Einbeziehen aller Mitarbeiter. Die Rationalisierung bezweckt die zielorientierte Anpassung der Rahmenbedingungen an unternehmungsinterne oder -externe Veränderungen durch mittel- und langfristige Entscheidungen. Mit der kontinuierlichen Verbesserung wird dagegen eine Verbesserung messbarer Leistungsgrößen in den Bereichen Qualität, Lieferzuverlässigkeit oder Kosten innerhalb gegebener Rahmenbedingungen angestrebt. Sie bewirkt eine stetige Folge von Maßnahmen, die zur Steigerung der Qualität, zur Erhöhung der Lieferzuverlässigkeit oder zur Senkung der Kosten erarbeitet und umgesetzt werden. Um diesen stetigen Verbesserungsprozess in Gang zu halten, werden für die Verantwortungsbereiche Vorgaben geplant, durchgesetzt und kontrolliert. Das Ausmaß dieser Vorgaben wird durch das Erfolgsziel der Periode bestimmt. Die Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen ist Aufgabe der Mitarbeiter aller Unternehmungsbereiche und Hierarchieebenen. Die kontinuierliche Verbesserung ist selbstverständlicher und wesentlicher Bestandteil der Arbeitsaufgabe jedes Mitarbeiters. Nach den Aufgabenträgern werden drei Bereiche des Kaizen unterschieden (vgl. Imai (1994), S. 111 ff.): <?page no="159"?> 142 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld − das managementorientierte, − das gruppenorientierte und − das personenorientierte Kaizen. Das managementorientierte Kaizen zielt auf komplexe Probleme, zu deren Bearbeitung bereichsübergreifende Teams erforderlich sind. Es wird von einer übergeordneten Instanz oder Experten getragen. Diese wählen das zu bearbeitende Problem aus, setzen ein Team zur Problembearbeitung ein und entscheiden schließlich über die zu realisierende Lösung. Das managementorientierte Kaizen dient der Verbesserung von Verfahren, Strukturen und Produkten und wird in der Form spezieller Projekte ausgeführt. Hierzu zählt z. B. die Wertverbesserung von Produkten (vgl. Abschnitt 6.3). Die Verbesserungsziele werden beim managementorientierten Kaizen für Projekte geplant und den multifunktional zusammengesetzten Teams vorgegeben. Im Mittelpunkt des gruppenorientierten Kaizen stehen Verbesserungen in den Arbeitsbereichen. Die Verbesserungsmaßnahmen werden von den Mitarbeitern des jeweiligen Arbeitsbereichs entweder in Kleingruppen erarbeitet, die sich regelmäßig treffen, oder in mehrtägigen Workshops, die gelegentlich durchgeführt werden. Aufgaben dieser Kleingruppen und Workshops sind sowohl das Konzipieren als auch das Umsetzen der Verbesserungsmaßnahmen. Institutionalisiert wird die Arbeit in Kleingruppen durch Qualitätszirkel (vgl. Abschnitt 4.2.1). Die Verbesserung des eigenen Arbeitsplatzes ist das Ziel des personenorientierten Kaizen und die Aufgabe jedes einzelnen Mitarbeiters der Unternehmung. Die Verbesserungen können sich u. a. auf Einsparungen von Ressourcen, die Arbeitssicherheit, das Arbeitsumfeld, die Maschinen, Werkzeuge und Geräte, die administrativen Tätigkeiten und die Produktqualität beziehen. Im personenorientierten Kaizen werden Verbesserungen über Vorschläge angestrebt, die durch Mitarbeiter erarbeitet und nach Prüfung durch das betriebliche Vorschlagswesen (vgl. Abschnitt 4.2.2) auch vom Mitarbeiter umgesetzt werden. Beim gruppen- und personenorientierten Kaizen werden in jeder Periode Verbesserungsziele für die Bereiche der Unternehmung geplant und vorgegeben, denen die Träger des Kaizen zugeordnet sind. Das gruppen- und personenorientierte Kaizen wird deshalb auch unter dem Begriff des bereichsbezogenen Kaizen zusammengefasst (vgl. Monden (1999), S. 327). Abb. 4.1 stellt die verschiedenen Bereiche des Kaizen gegenüber. Werden die Objekte , die zur Verbesserung bei den Leistungsgrößen zielorientiert gestaltet werden sollen, als Abgrenzungskriterium herangezogen, ergeben sich als Teilgebiete der kontinuierlichen Verbesserung − das Prozess-Kaizen, − das Produkt-Kaizen und − das Potential-Kaizen. <?page no="160"?> Grundlagen der kontinuierlichen Verbesserung • 143 Bereichsbezogenes Kaizen Teilbereiche Merkmale Managementorientiertes Kaizen Gruppenorientiertes Kaizen Personenorientiertes Kaizen Träger Management, Experten/ Projektteams Gruppen von Mitarbeitern aus einem Arbeitsbereich Alle Mitarbeiter Objekt der Verbesserung Verfahren, Strukturen und Produkte Objekte im Arbeitsbereich Objekte am Arbeitsplatz Organisatorische Verankerung Projekte Qualitätszirkel, Workshops Betriebliches Vorschlagswesen Verbesserungsziele Projektbezogene Vorgabe Bereichsbezogene Vorgabe Bereichsbezogene Vorgabe Abb. 4.1: Teilbereiche des Kaizen nach dem Aufgabenträger Durch das Prozess-Kaizen werden abgegrenzte Prozesse zur Steigerung der Qualität des Prozessoutputs, der Lieferzuverlässigkeit und der Kosten des Prozesses gestaltet (vgl. Abschnitt 5.4). Es ist Aufgabe der Träger des jeweiligen Prozesses. Ausgeführt wird es als gruppen- und personenorientiertes Kaizen. Das Produkt-Kaizen bezieht sich jeweils auf ein einzelnes Produkt in der Marktphase des Produktlebenszyklus oder auf ein Teil, das in mehrere Produkte eingeht. Durch dieses Teilgebiet soll sichergestellt werden, dass Produkte in der Marktphase ihres Lebenszyklus die geplanten Erfolgsziele erreichen. Es wird nur fallweise für Produkte initiiert, bei denen Abweichungen vom geplanten Erfolgsziel drohen. Das Produkt-Kaizen wird projektbezogen ausgeführt und ist der Ebene des managementorientierten Kaizen zugeordnet (vgl. Abschnitt 7.2.1.4). Das Potential-Kaizen zielt auf die Verringerung der Anzahl verschiedenartiger Teile und Werkzeuge in der Unternehmung. Durch dieses Teilgebiet der kontinuierlichen Verbesserung wird eine Senkung der Gemeinkosten durch den Abbau von Komplexität im indirekten Leistungsbereich angestrebt (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005b), S. 282). Die Verringerung der Anzahl verschiedenartiger Teile und Werkzeuge erfordert die Anpassung von Produkten und Prozessen und kann deshalb nur durch multifunktional zusammengesetzte Teams realisiert werden. Das Potential-Kaizen ist eine Erscheinungsform des managementorientierten Kaizen. 4.1.2 Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens der Mitarbeiter 4.1.2.1 Barrieren einer aktiven Mitwirkung der Mitarbeiter Das gruppenorientierte Kaizen setzt voraus, dass Mitarbeiter freiwillig in Qualitätszirkel-Gruppen mitwirken und Beiträge zur Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungen im Arbeitsbereich erbringen. Das personenorientierte Kaizen trägt nur dann zum Erreichen der Unternehmungsziele bei, wenn die Mitarbeiter kontinuierlich Vor- <?page no="161"?> 144 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld schläge zur Verbesserung ihres Arbeitsplatzes erarbeiten und umsetzen. Aufgrund der Freiwilligkeit ist das Ausmaß und die Qualität der Mitwirkung der Mitarbeiter an den Verbesserungsaktivitäten ein Erfolgsfaktor des gruppen- und personenbezogenen Kaizen . Dimensionen der Qualität von Verbesserungsmaßnahmen sind zum einen ihr Zielbeitrag (z. B. Einsparungen, Verkürzung der Durchlaufzeit) und zum anderen die Kosten ihrer Realisation. Da für die Verbesserungsaktivitäten Arbeitszeit oder bezahlte Überstunden vorgesehen sind, ist der zeitliche Aufwand der Mitarbeiter für die Erarbeitung und Realisation von Verbesserungsmaßnahmen ein weiterer Erfolgsfaktor des Kaizen. Die aktive Mitwirkung an der Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungen auf freiwilliger Basis kann − intrinsisch oder − extrinsisch motiviert sein (vgl. Berthel/ Becker (2003), S. 30). Extrinsisch motiviert sind Verbesserungsaktivitäten, die über außerhalb der Verbesserungsaktivitäten liegende Anreize ausgelöst bzw. aufrechterhalten werden, wie z. B. Sach- und Geldprämien. Dagegen resultiert die intrinsische Motivation, aktiv an der kontinuierlichen Verbesserung mitzuwirken, direkt aus der Erarbeitung und Realisation von Verbesserungsmaßnahmen durch die Befriedigung sozialer Bedürfnisse, Achtungsbedürfnisse oder dem Bedürfnis nach Selbstentfaltung (in Anlehnung an Deppe (1991), S. 657 ff.). Die Befriedigung dieser Bedürfnisse setzt jedoch voraus, dass die vorgeschlagenen Verbesserungen möglichst schnell beurteilt, genehmigt und auch umgesetzt werden (in Anlehnung an Thom (1996b), Sp. 2230). Intrinsische Motivation kann sich jedoch auch indirekt aus dem durch die Verbesserung veränderten Aufgaben- oder Arbeitsumfeld ergeben (vgl. Thom (1991), S. 604 f.), wie z. B. eine Erleichterung der Arbeit oder eine Verbesserung der Arbeitssicherheit. Die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich aktiv an Verbesserungsaktivitäten zu beteiligen, kann durch mehrere Barrieren ungünstig beeinflusst werden (vgl. Abschnitt 1.2.3.1). Genannt werden in der Regel die frei folgenden Barrieren (vgl. Thom (1996a), S. 45): − Wissensbarrieren, − Willensbarrieren und − Risikobarrieren. Wissensbarrieren entstehen, weil Mitarbeiter tatsächlich oder vermeintlich nicht in der Lage sind, Probleme zu erkennen, Lösungen zu finden oder einen Vorschlag schriftlich auszuarbeiten. Sie können in den Personen (fehlende Fachkenntnisse) oder der Situation in der Unternehmung begründet sein, z. B. durch hohe Arbeitsbelastung, fehlende Schulung oder begrenzten Zugriff auf Informationen (vgl. von Bismarck (2000), S. 150). Die Wissensbarrieren können jedoch auch daraus folgen, dass die Mitarbeiter die Möglichkeiten und die Funktionsweise des Qualitätszirkels bzw. des <?page no="162"?> Grundlagen der kontinuierlichen Verbesserung • 145 betrieblichen Vorschlagwesens nicht kennen (vgl. Urban (1993), S. 37). Unter Willensbarrieren können alle Konflikte zwischen den Unternehmungszielen und den individuellen Zielen der Mitarbeiter zusammengefasst werden. Diese Konflikte äußern sich in Gleichgültigkeit gegenüber dem Betriebsgeschehen, Ressentiments gegenüber der Unternehmung und Änderungswiderstand. Willensbarrieren können aber auch aus der Befürchtung entstehen, dass ein Vorschlag nicht objektiv beurteilt wird (vgl. Läge (2002), S. 16). Ursache der Risikobarrieren sind Ängste vor materiellen oder ideellen Nachteilen aus den erarbeiteten und umgesetzten Verbesserungsvorschlägen, z. B. Arbeitsplatzverlust, Schwierigkeiten mit Kollegen oder Vorgesetzten (vgl. Thom (1996a), S. 45 f.; Deppe (1991), S. 661). Eine Ursache der Willens- und Risikobarrieren kann auch das ablehnende Verhalten von Vorgesetzten sein, die einen Vorschlag vielfach als Hinweis auf ein persönliches Versäumnis und Kritik an ihren Fähigkeiten verstehen (vgl. Staudt/ Schmeisser (1986), S. 294). 4.1.2.2 Strategien zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens Wissensbarrieren können durch Schulungen der Mitarbeiter abgebaut werden. Themen dieser Schulungen sind die Merkmale der kontinuierlichen Verbesserung, der PDCA-/ SDCA-Zyklus (vgl. Abschnitt 3.3.3), die Checklisten zur Erkennung von Verlusten (Drei Mu, Sieben Formen der Verschwendung) und Problemen (Sechs W, Fünffaches Warum), der Prozess der Fünf S, die Instrumente der kontinuierlichen Verbesserung (vgl. Abschnitte 4.3 und 5.4) sowie der Aufbau des betrieblichen Vorschlagswesens und der Qualitätszirkel (vgl. Kajüter (2000), S. 415). Zur Überwindung von Willensbzw. Risikobarrieren werden zwei Strategien zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens vorgeschlagen (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 119 ff.): − die Push-Strategie und − die Pull-Strategie. Die Push-Strategie sieht Maßnahmen vor, von denen ein mehr oder weniger starker Druck auf die Mitarbeiter ausgeht, aktiv an Verbesserungsaktivitäten mitzuwirken. Zu diesen Maßnahmen zählen die Planung und Kontrolle kostenzielorientierter Vorgaben (vgl. Abschnitt 4.3), Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern sowie alle Kommunikationsmaßnahmen . Zu letzteren zählen Aktivitäten, mit denen die Mitarbeiter über die Funktionsweise des betrieblichen Vorschlagswesens informiert und zur aktiven Mitwirkung angeregt werden, wie z. B. der Einsatz von Broschüren und Plakaten, die Durchführung von Ausstellungen zu erfolgreichen Verbesserungsvorschlägen und die Veröffentlichung von Mustervorschlägen am Schwarzen Brett (vgl. Thom (1996b), Sp. 2228 f.). Zielvereinbarungen sind ein spezielles Verfahren zur Festlegung von Zielen. Es sieht vor, dass die Verbesserungsziele für den Arbeitsbereich eines Aufgabenträgers in Mitarbeitergesprächen gemeinsam festgelegt werden. Ein Vorteil der <?page no="163"?> 146 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Zielvereinbarung wird darin gesehen, dass sich die Mitarbeiter stärker zur Zielerreichung verpflichten. Zielvereinbarungen fördern die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und eröffnen ihnen Handlungsspielräume auf dem Weg zur Zielerreichung. Es wird deshalb erwartet, dass Zielvereinbarungen auf die Mitarbeiter motivierend wirken (vgl. Breisig (2004), Sp. 2053 f.). Die Pull-Strategie hat das Schaffen von Anreizen zum Inhalt, die bei aktiver Mitwirkung der Mitarbeiter an Verbesserungsaktivitäten ein Motiv befriedigen. Extrinsische Anreize gehen von Prämiensystemen zur Bewertung und Honorierung erarbeiteter oder umgesetzter Verbesserungen aus. Diesen Prämiensystemen wird im traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen eine hohe Bedeutung beigemessen. Eine ausschließlich an extrinsischen Anreizen orientierte Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens von Mitarbeitern ist nicht dauerhaft erfolgreich, da sie den Eigenantrieb der Mitarbeiter reduziert, d. h. das Interesse von der Verbesserung zur Belohnung verschieben. Im Kaizen werden neben extrinsischen Anreizen deshalb verstärkt intrinsische Anreize geschaffen (vgl. Hahn (2000), S. 209 f.). Als intrinsische Anreize werden genannt (vgl. Japan Human Relations (1995), S. 121 f.): − Unterstützung und Anleitung der Mitarbeiter bzw. Qualitätszirkel-Gruppen durch den Vorgesetzten bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Verbesserungsvorschläge, − Objektivität der Beurteilung und Bewertung der Verbesserungsvorschläge sowie − Unmittelbarkeit der Reaktion auf eingereichte Verbesserungsvorschläge. Für die Vorgesetzten sind Verbesserungsvorschläge Zusatzarbeit im Tagesgeschäft und werden von ihnen teilweise auch als Kritik am Zustand ihres Aufgabenbereichs verstanden. Sie stehen den Verbesserungsaktivitäten der ihnen untergeordneten Mitarbeiter deshalb vielfach ablehnend gegenüber. Diese Einstellung kann das Filtern, Blockieren oder Verzögern der Begutachtung bzw. subjektive Bewertungen von Vorschlägen zur Folge haben (vgl. Staudt/ Schmeisser (1986), S. 294). Um diesem Verhalten entgegenzuwirken, können mit den Vorgesetzten Zielvereinbarungen getroffen werden, die das Vorschlagsaufkommen der Mitarbeiter und Qualitätszirkel-Gruppen in ihrem Verantwortungsbereich zum Inhalt haben. Durch die regelmäßige Kontrolle und Diskussion dieser Zielvereinbarungen auf übergeordneter Ebene werden die Vorgesetzten angehalten, die Verbesserungsaktivitäten ihrer Mitarbeiter zu unterstützen und die vorgeschlagenen Verbesserungen zügig und sachlich gut begründet zu bewerten. Durch die Aufwertung und die Integration der Förderung von Verbesserungsaktivitäten in das Alltagsgeschäft des Vorgesetzten werden für die Mitarbeiter intrinsische Anreize zur aktiven Mitwirkung an Verbesserungsaktivitäten geschaffen. In diesem Sinne kann das Prämiensystem auch eine Prämienbeteiligung der Vorgesetzten und der Gutachter vorsehen, um sie zu einer zügigen und objektiven Begutachtung zu motivieren (vgl. Simon (1996), S. 32 f.). Abb. 4.2 gibt einen Überblick über die Strategien zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens der Mitarbeiter. <?page no="164"?> Grundlagen der kontinuierlichen Verbesserung • 147 Abb. 4.2: Strategien zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens der Mitarbeiter 4.2 Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung 4.2.1 Qualitätszirkel für das gruppenorientierte Kaizen 4.2.1.1 Abgrenzung von Qualitätszirkeln Das gruppenorientierte Kaizen wird durch die kontinuierliche Gruppenarbeit in Qualitätszirkeln realisiert (vgl. Imai (1994), S. 126). Qualitätszirkel sind eine Form der Sekundärorganisation (vgl. Deppe (1992), S. 14 f.; Bühner (1995), S. 44). Die Sekundärorganisation ist eine Hierarchie ergänzende und Hierarchie übergreifende Struktur mit Organisationseinheiten, deren Mitglieder hauptsächlich in den durch die Primärorganisation geschaffenen Abteilungen mit Daueraufgaben befasst sind und nur diskontinuierlich zur gemeinsamen Erfüllung von Aufgaben zusammentreten, die Kreativität oder einen offenen Informationsaustausch erfordern (vgl. Seidel (1992), Sp. 714; Kahle (2004), Sp. 71 f.). Strategien zur Verhaltensbeeinflussung Push Strategien Planung und Kontrolle kostenzielorientierter Vorgaben Pull Strategien Zügige Umsetzung genehmigter Verbesserungsvorschläge Zielvereinbarungen mit den Vorgesetzten Teilhabe der Vorgesetzten und Gutachter an der Prämie Gewährung von Prämien Schaffen intrinsischer Anreize Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern Kommunikation Zügige und objektive Begutachtung Unterstützung der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten <?page no="165"?> 148 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld In Qualitätszirkeln erarbeiten kleinere Gruppen, die sich aus Mitarbeitern der unteren Hierarchieebenen zusammensetzen, auf freiwilliger Basis in einer Serie regelmäßig durchgeführter moderierter Gesprächsrunden Lösungen für Probleme bzw. Schwachstellen des eigenen Arbeitsbereichs, die sie anschließend präsentieren, umsetzen und kontrollieren (vgl. Domsch (1985), S. 428). Mit dieser Organisationsform soll das geistige und praktische Potential der Mitarbeiter stärker als bisher im Sinne der Unternehmungsziele genutzt werden (vgl. Domsch (1985), S. 429). In der Literatur wird eine Vielzahl von Zielen genannt, die mit Qualitätszirkeln verfolgt werden. Abb. 4.3 gibt einen Überblick über diese Ziele (vgl. Deppe (1986), S. 24). Nach der Kaizen-Philosophie führt das Erreichen dieser Ziele mittelbzw. langfristig zu einer Steigerung der Effizienz. Zielarten Ziele von Qualitätszirkeln Ökonomische Ziele − Effizienzsteigerung − Senkung der Fluktuations- und Absentismusrate − Verbesserung der Kundenzufriedenheit Technische Ziele − Produktivitätssteigerung − Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität − Produktionsverfahrensverbesserung − Weiterqualifikation der Mitarbeiter Soziale Ziele − Motivationsverbesserung − Verbesserung der Arbeitsqualität und des Arbeitslebens − Verbesserung der Kommunikation und des Arbeitsklimas − Identifikation der Mitarbeiter mit der Unternehmung Abb. 4.3: Ziele von Qualitätszirkeln 4.2.1.2 Aufbauorganisation von Qualitätszirkeln Unverzichtbare Organisationseinheiten von Qualitätszirkeln sind − das Steuerungsteam, − der Koordinator und − die Qualitätszirkel-Gruppen mit • den Moderatoren und • den Qualitätszirkel-Teilnehmern. Unterstützt werden können diese Organisationseinheiten durch interne oder externe Berater . Interne Berater sind u. a. Mitarbeiter der Fachabteilungen (z. B. Konstruktion). Für die Ausbildung der Moderatoren werden vielfach externe Berater eingeschaltet. Externe Berater können auch Mitarbeiter anderer Unternehmungen sein (z. B. Lieferanten), die ihre Erfahrungen einbringen (vgl. Domsch (1985), S. 433 ff.; Deppe (1992), S. 63). Abb. 4.4 gibt einen Überblick über die Struktur eines Qualitätszirkels. <?page no="166"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 149 ... Qualitätszirkel- Gruppe 1 − Moderator 1 − Teilnehmer Qualitätszirkel- Gruppe N − Moderator N − Teilnehmer Ebene der Unternehmungshierarchie Aufbauorganisation eines Qualitätszirkels Unternehmungsführung Bereichsführung Abteilungsleiter Meister Mitarbeiter Abb. 4.4: Struktur von Qualitätszirkeln (1) Steuerungsteam Das Steuerungsteam ist eine Mehrpersoneneinheit, die sich aus drei bis vier Mitgliedern der Unternehmungsführung und der Ebene der Bereichsführung und gegebenenfalls dem Koordinator und einem Mitglied des Betriebsrates zusammensetzt (vgl. Deppe (1991), S. 645). Es hat den Qualitätszirkel der Unternehmung zu gestalten (vgl. Deppe (1992), S. 51 ff.). Gestaltungsparameter eines Qualitätszirkels sind die Bereiche der Qualitätszirkelarbeit, die Anzahl der Qualitätszirkel-Gruppen, ihre Aufgaben und Kompetenzen, die Aufgaben und Kompetenzen des Koordinators, die Besetzung der Stelle des Koordinators, der Ablauf des Prozesses zur Genehmigung und Umsetzung der von den Qualitätszirkel-Gruppen erarbeiteten Lösungsvorschläge sowie die Ausstattung mit sachlichen Ressourcen, wie z. B. Gruppenarbeitsräume. Das Steuerungsteam trifft weiterhin die Entscheidungen über die Ziele für die Arbeit in den Qualitätszirkel-Gruppen und den Umfang der personellen und finanziellen Ressourcen, die dem Qualitätszirkel in einer Planperiode zur Verfügung gestellt werden. Die personellen Ressourcen sind die Zeitbudgets für die Freistellung der Mitarbeiter von ihren Daueraufgaben für die Mitarbeit in Qualitätszirkel-Gruppen und die Teilnahme an Schulungsmaßnahmen zur Vorbereitung auf diese Mitarbeit. Die finanziellen Ressourcen werden für die Realisation der von den Qualitätszirkel-Gruppen erarbeiteten Lösungsvorschläge bereitgestellt. Koordinator Externer Berater Interne Berater Steuerungsteam <?page no="167"?> 150 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Im Laufe der Zeit stagniert die Effektivität der Qualitätszirkel-Gruppen, da nach erfolgreicher Umsetzung vieler Verbesserungsmaßnahmen das Verbesserungspotential eines Arbeitsbereichs irgendwann ausgeschöpft ist. In der Literatur werden deshalb Maßnahmen zur Belebung dieser Systeme vorgeschlagen, die u. a. eine Ausrichtung an anderen Zielen zum Inhalt haben können (vgl. Cooper (1998), S. 291 ff.). Für die Verstetigung von Rationalisierungsmaßnahmen in einem Arbeitsbereich wird empfohlen, die Qualitätszirkel-Gruppen mindestens bis zur Erreichung einer zufriedenstellenden Effizienz und Effektivität zu erhalten und danach die Gruppen aufzulösen und keine weiteren Ressourcen bereitzustellen (vgl. Lawler/ Mohrmann (1985), S. 38). Nach der Umsetzung weiterer Rationalisierungsmaßnahmen in dem betrachteten Arbeitsbereich können erneut Qualitätszirkel-Gruppen eingesetzt werden. Aufgabe des Steuerungsteams ist es deshalb, die Effektivität der Qualitätszirkel-Gruppen in den Arbeitsbereichen zu kontrollieren und ihnen gegebenenfalls neue Ziele vorzugeben bzw. sie aufzulösen. (2) Koordinator Der Koordinator gehört der mittleren oder unteren Ebene der Führungshierarchie an. Er hat den Qualitätszirkel zu realisieren . Hierzu zählt die Auswahl von Pilotbereichen für die Einführung des Qualitätszirkels, die Information aller Mitarbeiter der ausgewählten Bereiche über die Ziele und die Struktur des Qualitätszirkels und die Aktivitäten der zu bildenden Qualitätszirkel-Gruppen sowie die Auswahl und die Ausbildung der Moderatoren (vgl. Domsch (1985), S. 435; Antoni (1990), S. 34). Nach der Einführung des Qualitätszirkels stimmt der Koordinator die Aktivitäten der verschiedenen Qualitätszirkel-Gruppen ab und stellt das Bindeglied zwischen den Qualitätszirkel-Gruppen, dem Steuerungsteam, den Fachabteilungen, den Bereichsführungen und der Unternehmungsführung dar (vgl. Domsch/ Ladwig (1996), Sp. 1766). Diese Vermittlungs- und Verbindungsfunktion verlangt die Bereitstellung von Informationen aus den Fachbereichen, indem z. B. interne Berater zur Unterstützung der Arbeit der Qualitätszirkel-Gruppe gewonnen werden, sowie die Terminvereinbarung mit Führungskräften für Gesprächsrunden, in denen der Moderator erarbeitete Lösungsvorschläge präsentiert. Schließlich wird die Arbeit der Qualitätszirkel-Gruppen durch den Koordinator inhaltlich und zeitlich geplant und gesteuert . Auf der Grundlage der terminierten Arbeitspläne der Qualitätszirkel-Gruppen ermittelt der Koordinator den Periodenbedarf an personellen und finanziellen Ressourcen, über deren Bereitstellung das Steuerungsteam entscheidet (vgl. Domsch (1985), S. 435; Deppe (1986), S. 47 f.). (3) Qualitätszirkel-Gruppen Eine Qualitätszirkel-Gruppe sind 5-9 Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen, die sich regelmäßig auf freiwilliger Basis während der Arbeitszeit oder im Rahmen be- <?page no="168"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 151 zahlter Überstunden treffen, um Probleme des eigenen Aufgabenbereichs zu bearbeiten (vgl. Antoni (1990), S. 32). Sie kann als Team oder als Arbeitsgruppe ausgestaltet sein. Ein Team ist eine befristete, aufgabenbezogen zusammengesetzte Mehrpersoneneinheit zur Ausführung einer innovativen Spezialaufgabe. Arbeitsgruppen werden dagegen auf Dauer aus Mitarbeitern gebildet, um bereichsinterne Verbesserungen zu erarbeiten und umzusetzen. Sie verfügen über die Kompetenzen, um im Rahmen vorgegebener Ziele über Maßnahmen der Zielerreichung entscheiden zu können, und wirken aktiv an der Zielbildung mit (vgl. Krüger (1994), S. 54, 56 f.). Aufgaben einer Qualitätszirkel-Gruppe sind die Erkennung von Problemen im eigenen Arbeitsbereich, die Auswahl der zu bearbeitenden Probleme, die Analyse ihrer Ursachen sowie die Erarbeitung und Bewertung von Lösungsvorschlägen. Die Entscheidung über die Lösungsvorschläge kann von der Qualitätszirkel-Gruppe, den Vorgesetzten im jeweiligen Arbeitsbereich oder im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens getroffen werden. Sofern es möglich ist, werden die ausgewählten Problemlösungen von der Qualitätszirkel-Gruppe selbst umgesetzt. Sie kontrolliert auch die Wirkungen der umgesetzten Problemlösungen (vgl. Domsch/ Ladwig (1996), Sp. 1766). Teilnehmer einer Qualitätszirkel-Gruppe sind Mitarbeiter der Ausführungsebene und deren Vorgesetzte. Sie gehören in der Regel einem Arbeitsbereich an. Qualitätszirkel- Gruppen, die Schnittstellenprobleme bearbeiten, können aus Mitarbeitern verschiedener Arbeitsbereiche zusammengesetzt sein (vgl. Antoni (1990), S. 32 f.). Die Arbeit einer Qualitätszirkel-Gruppe wird durch einen Moderator angeleitet. Er wird aus dem Kreis der Führungskräfte der untersten Ebene der Führungshierarchie und der Mitarbeiter der Ausführungsebene ausgewählt, die freiwillig zur Übernahme dieser Aufgabe bereit sind (vgl. Antoni (1990), S. 33). Der Moderator wählt die Teilnehmer der Qualitätszirkel-Gruppe aus den Mitarbeitern der betroffenen Arbeitsbereiche aus, die Interesse an einer aktiven Mitarbeit äußern, und unterweist die Teilnehmer anschließend in der Anwendung der erforderlichen Arbeitstechniken. Er leitet und moderiert die Aktivitäten der Gruppe, dokumentiert die Ergebnisse, präsentiert diese schließlich den verantwortlichen Führungskräften bzw. leitet sie an das betriebliche Vorschlagswesen weiter und informiert die Gruppe über alle Rückmeldungen. Darüber hinaus beschafft der Moderator in Zusammenarbeit mit dem Koordinator die erforderlichen Informationen. Er vertritt zudem die Qualitätszirkel-Gruppe nach außen und ist die Kontaktperson für den Koordinator, die Vorgesetzten und die anderen Qualitätszirkel-Gruppen (vgl. Deppe (1992), S. 58). 4.2.1.3 Ablauforganisation von Qualitätszirkeln Die Arbeit in Qualitätszirkel-Gruppen folgt dem PDCA-Zyklus (vgl. Abschnitt 3.3.3). Qualitätszirkel-Gruppen durchlaufen damit ständig Prozesse der Problemlösung <?page no="169"?> 152 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld (Plan), der Umsetzung erarbeiteter Problemlösungen (Do), der Kontrolle der Wirksamkeit realisierter Änderungen (Check) und des Handelns (Act) (vgl. Deppe (1992), S. 69; Imai (1994), S. 126 f.). Abb. 4.5 zeigt die Aktivitäten von Qualitätszirkel- Gruppen in den einzelnen Phasen dieses Zyklus (in Anlehnung an Domsch (1985), S. 432; Deppe (1992), S. 67 ff.; Pfeifer (2001), S. 38 f.). Problem lösen − Problemfeststellung • Feststellen des Problembereichs • Abgrenzen von Problemen • Bilden einer Problemreihenfolge und Problemauswahl • Abstimmen mit dem Koordinator • Detailanalyse der Probleme • Entscheiden über das weitere Vorgehen − Entwickeln von Lösungsvorschlägen • Generieren von Einzelideen • Verdichten der Einzelideen zu Lösungsvorschlägen − Beurteilen von Lösungsvorschlägen • Bewerten der Lösungsvorschläge • Berichten an den Koordinator • Präsentieren der Lösungsvorschläge Entscheiden über die Lösungsvorschläge Umsetzen − Entwickeln eines detaillierten Arbeits- und Zeitplans für die Umsetzung des gewählten Lösungsvorschlages − Berichten gegenüber Koordinator und Steuerungsteam − Vorbereiten der Umsetzung − Tatsächliche und schrittweise Umsetzung Kontrollieren − Erfassen des Ist-Zustandes − Analysieren des Ist-Zustandes − Feststellen von Zielabweichungen Handeln − Analysieren der Übertragbarkeit der realisierten Lösung auf andere Bereiche − Bericht gegenüber Koordinator und Steuerungsteam − Formulieren von Standards zu der realisierten Lösung Abb. 4.5: PDCA-Zyklus Zweck der Problemfeststellung ist es, den gesamten Arbeitsbereich der Qualitätszirkel-Gruppe im Hinblick auf Verluste (vgl. Abschnitt 5.4.1) zu analysieren. Sind meh- <?page no="170"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 153 rere Problemursachen identifiziert worden, die nicht alle gleichzeitig bearbeitet werden können, werden Schwerpunkte der Arbeit in den Qualitätszirkel-Gruppen bestimmt. Diese umfassen die Probleme, bei deren Lösung der größtmögliche Zielbeitrag zu erwarten ist. Mit der Detailanalyse des ausgewählten Problems sollen die Problemursachen identifiziert werden. Auf der Basis der identifizierten Problemursachen wird über das weitere Vorgehen entschieden, d. h. über den Abbruch des Problemlösungsprozesses, die Zerlegung des Problems in Teilprobleme, die Weiterleitung an eine Fachabteilung oder eine andere Qualitätszirkel-Gruppe (vgl. Domsch (1985), S. 482). Soll das Problem oder ein Teilproblem weiterbearbeitet werden, folgt die Entwicklung von Lösungsvorschlägen , die mit der Suche nach Einzelideen beginnt. Die Ideengenerierung im PDCA-Zyklus ist nicht auf die Suche nach Ideen zur Problemlösung begrenzt. Es sollen darüber hinaus auch alle Schwierigkeiten identifiziert werden, die deren Realisation entgegenstehen, sowie Ideen für Maßnahmen zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten generiert werden (vgl. Kamiske/ Brauer (2006), S. 290). In der Phase der Umsetzung werden alle Aktivitäten, die zur Realisation des gewählten Problemlösungsvorschlags ausgeführt werden müssen, sachlich und zeitlich geplant, durchgesetzt und kontrolliert. Ergibt die Kontrolle, dass ein Problem nicht zufriedenstellend gelöst wurde, werden neue Problemlösungsvorschläge erarbeitet, umgesetzt und kontrolliert. In dieser Phase wird der PDCA-Zyklus damit nochmals in der Form eines Unterzyklus durchlaufen (vgl. Imai (1994), S. 126 f.). Gegenstand des Handelns ist die Standardisierung von Verbesserungen, die sich nach ihrer Umsetzung bewährt haben. Die Standardisierung umfasst vor allem zwei Aufgabenbereiche: − die Sicherung der realisierten Verbesserung sowie − die Übertragung der gewählten Problemlösung auf andere Bereiche. Hat die umgesetzte Problemlösung eine Veränderung der Prozessabläufe zum Inhalt, besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter früher oder später wieder zu den alten Prozessabläufen zurückkehren. Die Sicherung der realisierten Verbesserung umfasst deshalb insbesondere bei Prozessänderungen auch die Erarbeitung von Maßnahmen, mit denen die Beibehaltung der neuen Prozessabläufe gewährleistet werden kann. Von der Qualitätszirkel-Gruppe werden für Problemlösungen, die sich als zweckmäßig erweisen, Problemstellungen im eigenen Arbeitsbereich gesucht, auf die sich die gefundene Lösung übertragen lässt. Werden solche Problemstellungen gefunden, wird ein neuer PDCA-Zyklus ausgelöst. Die Übertragung von Verbesserungsvorschlägen auf Probleme in den Arbeitsbereichen anderer Qualitätszirkel-Gruppen wird durch den Koordinator initiiert. <?page no="171"?> 154 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld 4.2.2 Vorschlagswesen für das personenorientierte Kaizen 4.2.2.1 Abgrenzung zum traditionellen Vorschlagswesen Nach dem personenorientierten Konzept wird die kontinuierliche Verbesserung erreicht, indem jeder Mitarbeiter immer wieder Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit am eigenen Arbeitsplatz entwickelt und realisiert, die einen neuen Standard zur Folge haben (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 48 ff.). Institutionalisiert wird das personenorientierte Kaizen durch ein betriebliches Vorschlagswesen (vgl. Imai (1994), S. 144 ff.). Das betriebliche Vorschlagswesen ist ein System der Unternehmung zur Anregung, Prüfung, Umsetzung und Anerkennung bzw. Honorierung von Verbesserungsvorschlägen, die überwiegend von Mitarbeitern eingebracht werden (vgl. Grochla (1978), S. 5; Ani ć (2001), S. 36). (1) Traditionelles betriebliches Vorschlagswesen Das betriebliche Vorschlagswesen hat in Deutschland eine lange Tradition. Bereits 1888 institutionalisierte Alfred Krupp ein betriebliches Vorschlagswesen. Den Durchbruch erreichte es in der Zeit des Nationalsozialismus. In den 50er und 60er Jahren wurde eine Reihe von Gesetzen erlassen, die das betriebliche Vorschlagswesen in Deutschland nachhaltig geprägt haben (vgl. Grochla (1978), S. 6 ff.). Dieses traditionelle Vorschlagswesen zielt auf die Motivierung der Mitarbeiter zur Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen mit vergleichsweise hohen Zielbeiträgen . Um dieses Ziel zu erreichen, lässt es Mitarbeiter über die Prämien am Nutzen des Vorschlags für die Unternehmung partizipieren (vgl. Hahn (2000), S. 63). Aus diesem Grund stellt das traditionelle betriebliche Vorschlagswesen hohe Anforderungen an die sachliche Zulässigkeit der Verbesserungsvorschläge. Im traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen ist ein Verbesserungsvorschlag nur dann sachlich zulässig , wenn er folgenden Anforderungen genügt (vgl. Grochla (1978), S. 5): − Konstruktivität: Gegenstand des Vorschlags ist die Veränderung eines betrieblichen Zustandes oder Objektes. − Neuheit: Die vorgeschlagene Veränderung ist für den Anwendungszweck oder den Anwendungsbereich neu. − Zielbeitrag: Die vorgeschlagene Veränderung trägt erheblich zur Erreichung der Ziele bei. − Konkretheit: Die Umsetzung der vorgeschlagenen Veränderung ist detailliert beschrieben. − Bereichsbezug: Die vorgeschlagene Veränderung betrifft nicht den Aufgabenbereich des Einreichers. <?page no="172"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 155 − Aufgabenbezug: Die vorgeschlagene Veränderung ist kein unmittelbares Ergebnis der zugewiesenen Tätigkeiten, sondern ist eine darüber hinaus gehende freiwillige Leistung. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 BetrVG bei der Erstellung der Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen ein Mitbestimmungsrecht , d. h., er kann bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber über die Ausgestaltung des betrieblichen Vorschlagswesens unter Einschaltung der Einigungsstelle eine verbindliche Regelung herbeiführen. Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 28.4.1981 steht dem Betriebsrat in dieser Angelegenheit auch ein Initiativrecht zu. Danach kann er die Aufstellung von Grundsätzen für ein betriebliches Vorschlagswesen verlangen, sobald ein Bedarf an einer allgemeinen Regelung besteht (vgl. Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V. (2005), S. 19). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates wird in der Regel über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeübt. Diese soll sich auf folgende Punkte erstrecken: die Ziele der Einführung, den Kreis der Teilnahme- und Prämienberechtigten, die Merkmale eines Verbesserungsvorschlages und die Abgrenzung der schutzfähigen Verbesserungsvorschläge, die Organe und die Organisation des betrieblichen Vorschlagswesens und das Prämiensystem (vgl. Heidack (1992), S. 2304 f.). (2) Betriebliches Vorschlagswesen im Kaizen Mit einem betrieblichen Vorschlagswesen für das personenorientierte Kaizen werden drei Ziele verfolgt (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 54 ff.): − die Motivierung aller Mitarbeiter zur aktiven Beteiligung an der Verbesserung von Ausführungs-, Verwaltungs- und Führungsprozessen, − die Entwicklung des Fähigkeitspotentials aller Mitarbeiter und − die wirtschaftlichen, technischen, sozialen und ökologischen Ziele der Unternehmung. Um diese Ziele zu erreichen, wird das betriebliche Vorschlagswesen in japanischen Unternehmungen in einem dreistufigen Prozess eingeführt, der sich über fünf bis sechs Jahre erstrecken kann (vgl. Imai (1994), S. 147). In der ersten Phase sollen die Mitarbeiter zur aktiven Beteiligung am Vorschlagswesen motiviert werden, weshalb für jeden eingereichten Vorschlag eine Anerkennungsprämie gewährt wird. Als Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung des betrieblichen Vorschlagswesens eignen sich in dieser Phase die Anzahl der eingereichten Verbesserungsvorschläge und die Beteiligungsquoten. Weisen diese Kennzahlen zufriedenstellende Ausprägungen auf, beginnt die zweite Phase , in der das Fähigkeitspotential der Mitarbeiter entwickelt werden soll. Hierzu werden die Mitarbeiter in der Analyse und Lösung von Problemen geschult. Prämien für einen Vorschlag werden in dieser Phase nach der Realisierbarkeit und dem Arbeitsaufwand für die Erarbeitung des Verbesserungsvorschlags bemessen. Gemessen wird die Zielerreichung des Vorschlagswesens in dieser Phase über <?page no="173"?> 156 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld die Umsetzungsquote. In der dritten Phase stehen schließlich die Beiträge der Vorschläge zur Erreichung der verfolgten Unternehmungsziele im Vordergrund. Als Prämie für einen umgesetzten Verbesserungsvorschlag wird eine Beteiligung an der erreichten Zielwirkung gewährt (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 54 ff., 127 ff., 142 ff.). Bei diesen Zielen kann es sich um eine Erleichterung oder Vereinfachung der Arbeit, eine Steigerung der Arbeitssicherheit, eine Erhöhung der Produktqualität, eine Verkürzung von Bearbeitungszeiten oder eine Senkung des Bedarfs an Material oder Energie handeln (vgl. Imai (1997), S. 92). Die Unterschiede in den Zielen führen dazu, dass im Vorschlagswesen für das personenorientierte Kaizen andere Anforderungen an die Verbesserungsvorschläge gestellt werden als im traditionellen Vorschlagswesen. In Abb. 4.6 werden die Anforderungen an Verbesserungsvorschläge im traditionellen Vorschlagswesen und im Vorschlagswesen für die kontinuierliche Verbesserung gegenübergestellt. Merkmal des Vorschlags Traditionelles Vorschlagswesen Vorschlagswesen für das personenorientierte Kaizen Konstruktivität Veränderung eines Objektes oder Zustandes Veränderung eines Objektes oder Zustandes Neuheit Neuheit der Veränderung Kurzfristig realisierbare Veränderungen, die nur geringe Umsetzungskosten erfordern Zielbeitrag Erheblicher Zielbeitrag Hinweis auf ein Problem, eine Problemlösung oder einen Zielbeitrag Konkretheit Konkretheit des Verbesserungsvorschlages Realisation des Verbesserungsvorschlages Bereichsbezug Ideen aus dem Aufgabenbereich des Einreichers werden nicht als Vorschläge anerkannt Der Schwerpunkt liegt auf Vorschlägen aus dem Aufgabenbereich des Einreichers Bezug zur Arbeitsaufgabe Ausarbeitung von Ideen als freiwillige Sonderleistung Ausarbeitung und Umsetzung von Ideen als Bestandteil der Arbeitsaufgabe Abb. 4.6: Anforderungen an Verbesserungsvorschläge An Verbesserungsvorschläge werden im Kaizen geringere Anforderungen hinsichtlich der Neuheit gestellt. Erwünscht sind nicht innovative, sondern kurzfristig realisierbare Verbesserungen mit geringen Umsetzungskosten (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 26 f., 138). Erst in der dritten Phase der Einführung des betrieblichen Vorschlagswesens werden Vorschläge mit einem Zielbeitrag gefordert. In den beiden ersten Phasen des Einführungsprozesses ist der Zielbeitrag der Idee noch keine Voraussetzung für die Anerkennung als Verbesserungsvorschlag. <?page no="174"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 157 Das betriebliche Vorschlagswesen zur Umsetzung des personenorientierten Kaizen ordnet dem Einreicher eine sehr viel höhere Verantwortung für die Realisation des Verbesserungsvorschlages zu. Während das traditionelle Vorschlagswesen lediglich die Konkretheit der eingereichten Idee fordert, verlangt das personenorientierte Kaizen auch ihre Realisation. Entsprechend werden entweder nur bereits realisierte Ideen als Verbesserungsvorschläge angenommen oder Prämien in Abhängigkeit von der Mitwirkung des Einreichers an der Realisation des Verbesserungsvorschlages gewährt (vgl. Japan Human Relation Association (1995), S. 88 f.). Durch die Verantwortung des Einreichers für die Realisation des Vorschlags soll zum einen die Qualität der eingereichten Vorschläge hinsichtlich der Realisierbarkeit verbessert werden. Zum anderen soll damit verhindert werden, dass vom betrieblichen Vorschlagswesen in größerem Umfang nicht realisierbare Vorschläge begutachtet und abgelehnt werden müssen. Dadurch können die Kosten des Vorschlagswesens verringert, die Bearbeitungszeiten von Verbesserungsvorschlägen verkürzt und die negativen Wirkungen abgelehnter Vorschläge auf die Motivation von Einreichern und Gutachtern vermieden werden. Nach den Vorstellungen des traditionellen Vorschlagswesens gehört es zu den Pflichten jedes Arbeitnehmers, seinen eigenen Arbeitsbereich zu verbessern. Ideen zur Verbesserung des eigenen Arbeitsbereiches werden deshalb nicht als Verbesserungsvorschläge anerkannt. Prämiert werden nur Ideen ohne Bereichsbezug (vgl. Ani ć (2001), S. 40 f.). Das Vorschlagswesen des personenorientierten Kaizen geht einen anderen Weg, da die Mitarbeiter in ihrem eigenen Aufgabenbereich über ein großes Maß an Sachkunde verfügen, so dass von ihnen gerade aus diesem Bereich kreative und wertvolle Ideen zu erwarten sind (vgl. Ani ć (2001), S. 40 f.). Verbesserungsvorschläge, die im Fremdbereich des Einreichers liegen, weisen zudem folgende Nachteile auf: (1) Dem Einreicher kann nicht die Verantwortung für die Realisation des Verbesserungsvorschlages übertragen werden. (2) Der Vorschlag kann von den Mitarbeitern in dem betroffenen Bereich als Hinweis auf Versäumnisse verstanden werden und zu Konflikten führen, die leistungshemmend wirken. (3) Diese Vorschläge weisen eine geringere Qualität auf und werden vielfach abgelehnt. Sie sind häufig die Ursache für Engpässe im Beurteilungs- und Bewertungsprozess des Vorschlagswesens. Auf der anderen Seite betrachten Außenstehende ein Problem aus einem anderen Blickwinkel, so dass ihre Verbesserungsvorschläge auf originellen Denkansätzen beruhen können. Verbesserungsvorschläge aus anderen Bereichen sollten deshalb nicht ignoriert werden. Um zu verdeutlichen, dass der Schwerpunkt auf realisierten Verbesserungsvorschlägen aus dem eigenen Aufgabenbereich liegt, werden im Vorschlagswesen des personenorientierten Kaizen Vorschläge aus dem Fremdbereich nur als weitere Meinung betrachtet, für die keine Prämien gewährt werden (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 85 f., 152 ff.). Vom traditionellen Vorschlagswesen werden nur Ideen als Verbesserungsvorschlag anerkannt, die freiwillige Sonderleistungen sind, d. h. außerhalb der Arbeitszeit er- <?page no="175"?> 158 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld arbeitet werden. Das Kaizen verlangt, dass von den Mitarbeitern fortlaufend Verbesserungsvorschläge eingereicht werden. Die Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen ist deshalb ein Bestandteil der Arbeitsaufgabe des Mitarbeiters. 4.2.2.2 Organisation des betrieblichen Vorschlagswesens Das traditionelle betriebliche Vorschlagswesen ist durch einen hohen Zentralisationsgrad der Vorschlagsbearbeitung gekennzeichnet. Die Kritik an diesem Modell des zentralen betrieblichen Vorschlagswesens und die Diskussion um das Kaizen haben zur Entwicklung des Vorgesetztenmodells geführt, das eine dezentrale Vorschlagsbearbeitung vorsieht. (1) Modell des zentralen betrieblichen Vorschlagswesens Das zentrale betriebliche Vorschlagswesen ist durch die Verordnung über die steuerliche Behandlung von Prämien für Verbesserungsvorschläge vom 18.2.1957 geprägt, die jedoch am 1.1.1989 außer Kraft gesetzt worden ist. Das zentrale Vorschlagswesen umfasst drei Organe (vgl. Ani ć (2001), S. 64): − den BVW-Beauftragten, − die Fachgutachter und − die BVW-Kommission. Der BVW-Beauftragte ist haupt- oder nebenamtlich vor allem mit operativen Aufgaben des betrieblichen Vorschlagswesens betraut. Fachgutachter werden von der BVW-Kommission ernannt und sind für alle Verbesserungsvorschläge eines Fachbereichs zuständig. Mit der Begutachtung eines Verbesserungsvorschlages kann jedoch auch jeder andere fachkundige Mitarbeiter des jeweiligen Bereichs beauftragt werden. Die BVW-Kommission setzt sich in der Regel aus Vertretern der Unternehmungsleitung und Arbeitnehmervertretern zusammen. Sie entscheidet auf der Grundlage der Gutachten über die Annahme oder Ablehnung der Vorschläge. Einsprüche des einreichenden Mitarbeiters gegen die Entscheidung über den Verbesserungsvorschlag oder die Prämie werden der BVW-Kommission zur erneuten Behandlung vorgelegt. Es kann jedoch auch eine gesonderte BVW-Einspruchsstelle eingerichtet werden, der aus Gründen der Objektivität keine Mitglieder der BVW-Kommission angehören sollten (vgl. Thom (1996a), S. 99). Abb. 4.7 gibt einen Überblick über die Aufgaben der Organe des betrieblichen Vorschlagswesens (vgl. Heidack (1999), Sp. 2308; Ani ć (2001), S. 65 ff.). Um Risikobarrieren entgegenzuwirken, räumt das zentrale Vorschlagswesen die Möglichkeit einer anonymen Einreichung ein. Der Vorschlag kann an das betriebliche Vorschlagswesen geleitet werden, ohne dass der Vorgesetzte informiert wird. Den Ablauf der Bearbeitung eines Verbesserungsvorschlags bei anonymer Einreichung zeigt Abb. 4.8 (in Anlehnung an Ani ć (2001), S. 73). <?page no="176"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 159 Organ Aufgaben BVW- Beauftragter − Beratung und Unterstützung der Mitarbeiter bei der Vorbereitung und Einreichung eines Verbesserungsvorschlages − Entgegennahme von Verbesserungsvorschlägen − Vorprüfung der eingereichten Vorschläge hinsichtlich Zulässigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität − Zuleitung der Vorschläge zu Prüf-, Bewertungs- und Realisierungsprozessen − Planung, Durchführung und Kontrolle von Kommunikationsmaßnahmen zur Beeinflussung des Vorschlagsverhaltens − Überwachung der Einhaltung der BVW-Betriebsvereinbarung sowie aller rechtlichen Vorschriften BVW- Fachgutachter − Prüfung der Realisierbarkeit des Vorschlags − Suche nach weiteren Anwendungsbereichen für den Vorschlag − Ermittlung und Bewertung der Wirkungen des Vorschlags − Ermittlung der Kosten für die Realisierung des Vorschlags − Ausarbeitung einer stichhaltigen Begründung bei Ablehnung eines Vorschlags BVW- Kommission − Annahme oder Ablehnung des Vorschlags auf der Grundlage der Gutachten − Entscheidung über die Prämienhöhe − Ernennung der Fachgutachter − Suche nach neuen Anwendungsbereichen für den Verbesserungsvorschlag − Behandlung von Einsprüchen Abb. 4.7: Organe und ihre Aufgaben im zentralen Vorschlagswesens Das zentrale Modell des betrieblichen Vorschlagswesens ist mit den beiden folgenden Problemen verbunden: (1) Es fehlt die direkte Kommunikation zwischen den Gutachtern und den Einreichern, was zu Missverständnissen und Fehlentscheidungen führen kann. (2) Der Prozess der Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen ist zu bürokratisch. Dies wirkt sich ungünstig auf die Bearbeitungsdauer der Verbesserungsvorschläge und die Transparenz der Bewertung aus (vgl. Läge (2002), S. 14). Diesen Problemen des zentralen Vorschlagswesens, die Ursache von Willensbarrieren sind, soll durch das Vorgesetztenmodell entgegengewirkt werden. (2) Vorgesetztenmodell des betrieblichen Vorschlagswesens Das Vorgesetztenmodell zeichnet sich durch einen hohen Dezentralisationsgrad aus, der durch die weitreichende Delegation von Kompetenzen zur Prüfung, Realisation und Honorierung von Verbesserungsvorschlägen an den Vorgesetzten des Einreichers entsteht. Dadurch wird die Vorschlagsbearbeitung beschleunigt, die Transparenz des Bewertungsprozesses erhöht und die Zusammenarbeit der Prozessbeteiligten verbessert (vgl. Ani ć (2001), S. 245). <?page no="177"?> 160 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Phasen im Prozess der Bearbeitung eines Verbesserungsvorschlags Aktivitäten − Formulierung und Einreichung eines Vorschlags − Unterstützung der Einreicher bei der Formulierung des Vorschlags − Erfassung und Datierung des Vorschlags − Vorprüfung des Vorschlags auf Zulässigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität − Prüfung des Vorschlags auf Realisierbarkeit − Suche nach weiteren Anwendungsbereichen für den Vorschlag − Bewertung des Zielbeitrags des Vorschlags − Ermittlung der Einführungskosten des Vorschlags − Abgabe eines Prämienvorschlags bzw. Begründung der Ablehnung des Vorschlags − Auswertung der Gutachten − Einholung weiterer Gutachten − Vorbereitung der Kommissionssitzung − Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Vorschlags − Prüfung der Prämienberechtigung − Entscheidung über die Art und die Höhe der Prämie − Prämienanweisung an die entgeltabrechnende Stelle − ggf. Veranlassung der Prämienübergabe − Akzeptiert Kommissionsentscheidung oder erhebt Einspruch Abb. 4.8: Ablauforganisation im zentralen Vorschlagswesen Beim Vorgesetztenmodell werden die Verbesserungsvorschläge schriftlich oder mündlich beim direkten Vorgesetzten eingereicht, der den Einreicher bei der schriftlichen Abfassung des Verbesserungsvorschlags auch unterstützt. Der Vorgesetzte führt die Vorprüfung des Verbesserungsvorschlags hinsichtlich Zulässigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität durch. In diesem ersten Schritt wird auch geprüft, ob der Verbesserungsvorschlag in den Verantwortungsbereich des Vorgesetzten fällt oder mehrere Verantwortungsbereiche berührt. Bereichsübergreifende Verbesserungsvorschläge leitet der Vorgesetzte an den BVW-Beauftragten weiter. Diese Verbesserungsvorschläge werden anschließend wie im zentralen Modell des betrieblichen Vorschlagswesens behandelt. Das Vorgesetztenmodell ergänzt damit das zentrale Modell, es ersetzt es aber nicht. Bereichsinterne Vorschläge werden dagegen vom Vorgesetzten gegebenenfalls unter Mitwirkung des Einreichers begutachtet. Verursacht die Realisation des Verbesserungsvorschlages nur geringe Kosten, wird er vom Verantwortungsbereich des Vorgesetzten unter weitestmöglicher Einbeziehung des Einreichers reali- Einreicher BVW-Beauftragter BVW-Beauftragter BVW-Kommission BVW-Beauftragter Einreicher Gutachter <?page no="178"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 161 siert. Übersteigen die Kosten der Realisation die Möglichkeiten, über die ein Vorgesetzter innerhalb seines Budgets verfügt, wird der Verbesserungsvorschlag an die nächsthöhere Instanz zur Entscheidung über die Realisation gereicht. Nach der Realisation ist es Aufgabe des Vorgesetzten, eine Prämie für den Verbesserungsvorschlag festzulegen. In der Regel wird dem Vorgesetzten eine Prämienhöchstgrenze vorgegeben. Soll ein Verbesserungsvorschlag mit einer höheren Prämie honoriert werden, wird der Verbesserungsvorschlag mit allen Gutachten und einem Prämienvorschlag an den BVW-Beauftragten weitergereicht, der die Unterlagen prüft und der BVW- Kommission zur endgültigen Entscheidung über die Prämie vorlegt (vgl. Ani ć (2001), S. 245 ff., 256 ff.). Abb. 4.9 zeigt eine zusammenfassende Würdigung des Vorgesetztenmodells (vgl. Ani ć (2001), S. 260 ff.; von Bismarck (2000), S. 59). Die Verbesserungsvorschläge im Kaizen sind üblicherweise dem Aufgabenbereich des Einreichers entnommen, weisen einen geringen Innovationsgrad auf und sind kurzfristig zu geringen Kosten umsetzbar. Der Vorgesetzte verfügt deshalb bei den meisten Verbesserungsvorschlägen über die zu ihrer Begutachtung und Bewertung erforderlichen Fachkenntnisse und Entscheidungskompetenzen. Für die Organisation des Vorschlagswesens im Kaizen ist deshalb das Vorgesetztenmodell besonders geeignet. Um seinen Nachteilen entgegenzuwirken, kann die Möglichkeit der anonymen Einreichung eröffnet werden, die aber nur ergänzenden Charakter haben sollte (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 123 ff., 155 f.). Vorteile Nachteile − Höhere Transparenz der Bewertung für die Einreicher − Direkte Kommunikation mit dem Einreicher bei der Begutachtung des Verbesserungsvorschlages − Zügige Begutachtung, Umsetzung und Prämierung, die zu einer höheren Vorschlagsbereitschaft führt − Gefahr der subjektiven oder budgetgeleiteten Bewertung des Verbesserungsvorschlages − Gefahr immaterieller Nachteile durch den Vorgesetzten oder die Kollegen − Erhöhtes Risiko subjektiv beeinflusster Prämien − Zusätzliche Belastung unterer Führungskräfte, die ein geringes Engagement oder eine ablehnende Haltung gegenüber Einreichern zur Folge haben kann Abb. 4.9: Beurteilung des Vorgesetztenmodells 4.2.3 Prämiensysteme für die kontinuierliche Verbesserung 4.2.3.1 Zulässigkeiten von Verbesserungsvorschlägen Damit ein Verbesserungsvorschlag prämiert werden kann, muss er zulässig sein. Die Zulässigkeit von Ideen für das Vorschlagswesen kann nicht nur sachlich (vgl. Abb. 4.6), sondern auch personell und zeitlich begrenzt sein. <?page no="179"?> 162 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld (1) Abgrenzung des Kreises der Teilnahmeberechtigten Personell zulässig ist eine Idee, wenn der Einreicher dem Kreis der Teilnahmeberechtigten angehört. Geklärt werden muss vor allem die Teilnahmeberechtigung von Unternehmungsexternen (z. B. Lieferanten, Kunden, Praktikanten), von Mitarbeitern des Vorschlagswesens und leitenden Angestellten sowie von Gruppen (vgl. Urban (1993), S. 36 f.). Um das kreative Potential auf allen Ebenen auszuschöpfen, werden Unternehmungsexterne und leitende Angestellte in jüngster Zeit zunehmend in den Kreis der Teilnahmeberechtigten einbezogen (vgl. Ani ć (2001), S. 42). Bei Einbeziehung informaler oder formaler Gruppen in den Kreis der Teilnahmeberechtigten können u. a. eine Erhöhung der Beteiligungsquote und besser durchdachte Verbesserungsvorschläge erwartet werden. Zudem trägt die Zusammenarbeit in Gruppen zum Abbau von Wissens-, Willens- und Risikobarrieren bei (vgl. Thom (1995), S. 112 f.). Werden Gruppen als Teilnahmeberechtigte zugelassen, ist zu entscheiden, wie sie auszugestalten sind. Es werden zwei Typen teilnahmeberechtigter Gruppen unterschieden (vgl. Thom (1996), S. 115 ff.): − die Einreichergemeinschaft und − die Vorschlagsgruppe. Ideen zur kontinuierlichen Verbesserung werden nicht nur von Einreichergemeinschaften und Vorschlagsgruppen generiert, sondern auch von den Qualitätszirkel- Gruppen. Abb. 4.10 gibt einen Überblick zu den Unterschieden zwischen diesen Gruppen (vgl. Thom (1995), S. 116). Betriebliches Vorschlagswesen Vergleichskriterium Einreichergemeinschaft Vorschlagsgruppe Qualitätszirkel- Gruppe Organisationsgrad Informal Formal Formal Gruppenbildung Spontaner freiwilliger Zusammenschluss Gezielte Gruppenbildung aufgrund freiwilliger Meldungen Gruppengröße 2-3 Personen 5-10 Personen 5-9 Personen Herkunft der Gruppenmitglieder Offen (gleiche oder unterschiedliche Unternehmungsbereiche) Fachlich komplementäre Zusammensetzung Regelmäßig Mitglieder eines Arbeitsbereichs Lebensdauer der Gruppe Meist auf die Ausarbeitung des Verbesserungsvorschlages begrenzt Teils auf die Ausarbeitung des Verbesserungsvorschlages begrenzt, teils länger Grundsätzlich unbefristet Realisierung der Vorschläge In der Regel nicht durch die Gruppenmitglieder Nach Möglichkeit durch die Gruppenmitglieder Abb. 4.10: Traditionelles Gruppenvorschlagswesen <?page no="180"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 163 (3) Zeitliche Zulässigkeit Die Regeln zur zeitlichen Zulässigkeit geben Ausschlussfristen vor. Das sind Fristen nach der Umsetzung von Innovationen, innerhalb derer Ideen nicht als Verbesserungsvorschläge anerkannt werden. Begründet wird die zeitliche Begrenzung der Zulässigkeit mit der intensiven Betreuung der betroffenen Bereiche durch die zuständigen Fachbereiche, um die Anlaufschwierigkeiten zu beheben, die mit einer umfassenden Veränderung regelmäßig verbunden sind. Gegen Ausschlussfristen spricht jedoch, dass Verbesserungsvorschläge zur Verkürzung der Anlaufphase beitragen können. Eine frühzeitige Einreichung von Verbesserungsvorschlägen sollte deshalb nicht behindert, sondern gefördert werden (vgl. Urban (1993), S. 70). 4.2.3.2 Struktur des Prämiensystems Die Prämiensysteme legen die Prämien fest, die für die Einreichung bzw. Bearbeitung eines Verbesserungsvorschlages gewährt werden, um die Begünstigten zu der gewünschten Leistung zu motivieren. Bei der Gestaltung von Prämiensystemen ist über folgende Größen zu entscheiden: − die Ziele, − die Bemessungsgrundlage, − die Belohnungsregel, − die Prämie und − die Ausschüttungsregel. Die Ziele des Prämiensystems legen die Leistung der Mitarbeiter fest, zu der motiviert werden soll. Die erwünschte Leistung besteht in der ersten Phase der Einführung des betrieblichen Vorschlagswesens im Erkennen und Melden von Problemen. In der zweiten Phase umfasst sie darüber hinaus die Suche nach Problemlösungen und die Entwicklung von Maßnahmen. Schließlich wird in der dritten Phase gefordert, dass die Maßnahmen nicht nur entwickelt, sondern auch realisiert werden (vgl. Abschnitt 4.2.2.1). Nach diesen Zielen wird zwischen der Anerkennungsprämie für die Einreichung eines Verbesserungsvorschlages (Problemerkennung), der Belohnung für einen realisierten Verbesserungsvorschlag (Problemlösung) und der Kompensation (Umsetzung der Lösung) unterschieden (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 127 ff.). Die Bemessungsgrundlage ist der Indikator zur Messung der Leistung, die mit dem Verbesserungsvorschlag erbracht wird und honoriert werden soll. Anerkennungsprämien werden stets in einer vorgegebenen Höhe gewährt, so dass sich die Messung der erbrachten Leistung erübrigt. Nur für Belohnungen und Kompensationen muss <?page no="181"?> 164 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld eine Bemessungsgrundlage ausgewählt werden. Mit Belohnungen wird der Arbeitsaufwand für die Erarbeitung und Umsetzung eines Verbesserungsvorschlages und mit Kompensationen der Zielbeitrag der umgesetzten Verbesserung honoriert. Bei der Festlegung der Bemessungsgrundlage für eine Kompensation wird unterschieden, ob der Verbesserungsvorschlag − quantifizierbare oder − nicht quantifizierbare Wirkungen hat. Ist der Zielbeitrag quantifizierbar (z. B. Verringerung von Ausschuss, Materialeinsparung) wird der Nettovorschlagsbeitrag (z. B. die Nettokosteneinsparung) im ersten Anwendungsjahr als Bemessungsgrundlage herangezogen, d. h. der Zielbeitrag im ersten Anwendungsjahr abzüglich der Kosten der Realisation des Verbesserungsvorschlages (vgl. Ani ć (2001), S. 74 ff.). Ist der Zielbeitrag des Verbesserungsvorschlages nicht quantifizierbar , wird er mit Hilfe eines ordinalen Bewertungssystems ermittelt. Diese Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass jeder Verbesserungsvorschlag hinsichtlich mehrerer Beurteilungskriterien bewertet wird. Zu diesen zählen der Zielbeitrag für die Unternehmung, der Arbeitsaufwand für den Einreicher, die Originalität und die Werbewirksamkeit für potentielle Einreicher (vgl. Grochla/ Thom (1980), S. 772). Für jedes der berücksichtigten Kriterien wird dem zu bewertenden Verbesserungsvorschlag eine Punktzahl aus einem vorgegebenen Intervall zugeordnet, die umso höher ist, je vorteilhafter der Vorschlag hinsichtlich des jeweiligen Kriteriums beurteilt wird. Um die Gesamtpunktzahl eines Vorschlags zu ermitteln, werden die zugeordneten Punktzahlen mit dem Gewicht des jeweiligen Kriteriums multipliziert und anschließend addiert. Die Gewichtungsfaktoren spiegeln die relative Bedeutung der Beurteilungskriterien wider. Abb. 4.11 zeigt ein Beispiel für den Aufbau eines solchen Bewertungssystems (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 142 f.). Mit der Belohnungsregel wird aus dem Wert des Indikators, der als Bemessungsgrundlage verwendet wird, die Höhe der Prämie ermittelt. Für Verbesserungsvorschläge mit quantifizierbaren Zielwirkungen sieht die Belohnungsregel als Prämie meist einen prozentualen Anteil am Nettovorschlagsbeitrag im ersten Anwendungsjahr vor. Dieser Prämiensatz kann unabhängig von der Höhe des Nettovorschlagsbeitrages sein oder mit steigendem Nettovorschlagsbeitrag sinken, was einen linearen bzw. degressiven Prämienverlauf in Abhängigkeit vom Nettovorschlagswert bedeutet (vgl. Ani ć (2001), S. 75 f.). Im Fall nicht quantifizierbarer Zielwirkungen gibt die Belohnungsregel einen Geldbetrag pro Punktwert vor. Die Belohnungsregel kann darüber hinaus − personenbezogene oder − vorschlagsbezogene Korrekturfaktoren <?page no="182"?> Institutionalisierung der kontinuierlichen Verbesserung • 165 vorsehen, mit denen die aus dem Zielbeitrag berechnete Prämie nach oben oder unten angepasst wird. Über die personenbezogenen Korrekturfaktoren wird berücksichtigt, dass Mitarbeiter aufgrund ihrer organisatorischen Eingliederung selbst bei gleicher Leistungsbereitschaft und -fähigkeit unterschiedlich gute Chancen haben, Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Wird der Nettovorschlagsbeitrag als Bemessungsgrundlage verwendet, werden zusätzlich vorschlagsbezogene Korrekturfaktoren in die Bemessung der Prämie einbezogen, wie z. B. Ausarbeitungsgrad und Originalität des Verbesserungsvorschlags (vgl. Thom (1991), S. 601). Schließlich können mit der Belohnungsregel auch Mindest- und Höchstprämien vorgegeben werden. Die Anerkennungsprämie entspricht häufig der Höhe der Mindestprämie (vgl. Ani ć (2001), S. 81). Beurteilung Beurteilungskriterium Gewichtungsfaktor Gering 5 - 15 Punkte Mittel 16 - 30 Punkte Hoch 31 - 50 Punkte Sehr hoch 51 - 100 Punkte Umfang der Verbesserung • Kundennutzen 1,0 42 42 • Einsparungen 2,0 22 44 • Arbeitssicherheit 1,0 12 12 • Arbeitserleichterung 1,0 0 0 Ausarbeitungsgrad 1,5 80 120 Originalität 1,5 20 30 Anwendungshäufigkeit 2,0 25 50 12 124 42 120 Gesamtpunktzahl 298 Abb. 4.11: Bewertungsschema für Vorschläge mit einem nicht quantifizierbaren Zielbeitrag Die Prämien können materieller oder immaterieller Art sein. Materielle Prämien sind Geldzuwendungen und Sachprämien (z. B. Bücher, Eintrittskarten zu Sportveranstaltungen, Werbegeschenke der Unternehmung). Kann einer gewährten Prämie kein monetärer Wert zugeordnet werden, ist sie immaterieller Natur. Eine immaterielle Prämie kann in einer Belobigung oder auch einer öffentlichen Würdigung bestehen, z. B. durch einen Bericht in der Mitarbeiterzeitschrift, eine öffentliche Übergabe von Urkunden, Plaketten oder Medaillen durch einen hochrangigen Vertreter der Unternehmungsführung (vgl. Ani ć (2001), S. 82). Die Ausschüttungsregel gibt den Zeitpunkt an, zu dem die Prämie ausbezahlt wird. Ausbezahlt werden kann die Prämie nach der Annahme des Verbesserungsvorschla- <?page no="183"?> 166 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld ges. Möglich ist es auch, nach der Annahme des Verbesserungsvorschlages nur die Hälfte einer vorläufig bemessenen Prämie auszubezahlen. Am Ende des ersten Anwendungsjahres wird der Restbetrag auf der Basis des tatsächlichen Nettovorschlagsbeitrages ermittelt und ausbezahlt. Die Ausschüttungsregel kann für Vorschläge, deren Anwendungsbereich nach der Realisierung und Prämierung ausgedehnt wird, eine Nachbewertung und Nachprämierung vorsehen (vgl. Ani ć (2001), S. 76). Die Prämien des betrieblichen Vorschlagswesens fallen im Kaizen deutlich geringer aus als im traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen (vgl. Abb. 4.12). Dafür werden die folgenden Gründe genannt: (1) Der Umfang der Veränderung, der im Kaizen von Verbesserungsvorschlägen gefordert wird, ist geringer als im traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen. (2) Um einen anhaltenden Strom von Verbesserungsvorschlägen zu erreichen, kommt der Motivierung der Mitarbeiter zur Mitwirkung eine sehr viel größere Bedeutung zu als im traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen. (3) Die intrinsischen Belohnungen weisen im betrieblichen Vorschlagswesen für die kontinuierliche Verbesserung ein deutlich höheres Gewicht auf. Bewertungsklasse Anforderung Mäßig Gut Sehr gut Problemidentifikation (Anerkennung) Ablehnung Anerkennungsprämie 1,20 € Lösungsidee (Belohnung) Anerkennungsprämie 1,20 € 3,00 € Implementierung/ Auswirkung (Kompensation) 1,20 € 3,00 € 6,00 € oder mehr Abb. 4.12: Vereinfachtes Beurteilungssystem für das Vorschlagswesen bei der kontinuierlichen Verbesserung In japanischen Unternehmungen liegen die Prämien in der Regel zwischen 1,20 und 6,00 €. Nur in seltenen Ausnahmefällen können sie auch eine Höhe von 1.500 € annehmen (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 45, 145). Die geringen Prämien legen es nahe, die Beurteilungssysteme weniger aufwendig zu gestalten. Abb. 4.12 ist ein Beispiel für eine Blitzbewertungstabelle, die für die konkrete Anwendung noch um Erläuterungen für die Einordnung der Verbesserungsvorschläge ergänzt wird (vgl. Japan Human Relations Association (1995), S. 145). <?page no="184"?> Kaizen Costing • 167 4.3 Kaizen Costing zur Planung und Kontrolle von Vorgaben 4.3.1 Abgrenzung der Kaizen Cost Cooper/ Slagmulder verstehen unter Kaizen Costing die Verringerung der Kosten von Produkten in der Marktphase des Produktlebenszyklus (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005b), S. 271). Nach diesem Verständnis hat das Kaizen Costing die Senkung der Kosten existierender Produkte zum Ziel, während das Kaizen darüber hinaus auch die Steigerung der Produktqualität und der Lieferzuverlässigkeit dieser Produkte anstrebt (vgl. Cooper (1998), S. 279). Nach der Auffassung in der japanischen Literatur handelt es sich beim Kaizen Costing um ein System zur Planung und Kontrolle kostenbezogener Vorgaben für die kontinuierliche Verbesserung (vgl. Monden/ Lee (2000), S. 230). Zweck des Kaizen Costing ist es, für die Verantwortungsbereiche Kostenvorgaben zu planen und zu kontrollieren, um die Vorgesetzten und Mitarbeiter zur aktiven Mitwirkung an Verbesserungsaktivitäten anzuhalten und damit die angestrebten Periodenerfolge zu sichern (vgl. Monden (1999), S. 333 f.). Kaizen Cost geben den Kostensenkungsbetrag an, den ein Verantwortungsbereich innerhalb des Planungszeitraumes durch kontinuierliche Verbesserungen erbringen muss, wenn ein übergeordnetes Erfolgsziel erreicht werden soll. Die Vorgabe von Kaizen Cost ist Bestandteil einer Push-Strategie zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens, indem sie die Träger des Kaizen über die Art und das Ausmaß der in einer Periode umzusetzenden Verbesserungen informieren. Um diesem Zweck dienen zu können, werden den Trägern der kontinuierlichen Verbesserung nicht nur Kosten vorgegeben, sondern auch nicht monetäre Kennzahlen, die im Einklang mit dem Erfolgsziel stehen und konkrete Wege zum Finden von Verbesserungen aufzeigen. Beispiele für solche Kennzahlen sind die Bearbeitungszeit, die Rüstzeit, die Maschinenstillstandszeit, die Zahl der Fehler und der Bestand an Zwischenprodukten (vgl. Horváth/ Lamla (1995), S. 80 ff.). Das Kaizen Costing ist ein Teilsystem des Planungs- und Kontrollsystems der Unternehmung, in dem die kostenzielorientierten Vorgaben zur kontinuierlichen Verbesserung für die Verantwortungsbereiche geplant, durchgesetzt und kontrolliert werden. Auch in der traditionellen Plankostenrechnung werden Kostenvorgaben für Verantwortungsbereiche geplant und kontrolliert. Zu diesen Systemen zählen vor allem die Standard- und die Grenzplankostenrechnung (vgl. z. B. Friedl (2004a), S. 236 ff., 318 ff.). Anders als das Kaizen Costing bezwecken diese Systeme der Plankostenrechnung nicht die Erreichung eines Erfolgszieles durch die Senkung der Kosten, sondern die Sicherung der Wirtschaftlichkeit in den Kostenstellen. Während mit der Plankostenrechnung das Ziel verfolgt wird, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung bei gegebenen Produktionsbedingungen zu sichern, wird mit dem Kaizen Costing die <?page no="185"?> 168 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Verbesserung der Produktionsbedingungen zur erfolgszielorientierten Erhöhung der Wirtschaftlichkeit angestrebt. Abb. 4.13 gibt einen Überblick über die daraus resultierenden Unterschiede zwischen dem Kaizen Costing und der traditionellen Plankostenrechnung (in Anlehnung an Monden/ Lee (2000), S. 241). System Abgrenzungsmerkmal Traditionelle Plankostenrechnung Kaizen Costing Sachziel Planung und Kontrolle von Kostenvorgaben Planung und Kontrolle von Kosten senkungs vorgaben Rechnungsziel Formalziel Sicherung der Wirtschaftlichkeit Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zur Realisation eines kurzfristigen Erfolgszieles Prämissen der Kostenplanung Unveränderliche Produktionsbedingungen (gegebene Produkte, Programme und Prozesse) Kontinuierliche Verbesserung der Produktionsbedingungen Verantwortungsbereiche Kostenstellen Verantwortungsbereiche auf allen Ebenen der Unternehmungshierarchie Planungs- und Kontrollrhythmus Jährliche oder halbjährliche Kostenplanung und -kontrolle Monatliche Kostenplanung und -kontrolle Verfahren der Kostenplanung Analytische Kostenplanung Erfolgsorientierte Kostenplanung, d. h., die Kostensenkungsbeträge werden aus einem Erfolgsziel abgeleitet Form der Kostenkontrolle Gegenüberstellen von Ist- und Soll-Kosten Gegenüberstellen von realisierten und geplanten Kostensenkungs beträgen Zweck der Abweichungsanalyse Feststellen von Unwirtschaftlichkeiten Ermitteln der Ursachen für festgestellte Abweichungen von dem vorgegebenen Kostensenkungsbetrag Abb. 4.13: Vergleich zwischen der traditionellen Plankostenrechnung und dem Kaizen Costing 4.3.2 Planung der Kaizen Cost Die Planung der Kaizen Cost vollzieht sich in zwei Grundschritten , die beide weitere Teilschritte umfassen (in Anlehnung an Wolbold (1995), S. 145 ff.): − Grundschritt 1: Ermitteln des Kostensenkungsbetrages der Unternehmung • Festlegen des Zielgewinns der Planungsperiode • Prognose des Gewinns der Planungsperiode <?page no="186"?> Kaizen Costing • 169 − Grundschritt 2: Ermitteln der Kaizen Cost der Verantwortungsbereiche auf allen Ebenen der Unternehmungshierarchie • Verrechnen des Kostensenkungsbetrags der Unternehmung auf die Verantwortungsbereiche • Verhandlungen zur Festlegung der Kaizen Cost für diese Verantwortungsbereiche in Kaizen Cost Meetings (1) Ermitteln des Kostensenkungsbetrages der Unternehmung Im Kaizen Costing gibt es zwei Wege zur Herleitung des Zielgewinns . (1) Sind drei Monate nach Produktionsanlauf eines Produktes die Target Cost (vgl. Abschnitt 6.2.3) noch nicht erreicht, wird der Plangewinn aus dem Target Costing als Zielgewinn zugrunde gelegt. (2) Sind die Target Cost bereits erreicht, wird der Zielgewinn der Planungsperiode aus dem kurzfristigen Erfolgsziel der Unternehmung hergleitet (vgl. Monden/ Hamada (1991), S. 25 f.). Der prognostizierte Periodengewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen dem prognostizierten Periodenerlös und den prognostizierten Periodenkosten. Zur Prognose der Periodenkosten werden die Materialeinzelkosten der Periode und die variablen und fixen Periodengemeinkosten sowie die erwartete Kostensenkung getrennt betrachtet. Abb. 4.14 zeigt die Struktur der Prognose des Periodengewinns. Prognostizierter Periodenerlös − Prognostizierte Materialeinzelkosten der Periode − Prognostizierte variable Periodengemeinkosten − Prognostizierte fixe Periodenkosten + Prognostizierte Kostensenkung = Prognostizierter Periodengewinn Abb. 4.14: Schema zur Prognose des Periodengewinns Für die Prognose der Periodenerlöse und der verschiedenen Bestandteile der Periodenkosten sind in jedem Unternehmungsbereich zunächst die folgenden Periodenpläne zu erstellen (vgl. Monden/ Lee (1993), S. 22 f.): − das Produktions- und Absatzprogramm, − das Beschaffungsprogramm, − der Personalplan, − der Investitionsplan (einschließlich der Planung der Abschreibungen), − das Fixkostenbudget, das aus dem FuE-Budget, dem Vertriebs- und Verwaltungsbudget gebildet wird, sowie − der Rationalisierungsplan. Grundlage für die Prognose der Periodenerlöse ist das dezentral in den Unternehmungsbereichen geplante Absatzprogramm. Für die Prognose der Materialeinzelkos- <?page no="187"?> 170 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld ten der Periode werden das Beschaffungs- und Produktionsprogramm ausgewertet. Die prognostizierten variablen Gemeinkosten der Periode können der Plankostenrechnung entnommen werden. Konstitutives Merkmal des Kaizen Costing ist die Prognose der für die Planungsperiode erwarteten Kostensenkungen . Die Prognose der Kostensenkungen setzt voraus, dass in den Unternehmungsbereichen Rationalisierungspläne erstellt werden. Gegenstand eines Rationalisierungsplanes sind alle Kaizen-Projekte und Einzelmaßnahmen zur Kostensenkung, die in der Planungsperiode umgesetzt werden sollen. Für die Prognose der Kostensenkungen werden die Auswirkungen der geplanten Aktivitäten auf die Kosten prognostiziert. Neben diesen geplanten Verbesserungen der Produktionsbedingungen gibt es auch eine Vielzahl ungeplanter Verbesserungen, die aus dem betrieblichen Vorschlagswesens und der Arbeit in den Qualitätszirkel-Gruppen resultieren. Die Kostenwirkungen dieser ungeplanten Verbesserungen der Planungsperiode werden nach der Auswertung von Vergangenheitswerten geschätzt (vgl. Wolbold (1995), S. 81, 145). Der Kostensenkungsbetrag der Unternehmung für die Planungsperiode ergibt sich schließlich aus der Differenz zwischen dem Zielgewinn der Planungsperiode und dem prognostizierten Periodengewinn (vgl. Monden/ Hamada (1991), S. 28): ∆ K = ZG - PG, wobei ∆ K = Kostensenkungsbetrag der Unternehmung, ZG = Zielgewinn der Unternehmung für die Planungsperiode, PG = prognostizierter Periodengewinn der Unternehmung. (2) Spalten des Kostensenkungsbetrags der Unternehmung In diesem Grundschritt wird der Kostensenkungsbetrag der Unternehmung in einem komplexen, langen und auf Konsens bedachten Prozess in die Kaizen Cost der Verantwortungsbereiche auf allen Hierarchieebenen der Unternehmung gespalten (vgl. Horváth/ Lamla (1995), S. 77 f.). Beispiele für Verantwortungsbereiche sind Werke, Bereiche, Abteilungen und Kostenstellen. Durch diese Spaltung des Kostensenkungsbetrags der Unternehmung entsteht ein System kostenbezogener Vorgaben . Abb. 4.15 zeigt die Struktur eines solchen Systems. Die Vorgaben der Verantwortungsbereiche haben Kosten zum Inhalt. Den Trägern der Ausführungsaufgaben in den Kostenstellen, die in Qualitätszirkel-Gruppen mitarbeiten oder Verbesserungsvorschläge einreichen, werden keine Kaizen Cost vorgegeben, sondern einige wenige wichtige nicht monetäre Kennzahlen, die verständlich sind, zeitnah ermittelt werden können und Einfluss auf die Kosten haben (vgl. Horváth/ Lamla (1995), S. 81 ff.). Die Leiter untergeordneter Verantwortungsbereiche haben begrenzte Entscheidungskompetenzen und können deshalb auch nur Teile der Kosten beeinflussen . So können die Kostenstellenleiter zwar Teile der variablen Kosten der Kostenstellen beeinflus- <?page no="188"?> Kaizen Costing • 171 sen, die fixen Kosten sind für sie jedoch nicht beeinflussbar, da ihnen Kompetenzen für Entscheidungen über den Aufbzw. den Abbau von Kapazitäten fehlen. Aus diesem Grund ist die Summe der Kaizen Cost der Kostenstellen geringer als die Kaizen Cost der Abteilung, der sie unmittelbar unterstellt sind. Die in Abb. 4.15 beispielhaft genannten Kaizen Cost sind damit wie folgt zu interpretieren: Abteilung 2 hat einen Kostensenkungsbetrag in Höhe von 100 zu erbringen. Über Verbesserungen auf der Ebene der Kostenstellen sind die Kosten um 10 + 15 + 12 = 37 zu senken. Die Verbesserungsaktivitäten auf der Kostenstellenebene wirken sich auch auf den Kapazitätsbedarf aus und führen zu Leerkapazitäten. Gestaltet werden können die fixen Kosten erst dann, wenn die Leerkapazitäten den Umfang der Kapazität eines abbaubaren Potentialgutes (z. B. eine Maschine, ein Mitarbeiter) erreichen. Die Entscheidungen über den Abbau oder die innerbetriebliche Verlagerung von Kapazitäten und die gegebenenfalls erforderliche organisatorische Umgestaltung wird nicht auf der Kostenstellenebene, sondern auf übergeordneten Ebenen getroffen (vgl. Horváth/ Lamla (1996), S. 339 f.). Durch diese Entscheidungen sind auf der Ebene der Abteilung Kostensenkungen in Höhe von 100 € - 37 € = 63 € zu realisieren. Abb. 4.15: System kostenzielorientierter Vorgaben im Kaizen Costing Als Grundlage für die Verhandlungen in den Kaizen Cost Meetings wird der Kostensenkungsbetrag der Unternehmung zunächst proportional zu den beeinflussbaren Kosten auf die Verantwortungsbereiche der Ebene unterhalb der obersten Führungsebene verrechnet ; in Abb. 4.15 sind das die verschiedenen Werke: Kostensenkungsbeitrag der Unternehmung Kaizen Cost Werk 1 Kaizen Cost Werk 2 Kaizen Cost Werk M Kaizen Cost Abteilung 1 Kaizen Cost Abteilung 2 Kaizen Cost Abteilung N Kaizen Cost Kostenstelle 1 Kaizen Cost Kostenstelle 2 Kaizen Cost Kostenstelle S Nicht monetäre Kennzahl 1 Nicht monetäre Kennzahl 2 Nicht monetäre Kennzahl T ... ... ... ... KC = 100 KC=15 KC=10 KC=12 <?page no="189"?> 172 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld bj j J j j 1 K K K K = ∆ = ∆ ⋅ ∑ , wobei j K ∆ = dem Werk j (j = 1, ..., J) zugerechneter Teil des Kostensenkungsbetrages der Unternehmung, j K = Kosten des Werkes j, b j K = beeinflussbare Kosten des Werkes j. Der einem Werk zugerechnete Kostensenkungsbetrag wird wiederum proportional zu den beeinflussbaren Kosten auf die ihm untergeordneten Abteilungen verrechnet. Dieser Verrechnungsprozess wird fortgesetzt, bis die Ebene der Kostenstellen erreicht ist. Der Verrechnung des Kostensenkungsbetrages liegt der Gedanke zugrunde, dass Verantwortungsbereiche mit höheren beeinflussbaren Kosten einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Kostensenkung haben und deshalb auch einen höheren Beitrag zur angestrebten Kostensenkung leisten können. Der einer Kostenstelle zugerechnete Kostensenkungsbetrag kann die erwarteten Kostenwirkungen der im Rationalisierungsplan festgeschriebenen Aktivitäten zur kontinuierlichen Verbesserung übersteigen. Eine solche Abweichung verlangt, dass für die Kostenstelle weitere Kaizen-Projekte angestoßen, zusätzliche Einzelmaßnahmen zur Kostensenkung erarbeitet und umgesetzt werden oder Maßnahmen zur Beeinflussung des Verbesserungsverhaltens oder zur Intensivierung der Arbeit in den Qualitätszirkel- Gruppen (z. B. Schulungen) ergriffen werden (vgl. Wolbold (1995), S. 81, 144). Auf der Grundlage der geplanten zusätzlichen Verbesserungsaktivitäten werden die Kaizen Cost der Kostenstelle zwischen den Kostenstellenleitern und dem Abteilungsleiter in den Kaizen Cost Meetings ausgehandelt . Auf der Ebene der Abteilungen werden wiederum Rationalisierungspläne angepasst und anschließend die Kaizen Cost mit den Werkleitern ausgehandelt. Dieses Vorgehen setzt sich fort, bis die oberste Ebene der Unternehmungshierarchie erreicht ist. Liegen die Kaizen Cost fest, werden auf der Ebene der Abteilungen Wege zur Kostensenkung identifiziert und in geeignete nicht monetäre Kennzahlen transformiert, die im Einklang mit den Kaizen Cost stehen (vgl. Horváth/ Lamla (1995), S. 80 ff.). Diese Kennzahlen werden anschließend den Kostenstellen, Qualitätszirkel-Gruppen und Mitarbeitern vorgegeben. 4.3.3 Kontrolle der Kaizen Cost Mit der Kontrolle der kostenbezogenen Vorgaben werden im Kaizen Costing die beiden folgenden Zwecke verfolgt: <?page no="190"?> Kaizen Costing • 173 − die Motivierung der Mitarbeiter zu kontinuierlichen Verbesserungsaktivitäten auf allen Ebenen der Unternehmungshierarchie sowie − die Gewinnung von Informationen zur Anpassung der Verbesserungsaktivitäten in der Unternehmung. Die Motivierung zu kontinuierlichen Verbesserungsaktivitäten verlangt nach Planfortschrittskontrollen, d. h., die Erreichung der kostenbezogenen Vorgaben wird während der Planungsperiode laufend verfolgt. Für die unterjährige Kontrolle werden der Planungszeitraum in mehrere Teilabschnitte gegliedert und die kostenbezogene Vorgabe in Teilvorgaben für diese Teilabschnitte transformiert. Dabei wird unterstellt, dass sich die Kontrollgröße linear entwickelt (vgl. Monden (1999), S. 361). Wird beispielsweise angestrebt, die Rüstzeit pro Rüstvorgang an einem Arbeitsplatz innerhalb von sechs Monaten um 24 Minuten zu verringern, wird für die unterjährige Kontrolle eine wöchentliche Senkung der Rüstzeit um eine Minute vorgegeben. Um Informationen für die Anpassung der Verbesserungsaktivitäten gewinnen zu können, werden die Vorgaben für die Verantwortungsbereiche auf den verschiedenen Ebenen der Unternehmungshierarchie getrennt kontrolliert. Die Kontrollen auf den einzelnen Ebenen der Unternehmungshierarchie unterscheiden sich zum einen in den Kontrollgrößen. Da diese Kontrollgrößen nur in unterschiedlich langen Zeiträumen veränderbar sind, wird zum anderen für jede dieser Kontrollen ein anderer Kontrollrhythmus gewählt (vgl. Horváth/ Lamla (1996), S. 338 f.). Es sind vor allem die drei folgenden Kontrollen, die im Kaizen Costing ausgeführt werden: − die Kontrolle der nicht monetären Kennzahlen auf der Ebene der Träger von Ausführungsaufgaben, − die Kontrolle der variablen Kosten auf der Kostenstellenebene sowie − die Kontrolle der fixen Kosten auf übergeordneten Ebenen der Unternehmungshierarchie. Auf der Ebene der Träger von Ausführungsaufgaben werden die nicht monetären Kennzahlen, die den Qualitätszirkel-Gruppen und den Mitarbeitern vorgegeben werden, täglich oder wöchentlich kontrolliert (vgl. Wolbold (1995), S. 146). Ist-Werte dieser Kennzahlen können unmittelbar am Arbeitsplatz erfasst werden. Die Kontrolle der nicht monetären Kennzahlen wird deshalb als Eigenkontrolle durchgeführt, d. h., die Kennzahlen werden von den Trägern der Ausführung selbst kontrolliert. Das Visual Management (vgl. Abschnitt 5.4.2) verlangt, dass festgestellte Abweichungen in einem Diagramm eingetragen werden, das gut sichtbar in der Nähe des Arbeitsplatzes anzubringen ist (vgl. Wolbold (1995), S. 145). Bleiben die Ist-Werte einer Kennzahl hinter den Teilvorgaben zurück, unterstützt der Vorgesetzte den Mitarbeiter bei der Suche und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen. Die variablen Kosten werden monatlich auf der Ebene der Kostenstellen kontrolliert. Hierzu werden die Kaizen Cost zunächst an Änderungen der Produktionsmenge und <?page no="191"?> 174 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld der Zusammensetzung des Produktionsprogramms sowie an Modifikationen der Produkte angepasst, die durch Kunden veranlasst oder auf Wertverbesserungen durch das produktspezifische Kaizen zurückgehen. Die Kaizen Cost, die den Ist-Kosten gegenübergestellt werden, tragen damit den Charakter von Soll-Kosten (vgl. Monden (1999), S. 357 ff.). Treten Ist-Soll-Abweichungen auf, sind ihre Ursachen zu analysieren. Informationen über die Ursachen der Abweichungen können durch die Kontrolle der im Rationalisierungsplan der Planperiode festgeschriebenen Kaizen Projekte und Einzelmaßnahmen gewonnen werden. Zu überprüfen ist, bei welchen Projekten und Einzelmaßnahmen es zu Abweichungen gekommen ist, ob die Abweichungen auf zeitliche Verzögerungen beim Projektfortschritt zurückgehen oder die Kostenwirkungen hinter den Erwartungen zurückbleiben (vgl. Wolbold (1995), S. 145). Kann die Ist- Soll-Abweichung nicht durch Abweichungen bei den Projekten erklärt werden, sind Maßnahmen zu ergreifen, von denen leistungssteigernde Impulse auf die Qualitätszirkel-Gruppen, die Mitarbeiter und u. U. auch auf das betriebliche Vorschlagswesen ausgehen. Voraussetzungen für Veränderungen bei den fixen Kosten sind Leerkapazitäten bei Potentialgütern, die im Rahmen einer organisatorischen Umgestaltung abgebaut werden können. Verbesserungsaktivitäten wirken sich dadurch nur mittelbar und mit erheblichem Zeitverzug auf die fixen Kosten des jeweiligen Verantwortungsbereichs aus. Entsprechend werden die fixen Kosten mit einem bestimmten Zeitverzug (z. B. viertel- oder halbjährlich) auf übergeordneten Ebenen der Unternehmungshierarchie kontrolliert. Die Länge des Zeitverzugs wird durch die zeitliche Abbaubarkeit der Potentialgüter (z. B. Kündigungsfristen) bestimmt. Abweichungen zwischen den realisierten und den vorgegebenen Fixkosten sollten regelmäßig Anlass für die Suche nach Leerkapazitäten sein (in Anlehnung an Horváth/ Lamla (1995), S. 80). 4.4 Instrumente der kontinuierlichen Verbesserung 4.4.1 Überblick über die Instrumente Zur Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen sind entsprechend dem PDCA-Zyklus Probleme in der Form von Ineffizienzen abzugrenzen, ihre Ursachen zu identifizieren, Problemlösungsideen zu generieren, für Erfolg versprechende Problemlösungsideen detaillierte Problemlösungsvorschläge auszuarbeiten und umzusetzen. In der japanischen Management-Literatur sind verschiedene Planungs- und Kontrollinstrumente zur Qualitäts- und Effizienzsteigerung vorgeschlagen worden, die für die Problemlösungsprozesse im gruppen- und personenorientierten Kaizen geeignet sind (vgl. Gogoll (1994), S. 370). Diese Instrumente werden unter der Bezeichnung „Sieben QC- Werkzeuge“ zusammengefasst. Abb. 4.16 gibt einen Überblick über die QC- Werkzeuge (vgl. Mizuno (1988), S. 15, 20; Asaka/ Ozeki (1990), S. 121 ff.). <?page no="192"?> Kaizen Costing • 175 Sieben statistische QC-Werkzeuge Sieben neue QC-Werkzeuge − Ursache-Wirkungs-Diagramm (Ishikawa-Diagramm) − Paretodiagramm − Strichliste − Histogramm − Streuungsdiagramm − Regelkarte − Graphen (Balken-, Linien-, Kreis-, Band- und Spinnendiagramm) − Affinitätsdiagramm − Beziehungsdiagramm − Mittel-Ziel-Netzwerk − Matrixdiagramm − Matrixdatenanalyse − Prozessplanungsdiagramm Abb. 4.16: QC-Werkzeuge Die Sieben statistischen QC-(Quality Control-)Werkzeuge unterstützen die Datensammlung und die Datenanalyse für die Problemfeststellung und die Kontrolle im PDCA-Zyklus. Verwendet werden können die Instrumente nur, wenn zumindest Vorstellungen über die Ursachen des zu untersuchenden Problems vorliegen, die zudem beobachtbar sind, so dass entsprechende Daten erhoben werden können. Sie eignen sich deshalb vor allem für das Kaizen, nicht jedoch für die Lösung komplexer Probleme, wie sie bei der Konzipierung und Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen auftreten. Die Komplexität dieser Probleme kann aus der Vielzahl von Problemursachen oder Zielen resultieren, aber auch daraus, dass zur Erarbeitung eines Problemlösungsvorschlages eine Vielzahl von Einzelideen generiert und kombiniert werden muss. Für Probleme mit diesen Merkmalen sind die Sieben neuen QC-Werkzeuge vorgeschlagen worden. Bei den Sieben neuen QC-Werkzeugen handelt sich um Instrumente, die überwiegend verbale Daten verarbeiten und Beziehungen zwischen den verschiedenen Problemperspektiven visualisieren. In der Planungsphase des PDCA-Zyklus unterstützen die Sieben neuen QC-Werkzeuge die Problemfeststellung, das Generieren von Problemlösungsideen, die Auswahl der Problemlösungsideen, die detailliert geplant und umgesetzt werden sollen, sowie die Erarbeitung von Problemlösungsvorschlägen. Weiterhin dienen sie der Arbeitsplanung in der Umsetzungsphase (vgl. Mizuno (1988), S. 48 ff.). Jedes QC-Werkzeug kann für sich allein verwendet werden. Empfohlen wird jedoch der kombinierte Einsatz der Instrumente , so dass die Ergebnisse, die mit einem Instrument erzielt worden sind, die Eingangsinformationen des nächsten Instrumentes sind. Abb. 4.17 zeigt den Zusammenhang zwischen QC-Werkzeugen bei kombiniertem Einsatz und ihre Zuordnung zu den Phasen im Problemlösungsprozess (vgl. Mizuno (1988), S. 48); Brassard (1996), S. 7). <?page no="193"?> 176 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld PDCA-Zyklus QC-Werkzeuge Problemfeststellung Generieren von Problemlösungsideen Bewerten von Problemlösungsideen Umsetzen von Problemlösungen Kontrolle und Handeln Abb. 4.17: QC-Werkzeuge im PDCA-Zyklus 4.4.2 Phasenübergreifende Instrumente Instrumente, die in allen Phasen des Problemlösungsprozesses zur Anwendung gelangen und keiner speziellen Phase zugeordnet werden können, sind − das Matrixdiagramm und − die Kreativitätstechniken. (1) Matrixdiagramm Primärer Zweck von Matrixdiagrammen ist es, die Existenz, die Art, die Richtung oder die Stärke der Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Perspektiven eines Problems zu klären und zu visualisieren. Problemperspektiven können Ziele, Maßnahmen, Ursachen, Wirkungen, Einflussgrößen, Personen, Bereiche, Zeitpunkte, Zeiträume usw. sein. Neben Ziel-Mittel- und Ursache-Wirkungs-Beziehungen kann mit Matrixdiagrammen auch eine Zuordnung ausgedrückt werden. Affinitätsdiagramm Beziehungsdiagramm Ursache-Wirkungs- Diagramm Systematisches Diagramm Matrixdiagramm Matrixdatenanalyse Prozessplanungsdiagramm Netzplantechnik Strichliste Regelkarte Histogramm Graphen Streuungsdiagramm Paretodiagramm <?page no="194"?> Kaizen Costing • 177 Ein Matrixdiagramm ist eine Tabelle mit den Elementen einer Problemperspektive als Spalteneingänge und den Elementen einer anderen Problemperspektiven als Zeileneingänge. Symbole in den Tabellenfeldern bilden die Art oder die Intensität der Beziehungen zwischen den jeweiligen Elementen der beiden Problemperspektiven ab. Der Einsatzbereich von Matrixdiagrammen erstreckt sich über alle Aufgaben im PDCA-Zyklus, die eine Analyse der Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Problemperspektiven notwendig machen. Folgende Aufgaben im PDCA-Zyklus können durch Matrixdiagramme unterstützt werden: − die inhaltliche, zeitliche und räumliche Abgrenzung und Analyse von Problembereichen für die Problemfeststellung, − die Analyse der Vollständigkeit und der Bedeutung von Problemlösungsideen bei der Erarbeitung von Problemlösungsvorschlägen, − die Feststellung konfliktärer Beziehungen zwischen den Einzelmaßnahmen innerhalb eines Problemlösungsvorschlages, − die Zuordnung von Aktivitäten und Kompetenzen zu Aufgabenträgern bei der Arbeitsplanung in der Umsetzungsphase. Problem A Problem B Problem C Problem D Problem E Problem Prozess Ursache A Ursache B Ursache C Ursache D Ursache E Ursache F Ursache G Ursache H Prozess 1 Prozess 2 Prozess 3 Prozess 4 Prozess 5 Prozess 6 Prozess 7 Prozess 8 = Starke Beziehung; = Beziehung; = Mögliche Beziehung Abb. 4.18: Beispiel für ein Matrixdiagramm Abb. 4.18 zeigt ein Matrixdiagramm mit den Problemen, den Problemursachen und den Prozessen als Problemperspektiven zur inhaltlichen und räumlichen Abgrenzung von Problembereichen. Im oberen Teil der Matrix werden Ursache-Wirkungs- Ursache <?page no="195"?> 178 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Beziehungen, im unteren dagegen das Auftreten von Ursachen in Prozessen dargestellt (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 266). Nach der Anzahl der Problemperspektiven und der abgebildeten Beziehungen werden L-, T-, Y-, C- und X-Typ-Matrixdiagramme unterschieden (vgl. Abb. 4.19). L-Typ- Matrixdiagramme bilden die Beziehungen zwischen den Elementen zweier Problemperspektiven ab. Die Bewertungsmatrix im House of Quality (vgl. Abschnitt 6.2.4.1) ist ein Beispiel für ein L-Typ-Matrixdiagramm. Abb. 4.18 zeigt ein T-Typ- Matrixdiagramm . In Matrixdiagrammen diesen Typs werden drei Problemperspektiven berücksichtigt, wobei jedoch nur die direkten Beziehungen zwischen den Elementen einer Perspektive A (Ursachen) zu den Elementen der beiden anderen Perspektiven B (Probleme) und C (Prozesse) abgebildet werden, nicht jedoch die direkten Beziehungen, die zwischen den Elementen der Perspektiven B und C auftreten. So zeigt das Matrixdiagramm in Abb. 4.18 nicht, in welchen Prozessen die Probleme auftreten. Dies könnte in einem ebenfalls drei Perspektiven umfassenden Y-Typ-Matrixdiagramm gezeigt werden. Mit diesem Matrixdiagramm können die direkten Beziehungen zwischen allen Perspektiven transparent gemacht werden. Wie die T- und die Y-Typ-Matrix bezieht auch die C-Typ-Matrix drei Problemperspektiven in die Betrachtung ein. Von diesen beiden Matrix-Typen unterscheidet sie sich dadurch, dass sie nicht die Elemente von jeweils nur zwei Perspektiven gegenüberstellt, sondern die Elemente aller drei Perspektiven gleichzeitig betrachtet. In der Literatur wird die C- Matrix stets als Würfel dargestellt. Diese Form der Darstellung bereitet sowohl bei der Erstellung als auch bei der Interpretation erhebliche Schwierigkeiten. In Abb. 4.19 wird deshalb eine einfacher zu handhabende Darstellungsform vorgeschlagen. In eine X-Typ-Matrix gehen vier Problemperspektiven ein. Visualisiert werden nur die direkten Beziehungen, die zwei Perspektiven A und B zu jeweils zwei weiteren Perspektiven C und D haben, nicht jedoch die direkten Beziehungen, die zwischen den Elementen der Perspektiven A (Ursachen) und B (Objekte) einerseits und den Perspektiven C (Probleme) und D (Prozesse) andererseits bestehen. Beispielsweise werden in der X-Matrix der Abb. 4.19 die direkten Beziehungen zwischen den Ursachen und Objekten sowie zwischen den Problemen und Prozessen nicht visualisiert (vgl. Mizuno (1988), S. 173 ff.). Erstellt wird ein Matrixdiagramm in folgenden vier Schritten (Assaka/ Ozeki (1990), S. 266 ff.; Brassard (1996), S. 158 ff.): − Schritt 1: Auswählen der Problemperspektiven und der Elemente − Schritt 2: Auswählen des Matrix-Typs − Schritt 3: Analyse der Beziehungen − Schritt 4: Auswerten der Matrix Im ersten Schritt werden alle Problemperspektiven ermittelt, die für die betrachtete Aufgabe von Relevanz sind. Die generierten Perspektiven werden hinsichtlich ihrer <?page no="196"?> Kaizen Costing • 179 Wichtigkeit für die zu bearbeitende Aufgabe bewertet. Damit wird die Grundlage für die Auswahl der Problemperspektiven geschaffen, die in die Betrachtung einbezogen werden sollen. Für die Elemente der ausgewählten Perspektiven wird der Detaillierungsgrad festgelegt. So ist z. B. zu entscheiden, ob Personen oder Abteilungen als Aufgabenträger, Stunden oder Schichten als Zeitintervalle berücksichtigt werden sollen. Für jede Perspektive sind anschließend die Elemente zu generieren. a) Y-Typ-Matrixdiagramm Ursache 1 Ursache 2 Ursache 3 Ursache 4 Problem 1 Problem 2 Problem 3 Prozess 1 Prozess 2 Prozess 1 Prozess 2 Prozess 3 b) C-Typ-Matrixdiagramm Problem Problem 1 Problem 2 Problem 3 Prozess A Ursache 1 Prozess B Prozess A Ursache 2 Prozess B c) X-Typ-Matrixdiagramm Ursache 1 Ursache 2 Ursache 3 Ursache 4 Problem 1 Problem 2 Problem 3 Prozess 1 Prozess 2 Mensch Maschine Material Methode Abb. 4.19: Arten von Matrixdiagrammen Sind drei Perspektiven ausgewählt worden, ist im zweiten Schritt festzulegen, ob eine T-, Y- oder C-Typ-Matrix erstellt werden soll. Diese Entscheidung wird bestimmt durch die Beziehungen, die analysiert werden sollen. Für die Analyse der Beziehungen zwischen den Elementen sind im dritten Schritt zunächst die Analysekriterien und die Symbole auszuwählen. Einen Überblick über Analysekriterien und Symbole gibt Abb. 4.20. Zur Analyse der Beziehungen ist die Prozess Ursache <?page no="197"?> 180 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Matrix zu erstellen. Für jedes einzelne Matrixfeld sind anschließend die Elemente des jeweiligen Zeilen- und Spalteneingangs hinsichtlich der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen zu analysieren. Die Art der Auswertung eines Matrixdiagramms im vierten Schritt wird durch die Fragestellung bestimmt. Von Interesse ist häufig die Konzentration von Beziehungen, da diese auf mögliche Schwerpunkte für die weiteren Planungs- und Umsetzungsaktivitäten hinweisen. Art der Beziehung Analysekriterium Symbole Intensität = Stark Beziehung, = Beziehung möglich, = Schwache Beziehung Richtung ↑ = Zeilenelement ist die Ursache, ← = Spaltenelement ist die Ursache Ursache-Wirkungs-, Mittel-Zweck- Beziehung Art + = Positiver Einfluss, - = Negativer Einfluss Beziehungen zwischen den Elementen einer Beziehung + = Komplementäre Beziehung, - = Konfliktäre Beziehung Zuordnung = Verantwortung, = Aufgabe, = Informationsrecht Abb. 4.20: Beziehungen im Matrixdiagramm (2) Kreativitätstechniken Bei den meisten der vorgestellten Diagramme verlangt die Methodik neben dem logisch-diskursiven Ableiten auch das intuitive Generieren von Ideen , u. a. zu Problemursachen und Problemlösungen. Um in kurzer Zeit möglichst viele Ideen generieren zu können, ist der Einsatz von Kreativitätstechniken vorgeschlagen worden, die auf dem Prinzip der intuitiven Assoziation beruhen (vgl. Brassard (1996), S. 297). Zu ihnen zählen alle Varianten des Brainstorming und des Brainwriting (zu einem Überblick über diese Varianten vgl. Pepels (1996), S. 875 ff.). Das Brainstorming ist die interaktive Zusammenarbeit mehrerer Personen in einem Team unter Bedingungen, welche freie Assoziationen und die spontane Äußerung von Ideen fördern. Die Bedingungen , die freie Assoziationen und die spontane Äußerung begünstigen, werden durch − die vier Grundregeln des Brainstorming und − die Zusammensetzung des Brainstorming-Teams geschaffen. Die Grundregeln des Brainstorming lauten wie folgt (vgl. Osborn (1966), S. 151 ff.): <?page no="198"?> Kaizen Costing • 181 1. Während der Dauer des Brainstorming darf keine Kritik an den Ideen geäußert werden. 2. Außergewöhnliche, originelle oder phantasievolle Ideen sind ausdrücklich erwünscht. 3. Angestrebt wird eine große Zahl von Ideen. 4. Die Teilnehmer sind aufgefordert, auch die von anderen geäußerten Ideen aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Es sollen Assoziationsketten gebildet werden, aus denen innovative Ideen resultieren können. Das Brainstorming-Team setzt sich aus 5-8 Mitgliedern zusammen und wird von einem Moderator geleitet. Der Moderator überwacht die Einhaltung der Grundregeln und aktiviert durch Reizfragen den Ideenfluss. Die Mitglieder sind Mitarbeiter der gleichen Hierarchieebene aus unterschiedlichen Fachbereichen der Unternehmung. Eine exponierte Fachautorität sollte sich nicht im Brainstorming-Team befinden (vgl. Schlicksupp (2004), S. 105). Der Brainstorming-Prozess umfasst drei Phasen (vgl. Schlicksupp (2004), S. 107 f.) : − die Vorbereitung, − die Ideensammlung sowie − die Ideensichtung und -bewertung. Die Vorbereitungsphase beginnt mit der Klärung des Problems. Es wird dem Team von außen vorgegeben. Den Mitgliedern des Teams werden der aktuelle Problemzustand und der angestrebte Zielzustand durch den Moderator möglichst genau beschrieben. Die Vorbereitungsphase endet nicht bevor im Team Konsens über Inhalt, Ausmaß und Struktur des Problems besteht (vgl. Schlicksupp (1977), S. 215). In dieser ersten Phase des Brainstorming-Prozesses erläutert der Moderator dem Team auch die Grundregeln dieser Methode. Für die Ideensammlung durch das Team sind etwa 30 Minuten vorgesehen. Sie sollte keinesfalls länger als eine Stunde dauern. Führt die Diskussion zu keinen weiteren Ideen, wird die Ideensammlung durch den Moderator beendet (vgl. Schlicksupp (1977), S. 216). Diese Phase des Brainstorming-Prozesses kann in zwei Formen ausgeführt werden. Bei der strukturierten Vorgehensweise wird eine Reihenfolge, in der die Teammitglieder ihre Ideen äußern, vorgegeben und mehrfach durchlaufen. Ist ein Mitglied an der Reihe, äußert es eine Idee oder setzt für eine Runde aus. Diese Vorgehensweise erzeugt bei den Mitgliedern einen gewissen Druck zur aktiven Mitarbeit. Wird unstrukturiert vorgegangen, kann jedes Teammitglied seine Ideen zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der Team-Sitzung äußern. Damit verbunden ist die Gefahr, dass einzelne Mitglieder das Team dominieren und zurückhaltendere Mitarbeiter ihre Ideen nicht äußern (vgl. Brassard (1996), S. 297). Bei beiden Formen werden die geäußerten Ideen vom Moderator für alle Teilnehmer sichtbar auf einer Tafel notiert. Die Ideen werden nicht ausführlich erläutert, sondern nur in den Grundzügen skizziert. <?page no="199"?> 182 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Darüber hinaus werden der Ablauf und die Ergebnisse der Teamsitzung von einem Teilnehmer protokolliert (vgl. Schlicksupp (1977), S. 216). Die gesammelten Ideen werden nicht vom Team, sondern von einem Mitarbeiter gesichtet und bewertet , der nicht an der Ideensammlung beteiligt war. In dieser Phase werden die protokollierten Ideen geordnet, vervollständigt sowie auf Realisierbarkeit und ihren Beitrag zur Problemlösung überprüft (vgl. Klein/ Scholl (2004), S. 141). Das Brainstorming verbessert und erweitert den Wissensstand jedes Teammitglieds und fördert das Entstehen von Assoziationsketten, die zu innovativen Ideen führen können. Es lässt jedoch keinen Raum für konzentriertes Nachdenken (vgl. Hauschildt (2004), S. 416). Um die Vorteile des Brainstorming mit denen der konzentrierten Einzelleistung zu kombinieren, ist es zum Brainwriting weiterentwickelt worden. Die bekannteste Variante des Brainwriting ist die Methode 635. Die Ziffern 6, 3 und 5 stehen hierbei für die sechs Team-Mitglieder, die drei Ideen, die jedes Mitglied in jeder Runde generieren soll, sowie die fünf Minuten, die einem Team-Mitglied für das Notieren der drei Ideen jeweils zur Verfügung stehen (vgl. Schlicksupp (2004), S. 116). Die Methode 635 weicht in der Phase der Ideensammlung von der Methode des Brainstorming ab. Diese Phase beginnt damit, dass jedes der sechs Team-Mitglieder innerhalb von fünf Minuten drei Ideen in ein Formular einträgt. Nach Ablauf der Bearbeitungszeit gibt jedes Teammitglied das von ihm ausgefüllte Formular an seinen Nachbarn weiter. Jeder Teilnehmer trägt drei weitere Ideen in das Formular ein, das er von seinem Nachbarn erhalten hat. Diese Ideen können eine Weiterentwicklung der Ideen der Vorgänger oder vollkommen neue Vorschläge zum Inhalt haben. Die Formulare werden in der gleichen Richtung weitergereicht und ergänzt, bis jedes Mitglied jedes Formular bearbeitet hat. Nach Abschluss der sechsten Runde liegen 6 × 6 × 3 = 108 Ideen vor. Da die Zeit, die zur Auswertung der Ideen auf dem Formular erforderlich ist, in jeder Runde zunimmt, kann die Bearbeitungszeit kontinuierlich verlängert werden. Eine Teamsitzung kann damit zwischen 30 und 45 Minuten dauern (vgl. Schlicksupp (1977), S. 218). 4.4.3 Instrumente für die Problemfeststellung 4.4.3.1 Affinitätsdiagramm Die Methode zur Erstellung eines Affinitätsdiagramms wird nach seinem Entwickler, Jiro Kawakita, auch als KJ-Methode bezeichnet (vgl. Evans (2005), S. 276). Die KJ-Methode unterstützt die Strukturierung komplexer Probleme durch die Sammlung großer Mengen verbaler Daten und die Analyse dieser Daten mit dem Ziel, Verwandtschaften aufzudecken, die eine Abgrenzung von Teilproblemen zulässt (vgl. Mizuno (1988), S. 115). <?page no="200"?> Kaizen Costing • 183 Ein Affinitätsdiagramm wird von einem Team mit 5-6 Mitgliedern in folgenden Schritten entwickelt (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 246 ff.): − Schritt 1: Formulieren des Problems − Schritt 2: Sammeln verbaler Daten zu dem formulierten Problem − Schritt 3: Übertragen der verbalen Daten auf Kärtchen − Schritt 4: Ordnen der Kärtchen − Schritt 5: Beschreiben identifizierter Verwandtschaften − Schritt 6: Gruppieren der Kärtchen − Schritt 7: Erstellen des Affinitätsdiagramms Das Problem sollte im ersten Schritt möglichst unbestimmt formuliert werden, damit die Problemlösung nach allen Richtungen offen bleibt. Geeignet sind Formulierungen wie z. B. „Welche Gründe sind für ... maßgebend“ (vgl. Brassard (1996), S. 21). Verbale Daten können Fakten, Ideen oder Meinungen sein. Gewonnen werden sie im zweiten Schritt durch direkte Beobachtung, Interviews, Dokumentenanalysen, Brainstorming, die Auswertung von Erfahrungen oder die gedankliche Durchdringung des Problems (vgl. Mizuno (1988), S. 122 f.). Die gesammelten Daten werden im dritten Schritt auf Kärtchen übertragen, die anschließend nebeneinander an einer Pinnwand befestigt werden. Im vierten Schritt werden die Kärtchen mit verwandten Inhalten gesucht, die auf der Pinnwand gruppiert befestigt werden. Aufgabe des fünften Schrittes ist es, für jede dieser Gruppen einen Begriff zu finden, der die Verwandtschaft zwischen den Daten einer Gruppe beschreibt. Diese Begriffe bilden den Inhalt der Affinitätskärtchen. Die Kärtchen jeder Gruppe werden im sechsten Schritt hinter das jeweilige Affinitätskärtchen geheftet. Für die so gebildeten Päckchen werden die Schritte 4-6 wiederholt, bis höchstens fünf Päckchen verbleiben, wobei es durchaus einzelne Kärtchen geben kann, die keiner der gebildeten Gruppen zugeordnet werden können. In diesem Prozess nimmt die Verwandtschaft der Inhalte von Kärtchen, die zu einer Gruppe zusammengefasst werden, kontinuierlich ab. Zur Erstellung des Affinitätsdiagramms im siebten Schritt werden die einzelnen Kärtchen schließlich unter den zugehörigen Affinitätskärtchen an der Pinnwand befestigt. Zur Abgrenzung der Gruppen werden die Kärtchen anschließend eingerahmt. Die Gruppen, die in aufeinanderfolgenden Schleifen des beschriebenen Prozesses gebildet worden sind, können durch verschiedene Farben oder Strichstärken der Rahmen kenntlich gemacht werden. Abb. 4.21 zeigt die Struktur eines Affinitätsdiagramms an einem verkürzten Beispiel (vgl. Brassard (1996), S. 36). 4.4.3.2 Ursache-Wirkungs-Diagramm Das Ursache-Wirkungs-Diagramm wird nach seinem Erfinder, Kaoru Ishikawa, als Ishikawa-Diagramm und nach seiner Form als Fischgräten- oder Tannenbaumdiagramm <?page no="201"?> 184 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld bezeichnet. Sein Zweck ist die Ideengenerierung im Rahmen der Problemanalyse sowie die geordnete Darstellung der Problemursachen und ihrer Wirkungsrichtung. Anders als ein Affinitätsdiagramm setzt das Ursache-Wirkungs-Diagramm ein spezifisch abgegrenztes Problem in der Form der Abweichung einer Wirkung von dem vorgegebenen Standard voraus. Abb. 4.21: Struktur eines Affinitätsdiagramms Das Ursache-Wirkungs-Diagramm ist eine hierarchisch gegliederte, gerichtete Abbildung der Faktoren mit Einfluss auf die Wirkung eines Prozesses. − Barcode beschädigt − Versandcontainer beschädigt − Barcodes fallen ab − Mehrwegcontainer tragen falsche Barcodes ⋮ − Computer-System zu langsam − Verzögerungen bei der Eingabe von Auftragsänderungen − Zulässigkeit telefonischer Auftragsänderungen − Dateneingabe zu komplex ⋮ Welche Gründe sind für Lieferverzögerungen maßgebend? Ausmaß Versandpolitik − Kosten, die durch eine Lieferverzögerung verursacht werden − Anzahl der Kunden, die nach Fehllieferungen abwandern ⋮ − Auswahl des preisgünstigsten Spediteurs − Häufiger Wechsel bei den Spediteuren ⋮ Ort Intern − Anteil der Lieferverzögerungen aufgrund von Fehlern in den Unterlagen − Häufung von Lieferverzögerungen bei einzelnen Produktgruppen ⋮ − Bevorzugte Behandlung wichtiger Kunden − Versand von Ersatzprodukten, wenn das bestellte Produkt nicht verfügbar ist ⋮ Auftragsbearbeitungssystem Verbrauchs- und Gebrauchsgüter im Versand Extern Problemerkennung ⋮ ⋮ <?page no="202"?> Kaizen Costing • 185 Abb. 4.22 zeigt die Struktur eines Ursache-Wirkungs-Diagramms (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 149 f.). Es besteht aus − dem Wirkungs- und − dem Ursachenbereich. Der Wirkungsbereich enthält eine exakte Problembeschreibung, die eine Wirkung des betrachteten Prozesses und die Richtung der festgestellten Abweichung vom geforderten Standard nennt. QCDMS steht für die fünf verschiedenen Prozesswirkungen, die in einem Ursache-Wirkungs-Diagramm berücksichtigt werden. Zu ihnen zählen die Produkt- oder Prozessqualität (Q), die Kosten (C), die Prozessdauer (D), die Arbeitsmotivation (M) und die Arbeitsplatzsicherheit (S) (vgl. Imai (1997), S. 109). Der Wirkungsbereich besteht aus dem Stamm. Das ist ein horizontal verlaufender Pfeil, der auf der rechten Seite mit einer exakten Problembeschreibung endet. Der Ursachenbereich setzt sich aus einer Vielzahl von Pfeilen zusammen, die stets in einem übergeordneten Pfeil (Endpfeil) enden. Sie stehen für die Faktoren mit Einfluss auf die betrachtete Prozesswirkung. Durch die Richtung und den Endpfeil, in den der Pfeil mündet, wird der Detaillierungsgrad der Faktoren symbolisiert. Nach dem Detaillierungsgrad des Faktors, der visualisiert wird, werden vier Arten von Pfeilen unterschieden (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 149; Imai (1997), S. 109 ff.): − die Hauptäste (Faktorenklassen), − die Äste (Faktoren), − die Hauptzweige (Merkmale der Faktoren) und − die Zweige (Abweichungen bei den Faktormerkmalen). Abb. 4.22: Struktur des Ursache-Wirkungs-Diagramms Ursachenbereich Wirkungsbereich Exakte Problembeschreibung (QCDMS) Stamm Mensch Maschine Material Methode Messbarkeit Mitwelt Management Ast Hauptzweig Zweig Hauptast <?page no="203"?> 186 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Die Wirkungen, d. h. der Output eines Prozesses, wird durch den Input und den Throughput bestimmt. Es werden sieben Klassen von Input- und Throughput-Faktoren unterschieden, die durch die Sieben M beschrieben werden: Mensch, Maschine, Material, Methode, Messbarkeit, Management und Mitwelt (Umwelt) (vgl. Imai (1997), S. 108 ff.). Für die Problemanalyse im Verwaltungsbereich ist das Konzept der Vier P vorgeschlagen worden: Policies, Procedures, People und Plant (vgl. Brassard (1996), S. 275). In einem Ursache-Wirkungs-Diagramm werden je nach Problemstellung 4-6 dieser Klassen berücksichtigt. Symbolisiert werden sie durch die Hauptäste , das sind Pfeile, die in den Stamm münden. Die Äste enden in diesen Hauptästen. Sie stehen für einzelne Faktoren einer Klasse. Hierbei handelt es sich um Arbeitskräftegruppen, Leistungskomponenten (Können, Wollen) der Arbeitskräfte, Maschinengruppen, Arten von Verfahren, Materialarten usw. Merkmale dieser Faktoren (z. B. Geschwindigkeit, Genauigkeit) gehen als Hauptzweige , die in Äste münden, in das Ursache- Wirkungs-Diagramm ein. Sie sind die Ursachen des betrachteten Problems. Die Zweige , die an den Hauptzweigen enden, zeigen die Richtung der Abweichung (z. B. niedrig, gering) bei dem durch den jeweiligen Endpfeil symbolisierten Faktormerkmal. Sie zeigen damit auf, in welche Richtung ein Faktormerkmal zur Problemlösung zu verändern ist. Abb. 4.23 zeigt einen Auszug aus einem Ursache-Wirkungs- Diagramm (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 151 ff.). Abb. 4.23: Systematisch-analytische Vorgehensweise der Identifikation der Problemursachen Der Prozess zur Erstellung eines Ursache-Wirkungs-Diagramms kann in vier Phasen gegliedert werden (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 150 ff.): − Schritt 1: Problembeschreibung − Schritt 2: Identifikation der Problemursachen − Schritt 3: Vollständigkeitsanalyse − Schritt 4: Bewertung der identifizierten Problemursachen Maschine Zahl der Kratzer zu hoch Grob Amplitude Gewicht Hoch Leicht Schleifmaschine Langsam Umdrehungen/ Minute Drehmaschine Dreh- und Schnittfläche <?page no="204"?> Kaizen Costing • 187 Im ersten Schritt ist u. a. sicherzustellen, dass alle Beteiligten das zu analysierende Problem verstanden haben. Beteiligt werden sollten alle Mitarbeiter, die an dem betrachteten Prozess mitwirken, d. h. Mitarbeiter, die den Input bereitstellen, die Träger der Prozessausführung sowie die Empfänger des Prozess-Outputs. Ergebnis der ersten Phase ist der Stamm des Diagramms mit der exakten Problembeschreibung. Für die Identifikation der Problemursachen im zweiten Schritt gibt es zwei Vorgehensweisen (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 151 ff.): − die systematisch-analytische und − die synthetische Vorgehensweise. Bei der systematisch-analytischen Vorgehensweise werden zunächst die Input- und Throughput-Klassen ausgewählt, die Einfluss auf die Wirkung des betrachteten Prozesses haben, und als Hauptäste in das Diagramm eingezeichnet. Jeder Hauptast wird anschließend um Äste, Hauptzweige und Zweige erweitert. Bei der synthetischen Vorgehensweise wird ein Affinitätsdiagramm aufgebaut. Hierzu werden zunächst Ideen zu Abweichungen bei den Faktormerkmalen (Zweige) generiert. Die Kärtchen mit diesen Ideen werden anschließend nach ihrer Zugehörigkeit zu den Faktoren gruppiert. Die gebildeten Gruppen werden schließlich unter der jeweiligen Faktorklasse zusammengefasst. Die in dieser Form strukturierten Ideen werden abschließend in das Ursache-Wirkungs-Diagramm übernommen. Die Suche nach den einzelnen Problemursachen kann durch die Methode des Fünffachen Warum und der Sechs W unterstützt werden (vgl. Abschnitt 5.4.1.2). Im dritten Schritt wird die Vollständigkeit des Ursache-Wirkungs-Diagramms analysiert. Überprüft wird zum einen, ob alle Ursachen für das Problem erkannt und vollständig beschrieben worden sind. Die Beschreibung der Ursachen ist vollständig, wenn erkennbar ist, in welche Richtung jedes Faktormerkmal zu verändern ist (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 155). Die im Ursache-Wirkungs-Diagramm genannten Problemursachen sind im dritten Schritt zu bewerten, um maximal fünf der Problemursachen auszuwählen, die einer Detail-Analyse unterzogen werden sollen (vgl. Ebeling (1994), S. 315 ff.). Diese Problemursachen werden im Ursache-Wirkungs-Diagramm durch verschiedene Umrahmungen und Unterstreichungen kenntlich gemacht. 4.4.3.3 Beziehungsdiagramm Im Ishikawa-Diagramm werden nur die Ursachen eines Problems abgebildet, d. h. der Abweichung bei einer Wirkung des betrachteten Prozesses. Ein Prozess kann jedoch mehrere Wirkungen haben, die sich gegenseitig beeinflussen (z. B. Durchlaufzeit und Produktqualität). Es können deshalb mehrere Probleme auftreten, die nicht unabhän- <?page no="205"?> 188 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld gig voneinander lösbar sind, da eine Problemursache Einfluss auf andere Problemursachen haben kann. Solche Wirkungsbeziehungen zwischen Problemursachen können im Ishikawa-Diagramm nicht abgebildet werden. Ishikawa-Diagramme eignen sich deshalb nicht zur Abbildung komplexer Probleme (vgl. Brassard (1996), S. 70). Beziehungsdiagramme bilden die Faktoren mit Einfluss auf mehrere sich gegenseitig beeinflussende Wirkungen eines Prozesses sowie die zwischen diesen Faktoren bestehenden Wirkungsbeziehungen ab (in Anlehnung an Mizuno (1988), S. 87). Zweck der Beziehungsdiagramme ist die Unterstützung der Problemfeststellung. Beziehungsdiagramme fördern − das Generieren aller, insbesondere der finalen Problemursachen, − das Identifizieren der Ursache-Wirkungs-Beziehungen, − das vollständige Abbilden der Problemstruktur sowie − das Abgrenzen derjenigen Problemursachen, die für die Problemlösung von größter Bedeutung sind. Beziehungsdiagramme schaffen eine Grundlage für die Erarbeitung von Problemlösungsvorschlägen und die Analyse ihrer Wirkungen auf die verschiedenen Probleme (vgl. Mizuno (1988), S. 88). Komponenten eines Beziehungsdiagramms sind die Probleme, die als Ovale eingezeichnet werden, die Problemursachen, die durch Rechtecke symbolisiert werden, sowie die Ursache-Wirkungs-Beziehungen, für die Pfeile verwendet werden. Im Beziehungsdiagramm wird zwischen primären, sekundären, tertiären usw. Problemursachen unterschieden. Primäre Problemursachen sind über einen Pfeil direkt mit dem Problem verbunden. Pfeile, die von sekundären Problemursachen ausgehen, münden in Rechtecke, die eine primäre Problemursache symbolisieren usw. Das letzte Glied in dieser Ursache-Wirkungs-Kette ist die finale Problemursache . Die Struktur eines Beziehungsdiagramms zeigt Abb. 4.24 (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 251). Einen Überblick über andere Formen des Beziehungsdiagramms gibt Mizuno ((1998), S. 94 ff.). Für die Entwicklung eines Beziehungsdiagramms wird ein Team mit fünf bis sechs Mitgliedern gebildet, die in enger Beziehung zum betrachteten Bereich stehen. Der Prozess zur Entwicklung eines Beziehungsdiagramms umfasst die folgenden sechs Schritte (vgl. Mizuno (1988), S. 97 ff.): − Schritt 1: Problembeschreibung − Schritt 2: Generieren von Ideen zu Problemursachen − Schritt 3: Bestimmen der Ursache-Wirkungs-Beziehungen − Schritt 4: Ordnen der Ideen zu Problemursachen − Schritt 5: Vollständigkeitsprüfung − Schritt 6: Bewerten der Problemursachen <?page no="206"?> Kaizen Costing • 189 Abb. 4.24: Struktur eines Beziehungsdiagramms Das zu bearbeitende Problem kann frei gewählt werden oder einem Affinitäts- oder Ursache-Wirkungs-Diagramm entnommen werden (vgl. Brassard (1996), S. 45 f.). Ist bereits ein Affinitäts- oder Ursache-Wirkungs-Diagramm erstellt worden, bilden die in ihm enthaltenen Ideen zu Problemursachen eine Grundlage für das Beziehungsdiagramm. Zum Generieren von Ideen können im zweiten Schritt die Methoden zum Einsatz gelangen, die bereits im Zusammenhang mit der KJ-Methode beschrieben worden sind. Ergänzt werden sollten sie durch die Methode des Fünffachen Warum, um zu den finalen Problemursachen zu gelangen (vgl. Abschnitt 5.4.1.2). Die Entwicklung eines Beziehungsdiagramms ist nur dann zweckmäßig, wenn 15-50 Ideen zu Problemursachen gefunden worden sind (vgl. Brassard (1996), S. 52). Jede Idee wird auf einem Kärtchen notiert, die an einer Pinnwand befestigt werden. Um im dritten Schritt die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu bestimmen, wird jede Idee jeder anderen gegenübergestellt. Ist sie Ursache (Wirkung), wird sie über einen ausgehenden (eingehenden) Pfeil mit der jeweils anderen Idee verbunden. Beeinflus- Subunternehmer hat keine klaren Vorstellungen über den Auftrag Mitarbeiter, der Subunternehmer beauftragt, hat keine Kenntnisse über den Auftrag Management mangelt es an Erfahrung im Handel Mangel an gutem Personal Kunde ruft wiederholt beim Kundendienst an Übertriebene Anforderungen des Kunden Mangel an Informationen über den Auftrag Falsche Werkzeuge Schlechte Personalzuordnung Keine Kenntnisse für die Personalzuordnung Kunde hat falsche Erwartungen Keine eindeutigen Vorgaben zum Auftrag des Kundendienstes Versprechungen in der Werbung Falscher Kundendienstmitarbeiter wird beauftragt <?page no="207"?> 190 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld sen sich Pfeile wechselseitig, wird nur die dominierende Wirkungsrichtung durch einen Pfeil kenntlich gemacht (vgl. Brassard (1996), S. 52). Die Ursachenkärtchen werden im vierten Schritt nach der Unmittelbarkeit der Beziehung zum Problem zu Gruppen zusammengefasst, d. h., es wird eine Gruppe der primären Ursachen, eine Gruppe der sekundären Ursachen usw. gebildet und an eine Pinnwand geheftet. Die Kärtchen mit den primären Ursachen werden unmittelbar neben dem Problem befestigt, die Kärtchen mit sekundären Ursachen neben den Kärtchen mit den primären Ursachen, jedoch in einem etwas größeren Abstand zum Problem usw. Anschließend werden die Pfeile für die festgestellten Ursache-Wirkungs- Beziehungen eingezeichnet (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 253). Mit der Bewertung im sechsten Schritt soll eine Grundlage für die Auswahl der Problemursachen geschaffen werden, für die anschließend Problemlösungsvorschläge entwickelt werden. Zur Bewertung der Problemursachen werden zunächst die Ursachen mit der höchsten Anzahl ein- und ausgehender Pfeile ermittelt. Aus der Menge dieser Ursachen werden dann zum einen diejenigen mit überwiegend ausgehenden Pfeilen bestimmt. Maßnahmen, die auf diese Ursachen zielen, wirken nicht nur unmittelbar auf das Problem, sondern zusätzlich auch mittelbar über eine Reihe anderer Ursachen, auf die sie Einfluss haben. Diesen Ursachen kann häufig mit gezielten Einzelmaßnahmen kurzfristig begegnet werden. Zum anderen wird festgestellt, bei welchen Ursachen die eingehenden Pfeile überwiegen. Diese Ursachen sind Folge mehrerer vorgelagerter Ursachen und liegen meist nahe beim Problemkärtchen. Maßnahmen, die für diese Ursachen erarbeitet werden sollen, müssen sich auf alle ihr vorgelagerten Ursachen erstrecken, wenn sie wirksam sein sollen. Es sind komplexe Maßnahmen, die sich aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen zusammensetzen und eine detaillierte Planung erfordern (vgl. Brassard (1996), S. 130). Zur Bewertung der Ursachen sollten neben Informationen über die Anzahl ein- und ausgehender Pfeile auch die Erfahrungen der Teammitglieder ausgewertet werden. Möglich ist deshalb auch die Auswahl von Problemursachen, die mit nur wenigen anderen Ursachen in Beziehung stehen. Wichtig ist, dass alle Teammitglieder der getroffenen Auswahl zustimmen (vgl. Brassard (1996), S. 62 f.). 4.4.4 Instrumente für die Ideenermittlung Instrumente zur Ideenermittlung dienen dem Generieren und Bewerten von Problemlösungsideen. Für diese Aktivitäten ist Kreativität unabdingbar, wenn grundsätzliche Handlungsstrategien für die Lösung komplexer neuartiger Probleme zu erarbeiten sind. Die Probleme, die im Rahmen des gruppen- oder personenorientierten Kaizen durch die Mitarbeiter oder von Qualitätszirkel-Gruppen bearbeitet werden, sind jedoch nicht neuartig, sondern stammen aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Mitarbeiter. Die Bearbeiter von Verbesserungsvorschlägen verfügen deshalb über <?page no="208"?> Kaizen Costing • 191 Vorstellungen zu den grundlegenden Wirkungsbeziehungen zwischen Gestaltungsparametern und Zielen. Es ist deshalb keine Ideenkreierung in einem eher zufälligen, durch den Einsatz von Kreativitätstechniken gestützten Problemlösungsprozess erforderlich. Es ist vielmehr eine Ideengenerierung durchzuführen, deren Inhalt darin besteht, in einem logisch-diskursiven Prozess die Wirkungszusammenhänge zu erkennen und daraus Schlussfolgerungen über Maßnahmen zu ziehen, die zur Problemlösung geeignet erscheinen. Die Einzelideen sind anschließend zu Maßnahmenkomplexen zu kombinieren, die zur vollständigen Lösung des Problems geeignet sind (vgl. Klein/ Scholl (2004), S. 144 f.). 4.4.4.1 Systematisches Diagramm Das systematische Diagramm (vgl. Mizuno (1988), S. 31) dient dem vollständigen Generieren von Ideen zur Lösung eines abgegrenzten Problems. Es beruht auf dem Prinzip, Maßnahmen zur Problemlösung logisch-diskursiv in detailliertere Teilmaßnahmen zu spalten , bis sich Problemlösungsideen ergeben, die hinsichtlich Umfang, fachlichen Anforderungen und Präzisionsgrad der Vorgaben einem Aufgabenträger zur Ausarbeitung eines Problemlösungsvorschlages übertragen werden können. Für dieses Instrument findet sich in der Literatur auch die Bezeichnung „Baumdiagramm“ bzw. „Tree Diagram“ (vgl. Gogoll (1994), S. 374). Ein systematisches Diagramm bildet die Ideen zur Lösung eines abgegrenzten Problems mit zunehmendem Detaillierungsgrad vollständig ab (vgl. Brassard (1996), S. 73). Abb. 4.25 zeigt die Struktur eines systematischen Diagramms (vgl. Brassard (1996), S. 106). Es setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: − dem abgegrenzten Problem, − den primären Lösungsideen, − den Lösungsideen höherer Ordnung (sekundäre, tertiäre usw. Lösungsideen) und − den finalen Lösungsideen. Das Problem wird einem Affinitäts-, Beziehungs- oder Ursache-Wirkungs-Diagramm entnommen. Bei den primären Lösungsideen handelt es sich um grob beschriebene Maßnahmen, die zur Problemlösung ergriffen werden können. Sie werden schrittweise in Teilmaßnahmen gespalten, die als sekundäre, tertiäre usw. Problemlösungsideen in das Diagramm eingehen. Finale Problemlösungsideen gehen aus den Lösungsideen höherer Ordnung hervor und weisen einen Detaillierungsgrad auf, der eine Zuordnung zu einem Aufgabenträger zur Ausarbeitung eines Problemlösungsvorschlages zulässt (vgl. Asaka/ Ozeki (1990), S. 262). <?page no="209"?> 192 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Ein systematisches Diagramm wird in folgenden Schritten erstellt (vgl. Mizuno (1988), S. 145 ff.; Brassard (1996), S. 82 ff.): − Schritt 1: Problemformulierung − Schritt 2: Generieren der primären Problemlösungsideen − Schritt 3: Bewerten der primären Problemlösungsideen − Schritt 4: Herleiten der finalen Problemlösungsideen − Schritt 5: Überprüfen von Struktur und Vollständigkeit des Diagramms Im ersten Schritt wird das zu lösende Problem formuliert. Beschrieben wird es durch zwei Worte: einem Verb und einem Substantiv, das die Art und den Gegenstand der notwendigen Veränderung angibt. Die Problemstellung wird auf einem Kärtchen notiert, das am linken Ende einer Pinnwand befestigt wird. Ist das Problem formuliert, werden im zweiten Schritt die primären Problemlösungsideen generiert. Ist das Problem einem Affinitäts- oder einem Beziehungsdiagramm entnommen worden, kann das zugrunde liegende Diagramm ausgewertet werden. Durch Brainstorming werden weitere primäre Problemlösungsideen generiert. Die Bewertung im dritten Schritt verlangt, dass die gefundenen Problemlösungsideen in die Gruppe der zur Problemlösung geeigneten und der ungeeigneten eingeteilt werden. Für jede geeignete primäre Problemlösungsidee wird anschließend ein Kärtchen ausgestellt. Diese Kärtchen werden auf der Pinnwand rechts vom Problem befestigt. Aus den primären werden im vierten Schritt zunächst die sekundären Problemlösungsideen hergeleitet. Anders als bei den primären Problemlösungsideen, die eher intuitiv generiert werden, dominiert hierbei eine streng analytische Vorgehensweise. Diese besteht darin, dass für jede einzelne primäre Problemlösungsidee die Frage beantwortet wird, wie sie umgesetzt werden kann. Die Kärtchen mit den sekundären Problemlösungsideen werden an der Pinnwand rechts von der primären Problemlösungsidee befestigt, aus der sie hergeleitet worden sind, und mit dieser über Linien verbunden. Analog dazu werden aus den sekundären die tertiären Problemlösungsideen usw. hergeleitet, bis die finale Problemlösungsidee gefunden ist. Im letzten Schritt wird überprüft, ob die finalen Problemlösungsideen zur vollständigen Lösung des Problems geeignet sind. Hierzu wird auf jeder Stufe des Diagramms für jede einzelne Problemlösungsidee gefragt, ob sie über die unmittelbar aus ihr hergeleiteten Ideen umgesetzt werden kann. Diese Überprüfung wird sowohl vom Team als auch von den mit der Erarbeitung der Problemlösungsvorschläge betrauten Mitarbeiter durchgeführt. <?page no="210"?> Kaizen Costing • 193 Abb. 4.25: Struktur eines systematischen Diagramms 4.4.4.2 Matrixdatenanalyse Das systematische Diagramm kann zu einer Vielzahl von Problemlösungsideen führen. Wenn aufgrund der begrenzten zeitlichen, personellen oder finanziellen Kapazitäten nicht alle Problemlösungsideen detailliert geplant und umgesetzt bzw. simultan verfolgt werden können, müssen Planungsbzw. Umsetzungsschwerpunkte abgegrenzt werden. Hierzu werden die Problemlösungsideen nach der Dringlichkeit der Problemlösung in eine Rangfolge gebracht. Auf der Grundlage dieser Rangfolge werden dieje- A: Fehlervermeidungstraining B: Training für Kontrollen C: Problemlösungstraining D: Optische Eingabe E: Online-Eingabe durch Kunden F: Monitorgröße erhöhen G: Sprachgesteuerte Eingabe H: Menügesteuerte Eingabe I: Verbesserte Eingabesteuerung J: Automatische Fehlerprüfung K: Keine Anzeige von Kundenstammdaten L: Verbesserung der Lesbarkeit N: Mehrfarbigkeit Q: Ausbildung von Eingabe-, Verkaufs- und Servicepersonal Eingabepersonal Verkaufspersonal Servicepersonal Automatische Eingabe Manuelle Eingabe Input Output Formular Standardisiertes Format Verbesserte Ausbildung Verbesserte Hardware Bedienerfreundliche Software Eindeutige Papiervorlage Vereinfachung der Dateneingabe M: Keine Kundenstammdaten Kodierungssystem P: Unterschiede zwischen Produktgruppencodes O: Verkürzung des 11-stelligen Produktcodes <?page no="211"?> 194 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld nigen Problemlösungsideen ausgewählt, die ausgearbeitet oder umgesetzt werden sollen, bzw. die Reihenfolge ihrer Weiterbearbeitung festgelegt. Ein Instrument, mit dem eine solche Rangfolge aus Problemlösungsideen zur Schwerpunktbildung bei der Erarbeitung von Problemlösungsvorschlägen oder der Arbeits- und Zeitplanung gebildet werden kann, ist die Matrixdatenanalyse (vgl. Brassard (1996), S. 99 ff.). Die Matrixdatenanalyse ist eine Gruppe von Methoden, um eine Vielzahl von Problemlösungsideen nach der Dringlichkeit ihrer Realisation in eine Rangordnung zu bringen. Die Matrixdatenanalyse (Matrix Data-Analysis) ist in der Literatur unscharf abgegrenzt (vgl. Mizuno (1988), S. 197). So finden sich für dieses Instrument zum einen mehrere Bezeichnungen, wie z. B. Prioritization Matrix (vgl. Brassard (1996), S. 99) und Portfolio (vgl. Pfeifer (2001), S. 42). Auch werden ihm verschiedene Verfahren zugeordnet. Bei Mizuno ist es mit der Hauptkomponentenanalyse ein Verfahren der Multivariaten Analyse (zu diesem Verfahren vgl. z. B. Backhaus u. a. (2005), S. 291 ff.). Sie eignet sich zur Auswertung von Marktdaten und ist damit für das Kostenmanagement ohne Bedeutung. Brassart ordnet der Matrixdatenanalyse verschiedene Gewichtungsverfahren zu, die vor allem der Forderung nach Praktikabilität genügen sollen. Zu diesen zählen (vgl. Brassard (1996), S. 102 ff.) − die zielbezogenen und − die beziehungsorientierten Verfahren der Rangfolgebildung. (1) Zielbezogene Matrixdatenanalyse Zielbezogene Verfahren bilden die Rangfolge der Problemlösungsalternativen nach ihrem Beitrag zur Zielerreichung. Es handelt sich bei diesen Verfahren um Scoring- Modelle, die in den folgenden Schritten erstellt und ausgewertet werden (vgl. Brassard (1996), S. 103 ff.): − Schritt 1: Bestimmen der Ziele − Schritt 2: Festlegen der Zielgewichte − Schritt 3: Ermitteln der Einzelzielwerte − Schritt 4: Aggregieren der Einzelzielwerte zu einem Gesamtzielwert Den Ablauf der zielbezogenen Rangfolgebildung zeigt Beispiel 4.1 auf der Grundlage des systematischen Diagramms in Abb. 4.25 (vgl. Brassard (1996), S. 106 ff.). Die zu erreichenden Ziele werden im ersten Schritt im Rahmen einer Gruppendiskussion gewonnen. Angegeben werden das Zielkriterium und das Zielausmaß. Zur Festlegung der Zielgewichte, welche die relative Wichtigkeit der verschiedenen Ziele zum Ausdruck bringen, werden für den zweiten Schritt zwei Verfahren vorgeschlagen: − die Methode des paarweisen Zielvergleichs und − die Rangpunktemethode. <?page no="212"?> Kaizen Costing • 195 Bei der Methode des paarweisen Vergleichs wird jedes Ziel mit jedem anderen verglichen, um die Unterschiede in der Wichtigkeit festzustellen. Bewertet werden können die Bedeutungsunterschiede nach folgender Skala: a ij = 1: die Ziele i und j sind gleich wichtig, a ij = 5: das Ziel i ist wichtiger als das Ziel j a ij = 1/ 5: das Ziel i ist weniger wichtig als das Ziel j, a ij = 10: das Ziel i ist sehr viel wichtiger als das Ziel j, a ij = 1/ 10: das Ziel i ist deutlich weniger wichtig als das Ziel j. Die Ergebnisse dieses Vergleichs werden in einer Matrix mit den Zielen als Spalten- und Zeileneingänge festgehalten (vgl. Abb. 4.28). Zur Ermittlung der Zielgewichte g i (i = 1, ..., I) wird für jedes Ziel die Zeilensumme bestimmt und zur Summe der Zeilensummen in Beziehung gesetzt: J I J i ij ij j 1 i 1 j 1 g a a = = = = ∑ ∑∑ . Bei Anwendung des Rangpunkteverfahrens ordnet jedes Teammitglied den verfolgten Zielen individuelle Zielgewichte zu, deren Summe 1 beträgt. Das Zielgewicht jedes Zieles wird als Summe der ihm zugeordneten individuellen Zielgewichte ermittelt. Ziele mit einem geringen Zielgewicht können aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden. Im Beispiel 4.1 sind das die Ziele „Geringe Einführungskosten“ und „Verwendung von Standardsoftware“. Die Einzelzielwerte, die im dritten Schritt ermittelt werden, bilden die relative Vorteilhaftigkeit verschiedener Problemlösungsideen hinsichtlich eines einzelnen Zieles ab. Ermittelt werden können sie nach − der Methode des paarweisen Ideenvergleichs oder − dem Rangreihenverfahren. Zur Ermittlung der Einzelzielwerte sieht die Methode des paarweisen Ideenvergleichs vor, dass jede Idee hinsichtlich jedes einzelnen Zieles mit jeder anderen Idee verglichen wird. Für jedes der verfolgten Ziele wird eine Matrix mit den Problemlösungsideen als Zeilen- und Spalteneingänge gebildet, in deren Matrixfelder die Ergebnisse des Vergleichs eingetragen werden (vgl. Abb. 4.27). Bewertet werden kann die Vorteilhaftigkeit im Hinblick auf das Ziel i mit folgender Skala: b imn = 1: die Ideen m und n sind gleichwertig, b imn = 5: die Idee m ist vorteilhafter als die Idee n b imn = 1/ 5: die Idee m ist weniger vorteilhaft als die Idee n, b imn = 10: die Idee m ist sehr viel vorteilhafter als die Idee n, b imn = 1/ 10: die Idee m ist deutlich weniger vorteilhaft als die Idee n. <?page no="213"?> 196 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Die Einzelzielwerte werden anschließend wie die Zielgewichte nach der Methode des paarweisen Zielvergleichs berechnet. Beim Rangreihenverfahren bringt jedes Teammitglied die Problemlösungsideen für jedes einzelne Ziel in eine Rangordnung. Die Zielwerte der Problemlösungsideen werden für jedes einzelne Ziel durch die Addition der jeweiligen Rangplätze ermittelt. Der Gesamtzielwert einer Problemlösungsidee wird im vierten Schritt als Summe der mit den Zielgewichten multiplizierten Einzelzielwerte berechnet: I m i im i 1 W g b = = ⋅ ∑ . Werden die berechneten Gesamtzielwerte auf die Summe der Gesamtzielwerte bezogen, ergeben sich die relativen Gesamtzielwerte: M m m n n 1 w W W = = ∑ . Die Problemlösungsideen mit den höchsten relativen Gesamtzielwerten bilden die Schwerpunkte bei der Erarbeitung der Problemlösungsvorschläge bzw. der Arbeits- und Zeitplanung. Beispiel 4.1: Zielbezogene Matrixdatenanalyse (1) Bestimmung der Zielgewichte nach der Methode des paarweisen Zielvergleichs Ziel j Ziel i Geringe Einführungskosten Verwendung von Standardsoftware Schnelle Einführung Hohe Akzeptanz bei den Nutzern Minimaler Einfluss auf andere Abteilungen Zeilensumme (in %) Geringe Einführungskosten 5 0,1 0,1 0,2 5,4 (7,5) Verwendung von Standardsoftware 0,2 0,2 0,1 0,2 0,7 (1,0) Schnelle Einführung 10 5 0,1 0,2 15,3 (21,4) Hohe Akzeptanz bei den Nutzern 10 10 10 0,2 30,2 (42,2) Minimaler Einfluss auf andere Abteilungen 5 5 5 5 20,0 (27,9) Summe der Zeilensummen 71,6 Abb. 4.26: Bestimmung der Zielgewichte nach der Methode des paarweisen Zielvergleichs Die Ziele „Geringe Einführungskosten“ und „Verwendung von Standardsoftware“ weisen im Vergleich zu den drei anderen Zielen ein deutlich geringeres Zielgewicht auf. Sie werden deshalb nicht weiter berücksichtigt (vgl. Brassard (1996), S. 110). <?page no="214"?> Kaizen Costing • 197 (2) Ermitteln der Einzelzielwerte mit der Methode des paarweisen Ideenvergleichs Abb. 4.27 zeigt die Ermittlung der Einzelzielwerte für das Ziel „Schnelle Einführung“ (vgl. Brassard (1996), S. 113). Entsprechende Matrizen sind auch für die Ziele „Hohe Akzeptanz bei den Nutzern“ und „Minimaler Einfluss auf andere Abteilungen“ zu bilden. Alternativen A B C D E F G H I J K L M N O P Q Σ / (Anteil) A 0,2 0,2 5 10 0,2 10 0,2 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 5 5 0,1 36,9/ 4,2 B 5 5 10 10 0,2 10 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 10 5 0,2 56,6/ 6,5 C 5 0,2 5 10 0,2 10 0,2 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 5 5 0,1 41,7/ 4,8 D 0,2 0,1 0,2 1 0,1 5 0,2 0,1 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 1 0,2 0,1 8,9/ 1,0 E 0,1 0,1 0,1 1 0,2 5 0,1 0,1 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 1 0,2 0,1 8,6/ 1,0 F 5 5 5 10 5 10 5 5 5 5 1 1 0,2 5 5 0,2 72,4/ 8,3 G 0,1 0,1 0,1 0,2 0,2 0,1 0,2 0,1 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,2 0,1 0,1 2,2/ 0,3 H 5 5 5 5 10 0,2 5 1 1 1 0,2 0,2 0,1 5 5 0,2 48,9/ 5,6 I 10 5 10 10 10 0,2 10 1 5 5 1 5 1 10 5 1 89,2/ 10,3 J 5 5 5 5 5 0,2 5 1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 5 5 0,2 42,4/ 4,9 K 5 5 5 5 10 0,2 5 1 0,2 5 0,2 1 0,2 5 5 0,2 53,0/ 6,1 L 5 5 5 10 10 1 10 5 1 5 5 5 0,2 10 5 1 83,2/ 9,6 M 5 10 5 10 10 1 10 5 0,2 5 1 0,2 0,2 5 5 0,2 72,8/ 8,4 N 10 10 10 10 10 5 10 10 1 5 5 5 5 10 10 1 117,0/ 13,4 O 0,2 0,1 0,2 1 1 0,2 5 0,2 0,1 0,2 0,2 0,1 0,2 0,1 1 0,1 9,9/ 1,1 P 0,2 0,2 0,2 5 5 0,2 10 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,1 1 0,1 23,2/ 2,7 Q 10 5 10 10 10 5 10 5 1 5 5 1 5 1 10 10 103,0/ 11,8 Σ 869,9 Abb. 4.27: Bestimmung der Einzelzielwerte für das Ziel „Schnelle Einführung“ (3) Aggregation der Einzelzielwerte zu Gesamtzielwerten Bewertungskriterien Maßnahmen Schnelle Einführung Hohe Akzeptanz bei den Nutzern Minimaler Einfluss auf andere Abteilungen Zeilensumme (Anteil) A: Fehlervermeidungstraining 0,04 × 0,21=0,008 0,03 × 0,42=0,013 0,03 × 0,28=0,008 0,029 (0,03) B: Training für Kontrollen 0,07 × 0,21=0,015 0,04 × 0,42=0,017 0,02 × 0,28=0,006 0,038 (0,04) C: Problemlösungstraining 0,05 × 0,21=0,011 0,04 × 0,42=0,017 0,03 × 0,28=0,008 0,036 (0,04) D: Optische Eingabe 0,01 × 0,21=0,002 0,03 × 0,42=0,013 0,02 × 0,28=0,006 0,021 (0,02) E: Online-Eingabe durch Kunden 0,01 × 0,21=0,002 0,01 × 0,42=0,004 0,03 × 0,28=0,008 0,014 (0,02) F: Monitorgröße erhöhen 0,08 × 0,21=0,017 0,06 × 0,42=0,025 0,08 × 0,28=0,022 0,064 (0,07) G: Sprachgesteuerte Eingabe 0,04 × 0,28=0,011 0,011 (0,01) H: Menügesteuerte Eingabe 0,06 × 0,21=0,013 0,09 × 0,42=0,038 0,11 × 0,028=0,031 0,082 (0,09) I: Verbesserte Eingabesteuerung 0,1 × 0,21=0,021 0,09 × 0,42=0,038 0,11 × 0,28=0,031 0,09 (0,1) J: Automatische Fehlerprüfung 0,05 × 0,21=0,011 0,06 × 0,42=0,025 0,05 × 0,28=0,014 0,05 (0,06) K: Keine Anzeige der Kundenstammdaten 0,06 × 0,21=0,013 0,05 × 0,42=0,021 0,06 × 0,28=0,017 0,051 (0,06) L: Verbesserung der Lesbarkeit 0,1 × 0,21=0,021 0,06 × 0,42=0,025 0,9 × 0,28=0,025 0,071 (0,08) M: Keine Kundenstammdaten 0,08 × 0,21=0,017 0,06 × 0,42=0,025 0,02 × 0,28=0,006 0,048(0,05) N: Mehrfarbigkeit 0,13 × 0,21=0,027 0,13 × 0,42=0,055 0,11 × 0,28=0,031 0,113 (0,12) O: Verkürzung des 11-stelligen Produktcodes 0,01 × 0,21=0,002 0,12 × 0,42=0,05 0,03 × 0,28=0,008 0,06 (0,07) <?page no="215"?> 198 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld P: Unterschiede zwischen Produktgruppencodes 0,03 × 0,21=0,006 0,1 × 0,42=0,42 0,13 × 0,28=0,036 0,084 (0,09) Q: Ausbildung von Eingabe-, Verkaufs- und Servicepersonal 0,12 × 0,21=0,025 0,03 × 0,42=0,013 0,04 × 0,28=0,011 0,049 (0,05) Spaltensumme 0,911 Abb. 4.28: Ermittlung der Gesamtzielwerte Folgende Problemlösungsideen weisen die höchsten Gesamtzielwerte auf: N: Mehrfarbigkeit (0,12), I: Verbesserte Eingabesteuerung (0,1), H: Menügesteuerte Eingabe (0,09), P: Unterschiede zwischen Produktgruppencodes (0,09). Diese werden vor allen anderen Ideen realisiert (vgl. Brassard (1996), S. 116). (2) Beziehungsorientierte Matrixdatenanalyse Das beziehungsorientierte Verfahren der Rangfolgebildung kommt zur Anwendung, wenn zwischen den Problemlösungsideen enge Mittel-Ziel-Beziehungen bestehen. Diese Methode weist den Problemlösungsideen höchste Priorität zu, die Mittel für viele andere Ideen sind, d. h. Voraussetzungen für ihre Realisation schaffen. Dieses Verfahren läuft in folgenden Schritten ab (vgl. Brassard (1996), S. 124 ff.): − Schritt 1: Analyse der Intensität der Beziehungen zwischen den Problemlösungsideen − Schritt 2: Analyse der Richtung der Beziehungen zwischen den Problemlösungsideen − Schritt 3: Ermitteln der Beziehungswerte jeder Problemlösungsalternative − Schritt 4: Auswerten der Beziehungsmatrix Im ersten Schritt wird jede Problemlösungsidee mit jeder anderen verglichen. Bei diesem Vergleich werden die Beziehungen zwischen den Problemlösungsideen und die Intensität dieser Beziehungen festgestellt. Die Ergebnisse dieses Vergleichs werden in einer Matrix mit den Problemlösungsideen als Zeilen- und Spalteneingänge festgehalten. Einer Beziehung wird dabei ein umso höherer Punktwert zugeordnet, je stärker sie ist. Die Punktwerte werden im zweiten Schritt mit Pfeilen versehen, welche die Richtung der Beziehung anzeigen. Der nach links zeigende Pfeil ( ← ) bezeichnet eine Ziel-Beziehung, d. h. die Problemlösungsidee der jeweiligen Zeile ist ein Ziel der Problemlösungsidee in der jeweiligen Spalte. Zeigt der Pfeil nach oben ( ↑ ), liegt eine Mittelbeziehung vor. In diesem Fall ist die Idee der Zeile das Mittel zur Realisation der Idee in der Spalte (vgl. Abb. 4.29). Sind alle Beziehungen ermittelt und bewertet, werden im dritten Schritt für jede Zeile der Matrix die Summe der Punktwerte, die Anzahl der Beziehungen sowie der Mittel- und der Zielbeziehungen ermittelt. Zur Auswertung der Matrix werden die Problemlösungsideen im vierten Schritt zunächst nach der Summe der Punktwerte, d. h. der Stärke ihrer Beziehungen, in die Gruppe der Ideen mit starken, mittleren und schwachen Beziehungen gegliedert. Aus der Gruppe der Lösungsideen mit starken Beziehungen werden anschließend die Problemlösungsideen ausgewählt, die eine hohe Anzahl von Beziehungen zu anderen Lö- <?page no="216"?> Kaizen Costing • 199 sungsideen aufweisen. Aus diesen Lösungsideen werden schließlich diejenigen ausgewählt, bei denen die Mittelbzw. Zielbeziehungen dominieren. Mit der Realisation der Problemlösungsideen, bei denen die Mittel-Beziehungen dominieren, werden die Voraussetzungen für die Umsetzung anderer Lösungsideen geschaffen. Dominieren die Ziel-Beziehungen, weist das auf komplexe Problemlösungen hin, da zu ihrer Realisation eine Vielzahl anderer Ideen realisiert werden müssen. In die Auswahl der Lösungsideen, die weiter bearbeitet werden, sollten neben den Analyseergebnissen auch die Erfahrungen der Teammitglieder einfließen. Beispiel 4.2: Beziehungsorientierte Rangfolgebildung (1) Erstellen der Bewertungsmatrix (Schritte 1-3) A B C D E F G H I J K L S B MB ZB A ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ 30 5 5 0 B ← ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ← 60 8 6 2 C ← ← ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ 39 7 5 2 D ← ← ← ↑ ← ↑ ← 51 7 2 5 E ← ↑ ← ← 30 4 1 3 F ← ← ← ← ← ← ← ← ← 72 9 0 9 G ← ← ← ↑ ↑ ↑ ← ← 54 8 3 5 H ← ← ← ← ↑ ↑ 42 6 2 4 I ↑ 9 1 1 0 J ← ↑ ↑ ← ← 33 5 2 3 K ↑ ↑ 12 2 2 0 L ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ← 42 6 5 1 MB: Anzahl der Mittelbeziehungen; ZB: Anzahl der Zielbeziehungen; B: Anzahl der Beziehungen; S: Intensität der Beziehungen; : Starke Beziehung (9 Punkte); : Mittlere Beziehung (6 Punkte); : Schwache Beziehung (3 Punkte) A: Anstellen eines Marketing-Managers mit Erfahrungen auf dem Gebiet von Produkten für Kinder; B: Entwickeln von Produkttests unter Labor- und Gebrauchsbedingungen; C: Entwickeln von Anzeigen, die einen Vergleich mit den Produkten des Wettbewerbers zeigen; D: Entwickeln von Anzeigen, welche die Einfachheit der Verwendung hervorheben; E: Entwickeln von Anzeigen für hoch angesehene Zeitungen, die in städtischen Marktsegmenten erscheinen; F: Entwerfen von Verkaufsargumenten für das Händlernetz; G: Entwickeln von Anschauungsmaterial; H: Visuelle und akustische Werbematerialien kombinieren; I: Ermitteln genauer Informationen über die Kosten für die Händler; J: Sammeln korrekter Daten zu den Ergebnissen von Sicherheitstests; K: Ermitteln der zuständigen Entscheidungsträger in den Behörden; L: Einhalten der behördlich vorgegebenen Anforderungen an das Produkt. Abb. 4.29: Beziehungsmatrix (2) Auswerten der Bewertungsmatrix Problemlösungsidee S B MB ZB A 30 B 60 8 6 2 C 39 D 51 7 2 5 E 30 F 72 9 0 9 G 54 8 3 5 H 42 I 9 J 33 K 12 L 42 Abb. 4.30: Auswahl der Problemlösungsideen <?page no="217"?> 200 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld 4.4.5 Instrumente für die Umsetzung Im PDCA-Zyklus wird in der Phase der Umsetzung ein Arbeitsplan zur Realisation des ausgewählten Lösungsvorschlages erarbeitet. Aufgabe der Arbeitsplanung ist die Festlegung aller Aktivitäten zur Realisation des Problemlösungsvorschlages und der Reihenfolge, in der sie ausgeführt werden. Geplant wird letztendlich der Prozess zur Realisation des erarbeiteten Problemlösungsvorschlages. Zur Unterstützung der Arbeitsplanung kann die Netzplantechnik eingesetzt werden, die hier aber nicht betrachtet werden soll. Ein weiteres Instrument zur Unterstützung der Arbeitsplanung ist das Prozessplanungsdiagramm (Process Determination Programm Chart, PDPC; vgl. Mizuno (1988), S. 217). Zum Einsatz gelangt es, wenn während des Realisationsprozesses Störungen auftreten können, die hinsichtlich der Art vorhersehbar sind. Erstellt wird ein Prozessplanungsdiagramm nur bei neuartigen Problemlösungen mit einem komplexen Realisationsprozess, der unter Zeitdruck ausgeführt werden muss, und ein Fehlschlag zu spürbaren Verlusten führt (vgl. Brassard (1996), S. 172 f.). Das Prozessplanungsdiagramm ist eine Abbildung der Aktivitäten zur Realisation des Problemlösungsvorschlages, der unsicheren Einflüsse auf die Wirkungen dieser Aktivitäten sowie der Gegenmaßnahmen zur Sicherung der erwünschten Wirkungen des Problemlösungsvorschlages. Mit dem Prozessplanungsdiagramm können in der Phase der Umsetzung folgende Zwecke verfolgt werden (vgl. Brassard (1996), S. 172): − die Gestaltung eines Realisationsprozesses, der auch bei ungünstigen Einflüssen zur Zielerreichung führt, oder − die Schaffung von Prozessalternativen, um bei Eintritt unerwarteter Einflüsse unmittelbar reagieren zu können. Den Aufbau eines Prozessplanungsdiagramms zeigt Abb. 4.31. Erstellt wird ein Prozessplanungsdiagramm in folgenden Schritten (vgl. Mizuno (1988), S. 228 f.; Brassard (1996), S. 179 ff.): − Schritt 1: Erstellen eines groben Arbeitsplanes für den Prozess zur Realisation des Problemlösungsvorschlages − Schritt 2: Suche nach möglichen Störungen − Schritt 3: Bewerten der möglichen Störungen − Schritt 4: Generieren möglicher Gegenmaßnahmen − Schritt 5: Bewerten der generierten Gegenmaßnahmen − Schritt 6: Prüfen und Anpassen des Prozessplanungsdiagramms Im ersten Schritt wird ein grober Arbeitsplan erstellt, der maximal zwei Ebenen des durch die Arbeitsplanung erstellten mehrstufigen Projektstrukturplans sowie die zwischen diesen Aktivitäten bestehenden Reihenfolgebeziehungen enthält. Dieser grobe <?page no="218"?> Kaizen Costing • 201 Arbeitsplan bildet im Prozessplanungsdiagramm die beiden Ebenen unterhalb der Beschreibung des zu implementierenden Problemlösungsvorschlags. Abb. 4.31: Struktur eines PDP-Diagramms Für jede einzelne Aktivität wird im zweiten Schritt nach Störungen gesucht, die bei ihrer Ausführung möglicherweise auftreten können. Für die Suche nach den potentiellen Störungen wird das Brainstorming vorgeschlagen. In diesem Prozess wird jede Störung auf einem Kärtchen notiert, das anschließend jeweils unterhalb der Aktivität eingefügt wird, bei der die Störung möglicherweise auftritt. Zur Bewertung der Störungen im dritten Schritt werden ihre Wirkungen auf das mit der Problemlösung verfolgte Ziel sowie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens prognostiziert. Auf der Basis dieser Bewertung werden die potentiellen Störungen ausgewählt, für die anschließend Gegenmaßnahmen erarbeitet werden. Für die ausgewählten Störungen werden im vierten Schritt durch Brainstorming mögliche Gegenmaßnahmen generiert. Die generierten Gegenmaßnahmen bilden die unterste Ebene des Prozessplanungsdiagramms. Im fünften Schritt werden die generierten Einführen eines neuen Systems der Qualitätskostenrechnung Einführen des Systems in einem Pilotbereich Bilden eines Projektteams Erweitern des Systems auf andere Bereiche Aktivitäten der ersten Ebene Umzusetzende Problemlösung Erfassen der Anforderungen an das System bei den Betroffenen Erfassen der Qualitätskosten Aktivitäten der zweiten Ebene Widerstände auf der mittleren Managementebene Keine Kostendaten vorhanden Einflussgrößen Anweisung von der übergeordneten Ebene der Managementebene Herausstellen der Vorteile des einzuführenden Systems Modifizieren der Kostenrechnung der Unternehmung Direktes Erfassen der Kosten Gegenmaßnahmen ... ... ... Realisation <?page no="219"?> 202 • Kontinuierliche Verbesserung als Handlungsfeld Gegenmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Durchführbarkeit und Komplexität beurteilt und diejenigen ausgewählt, die umgesetzt werden sollen. Mit der Neuartigkeit der umzusetzenden Problemlösung sinkt die Planbarkeit des Realisationsprozesses. Während der Umsetzung des Problemlösungsvorschlages können deshalb Abweichungen von dem Arbeitsplan, der dem Prozessplanungsdiagramm zugrunde liegt, notwendig werden. Derartige Abweichungen können zur Folge haben, dass weitere Störungen erwartet werden müssen oder die Risiken zunehmen, die von bereits erkannten, jedoch als unbedeutend eingestuften Störungen ausgehen. Der sechste Schritt sieht deshalb vor, dass ein vor der Realisation erstelltes Prozessplanungsdiagramm parallel zum Realisationsprozess regelmäßig hinsichtlich der Aktualität des zugrunde liegenden Arbeitsplanes, der Vollständigkeit der potentiellen Störungen und der korrekten Einschätzung der von den Störungen ausgehenden Risiken überprüft und gegebenenfalls angepasst wird (vgl. Mizuno (1988), S. 221 ff.). <?page no="220"?> Teil 3: Gestaltungsbereiche des Kostenmanagements 5 Prozessorientiertes Kostenmanagement 5.1 Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagements 5.1.1 Begriff des prozessorientierten Kostenmanagements Das prozessorientierte Kostenmanagement zielt auf die Gestaltung der Effizienz durch die Einflussnahme auf die Träger der Gestaltung und der Ausführung der Prozesse zur Erstellung und Verwertung der Unternehmungsleistung. Ein Prozess ist die einem Prozessträger zugeordnete, wiederholbare räumlich und zeitlich spezifizierte Folge von Aktivitäten mit messbarem Input und Output, die für den Prozesskunden einen Nutzen schafft (vgl. Davenport (1993), S. 5; Corsten (1997), S. 16 f.). Bei einer Aktivität handelt es sich dabei um eine unteilbare abgeschlossene Verrichtung. Ein Prozess hat immer mindestens einen Lieferanten , der den erforderlichen Input bereitstellt und dadurch den Prozess anstößt. Dieser Input wird mit dem Ziel kombiniert und transformiert, das von einem Prozesskunden geforderte Ergebnis zu erlangen. Die Übergabe dieses Ergebnisses an den Prozesskunden markiert den Abschluss des Prozesses. Ein Prozess kann interne Kunden haben oder Kunden auf dem Absatzmarkt. Ein interner Kunde ist ein nachfolgender Prozess, in den der Output des betrachteten Prozesses als Input eingeht (vgl. Corsten (1997), S. 17). Prozesse können innerhalb eines Funktionsbereiches oder bereichsübergreifend ablaufen (vgl. Davenport (1993), S. 8). Bereichsübergreifende Prozesse werden auch als Geschäftsprozesse bezeichnet (vgl. Osterloh/ Frost (2006), S. 33). Beispiele für Geschäftsprozesse sind die Produktentwicklung und die Auftragsabwicklung. Prozesse, die innerhalb eines Funktionsbereiches durchgeführt werden und Elemente des Geschäftsprozesses „Auftragsabwicklung“ bilden, sind z. B. „Fertigungsauftrag planen“, „Material beschaffen“, „Maschine rüsten“ und „Produkt bearbeiten“. Das prozessorientierte Kostenmanagement ist ein Gestaltungsbereich des Kostenmanagements der Unternehmung. Abgegrenzt werden kann das prozessorientierte Kostenmanagement durch (vgl. Abschnitt 1.3.3.) − den Prozesswert als Gestaltungsobjekt und − die Kosten beeinflussenden Prozessmerkmale als Gestaltungsparameter. Das prozessorientierte Kostenmanagement ist die zielorientierte Gestaltung des Wertes von Prozessen durch die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen bei der Gestaltung und Durchführung dieser Prozesse. <?page no="221"?> 204 • Prozessorientiertes Kostenmanagement 5.1.2 Merkmale des prozessorientierten Kostenmanagements 5.1.2.1 Prozesswert als Gestaltungsobjekt Zur zielorientierten Verbesserung der Wirtschaftlichkeit können die Determinanten der Effizienz , d. h. die eingesetzten Ressourcen bzw. Kosten und die interne Leistung, nur in den Grenzen der effektivitätsbezogenen Restriktion angepasst werden (vgl. Abschnitt 1.3.3.1). Die interne Leistung eines Prozesses kann durch die quantitativen, qualitativen und zeitlichen Merkmale seines Outputs erfasst werden. Die effektivitätsbezogene Restriktion hat die Anforderungen des Prozesskunden zum Inhalt, die erfüllt werden sollen. Werden die eingesetzten Ressourcen bzw. Kosten zu dem Beitrag des Prozessoutputs zur Erfüllung der Anforderungen des Prozesskunden in Beziehung gesetzt, ergibt sich eine Form der Effizienz eines Prozesses, die hier als Prozesswert bezeichnet wird. Der Prozesswert ist definiert als Verhältnis des Kundennutzens eines Prozesses, d. h. seines Beitrags zur Erfüllung der Anforderungen der Prozesskunden, und den hierfür einzusetzenden Ressourcen bzw. den Kosten dieses Ressourceneinsatzes (vgl. Barfield/ Fisher/ Goolsby (2004), S. 23). Um den Prozesswert zu erhöhen, können drei Wege beschritten werden: − die Senkung der Kosten bei unveränderter interner Leistung und damit gleichbleibendem Kundennutzen; − die Senkung der Kosten durch den Abbau interner Leistungen bei unverändertem Kundennutzen (kundenbedingte Ineffizienz) bzw. bei einer Abnahme des Kundennutzens, die jedoch unter der Kostensenkung liegt; − die Verbesserung der internen Leistung bei Zunahme des Kundennutzens und konstanten Kosten bzw. bei einer Zunahme des Kundennutzens, die über der Kostenerhöhung liegt. Determiniert wird der Kundennutzen durch die Funktionalität und die Qualität des Prozesses. Unter der Funktionalität werden die Wirkungen des Prozesses verstanden, die zur Befriedigung der Bedürfnisse des Kunden beitragen. Sie betreffen die Merkmale des Outputs sowie die Unsicherheit der Kunden im Hinblick auf die anforderungsgerechte Bereitstellung des Outputs. Die Qualität bezeichnet das Niveau dieser Wirkungen. Beispielsweise sind die Kosten, die der Output eines Prozesses bei seinen Kunden verursacht (z. B. Lagerhaltungskosten) ein Element der Funktionalität. Die Höhe dieser Kosten ist dagegen ein Qualitätsmerkmal. Um einen Prozess an einem Bearbeitungsobjekt zur Schaffung von Kundennutzen vollziehen zu können, sind folgende Ressourcen einzusetzen: Arbeitskräfte, Betriebsmittel, Material und das in den Bearbeitungsobjekten gebundene Kapital. Die Kosten, die durch den Verbrauch dieser Ressourcen anfallen, können in folgende Kategorien gegliedert werden: <?page no="222"?> Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagements • 205 − die Prozesskosten, − die Fehlerkosten, − die Zinskosten sowie − die Schnittstellenkosten. Prozesskosten sind die monetäre Abbildung der Arbeits- und Maschinenleistung sowie der Repetiergüter, die bei der Erstellung des Prozessoutputs verbraucht werden. Fehlerkosten entstehen für Output, der den Anforderungen nicht genügt. Sie werden u. a. durch Nacharbeit und Ausschuss verursacht. Die Zinskosten fallen für das Kapital an, das während der Prozesszeit in den Bearbeitungsobjekten gebunden ist. Die Prozesszeit setzt sich aus der Prozessdurchführungszeit (Rüstzeit, Ausführungszeit) sowie den Liege-, Transport- und Kontrollzeiten zusammen (vgl. Kajüter (2002), S. 253 f.). Schnittstellenkosten werden durch die Übernahme des Bearbeitungsobjektes von den Prozesslieferanten und die Übergabe des Bearbeitungsobjektes an einen Prozesskunden verursacht. Zu ihnen zählen Transport-, Lager- und Koordinationskosten. Maßnahmen der Prozessgestaltung haben nur dann einen unmittelbaren Einfluss auf die Kosten , wenn sie zu einer Reduzierung des Verbrauchs an Repetierfaktoren führen. Eine Verringerung des in den Arbeitsobjekten gebundenen Kapitals oder des Bedarfs an Potentialfaktoren führen nur mittelbar nach einer Anpassung der Kapazitäten bzw. der Finanzierungspolitik zu einer Kostensenkung (vgl. Johnson (1988), S. 27). Die Kostenwirkungen von Maßnahmen der Prozessgestaltung hängen deshalb auch von den Maßnahmen zur Umsetzung eines verringerten Kapazitäts- oder Kapitalbedarfs in Kostensenkungen ab. Durch das prozessorientierte Kostenmanagement können deshalb nur die Kosten des Repetierfaktorverbrauchs sowie der Potentialfaktor- und Kapitalbedarf der Prozesse unmittelbar gestaltet werden. Das prozessorientierte Kostenmanagement bedarf deshalb immer der Ergänzung durch ein potentialorientiertes Kostenmanagement (vgl. Kapitel 5). Neben dem Kundennutzen weist der Prozesswert folgende Kosten bzw. Ressourcen als Bestandteile auf: − die Prozesskosten, d. h. der bewertete Verbrauch des Prozesses an Repetierfaktoren, − den Potentialfaktorbedarf und − den Kapitalbedarf für die Bearbeitungsobjekte der Prozesse. 5.1.2.2 Prozessmerkmale als Gestaltungsparameter Gestaltungsparameter des prozessorientierten Kostenmanagements sind die Kosten beeinflussenden Prozessmerkmale , die durch die Prozessgestaltung zielorientiert festgelegt werden. Zu ihnen zählen (in Anlehnung an Wild (1966), S. 119 ff.): <?page no="223"?> 206 • Prozessorientiertes Kostenmanagement − die Prozess-Struktur, − der Prozessablauf sowie − die Prozessträger. Die Prozess-Struktur ist durch die Art und die Anzahl der Prozesse in der Unternehmung gekennzeichnet. Die Art eines Prozesses lässt sich durch die Prozesslieferanten, den Prozessinput, die Aktivitäten, aus denen er sich zusammensetzt, den Prozessvollzug, die Funktionalität und Qualität des Prozessoutputs sowie die Prozesskunden kennzeichnen. Der Prozessablauf wird durch die Reihenfolge, in der die Prozesse vollzogen werden, ihre Terminierung und die Zuordnung zu einem Vollzugsort determiniert. Die Aktivitäten eines Prozesses werden einem Prozessträger zugeordnet. Bei der Prozessgestaltung sind die Herkunft des Prozessträgers, seine Kompetenzen sowie die Instanz festzulegen, der er untergeordnet ist. Nach der Herkunft der Prozessträger können unternehmungsinterne und -übergreifende Prozesse abgegrenzt werden. Die Aktivitäten eines unternehmungsübergreifenden Prozesses werden gemeinsam mit einer oder mehreren Unternehmungen ausgeführt. Bei diesen Unternehmungen kann es sich neben Lieferanten und Kunden auch um Co-Lieferanten und Co-Kunden handeln. Co-Lieferanten sind nicht konkurrierende Unternehmungen, die bei der Belieferung eines oder mehrerer Kunden zusammenarbeiten. Als Beispiel werden ein Joghurt- und ein Butter-Hersteller genannt, die Supermärkte gemeinsam beliefern, um die Transportkapazitäten effizienter nutzen zu können. Analog sind Co-Kunden Unternehmungen, die bei der Beschaffung von einem Lieferanten kooperieren (vgl. Hammer (2002), S. 230). Abb. 5.1 gibt einen Überblick über Gestaltungsparameter des prozessorientierten Kostenmanagements. Abb. 5.1: Gestaltungsparameter des prozessorientierten Kostenmanagements Anzahl der Prozesse Art der Prozesse Ort der Ausführung Reihenfolge der Prozesse Kompetenzen Gestaltungsparameter des prozessorientierten Kostenmanagements Prozess-Struktur Prozessablauf Prozessträger Anfangszeitpunkte der Prozesse Unterstellung Prozessinput Prozessvollzug Aktivitäten Prozesskunden Prozessoutput Herkunft Prozesslieferanten <?page no="224"?> Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagements • 207 In der Literatur wird eine Vielzahl von Maßnahmen zur zielorientierten Veränderung der Prozessmerkmale genannt. Abb. 5.2 gibt einen Überblick über Maßnahmen der Prozessgestaltung (vgl. Brimson (1992), S. 82 f.; Harrington (1991), S. 131 ff.; Ostrenga/ Probst (1992), S. 6; Barfield/ Fisher/ Goolsby (2004), S. 24 f.). Als Maßnahmen zur Kostengestaltung werden u. a. diskutiert: − der Abbau nicht wertschöpfender Aktivitäten, − die Kooperation sowie − die Prozessverlagerung. (1) Abbau nicht wertschöpfender Aktivitäten Nicht wertschöpfende Aktivitäten verbrauchen Ressourcen, ohne einen entsprechenden Nutzen für den Prozesskunden zu stiften. Gründe für nicht wertschöpfende Aktivitäten sind Redundanzen, der Wegfall der Notwendigkeit von Prozessen, mangelnde Effektivität durch unzureichende Prozessbeherrschung, Ungewissheit oder Prozessfehler (vgl. Scholz/ Vrohlings (1994), S. 119). Als Beispiele für nicht wertschöpfende Prozesse werden Lager- und Rüstprozesse genannt. Den nicht wertschöpfenden Aktivitäten stehen die direkt und die indirekt wertschöpfenden Aktivitäten gegenüber. Direkt wertschöpfende Aktivitäten leisten unmittelbar einen Beitrag zum Nutzen des externen Kunden, wie z. B. „Auftrag kommissionieren“ und „Teile montieren“. Aktivitäten, die Voraussetzungen für direkt wertschöpfende Aktivitäten schaffen, ohne selbst einen Beitrag zum Nutzen der externen Kunden zu leisten, wie z. B. die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern, werden als indirekt wertschöpfend bezeichnet (vgl. Weth (1997), S. 67). (2) Kooperationen Durch Kooperationen mit anderen Unternehmungen werden die Voraussetzungen für eine unternehmungsübergreifende Prozessgestaltung geschaffen. Für diesen Bereich der Prozessgestaltung eignen sich die Auftragsabwicklung sowie die Entwicklung eines Produktes und seiner Komponenten (vgl. Hammer (2002), S. 226). Die unternehmungsübergreifende Prozessgestaltung umschließt vor allem das Verbessern der Schnittstellen zwischen den Prozessen der Unternehmung und des Kooperationspartners durch folgende Maßnahmen (vgl. Hammer (2001), S. 90 f.): − Intensivieren des unternehmungsübergreifenden Austausches der für den Vollzug der Prozesse relevanten Daten, − Vermeiden der Mehrfacheingabe relevanter Daten durch Übermittlung in einer elektronisch auswertbaren Form, − Schaffen einer gemeinsamen Datenbasis, − Abbau redundanter Aktivitäten sowie <?page no="225"?> 208 • Prozessorientiertes Kostenmanagement − Zuordnung jeder Aktivität zu der Unternehmung, die sie am effizientesten bzw. effektivsten ausführen kann. Gestaltungsparameter Maßnahme der Prozessgestaltung Erläuterung Bereinigen von Prozessen Nicht wertschöpfende Aktivitäten werden aus einem Prozess eliminiert. Erweitern von Prozessen Aktivitäten werden einem Prozess hinzugefügt. Verbessern von Schnittstellen Aktivitäten direkt aufeinanderfolgender Prozesse werden abgestimmt (z. B. Abbau von Medienbrüchen, Veränderung der Zuordnung der Aktivitäten zu den Prozessen) Vereinfachen von Prozessen Die Funktionalität und Qualität eines Prozesses werden reduziert. Verbessern des Prozessvollzugs Der Prozessvollzug wird optimiert. Maßnahmen sind − die Veränderung der Abfolge der Aktivitäten im Prozess, − die Standardisierung, − die Verbesserung der Potentialgüter (z. B. Automatisierung), der Repetiergüter und der Informationsversorgung, − die Abstimmung mit angrenzenden Prozessen. Prozess-Struktur Segmentieren von Prozessen Es werden mehrere Prozessvarianten geschaffen, die jeweils für eine spezifische Situation geeignet sind. Die verschiedenen Situationen können nach Kundengruppen (Bearbeitung von Kreditanträgen für Firmen-, Privatkunden), Objekten (Beschaffung von Normteilen, Sonderausführungen) oder der Komplexität (Routinefälle, mittelschwere Fälle, komplexe Fälle) abgegrenzt werden. 1 Parallelisieren und Überlappen von Prozessen Es wird auf eine streng sukzessive Abfolge der Prozesse verzichtet, um die Durchlaufzeit zu verkürzen. Prozessablauf Umstellen von Prozessen Die Reihenfolge von Prozessen wird verändert. Verlagern von Prozessen Prozesse werden auf eine andere Organisationseinheit übertragen. Spalten von Prozessen Aus den Aktivitäten eines Prozesses werden Teilmengen gebildet, die verschiedenen Prozessträgern zugeordnet werden. Zusammenfassen von Prozessen Aktivitäten, die bisher von verschiedenen Prozessträgern vollzogen worden sind, werden einem Prozessträger zugeordnet. Prozessträger Kooperation Der Prozess wird mit anderen Unternehmungen gemeinsam ausgeführt (Kunden, Lieferant, Co-Lieferant, Co-Kunde), z. B. das Cosourcing, bei dem Prozesse gemeinsam mit einem Lieferanten ausgeführt werden. 2 1 vgl. Osterloh/ Frost (2006), S. 52 ff. 2 vgl. Clinton/ Del Vecchio (2002), S. 5 f. Abb. 5.2: Maßnahmen der Prozessgestaltung Es gibt erste empirische Hinweise darauf, dass sich in Supply Chains die Intensivierung des Informationsaustausches zwischen den Kooperationspartnern positiv auf den Supply-Chain-Erfolg auswirkt. Bei einer Intensivierung der Prozessintegration, z. B. durch eine kooperative Bestandssteuerung oder die gemeinsame Mengenplanung, <?page no="226"?> Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagements • 209 übersteigen die Kosten der Zusammenarbeit jedoch die durch gemeinsame Durchführung erzielten Vorteile (vgl. Magnus u. a. (2008), S. 264 f.). (3) Prozessverlagerung Bei einer Prozessverlagerung werden Prozesse auf eine andere Organisationseinheit übertragen. Ansätze der Prozessverlagerung sind − das Outsourcing, − das Offshoring und − das Bilden von Shared Service Centern. Outsourcing ist der Übergang von der Eigenerstellung einer bestimmten Leistung zum Fremdbezug von einer anderen Unternehmung. Beim externen Outsourcing wird die Leistungserstellung auf eine rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmung übertragen. Ist der Outsourcing-Partner eine verbundene Unternehmung, liegt internes Outsourcing vor (vgl. Matiaske/ Mellewigt (2002), S. 644). Vom Business Process Outsourcing wird gesprochen, wenn ein kompletter Geschäftsprozess mit dem Ziel der Prozessoptimierung und -standardisierung auf eine andere Unternehmung übertragen wird (vgl. Schewe/ Kett (2007), S. 2 ff.). Durch Outsourcing von Prozessen können fixe Kosten variabilisiert und die Gesamtkosten gesenkt werden. Gründe für mögliche Kostensenkungen sind − Degressionseffekte, − eine effizientere Leistungserstellung durch den Outsourcing-Partner und − exogene Kostenvorteile des Outsourcing-Partners. Beim Outsourcing werden die Prozesse auf eine Unternehmung übertragen, die auf die Erstellung und Verwertung der betreffenden Leistung spezialisiert ist. Sie bietet diese Leistung einem breiteren Kundenkreis an und erzielt durch größere Absatzmengen Degressionseffekte (vgl. Abschnitt 8.2.2). Größere Absatzmengen bewirken zudem Erfahrungskurveneffekte und damit Effizienzvorteile bei der Leistungserstellung (vgl. Abschnitt 8.2.3). Beispiele für exogene Kostenvorteile sind niedrigere Löhne oder günstigere Steuertarife (vgl. Matiaske/ Mellewigt (2002), S. 646). Die Senkung von Kosten durch die Verlagerung von Prozessen auf Organisationseinheiten in Niedriglohnländern wird als Offshoring bezeichnet. Offshoring ist nicht zwangsläufig mit Outsourcing verbunden. Neben dem Offshore- Outsourcing sind das Offshore Joint Venture und die Offshore Tochtergesellschaft weitere Erscheinungsformen des Offshoring . Gegenstand des Offshoring sind gegenwärtig vor allem Dienstleistungen aus den Bereichen IT, Finanz- und Rechnungswesen sowie wissensintensive Entwicklungs- und Programmiertätigkeiten (vgl. Brandau/ Ufer (2008), S. 371 ff.). <?page no="227"?> 210 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Shared Service Center erbringen Verwaltungsleistungen und unterstützende Dienstleistungen für mehrere interne und gegebenenfalls auch für externe Kunden (vgl. Fischer/ Sterzenbach (2007), S. 464). Bei den Verwaltungs- und unterstützenden Dienstleistungen kann es sich z. B. um die Personalverwaltung, das Rechnungswesen, das Immobilienmanagement, die Datenverwaltung oder die Logistik handeln. In der Regel verbleibt der Shared Service Center in der Unternehmung oder zumindest in einer verbundenen Unternehmung. Der Aufbau und Betrieb eines Shared Service Centers kann aber auch einem Joint Venture oder einer Unternehmung übertragen werden, die auf die Erstellung der speziellen Verwaltungs- oder Dienstleistung spezialisiert ist (vgl. Dressler (2007), S. 89 f.). Nach der Orientierung am internen und externen Kunden werden vier Typen von Shared Service Centern unterschieden, die in Abb. 5.3 erläutert werden (vgl. Gerybadze/ Martin-Pérez (2007), S. 475 f.). Interne Externe Kundenorientierung Niedrig Hoch Hoch Klassischer Shared Service Center − Die Serviceleistung wird ausschließlich intern bezogen. − Die abnehmenden Unternehmungsbereiche definieren Leistungsumfang und -qualität (Service Level Agreement). Professionelles Shared Service Center − Mit externen Kunden wird ein hoher Anteil am Umsatz erzielt. − Die internen Unternehmungsbereiche können die Serviceleistung auch extern beziehen. Niedrig Pseudo Shared Service Center − Die Serviceleistung wird ausschließlich intern angeboten. − Die Unternehmungsbereiche dürfen die Serviceleistung nicht extern beziehen. Outsourcing Shared Service Center Das Shared Service Center bietet eine marktfähige Serviceleistung an, die keine direkte Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Unternehmung hat. Abb. 5.3: Typen von Shared Service Centern Shared Service Center, die sich an externen Kunden orientieren, haben aus Sicht der Effizienzgestaltung zwei Vorteile (vgl. Abschnitt 2.3.2.2): (1) Die Verwaltungsleistungen werden unter Wettbewerbsbedingungen erbracht. Das stärkt im betroffenen Verwaltungsbereich die Motivation zur effizienten Leistungserstellung. Einer Tendenz zum Empire Building kann entgegengewirkt werden. (2) Für die Verrechnung der internen Bereitstellung der Verwaltungsleistung stehen Marktpreise zur Verfügung. Die <?page no="228"?> Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagements • 211 Unternehmungsbereiche, die Verwaltungsleistungen des Shared Service Centers beziehen, können dadurch mit den zu Marktpreisen bewerteten Verwaltungsleistungen belastet werden, die sie tatsächlich beansprucht haben. Die leistungsbeanspruchenden Unternehmungsbereiche werden damit zu einem effizienten Umgang mit Verwaltungsleistungen motiviert (vgl. Wileman (2008), S. 185 ff.). 5.1.3 Handlungsfelder des prozessorientierten Kostenmanagements Das prozessorientierte Kostenmanagement umfasst die in Abb. 5.4 genannten vier Handlungsfelder. Abbau von Ineffizienzen Prozessoptimierung (= Kontinuierliche Verbesserung der Prozesse) Prozessrationalisierung − Prozessinnovation − Prozessverbesserung Vermeiden von Ineffizienzen Prozessvollzug Neugestaltung von Prozessen Schaffen einer effizienten Leistungserstellung Schaffen effizienter Rahmenbedingungen Abb. 5.4: Handlungsfelder des prozessorientierten Kostenmanagements Die Neugestaltung von Prozessen ist u. a. Gegenstand der langfristigen Fertigungsplanung bei der Einführung neuer Produkte und der Layoutplanung bei einer Betriebserweiterung. Beim Prozessvollzug kann die Effizienz der Leistungserbringung z. B. durch eine an Effizienzzielen ausgerichtete operative Produktionsplanung und -steuerung oder die Kostenplanung und -kontrolle einer flexiblen Plankostenrechnung gesichert werden. Die Prozessrationalisierung ist die Anpassung von Prozessen an veränderte Unternehmungs- und Umweltbedingungen. Nach dem Eingriff in den strukturellen Aufbau der Unternehmung werden zwei Formen der Prozessrationalisierung unterschieden (vgl. Gaitanides/ Scholz/ Vrohlings (1994), S. 11; Davenport (1996), S. 24): − die Prozessinnovation und − die Prozessverbesserung. Bei der Prozessinnovation handelt es um eine bereichsübergreifende Neugestaltung bestehender Prozesse unter vollständiger Ausblendung der bestehenden Abläufe und <?page no="229"?> 212 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Strukturen. Mit einer Prozessinnovation wird angestrebt, den strukturellen Aufbau der Unternehmung an den Arbeitsabläufen bei Abkehr von funktionalen Organisationsprinzipien auszurichten (vgl. Kieser (1996), S. 243 ff.). Dadurch können auch die Kostensenkungspotentiale an den Schnittstellen zwischen Abteilungen oder Bereichen ausgeschöpft werden. Alle Gestaltungsparameter des prozessorientierten Kostenmanagements werden hinterfragt, um das gesamte vorhandene Kostensenkungspotential ausschöpfen zu können. Ziele einer Prozessinnovation sind Quantensprünge bei der Verbesserung der Leistungsgrößen (Kosten, Qualität, Service, Zeit) der Unternehmung (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 48 ff.). Bei der Prozessverbesserung geht es um die Anpassung von Prozessen und des Prozessablaufs innerhalb der gegebenen Aufbaustruktur der Unternehmung. Vollzogen wird die Prozessverbesserung durch Rationalisierungsprojekte innerhalb abgegrenzter Unternehmungsbereiche. Abstimmungsverluste zwischen Abteilungen können durch die Prozessverbesserung nicht erschlossen werden (in Anlehnung an Gaitanides/ Scholz/ Vrohlings (1994), S. 11). Die Prozessoptimierung zielt auf den Abbau von Verlusten beim Vollzug definierter Prozesse durch die kontinuierliche Verbesserung. Als Ansatz der Prozessoptimierung wird das Prozess-Kaizen genannt (vgl. Davenport (1993), S. 24). Abb. 5.5 gibt eine zusammenfassende Gegenüberstellung der Prozessrationalisierung und -optimierung wieder. Prozessinnovation Prozessverbesserung Handlungsfeld Abgrenzungsmerkmal Rationalisierung Prozessoptimierung/ Kontinuierliche Verbesserung Gestaltungsparameter Merkmale der Prozess- Struktur, des Prozessablaufs und der Prozessträger Merkmale der Prozess- Struktur, des Prozessablaufs und der Prozessträger bei gegebener Aufbaustruktur der Unternehmung Vollzug der Prozesse Anpassung der Aufbaustruktur der Unternehmung Ausrichtung an den Abläufen Keine Keine Durchführung Ausnahmsweise bei Vorliegen spezifischer Bedingungen Unregelmäßig in längeren Zeitabständen Kontinuierlich Abb. 5.5: Gegenüberstellung von Handlungsfeldern des prozessorientierten Kostenmanagements <?page no="230"?> Abgrenzung des prozessorientierten Kostenmanagements • 213 5.2 Prozessinnovationen zur zielorientierten Effizienzgestaltung 5.2.1 Kennzeichnung von Prozessinnovationen 5.2.1.1 Merkmale von Prozessinnovationen Unter einer Prozessinnovation wird die zielorientierte Umgestaltung bestehender Prozesse verstanden, durch die der strukturelle Aufbau von Bereichen in der Unternehmung bei Abkehr von funktionalen Organisationsprinzipien an den Arbeitsabläufen in der Unternehmung ausgerichtet wird. Hammer/ Champy zählen 19 Merkmale auf, die in Unternehmungen nach einer Prozessinnovation zu beobachten sind (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 71 ff.). Diese Merkmale können als Parameter und Folgewirkungen bzw. Voraussetzungen der Prozessinnovation verstanden werden. Abb. 5.6 gibt einen Überblick über diese Merkmale (vgl. Theuvsen (1996), S. 67; Bogaschewsky/ Rollenberg (1998), S. 244 ff.). Prozess-Struktur − Abkehr von funktionalen hin zu kunden- oder produktorientierten Strukturen − Dezentralisation mit zentralen Elementen − Prozessverlagerung − Prozess-Segmentierung − Prozessbereinigung Prozessträger − Konzentration der Ausführungsverantwortung • Caseworker • Caseteams • Casemanager • Virtuelle Teams − Übertragen von Entscheidungskompetenzen auf die Prozessträger Parameter der Prozessgestaltung Prozessablauf Parallelisieren der Prozess-Schritte Folgewirkungen/ Voraussetzungen − IT-Unterstützung • Datenbanktechnologie • Expertensysteme • ... − Prozessorientierte Motivierung der Mitarbeiter • Vergütung der Mitarbeiter nach Ergebnissen • Beförderung nach Fähigkeiten − Mehrdimensionale Berufsbilder − Flache Hierarchien − Manager als Coach Abb. 5.6: Elemente einer Prozessinnovation Prozessinnovationen ersetzen eine verrichtungsorientierte Organisation durch eine Prozessorganisation. Diese sieht die Ausrichtung des strukturellen Aufbaus der Unter- <?page no="231"?> 214 • Prozessorientiertes Kostenmanagement nehmung an betrieblichen Prozessen und damit die Abkehr von funktionalen Organisationsprinzipien vor (vgl. Gaitanides (2004), Sp. 1214), d. h., Fachabteilungen werden durch kunden- oder produktorientierte Strukturen ersetzt. Hinzu kommt, dass die Aktivitäten zur Erbringung einer kunden- oder produktbezogen abgegrenzten Leistung, die bisher durch mehrere Fachabteilungen sukzessive ausgeführt worden sind, nun bei einem einzelnen Prozessträger konzentriert werden, der für den gesamten Prozessvollzug verantwortlich ist. Der Abstimmungsbedarf wird dadurch auf ein Minimum reduziert (vgl. Theuvsen (1996), S. 68, 70). Prozessträger können in der Form von Caseworkern, virtuellen Teams oder Caseteams auftreten. Kleinere Unternehmungsprozesse werden von einer Person getragen, dem Caseworker . Caseteams sind Gruppen von Mitarbeitern, die zusammen einen funktionsübergreifenden Prozess bearbeiten. Die Mitglieder eines Caseteams arbeiten zur Ausführung von Routineaufgaben dauerhaft zusammen. Virtuelle Teams werden dagegen zur Bearbeitung einmaliger Aufgaben gebildet, wie z. B. die Entwicklung eines neuen Produktes. Nach Beendigung einer Aufgabe wird das jeweilige virtuelle Team aufgelöst und die Mitarbeiter anderen Teams oder neuen Projekten zugeordnet. Ist ein Prozess zu komplex, um von einem Caseteam ausgeführt zu werden, tritt ein Casemanager hinzu. Er koordiniert die Aktivitäten der verschiedenen Caseteams und ist der alleinige Ansprechpartner für den Prozesskunden (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 73 f., 86, 92). Die durch eine Prozessinnovation entstehenden bereichsübergreifenden Prozesse sind von vor- und nachgelagerten Prozessen unabhängig, d. h. horizontal autonom. Weiterhin werden die Kompetenzen für Entscheidungen, die bei der Ausführung eines Prozesses getroffen werden, an die Prozessträger delegiert (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 74 f.). Durch die Delegation von Entscheidungskompetenzen wird die horizontale Autonomie der Prozesse um eine vertikale Autonomie ergänzt, d. h., Prozessträger werden unabhängig von Entscheidungen der Vorgesetzten (vgl. Theuvsen (1996), S. 69). Mit Prozessinnovationen sollen Prozesse zeitlich und inhaltlich gestrafft und standardisiert werden. Die zeitliche Straffung wird zum einen durch die Parallelisierung der Prozess-Schritte erreicht. Aktivitäten, die von verschiedenen Fachabteilungen und damit zwangsläufig sukzessive ausgeführt worden sind, werden parallel oder zumindest überlappend ausgeführt (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 75 ff.). Zum anderen wird die Durchlaufzeit durch die Verlagerung von Prozessen verkürzt. Aktivitäten, die bisher von den Abteilungen des indirekten Leistungsbereiches ausgeführt worden sind, werden den Prozessen zugeordnet, die Kunden der zugehörigen Prozesse waren. Dadurch entfallen langwierige und aufwendige Abstimmungsprozesse (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 78 ff.). So kann durch Desktop-Purchasing-Systeme die Beschaffung von Einsatzgütern den verbrauchenden Prozessen zugeordnet werden. Um bei dieser Dezentralisation die Vorteile der Zentralisation zu erhalten, z. B. die Vorteile einer zentralen Beschaffung, wird den Prozessträgern ein Rahmen vorgegeben, in dem sie die Aufgaben erledigen. Bei Desktop-Purchasing-Systemen handelt die zentrale Beschaffung Rahmenverträge und Mengenrabatte für die Gesamtunternehmung <?page no="232"?> Prozessinnovationen • 215 aus, die Prozessträger beschaffen auf der Grundlage dieser Rahmenverträge die zur Deckung des Materialbedarfs notwendigen Mengen ohne Mitwirkung der zentralen Beschaffung (vgl. Dudenhöfer (2002), S. 403; Göthlich (2004), S. 55). Um die Prozesse inhaltlich zu straffen, werden sie bereinigt , d. h. nicht wertschöpfende Aktivitäten werden eliminiert. Neben Abstimmungsarbeiten werden vor allem Kontrollen eliminiert. Starre Kontrollen aller Aktivitäten werden hierzu durch nachträgliche, oftmals pauschale Kontrollen ersetzt (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 80 f.). Durch die Prozess-Segmentierung , d. h. die Bildung von Prozessvarianten für verschiedene Situationen, sollen die Prozesse vereinfacht und die Voraussetzung für ihre Standardisierung geschaffen werden (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 77 f.). Der Übergang zu einer Prozessorganisation ist ohne IT-Unterstützung nicht realisierbar. Die Parallelisierung von Aktivitäten setzt voraus, dass Informationen gleichzeitig an beliebig vielen Orten genutzt werden können. Möglich wird das durch moderne Datenbanktechnologien (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 122 ff.). Um Aktivitäten, die von Spezialisten verschiedener Fachabteilungen ausgeführt worden sind, und Entscheidungen einer oder einigen wenigen Personen zuordnen zu können, benötigen sie Analyse-, Experten- und Entscheidungsunterstützungssysteme. Die Prozessträger werden durch die Delegation von Entscheidungskompetenzen unabhängig von Entscheidungen ihrer Vorgesetzten Zur Ausrichtung an den Unternehmungszielen werden die Prozessträger prozessorientiert motiviert , indem sie nach der Prozessleistung entlohnt und nach ihren Fähigkeiten befördert werden. Durch die Zusammenfassung der Aktivitäten verschiedener Fachbereiche bei einem Prozessträger und die Delegation von Entscheidungskompetenzen entstehen mehrdimensionale Berufsbilder , die eine entsprechende Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter erforderlich machen (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 93 ff.). Die Delegation von Entscheidungskompetenzen, der Abbau des Koordinationsbedarfs und das Reduzieren von Kontrollen führen zu flachen Hierarchien (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 106 ff.). Für die verantwortlichen Manager entstehen Freiräume, die sie zur Unterstützung der Prozessträger und zur Mitarbeitermotivierung nutzen können. Die Manager werden zum Coach der Prozessträger (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 99 ff.). 5.2.1.2 Voraussetzungen für Prozessinnovationen Die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Abb. 5.7 (vgl. Perlitz u. a. (1996), S. 190 f.) verdeutlichen den Beitrag von Prozessinnovationen für die Gestaltung der Kosten der Unternehmung. Sie belegen jedoch auch, dass die meisten Projekte zur Prozessinnovation scheitern (vgl. Hall/ Rosenthal/ Wade (1994), S. 82). Die Ursache für die geringe Erfolgsquote ist, dass Prozessinnovationen höchste Anforderungen an die Fähigkeit und den Willen der Unternehmung zu tiefgreifenden Veränderungen stellen (vgl. Kieser (1996), S. 249). <?page no="233"?> 216 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Leistungsmerkmal Weniger erfolgreiche Projekte Erfolgreiche Projekte Senkung der Gemeinkosten 25,1 % 24,6 % Steigerung der Produktivität 19,9 % 27,2 % Steigerung der Qualität 15,8 % 36,4 % Verkürzung der Auftragsbearbeitungszeit 16,8 % 43,5 % Verkürzung der Durchlaufzeit 19,7 % 45,9 % Verkürzung der Lieferzeit 17,5 % 42,1 % Verkürzung der Produktentwicklungszeit 21,0 % 39,9 % Verkürzung der Zeitspanne zwischen Produktidee und Markteinführung 20,1 % 36,8 % Anzahl der Projekte 58 ( ≈ 62 %) 35 ( ≈ 38 %) Abb. 5.7: Mittlere Ausprägung der Prozesskennzahlen nach Prozessinnovationen (1) Fähigkeit zu tief greifenden Veränderungen Die Fähigkeit der Unternehmung zu tief greifenden Veränderungen wird durch das Innovationspotential und die Innovationsgrenzen in der Unternehmung bestimmt. Innovationspotentiale sind Sachverhalte, die Möglichkeiten für Prozessinnovationen eröffnen oder positiv auf die Effektivität oder Effizienz von Prozessinnovationen wirken. Sie können in Informationen, in der Technologie, insbesondere der Informationstechnologie, in der Organisation oder in den Mitarbeitern begründet sein (vgl. Davenport (1993), S. 113). Einen Überblick für die Innovationspotentiale der Informationstechnologie gibt Abb. 5.8 (vgl. Davenport (1993), S. 50 ff.). Potential Verwendung Automatisierung Durch den Einsatz von Betriebsmitteln kann die Ausführungszeit verkürzt und die Anzahl papierner Dokumente verringert werden. Datenerfassung Prozessinformationen für Zwecke einer Verbesserung der Prozesseffektivität und -effizienz oder der Auftragsverfolgung können erfasst werden (z. B. Maschinendatenerfassung, Radio Frequency Identification 1 [RFID]). Datenaustausch Durch Vereinfachung und Beschleunigung des Datenaustausches können − Aktivitäten oder Prozesse parallel ausgeführt werden, z. B. ermöglicht CAD die zeitgleiche Entwicklung verschiedener Produktkomponenten) − Aktivitäten unabhängig von den Orten, an denen sie ausgeführt werden, abgestimmt werden, wodurch die Voraussetzungen für die Dezentralisation von Aktivitäten geschaffen werden. Datenanalyse Durch die Auswertung von Daten können Prognosen und Entscheidungen verbessert werden (z. B. Data Warehouse, On-Line Analytical Processing [OLAP], Data Mining 2 ). <?page no="234"?> Prozessinnovationen • 217 Strukturierte Speicherung von Daten und Dokumenten − Durch Datenbanken können alle Informationen zu einem Bearbeitungsobjekt, z. B. einem Auftrag, gespeichert und allen an der Bearbeitung Beteiligten zugänglich gemacht werden. − Wissen kann strukturiert erfasst und von allen Beteiligten genutzt werden. Dateneingabe Prozesskunden können Auftragsdaten direkt in das System eingeben und Informationen über den Auftrag erhalten, ohne dass ein Prozessmitarbeiter eingeschaltet wird. 1) vgl. Pflaum (2004), S. 431 ff.; 2) vgl. Wall (1999), S. 295 ff. Abb. 5.8: Innovationspotentiale der Informationstechnologie Organisatorische Innovationspotentiale sind Teams, die Delegation von Entscheidungskompetenzen, die Partizipation und eine offene und weniger hierarchische Kommunikation (vgl. Davenport (1993), S. 97, 104). Als mitarbeiterbezogene Innovationspotentiale werden die Qualifikation und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zur Weiterbildung sowie motivierende Merkmale neuer Prozess-Strukturen gesehen (vgl. Davenport (1993), S. 110 ff.). Den Innovationspotentialen stehen Innovationsgrenzen gegenüber. Innovationsgrenzen sind system- und personenbedingte Barrieren, die Prozessinnovationen verhindern oder zumindest behindern. Innovationsgrenzen sind z. B. komplexe und stark integrierte IT-Systeme, die den Anforderungen prozessorientierter Strukturen nicht genügen (vgl. Davenport (1993), S. 63 ff.). Ebenso kann eine innovationsfeindliche Unternehmungskultur, fehlende Qualifikationen bei den Mitarbeitern oder mangelnde Erfahrung der Neugestaltung von Prozessen entgegenstehen (vgl. Davenport (1993), S. 106 ff.; Hammer (2007), S. 37). (2) Wille zu tiefgreifenden Veränderungen Voraussetzungen für den erforderlichen Veränderungswillen sind − eine latente Unternehmungskrise sowie − ein Change Sponsor auf der obersten Ebene der Unternehmungsführung. Eine Prozessinnovation kann nur umgesetzt werden, wenn es der Unternehmungsführung zum einen gelingt, den Beteiligten und Betroffenen glaubhaft zu vermitteln, dass es für dieses Vorhaben keine Alternativen gibt, d. h., die Prozessinnovation für das Überleben der Unternehmung notwendig ist. Zum anderen muss die Unternehmungsführung in der Lage sein, realistische Erwartungen zu positiven Ergebnissen der Prozessinnovation zu vermitteln (vgl. Davenport (1993), S. 171 ff.). Voraussetzung für eine erfolgreiche Prozessinnovation ist deshalb eine latente Krise , d. h. die Unternehmung oder ein Unternehmungsbereich steht intern angelegten Problemen gegenüber, die bei unveränderter Fortführung der Prozesse das Überleben gefährden. Diese Krise darf jedoch nicht so weit fortgeschritten sein, dass es für eine Prozessinnovation <?page no="235"?> 218 • Prozessorientiertes Kostenmanagement keine sachlichen und zeitlichen Handlungsspielräume mehr gibt (vgl. Davenport (1993), S. 187 f.). Der Change Sponsor ist der Machtpromotor (vgl. Abschnitt 3.2.1.2) der Prozessinnovation. Er ist die treibende Kraft beim Konzipieren und Umsetzen der Prozessinnovation und für ihre Akzeptanz von höchster Bedeutung. Da sich die Prozessinnovation über mehrere Unternehmungsbereiche erstreckt, sollte der Change Sponsor auf der obersten Ebene der Führungshierarchie angesiedelt sein (vgl. Davenport (1993), S. 179 ff.; vgl. Hammer (2007), S. 37). 5.2.2 Ablauf einer Prozessinnovation 5.2.2.1 Träger einer Prozessinnovation Unter Business Reengineering wird das Initiieren, Konzipieren, Umsetzen und Verstetigen von Prozessinnovationen zur Verbesserung wichtiger und messbarer Leistungsgrößen in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Zeit verstanden (vgl. Hammer/ Champy (1996), S. 48 ff.; aber auch Davenport (1993), S. 1). Da sich Prozessinnovationen über mehrere Unternehmungsbereiche erstrecken, eignet sich für die Durchführung des Business Reengineering nur eine Top down-Strategie (vgl. Abschnitt 3.1.1.2). Träger des Business Reengineering sind − der Leader, − der Lenkungsausschuss, − der Reengineering-Beauftragte, − der Prozessverantwortliche sowie − die Reengineering-Teams. Beim Leader handelt es sich um ein Mitglied der oberen Unternehmungsführung, das den Einfluss besitzt, alle Beteiligten zu einem kooperativen Verhalten zu zwingen (vgl. Hammer/ Stanton (1995), S. 50). Er setzt das Business Reengineering in Gang, gibt die Ziele vor, wählt die Prozessverantwortlichen aus und ernennt sie. Ihm obliegt es auch, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das die Unterstützung der Beteiligten durch alle relevanten Bereiche der Unternehmung und falls erforderlich auch durch Lieferanten und Kunden sicherstellt. Weiterhin fällt das Projektmanagement sowie die Motivierung der Reengineering-Teams und der Prozessverantwortlichen in den Aufgabenbereich des Leaders (vgl. Davenport (1993), S. 177 ff.). Der Lenkungsausschuss setzt sich aus Mitgliedern der oberen Ebenen der Führungshierarchie, den Prozessverantwortlichen der verschiedenen Business Reengineering- Projekte und dem Leader als Vorsitzenden zusammen. In den Aufgabenbereich des Lenkungsausschusses fallen die Richtlinienentscheidungen für die Business Reengineering-Projekte der Unternehmung sowie die Planung, Durchsetzung und Kontrolle <?page no="236"?> Prozessinnovationen • 219 der Business Reengineering-Strategie. Vom Lenkungsausschuss werden die durchzuführenden Reengineering-Projekte ausgewählt und terminiert sowie die Ressourcen festgelegt, die für jedes Projekt zur Verfügung gestellt werden (vgl. Davenport (1993), S. 183; Hammer/ Champy (1996), S. 149 f.). Der Reengineering-Beauftragte ist eine Stabsstelle mit Koordinations- und Unterstützungsaufgaben, die dem Leader unterstellt ist. Er koordiniert die Aktivitäten verschiedener Reengineering-Projekte, entwickelt Techniken für die Prozessanalyse und -gestaltung und unterstützt die Prozessverantwortlichen, indem er die Erfahrungen und Erkenntnisse aus früheren Reengineering-Projekten weitergibt (vgl. Davenport (1993), S. 177 ff.; Hammer/ Champy (1996), S. 150 ff.). Als Prozessverantwortlicher wird vielfach ein Manager eines Unternehmungsbereiches ausgewählt, der an dem zu gestaltenden Prozess beteiligt ist. Aufgrund des bereichsübergreifenden Charakters des Business Reengineering sollte der Prozessverantwortliche einer Ebene der Unternehmungshierarchie angehören, die ihm in allen betroffenen Bereichen die erforderliche Autorität verleiht. Aufgaben des Prozessverantwortlichen sind die Zusammenstellung der Reengineering-Teams, die Bereitstellung der Ressourcen sowie die Motivierung und fachliche Unterstützung der Reengineering-Teams. Weiterhin hat der Prozessverantwortliche Widerständen aus den betroffenen Fachabteilungen entgegenzutreten. Nach der Umsetzung der Prozessinnovation trägt der Prozessverantwortliche die Verantwortung für die Prozessleistung (vgl. Davenport (1993), S. 182 f.; Hammer/ Champy (1996), S. 141 f.). Das Reengineering-Team erarbeitet das Konzept der Prozessinnovation und setzt es häufig auch selbst um. Es sollte fünf bis zehn Mitglieder haben, darunter auch Mitarbeiter des Prozesses, der umgestaltet werden soll. Unterstützt wird das Reengineering-Team durch weitere Personen, die zeitlich begrenzt einen definierten Beitrag zur Teamarbeit leisten. Zu dieser Personengruppe gehören Prozesskunden, Prozesslieferanten und Experten bestimmter Disziplinen, wie z. B. IT und Personalwesen. Um der Tendenz entgegenzuwirken, an bestehenden Lösungen festzuhalten, kann es zweckmäßig sein, die Analyse der bestehenden Prozesse und die Gestaltung der neuen Prozesse verschiedenen Teams zuzuordnen, die nur wenige gemeinsame Mitglieder haben (vgl. Davenport (1993), S. 183; Hammer/ Champy (1996), S. 143 ff.). 5.2.2.2 Phasen des Business Reengineering Davenport schlägt auf der Grundlage von Erfahrungen aus der Unternehmungspraxis ein Ablaufschema für das Business Reengineering vor, das auf der Analyse von Innovationspotentialen und Innovationsgrenzen beruht (vgl. Davenport (1993), S. 25). Es umfasst fünf Phasen, die vor allem dem Konzipieren zuzuordnen sind. Jede Phase ist in mehrere Schritte unterteilt. In Abb. 5.9 wird das Ablaufschema in den Rationalisierungsprozess (vgl. Abschnitt 3.1.2.1) eingeordnet. <?page no="237"?> 220 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Initialisieren (1) Auswahl eines Prozesses • Auflisten der Prozesse • Festlegen der Prozessgrenzen • Bewerten und Auswählen von Prozessen Konzipieren der Prozessinnovation (2) Abgrenzen des Handlungsspielraums für Prozessinnovationen • Identifizieren von Innovationspotentialen • Erkennen von Innovationsgrenzen • Suche nach Verwendungen für identifizierte Innovationspotentiale • Festlegen zu akzeptierender Innovationsgrenzen (3) Entwickeln einer Prozessvision • Auswerten der Strategie • Erfassen der Anforderungen von Prozesskunden • Benchmarking • Festlegen der Prozessziele • Entwickeln spezifischer Prozessmerkmale (4) Analysieren bestehender Prozesse • Dokumentieren der bestehenden Prozess-Strukturen und -Abläufe • Bewerten der bestehenden Prozesse anhand der Prozessziele • Bewerten der bestehenden Prozesse anhand der spezifischen Prozessmerkmale • Analysieren der Schwachstellen • Erarbeiten und Umsetzen von Maßnahmen zur kurzfristigen Prozessverbesserung (5) Entwerfen neuer Prozesse • Suche nach Gestaltungsalternativen • Bewerten der Prozessalternativen und Auswählen der umzusetzenden Alternative • Erstellen von Prototypen des Prozesses • Entwickeln einer Umstellungsstrategie Abb. 5.9: Ablaufschema des Business Reengineering (1) Auswahl eines Prozesses Zweck der ersten Phase des Business Reengineering ist es, aus Prozessen der Unternehmung diejenigen auszuwählen, die das Untersuchungsobjekt bilden sollen. Hierzu werden im ersten Schritt zunächst die Prozesse der Unternehmung aufgelistet. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, den Umfang dieser Prozesse festzulegen. Mit Pro- Umsetzen der Prozessinnovation Verstetigen der Prozessinnovation Aktivieren der Beteiligten und Betroffenen <?page no="238"?> Prozessinnovationen • 221 zessen, die sich über mehrere Funktionsbereiche erstrecken, wird eine größere Anzahl von Schnittstellen in die Gestaltung einbezogen. Es kann deshalb ein umfangreicheres Kostensenkungspotential erschlossen werden. Der Umfang des betrachteten Prozesses determiniert aber auch die Komplexität des Reengineering. Im zweiten Schritt werden die Prozesse gegeneinander abgegrenzt, d. h. das Ende des einen und der Beginn des anderen Prozesses werden festgelegt (vgl. Davenport (2003), S. 28 ff.). Um die Prozesse auszuwählen, die das Untersuchungsobjekt bilden sollen, wird im dritten Schritt die strategische Bedeutung der Prozesse bewertet. Hierzu wird zum einen der Beitrag jedes Prozesses zur Umsetzung der verfolgten Strategie analysiert. Zum anderen werden die Prozesse auf Schwachstellen untersucht, die eine Umsetzung der Strategie behindern könnten. Beispiele für solche Schwachstellen sind lange Liegezeiten, zahlreiche Schnittstellen, unklare Zuordnung der Verantwortung und Fehlen eines eindeutigen Prozesskunden. Zum Objekt eines Reengineering wird ein Prozess jedoch nur dann, wenn er für die Zielerreichung kritisch ist, d. h. die Dringlichkeit einer Prozessinnovation vermittelt werden kann, und das Vorhaben die Unterstützung der Unternehmungsführung findet (vgl. Davenport (1993), S. 31 ff.). (2) Abgrenzung des Handlungsspielraums für Prozessinnovationen In den beiden ersten Schritten dieser zweiten Phase des Business Reengineering werden die Innovationspotentiale identifiziert und nach Möglichkeiten zu ihrer Nutzung gesucht. Im dritten Schritt werden die Innovationsgrenzen festgestellt. Im Hinblick auf die Innovationsgrenzen wird im vierten Schritt entschieden, ob sie als Restriktionen der Prozessinnovationen akzeptiert oder Maßnahmen ergriffen werden sollen, um sie abzubauen, wie z. B. der Austausch des bestehenden IT-Systems oder das Ersetzen unzureichend qualifizierter Mitarbeiter. Durch diesen letzten Schritt wird der Handlungsspielraum der Prozessinnovation abgegrenzt. (3) Entwickeln einer Prozessvision Eine Prozessinnovation leistet nur dann einen Beitrag zur Zielerreichung, wenn sie die Leistungserstellung und -verwertung in den durch die verfolgte Strategie gesetzten Schwerpunkten verbessert. Die Prozessinnovation ist als ein Element der Strategieumsetzung zu begreifen. In dieser dritten Phase des Business Reengineering wird deshalb die Strategie der Unternehmung in eine Prozessvision übertragen, d. h. in messbare Ziele für die Prozessleistung und spezifische Prozessmerkmale. Bei den Prozessmerkmalen handelt es sich zum einen um allgemeine Prozesseigenschaften (Merkmale des Prozessinputs und -outputs) und zum anderen um die Verwendungsmöglichkeiten der identifizierten Innovationspotentiale. Ohne eine Prozessvision, die von den Beteiligten und den Betroffenen getragen wird, besteht die Gefahr, dass eine anvisierte Prozessinnovation auf eine Prozessverbesserung reduziert wird. Die Prozessvision sollte deshalb einfach zu kommunizieren sein, von den Betroffenen nicht als Bedrohung <?page no="239"?> 222 • Prozessorientiertes Kostenmanagement empfunden werden und für die Beteiligten anregend wirken. Prozessvisionen mit Kostensenkungszielen genügen diesen Anforderungen nicht. Es wird deshalb empfohlen, nicht Kostensenkungen in den Mittelpunkt der Prozessvision zu stellen, sondern Veränderungen der Kosteneinflussgrößen (z. B. Qualitätssteigerung, Durchlaufzeitverkürzung). Bei der Entwicklung der Prozessvision ist in einem ersten Schritt die Unternehmungsstrategie auszuwerten. Für die Umsetzung einer Strategie durch Prozessinnovationen kann es viele Alternativen geben. Zur Entwicklung einer Prozessvision bedarf es deshalb auch Anregungen von außerhalb der Unternehmung, die durch − eine Analyse der Anforderungen externer Kunden und − ein Benchmarking gewonnen werden können (vgl. Davenport (1993), S. 121 ff.). Für die Erfassung der Anforderungen externer Prozesskunden an den Prozess im zweiten Schritt wird empfohlen, Workshops mit ausgewählten Kunden durchzuführen. Diese können vor dem Entwerfen der Prozessvision oder parallel zu dieser fünften Phase des Business Reengineering (Entwerfen neuer Prozesse) stattfinden. Für die zweite Variante spricht, dass externe Prozesskunden vielfach zunächst keine Vorstellungen von den Anforderungen haben, die sie an einen Prozess stellen wollen. Erst wenn deutlich wird, was ein Prozess zu leisten vermag, sind sie in der Lage, ihre Anforderungen zu präzisieren. Durch die Kommunikation mit den Kunden können Hinweise auf die Bedeutung von Zielen der Prozessinnovation gewonnen werden, jedoch keine Ideen zu Prozessmerkmalen (vgl. Davenport (1993), S. 124 f.). Deshalb schließt sich im dritten Schritt ein Benchmarking an. Das Benchmarking (vgl. Abschnitt 5.3.4) ist eine Methode, die sowohl die Festlegung der Prozessziele als auch der Prozessmerkmale wirkungsvoll unterstützt. Ein Benchmarking beim Konzipieren von Prozessinnovationen sollte sich auf innovative Formen der Arbeitsgestaltung und die in der zweiten Phase identifizierten Innovationspotentiale konzentrieren, um mögliche Verwendungen aufzuspüren. Im vierten und fünften Schritt wird aus den extern gewonnenen Informationen, den identifizierten Innovationspotentialen und den akzeptierten Innovationsgrenzen die Prozessvision entwickelt. Mit der Prozessvision werden die Ziele und die spezifischen Merkmale eines Prozesses festgelegt, der sich zur Umsetzung der verfolgten Strategie eignet und vor dem Hintergrund des abgegrenzten Handlungsspielraums auch realisierbar ist (vgl. Davenport (1993), S. 126 ff.). (4) Analysieren bestehender Prozesse Bevor neue Prozesse gestaltet werden, sollten die bestehenden verstanden werden. Zweck dieser vierten Phasen ist es, die Ursachen von Problemen bei der Neugestaltung eliminieren und die Vorteilhaftigkeit der neuen Prozesse beurteilen zu können. <?page no="240"?> Prozessinnovationen • 223 Durch diese Analyse wird das Niveau bestimmt, von dem aus das Ausmaß der erreichten Verbesserung der Zielerreichung gemessen werden soll. Nach der Dokumentation der bestehenden Prozess-Strukturen und Prozessabläufe werden die bestehenden Prozesse anhand der erarbeiteten Prozessziele und Prozessmerkmale bewertet (vgl. Davenport (1993), S. 139). Die Analysen ermöglichen es, bestehende Schwachstellen zu identifizieren und zu analysieren, wie z. B. Engpässe, Redundanzen und überflüssige Aktivitäten. Die identifizierten Schwachstellen und ihre Ursachen sollten in die Erarbeitung von Maßnahmen zur kurzfristigen Prozessverbesserung münden. Da sich die Planung und Umsetzung von Prozessinnovationen über einen längeren Zeitraum erstrecken, können durch die Verbesserung bestehender Prozesse erste Zielbeiträge realisiert werden. Diese frühen Erfolge (Quick Hits) wirken sich positiv auf die Motivation der Beteiligten und Betroffenen aus (vgl. Davenport (1993), S. 140 f.). (5) Entwerfen neuer Prozesse Der erste Schritt dieser Phase umfasst die Suche nach Gestaltungsalternativen, die durch Kreativitätstechniken unterstützt werden kann. Es wird vorgeschlagen, den neuen Prozess iterativ, d. h. in mehreren Schritten zu gestalten. Begonnen werden sollte mit dem Entwurf des Prozesses, um anschließend die Teilprozesse zu definieren und mit der Festlegung der Aktivitäten zu enden. Abb. 5.10 nennt die Gestaltungsparameter, für die auf diesen drei Betrachtungsebenen nach alternativen Ausprägungen gesucht wird. Grundlage dieser Suche bilden die Prozessvision sowie die Innovationspotentiale und -grenzen. Prozessebene Ebene der Teilprozesse Ebene der Aktivitäten − Input − Output − Schnittstellen − Prozessfluss − Prozesswiederholungen pro Zeiteinheit (Takt) − Ziel − Leistungsmaße − Prozessträger − Verwendung IT-bezogener Erfolgsfaktoren − Informationsbedarf, Informationsbereitstellungsaktivitäten − Beitrag zur Wertschöpfung − Aktivitäten − Informationsbedarf − Entscheidungspunkte − Aufgabenträger − Beitrag zur Wertschöpfung Abb. 5.10: Gestaltungsparameter der verschiedenen Betrachtungsebenen Im zweiten Schritt werden die Realisierbarkeit, die Kosten, der Nutzen für die Prozesskunden und die Risiken der generierten Prozessalternativen analysiert und die Zeitspanne für die Umsetzung geschätzt. Auf der Grundlage dieser Bewertung wird eine Prozessalternative ausgewählt, die realisiert werden soll. <?page no="241"?> 224 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Um die neue Prozess-Struktur, die Informationstechnologie und die Organisation aufeinander abzustimmen, werden im dritten Schritt Prototypen des neuen Prozesses erstellt. Das sind weitgehend funktionsfähige Ausschnitte des Prozesses, die sich eignen, verschiedene Gestaltungsmerkmale zu prüfen. Der neu gestaltete Prozess, die Prozessumgebung und die IT-Struktur werden in mehreren Schritten immer präziser aufeinander abgestimmt, um das Risiko bei der Umsetzung des Prozesses zu verringern. Diese Phase endet mit der Planung einer Umstellungsstrategie im vierten Schritt . Die Umstellungsstrategie kann die Komplettumstellung oder die schrittweise Umstellung vorsehen. Bei der schrittweisen Einführung wird mit einem Pilotprojekt begonnen, d. h., die neue Prozess-Struktur wird in einem abgegrenzten Unternehmungsbereich umgesetzt. Auf der Grundlage der dabei gewonnenen Erfahrungen wird der Prozess sukzessive in den anderen Unternehmungsbereichen eingeführt. Für die Umsetzung des neuen Prozesses kann auch ein neuer Unternehmungsbereich geschaffen werden. Hat sich der Prozess bewährt, ersetzt der neue den alten Unternehmungsbereich (vgl. Davenport (1993), S. 158 f.). (6) Weitere Phasen Schwerpunkte der Umsetzung einer konzipierten Prozessinnovation sind (vgl. auch Hammer (2007), S. 38): − das Einführen der erforderlichen Informationstechnologie, − das Erarbeiten umfassender und verständlicher Beschreibungen, wie die neu gestalteten Prozesse auszuführen sind, − das Zuordnen der Verantwortung für die Prozesse und die Prozessergebnisse, − das Implementieren von Kennzahlen zur Steuerung der Prozesse sowie − das Schulen der Mitarbeiter. Durch die Schulung sollen neben den erforderlichen Fertigkeiten auch die Funktionsweise des Gesamtprozesses und die neuen Verhaltensweisen vermittelt werden. Die erfolgreiche Umsetzung einer konzipierten Prozessinnovation setzt eine hohe Akzeptanz bei den Betroffenen voraus, die parallel zum Konzipieren zu schaffen ist. Hierzu können die in Abschnitt 3.2.2 diskutierten Maßnahmen ergriffen werden. Nur die Partizipation wird für das Business Reengineering als ungeeignet betrachtet. Begründet wird das mit der funktionsorientierten Spezialisierung der Betroffenen, die dem bereichsübergreifenden Charakter einer Prozessinnovation entgegensteht (vgl. Davenport (1993), S. 175 ff.). Zur Verstetigung der Prozessinnovation werden vor allem zwei Maßnahmen vorgeschlagen. Hierbei handelt es sich zum einen um das Ersetzen von Mitarbeitern, die sich den Veränderungen widersetzen oder den geänderten Anforderungen auch nach ausreichenden Schulungen und Unterweisungen nicht gerecht werden. Zum anderen sind die Führungsteilsysteme (z. B. Budgetierungssystem, Anreizsystem, Personalbe- <?page no="242"?> Prozessinnovationen • 225 urteilungssystem) an die geänderte Aufbaustruktur der Unternehmung anzupassen (vgl. Davenport (1993), S. 194 ff.). 5.3 Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich 5.3.1 Bedeutung der Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich Eine Prozessverbesserung ist die zielorientierte Umgestaltung der Prozesse in einem Bereich bei gegebener Aufbaustruktur der Unternehmung. Eine Unternehmung besteht aus einem primären und einem sekundären Leistungsbereich (vgl. Abb. 5.11). Der primäre Leistungsbereich dient der Leistungserstellung und -verwertung und steht in einem direkten Zusammenhang mit der Marktaufgabe der Unternehmung. Nach dem Produktbezug wird er in den direkten und den indirekten Leistungsbereich gegliedert. Der direkte Leistungsbereich wirkt unmittelbar auf die Produkte ein, d. h., er umfasst die Produktionsprozesse der Unternehmung. Der indirekte Leistungsbereich erstellt Dienstleistungen für den direkten Leistungsbereich (z. B. Beschaffung, Arbeitsvorbreitung, Instandhaltung). Der sekundäre Leistungsbereich erbringt Verwaltungsleistungen, die keinen Bezug zur Marktaufgabe haben, wie z. B. die Buchhaltung (vgl. Kosiol (1972), S. 75 f.). Der Gemeinkostenbereich der Unternehmung setzt sich aus dem indirekten und dem sekundären Leistungsbereich zusammen. Abb. 5.11: Gliederung der Unternehmung in Leistungsbereiche Der Gemeinkostenbereich bildet aus zwei Gründen einen Schwerpunkt der Prozessverbesserung : (1) Der Gemeinkostenbereich erbringt seine Leistungen für interne Bereiche und ist damit keinem Wettbewerb ausgesetzt. Ineffizienzen oder unzureichende Leistungen und ihre Ursachen sind damit nicht unmittelbar sichtbar. Hinzu kommt, dass der Prozessablauf nicht offensichtlich bzw. eindeutig nachvollziehbar ist und Unternehmung Primärer Leistungsbereich Sekundärer Leistungsbereich Direkter Leistungsbereich Indirekter Leistungsbereich Gemeinkostenbereich <?page no="243"?> 226 • Prozessorientiertes Kostenmanagement einer hohen Varianz unterliegen kann (vgl. Lamla (1995), S. 42). (2) Zwischen dem geplanten Leistungsprogramm der Unternehmung und den Leistungen des Gemeinkostenbereichs besteht kein Zusammenhang. Es ist deshalb kaum möglich, vom geplanten Leistungsprogramm auf die notwendigen Leistungen des Gemeinkostenbereichs zu schließen (vgl. Wegmann (1982), S. 4 f.). Aus diesem Grund gelangt im Gemeinkostenbereich vielfach die Fortschreibungsbudgetierung zur Anwendung. Bei diesem Verfahren wird das Budget der Vorperiode an Veränderungen der Unternehmungs- und Umweltbedingungen angepasst. Damit wird immer nur derjenige Teil des Budgets überprüft, der über dem Budgetansatz der Vorperiode liegt. Dieses Vorgehen hat die Fortschreibung von Fehlallokationen der Ressourcen des Gemeinkostenbereichs, Budgetverschwendung, Budgetreserven sowie eine Tendenz zur Erhöhung der Budgets zur Folge (vgl. Friedl (2004), S. 317). Für die Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich sind zahlreiche Verfahren vorgeschlagen worden. Sie unterstützen die Anpassung der Prozesse innerhalb der gegebenen Aufbaustrukturen des Gemeinkostenbereichs. Kostensenkungspotentiale durch die bereichsübergreifende Abstimmung von Prozessen können mit diesen Verfahren nicht erschlossen werden (vgl. Töpfer/ Effenberger (1996), S. 191). Zu diesen Verfahren zählen: − die wertanalytischen Verfahren, d. h. • die Gemeinkostenwertanalyse (vgl. Abschnitt 5.3.2), • die administrative Wertanalyse und die Gemeinkosten-Aufwand-Nutzen-Analyse (vgl. Wegmann (1992), S. 100 ff.), • die Prozesswertanalyse (vgl. Willeke (2001), S. 195 ff.) sowie − das Zero-Base-Budgeting (vgl. Abschnitt 5.3.3) und − das Benchmarking (vgl. Abschnitt 5.3.4). Bei jedem dieser Verfahren handelt es sich um einen Arbeitsplan für die Prozessrationalisierung durch Prozessverbesserung. Dieser schreibt eine Folge von Grundschritten vor, die in mehrere Teilschritte untergliedert sind, sowie den Einsatz bekannter betriebswirtschaftlicher Methoden (z. B. Kosten-Nutzen-Analyse). Die Vorgaben der Arbeitspläne betreffen nur die Phasen des Konzipierens und Umsetzens sowie einige wenige Aspekte des Aktivierens. Um zu vermeiden, dass umgesetzte Maßnahmen im Laufe der Zeit durch den Rückfall in die alten und damit vertrauten Vorgehensweisen aufgegeben werden (vgl. Freimuth (1987), S. 102), muss dem Konzipieren und Umsetzen das Verstetigen der umgesetzten Maßnahmen folgen (vgl. Töpfer/ Effenberger (1996), S. 187). <?page no="244"?> Prozessverbesserung • 227 5.3.2 Gemeinkostenwertanalyse 5.3.2.1 Abgrenzung der Gemeinkostenwertanalyse Die Gemeinkostenwertanalyse (Overhead Value Analysis, OVA) geht auf die Wertanalyse (vgl. Abschnitt 6.4) zurück und wurde in den 70er Jahren von der Unternehmungsberatungsgesellschaft McKinsey & Company, Inc. entwickelt (vgl. Roever (1982), S. 249). Eingesetzt wird dieses Verfahren inzwischen nicht nur im Gemeinkostenbereich, sondern in Dienstleistungsunternehmungen zunehmend auch im direkten Leistungsbereich (vgl. Frysch (1995), S. 42). Mit der Gemeinkostenwertanalyse wird eine Steigerung der Prozesswerte im Gemeinkostenbereich angestrebt. Erreicht werden soll dieses Ziel zum einen durch den Abbau unnötiger oder überflüssiger Leistungen (vgl. Abschnitt 2.3.2.2) und zum anderen durch die Verbesserung der Effizienz bei der Erstellung unverzichtbarer Leistungen (vgl. Lange (2002), S. 618). Hierzu werden die Leistungen, die vom Gemeinkostenbereich gegenwärtig erbracht werden, erfasst und vom Leistungsersteller zusammen mit dem Leistungsempfänger einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen (vgl. Töpfer/ Effenberger (1996), S. 184). Nach Abschluss einer Gemeinkostenwertanalyse sollen nur noch die Leistungen erstellt werden, die unbedingt notwendig sind, und zwar so gut wie nötig und so kostengünstig wie möglich (vgl. Frysch (1995), S. 43). Die Gemeinkostenwertanalyse ist ein Verfahren zur Planung und Umsetzung von Maßnahmen der Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich auf der Grundlage einer isolierten Kosten-Nutzen-Analyse der Leistungen dieses Bereichs mit dem Ziel einer Kostensenkung zur Erhöhung des Prozesswertes. Gemeinkostenwertanalysen werden aperiodisch als Projekte durchgeführt. Hierzu wird der Gemeinkostenbereich in mehrere Untersuchungseinheiten gegliedert. Als Untersuchungseinheiten werden in der Regel Organisationseinheiten herangezogen. Die Untersuchungseinheiten werden anschließend parallel bzw. sukzessive, jedoch weitestgehend isoliert betrachtet (vgl. Gutzler (1992), S. 122). Träger der Gemeinkostenwertanalyse sind der Lenkungsausschuss, die Projektleitung, die Analyse-Teams und die Arbeitsgruppen (vgl. Huber (1987), S. 222 ff.; Jehle (1992), S. 1510). (1) Lenkungsausschuss Der Lenkungsausschuss setzt sich aus Mitgliedern der Unternehmungsführung bzw. derjenigen Leitungsebene zusammen, die dem zu analysierenden Bereich unmittelbar übergeordnet ist. Er stellt die höchste Entscheidungsinstanz dar, d. h., er entscheidet über die erarbeiteten Maßnahmen zur Kostensenkung. Der Lenkungsausschuss trägt die Gesamtverantwortung für das Projekt, bestellt die weiteren Funktionsträger, hat die Beteiligten und Betroffenen von der Notwendigkeit des Projektes zu überzeugen und den Betriebsrat zu informieren. <?page no="245"?> 228 • Prozessorientiertes Kostenmanagement (2) Projektleitung Ihr obliegt das Projektmanagement. Ein Merkmal der Gemeinkostenwertanalyse ist die detaillierte Aufgaben- und Zeitplanung, die den Projektablauf und die Mitarbeit der Beteiligten bis auf die Stunde genau festlegt. Die Projektleitung hat gemäß dem Grundsatz „keine Terminverschiebung“ sicherzustellen, dass der Zeitplan exakt eingehalten wird (vgl. Roever (1982), S. 251). Weiterhin stellt die Projektleitung die Verbindung zwischen den Analyseteams her, schult die Analyseteams und trägt die Verantwortung für die Einhaltung der Verfahrensrichtlinien . Anders als der Lenkungsausschuss ist die Projektleitung vollzeitig im Projekt tätig. (3) Analyseteams Da ein Analyseteam nicht mehr als drei Untersuchungseinheiten betreuen sollte, werden für ein Gemeinkostenwertanalyse-Projekt meist mehrere Analyseteams gebildet. Sie bestehen in der Regel aus zwei Mitarbeitern, die über Methodenkompetenzen auf dem Gebiet der Gemeinkostenwertanalyse und Fachkompetenzen im Arbeitsbereich der Untersuchungseinheit verfügen. Die Analyseteams sind die Ansprechpartner für die Arbeitsgruppen. Es ist Aufgabe des Analyseteams, die Arbeitsergebnisse der Arbeitsgruppen auszuwerten, die Ergebnisse zu dokumentieren und dem Lenkungsausschuss zu berichten. Sie sind darüber hinaus für die Durchsetzung und Kontrolle der Maßnahmen in den Untersuchungseinheiten zuständig. Auch die Mitglieder der Analyseteams wirken vollzeitig an dem Projekt mit. (4) Arbeitsgruppen Für jede Untersuchungseinheit wird ein Leiter benannt. Die Orientierung der Unternehmungseinheiten an der Organisationsstruktur hat den Vorteil, dass die Leiter der Untersuchungseinheiten festliegen und nicht erst für die Zwecke der Gemeinkostenwertanalyse bestimmt werden müssen (vgl. Wegmann (1982), S. 128 f.). Der Leiter sollte mit den Leistungen, die der Untersuchungsbereich erbringt, und den Arbeitsabläufen zu ihrer Erstellung vertraut sein sowie die Kosten und die Empfänger dieser Leistungen kennen. Die Leiter bilden in ihren Untersuchungseinheiten Arbeitsgruppen, die mit Mitarbeitern aus der Untersuchungseinheit und den Bereichen besetzt sind, die Leistungen der Untersuchungseinheit empfangen. Die Arbeitsgruppen führen Analysen durch, erarbeiten und bewerten Maßnahmen zur Kostensenkung. Schließlich setzen sie die konzipierten Maßnahmen um. 5.3.2.2 Prozess der Gemeinkostenwertanalyse Die Gemeinkostenwertanalyse gliedert sich in drei Phasen : − die Vorbereitungsphase, − die Analysephase sowie − die Realisationsphase. <?page no="246"?> Prozessverbesserung • 229 Jede dieser Phasen umfasst mehrere Teilaufgaben. Einen Überblick über den Ablauf der Gemeinkostenwertanalyse zeigt Abb. 5.12 (vgl. Jehle (1992), S. 1509 ff.). Vorbereitung − Bestimmen der Projektorganisation − Unterrichten des Betriebsrates und der betroffenen Mitarbeiter − Schulen der Beteiligten − Projektplanung − Auswahl der Untersuchungseinheiten Analyse − Erfassen und Strukturieren von Leistungen und Kosten − Entwickeln von Einsparungsideen − Bewerten von Einsparungsideen − Entscheiden über konkrete Maßnahmen Realisation − Realisieren der Maßnahmen − Planfortschrittskontrollen − Endkontrollen Abb. 5.12: Phasen im Prozess der Gemeinkostenwertanalyse Ziel der Analysephase ist es, für jede Untersuchungseinheit Kostensenkungspotentiale zu identifizieren und Maßnahmen zu erarbeiten, um sie auszuschöpfen. Für jede Untersuchungseinheit werden hierzu jeweils vier Schritte durchgeführt. Jeder dieser Schritte ist terminiert und auf die Dauer einer Woche begrenzt. Vollzogen wird die Analysephase in mehreren aufeinanderfolgenden Takten. Ein Takt ist eine Projektstufe, in der die Analyseteams parallel jeweils mehrere Arbeitsgruppen bei der Durchführung der vier Schritte für ihre Untersuchungseinheit betreuen (vgl. Abb. 5.13). Nach Abschluss eines Taktes werden die Arbeitsgruppen der nächsten Untersuchungseinheiten unterstützt. Dieser Prozess setzt sich fort, bis alle Untersuchungseinheiten analysiert sind. Die Zahl der Takte und damit die Gesamtdauer des Gemeinkostenwertanalyse-Projektes hängen von der Zahl der Analyseteams und der Zahl der Arbeitsgruppen ab, die von ihnen während eines Taktes parallel betreut werden. Sind 48 Untersuchungseinheiten durch vier Analyseteams zu analysieren, die jeweils drei Arbeitsgruppen parallel betreuen, werden pro Takt zwölf Untersuchungseinheiten analysiert. Für den Abschluss des Projektes sind dann insgesamt vier Takte und damit 16 Wochen erforderlich (vgl. Huber (1987), S. 239). <?page no="247"?> 230 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Abb. 5.13: Organisation einer Gemeinkostenwertanalyse Die vier Schritte der Analyse einer Untersuchungseinheit sind (vgl. Roever (1980), S. 688 f.; Wegmann (1982), S. 128 ff.; Huber (1987), S. 240 ff.): − 1. Schritt: Erfassen und Strukturieren von Leistungen und Kosten − 2. Schritt: Entwickeln von Einsparungsideen − 3. Schritt: Bewerten der Einsparungsideen − 4. Schritt: Entscheiden über die Einsparungsideen Im ersten Schritt erstellen die Arbeitsgruppen einen Leistungskatalog. Dieser nennt alle Leistungen , die von der Untersuchungseinheit erstellt werden, und deren Empfänger. Der Leistungskatalog wird mit der eigentlichen Aufgabenstellung der Untersuchungseinheit verglichen, um Kostensenkungspotentiale zu erkennen. Ein anderes Verfahren zur Erfassung und Strukturierung der Leistungen, das in japanischen Unternehmungen praktiziert wird, baut auf der Funktionenanalyse der Wertanalyse auf. Bei diesem Verfahren werden zunächst die Funktionen festgestellt und strukturiert, die von der Untersuchungseinheit zu erfüllen sind. Diese Funktionen werden anschließend den Tätigkeiten gegenübergestellt, die in der Untersuchungseinheit tatsächlich ausgeführt werden (vgl. Yoshikawa/ Innes/ Mitchell (1995), S. 193 ff.). Für jede Leistung der Untersuchungseinheit werden anschließend die Kosten geschätzt. Hierzu werden die in der Untersuchungseinheit ausgeführten Tätigkeiten den verschiedenen Leistungen zugeordnet. Durch Befragung der Mitarbeiter oder Selbstaufschreibung über einen begrenzten Zeitraum werden anschließend die für diese Tä- Lenkungsausschuss Projektleitung Analyseteam 1 Analyseteam 2 Takt 1 Takt 3 Takt 2 Arbeitsgruppe 1.1.1 Arbeitsgruppe 1.1.3 Arbeitsgruppe 1.1.2 Arbeitsgruppe 2.1.1 Arbeitsgruppe 2.1.3 Arbeitsgruppe 2.1.2 Arbeitsgruppe 1.2.1 Arbeitsgruppe 1.2.3 Arbeitsgruppe 1.2.2 Arbeitsgruppe 2.2.1 Arbeitsgruppe 2.2.3 Arbeitsgruppe 2.2.2 Arbeitsgruppe 1.3.1 Arbeitsgruppe 1.3.3 Arbeitsgruppe 1.3.2 Arbeitsgruppe 2.3.1 Arbeitsgruppe 2.3.3 Arbeitsgruppe 2.3.2 ... <?page no="248"?> Prozessverbesserung • 231 tigkeiten aufgewendeten Arbeitszeiten erfasst. Über diese Arbeitszeiten werden anschließend die Personalkosten auf die verschiedenen Leistungen verrechnet. Die Sachkosten werden nicht geplant, sondern den Leistungen proportional zu den verrechneten Personalkosten zugerechnet. Da im Gemeinkostenbereich die Personalkosten den größten Anteil an den Gesamtkosten ausmachen, führt diese vereinfachte Verrechnung der Sachkosten zu hinreichend genauen Ergebnissen (vgl. Wegmann (1982), S. 129 f.). Die Mitarbeiter der Untersuchungseinheit kennen die Kosten der erstellten Leistung, nicht jedoch deren Nutzen . Dieser ist nur Mitarbeitern der Abteilungen bekannt, die Leistungen der Untersuchungseinheit beziehen. Erst durch die Zusammenarbeit von Mitarbeitern der leistenden und empfangenden Abteilungen in den Arbeitsgruppen kann das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Leistungen beurteilt werden (vgl. Wegmann (1982), S. 130 ff.). Ziel des zweiten Schrittes ist das Generieren von Maßnahmen zum Leistungsabbau und zur Steigerung der Effizienz der Leistungserstellung. Um die Mitarbeiter in den Arbeitsgruppen zu motivieren, eine große Zahl von Einsparungsideen zu generieren, wird allen Untersuchungseinheiten das sehr anspruchsvolle Kostensenkungsziel von 40 % der Gesamtkosten vorgegeben. Es soll bewirken, dass die Suche nach Einsparungsideen nicht vorschnell abgebrochen wird, als unantastbar angesehene Leistungen hinterfragt und auch unkonventionelle Einsparungsideen entwickelt werden (vgl. Roever (1980), S. 689). An dieser generellen Kostensenkungsvorgabe wird kritisiert, dass sie Widerstände hervorruft und die Kreativität der Betroffenen ungünstig beeinflusst. Zudem wird vermutet, dass Ideen mit hohem Kostensenkungspotential generiert werden, die nicht realisierbar sind, realisierbare Maßnahmen mit kleinerem Einsparungspotential jedoch vernachlässigt werden (vgl. Huber (1987), S. 246). Einen Überblick über Maßnahmen zum Abbau von Leistungen sowie zur Effizienzsteigerung zeigt Abb. 5.14 (vgl. Huber (1987), S. 46; Jehle (1992), S. 1511.). Leistungsabbau Effizienzsteigerung • Wegfall nicht notwendiger Leistungen • Verringern der Funktionalität von Prozessen • Verringern der Qualität von Prozessen auf ein ausreichendes Niveau • Verringern der Häufigkeit der Leistungserbringung • Verringern der Anzahl von „Blitzaktionen“ • Steigern der Effizienz der organisatorischen Zuordnung (Verlagern von Prozessen, Outsourcing) • Verbessern der Effizienz des Prozessvollzugs (Straffen der Abläufe, Standardisieren, Verbessern der Kapazitätsausnutzung, Abbau von Medienbrüchen, Automatisierung) Abb. 5.14: Maßnahmen zur Senkung der Kosten im Gemeinkostenbereich <?page no="249"?> 232 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Zur Bewertung der generierten Einsparungsideen werden im dritten Schritt drei Kriterien herangezogen: die erwartete Kosteneinsparung, das Risiko und die Realisierbarkeit. Zur Beurteilung des Risikos werden die negativen Konsequenzen der Maßnahmen, ihre Bedeutung und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt. Die Maßnahmen werden anschließend in A-, B- und C-Maßnahmen gruppiert. Zur A- Gruppe werden alle Maßnahmen gezählt, die innerhalb von zwei Jahren realisiert werden können und bei einem akzeptablen Risiko zu einer Kosteneinsparung führen. Alle nicht realisierbaren Maßnahmen werden der C-Gruppe zugeordnet (vgl. Huber (1987), S. 248 f.). Bei den B-Maßnahmen ist die Kosteneinsparung mit höheren Risiken verbunden. Sie werden deshalb zunächst zurückgestellt. Die von der Arbeitsgruppe gefundenen und bewerteten Maßnahmen werden vom Analyseteam überprüft. Das Analyseteam kann die Zuordnung zu den Gruppen verändern, wenig aussichtsreiche Maßnahmen eliminieren, weitere Einsparungsideen hinzufügen oder die gemachten Vorschläge verwerfen. Letzteres hat zur Konsequenz, dass durch neu zusammengesetzte Arbeitsgruppen weitere Ideen generiert und bewertet werden (vgl. Wegmann (1982), S. 133). Im letzten Schritt arbeiten die Arbeitsgruppe und das Analyseteam für die A- Maßnahmen bis ins Detail geregelte und terminierte Aktionsprogramme aus. Auf B- Maßnahmen wird zurückgegriffen, wenn nach Realisation der A-Maßnahmen weitere Kostensenkungen erforderlich sind. Über die Maßnahmen, die realisiert werden sollen, entscheidet der Lenkungsausschuss. Schließlich werden auf der Grundlage des genehmigten Aktionsprogramms die Kostenbudgets der betroffenen Bereiche angepasst (vgl. Wegmann (1982), S. 134 ff.). In der Realisationsphase werden die Aktionsprogramme durch die Arbeitsgruppen in den Untersuchungseinheiten umgesetzt. Die Kontrolle der Realisation der Maßnahmen und ihrer Wirkungen sind Gegenstand von Planfortschritts- und Endkontrollen der Ergebnisse (vgl. Huber (1987), S. 284 ff.). Mit der Gemeinkostenwertanalyse werden nur Kostensenkungsmaßnahmen zur Verbesserung des Prozesswertes erarbeitet. Keinen Gegenstand der Gemeinkostenwertanalyse bilden Maßnahmen, die einen Beitrag zur verbesserten Erreichung der mittel- und langfristigen Ziele der Unternehmung leisten, wie z. B. eine Verkürzung der Lieferzeit. Ein Problem der Gemeinkostenwertanalyse kann darin gesehen werden, dass die Einsparungsideen von den Mitarbeitern der betroffenen Bereiche zu erarbeiten sind. Dieses Verfahren verlangt damit, dass Mitarbeiter die eigenen Aufgaben auf ihre Notwendigkeit überprüfen. Dies kann sich hemmend auf die Motivation der Arbeitsgruppen auswirken. Mit der Gemeinkostenwertanalyse werden in der Regel dennoch Kosteneinsparungen in Höhe von 10 - 20 % erreicht (vgl. Roever (1989), S. 689). Die erreichten Kostensenkungen sind jedoch vielfach nicht nachhaltig (vgl. Gutzler (1992), S. 124 ff.). Der Realisation sollte deshalb eine Phase der Verstetigung folgen. Für diese wird vorgeschlagen, dass der leistungserbringende und der <?page no="250"?> Prozessverbesserung • 233 leistungsempfangende Bereich die Kosten und den Nutzen jeder Leistung abwägen, die in das Leistungsprogramm des leistungserbringenden Bereichs neu aufgenommen werden soll (vgl. Franz (1995), S. 136; Frysch (1995), S. 64). 5.3.3 Zero-Base-Budgeting 5.3.3.1 Grundgedanke des Zero-Base-Budgeting Das Zero-Base-Budgeting ist Ende der 60er Jahre bei Texas Instruments entwickelt worden und wird insbesondere von der Unternehmungsberatung A.T. Kearny verbreitet (vgl. Jehle (1992), S. 1512). Eingesetzt wird das Zero-Base-Budgeting im Gemeinkostenbereich industrieller Unternehmungen und in der öffentlichen Verwaltung (vgl. Pyhrr (1970), S. 111 f.). Wie bei der Gemeinkostenwertanalyse sollen durch den Abbau von Leistungen und die Verbesserung der Verfahren Kostensenkungen erreicht werden. Dem Zero-Base-Budgeting liegt dabei jedoch ein sehr viel radikaleres Konzept zugrunde. Der Suche nach Möglichkeiten zum Abbau von Leistungen liegt der Grundsatz der Disponierbarkeit aller Leistungen zugrunde, d. h., es wird von der Annahme der Neuplanung auf der „grünen Wiese“ ausgegangen (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 13). Das Zero-Base-Budgeting unterscheidet sich in einem weiteren wichtigen Merkmal deutlich von der Gemeinkostenwertanalyse: Es dient nicht ausschließlich einer Kostensenkung, sondern sieht auch den Ausbau von Leistungen für eine verbesserte Erreichung der mittel- und langfristigen Ziele der Unternehmung vor. Gegenstand des Zero-Base-Budgeting sind deshalb Maßnahmen für eine effizientere Ausführung von Aktivitäten und den Abbau von Aktivitäten, aber auch für die Einführung zusätzlicher Aktivitäten (vgl. Pyhrr (1973), S. 6 ff.). Das Zero-Base-Budgeting ist ein Verfahren zur Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich auf der Grundlage einer vergleichenden Analyse der tatsächlichen und potentiellen Aktivitäten des Gemeinkostenbereichs unter der Annahme, dass dieser Bereich auf der „grünen Wiese“ neu aufgebaut wird, und mit dem Ziel einer Prozesswertsteigerung zur verbesserten Erreichung der mittel- und langfristigen Unternehmungsziele. Bei der Durchführung eines Zero-Base-Budgeting-Projektes wird der Gemeinkostenbereich in Entscheidungseinheiten gegliedert. Das sind inhaltlich zusammenhängende Aktivitäten im Gemeinkostenbereich, die jeweils ein Objekt der Analyse und Gestaltung bilden. Gegenstand der Entscheidungseinheiten können Abteilungen, Kostenstellen oder Gruppen von Mitarbeitern sein, aber auch Funktionen, Projekte oder Dienstleistungen. An die Abgrenzung dieser Entscheidungseinheiten werden drei Anforderungen gestellt. (1) Sie müssen überschneidungsfrei gegeneinander abgegrenzt sein, so dass über jede Entscheidungseinheit isoliert entschieden werden kann. Es muss ausgeschlossen sein, dass z. B. eine Entscheidungseinheit nicht abgebaut werden <?page no="251"?> 234 • Prozessorientiertes Kostenmanagement kann, weil sie Voraussetzungen für eine andere Entscheidungseinheit schafft, die vielleicht ausgebaut werden soll. (2) Zur Vorbereitung der Entscheidungen muss es möglich sein, den Entscheidungseinheiten die Kosten und Leistungen des Bereichs zuzuordnen, die sie verursacht bzw. erstellt haben. (3) Aktivitäten dürfen nur dann zu einer Entscheidungseinheit zusammengefasst werden, wenn sie tatsächlich zur Disposition stehen. Aktivitäten, die nicht entfallen können oder sollen, sind aus der Analyse auszuschließen (vgl. Wegmann (1982), S. 168 ff.). Als Beispiel für die Einteilung eines Untersuchungsbereichs in Entscheidungseinheiten wird die Gliederung der Organisationseinheit Debitorenbuchhaltung in die Entscheidungseinheiten Ausgangsrechnung schreiben, Buchen, Zahlungsüberwachung, Mahnen, Kontenpflege und Ablage genannt (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 17). Das Zero-Base-Budgeting wird in längeren Zeitabständen projektbezogen durchgeführt. Die Träger eines Zero-Base-Budgeting-Projektes werden in Abb. 5.15 genannt (vgl. Meyer-Piening (1989), Sp. 2281 f.; (1990), S. 43 ff.). Die Projektleitung setzt sich aus einer Führungskraft, die während der Dauer des Projektes von anderen Aufgaben freigestellt ist, und einem externen Berater zusammen. Bei hoher Projektkomplexität kann ein Beratungsausschuss eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein Gremium von Fachleuten, das die Unternehmungsführung und die Projektleitung bei allen Fragen berät, die von übergeordneter Bedeutung sind. Der Beratungsausschuss dient vielfach auch der Institutionalisierung des Dialogs mit den Arbeitnehmervertretern. Funktionsträger Aufgaben Unternehmungsführung • Entscheiden über den Projektumfang, die Gesamtrangordnung der Entscheidungspakete, den Budgetschnitt und die Realisierung der Entscheidungspakete • Fördern der Akzeptanz des Projektes bei den Beteiligten • Bestellen der Projektleitung Beratungsausschuss • Beraten von Unternehmungsführung und Projektleitung • Entscheidungsvorbereitung • Bereichsübergreifende Maßnahmen Projektleitung • Festlegen der Projektteams und der Vorgehensweise • Planen und Überwachen der Arbeit der Projektteams • Fachliche Unterstützung der Beteiligten • Bewerten von Daten und Potentialen • Koordination bereichsübergreifender Aufgaben • Dokumentieren der Ergebnisse • Berichterstatten gegenüber der Unternehmungsführung <?page no="252"?> Prozessverbesserung • 235 Analyseteams • Bereitstellen von Datenmaterial • Erarbeiten von Ansatzpunkten für die Erschließen von Verbesserungspotentialen mit den Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten • Bewerten und Unterstützen bei der Ideenfindung • Realisieren der beschlossenen Maßnahmen Projektteams Umsetzungsteams • Unterstützen der Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten bei der Realisation der beschlossenen Veränderungen • Bereichsübergreifende Koordination der Veränderungsmaßnahmen Verantwortliche der Entscheidungseinheiten • Aufbereiten von Daten • Ableiten von Zielen für die Entscheidungseinheiten • Analysieren des Verbesserungspotentials • Erarbeiten von Vorschlägen • Beantragen von Maßnahmen Verschiedene aufgabenbezogene Arbeitsgruppen • Arbeitsgruppen für die Ideenfindung • Rangordnungsgruppen Abb. 5.15: Projektorganisation beim Zero-Base-Budgeting Die Projektteams beraten und unterstützen die Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten. Die Mitglieder der Projektteams sind von ihren sonstigen Tätigkeiten vollständig freizustellen. Die Teamgröße bestimmt sich nach der Zahl der gebildeten Entscheidungseinheiten. Es wird davon ausgegangen, dass von einem Teammitglied acht bis zwölf Entscheidungseinheiten betreut werden können (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 84). Für das Konzipieren wird ein Analyseteam gebildet. Dieses wird mit Mitarbeitern der zweiten und dritten Führungsebene aus den Bereichen besetzt, die für die jeweilige Unternehmung bestimmend sind, wie z. B. Entwicklung, Konstruktion, Verkauf, Produktion und Logistik. Das Analyseteam wird nach der Entscheidung der Unternehmungsführung über die zu realisierenden Entscheidungspakete durch ein Umsetzungsteam ersetzt. Gebildet wird das Umsetzungsteam aus Mitarbeitern, die sich beim Konzipieren durch besonderes Engagement ausgezeichnet haben, den erforderlichen Spezialisten sowie externen Beratern, um die notwendige Methodenkompetenz bereitzustellen (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 253 ff.). Entsprechen die Entscheidungseinheiten den Organisationseinheiten, können die organisatorischen Leiter als Verantwortliche der Entscheidungseinheiten herangezogen werden. In allen anderen Fällen werden die Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten von der Unternehmungsführung bestimmt. Ihre Aufgabe ist es, die für die Formulierung der Entscheidungspakete notwendigen Analysen, Beschreibungen und Bewertungen durchzuführen. In den Entscheidungseinheiten werden Arbeitsgruppen <?page no="253"?> 236 • Prozessorientiertes Kostenmanagement zur Ideenfindung einerseits und zur Bewertung dieser Ideen andererseits gebildet. Zur Ideenfindung setzen sich die Arbeitsgruppen aus dem betreuenden Mitglied des Analyseteams als Moderator, dem Verantwortlichen der Entscheidungseinheit, Leitern anderer Entscheidungseinheiten mit gleichartigen Arbeitsinhalten, Mitarbeitern und Leistungsempfängern der Entscheidungseinheit sowie Funktionsspezialisten zusammen (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 153 ff.). Ihre Aufgabe ist es, Ideen für den Auf- oder Abbau der Leistungen der Entscheidungseinheiten und die wirtschaftlichen Verfahren zur Erstellung dieser Leistungen zu generieren 5.3.3.2 Prozess des Zero-Base-Budgeting Der Prozess des Zero-Base-Budgeting vollzieht sich in drei Phasen, die jeweils mehrere Teilaufgaben umfassen (vgl. Meyer-Piening (1989), Sp. 2281 f.). Einen Überblick über diese Phasen und die Teilaufgaben gibt Abb. 5.16 (in Anlehnung an Troßmann (1992), S. 520). Vorbereitung − Bestimmen der Projektorganisation − Teamschulung und Mitarbeiterinformation − Festlegen der Ziele Analyse − Einteilen des Untersuchungsbereichs in Entscheidungseinheiten − Definieren der Ergebnisniveaus − Festlegen der Entscheidungspakete − Bilden von Rangordnungen über die Entscheidungspakete der Abteilungen und Bereiche − Budgetschnitte Realisation − Maßnahmenplanung − Budgetvorgabe − Durchsetzen und Realisieren der Maßnahmen − Planfortschrittskontrollen − Endkontrollen der Ergebnisse Abb. 5.16: Phasen im Prozess des Zero-Base-Budgeting <?page no="254"?> Prozessverbesserung • 237 Mit dem Zero-Base-Budgeting wird ein an langfristigen Zielen ausgerichtetes Leistungsprogramm des Gemeinkostenbereichs angestrebt. Aus diesem Grund setzt dieses Verfahren die Formulierung von Zielen für das Projekt voraus, die aus der strategischen und taktischen Planung abgeleitet werden. Die zentrale Aufgabe in der Phase der Vorbereitung ist das Festlegen dieser Ziele (vgl. Wegmann (1982), S. 163 ff.). Liegen die Ziele fest, beginnt die Analysephase . Schritt 1: Einteilen des Untersuchungsbereichs in Entscheidungseinheiten Dieser erste Analyseschritt umfasst die folgenden Teilschritte: − Erfassen und Strukturieren der Leistungen und Kosten des Untersuchungsbereichs, − Generieren und Bewerten von Ideen für Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz der Leistungserstellung sowie − Festlegen der Ziele der Entscheidungseinheit. Im ersten Teilschritt werden zunächst alle Leistungen und Aktivitäten des Untersuchungsbereichs erfasst und die Empfänger der Leistungen benannt. Anschließend werden aus den Aktivitäten Entscheidungseinheiten gebildet. Den abgegrenzten Entscheidungseinheiten sind die in ihnen tätigen Mitarbeiter sowie die Sach- und Personalkosten zuzuordnen. Sind die Entscheidungseinheiten abgegrenzt, werden im zweiten Teilschritt Ideen für eine effizientere Leistungserstellung generiert und bewertet. Erst im zweiten Analyseschritt, d. h. bei der Definition der verschiedenen Ergebnisniveaus, werden die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung durch den Ab- und Aufbau von Leistungen untersucht (vgl. Pyhrr (1973), S. 7). Für jede Entscheidungseinheit ist im dritten Teilschritt ein Teilziel zu formulieren, das quantifizierbar und realisierbar ist. Diese Ziele der Entscheidungseinheiten sind aus den Zielen des Projektes abzuleiten, die in der ersten Phase festgelegt worden sind. Die Ziele der Entscheidungseinheiten sollten in einer Mittel-Zweck-Relation zu den Zielen des Projektes stehen (vgl. Wegmann (1989), S. 172 f.). Schritt 2: Definieren der Ergebnisniveaus Unter dem Ergebnisniveau ist das gesamte quantitative und qualitative Arbeitsergebnis einer Entscheidungseinheit zu verstehen. Für jede Entscheidungseinheit werden durch die Verantwortlichen der Entscheidungseinheit in der Regel drei verschiedene Ergebnisniveaus festgelegt (vgl. Wegmann (1982), S. 175): − Ergebnisniveau 1: Es handelt sich hierbei um das Ergebnisniveau, das zur Erhaltung eines geordneten Geschäftsbetriebs zwingend notwendig ist (Minimalniveau). − Ergebnisniveau 2: Dieses gibt das gegenwärtige Ergebnisniveau nach Realisation effizienzerhöhender Maßnahmen wieder. − Ergebnisniveau 3: Es stellt das für eine verbesserte Zielerreichung wünschenswerte Ergebnisniveau einer Entscheidungseinheit dar. <?page no="255"?> 238 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Die Ergebnisniveaus unterscheiden sich in Umfang, Qualität, Häufigkeit oder Pünktlichkeit der Leistungen der Entscheidungseinheit (vgl. Meyer-Piening (1989), Sp. 2286 f.). Beispielsweise kann im Einkauf das Ergebnisniveau 1 die Bestellung beim nächstgelegenen Lieferanten, das Ergebnisniveau 2 das Einholen von mindestens drei Angeboten und das Ergebnisniveau 3 ein weltweites Einkaufsmarketing vorsehen (vgl. Meyer-Piening (1980), S. 693). Abb. 5.17 zeigt drei Ergebnisniveaus am Beispiel einer Entscheidungseinheit „Personalwesen“ (verkürzt aus Meyer-Piening (1990), S. 202). Ergebnisniveau 1 • Personalpolitik und -planung: Einfrieren der Personalgrundsätze und -richtlinien, Einstellen der langfristigen Personalplanung • Personalbeschaffung und -planung: Unbefristete Aushilfen, Teilzeitkräfte im Bedarfsfall beschaffen • Personaleinsatzplanung: Dezentral durch Bereichs-/ Abteilungsleiter durchführen • Personalförderung und -entwicklung: Einschränken, Beurteilungssystem einschränken • ... Ziel: Aufrechterhalten des gesetzlich geforderten Personalwesens und Beschaffung der auf Anforderung benötigten Mitarbeiter in ca. 80 % der Fälle, um einen weitgehend ungestörten Betriebsablauf zu gewährleisten. Ergebnisniveau 2 • Personalpolitik und -planung: Vereinfachte Personal-Richtlinien, langfristige Personalplanung wie bisher einführen • Personalbeschaffung und -planung: Aus operativer Planung die Zahl der unbefristeten, befristeten Mitarbeiter und Versetzungen zentral planen • Personaleinsatzplanung: Personaleinsatz mit DV-Unterstützung zentral koordinieren • Personalförderung und -entwicklung: Wie bisher, Beurteilungssystem erhalten • ... Ziel: Durchführen des Personalwesens im bisherigen Umfang und planmäßige Beschaffung/ Förderung der benötigten Mitarbeiter in 90 % der Fälle, um das Qualifikationsniveau weitgehend zu erhalten. Ergebnisniveau 3 • Personalpolitik und -planung: Personal-Grundsätze und -Richtlinien aktualisieren, strategisches Human-Ressource-Management • Personalbeschaffung und -planung: Systematisches Beschaffungskonzept zentral einführen, Assessment Center • Personaleinsatzplanung: Anforderungs- und Profilkatalog aktualisieren • Personalförderung und -entwicklung: Intensive Beurteilungsgespräche • ... Ziel: Durchführen eines zukunftsgerichteten Personalwesens und planmäßige Beschaffung der benötigten Mitarbeiter in 100 % der Fälle, um das Qualitätsniveau zu verbessern und die Arbeitszufriedenheit zu fördern. Abb. 5.17: Beispiel für Ergebnisniveaus der Entscheidungseinheit „Personalwesen“ <?page no="256"?> Prozessverbesserung • 239 Ergebnisniveau 1 soll eine Realisation der angestrebten Ziele zu minimalen Kosten zulassen. Für die Formulierung von Ergebnisniveau 1 sind deshalb Ideen für den Leistungsabbau zu entwickeln. Um die Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten zum Generieren von Ideen für eine entsprechend weitgehende Reduktion des Arbeitsergebnisses zu motivieren, wird wie bei der Gemeinkostenwertanalyse eine hohe Kostensenkungsrate vorgegeben. Bei der Formulierung des Ergebnisniveaus 1 sollen wie auch bei der Gemeinkostenwertanalyse die Leistungsempfänger einbezogen werden. Um zu einem Entscheidungspaket auf dem Ergebnisniveau 3 zu gelangen, sind auch Ideen zu Leistungen zu generieren, die künftig zusätzlich erbracht werden sollen, sowie Vorschläge zur wirtschaftlichen Erstellung dieser Leistungen (vgl. Meyer-Piening (1989), Sp. 2284 f.). Durch die drei Ergebnisniveaus werden der Abbau und der Ausbau der Leistungen zur verbesserten Erreichung der mittel- und langfristigen Unternehmungsziele als Handlungsalternative eingeführt. Die verschiedenen Ergebnisniveaus sind damit ein zentrales Element des Zero-Base-Budgeting (vgl. Pyhrr (1973), S. 7 f.). Schritt 3: Festlegen der Entscheidungspakete Um die Entscheidungseinheiten bewerten und untereinander vergleichen zu können, wird jede Entscheidungseinheit für jedes Ergebnisniveau zu einem Entscheidungspaket erweitert. Werden drei Ergebnisniveaus vorgegeben, werden für jede Entscheidungseinheit drei Entscheidungspakete gebildet. Ein Entscheidungspaket umfasst Angaben zu − den Aufgaben der Entscheidungseinheit beim jeweiligen Ergebnisniveau, − den Zielen der Entscheidungseinheit beim jeweiligen Ergebnisniveau, − dem wirtschaftlichsten Verfahren (z. B. interne oder externe, zentrale oder dezentrale Ausführung) zur Erreichung der Ziele und seinen Vor- und Nachteilen, − den Vorteilen und Nachteilen bzw. den Konsequenzen bei Ablehnung des Entscheidungspaketes, − den Abhängigkeiten von anderen bzw. den Auswirkungen auf andere Entscheidungseinheiten sowie − den zur Durchführung des Entscheidungspaketes einmalig und laufend erforderlichen Mitteln. Nur für die Entscheidungspakete des niedrigsten Ergebnisniveaus werden die gesamten Mittel angegeben, die laufend oder einmalig benötigt werden. Für die Entscheidungspakete der folgenden Ergebnisniveaus werden jeweils nur die gegenüber dem Entscheidungspaket mit dem nächst niedrigeren Ergebnisniveau zusätzlich erforderlichen Mittel angegeben (vgl. Wegmann (1982), S. 178). Abb. 5.18 zeigt das Beispiel eines Entscheidungspaketes des Ergebnisniveaus 1 für das Personalwesen aus Abb. 5.17. Abb. 5.19 zeigt das Entscheidungspaket für dieselbe Entscheidungseinheit, jedoch für Ergebnisniveau 3 (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 206 ff.). <?page no="257"?> 240 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Entscheidungspaket: Personalwesen Ergebnisniveau 1 Personal Kosten (TEUR/ Jahr) Leitung Mitarbeiter Personalkosten Sachkosten Zusatzkosten Investition Gesamtkosten Investitionen IST 1 12 1.473,4 139,3 x 1.612,7 x Planung für LN1 − 8,5 1.076,7 72,0 - 1.148,7 kumul. Niveau x x x x x x x Aufgabe: Mitarbeiter-Einstellung (ca. 75), -Betreuung (ca. 1500), -Ausbildung (ca. 120), -Freisetzung (ca. 35); kurzfristige Einsatzplanung, Bearbeitung arbeitsrechtlicher Fragen (ca. 20), Betreuung der Arbeitnehmervertretung, Erhaltung des betrieblichen Vorschlagswesens. Ziel: Vgl. Abb. 5.17 Verwendete Verfahren: Personalbeschaffung ausschließlich über Anzeigen (kein Einsatz von Personal-Beratern), keine Assessment-Center; Einzelinterviews (auf VR und potentielle Führungskräfte beschränken); Einsatz vorhandener EDV-Programme bei Administration; keine Stellenbewertung und Gehaltsanalysen (intern und extern); keine Personalentwicklungs-Richtlinien ... Konsequenzen dieses Ergebnisniveaus gegenüber IST: Gefahr der Fehl- und Nichtbesetzung von Positionen; Erhöhung der Fluktuationsrate von derzeit 6,3 % auf ein Minimum von 9 % (geschätzt); Aufrechterhaltung der Administration; keine marktgerechte Entlohnung, da dem Vorgesetzten bereichsübergreifende Vergleiche sowie Marktanalysen fehlen; Gefahr innerbetrieblicher Ungerechtigkeit in der Entlohnung; Wegfall von Personalentwicklung und Management-Training erhöht die Fluktuation ... Direkte Abhängigkeit von anderen/ Auswirkungen auf andere EE/ Abteilungen: Direkte Entscheidung der Gehaltsfindung durch Vorgesetzte; stärkere Einbindung der Vorgesetzten in BR-Aktivitäten, Personalauswahl und -information; Konzern ohne detaillierte Personalinformation; Betriebliche Ausbildung im Niveau 2 notwendig. Abb. 5.18: Beispiel für ein Entscheidungspaket des Ergebnisniveaus 1 - Auszüge Entscheidungspaket: Personalwesen Ergebnisniveau 3 Personal Kosten (TEUR/ Jahr) Leitung Mitarbeiter Personalkosten Sachkosten Zusatzkosten Investition Gesamtkosten Investitionen IST 1 12 1.473,4 139,3 x 1.612,7 x zusätzlich für LN3 - 1,5 270,0 31,1 15 316,1 50 kumul. Niveau 1 12 1.573,4 104,2 15 1.692,6 50 Aufgabe: Bewerber-Auswahl (ca. 400), -Einstellung (ca.100), -Betreuung (ca. 1500), -Aus- und Fortbildung (ca. 300), -Freisetzung (ca. 60); kurz-, mittel- und langfristige Personalplanung, Entwicklung von Mitarbeiter-Informationssystemen, erweiterter Einsatz von Beurteilungssystemen, Bearbeitung arbeitsrechtlicher Fragen (in- und extern), Entwicklung des Vorschlagswesens, Betreuung der Arbeitnehmervertretung, Entwicklung von Führungsgrundsätzen. <?page no="258"?> Prozessverbesserung • 241 Ziel: Vgl. Abb. 5.17 Verwendete Verfahren: Personalbeschaffung über Anzeigen, Personalberater, Firmenkontakte, Assessment-Center, Interviews; Erfolgsanalysen einzelner Aktionen, Medien; DV-gestützte Bewerberkartei; gezielte Hochschulkontakte und Messepräsenz; Mitarbeit an externer Bewerberdatenbank; Administration auf Basis vorhandener EDV-Programme sowie Optimierung gemäß Veränderungsvorschlägen; Optimierung vorhandener Gehaltsanalysetechniken durch DV; Positionsvergleiche, Stellenbewertungen; Personalentwicklungskonzepte, Beratungsgespräche, Ausschöpfen externer Management-Trainingsmöglichkeiten; intensivierte diesbezügliche Information ... Konsequenzen dieses Ergebnisniveaus gegenüber IST: Sicherung des künftigen Personalbedarfs nach Qualität und Quantität; Optimierung der Personalstruktur nach Qualifikation, Alter und Funktionsbzw. Produkterfahrung; Optimierung der Vergütung innerhalb des Budgets; adäquate systematische Personalentwicklung sichert zukünftiges Qualifikationsniveau und senkt Fluktuation ... Direkte Abhängigkeit von anderen/ Auswirkungen auf andere EE/ Abteilungen: Unterstützung des Vorgesetzten in der Gehaltsfindung, Personalauswahl und -führung; Entlastung des Vorgesetzten gegenüber BR; stärkere Einbeziehung des Vorgesetzten in die Personalentwicklung; strategische Unternehmensplanung ist Voraussetzung. Abb. 5.19: Beispiel für ein Entscheidungspaket des Ergebnisniveaus 3 - Auszüge Die Entscheidungspakete werden vom Leiter der Entscheidungseinheit erarbeitet. Unterstützt wird er dabei von dem betreuenden Mitglied des Analyseteams und Funktionsspezialisten. Anschließend werden die Entscheidungspakete dem Analyseteam vorgelegt. Dieses prüft die formale und inhaltliche Richtigkeit der Entscheidungspakete (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 209 f.). Schritt 4: Bilden einer Rangordnung über die Entscheidungspakete In dieser Phase werden die Entscheidungspakete nach ihrer Bedeutung für das Erreichen der vorgegebenen Ziele in eine Rangordnung gebracht. Als Kriterien dieser Bewertung werden genannt: Rechtliche Notwendigkeit, Verfügbarkeit der zur Realisation notwendigen Kenntnisse und Ausstattung, Akzeptanz durch die Mitarbeiter, Kosten und Risiko bei Ablehnung des Entscheidungspaketes (vgl. Wegmann (1982), S. 188). Darüber hinaus sind bei der Bewertung der Entscheidungspakete zwei Nebenbedingungen zu beachten: (1) In die Rangordnung dürfen nur Entscheidungspakete einbezogen werden, die entfallen können, sofern die bereitgestellten Mittel nicht ausreichen. (2) Entscheidungspakete einer Entscheidungseinheit mit einem niedrigeren Ergebnisniveau haben im Vergleich zu den Entscheidungspaketen der gleichen Entscheidungseinheit mit einem höheren Ergebnisniveau stets höhere Priorität. Das Bilden der Rangordnung beginnt auf der untersten Führungsebene . Die für die verschiedenen Untersuchungsbereiche gebildeten Rangordnungen werden anschließend an die übergeordnete Instanz weitergegeben. Auf dieser Ebene werden die Rangordnungen geprüft und zu einer neuen, erweiterten Rangordnung der Entscheidungspakete zusammengefasst (vgl. Abb. 5.20). Gebildet werden die Rangordnungen von Rangordnungsgruppen, die auf jeder Hierarchieebene eingerichtet werden. Auf <?page no="259"?> 242 • Prozessorientiertes Kostenmanagement der untersten Führungsebene umfasst eine Rangordnungsgruppe die Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten und ihre Vorgesetzten, Vertreter der wichtigsten Leistungsempfänger und das zuständige Mitglied des Analyseteams als Moderator. Auf der zweiten Ebene setzt sich die Rangordnungsgruppe aus den Vorgesetzten der ersten Ebene und deren Vorgesetzte zusammen. Auf jeder Ebene wird die Rangordnung festgelegt, indem jedes Gruppenmitglied seine Vorstellungen zu den Prioritäten der Entscheidungspakete darlegt und die Differenzen zwischen den Beurteilungen ausdiskutiert werden oder aber indem eine Nutzwertanalyse durchgeführt wird. Die Entscheidung über die Rangordnung trifft der jeweilige Vorgesetzte (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 211 ff.). Ist die Entscheidung über die Rangordnung getroffen, wird ein minimaler und ein maximaler Budgetschnitt festgelegt (vgl. Abb. 5.20). Ein Budgetschnitt trennt in einer Rangordnung die zu realisierenden Entscheidungspakete von den Entscheidungspakten eines Bereichs, die nicht realisiert werden sollen. Die Summe der Mittel, die für die zu realisierenden Entscheidungspakete erforderlich sind, bestimmen das Budget, das künftig zugewiesen werden soll. Abb. 5.20: Bilden der Rangordnungen Entscheidungspakte oberhalb des minimalen Budgetschnitts werden als unverzichtbar angesehen und sollten deshalb unbedingt genehmigt werden. Entscheidungspakete, auf die bei knappen finanziellen Mitteln verzichtet werden könnte, markieren den ma- Abteilung 1 B1 A1 C1 B2 A2 B3 C2 A2 C3 Abteilung 2 D1 E1 D2 E2 F1 F2 D3 E3 F3 C1 B1 D1 C2 A1 E1 C3 B2 E2 D2 F1 A2 F2 B3 D3 E3 F3 A3 ⋮ A1 E1 D2 E2 B2 F1 F2 Abteilungsebene Bereichsführung Unternehmungsführung Min BS Max BS <?page no="260"?> Prozessverbesserung • 243 ximalen Budgetschnitt . Die übergeordnete Instanz wird dadurch entlastet, dass sie sich auf den Bereich der kritischen Entscheidungspakete zwischen dem minimalen und dem maximalen Budgetschnitt eines jeden Bereichs konzentrieren kann. Der Prozess zur Bildung der Rangordnung erstreckt sich bis zur Ebene der Unternehmungsführung in der Regel über drei Stufen, in großen Unternehmungen kann er auch vier oder mehr Stufen umfassen. Zweck dieses mehrstufigen, partizipativen Prozesses ist es, die Widerstände gegen die geplanten Veränderungen zu überwinden (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 226 ff.). Diese Widerstände können in diesem Prozess jedoch auch eine nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung gegenüber den Rangordnungsgruppen höherer Ebenen bewirken. Kommuniziert wird eine Rangordnung, mit der sich die individuellen Ziele der Rangordnungsgruppe realisieren lassen (vgl. Jehle (1982), S. 65 f.). Teilschritt 5: Budgetschnitte Liegt für jeden Bereich die Rangordnung fest, entscheidet die Unternehmungsführung über den Budgetschnitt. Hierzu wird zunächst für alle Bereiche, die für die Zielerreichung kritisch sind, der Budgetschnitt an der wünschenswerten Position in der Rangordnung vorläufig eingefügt. Anschließend wird in die Rangordnung jedes verbleibenden Bereichs ein vorläufiger Budgetschnitt vorgenommen. Erst wenn für alle Bereiche ein vorläufiger Budgetschnitt bestimmt ist, kann die mit dem Projekt erreichte Kosteneinsparung ermittelt werden. Entspricht diese nicht der erwarteten Kosteneinsparung, werden die vorläufigen Budgetschnitte überprüft und gegebenenfalls angepasst. Nach der Entscheidung der Unternehmungsführung über die Budgetschnitte werden die Mitarbeiter über die genehmigten Entscheidungspakete informiert (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 244 ff.). Der Budgetschnitt in Abb. 5.21 kann wie folgt interpretiert werden: Entscheidungspaket F1 liegt unterhalb des Budgetschnitts, d. h., die Entscheidungseinheit F wird vollständig abgebaut. Von Entscheidungseinheit A wird das Ergebnisniveau 1 realisiert, d. h. eine gegenüber dem Ist-Zustand reduzierte Lösung. Die Entscheidungseinheiten B, D und E werden mit dem Ergebnisniveau 2 realisiert, d. h., das aktuelle Niveau wird bei geringeren Kosten beibehalten. Eine gegenüber der aktuellen Situation verbesserte Lösung wird von Entscheidungseinheit C realisiert, da das Ergebnisniveau 3 dieser Entscheidungseinheit über dem Budgetschnitt liegt. In der Realisationsphase werden zunächst die Maßnahmen zum Aufbau, zum Abbau und zur effizienten Erstellung von Leistungen geplant. Ergebnis dieses ersten Schrittes sind ein personeller und ein sachlicher Maßnahmenplan, Vorgaben für die Anpassung des IT-Systems sowie der Plan für die Veränderung der Organisationsstruktur (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 258). Auf dieser Grundlage werden anschließend die Budgets geplant. Für die Realisation der geplanten Maßnahmen wird ein Arbeits- und Zeitplan erstellt. Gegenstand der Planfortschrittskontrolle ist die Einhaltung dieser <?page no="261"?> 244 • Prozessorientiertes Kostenmanagement beiden Pläne (vgl. Meyer-Piening (1990), S. 261). Für jede Abteilung werden weiterhin zwei bis drei Faktoren mit Einfluss auf die Arbeitslast ausgewählt. Durch Endkontrollen sollen Veränderungen bei diesen Faktoren festgestellt werden, die eine Anpassung der Kapazitäten erforderlich machen. Diese Kontrollen stellen sicher, dass die vorgenommenen Veränderungen nach Abschluss des Rationalisierungsprojektes nicht versanden und die abgebauten Kapazitäten wieder aufgebaut werden (vgl. Meyer- Piening (1990), S. 29). Entscheidungspakete Kosten Kumulierte Kosten C1 250.000 € 250.000 € B1 300.000 € 550.000 € D1 120.000 € 670.000 € C2 125.000 € 795.000 € E1 118.000 € 913.000 € A1 100.000 € 1.013.000 € C3 115.000 € 1.128.000 € B2 30.000 € 1.158.000 € D2 32.000 € 1.190.000 € E2 10.000 € 1.200.000 € F1 15.000 € 1.215.000 € A2 27.000 € 1.242.000 € F2 48.000 € 1.290.000 € B3 12.000 € 1.302.000 € D3 23.000 € 1.325.000 € E3 8.000 € 1.333.000 € F3 12.500 € 1.345.500 € A3 46.000 € 1.391.500 € Abb. 5.21: Budgetschnitt in einem Bereich Der Vorteil des Zero-Base-Budgeting wird darin gesehen, dass es nicht nur auf eine Kostensenkung im Gemeinkostenbereich zielt, sondern auf eine Prozesswertsteigerung zur verbesserten Erreichung der mittel- und langfristigen Unternehmungsziele. Als Nachteil dieses Verfahrens wird zum einen der große Aufwand gesehen, den es verursacht. Zum anderen sind wie auch bei der Gemeinkostenwertanalyse die Maßnahmen zur Kostensenkung und zur Mittelumverteilung von denjenigen zu erarbeiten, die anschließend von den durchzusetzenden Maßnahmen betroffen sind. In der Wirtschaftspraxis hat die Anwendung des Zero-Base-Budgeting sowohl zu Senkungen als auch zu Erhöhungen der Kosten im Gemeinkostenbereich geführt (vgl. Wegmann (1982), S. 193). Budgetschnitt <?page no="262"?> Prozessverbesserung • 245 5.3.4 Benchmarking 5.3.4.1 Merkmale des Benchmarking Das Benchmarking ist Ende der 70er Jahre von der Xerox Corporation entwickelt worden (vgl. z. B. Camp (1994), S. 7 ff.). Sein Einsatzbereich ist nicht auf die Prozesse des Gemeinkostenbereichs begrenzt, sondern erstreckt sich über alle Prozesse der Unternehmung, die Unternehmungsleistungen (Produktprogramm, Service, Lieferzeit, Produkte), die Aufbauorganisation und die Strategien der Unternehmung (vgl. Sabisch/ Tintelnot (1997), S. 22). Die Bezeichnung geht auf den „Benchmark“ zurück, den Ausgangswert für die Ermittlung von Höhenunterschieden bei der Landvermessung. Sie bringt den Grundgedanken dieses Ansatzes zum Ausdruck, vor der Erarbeitung von Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität oder Effizienz zunächst einen Bezugspunkt für die Beurteilung der eigenen Leistung durch den Vergleich mit einem Leistungsführer zu schaffen (vgl. Hoffjan (1995), S. 156). Nach dem Zweck des Leistungsvergleichs wird in der Literatur zwischen dem ergebnis- und dem ursachenbezogenen Benchmarking unterschieden. Beim ergebnisbezogenen Benchmarking wird nur der Leistungsunterschied festgestellt. Mit dem ursachenbezogenen Benchmarking wird dagegen angestrebt, identifizierte Leistungsunterschiede auch zu erklären (vgl. Francis/ Holloway (2007), S. 174 f.). Das Benchmarking lässt sich durch die konstitutiven und sonstige Merkmale kennzeichnen, die in Abb. 5.22 genannt sind (zu den Merkmalen vgl. Spendolini (1992), S. 9 ff.; Riegler (2002), Sp. 127). Die konstitutiven Merkmale grenzen das Benchmarking von anderen Ansätzen zur Planung und Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen ab. Die sonstigen Merkmale hat das Benchmarking mit den anderen Ansätzen gemeinsam. Konstitutive Merkmale Sonstige Merkmale − Vergleich mit einem Leistungsführer − Steigerung von Effektivität und Effizienz − Kontinuität − Systematischer Ablauf − Planung und Umsetzung von Maßnahmen Abb. 5.22: Merkmale des Benchmarking Die Informationen für die Beurteilung der Leistung, die Identifikation der Leistungslücke, die Planung der Ziele für die Prozessrationalisierung und das Generieren von Ideen für Maßnahmen zur Prozesswertsteigerung werden beim Benchmarking durch einen Vergleich mit einer anderen Unternehmung gewonnen. Anders als beim Betriebsvergleich gehört der Vergleichspartner in der Regel nicht der gleichen Branche an. Gefordert wird, dass der Vergleichspartner ein Leistungsführer ist, d. h. in Bezug auf das Benchmarkingobjekt die beste Leistung erbringt. Nach den Zielen, die mit dem Benchmarking verfolgt werden, kann der Leistungsführer die beste Organisa- <?page no="263"?> 246 • Prozessorientiertes Kostenmanagement tionseinheit innerhalb der Unternehmung sein, der beste Wettbewerber, der Beste der Branche, der Beste eines Landes oder der Weltbeste (vgl. Spendolini (1992), S. 23). Durch den Leistungsvergleich können mit dem Benchmarking nicht nur Maßnahmen zur Steigerung des Prozesswertes erarbeitet werden, sondern auch Maßnahmen zur verbesserten Erreichung der mittel- und langfristigen Unternehmungsziele. Wie das Zero-Base-Budgeting dient das Benchmarking Effizienz- und Effektivitätszielen . Das Merkmal „Kontinuität“ besagt, dass das Benchmarking kein einmaliges Projekt ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess im Sinne einer regelmäßigen Wiederholung des Benchmarking-Prozesses. Das ist notwendig, da durch Produkt- und Verfahrensinnovationen die gefundenen und implementierten Lösungen zum Standard werden oder neue Leistungsführer auftreten. Es ist deshalb regelmäßig zu überprüfen, ob die Ziele und Maßnahmen aufgrund externer Veränderungen angepasst werden müssen (vgl. Spendolini (1992), S. 11). Benchmarking ist ein kontinuierlicher Prozess zur Erarbeitung und Implementierung von Maßnahmen mit dem Ziel einer Steigerung der Effektivität oder Effizienz durch • die Gewinnung und vergleichende Analyse von Informationen über vermutete Bestimmungsfaktoren der Effizienz oder Effektivität • in der Unternehmung und bei einem Leistungsführer • zur Ableitung von Effizienz- oder Effektivitätszielen und Ideen für Verbesserungsmaßnahmen. Das Benchmarking wird projektbezogen durchgeführt. Die Träger eines Benchmarking-Projektes sind (vgl. Karlöf/ Östblom (1993), S. 73): − der Lenkungsausschuss, − der Projektleiter sowie − das Projektteam. Der Lenkungsausschuss setzt sich aus den Leitern der Bereiche zusammen, die das Benchmarking-Objekt bilden. Im Aufgabenbereich des Projektleiters liegt das gesamte Projektmanagement. Weiterhin informiert er den Lenkungsausschuss fortlaufend über den Fortschritt des Benchmarking-Projektes sowie über die gewonnenen Ergebnisse. Er überprüft die Richtigkeit und die Relevanz der Ergebnisse. Ein Projektteam setzt sich aus drei bis zehn in der Regel jedoch aus sechs Mitgliedern zusammen. Nach der Zusammensetzung werden drei Arten von Projektteams unterschieden (vgl. Spendolini (1993), S. 53 f.): − die bestehende Arbeitsgruppe, − das funktionale Team und − das multifunktionale Team. <?page no="264"?> Prozessverbesserung • 247 Eine bestehende Arbeitsgruppen setzt sich aus dem Leiter und Mitarbeitern des Untersuchungsbereiches zusammen. Sie bearbeiten Probleme aus ihrem eigenen Verantwortungsbereich. Bestehende Arbeitsgruppen eignen sich für die Verstetigung nach Abschluss eines Benchmarking-Projektes (vgl. Tucker/ Zivian/ Camp (1987), S. 18). Gehören die Mitglieder dem gleichen Funktionsbereich an unterschiedlichen Standorten oder in verschiedenen Divisionen der Unternehmung an, liegt ein funktionales Team vor. Um ein breites Spektrum an Qualifikationen zu erreichen, wird ein multifunktional zusammengesetztes Team gefordert. In dieses werden auch Mitarbeiter der betroffenen Bereiche einbezogen, um die Akzeptanz der erarbeiteten Maßnahmen zu fördern. Ergänzt werden die Teams durch Mentoren, das sind Mitarbeiter, die über Erfahrungen mit dem Benchmarking verfügen. Benötigt werden die Erfahrungen der Mentoren über den für die verschiedenen Aktivitäten erforderlichen Arbeitseinsatz, um zu einem realisierbaren Zeitplan zu gelangen und eine hinreichend gründliche Ausführung aller Aktivitäten sicherzustellen (vgl. Spendolini (1993), S. 57). Hat die Unternehmung noch keine Erfahrungen mit dieser Methode gesammelt, kann das Projektteam um externe Berater erweitert werden. Vor dem Beginn der Arbeit an dem Projekt werden die Mitglieder des Teams in der Anwendung der Methoden des Benchmarking geschult (vgl. Karlöf/ Östblom (1993), S. 75 ff.). 5.3.4.2 Formen des Benchmarking Das Benchmarking ist ein vielseitig einsetzbares Verfahren, das nicht nur die Prozessverbesserung unterstützt. Es haben sich deshalb Varianten des Benchmarking herausgebildet. Diese können nach folgenden Merkmalen abgegrenzt werden: − dem Benchmarking-Partner, − der Art der Zusammenarbeit mit dem Benchmarking-Partner und − dem Benchmarking-Objekt. (1) Formen des Benchmarking nach dem Benchmarking-Partner Nach dem Benchmarking-Partner werden die in Abb. 5.23 genannten Formen des Benchmarking unterschieden (vgl. Camp (1994), S. 71, 77 ff.; Lasch/ Trost (1997), S. 692 f.; Schäfer/ Seibt (1998), S. 374 ff.). (2) Formen des Benchmarking nach der Art der Zusammenarbeit In der Literatur werden nach der Art der Zusammenarbeit mit dem Benchmarking- Partner die in Abb. 5.24 genannten Formen des Benchmarking abgegrenzt. <?page no="265"?> 248 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Verfahren Definition Beurteilung V: Einfache Informationsbeschaffung; Sammeln von Erfahrungen für ein Benchmarking mit einem externen Benchmarking-Partner; Übertragbarkeit der gefundenen Lösungen ist gegeben Unternehmungsinternes Benchmarking Benchmarking-Partner: Leistungsführer innerhalb der Unternehmung (verschiedene Standorte, Unternehmungsbereiche) oder in einer assoziierten Unternehmung Objekt: Prozesse N: Es können keine innovativen Lösungen gefunden werden V: Hohe Vergleichbarkeit Wettbewerbsorientiertes Benchmarking Benchmarking-Partner: Direkter Wettbewerber; Leistungsführer innerhalb der Branche Objekt: Produkte, Prozesse, Methoden N: Wettbewerbsvorteile können kaum geschaffen werden; Beschränkungen der Informationsbeschaffung; Gefahr der Übernahme nicht optimaler Lösungen V: Einfache Informationsbeschaffung; es können innovative Lösungen gefunden werden, da es eine größere Zahl potentieller Benchmarking-Partner gibt und die betrachtete Funktion eine Kernkompetenz des Benchmarking-Partners ist; ermöglicht das Schaffen von Wettbewerbsvorteilen; höhere Akzeptanz der Lösungen Funktionales Benchmarking Benchmarking-Partner: Branchenübergreifender Leistungsführer in Bezug auf eine bestimmte Funktion Objekt: Prozesse, die auch in Unternehmungen anderer Branchen ausgeführt werden (z. B. Logistik) N: Schwierigkeiten bei der Übertragung der gefundenen Lösungen V: Einfache Informationsbeschaffung; es können innovative Lösungen gefunden werden; ermöglicht das Schaffen von Wettbewerbsvorteilen; höhere Akzeptanz der Lösungen Generisches Benchmarking Benchmarking-Partner: Branchenübergreifender Leistungsführer in Bezug auf einen funktionsübergreifenden Prozess Objekt: Funktionsübergreifender Prozess (z. B. Anpassung an kurzfristige Nachfrageschwankungen) N: Schwierigkeiten bei der Übertragung der gefundenen Lösungen V = Vorteile; N = Nachteile Abb. 5.23: Arten des Benchmarking nach dem Benchmarking-Partner Beim einseitigen Benchmarking erhebt eine Unternehmung beim Benchmarking- Partner Daten, ohne selbst Daten anzubieten. Es kann offen oder verdeckt durchgeführt werden. Tritt die Unternehmung selbst an den Benchmarking-Partner heran, liegt ein offenes Benchmarking vor (vgl. Töpfer (1997), S. 202). Werden die Daten ohne Kontaktaufnahme mit dem Benchmarking-Partner über Verbände oder Benchmarking- Agenturen gewonnen, wird von einem verdeckten Benchmarking gesprochen. Eine verdeckte Form ist das datenbankbezogene Benchmarking . Ein Datenbank- <?page no="266"?> Prozessverbesserung • 249 Betreiber erfasst die Daten über die Unternehmungen und verkauft sie an andere Unternehmungen. Betreiber solcher Datenbanken sind das International Benchmarking Clearinghouse (Housten, USA), der Strategic Planning Council on Benchmarking (Cambridge, USA), The Best Practice Club (Bedford, GB) und das Informationszentrum Benchmarking (IBZ) in Berlin (vgl. Serfling/ Schultze (1997), S. 201). In der Regel ist der Unternehmung, die diese Daten erwirbt, die Datenquelle nicht bekannt. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass auf sehr einfachem Weg eine Vielzahl von Daten gewonnen werden kann. Als Nachteil ist zu erwähnen, dass es sich häufig um aggregierte Daten handelt. Wird die Datensammlung einem Berater übertragen, handelt es sich um das indirekte Benchmarking . Es kommt vor allem beim wettbewerbsorientierten Benchmarking zur Anwendung. Wird es als verdecktes Benchmarking ausgestaltet, werden die Datenquellen nicht offengelegt. Im Unterschied zum datenbankorientierten Benchmarking werden die Daten gezielt für eine einzelne Unternehmung erfasst (in Anlehnung an Atkinson u. a. (2007), S. 338 f.). Abb. 5.24: Arten des Benchmarking nach der Datengewinnung Beim kooperativen Benchmarking handelt es sich um einen freiwilligen Informationsaustausch zwischen Benchmarking-Partnern auf der Grundlage einer gemeinsamen Vereinbarung. Das wechselseitige Benchmarking zeichnet sich dadurch aus, dass die Unternehmung das Benchmarking selbstständig durchführt, die Kooperation sich also nur auf den Austausch von Daten bezieht. Führen zwei oder mehrere Unternehmungen gemeinsam ein Benchmarking durch, um durch den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu Verbesserungen zu gelangen, liegt ein Gruppenbenchmarking vor. Bei dieser Form des kooperativen Benchmarking erstreckt sich die Zusammenarbeit der Unternehmungen auf den gesamten Prozess des Benchmarking (vgl. Watson (2007), S. 12, 23). Die Benchmarking-Partner arbeiten direkt zusammen. Die Aktivitäten und die Terminologie werden untereinander abgestimmt, und es finden gegenseitige Betriebsbesichtigungen statt. Arten des Benchmarking nach der Datengewinnung Einseitiges Benchmarking Kooperatives Benchmarking Offenes Benchmarking Verdecktes Benchmarking Indirektes Benchmarking Datenbankbezogenes Benchmarking Wechselseitiges Benchmarking Gruppenbenchmarking <?page no="267"?> 250 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Das offene und das kooperative Benchmarking sind sehr aufwendig, ermöglichen jedoch den besten Einblick in die Vergleichsunternehmung, da die Daten bedarfsgerecht erfasst werden (vgl. Atkinson u. a. (2007), S. 338 f.). Im Rahmen von Betriebsbesichtigungen können nicht nur Daten über die Ausprägungen der Leistungs- und der Treiberindikatoren gewonnen werden. Es ist vielmehr auch möglich, Arbeitsinhalte, Prozesse und Methoden zu erkennen und zu dokumentieren. Diese Daten stellen eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung der Aktionspläne zur Schließung der Leistungslücke dar. (3) Formen des Benchmarking nach dem Objekt Nach dem Objekt werden in der Literatur − das Leistungsbenchmarking, − das Strategiebenchmarking und − das Prozessbenchmarking unterschieden. Zur Beurteilung der Stellung im Wettbewerb eignet sich das Leistungsbenchmarking . Es zielt auf die Verbesserung von Leistungsmerkmalen der Unternehmung, wie z. B. Preis, Lieferdauer, Produktmerkmale, Service und Zuverlässigkeit. Ein spezielles Verfahren des Leistungsbenchmarking ist das Reverse Engineering, das auf die Verbesserung der Preise der Produkte und der Produktmerkmale zielt (vgl. Abschnitt 6.2.4.2). Beim Strategiebenchmarking wird analysiert, wie die Unternehmungen im Wettbewerb bestehen, um alternative Strategien und Vorgehensweisen zu ihrer Umsetzung zu finden (vgl. Watson (1993), S. 25 f.; Bogan/ English (1994), S. 7 ff.). Das Prozessbenchmarking unterstützt die Gestaltung von Produktions- oder Geschäftsprozessen, wie z. B. die Auftragsabwicklung, die Einstellung von Mitarbeitern, die Kostenrechnung (vgl. Weber/ Weißenberger/ Aust (1997)) oder die strategische Planung. Das Benchmarking von Prozessen im Gemeinkostenbereich wird auch als Business Management Benchmarking bezeichnet (vgl. Pryor (1989), S. 30). Die große Bedeutung des Benchmarking für die Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich wird damit begründet, dass es für den Gemeinkostenbereich, der nur internen Prozesskunden ohne unternehmungsexterne Alternativen gegenübersteht, eine Wettbewerbssituation schafft (vgl. Hoffjan (1995), S. 164; Horváth/ Lamla (1995), S. 67). Das Benchmarking wird auch für die Prozessoptimierung durch die kontinuierliche Verbesserung empfohlen. Für dieses Handlungsfeld eignet sich das interne Benchmarking, das von bestehenden Arbeitsgruppen (z. B. Qualitätszirkel-Gruppen) durchgeführt wird. Neben den zu verbessernden Prozessen können aber auch die Prozesse der kontinuierlichen Verbesserung selbst (z. B. das Betriebliche Vorschlagswesen) ein Objekt des Benchmarking bilden (vgl. Leibfried/ McNair (1993), S. 121 ff.). <?page no="268"?> Prozessverbesserung • 251 5.3.4.3 Prozess des Benchmarking Der Prozess des Benchmarking umfasst vier Phasen (vgl. z. B. Fromm (1994), S. 123; Watson (2007), S. 7): − die Vorbereitungsphase, − die Phase der Datenbeschaffung, − die Analysephase sowie − die Realisationsphase. Jede dieser Phasen wird in mehreren Teilschritten durchgeführt. Einen Überblick über den Ablauf des Benchmarking-Prozesses zeigt Abb. 5.25. Vorbereitung − Festlegen des Benchmarking-Objektes − Bilden der Projektorganisation − Qualitative Prozessanalyse − Auswahl von Kennzahlen zur quantitativen Prozessanalyse − Erarbeiten eines Fragebogens Datenbeschaffung − Sammeln der internen Daten − Auswahl eines Benchmarking-Partners − Beschaffen der Daten über den Benchmarking-Partner Analyse − Ermitteln von Kosten- und Leistungslücken − Prognose der Entwicklung der Kosten- und Leistungslücken − Analyse der Ursachen der Kosten- und Leistungslücken − Erstellen eines Benchmarking-Berichts Realisation − Definition von Zielen − Entwickeln von Maßnahmenprogrammen − Realisation der Maßnahmenprogramme − Kontrolle der Realisation der Maßnahmenprogramme Abb. 5.25: Phasen im Benchmarking-Prozess <?page no="269"?> 252 • Prozessorientiertes Kostenmanagement (1) Vorbereitung Der Benchmarking-Prozess beginnt mit der Auswahl des Benchmarking-Objektes. Als Benchmarking-Objekt werden die Prozesse ausgewählt, die erfolgskritisch oder sogar existenzbedrohend sind bzw. die als Erfolgspotential für die zukünftige Unternehmungsentwicklung gelten (vgl. Lamla (1995), S. 94). Zu diesem Zweck wird der Gemeinkostenbereich der Unternehmung einer Stärken-/ Schwächen-Analyse unterzogen (vgl. Töpfer (1997), S. 202 f.). Zu einem Benchmarking-Objekt wird ein Prozess jedoch nur dann, wenn der Prozessverantwortliche für die Mitwirkung an der Untersuchung gewonnen werden kann (vgl. Watson (2007), S. 75). In einem nächsten Schritt wird der Prozess analysiert, der für das Benchmarking ausgewählt worden ist. Diese qualitative Prozessanalyse erstreckt sich über den Input, die Lieferanten, die Aktivitäten, den Ablauf, den Output, die Kunden, die Durchlaufzeit und die Kapazitätsauslastung des Prozesses. Weiterhin sind die Daten, die dieser Prozess erzeugt, verarbeitet oder weitergibt, sowie die Datenträger zu ermitteln (vgl. Lamla (1995), S. 101 f.). Bereits durch diese Analyse können Kostensenkungspotentiale identifiziert werden, die zur Motivierung der Beteiligten (Quick Hits) unmittelbar ausgeschöpft werden sollten (vgl. Watson (2007), S. 17). Beim Benchmarking handelt es sich um einen Leistungsvergleich, in dem die für die Unternehmungsziele relevanten Leistungsunterschiede und ihre Ursachen quantifiziert werden sollen. Zur Messung der zielrelevanten Leistung des betrachteten Prozesses und der auf sie wirkenden Einflussfaktoren werden in einem Benchmarking-Projekt zwei Arten von Kennzahlen benötigt: − die Leistungsindikatoren und − die Treiberindikatoren. Leistungsindikatoren sind Kennzahlen zur Beurteilung der zielrelevanten Leistung des betrachteten Prozesses. Bei der Leistung kann es sich um die Funktionalität, die Qualität oder den Ressourceneinsatz des Prozesses handeln. Zur Beurteilung der Leistung des untersuchten Prozesses können Merkmale des Outputs oder des Inputs, die Durchlaufzeit bzw. deren Bestandteile oder die Auswirkungen beim Prozesskunden gemessen werden. Die Einflussgrößen auf die zielrelevante Leistung werden über die Treiberindikatoren erfasst (in Anlehnung an Homburg/ Werner/ Englisch (1997), S. 54). Werden Kostensenkungsziele verfolgt, handelt es sich bei den Treiberindikatoren um Messgrößen für Kosteneinflussgrößen, wie z. B. die Prozessgenauigkeit (vgl. Kreuz (1997), S. 284 ff.). Die Kennzahlen sollten in dieser Phase noch nicht endgültig festgelegt werden, sondern während des Benchmarking-Prozesses kritisch hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden (vgl. Horváth (2001), S. 417). Beispiel 5.1: Kennzahlen im Benchmarking Inhalte der Beschaffungsziele sind die Kosten, die Qualität und die Zeit. Als Leistungsindikatoren werden u. a. genannt: die Anzahl der Einkaufspositionen pro Ein- <?page no="270"?> Prozessverbesserung • 253 käufer, der Quotient aus der Anzahl verspäteter Lieferungen und der Zahl der Lieferungen insgesamt sowie der durchschnittliche Zeitraum zwischen Bedarfsmeldung und Lieferung. Einflussgrößen auf die zielrelevanten Leistungen der Beschaffung sind die Lieferantenstruktur, der Lieferanteneinsatz, die Mitarbeiterstruktur sowie der Mitarbeitereinsatz in der Beschaffung. Treiberindikator für die Einflussgröße Lieferantenstruktur ist z. B. der Quotient aus der Anzahl der Lieferanten, auf die zusammen ein bestimmter Anteil am wertmäßigen Beschaffungsvolumen entfällt, und der Gesamtzahl der Lieferanten (vgl. Homburg/ Werner/ Englisch (1997), S. 54; ähnlich bei Schäfer/ Seibt (1998), S. 368). Als Grundlage für die Datenbeschaffung in der nächsten Phase des Benchmarking- Prozesses wird ein Fragebogen (Checkliste) erstellt. In diesem wird festgehalten, welche Informationen zur Bestimmung der Ausprägungen aller Leistungs- und Treiberindikatoren zu erheben sind. (2) Datenbeschaffung In dieser Phase werden auf der Grundlage des Fragebogens die Daten zu den Leistungs- und Treiberindikatoren erfasst. Da der Grundgedanke des Benchmarking in einem Betriebsvergleich besteht, werden diese Daten sowohl für die eigene als auch für den Vergleichspartner erfasst. Anhand des Fragebogens werden im ersten Schritt zunächst die Daten der eigenen Unternehmung erfasst. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der Fragebogen vor dem Einsatz bei den Benchmarking-Partnern getestet werden kann. Zur Auswahl des Benchmarking-Partners im nächsten Schritt wird zunächst darüber entschieden, ob ein unternehmungsinternes, ein wettbewerbsorientiertes, ein funktionales oder ein generisches Benchmarking durchgeführt werden soll. Bevor systematisch nach geeigneten Benchmarking-Partnern gesucht wird, sollten die Anzahl der Benchmarking-Partner, ihre Größe und Marktposition festgelegt werden. Hinweise auf Leistungsführer sind die Verleihung von Qualitäts- oder Industriepreisen, positive Presseberichte und hervorragende finanzielle Ergebnisse (vgl. Fromm (1994), S. 125). Weiterhin sollten in diesem Schritt Vorstellungen über vertrauensbildende Maßnahmen entwickelt werden (vgl. Atkinson u. a. (2007), S. 337 f.), wie z. B. die Verpflichtung der Benchmarking-Partner auf einen Verhaltenskodex (vgl. Küting/ Lorson (1996), S. 136). Ein solcher Verhaltenskodex ist der Benchmarking Code of Conduct, der vom International Benchmarking Clearinghouse, einem Service des American Productivity & Quality Center, herausgegeben worden ist. Er umfasst zum einen acht Prinzipien, die in Abb. 5.26 genannt sind. Jedes dieser acht Prinzipien wird durch zwei bis fünf Normen präzisiert. Darüber hinaus enthält der Code of Conduct Verhaltensregeln für Besuche beim Benchmarking-Partner sowie für das Benchmarking mit Wettbewerbern (vgl. APQC (o.J.)). <?page no="271"?> 254 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Zur Vorbereitung auf die Erfassung der Daten beim Benchmarking-Partner werden zunächst alle Daten aus frei zugänglichen Quellen (z. B. Preise, Informationsdienste, Geschäftsberichte, Produktinformationen, öffentliche Datenbanken) zusammengetragen. Daran schließt sich die Datenerfassung durch sorgfältig geplante Besuche beim Benchmarking-Partner an. (3) Analysephase In dieser dritten Phase werden die ausgewählten Prozesse der Unternehmung mit den entsprechenden Prozessen beim Benchmarking-Partner verglichen, um die Leistungslücken und ihre Ursachen festzustellen. Zunächst werden die in der eigenen Unternehmung und beim Benchmarking-Partner gewonnenen Daten zu den Leistungsindikatoren gegenübergestellt, um die Kosten- und Leistungslücken zu identifizieren . Um das Ausmaß der notwendigen Verbesserungen in der Unternehmung quantifizieren zu können, genügt es nicht, nur die aktuelle Kosten- und Leistungslücke zu ermitteln. Unter Berücksichtigung der erwarteten Kundenanforderungen sowie des technologischen Fortschritts ist die Entwicklung bei den Leistungsindikatoren für die eigene Unternehmung und den Benchmarking-Partner und damit die Entwicklung der Leistungs- und Kostenlücke zu prognostizieren (vgl. Lasch/ Trost (1997), S. 695). Prinzipien Erläuterungen Prinzip der Rechtmäßigkeit Verzicht auf Handlungen, die nicht rechtmäßig sind oder Vertraulichkeitspflichten verletzen Austauschprinzip Gegenseitigkeit des Datenaustausches Vertrauensprinzip Vertrauensvoller Umgang mit den erhaltenen Daten Nutzungsprinzip Nutzung der erhaltenen Daten ausschließlich für die dem Benchmarking-Partner mitgeteilten Zwecke Kontaktprinzip Einhaltung aller Vereinbarungen bei Kontakten mit dem Benchmarking-Partner Vorbereitungsprinzip Sicherung einer effizienten Zusammenarbeit durch sorgfältige Vorbereitung aller Gespräche und Besichtigungen Vollendungsprinzip Pünktliche und vollständige Fertigstellung der dem Benchmarking-Partner zugesagten Leistungen Prinzip des Handelns und Verstehens Verhalten im Sinne des Benchmarking-Partners Abb. 5.26: Prinzipien des Benchmarking Code of Conduct Zur Analyse der Ursachen der Leistungs- und Kostenlücken werden zum einen die Daten zu den Treiberindikatoren verglichen und zum anderen Einflussfaktoren identifiziert, die das Vergleichsergebnis verfälschen könnten. Diese Faktoren können in <?page no="272"?> Prozessverbesserung • 255 unterschiedlichen Brancheninhalten, Fertigungstiefen, Marktbedingungen, Kostensituationen oder in länderspezifischen Unterschieden begründet sein (vgl. Karlöf/ Östblom (1993), S. 165 ff.). Weiterhin verlangt die Ursachenanalyse nach der Auswertung aller Informationen über die Arbeitsinhalte, Methoden und Prozesse, die im Rahmen der Betriebsbesichtigung dokumentiert worden sind. Beispiel 5.2: Ursachen der Leistungslücke Die Lagerauslieferung eines Großhändlers für HiFi- und Fernsehgeräte wird mit der eines Versandgroßhändlers für Bekleidung verglichen. Die Zeit zwischen dem Abruf und der Auslieferung ist bei dem Versandgroßhändler für Bekleidung sehr viel kürzer als bei dem Großhändler für HiFi- und Fernsehgeräte. Als Faktoren, die den Zeitvergleich verfälschen, können die Größe und die Sorgfalt genannt werden, mit der die Produkte zu behandeln sind. So kann ein Lagerförderwagen beim Versandgroßhändler für Bekleidung mit sehr viel mehr Bestellungen beladen werden. Zudem sind die Belade- und Entladezeiten aufgrund der notwendigen Sorgfalt bei den Elektrogeräten länger als bei Bekleidung (vgl. Karlöf/ Östblom (1993), S. 166 f.). Um bei den Beteiligten und Betroffenen Akzeptanz für die in der nächsten Phase zu entwickelnden Ziele und Maßnahmenprogramme zu schaffen, werden vor dem Beginn der Realisationsphase die Ergebnisse der Analyse in der Unternehmung kommuniziert. Zu diesem Zweck wird ein Benchmarking-Bericht erstellt (vgl. Karlöf/ Östblom (1993), S. 172 f.). Dieser Bericht wird dem Lenkungsausschuss, den betroffenen Mitarbeitern und den Mitgliedern der Unternehmungsführung vorgelegt. (4) Realisationsphase Die Ziele für die Entwicklung von Maßnahmenprogrammen zur Gestaltung der Effizienz und der Effektivität im Gemeinkostenbereich werden auf der Grundlage der Ausprägungen der Leistungsindikatoren bei den Benchmarking-Partnern festgelegt. Sie werden einer Realisierbarkeitsprüfung unterzogen. Aus diesen Zielen werden entsprechend der identifizierten Ursachen Teilziele für die betroffenen Bereiche abgeleitet. Anschließend werden die Maßnahmenprogramme zur Schließung der Kosten- und Leistungslücken erarbeitet. Grundlage dieses Schrittes sind die Kenntnisse über die Arbeitsinhalte, Prozesse und Methoden bei den Vergleichspartnern, die während der Analysephase gewonnen worden sind. Die Realisation der Maßnahmenprogramme ist Aufgabe der Bereiche. Sie werden jedoch vom Projektteam unterstützt. Parallel zum Realisationsprozess wird die Zielerreichung laufend Fortschrittskontrollen unterzogen. Wie das Zero-Base-Budgeting dient das Benchmarking nicht nur der Kostensenkung, sondern einer Prozesswertsteigerung zu einer verbesserten Erreichung der mittel- und langfristigen Unternehmungsziele. Der Vorteil des Benchmarking gegenüber der Ge- <?page no="273"?> 256 • Prozessorientiertes Kostenmanagement meinkostenwertanalyse und dem Zero-Base-Budgeting besteht darin, dass die Maßnahmen zur Gestaltung der Effizienz und der Effektivität im Gemeinkostenbereich nicht von den Betroffenen selbst erarbeitet werden müssen. Die Maßnahmen werden vielmehr durch andere Bereiche bzw. Unternehmungen angeregt. Das ist mit einem weiteren Vorteil verbunden. In die Maßnahmenprogramme gehen Prozesse und Praktiken ein, die sich bereits als effektiv und effizient erwiesen haben. Dadurch werden Lern- und Innovationszyklen verkürzt und die Akzeptanz der Aktionsprogramme bei den Betroffenen erhöht (vgl. Schäfer/ Seibt (1998), S. 368). 5.3.5 Vergleichende Analyse der Verfahren zur Prozessverbesserung Die erörterten Verfahren erfüllen verschiedene Funktionen. Zu diesen zählen (in Anlehnung an Sabisch/ Tintelnot (1997), S. 14): − die Zielsetzungsfunktion, − die Beschreibungsfunktion, − die Analysefunktion, − die Ideenfindungsfunktion, − die Bewertungsfunktion sowie − die Implementierungsfunktion. Prozesse des Gemeinkostenbereichs haben nur unternehmungsinterne Kunden. Der Prozesswert gibt deshalb zunächst keine Auskunft darüber, ob er für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung ausreicht (vgl. Lamla (1995), S. 44). Regelt ein Verfahren die Herleitung eines Prozesswertziels, das zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit beiträgt, erfüllt es die Zielsetzungsfunktion . Die Vorgabe der Kriterien zur Beschreibung der Prozesse dient der Beschreibungsfunktion . Ein Verfahren mit Analysefunktion unterstützt die Problemanalyse, d. h., die Feststellung der Abweichung zwischen angestrebtem und tatsächlichem Prozesswert sowie die Identifikation der Ursachen dieser Wertlücke. Umfasst das Verfahren Handlungsanweisungen zur Förderung der Kreativität, hat es eine Ideenfindungsfunktion . Legt es fest, wie die gefundenen Ideen zu bewerten sind, erfüllt es eine Bewertungsfunktion . Ein Verfahren mit Implementierungsfunktion enthält auch Handlungsanweisungen zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen. Abb. 5.27 gibt Auskunft über die Funktionen der Verfahren und die konstitutiven Merkmale, in denen sich die Verfahren unterscheiden. 5.4 Prozessoptimierung durch kontinuierliche Verbesserung 5.4.1 Abgrenzung des Prozess-Kaizen Die Prozessoptimierung ist der Abbau von Verlusten beim Prozesswert durch die kontinuierliche Verbesserung abgegrenzter Prozesse. <?page no="274"?> Prozessverbesserung • 257 Die kontinuierliche Verbesserung abgegrenzter Prozesse ist die Aufgabe des Prozess- Kaizen . Neben den in Abschnitt 4.1.1 genannten Merkmalen der kontinuierlichen Verbesserung (vgl. Abb. 5.28) kann das Prozess-Kaizen durch folgende Merkmale beschrieben werden (vgl. Imai (1994), S. 15 ff., (1997), S. 1 ff.): − Prozessorientierung Das Prozess-Kaizen ist prozessorientiert und nicht ergebnisorientiert (vgl. Imai (1994), S. 39 ff.), d. h., es wird primär eine Verbesserung der Ausführung angestrebt und nicht eine Verbesserung der Qualität, der Lieferzuverlässigkeit oder der Kosten. In der kontinuierlichen Verbesserung der Ausführung (z. B. Reduzierung körperlich belastender Arbeit, Erhöhung der Arbeitssicherheit, Vereinfachung der Abläufe) wird der Weg gesehen, der langfristig zu einer entscheidenden Verbesserung der Ergebnisse (Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Kosten) führt. Verfahren Merkmale Gemeinkostenwertanalyse Zero-Base-Budgeting Benchmarking Funktion − Ideenfindungsfunktion − Bewertungsfunktion − Implementierungsfunktion − Bewertungsfunktion − Implementierungsfunktion − Zielsetzungsfunktion − Analysefunktion − Ideenfindungsfunktion − Implementierungsfunktion Ziel Prozesswerterhöhung durch Senkung der Kosten Prozesswerterhöhung zur Erreichung der mittel- und langfristigen Ziele der Unternehmung Prozesswerterhöhung zur Erreichung der mittel- und langfristigen Ziele der Unternehmung Planung von Kostenvorgaben Keine Keine Herleitung aus dem Vergleich mit einem Leistungsführer Identifikation von Potentialen zur Erhöhung des Prozesswertes Kosten-Nutzen-Analyse der aktuell erbrachten Leistungen Analyse des Beitrags der tatsächlichen und potentiellen Leistungen zu den mittel- und langfristigen Unternehmungszielen Vergleich mit einem Leistungsführer Generieren von Rationalisierungsideen − Einsatz von Kreativitätstechniken − Vorgabe einer hohen Kostensenkungsvorgabe von 40 % − Analyseteams aus Mitarbeitern der leistungserstellenden und der leistungsempfangenden Bereiche − Einsatz von Kreativitätstechniken − Vorgabe einer hohen Kostensenkungsvorgabe Anregungen aus dem Vergleich mit dem Leistungsführer Abb. 5.27: Merkmale von Verfahren für die Prozessverbesserung im Gemeinkostenbereich − Befolgen des PDCA-/ SDCA-Zyklus Nach einer Verbesserung werden die betroffenen Prozesse standardisiert, um zu verhindern, dass sie wieder den alten Zustand annehmen (vgl. Abschnitt 3.3.3). <?page no="275"?> 258 • Prozessorientiertes Kostenmanagement − Dominanz des Qualitätszieles Die Dominanz des Qualitätszieles folgt daraus, dass die Qualität eine Voraussetzung für die Verbesserung der Lieferzuverlässigkeit und die Senkung der Kosten ist (vgl. Imai (1997), S. 50). − Kundenorientierung Die Kundenorientierung fordert die Ausrichtung aller Verbesserungen an der Steigerung der Kundenzufriedenheit. Unter dem Kunden wird dabei der direkte Empfänger der Leistung des jeweiligen Prozesses, Arbeitsplatzes bzw. Bereiches verstanden (vgl. Imai (1994), S. 76 ff.). Bei diesen Leistungsempfängern kann es sich sowohl um interne als auch um externe Kunden handeln. Merkmale des Kaizen Spezielle Merkmale des Prozess-Kaizen − Verbesserung messbarer Leistungsgrößen bei gegebenen betrieblichen Rahmenbedingungen − Kontinuität − Erfolgszielorientierung − Einbeziehung aller Mitarbeiter − Prozessorientierung − Befolgen des PDCA-/ SDCA-Zyklus − Dominanz des Qualitätszieles − Kundenorientierung Abb. 5.28: Merkmale des Prozess-Kaizen Das Prozess-Kaizen vollzieht sich in den folgenden acht Phasen, die zusammen auch als Kaizen Story bezeichnet werden (vgl. Imai (1997), S. 59): − Auswählen des Kaizen-Themas − Analyse der Ist-Situation, Zielbildung und Problemfeststellung − Identifizieren der finalen Problemursache − Erarbeiten von Verbesserungsmaßnahmen − Umsetzen der Verbesserungsmaßnahmen − Kontrollieren der Wirkungen der umgesetzten Verbesserungsmaßnahmen − Aufstellen bzw. Anpassen von Standards − Überprüfen des Prozesses Das Kaizen-Thema kann aus dem Unternehmungsplan hergeleitet oder durch ein akutes Problem bestimmt werden. Der Suche nach der finalen Problemursache liegt der Gedanke zugrunde, dass eine offensichtliche oder direkt beobachtbare Problemursache selbst die Wirkung (Symptome) vorgelagerter Problemursachen sein kann, die u. U. nicht oder nur schwer erkennbar sind. Es gilt daher, eine Folge von Problemursachen zu erkennen, die durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen verbunden sind. Nur durch die Beseitigung des letzten Gliedes dieser Folge kann das Problem endgültig und vollständig gelöst werden (vgl. Ohno (1993), S. 43). Die Suche nach der finalen Problemursache kann durch − die Methode des Fünffachen Warum und − die Methode der Sechs W <?page no="276"?> Prozessoptimierung • 259 unterstützt werden. Die Methode des Fünffachen Warum verlangt, dass bei jedem Problem die Frage nach dem Warum gestellt wird und die Antwort wieder mit einem Warum hinterfragt wird. Dieser Prozess wird fortgesetzt, bis eine Folge von mindestens fünf Antworten vorliegt. Beispiel 5.3 verdeutlicht die Vorgehensweise dieser Methode (aus Ohno (1993), S. 43). Beispiel 5.3: Methode des fünffachen Warum 1. Warum hat die Maschine angehalten? Es hat eine Überlastung gegeben, und die Sicherung ist durchgebrannt. 2. Warum hat es eine Überlastung gegeben? Das Lager war nicht ausreichend geschmiert. 3. Warum war es nicht ausreichend geschmiert? Die Ölpumpe hat nicht genügend gepumpt. 4. Warum hat sie nicht genügend gepumpt? Die Welle ist ausgeschlagen und rattert. 5. Warum ist die Welle ausgeschlagen? Es war kein Sieb angebracht, und deshalb gerieten Metallsplitter in die Maschine. Bei der Methode der Sechs W handelt es sich um einen Fragenkatalog für die Problemidentifikation. Er umfasst jeweils sechs Fragen zu dem Wer, dem Was, dem Wo, dem Wann, dem Warum und dem Wie (vgl. Imai (1994), S. 277 f.). Abb. 5.29 zeigt diesen Fragenkatalog (mit Änderungen entnommen aus Imai (1994), S. 277). Wer 1. Wer macht es? 2. Wer macht es gerade? 3. Wer sollte es machen? 4. Wer kann es noch machen? 5. Wer soll es noch machen? 6. Wer macht die 3 MU 1) ? Wann 1. Wann wird es gemacht? 2. Wann wird es wirklich gemacht? 3. Wann soll es gemacht werden? 4. Wann kann es sonst gemacht werden? 5. Wann soll es noch gemacht werden? 6. Gibt es die 3 MU 1) ? Was 1. Was ist zu tun? 2. Was wird gerade getan? 3. Was sollte getan werden? 4. Was kann noch gemacht werden? 5. Was soll noch gemacht werden? 6. Welche 3 MU 1) werden gemacht? Warum 1. Warum macht er es? 2. Warum soll es gemacht werden? 3. Warum soll es hier gemacht werden? 4. Warum wird es dann gemacht? 5. Warum wird es so gemacht? 6. Gibt es 3 MU 1) in der Art zu denken? Wo 1. Wo soll es getan werden? 2. Wo wird es getan? 3. Wo sollte es getan werden? 4. Wo kann es noch gemacht werden? 5. Wo soll es noch gemacht werden? 6. Wo werden die 3 MU 1) gemacht? Wie 1. Wie wird es gemacht? 2. Wie wird es gerade gemacht? 3. Wie soll es gemacht werden? 4. Kann diese Methode auch in anderen Bereichen angewendet werden? 5. Wie kann es noch gemacht werden? 6. Gibt es 3 MU 1) in der Methode? 1) vgl. Abschnitt 1.4.2 Abb. 5.29: Die Sechs W <?page no="277"?> 260 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Erfolg 5.4.2 Elemente des House of Gemba Beschrieben wird das Prozess-Kaizen durch das House of Gemba , das in Abb. 5.30 abgebildet ist (in Anlehnung an Imai (1997), S. 20). Unter Gemba wird der Ort verstanden, an dem ein Wert für die Kunden geschaffen wird. Das House of Gemba nennt die Systeme zur Institutionalisierung des Prozess-Kaizen, die Maßnahmen zur Prozessgestaltung, die Objekte, auf die sich diese Maßnahmen beziehen, sowie die Leistungsgrößen, die verbessert werden sollen. Qualität und Arbeitssicherheit Kosten Lieferverlässigkeit Ziele Aktivitäten Informationen Prozessinput (Ausstattung, Materialien) Prozessoutput Objekte Standardisierung Schaffen von Ordnung (Fünf S) Elimination von Verlusten (Drei Mu) Maßnahmen Qualitätszirkel Betriebliches Vorschlagswesen Transparenz Systeme zur Förderung des Vorschlagsverhaltens Institutionalisierung Abb. 5.30: House of Gemba (1) Verbesserungsziele Die Verbesserungen des Prozess-Kaizen können die Qualität, die Lieferzuverlässigkeit und die Kosten (QDC) betreffen. Die Qualität bezieht sich nicht nur auf die Produkte, sondern auf den Output aller Prozesse, die zu diesen Produkten führen. Unter der Lieferzuverlässigkeit wird die pünktliche Lieferung der georderten Prozessleistungen in den richtigen Mengen verstanden (vgl. Imai (1997), S. 11). (2) Maßnahmen Ordnung in einem Arbeitsbereich wird in einem Prozess mit fünf Phasen geschaffen, der als die „Fünf S“ oder die „Fünf C“ bezeichnet wird. Abgeleitet werden diese Bezeichnungen aus den Begriffen, mit denen die Phasen des Prozesses beschrieben werden. Abb. 5.31 zeigt die Phasen dieses Prozesses (vgl. Imai (1997), S. 64 f.). Gelegentlich wird dieser Prozess um eine sechste Phase zum „Sechs S“ erweitert. Dieses „S“ steht für Safety, d. h. für die Arbeitssicherheit (vgl. Kocaküläh/ Brown/ Thomson (2008), S. 19). <?page no="278"?> Prozessoptimierung • 261 Fünf S Fünf C Beschreibung Seiri Sort Clear out Trennen der am Arbeitsplatz notwendigen Gegenstände von den nicht notwendigen Seiton Straighten Configure Leicht zugängliches, sicheres und geordnetes Aufbewahren des Notwendigen Seiso Scrub Clean and Check Sauberhalten des Arbeitsplatzes Seiketsu Systematize Conform Integration von Seiri, Seiton und Seiso in den täglichen Arbeitsablauf Shitsuke Standardize Custom and Practice Standardisierung und Verbesserung der Ergebnisse der ersten drei Prozessphasen Abb. 5.31: Fünf S zur Schaffung von Ordnung im Arbeitsbereich In der ersten Phase des Prozesses der Fünf S markiert ein Fünf S-Team alle nicht notwendigen Gegenstände in einem abgegrenzten Arbeitsbereich. Zu den Gegenständen am Arbeitsplatz zählen Maschinen, Spannvorrichtungen, Werkzeuge, Ausschuss, Zwischenprodukte, Werkstoffe, Regale, Container, Tische, Werkbänke, Dokumente, Paletten usw. Nicht notwendig sind alle Gegenstände, die innerhalb der nächsten 30 Tage nicht benötigt werden. Sie werden vom Arbeitsplatz entfernt und geordnet aufbewahrt. Nicht notwendige Gegenstände weisen auf Probleme in der Beschaffung, der Logistik oder der Produktionsplanung und -steuerung hin, die Qualitätszirkel-Gruppen als Arbeitsthema vorgegeben werden oder als Rationalisierungsprojekte bearbeitet werden sollten. Für jeden notwendigen Gegenstand wird in der zweiten Phase eine Bezeichnung festgelegt und ein Standort, an dem er künftig aufbewahrt wird. Der ausgewählte Standort wird markiert (Visual Management), damit jeder Gegenstand stets am gleichen Standort aufbewahrt wird. Zweck dieser Maßnahem ist es, die Arbeitszeit zu minimieren, die für das Suchen von Objekten aufgewendet werden muss. Darüber hinaus wird für Werkstoffe und Zwischenprodukte eine mengenmäßige Obergrenze festgelegt. Bei Überschreiten dieser Obergrenzen wird die nicht benötigte Menge an die liefernde Abteilung zurückgesandt, um weitere Lieferungen zu unterbinden. Das Sauberhalten des Arbeitsplatzes in der dritten Phase wird als Voraussetzung für die Instandhaltung gesehen, da während der Reinigung Schäden erkannt werden. Zur Integration der ersten drei Phasen dieses Prozesses in den täglichen Arbeitsablauf sind in der vierten Phase des Prozesses der Fünf S der Umfang dieser Aktivitäten und die Aufgabenträger festzulegen. Darüber hinaus sind die für diese Aktivitäten erforderlichen Arbeitszeiten bei der Planung des Leistungserstellungsprozesses zu berücksichtigen (vgl. Imai (1997), S. 63 ff.). Zweck der fünften Phase ist es, die Maßnahmen der ersten vier Phasen zu verstetigen (vgl. Abschnitt 3.3.3). Der zweite Maßnahmenbereich zur Verbesserung der Produktqualität, zur Steigerung der Lieferzuverlässigkeit und zur Senkung der Kosten ist der Abbau jeder Form von <?page no="279"?> 262 • Prozessorientiertes Kostenmanagement Verlusten im Prozess der Leistungserstellung. Bei den „Drei Mu“ handelt es sich um die Formen der Verluste, die abgebaut werden sollten. Zu ihnen zählen (vgl. Ohno (1993), S. 69; Imai (1997), S. 85 f.): − die Verschwendung (Muda), − die Überlastung (Muri) und − das Ungleichgewicht (Mura). Verschwendung entsteht durch Aktivitäten, die keine Werte für die Kunden schaffen, d. h. durch nicht wertschöpfende Aktivitäten (vgl. Liker (2008), S. 57 ff.). Ohno klassifiziert sieben Arten der Verschwendung (vgl. Ohno (1993), S. 69). Die Erläuterung dieser sieben Verschwendungsarten findet sich in Abb. 5.32 (vgl. Shingo (1993), S. 161 ff.; Imai (1997), S. 75 ff.). Verschwendungsart Erläuterung Wirkungen Überproduktion Überschreitung der im Produktionsplan vorgegebenen Produktionsmengen Zins- und Lagerkosten; zusätzliche Transport- und Verwaltungskosten; Probleme werden durch Bestände an Zwischen- und Endprodukten verdeckt Lagerhaltung Produktion vor dem Bedarfszeitpunkt Zins- und Lagerkosten; zusätzliche Transport- und Verwaltungskosten Fehlerhafte Produkte Nacharbeit und Ausschuss Kosten für Nacharbeit und Ausschuss; geringe Produktivität durch Unterbrechungen des Produktionsprozesses für Nacharbeit Bewegung Arm- und Beinbewegungen des Mitarbeiters im Prozess der Aufgabenerfüllung Geringe Produktivität durch Verlängerung der Vorgabezeiten für die Ausführung einer Arbeitsaufgabe Verfahren Unnötige oder unnötig aufwendige Aktivitäten zur Veränderung eines Werkstückes oder von Informationen Geringe Produktivität durch Verlängerung der Vorgabezeiten für die Ausführung einer Arbeitsaufgabe und die Verlängerung der Durchlaufzeiten Wartezeiten Störungs- und ablaufbedingte Wartezeiten der Mitarbeiter Geringe Produktivität durch umfangreiche Verteilzeiten und lange Durchlaufzeiten Transport Arbeitsgänge sind nicht entsprechend der Prozessfolge angeordnet Transportkosten; Kosten für Transportschäden; geringe Produktivität durch lange Durchlaufzeiten Abb. 5.32: Formen der Verschwendung im Prozess der Leistungserstellung <?page no="280"?> Prozessoptimierung • 263 Die Arten der Verschwendung nach Ohno sind um − ungenutzte Kreativitätspotentiale, − Verschwendung von Zeit und − Verschwendung durch Konstruktion erweitert worden. Bei ungenutzten Kreativitätspotentialen handelt es sich um den Verlust an Zeit, Fähigkeiten, Verbesserungen und Lernmöglichkeiten, weil Mitarbeiter kein Gehör finden (vgl. Liker (2008), S. 60). Die Verschwendung durch Zeit tritt auf, wenn Materialien, Zwischenprodukte, Informationen oder Dokumente auf die Weiterbearbeitung warten. Verschwendung durch Konstruktion liegt bei Produkten mit Merkmalen vor, deren Realisation Kosten verursacht, denen jedoch kein entsprechender Zuwachs an Kundennutzen gegenübersteht (vgl. Imai (1997), S. 82 ff.). Der Abbau von Verschwendung durch Konstruktion liegt im Aufgabenbereich des produktbezogenen Kostenmanagements. Die Überlastung kann bei Maschinen oder Mitarbeitern auftreten. Die Überlastung von Mitarbeitern führt zu Fehlern und Arbeitsunzufriedenheit, die wiederum die Leistung des Mitarbeiters beeinflusst. Die Überlastung von Maschinen entsteht durch fehlerhafte Vorgabezeiten und hat Bestände an Zwischenprodukten oder Unterbrechungen zur Folge (vgl. Kamiske/ Brauer (2006), S. 112). Unterbrechungen und Überlastung sind Ursachen von Verlusten und müssen eliminiert werden. Unter Ungleichgewicht wird eine unregelmäßige Auslastung der Leistungserstellungsprozesse verstanden. Sie wird durch ein variierendes Auftragsvolumen verursacht, aber auch durch interne Probleme, wie z. B. Ausfallzeiten bei Maschinen, fehlendes Material und Nacharbeit. Das Beseitigen des Ungleichgewichts ist eine Voraussetzung für den nachhaltigen Abbau von Verschwendung und Überlast. Gleichzeitig fördert der Abbau dieser Verlustformen das Gleichgewicht. Zwischen den „Drei Mu“ bestehen wechselseitige Beziehungen, so dass sich der Abbau von Verlusten immer auf alle drei Bereiche erstrecken muss (vgl. Liker (2008), S. 172 f.). (3) Institutionalisierung Getragen wird das Prozess-Kaizen von Mitarbeitern, die entweder in Qualitätszirkel- Gruppen organisiert sind oder Verbesserungsvorschläge einreichen. Das Prozess- Kaizen trägt nur dann zur Erreichung des Erfolgszieles der Periode bei, wenn die Mitarbeiter kontinuierlich Vorschläge zur Verbesserung der Prozesse erarbeiten und umsetzen, an denen sie beteiligt sind. Aufgrund der Freiwilligkeit setzt die aktive Mitwirkung an der Erarbeitung und Umsetzung von Verbesserungen Systeme zur Förderung des Vorschlagsverhaltens voraus (vgl. Abschnitt 4.1.2.2). Das Schaffen von Transparenz wird von Imai als Visual Management bezeichnet. Es umfasst die Planung und Umsetzung von Maßnahmen, um Probleme unmittelbar und direkt sichtbar zu machen (vgl. Imai (1997), S. 95 f.). Diese Maßnahmen können in <?page no="281"?> 264 • Prozessorientiertes Kostenmanagement − der deutlich sichtbaren Darstellung von Informationen, − der Gestaltung einer kontinuierlich fließenden Produktion und − der Autonomation bestehen. Zu den sichtbar darzustellenden Informationen zählen alle Arten von Vorgaben. Vorgaben sind u. a. die Standards, die Ziele und die Orte, an denen Objekte (Werkzeuge, Materialien) aufbewahrt werden sollen (Fünf S). Sichtbar gemacht werden diese Orte durch gelbe Markierungen in der Form des Umrisses des jeweiligen Objektes. Ist der Ist-Zustand nicht unmittelbar sichtbar, werden auch Informationen zur Beschreibung des Ist-Zustandes in der Form von Kennzahlen oder Grafiken ausgehängt. Durch die deutlich sichtbare Darstellung dieser Informationen werden die Voraussetzungen für einen kontinuierlichen Ist-Soll-Vergleich unmittelbar an den Arbeitsplätzen geschaffen, so dass Abweichungen unverzüglich erkannt werden können (vgl. Imai (1997), S. 95 ff.). Eine kontinuierlich fließende Produktion verlangt den Abbau aller Puffer- und Lagerbestände, so dass ein Problem zur Unterbrechung des gesamten Prozesses führt. Dadurch treten Probleme deutlich zu Tage und es wächst der Druck, das Problem sofort und nachhaltig zu lösen, d. h. die finale Problemursache zu beseitigen (vgl. Liker (2008), S. 135 ff.). Unter Autonomation (Jidoka) werden automatisch ablaufende Bearbeitungsprozesse mit selbstgesteuerter Fehlererkennung verstanden, die sich sofort selbsttätig abschalten, wenn eine Abweichung vom Normalablauf auftritt (vgl. Shingo (1993), S. 41). <?page no="282"?> 6 Produktorientiertes Kostenmanagement 6.1 Abgrenzung des produktorientierten Kostenmanagements 6.1.1 Begriff des produktorientierten Kostenmanagements Das produktorientierte Kostenmanagement zielt auf die Gestaltung der Effizienz durch die Einflussnahme auf Entscheidungen über die kostenverursachenden Produktmerkmale. Entscheidungen über die Merkmale von Produkten werden vor allem während ihrer Entwicklung, aber auch während späterer Phasen ihres Lebenszyklus getroffen. Der Lebenszyklus eines Produktes ist der Zeitraum, über den es Auswirkungen auf die Zielerreichung der Unternehmung hat (vgl. Götze (2000), S. 267). Er kann in eine Entstehungs-, eine Markt- und eine Nachsorgephase gegliedert werden (vgl. Back- Hock (1992), S. 706 f.). Nach allgemeiner Auffassung werden durch Entscheidungen der Produktplanung etwa 70 % der Gesamtkosten eines Produktes festgelegt, während die Entscheidungen der Fertigungsvorbereitung für rund 20 % und die Produktions- und Beschaffungsentscheidungen nur noch für etwa 7 % bzw. 3 % dieser Kosten bestimmend sind (vgl. VDI (1987), S. 3). Nach Blanchard werden im Prozess der Produktplanung 95 % der Lebenszykluskosten festgelegt (vgl. Blanchard (1978), S. 14 f.). Es handelt sich hierbei um häufig zitierte Erfahrungswerte (vgl. Labro (2006), S. 504 f.), an deren Gültigkeit begründete Zweifel vorgetragen werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (2004), S. 50). Auch wenn während der Marktphase ein deutlich höherer Teil der Lebenszykluskosten eines Produktes als bisher angenommen beeinflussbar ist, verliert das produktorientierte Kostenmanagement nicht an Bedeutung , da Kostensenkungen in den frühen Phasen des Produktlebenszyklus einen höheren Beitrag zum Gesamterfolg des Produktes leisten als Kostensenkungen, die erst in späteren Phasen realisiert werden. Das produktbezogene Kostenmanagement ist ein Gestaltungsbereich des Kostenmanagements der Unternehmung. Sein Ziel ist die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung und -verwertung zur Erreichung der Unternehmungsziele. Abgegrenzt wird es durch folgende Merkmale (vgl. Abschnitt 1.3.3): − den Produktwert als Gestaltungsobjekt und − die Kosten beeinflussenden Produktmerkmale als Gestaltungsparameter. Das produktorientierte Kostenmanagement ist die zielorientierte Gestaltung des Wertes von Produkten durch die Einflussnahme auf das Verhalten der Träger von Entscheidungen über die Merkmale der Produkte während ihrer Entstehungs- und Marktphase. <?page no="283"?> 266 • Produktorientiertes Kostenmanagement 6.1.2 Merkmale des produktorientierten Kostenmanagements 6.1.2.1 Produktwert als Gestaltungsobjekt Die Effizienz eines Produktes ist das Verhältnis aus seinen Funktionen und den Ressourcen, die zur Erstellung einer Produkteinheit mit diesen Funktionen benötigt werden. Sie ist durch das produktorientierte Kostenmanagement unter Berücksichtigung der effektivitätsbezogenen Restriktionen zu gestalten. Diese Restriktionen betreffen die Anforderungen, die der Kunde an das Produkt stellt und die es zu erfüllen gilt. Werden die eingesetzten Ressourcen dem Beitrag der Funktionen des Produktes zur Erfüllung der Anforderungen der Kunden gegenübergestellt, ergibt sich der Produktwert (vgl. Kato/ Böer/ Chow (1995), S. 46). Der Wert eines Produktes wird nach DIN EN 12973 ((2002), S. 12) definiert als Verhältnis aus seinem Kundennutzen, d. h. dem Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden, und dem hierzu erforderlichen Ressourceneinsatz bzw. den Kosten dieses Ressourceneinsatzes: Kundennutzen Wert α Einsatz von Ressourcen Der Produktwert als Gestaltungsobjekt des produktorientierten Kostenmanagements wird damit durch den Kundennutzen und die Kosten des Produktes bestimmt, die durch Entscheidungen über die Merkmale des Produktes determiniert werden. Das Symbol „ α αα α “ soll zum Ausdruck bringen, dass der Kundennutzen und der Ressourceneinsatz gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden. (1) Kundennutzen eines Produktes Der Kundennutzen wird durch die Funktionalität und die Qualität des Produktes determiniert. Unter der Funktionalität werden die Wirkungen des Produktes verstanden, die zur Befriedigung der Bedürfnisse des Kunden beitragen. Die Qualität bezeichnet das Niveau dieser Wirkungen (in Anlehnung an Cooper (1995), S. 15). So ist z. B. das Speichern von Flüssigkeiten ein Element der Funktionalität einer Kaffeemaschine. Das Speichervermögen von acht Tassen ist ein Qualitätsmerkmal. Der Wert eines Produktes kann damit wie folgt gesteigert werden (vgl. Schröder (1994), S. 157; DIN EN 12973 (2002), S. 13): − Erweitern des Produktes um Funktionen, deren Kundennutzen die Kosten dieser Funktionen übersteigt, − Eliminieren von Funktionen aus dem Produkt, deren Kosten über dem Kundennutzen dieser Funktionen liegen, <?page no="284"?> Abgrenzung des produktorientierten Kostenmanagements • 267 − Verbessern der Qualität des Produktes zu Kosten, die in geringerem Maße steigen als der Kundennutzen und − Verringern der Qualität von Funktionen zu Kosten, die in stärkerem Maße sinken als der Kundennutzen. (2) Produktkosten Die Produktkosten umfassen die Kosten, die ein Produkt während seines Lebenszyklus in der Unternehmung verursacht und die primär von den Entscheidungen über die Produktmerkmale determiniert werden. Die Kosten, die ein Produkt im Lebenszyklus verursacht, fallen sowohl beim Hersteller als auch beim Kunden an. Abb. 6.1 gibt einen Überblick über die Kategorien der Lebenszykluskosten, wie sie für Gebrauchsgüter typisch sind, die auf einem anonymen Massenmarkt angeboten werden. Sicht des Herstellers Sicht des Kunden Lebenszyklusphase Kostenkategorie Kostenkategorie Lebenszyklusphase Entstehungsphase Vorleistungskosten − Entwicklungskosten − Kosten der langfristigen Fertigungsvorbereitung − Kosten der Absatzvorbereitung Anschaffungskosten − Anschaffungspreis − Anschaffungsnebenkosten Transaktionsphase Marktphase − Laufende Kosten − Auslaufkosten Folgekosten Nutzungskosten − Betriebskosten − Instandhaltungskosten Nutzungsphase Nachsorgephase Entsorgungskosten Entsorgungsphase Abb. 6.1: Lebenszykluskosten eines Gebrauchsgutes für den anonymen Massenmarkt Beim Kunden fallen neben den Anschaffungskosten vor allem Nutzungskosten an, die sich aus den Betriebs- und den Instandhaltungskosten zusammensetzen. Sofern sie nicht vom Hersteller übernommen werden, entstehen beim Kunden auch Entsorgungskosten (vgl. Siegwart/ Senti (1995), S. 80). Die Kosten, die der Kunde zu tragen hat, sind ein Merkmal der Funktionalität des Produktes. Deutlich wird das beim Benzinverbrauch als Komponente der Nutzungskosten eines Fahrzeugs (vgl. Dreiliterauto). Diese Kosten bestimmen den Kundennutzen und sind kein Bestandteil der Produktkosten. <?page no="285"?> 268 • Produktorientiertes Kostenmanagement Die Produktkosten umfassen nur Kosten, die das Produkt beim Hersteller verursacht. Wird die Entsorgung als spezieller Fertigungsprozess verstanden, werden folgende Kosten primär durch Entscheidungen über die Produktmerkmale determiniert (vgl. Franz (1993), S. 126; Yoshikawa u. a. (1993), S. 78 ff.): Materialeinzelkosten + Direkte Fertigungskosten • Fertigungslöhne • Direkte Anlagenkosten + Indirekte Fertigungskosten + Produktnahe Gemeinkosten + Bereinigte Produkteinzelkosten = Produktkosten Materialeinzelkosten sind der bewertete Verbrauch von Rohstoffen, Teilen und Baugruppen, der direkt bei den Produkten erfasst wird. Die direkten Fertigungskosten sind die Kosten des Fertigungsbereichs, die einer Person bzw. einer Maschine, die unmittelbar auf die Produkte einwirkt, direkt zugerechnet werden können. Fertigungslöhne sind das Entgelt (einschließlich der Sozialkosten) für unmittelbar an den Produkten erbrachte Arbeitsleistungen. Als Beispiele für die direkten Anlagenkosten können Abschreibungen und Instandhaltungskosten genannt werden. Die indirekten Fertigungskosten umfassen u. a. die Hilfslöhne, das Gemeinkostenmaterial und die Kosten für Energie. Produktnahe Gemeinkosten werden durch Prozesse des indirekten Leistungsbereichs verursacht, die an Produkten bzw. ihren Bestandteilen vollzogen werden. Die Prozesse stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Materialbeschaffung, der Material-, Fertigungs- und Entsorgungslogistik, der Leistungserstellung und Entsorgung sowie der Fertigungsauftragsplanung und -abwicklung. Produkteinzelkosten können zwar nicht der Produkteinheit, jedoch der Lebenszyklusmenge des Produktes direkt zugerechnet werden. Zu ihnen zählen Entwicklungskosten, Patentgebühren, Kosten für Gussformen und Werkzeuge. Nicht alle Produkteinzelkosten hängen von Produktmerkmalen ab, wie z. B. die Entwicklungskosten und die Patentgebühren. Als Produktkosten werden deshalb nur Produkteinzelkosten berücksichtigt, die von diesen Kostenbestandteilen bereinigt sind. 6.1.2.2 Produktmerkmale als Gestaltungsparameter Die Gestaltungsparameter des produktorientierten Kostenmanagements sind die Kosten beeinflussenden Produktmerkmale, über die bei der Planung von Produkten während der Entstehungsphase bzw. bei ihrer Anpassung während der Marktphase entschieden wird. Ohne Bedeutung für das produktorientierte Kostenmanagement sind Produktmerkmale, die nicht Kosten beeinflussend sind. Dieser Gruppe gehört ein Produktmerkmal an, wenn zwischen seinen alternativen Ausprägungen keine (bedeutenden) Kostenunterschiede bestehen. <?page no="286"?> Abgrenzung des produktorientierten Kostenmanagements • 269 Unter Produktmerkmalen werden alle Merkmale des Produktes verstanden, die in den am Ende des Entwicklungsbzw. Konstruktionsprozesses zu erstellenden Fertigungsunterlagen festgeschrieben sind. Zu den Fertigungsunterlagen zählen Zeichnungen, Stücklisten, Erzeugnisstrukturen, Montage-, Transport- und Prüfvorschriften. Beispiele für Kosten beeinflussende Produktmerkmale sind Produktfunktionen, prinzipielle Lösungen, Abmessungen, Toleranzen, Werkstoffe, Fertigungsverfahren, Werkstoffbehandlung, Teilezahl, Oberflächenart und Rauheit (vgl. VDI 2235 (1987), S. 10 f.). Die Bedingungen, unter denen das Produkt hergestellt wird, werden durch die langfristige Fertigungsvorbereitung festgelegt und u. a. im Arbeitsplan dokumentiert, wie z. B. die Arbeitsgänge, die zwischen den Arbeitsgängen bestehenden Arbeitsbeziehungen, die Zuordnung von Arbeitsgängen zu Kostenstellen und Arbeitsplätzen, der Einsatz von Fertigungsmitteln, Werkzeugen und -vorrichtungen, die geforderte Qualifikation der einzusetzenden Arbeitskräfte sowie die Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Produktion (vgl. Ziegler (1996), S. 117 ff.). Diese Produktionsbedingungen zählen nicht zu den Produktmerkmalen. Nicht zu den Gestaltungsparametern zählen auch vorgegebene Produktmerkmale . Ihre Ausprägungen sind nicht frei gestaltbar, weil sie z. B. aus Sicherheitsbestimmungen folgen. 6.1.3 Handlungsfelder des produktorientierten Kostenmanagements Das potentialorientierte Kostenmanagement kann sich über zwei Handlungsfelder der Effizienzgestaltung erstrecken, die Neugestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen und die kontinuierliche Verbesserung. Nach diesen Handlungsfeldern werden unterschieden: − die kostenorientierte Produktplanung und − das Produkt-Kaizen. Bei der kostenorientierten Produktplanung wird der Produktwert bei der Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte in der Entstehungsphase des Produktlebenszyklus durch Entscheidungen über die Produktmerkmale gestaltet. Bei Produkten mit einem längeren Lebenszyklus wird die kostenorientierte Produktplanung um das Produkt-Kaizen (vgl. Abschnitt 4.1.1) ergänzt (vgl. Cooper (1995), S. 252 f.). Es umfasst die Initiierung und Durchführung von Wertanalyse-Projekten, durch die Merkmale von Produkten in der Marktphase des Produktlebenszyklus verändert werden, um den Produktwert zielorientiert zu gestalten. Aus der Erfahrung der Praxis heraus wurde die Rule of Ten formuliert. Sie besagt, dass sich die Kosten der Anpassung eines Produktes zwischen zwei Phasen des Produktlebenszyklus (Entwicklung, Produktionsvorbereitung, Produktion) um den Faktor 10 erhöhen. Die Analyse von 135 Projekten in 42 Unternehmungen hat gezeigt, dass <?page no="287"?> 270 • Produktorientiertes Kostenmanagement die konstruktive Anpassung eines Produktes in der Marktphase zu einer Senkung der Herstellkosten um durchschnittlich 33 % geführt hat. Im Zeitraum zwischen dem Serienanlauf und der Produktverbesserung sind damit durchschnittlich 33 % der Herstellkosten unnötig angefallen (vgl. Ehrlenspiel/ Kiewert/ Lindemann (2005), S. 12, 14 ff.). Der kostenorientierten Produktplanung kommt deshalb eine sehr viel größere Bedeutung zu als dem Produkt-Kaizen. 6.2 Kostenorientierte Produktplanung 6.2.1 Abgrenzung der kostenorientierten Produktplanung 6.2.1.1 Phasen der Produktplanung Aufgabe der Produktplanung ist die zielorientierte Gestaltung neuer oder verbesserter Produkte. Sie besteht aus zwei aufeinanderfolgenden Phasen: (1) der Produktkonzeptplanung und (2) der Konstruktion (vgl. Pahl/ Beitz (1993), S. 82 f.). Für diese beiden Phasen finden sich auch die Bezeichnungen „Produktfindung“ und „Produktrealisation“ (vgl. VDI 2220 (1980), S. 2). (1) Entscheidungen der Produktkonzeptplanung Die Produktkonzeptplanung umfasst folgende Aufgaben (in Anlehnung an Zäpfel (1989), S. 22 ff.): − die Ideenfindung, − die Selektion der Produktideen, − die Planung der Produktfunktionen sowie − die Produktdefinition. Die Ideenfindung umschließt die Sammlung von Produktideen durch Auswerten unternehmungsinterner und -externer Informationen und die Suche nach Produktideen in zuvor abgegrenzten, zukunftsträchtigen Suchfeldern. Aufgabe der Selektion der Produktideen ist die Bewertung sowie die Auswahl der Produktideen, die weiterverfolgt werden sollen. Die Ideenselektion wird in einem mehrstufigen Prozess vollzogen, in dem der Detaillierungsgrad der Produktideen und der Präzisionsgrad der Bewertung sukzessive erhöht wird (vgl. VDI 2220 (1980), S. 4 ff.). Parallel zur Ideenselektion werden für die Erfolg versprechenden Produktideen die Produktfunktionen geplant. Eine Produktfunktion ist eine Wirkung des Produktes oder einer Komponenten. Die Planung der Produktfunktionen vollzieht sich in zwei Schritten (vgl. Pfeifer (2001), S. 293 ff.): − dem Festlegen kundenbezogener Funktionen sowie − dem Bestimmen produktbezogener Funktionen. <?page no="288"?> Kostenorientierte Produktplanung • 271 Kundenbezogene Funktionen beschreiben die Wirkungen eines Produktes, die zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse beitragen, d. h., sie beschreiben den Kundennutzen des Produktes. Für die Realisation der kundenbezogenen Funktionen kann es eine Vielzahl technischer Lösungen geben. Beispielsweise kann bei der Planung eines Autos die vom Kunden geäußerte Anforderung „niedrige Unterhaltskosten“ durch einen geringen Kraftstoffverbrauch, eine günstige Steuer- und Versicherungsklasse, die durch Hubraum und Leistung bestimmt wird, oder durch geringe Wartungs- und Reparaturkosten erreicht werden (vgl. Saatweber (1994), S. 454). Eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs eines Fahrzeuges kann u. a. durch eine Automatisierung des Getriebes, eine Gewichtsreduzierung oder eine Aerodynamikoptimierung erreicht werden. Aufgabe der Planung produktbezogener Funktionen ist es deshalb, die kundenbezogenen Funktionen in produktbezogene Funktionen zu übertragen. Produktbezogene Funktionen sind die Wirkungen eines Produktes, einer Komponente oder zwischen den Komponenten eines Produktes, welche zur Erfüllung der kundenbezogenen Funktionen beitragen. Die Produktdefinition dient der Formulierung eines Realisierungsvorschlages, welcher der Unternehmungsführung zur Entscheidung vorgelegt wird. Der Vorschlag enthält eine Beschreibung der geplanten Produktfunktionen, Angaben zu den vorgesehenen Märkten bzw. Zielgruppen, dem Entwicklungs- und Investitionsaufwand, den voraussichtlichen Stückzahlen, den Preiserwartungen, den geschätzten Produktkosten sowie dem Zeitplan. Stimmt die Unternehmungsführung dem Vorschlag zu, wird er in ein Produktkonzept überführt (vgl. VDI 2220 (1980), S. 8). Das Produktkonzept ist eine vorläufige, lösungsneutral formulierte Beschreibung der produktbezogenen Funktionen, die der Konstruktion vorgegeben wird. (2) Phasen der Konstruktion Die Konstruktion oder technische Entwicklung ist ein informationsverarbeitender Prozess zur Erstellung eines Entwurfs, durch den die Merkmale eines Produktes so festgelegt werden, dass es die in der Produktdefinition vorgegebenen produktbezogenen Funktionen zielorientiert erfüllt. Die Ziele der Konstruktion haben die Konstruktionskosten, die Konstruktionszeit sowie die Qualität des Konstruktionsergebnisses zum Inhalt. Merkmale der Qualität des Konstruktionsergebnisses sind zum einen die Produktkosten und zum anderen die Erfüllung der produktbezogenen Funktionen. <?page no="289"?> 272 • Produktorientiertes Kostenmanagement Die Konstruktion vollzieht sich in mehreren Phasen, die sequentiell ablaufen. Die in einer Phase gewonnenen Erkenntnisse können zu Rückkopplungen führen, welche die wiederholte Bearbeitung einer vorhergehenden Phase oder die Korrektur der Produktdefinition zum Inhalt haben können. Jede dieser Phasen ist ein vollständiger Entscheidungsprozess mit den Teilphasen Zielbildung, Problemfeststellung, Alternativensuche, Bewertung und Entscheidung (vgl. Pahl (1979), Sp. 920; Ehrlenspiel (1996), Sp. 912). Phasen der Konstruktion sind − das Klären der Aufgabenstellung, − das Konzipieren, − das Entwerfen und − das Ausarbeiten. Das Klären der Aufgabenstellung besteht in der Erarbeitung einer Liste der Anforderungen (produktbezogene Funktionen) an das geplante Produkt, die an die Bedürfnisse der Konstruktion angepasst ist. In der Phase des Konzipierens wird über die prinzipielle Lösung entschieden, d. h. über den grundsätzlichen Weg zur Erfüllung der geplanten Produktfunktionen. Beim Entwerfen wird zunächst festgelegt, welche Funktionen durch welche Baugruppen und Teile erfüllt werden sollen. Anschließend werden die Baugruppen und Teile gestaltet. In der letzten Phase der Konstruktion, dem Ausarbeiten , wird der Entwurf um endgültige Vorschriften zu Form, Abmessungen, Oberflächenbeschaffenheit und den Werkstoffen aller Einzelteile ergänzt und die Produktdokumentation erstellt (vgl. Pahl/ Beitz (1993), S. 82 ff.). Nur bei der Neukonstruktion werden alle Phasen des Konstruktionsprozesses durchlaufen, da nur bei dieser Konstruktionsart ein neues Lösungsprinzip erarbeitet wird. Bei der Anpassungskonstruktion wird das Produkt bei unverändertem Lösungsprinzip an neue Anforderungen angepasst. Neben dem Klären der Aufgabenstellung erfordert sie nur das Entwerfen und das Ausarbeiten. Werden nur Maßänderungen vorgenommen, liegt eine Variantenkonstruktion vor, die sich über das Klären der Aufgabenstellung und das Ausarbeiten erstreckt (vgl. Ehrlenspiel (1996), Sp. 913 f.). Ergänzt wird die Produktplanung durch die Produktplanungsverfolgung und die Produktüberwachung. Die Produktplanungsverfolgung kontrolliert und sichert parallel zum Konstruktionsprozess den Zielbeitrag des geplanten Produktes. Nach Abschluss der Produktplanung wird der Zielbeitrag des Produktes durch die Produktüberwachung kontrolliert und gesichert. 6.2.1.2 Merkmale der kostenorientierten Produktplanung Für die Produktplanung werden leistungsbezogene Vorgaben geplant und durchgesetzt. Sie haben die kunden- oder produktbezogenen Funktionen zum Inhalt, die den geplanten Kundennutzen des Produktes operationalisieren. Die kostenorientierte Pro- <?page no="290"?> Kostenorientierte Produktplanung • 273 duktplanung zeichnet sich dadurch aus, dass neben den leistungsbezogenen Vorgaben auch Kostenziele geplant und durchgesetzt werden. Mit den Kostenzielen werden die Produktkosten vorgegeben, die das Produkt mit dem geplanten Kundennutzen im Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess höchstens verursachen darf, wenn der angestrebte Beitrag zum Unternehmungsziel erreicht werden soll. Das Kostenziel und die leistungsbezogene Vorgabe definieren das Produktwertziel der kostenorientierten Produktplanung. Im Prozess der kostenorientierten Produktplanung können unter der Maßgabe, dass dieses Produktwertziel erreicht wird, sowohl das Produktkostenziel als auch die leistungsbezogenen Vorgabe angepasst werden. Eine kostenorientierte Produktplanung zeichnet sich dadurch aus, dass bei der Gestaltung neuer oder verbesserter Produkte alle Entscheidungen an dem angestrebten Produktwert ausgerichtet werden. Um alle Entscheidungen an dem Produktwertziel auszurichten, werden für das Produkt mit den geplanten kunden- oder produktbezogenen Funktionen Produktkostenvorgaben geplant. Diese werden den Trägern der Produktplanung vorgegeben, durchgesetzt und während des Produktplanungsprozesses kontrolliert. Die an der Produktplanung Beteiligten werden zur Erreichung des Produktwertzieles motiviert. Weiterhin wird die Konstruktion kostenorientiert durchgeführt. Bei der kostenorientierten Konstruktion werden in jeder Phase des Konstruktionsprozesses Wertsteigerungsmöglichkeiten systematisch gesucht, beurteilt und gegebenenfalls zu Wertsteigerungsvorschlägen ausgearbeitet sowie alle Konstruktionsalternativen hinsichtlich ihrer Wirkungen auf den Produktwert beurteilt. Die kostenorientierte Produktplanung ist als Projekt mit folgenden Aufgabenträgern organisiert (vgl. Seidenschwarz (1993), S. 269): − dem Projektteam, − dem Produktmanager und − den Entwicklungsteams. Die Produktplanung ist die Aufgabe eines Projektteams , das aus Mitarbeitern der Bereiche Produktion, Produkt- und Prozessentwicklung, Einkauf, Marketing und Rechnungswesen gebildet wird. Die Aufgaben des Projektteams sind die Erstellung der Produktdefinition, das Konzipieren des geplanten Produktes sowie die Planung der Produktkostenvorgaben, deren Durchsetzung, Kontrolle und Sicherung (vgl. Monden (1999), S. 26 f.). Die Mitglieder des Projektteams sind gleichzeitig die Leiter der Entwicklungsteams in den Entwicklungs- und den sonstigen Funktionsbereichen. An der Spitze des Projektteams steht ein Produktmanager , der nicht nur für das Projektmanagement zuständig ist, sondern die Erfolgsverantwortung für das Produkt trägt (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 249). Er ist auf der gleichen Ebene der Unternehmungshierarchie eingeordnet wie die Manager der Funktionsbereiche, er kann ihnen <?page no="291"?> 274 • Produktorientiertes Kostenmanagement sogar übergeordnet sein. Über die Mitglieder des Projektteams kann er auf die Mitarbeiter in den Entwicklungsteams Einfluss nehmen. Den Entwicklungsteams gehören Mitarbeiter der Produkt- und Prozessentwicklung, der Beschaffung und der Produktion an (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005c), S. 262). Sie sind Träger der Umsetzung der geplanten Produktfunktionen nach den Vorgaben des Projektteams und damit für das Entwerfen und Ausarbeiten des geplanten Produktes zuständig. 6.2.2 Prozess der Produktkostenplanung und -steuerung 6.2.2.1 Kennzeichnung der Produktkostenplanung Aufgabe der Produktkostenplanung ist die Planung zielorientierter Produktkostenvorgaben für die verschiedenen Phasen im Konstruktionsprozess. Sie vollzieht sich in zwei Schritten (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 47 f.): (1) der Planung der originären Produktkostenvorgabe und (2 ) der Planung derivativer Produktkostenvorgaben. Der komplette Prozess der Produktkostenplanung wird in japanischen Unternehmungen nur für die Basismodelle einiger weniger Kernprodukte durchgeführt. Diese zeichnen sich durch die Mehrfachverwendung ihrer Komponenten aus (vgl. Horváth/ Seidenschwarz/ Sommerfeldt (1993), S. 14). (1) Planung der originären Produktkostenvorgabe Parallel zur Produktkonzeptplanung wird zunächst die originäre Produktkostenvorgabe geplant. Die originäre Produktkostenvorgabe wird ausgehend von den Zielen geplant, die mit dem Produkt verfolgt werden, und bezieht sich auf das Gesamtprodukt. Für die Planung der originären Produktkostenvorgaben sind verschiedene Ansätze vorgeschlagen worden. Diese Ansätze können isoliert zur Anwendung gelangen. In der Regel werden für die Planung der originären Produktkostenvorgaben jedoch mehrere dieser Ansätze kombiniert. Folgende Ansätze werden unterschieden: − der marktorientierte Ansatz, − der unternehmungsorientierte Ansatz, − der wettbewerberorientierte Ansatz sowie − der verhandlungsorientierte Ansatz. Beim marktorientierten Ansatz werden die originären Produktkostenvorgaben als Differenz zwischen dem erwarteten Marktpreis des geplanten Produktes und dem angestrebten Stückerfolg ermittelt. Der unternehmungsorientierte Ansatz sieht vor, die originären Produktkostenvorgaben aus den konstruktions- und fertigungstechnischen Merkmalen des geplanten Produktes, den vorhandenen Potentialen und Prozessen in der Produktion und den Erfahrungen mit der Kostengestaltung herzuleiten, die <?page no="292"?> Kostenorientierte Produktplanung • 275 in früheren Produktentwicklungsprojekten gesammelt worden sind (vgl. z. B. Yoshikawa u. a. (1993), S. 42). Nach dem wettbewerberorientierten Ansatz werden originäre Produktkostenvorgaben auf der Basis von Informationen bestimmt, die bei der Zerlegung und Analyse von Produkten der Konkurrenten gewonnen worden sind. Bei der verhandlungsorientierten Vorgehensweise wird die originäre Produktkostenvorgabe zwischen Produktmanager, Projektteam und Entwicklungsteams ausgehandelt. Abb. 6.2 nennt die Vor- und Nachteile dieser Ansätze. Ansatz Beurteilung V: Die Erreichung des Erfolgszieles ist gesichert. Marktorientierter Ansatz N: Die Realisierbarkeit der Produktkostenvorgabe ist nicht gesichert. Die Motivation in den Entwicklungsteams kann ungünstig beeinflusst werden. V: Die Realisierbarkeit der Produktkostenvorgabe ist gesichert. Unternehmungsorientierter Ansatz N: Die Wettbewerbsfähigkeit des Produktes hinsichtlich seiner Kosten ist nicht gesichert. Die Entwicklungsteams werden nicht motiviert, Kostensenkungsmaßnahmen zu erarbeiten bzw. umzusetzen. Die Erreichung des Erfolgszieles ist nicht gesichert. V: Die Realisierbarkeit der Produktkostenvorgabe ist gesichert. Die Motivation in den Entwicklungsteams kann ungünstig beeinflusst werden. Die Wettbewerbsfähigkeit des Produktes hinsichtlich seiner Kosten ist gesichert. Wettbewerberorientierter Ansatz N: Die Erreichung des Erfolgszieles ist nicht gesichert. Es kann ein Wettbewerbsnachteil ausgeglichen, jedoch kein Wettbewerbsvorteil geschaffen werden. V: Durch die Partizipation der Entwicklungsteams an der Planung der originären Produktkostenvorgabe kann ihre Motivation positiv beeinflusst und die Realisierbarkeit der Produktkostenvorgabe gesichert werden. Die Erreichung eines Mindesterfolges kann durch Begrenzung des Verhandlungsspielraumes sichergestellt werden. Verhandlungsorientierter Ansatz N: Die Verhandlungsprozesse können langwierig sein und verursachen Kosten. Abb. 6.2: Beurteilung der Ansätze zur Planung originärer Produktkostenvorgaben (2) Planung der derivativen Produktkostenvorgabe Die Planung der derivativen Produktkostenvorgabe vollzieht sich parallel zur Konstruktion und umfasst die Spaltung der originären Produktkostenvorgabe in Teilvorgaben (vgl. Tanaka (1989), S. 54; Yoshikawa u. a. (1993), S. 49). Mit der Planung derivativer Produktkostenvorgaben werden die folgenden Zwecke verfolgt: <?page no="293"?> 276 • Produktorientiertes Kostenmanagement − die Abgrenzung von Kostenbeeinflussungsschwerpunkten, − die eindeutige Zuordnung von Verantwortung für die Erreichung der Produktkostenvorgaben und − die Identifikation von Ursachen der Abweichungen von den Produktkostenvorgaben. Derivative Produktkostenvorgaben sind Teilvorgaben vor allem für produktbezogene Funktionen oder Komponenten des Produktes (z. B. Baugruppen), die aus der originären Produktkostenvorgabe hergeleitet werden. Sie können aber auch für Kostenkategorien, Prozesse (z. B. Beschaffung, Produktion, Montage, Entsorgung) oder Entwicklungsteams ermittelt werden (vgl. Yoshikawa (1993), S. 48). Um zu verhindern, dass an bekannten Lösungen festgehalten wird und kostengünstige Alternativen zu diesen Lösungen bewusst aus der Betrachtung ausgeschlossen werden, wird bei der Neukonstruktion die originäre Produktkostenvorgabe zunächst in Funktionenkostenvorgaben gespalten. Ist über die prinzipiellen Lösungen entschieden worden, werden diese Funktionenkostenvorgaben in Komponentenkostenvorgaben gespalten (vgl. Tanaka (1989), S. 52 f.). Auf die Spaltung der originären Produktkostenvorgaben in Funktionenkostenvorgaben kann nur bei der Anpassungs- und der Variantenkonstruktion verzichtet werden, da sie von gegebenen Lösungsprinzipien für die gewünschten Produktfunktionen ausgehen. Die produktbezogenen Funktionen werden durch die Produktkonzeptplanung festgelegt und beim Konzipieren in Teilfunktionen aufgelöst. Funktionenkostenvorgaben werden deshalb parallel zum Konzipieren geplant. Die Planung von Komponentenkostenvorgaben setzt Informationen über die Baustruktur des Produktes voraus, über die erst in der Phase des Entwerfens entschieden wird. Die Komponentenkostenvorgaben werden deshalb parallel zu dieser Phase geplant (vgl. Tanaka (1989), S. 50). 6.2.2.2 Aufgaben der Produktkostensteuerung Die Produktplanung vollzieht sich in einem Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. In diesem Prozess nimmt der Präzisierungs- und Detaillierungsgrad des Produktentwurfs kontinuierlich zu. Damit sinken jedoch auch die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Produktkosten und steigen der Zeitbedarf und die Entwicklungskosten für Änderungen des Produktentwurfs (vgl. Ehrlenspiel/ Kiewert/ Lindemann (2005), S. 11 f.). Diese Merkmale des Planungsprozesses machen eine konstruktionsbegleitende Produktkostensteuerung erforderlich. Sie ist eine Aufgabe der Produktplanungsverfolgung und besteht aus zwei Phasen − der konstruktionsbegleitenden Produktkostenkontrolle und − der konstruktionsbegleitenden Produktkostensicherung. <?page no="294"?> Kostenorientierte Produktplanung • 277 Die konstruktionsbegleitende Produktkostenkontrolle ist eine Planinhaltskontrolle, die parallel zur Konstruktion durchgeführt wird. Sie ermittelt in jeder Phase des Konstruktionsprozesses die erwarteten Abweichungen von den Produktkostenvorgaben durch den Vergleich der Produktkostenvorgabe mit den Wird-Produktkosten. Die Wird-Produktkosten werden im Kontrollzeitpunkt mit einem Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation (vgl. Abschnitt 6.2.4.3) oder auf der Basis eines Prototyps ermittelt (vgl. Fischer (1995), S. 56 f.). Werden Produktkostenabweichungen festgestellt, die vorgegebene Toleranzgrenzen überschreiten, wird die Produktkostenkontrolle um die Produktkostensicherung ergänzt. Sie umfasst die Anpassung des Produktentwurfs, um die festgestellte Produktkostenabweichung abzubauen. Hierzu werden Entscheidungen revidiert, die in bereits abgeschlossenen Phasen der Konstruktion getroffen worden sind. Als Instrument zur Identifikation von Kostensenkungspotentialen, die in diesen Entscheidungen begründet sind, eignet sich die Wertgestaltung (vgl. Abschnitt 6.4). Entscheidungen über eine Funktion oder eine Komponente können sich auf die Produktkosten anderer Funktionen bzw. Komponenten des Produktes auswirken. Eine Kontrolle der derivativen Produktkostenvorgaben reicht deshalb nicht aus. Es ist notwendig, in jeder Phase der Konstruktion auch die originäre Produktkostenvorgabe zu kontrollieren. Es kann dadurch sichergestellt werden, dass die Wirkungen einer Entscheidung auf die Produktkosten anderer Funktionen oder Komponenten des Produktes erkannt werden, die Abweichungen von der originären Produktkostenvorgabe verursachen. Abb. 6.3 zeigt die Struktur des Prozesses der Produktkostenplanung und -steuerung und seine Verknüpfung mit dem Prozess der Produktplanung. 6.2.3 Target Costing zur Planung von Produktkostenvorgaben 6.2.3.1 Abgrenzung des Target Costing Die Definitionen zum Target Costing unterscheiden sich hinsichtlich des Beitrags, den das Target Costing zur Gestaltung der Produktkosten leistet. Nach der engsten Auffassung ist das Target Costing ein Bündel von Instrumenten und Methoden (vgl. Horváth/ Niemand/ Wolbold (1993), S. 4). In weiten Definitionen wird unter dem Target Costing ein Kostensenkungsprogramm verstanden, dem sowohl die Planung von Produktkostenvorgaben als auch ihre Realisation zugeordnet sind (vgl. z. B. Monden (1999), S. 11). Hier soll unter Target Costing ein Kostenplanungs- und -steuerungssystem verstanden werden (vgl. z. B. auch Freidank/ Zaeh (1997), S. 235). Das Target Costing ist ein System zur Planung und Steuerung der Produktkosten, die ein Produkt mit genau spezifizierter Funktionalität und Qualität in abgegrenzten Phasen seines Lebenszyklus beim erwarteten Absatzpreis verursachen darf, wenn ein Erfolgsziel erreicht werden soll, um sie einem interdisziplinär zusammengesetzten Team für die Entwicklung dieses Produktes vorzugeben. <?page no="295"?> 278 • Produktorientiertes Kostenmanagement Abb. 6.3: Prozess der Produktkostenplanung und -steuerung Produktkonzeptplanung Planung der originären Produktkostenvorgaben Planung der Funktionenkostenvorgaben Konzipieren Entwerfen Ausarbeiten Ermittlung der Wird- Produktkosten Sicherung der Produktkostenvorgaben Soll-Wird- Vergleich Abweichungsanalyse Planung der Komponentenkostenvorgaben Ermittlung der Wird- Produktkosten Soll-Wird- Vergleich Abweichungsanalyse Sicherung der Produktkostenvorgaben Ermittlung der Wird- Produktkosten Soll-Wird- Vergleich Abweichungsanalyse Sicherung der Produktkostenvorgaben Klären der Aufgabenstellung Konstruktion <?page no="296"?> Kostenorientierte Produktplanung • 279 Das Target Costing transformiert ein Erfolgsziel, das von der Unternehmungsführung für die Realisation eines Produktvorschlags vorgegeben wird, in operationale und akzeptierte Produktkostenvorgaben für die einzelnen Entwicklungsteams und ausgewählte Lieferanten. Es ist keine Entscheidungsrechnung zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Produktentwicklungsprojektes. Seine Produktkostenvorgaben dienen auch nicht als Kriterium für Entscheidungen über den Abbruch eines Produktentwicklungsprojektes (anders Chwolka (2003), S. 135). Werden die Produktkostenvorgaben nicht erreicht, lässt das darauf schließen, dass der geplante Produkterfolg nicht erzielt werden kann. In diesen Fällen sollte das Projekt nicht sofort abgebrochen, sondern zunächst die Produktdefinition und der Produktentwurf grundlegend überdacht und überarbeitet werden. Das Target Costing hat damit zwar eine Indikatorfunktion, seine Produktkostenvorgaben sind jedoch kein Entscheidungskriterium. Beim Target Costing handelt es sich um eine Kombination aus dem markt-, dem unternehmungs- und dem verhandlungsorientierten Ansatz der Produktkostenplanung. Die Produktkostenplanung nach dem Target Costing lässt sich durch folgende Merkmale charakterisieren (vgl. Fessler/ Fischer (2000), S. 33): − Erfolgsorientierung, − Marktorientierung und − Interdisziplinarität. In der VDI-Richtlinie 2235 findet sich die Empfehlung, der Konstruktion die idealen Herstellkosten vorzugeben, das sind 70 % des durchsetzbaren Preises. Begründet wird diese Empfehlung damit, dass „die Kosten im Verlauf der Entwicklung meist höher ausfallen als angestrebt“ (VDI-Richtlinie 2235 (1987), S. 17). Der Erfolg des Produktes wird als Restgröße verstanden, deren Höhe von der Fähigkeit der Konstrukteure abhängt, Kostensenkungspotentiale auszuschöpfen. Beim Target Costing als erfolgsorientiertem Ansatz ist der Erfolg des Produktes keine Restgröße, sondern eine Vorgabe der lang- oder mittelfristigen Erfolgsplanung, die es zu erreichen gilt (vgl. Fisher (1995), S. 51 f.). Unter der Marktorientierung wird verstanden, dass die Produktkostenvorgaben für ein Produkt mit der Qualität und Funktionalität geplant werden, die der Kunde bei einem bestimmten Preis erwartet. Mit der Interdisziplinarität wird zum Ausdruck gebracht, dass die Planung der Produktkostenvorgaben die Zusammenarbeit der betroffenen Produktions- und Entwicklungsabteilungen, des Einkaufs, des Marketing und des Controlling erfordert (vgl. Sakurai (1997), S. 54 ff.). Seine Vorteile entfaltet das Target Costing in der montierenden Industrie (mehrteilige Stückgüter) bei der Gestaltung komplexer Produkte mit längeren Entwicklungszeiten und längeren Marktzyklen. Breite Verwendung findet dieser Ansatz im Fahrzeugbau, in der Elektroindustrie, im Maschinenbau und im Präzisionsmaschinenbau (vgl. Tani/ Kato (1994), S. 196 f.). <?page no="297"?> 280 • Produktorientiertes Kostenmanagement 6.2.3.2 Planung der originären Produktkostenvorgaben Die originäre Produktkostenvorgabe wird vom Projektteam geplant. Die Entscheidung über die originären Produktkostenvorgaben wird von der Unternehmungsführung nach intensiver Diskussion in Übereinstimmung mit allen Mitgliedern des Projektteams getroffen. Nur in den Fällen, in denen keine Einigkeit erreicht werden kann, entscheidet die Unternehmungsführung allein über die originäre Produktkostenvorgabe (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 47). Hier folgt das Target Costing dem verhandlungsorientierten Ansatz . Die Grenzen des Verhandlungsspielraumes werden zuvor nach dem markt- und dem unternehmungsorientierten Ansatz bestimmt. Aus der Kombination dieser drei Ansätze folgt ein Prozess zur Planung der originären Produktkostenvorgaben , der die folgenden vier Schritte umfasst (vgl. Sakurai (1989), S. 42; Yoshikawa u. a. (1993), S. 46 f.; Cooper (2002), S. 6 f.): − 1. Schritt: Ermitteln der zulässigen Produktkosten − 2. Schritt: Ableiten der geschätzten Produktkosten − 3. Schritt: Beurteilen des Kostensenkungsbedarfs − 4. Schritt: Bestimmen der Produktkostenvorgaben (1) Ermitteln der zulässigen Produktkosten Die zulässigen Produktkosten (allowable cost) definieren das Niveau der Produktkosten, das bei dem erwarteten Absatzpreis und der erwarteten Absatzmenge des Produktes zum angestrebten Erfolg führt (vgl. Cooper (2002), S. 12). Der angestrebte Erfolg eines geplanten Produktes wird im Rahmen einer mittelbzw. langfristigen Erfolgsplanung festgelegt und dem Produktmanager vorgegeben (vgl. Monden (1999), S. 43 ff.). Als mögliche Inhalte des Erfolgszieles werden diskutiert (vgl. Homburg/ Weiß (2002), S. 227 f.): − die Umsatzrentabilität, − die Kapitalrentabilität und − der Unternehmungswert (z. B. Shareholder Value, Economic Value Added). In japanischen Unternehmungen wird als Erfolgsgröße die Umsatzrentabilität der Kapitalrentabilität vorgezogen. Die Umsatzrentabilität besitzt den Vorteil, dass der geplante Stückerfolg des Produktes unmittelbar aus dem Absatzpreis ermittelt werden kann. Es ist anders als bei der Kapitalrentabilität nicht erforderlich, das für die Produktion des geplanten Produktes einzusetzende Kapital zu ermitteln, was insbesondere bei Mehrproduktfertigung Schwierigkeiten bereitet (vgl. Sakurai (1991), S. 62 ff.). Die Kapitalrentabilität bzw. der Return on Investment (ROI) wird neben der Umsatzrentabilität auch von der Häufigkeit des Kapitalumschlags determiniert: <?page no="298"?> Kostenorientierte Produktplanung • 281 K U U G K G ROI ⋅ = = , mit G = Gewinn, K = Kapitaleinsatz, U = Umsatz. Wird eine bestimmte Verzinsung des eingesetzten Kapitals angestrebt, ist neben der Umsatzrentabilität auch eine Häufigkeit des Kapitalumschlags vorzugeben. Erhöht werden kann die Häufigkeit des Kapitalumschlags durch die Verringerung des Anlagevermögens, des Forderungsbestandes, des Bestandes an liquiden Mitteln oder der Lagerbestände. Diese Größen werden nicht durch Entscheidungen über Produktmerkmale determiniert. Die Gestaltung der Häufigkeit des Kapitalumschlags muss deshalb Aufgabe anderer Teilbereiche des Kostenmanagements sein. In japanischen Unternehmungen wird die Erhöhung der Häufigkeit des Kapitalumschlags vor allem über Just-in-time-Maßnahmen im Beschaffungs- und Produktionsbereich zur Reduzierung der Bestände an Vorräten sowie fertigen und unfertigen Erzeugnissen erreicht (vgl. Sakurai (1991), S. 64). Wird eine bestimmte Kapitalrentabilität angestrebt, kann deshalb die Umsatzrentabilität zur Berechnung der zulässigen Kosten herangezogen werden, wenn die Häufigkeit des Kapitalumschlags, die zur Erreichung der angestrebten Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreicht werden muss, durch andere Teilbereiche des Kostenmanagements sichergestellt wird (vgl. Coenenberg (2003), S. 463). Wird ein Unternehmungswertziel verfolgt, ist eine mehrperiodige Planung erforderlich, die bei der Bestimmung der zulässigen Produktkosten die Kapitalkosten explizit berücksichtigt (vgl. Weiß (2006), S. 3, 164 ff.). Hat das Erfolgsziel die Umsatzrentabilität zum Inhalt, wird zur Berechnung der zulässigen Produktkosten zunächst die Differenz zwischen dem erwarteten Absatzpreis und dem Stückerfolg berechnet, den das Produkt zur Erreichung der vorgegebenen Umsatzrentabilität erbringen muss (vgl. z. B. Sakurai (1989), S. 42). Diese Differenz wird anschließend um den Beitrag korrigiert, den das geplante Produkt zur Deckung derjenigen Unternehmungskosten leisten soll, die über die Produktkosten des geplanten Produktionsprogramms hinausgehen (vgl. Coenenberg (2003), S. 450 f.). z K p (1 r) db = ⋅ − − , wobei z K = zulässige Produktstückkosten, p = erwarteter Absatzpreis des Produktes, r = angestrebte Umsatzrentabilität, db = geplanter Beitrag des Produktes zur Deckung der sonstigen Kosten. Der angestrebte Produkterfolg wird erreicht, wenn die Produktkosten während der Konstruktion auf das Niveau der zulässigen Produktkosten gesenkt werden können. Als originäre Produktkostenvorgabe sind die zulässigen Produktkosten jedoch aus zwei Gründen nicht geeignet (vgl. Cooper (2002), S. 6). Zum einen sind sie ausschließlich durch die Erwartungen der Kunden und den angestrebten Erfolg determiniert und nicht mit den in der Unternehmung und bei den Lieferanten vorhandenen <?page no="299"?> 282 • Produktorientiertes Kostenmanagement Kostensenkungspotentialen abgestimmt. Die zulässigen Kosten können sich deshalb als nicht erreichbar erweisen (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 42). Zum anderen ist der marktorientierte Ansatz, nach dem die zulässigen Produktkosten ermittelt werden, durch ein reines Top-down-Vorgehen gekennzeichnet. Produktkostenvorgaben in Höhe der zulässigen Kosten können sich deshalb ungünstig auf die Motivation des Entwicklungsteams auswirken (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 47). (2) Ableiten der geschätzten Produktkosten Die geschätzten Produktkosten (drifting cost) markieren das Niveau der Produktkosten, die bei Produktion des geplanten Produktes unter den in der Unternehmung und bei dem Lieferanten aktuell vorliegenden Bedingungen bei Verwendung bekannter Baugruppen und Bauteile anfallen würden (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 44 ff.). Grundlage für die Ermittlung der geschätzten Produktkosten ist das Vorgängerprodukt. Für dieses Produkt sind in einem ersten Teilschritt die tatsächlichen Produktkosten zu ermitteln. Im zweiten Teilschritt werden die Unterschiede zwischen den Funktionen des geplanten und des aktuellen Produktes festgestellt. Anschließend werden − die Veränderungen der Produktkosten jeder einzelnen Funktion, die durch abweichende Spezifikationen in der Produktdefinition des geplanten Produktes verursacht werden, sowie − die Produktkosten neu hinzukommender Funktionen geschätzt. Geschätzt werden diese Produktkostenänderungen durch die Auswertung der Produktkosten von Produkten im Marktzyklus, die möglichst ähnliche Produktfunktionen aufweisen. Dabei wird unterstellt, dass keine wertsteigernden Maßnahmen vorgenommen werden, d. h. die Baugruppen und -teile des Vorgängerproduktes und der anderen ähnlichen Produkte unverändert übernommen werden. Die geschätzten Produktkosten des geplanten Produktes werden im letzten Teilschritt berechnet, indem zu den tatsächlichen Produktkosten des aktuellen Produktes die geschätzten Produktkostenveränderungen addiert werden (vgl. Tanaka (1993), S. F1-4; Cooper/ Slagmulder (1997), S. 109). Für die Schätzung der Produktkostenänderungen bei den Produktfunktionen können die Methoden der konstruktionsbegleitenden Kalkulation verwendet werden, die in Abschnitt 4.2.4.3 erörtert werden. Die Vorgabe der geschätzten Produktkosten würde zwei Vorteile aufweisen. Zum einen wäre die Realisierbarkeit der Vorgabe gesichert, da es sich lediglich um eine Fortschreibung der Produktkosten des Vorgängerproduktes bei unveränderten Baugruppen und -teilen handelt. Zum anderen würde sich diese Produktkostenvorgabe zumindest nicht ungünstig auf die Motivation der an der Produktplanung Beteiligten <?page no="300"?> Kostenorientierte Produktplanung • 283 auswirken, da sie das Ergebnis einer Bottom-up-Planung ist. Als Produktkostenvorgaben eignen sich die geschätzten Produktkosten dennoch nicht. Da bei der Berechnung der geschätzten Produktkosten die Marktbedingungen nicht berücksichtigt werden, führen sie nicht zu dem geplanten Produkterfolg; unter Umständen lassen sie keine wettbewerbsfähigen Preise zu (vgl. Sakurai (1989), S. 43; Yoshikawa (1993), S. 42). (3) Beurteilen des Kostensenkungsbedarfs Die Differenz zwischen den geschätzten und den zulässigen Produktkosten bestimmt den Kostensenkungsbedarf des Produktes , der aus der Sicht des Kunden realisiert werden sollte: g z K K K ∆ = − wobei ∆ K = Kostensenkungsbedarf des Produktes, K g = geschätzte Produktkosten. Da der Kostensenkungsbedarf marktorientiert, d. h. ohne Berücksichtung der in der Unternehmung vorhandenen Kostensenkungspotentiale ermittelt wird, kann er die aus der Sicht des Herstellers realisierbare Kostensenkung übersteigen. In diesem dritten Schritt der Planung einer originären Produktkostenvorgabe müssen deshalb die aus der Sicht des Herstellers minimalen Produktkosten ermittelt werden. Festgelegt werden sie in Verhandlungen zwischen dem Produktmanager und dem Projektteam (in Anlehnung an Cooper/ Slagmulder (2002a), S. 7). Grundlage dieser Verhandlungen sind ein Plan der durchzuführenden Wertanalyse-Projekte, der durch das Projektteam erarbeitet wird, die Ergebnisse der Wertanalysen bei Vorgängerprodukten, eine Beurteilung der technischen Schwierigkeiten der Konstruktion sowie die Auswertung von Produkten der Wettbewerber. Die ausgehandelten minimalen Produktkosten sollten von allen Beteiligten akzeptiert werden und ein Niveau aufweisen, das erreichbar ist, jedoch nur unter erheblichen Anstrengungen aller Beteiligten (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 46 f.; Cooper/ Slagmulder (2002a), S. 7). Die aus der Sicht des Herstellers realisierbare Kostensenkung kann durch Subtraktion der minimalen von den geschätzten Produktkosten ermittelt werden: r g m K K K ∆ = − wobei ∆ K r = realisierbare Kostensenkung des geplanten Produktes, K m = minimale Produktkosten des geplanten Produktes. (4) Bestimmen der originären Produktkostenvorgabe Das vorzugebende Niveau der Produktkosten hängt davon ab, ob die realisierbare Kostensenkung ausreicht, den festgestellten Kostensenkungsbedarf zu decken. Danach werden die folgenden beiden Fälle unterschieden: <?page no="301"?> 284 • Produktorientiertes Kostenmanagement 1. Fall: Der Kostensenkungsbedarf übersteigt die realisierbare Kostensenkung In diesem Fall gilt r g z g m z m K K K K K K K K ∆ > ∆ ⇔ − > − ⇔ < , d. h., die minimalen Produktkosten sind höher als die zulässigen. Die zulässigen Produktkosten können damit nicht erreicht werden. Als originäre Produktkostenvorgabe werden in diesem Fall die minimalen Produktkosten herangezogen. Die Abweichung zwischen der originären Produktkostenvorgabe und den zulässigen Produktkosten, d. h. der nicht realisierbare Teil des Kostensenkungsbedarfs, wird als strategischer Kostensenkungsbedarf bezeichnet. Der strategische Kostensenkungsbedarf gibt den Erfolg an, der dadurch entgeht, dass die zulässigen Produktkosten nicht realisiert werden können, und weist auf Wettbewerbsnachteile hin (vgl. Abb. 6.4). Durch den Ausweis des strategischen Kostensenkungsbedarfs wird Druck auf die Projekt- und Entwicklungsteams der nächsten Produktgeneration erzeugt, intensiver und aggressiver nach Kostensenkungsmöglichkeiten zu suchen (vgl. Cooper/ Slagmulder (2002a), S. 7 f.). Abb. 6.4: Originäre Produktkostenvorgaben bei nicht realisierbaren zulässigen Produktkosten 2. Fall: Die realisierbare Kostensenkung ist höher als der Kostensenkungsbedarf Dieser Fall liegt vor, wenn die minimalen unter den zulässigen Produktkosten liegen. Der Teil der realisierbaren Kostensenkung, der den Kostensenkungsbedarf übersteigt, kann verwendet werden zur Senkung des Verkaufspreises des geplanten Produktes, zur Verbesserung der Funktionalität oder Qualität oder zur Erreichung eines Erfolges, der über dem geplanten liegt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 110 f.). Um die Entwicklungszeiten zu verkürzen, die Entwicklungskosten zu reduzieren oder um in der Produktentwicklung Kapazitäten für andere Projekte zu schaffen, kann auch darauf Zulässige Produktkosten Minimale Produktkosten = Originäre Produktkostenvorgabe Geschätzte Produktkosten Kostensenkungsbedarf Realisierbare Kostensenkung strategischer Kostensenkungsbedarf <?page no="302"?> Kostenorientierte Produktplanung • 285 verzichtet werden, die gesamte realisierbare Kostensenkung auszuschöpfen. Die originäre Produktkostenvorgabe wird durch die Entscheidung der Unternehmungsführung über die Verwendung des Teiles der realisierbaren Kostensenkung bestimmt, der über den Kostensenkungsbedarf hinausgeht. Den Projekt- und Entwicklungsteams können damit die minimalen Produktkosten oder auch ein Wert aus dem Intervall zwischen den minimalen und den zulässigen Produktkosten vorgegeben werden (vgl. Abb. 6.5). Abb. 6.5: Originäre Produktkostenvorgabe bei realisierbaren zulässigen Produktkosten Die Schätzungen zu den Produktkosten und der realisierbaren Kostensenkung unterliegen insbesondere bei Projekten mit langer Entwicklungsdauer großen Unsicherheiten. Aus diesem Grund wird bei derartigen Projekten am Ende dieser ersten Phase im Prozess der Produktkostenplanung nicht endgültig über die originären Produktkostenvorgabe entschieden . Die endgültige Entscheidung wird in diesen Fällen erst nach der Planung der derivativen Produktkostenvorgaben getroffen (vgl. Cooper (1998), S. 166). 6.2.3.3 Planung der Funktionenkostenvorgaben Die Funktionenkostenvorgaben werden zu Beginn des Konstruktionsprozesses durch das Projektteam geplant. Sie werden anschließend für das Konzipieren des geplanten Produktes vorgegeben. Die Entscheidung über die Funktionenkostenvorgaben trifft der Produktmanager nach Verhandlungen mit dem Projektteam im Konsens mit allen Beteiligten (vgl. Monden (1999), S. 141). Die Produktkosten enthalten Bestandteile, die ausschließlich durch das gesamte Produkt und nicht durch einzelne Funktionen oder Komponenten verursacht werden. Zu Geschätzte Produktkosten Zulässige Produktkosten Kostensenkungsbedarf Über den Kostensenkungsbedarf hinausgehende Kostensenkung Minimale Produktkosten Realisierbare Kostensenkung Originäre Produktkostenvorgabe Nicht ausgeschöpftes Kostensenkungspotential Intervall möglicher Produktkostenvorgaben <?page no="303"?> 286 • Produktorientiertes Kostenmanagement diesen Bestandteilen zählen die Montagekosten und die indirekten Fertigungskosten. Für diese Bestandteile der Produktkosten werden eigene Vorgaben geplant. Durch Subtraktion dieser Kostenvorgaben ergeben sich die bereinigten Produktkostenvorgaben. Bei der Planung der Funktionenkostenvorgaben wird nur diese bereinigte originäre Produktkostenvorgabe auf die produktbezogenen Funktionen verteilt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 148). Die Planung der Funktionenkostenvorgaben vollzieht sich analog zur Planung der originären Produktkostenvorgaben in den folgenden vier Schritten (in Anlehnung an Monden (1999), S. 137 ff.): − Schritt 1: Bestimmen der zulässigen Funktionenkosten − Schritt 2: Ermitteln der geschätzten Funktionenkosten − Schritt 3: Beurteilen des Kostensenkungsbedarfs − Schritt 4: Festlegen der Funktionenkostenvorgaben (1) Bestimmen der zulässigen Funktionenkosten Die zulässigen Funktionenkosten markieren das Niveau der Produktkosten einer Funktion, das zur Realisation der bereinigten originären Produktkostenvorgaben aus der Sicht der Kunden erreicht werden muss. Ermittelt werden können die zulässigen Funktionenkosten durch − die unternehmungsbezogene, − die wettbewerberbezogene oder − die marktbezogene Verrechnung der bereinigten originären Produktkostenvorgabe auf die Funktionen. Bei der unternehmungsbezogenen Verrechnung wird die Produktkostenvorgabe nach den Anteilen der Funktionenkosten an den Produktkosten beim Vorgängerprodukt verrechnet. Damit wird die Kostenstruktur des Vorgängerproduktes auf das geplante Produkt übertragen und die angestrebte Kostensenkung ohne Berücksichtigung der vorhandenen Kostensenkungspotentiale gleichmäßig auf die Funktionen verteilt (vgl. Fröhling (1994b), S. 422). Die wettbewerberbezogene Verrechnung bezieht mögliche Kostensenkungspotentiale in die Planung ein, indem sie die Kostenstruktur eines ähnlichen Produktes des stärksten Wettbewerbers auf das geplante Produkt überträgt. Bei der marktbezogenen Verrechnung wird die originäre Produktkostenvorgabe proportional zur relativen Bedeutung der Funktionen für die Kunden gespalten. Die zulässigen Funktionenkosten sind damit umso höher, je höher die relative Bedeutung dieser Funktion für den Kunden ist. Als Verrechnungsgrößen werden bei diesem Ansatz die Funktionengewichte herangezogen. <?page no="304"?> Kostenorientierte Produktplanung • 287 Im Target Costing werden die bereinigten originären Produktkostenvorgaben marktbezogen verrechnet (vgl. Tanaka (1989), S. 60), d. h. die Bestimmungsgleichung der zulässigen Funktionenkosten lautet wie folgt: z sb Fn Fn K g K = ⋅ für n = 1, ..., N, wobei zFn K = zulässige Funktionenkosten der Funktion n, Fn g = Funktionengewicht der Funktion n, sb K = bereinigte originäre Produktkostenvorgabe. Beispiel 6.1: Berechnung der zulässigen Funktionenkosten Die bereinigte originäre Produktkostenvorgabe einer Kaffeemaschine beträgt 32,80 €. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Funktionengewichte der Funktionen dieser Kaffeemaschine. Produktfunktion Funktionengewicht Produktfunktion Funktionengewicht Wasser speichern 0,05 Kaffee speichern 0,1 Energie umwandeln 0,06 Kaffeesatz zurückhalten 0,06 Kaffeemehl speichern 0,1 Kaffeemehl verschließen 0,1 Heißes Wasser zuführen 0,1 Kaffee verschließen 0,1 Kaffee ableiten 0,03 Wärme speichern 0,3 Für die zulässigen Funktionenkosten der zehn Funktionen ergeben sich damit die folgenden Werte: = z F 1 K 32,80 € ⋅ 0,05 = 1,64 € = z F 6 K 32,80 € ⋅ 0,1 = 3,28 € = z F 2 K 32,80 € ⋅ 0,06 = 1,968 € = z F7 K 32,80 € ⋅ 0,06 = 1,968 € = z F 3 K 32,80 € ⋅ 0,1 = 3,28 € = z F 8 K 32,80 € ⋅ 0,1 = 3,28 € = z F 4 K 32,80 € ⋅ 0,1 = 3,28 € = z F 9 K 32,80 € ⋅ 0,1 = 3,28 € = z F 5 K 32,80 € ⋅ 0,03 = 0,984 € = z F 10 K 32,80 € ⋅ 0,3 = 9,84 € Die Funktionengewichte geben die relative Bedeutung bzw. den Nutzenanteil der produktbezogenen Funktionen aus der Sicht der Kunden wieder. In der deutschsprachigen Literatur wird vorgeschlagen, die Funktionengewichte durch eine Kundenbefragung unter Einsatz der Conjoint-Analyse zu bestimmen (vgl. Horváth/ Seidenschwarz (1992), S. 145). In japanischen Unternehmungen werden die Funktionengewichte dagegen ermittelt, indem das Projektteam die relative Bedeutung jeder Funktion in dem Bündel der Funktionen des geplanten Produktes beurteilt. In dieser Phase der Produktplanung handelt es sich nicht um die kundenbezogenen, sondern um die produktbezogenen Funktionen, die durch den Kunden nicht beurteilt werden können. Die Festlegung der Funktionengewichte durch das Projektteam ist des- <?page no="305"?> 288 • Produktorientiertes Kostenmanagement halb einer Conjoint-Analyse vorzuziehen. Zur Bestimmung der Funktionengewichte können − eine Form der Delphi-Methode oder − die DARE-Methode (Decision Alternative Ratio Evaluation) eingesetzt werden. Bei der Delphi-Methode beurteilt jedes einzelne Mitglied des Projektteams die relative Bedeutung jeder einzelnen Funktion aus der Sicht des Kunden, indem es den Funktionen Punktwerte zuordnet. Das Projektteam vergleicht anschließend diese Bewertungen und diskutiert die Kriterien, die den Bewertungen der einzelnen Teammitglieder zugrunde gelegt worden sind. Anschließend werden die Funktionen nochmals durch die Mitglieder des Projektteams beurteilt. Auf der Basis der Bewertungsergebnisse wird durch das Projektteam eine gemeinsame Beurteilung der relativen Bedeutung der einzelnen Funktionen erarbeitet. Um die Funktionengewichte zu ermitteln, wird für jede Funktion der Punktwert, der ihr zugeordnet worden ist, durch die Summe der Punktwerte dividiert, die den Funktionen zugeordnet worden sind. Die DARE-Methode sieht einen paarweisen Vergleich der Produktfunktionen hinsichtlich ihrer Bedeutung aus der Sicht der Kunden durch das Projektteam vor (vgl. Monden (1999), S. 145 ff.). Darüber hinaus umfasst das Quality Function Deployment eine Methode zur Herleitung der Funktionengewichte aus den Gewichten für die relative Bedeutung der kundenbezogenen Funktionen, die durch Kundenbefragungen (z. B. Conjoint Analyse) gewonnen werden können (vgl. Abschnitt 6.2.4.1). Beispiel 6.2: Ermitteln der Funktionengewichte Ein geplantes Produkt weist die fünf Funktionen A - E auf. Die Delphi-Methode hat zu der folgenden gemeinsamen Beurteilung der Produktfunktionen durch das Projektteam geführt: Funktion A B C D E Σ Punktwerte 12 8 6 9 5 40 Damit ergeben sich die folgenden Funktionengewichte: = = 12 A 40 g 0,3 ; 8 B 40 g = = 0,2 ; = = 6 C 40 g 0,15 ; = = 9 D 40 g 0,225 ; = = 5 E 40 g 0,125 Bei Anwendung der DARE-Methode hat der paarweise Vergleich folgende Bewertungen für die relative Bedeutung ergeben (vgl. Monden (1999), S. 149 f.): A=2·B; B=5·C; C=1,5·1,5 und D=3·E. Wird für Funktion E ein Punktwert von 1 angenommen, ergeben sich für die anderen Funktionen folgende Punktwerte: D=3·1=3; C=1,5·3=4,5; B=0,5·4,5=2,25 und A=2·2,5=4,25. Die Summe der Punktwerte ist (1 + 3 + 4,5 + 2,25 + 4,5) 15,25. Als Funktionengewichte ergeben sich damit: <?page no="306"?> Kostenorientierte Produktplanung • 289 4,5 A 15,25 g = = 0,295 ; 2,25 B 15,25 g = = 0,148 ; 4,5 C 15,25 g = = 0,295 ; 3 D 15,25 g = = 0,197 ; = = 1 E 15,25 g 0,07 . (2) Ermitteln der geschätzten Funktionenkosten Die geschätzten Funktionenkosten geben das Niveau der Produktkosten einer Funktion wieder, die bei Produktion des geplanten Produktes unter den aktuell vorliegenden Bedingungen und Verwendung bekannter Baugruppen und Bauteile anfallen würden. Sie sind bereits bei der Ableitung der geschätzten Produktkosten für die Planung der originären Produktkostenvorgaben ermittelt worden. (3) Beurteilen des Kostensenkungsbedarfs Aus der Gegenüberstellung der zulässigen und der geschätzten Funktionenkosten ergibt sich der Kostensenkungsbedarf für die Produktfunktion aus der Sicht des Kunden: g z Fn Fn Fn K K K ∆ = − mit n = 1, ..., N wobei Fn K ∆ = Kostensenkungsbedarf bei der Funktion n, gFn K = geschätzte Funktionenkosten der Funktion n. Der Kostensenkungsbedarf kann sich als nicht realisierbar erweisen, da die zulässigen Funktionenkosten aus der Sicht der Kunden ohne Berücksichtigung technischer Restriktionen, geltender Sicherheitsbestimmungen und sonstiger Vorschriften bestimmt werden (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 51 f.). Aus diesem Grund muss in diesem dritten Schritt die Realisierbarkeit des Kostensenkungsbedarfs jeder Funktion beurteilt werden. Hierzu werden für jede Funktion zunächst die minimalen Funktionenkosten ermittelt (vgl. Monden (1999), S. 138). Die minimalen Funktionenkosten markieren das niedrigste Niveau der Produktkosten dieser Funktion, das aus Herstellersicht realisierbar ist. Die minimalen Funktionenkosten werden durch Verhandlungen im Projektteam festgelegt. Grundlage dieser Verhandlungen sind (vgl. Seidenschwarz (1993), S. 219 ff.; Monden (1999), S. 139 f.) − die Auswertung der Vorschläge zu Wertanalyse-Projekten, die von den Entwicklungsteams erarbeitet und eingebracht werden, − die Analyse der Produkte von Wettbewerbern, welche die höchsten Marktanteile aufweisen oder einzelne Funktionen in herausragender Weise erfüllen, <?page no="307"?> 290 • Produktorientiertes Kostenmanagement − die bei Vorgängerprodukten erzielten Kostensenkungsraten sowie − die Bewertung der technischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Funktionen und der Wertsteigerungsvorschläge. Die Verhandlungen enden, wenn die minimalen Funktionenkosten von allen Beteiligten als realisierbar akzeptiert werden. Aus den minimalen und den geschätzten Funktionenkosten kann die realisierbare Kostensenkung ermittelt werden. Die realisierbare Kostensenkung ist die aus der Sicht des Herstellers maximal erreichbare Senkung der Produktkosten einer Funktion. Sie ist definiert als Differenz der geschätzten und minimalen Funktionenkosten: g r m Fn Fn Fn K K K ∆ = − mit n = 1, ..., N, wobei rFn K ∆ = realisierbare Kostensenkung bei der Funktion n, mFn K = minimale Funktionenkosten der Funktion n. (4) Bestimmen der Funktionenkostenvorgabe Welches Niveau der Produktkosten einer Funktion vorgegeben wird, hängt von der Relation zwischen den zulässigen, den geschätzten und den minimalen Funktionenkosten ab. Es müssen die folgenden Fälle unterschieden werden: 1. Fall: Der Kostensenkungsbedarf übersteigt die realisierbare Kostensenkung Für jede Funktion, deren Kostensenkungsbedarf die realisierbare Kostensenkung überschreitet, liegen die zulässigen unter den minimalen Funktionenkosten, d. h. die zulässigen Funktionenkosten sind nicht realisierbar. In diesem Fall werden dem Entwicklungsteam die minimalen Funktionenkosten vorgegeben. Ein Teil des Kostensenkungsbedarfs dieser Funktion kann nicht gedeckt werden. Dieser ungedeckte Kostensenkungsbedarf der Produktfunktion in Höhe der Differenz zwischen minimalen und zulässigen Funktionenkosten erhöht den Teil des Kostensenkungsbedarfs des Produktes, der durch andere Funktionen gedeckt werden muss (vgl. Abb. 6.6). 2. Fall: Die realisierbare Kostensenkung übersteigt den Kostensenkungsbedarf Liegen die zulässigen über den minimalen Funktionenkosten, ist eine Kostensenkung erreichbar, die den Kostensenkungsbedarf übersteigt. Bei diesen Funktionen legt der Produktmanager die Funktionenkostenvorgaben unter Berücksichtigung des ungedeckten Kostensenkungsbedarfs bei anderen Funktionen fest (vgl. Abb. 6.7). Sind alle Funktionenkostenvorgaben festgelegt, muss ihre Summe mit der bereinigten originären Produktkostenvorgabe übereinstimmen. <?page no="308"?> Kostenorientierte Produktplanung • 291 Abb. 6.6: Funktionenkostenvorgabe bei nicht realisierbaren zulässigen Funktionenkosten Abb. 6.7: Funktionenkostenvorgabe bei realisierbaren zulässigen Funktionenkosten 6.2.3.4 Planung der Komponentenkostenvorgaben Die Funktionenkostenvorgaben werden den für das Entwerfen der jeweiligen Funktion zuständigen Entwicklungsteams vorgegeben. Sobald Vorstellungen über die Baustruktur des Produktes entwickelt worden sind, werden die Funktionenkostenvorgaben zunächst in Produktkostenvorgaben für Baugruppen (z. B. Autositz) und nach weiterer Detaillierung des Produktentwurfs in Produktkostenvorgaben für Bauteile (z. B. Rahmen, Gleitschienen, Verstellmechanismen, Bezüge für den Autositz) gespalten (vgl. Monden (1999), S. 153 f.; Cooper/ Slagmulder (2002b), S. 40). Zulässige Funktionenkosten Minimale Funktionenkosten = Funktionenkostenvorgabe Geschätzte Funktionenkosten Kostensenkungsbedarf der Funktion Realisierbare Kostensenkung Ungedeckter Kostensenkungsbedarf der Funktion Realisierbare Kostensenkung Realisierte Kostensenkung Minimale Funktionenkosten Zulässige Funktionenkosten Geschätzte Funktionenkosten Kostensenkungsbedarf Funktionenkostenvorgabe Beitrag zur Deckung des Kostensenkungsbedarfs anderer Funktionen <?page no="309"?> 292 • Produktorientiertes Kostenmanagement Die Spaltung der Funktionenkostenvorgaben vollzieht sich analog zur Spaltung der Produktkostenvorgaben in folgenden Schritten (vgl. Monden (1999), S. 159): − Schritt 1: Bestimmen der zulässigen Komponentenkosten − Schritt 2: Ermitteln der geschätzten Komponentenkosten − Schritt 3: Beurteilen des Kostensenkungsbedarfs − Schritt 4: Bestimmen der Komponentenkostenvorgaben Im Folgenden werden nur die Abweichungen vom Vorgehen bei der Planung der Funktionenkostenvorgaben erörtert. (1) Bestimmen der zulässigen Komponentenkosten Die zulässigen Komponentenkosten markieren das Niveau der Produktkosten einer Komponente, das zur Realisation der Funktionenkostenvorgaben und damit aus der Sicht der Kunden erreicht werden muss. Im Target Costing werden die zulässigen Komponentenkosten ermittelt, indem die bereinigte originäre Produktkostenvorgabe proportional zur relativen Bedeutung der Komponenten für den Kunden auf die Komponenten verrechnet werden. Das Komponentengewicht der Komponente m (m = 1, ..., M) bringt die relative Bedeutung der Komponente für den Kunden zum Ausdruck. Anders als Funktionen haben Baugruppen und -teile für Kunden keine unmittelbare Bedeutung. Den Komponenten kommt nur eine mittelbare Bedeutung für die Kunden zu, die aus ihrem Beitrag zur Erfüllung der verschiedenen Funktionen resultiert. Um das Komponentengewicht einer Komponente berechnen zu können, müssen die Beiträge bekannt sein, die sie zur Umsetzung jeder einzelnen Funktion leistet, d. h. ihre Komponentenkoeffizienten. Der Komponentenkoeffizient r mn gibt den Anteil der Funktion n (n = 1, ..., N) wieder, der durch Komponente m (m = 1, ..., M) erbracht wird. Mit den Komponentenkoeffizienten kann das Komponentengewicht h m einer Komponente m (m = 1, ..., M) als Summe der mit den jeweiligen Funktionengewichten g n (n = 1, ..., N) multiplizierten Komponentenkoeffizienten berechnet werden: N m mn n n 1 h r g = = ⋅ ∑ für m = 1, ..., M. Um die zulässigen Komponentenkosten der Komponente m ( z Tm K ) aus den bereinigten originären Produktkostenvorgaben abzuleiten, wird wie folgt vorgegangen: N N z sb sb Tm m mn n mn Fn n 1 n 1 K h K r g K r K = = = ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ ∑ ∑ , für m = 1, ..., M. <?page no="310"?> Kostenorientierte Produktplanung • 293 Damit wird deutlich, dass die zulässigen Komponentenkosten auch aus den Komponentenkoeffizienten und den Funktionenkostenvorgaben berechnet werden können. Beispiel 6.3: Ermitteln der zulässigen Komponentenkosten Die folgende Tabelle gibt die Komponentenkoeffizienten der Kaffeemaschine aus Beispiel 6.1 wieder. Funktion Komponente Wasser speichern Energie umwandeln Kaffeemehl speichern Heißes Wasser zuführen Kaffee ableiten Kaffee speichern Kaffeesatz zurückhalten Kaffeemehl verschließen Kaffee verschließen Wärme speichern Gehäuse 0,25 0,6 0,2 0,15 0,65 0,25 0,35 Wassertank 0,75 Heizkörper 1,0 Steigrohr 0,7 0,25 0,1 Filter 0,4 0,1 1,0 1,0 0,1 0,15 0,1 Thermoskanne 0,85 0,6 0,45 Zusammen mit den Funktionengewichten aus Beispiel 6.1 ergeben sich folgende Komponentengewichte: = ⋅ 1 2 3 4 5 6 0,05 0,06 h 0,25 0 0,6 0,2 0 0,15 0 0,65 0,25 0,35 0,1 h 0,75 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0,1 h 0 1,0 0 0 0 0 0 0 0 0 0,03 h 0 0 0 0,7 0 0 0 0,25 0 0,1 0,1 h 0 0 0,4 0,1 1,0 0 1,0 0,1 015 0,1 0,06 h 0 0 0 0 0 0,85 0 0 0,6 0,45 0,1 0,1 0, = 0,3025 0,0375 0,06 0,125 0,195 0,28 3 Aus der bereinigten originären Produktkostenvorgabe in Höhe von 32,80 € ergeben sich damit die folgenden zulässigen Komponentenkosten: z T1 K = 0,3025 ⋅ 32,80 € = 9,922 € z T2 K = 0,0375 ⋅ 32,80 € = 1,23 € z T3 K = 0,06 ⋅ 32,80 € = 1,968 € z T4 K = 0,125 ⋅ 32,80 € = 4,10 € z T5 K = 0,195 ⋅ 32,80 € = 6,396 € z T6 K = 0,28 ⋅ 32,80 € = 9,184 € <?page no="311"?> 294 • Produktorientiertes Kostenmanagement Werden die Funktionenkostenvorgaben aus Beispiel 6.1 herangezogen, ergeben sich die zulässigen Komponentenkosten des Gehäuses wie folgt: ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ z T1 K = 0,25 1,64 € +0,6 3,28 € +0,2 3,28 € +0,15 3,28 € +0,65 3,28 € +0,25 3,28 € +0,35 9,84 € = 9,922 € Für das Steigrohr werden folgende zulässige Komponentenkosten berechnet: ⋅ ⋅ ⋅ z T4 K = 0,7 3,28 € +0,25 3,28 € +0,1 9,84 € = 4,10 € (2) Ermitteln der geschätzten Komponentenkosten In dieser Phase ergibt sich eine Abweichung vom Vorgehen der Planung von Funktionenvorgaben daraus, dass einzelne Komponenten nicht eigengefertigt, sondern von einem Lieferanten bezogen werden. Die Produktkosten der fremdbezogenen Komponenten können nicht unmittelbar durch Entscheidungen in der Entwicklung gestaltet werden, sondern nur mittelbar über die Einflussnahme auf die Lieferanten. Zur Einflussnahme auf die Lieferanten wird ein Verfahren der Lieferantenauswahl vorgeschlagen (vgl. Abschnitt 7.2.2.2), das als Entwicklungswettbewerb oder Forward Sourcing bezeichnet wird (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 144; Dudenhöffer (2002), S. 405 f.). Als geschätzte Komponentenkosten einer fremdbezogenen Komponente wird der Preis herangezogen, den der Lieferant auf der Grundlage von Informationen über die geforderten Merkmale der Komponente und der erwarteten Abnahmemenge anbietet. Die Produktkosten der Komponente, die dem Lieferanten vorgegeben werden, werden mit ihm im vierten Schritt des Prozesses zur Planung der Komponentenkostenvorgaben ausgehandelt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 161). (3) Beurteilen des Kostensenkungsbedarfs Abweichungen vom Vorgehen bei der Planung der Funktionenkostenvorgaben folgen in dieser Phase daraus, dass die Anzahl der Komponenten sehr groß sein kann. Um den Aufwand zu begrenzen , sollten sich die Planung von Komponentenkostenvorgaben und die Wertanalyseaktivitäten auf ausgewählte Komponenten konzentrieren. Als Verfahren zur Auswahl dieser Komponenten werden in der Literatur zwei Verfahren vorgeschlagen: − die ABC-Analyse und − die Value Control Methode. Bei Anwendung der ABC-Analyse werden die Komponenten nach dem vermuteten Kostensenkungspotential in A-, B- und C-Güter gruppiert. Als Indikator für das Kostensenkungspotential wird der Umfang der Veränderungen der Komponente gegenüber dem Vorgängerprodukt herangezogen. Die A-Komponenten sind von Änderun- <?page no="312"?> Kostenorientierte Produktplanung • 295 gen der Funktionalität, der Qualität oder der Technologie des Produktes betroffen und eröffnen damit Spielräume für die Kostengestaltung. Für diese Komponenten werden Komponentenkostenvorgaben geplant. Werden für A-Komponenten mehrere Varianten für verschiedene Produktmodelle entwickelt, werden nur zwei oder drei repräsentative Varianten der Klasse der A-Komponenten zugeordnet. Alle anderen Varianten sind B-Komponenten. Ihre Komponentenkostenvorgaben werden auf der Basis der für die ähnlichsten A-Komponenten geplanten Komponentenkostenvorgaben geschätzt. C-Komponenten werden unverändert in das geplante Produkt übernommen. Für sie werden keine Komponentenkostenvorgaben geplant und keine Kostensenkungsvorschläge erarbeitet (in Anlehnung an Cooper/ Slagmulder (1997), S. 158). Der Value Control Methode liegt die Vorstellung zugrunde, dass Komponenten mit einer hohen relativen Bedeutung für die Kunden grundsätzlich höhere Produktkosten verursachen dürfen als Komponenten mit einer geringen relativen Bedeutung für die Kunden. Danach stimmt der Anteil einer Komponente an der Summe der geschätzten Komponentenkosten im Idealfall mit ihrem Komponentengewicht überein, d. h. ihrer relativen Bedeutung für den Kunden (vgl. Tanaka (1989), S. 60 ff.). Anders als bei der ABC-Analyse werden mit der Value Control Methode nicht Komponenten mit einem hohen Kostensenkungspotential ausgewählt, sondern Komponenten mit einem Wertsteigerungsbedarf. Liegt der Produktkostenanteil der Komponente über ihrem Komponentengewicht, ist dieser Wertsteigerungsbedarf durch eine Kostensenkung zu decken. Im anderen Fall erfordert er eine Verbesserung der Funktionalität oder Qualität. Die Value Control Methode ist ein Verfahren, das die Komponenten, für die Komponentenkostenvorgaben geplant und umgesetzt werden sollen, nach dem Ausmaß des Wertsteigerungsbedarfs auswählt. Als Maß für den Wertsteigerungsbedarf wird der Quotient aus der relativen Bedeutung der Komponente für den Kunden, die durch das Komponentengewicht erfasst wird, und ihrem Anteil an den geschätzten Produktkosten herangezogen (vgl. Fischer/ Schmitz (1994), S. 427 f.). Dieser Quotient ist der Wertindex der Komponente. Der Wertindex einer Komponente ist definiert als Quotient aus ihrem Komponentengewicht und ihrem Anteil an den geschätzten Komponentenkosten des Produktes, d. h. m m g Tm h z k = , mit g g Tm Tm M g Tj j 1 K k K = = ∑ , wobei z m = Wertindex der Komponente m (m = 1, ..., M), gTm k = Anteil der geschätzten Komponentenkosten der Komponente m, h m = Komponentengewicht der Komponente m. <?page no="313"?> 296 • Produktorientiertes Kostenmanagement Gilt für den Wertindex z m = 1, so stimmt der Anteil der Komponente an den geschätzten Komponentenkosten exakt mit ihrem Komponentengewicht überein. Bei einem Wertindex, der kleiner 1 (z m < 1) ist, übersteigt der Kostenanteil das Komponentengewicht. Nach der Idealvorstellung zur Verteilung der Produktkosten auf die Komponenten sind für diese Komponenten Kostensenkungsmaßnahmen zu erarbeiten. Ein Wertindex, der größer 1 (z m > 1) ist, weist darauf hin, dass die Komponente geringere als die nach der Idealvorstellung geforderten Produktkosten verursacht. Für diese Komponenten ist zu prüfen, ob sie nicht zu einfach gestaltet sind, d. h., ob sie überhaupt den Anforderungen der Kunden genügen. Um den Aufwand für die Planung der Komponentenkostenvorgaben und die Wertgestaltungsaktivitäten zu begrenzen, werden mit der Value Control Methode nur Komponenten ausgewählt, deren Wertsteigerungsbedarf eine vorgegebene Toleranzgrenze überschreitet. Da der Schwerpunkt der Wertsteigerungsaktivitäten bei den Komponenten liegen sollte, die für die Kunden eine hohe Bedeutung haben, wird diese Toleranzgrenze so festgelegt, dass die tolerierte Abweichung zwischen Kostenanteil und Komponentengewicht mit steigendem Komponentengewicht abnimmt. Ein Beispiel für die Definition der oberen und unteren Toleranzgrenze, die dieser Anforderung genügt, sind Funktionen der folgenden Struktur (vgl. Tanaka (1989), S. 67): − Obergrenze: 1 2 o 2 2 T k (h q ) = + mit 0 < q < 1. − Untergrenze: 1 2 2 2 u T (h q ) für h q k 0 sonst − > = Diese Funktionen geben für jede Ausprägung des Komponentengewichts das Intervall an, in dem der Anteil an den geschätzten Komponentenkosten liegen muss, damit die Abweichung zwischen Komponentengewicht und Kostenanteil innerhalb des vorgegebenen Toleranzbereichs liegt. Durch den Toleranzparameter q wird die Breite des Toleranzbereichs festgelegt. Der Wert dieses Toleranzparameters sollte umso kleiner gewählt werden, je größer der Kostensenkungsbedarf des geplanten Produktes ist (vgl. Coenenberg/ Fischer/ Schmitz (1994), S. 15). Das Value Control Chart ist ein Koordinatensystem mit dem Anteil der Komponenten an der Summe der geschätzten Komponentenkosten auf der Ordinate und dem Komponentengewicht auf der Abszisse, in das die obere und untere Toleranzgrenze für Abweichungen zwischen diesen beiden Werten eingezeichnet ist. Abb. 6.8 zeigt das Value Control Chart für Beispiel 6.4. Auf der Winkelhalbierenden gilt z = 1, d. h., sie steht für die Idealvorstellung zur Verteilung der bereinigten originären Produktkostenvorgabe auf die Komponenten. Der Bereich um diese Winkelhal- <?page no="314"?> Kostenorientierte Produktplanung • 297 bierende zwischen der oberen und der unteren Toleranzgrenze stellt den vorgegebenen Toleranzbereich dar. In das Value Control Chart werden alle Komponenten entsprechend ihres Anteils an der Summe der geschätzten Komponentenkosten und ihrem Komponentengewicht eingetragen. Für alle Komponenten, die innerhalb des Toleranzbereichs liegen, wird das Niveau der geschätzten Komponentenkosten als Komponentenkostenvorgaben übernommen. Komponentenkostenvorgaben werden nur für Komponenten geplant, die außerhalb des Toleranzbereichs liegen. Für Komponenten oberhalb der Obergrenze des Toleranzbereichs gilt für den Wertindex z < 1, so dass Vorschläge für Kostensenkungsmaßnahmen zu erarbeiten sind. Komponenten, die unterhalb der Untergrenze des Toleranzbereichs liegen, sind darauf hin zu analysieren, ob sie den Anforderungen der Kunden genügen. Für diese Komponenten sind gegebenenfalls Maßnahmen zur Steigerung von Funktionalität oder Qualität zu erarbeiten (vgl. Coenenberg/ Fischer/ Schmitz (1994), S. 13 ff.). Beispiel 6.4: Value Control Chart Die Summe der geschätzten Komponentenkosten der Kaffeemaschine aus Beispiel 6.3 beträgt 35,60 €. Weiterhin liegen folgende Werte vor: Komponente Daten 1 2 3 4 5 6 Geschätzte Komponentenkosten (in €) 8,00 3,40 2,10 3,80 4,10 14,20 Komponentengewicht (vgl. Beispiel 6.3) 0,3025 0,0375 0,06 0,125 0,195 0,28 Kostenanteil 0,2247 0,0955 0,059 0,1067 0,1152 0,3999 Wertindex 1,3462 0,3927 1,0169 1,1715 1,6927 0,7002 Für q = 0,1 ergeben sich folgende Toleranzgrenzen, die den Kostenanteilen aus der oberen Matrix gegenüberzustellen sind: Komponente Daten 1 2 3 4 5 6 Obergrenze 0,3186 0,1068 0,1166 0,1601 0,2191 0,2973 Untergrenze 0,2855 0 0 0,075 0,1674 0,2615 Maßnahmen Überprüfung der Funktionserfüllung − − − Überprüfung der Funktionserfüllung Kostensenkung <?page no="315"?> 298 • Produktorientiertes Kostenmanagement Abb. 6.8: Value Control Chart (4) Bestimmen der Komponentenkostenvorgabe In diesem vierten Schritt werden für alle Komponenten, die außerhalb des Toleranzbereichs liegen, Komponentenkostenvorgaben festgelegt. Hierzu werden in den Entwicklungsteams durch die Erarbeitung und Auswertung von Wertanalyse-Projekten und die Auswertung bereits durchgeführter Wertanalyse-Projekte zunächst vorläufige Komponentenkostenvorgaben bestimmt. Um das Erreichen der Funktionenkostenvorgaben sicherzustellen, werden die vorläufigen Komponentenkostenvorgaben für die Baugruppen und Bauteile, die eigengefertigt werden, und die von den Lieferanten angebotenen Preise der zu beschaffenden Komponenten zusammengeführt. Treten Abweichungen von den Funktionenkostenvorgaben auf, werden die vorläufigen Komponentenkostenvorgaben in Verhandlungen mit den Entwicklungsteams im Konsens korrigiert (vgl. Monden (1999), S. 163). Werden während des Entwerfens und Ausarbeitens Ideen entwickelt, die eine bessere Umsetzung von Kundenanforderungen bewirken oder zu einer Überschreitung der Funktionenkosten führen, ist es die Aufgabe des Produktmanagers, gegenüber anderen Entwicklungsteams Kostensenkungen durchzusetzen, so dass die originären Produktkostenvorgaben eingehalten werden können (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 151 ff.). 0,1 0,2 0,3 0,4 0,3 0,4 h 0,2 0,1 z=1 Obergrenze des Toleranzbereiches Kosten senken Untergrenze des Toleranzbereiches Komponente 6 Komponente 1 Funktionserfüllung überprüfen Komponente 5 Komponente 3 Komponente 2 Komponente 4 g T k <?page no="316"?> Kostenorientierte Produktplanung • 299 6.2.4 Instrumente der kostenorientierten Produktplanung 6.2.4.1 QFD zur Planung der Funktionalität und Qualität Das Quality Function Deployment (QFD) ist ein Instrument des Qualitätsmanagements , um Produkte und Produktionsprozesse bereits während der Entstehungsphase im Produktlebenszyklus an den Bedürfnissen des Kunden auszurichten. Das Quality Function Deployment (QFD) ist eine strukturierte Methode zur Planung operationaler Merkmale eines Produktes, seiner Komponenten, der zugehörigen Produktionsprozesse sowie der Prüf-, Verfahrens- und Arbeitsanweisungen während der Entstehungsphase des Produktes mit dem Ziel, die Bedürfnisse des Kunden bestmöglichst zu erfüllen. Erreicht wird dieses Ziel, indem die Bedürfnisse des Kunden in Merkmale des Produktes übertragen werden, um daraus technische Spezifikationen der Komponenten herzuleiten. Diese werden anschließend in Anforderungen an die zugehörigen Produktionsprozesse übersetzt, die schließlich in Prüf-, Verfahrens- und Arbeitsanweisungen transformiert werden. Das Quality Function Deployment besteht aus den folgenden vier Phasen (vgl. Cohen (1995), S. 15, 311 ff.): − dem produktbezogenen QFD, − dem komponentenbezogenen QFD, − dem prozessbezogenen QFD sowie − dem verfahrens- und prüfbezogenen QFD. Durch das produktbezogene QFD werden in der Produktkonzeptplanung die Bedürfnisse des Kunden in Produktmerkmale übertragen, die anschließend hinsichtlich ihrer relativen Bedeutung für die Kunden bewertet werden. Im Prozess der kostenorientierten Produktplanung können mit dem produktbezogenen QFD die Funktionen des Produktes und ihre relative Bedeutung für die Kunden zur Planung der Funktionenkostenvorgaben bestimmt werden. Das produktbezogene QFD vollzieht sich in zehn Schritten, deren Ergebnisse im House of Quality dokumentiert werden. Das House of Quality fasst die Ergebnisse eines produktbezogenen Quality Function Deployment in folgenden Tabellen und Teilmatrizen zusammen (vgl. Cohen (1995), S. 11 ff.): − der Tabelle der Kundenbedürfnisse, − der Planungsmatrix, − der Tabelle der Produktmerkmale, − der Bewertungsmatrix, − der Matrix der technischen Beziehungen sowie − der technischen Matrix. <?page no="317"?> 300 • Produktorientiertes Kostenmanagement Die Tabelle der Kundenbedürfnisse gibt die kundenbezogenen Funktionen und ihre relative Bedeutung für die Kunden wieder. Die Planungsmatrix enthält zu jeder einzelnen kundenbezogenen Funktion verschiedene Informationen, die bei den Kunden erhoben worden sind, sowie Vorgaben aus dem strategischen Plan der Unternehmung. Die Tabelle der Produktmerkmale zeigt, wie die kundenbezogenen Funktionen technisch umgesetzt werden sollen. Die Bewertungsmatrix enthält die Bewertung des Beitrags der Produktmerkmale zur Erfüllung jeder einzelnen kundenbezogenen Funktion. Die Produktmerkmale bilden die Spalten- und die Zeileneingänge der Matrix der technischen Beziehungen . Diese Matrix informiert über die Auswirkungen jedes einzelnen Produktmerkmals auf die Umsetzung jedes anderen Produktmerkmals. Die technische Matrix enthält Informationen zu den Produktmerkmalen, die realisiert werden sollen. Abb. 6.9 zeigt die Struktur des House of Quality. Abb. 6.9: Struktur des House of Quality Die zehn Schritte des produktbezogenen Quality Function Deployment sind (in Anlehnung an Schröder/ Zenz (1996), Sp. 1699 ff.): − Schritt 1: Erfassen der Kundenbedürfnisse − Schritt 2: Bewerten der kundenbezogenen Funktionen − Schritt 3: Ermitteln und ordnen der Produktmerkmale − Schritt 4: Identifizieren der Beziehungen zwischen den Produktmerkmalen − Schritt 5: Festlegen der Optimierungsrichtung für die Produktmerkmale − Schritt 6: Analyse der Beziehungen zwischen den kundenbezogenen Funktionen und den Produktmerkmalen Technische Matrix Bewertungsmatrix Matrix der technischen Beziehungen Tabelle der Produktmerkmale Tabelle der Kundenbedürfnisse Planungsmatrix <?page no="318"?> Kostenorientierte Produktplanung • 301 − Schritt 7: Ermitteln der Bedeutung der Produktmerkmale für die Kundenzufriedenheit − Schritt 8: Technische Beurteilung der Konkurrenzprodukte − Schritt 9: Ermitteln der technischen Schwierigkeiten − Schritt 10: Festlegen der Zielwerte für die Produktmerkmale (1) Erfassen der Kundenbedürfnisse Aufgabe des ersten Schrittes des produktbezogenen Quality Function Deployment ist die vollständige, überschneidungsfreie und unverfälschte Erfassung der Kundenbedürfnisse. Er umfasst die folgenden Teilschritte (vgl. Cohen (1995), S. 76 ff.): − Teilschritt 1.1: Identifizieren der Schlüsselkunden − Teilschritt 1.2: Sammeln von Kundenanforderungen durch • freie Interviews und • Auswerten von Beschwerden − Teilschritt 1.3: Klassifizieren und ergänzen der erfassten Kundenbedürfnisse − Teilschritt 1.4: Strukturieren der identifizierten Kundenbedürfnisse Kunden äußern ihre Anforderungen an das Produkt, ohne explizit auf die Bedürfnisse einzugehen, die das Produkt befriedigen soll. Ihre Äußerungen können neben Bedürfnissen auch technische Merkmale, Wirkungen, Zuverlässigkeitsmerkmale und bestimmte Leistungen betreffen. Deshalb werden die Kundenanforderungen in Teilschritt 1.3 zunächst nach den verschiedenen Perspektiven klassifiziert. In Teilschritt 1.4 werden die Kundenanforderungen in einem Affinitätsdiagramm (vgl. Abschnitt 4.3.3.1) geordnet und ergänzt. Zweck dieser Analyse ist es, Ähnlichkeiten zwischen den gesammelten Kundenanforderungen zu erkennen und auf dieser Grundlage die zugrunde liegenden Bedürfnisse der Kunden aufdecken zu können. Aus den gesammelten Anforderungen soll eine vollständige Liste der Bedürfnisse der Kunden generiert werden. Ergebnis dieses ersten Schrittes ist die Tabelle der Kundenbedürfnisse, in der nach dem Detaillierungsgrad zwischen den primären, den sekundären und den tertiären Kundenbedürfnissen unterschieden wird. Nur die tertiären Kundenbedürfnisse bilden als kundenbezogene Funktionen den Gegenstand der nachfolgenden Schritte des produktbezogenen QFD. Abb. 6.10 zeigt die Tabelle Kundenbedürfnisse am Beispiel einer Kaffeemaschine. (2) Bewerten der kundenbezogenen Funktionen Zweck der Bewertung in diesem zweiten Schritt ist es, die kundenbezogenen Funktionen zu bestimmen, die Schwerpunkte der Produktplanung bilden sollten. Hierzu werden folgende Teilschritte ausgeführt (in Anlehnung an Cohen (1995), S. 92 ff.): − Teilschritt 2.1: Messen der relativen Bedeutung jeder kundenbezogenen Funktion für den Kunden <?page no="319"?> 302 • Produktorientiertes Kostenmanagement − Teilschritt 2.2: Vergleich mit den Konkurrenzprodukten aus Kundensicht − Teilschritt 2.3: Festlegen der Zielwerte und des Verbesserungsgrades − Teilschritt 2.4: Beurteilen der Absatzwirkungen − Teilschritt 2.5: Berechnen der Gewichtungsfaktoren Primäre Bedürfnisse Sekundäre Bedürfnisse Tertiäre Bedürfnisse bzw. kundenbezogene Funktionen Aromatischer Kaffee Heißer Kaffee Schnelle Zubereitung Wirksamkeit Kaffeemenge variierbar Platzsparendes Aufstellen Aussehen Eignet sich zum Servieren Einfaches Zuführen des Kaffeemehls Einfaches Zuführen des Wassers Einfaches Zuführen des Filters Einfaches Reinigen Kein Spritzen Einfach im Gebrauch Kein Tropfen nach Kannenentnahme Kein Verbrennen der Finger Keine Brandgefahr Kaffee Sicherheit Kein Stromschlag Abb. 6.10: Tabelle der Kundenbedürfnisse am Beispiel einer Kaffeemaschine Im ersten Teilschritt ist eine Kundenbefragung zur Erfassung der relativen Bedeutung jeder der im ersten Schritt identifizierten kundenbezogenen Funktionen durchzuführen. Für diese Aufgabe eignen sich die Conjoint-Analyse und das AHP-Verfahren (vgl. Schröder/ Zenz (1996), Sp. 1699 f.). Im zweiten Teilschritt wird analysiert, inwieweit das aktuell angebotene Produkt (Vorgängerprodukt) der Unternehmung und die Konkurrenzprodukte die erfassten kundenbezogenen Funktionen erfüllen. Für diese Bewertung der Produkte aus Kundensicht hat sich eine Bewertungsskala mit fünf Stufen durchgesetzt. Der Vergleich der beiden Bewertungen deckt die Stärken und Schwächen des Vorgängerproduktes auf. Unter Abwägung ihrer relativen Bedeutung und den Ergebnissen des Konkurrenzvergleichs wird im dritten Teilschritt für jede einzelne kundenbezogene Funktion ein Zielwert festgelegt. Als Maßstab wird wieder die fünfstufige Bewertungsskala herangezogen. Um die Aufmerksamkeit auf die kundenbezogene Funktion mit einem hohen Verbesserungsbedarf zu lenken, wird der Verbesserungsgrad berechnet. Der Verbesserungsgrad v j einer kundenbezogenen Funktion j ist definiert als Quotient oder Differenz aus ihrem Zielwert und dem beim Vorgängerprodukt erreichten Zielwert dieser Funktion. Für die kundenbezogene Funktion „Aromatischer Kaffee“ in Abb. 6.11 ergibt sich beispielsweise ein Verbesserungsgrad von v = 4/ 3 = 1,33. <?page no="320"?> Kostenorientierte Produktplanung • 303 Konkurrenzvergleich aus Kundensicht Schlecht Gut Kundenbezogene Funktionen (Tertiäre Kundenbedürfnisse) Relative Bedeutung w j 1 2 3 4 5 Zielwerte z j Verbesserungsgrad v j Absatzwirkung a j Gesamtgewicht γ j in % Aromatischer Kaffee 85 4 1,33 1,5 8,5 Heißer Kaffee 82 4 1,0 1,0 4,1 Schnelle Zubereitung 80 4 1,33 1,5 8,0 Kaffeestärke variierbar 40 5 2,5 1,2 6,0 Platzsparendes Aufstellen 75 4 1,0 1,2 4,5 Eignet sich zum Servieren 70 2 2,0 1,2 8,4 Einfaches Zuführen des Kaffeemehls 62 5 1,25 1,0 3,9 Einfaches Zuführen des Wassers 65 4 1,0 1,2 3,9 Einfaches Zuführen des Filters 66 3 1,0 1,2 4,0 Einfaches Reinigen 78 4 2,0 1,5 11,7 Kein Spritzen 81 5 2,5 1,0 10,1 Kein Tropfen nach Kannenentnahme 76 4 1,0 1,0 3,8 Kein Verbrennen der Finger 76 5 1,25 1,2 5,7 Keine Brandgefahr 82 5 2,5 1,0 10,2 Kein Stromschlag 83 3 1,5 1,2 7,5 Eigenes Produkt Produkt des Wettbewerbers Abb. 6.11: Planungsmatrix im House of Quality am Beispiel einer Kaffeemaschine Einen Schwerpunkt der Produktplanung wird eine kundenbezogene Funktion mit einem hohen Wert beim Verbesserungsgrad nur dann bilden, wenn sich eine Verbesserung positiv auf den Absatz auswirken wird. Teilschritt 2.4 sieht deshalb eine Beurteilung der Absatzwirkungen von Verbesserungen bei den kundenbezogenen Funktion vor. Für diese Bewertung werden folgende Werte verwendet: 1: Keine Absatzwirkung; 1,2: Mittlere Absatzwirkung und 1,5: Starke Absatzwirkung. Abschließend werden in Teilschritt 2.5 alle Bewertungen zu den Gewichtungsfaktoren der kundenbezogenen Funktionen zusammengeführt. Sie werden anschließend in die Planungsmatrix des House of Quality übernommen (vgl. Abb. 6.11). Der Gewichtungsfaktor γ j einer kundenbezogenen Funktion j (j = 1, ..., J) bringt ihre Bedeutung für die Unternehmung zum Ausdruck. Ermittelt wird er wie folgt: j j j j J m m m m 1 w v a w v a = ⋅ ⋅ γ = ⋅ ⋅ ∑ für j = 1, ..., J, wobei w j = relative Bedeutung der kundenbezogenen Funktion j für den Kunden, <?page no="321"?> 304 • Produktorientiertes Kostenmanagement v j = Verbesserungsgrad der kundenbezogenen Funktion j, a j = Absatzwirkung der kundenbezogenen Funktion j. Beispiel 6.5: Berechnung der Gewichtungsfaktoren Für die kundenbezogene Funktion „Aromatischer Kaffee“ ergibt sich der Gewichtungsfaktor wie folgt: ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ … 85 1,33 1,5 169,575 γ = 100 = 100 = 8,45% 85 1,33 1,5 + + 83 1,5 1,2 2.004,775 . (3) Ermitteln und ordnen der Produktmerkmale In diesem Schritt werden die kundenbezogenen Funktionen in Produktmerkmale übertragen. In einem Prozess, der von den Beteiligten ein hohes Maß an Kreativität verlangt, sollen Produktmerkmale gefunden werden, durch welche die kundenbezogenen Funktionen vollständig erfüllt werden. Die Produktmerkmale sollen operational, überschneidungsfrei und lösungsneutral formuliert sein. Im House of Quality finden sie sich in der Tabelle der Produktmerkmale , die über der Bewertungsmatrix platziert ist. Als Dimension der Produktmerkmale können Leistungen, produktbezogene Funktionen oder Komponenten verwendet werden. Leistungen sind lösungsneutral. Sie eignen sich deshalb insbesondere dann als Dimension der Produktmerkmale, wenn ein Produkt mit einem hohen Innovationsgrad entwickelt werden soll. Ist die Leistung des geplanten Produktes definiert, ist in einem weiteren Teilschritt zu entscheiden, wie sie zu erbringen ist. Das erfordert die Übertragung der geplanten Leistung in produktbezogene Funktionen . Wird kein hoher Innovationsgrad angestrebt, können die produktbezogenen Funktionen auch unmittelbar aus den kundenbezogenen Funktionen hergeleitet werden (vgl. Cohen (1995), S. 127 ff.). (4) Identifizieren der Beziehungen zwischen den Produktmerkmalen In diesem Schritt wird untersucht, welchen Einfluss die Verbesserung jedes einzelnen Produktmerkmals auf jedes andere Produktmerkmal hat. Angegeben wird die Art und die Stärke der Wirkung. Unterschieden wird zwischen konfliktären und komplementären Wirkungen einerseits und starken und schwachen Beziehungen andererseits. Zusätzlich kann auch angegeben werden, ob es sich um wechselseitige oder einseitige Beziehungen handelt. Bei einseitigen Beziehungen wird zusätzlich die Wirkungsrichtung genannt. Konfliktäre Beziehungen weisen auf Probleme bei der Konstruktion hin, die durch den Austausch eines Produktmerkmals oder die Zusammenarbeit der zuständigen Projektteams während der Konstruktion gelöst werden müssen (vgl. Schröder/ Zenz (1996), Sp. 1702 f.). Zweck dieses Schrittes ist es, die nicht realisierbaren <?page no="322"?> Kostenorientierte Produktplanung • 305 Produktmerkmale zu erkennen und festzustellen, welche Entwicklungsteams zusammenarbeiten sollten. Wasser speichern Wasserstand anzeigen Wasser filtern Wasser erhitzen Brühvorgang verschließen Bitterstoffe zurückhalten Kaffee warm halten Kaffeesatz geschlossen entnehmbar Filterträger entnehmbar Betriebszustand signalisieren Filterverschluss bei Kanneentnahme Überhitzen verhindern Oberfläche Kabel verstauen Beziehungen zwischen den Produktmerkmalen: Stark positiv; positiv; × negativ; # stark negativ; Optimierungsrichtung: mehr ist besser; weniger ist besser; der Zielwert ist zu erreichen Abb. 6.12: Tabelle der Produktmerkmale und Matrix der technischen Beziehungen im House of Quality am Beispiel einer Kaffeemaschine (5) Festlegen der Optimierungsrichtung für die Produktmerkmale Im fünften Schritt wird die Richtung einer Veränderung der Produktmerkmale festgelegt, um eine Verbesserung des geplanten Produktes zu erreichen. In diesem Zusammenhang werden Extrem-, Bereichs- und Punktmerkmale unterschieden. Extremmerkmale sollen maximiert bzw. minimiert werden. Bei Bereichsmerkmalen soll ein vorgegebenes Intervall eingehalten und bei Punktmerkmalen eine vorgegebene Ausprägung erreicht werden. Die Ergebnisse der Schritte 4 und 5 werden in die Matrix der technischen Beziehungen des House of Quality übernommen. Abb. 6.12 zeigt diese Matrix für das Beispiel einer Kaffeemaschine. (6) Analyse der Beziehungen zwischen den kundenbezogenen Funktionen und den Produktmerkmalen Der sechste Schritt hat die Analyse und Bewertung der Beziehungen zwischen den Produktmerkmalen und den kundenbezogenen Funktionen zum Inhalt. Untersucht × × # × # # # <?page no="323"?> 306 • Produktorientiertes Kostenmanagement wird, welchen Einfluss jedes Produktmerkmal auf die Erfüllung jeder einzelnen kundenbezogenen Funktion hat. Es werden die in Abb. 6.13 genannten Arten von Wirkungsbeziehungen unterschieden, die in der Beziehungsmatrix des House of Quality mit verschiedenen Symbolen beschrieben werden und jeweils mit einem Punktwert versehen sind (vgl. Abb. 6.14). Grundlage für die Analyse der Beziehungen können Erfahrungen, Kundenbefragungen, die Auswertung von Daten der Vorgängerprodukte oder Versuche sein (vgl. Hauser/ Clausing (1988), S. 67). Behindert die Verbesserung bei einem Produktmerkmal die Erfüllung einer kundenbezogenen Funktion, ist für das betreffende Produktmerkmal eine Alternative zu suchen, von der keine negativen Wirkungen auf die kundenbezogenen Funktionen ausgehen. Art der Wirkungsbeziehung Symbol im House of Quality Punktewert Keine Beziehung 0 Unsichere Beziehung 1 Schwache Beziehung 3 Starke Beziehung 9 Abb. 6.13: Symbole in der Beziehungsmatrix und ihr Punktwert (7) Ermitteln der Bedeutung der Produktmerkmale Aus den Gewichtungsfaktoren für die kundenbezogenen Funktionen und der Bewertung der Beziehungen zwischen den Produktmerkmalen und den kundenbezogenen Funktionen werden die Gewichtungsfaktoren der Bedeutung der Produktmerkmale für die Kundenzufriedenheit wie folgt ermittelt: J j jn j 1 n N J j jm m 1 j 1 p g p = = = γ ⋅ = γ ⋅ ∑ ∑ ∑ für n = 1, ..., N, mit g n = Gewichtungsfaktor des Produktmerkmals n (n = 1, ..., N), γ j = Gewichtungsfaktor der kundenbezogenen Funktion j (j = 1, ..., J), p jn = Punktwert für die Beziehung zwischen dem Produktmerkmal n und der kundenbezogenen Funktion j. Diese Gewichtungsfaktoren können bei der Planung der Funktionenkostenvorgaben als Funktionengewichte für die Berechnung der zulässigen Funktionenkosten verwendet werden (vgl. Hauser/ Clausing (1988), S. 67 f.). Eingetragen werden die Gewichtungsfaktoren in die letzte Zeile der technischen Matrix im House of Quality (vgl. Abb. 6.14). <?page no="324"?> Kostenorientierte Produktplanung • 307 Produktmerkmale Kundenbezogene Funktionen Wasser speichern Wasserstand anzeigen Wasser filtern Wasser erhitzen Brühvorgang verschließen Bitterstoffe zurückhalten Kaffee warm halten Kaffeesatz geschlossen entnehmbar Filterträger entnehmbar Signal für Betriebszustand Filterverschluss bei Kannenentnahme Überhitzen verhindern Oberfläche Kabel verstauen Aromatischer Kaffee Heißer Kaffee Schnelle Zubereitung Kaffeemenge variierbar Platzsparendes Aufstellen Eignet sich zum Servieren Einfaches Zuführen des Kaffeemehls Einfaches Zuführen des Wassers Einfaches Zuführen des Filters Einfaches Reinigen Kein Spritzen Kein Tropfen bei Kannenentnahme Kein Verbrennen Keine Brandgefahr Kein Stromschlag Schwierigkeitsgrad 1 2 5 2 3 5 3 2 3 2 4 4 2 2 Zielwerte 8 Tassen Gut sichtbar Härtegrad 1 1250 Watt Spritzdicht Bitterstoffgehalt 50 % 4 Stunden Kein Kaffeesatz in der Maschine Einfache Handhabung Sichtweite 6 m Automatisch Automatisch Einfarbig 1 m Gut Eigenes Produkt Produkt des Wettbewerbers Schlecht 42 151 77 185 172 77 37 141 47 69 46 92 76 41 Relative Bedeutung für den Kunden 3,3 12,0 6,1 14,8 13,7 6,1 3,0 11,3 3,7 5,5 3,7 7,3 6,0 3,2 Abb. 6.14: Beziehungsmatrix und technische Matrix im House of Quality Beispiel 6.6: Berechnung des Gewichtungsfaktors g n Für das Produktmerkmal „Wasserstand anzeigen“ ergibt sich der folgende Gewichtungsfaktor, wobei die Gewichtungsfaktoren für die kundenbezogenen Funktionen der Abb. 6.11 entnommen sind: <?page no="325"?> 308 • Produktorientiertes Kostenmanagement ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ … 3 8,5 + 9 8,0 + 3 6,0 + 9 3,9 150,6 γ = 100 = 100 = 12,0 % (3 8,0 + 3 6,0)+ +(9 4,5) 1.250,3 (8) Technische Beurteilung der Konkurrenzprodukte Im achten Schritt werden die Ausprägungen der Produktmerkmale des geplanten Produktes und der verschiedenen Konkurrenzprodukte bewertet. Werden die Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus dem kundenbezogenen Vergleich des geplanten Produktes mit dem des Konkurrenten im Schritt 2 gegenübergestellt, können Hinweise darüber gewonnen werden, ob die kundenbezogenen Funktionen bei der Ermittlung der Produktmerkmale angemessen berücksichtigt worden sind. Dies ist nicht der Fall, wenn das Produkt aus technischer Sicht deutlich besser oder schlechter als aus Kundensicht beurteilt wird (vgl. Pfeifer (2001), S. 318 f.). In Abb. 6.14 findet sich dieser Vergleich in der dritten Zeile der technischen Matrix. (9) Ermitteln der technischen Schwierigkeiten In diesem Schritt werden die Schwierigkeiten, die bei der Realisation jedes einzelnen Produktmerkmals beim Stand der Entwicklung und der zur Verfügung stehenden Technologien zu erwarten sind, mit Punktwerten von 1 (einfach) bis 5 (schwierig) bewertet. Diese Werte werden in die erste Zeile der technischen Matrix eingetragen (vgl. Abb. 6.14). Die Bewertung ist den Gewichtungsfaktoren für die relative Bedeutung der Produktmerkmale gegenüberzustellen. Produktmerkmale, die eine geringe Bedeutung haben, aber nur mit erheblichen Schwierigkeiten verbessert werden können, sollten durch einfacher zu realisierende Produktmerkmale ersetzt werden (vgl. Pfeifer (2001), S. 318). (10) Festlegen der Zielwerte für die Produktmerkmale Für jedes Produktmerkmal wird im zehnten Schritt ein Zielwert festgelegt. Hierzu werden die technischen Produktmerkmale zunächst den Kategorien des Kano Modells zugeordnet. Das Kano-Modell unterscheidet drei Kategorien produktbezogener Funktionen: − die Basismerkmale, − die Begeisterungsmerkmale und − die Leistungsmerkmale. Basismerkmale des Produktes decken die grundlegenden Bedürfnisse des Kunden ab, d. h., sie werden vom Kunden als selbstverständlich angesehen. Sie sind deshalb nicht geeignet, die Kundenzufriedenheit zu steigern. Das Fehlen dieser Merkmale führt jedoch zur Unzufriedenheit der Kunden. Als Beispiel können die durch gesetzliche Sicherheitsbestimmung geforderten Merkmale bei einem Fahrzeug genannt werden. Begeisterungsmerkmale befriedigen verborgene Kundenbedürfnisse. Die Befriedigung <?page no="326"?> Kostenorientierte Produktplanung • 309 dieser Bedürfnisse hält der Kunde entweder für technisch nicht machbar oder für unbedeutend (vgl. Cohen (1995), S. 258 ff.) und wird von ihm deshalb auch nicht erwartet. Das Fehlen eines Begeisterungsmerkmals wird vom Kunden deshalb nicht bemerkt. Sind sie dagegen vorhanden, lösen sie beim Kunden Begeisterung aus. Das Service Center, das beim Auto die Kontrolle und das Nachfüllen von Öl und Wasser für die Scheibenwaschanlage ohne Öffnen der Motorhaube in bequemer und sauberer Weise erlaubt, ist ein solches Begeisterungsmerkmal. Leistungsmerkmale befriedigen geäußerte Kundenbedürfnisse und werden vom Kunden gewünscht. Mit jeder Verbesserung bei diesen Merkmalen kann die Kundenzufriedenheit erhöht werden. Der Kraftstoffverbrauch eines Autos ist ein solches Leistungsmerkmal (vgl. Cohen (1995), S. 36 ff.). Für die Produktmerkmale in der Gruppe der Basismerkmale sind die Zielwerte durch die Erwartungen der Kunden vorgegeben. Die Zielwerte der Begeisterungsmerkmale werden unter Abwägung der relativen Bedeutung für die Kunden und der bei der Realisation zu erwartenden Schwierigkeiten festgelegt. Bei der Zielbildung für die Leistungsmerkmale sind neben der Bedeutung und der Schwierigkeit auch die Ausprägungen des jeweiligen Produktmerkmals beim Konkurrenzprodukt zu berücksichtigen (vgl. Cohen (1995), S. 36 ff., 168). Einzelne Produktmerkmale können Zielwerte aufweisen, die unterhalb der Ausprägungen bei den Konkurrenzprodukten liegen. Insgesamt müssen die Zielwerte der Produktmerkmale jedoch so festgelegt werden, dass das geplante Produkt die Kundenbedürfnisse besser erfüllt als die Konkurrenzprodukte. Die Ergebnisse dieses Schrittes werden in der zweiten Zeile der technischen Matrix dokumentiert (vgl. Abb. 6.14). 6.2.4.2 Instrumente der kostenorientierten Konstruktion Soll ein Konstruktionsprozess kostenorientiert vollzogen werden, verlangt das − die Erarbeitung von Kostensenkungsvorschlägen sowie − die Ermittlung der Kostenwirkungen aller Alternativen der Entscheidung über die Produktmerkmale. Zur Unterstützung dieser Aufgaben können die in Abb. 6.15 genannten Instrumente eingesetzt werden. Erarbeitung von Kostensenkungsvorschlägen Ermittlung der Kostenwirkungen von Konstruktionsalternativen − Wertanalyse (vgl. Abschnitt 6.4) − Reverse Engineering − Kostentabellen − Relativkostenkataloge − Grenzstückzahlen − Kostenorientierte Konstruktionsrichtlinien Abb. 6.15: Instrumente der kostenorientierten Konstruktion <?page no="327"?> 310 • Produktorientiertes Kostenmanagement (1) Reverse Engineering Das Reverse Engineering ist das Zerlegen eines Produktes in seine Bestandteile und die detaillierte Analyse seiner Materialien, Komponenten und Funktionen, der Oberflächen und des Zusammenwirkens seiner Komponenten sowie seiner Herstellungs- und Montageprozesse (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 340). Das Reverse Engineering dient verschiedenen Funktionen und kann in allen Phasen der kostenorientierten Produktplanung zum Einsatz gelangen. Als Funktionen des Reverse Engineering werden genannt (vgl. Richardson (1988), S. 175): − die Zielsetzungsfunktion, − die Erkenntnisfunktion sowie − die Prognosefunktion. Die Zielsetzungsfunktion des Reverse Engineering besteht in der Identifikation von Leistungslücken im Vergleich zu den Wettbewerbern. Mit den Informationen über diese Leistungslücken können die Produktplanung, die Planung der Produktkostenvorgaben sowie die langfristige Fertigungsvorbereitung unterstützt werden. Die Suche nach kostengünstigen oder innovativen Lösungen für die Erfüllung von Funktionen oder die Gestaltung einzelner Komponenten bilden den Gegenstand der Erkenntnisfunktion . Die Prognosefunktion hat die Gewinnung von Informationen zur Beurteilung der Realisierbarkeit von Produktkostenvorgaben zum Inhalt, die für die Ermittlung der minimalen Produkt- und Funktionenkosten erforderlich sind. Das Reverse Engineering vollzieht sich in den beiden folgenden Phasen : − Zerlegung des Objektes und − Analyse seiner Teile. Das Objekt wird schrittweise in immer kleinere Baugruppen zerlegt , bis die Ebene der Einzelteile erreicht ist. Die Merkmale der sich ergebenden Komponenten werden bei jedem dieser Schritte erfasst und detailliert dokumentiert. Für die Analyse werden neben dieser Dokumentation weitere Informationen über den jeweiligen Wettbewerber benötigt, z. B. Informationen über seine Produktion, Maschinenausstattung, Organisation, Produktionsmengen und Lieferanten. Träger des Reverse Engineering sind multidisziplinär zusammengesetzte Teams mit Mitgliedern aus der Produkt- und Prozessentwicklung, der Produktion, der Beschaffung und der Kostenrechnung (vgl. Aalbregtse (1993), S. D2-9 f.). Objekte des Reverse Engineering können die Produkte ausgewählter Wettbewerber oder Produkte der Unternehmung sein. Nach diesen Objekten werden − das wettbewerberorientierte und − das interne Reverse Engineering <?page no="328"?> Kostenorientierte Produktplanung • 311 unterschieden. Das wettbewerberorientierte Reverse Engineering analysiert die Produkte der Wettbewerber, um Kostensenkungspotentiale zu identifizieren und Kostensenkungsideen für einzelne Produkte zu generieren. Funktion des internen Reverse Engineering ist das Generieren von Ideen zur Reduktion der Komplexität des Produktionsprogramms der Unternehmung. Es umfasst die Zerlegung von Produkten der Unternehmung und den Vergleich ihrer Komponenten. In der Unternehmungspraxis haben sich mehrere Methoden des Reverse Engineering herausgebildet, mit denen verschiedene Ziele verfolgt werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 241 ff.). 6.16 gibt einen Überblick über diese Methoden. Methoden des wettbewerberorientierten Reverse Engineering Methoden des internen Reverse Engineering − Statisches Teardown − Dynamisches Teardown − Kosten-Teardown − Material-Teardown − Prozess-Teardown − Matrix-Teardown 1 − Stückgewicht-Teardown − Gruppenschätzung 1 Instrument des Potential-Kaizen in der Marktphase der Produkte (vgl. Abschnitt 7.2.1.4) Abb. 6.16: Methoden des Reverse Engineering Das statische Teardown ist die Basismethode des Reverse Engineering. Es sieht lediglich die Zerlegung der Konkurrenzprodukte in ihre Einzelteile vor. Mit dieser Methoden soll dem mit der Produktplanung betrauten Projektteam die Gelegenheit gegeben werden, die Unterschiede zwischen den eigenen Produkten und den Konkurrenzprodukten zu erkennen. Beim dynamischen Teardown werden die Konkurrenzprodukte zerlegt, um Montageprozesse nachvollziehen zu können. Ziel dieser Analyse ist es, die Anzahl der erforderlichen Montageoperationen zu reduzieren und die Ausführungszeiten der einzelnen Vorgänge zu verkürzen. Das Kosten-Teardown unterstützt die Identifikation von Komponenten mit Kostensenkungspotentialen. Es sieht einen Vergleich der Produktkosten der Komponenten des geplanten Produktes mit denen der Konkurrenzprodukte vor sowie eine Analyse festgestellter Kostenunterschiede. Gegenstand des Material-Teardown ist die Suche nach kostengünstigeren Alternativen für die Gestaltung der Komponenten eines Produktes durch den Vergleich mit den Materialen und Oberflächen der Komponenten von Produkten der Wettbewerber (vgl. Cooper (1995), S. 178). Das Prozess-Teardown besteht aus einem Vergleich der Produktionsprozesse ähnlicher Komponenten der Produkte im Produktionsprogramm der Unternehmung, um fertigungstechnische Unterschiede zwischen den Produkten und ihren Varianten zu reduzieren. Das langfristige Ziel dieser Methode ist es, die verschiedenen Produkte, Produktvarianten oder Komponenten auf denselben Produktionslinien herstellen zu können. Das Stückgewicht-Teardown dient der Identifikation von Kostensenkungs- <?page no="329"?> 312 • Produktorientiertes Kostenmanagement potentialen. Bei dieser Methode werden die Komponenten, die nach ähnlichen Verfahren gefertigt werden, jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst. Anschließend werden für die Komponenten einer Gruppe die Kosten pro Kilogramm berechnet, um die Komponenten zu bestimmen, deren Kosten pro Kilogramm den Durchschnitt in der Gruppe deutlich übersteigen. Für diese werden die Ursachen der Abweichungen analysiert und Vorschläge für die Senkung der Kosten erarbeitet. Die Methode der Gruppenschätzung fasst die Komponenten mit ähnlichen Funktionen zu Gruppen zusammen. In einer Unternehmung der Autoindustrie wurde beispielsweise aus dem Kühlwasserbehälter und dem Tank für die Scheibenwaschanlagen die Gruppe "Aufbewahrung von Flüssigkeiten" gebildet. Um Kostensenkungspotentiale zu identifizieren, werden die Komponenten ausgewählt, deren Kosten deutlich über dem Durchschnitt der Gruppe liegen. Diese Komponenten werden anschließend mit den anderen Komponenten der Gruppe verglichen, um Kostensenkungsvorschläge zu generieren (vgl. Cooper (1995), S. 178 f.). (2) Kostentabellen Kostentabellen sind meist computergestützte Datenbanken, welche über die Wirkungen verschiedener Ausprägungen von Kosteneinflussgrößen auf die Kosten eines Produktes, einer Funktion oder einer Komponente informieren. In Kostentabellen werden alle Ausprägungen der Kosteneinflussgrößen berücksichtigt und nicht nur die in der Unternehmung aktuell realisierten. Die Angaben in den Kostentabellen beziehen sich auf die absoluten Kosten (vgl. Yoshikawa/ Innes/ Mitchell (1990), S. 31). Kostentabellen stellen Informationen für die folgenden Zwecke bereit: − Preisverhandlungen mit Lieferanten, − Vergleich der Kosten von Lösungsalternativen für die Entscheidungsfindung und − Schätzung der Produktkosten für die Produktkostenplanung und -kontrolle. Ursprünglich wurden Kostentabellen als Grundlage für Preisverhandlungen mit Lieferanten erstellt, um zu einem kostengerechten Preis zu gelangen. Heute werden sie vor allem zur Unterstützung von Entscheidungen in der Entstehungsphase sowie beim Produkt-Kaizen in der Marktphase der Produkte eingesetzt. Kostentabellen stellen Informationen für Entscheidungen über das zu gestaltende Produkt und den Erstellungs- und Verwertungsprozess bereit. Sie eignen sich auch zur Ermittlung der geschätzten und minimalen Produkt-, Funktionen- und Komponentenkosten bei der Produktkostenplanung sowie zur Bestimmung der Wird-Produktkosten bei der Produktkostenkontrolle. Nach den Zwecken der Informationsbereitstellung werden die in Abb. 6.17 genannten Arten von Kostentabellen unterschieden (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 88 ff.). <?page no="330"?> Kostenorientierte Produktplanung • 313 Bereich Kostentabelle Entwicklung − Kostentabellen für die Produktkonzeptplanung Sie geben Auskunft über die Kostenwirkungen alternativer Hauptfunktionen eines Produktes. − −− − Kostentabellen für das Konzipieren Sie informieren über die Kostenwirkungen der Funktionen in Abhängigkeit vom verwendeten Lösungsprinzip. − −− − Kostentabellen für das Entwerfen Sie enthalten Angaben zu den Kosten alternativer Komponenten zur Umsetzung eines Lösungsprinzips. − Kostentabellen für das Ausarbeiten Sie weisen die Kosten einer Komponente für verschiedene Materialarten, Gestaltzonen, Toleranzen, Beschichtungen usw. aus. Produktion − Kostentabellen der langfristigen Verfahrenswahl Sie unterstützen Entscheidungen über die einzusetzenden Fertigungsverfahren und das Werk, in dem das geplante Produkt gefertigt werden soll, sowie Entscheidungen zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug von Komponenten. − −− − Kostentabellen der kurzfristigen Verfahrenswahl Sie enthalten Angaben zu den Kosten der Produktion auf verschiedenen Maschinen in Abhängigkeit von der geplanten Menge. Beschaffung − Kostentabellen für die Beschaffung Sie stellen Informationen für Verhandlungen mit den Lieferanten bereit. Die Kosten werden unter der Annahme ermittelt, dass die zu beschaffenden Komponenten mit dem kostengünstigsten Verfahren auf der kostengünstigsten Maschine produziert werden. − −− − Kostentabellen für Gussformen und Werkzeuge Es handelt sich hierbei um eine Sonderform der Kostentabelle für die Beschaffung. Sie unterstützt die Preisverhandlungen mit Lieferanten für Gussformen oder Werkzeuge. Vertrieb Kostentabellen für den Vertrieb Sie enthalten Angaben zu den Kosten alternativer Vertriebskanäle. Abb. 6.17: Arten von Kostentabellen Nach dem Aufbau werden − summarische (approximate cost table, top-down approach) und − differenzierte (detailled cost table, bottom-up approach) Kostentabellen unterschieden (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 91 ff.). Summarische Kostentabellen geben für jede Ausprägung der Kosteneinflussgrößen die gesamten Kosten des Produktes, der Funktion oder der Komponente an. Zur Anwendung gelangen sie bei der Unterstützung von Entscheidungen über Produktmerkmale in den frühen Phasen des <?page no="331"?> 314 • Produktorientiertes Kostenmanagement Produktplanungsprozesses. Erstellt werden sie mit den Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation (vgl. Gleich (1996), S. 50), die im folgenden Abschnitt behandelt werden. In differenzierten Kostentabellen werden die Kostenwirkungen von Kosteneinflussgrößen für wichtige Kostenkategorien getrennt ausgewiesen, wie z. B. für die Materialeinzelkosten, die Fertigungskosten, die produktnahen Gemeinkosten sowie die Entwicklungskosten. Erstellt werden sie auf der Grundlage einer Plankostenrechnung für die Unterstützung von Entscheidungen in den späten Phasen des Produktplanungsprozesses, in Beschaffung, Produktion und Vertrieb. Ein wichtiger Vorteil der Kostentabellen ist, dass sie von den Trägern der Entscheidungen und Preisverhandlungen einfach und ohne großen Zeitaufwand ausgewertet werden können. Hinzu kommt, dass beim Erstellen der Kostentabellen Erkenntnisse über die Kosteneinflussgrößen gewonnen werden (vgl. Yoshikawa/ Innes/ Mitchell (1990), S. 36). Diese lenken die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter in den Projekt- und Entwicklungsteams auf die Gestaltungsbereiche, die für die Höhe der Produktkosten kritisch sind (vgl. Scholl (1998), S. 130). Problematisch ist jedoch der große Aufwand, der mit der Erstellung und Pflege von Kostentabellen verbunden ist. Yoshikawa u. a. ((1993), S. 104 f.) bemerken dazu, dass in Unternehmungen mit ca. 6000 Mitarbeitern in der Produktion zwei bis drei Mitarbeiter eingesetzt werden müssen, um die Kostentabellen zu erstellen und zu pflegen. Dennoch sind Kostentabellen in der japanischen Unternehmungspraxis weit verbreitet. Eine Befragung ergab, dass nahezu 90 % der Unternehmungen Kostentabellen verwenden (vgl. Tani/ Kato (1994), S. 209). (3) Relativkostenkataloge Wie die Kostentabellen sind Relativkostenkataloge Datenbanken, die über die Kostenwirkungen der Ausprägungen von Kosteneinflussgrößen auf die Kosten eines Produktes, einer Funktion oder einer Komponente informieren (vgl. Scholl (1998), S. 127). Sie basieren nicht auf absoluten, sondern auf relativen Kostengrößen. Relativkosten dienen dem Vergleich der Kosten technisch gleichwertiger Lösungsalternativen und sollen die Mitarbeiter in den Projekt- und Entwicklungsteams schnell und zuverlässig zur kostengünstigsten Lösungsalternative führen. Relativkosten dienen nur der Entscheidungsunterstützung , nicht jedoch der Unterstützung von Preisverhandlungen oder der Schätzung von Produktkosten (vgl. Eberle/ Heil (1992), S. 786 f.). Relativkosten sind die auf die Kosten eines Bezugsobjektes bezogenen Kosten einer Lösungsalternative (vgl. Eberle/ Heil (1992), S. 784 ff.): i i 0 K RK K = wobei RK i = Relativkosten der Lösungsalternative, K i = Kosten der Lösungsalternative, K 0 = Kosten des Bezugsobjektes. <?page no="332"?> Kostenorientierte Produktplanung • 315 Berechnet werden die Relativkosten in der Regel aus den Herstellkosten (vgl. Ehrlenspiel (1985), S. 272). Bei dem Bezugsobjekt kann es sich um die kostengünstigste oder die am häufigsten verwendete Lösungsalternative handeln. Relativkosten können grundsätzlich für alle Produktmerkmale gebildet werden, über die im Produktplanungsprozess entschieden wird, z. B. für Baugruppen, Gestaltzonen (Werkstückkanten, Bohrungen, Oberflächenbeschaffenheit, Beschichtungen usw.), Werkstoffe und Halbzeuge. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden sie jedoch nur für ausgewählte Produktmerkmale erstellt, z. B. für Produktmerkmale, die einen hohen Einfluss auf die Produktkosten haben, die in Produkten häufig auftreten oder für die es eine Vielzahl technisch gleichwertiger Alternativen gibt (vgl. Eberle/ Heil (1992), S. 786). Der Vorteil relativer gegenüber absoluten Kostenwerten wird darin gesehen, dass sie bei Kostenänderungen seltener aktualisiert werden müssen. Letzteres setzt jedoch voraus, dass die Kosten der Lösungsalternativen und des Bezugsobjektes identische Steigerungsraten aufweisen. Relative Kostenwerte weisen den Nachteil auf, dass sie sich zwar für den Alternativenvergleich, nicht jedoch für die Schätzung der Produktkosten eignen. (4) Grenzstückzahlen Ein Grenzstückzahlenkatalog ist eine Datenbank für die kostenorientierte Auswahl des Verfahrens, nach dem das geplante Produkt hergestellt werden soll. Grenzstückzahlen geben an, ab welcher Produktionsmenge ein bestimmtes Fertigungsverfahren günstiger ist als alternative Fertigungsverfahren (vgl. Ehrlenspiel/ Kiewert/ Lindemann (2005), S. 217 f.). Benötigt werden Grenzstückzahlen, wenn zur Herstellung des geplanten Produktes mehrere alternative Fertigungsverfahren zur Verfügung stehen, die sich in ihrer Kostenstruktur unterscheiden. Fertigungsverfahren, die hohe variable Stückkosten und geringe Fixkosten verursachen, weisen bei geringen Stückzahlen geringere Gesamtkosten auf als Fertigungsverfahren mit hohen Fixkosten und geringen variablen Stückkosten. Bei hohen Stückzahlen kehrt sich die Vorteilhaftigkeit jedoch um (vgl. 6.18). (5) Kostenorientierte Konstruktionsrichtlinien Bei diesem Instrument handelt es sich um Aussagen über den wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen den Produktkosten und den Ausprägungen von Produktmerkmalen oder Aktivitäten. Teilweise nennen sie auch die Randbedingungen, unter denen dieser Zusammenhang wahrscheinlich gilt. Sie geben Erfahrungen wieder, die in verschiedenen Unternehmungsbereichen gesammelt worden sind. Sie weisen in der Regel nur auf die Richtung der Lösungssuche hin und enthalten keine Lösungsvorschläge. Es handelt sich dabei um verbale Formulierungen, die z. B. durch Gut/ Schlecht- Beispiele verdeutlicht oder durch überschlägige quantitative Aussagen ergänzt werden <?page no="333"?> 316 • Produktorientiertes Kostenmanagement (vgl. Ehrlenspiel (1985), S. 267 f.). Abb. 6.19 nennt Beispiele für kostenorientierte Konstruktionsrichtlinien (vgl. Ehrlenspiel (1985), S. 269). Mit den kostenorientierten Konstruktionsrichtlinien können die Ermittlung der minimalen Produkt- und Funktionenkosten durch Aufdeckung von Kostensenkungspotentialen sowie das Generieren von Lösungsideen im Konstruktionsprozess unterstützt werden. Abb. 6.18: Grenzstückzahlen Beispiele für Richtlinien Herkunft der Richtlinie Eine unklare Aufgabenstellung erhöht die Entwicklungskosten. Produktplanung Wälzlager, die in PKWs eingesetzt werden, sind besonders preisgünstig. Einkauf Zahnräder können bis Qualität 7 kostengünstig gefräst werden. Höhere Qualität verursacht deutlich höhere Kosten. Produktion Abb. 6.19: Beispiele für kostenorientierte Konstruktionsrichtlinien 6.2.4.3 Instrumente der Produktkostenkontrolle Die Produktkostenkontrolle wird konstruktionsbegleitend , d. h. parallel zum Konstruktionsprozess durchgeführt, indem die Wird-Produktkosten des geplanten Produk- GStZ 2/ 3 GStZ 1/ 2 Fertigungsverfahren 1 Fertigungsverfahren 2 Fertigungsverfahren 3 Fertigungsverfahren 1 Fertigungsverfahren 2 Fertigungsverfahren 3 Kosten Produktionsmenge <?page no="334"?> Kostenorientierte Produktplanung • 317 tes, seiner Funktionen und Komponenten mit den originären und derivativen Produktkostenvorgaben zu mehreren Zeitpunkten verglichen werden. Für die Produktkostenkontrolle sind deshalb zu mehreren Zeitpunkten während des Konstruktionsprozesses die Wird-Produktkosten des geplanten Produktes, seiner Funktionen und Komponenten zu ermitteln (vgl. Kato/ Böer/ Chow (1995), S. 39). Zur Berechnung der Kosten eines Produktes werden bei Einsatz differenzierter Kalkulationsverfahren (Zuschlags-, Maschinenstundensatz- oder Bezugsgrößenkalkulation) Informationen aus den Stücklisten (Materialverbrauch) und Arbeitsplänen (Maschinen- und Fertigungsstunden) des Produktes benötigt. Diese Unterlagen werden jedoch erst zum Ende des Konstruktionsprozesses bzw. während der sich anschließenden Fertigungsvorbereitung erstellt. Mit den Kalkulationsverfahren der Kostenrechnung können deshalb nur die Kosten vollständig definierter Produkte ermittelt werden. Da die Produkte während des Konstruktionsprozesses nicht vollständig definiert sind, werden für die Produktkostenkontrolle Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation benötigt. Diese Verfahren ermitteln die Produktkosten nicht aus den Daten der Stücklisten und Arbeitspläne, sondern aus Angaben zu Produktmerkmalen, die Produktentwürfen und Prototypen entnommen werden können, wie z. B. Funktionen, Abmessungen, Gewicht und Gestaltzonen (vgl. Friedl (2002), Sp. 969 f.). Die konstruktionsbegleitende Kalkulation ermittelt die Produktkosten eines geplanten Produktes auf der Grundlage von Daten aus den Produktentwürfen und den Prototypen, die während des Konstruktionsprozesses erstellt werden. Der Einsatz differenzierter Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der kostenorientierten Produktplanung (vgl. Kim u. a. (2002), S. 613). Neben der Produktkostenkontrolle zählen zu den Rechnungszielen der konstruktionsbegleitenden Kalkulation im Prozess der kostenorientierten Produktplanung auch − die Ermittlung der geschätzten Produkt-, Funktionen- und Komponentenkosten im Prozess der Planung originärer und derivativer Produktkostenvorgaben und − die Bereitstellung von Informationen für die Bewertung von Lösungsalternativen im Prozess der kostenorientierten Konstruktion (vgl. Yoshikawa u. a. (1993), S. 44 ff.). Weiterhin können die Verfahren der konstruktionsbegleitenden Konstruktion auch zur Prognose von Kosten für Zwecke der langfristigen Fertigungsvorbereitung herangezogen werden. Zu diesen Zwecken zählen die Bereitstellung von Informationen über die relevanten Kosten für Entscheidungen zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug sowie zur Beurteilung von Kostenvoranschlägen der Lieferanten (vgl. Scholl (1998), S. 29). Ansätze der konstruktionsbegleitenden Kalkulation zur Unterstützung der Produktkostenkontrolle umfassen die folgenden vier Komponenten : <?page no="335"?> 318 • Produktorientiertes Kostenmanagement − das Kalkulationsschema, − die Prognose- und Schätzverfahren, − die Flexibilisierungsregeln sowie − die Datenbasis. (1) Kalkulationsschema Die konstruktionsbegleitende Kalkulation kann folgenden Prinzipien folgen (vgl. Stewart (1991), S. 6): − dem Top-down-Prinzip und − dem Bottom-up-Prinzip. Bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation nach dem Top-down-Prinzip werden die Produktkosten des geplanten Produktes ermittelt, indem die Ist-Kosten von Ist- Produkten für die Ausprägungen von Produktmerkmalen des geplanten Produktes, wie z. B. Größe, Gewicht oder Leistung, fortgeschrieben werden. Ist-Produkte sind vollständig definierte Produkte im Marktzyklus, zu denen Informationen über die Produktkosten vorliegen. Nach diesem Prinzip wird die konstruktionsbegleitende Kalkulation in den frühen Phasen des Produktplanungsprozesses vollzogen, in denen der Detaillierungsgrad des Produktentwurfs keine differenziertere Prognose der Produktkosten zulässt. Die Produktkosten werden summarisch geschätzt, so dass kein Kalkulationsschema erforderlich ist. Gelangt das Bottom-up-Prinzip zur Anwendung, folgt die konstruktionsbegleitende Kalkulation dem Schema der traditionellen Kostenträgerstückrechnung, z. B. dem der Zuschlags-, Maschinenstundensatz- oder Bezugsgrößenkalkulation. Für die Kalkulation der Materialeinzelkosten und der Fertigungslöhne des geplanten Produktes werden der nach Materialarten und Lohngruppen differenzierte Material- und Arbeitszeitbedarf prognostiziert bzw. geschätzt und anschließend mit den erwarteten Preisen bzw. Lohnsätzen bewertet. Die Fertigungsgemeinkosten werden über Kalkulationsbezugsgrößen auf die Produkte verrechnet, die Maschinen- und Fertigungszeiten in den Kostenstellen zum Inhalt haben. Für die konstruktionsbegleitende Kalkulation werden die Maschinen- und Fertigungszeiten prognostiziert bzw. geschätzt und mit den Verrechnungssätzen aus der Kostenstellenrechnung multipliziert, um zu den auf das geplante Produkt entfallenden Fertigungsgemeinkosten zu gelangen. Die sonstigen produktnahen Gemeinkosten , wie z. B. die Materialgemeinkosten, werden in der traditionellen Kostenträgerstückrechnung proportional zu monetären Bezugsgrößen auf die Produkte verrechnet. Beispiele für diese Bezugsgrößen sind die Materialeinzelkosten, die Fertigungslöhne und die Herstellkosten. Bei diesem Vorgehen wird unterstellt, dass die produktnahen Gemeinkosten von denselben Produkt- <?page no="336"?> Kostenorientierte Produktplanung • 319 merkmalen abhängen wie die Kosten, zu denen sie proportional verrechnet werden. Die Materialgemeinkosten beispielsweise werden proportional zu den Materialeinzelkosten auf die Produkte verrechnet. Sie sind jedoch anders als die Materialeinzelkosten nicht von den Abmessungen, der Oberflächenbeschaffenheit, der Beschichtung usw. abhängig. Einflussgrößen auf die Materialgemeinkosten sind vielmehr Produktmerkmale, die den Umfang der Beschaffungsaktivitäten bestimmen, wie z. B. die Anzahl der zu beschaffenden Materialarten, Einzelteile und Baugruppen, der Anteil der Normteile und der Gleichteile an den zu beschaffenden Einsatzgütern. Bei Verrechnung der produktnahen Gemeinkosten über monetäre Bezugsgrößen kann ihre Abhängigkeit von den Gestaltungsentscheidungen über die Produktmerkmale nicht erfasst werden (vgl. Friedl (2002), Sp. 974). Für die Zwecke der Produktkostenkontrolle sollten die produktnahen Gemeinkosten deshalb nicht über monetäre Bezugsgrößen auf die Produkte verrechnet werden, sondern über die Produktmerkmale, von denen sie abhängig sind. Das Kalkulationsschema in Abb. 6.20 veranschaulicht die Struktur der konstruktionsbegleitenden Kalkulation nach dem Bottom-up-Prinzip. Sie erfordert detaillierte Informationen über das geplante Produkt und seine Produktionsstruktur. Diese Informationen liegen erst in späteren Phasen des Produktplanungsprozesses vor. Die Produktkosten eines geplanten Produktes können deshalb erst in den letzten Phasen des Produktplanungsprozesses nach dem Bottom-up-Prinzip ermittelt werden. + Materialeinzelkosten Produktnahe Materialgemeinkosten = ⋅ ∑ N ni ni n 1 q r k ET · ET i = Materialbezogene Produktkosten + + + Fertigungszeitabhängige Fertigungskosten der Fertigungsstelle A Maschinenzeitabhängige Fertigungskosten der Fertigungsstelle B Maschinenzeitabhängige Fertigungskosten der Fertigungsstelle C k A · FZ Ai k B · MZ Bi k C · MZ Ci = Fertigungskosten + Produktnahe Restgemeinkosten k VT · VT i = Produktkosten Mengengrößen: r ni = Verbrauch der Materialart n für eine Einheit des Produktes i, VT i = Anzahl der Variantenteile in Produkt i, ET i = Anzahl der Einkaufsteile in Produkt i; Verrechnungssätze aus der Kostenrechnung: k A = Kosten einer Fertigungsminute in Kostenstelle A, k B (k C ) = Kosten einer Maschinenminute in Kostenstelle B (C), k ET = produktnahe Gemeinkosten eines Einkaufsteils, k VT = produktnahe Gemeinkosten eines Variantenteils; Zeitgrößen: FZ Ai = Fertigungszeit zur Bearbeitung einer Einheit des Produktes i in Kostenstelle A, MZ Bi (MZ Ci ) = Maschinenzeit zur Bearbeitung einer Einheit des Produktes i in Kostenstelle B (C); Sonstige Größen: q n = Preis der Materialart n (n = 1, ..., N). Abb. 6.20: Konstruktionsbegleitende Kalkulation nach dem Bottom-up-Prinzip <?page no="337"?> 320 • Produktorientiertes Kostenmanagement (2) Prognose- und Schätzverfahren Um die Produktkosten aus den Daten des Produktentwurfs oder eines Prototyps bestimmen zu können, werden Prognose- oder Schätzverfahren benötigt. Prognosebzw. Schätzverfahren geben die Daten über das geplante Produkt, die bei der Ermittlung der Höhe seiner Produktkosten oder einer anderen Prognosegröße (Mengen- oder Zeitgröße) auszuwerten sind, sowie die Methode zur Auswertung dieser Daten vor. Prognose- und Schätzverfahren werden nach ihrer theoretischen Fundierung abgegrenzt. Mit Schätzverfahren werden die Produktkosten ohne Rückgriff auf einen naturwissenschaftlich-technisch oder statistisch begründeten Zusammenhang zwischen den Produktkosten und den sie beeinflussenden Produktmerkmalen ermittelt. Sie basieren auf Erfahrungen des Schätzers mit ähnlichen Situationen und sind damit weitgehend personengebunden (vgl. Ehrlenspiel/ Kiewert/ Lindemann (2005), S. 451 ff.). Prognoseverfahren nutzen dagegen einen naturwissenschaftlich-technisch oder einen statistisch begründeten Zusammenhang zwischen den Produktkosten und den Produktmerkmalen. Es ist eine Vielzahl von Prognose- und Schätzverfahren zur konstruktionsbegleitenden Kalkulation vorgeschlagen worden, die hinsichtlich der folgenden drei Merkmale beschrieben werden können: − Prognose- und Schätzgröße, − Art der auszuwertenden Daten sowie − Methode zur Auswertung der Daten. Nach der Prognosebzw. Schätzgröße werden − die Verfahren zur Kostenermittlung sowie − die Verfahren zur Mengen- und Zeitermittlung unterschieden. Mit den Verfahren der Kostenermittlung werden die Produktkosten bzw. einzelne Kategorien der Produktkosten prognostiziert bzw. geschätzt. Verfahren der Mengen- und Zeitermittlung gelangen bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation nach dem Bottom-up-Prinzip zur Anwendung. Mit diesen Verfahren werden der Materialverbrauch, die erforderlichen Arbeitszeiten sowie die Ausprägungen der Kalkulationsbezugsgrößen (z. B. Maschinen- und Fertigungszeiten) des geplanten Produktes prognostiziert bzw. geschätzt. Um zu den Produktkosten zu gelangen, wird die prognostizierte bzw. geschätzte Mengenbzw. Zeitgröße mit dem zugehörigen Preis, Lohnsatz oder Verrechnungssatz multipliziert. Wird die Art der berücksichtigten Produktmerkmale als Abgrenzungskriterium verwendet, kann zwischen <?page no="338"?> Kostenorientierte Produktplanung • 321 − funktionsorientierten Verfahren, − Kurzkalkulationen und − fertigungsorientierten Verfahren differenziert werden. Funktionsorientierte Verfahren schätzen die Produktkosten auf der Grundlage geplanter Funktionen. Ausgewertet werden die produktbezogenen Funktionen, über die in der Produktkonzeptplanung entschieden wird. Benötigt werden diese Verfahren zur Ermittlung der geschätzten Produktkosten für die Planung der originären Produktkostenvorgaben sowie für Entscheidungen über die produktbezogenen Funktionen in der Produktkonzeptplanung. Die Kurzkalkulationen berücksichtigen ausschließlich Produktmerkmale, über die während der Konstruktion entschieden wird, wie z. B. die Lösungsprinzipien, die Wirkbewegungen und Wirkflächen, die geometrischen Merkmale, die Oberflächenbeschaffenheit und die Werkstoffe (vgl. VDI (1987), S. 31). Fertigungsorientierte Verfahren werten zusätzlich auch fertigungstechnische Produktmerkmale aus, über die während der Fertigungsplanung entschieden wird, wie z. B. eingesetzte Maschinen, Werkzeuge, Vorrichtungen, Arbeitsfolgen und Maschineneinstellungen (Schnittgeschwindigkeit und -tiefe, Spindeldrehzahl usw.). Zur Auswertung der Daten für die konstruktionsbegleitende Kalkulation ist eine Vielzahl verschiedener Methoden vorgeschlagen worden. Abb. 6.21 gibt einen Überblick über diese Methoden. Abb. 6.21: Methoden zur Datenauswertung Methoden zur Auswertung von Daten für die konstruktionsbegleitende Kalkulation Methoden auf der Basis von Kennzahlen Methoden auf der Basis von Prognosefunktionen Gewichtskostenkalkulation Kalkulation über den Materialkostenanteil Bemessungsgleichungen Kostenwachstumsgesetze Statistisch ermittelte Prognosefunktionen Einfache Suchkalkulation Suchkalkulation mit Interpolation Suchkalkulation mit Kennzahl oder Prognosefunktion Methoden auf der Basis von Suchkalkulationen Neuronale Netze <?page no="339"?> 322 • Produktorientiertes Kostenmanagement Methoden auf der Basis von Kennzahlen werten zur Schätzung der Wird-Produktkosten nur die Informationen über ein einzelnes Merkmal des geplanten Produktes aus. Ermittelt werden die Wird-Produktkosten, indem die Ausprägung dieses Produktmerkmals beim geplanten Produkt mit einer Kennzahl multipliziert wird, welche die Produktkosten pro Maßeinheit dieses Produktmerkmals angibt. Als Beispiele für diese Methoden können die Gewichtskostenkalkulation und die Kalkulation über den Materialkostenanteil genannt werden. Bei der Gewichtskostenkalkulation werden als Kennzahl die Produktkosten pro Gewichtseinheit verwendet. Zur Berechnung dieser Kennzahl werden die Daten eines gleichartigen Ist-Produktes ausgewertet, d. h. von Ist-Produkten mit gleicher Konstruktion und Fertigung, mit gleichen Materialien und Stückzahlen. Die Wird-Produktkosten des geplanten Produktes i werden mit Hilfe dieser Kennzahl wie folgt bestimmt: 0 i i 0 PK PK g g = ⋅ , wobei PK i = Wird-Produktkosten des geplanten Produktes i, g i = Gewicht des geplanten Produktes i, 0 = Index des Bezugsproduktes. Für die Kalkulation über den Materialkostenanteil wird dagegen der Quotient aus den Produktkosten und den Materialeinzelkosten des Ist-Produktes mit weitgehend übereinstimmendem Verhältnis zwischen Material- und Fertigungskosten als Kennzahl verwendet (vgl. Ehrlenspiel/ Kiewert/ Lindemann (2005), S. 454 ff.): 0 i i 0 PK PK MEK MEK = ⋅ , wobei MEK i = Materialeinzelkosten des geplanten Produktes i. Methoden auf der Basis von Prognosefunktionen liegt eine ein- oder mehrvariablige Funktion zugrunde, die den Zusammenhang zwischen den Produktkosten, Mengen- oder Zeitgrößen und den sie beeinflussenden Produktmerkmalen abbildet. Nach der Begründung dieses Zusammenhangs können drei Typen von Prognosefunktionen unterschieden werden: − die Bemessungsgleichungen, − die Kostenwachstumsgesetze sowie − die statistisch ermittelten Prognosefunktionen. Eine Bemessungsgleichung ist eine technisch begründete mehrvariablige Prognosefunktion, die für eine bestimmte Produktkomponente die Gesetzmäßigkeiten zwischen der Prognosegröße und den Kosten beeinflussenden Produktmerkmalen abbildet. Bemessungsgleichungen sind sowohl für die Prognose der Produktkosten als auch der Mengen- und Zeitgrößen entwickelt worden. Sie zählen zu den Kurzkalkulationen, da sie ausschließlich Produktmerkmale als unabhängige Variable berücksichtigen, über <?page no="340"?> Kostenorientierte Produktplanung • 323 die während des Konstruktionsprozesses entschieden wird (vgl. Ehrlenspiel/ Kiewert/ Lindemann (2005), S. 458). Wird bei Baureihen oder Varianten ausgehend von einem Grundprodukt ein größeres oder kleineres Folgeprodukt konstruiert, können zur Prognose der Produktkosten des Folgeproduktes Kostenwachstumsgesetze verwendet werden. Prognostiziert werden mit Kostenwachstumsgesetzen die größenabhängigen Bestandteile der Produktkosten, das sind insbesondere die Materialeinzelkosten, die Fertigungs- und Maschinenstunden bzw. die von diesen Zeitgrößen abhängigen Fertigungsgemeinkosten. Kostenwachstumsgesetze bilden die gesetzmäßigen Beziehungen zwischen den Kosten beim Folgeprodukt und den Kosten beim Grundprodukt in Abhängigkeit von den Wachstumsquotienten der berücksichtigten Größenmerkmale (z. B. Höhe, Länge, Breite) ab. Der Wachstumsquotient eines Größenmerkmals ist definiert als Verhältnis seiner Ausprägungen beim Folge- und Grundprodukt: j mj 0 m m ϕ = , wobei ϕ mj = Wachstumsquotient des Größenmerkmals m für das Folgeprodukt j, m j = Ausprägung des Größenmerkmals m beim Folgeprodukt j, m 0 = Ausprägung des Größenmerkmals m beim Grundprodukt. Unterscheidet sich das Folgeprodukt vom Grundprodukt in drei Größenmerkmalen, so weist das Kostenwachstumsgesetz der zu prognostizierenden Größe G j die folgende Struktur auf: 3 1 2 e e e j 0 1j 2 j 3 j G G = ⋅ ϕ ⋅ ϕ ⋅ ϕ , wobei G j = Materialeinzelkosten, Fertigungs- oder Maschinenstunden beim Folgeprodukt j, G 0 = Ausprägung dieser Größe beim Grundprodukt. Über die Exponenten der Wachstumsquotienten e i (i = 1, 2, 3) wird die Stärke der Kostenänderung bei einer Änderung des jeweiligen Produktmerkmals berücksichtigt. Sie bilden die für eine Baureihe spezifischen Parameter des Kostenwachstumsgesetzes. Sie werden aus technischen Bestimmungsgleichungen abgeleitet oder durch die statistische Auswertung von Daten der betrachteten Baureihe ermittelt (vgl. Pahl/ Rieg (1984), S. 40 ff.; Diels (1988), S. 31 ff.). Der Anwendungsbereich von Bemessungsgleichungen ist auf die naturwissenschaftlich-technischen Zusammenhänge begrenzt, der von Kostenwachstumsgesetzen auf Baureihen. Statistisch ermittelte Prognosefunktionen können für jede beliebige Komponente hergeleitet werden, sofern Datensätzen zu ähnlichen Ist-Komponenten in ausreichender Zahl vorliegen. Mit statistischen Methoden , wie z. B. der Regressionsanalyse, werden aus diesen Datensätzen zum einen die Haupteinflussgrößen auf die Produktkosten bestimmt und die Parameter der Prognosefunktion für das durch den <?page no="341"?> 324 • Produktorientiertes Kostenmanagement Datensatz begrenzte Komponentenspektrum berechnet. Mit dieser Prognosefunktion lassen sich anschließend die Produktkosten einer geplanten Komponente berechnen, die innerhalb des erfassten Komponentenspektrums liegt (vgl. Stewart (1995), S. 18). An die Stelle einer statistisch ermittelten Prognosefunktion kann auch ein Neuronales Netz treten, das mit den Daten ähnlicher Ist-Produkte trainiert worden ist (vgl. Becker (1996), S. 50 ff.). Um zu akzeptablen Prognosewerten zu gelangen, muss das Neuronale Netz mit den Datensätzen einer großen Zahl von Ist-Produkten trainiert werden. In bekannten Testanwendungen wurden mindestens 50 Datensätze benötigt. Die hohen Anforderungen an die Datenbasis grenzen den Einsatzbereich der Neuronalen Netze in der Unternehmungspraxis erheblich ein (vgl. Scholl (1998), S. 35). Bei Anwendung einer Methode der Suchkalkulation werden aus der Menge der Ist- Produkte diejenigen ausgewählt, die dem geplanten Produkt in den Kosten beeinflussenden Produktmerkmalen am ähnlichsten sind. Bei der einfachsten Variante der Suchkalkulation werden die Produktkosten desjenigen Produktes als Wird-Produktkosten übernommen, das dem geplanten Produkt am ähnlichsten ist. Die Wird- Produktkosten des geplanten Produktes können aber auch aus den Produktkosten mehrerer ähnlicher Ist-Produkte durch Interpolation ermittelt werden. Schließlich ist es auch möglich, die Daten der ähnlichsten Ist-Produkte zu nutzen, um eine Kennzahl oder eine Prognosefunktion zu berechnen, um daraus die Produktkosten des geplanten Produktes zu berechnen (vgl. Kiewert (1990), S. 360 ff.). (3) Flexibilisierungsregeln Während des Konstruktionsprozesses nehmen der Umfang und die Qualität der Daten über die Kosten beeinflussenden Produktmerkmale des geplanten Produktes kontinuierlich zu. In die Ermittlung der Produktkosten zu verschiedenen Kontrollzeitpunkten muss dieser Datenzuwachs stets einbezogen werden. Ein Prognosebzw. Schätzverfahren kann jedoch grundsätzlich nur zu dem Zeitpunkt während des Konstruktionsprozesses eingesetzt werden, zu dem über die Ausprägungen der von ihm ausgewerteten Produktmerkmale entschieden worden ist. Vor diesem Zeitpunkt liegen die zur Prognose bzw. Schätzung erforderlichen Werte nicht vor, danach kann ein weiterer Datenzuwachs nicht mehr einbezogen werden. Beispiel 6.7: Flexibilisierungsregel Nachfolgende Tabelle zeigt, über welche kostenverursachenden Produktmerkmale in den verschiedenen Phasen des Konstruktionsprozesses entschieden wird. Mit einem Prognosebzw. Schätzverfahren, das die Produktmerkmale m 1 , m 2 , m 3 , m 4 und m 5 berücksichtigt, können die Produktkosten nur in der Phase des Entwerfens prognostiziert bzw. geschätzt werden. Der Einsatz dieses Verfahrens in der Phase des Ausarbeitens führt zu Produktkostenprognosen bzw. -schätzungen in unveränderter Höhe und damit zu keinem Informationszuwachs. <?page no="342"?> Kostenorientierte Produktplanung • 325 Konzipieren m 1 , m 2 , m 3 Entwerfen m 4 , m 5 Ausarbeiten m 6 , m 7 , m 8 , m 9 Die Flexibilisierungsregeln der konstruktionsbegleitenden Kalkulation legen fest, wie der Datenzuwachs zwischen zwei Kalkulationszeitpunkten in die Prognose bzw. Schätzung der Produktkosten einbezogen werden soll. Der Umgang mit dem Datenzuwachs während des Konstruktionsprozesses kann zwei Prinzipien folgen: − der Verwendung eines mehrvariabligen Prognosebzw. Schätzverfahrens unter Einbeziehung vorläufiger Werte oder − der Verwendung mehrerer Prognose- oder Schätzverfahren. Das erste Prinzip setzt ein mehrvariabliges Prognosebzw. Schätzverfahren voraus, das Produktmerkmale auswertet, über die in verschiedenen Phasen des Konstruktionsprozesses entschieden wird. Um mit diesem Verfahren die Produktkosten bereits in Phasen des Konstruktionsprozesses ermitteln zu können, in denen noch nicht alle der berücksichtigten Produktmerkmale festgelegt sind, werden für die noch unbestimmten Produktmerkmale vorläufige Werte eingesetzt. Mit zunehmendem Detaillierungsgrad des Produktentwurfs werden die vorläufigen durch die endgültigen Werte ersetzt. Als vorläufige Werte werden verwendet (vgl. Pickel (1989), S. 89 ff.): − Ausprägungen, die aus bekannten Werten anderer Produktmerkmale des geplanten Produktes geschätzt werden, − Ausprägungen der Produktmerkmale bei einem ähnlichen Ist-Produkt oder − Ausprägungen, die besonders häufig auftreten. Beim zweiten Prinzip für den Umgang mit dem Datenzuwachs werden die Produktkosten in jedem Kontrollzeitpunkt mit einem anderen Verfahren prognostiziert bzw. geschätzt. Benötigt werden damit mehrere Prognosebzw. Schätzverfahren , die sich in Art und Anzahl der berücksichtigten Produktmerkmale unterscheiden. (4) Datenbasis Die Datenbasis stellt die Daten für die folgenden Arbeitsschritte im Zusammenhang mit der konstruktionsbegleitenden Kalkulation bereit: − Bestimmen der Ist-Produkte, die dem geplanten Produkt in den Kosten beeinflussenden Produktmerkmalen am ähnlichsten sind, − Berechnen von Kennzahlen und Prognosefunktionen bzw. Trainieren von Neuronalen Netzen, − Ermitteln vorläufiger Werte für die Produktmerkmale sowie − Anwenden der Schätzbzw. Prognoseverfahren. <?page no="343"?> 326 • Produktorientiertes Kostenmanagement Abb. 6.22 gibt einen Überblick über den Informationsbedarf bei jedem dieser Arbeitsschritte. Die statistische Ermittlung einer Prognose- oder Schätzfunktion und das Trainieren von Neuronalen Netzen setzen voraus, dass die auszuwertenden Kostendaten der ähnlichen Komponenten nicht unverändert der Ist-Kostenrechnung entnommen werden, sondern an die Bedingungen angepasst werden, unter denen das geplante Produkt produziert werden soll (vgl. Stewart (1995), S. 18). Neben Daten zu den Ausprägungen der Kosten beeinflussenden Produktmerkmale der Ist-Produkte, sind es deshalb vor allem Informationen über die erwarteten Produktkosten der Ist- Produkte, die für die konstruktionsbegleitende Kalkulation benötigt werden. Die erwarteten Produktkosten eines Ist-Produktes markieren das Niveau seiner Produktkosten bei Fertigung unter den Bedingungen, unter denen das geplante Produkt hergestellt werden soll. Aktivitäten bei der konstruktionsbegleitenden Kalkulation Informationsbedarf (1) Bestimmen ähnlicher Ist-Produkte Ausprägungen der Kosten beeinflussenden Produktmerkmale der Ist-Produkte (2) Berechnen der Kennzahlen und Prognosefunktionen − Ausprägungen der Kosten beeinflussenden Produktmerkmale der Ist-Produkte − Erwartete Produktkosten der Ist-Produkte (3) Ermitteln vorläufiger Werte für Produktmerkmale Ausprägungen der Kosten beeinflussenden Produktmerkmale der Ist-Produkte (4) Anwenden der Schätz- und Prognoseverfahren − Erwartete Produktkosten der Ist-Produkte (Suchkalkulation) − Informationen aus der Kostenrechnung für die konstruktionsbegleitende Kalkulation nach dem Bottom-up-Prinzip • Erwartete Preise der Rohstoffe, Bauteile und Baugruppen • Erwartete Lohnsätze • Gemeinkostenverrechnungssätze Abb. 6.22: Informationsbedarf der konstruktionsbegleitenden Kalkulation Die Kostenrechnung der Unternehmung ist aus zwei Gründen nicht für die Berechnung der erwarteten Produktkosten der Ist-Produkte geeignet: Zum einen werden die produktnahen Gemeinkosten und andere Bestandteile der Produktkosten nicht getrennt ausgewiesen. Zudem bilden sie die aktuellen Produktionsbedingungen ab. Erforderlich ist eine Plankostenrechnung mit differenziertem Ausweis aller Bestandteile der Produktkosten auf der Basis der Einsatzgüterpreise, Lohn- und Gehaltssätze der Planperiode sowie der geplanten Maßnahmen zur Anpassung der Betriebsmittelausstattung und der Produktionsstruktur. Dieser Plankostenrechnung können auch die Gemeinkos- <?page no="344"?> Kostenorientierte Produktplanung • 327 tenverrechnungssätze für die konstruktionsbegleitende Kalkulation nach dem Bottomup-Prinzip entnommen werden. Die Planung des Prozesses zur Fertigung des geplanten Produktes setzt detaillierte Produktentwürfe und Prototypen voraus. In den frühen Phasen des Produktplanungsprozesses können die erwarteten Produktkosten der Ist-Produkte deshalb nur für die aktuellen Produktionsbedingungen kalkuliert werden. Damit können auch nur die Produktkosten prognostiziert werden, die bei der Fertigung des geplanten Produktes unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen anfallen würden. 6.2.5 Beeinflussung des Verhaltens der Beteiligten 6.2.5.1 Notwendigkeit der Verhaltensbeeinflussung Es wird gefordert, die Produktkostenvorgaben in einer Höhe festzulegen, die nur unter großen Anstrengungen der Beteiligten erreicht werden kann (vgl. z. B. Yoshikawa u. a. (1993), S. 38). An der kostenorientierten Produktplanung beteiligt sind − die Mitglieder der Entwicklungsteams, − der Produktmanager und − die Mitglieder des Projektteams. An diese drei Personengruppen werden im Prozess der kostenorientierten Produktplanung unterschiedliche Anforderungen gestellt. Notwendig ist deshalb eine nach den verschiedenen Personengruppen differenzierte Verhaltensbeeinflussung . (1) Beeinflussung der Mitglieder der Entwicklungsteams Aufgaben der Entwicklungsteams sind − die Erarbeitung von Vorschlägen zur Steigerung des Produktwertes für die Planung der Produktkostenvorgaben und für Wertanalyse-Projekte sowie − die Umsetzung der erarbeiteten Vorschläge in einen Produktentwurf. Die Erarbeitung von Vorschlägen zur Produktwertsteigerung verlangt das Finden innovativer und für das Problem verwertbarer Lösungen, d. h. Kreativität (vgl. Abschnitt 9.2). Die Verhaltensbeeinflussung sollte deshalb darauf zielen, die Kreativität der für diese Aufgabe verantwortlichen Mitarbeiter zu fördern. Hierzu sind Kreativitätsbarrieren abzubauen (vgl. Kroy (1984), S. 71; Jehle (1986), S. 95 ff.). Der Abbau von Kreativitätsbarrieren liegt im Gestaltungsbereich des Produktmanagers und des Projektteams. Als Kreativitätsbarrieren können fehlende Fachkenntnisse und mangelnde kreativitätsrelevante Fertigkeiten der Mitarbeiter sowie ein ungünstiges Arbeitsumfeld wirken (vgl. Abschnitt 1.2.3.1). <?page no="345"?> 328 • Produktorientiertes Kostenmanagement Bei der Umsetzung der Lösungsvorschläge in Produktentwürfe dominiert problemorientiertes, methodisch-systematisches Vorgehen. Diese Aufgabe stellt keine höheren Anforderungen an die Kreativität der Mitarbeiter. Das Verhalten der Mitarbeiter, die in Entwicklungsteams Lösungsvorschläge umsetzen, ist deshalb vor allem so zu beeinflussen, dass sie ihre Entscheidungen über die Produktmerkmale am Produktwertziel ausrichten. Diesem wertzielorientierten Entscheidungsverhalten stehen − Wissensbarrieren und − Willensbarrieren entgegen. Wissensbarrieren sind fehlende Kenntnisse der Mitarbeiter über die kostenverursachenden Produktmerkmale, unzureichende Informationen über die Kostenwirkungen getroffener Entscheidungen oder über die Ursachen der Abweichungen von den Produktkostenvorgaben. Willensbarrieren treten auf, wenn − Interessenkonflikte bestehen oder − Informationen asymmetrisch verteilt sind. Für die Produktplanung typisch sind Interessenkonflikte aufgrund subjektiver Präferenzen (vgl. Abschnitt 1.2.3.2), da sich Mitarbeiter in den Entwicklungsabteilungen vorrangig dem Streben nach Erkenntnis verpflichtet fühlen, der technischen Perfektion den Vorrang vor ökonomischer Erfordernis geben und nach Autonomie und Unabhängigkeit streben (vgl. Kern/ Schröder (1992), Sp. 628 f.). Durch ihre ingenieur- oder naturwissenschaftliche Ausbildung sowie die zunehmende Spezialisierung bei der Gestaltung komplexer Produkte verfügen die Mitarbeiter in den Entwicklungsteams über Informationsvorteile gegenüber Produktmanager und Projektteam, so dass sie über Freiräume verfügen, um ihre individuellen Interessen zu verfolgen (vgl. Riegler (2000), S. 254). Diese Freiräume können folgende Konsequenzen haben (vgl. Riegler (1996), S. 87): − die unvollständige oder nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung gegenüber Produktmanager und Projektteam oder − die Erarbeitung suboptimaler Lösungen. Eine an den individuellen Präferenzen ausgerichtete Berichterstattung kann in einer Überschätzung der Bedeutung von Produktmerkmalen für den Kunden oder einer zu vorsichtigen Einschätzung der Kostensenkungspotentiale bestehen. Beide Verhaltensweisen führen zu Produktkostenvorgaben, die über den erfolgszielkonformen Produktkostenvorgaben liegen (in Anlehnung an Mitlacher/ Mitlacher (2003), S. 279). Suboptimale Lösungen treten u. a. in der Form von Overengineering auf, bei dem das Produkt Merkmale aufweist, die keine Bedürfnisse der Kunden befriedigen (vgl. Mitlacher/ Mitlacher (2003), S. 279). Da diese Merkmale zusätzliche Produktkosten verursachen, vermindern sie den Wert des Produktes. Darüber hinaus verlängert sich die Entwicklungszeit und die Entwicklungskosten steigen. Suboptimale Lösungen <?page no="346"?> Kostenorientierte Produktplanung • 329 können aber auch durch einen unzureichenden Arbeitseinsatz der Entwicklungsteams begründet sein. Dieser kann sich in einem zu frühen Abbruch der Suche nach werterhöhenden Lösungen oder zu geringer Sorgfalt bei der Suche und Auswertung von Informationen äußern. (2) Beeinflussung der Produktmanager und Projektteams Aufgabe des Produktmanagers und des Projektteams ist vor allem das Projektmanagement. Es stellt keine hohen Anforderungen an die Kreativität. Zur Erreichung der Unternehmungsziele verlangt es vielmehr große Anstrengungen , die auf folgende, für die kostenorientierte Produktplanung zentralen Aspekte auszurichten sind: − die Planung, Durchsetzung und Kontrolle erfolgszielorientierter Produktwertziele in der Form von Vorgaben zu den produktbezogenen Funktionen und den Produktkosten sowie − den Abbau von Kreativitätsbarrieren in den Entwicklungsteams. Dem stehen wiederum Wissensbarrieren und Willensbarrieren entgegen. Eine Wissensbarriere , die für den Forschungs- und Entwicklungsbereich typisch ist, betrifft die Kenntnisse über kreativitätsfördernde und kreativitätshemmende Merkmale des Arbeitsumfeldes. Das Fehlen dieser Kenntnisse führt regelmäßig zum Einsatz extrinsischer Anreize, die zusätzliche Kreativitätsbarrieren schaffen, sowie zu einem Arbeitsumfeld, das kreativitätshemmend wirkt (vgl. Amabile (1998), S. 77). Willensbarrieren des Produktmanagers äußern sich darin, dass er Produktwertziele plant, die unter den zur Erreichung des Erfolgszieles erforderlichen liegen, weil beispielsweise die Bereitschaft zu einem größeren Arbeitseinsatz fehlt. Aber erst Informationsvorteile des Produktmanagers ermöglichen eine Berichterstattung, die geeignet ist, die Unternehmungsführung zu veranlassen, diesen Produktwertzielen zuzustimmen, oder ein verhaltensbedingtes Verfehlen erfolgszielkonformer Produktwertziele zu rechtfertigen. Abb. 6.23 gibt einen Überblick über die Barrieren, die dem Verhalten entgegenstehen, zu dem die verschiedenen an der kostenorientierten Produktplanung Beteiligten motiviert werden sollten. 6.2.5.2 Abbau von Willens- und Wissensbarrieren Eine Maßnahme zum Abbau von Willensbarrieren, der in japanischen Unternehmungen hohe Bedeutung beigemessen wird, ist die strenge Anwendung der Hauptregel des Target Costing . Sie besagt, dass Produkte, deren Produktkosten über den Produktkostenvorgaben liegen, nicht eingeführt werden. Darüber wird auf die Entwicklungsteams ein enormer Druck ausgeübt, die Vorgaben zu erreichen (vgl. Cooper/ Slagmulder (2002a), S. 6). Strategische Gründe können gelegentlich ein Abweichen von der Hauptregel des Target Costing und die Einführung eines Produktes zu Kosten notwendig machen, die über den Produktkostenvorgaben liegen. Folgende Beispiele für diese Ausnahmen werden genannt: <?page no="347"?> 330 • Produktorientiertes Kostenmanagement − Produkte, die auf dem Absatzmarkt ein Markenbewusstsein schaffen und damit den Absatz anderer Produkte der Unternehmung fördern, − Produkte, die auf der nächsten Technologiegeneration aufbauen, − Produkte mit einer strategischen Bedeutung im Produktions- und Absatzprogramm und − Situationen, in denen eine Verzögerung der Markteinführung zu hohen Verlusten führen würde. Abb. 6.23: Verhaltensbeeinflussung bei der kostenorientierten Produktplanung Wird bei der Markteinführung gegen die Hauptregel des Target Costing verstoßen, werden die Ursachen der Abweichung von den Produktkostenvorgaben gründlich analysiert und die Produkte einem intensiven Produkt-Kaizen unterzogen (vgl. Abschnitt 4.1.1). Durch diese beiden Maßnahmen soll deutlich gemacht werden, dass Abweichungen von der Hauptregel nur in seltenen Fällen, nur für kurze Zeit und nicht ohne Konsequenzen geduldet werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 215 ff.). Neben den aus der verhaltenswissenschaftlichen Motivations- und Zieltheorie bekannten Maßnahmen (z. B. Partizipation, Qualifikation, Kommunikation und Belohnung) sind es zwei Formen der Teambildung , die zum Abbau von Willensbarrieren beitragen können: − die interdisziplinären Projektteams und − die konkurrierenden Entwicklungsteams. Interdisziplinäre Projektteams wirken den Nachteilen asymmetrisch verteilter Informationen entgegen, wenn Teammitglieder mit vergleichbaren Informationsvorteilen gegenüber dem Produktmanager unterschiedliche Interessen verfolgen und sich des- Entwicklungsteam Produktmanager Projektteam Produktwertorientiertes Entscheidungsverhalten Kreativität bei der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen Abbau von Kreativitätsbarrieren Planung und Durchsetzung zielorientierter Produktwertvorgaben Willens- und Wissensbarrieren Kreativitätsbarrieren Beteiligte Erwünschtes Verhalten Widerstände <?page no="348"?> Kostenorientierte Produktplanung • 331 halb gegenseitig kontrollieren und korrigieren. Beispielsweise wird bei der Planung der Komponentenkostenvorgaben jedes Entwicklungsteam versuchen, für seine Komponente ein hohes Komponentengewicht durchzusetzen. Nutzt der Vertreter eines Entwicklungsteams im Projektteam Informationsvorteile, um ein höheres Komponentengewicht durchzusetzen, werden die Vertreter der Entwicklungsteams korrigierend eingreifen, deren Komponenten dadurch ein geringeres Gewicht zugeordnet werden soll. Aufgabe der Entwicklungsteams ist es, Kostensenkungsvorschläge bzw. Vorschläge zur Steigerung des Produktwertes zu erarbeiten. Um die Mitarbeiter in den Entwicklungsteams zu motivieren, werden in japanischen Unternehmungen mehrere konkurrierende Entwicklungsteams gebildet, die unabhängig voneinander Lösungsvorschläge für dieselbe Funktion bzw. Komponente erarbeiten (vgl. Riegler (1996), S. 82). Beispielsweise werden bei SAP für ein Problem fünf interdisziplinäre Teams gebildet, die in verschiedenen Ländern angesiedelt sind (vgl. Seiwert/ Bergermann/ Pecher (2006), S. 86). Einen Überblick über die Maßnahmen zum Abbau von Wissens- und Willensbarrieren bei der kostenorientierten Produktplanung gibt Abb. 6.24. Abbau von Wissensbarrieren Abbau von Willensbarrieren • Bereitstellen von Informationen zu den Wirkungen von Entscheidungen über Produktmerkmale auf die Produktkosten (z. B. Kostentabellen, Relativkostenkataloge) • Bereitstellen von Informationen über Abweichungen von den Produktkostenvorgaben und ihren Ursachen • Schulen der Beteiligten auf dem Gebiet der kostenorientierten Produktentwicklung (z. B. kostenverursachende Produktmerkmale, Wertanalyse) • Schulen der Beteiligten auf dem Gebiet der Kreativitätsförderung • Operationale Produktkostenvorgaben mit einem herausfordernden Niveau • Kommunikationsmaßnahmen zur Verdeutlichung der Notwendigkeit zur Erreichung der Produktkostenvorgaben und zur Umsetzung der geforderten Funktionen • Anwendung der Hauptregel des Target Costing • Nachweis der Erreichbarkeit der Produktkostenvorgaben • Mitwirkung aller Beteiligten an der Planung und Spaltung der Produktkostenvorgaben • Bestellen eines von den Beteiligten akzeptierten Produktmanagers • Ausgleich von Informationsasymmetrien durch die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams • Bilden konkurrierender Entwicklungsteams • Schaffen eines transparenten Anreizsystems Abb. 6.24: Maßnahmen zum Abbau von Wissens- und Willensbarrieren bei der kostenorientierten Produktplanung <?page no="349"?> 332 • Produktorientiertes Kostenmanagement In der deutschsprachigen Literatur wird, anders als in Beiträgen japanischer Autoren, Anreizsystemen für den Abbau von Willensbarrieren hohe Bedeutung beigemessen. Abb. 6.25 gibt einen Überblick über die Ausgestaltung von Anreizsystemen für die kostenorientierte Produktplanung. Komponente Produktmanager Projektteam Entwicklungsteam Anreizziel − Planung und Durchsetzung erfolgszielkonformer Produktdefinitionen und Produktkostenvorgaben − Abbau von Kreativitätsbarrieren Produktwertorientiertes Entscheidungsverhalten Belohnung − Monetäre, leistungsbezogene Belohnungen − Karriereentwicklungsmöglichkeiten − Intrinsische Anreize − Intrinsisch motivierende Karrieren − Konstantes Gehalt Bemessungsgrundlage Produktkosten, Qualität und Funktionalität Belohnungsregel Subjektive Festsetzung der Belohnung durch die übergeordnete Instanz Ausschüttungsregel Spätestens nach Serienanlauf Abb. 6.25: Ausgestaltung von Anreizsystemen für die kostenorientierte Produktplanung (1) Anreizziel und Begünstigte Das Ziel der kostenorientierten Produktplanung hat einen erfolgszielkonformen Produktwert zum Inhalt. Um dieses Ziel zu erreichen, sind − der Produktmanager und das Projektteam zur • Planung und Durchsetzung erfolgszielkonformer Produktdefinitionen und Produktkostenvorgaben sowie zum • Abbau von Kreativitätsbarrieren und − die Entwicklungsteams zu produktwertorientiertem Entscheidungsverhalten zu motivieren (vgl. Abb. 6.23). Einem Anreizsystem für die kostenorientierte Produktplanung liegt mindestens eines dieser Anreizziele zugrunde. (2) Belohnung Abb. 6.26 zeigt Beispiele für Belohnungen im FuE-Bereich von Unternehmungen (vgl. Domsch (1984), S. 256; Staudt u. a. (1990), S. 1188). Die Anreizwirkungen verschiedener Typen von Belohnungen sind sowohl für die Führungskräfte als auch für die Wissenschaftler und Ingenieure im FuE-Bereich von Unternehmungen empi- <?page no="350"?> Kostenorientierte Produktplanung • 333 risch untersucht worden. Die Produktmanager gehören der ersten, die Mitarbeiter in den Entwicklungsteams der zweiten Gruppe an. Nach empirischen Befunden gehen auf die Führungskräfte im FuE-Bereich die stärksten Anreizwirkungen von monetären, insbesondere leistungsabhängigen Belohnungen und von Karriereentwicklungsmöglichkeiten aus (vgl. Gerpott/ Domsch (1991), S. 1011). Wissenschaftler und Ingenieure werden vor allem durch intrinsische Anreize motiviert (vgl. Abschnitt 9.2.2.3). Diese können durch extrinsische Anreize ergänzt werden. Nicht geeignet sind individuelle leistungsabhängige monetäre Prämien. Anreizwirkungen gehen von der Möglichkeit einer intrinsisch motivierenden Karriere sowie eines konstanten Gehalts aus, das finanzielle Sicherheit und Stabilität gewährleistet (vgl. Chen/ Ford/ Ferris (1999), S. 53). Zu einem anderen Ergebnis gelangen Staudt u. a. Nach dieser Studie kommt den monetären Prämien die höchste Bedeutung zu (vgl. Staudt u. a. (1990), S. 1197). Dieses Ergebnis kann daraus folgen, dass ausschließlich Arbeitnehmererfinder befragt worden sind und die monetäre Prämie eine Erfindervergütung ist. Belohnungstyp Beispiele Materielle Belohnung − Sozialleistungen − Entgelt (z. B. feste Gehaltserhöhung) − Sicherheit des Arbeitsplatzes − Leistungszulagen, Prämien für erfolgreich abgeschlossene Projekte Karriereentwicklun gsmöglichkeiten − Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen − Aufstiegsmöglichkeiten im eigenen Forschungsbereich Leistungsherausforderungen und Selbstständigkeit − Flexible Arbeitszeitregelung − Zeitweilige Freistellung für eigene Publikationen − Zeitweise Freistellung von der Arbeit für eigene Entwicklungstätigkeiten − Komplexe Aufgabenstellung Weiterbildungsmöglichkeiten − Möglichkeit zur Teilnahme an Seminaren − Möglichkeit zur Fort- und Weiterbildung − Bezahlung von Fachzeitschriftenabonnements Abb. 6.26: Belohnungen im FuE-Bereich der Unternehmung (3) Bemessungsgrundlage Das Verhalten der Produktmanager sowie Mitarbeiter in den Projekt- und Entwicklungsteams kann nicht direkt beobachtet werden. Als Bemessungsgrundlage ist deshalb ein Indikator heranzuziehen, von dem auf das Verhalten der Beteiligten geschlossen werden kann. Ein Indikator eignet sich jedoch nur dann als Bemessungsgrundlage, wenn er anreizkompatibel und beeinflussbar ist. Anreizkompatibel ist ein Indikator, wenn mit einer Verbesserung seiner Ausprägung ein Beitrag zu dem verfolgten Ziel geleistet wird. Beeinflussbarkeit liegt vor, wenn der Begünstigte den Wert des Indi- <?page no="351"?> 334 • Produktorientiertes Kostenmanagement kators über sein Verhalten gestalten kann. Als Bemessungsgrundlage von Anreizsystemen für die kostenorientierte Produktentwicklung werden in der Literatur genannt: (1) die Entwicklungskosten, (2) die Absatzzahlen und -preise (vgl. Riegler (1997), S. 349), (3) die Produktkosten (vgl. Ewert (1997), S. 316; Dörnemann/ Pfitzer (2000), S. 29), (4) die Produktkosten und die produktbezogenen Funktionen (vgl. Kim u. a. (2002), S. 614; Mitlacher/ Mitlacher (2003), S. 281) sowie (5) der Lebenszykluserfolg (vgl. Riegler (1996), S. 176). Eine Faustregel besagt, dass eine Erhöhung der Entwicklungskosten um eine Geldeinheit zu einer Produktkostensenkung im Umfang von 8 - 10 Geldeinheiten führt (vgl. Shields/ Young (1991), S. 39). Strebt das Produktmanagement eine Reduzierung der Entwicklungskosten an, wird das Erreichen des Produktwertzieles zumindest behindert. Die Entwicklungskosten sind deshalb nicht anreizkompatibel und damit nicht als Bemessungsgrundlage eines Anreizsystems für die kostenorientierte Produktplanung geeignet. Nicht geeignet sind auch die Absatzzahlen und -preise sowie der Lebenszykluserfolg , da diese Größe nicht nur von den Entscheidungen bei der Produktplanung abhängen, sondern von Entscheidungen in allen Funktionsbereichen der Unternehmung und in allen Phasen des Produktlebenszyklus. Diese Bemessungsgrundlagen genügen damit nicht der Forderung nach Beeinflussbarkeit. Die Konzentration auf die Produktkostenvorgaben kann zu einer Minderung von Funktionalität und Qualität und damit zu einer Senkung des Produktwertes führen. Anreizkompatibel und durch die Projekt- und Entwicklungsteams beeinflussbar ist nur eine Bemessungsgrundlage, die sich auf die Produktkosten und den Kundennutzen des Produktes bezieht, d. h. auf die beiden Komponenten des Produktwertes. (4) Belohnungsregel Es gibt zwei Typen von Belohnungsregeln: − die Belohnungsfunktion und − die subjektive Festsetzung der Belohnung durch die übergeordnete Instanz. Belohnungsfunktionen definieren den Zusammenhang zwischen der Bemessungsgrundlage und der Belohnung. Die Belohnungsfunktion eines Anreizsystems kann u. a. vorsehen, dass ab dem Erreichen der Produktkostenvorgaben sowie der Mindestqualität eine Belohnung in konstanter Höhe gewährt wird. Ein Anreizsystem mit einer solchen Belohnungsfunktion motiviert nicht zu einer Erhöhung des Produktwertes. Um das zu erreichen, sind eine quantifizierbare Bemessungsgrundlage und eine abstufbare Belohnung erforderlich. Da weder die Funktionalität und Qualität noch der Produktwert quantifizierbar sind, ist die subjektive Festlegung der Belohnung durch die Instanz vorzuziehen. Sie erlaubt es auch, exogene Einflüsse in die Beurteilung einzubeziehen. <?page no="352"?> Kostenorientierte Produktplanung • 335 (5) Ausschüttungsregel Für die Anreizwirkung der Belohnung ist es wichtig, dass der Zusammenhang zwischen der Belohnung und der erbrachten Leistung für den Begünstigten erkennbar ist (vgl. Gerpott/ Domsch (1991), S. 1011). Die Belohnung der Projekt- und Entwicklungsteams sollte deshalb zu dem Zeitpunkt ausgeschüttet werden, in dem die Produktkosten festliegen und die Realisation der angestrebten Qualität und Funktionalität überprüft werden kann, d. h. spätestens nach dem Serienanlauf. Die Zuständigkeit des Produktmanagers kann über den Serienanlauf hinausreichen. Der dem Serienanlauf nachfolgende Marktzyklus stellt andere Anforderungen an das Verhalten des Produktmanagers. Im Vordergrund stehen nicht mehr die Planung und Durchsetzung erfolgszielorientierter Produktkostenvorgaben gegenüber Projekt- und Entwicklungsteams und der Abbau von Kreativitätsbarrieren, sondern z. B. die Planung und Durchsetzung von Deckungsbeitragszielen. Das verlangt nach einem anderen Anreizsystem. Deshalb sollte die Belohnung des Produktmanagers ebenfalls spätestens nach dem Serienanlauf bemessen und auch gewährt werden. 6.3 Produkt-Kaizen 6.3.1 Abgrenzung des Produkt-Kaizen Das Produkt-Kaizen gelangt bei Produkten zur Anwendung, die einen längeren Lebenszyklus besitzen (vgl. Cooper (1995), S. 252 f.). Durch diesen Ansatz soll sichergestellt werden, dass Produkte in der Marktphase ihres Lebenszyklus die geplanten Erfolgsziele erreichen. Das Produkt-Kaizen kann sich auf Produkte, Hauptfunktionen, Baugruppen oder Komponenten von Produkten beziehen. Produkt-Kaizen ist die systematische Verbesserung von Produkten, die sich in der Marktphase des Produktlebenszyklus befinden, zur erfolgszielorientierten Gestaltung des Produktwertes. Durchgeführt wird das Produkt-Kaizen unter folgenden Bedingungen : (1) Bei der Produktkostenplanung wurde die Realisation notwendiger Produktkostensenkungen von der Entstehungsin die Marktphase verschoben. Als Produktkostenvorgaben werden die Werte aus der kostenorientierten Produktplanung übernommen. (2) Der Absatzpreis eines Produktes sinkt bzw. die Einsatzgüterpreise steigen schneller, als die Kosten durch das Prozess- und das Potential-Kaizen gesenkt werden können. In dieser Situation werden die Kostenvorgaben für das Produkt-Kaizen analog zum Target Costing aus dem geplanten Erfolgsziel und den erwarteten Absatzbzw. Einsatzgüterpreisen des jeweiligen Produktes hergeleitet. (3) Es werden Ineffizienzen identifiziert. Die Produktkostenvorgaben werden auf der Grundlage der diagnostizierten Kostensenkungspotentiale geplant. <?page no="353"?> 336 • Produktorientiertes Kostenmanagement Diagnostiziert werden können produktbezogene Kostensenkungspotentiale durch das interne oder das wettbewerberorientierte Reverse Engineering (vgl. Abschnitt 6.2.4.2) oder im Rahmen des Potential- oder Prozess-Kaizen. Sie können u. a. folgende Aspekte betreffen (vgl. Davila/ Wouters (2004), S. 20 ff.): − die Reduktion der Anzahl der Teile, die in das Produkt eingehen, − die Verwendung von Gleichteilen oder die Nutzung gemeinsamer Prozesse zur Verringerung der Komplexität im direkten und indirekten Leistungsbereich, − die Vereinfachung der Leistungserstellungsprozesse, − die Substitution von Einsatzgütern durch kostengünstigere Alternativen, − die Zusammenarbeit mit den Lieferanten, − die Verringerung der erforderlichen Arbeitsleistung bei der Produktion des Produktes und − die kostengünstige Umsetzung einer Produktfunktion. 6.3.2 Organisation des Produkt-Kaizen Träger des Produkt-Kaizen sind Kaizen-Teams, die für die Planung und Durchführung von Projekten zur Gestaltung des Wertes eines Produktes oder einer Produktgruppe gebildet werden. Sie setzen sich zusammen aus dem Leiter des Werkes, in dem die betrachtete Produktgruppe gefertigt wird, dem zuständigen Produktmanager und den Leitern der betroffenen Bereiche, zu denen die Produktion, die Entwicklung, die Fertigungsvorbereitung und die Beschaffung zählen (vgl. Abb. 6.27). Die Leiter dieser Bereiche richten in ihren Bereichen Arbeitsgruppen ein, welche in enger Abstimmung durch das Kaizen-Team Verbesserungsmaßnahmen planen und umsetzen (vgl. Monden (1999), S. 364 ff.). Das Produkt-Kaizen umfasst die folgenden Phasen (vgl. Monden (1999), S. 367 ff.): − die Analyse der Produkte, − das Feststellen der Zielabweichungen, − die Analyse der Zielabweichungen und das Erarbeiten von Verbesserungsmaßnahmen sowie − die Kontrolle des Zielbeitrags. Der Prozess des Produkt-Kaizen beginnt damit, dass das Kaizen-Team die Produkte analysiert und gemäß ihres Zielbeitrags in eine Rangordnung bringt. Den Produkten mit den geringsten Zielbeiträgen wird in dieser Rangordnung die höchste Priorität zugewiesen. Als Informationsbasis dieser Aufgabe eignet sich eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung. In der zweiten Phase werden zunächst für das Produkt mit der höchsten Priorität die Entwicklung der Absatzmengen, der Erlöse, der Gewinne, der Kosten und der verschiedenen Kostenanteile während einer mittelfristigen Planungsperiode ermittelt und den z. B. im Target Costing gesetzten Zielen gegenübergestellt, um eine tatsächliche oder erwartete Zielabweichung festzustellen . <?page no="354"?> Produkt-Kaizen • 337 Abb. 6.27: Struktur der Projektteams für das Produkt-Kaizen Monden schlägt vor, die Materialeinzelkosten, die Material- und die Fertigungsgemeinkosten und die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten getrennt zu analysieren. Die differenzierte Analyse der Produktkosten soll Hinweise auf die Ursachen der Zielabweichungen geben. Geht die Zielabweichung auf eine Senkung der Absatzmengen oder einen Anstieg der Materialeinzel-, der Materialgemein- oder der Fertigungsgemeinkosten zurück, eignen sich zur Verringerung der Zielabweichung neben Potential und Prozess gestaltenden auch Produkt gestaltende Maßnahmen. Dabei gelangt die Wertanalyse zur Anwendung. Erarbeitet werden die Verbesserungsmaßnahmen durch die fachlich zuständigen Arbeitsgruppen in den Bereichen. Das Kaizen- Team stimmt die Maßnahmen aufeinander ab und entscheidet über ihre Umsetzung. Produktgestaltende Maßnahmen sind ungeeignet, wenn die Zielabweichung auf die Verwaltungs- oder Vertriebsgemeinkosten zurückzuführen ist. In der vierten Phase des Produkt-Kaizen werden auf der Grundlage der geplanten Verbesserungsmaßnahmen Ziele geplant und den verantwortlichen Abteilungen Aufgaben zur Umsetzung dieser Maßnahmen zugewiesen. Die Schritte zur Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen werden mit den verantwortlichen Abteilungen geklärt und zeitlich geplant. Die Erreichung der Verbesserungsziele ist schließlich Gegenstand von Planfortschritts- und Endkontrollen . Nach Abschluss des Prozesses wird er für das in der Rangfolge nachfolgende Produkt erneut begonnen. Kaizen-Team - Leiter des Werkes - Zuständiger Produktmanager - Leiter der Produktion - Leiter der Produktentwicklung - Leiter der Fertigungsvorbereitung - Leiter der Beschaffung Arbeitsgruppe für Produktion und Montage oder produktspezifische Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe Produktentwicklung Arbeitsgruppe Konstruktion Arbeitsgruppe Beschaffung <?page no="355"?> 338 • Produktorientiertes Kostenmanagement 6.4 Wertanalyse als Instrument des Produkt-Kaizen 6.4.1 Wertanalyse in der Unternehmung 6.4.1.1 Wertanalyse als Wertgestaltung und -verbesserung Die Wertanalyse kann sowohl in der Entstehungsphase als auch in der Marktphase des Lebenszyklus eines Produktes eingesetzt werden. Der Einsatz der Wertanalyse bei der Entwicklung von Produkten wird als Wertgestaltung bezeichnet (vgl. DIN EN 1325-1 (1996), S. 3). Sie ist das Kernelement der kostenorientierten Produktplanung (vgl. Monden (1999), S. 247). Die Wertanalyse kann in allen Phasen des Prozesses der kostenorientierten Produktplanung eingesetzt werden. Nach der Phase, in der sie zum Einsatz gelangt, werden drei Varianten der Wertgestaltung unterschieden (vgl. Tani/ Kato (1994), S. 206): − das Zero-Look VE, − das First-Look VE und − das Second-Look VE. Das Zero-Look VE (VE: Value Engineering) gelangt während der Produktkonzeptplanung und dem Konzipieren zur Anwendung. Zweck dieses Verfahrens ist es, neue Funktionen zu finden. Am Ende des Konzipierens und während der ersten Hälfte des Entwerfens werden First-Look VEs durchgeführt, um bereits vorhandene Funktionen zu verbessern. Ab der zweiten Hälfte des Entwerfens wird das Second-Look VE angewendet. Es zielt auf eine Steigerung des Wertes bekannter Komponenten (vgl. Cooper (1995), S. 173 ff.). Abb. 6.28 gibt einen Überblick über die Methoden. Bei Einsatz der Wertanalyse während der Marktphase des Lebenszyklus eines Produktes wird von der Wertverbesserung gesprochen (vgl. Grün (1994), S. 472). Sie ist das zentrale Instrument des Produkt-Kaizen (vgl. Monden (1999), S. 365; Cooper/ Slagmulder (2005b), S. 286). 6.4.1.2 Organisation der Wertanalyse Träger der Wertanalyse sind (in Anlehnung an Hoffmann (1983), S. 94 ff.; DIN EN 12973 (2002), S. 38): − der Wertanalyse-Manager, − der Wertanalyse-Ausschuss, − die Wertanalyse-Teams sowie − die Moderatoren der Wertanalyse-Teams. Der Wertanalyse-Manager ist eine koordinierende und verwaltende Stabsstelle, die der Unternehmungsführung unterstellt ist. Er koordiniert die Aktivitäten zwischen dem Wertanalyse-Ausschuss und den Wertanalyse-Teams, begleitet den Wertanalyse- <?page no="356"?> Wertanalyse • 339 Prozess, stellt die Kommunikation zwischen den betroffenen Bereichen sicher und ist für die Wertanalyse-Berichterstattung zuständig (vgl. Hoffmann (1983), S. 94 ff.). Abb. 6.28: Wertanalyse im Prozess der kostenorientierten Produktplanung Ein Wertanalyse-Ausschuss wird für die Planung und Durchführung von Projekten zur Gestaltung des Wertes der Produkte einer Produktgruppe gebildet. Zu den Aufgaben des Wertanalyse-Ausschusses zählen (vgl. Hoffmann (1983), S. 96 f.; Zentrum Wertanalyse (1995), S. 488; VDI-Richtlinie 2806 (2002), S. 14): − der Abbau von Kreativitätshemmnissen, − das Entscheiden über die Auswahl von Wertanalyse-Projekten und die Reihenfolge ihrer Bearbeitung, − die Bilden der Wertanalyse-Teams und die Benennung der Moderatoren, − das Entscheiden über den zeitlichen Umfang der Freistellung der Mitglieder in den Wertanalyse-Teams von ihren Routine-Aufgaben und die Wertanalyse-Budgets, − das Management der Wertanalyse-Projekte, d. h. • die Aufgaben- und Zeitplanung, • die Kontrolle des Projektfortschritts (Termin- und Kostenkontrolle, Trendaussagen zur Erreichung der Wertanalyse-Ziele), • das Entscheiden über Anpassungsmaßnahmen, wie z. B. die Änderung der Aufgaben und die Anpassung der Projektvorgaben, bzw. den Projektabbruch, sowie − das Beschaffen von Informationen für die Wertanalyse-Teams. Produktkonzeptplanung Klären der Aufgabenstellung Ausarbeiten Entwerfen Konzipieren Zero-Look VE First-Look VE Second-Look VE <?page no="357"?> 340 • Produktorientiertes Kostenmanagement Ein Wertanalyse-Team besteht regelmäßig aus 4-8 Mitgliedern, die möglichst der gleichen Hierarchieebene angehören. In diesen Teams sollten alle Funktionsbereiche vertreten sein, die am Wertanalyse-Objekt funktionserstellend oder kostenverursachend beteiligt sind. Teammitglieder sind in der Regel Mitarbeiter aus dem Absatzbereich, der Produktion, der Entwicklung und dem Controlling (vgl. Bucksch/ Rost (1985), S. 357 ff.). Die Vielfalt der Denkstile und Erfahrungen in multidisziplinär zusammengesetzten Teams hat einen positiven Einfluss auf die kreative Leistung. Sie kann aber auch eine Informationsüberflutung verursachen und es den Mitgliedern erschweren, sich mit dem Team zu identifizieren und für den Teamerfolg verantwortlich zu fühlen. Die Zahl der in einem Wertanalyse-Team vertretenden Funktionsbereiche sollte deshalb in Grenzen gehalten werden. Teams mit starken sozialen Beziehungen zwischen den Mitgliedern streben nach Übereinstimmung, um die sozialen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Es werden deshalb keine neuen Ideen erprobt und erfolgreiche Problemlösungen beibehalten. Zur Sicherung der kreativen Leistung sollten die Wertanalyse-Teams nachfolgender Wertanalyse-Projekte zumindest in einigen Positionen neu besetzt werden (vgl. Sethi/ Smith/ Park (2003), S. 8 f.). Geleitet werden die Wertanalyse-Teams von einem Moderator , der in der Durchführung von Wertanalysen erfahren ist (vgl. DIN EN 1325-1 (1996), S. 4). An einem Wertanalyse-Projekt beteiligt sind weiterhin die Entscheidungsträger in den betroffenen Bereichen sowie die Fachabteilungen , denen die Umsetzung der Lösungsvorschläge obliegt. Bei der Wertanalyse von Produkten sind das z. B. die Entwicklung bzw. Konstruktion, die Arbeitsvorbereitung und die Werkzeugmacherei. Sie sind jedoch keine Mitglieder der Wertanalyse-Teams und leisten ihren Beitrag zur Durchführung des Wertanalyse-Projektes im Rahmen der ihnen durch die Primärorganisation zugewiesenen Aufgaben. 6.4.2 Merkmale der Wertanalyse Zur Kennzeichnung der Wertanalyse werden konstitutive und sonstige Merkmale herangezogen (in Anlehnung an Schröder (1994), S. 154 ff.). Die konstitutiven Merkmale grenzen die Wertanalyse von anderen Konzepten zur Lösung komplexer interdisziplinärer Probleme ab, wie z. B. dem Benchmarking. Sie sind zwingender Bestandteil der Definition des Wertanalyse-Begriffs. Charakteristische Eigenschaften, welche die Wertanalyse mit anderen Konzepten gemeinsam hat, bilden die Gruppe der sonstigen Merkmale . Abb. 6.29 nennt die konstitutiven und sonstigen Merkmale der Wertanalyse (ähnlich bei Monden (1999), S. 248 f.). Unter Berücksichtigung dieser Merkmale kann die Wertanalyse als Instrument des produktorientierten Kostenmanagements wie folgt definiert werden: <?page no="358"?> Wertanalyse • 341 Die Wertanalyse ist ein Verfahren zur Erarbeitung, Bewertung und Realisation neuer oder verbesserter Gestaltungsalternativen für ein Produkt durch die systematische, methodengestützte Analyse und Beurteilung seiner Funktionen durch ein multidisziplinär zusammengesetztes Team mit dem Ziel der Wertsteigerung. Konstitutive Merkmale Sonstige Merkmale − Streng funktionsorientierte Vorgehensweise − Wertsteigerung als Ziel − Systematischer Ablauf − Multidisziplinär zusammengesetzte Projektteams − Kombination verschiedener Methoden Abb. 6.29: Merkmale der Wertanalyse 6.4.2.1 Funktionsorientierte Vorgehensweise Die Wertanalyse zeichnet sich dadurch aus, dass das Wertanalyse-Objekt nicht anhand seiner Komponenten oder Lösungsprinzipien beschrieben wird, sondern anhand seiner Funktionen (vgl. DIN EN 12973 (2002), S. 30). Zweck dieser funktionsorientierten Vorgehensweise ist zum einen das Abstrahieren vom betrachteten Objekt, seinen Komponenten und den durch sie realisierten Prinzipien zur Erfüllung von Funktionen, um der Tendenz entgegenzuwirken, an feststehenden Lösungen festzuhalten und Alternativen bewusst auszuschließen. Durch die funktionsorientierte Vorgehensweise soll das Suchfeld für innovative, bessere oder kostengünstigere Lösungen erweitert werden (vgl. Jehle (1993), Sp. 4655). Zum anderen sollen durch die funktionsorientierte Betrachtung Kostensenkungspotentiale in der Form von unnötigen, redundanten, unangemessenen oder übertriebenen Funktionen oder Problemen bei der Umsetzung von Funktionen erkannt werden (vgl. Monden (1999), S. 248 f.). Eine Funktion ist eine Wirkung des Wertanalyse-Objektes oder einer seiner Komponenten (vgl. DIN EN 1325-1 (1996), S. 4). Beispiel 6.8: Funktionsorientierte Vorgehensweise Beispiele für die Komponenten einer Armbanduhr sind das Gehäuse, das Räderwerk, die Krone, die Zeiger, das Ziffernblatt usw. Wird eine Armbanduhr anhand dieser Merkmale beschrieben, wird das Suchfeld auf eine mechanische Armbanduhr mit Analoganzeige begrenzt. Der Betrieb einer Armbanduhr erfordert Energie. Sie kann auf mechanische (Aufziehen einer Zugfeder), elektrochemische (Batterie), elektrodynamische (AGS-Uhr) Weise oder durch die Umwandlung elektromagnetischer Strahlungsenergie in elektrische Energie (Solarzellen) zugeführt werden. Wird eines dieser Lösungsprinzipien zur Beschreibung der Armbanduhr herangezogen, ist allenfalls <?page no="359"?> 342 • Produktorientiertes Kostenmanagement eine Verbesserung der Umsetzung dieses Lösungsprinzips möglich, jedoch keine wertsteigernder Übergang zu einem anderen Lösungsprinzip. Es wird vorgeschlagen, eine Armbanduhr anhand der Funktionen „Zeitablauf nachbilden“ und „Zeitablauf darstellen“ zu beschreiben (vgl. Gierse (1990), S. 30). Beschrieben werden Funktionen durch ein Substantiv und ein Verb. Das Verb benennt die Tätigkeit, das Substantiv den Gegenstand der Tätigkeit (vgl. Miles (1964), S. 31). Um das Suchfeld zu erweitern, sollten möglichst Oberbegriffe gewählt werden. An die Stelle von „Zucker wiegen“ sollte „Fließgut portionieren“ treten. Nach dem Bezug zum Nutzer, der Art des befriedigten Bedürfnisses und der Wichtigkeit für den Nutzer werden in der Wertanalyse mehrere Arten von Funktionen unterschieden. Abb. 6.30 gibt einen Überblick über diese Funktionen. Nach dem Bezug zum Nutzer des Wertanalyse-Objektes wird in DIN EN 1325-1 ((1996), S. 4) zwischen nutzerbezogenen (Grundfunktionen) und produktbezogenen Funktionen (Hilfsfunktionen) unterschieden. Hier soll jedoch die in Abschnitt 6.2.1.1 eingeführte Abgrenzung beibehalten werden. Diese unterscheidet zwischen − kundenbezogenen Funktionen und − produktbezogenen Funktionen. Kundenbezogene Funktionen beschreiben die Wirkungen des Wertanalyse- Objektes, die zur Befriedigung der Bedürfnisse des Kunden beitragen. Nach der Art des befriedigten Bedürfnisses handelt es sich bei diesen Funktionen entweder um − Gebrauchsfunktionen oder − Geltungsfunktionen. Abb. 6.30: Arten von Funktionen in der Wertanalyse Gebrauchsfunktionen sind die technischen und wirtschaftlichen Wirkungen, die zur Nutzung des Wertanalyse-Objektes notwendig sind. Beispiele für Gebrauchsfunktionen einer Armbanduhr sind „Zeitablauf nachbilden“, „Zeitablauf anzeigen“, „Datum Produktbezogene Funktionen Kundenbezogene Funktionen Gebrauchsfunktionen Geltungsfunktionen Hauptfunktionen Nebenfunktionen Funktionen Unnötige Funktionen Unerwünschte Funktionen <?page no="360"?> Wertanalyse • 343 anzeigen“, „Zeitdauer stoppen“ und „Signal geben“. Die ausschließlich subjektiv wahrnehmbaren, personenbezogenen Wirkungen, die vornehmlich zur Befriedigung emotionaler, ästhetischer oder Prestige-Bedürfnisse oder zur Status-Kennzeichnung beitragen, werden als Geltungsfunktionen bezeichnet (vgl. Kern/ Schröder (1978), S. 376). Geltungsfunktionen einer Armbanduhr sind z. B. „Tragekomfort erhöhen“, „Schmuckcharakter aufweisen“, „Status anzeigen“. Produktbezogene Funktionen sind die Wirkungen einer Komponente oder zwischen den Komponenten eines Wertanalyse-Objektes, welche zur Erfüllung der kundenbezogenen Funktionen beitragen. Sie geben Antwort auf die Frage, wie eine Funktion erfüllt werden kann (vgl. VDI 2800 (2006), S. 5). Zu den produktbezogenen Funktionen einer Armbanduhr zählen z. B. „Energie zuführen“, „Drehmoment erzeugen“, „Ablauf regeln“ und „Bewegung übertragen“. Nach der Wichtigkeit für den Kunden werden − Hauptfunktionen, − Nebenfunktionen, − unerwünschte Funktionen und − unnötige Funktionen abgegrenzt (vgl. Kern/ Schröder (1978), S. 376; DIN EN 1325-1 (1996), S. 5). Zu den Hauptfunktionen zählen die Wirkungen, die für die angestrebte Bedürfnisbefriedigung unverzichtbar sind. Bei einer Armbanduhr sind das „Zeitablauf nachbilden“, „Zeitablauf anzeigen“ und „Korrektur der Zeitanzeige ermöglichen“. Nebenfunktionen sind Wirkungen, welche die Hauptfunktionen ergänzen. Auf sie kann regelmäßig verzichtet werden, ohne dass sich der Charakter des Wertanalyse-Objektes verändert. Bei „Mondphase anzeigen“ und „Zeitdauer stoppen“ handelt es sich um Nebenfunktionen einer Armbanduhr. Unerwünschte Funktionen sind Wirkungen, die für den Kunden nachteilig sind und damit einen negativen Beitrag zum Wert des Wertanalyse- Objektes leisten, wie z. B. „Laufgeräusche verursachen“, „allergische Reaktionen auslösen“. Wirkungen, die nicht zur Befriedigung der Bedürfnisses des Kunden beitragen und damit keinen positiven Beitrag zum Wert des Wertanalyse-Objektes leisten, sind unnötige Funktionen . 6.4.2.2 Systematischer Ablauf Die Wertanalyse ist durch das systematische Arbeiten nach einem Arbeitsplan gekennzeichnet. Ein Wertanalyse-Arbeitsplan schreibt eine Folge von Grundschritten vor, die in mehrere Teilschritte untergliedert sind. Die erfolgreiche Anwendung der Wertanalyse verlangt, dass die Grundschritte des Arbeitsplans vollständig abgearbeitet werden, die Bearbeitungsintensität und -reihenfolge können dabei jedoch projektabhängig variiert werden (vgl. Jehle (1993), Sp. 4650 f.). Die bei der Abarbeitung der <?page no="361"?> 344 • Produktorientiertes Kostenmanagement Grundschritte gewonnenen Erkenntnisse können zu Rückkopplungen führen, d. h. zur Wiederholung einzelner Grundschritte (vgl. Bogaschewsky (2002), Sp. 2115). Der Wertanalyse-Arbeitsplan ist in Deutschland 1973 durch die Norm DIN 69910 erstmals standardisiert worden. Diese Norm ist im August 1987 in überarbeiteter Form erschienen und 1996 vom Deutschen Institut für Normung zurückgezogen worden. Der heute geltende Standard für den Wertanalyse-Arbeitsplan findet sich in der Norm DIN EN 12973, die im Juli 2000 veröffentlicht worden ist. Wie Abb. 6.31 zeigt, stimmen die Wertanalyse-Arbeitspläne nach DIN 69910 und DIN EN 12973 in ihrer Grundstruktur überein (vgl. VDI 2805 (2004), S. 5; zu den Unterschieden vgl. Friedl (2007), S. 15 ff.). Abb. 6.32 zeigt den Wertanalyse-Arbeitsplan nach DIN EN 12973. Grundstruktur DIN 69910: 1973-11 DIN 69910: 1987-08 DIN EN 12973: 2002-02 0 Projektvorbereitung 1 Projektdefinition 1 Projektvorbereitung 1 Vorbereitende Maßnahmen 1 Projekt vorbereiten 2 Projektplanung 3 Sammlung von Daten 2 Analyse 2 Ermitteln des IST- Zustandes 2 Objektsituation analysieren 4 Analyse von Funktionen und Kosten, 3 Zielbildung 3 Prüfen des IST- Zustandes 3 SOLL-Zustand beschreiben Formulieren von Detailzielen 4 Alternativensuche 4 Ermitteln von Lösungen 4 Lösungsideen entwickeln 5 Suche nach Lösungsideen 6 Bewertung der Lösungsideen 7 Entwicklung von Lösungsvorschlägen 5 Bewertung und Entscheidung 5 Prüfen der Lösungen 5 Lösungen festlegen 8 Präsentation der Lösungsvorschläge 6 Realisation 6 Vorschlag und Verwirklichung 6 Lösungen verwirklichen 9 Realisierung Abb. 6.31: Vergleich der Wertanalyse-Arbeitspläne nach DIN 69910 und DIN EN 12973 (in Anlehnung an VDI 2800 (2006), S. 11) 6.4.2.3 Weitere Merkmale Anwendungsbereich der Wertanalyse sind komplexe interdisziplinäre Probleme, die das Verhältnis zwischen den Kosten und dem Nutzen eines Objektes zum Gegenstand haben (vgl. Bronner/ Herr (2003), S. 3). Als interdisziplinär werden Probleme eingestuft, deren Lösung Beiträge mehrerer Fachbereiche der Unternehmung erfordert. Komplex sind Probleme, wenn zu ihrer Bearbeitung viele interdependente Aktivitäten ausgeführt werden müssen. Es ist des- <?page no="362"?> Wertanalyse • 345 halb nicht möglich, sie in Teilprobleme zu gliedern, die unabhängig voneinander gelöst werden können. Probleme mit diesen Eigenschaften müssen von mehreren Fachbereichen der Unternehmung in enger gegenseitiger Abstimmung bearbeitet werden. Um dieser Anforderung zu genügen, werden Wertanalysen generell von multidisziplinär zusammengesetzten Teams durchgeführt. 0 Projektvorbereitung 0.1 Beschreiben des Projektes durch den Antragsteller 0.2 Durchführbarkeitsanalyse, Risikoanalyse 0.3 Erstellen einer Rentabilitätsanalyse 0.4 Auswählen des Entscheidungsträgers und des Wertanalyse-Projektleiters 1 Projektdefinition 1.1 Beschreiben des WA-Objektes 1.2 Feststellen der Rahmenbedingungen (Bewertungskriterien, Restriktionen, Untersuchungsbereich) 1.3 Erfassen von Informationen (Bedürfnisse, Wettbewerber, technische Trends) 1.4 Festlegen der marktorientierten Ziele (Preis, Produktmerkmale, Vorteile gegenüber den Wettbewerbern) 1.5 Festlegen der ökonomischen Ziele (Kosten, Rentabilität) 1.6 Prüfen und Festlegen der strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung 1.7 Planen der Ressourcen für das WA-Projekt 1.8 Benennen und Informieren der Mitwirkenden 1.9 Analysieren und Gestalten der Projekt- und der Produktrisiken 2 Projektplanung 2.1 Bilden des Wertanalyse-Teams 2.2 Erstellen eines Zeitplanes für das WA-Projekt 2.3 Schaffen der Infrastruktur für die Arbeit des Wertanalyse-Teams) 3 Sammlung von Daten 3.1 Sammeln technischer und wirtschaftlicher Informationen (Produkte der Wettbewerber, Stand des Wissens) 3.2 Detaillierte Marktforschung 3.3 Auswerten weiterer Datenquellen (z. B. Patente, Gesetze, Normen) 4 Analyse der Funktionen und Kosten, Formulieren der Detailziele 4.1 Analyse der Funktionen 4.2 Analyse der Kosten und Ermitteln der Funktionenkosten 4.3 Festlegen der Detailziele und Bewertungskriterien 5 Suche nach Lösungsideen 5.1 Sammeln existierender Lösungsideen 5.2 Generieren neuer Lösungsideen 5.3 Kritische Analyse der Ideen auf unnötige und unerwünschte Funktionen 6 Bewertung der Lösungsideen 6.1 Bewerten der Lösungsideen und Verdichten zu Lösungsansätzen 6.2 Auswählen und Abgrenzen von Aufträgen für das Ausarbeiten der Lösungsansätze 6.3 Erstellen eines Arbeits- und Zeitplanes für das Ausarbeiten der Lösungsvorschläge 7 Entwicklung der Lösungsvorschläge 7.1 Ausarbeiten der Lösungsansätze (z. B. durch die Konstruktion) 7.2 Kontrollieren und Anpassen von Entwürfen parallel zum Ausarbeiten 7.3 Bewerten der erarbeiteten Lösungsvorschläge 8 Präsentation der Lösungsvorschläge 8.1 Auswählen der zu präsentierenden Lösungsvorschläge 8.2 Erstellen eines Arbeits- und Zeitplanes für die Realisation der Lösungsvorschläge 8.3 Zusammenstellen einer Entscheidungsvorlage für den Entscheidungsträger 8.4 Erwirken einer Entscheidung durch den Entscheidungsträger 8.5 Berichten gegenüber dem WA-Team und Auflösen des Wertanalyse-Teams <?page no="363"?> 346 • Produktorientiertes Kostenmanagement 9 Realisierung 9.1 Kontrollieren und Anpassen der Lösung parallel zur Realisierung 9.2 Durchführen weiterer Sitzungen des Wertanalyse-Teams im Bedarfsfall 9.3 Abgleichen der aktuellen mit den prognostizierten Ergebnissen 9.4 Kommunizieren erzielter Ergebnisse, technischer, allgemeiner Informationen 9.5 Dokumentieren der Projektergebnisse und der Erfahrungen mit der Methodik Abb. 6.32: Arbeitsplan der Wertanalyse in Anlehnung an DIN EN 12973: 2002-02 und VDI 2800: 2006-07 Bei der Durchführung einer Wertanalyse gelangt in den verschiedenen Grundschritten eine Vielzahl von Methoden zur Anwendung (zu einer umfassenden Übersicht vgl. VDI 2805 (2004), S. 7 ff.). Die Vorbereitung des Projektes kann durch Instrumente der Projektplanung unterstützt werden, wie z. B. die Netzplantechnik. Diese werden auch für die Planung der Aktivitäten zur Umsetzung der Lösungsvorschläge und zur Realisation des ausgewählten Lösungsvorschlags benötigt. Für die Analyse der Ist- Situation werden Funktionenanalyse- und -strukturierungstechniken (z. B. FAST- Methode), Methoden zur Kalkulation der Kosten von Komponenten und der Verrechnung dieser Kosten auf die Funktionen des Wertanalyse-Objektes benötigt. Zur Entwicklung von Lösungsideen werden Kreativitätstechniken eingesetzt. Im Vordergrund stehen hierbei das Brainstorming und die Morphologische Methode. Für die Bewertung und Entscheidung über die Lösungsvorschläge werden Bewertungsverfahren herangezogen, wie z. B. die Nutzwertanalyse oder Verfahren der Investitionsrechnung (vgl. Schröder (1994), S. 159). 6.4.3 Ausgewählte Phasen des Wertanalyse-Arbeitsplanes 6.4.3.1 Teilschritte der Analyse Die Analyse (Grundschritt 4) umfasst im Wertanalyse-Arbeitsplan nach DIN EN 12973 u. a. die beiden folgenden Teilschritte : − die Analyse der Funktionen (Teilschritt 4.1) und − die Ermittlung der Funktionenkosten (Teilschritt 4.2). (1) Analyse der Funktionen In Teilschritt 4.1 werden die kunden- und produktbezogenen Funktionen in Abstimmung mit den Kundenbedürfnissen festgelegt. Eine verwandte Fragestellung ist Gegenstand der Produktkonzeptplanung. Ein Ansatz zur Unterstützung der Produktkonzeptplanung ist das Quality Function Deployment (QFD). Dieses Instrument ist geeignet, diesen Teilschritt der Wertanalyse zu unterstützen. Die Norm DIN EN 12973 sieht für diesen Teilschritt die Durchführung einer Funktionenanalyse vor. Die Funktionenanalyse ist ein Prozess, in dem die Funktionen eines Wertanalyse- Objektes erfasst, vollständig beschrieben, mit den Kundenbedürfnissen abgestimmt, <?page no="364"?> Wertanalyse • 347 klassifiziert, systematisch dargestellt und bewertet werden (vgl. DIN EN 1325-1 (1996), S. 4). Die Funktionenanalyse wird in folgenden Schritten durchgeführt (vgl. Korte (1977), S. 66 ff.; DIN EN 12973 (2002), S. 40 f.): − Schritt 1: Erkennen und Auflisten der Funktionen − Schritt 2: Systematisieren der Funktionen − Schritt 3: Charakterisieren der Funktionen − Schritt 4: Aufstellen einer hierarchischen Funktionenordnung − Schritt 5: Bewerten der Funktionen Ausgehend von den identifizierten und als relevant bewerteten Bedürfnissen des Kunden wird im ersten Schritt der Funktionenanalyse der Endzweck des Wertanalyse- Objektes vollständig beschrieben. Hierzu werden die kundenbezogenen Funktionen formuliert und als Gebrauchsbzw. Geltungsfunktionen gekennzeichnet. Anschließend werden die kundenbezogenen Funktionen den Bedürfnissen der Kunden gegenübergestellt und angepasst (vgl. VDI 2800 (2006), S. 14). Im zweiten Schritt werden aus den festgestellten kundenbezogenen Funktionen die produktbezogenen Funktionen abgeleitet. Sie sind derart abzugrenzen, dass ihr Zusammenwirken die kundenbezogenen Funktionen ergeben. Dieser Schritt gibt Antworten auf die Frage, wie die kundenbezogenen Funktionen erfüllt werden. Sind die produktbezogenen Funktionen bestimmt, werden die lösungsbedingenden Vorgaben ermittelt. Das sind Merkmale, Wirkungen oder konstruktive Besonderheiten, die vorgeschrieben oder verboten sind. Sie können u. a. durch Gesetze, die Marktnachfrage oder verfügbare Ressourcen bestimmt sein (vgl. VDI 2800 (2006), S. 3). Sofern eine produktbezogene Funktion nicht unverändert übernommen werden soll und deshalb zu hinterfragen ist, wird sie in Teilfunktionen gegliedert, deren Zusammenwirken genau zu der produktbezogenen Funktion führt. Diese werden weiter untergliedert, bis akzeptierte Teilfunktionen erreicht sind, d. h. Teilfunktionen, die unverändert übernommen werden sollen. Dadurch ergibt sich eine Funktionenstruktur, die mehrere Hierarchieebenen umfassen kann. Die Funktionen und die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen werden in einem Funktionenbaum oder einem FAST-Diagramm dargestellt (vgl. Gierse (1990), S. 35 ff.). Beispiel 6.9 zeigt einen Ausschnitt aus dem Funktionenbaum für eine Kaffeemaschine. Die Verbindungslinien zwischen den Funktionen zeigen, welche Teilfunktionen zusammenwirken müssen, um eine übergeordnete produkt- oder kundenbezogene Funktion zu realisieren. Beispiel 6.9: Funktionenanalyse Zu den kundenbezogenen Funktionen einer Kaffeemaschine zählen „Kaffee warm halten“, „Aroma bewahren“ und „Kaffee zubereiten“. Die Funktion „Kaffee zubereiten“ ergibt sich aus dem Zusammenwirken der produktbezogenen Funktionen „Wasser erhitzen“, „Kaffee aufbrühen“ und „Kaffee und Kaffeesatz trennen“. Sie bilden <?page no="365"?> 348 • Produktorientiertes Kostenmanagement Elemente der ersten Ebene des Funktionenbaums. Wird jede dieser produktbezogenen Funktionen auf der zweiten Ebene in mehrere Teilfunktionen gespalten, kann sich der in Abb. 6.33 dargestellte Funktionenbaum ergeben. Abb. 6.33: Ausschnitt aus dem Funktionenbaum einer Kaffeemaschine Die produktbezogenen Funktionen der zweiten Ebene müssen nicht die akzeptierten Teilfunktionen sein. Der Funktion „Energie umwandeln“ können auf der dritten Ebene des Funktionenbaumes die Teilfunktionen „Wärme erzeugen“ und „Wasser der Wärmequelle zuführen“ zugeordnet sein. Aus Gründen der Vereinfachung werden im Folgenden die Teilfunktionen der dritten und aller nachfolgenden Ebenen vernachlässigt. Es wird angenommen, dass die Teilfunktionen der zweiten Ebene akzeptiert sind. Die festgestellten kunden- und produktbezogenen Funktionen werden im dritten Schritt mit quantifizierenden Maßgrößen versehen, welche den Erfüllungsgrad der jeweiligen Funktion spezifizieren, wie z. B. „4 Tassen Kaffee in 6 Minuten brühen“, „Gewicht zwischen 100 g bis 10 kg ermitteln“ oder „800 l Flüssigkeit pro Stunde fördern“. Im vierten Schritt werden die Funktionen nach ihrer Bedeutung für die Kunden in eine Rangordnung gebracht und im fünften Schritt entsprechend ihrer Bedeutung für die Kunden gewichtet. Die Gewichtungsfaktoren der produktbezogenen Funktionen können nach der Delphi- oder der DARE-Methode (vgl. Abschnitt 6.2.3.3) ermittelt werden. Sie können aber auch wie beim QFD (Schritte 2 und 7) aus Aroma bewahren Wasser erhitzen Kaffee aufbrühen Kaffee vom Kaffeesatz trennen Wasser speichern Kaffeesatz zurückhalten Kaffee speichern Kaffee ableiten Heißes Wasser zuführen Kaffeemehl speichern Energie umwandeln Kaffee warm halten Kaffee zubereiten Kaffee zubereiten Kaffeemehl verschließen Kaffee verschließen Wärme speichern <?page no="366"?> Wertanalyse • 349 der relativen Bedeutung der kundenbezogenen Funktionen hergeleitet werden. Sind die Gewichtungsfaktoren ermittelt, werden die unnötigen und die unerwünschten Funktionen festgestellt und markiert. (2) Ermitteln der Funktionenkosten Gegenstand dieses Teilschrittes eines Wertanalyse-Projektes ist die Ermittlung der Funktionenkosten zur Festlegung von Kostensenkungsschwerpunkten (in Anlehnung an Korte (1977), S. 76). Die Funktionenkosten sind nach DIN EN 12973 ((2002), S. 47) die Produktkosten zur Erfüllung einer spezifischen Funktion des Wertanalyse-Objektes. Die Summe der Funktionenkosten ist gleich den Produktkosten des Wertanalyse-Objektes. Die bekannten Systeme der Kostenrechnung (z. B. Grenzplankostenrechnung) sehen nur die Berechnung der Kosten von Produkten und Komponenten (Baugruppen, Bauteile) vor. Die Funktionenkosten müssen deshalb in einer Auswertungsrechnung ermittelt werden, die folgende Schritte vorsieht (vgl. Korte (1977), S. 71 ff.; Schröder (1994), S. 161): − Schritt 1: Ermitteln der Produktkosten der verschiedenen Komponenten des Wertanalyse-Objektes − Schritt 2: Verrechnen der Produktkosten der Komponenten auf die produktbezogenen Funktionen der untersten Ebene des Funktionenbaums − Schritt 3: Berechnen der Produktkosten der Funktionen auf den höheren Ebenen des Funktionenbaums durch Aggregation der Produktkosten der jeweils untergeordneten produktbezogenen Funktionen In Schritt 1 werden die Kosten der einzelnen Komponenten des Wertanalyse- Objektes der Kostenträgerstückrechnung entnommen. Da die Montagekosten keiner einzelnen Komponente zugerechnet werden können, werden sie getrennt ausgewiesen (vgl. Korte (1977), S. 78 f.). Nach der Zurechenbarkeit der Komponentenkosten zu den Funktionen werden − die Funktioneneinzelkosten und − die Funktionengemeinkosten unterschieden. Wird eine Komponente zur Umsetzung nur einer einzelnen Funktion benötigt, können ihre Kosten dieser Funktion direkt zugerechnet werden. Entfällt die Funktion, entfallen auch diese Kosten. Bei diesen Kosten handelt es sich um Funktioneneinzelkosten . Eine Komponente kann jedoch auch zwei oder mehreren Funktionen gemeinsam dienen. Die Teile der Kosten einer solchen Komponente, die sich keiner einzelnen Funktion direkt zurechnen lassen, stellen die Funktionengemeinkosten dar (vgl. Schröder (1994), S. 162). <?page no="367"?> 350 • Produktorientiertes Kostenmanagement Beispiel 6.10: Funktioneneinzel- und -gemeinkosten Die Kaffeemaschine aus Beispiel 6.3 besteht aus sechs Komponenten, dem Wassertank, dem Gehäuse, dem Heizkörper, dem Steigrohr, dem Filter und der Thermoskanne. Der Wassertank trägt nur zur Realisation der Funktion „Wasser speichern“ bei. Seine Kosten zählen damit zu den Funktioneneinzelkosten. Die Thermoskanne leistet dagegen sowohl einen Beitrag zu der Funktion „Kaffee speichern“ als auch zu den Funktionen „Kaffee warm halten“ und „Aroma bewahren“. Bei Wegfall der Funktion „Kaffee warm halten“ könnte anstelle der Thermoskanne eine einfache Glaskanne verwendet werden. Die Mehrkosten der Thermoskanne gegenüber einer einfachen Glaskanne können damit der Funktion „Kaffee warm halten“ als Funktioneneinzelkosten zugeordnet werden. Die Kosten der Glaskanne stellen dagegen Funktionengemeinkosten dar. Für die Berechnung der Funktionenkosten werden drei Konzepte vorgeschlagen (vgl. Kern/ Schröder (1978), S. 379): − das Konzept der marginalen Funktionenkosten, − das Konzept der gesamten Funktionenkosten sowie − das Konzept der anteiligen Funktionenkosten. Beim Konzept der marginalen Funktionenkosten werden einer Funktion nur die Kosten zugerechnet, die beim Verzicht auf diese Funktion entfallen würden, d. h. die Funktioneneinzelkosten. Die Summe der Funktionenkosten ist damit kleiner als die Produktkosten des Wertanalyse-Objektes. Nach dem Konzept der gesamten Kosten werden einer Funktion die Produktkosten aller Komponenten vollständig zugeordnet, die zur Umsetzung dieser Funktion beitragen, d. h. auch die gesamten Produktkosten der Komponenten, die mehreren Funktionen dienen. Die Summe der Funktionenkosten übersteigt damit die Produktkosten des Wertanalyse-Objektes. Das Konzept der anteiligen Kosten sieht die Verrechnung der Funktionengemeinkosten über Verteilungsgrößen auf die Funktionen vor. Die Summe der Funktionenkosten stimmt bei diesem Konzept mit den Produktkosten des Wertanalyse-Objektes überein. Nach DIN 12973 werden die Funktionenkosten nach dem Konzept der anteiligen Funktionenkosten ermittelt (vgl. DIN EN 12973 (2002), S. 47). Als Verteilungsgrößen zur Verrechnung der Funktionengemeinkosten werden die Anteile der Komponente an der Umsetzung der jeweiligen Funktionen vorgeschlagen (vgl. Korte (1977), S. 71), die durch Komponentenkoeffizienten ρ mn abgebildet werden. Diese sind verwandt mit den Komponentenkoeffizienten r nm , die zur Bestimmung der Komponentengewichte für die Ableitung der Komponentenkostenvorgaben im Target Costing ermittelt werden. Bei der Produktkostenplanung werden mit den Komponentenkoeffizienten jedoch Funktionenkostenvorgaben auf Komponenten verteilt, während bei der Wertanalyse die Produktkosten der Komponenten den Funktionen zugerechnet werden. Die Werte der Komponentenkoeffizienten in der Wertanalyse <?page no="368"?> Wertanalyse • 351 und bei der Produktkostenplanung stimmen deshalb nicht überein (vgl. Glaser/ Noltemeier (2006), S. 11). Um im zweiten Schritt die Produktkosten der Komponenten auf die produktbezogenen Funktionen verrechnen zu können, sind zunächst die Komponentenkoeffizienten ρ mn zu bestimmen. Der Komponentenkoeffizient ρ mn gibt den Anteil der Komponente m (m = 1, ..., M) an, der zur Umsetzung der produktbezogenen Funktion n (n = 1, ..., N) beiträgt. Die Produktkosten der produktbezogenen Funktionen ergeben sich anschließend wie folgt: M Fn mn Tm m 1 K K = = ρ ⋅ ∑ für n = 1, ..., N, wobei K Fn = Produktkosten der produktbezogenen Funktion n (n = 1, ..., N), K Tm = Produktkosten der Komponente m. Die Produktkosten der im Funktionenbaum übergeordneten Funktionen werden durch Addition der Produktkosten der ihnen zugeordneten produktbezogenen Funktionen der untersten Ebene des Funktionenbaums ermittelt. Erfasst werden die Funktionenkosten in einer Funktionenkostenmatrix . Sie weist für jede Funktion die ihr zugerechneten Produktkosten jeder einzelnen Komponente aus. Beispiel 6.11: Funktionenkostenmatrix Die folgende Tabelle zeigt die Kosten, die für die Komponenten der Kaffeemaschine aus Beispiel 6.3 kalkuliert worden sind, sowie die Komponentenkoeffizienten für die produktbezogenen Funktionen. Komponente Funktion Montage Gehäuse Wassertank Steigrohr Heizkörper Filter Thermoskanne Kosten der Komponenten in € 4,80 9,40 0,80 2,50 6,40 6,50 11,40 Wasser erhitzen Wasser speichern 0,18 0,06 1,0 Energie umwandeln 0,25 1,0 Kaffee aufbrühen Gemahlenen Kaffee speichern 0,17 0,04 0,12 Heißes Wasser zuführen 0,2 0,06 0,75 0,12 Kaffee vom Kaffeesatz trennen Kaffee ableiten 0,2 Kaffee speichern 0,04 0,25 Kaffeesatz zurückhalten 0,36 <?page no="369"?> 352 • Produktorientiertes Kostenmanagement Aroma bewahren Kaffeemehl verschließen 0,1 0,3 0,05 Kaffee verschließen 0,1 0,1 0,05 0,25 Kaffee warm halten Wärme speichern 0,4 0,25 0,1 0,5 Folgende Tabelle zeigt die Funktionenkostenmatrix. Die Kosten des Gehäuses, die der produktbezogenen Funktion „Heißes Wasser zuführen“ zugerechnet werden, sind wie folgt zu ermitteln: 9,40 € ⋅ 0,06 = 0,564 €. Komponente Funktionen Montage Gehäuse Wassertank Steigrohr Heizkörper Filter Thermoskanne Summe Wasser erhitzen 2,064 0,564 0,80 2,50 5,928 Wasser speichern 0,864 0,564 0,80 2,228 Energie umwandeln 1,2 2,50 3,70 Kaffee aufbrühen 1,776 0,94 4,80 1,56 9,076 Gemahlenen Kaffee speichern 0,816 0,376 0,78 1,972 Heißes Wasser zuführen 0,96 0,564 4,80 0,78 7,104 Kaffee vom Kaffeesatz trennen 0,376 3,64 2,85 6,866 Kaffee ableiten 1,30 1,30 Kaffee speichern 0,376 2,85 3,226 Kaffeesatz zurückbehalten 2,34 2,34 Aroma bewahren 0,96 3,76 0,65 2,85 8,22 Kaffeemehl verschließen 0,48 2,82 0,325 3,625 Kaffee verschließen 0,48 0,94 0,325 2,85 4,595 Kaffee warm halten 3,76 1,60 0,65 5,70 11,71 Wärme speichern 3,76 1,60 0,65 5,70 11,71 Summe 4,80 9,40 0,80 2,50 6,40 6,50 11,40 41,80 Der Wertindex einer produktbezogenen Funktion wird berechnet, indem ihr Funktionengewicht durch den Anteil der für sie berechneten Produktkosten an den Produktkosten des Wertanalyse-Objektes dividiert wird (vgl. Monden (1999), S. 257). Für den Wertindex einer produktbezogenen Funktion j gilt n n Fn g z k = mit Fn Fn N Fj j 1 K k K = = ∑ für n = 1, ..., N, wobei z n = Wertindex der produktbezogenen Funktion n (n = 1, ..., N), g n = Funktionengewicht der produktbezogenen Funktion n, k Fn = Anteil der Produktkosten der produktbezogenen Funktion n an den Produktkosten des Wertanalyse-Objektes. <?page no="370"?> Wertanalyse • 353 Ist der Wertindex einer Funktion kleiner 1, ist ihr Anteil an den Produktkosten im Vergleich zu ihrer Bedeutung für den Kunden zu hoch. Die Produktkosten dieser Funktion sollten gesenkt werden. Beispiel 6.12: Wertindices Für die Funktionen der Kaffeemaschine lauten die Wertindices wie folgt: Produktbezogene Funktion Funktionengewicht (vgl. Beispiel 6.1) Kostenanteil (vgl. Beispiel 6.11) Wertindex Wasser speichern 0,05 2,228/ 41,80 = 0,053 0,94 Energie umwandeln 0,06 3,70/ 41,80 = 0,088 0,68 Kaffeemehl speichern 0,1 1,972/ 41,80 = 0,047 2,12 Heißes Wasser zuführen 0,1 7,104/ 41,80 = 0,17 0,59 Kaffee ableiten 0,03 1,30/ 41,80 = 0,031 0,96 Kaffee speichern 0,1 3,226/ 41,80 = 0,077 1,3 Kaffeesatz zurückhalten 0,06 2,34/ 41,80 = 0,056 1,07 Kaffeemehl verschließen 0,1 3,625/ 41,80 = 0,087 1,15 Kaffee verschließen 0,1 4,595/ 41,80 = 0,11 0,91 Wärme speichern 0,3 11,71/ 41,80 = 0,28 1,07 Produktbezogene Funktionen mit sehr niedrigen Wertindices sind „Energie umwandeln“, und „Heißes Wasser zuführen“. Sie sollten Schwerpunkte der wertanalytischen Betrachtung bilden. 6.4.3.2 Teilschritte der Zielbildung Teilschritte der Zielbildung sind vor allem − das Festlegen der Soll-Funktionen und − die Planung von Produktkostenvorgaben für die Soll-Funktionen. (1) Festlegen der Soll-Funktionen Die Soll-Funktionen beschreiben den angestrebten Zustand des Wertanalyse- Objektes. Festgelegt werden die Soll-Funktionen, indem an der Spitze des Funktionenbaums beginnend für jede Funktion analysiert wird, ob sie nötig ist. Nur wenn diese Frage eindeutig bejaht werden kann, wird die jeweilige Ist-Funktion zur Soll-Funktion. Diese Situation liegt vor, wenn zu − der Funktion keine alternativen Funktionen existieren, − die Ist-Funktion einen höheren Wertindex aufweist als alternative Funktionen oder − die Ist-Funktion eine lösungsbedingende Vorgabe ist. <?page no="371"?> 354 • Produktorientiertes Kostenmanagement Wird die Frage nach der Notwendigkeit einer Funktion verneint, gibt es zwei alternative Vorgehensweisen (vgl. Bronner/ Herr (2003), S. 100 f.): (1) der Austausch und (2) die Elimination der Funktion. Ausgetauscht werden Funktionen, für die eine Alternative mit einem höheren Wertindex existiert. Eine Alternative für die produktbezogene Funktion „Wärme speichern“ zur Umsetzung der kundenbezogenen Funktion „Kaffee warm halten“ wäre „Wärme zuführen“. Diese Funktion kann mit einer einfachen Glaskanne und einer Heizplatte realisiert werden, so dass keine Thermoskanne benötigt wird. Eliminiert werden zunächst die unnötigen Funktionen. Weiterhin werden Nebenfunktionen mit einem Wertindex eliminiert, der kleiner als 1 ist, sofern keine alternative Funktion mit einem höheren Wertindex existiert. Zur Unterstützung der Entscheidungen über die Soll-Funktionen sind Funktionenkosten mit anteiligen Funktionengemeinkosten nicht geeignet. Dieser Teilschritt verlangt vielmehr die Ermittlung der marginalen Funktionenkosten. Sind alle Funktionen überprüft kann schließlich noch versucht werden, das Wertanalyse-Objekt um zusätzliche Funktionen zu erweitern oder das Niveau unerwünschter Funktionen zu reduzieren. Zusätzlich berücksichtigt werden können Nebenfunktionen mit einem Wertindex, der über 1 liegt. Bei der Reduktion des Niveaus unerwünschter Funktionen handelt es sich um eine Verminderung unerwünschter Wirkungen des Produktes, wie z. B. Energieverbrauch und Betriebsgeräusche. Die Elimination, der Austausch und die Reduktion des Niveaus einer Funktion machen die Anpassung aller der ihr untergeordneten Teilfunktionen notwendig. (2) Planung von Funktionenkostenvorgaben Liegen die Soll-Funktionen fest, werden für die Funktionen auf der untersten Ebene des Funktionenbaums die Funktionenkostenvorgaben geplant. Für die Planung der Funktionenkostenvorgaben werden in der Literatur zur Wertanalyse u. a. folgende Verfahren vorgeschlagen (vgl. Korte (1977), S. 146 ff.): − die Spaltung der Produktkostenvorgabe für das Wertanalyse-Objekt in Funktionenkostenvorgaben nach ihrer Bedeutung für den Kunden (vgl. Abschnitt 6.2.3.3) und − der Vergleich mit den Funktionenkosten eines ähnlichen Objektes aus dem Produktionsprogramm der Unternehmung oder eines Wettbewerbers. Bei Anwendung des ersten Verfahrens werden die Funktionenkostenvorgaben keiner Realisierbarkeitsprüfung unterzogen. Verfahren, die auf dem Vergleich mit einem ähnlichen Objekt basieren, gehen dagegen von einem Produktkostenniveau aus, das bereits einmal realisiert worden ist. Offen bleibt jedoch, ob dieses Niveau beim Wertanalyse-Objekt erreichbar ist. Es bietet sich deshalb an, durch die ausführende Abteilung minimale Funktionenkosten schätzen zu lassen. Die abgeleiteten und die minimalen Funktionenkosten bilden die Grenzen eines Intervalls möglicher Funktionenkos- <?page no="372"?> Wertanalyse • 355 tenvorgaben. In Verhandlungen legen das Wertanalyse-Team und die ausführende Abteilung eine Funktionenkostenvorgabe fest. 6.4.3.3 Teilschritte bei der Alternativensuche und Bewertung In dieser Teilphase werden zunächst für jede einzelne Soll-Funktion alle denkbaren Lösungsideen gesucht, aus denen alternative Lösungen entwickelt werden. Aus der Vielzahl der entstehenden Lösungen werden in einem mehrstufigen Bewertungsprozess mindestens drei Erfolg versprechende Lösungsvorschläge ausgewählt, die anschließend vollständig ausgearbeitet und dem Entscheidungsträger zur Entscheidung vorgelegt werden. Auf jeder Stufe des Bewertungsprozesses weisen die Lösungsideen und -vorschläge einen höheren Detaillierungsgrad auf und werden mit zunehmend differenzierten Kriterien bewertet. Diese Phase der Wertanalyse vollzieht sich vor allem in den folgenden Teilschritten des Wertanalyse-Arbeitsplanes nach DIN EN 12973: − Teilschritt 1: Sammeln und Finden von Lösungsideen (5.1) − Teilschritt 2: Generieren von Lösungsideen (5.2) − Teilschritt 3: Bewerten und Verdichten von Lösungsideen (6.1) − Teilschritt 4: Bewerten der Lösungsansätze und Auswahl der auszuarbeitenden Ansätze (6.2) − Teilschritt 5: Überprüfen und Bewerten der Lösungsvorschläge (7.2, 7.3) Teilschritt 1 verlangt die Auswertung von Erfahrungen und vorhandenem Wissen. Es sollen alle Lösungen erfasst werden, die für eine Funktion bereits realisiert worden sind. Hierzu werden vor allem die Produkte der Unternehmung und der Wettbewerber sowie verwandte Produkte aus anderen Branchen analysiert, d. h. Produkte mit ähnlichen Funktionen. Ziel des Teilschrittes 1 ist es, bekannte Lösungsideen zu finden. Diese sollen um innovative Lösungsideen ergänzt werden. Aufgabe des Wertanalyse- Teams in Teilschritt 2 ist deshalb die Suche nach innovativen Lösungsideen. Unterstützt werden kann die Arbeit des Wertanalyse-Teams durch den Einsatz von Kreativitätstechniken (vgl. Bronner/ Herr (2003), S. 103 ff.; VDI-Richtlinie 2806 (2002), S. 10 ff.). Eine Lösungsidee betrifft nur einzelne Elemente einer Lösung, wie z. B. das Lösungsprinzip (z. B. elektrisch, mechanisch), die Gestalt, das Material, die Technologie (z. B. Urformen, Umformen, Spanen). Erst wenn Ausprägungen dieser Elemente kombiniert werden, entsteht eine Lösung für eine Funktion (vgl. Bronner/ Herr (2003), S. 33, 110 f.). Aus der Ideensammlung und -entwicklung können sehr viele Lösungsideen für eine Funktion resultieren, die sich zu einer noch größeren Zahl von Lösungsvorschlägen kombinieren lassen. Vor dem Verdichten zu Lösungsvorschlägen wird deshalb in Teilschritt 3 aus der Menge der gefundenen Lösungsideen zunächst eine Vorauswahl der Ideen getroffen, die Lösungen mit einem hohen Zielbeitrag er- <?page no="373"?> 356 • Produktorientiertes Kostenmanagement warten lassen. Aus den ausgewählten Lösungsideen werden anschließend Lösungsvorschläge generiert. Dieser Teilschritt kann durch die morphologische Methode unterstützt werden (vgl. Bronner/ Herr (2003), S. 36). Die generierten Lösungsvorschläge werden in Teilschritt 4 hinsichtlich Realisierbarkeit, Beitrag zu den angestrebten Zielen und der für die Entwicklung erforderlichen Zeitdauer beurteilt. Da in diesem Teilschritt nur grobe Vorstellungen zu den Lösungen existieren, können sie nur qualitativ bewertet werden. Dieser Teilschritt führt zu einer Gliederung in A-, B- und C-Vorschläge (vgl. Bronner/ Herr (2003), S. 35): − A-Vorschläge: Lösungsvorschläge mit hohem Zielbeitrag und Risiko, die mittel- oder langfristig entwickelt werden können − B-Vorschläge: Lösungsvorschläge mit mittlerem Zielbeitrag und Risiko − C-Vorschläge: Lösungsvorschläge mit geringem Zielbeitrag und Risiko, die kurzfristig entwickelt werden können Aus diesen Vorschlägen wird für die zuständigen Fachabteilungen (z. B. Konstruktion) ein Arbeitsprogramm geplant, das die Ausarbeitung der ausgewählten Lösungsvorschläge und ihre Prioritäten festlegt. Dieses Arbeitsprogramm wird den zuständigen Fachabteilungen anschließend übermittelt. Parallel zur Ausarbeitung der Lösungsvorschläge durch die zuständigen Fachabteilungen werden die Entwürfe in Teilschritt 5 vom Wertanalyse-Team geprüft. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Analyse entscheidet das Wertanalyse-Team für jeden Entwurf über das weitere Vorgehen, d. h. den Abbruch oder die Fortsetzung der Ausarbeitung. Sind die Lösungsvorschläge vollständig ausgearbeitet, werden sie in Teilschritt 5 hinsichtlich Zielbeitrag, Risiko sowie der für die Realisation erforderlichen Investitionen bewertet und eine Entscheidungsvorlage erstellt, die den zuständigen Entscheidungsträgern vorgelegt wird. Die Realisation und Kontrolle des ausgewählten Lösungsvorschlages (vgl. Grundschritt 9) obliegt der ausführenden Abteilung und den Entscheidungsträgern (vgl. DIN EN 12973 (2002), S. 38). <?page no="374"?> 7 Potentialorientiertes Kostenmanagement 7.1 Abgrenzung des potentialorientierten Kostenmanagements 7.1.1 Begriff des potentialorientierten Kostenmanagements Zur Durchführung der Prozesse für die Realisation des Leistungsprogramms der Unternehmung müssen Ressourcen (Produktionsfaktoren, Einsatzgüter) eingesetzt werden. Nach dem Verbrauch werden zwei Arten von Ressourcen unterschieden: − die Repetierfaktoren und − die Potentialfaktoren. Repetierfaktoren sind beliebig teilbare Einsatzgüter, die nur einmal in den Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess eingesetzt werden und anschließend verbraucht sind. Sie gehen im Leistungserstellungsprozess materiell unter und müssen in relativ kurzen Zeitabständen neu beschafft werden. Zu den Repetierfaktoren zählen die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, die unfertigen Erzeugnisse und die Einbauteile. Potentialfaktoren sind nicht beliebig teilbare Produktionsfaktoren, die im Leistungserstellungsprozess gebraucht werden. Sie verkörpern ein Leistungspotential, von dem bei jedem Einsatz zur Leistungserstellung ein Teil abgegeben wird (vgl. Heinen (1983), S. 247). Zu den Potentialfaktoren gehören vor allem die menschliche Arbeit und die Betriebsmittel, d. h. die Einrichtungen und Anlagen, welche die technischen Voraussetzungen der Leistungserstellung bilden (z. B. Gebäude, Maschinen, Fördereinrichtungen, Messgeräte). Durch die Kombination der Ressourcen entsteht das Leistungspotential der Unternehmung. Das Leistungspotential sind die zu produktiven Einheiten und Systemen kombinierten Potential- und Repetierfaktoren zur Erstellung des Leistungsprogramms der Unternehmung (vgl. Kern (1990), S. 149). Die Entscheidungen über das Leistungspotential bilden den Gegenstand der Potentialgestaltung (vgl. Kern (1990), S. 148). Sie erstreckt sich auf die quantitative und qualitative Zusammensetzung des Leistungspotentials im Rahmen der Vorgaben des geplanten Leistungsprogramms, die termingerechte Bereitstellung am Einsatzort, die Entsorgung nicht mehr benötigter Reste sowie im Falle von Potentialgütern die Wartung und Instandsetzung. Das potentialorientierte Kostenmanagement ist ein Gestaltungsbereich des Kostenmanagements der Unternehmung (vgl. Abschnitt 1.3.3). Es zielt auf die Gestaltung der Effizienz durch die Einflussnahme auf die Bereitstellung des Leistungspotentials zur Realisation des Leistungsprogramms der Unternehmung. Die Effizienz ist dabei das Verhältnis aus der Deckung des Ressourcenbedarfs und den dadurch verursachten Kosten. Da der Ressourcenbedarf durch das Leistungsprogramm definiert ist, ist das <?page no="375"?> 358 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Gestaltungsobjekt auf den Mitteleinsatz für die Bedarfsdeckung begrenzt. Das potentialorientierte Kostenmanagement ist damit durch folgende Merkmale gekennzeichnet: − die Total Cost of Ownership als Gestaltungsobjekt, − das für die Realisation des geplanten Leistungsprogramms erforderliche Leistungspotential als effektivitätsbezogene Restriktion und − die Einflussgrößen der Total Cost of Ownership als Gestaltungsparameter. Das potentialorientierte Kostenmanagement ist die zielorientierte Gestaltung der Total Cost of Ownership der Produktionsfaktoren für die Realisation des Leistungsprogramms durch die Einflussnahme auf die Träger von Entscheidungs- und Ausführungshandlungen zur Bereitstellung des Leistungspotentials der Unternehmung. 7.1.2 Merkmale des potentialorientierten Kostenmanagements 7.1.2.1 Total Cost of Ownership als Gestaltungsobjekt Der Lebenszyklus eines Produktionsfaktors umfasst den Zeitraum, über den er zielwirksam ist (vgl. Götze (2000), S. 267). Nach den Aktivitäten, die sich auf die Produktionsfaktoren beziehen, kann der Lebenszyklus eines Produktionsfaktors in Phasen gegliedert werden. Abb. 7.1 nennt die Phasen in den Lebenszyklen von Repetier- und Potentialfaktoren. In der Entstehungsphase wird der Produktionsfaktor entwickelt und vom Lieferanten hergestellt. Die Transaktionsphase umfasst alle Aktivitäten der Übertragung des Produktionsfaktors vom Lieferanten auf die Unternehmung durch Kauf, Miete oder Leasing, d. h. die Beschaffungsaktivitäten der Unternehmung und die Verkaufsaktivitäten des Lieferanten. Bei den Repetierfaktoren zählen zu dieser Phase aus der Sicht der beschaffenden Unternehmung u. a. die Bedarfsfeststellung, die Anfrage bei potentiellen Lieferanten, die Lieferantenauswahl und Vertragsverhandlungen, die Bestellung, die Bestellbestätigung, die Änderung der Bestellung, die Bestätigung der Änderung, die Überwachung der Bestellung, der Transport zur Unternehmung, der Wareneingang einschließlich aller Kontrollen, die Bearbeitung zeitlicher, quantitativer und qualitativer Fehllieferungen sowie die Bezahlung (vgl. Ellram/ Siferd (1993), S. 176 ff.). Die Transaktionsphase geht der Entstehungsphase vielfach voraus. In der Verarbeitungsphase werden die Repetierfaktoren weiterbearbeitet bzw. in das Produkt eingebaut. In der Entsorgungsphase werden die Reste des Repetierfaktors in der Form von Verschnitt oder Überbeständen entsorgt oder einer anderen Verwendung zugeführt. Die Betriebsphase eines Betriebsmittels umfasst seine wirtschaftliche Nutzung sowie alle Aktivitäten zur Wahrung bzw. Wiederherstellung seiner Nutzungsfähigkeit. Die Stilllegungsphase hat die Stilllegung und die Verschrottung bzw. den Verkauf des Betriebsmittels zum Inhalt (vgl. Pfohl/ Wübbenhorst (1983), S. 144). <?page no="376"?> Abgrenzung des potentialorientierten Kostenmanagements • 359 Potentialfaktoren Repetierfaktoren Betriebsmittel Personal − Entstehungsphase − Transaktionsphase − Verarbeitungsphase − Entsorgungsphase − Entstehungsphase − Transaktionsphase − Betriebsphase − Stilllegungsphase − Einstellung − Arbeitseinsatz − Freisetzung Abb. 7.1: Phasen im Lebenszyklus von Produktionsfaktoren Produktionsfaktoren verursachen in allen Phasen ihres Lebenszyklus Kosten . Abb. 7.2 nennt am Beispiel der Repetierfaktoren die Kostenkategorien, die in den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus in der Unternehmung bzw. beim Lieferanten anfallen. Die Entwicklungskosten sind in Abb. 7.2 dem Lieferanten zugeordnet. Sie können jedoch vollständig oder teilweise auch bei der Unternehmung anfallen. Die Teile der Entwicklungskosten, die beim Lieferanten anfallen, die Kosten für die Herstellung des Produktionsfaktors sowie die Kosten des Verkaufs werden über den Preis des Produktionsfaktors abgegolten, der in der Unternehmung zu Materialkosten (Repetierfaktoren) oder Abschreibungen (Betriebsmittel) führt. Abweichend von der Definition in der Zuschlagskalkulation werden hier unter Materialkosten die Kosten der verbrauchten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertigen Erzeugnisse und Einbauteile (Stoffkosten) verstanden. Bei den Transaktionskosten handelt es sich um die Kosten, die bei der vertraglichen Übertragung der Verfügungsrechte an dem Produktionsfaktor und seiner physischen Übermittlung entstehen. Im Folgenden werden drei Kategorien der Transaktionskosten unterschieden: − die Beschaffungskosten (z. B. Kosten für die Bedarfsfeststellung, die Vertragsverhandlungen, den Vertragsabschluss, die Anpassung des Vertrags und die Überwachung seiner Inhalte sowie für den Wareneingang), − die Logistikkosten (z. B. Transport-, Lager- und Kapitalbindungskosten) sowie − die Fehlerkosten , d. h. die Kosten für zeitliche, qualitative oder quantitative Fehllieferungen (z. B. Kosten für Rücksendungen, Betriebsunterbrechungen). Die Fertigungskosten der Verarbeitungsphase in der Unternehmung sind die Kosten der Weiterverarbeitung oder des Einbaus der Repetierfaktoren. Sie bilden zusammen mit den Materialkosten die Beschaffungsobjektkosten (vgl. Pampel (1992), S. 813 f.). Für Betriebsmittel fallen in der Entstehungs- und der Transaktionsphase entsprechende Kostenkategorien an. In der Betriebsphase entstehen Betriebskosten (z. B. Bedienerlöhne, Energiekosten, Versicherungskosten) und Unterhaltskosten (Kosten für Wartung, Inspektion, Instandsetzung, Verbesserung). Hinzu kommen die Kosten der Stilllegung und der Verwertung des Betriebsmittels am Ende seiner Nutzungsdauer. Analog hierzu treten beim Personal Kosten für die Einstellung, den Einsatz (u. a. Löhne, Gehälter, Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen) und die Freisetzung (z. B. Abfindungen) auf. <?page no="377"?> 360 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Lebenszyklusphase Unternehmung Lieferant Entstehungsphase Transaktionsphase Transaktionskosten der Beschaffung Verarbeitungsphase − Fertigungskosten − Materialkosten Preis Entsorgungsphase − Entsorgungskosten − Erlöse oder eingesparte Kosten einer Weiterverwendung Abb. 7.2: Kosten im Lebenszyklus von Repetierfaktoren Zusammengefasst bilden diese Kosten eines Repetierbzw. Potentialgutes die Total Cost of Ownership . Sie beziehen sich immer auf ein Einsatzgut von einem bestimmten Lieferanten (vgl. Foodhooft/ Van den Abbeele/ Peters (2005), S. 14). Ermittelt werden sie mit Hilfe spezieller Auswertungsrechnungen. Entwickelt worden sind diese Konzepte als Grundlage für die Lieferantenbewertung sowie für die Unterstützung von Verhandlungen mit Lieferanten und von Outsourcing-Entscheidungen (vgl. Ellram (1994), S. 172; Ellram (1995), S. 55). In der Literatur werden den Total Cost of Ownership deshalb meist nicht die gesamten Lebenszykluskosten des Produktionsfaktors zugeordnet. Bei sehr enger Abgrenzung umfassen sie sogar nur die Materialkosten und die Fehlmengenkosten (vgl. Homburg/ Daum (1997), S. 194). In der Regel werden ihnen jedoch neben den Materialkosten auch die gesamten Transaktionskosten und die Entsorgungskosten zugerechnet (vgl. Ellram (1999), S. 602; Kauther/ Weber (1998), S. 44 f.). Die Fertigungskosten werden nur selten explizit als Bestandteil der Total Cost of Ownership genannt (vgl. Rajagopal/ Bernard (1993), S. 18). Die Total Cost of Ownership (TCO) sind die Kosten, die der Unternehmung für ein Einsatzgut von einem bestimmten Lieferanten während des Lebenszyklus entstehen (vgl. Ellram (1995), S. 23). 7.1.2.2 Gestaltungsparameter im Lebenszyklus von Produktionsfaktoren Abb. 7.3 zeigt Beispiele für die Einflussgrößen auf die Kosten des Leistungspotentials der Unternehmung (vgl. Porter (1992), S. 129 f.; Ellram/ Siferd (1993), S. 176 ff.). Über die Veränderung dieser Einflussgrößen können die Kosten des Leistungspotentials der Unternehmung zielorientiert gestaltet werden. Verändert werden können diese Kosteneinflussgrößen jedoch nur innerhalb der Vorgaben, die sich aus dem zu realisierenden Leistungsprogramm ergeben. − Entwicklungskosten − Kosten für die Herstellung − Transaktionskosten des Verkaufs <?page no="378"?> Abgrenzung des potentialorientierten Kostenmanagements • 361 Produktionsfaktor Beispiele für Kosteneinflussgrößen Material Art, Menge und Zusammensetzung Anzahl der verschiedenen Materialarten, Stückzahlen, Merkmale der Materialien, Abstimmung der Materialien mit dem Produkt und dem Weiterverarbeitungsprozess Art der Bereitstellung Eigenfertigung/ Fremdbezug, Lieferant (z. B. Standort, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit), Anzahl der Lieferanten, Komplexität des Auftrags, Anzahl und Umfang von Änderungen der Bestellungen, Bestellmengen und Bestellzeitpunkte, Vertragsart, Zusammenarbeit mit den Lieferanten, Einkaufskooperationen Art der Entsorgung Verwendungsart und Abnehmer der Reste Betriebsmittel Art, Menge und Zusammensetzung Technische Eigenschaften, Abstimmung mit dem Kapazitätsbedarf, Abstimmung der Kapazitäten aufeinanderfolgender Produktionsstufen, Altersstruktur, Kapazität Art der Bereitstellung Zeitpunkt der Beschaffung Nutzung Einsatzdauer pro Planperiode, Intensität, Auslastung, Nutzungsschwankungen, Anordnung im Produktionsprozess, Instandhaltungspolitik, Nutzungsdauer Abbau Art der Verwendung, Abnehmer Abb. 7.3: Einflussgrößen der Kosten des Leistungspotentials 7.1.3 Gestaltungsbereiche des potentialorientierten Kostenmanagements Nach dem Produktionsfaktor und der Kategorie der Total Cost of Ownership können die in Abb. 7.4 genannten Gestaltungsbereiche des potentialorientierten Kostenmanagements abgegrenzt werden. In älteren Studien wurde festgestellt, dass durch die Beschaffung des Materials nur 5 % der Kosten eines Produktes verursacht werden (vgl. VDI (1987), S. 3). In den vergangenen Jahren ist die Fertigungstiefe in vielen Unternehmungen kontinuierlich verringert worden. Damit verbunden ist, dass komplexere Bauteile beschafft werden und in zunehmendem Umfang Entwicklungs- und Logistikaufgaben auf die Lieferanten übertragen werden. Das verlangt eine intensivere Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Durch die Reduktion der Lagerbestände, die bis zur lagerlosen Bereitstellung am Arbeitsplatz reicht, haben zeitliche, qualitative oder quantitative Fehllieferungen hohe Kosten zur Folge. Um Fehllieferungen zu vermeiden, müssen Abnehmer und Lieferanten enger zusammenarbeiten. Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass sich <?page no="379"?> 362 • Potentialorientiertes Kostenmanagement die Transaktionskosten erhöhen (vgl. Kauther/ Weber (1998), S. 43). Damit ist die Gestaltung des Niveaus der Transaktionskosten zu einem Gestaltungsbereich des potentialorientierten Kostenmanagements geworden, das intensiver zu bearbeiten ist. Produktionsfaktor Kostenkategorie Material Betriebsmittel Personal Transaktionskosten Transaktionskosten • Beschaffungskosten • Logistikkosten • Fehlerkosten Transaktionskosten Einstellungskosten Objektkosten Beschaffungsobjektkosten • Materialkosten (Einsatzgüterpreis) • Fertigungskosten Investitionsobjektkosten • Abschreibungen (Einsatzgüterpreis) • Betriebskosten • Unterhaltskosten Kosten des Personaleinsatzes • Lohn- und Gehaltskosten • Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen Entsorgungs- / Stillegungskosten Entsorgungskosten Kosten für die Stilllegung und Verwertung Kosten für die Freisetzung Abb. 7.4: Gestaltungsbereiche des potentialorientierten Kostenmanagements In Industrieunternehmungen liegt der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten in der Regel zwischen 40 % und 50 %. Der Personalkostenanteil weist eine Höhe von 15 - 30 % auf. Der Anteil der Abschreibungen beträgt 1,2 - 4 %. Die Materialkosten sind damit die bedeutendste Kostenart (vgl. hierzu auch PriceWaterhouseCoopers (2007), S. 10). Die Mengenkomponente dieser Kostenarten kann durch das potentialorientierte Kostenmanagement nur im Umfang der Materialverschwendung bzw. bestehender Überkapazitäten gestaltet werden. Die Einflussgrößen des Material- und Kapazitätsbedarfs liegen im Gestaltungsbereich des produktbzw. prozessorientierten Kostenmanagements. Die Lohn- und Gehaltssätze sind vielfach durch Tarifverträge vorgegeben und damit nur in engen Grenzen gestaltbar. Damit ist die Gestaltung des Niveaus der Materialkosten über die Einsatzgüterpreise ein wichtiger Gestaltungsbereich des potentialorientierten Kostenmanagements, der im Folgenden ausführlich betrachtet werden soll. Über den Einsatzgüterpreis wird die Unternehmung mit den Kosten belastet, die beim Lieferanten für die Erstellung und Verwertung der Komponenten entstehen. Die Unternehmung kann den Einsatzgüterpreis zunächst nur über die Lieferantenwahl oder durch Verhandlungen bis zu einer Preisuntergrenze beeinflussen, die von den Kosten des Lieferanten abhängig ist. Verfügt die Unternehmung über die erforderliche Marktmacht , kann sie einen Preisdruck aufbauen, der den Lieferanten veranlasst, Maßnahmen zur Kostensenkung zu ergreifen. Um die erforderliche Marktmacht zu schaffen, können Einkaufskooperationen eingegangen werden (Collective Sourcing). <?page no="380"?> Abgrenzung des potentialorientierten Kostenmanagements • 363 Zwischen den Entscheidungen der Unternehmung und der des Lieferanten in Entwicklung, Fertigung und Beschaffung bzw. Vertrieb treten vielfältige Interdependenzen auf. Beispielsweise hängen die Kosten für die Produktion der Komponente beim Lieferanten von den Entscheidungen der Unternehmung über die Merkmale der Komponente ab. Wird die Komponente vom Lieferanten entwickelt, beeinflussen seine Entscheidungen über die Komponente die Fertigungskosten der Weiterverarbeitung beim Lieferanten. Es gibt deshalb Kostensenkungspotentiale, die nur durch die Koordination zwischen den Entscheidungen der Unternehmung und des Lieferanten realisiert werden können. Das verlangt, dass die Entscheidungen der Unternehmung und die des Lieferanten zur Entwicklung, Produktion und Beschaffung/ Vertrieb der Komponente aufeinander abgestimmt werden. Aus diesem Grunde sieht das Konzept der schlanken Zulieferung (Lean Supply) ein unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement vor. Es bildet einen weiteren Gestaltungsbereich des potentialorientierten Kostenmanagements. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es auf die Einflussgrößen im Gestaltungsbereich des Lieferanten direkt über eine kooperative Zusammenarbeit Einfluss nimmt und nicht indirekt über die Nutzung der Marktmacht. Das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement ist die zielorientierte Gestaltung der Total Cost of Ownership der Produktionsfaktoren, die zur Realisation des Leistungsprogramms der Unternehmung erforderlich sind, durch die kooperative Zusammenarbeit mit Lieferanten zum Zweck der Einflussnahme auf die Entscheidungs- und Ausführungshandlungen bei der Gestaltung und Realisation von Produktionsfaktoren der Unternehmung beim Lieferanten. Das Konzept der schlanken Zulieferung ist auf der Grundlage einer Analyse der USamerikanischen, der europäischen und der japanischen Autoindustrie entwickelt worden (vgl. Laming (1994), S. 249 ff.). Es handelt sich bei diesem Ansatz um präskriptive Aussagen bzw. um eine Idealvorstellung zur Gestaltung der Beziehungen zwischen Unternehmung und Lieferant, die aus den Erkenntnissen der Analyse japanischer Unternehmungen der Autoindustrie hergeleitet worden sind. Es sieht als Elemente − das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement und − die frühzeitige Einbeziehung des Lieferanten in den Prozess der Produktplanung vor (vgl. McIvor (2001), S. 228 ff.). Hinzu treten weitere Elemente, die als Voraussetzungen für ein unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement und die gemeinsame Produktplanung zu verstehen sind. Bei diesen Elementen handelt es sich um (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 153 ff.; Laming (1994), S. 250; Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 83 ff.): − die Umgestaltung der Lieferantenstruktur durch • das Single oder Dual Sourcing, • das Modular Sourcing und • die Hierarchisierung unter den Lieferanten; <?page no="381"?> 364 • Potentialorientiertes Kostenmanagement − den gegenseitigen Austausch von Informationen zwischen Unternehmung und Lieferanten sowie − die Förderung kooperativen Verhaltens. 7.2 Schlanke Zulieferung als Ansatz des Kostenmanagements bei der Beschaffung von Material 7.2.1 Gestaltung der Lieferantenstruktur 7.2.1.1 Merkmale der Lieferantenstruktur Die Lieferantenstruktur lässt sich u. a. durch den Lieferumfang der Lieferanten und die Anzahl der Lieferanten je Komponente beschreiben. Nach dem Lieferumfang werden − Rohmaterial- und Einsatzstofflieferanten, − Teilelieferanten, − Lieferanten für Baugruppen und Aggregate sowie − Modul- und Systemlieferanten abgegrenzt (vgl. von Eicke/ Femerling (1991), S. 21 f.). Diese Lieferanten bilden ein ein- oder mehrstufiges Lieferantennetzwerk , das mit der Unternehmung abschließt, die dem Endkunden auf dem Absatzmarkt gegenübersteht. In mehrstufigen Lieferantennetzwerken werden nach der Beziehung zur Unternehmung Lieferanten der ersten, zweiten, dritten usw. Stufe unterschieden. Die Lieferanten der zweiten Stufe beliefern die der ersten Stufe und beziehen ihre Einsatzgütern von denen der dritten Stufe usw. (vgl. Bogaschewsky (1994), S. 107). Die Lieferanten der ersten Stufe werden auch als Direktlieferanten , die der zweiten Stufe als Unter- oder Sublieferanten bezeichnet (vgl. Eicke/ Femerling (1991), S. 22 f.). Die traditionelle Beschaffung ist durch das Multiple Sourcing und das Unit Sourcing geprägt. Beim Multiple Sourcing werden für die Beschaffung eines Einsatzgutes mehrere Beschaffungsquellen genutzt. Mit diesem Konzept wird der Zweck verfolgt, den Wettbewerb zwischen den tatsächlichen und den potentiellen Lieferanten zu stimulieren und das Risiko des plötzlichen Ausfalls eines Lieferanten zu streuen (vgl. Arnold (1997), S. 95 f.). Das Unit Sourcing sieht die Beschaffung von Einsatzgütern geringer Komplexität vor (Rohmaterialien, Teile, einfache Baugruppen). Bei diesem Konzept zählen auch Rohmaterial- und Einsatzstofflieferanten, Teilelieferanten und Lieferanten für Baugruppen und Aggregate zu den Direktlieferanten (vgl. Arnold (1997), S. 100). Durch Multiple und Unit Sourcing entsteht ein Lieferantennetzwerk mit einer großen Anzahl von Lieferanten auf der ersten Stufe und wenigen Lieferanten auf nachfolgenden Stufen (vgl. Abb. 7.5; von Eicke/ Femerling (1991), S. 21 ff.). <?page no="382"?> Schlanke Zulieferung • 365 Abb. 7.5: Lieferantennetzwerk der traditionellen Beschaffung Mit der Verringerung der Lieferantenzahl können die Total Cost of Ownership gesenkt werden. Sie sinken kurzfristig, da durch die Bündelung der Nachfrage Größenvorteile erzielt werden können. Mittelfristig wirkt sich eine Verbesserung der Qualität der Komponente durch die gestiegene Prozesssicherheit günstig auf die Total Cost of Ownership aus. Durch die Konzentration auf einige wenige Lieferanten kann zudem eine Senkung der Beschaffungskosten realisiert werden (vgl. Arnold (1996), Sp. 1865). Verringert werden kann die Lieferantenzahl durch folgende Maßnahmen (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 166; Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 84 f.): − die Verringerung der Zahl der Lieferanten für eine Komponente und − die Senkung der Anzahl der insgesamt zu beschaffenden Einsatzgüter durch • das Modular Sourcing und • die Verwendung von Gleichteilen. 7.2.1.2 Reduktion der Lieferantenzahl für eine Komponente Ein Konzept zur Verringerung der Lieferantenzahl ist das Single Sourcing. Es führt zu einer Verringerung der Zahl der Direktlieferanten , es hat jedoch keine Auswirkungen auf die Zahl der Lieferanten nachfolgender Ebenen des Lieferantennetzwerkes. Das Single Sourcing ist die freiwillige Konzentration der Beschaffung einer Komponente auf nur einen Lieferanten auf der Grundlage eines längerfristigen Rahmenvertrags. Den mit diesem Konzept erzielbaren Kostenvorteilen wird als Nachteil die zunehmende Abhängigkeit der Unternehmung von einem Lieferanten gegenübergestellt. Die für den Aufbau der Lieferbeziehungen getätigten Investitionen, langfristige Verträge, Wissen, das an den Lieferanten weitergegeben wird, sowie Wechselkosten stellen Austrittsbarrieren dar, die einen kurzfristigen Lieferantenwechsel be- oder verhin- Unternehmung Direktlieferanten (1. Stufe) Sublieferanten (2. Stufe) 3. Stufe <?page no="383"?> 366 • Potentialorientiertes Kostenmanagement dern. Darin wird die Gefahr eines steigenden Versorgungsrisikos und preislicher Erpressbarkeit gesehen (vgl. Arnold (1996), Sp. 1865). Dieser Abhängigkeit kann durch die beiden folgenden Konzepte entgegengewirkt werden: − Dual Sourcing und − Multiple Sourcing innerhalb der Komponentenfamilie. Beim Dual Sourcing wird die Komponente bei zwei Lieferanten beschafft. Die Preise werden dabei nicht durch Angebote der Lieferanten bestimmt, sondern nach einer gemeinsamen Analyse der Kosten durch die Unternehmung und den ausgewählten Lieferanten festgelegt. Der Zweck dieses Konzeptes besteht nicht darin, durch Wettbewerb zwischen den Lieferanten Preissenkungen zu realisieren. Es sollen vielmehr die Funktionalität und die Qualität der Komponente sowie die Zuverlässigkeit des Lieferanten gesichert bzw. kontinuierlich verbessert werden. Treten bei einem Lieferanten Abweichungen von den Vorgaben auf, wird „als Strafe“ ein Teil seines Auftrags auf den anderen Lieferanten übertragen (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 162). Die Unternehmung fördert den Wettbewerb, indem Verbesserungen mit höheren Abnahmemengen belohnt werden, die zulasten der Absatzmenge beim anderen Lieferanten gehen. Eine Komponentenfamilie ist eine Gruppe von Komponenten, die ähnliche Funktionen erfüllen. Die Lieferantenzahl könnte auch durch die Beschaffung mehrerer Komponenten einer Familie von einem Lieferanten reduziert werden. Um die Abhängigkeit von den Lieferanten zu begrenzen und diese auch beim Single Sourcing dem Wettbewerb auszusetzen, werden in japanischen Unternehmungen die Komponenten einer Familie gezielt von verschiedenen Lieferanten bezogen. Auch wenn die einzelnen Komponenten dem Single Sourcing unterliegen, wird bei der Komponentenfamilie dem Konzept des Multiple Sourcing gefolgt. Lieferbeziehungen zu mehreren Lieferanten ermöglichen es, bei der Entwicklung eines Folgeproduktes auf einen leistungsstärkeren Lieferanten zu wechseln. Dadurch wird sichergestellt, dass jeder Lieferant einer Komponente dieser Familie dem Wettbewerb ausgesetzt und die Gefahr opportunistischen Verhaltens begrenzt ist (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 85). Zur Fundierung d er Entscheidung über die Zahl der Lieferanten für eine Komponente wird eine Portfolio-Analyse vorgeschlagen. Bei dieser werden die zu beschaffenden Komponenten nach ihrer Komplexität und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, d. h. dem Anteil der Kosten der Komponente an den Kosten des Produktes, den vier Feldern einer Portfolio-Matrix zugeordnet. Abb. 7.6 zeigt die Portfolio-Matrix und nennt die Normstrategien, die den Matrixfeldern zugeordnet sind. Diesem Beschaffungsportfolio liegen die folgenden Hypothesen zugrunde, die im Rahmen einer branchenübergreifenden empirischen Untersuchung bestätigt werden konnten (vgl. Homburg (1999), S. 823 ff.): <?page no="384"?> Schlanke Zulieferung • 367 (1) Für komplexe Komponenten sind die Transaktionskosten hoch. Da die Beschaffung von mehreren Lieferanten mit hohen Kosten verbunden ist, wird für komplexe Komponenten eine kleinere Lieferantenzahl gewählt. (2) Die Erfolgswirkung der Preise ist bei Komponenten mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung weitaus stärker als bei Komponenten mit einem geringen Anteil an den Kosten des Produktes. Um durch intensiven Wettbewerb zu niedrigen Preisen zu gelangen, wird bei Komponenten mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung eine größere Lieferantenzahl gewählt. Abb. 7.6: Beschaffungsportfolio zur Entscheidung über die Lieferantenzahl Nach diesen Hypothesen sollte bei der Beschaffung komplexer Komponenten mit einem geringen Anteil an den Kosten des Produktes nur mit sehr wenigen Lieferanten zusammengearbeitet werden. Es kann sogar möglich sein, auf das Single Sourcing überzugehen (Feld I). Ist bei hoher Komplexität auch die wirtschaftliche Bedeutung hoch, sollte ebenfalls bei einigen wenigen Lieferanten beschafft werden. Um den Wettbewerb aufrechtzuerhalten, wird empfohlen, auf Single Sourcing zu verzichten und eine mittlere Lieferantenzahl zu wählen (Feld II). Da bei der Beschaffung einfacher Produkte nur geringe Transaktionskosten anfallen, kann grundsätzlich bei mehreren Lieferanten beschafft werden. Das ist bei Komponenten hoher wirtschaftlicher Bedeutung vorteilhaft, um durch den verschärften Wettbewerb zwischen den Lieferanten günstigere Preise zu erzielen (Feld IV). Es bietet sich deshalb das Multiple Sourcing an. Bei wirtschaftlich weniger bedeutenden Komponenten ist der Erfolgsbeitrag I Lieferanten sichern ≙ Sehr niedrige Lieferantenzahl (Single Sourcing) II Lieferanten binden und Mindestmaß an Wettbewerb sichern ≙ Niedrige Lieferantenzahl (Dual Sourcing) III Transaktionsprozess optimieren ≙ Mittlere Lieferantenzahl IV Wettbewerb stimulieren ≙ Hohe Lieferantenzahl (Multiple Sourcing) Komplexität der Komponente hoch hoch niedrig niedrig Wirtschaftliche Bedeutung der Komponente <?page no="385"?> 368 • Potentialorientiertes Kostenmanagement einer Preissenkung geringer. Um die Beschaffungskosten niedrig zu halten, kann deshalb eine mittlere Lieferantenzahl gewählt werden (vgl. Homburg (1995), S. 828 f.). 7.2.1.3 Modular Sourcing Beim Modular Sourcing werden Module beschafft, d. h. mehrteilige, einbaufertige Funktionsgruppen mit komplexen Strukturen. Beispiele für Module in der Automobilindustrie sind die Bremsanlage, die Auspuffanlage, die Lenkung, die Achsen, die Kraftstoffversorgung, das Heiz-/ Klima-/ Kühlsystem und die Türen (vgl. Wolters (1995), S. 75). Die Komplexität dieser Funktionsgruppen hat zur Folge, dass beim Modular Sourcing nicht nur Baugruppen, sondern gleichzeitig auch Integrationsleistungen fremdbezogen werden. Diese Integrationsleistungen umfassen die Beschaffung der Einzelteile und Baugruppen, die in die Funktionsgruppe eingehen, ihre Montage sowie die Qualitätssicherung und können auch Entwicklungsaufgaben einschließen (von Eicke/ Femerling (1991), S. 31). Bei der Übertragung von Entwicklungsaufgaben wird gelegentlich auch von „System Sourcing“ gesprochen (vgl. Wolters (1995), S. 72 f.). Modular Sourcing ist die Beschaffung mehrteiliger, einbaufertiger Funktionsgruppen mit komplexen Strukturen, die mit der Übertragung von Integrationsleistungen an den Lieferanten einhergeht. Durch das Modular Sourcing werden Rohmaterial-, Einsatzstoff- und Teilelieferanten sowie Lieferanten der Baugruppen und Aggregate, die nach dem Konzept des Unit Sourcing Direktlieferanten waren, zu Sublieferanten auf der zweiten oder dritten Stufe. Die Lieferantenzahl der ersten Stufe, d. h. die Zahl der Direktlieferanten, nimmt bei diesem Konzept ab, die Zahl der Sublieferanten unterer Stufen nimmt dagegen zu. Damit entsteht ein Lieferantennetzwerk in der Form einer Pyramide (vgl. Abb. 7.7). Die Gesamtzahl der Lieferanten in dieser Lieferantenpyramide verändert sich zunächst nicht (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 141). Das Modular Sourcing hat Einfluss auf die Art und die Anzahl der Komponenten, die zu beschaffen, am Arbeitsplatz bereitzustellen und zu verwalten sind. Ihre Zahl sinkt bei deutlich zunehmender Komplexität der einzelnen Komponenten. Mit der Komplexität erhöhen sich die Transaktionskosten. Um diesem Kostenanstieg entgegenzuwirken, wird die Zahl der Modullieferanten gering gehalten. Aus diesem Grund tritt das Modular Sourcing häufig in Verbindung mit dem Single Sourcing auf. Um die Abhängigkeit vom Modullieferanten zu begrenzen, sind die Module so abzugrenzen, dass sie zur Beschaffung ausgeschrieben werden können, d. h. sich genügend Lieferanten finden lassen, die einen bedeutenden Teil des Moduls mit ihren Kernkompetenzen abdecken können (vgl. Traudt (1997), S. 316). <?page no="386"?> Schlanke Zulieferung • 369 Abb. 7.7: Lieferantenpyramide beim Modular Sourcing Nach den hierarchischen Beziehungen zwischen dem Endabnehmer und den Lieferanten werden folgende Typen von Lieferantennetzwerken unterschieden (vgl. Gumbleton (1999), S. 117 f.): − hierarchisch-pyramidale (Kingdom), − schwach hierarchische (Barony) und − polyzentrische Lieferantennetzwerke (Republic). In einem hierarchisch-pyramidalen Lieferantennetzwerk gibt es einen Endabnehmer, von dem die Lieferanten auf allen Ebenen der Lieferantenpyramide wirtschaftlich abhängig sind, da er ihr Hauptabnehmer ist. Er dominiert das Lieferantennetzwerk. Schwach hierarchische Lieferantennetzwerke weisen einige wenige Endabnehmer auf, die das Netzwerk dominieren. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der Lieferanten von einem einzelnen Endabnehmer ist damit geringer als im hierarchisch-pyramidalen Lieferantennetzwerk. In einem polyzentrischen Lieferantennetzwerk gibt es keine Unternehmung, die von anderen abhängig ist, so dass keine Unternehmung größeren Einfluss auf andere hat (vgl. Wildemann (1997), S. 423 ff.). Abb. 7.8 zeigt die Struktur dieser Typen von Lieferantennetzwerken. 7.2.1.4 Verwendung von Gleich- und Wiederverwendungsteilen Gleichteile sind Komponenten, die in identischer Form für verschiedene Produkte der Unternehmung oder in mehreren Unternehmungen genutzt werden. Ihnen stehen die Variantenteile gegenüber, die jeweils in nur eine einzelne Variante eines Produktes eingehen. Wiederverwendungsteile sind eine spezielle Form von Gleichteilen. Es handelt sich um Komponenten, die aus Vorgängermodellen übernommen werden. Unternehmung Direktlieferanten (1. Stufe) Sublieferanten (2. Stufe) 3. Stufe .... <?page no="387"?> 370 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Hierarchisch-pyramidales Lieferantennetzwerk Schwach hierarchisches Lieferantennetzwerk Polyzentrisches Lieferantennetzwerk Abb. 7.8: Typen von Lieferantennetzwerken Nach dem Geltungsbereich werden unternehmungsinterne Gleichteile, Konzernteile, Kooperationsteile und Best-practice-Teile unterschieden. Konzernteile werden in den Produkten mehrerer Unternehmungen eines Konzerns verwendet, Kooperationsteile werden gemeinsam mit Wettbewerbern entwickelt und Best-practice-Teile werden vom Markt übernommen. Um zu vermeiden, dass die Produkte zu ähnlich sind, sollten Gleichteile vor allem in den für den Kunden nicht sichtbaren bzw. funktional nicht unmittelbar erfahrbaren Bereichen verwendet werden (vgl. Traudt 1997), S. 318). Durch Gleichteile-Programme kann die Zahl verschiedenartiger Teile verringert werden, die beschafft, verwaltet und am Arbeitsplatz bereitgestellt werden müssen. Sie können eine Verringerung der Lieferantenzahl zur Folge haben und erhöhen die Stückzahlen, die von einzelnen Teilen beschafft werden. Erfahrungswerte aus der Praxis besagen, dass eine Verdoppelung der Lebenszyklusmenge eines Teiles seine Kosten um 10-15 % reduziert (vgl. Traudt (1997), S. 318). Mit dem Anteil der Gleichteile sinken zudem die Entwicklungszeiten und die Entwicklungskosten. Durch Wieder- Endabnehmer Direktlieferant Sublieferant <?page no="388"?> Schlanke Zulieferung • 371 verwendungsteile steigt zudem die Anlaufreife des Produktes, da die Zuverlässigkeit und Haltbarkeit dieser Teile bereits ausgiebig getestet worden ist. Diesen Vorteilen steht der Nachteil einer geringen Entwicklungsflexibilität gegenüber, die eine Realisation kostengünstiger Gestaltungsalternativen oder die Einführung einer neuen Technologie verhindern kann. Die starren Vorgaben können auch einen zusätzlichen Entwicklungsaufwand bei den anderen Komponenten des Produktes notwendig machen (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 150 f.; Davila/ Wouters (2004), S. 22). In der Entstehungsphase werden die Entwicklungsteams zur Verwendung von Gleichteilen motiviert. Von einer japanischen Unternehmung wird berichtet, dass sie bei der Kontrolle der originären und derivativen Produktkostenvorgaben ein spezielles Kalkulationsverfahren zur Ermittlung der Wird-Produktkosten verwendet, um die Entwicklungsteams zur Verwendung von Gleichteilen zu motivieren. Mit diesem Kalkulationsverfahren werden Teile der Gemeinkosten des indirekten Leistungsbereichs über die Anzahl der Variantenteile auf die Produkte verrechnet. Dem geplanten Produkt werden also umso höhere Gemeinkosten zugerechnet, je geringer die Anzahl der Gleichteile ist (vgl. Hiromoto (1989), S. 318). Damit trägt die Verwendung von Gleichteilen sehr deutlich zur Erreichung der originären bzw. derivativen Produktkostenvorgaben bei (zur Kritik an dieser Vorgehensweise vgl. Wagenhofer/ Riegler (1994), S. 464, 479 ff.). Die Anzahl der Teilearten für Produkte der Unternehmung in der Marktphase zu reduzieren, ist eine Aufgabe des Potential-Kaizen (vgl. Abschnitt 4.1.1). Ein Programm zur Verringerung der Zahl der Teilearten umfasst drei aufeinanderfolgende Phasen (in Anlehnung an Cooper/ Slagmulder (2005b), S. 281 f.): − 1. Phase: Verwenden von Gleichteilen − 2. Phase: Eliminieren von Teilen, die in kleinen Mengen benötigt werden − 3. Phase: Verstetigen der Teilezahl auf niedrigem Niveau In der ersten Phase werden für jede Teileart Konsequenzen analysiert und bewertet, die mit dem Austausch durch eine andere Teileart in der Unternehmung verbunden sind. Als Instrument der zweiten Phase ist das Matrix-Teardown vorgeschlagen worden. Für das Matrix-Teardown wird eine Matrix mit den Produkten der Unternehmung in den Zeilen und den Komponenten dieser Produkte in den Spalten erstellt. In die Zellen der Matrix werden jeweils die Mengen eingetragen, die von der Komponente in der zugehörigen Spalte für das Produkt in der jeweiligen Zeile während eines Monats benötigt werden. Die Spaltensummen geben für jede Komponente die Gesamtmenge an, in der sie für alle Produkte in einem Monat benötigt wird (vgl. Abb. 7.9). Komponenten, die eine geringe Gesamtmenge aufweisen, werden eliminiert und mit einem Verwendungsverbot belegt. Hierzu werden die Produkte, für die diese Komponente benötigt wird, derart umgestaltet, dass eine der verbleibenden Komponenten verwendet werden kann (vgl. Cooper (1998), S. 212). Ist die dritte Phase des Gleichteile- <?page no="389"?> 372 • Potentialorientiertes Kostenmanagement programms erreicht, muss jede Erweiterung des Teilespektrums begründet werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005b), S. 281 f.). Komponenten Produkte Komponente 1 Komponente 2 Komponente 3 ... ... Produkt 1 21.000 − 4.000 ... ... Produkt 2 8.000 2.000 − ... ... Produkt 3 − 15.000 − ... ... Gesamtmenge 29.000 17.000 4.000 ... ... Abb. 7.9: Matrix-Teardown 7.2.2 Gestaltung der Lieferantenbeziehungen 7.2.2.1 Einbeziehung der Lieferanten in die Produktplanung Die frühzeitige Einbeziehung des Lieferanten in die Produktplanung ermöglicht die Anpassung der Komponente an die gegebenen Produktionsbedingungen und das Produktionsprogramm beim Lieferanten, d. h. das Design for Manufacturability and Assembly (DTMA; vgl. Seidenschwarz (1993), S. 233 f.). Hierzu zählen u. a. die Abstimmung der Toleranzvorgaben der Komponente mit den Produktionsmöglichkeiten beim Lieferanten sowie die Verwendung von Wiederholungs- und Gleichteilen des Lieferanten. Dadurch können die Produktkosten der Komponente gesenkt und ihre Qualität verbessert werden. Weiterhin kann die Entwicklungszeit verkürzt werden, da die Komponenten parallel zum Produkt entwickelt werden. Der Lieferant hat zudem die Möglichkeit, Markttrends zu antizipieren und ohne expliziten Auftrag neue Lösungen zu entwickeln, welche die Funktionalität oder Qualität der Folgeprodukte verbessern. Nutzt der Lieferant die Ergebnisse der gemeinsamen Produktplanung für andere Abnehmer, die dafür mit Teilen der Entwicklungskosten belastet werden, verringern sich für die Unternehmung auch die Entwicklungskosten. Diesen Vorteilen einer frühzeitigen Einbeziehung des Lieferanten in die Produktplanung stehen mehrere Nachteile gegenüber: Die Unternehmung verliert Entwicklungskompetenzen und ihre Abhängigkeit vom Lieferanten nimmt zu. Ihre Möglichkeiten zur Produktdifferenzierung werden eingeschränkt. Die Auftragsvergabe wird komplexer und die Abstimmungsprozesse aufwendiger, so dass die Transaktionskosten steigen. Aufgrund der genannten Nachteile werden nicht alle Komponenten gemeinsam mit dem Lieferanten entwickelt. Einige wenige Komponenten werden weiterhin vollständig von der Unternehmung entwickelt. In den Aufgabenbereich des Lieferanten fällt lediglich die Produktion dieser Komponenten. Diese Komponenten werden als detailkontrollierte Teile bezeichnet. Zulieferereigene Teile werden vom Lieferanten selbstständig entwickelt und von einer Vielzahl von Unternehmungen nachgefragt. <?page no="390"?> Schlanke Zulieferung • 373 Gibt die Unternehmung die Leistungsanforderungen, die Außenformen, die Schnittstellen sowie andere Merkmale des Grundentwurfs vor und überlässt die Entwicklung der Funktionsteile und Baugruppen dem Lieferanten, wird von Black-Box-Teilen gesprochen (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 142 ff.). Nach den Beiträgen zur Produktplanung werden folgende Lieferantenkategorien unterschieden (vgl. Traudt (1997), S. 319 f.): − Katalogzulieferer, − Teilefertiger, − Serienentwicklungslieferanten, − Generallieferant sowie − Konzeptlieferanten. Der Katalogzulieferer stellt unfertige Erzeugnisse (z. B. Bleche, Röhren) und von ihm selbst entwickelte Einbauteile (z. B. Reifen) bereit (zulieferereigene Teile), die von vielen Unternehmungen beschafft werden. Diese Lieferanten werden als jederzeit austauschbar betrachtet. Auf der Grundlage einer solchen Lieferantenbeziehung ist kein unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement möglich. Die Total Cost of Ownership der von diesen Lieferanten bezogenen Einsatzgüter können nur über die Lieferantenwahl beeinflusst werden. Ein Teilefertiger stellt Komponenten nach Konstruktionszeichnungen des Abnehmers her, ohne einen eigenen Beitrag zur Entwicklung zu leisten (detailkontrollierte Teile). Das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement ist auf die kostenorientierte Gestaltung der Produktions- und Vertriebsprozesse des Lieferanten begrenzt. Der Serienentwicklungslieferant entwickelt Einbauteile nach den Angaben des von der Unternehmung erstellten Pflichtenheftes. Er führt die Entwicklung in enger Abstimmung mit den Entwicklungsteams der Unternehmung durch, ist jedoch nicht an der Produktkonzeptplanung beteiligt. Wird nicht regelmäßig, sondern nur bei Problemen mit den Entwicklungsteams der Unternehmung zusammengearbeitet, wird auch von einem Generallieferanten (general supplier) gesprochen. Die Zusammenarbeit mit einem Konzeptlieferanten beginnt bereits in der Produktkonzeptplanung. Der Lieferant ist in das Produktplanungsteam integriert und trägt innovative Lösungen zur Produktentwicklung bei. In der Zusammenarbeit mit Serienentwicklungs-, General- und Konzeptlieferant kann das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement durch die Zusammenarbeit bei der Produktgestaltung weitere Kostensenkungspotentiale ausschöpfen (vgl. Seidenschwarz/ Niemand (1994), S. 264; Slagmulder (2002), S. 335). Für die Entscheidung über die Einbeziehung der Lieferanten in die Produktplanung sind folgende Aspekte relevant: − die Bedeutung der Komponente für die Differenzierung des Endproduktes, − das Produkt-Know-How der Lieferanten sowie − die Problemlösungsfähigkeiten der Lieferanten. <?page no="391"?> 374 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Die Entwicklung von Komponenten, die für die Differenzierung des Endproduktes von Bedeutung sind, sollte bei der Unternehmung verbleiben. Stellt die Technologie, die in eine Komponente eingeht, eine Kernkompetenz der Unternehmung dar, sind die Möglichkeiten zur Mitwirkung der Lieferanten an der Produktplanung begrenzt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Lieferant auch mit den Konkurrenten der Unternehmung zusammenarbeitet (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 254). Für die gemeinsame Produktplanung eignen sich nur Komponenten, für die es Lieferanten mit dem erforderlichen Produkt-Know-How und Problemlösungsfähigkeiten gibt. Serienentwicklungslieferanten müssen über Produkt-Know-How verfügen. Dieses betrifft die Fähigkeit, unter Berücksichtigung von Zeit-, Kosten- und Qualitätszielen bedarfsgerecht entwickeln zu können. Verfügen die Lieferanten auch über Problemlösungsfähigkeiten , eignen sie sich auch als Konzeptlieferanten. Die Problemlösungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit und Bereitschaft, eigene Produktinnovationen unter Übernahme des vollen Risikos zu entwickeln (vgl. Wildemann (1992), S. 398). 7.2.2.2 Auswahl der Lieferanten Die Lieferanten der einzelnen Kategorien tragen in unterschiedlichem Ausmaß zum Erfolg des Produktes der Unternehmung bei. Um die Wirtschaftlichkeit der Bereitstellung von Produktionsfaktoren zu wahren, sollte das Vorgehen bei der Lieferantenauswahl diese Bedeutungsunterschiede widerspiegeln. Je höher die Bedeutung der vom Lieferanten geforderten Leistung für den Produkterfolg ist, desto differenzierter und detaillierter sollten die potentiellen Lieferanten zur Vorbereitung der Lieferantenauswahl analysiert werden. Erforderlich ist ein Lieferantenauswahlsystem , das die von den Lieferanten geforderten Leistungen nach ihrer Bedeutung in Klassen einteilt und jeder dieser Klassen ein Verfahren zur Analyse und Bewertung der Lieferanten zuordnet, dessen Differenzierungs- und Detaillierungsgrad mit der Bedeutung der geforderten Leistung abgestimmt ist. Als Kriterien zur Abgrenzung der Klassen für die von den Lieferanten geforderten Leistungen werden − die Art des Bedarfs und − die angestrebte Abnehmer-Lieferanten-Beziehung vorgeschlagen. Die Art des Bedarfs wird durch die Regelmäßigkeit und den Wert der Leistung gekennzeichnet. Unterschieden werden (1) Leistungen, die entweder einmalig bzw. nur in größeren Zeitabständen auftreten oder trotz regelmäßigen Auftretens nur einen geringen Wert aufweisen, und (2) Leistungen mit regelmäßigem Bedarf und hohem Wert. Bei den Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen wird zwischen losen und kooperativen Beziehungen differenziert. Lose Beziehungen bestehen zu Kataloglieferanten und Teilefertigern, enge Beziehungen liegen bei Konzept- und Serienentwicklungslieferanten vor (vgl. Ellram (1996), S. 13). <?page no="392"?> Schlanke Zulieferung • 375 Mit den erörterten Ausprägungen der beiden Kriterien werden die in Abb. 7.10 genannten Klassen von Einsatzgütern abgegrenzt (vgl. Ellram (1996), S. 14 ff.): − C-Leistungen Leistungen mit niedrigem Kostensenkungspotential − Leistungen mit Hebelwirkung Leistungen mit einem hohen, jedoch nur durch die Lieferantenwahl realisierbaren Kostensenkungspotential − Kritische Leistungen Leistungen mit einem Kostensenkungspotential, das überwiegend unternehmungsintern realisierbar ist; dieser Klasse gehören vor allem Betriebsmittel an − Strategische Leistungen Leistungen mit einem hohen Kostensenkungspotential, das unternehmungsübergreifend realisierbar ist Angestrebte Beziehung Art des Bedarfs Lose Beziehung Enge Beziehung Einmaliger Bedarf/ regelmäßiger Bedarf bei geringem Beschaffungsumsatz C-Leistungen ≙ Marktgerechter Preis Kritische Leistungen ≙ Total Cost of Ownership Regelmäßiger Bedarf Leistungen mit Hebelwirkung ≙ Kostengerechter Preis Strategische Leistungen ≙ Erfolgsorientierte Total Cost of Ownership während des Lebenszyklus Abb. 7.10: Klassifikation der von den Lieferanten geforderten Leistungen Für C-Leistungen wird ein marktgerechter Preis angestrebt. Gewählt wird das Angebot mit dem günstigsten Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei der Auswahl von Lieferanten für diese Leistungen werden Ausschreibungen oder Preisvergleiche durchgeführt. Die Lieferanten für Leistungen mit Hebelwirkungen werden nach dem Preis der Leistung und den Transaktionskosten ausgewählt. Dabei wird ein kostengerechter Preis angestrebt, d. h., durch Verhandlungen sollen Preise erreicht werden, die den Kosten des Lieferanten entsprechen. Die Beurteilung der Preise setzt Kenntnisse über die Kosten des Lieferanten voraus, die durch Kostenanalysen gewonnen werden müssen. Als Instrumente zur Kostenanalyse werden genannt: Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation, Kostenschätzungen, Branchenanalysen (vgl. Conte (2007), S. 230 ff.; Maschinski (2007), S. 249 ff.) sowie Kostentabellen. Bei standardisierten Einsatzgütern mit einer großen Zahl von Anbietern kann der jeweilige Lieferant auch im Rahmen einer (Online-)Einkaufsauktion ausgewählt werden. Bei einer Einkaufsauktion (Reverse Auction) handelt es sich im Kern um einen stringenten und struktu- <?page no="393"?> 376 • Potentialorientiertes Kostenmanagement rierten Prozess der Verhandlungsführung zur Preisfindung (vgl. Göthlich (2004), S. 55 ff.). Durch sie kann der Wettbewerb intensiviert und die Markttransparenz verbessert werden, so dass niedrige Einkaufspreise erreichbar sein können (zu einer kritischen Beurteilung vgl. Göthlich/ Hofer (2003), S. 11 ff.). Für strategische Leistungen werden Lieferanten ausgewählt, die bereit und in der Lage sind, die Total Cost of Ownership der geforderten Leistung in Zusammenarbeit mit der Unternehmung auf das Niveau der Produktkostenvorgabe für die Komponente zu senken und dieses Kostenniveau in jedem Jahr während der Vertragslaufzeit um eine vorgegebene Kostensenkungsrate zu reduzieren. Diese Leistungen bilden den Anwendungsbereich des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements. Bei der Auswahl der Lieferanten strategischer Leistungen werden folgende Ziele verfolgt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 159): − die Erweiterung der Lieferantenbasis, − die Steigerung des Innovationsgrades der fremdbezogenen Komponenten sowie − die Förderung kooperativer Beziehungen zu Lieferanten mit gutem Ruf. Um die Lieferantenbasis zu erweitern und den Innovationsgrad der fremdbezogenen Komponenten zu steigern, werden nicht nur Lieferanten um Angebote gebeten, zu denen bereits kooperative Beziehungen bestehen. Es wird auch aktiv nach neuen Lieferanten gesucht. Um potentielle Lieferanten zu motivieren, eine innovative und kostengünstige Problemlösung für die Komponente zu entwickeln und anzubieten, wird ihnen ein Vertrag für die gesamte Lebenszyklusmenge der Komponente in Aussicht gestellt. In japanischen Unternehmungen werden gewöhnlich zwei bis drei potentielle Lieferanten um ein Angebot gebeten. Diesen werden die Angaben zur Funktionalität und Qualität der Komponente aus dem Pflichtenheft sowie die Komponentenkostenvorgaben mitgeteilt. Auf dieser Grundlage erstellen die Lieferanten jeweils einen Grobentwurf für die Komponente und reichen ihn zusammen mit einer Kostenschätzung ein. Ausgewählt wird der Lieferant nach den folgenden Kriterien (vgl. Cooper/ Slagmulder (1997), S. 160): − der Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich Qualität, Funktionalität und Kosten, − dem Ruf des Lieferanten sowie − dem Innovationsgrad der Komponente. Der „gute Ruf“ eines Lieferanten basiert auf früheren Beziehungen und bewiesener Leistungsfähigkeit (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 153). Um kooperative Beziehungen zu Lieferanten mit gutem Ruf zu sichern, erhalten die Lieferanten dieser Gruppe auch dann einen Vertrag über einen Teil der Lebenszyklusmenge, wenn von einem anderen Lieferanten ein besseres Angebot eingereicht worden ist. Der ausgewählte Lieferant führt die Detailentwicklung durch, erstellt die Zeichnungen, fertigt und testet die Prototypen. Die Unternehmung überprüft, ob die entwickelte Komponente den Anforderungen entspricht, indem sie in Prototypen des Endproduktes getes- <?page no="394"?> Schlanke Zulieferung • 377 tet wird. Anschließend wird der Entwurf des Lieferanten von der Unternehmung genehmigt. Dieses Verfahren der Lieferantenauswahl wird als Entwicklungswettbewerb oder Forward Sourcing bezeichnet (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 144; Dudenhöffer (2002), S. 405 f.). Zu den kritischen Einsatzgütern zählen vor allem Betriebsmittel, die für die Unternehmung entwickelt bzw. an die Bedingungen in der Unternehmung angepasst werden. Bei Betriebsmitteln liegt der Anteil der Einsatzgüterpreise an den Total Cost of Ownership zwischen 30 - 50 %. Erfolgskritisch sind hier vor allem die Nutzungskosten, d. h. die Betriebs- und Unterhaltskosten sowie die Kosten, die bei einem Ausfall des Betriebsmittels anfallen (vgl. Ellram (1996), S. 15). Da diese Kosten auch von den technischen Eigenschaften des Betriebsmittels (z-Situation) abhängen (vgl. Gutenberg (1979), S. 326 ff.), über die der Lieferant während der Entwicklung entscheidet (vgl. Hartmann (1995), S. 54 ff.), ist ein unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement erforderlich, das jedoch auf die Entstehungsphase des Betriebsmittels begrenzt ist. Bei der Beschaffung von Leistungen mit Hebelwirkungen, kritischen und strategischen Leistungen ist die Lieferantenauswahl nicht auf einen Preisvergleich beschränkt. Sie verlangt neben Kenntnissen über den Beschaffungsmarkt auch Kenntnisse über die zugrunde liegende Technologie, das Qualitätsmanagement und die Kostenrechnung. Die Lieferantenauswahl ist deshalb eine Aufgabe für multidisziplinäre Teams (vgl. Rajagopal/ Bernard (1993), S. 19). 7.2.2.3 Förderung des kooperativen Verhaltens der Lieferanten Um Lieferanten, die in den Produktplanungsprozess eingebunden werden, zur Kostensenkung, zur Verbesserung der Funktionalität und Qualität der Komponenten sowie zu zeitlich, qualitativ und quantitativ korrekten Lieferungen zu motivieren, stehen folgende Ansätze zur Verfügung: − der Abschluss von langfristigen Verträgen und Netzwerkprotokollen, − die direkte oder indirekte Partizipation an erzielten Kostensenkungen, − der Entwicklungswettbewerb, − die kontinuierliche Lieferantenbewertung sowie − die Förderung von Zuliefererverbänden. Über die Lieferanten der Lebenszyklusmenge einer Komponente wird bereits während der Produktplanung entschieden. Geregelt wird die Lieferbeziehung durch den Grundvertrag . Er ist der Ausdruck der Verpflichtung zur Zusammenarbeit und enthält Grundregeln zur Festlegung der Preise, für die Qualitätssicherung, das Bestellwesen, die Lieferung usw. Von Bedeutung ist bei diesem Grundvertrag, dass er dem Lieferanten bei ordnungsgemäßer Leistungserbringung einen angemessenen Gewinn zusichert (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 155 ff.). Empirische Untersuchungen zei- <?page no="395"?> 378 • Potentialorientiertes Kostenmanagement gen, dass es in diesem Zusammenhang noch Verbesserungsbedarf gibt (vgl. Möller/ Isbruch (2007), S. 400). Für ein unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement, das sich über mehrere Stufen des Lieferantennetzwerkes erstreckt, hat der Endabnehmer durchzusetzen, dass die Lieferanten der Effizienz der gesamten Lieferkette eine hohe Bedeutung beimessen. Das ist nur in hierarchisch-pyramidalen und schwach hierarchischen Lieferantennetzwerken möglich (vgl. Gumbleton (1999), S. 139 f.). In polyzentrischen Lieferantennetzwerken erstreckt sich das unternehmungsübergreifende Kostenmanagement deshalb nur auf die direkten Lieferanten. Das Instrument, mit dem dieses lieferkettenüberspannende Effizienzziel durchgesetzt wird, ist das Netzwerkprotokoll. Es regelt die Zusammenarbeit der Lieferanten verschiedener Stufen mit dem Ziel, das langfristige Überleben des Lieferantennetzwerkes zu sichern. Es soll verhindern, dass Abnehmer auf den verschiedenen Stufen der Lieferkette ihre Lieferanten einem zerstörerischen Kostensenkungsdruck aussetzen oder Lieferanten auf einer Stufe der Lieferkette Konkurrenten verdrängen. Angemessene Gewinne werden nicht nur den Lieferanten der ersten Stufe zugesichert, sondern den Lieferanten aller Stufen des Netzwerkes. In einem hierarchisch-pyramidalen Lieferantennetzwerk wird das Netzwerkprotokoll vom Endabnehmer vorgegeben, in schwach hierarchischen Lieferantennetzwerken wird es Netz übergreifend ausgehandelt (vgl. Gumbleton (1999), S. 128 ff.). Der Lieferant partizipiert direkt an erzielten Kostensenkungen, wenn sie zwischen Unternehmung und Lieferant aufgeteilt werden oder nach Zusage langfristig stabiler Preise vollständig beim Lieferanten verbleiben. Werden für jedes Jahr der Vertragslaufzeit feste Kostensenkungsraten vereinbart, verbleiben alle Kostensenkungen beim Lieferanten, die über diese Vorgaben hinausgehen (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 157 f.). Eine indirekte Form der Beteiligung liegt vor, wenn der Preis um die vollständige Kostensenkung gekürzt wird, der Lieferant aus den Umsätzen mit anderen Kunden jedoch höhere Deckungsbeiträge (vgl. Kajüter/ Lulmala (2005), S. 189) oder aus dem Auftrag, den er von der Unternehmung erhält, andere Vorteile erzielen kann. Der Entwicklungswettbewerb bewirkt, dass sich ein Lieferant regelmäßig dem Vergleich mit seinen Wettbewerbern stellen muss. Die Beziehungen zu einem Lieferanten, der sich bereits bewährt hat, werden nicht abgebrochen, wenn er in diesem Vergleich einem anderen Lieferanten unterlegen ist. Er erhält einen Teilauftrag mit der Auflage, seinen Nachteil auszugleichen oder wird angehalten, mit dem überlegenen Lieferanten zusammenzuarbeiten (vgl. Laming (1994), S. 253 f.). Jeder Lieferant wird kontinuierlich beurteilt . Sie erhalten Noten nach der Anzahl der entdeckten fehlerhaften Teile, dem Anteil zeitlich und quantitativ korrekter Lieferungen sowie den erreichten Kostensenkungen. Beim Dual Sourcing führen schlechter werdende Bewertungen zu einer Umverteilung der Abnahmemengen zwischen den beiden konkurrierenden Lieferanten. Auf der Grundlage der Bewertungen werden in Zusammenarbeit mit der Unternehmung, aber auch mit dem zweiten Lieferanten Pro- <?page no="396"?> Schlanke Zulieferung • 379 blembereiche identifiziert und Problemlösungen erarbeitet. An einem Lieferanten wird festgehalten, solange eine Einstellung und Bereitschaft zur Verbesserung zu erkennen ist (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 163). Zuliefererverbände sind von der Unternehmung initiierte Vereinigungen von Lieferanten einer Stufe. Zweck dieser Verbände ist die gemeinsame Erarbeitung von Verbesserungen der Komponenten oder Produktionsprozesse bei den Lieferanten (vgl. Lamming (1995), S. 89). Zuliefererverbände, in denen Lieferanten für verschiedene Komponenten zusammenarbeiten, können Kostensenkungspotentiale realisieren, die in der Abstimmung dieser Komponenten begründet sind. In diesen Zuliefererverbänden können aber auch direkte Konkurrenten zusammenarbeiten (Dual Sourcing). Die Motivation zur Zusammenarbeit folgt aus der Gestaltung der Grundverträge, die den Lieferanten eine Partizipation an erreichten Kostensenkungen zusichern (vgl. Clark/ Fujimoto (1992), S. 161 f.). 7.2.2.4 Gegenseitiger Informationsaustausch Zweck des gegenseitigen Informationsaustausches ist es, die Voraussetzungen für die Durchführung gemeinsamer Kostensenkungsmaßnahmen zu schaffen (vgl. McIvor (2001), S. 236). Die Identifikation von Kostensenkungspotentialen, die nur durch gemeinsame Maßnahmen ausgeschöpft werden können, die Erarbeitung von Kostensenkungsvorschlägen und die Prognose ihrer Kostenwirkungen bei beiden Vertragspartnern verlangt, dass jeder Vertragspartner die Produktionsprozesse des jeweiligen Vertragspartners kennt. Das erfordert den Austausch von Informationen über die Kosten, über das zu entwickelnde Produkt bzw. die zu entwickelnde Komponente sowie über die Produktionsprozesse. Kosteninformationen werden traditionell von jeder Vertragspartei zu Verhandlungszwecken geheimgehalten. Der Austausch solcher Informationen setzt deshalb voraus, dass sich Unternehmung und Lieferant die Optimierung der Total Cost of Ownership als Ziel zu eigen machen. Zu einem gemeinsamen Ziel wird die Minimierung der Total Cost of Ownership nur unter der Bedingung, dass die Ermittlung der Kosten und der Preise sowie die Verteilung der erreichten Kostensenkungen verlässlich geregelt sind (vgl. Womack/ Jones/ Roos (1992), S. 155). Der gegenseitige Informationsaustausch vollzieht sich durch − die Offenlegung von Informationen, insbesondere das Open Book Accounting, − die Entsendung von Mitarbeitern zum jeweiligen Vertragspartner sowie − die Durchführung von Lieferantenworkshops. Open Book Accounting ist die ein- oder gegenseitige, systematische, vollständige oder teilweise Offenlegung der Kostenrechnung zwischen Abnehmer und Lieferant (vgl. Hoffjan/ Kruse (2006), S. 95). <?page no="397"?> 380 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Die Offenlegung kann auf die Weitergabe von Informationen über die Preise der Einsatzgüter begrenzt sein oder auch die Fertigungskosten des Lieferanten einschließen. Die Offenlegung ist vollständig , wenn auch Informationen über die Gemeinkosten weitergegeben werden. Darüber hinaus können auch Informationen über die Auslastung der Kapazitäten übermittelt werden. Werden auf jeder Stufe der Lieferkette Kostendaten offengelegt und beim Endabnehmer gesammelt, können die Kostensenkungspotentiale in der gesamten Lieferkette analysiert werden. Auf dieser Grundlage können Kostenanalysen zur Identifikation der Kostenstrukturen und der Kostensenkungspotentiale durchgeführt werden. Mit diesen Informationen können die Kostenvorgaben für die Produktentwicklung und die kontinuierliche Verbesserung beim Lieferanten geplant und der Lieferant durch Kostensenkungsvorschläge in allen Phasen des Produktlebenszyklus unterstützt werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 106 f.; Kajüter/ Kulmala (2005), S. 187 ff.). Zur Vertrauensbildung sollten immer nur die Kosteninformationen zur Deckung eines objektiven Informationsbedarfs verlangt und jede Anfrage begründet werden (vgl. Lamming (1994), S. 276). Mitarbeiter werden sowohl vom Lieferanten zum Abnehmer als auch vom Abnehmer zum Lieferanten entweder dauerhaft oder zeitlich begrenzt entsendet . Serienentwicklungslieferanten entsenden Mitarbeiter der Produktentwicklung regelmäßig für einen begrenzten Zeitraum zur Abstimmung zwischen Endprodukt und Komponenten in den Entwicklungsbereich des Abnehmers. Mitarbeiter der Produktentwicklung von Konzeptlieferanten werden für die gesamte Dauer eines Entwicklungsprojektes zum Abnehmer entsendet und werden dort Mitglieder des multifunktionalen Produktentwicklungsteams. Um den Weiterverarbeitungsprozess des Lieferanten mit der Komponente abzustimmen, werden gelegentlich auch Fertigungsingenieure für einen begrenzten Zeitraum zum Abnehmer entsandt. Um den Lieferanten an dem Wissen über Verfahrensweisen und Ansatzpunkte zur Kostensenkung teilhaben zu lassen, entsendet der Abnehmer Führungskräfte, unternehmungsinterne Berater oder Mitarbeiter des Forschungs- und Entwicklungsbereichs. Diese führen Kostenanalysen durch, um Anregungen für Kostensenkungsmaßnahmen zu finden, wirken an Kostensenkungsprojekten mit oder erfassen bei Fehlen einer Kostenrechnung die erforderlichen Kostendaten (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 102 ff.; Kajüter/ Kulmala (2005), S. 187). Japanische Unternehmungen bieten ihren Lieferanten der ersten Stufe Workshops an, die der Wissensvermittlung dienen. Vermittelt werden Methoden zur Identifikation von Kostensenkungspotentialen sowie Techniken für Verhandlungen mit den Lieferanten der zweiten Stufe (vgl. Carr/ Ng (1995), S. 361). <?page no="398"?> Schlanke Zulieferung • 381 7.2.3 Unternehmungsübergreifendes Kostenmanagement 7.2.3.1 Abgrenzung des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements Die Gestaltungsbereiche des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements sind (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 147 ff.): − die kostenorientierte Produktplanung, − die kostenorientierte Prozessgestaltung beim Lieferanten und − die Steigerung der Effizienz der Schnittstelle zwischen Abnehmer und Lieferant. Zur Einflussnahme auf den Lieferanten stehen dem unternehmungsübergreifenden Kostenmanagement in jedem Gestaltungsbereich − disziplinierende und − fördernde Maßnahmen zur Verfügung. Disziplinierende Maßnahmen sind die Planung und Kontrolle von Kostenvorgaben für den Lieferanten. Werden die Vorgaben nicht erreicht, greifen die fördernden Maßnahmen . Sie zielen auf die Realisation von Kostensenkungspotentialen beim Lieferanten, die ohne Unterstützung des Abnehmers nicht ausgeschöpft werden könnten, weil dem Lieferanten das erforderliche Wissen fehlt, er nicht über die notwendige Marktmacht verfügt oder eine Kostensenkung beim Lieferanten Anpassungen beim Abnehmer voraussetzt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999b), S. 245 f.). Abb. 7.11 gibt einen Überblick über die Maßnahmen des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements. Maßnahmen Gestaltungsbereich Disziplinierende Maßnahmen Fördernde Maßnahmen Kostenorientierte Produktplanung − Einstufiges Target Costing − Mehrstufiges Target Costing − FPQ-Ausgleich − Unternehmensübergreifende Kostenanalyse − Gemeinsame kostenorientierte Produktplanung − Weitergabe von Kostensenkungswissen Kostenorientierte Prozessgestaltung − Kaizen Costing − Weitergabe von Kostensenkungswissen − Stärkung der Beschaffungsmacht Steigerung der Schnittstelleneffizienz − Verringerung der Transaktionskosten − Verringerung der Unsicherheit des Lieferanten − Weitergabe von Wissen über die Verkürzung von Durchlaufzeiten − Arbeitsverteilung zwischen Abnehmer und Lieferant − Art und Inhalt der Informationsübermittlung Abb. 7.11: Maßnahmen des unternehmungsübergreifenden Kostenmanagements <?page no="399"?> 382 • Potentialorientiertes Kostenmanagement 7.2.3.2 Unternehmungsübergreifende kostenorientierte Produktplanung 7.2.3.2.1 Target Costing als disziplinierende Maßnahme Für die unternehmungsübergreifende kostenorientierte Produktplanung werden die Produktkosten der von den Lieferanten bezogenen Teile, Baugruppen und Module nach den Regeln des Target Costing geplant. Hierzu sind die originären Produktkostenvorgaben zunächst in Funktionenkostenvorgaben und anschließend in Produktkostenvorgaben für diese Teile, Baugruppen und Module zu spalten (vgl. Abschnitt 6.2.3). Die von der Unternehmung geplante Komponentenkostenvorgabe ist der Preis, den sie dem Lieferanten für die jeweilige Komponenten zu zahlen bereit ist (vgl. Abschnitt 6.2.3.4). Durch die Vorgabe dieses Preises überträgt die Unternehmung den Wettbewerbsdruck, dem sie auf dem Absatzmarkt gegenübersteht, auf ihren Lieferanten (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 181). Werden von einem Lieferanten mehrere Komponenten bezogen, können die vom Endabnehmer geplanten Komponentenkostenvorgaben gebündelt werden, d. h., sie werden zu einer Gesamtkostenvorgabe zusammengefasst, die von der Unternehmung durchgesetzt und kontrolliert wird. Der Lieferant entscheidet selbst darüber, bei welchen seiner Komponenten Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden, um die Gesamtkostenvorgabe zu erreichen. Die Unternehmung überträgt damit dem Lieferanten die Entscheidung über die Kostensenkungsschwerpunkte. Um Hinweise zu geben, werden dem Lieferanten neben der Gesamtkostenvorgabe auch die Vorgaben für die einzelnen Komponenten mitgeteilt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 194 ff.). Um den Lieferanten keinem zerstörerischen Kostensenkungsdruck auszusetzen, werden die geplanten Produktkosten der Komponente auf Realisierbarkeit geprüft. Hierzu können folgende Informationen ausgewertet werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 182 ff.): − Kostenprognosen bzw. -schätzungen des Lieferanten, − Informationen der offengelegten Kostenrechnung des Lieferanten (Open Book Accounting), − Schätzungen der Unternehmung aus Daten, die bei der gemeinsamen Bearbeitung früherer Entwicklungs- und Kostensenkungsprojekte gewonnen worden sind, oder − Kostentabellen aus Daten ähnlicher Komponenten, die der Lieferant liefert bzw. geliefert hat (vgl. Abschnitt 6.2.4.2). Für die Durchsetzung der für die Komponenten geplanten Produktkosten haben sich im unternehmungsübergreifenden Kostenmanagement zwei Vorgehensweisen herausgebildet. Die von der Unternehmung geplante Komponentenkostenvorgabe sowie die für die Komponente festgelegte Funktionalität und Qualität können beim Lieferanten als verbindliche Vorgabe oder in Verhandlungen durchgesetzt werden. Die Durchsetzung durch verbindliche Vorgaben gelangt bei Teilefertigern zur Anwendung. Verhandelt werden die Preise, die Qualität und Funktionalität der Komponente, wenn ein <?page no="400"?> Schlanke Zulieferung • 383 Marktpreis existiert, es nur einen Lieferant für die Komponente gibt oder im Rahmen der Lieferbeziehung Investitionen getätigt werden, die vor allem für den jeweiligen Vertragspartner von Vorteil sind (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 193 f.). Die Kontrolle und Sicherung der Komponentenkostenvorgaben kann beim Lieferanten verbleiben bzw. vom Endabnehmer übernommen werden, wenn sich andeutet, dass der Lieferant die Kostensenkungsvorgabe nicht erreichen kann. Der Endabnehmer entsendet in diesem Fall Mitarbeiter, die den Lieferant bei der Erarbeitung von Kostensenkungsmaßnahmen unterstützen (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 193 f.). 7.2.3.2.2 Ein- und mehrstufiges Target Costing Im unternehmungsübergreifenden Kostenmanagement wird zwischen dem einstufigen und dem mehrstufigen Target Costing unterschieden. Anwendungsbereich des einstufigen Target Costing ist die Zusammenarbeit der Unternehmung mit einem Direktlieferanten. In einem hierarchisch-pyramidalen oder einem schwach hierarchischen Lieferantennetzwerk kann der Wettbewerbsdruck auf die Lieferanten mehrerer Stufen ausgedehnt werden. Der Lieferant der ersten Stufe versteht die Komponentenkostenvorgabe der Unternehmung als Absatzpreis seines Produktes und plant auf dieser Grundlage Komponentenkostenvorgaben, die er seinen Lieferanten vorgibt, d. h. Lieferanten der zweiten Stufe. Diese verwenden ihre Vorgabe zur Planung der Komponentenkostenvorgaben ihrer Produkte, die sie den Lieferanten der dritten Stufe vorgeben. Dieser Planungsprozess setzt sich bis zu dem Lieferanten fort, der seinen Lieferanten keine Preise vorgeben kann, weil er z. B. Güter mit Marktpreisen bezieht oder nicht über die erforderliche Marktmacht verfügt (vgl. Abb. 7.12). Diese Verkettung der Planung von Produktkostenvorgaben der Lieferanten aufeinanderfolgender Stufen eines Lieferantennetzwerkes wird als mehrstufiges (chained) Target Costing bezeichnet. Mehrstufiges (chained) Target Costing ist die Verknüpfung der Produktkostenplanung der Lieferanten mehrerer Stufen eines Lieferantennetzwerkes, indem die Komponentenkostenvorgaben eines Abnehmers als Absatzpreise in die Produktkostenplanung der Lieferanten dieser Komponenten eingehen. Im mehrstufigen Target Costing treten drei Typen von Schnittstellen zwischen Abnehmern und Lieferanten auf (vgl. Abb. 7.13): − die Schnittstelle A zwischen dem Markt für das Endprodukt und der Unternehmung, − die Schnittstelle B zwischen Lieferanten direkt aufeinander folgender Stufen in der Mitte der Target Costing Kette sowie − die Schnittstelle C zum Lieferanten am Ende der Target Costing Kette. <?page no="401"?> 384 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Abb. 7.12: Mehrstufiges Target Costing An der Schnittstelle A wird die originäre Produktkostenvorgabe durch die Unternehmung nach der in Abschnitt 6.2.3 erörterten Vorgehensweise geplant. Auf der Grundlage der originären Produktkostenvorgabe plant die Unternehmung anschließend die Produktkosten der Komponenten, die den Lieferanten der ersten Stufe an der Schnittstelle B als Preise für die Komponenten vorgegeben werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 218 ff.). Für Unternehmungen in der Mitte der Target Costing Kette, d. h. an den Schnittstellen vom Typ B, vereinfacht sich die Planung der originären Produktkostenvorgabe, da die Funktionalität, die Qualität und der erwartete Absatzpreis nicht durch Marktforschung ermittelt werden, sondern vom direkten Abnehmer vorgegeben werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 221 ff.). Der Lieferant am Ende der Target Costing Kette kann den Wettbewerbsdruck nicht an seine Lieferanten an der Schnittstelle C weitergeben. Er ist deshalb einem stärkeren Kostensenkungsdruck ausgesetzt als die Unternehmungen in der Mitte der Target Costing Kette. An Schnittstelle C werden die Lieferant der dritten Stufe ... Preis des Einsatzgutes Unternehmung Lieferant der ersten Stufe Lieferant der zweiten Stufe Preis des Einsatzgutes Planung der Produktkostenvorgabe Planung der Komponentenkostenvorgabe Planung der Funktionenkostenvorgabe Planung der Produktkostenvorgabe Planung der Komponentenkostenvorgabe Planung der Funktionenkostenvorgabe Planung der Produktkostenvorgabe Planung der Komponentenkostenvorgabe Planung der Funktionenkostenvorgabe Marktpreis des Endproduktes <?page no="402"?> Schlanke Zulieferung • 385 durch den Abnehmer geplanten Komponentenkosten deshalb nicht als verpflichtende Vorgabe durchgesetzt, sondern durch Verhandlungen, in denen der Lieferant seine Kostenrechnung offen legt (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 227 ff.). Abb. 7.13: Schnittstellen in der Target Costing Kette 7.2.3.2.3 Fördernde Maßnahmen Durch die Zusammenarbeit von Abnehmer und Lieferant bei der Produktentwicklung können Kostensenkungspotentiale durch − die Nutzung von Wissen des jeweiligen Vertragspartners, − die Abstimmung der Komponente mit dem Produktionsprozess des Lieferanten, − die Abstimmung der Komponenten mit dem Weiterverarbeitungsprozess beim Abnehmer sowie − die Abstimmung der Komponente mit dem Endprodukt Erwarteter Absatzpreis Lieferant der zweiten Stufe Markt für das Endprodukt Schnittstelle A Schnittstelle C Lieferanten, denen kein Preis vorgegeben werden kann Lieferant der ersten Stufe Lieferant der dritten Stufe Endabnehmer Preis Komponentenkostenvorgabe Preis Komponentenkostenvorgabe Preis Komponentenkostenvorgabe Target Costing Kette Schnittstelle B <?page no="403"?> 386 • Potentialorientiertes Kostenmanagement realisiert werden (vgl. Abb. 7.14). Erschlossen werden diese Kostensenkungspotentiale durch folgende fördernde Maßnahmen : − den Ausgleich zwischen Funktionalität, Preis und Qualität (FPQ-Ausgleich), − die unternehmungsübergreifende Kostenanalyse sowie − die gemeinsame Produktentwicklung. Diese Maßnahmen unterscheiden sich primär durch die Phase des Produktplanungsprozesses, in der die Zusammenarbeit beginnt. Damit weisen diese Maßnahmen auch Unterschiede in den Kosten auf, die sie verursachen, und in den Kostensenkungspotentialen, die durch sie realisiert werden können. Abb. 7.14: Kostensenkungspotentiale unternehmungsübergreifender Produktentwicklung (1) FPQ-Ausgleich Diese Maßnahme eignet sich für Serienentwicklungslieferanten in der Mitte der Target Costing Kette. Diesen Lieferanten werden die Funktionalität und die Qualität der Komponente vorgegeben, d. h., sie sind nicht an der Produktkonzeptplanung beteiligt. Ein FPQ-Ausgleich kann deshalb erst in den späten Phasen des Produktplanungsprozesses durchgeführt werden. Hat der Lieferant die durch die Produktgestaltung bei gegebener Funktionalität und Qualität erschließbaren Kostensenkungspotentiale ausgeschöpft, können die Produktkosten der Komponente und damit die Umsatzrentabilität des Lieferanten nur noch durch eine Anpassung der Funktionalität oder der Qualität der Komponente beein- Produktionsprozess beim Lieferanten zur Erstellung der Komponente Produktionsprozess beim Abnehmer zur Weiterverarbeitung der Komponente zum Endprodukt Lieferant Abnehmer Komponente Endprodukt Wissen Wissen Wissen Wissen Abstimmung Abstimmung Abstimmung <?page no="404"?> Schlanke Zulieferung • 387 flusst werden. Der Abnehmer wird diese Veränderungen nur akzeptieren, wenn (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 221 ff.): − die Veränderungen keine Auswirkungen auf die durch den Kunden wahrnehmbare Funktionalität bzw. Qualität des Endproduktes haben bzw. die abnehmende Unternehmung höhere Anforderungen an die Komponente stellt, als es für die Erfüllung der Kundenwünsche erforderlich wäre, − die Anpassung der Funktionalität oder Qualität der Komponente beim Abnehmer zu Kosteneinsparungen führt, die er in eine Erhöhung der Produktkostenvorgabe bzw. Preisvorgabe für den Lieferanten umsetzen kann, oder − die Verbesserung der Funktionalität oder Qualität der Komponente den Kundennutzen erhöht und damit einen höheren Preis für das Endprodukt zulässt. Kostensenkungspotentiale werden bei diesem Ansatz nur über die Nutzung des Wissens beim Lieferanten erschlossen. Beim FPQ-Ausgleich handelt es sich um eine an den Erfolgszielen des Lieferanten orientierte und mit seinem Abnehmer abgestimmte Anpassung der Funktionalität oder Qualität einer Komponente, die den Wert des Endproduktes, in das die Komponente eingeht, nicht verringert. (2) Unternehmungsübergreifende Kostenanalyse Der Anwendungsbereich der unternehmungsübergreifenden Kostenanalyse ist die Zusammenarbeit mit Serienentwicklungs- und Konzeptlieferanten. Sie setzt anders als der FPQ-Ausgleich nicht an der Funktionalität und Qualität der Komponente an, sondern an den technischen Produktmerkmalen sowie der Gestaltung der Produktionsprozesse. Identifiziert werden sollen Kostensenkungspotentiale, die durch folgende Maßnahmen ausgeschöpft werden können: (1) Die Verlagerung von Teilprozessen zur Produktion der Komponente zum Abnehmer, sofern er diese effizienter ausführen kann. (2) Die Anpassung des Entwurfs für die Komponente, so dass die Stärken des Lieferanten in der Produktion für eine Senkung der Produktkosten der Komponente genutzt werden können. Unternehmungsübergreifende Kostenanalysen bestehen aus gemeinsam durchgeführten Wertanalysen und erschließen Kostensenkungspotentiale durch die Nutzung des Wissens beider Vertragspartner sowie die Abstimmung der Komponente mit den Produktions- und Weiterverarbeitungsprozessen und dem Endprodukt. Durchgeführt werden unternehmungsübergreifende Kostenanalysen parallel zum Prozess der Komponentenentwicklung (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 233 ff.). <?page no="405"?> 388 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Die unternehmungsübergreifende Kostenanalyse ist die Zusammenarbeit der Entwicklungsteams des Lieferanten und des Abnehmers bei der Durchführung von Wertanalysen zur kostenorientierten Gestaltung der Komponente und ihres Produktionsprozesses bei gegebener Funktionalität und Qualität während der Entwicklung der Komponente. (3) Gemeinsame kostenorientierte Produktplanung Die Zusammenarbeit beginnt bei der gemeinsamen kostenorientierten Produktplanung bereits während der Konzeptplanung des Endproduktes. Damit eröffnet dieser Ansatz die Möglichkeit, Kostensenkungspotentiale durch die Nutzung des Wissens des Lieferanten über die Funktionalität und Qualität der Komponente zu erschließen. Da nur Konzeptlieferanten an der Produktkonzeptplanung mitwirken, kann nur mit diesen Lieferanten die kostenorientierte Produktplanung gemeinsam durchgeführt werden. Nach dem Umfang der Zusammenarbeit zwischen Abnehmer und Lieferant bei der kostenorientierten Produktplanung werden zwei Ansätze der gemeinsamen kostenorientierten Produktplanung unterschieden: − die parallele und − die simultane Produktplanung. Bei der parallelen Produktplanung werden dem Lieferanten die kundenbezogenen Funktionen der Komponente vorgegeben, die er anschließend in produktbezogene Funktionen und einen Produktentwurf umsetzt. Die Zusammenarbeit von abnehmender Unternehmung und Lieferant konzentriert sich bei dieser Maßnahme auf die Produktkonzeptplanung von Endprodukt und Komponente. Nach Abschluss dieser Phase entwickelt der Lieferant die Komponente selbstständig. Es werden nur noch unternehmungsübergreifende Kostenanalysen durchgeführt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der Lieferant die Planung der Komponente von der Planung des Endproduktes entkoppeln kann. Informiert die abnehmende Unternehmung den Lieferanten regelmäßig über die Produktpläne, kann dieser seine Produktentwicklung frühzeitig an die künftigen Anforderungen anpassen (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 254 ff.). Bei der simultanen Produktplanung arbeitet das Entwicklungsteam des Abnehmers während des gesamten Produktplanungsprozesses mit den Entwicklungsteams des Lieferanten zusammen. Anders als bei der parallelen Produktplanung ist die Zusammenarbeit nicht auf die Produktkonzeptplanung begrenzt. Neben der Gestaltung der Kosten der Komponenten durch ihre Abstimmung mit dem Produktionsprozess des Lieferanten eröffnet die simultane Produktentwicklung auch die Möglichkeit, die Produktkosten durch die Abstimmung zwischen Komponente und Endprodukt und die Anpassung der Komponente an den Weiterverarbeitungsprozess beim Abnehmer zu verändern (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 257 ff.). <?page no="406"?> Schlanke Zulieferung • 389 Die gemeinsame kostenorientierte Produktplanung zeichnet sich dadurch aus, dass der Lieferant nicht nur an der Entwicklung, sondern auch an der Konzeptplanung mitwirkt. Für die abnehmende Unternehmung hat die gemeinsame kostenorientierte Produktplanung folgende Vorteile (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 254): − die Erhöhung des Produktwertes, − die Verkürzung der Entwicklungsdauer sowie − die Senkung der Entwicklungskosten. In späten Phasen sind Veränderungen des Produktentwurfs zeitaufwendig und mit hohen Entwicklungskosten verbunden, so dass nur noch kleinere Anpassungen vorgenommen werden. Je früher die Zusammenarbeit beginnt, desto umfangreicher sind die effizient realisierbaren Kostensenkungspotentiale (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 19 f.). Durch die späte Einbeziehung der Lieferanten in die Produktplanung können beim FPQ-Ausgleich und der unternehmungsübergreifenden Kostenanalyse keine innovativen Vorschläge des Lieferanten zur Gestaltung der Komponenten berücksichtigt werden, ohne dass es zu einer Verlängerung des Entwicklungsprozesses und damit zu einer Verschiebung der Markteinführung kommt. In der Folge wird auf die Erschließung von Kostensenkungspotentialen und mögliche Steigerungen des Wertes des Endproduktes verzichtet. Bei der gemeinsamen kostenorientierten Produktplanung können diese Vorschläge bereits in die Konzeptplanung für das Endprodukt einbezogen und damit Anpassungen in den späten Phasen des Entwicklungsprozesses vermieden werden. Über die Erarbeitung von Vorschlägen für die innovative Gestaltung der Komponente gewinnt der Lieferant Einfluss auf den Wert des Endproduktes. Die Verkürzung der Entwicklungsdauer folgt aus der Parallelisierung der Produktplanungsprozesse bei der Unternehmung und beim Lieferanten. Der Lieferant kann die Ergebnisse der Produktplanung auch anderen Kunden zugänglich machen und diese mit einem Anteil an den Entwicklungskosten belasten. Dadurch fallen für den Endabnehmer geringere Entwicklungskosten an. Dieser Vorteil kann durch den Verlust der Fähigkeit zur Produktdifferenzierung kompensiert werden. Um dem zu begegnen, sollte in schwach hierarchischen und polyzentrischen Lieferantennetzwerken sowie bei Komponenten, die mit den Kernkompetenzen des Abnehmers im Zusammenhang stehen, auf eine gemeinsame Produktentwicklung verzichtet werden oder der Verkauf der Komponente an andere Kunden des Lieferanten durch vertragliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005a), S. 308 f.). Ein weiterer Nachteil der gemeinsamen Produktentwicklung ist die zunehmende Abhängigkeit zwischen Unternehmung und Lieferant. So hängt der Abnehmer von Innovationen des Lieferanten ab. Auf der anderen Seite ist der Lieferant vom wirtschaftlichen Erfolg des Endproduktes abhängig (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005a), S. 308). In <?page no="407"?> 390 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Abb. 7.15 werden die fördernden Maßnahmen der unternehmungsübergreifenden kostenorientierten Produktplanung zusammenfassend gegenübergestellt. Gemeinsame kostenorientierte Produktplanung Maßnahme Kriterium FPQ-Ausgleich Unternehmungsübergreifende Kostenanalyse Parallele Simultane Einsatzbereich Entwicklung der Komponente Entwicklung der Komponente Produktkonzeptplanung Gesamter Produktplanungsprozess Gestaltungsparameter Funktionalität und Qualität der Komponente Technische Merkmale des Produktes und des Produktionsprozesses beim Lieferanten Funktionalität, Qualität, technische Produktmerkmale Funktionalität, Qualität, technische Produktmerkmale Ansätze zur Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen Nutzung des Wissens des Lieferanten über die Funktionalität und Qualität des Produktes und ihre Kosten Gemeinsam durchgeführte Wertanalysen Anpassung der Komponente an den Produktionsprozess des Lieferanten Anpassung der Komponente an den Produktionsprozess des Lieferanten, an den Weiterverarbeitungsprozess in der Unternehmung und das Endprodukt Durchschnittliche Kostensenkung 1) 0 - 5 % 5 - 10 % 10 - 15 % 1) vgl. Cooper/ Slagmulder (2006), S. 140 f. Abb. 7.15: Fördernde Maßnahmen bei der unternehmungsübergreifenden kostenorientierten Produktplanung 7.2.3.3 Unternehmungsübergreifendes Kaizen Das unternehmungsübergreifende Kaizen bezweckt die an den kurzfristigen Erfolgszielen der Unternehmung ausgerichtete Gestaltung der Produktions- und Vertriebsprozesse beim Lieferanten. Als disziplinierende Maßnahme wird durch das Kaizen Costing der Unternehmung in jedem Jahr während der Marktphase der Komponente eine Preissenkungsrate geplant und dem Lieferanten vorgegeben. Dadurch wird der Wettbewerbsdruck, dem die Unternehmung ausgesetzt ist, auf den Lieferanten übertragen. Gelingt es dem Lieferanten nicht, die erforderliche Kostensenkung zu realisieren, greifen die fördernden Maßnahmen . Sie zielen auf die Kostensenkungspotentiale, die nur durch gemeinsame Aktivitäten der Unternehmung und des Abnehmers ausgeschöpft werden können (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 148 f.). Das unternehmungsübergreifende Kaizen ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmung und Lieferant während der Marktphase der Komponente zur Realisation von Preissenkungsraten, welche die Unternehmung in jeder Periode aus dem Kaizen Costing ableitet und dem Lieferanten vorgibt. <?page no="408"?> Schlanke Zulieferung • 391 Das Ausmaß der Kostensenkungspotentiale, die durch Maßnahmen während der Marktphase ausgeschöpft werden können, ist zunächst sehr viel geringer als bei der kostenorientierten Produktplanung. Die Unternehmung profitiert jedoch so lange von diesen Maßnahmen, wie sie die Produktionsprozesse des Lieferanten für die Produktion der Komponenten nutzt. Da mit einem Produktionsprozess meist mehrere Produktgenerationen realisiert werden, können auch mit den Kaizen-Maßnahmen auf lange Sicht bedeutsame Kostensenkungen erzielt werden, die den zusätzlichen Aufwand der Zusammenarbeit rechtfertigen. Die durch das unternehmungsübergreifende Kaizen in einer Periode erreichbare Kostensenkung ist eher gering. Anders als die Kostensenkungspotentiale in den Komponenten, die nur in der Entstehungsphase grundlegend verändert werden, können die Kostensenkungspotentiale in den Prozessen des Lieferanten jederzeit gehoben werden. Zur Planung der Kostenvorgaben für das Kaizen können deshalb vereinfachte Verfahren verwendet werden. Vielfach wird eine pauschale Preissenkungsrate für alle Lieferanten und ihre Komponenten festgelegt, die aus den Kostensenkungszielen des periodischen Kaizen hergeleitet und jährlich angepasst wird. Eine differenziertere Planung der Preissenkungsrate wird nur für die Komponenten von Produkten durchgeführt, die dem Produkt-Kaizen (vgl. Abschnitt 6.3) unterworfen sind, sowie für Komponenten mit einem hohen Anteil an den Produktkosten des Endproduktes (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 288 ff.). Fördernde Maßnahmen des unternehmungsübergreifenden Kaizen sind zum einen die Weitergabe von Wissen über Kaizen-Maßnahmen und deren Wirkung an den Lieferanten oder gemeinsam durchgeführte Wertanalysen. Zum anderen kann die Unternehmung den Lieferanten bei der Erschließung kostengünstigerer Quellen für die Beschaffung seiner Einsatzgüter unterstützen. Hierfür stehen zwei Maßnahmen zur Verfügung. (1) Der Abnehmer kann den Lieferanten auf günstigere Bezugsquellen hinweisen. (2) Er kann jedoch auch Einsatzgüter identifizieren, die von mehreren Unternehmungen im Lieferantennetzwerk benötigt werden, und die Beschaffung für das gesamte Lieferantennetzwerk bei einem Lieferanten bündeln, um durch eine größere Marktmacht Preisvorteile zu erzielen (Collective Sourcing). Weitere Maßnahmen können die Anpassung der Komponente an den Produktionsprozess beim Lieferanten betreffen. Da solche Anpassungsmaßnahmen Auswirkungen auf das Endprodukt und den Prozess der Weiterverarbeitung in der Unternehmung haben können, sind diese Maßnahmen nur in Zusammenarbeit zwischen Unternehmung und Lieferant durchführbar (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005a), S. 310 f.). 7.2.3.4 Kostenorientierte Gestaltung der Schnittstelle zum Lieferanten Bei der Schnittstelle zwischen Unternehmung und Lieferant handelt es sich um die Gesamtheit aller Aktivitäten und Prozesse zur Übertragung von Sach- oder Dienstleis- <?page no="409"?> 392 • Potentialorientiertes Kostenmanagement tungen vom Lieferanten zur Unternehmung, wie z. B. Bestellung, Rechnungserstellung, Bezahlung, Lagerhaltung und Transport. Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Schnittstelle können von den beiden Vertragsparteien gemeinsam, von der Unternehmung oder vom Lieferanten getätigt werden und zielen auf − die Senkung der Transaktionskosten oder − die Reduzierung der Unsicherheit. Die Transaktionskosten können durch die Beseitigung ineffizienter oder redundanter Aktivitäten gesenkt werden. Redundant sind Aktivitäten, die sowohl von der Unternehmung als auch vom Lieferanten ausgeführt werden. Weitere Maßnahmen zur Senkung der Transaktionskosten sind die Vereinfachung der Prozesse an der Schnittstelle. Schließlich tragen auch die Standardisierung und Automation von Prozessen, die sich häufig wiederholen, zur Senkung der Transaktionskosten bei (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 305 ff.). Der Lieferant bildet für einen unerwarteten Bedarf der Unternehmung Lagerbestände, die Unternehmung bildet Lagerbestände zur Absicherung gegen qualitative, quantitative oder zeitliche Fehllieferungen des Lieferanten. Mit der Reduzierung der Unsicherheit in der Unternehmung und beim Lieferanten werden diese Lagerbestände abgebaut, wodurch die Lagerkosten und die Kapitalbindung gesenkt werden können. Reduziert werden kann diese Unsicherheit durch den verstärkten Austausch von Informationen sowie die Verkürzung der Lieferzeiten. Kurze Lieferzeiten ermöglichen es dem Lieferanten, einen unerwartet auftretenden Bedarf kurzfristig decken zu können. Damit trägt auch jede Verkürzung der Durchlaufzeit und der Zeitdauer zur Bearbeitung einer Bestellung durch den Lieferanten zu einem Abbau der Unsicherheit bei (vgl. Cooper/ Slagmulder (1999a), S. 305 ff.). Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz an der Schnittstelle, welche die Zusammenarbeit von Unternehmung und Lieferant erfordern, sind − die Abwicklung der Prozesse und Aktivitäten über elektronische Medien sowie − die gemeinsame Bedarfsprognose. Durch das Erzeugen, den Versand und die Archivierung papierner Dokumente sowie die Eingabe der Daten aus diesen Dokumenten in das Informationssystem der jeweiligen Unternehmung und die dabei verursachten Fehler entstehen Kosten. Diese können durch Abwicklung der Transaktionsprozesse über elektronische Medien eingespart werden. Die Nutzung elektronischer Medien verkürzt die Zeit für den Prozess der Auftragsabwicklung und versorgt die empfangende Unternehmung mit einem elektronisch auswertbaren Datenbestand über den jeweiligen Vertragspartner. In ausgereiften Systemen kann die Unternehmung Informationen über den Stand des Auftragsabwicklungsprozesses beim Lieferanten abrufen, wodurch Unsicherheit abgebaut werden kann (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005a), S. 293 ff.). <?page no="410"?> Schlanke Zulieferung • 393 Bei der gemeinsamen Bedarfsprognose tauschen die beteiligten Unternehmungen im Lieferantennetzwerk ihre Bedarfsprognosen aus und stimmen sie unternehmungsübergreifend ab. Diese Vorgehensweise hat folgende Vorteile: (1) Jeder Engpass wird sehr viel früher sichtbar, so dass rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden können. (2) Auf den Aufbau von Sicherheitsbeständen kann weitgehend verzichtet werden. (3) Die Bedarfsprognose wird einfacher, da sie weniger häufig angepasst werden muss (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005a), S. 297). Abb. 7.16 gibt einen Überblick über Maßnahmen, welche die Unternehmung zum Abbau von Unsicherheiten und zur Senkung der Transaktionskosten ergreifen kann. Maßnahmen des Lieferanten zum Abbau von Unsicherheiten und zur Senkung der Transaktionskosten des Lieferanten werden in Abb. 7.17 genannt (vgl. Cooper/ Slagmulder (2005a), S. 297 ff.). Abbau von Unsicherheit Senkung der Transaktionskosten − Präzise Bedarfsplanung: Vermeiden oder zumindest frühzeitiges Erkennen eines unerwarteten Bedarfs − Abstimmen des Zeitpunktes der Bestellung mit der Durchlaufzeit beim Lieferanten − Vermeiden nachträglicher Änderungen von Bestellungen − Vermeiden von Sonderwünschen − Offenlegen der Bedarfsprognose sowie der Produktions- und Absatzpläne, auf denen die Bedarfsprognose beruht − Abschließen langfristiger Rahmenverträge − Bezahlen bei Eingang: Die Bezahlung der Lieferung wird mit ihrem Eingang ausgelöst, ohne dass eine Rechnung erstellt wird. − Präzise Kommunikation: Vermeiden von Fehlern und der dadurch entstehenden Kosten Abb. 7.16: Maßnahmen der Unternehmung zur Verbesserung der Schnittstelleneffizienz Abbau von Unsicherheit Senkung der Transaktionskosten − Erhöhen des Anteils planmäßiger Lieferungen − Verkürzen der Lieferzeit: Beitrag zum Abbau der Unsicherheit des Abnehmers gegenüber seinen eigenen Kunden − Verkürzen der Durchlaufzeit: Steigern der Lieferzuverlässigkeit − Offenlegen von Leistungsmerkmalen: Fehlerquoten, Durchlaufzeiten, Kennzahlen zur Lieferzuverlässigkeit − Gewähren eines Zugangs zu Informationen über den Stand des Auftragsabwicklungsprozesses sowie zu Informationen für die Beurteilung der Lieferbereitschaft − Verbessern der Qualität: Abbau der Qualitätskontrollen beim Abnehmer und Ermöglichen einer gemeinsamen Lagerhaltung − Übernahme der Steuerung der gemeinsamen Lagerhaltung − Präzise Kommunikation: Vermeiden von Fehlern und der dadurch entstehenden Kosten Abb. 7.17: Maßnahmen des Lieferanten zur Verbesserung der Schnittstelleneffizienz <?page no="411"?> 394 • Potentialorientiertes Kostenmanagement 7.3 TPM als Ansatz des Kostenmanagements während der Betriebsphase von Betriebsmitteln 7.3.1 Abgrenzung des Total Productive Maintenance (TPM) Gestaltungsobjekt des potentialorientierten Kostenmanagements während der Betriebsphase des Betriebsmittels sind − die Betriebs- und Unterhaltskosten, − die Fehlerkosten sowie − die stückbezogenen Abschreibungen. Beispiele für Betriebskosten eines Betriebsmittels sind Energiekosten und Versicherungsprämien. Unterhaltskosten werden durch Aktivitäten zur Wahrung bzw. Wiederherstellung der Nutzungsfähigkeit eines Betriebsmittels ausgelöst (vgl. Siegwart/ Senti (1995), S. 80). Fehlerkosten werden durch Störungen des Betriebsmittels bzw. Maßnahmen zur Minderung deren Konsequenzen verursacht. Sie setzen sich aus den Betriebsunterbrechungskosten und den Folgekosten zusammen. Betriebsunterbrechungskosten sind die Erlöse, die durch ungeplante oder geplante Ausfallzeiten des Betriebsmittels entgehen. Folgekosten entstehen durch Fehler bei den Produkten, die durch Betriebsmittel verursacht werden. Sie umfassen Kosten u. a. für Nacharbeit und Ausschuss (vgl. Hiraoka (2000), S. 246). Zu diesen Kosten treten Lager- und Kapitalbindungskosten für Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen, die gebildet werden, um das Risiko von Betriebsunterbrechungen oder Lieferverzögerungen zu vermindern (vgl. Nakajima (1995), S. 25). Die stückbezogene Abschreibung ist der Anteil der Abschreibung des Betriebsmittels, der einer Produkteinheit zugerechnet wird. Sie wird neben dem Abschreibungsbetrag der Periode vor allem durch die Arbeitsproduktivität des Betriebsmittels determiniert: Ausbringungsmenge Arbeitsproduktivität = Betriebszeit . Die Fehlerkosten und die Arbeitsproduktivität von Betriebsmitteln hängen von folgenden Faktoren ab, die auch als die „ sechs großen Verlustquellen “ beim Einsatz von Betriebsmitteln bezeichnet werden (vgl. Nakajima (1995), S. 35): − Verlustzeiten durch • Betriebsmittelausfall als Folge von Störungen oder • Rüsten und Einstellen; − Geschwindigkeitsverluste durch • Leerlauf oder geringfügige Unterbrechungen, die als Folge des regelwidrigen Betriebs von Sensoren, das Blockieren von Werkstücken usw. auftreten, • verringerte Geschwindigkeit durch mechanische Probleme, Qualitätsmängel an den Bearbeitungsobjekten, Angst vor einer Überlastung der Anlage; <?page no="412"?> TPM • 395 − Fehler in der Form von • Verfahrensfehlern, die Ausschuss, Qualitätsminderung oder Nacharbeit verursachen und • Anfangsverlusten während des Produktionsanlaufs bis zum stabilen Prozess nach einem Rüstprozess oder einer geplanten oder ungeplanten Produktionsunterbrechung. Ein Ansatz des potentialorientierten Kostenmanagements zur Gestaltung der Arbeitsproduktivität und der Fehlerkosten durch die Einflussnahme auf die sechs großen Verlustequellen des Betriebsmitteleinsatzes ist das Total Productive Maintenance (TPM) bzw. die umfassende produktive Instandhaltung. Es handelt sich hierbei um ein Instandhaltungskonzept, das durch die folgenden drei Merkmale gekennzeichnet ist (in Anlehnung an Schimmelpfeng (1997), S. 314): − die Ausweitung der Instandhaltung auf alle Phasen des Anlagenlebenszyklus, − die Ausrichtung der Instandhaltung an allen sechs Verlustquellen sowie − die Einbeziehung aller Mitarbeiter in die Instandhaltung. Das Total Productive Maintenance (TPM) ist ein Ansatz zur kontinuierlichen Verbesserung der Betriebsmittel in allen Phasen ihres Lebenszyklus mit dem Ziel einer Erhöhung ihrer Gesamteffektivität durch Einbeziehung aller Mitarbeiter (vgl. Ikuta/ Nakajima (1985), S. 89). TPM basiert auf der japanischen Gesellschafts- und Unternehmungskultur. Nicht japanische Unternehmungen können diesen Ansatz deshalb in der Regel nicht unverändert übernehmen. TPEM (Total Productive Equipment Management) ist ein alternativer Ansatz, der für die Umsetzung des TPM-Ansatzes in nicht japanischen Unternehmungen entwickelt worden ist (vgl. Hartmann (1995), S. 43 f.; 103). (1) Ausweitung der Instandhaltung Das Total Productive Maintenance erstreckt sich auf alle Phasen im Lebenszyklus einer Anlage, d. h. den Entwurf, die Konstruktion, die Herstellung, die Installation und den Betrieb. Es schließt alle Instandhaltungsstrategien ein, die über die Instandsetzung bei Störungen hinausgehen, d. h. − die vorbeugende Instandhaltung (Preventive Maintenance), − die verbessernde Instandhaltung (Corrective Maintenance), − die Instandhaltungsprävention (Maintenance Prevention) und − die produktive Instandhaltung (Productive Maintenance). Mit der vorbeugenden Instandhaltung wird eine Reduktion der Störungen eines Betriebsmittels durch planmäßig durchgeführte Wartungs- und Inspektionsaktivitäten angestrebt. Die verbessernde Instandhaltung zielt auf eine Verbesserung der Betriebsmittel hinsichtlich Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit. Der Einsatz von Be- <?page no="413"?> 396 • Potentialorientiertes Kostenmanagement triebsmitteln, die einfach zu bedienen und instand zu halten sind, ist das Ziel der Instandhaltungsprävention . Die produktive Instandhaltung führt die vorbeugende und die verbessernde Instandhaltung sowie die Instandhaltungsprävention unter der Verantwortung der Instandhaltungsabteilung zusammen (vgl. Hiraoka (2000), S. 245 f.). Abb. 7.18 gibt einen Überblick über die Instandhaltungsstrategien. (2) Ausrichten an allen Verlustquellen Die Ausrichtung an allen Verlustquellen zeigt sich in den zwei Zielen , die dem TPM- Konzept zugrunde liegen: − Null-Störungen der Betriebsmittel sowie − Null Produktfehler durch Betriebsmittel. Abb. 7.18: Instandhaltungsstrategien Werden Betriebsmittelstörungen vermieden, steigt die Arbeitsproduktivität der Betriebsmittel und die Bestände an unfertigen und fertigen Erzeugnissen können verringert werden. Die Verminderung der Produktfehler der Betriebsmittel führt zu einer Verringerung der Fehlerkosten (vgl. Nakajima (1995), S. 25). Abgebildet werden diese beiden Ziele in der Gesamteffektivität eines Betriebsmittels (Overall Equipment Effectiveness, OEE). Hierbei handelt es sich um eine Kennzahl, die alle Wirkungen der sechs großen Verlustquellen zusammenfasst. Berechnet wird sie durch die multiplikative Verknüpfung − des Gesamtnutzungsgrades, − des Leistungsgrades sowie − des Qualitätsgrades des Betriebsmittels. Der Gesamtnutzungsgrad NG ist definiert als Quotient aus der Ist-Belegzeit T i und der geplanten Belegzeit T p . Die Ist-Belegzeit ergibt sich als Differenz aus der geplanten Belegzeit und der Verlustfallzeit ∆ T durch Störungen, Rüsten und Einstellen. Der Nutzungsgrad bildet damit den Umfang der Verlustzeiten ab. Vorbeugende Instandhaltung Verbessernde Instandhaltung Instandhaltungsprävention Produktive Instandhaltung <?page no="414"?> TPM • 397 p i p p T T T NG T T − ∆ = = Der Leistungsgrad LG wird berechnet als Quotient aus der Soll-Belegzeit und der Ist-Belegzeit. Die Soll-Belegzeit T s gibt die Betriebszeit des Betriebsmittels bei Bearbeitung der Ist-Menge x i bei Produktion mit der geplanten Bearbeitungsgeschwindigkeit, die als Bearbeitungszeit pro Stück t p definiert ist. Die Soll-Belegzeit weicht von der Ist-Belegzeit ab, wenn durch Geschwindigkeitsverluste nicht die geplante Menge realisiert werden kann. i p s i i x t T LG T T ⋅ = = Der Qualitätsgrad QG ist der Quotient aus den Gutteilen x g und dem gesamten Output. Gutteile sind bearbeitete Einheiten, die den Anforderungen genügen. Im Qualitätsgrad spiegeln sich die Fehler des Betriebsmittels wider. g i n a i i x x x x QG x x − − = = wobei x n = Anzahl der Produkteinheiten, die nachgearbeitet werden müssen, x a = Anzahl der Produkteinheiten, die Ausschuss sind. Werden die drei Kennzahlen zusammengefasst, ergibt sich für die Gesamteffektivität des Betriebsmittels OEE = NG ⋅ LG ⋅ QG = p g g p p t x x T x ⋅ = , wobei x p = Anzahl der geplanten Produkteinheiten. Sie bringt das Verhältnis zwischen der Produktionsmenge bei Null-Störungen und Null-Produktfehler und der tatsächlich realisierten Menge an Produkten, die den Anforderungen genügen. Durch TPM kann die Gesamtanlageneffektivität auf 85 % gesteigert werden, die ansonsten bei etwa 50 % liegt (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 34). Abb. 7.19 zeigt die Zusammensetzung der Gesamteffektivität der Betriebsmittel. (3) Einbeziehen aller Mitarbeiter Beim TPM beschäftigt sich nicht nur die Instandhaltungsabteilung mit Instandhaltungsaktivitäten. Es wirken vielmehr alle Mitarbeiter auf allen Ebenen der Unternehmungshierarchie an der Instandhaltung mit. Jedem Mitarbeiter wird die Verantwortung für den Zustand des Betriebsmittels übertragen, das er bedient. <?page no="415"?> 398 • Potentialorientiertes Kostenmanagement Einsatzzeiten Verlustquellen Planeinsatzzeit T p Ist-Einsatzzeit T i Verlustzeiten − Störungen − Rüsten und Einstellen p P T T Nutzungsgrad T − ∆ = Soll-Einsatzzeit T s Geschwindigkeitsverluste − Leerlauf und kleinere Unterbrechungen − Verringerte Geschwindigkeit i p i x t Leistungsgrad T ⋅ = Wertschöpfende Einsatzzeit Fehler − Verfahrensfehler − Anfangsverluste g i x Qualitätsgrad x = Abb. 7.19: Gesamteffektivität der Betriebsmittel 7.3.2 Elemente des TPM-Konzeptes Umgesetzt wird das Total Productive Maintenance durch die Implementierung der folgenden Elemente (vgl. Willmott/ McCarthy (2001), S. 65 ff.): − die kontinuierliche Verbesserung der Gesamteffektivität der Betriebsmittel durch die Beseitigung der sechs großen Verlustquellen, − die autonome Instandhaltung, − die präventive Instandhaltung, − die kontinuierliche Verbesserung der Fähigkeiten der Mitarbeiter sowie − die Instandhaltungsprävention. (1) Kontinuierliche Verbesserung der Gesamteffektivität der Betriebsmittel Dieses Element des TPM-Konzeptes wird in der Form des managementorientierten Kaizens (vgl. Abschnitt 4.1.1) in folgenden Schritten vollzogen (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 39 ff.): − Schritt 1: Identifizieren der Verlustquellen − Schritt 2: Bestimmen von Schwerpunkten − Schritt 3: Bilden von Verbesserungsteams − Schritt 4: Analysieren der Problemursachen − Schritt 5: Erarbeiten von Maßnahmen − Schritt 6: Durchführen der Maßnahmen − Schritt 7: Kontrolle <?page no="416"?> TPM • 399 Im ersten Schritt werden während eines vorgegebenen Zeitraums für jeden Arbeitsplatz die aufgetretenen Verlustquellen (z. B. Störungen, Rüsten) und ihre Konsequenzen in der Form verlorener Stückzahlen erfasst. Aus diesen Daten wird im zweiten Schritt ein Pareto-Diagramm erstellt, mit den aufgetretenen Verlustquellen auf der Abszisse und den verlorenen Stückzahlen auf der Ordinate, um Schwerpunktprobleme zu identifizieren, d. h. Probleme mit einem hohen Einfluss auf die Gesamteffektivität. Zur Bearbeitung der identifizierten Schwerpunktprobleme wird im dritten Schritt ein bereichsübergreifendes Verbesserungsteam gebildet, das mit Mitarbeitern aus der Produktion, der Instandhaltung und des Qualitätsmanagements besetzt ist. Das Verbesserungsteam greift das Schwerpunktproblem mit der höchsten Priorität auf und analysiert im vierten Schritt seine Ursachen. Hierzu wird die Methode des Fünffachen Warum (vgl. Abschnitt 5.4.2) eingesetzt. Liegen den Problemen mehrere Ursachen zugrunde, wird zusätzlich ein Ursache-Wirkungs-Diagramm (vgl. Abschnitt 4.3.3.2) erstellt. Im fünften Schritt werden Maßnahmen erarbeitet, um die identifizierten Problemursachen nachhaltig zu beseitigen. Für jede Maßnahme wird festgelegt, wer für ihre Realisation verantwortlich ist. Die Maßnahmen werden im sechsten Schritt realisiert. Ist die Realisation der Maßnahmen abgeschlossen, werden die Wirkungen in einem siebten Schritt kontrolliert und die Ergebnisse dokumentiert. (3) Autonome Instandhaltung Bei der autonomen Instandhaltung trägt der Mitarbeiter die Verantwortung für den Zustand des Betriebsmittels, das er bedient, indem er routinemäßige Instandhaltungsaufgaben übernimmt, die keine besonderen Instandhaltungskenntnisse voraussetzen (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 59). In der autonomen Instandhaltung unterscheidet sich das TPEM in der Regel von der japanischen Variante des TPM. Nach dem TPEM-Ansatz werden nicht alle der genannten Instandhaltungsaufgaben auf die Mitarbeiter an den Maschinen übertragen. Der Umfang der autonomen Instandhaltung wird vielmehr an die Motivation und die Fähigkeiten der Mitarbeiter an den Maschinen angepasst (vgl. Hartmann (1995), S. 103, 114). Eingeführt wird die autonome Instandhaltung in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten. Der jeweils nachfolgende Schritt wird stets erst dann begonnen, wenn die Mitarbeiter die für den aktuellen Schritt notwendigen Fertigkeiten vollständig erlernt haben, was durch Audits überprüft wird. Als Schritte der Einführung der autonomen Instandhaltung werden vorgeschlagen (vgl. Nakajima (1995), S. 89 ff.): − Schritt 1: Anfängliche Reinigung − Schritt 2: Eliminieren von Quellen der Verschmutzung − Schritt 3: Festlegen vorläufiger Reinigungs- und Schmierstandards − Schritt 4: Inspektion und Wartung des Betriebsmittels <?page no="417"?> 400 • Potentialorientiertes Kostenmanagement − Schritt 5: Autonome Inspektion − Schritt 6: Organisieren und optimieren des Arbeitsplatzes − Schritt 7: Gruppenorientiertes Kaizen zur Verbesserung des Betriebsmittels Das Reinigen des Betriebsmittels wird in Schritt 1 mit dem Ziel durchgeführt, Probleme und Anormalitäten zu entdecken, wie z. B. lockere Bauteile, Ölleckagen und durch Schmutz verdeckte Schmiernippel. Probleme werden gemeldet und zusätzlich bis zur Behebung in der Nähe des Betriebsmittels deutlich sichtbar vermerkt (Visual Management). Gegenstand des zweiten Schrittes ist das Vermeiden von Verschmutzungen, das Vereinfachen des Reinigungsprozesses (z. B. durch das Verbessern der Zugänglichkeit) sowie das Verkürzen der für das Reinigen und Schmieren notwendigen Zeit. Nach dem SDCA-/ PDCA-Zyklus folgt einer Verbesserung immer die Standardisierung, um die verbesserten Prozesse zu stabilisieren. Im dritten Schritt werden deshalb auf der Grundlage der in den ersten beiden Schritten gesammelten Erfahrungen vorläufige Standardabläufe für die Reinigungs-, Inspektions- und Wartungsarbeiten entwickelt. Damit diese anschließend auch befolgt werden, sollten sie von den Mitarbeitern, die an den Betriebsmitteln tätig sind, selbst erarbeitet werden. Im vierten Schritt werden die Mitarbeiter unterwiesen, Inspektionen und einfache Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Darüber hinaus werden visuelle Kontrollhilfen eingerichtet, d. h. leicht wahrzunehmende Markierungen, die über das Vorliegen des geforderten Zustandes informieren. Sie bezwecken, den Zeitaufwand für die Inspektion zu reduzieren. Mit dem fünften Schritt beginnt die autonome Instandhaltung. Er umfasst die Überarbeitung der im dritten Schritt entwickelten Standards unter Berücksichtigung der im vierten Schritt gemachten Erfahrungen sowie die Formulierung endgültiger Standards in der Form von Prüfformularen für die selbstständige Inspektion. Der sechste Schritt betrifft nicht das Betriebsmittel, sondern den Arbeitsplatz. Durch den Prozess der Fünf S soll ein sauberer Arbeitsplatz als Voraussetzung eines verlustfreien Produktionsprozesses geschaffen werden. Der siebte Schritt vervollständigt die autonome Instandhaltung. Die Mitarbeiter werden in diesem Schritt befähigt, in Qualitätszirkeln Verlustquellen zu identifizieren und zu bewerten, ihre Ursachen zu analysieren sowie Maßnahmen zu erarbeiten und durchzuführen. (3) Geplante präventive Instandhaltung Instandhaltungsstrategien, die spezielles Fachwissen sowie besondere Werkzeuge oder Hilfsstoffe erfordern, werden weiterhin von der Instandhaltungsabteilung ausgeführt. Die Instandhaltungsaktivitäten der Instandhaltungsabteilung werden geplant und zu einem Instandhaltungsprogramm zusammengefasst. Es legt nicht nur die Aktivitäten fest, sondern auch die Zeitpunkte, zu denen sie ausgeführt werden. Das Instandhaltungsprogramm ist mit den Aktivitäten der autonomen Instandhaltung abzustimmen. Während des Prozesses der Implementierung der autonomen Instandhaltung ist das geplante Instandhaltungsprogramm deshalb regelmäßig an den zunehmenden Aufga- <?page no="418"?> TPM • 401 benumfang dieses Elements des TPM-Konzeptes anzupassen (vgl. Nakajima (1995), S. 99 ff.). Um die Effizienz der Instandhaltung zu sichern, werden für alle Aktivitäten, die im Instandhaltungsprogramm festgeschrieben sind, Standards erarbeitet (vgl. Al- Radhi/ Heuer (1995), S. 84 ff.). Das Instandhaltungsprogramm gliedert sich in drei Bereiche (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 80 ff.): − die prozessbezogene Instandhaltung, − die verbessernde Instandhaltung sowie − die Ablaufoptimierung. Zweck der prozessbezogenen Instandhaltung ist es, Anormalitäten der Betriebsmittel zu entdecken und zu beseitigen, bevor es zu Schäden an den Bearbeitungsobjekten, Produktionsunterbrechungen oder einer Verminderung der Funktionsfähigkeit der Produktionsanlage kommt. Die verbessernde Instandhaltung erstreckt sich über die gesamte Betriebsphase des Betriebsmittels und zielt auf eine Steigerung seiner Arbeitsproduktivität, indem Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden, welche die Zuverlässigkeit und die Leistungsfähigkeit des Betriebsmittels erhöhen. Gegenstand der Ablaufoptimierung ist die kontinuierliche Verbesserung der Abläufe (z. B. Ersatzteillagerung, Datenverwaltung), die zur Realisation des Instandhaltungsprogramms ausgeführt werden müssen, um z. B. Reparaturzeiten zu verkürzen oder die Kosten für die Lagerung von Ersatzteilen zu reduzieren. Die präventive Instandhaltung wird in sieben aufeinanderfolgenden Schritten eingeführt (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 91 ff.): − Schritt 1: Setzen von Instandhaltungsprioritäten − Schritt 2: Schaffen einer stabilen Ausgangsbasis − Schritt 3: Einführen eines Informationssystems − Schritt 4: Einführen der prozessbezogenen Instandhaltung − Schritt 5: Ablaufoptimierung − Schritt 6: Einführen der verbessernden Instandhaltung − Schritt 7: Implementierung eines gruppenorientierten Kaizen zur Verbesserung der Instandhaltung durch die Instandhaltungsabteilung Aufgabe der Instandhaltungsabteilung ist im ersten Schritt eine Ist-Analyse der Betriebsmittel im Produktionsbereich, um Instandhaltungsprioritäten zu setzen. Zum Schaffen einer stabilen Ausgangsbasis werden im zweiten Schritt die identifizierten Mängel entsprechend ihrer Prioritäten beseitigt. Gleichzeitig werden Vorkehrungen gegen das Auftreten ernster Fehler ergriffen. Das Informationssystem, das im dritten Schritt zu schaffen ist, soll Informationen über die Fehlerverteilung, die geplanten und realisierten Instandhaltungsmaßnahmen, die Bestände an Betriebsstoffen und Ersatzteilen sowie das Instandhaltungsbudget bereitstellen. Im vierten Schritt wird ein <?page no="419"?> 402 • Potentialorientiertes Kostenmanagement System zur Planung der prozessbezogenen Instandhaltung geschaffen. Planungsobjekt sind die Wartungs- und Instandsetzungszyklen sowie die Ausführung der Maßnahmen. Darüber hinaus werden für die Instandhaltungsaktivitäten Standards entwickelt. Diese werden im fünften Schritt mit dem Ziel überarbeitet, die Instandhaltungseffizienz zu verbessern. Schwerpunkt des sechsten Schrittes ist das Schaffen eines Systems zur Sammlung möglicher Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsmittel. Um die geplante präventive Instandhaltung auf dem nach dem sechsten Schritt erreichten Niveau zu stabilisieren, wird im siebten Schritt in der Instandhaltungsabteilung ein gruppenorientiertes Kaizen implementiert (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 96), um Zeitstandards und Kosten zu reduzieren und Leistung und Zuverlässigkeit der Betriebsmittel weiter zu verbessern. (4) Kontinuierliche Verbesserung der Fähigkeiten der Mitarbeiter Allen Mitarbeitern sind Kenntnisse über die Grundlagen und Werkzeuge des TPM und Kommunikationsfertigkeiten für die Teamarbeit zu vermitteln. Die Mitarbeiter, die in der Produktion Betriebsmittel bedienen, haben die Instandhaltungskenntnisse zu erwerben, die für die autonome Instandhaltung erforderlich sind, sowie Kenntnisse zur Bedienung des Betriebsmittels mit dem Ziel, die Produktionsabläufe zu optimieren. Die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter in der Instandhaltungsabteilung sind an die Erfordernisse der präventiven Instandhaltung anzupassen (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 99 ff.). Im Rahmen des Total Productive Maintenance stehen nicht die traditionellen Schulungen im Vordergrund. Vermittelt wird das erforderliche Wissen vielmehr durch Learning-by-doing, Training-on-the-job und die Weitergabe innerhalb der verschiedenen Teams (vgl. Schimmelpfeng (1997), S. 318 f.). (5) Instandhaltungsprävention Die Instandhaltungsprävention ist die Verbesserung der Betriebsmittel hinsichtlich der Bedien- und Instandhaltbarkeit sowie der Prozesssicherheit während aller Phasen seines Lebenszyklus. Sie ist in drei Teilbereiche gegliedert (vgl. Al-Radhi/ Heuer (1995), S. 123 ff.): − das Maintenance Prevention Design (MP Design) während des Entwurfs und der Konstruktion des Betriebsmittels, − das Early Equipment Management während der Herstellung, der Installation und des Anlaufs des Betriebsmittels sowie − die Instandhaltungsprävention während der Betriebsphase, die in die verbessernde Instandhaltung der präventiven Instandhaltung übergeht. 60-70 % aller Probleme, die in der Betriebsphase eines Betriebsmittels auftreten, werden in seiner Entstehungsphase verursacht. Das Maintenance Prevention Design <?page no="420"?> TPM • 403 nimmt deshalb bei der Instandhaltungsprävention einen hohen Stellenwert ein. Es wird von Entwicklungsteams getragen, in denen neben Mitarbeitern der Anlagenentwicklung bzw. des Maschinenherstellers auch Mitarbeiter der Produktion und der Instandhaltung mitwirken. Das Entwicklungsteam formuliert die Anforderungen, die an das zu entwickelnde Betriebsmittel gestellt werden. Diese betreffen u. a. − die Zuverlässigkeit, d. h. das Vermeiden von Funktionsausfällen sowie des Verschleißes von Anlagenkomponenten, − die Instandhaltbarkeit, d. h. die Einfachheit der Verschleißmessung, der Fehlerfindung und der Instandsetzung, − das Erleichtern der autonomen Instandhaltung sowie − das Vereinfachen der Maschinenbedienung. Aus diesen Anforderungen werden vom Entwicklungsteam technische Spezifikationen hergeleitet, die während der Konstruktion umzusetzen sind. Das Entwicklungsteam überprüft in der Phase der Konstruktion durch regelmäßige Design Reviews , ob die technischen Spezifikationen vollständig in den Entwurf eingegangen sind (vgl. Al- Radhi/ Heuer (1995), S. 124 ff.). Das Early Equipment Management besteht aus Maßnahmen, durch die sichergestellt wird, dass das Betriebsmittel alle technischen Spezifikationen aufweist, die im Entwurf des Betriebsmittels festgeschrieben sind. Weiterhin wird das Betriebsmittel gründlich getestet, Fehlfunktionen und Defekte analysiert und nachhaltig behoben (vgl. Al-Radhi (1995), S. 132 ff.). <?page no="421"?> Teil 4: Theoretische Grundlagen des Kostenmanagements 8 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen des Kostenmanagements 8.1 Effizienz in der aktivitätsanalytischen Produktionstheorie 8.1.1 Grundlagen der aktivitätsanalytischen Produktionstheorie Gegenstand der Produktionstheorie ist die Ermittlung und Überprüfung von Aussagen über die Regelmäßigkeiten zwischen den Einsatz- und Ausbringungsgütermengen unter verschiedenen Bedingungen (vgl. Dellmann (1980), S. 17). Produktionsfunktionen ordnen jeder Kombination von Einsatzgütermengen die jeweils maximal herstellbare Ausbringungsmenge zu (vgl. Wittmann (1993), Sp. 3496). Die neoklassische und die betriebswirtschaftliche Produktionstheorie (vgl. z. B. Steven (1998), S. 125 ff.) postulieren die Existenz von Produktionsfunktionen und deren Eigenschaften. Die aktivitätsanalytische Produktionstheorie leitet Produktionsfunktionen dagegen unter Anwendung von Effizienzkriterien aus den technischen Bedingungen der Leistungserstellung her (vgl. Kistner (1981), S. 46 f.). Bestandteile der Aktivitätsanalyse sind − die Aktivitäten und − die Technologie. Eine Aktivität ist eine realisierbare Kombination von Einsatzgütermengen, die bei Anwendung eines gegebenen Produktionsverfahrens zu bestimmten Mengen der Ausbringungsgüter führt (vgl. Steven (1998), S. 63). Dargestellt werden sie als Gütermengenvektoren (vgl. Fandel (1996), S. 36): y = (r 1 , r 2 , …, r M ; x 1 , x 2 , …, x N ), wobei y = Aktivität (Gütermengenvektor), r m = Menge des Einsatzgutes m (m = 1, ..., M), x n = Menge des Ausbringungsgutes n (n = 1, ..., N). Abb. 8.1 zeigt jeweils drei Aktivitäten für die Produktion eines Ausbringungsgutes aus einem Einsatzgut bzw. eines Ausbringungsgutes aus zwei Einsatzgütern. Die Gesamtheit der Aktivitäten, die mit den in einer Unternehmung verfügbaren Produktionsverfahren realisierbar sind, wird als Technologie bezeichnet (vgl. Wittmann (1993), Sp. 3494). <?page no="422"?> Aktivitätsanalytische Produktionstheorie • 405 Abb. 8.1: Darstellung von Aktivitäten bei verschiedenen Produktionstypen Es gibt verschiedene Formen von Technologien, die jeweils spezifische Eigenschaften aufweisen. Im Folgenden werden nur lineare Technologien betrachtet. Sie lassen sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren (vgl. Kistner (1981), S. 47 ff.): − Größenproportionalität, − Additivität und − Möglichkeit der Verschwendung. (1) Größenproportionalität Eine Technologie besitzt die Eigenschaft der Größenproportionalität , wenn für jede Aktivität y 0 der Technologie auch die Aktivität y = γ⋅ y 0 mit γ ≥ 0 zur Technologie gehört, wobei y = γ⋅ y 0 = ( γ⋅ r 10 , γ⋅ r 20 , …, γ⋅ r M0 ; γ⋅ x 10 , γ⋅ x 20 , …, γ⋅ x N0 ), mit γ = Ausbringungsniveau, r m0 = Menge des Einsatzgutes m (m = 1, ... , M) der Aktivität y 0 , x n0 = Menge des Ausbringungsgutes n (n = 1, ... , N) der Aktivität y 0 . Ein Produktionsprozess ist die Menge der realisierbaren Aktivitäten, die durch die proportionale Variation der Einsatz- und Ausbringungsgütermengen einer Aktivität y 0 hergeleitet werden können (vgl. Kistner/ Steven (1999), S. 57). Produktionsprozesse beschreiben alle Aktivitäten, denen dasselbe Produktionsverfahren zugrunde liegt (vgl. Steven (1998), S. 64). Abb. 8.2 zeigt die Produktionsprozesse einer linearen Technologie bei Produktion eines Ausbringungsgutes aus zwei Einsatzgütern. r 2 2 4 6 8 10 r 1 2 4 6 8 10 y 1= (2,8; x') y 2= (5,6; x') y 3= (10,5; x') · · · r y 3= (10; 8) y 2= (5; 6) y 1= (2; 4) · · · 10 2 4 6 8 10 x 2 4 6 8 a) Ein Einsatzgut b) Zwei Einsatzgüter und ein Ausbringungsgut mit der Menge x’ <?page no="423"?> 406 • Produktions- und kostentheoretische Grundlagen Abb. 8.2: Produktionsprozesse einer linearen Technologie In einer linearen Technologie sind die Einsatzgüter bei jedem Produktionsprozess limitational . Bei Übergang zu einem anderen Produktionsprozess der Technologie wird eine vorgegebene Menge der Ausbringungsgüter mit einer anderen Einsatzgütermengenkombination produziert, d. h. Einsatzgüter werden substituiert (z. B. die Aktivitäten y 1 , y 2 und y 3 in Abb. 8.1b). Diese Eigenschaft wird als Prozesssubstitutionalität bezeichnet (vgl. Kistner (1981), S. 61). Sie tritt z. B. auf, wenn von einem Arbeitsplatz mit einem niedrigen Automatisierungsgrad zu einem mit einem hohen Automatisierungsgrad gewechselt wird. Dieser Verfahrenswechsel wirkt sich in einer Abnahme des Arbeitskräfteeinsatzes und einer Zunahme des Betriebsmitteleinsatzes aus. (2) Additivität Eine Technologie ist additiv , wenn die Aktivität y 0 , die durch Addition der Aktivitäten y 1 und y 2 dieser Technologie entsteht, ebenfalls zur Technologie zählt. Bei einem Ausbringungsgut und zwei Einsatzgütern gilt (vgl. Steven (1998), S. 68): 11 21 11 12 22 12 11 12 21 22 11 12 10 20 10 (r , r ; x ) (r , r ; x ) (r r , r r ; x x ) (r , r ; x ). = + = + = + + + = 0 1 2 y y y Die Eigenschaft der Additivität ist gegeben, wenn zwei Aktivitäten zur Produktion der gleichen Ausbringungsgüter parallel ausgeführt werden können. Sie setzt voraus, dass die Einsatzgüter in der erforderlichen Menge verfügbar sind, d. h. keine Engpässe auftreten. y 2= (5,6; x') · · r 2 2 4 6 8 10 r 1 2 4 6 8 10 y 1= (2,8; x') y 3= (10,5; x') · P 1 P 2 P 3 <?page no="424"?> Aktivitätsanalytische Produktionstheorie • 407 Aus den Eigenschaften der Additivität und der Größenproportionalität folgt, dass in einer linearen Technologie mit mindestens zwei Aktivitäten, die positive Ausbringungsmengen aufweisen, gemischte Aktivitäten generiert werden können, die alle zu Ausbringungsgütermengen in identischer Höhe führen. Gebildet werden diese gemischten Aktivitäten y 0 durch Konvexkombinationen der reinen Aktivitäten: S s s 1 = = λ ⋅ ∑ 0 s y y mit S s s 1 1 = λ = ∑ . Der Konstruktion gemischter Aktivitäten liegt der Gedanke zugrunde, dass eine vorgegebene Ausbringungsmenge zu einem Teil nach einem Produktionsverfahren, der restliche Teil nach einem anderen Produktionsverfahren produziert werden kann. Aus den gemischten Aktivitäten folgen durch die proportionale Variation der Einsatz- und Ausbringungsgütermengen weitere Produktionsprozesse. Diese werden als gemischte Produktionsprozesse bezeichnet (vgl. Steven (1998), S. 69). Beispiel 8.1: Gemischte Aktivitäten und Produktionsprozesse Abb. 8.3 zeigt die reinen Produktionsprozesse P 1 , P 2 und P 3 einer linearen Technologie. Die Aktivitäten A 4 und A 5 sind gemischte Aktivitäten, die aus den Aktivitäten A 1 und A 2 bzw. A 1 und A 3 für λ = 0,5 gebildet werden. y 4 = 0,5 ⋅ y 1 + 0,5 ⋅ y 2 = 0,5 ⋅ (5, 10; x ′ ) + 0,5 ⋅ (10, 5; x ′ ) = (7,5, 7,5; x ′ ) y 5 = 0,5 ⋅ y 1 + 0,5 ⋅ y 3 = 0,5 ⋅ (5, 10; x ′ ) + 0,5 ⋅ (16, 4; x ′ ) = (10,5, 7; x ′ ). Aus den gemischten Aktivitäten A 4 und A 5 folgen durch proportionale Variation der Einsatz- und Ausbringungsgütermengen die gemischten Produktionsprozesse P 4 und P 5 (vgl. Abb. 8.3). (3) Möglichkeit der Verschwendung Diese Eigenschaft besagt, dass es Aktivitäten gibt, die Einsatzgüter verbrauchen, ohne dass Ausbringungsgüter hergestellt werden (vgl. Kistner (1981), S. 53). Mit diesen Aktivitäten kann u. a. der Betriebsstillstand bei Erhaltung der Betriebsbereitschaft abgebildet werden. 8.1.2 Kennzeichnung effizienter Aktivitäten Eine Aktivität ist effizient , wenn sie die beiden folgenden Eigenschaften besitzt (vgl. Hansen/ Mowen (2003), S. 696): − technische Effizienz und − wertmäßige Effizienz. <?page no="425"?> 408 • Produktions- und kostentheoretische Grundlagen Abb. 8.3: Herleitung gemischter Produktionsprozesse (1) Technische Effizienz Eine Aktivität mit einem Einsatzgut ist technisch effizient , wenn es unter den gegebenen betrieblichen Bedingungen nicht möglich ist, die Menge dieses Einsatzgutes zu reduzieren, ohne die Menge des Ausbringungsgutes zu verringern (vgl. Bohr (1993), Sp. 859). Technische Effizienz einer Aktivität liegt damit vor, wenn die vorgegebene Menge an Ausbringungsgütern mit der minimalen Einsatzgütermenge realisiert wird bzw. bei gegebenen Einsatzgütermengen die maximale Ausbringungsgütermenge hervorgebracht wird (vgl. Fandel (1996), S. 48 ff.). Eine Aktivität y d dominiert eine Aktivität y, wenn mit ihr die identischen Mengen der Ausbringungsgüter mit einer geringeren Menge des Einsatzgutes bzw. aus der identischen Menge des Einsatzgutes eine höhere Menge mindestens eines Ausbringungsgutes und die identischen Mengen aller anderen Ausbringungsgüter produziert werden können. Eine technisch effiziente Aktivität wird von keiner anderen Aktivität der Technologie dominiert (vgl. Fandel (1996), S. 50). Die Menge aller technisch effizienten Aktivitäten einer Technologie wird als effizienter Rand der Technologie bezeichnet. Abgebildet wird er durch eine Produktions- A 2 (x') A 4 (x') A 1 (x') A 3 (x') A 5 (x') 2 r 2 r 1 4 6 8 10 12 14 16 2 4 6 8 10 12 P 1 P 3 P 2 P 5 P 4 • • • • • <?page no="426"?> Aktivitätsanalytische Produktionstheorie • 409 funktion. Die Produktionsfunktion ist damit die funktionale Beschreibung des effizienten Randes einer Technologie (vgl. Schweitzer/ Küpper (1997), S. 45; Fandel (1996), S. 51 f.). Sie gibt für jede realisierbare Kombination von Ausbringungsgütermengen die Einsatzgütermenge der jeweils technisch effizienten Aktivität der Technologie an. Beispiel 8.2: Technische Effizienz eines Produktionsprozesses mit einem Einsatzgut Abb. 8.4 zeigt eine lineare Technologie für die Produktion eines Ausbringungsgutes aus einem Einsatzgut. Sie besteht aus zwei reinen Produktionsprozessen P 1 und P 2 . Durch die Konvexkombination kann jede Kombination von Einsatz- und Ausbringungsgütermengen, die zwischen den beiden Produktionsprozessen liegt, als gemischte Aktivität generiert werden. Bei Realisation der Aktivität A 1 wird gegenüber der Kombination A 2 das Einsatzgut im Umfang von 7 St. - 3 St. = 4 St. verschwendet bzw. im Vergleich zur Aktivität A 3 auf die Menge 5 St. - 2 St. = 3 St. des Ausbringungsgutes verzichtet. Die Aktivitäten A 2 und A 3 dominieren damit die Aktivität A 1 . Sie werden andererseits durch keine andere Aktivität der Technologie dominiert und sind damit technisch effizient. Technisch effizient sind nur die Aktivitäten des Prozesses P 1 . Sie bilden den effizienten Rand der Technologie und damit die Produktionsfunktion der betrachteten Technologie. Abb. 8.4: Technische Effizienz in einer linearen Technologie Sind für die Produktion der Ausbringungsgüter mehrere Einsatzgüter erforderlich, kann in einer linearen Technologie aufgrund der Prozesssubstitutionalität eine bestimmte Ausbringungsmenge mit verschiedenen Aktivitäten, d. h. mit verschiedenen Einsatzgüterkombinationen, realisiert werden. Bei mehreren Einsatzgütern muss deshalb die Bedingung für eine technisch effiziente Aktivität um die Bedingung der effizienten Einsatzgüterkombination erweitert werden. Die effiziente Einsatzgüterkom- A 3 A 2 2 7 5 P 1 3 r x P 2 • • • A 1 <?page no="427"?> 410 • Produktions- und kostentheoretische Grundlagen bination für eine Ausbringungsgütermenge ist dadurch gekennzeichnet, dass die Menge mindestens eines Einsatzgutes zur Realisation dieser Ausbringungsgütermenge nicht reduziert werden kann, ohne die Menge eines anderen Einsatzgutes zu erhöhen (vgl. Bohr (1993), Sp. 859 f.). Eine Aktivität mit mehreren Einsatzgütern ist technisch effizient , wenn es nicht möglich ist, die Menge eines Einsatzgutes zu reduzieren, ohne dass die Menge eines Ausbringungsgutes verringert oder die Menge eines anderen Einsatzgutes erhöht werden muss. Eine Aktivität y d dominiert eine andere Aktivität y, wenn mit ihr die identischen Mengen der Ausbringungsgüter mit einer geringeren Menge mindestens eines Einsatzgutes bei identischen Mengen aller anderen Einsatzgüter bzw. aus den identischen Mengen der Einsatzgüter eine höhere Menge mindestens eines Ausbringungsgutes bei identischen Mengen aller anderen Ausbringungsgüter hergestellt werden können. Bei dominierten Aktivitäten mit mehreren Einsatzgütern wird immer mindestens ein Einsatzgut verschwendet, d. h., die zur Realisation einer Ausbringungsgütermenge erforderliche Menge mindestens eines Einsatzgutes übersteigt die Menge dieses Einsatzgutes bei der effizienten Aktivität. Diese Differenz wird auch als X-Ineffizienz bezeichnet (vgl. Leibenstein (1978b), S. 17 f.). Beispiel 8.3: Technische Effizienz von Aktivitäten mit mehreren Einsatzgütern In nachfolgender Tabelle sind die Einsatzgütermengen der Aktivitäten genannt, die zur Ausbringungsgütermenge x ′ führen. Bei Aktivität A 5 werden zur Produktion der Menge x ′ des Ausbringungsgutes 0,5 Einheiten von Einsatzgut 1 und 2 Einheiten von Einsatzgut 2 mehr als bei Aktivität 2 benötigt. Die Aktivität A 2 dominiert damit die Aktivität A 5 . Alle anderen Aktivitäten sind technisch effizient. Aktivität Menge des Einsatzgutes 1 Menge des Einsatzgutes 2 Menge des Ausbringungsgutes 1 5 10 x ′ 2 10 5 x ′ 3 16 4 x ′ 4 7,5 7,5 x ′ 5 10,5 7 x ′ (2) Wertmäßige Effizienz Durch die Prozesssubstitutionalität kann in einer linearen Technologie eine bestimmte Ausbringungsmenge mit verschiedenen technisch effizienten Aktivitäten realisiert werden (vgl. Fandel (1996), S. 55). In Beispiel 8.4 sind das die Aktivitäten A 1 , A 2 , A 3 und A 4 . Die technisch effiziente Aktivität einer Technologie, welche die Kosten zur <?page no="428"?> Aktivitätsanalytische Produktionstheorie • 411 Produktion einer vorgegebenen Menge des Ausbringungsgutes minimiert, ist auch wertmäßig effizient. Die Einsatzgüterkombination der wertmäßig effizienten Aktivität wird auch als Minimalkombination bezeichnet. Eine Aktivität ist wertmäßig effizient , wenn es nicht möglich ist, bei unveränderten Einsatzgüterpreisen die Ausbringungsmenge mit einer anderen technisch effizienten Aktivität der Technologie zu realisieren, ohne dass die Kosten steigen (vgl. Hansen/ Mowen (2003), S. 696). Beispiel 8.4: Wertmäßig Effizienz Die Preise der beiden Einsatzgüter in Beispiel 8.3 betragen 28 €/ St. und 10 €/ St. Die Aktivitäten zur Produktion der Menge x ′ des Ausbringungsgutes verursachen damit bei den verschiedenen Aktivitäten die folgenden Kosten: Aktivität Kosten 1 5 St. ⋅ 28 €/ St. + 10 St. ⋅ 10 €/ St. = 240 € 2 10 St. ⋅ 28 €/ St. + 5 St. ⋅ 10 €/ St. = 330 € 3 16 St. ⋅ 28 €/ St. + 4 St. ⋅ 10 €/ St. = 488 € 4 7,5 St. ⋅ 28 €/ St. + 7,5 St. ⋅ 10 €/ St. = 285 € Sofern andere gemischte Aktivitäten nicht realisiert werden sollen, ist Aktivität 1 wertmäßig effizient. Welche Aktivität einer Technologie wertmäßig effizient ist, hängt vom Preisverhältnis der Einsatzgüter ab. Steigt in Beispiel 8.4 der Preis des Einsatzgutes 2 z. B. auf 30 €, ist Aktivität 2 wertmäßig effizient. 8.2 Kostentheoretische Fundierung der Gestaltungsparameter des Kostenmanagements 8.2.1 Arten von Kosteneinflussgrößen Die Kostentheorie beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen den Kosteneinflussgrößen und der aus ihnen resultierenden Kostenhöhe (vgl. Troßmann (1993), Sp. 2386). Die Kosteneinflussgrößen als Bestimmungsfaktoren der Kostenhöhe sind die Gestaltungsparameter, über die das Kostenmanagement Einfluss auf die Kosten nimmt. Eine Zusammenstellung von Kosteneinflussgrößen, die einem gemeinsamen Zweck dienen, ist ein Kosteneinflussgrößensystem. Die Frage nach Kosteneinflussgrößen zum Zweck der Kostengestaltung hat in der deutschen Betriebswirtschaftslehre eine lange Tradition. Erste Systeme von Kosten- <?page no="429"?> 412 • Produktions- und kostentheoretische Grundlagen einflussgrößen sind bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vorgeschlagen worden (vgl. Lorentz (1932), Henzel (1936)). Nach dem verfolgten Zweck können zwei Klassen von Kosteneinflussgrößensystemen gebildet werden: − die Systeme der Einflussgrößen auf die Stückkosten sowie − die Systeme der Einflussgrößen auf die relative Kostenposition der Unternehmung. 8.2.2 Systeme der Einflussgrößen auf die Stückkosten Zweck dieser Kosteneinflussgrößensysteme ist die Erklärung oder Gestaltung der Stückkosten. Aus diesem Zweck folgt, dass die Beschäftigung als Kosteneinflussgröße berücksichtigt wird. Unter Beschäftigung wird die Leistung verstanden, die von einer Unternehmung oder einem Teilbereich der Unternehmung in einer Periode erbracht wird. Wird nur eine Leistungsart erstellt, lässt sich die Beschäftigung unmittelbar über die Produktionsmenge erfassen. Werden unterschiedliche Leistungen hervorgebracht, wird die Beschäftigung mit Hilfe einer Maßgröße gemessen, die diese Leistungen gleichnamig macht. Diese Maßgröße wird in der Kostenrechnung als Bezugsgröße bezeichnet (vgl. Kilger (1993), S. 140). Als Bezugsgröße können die Verbrauchsmenge bzw. der Verbrauchswert eines wichtigen Einsatzgutes (inputorientierte Bezugsgrößen) oder die mit einem Produktmerkmal multiplizierten Produktionsmengen (outputorientierte Bezugsgrößen) verwendet werden. Beispiele für inputorientierte Bezugsgrößen sind der Periodenverbrauch einer Materialart, die in alle Produkte eingeht, und die Fertigungszeit während der Periode (Arbeitsstunden der Mitarbeiter, Maschinenlaufstunden). Outputorientierte Bezugsgrößen sind z. B. die mit dem Gewicht, dem Volumen, der Länge oder der Fläche gewichteten Mengen der verschiedenen Produkte (vgl. Schweitzer/ Troßmann (1998), S. 129 ff.). Es hängt von der Art der Produkte ab, welche Bezugsgrößen für die Messung der Beschäftigung geeignet sind (vgl. Schmalenbach (1963), S. 42 ff.). Nach ihrer Begründung können zwei Arten von Einflussgrößensystemen auf die Stückkosten unterschieden werden: − die traditionellen und − die produktionstheoretisch begründeten Kosteneinflussgrößensysteme. (1) Traditionelle Kosteneinflussgrößensysteme Die traditionellen Kosteneinflussgrößensysteme, die auch als synthetisch bezeichnet werden, gehen von der Gesamtunternehmung aus. Der Zusammenhang zwischen den Kosteneinflussgrößen und den Kosten wird anhand von Beispielen begründet. Zu den traditionellen zählen die Kosteneinflussgrößensysteme nach Schmalenbach, Lorentz, Henzel, Mellerowicz und Walther (vgl. Haupt (1993), Sp. 2331 f.). <?page no="430"?> Kostentheoretische Fundierung • 413 Die Systeme nach Schmalenbach, Mellerowicz und Walther enthalten ausschließlich programm-, potential- und prozessbezogene Kosteneinflussgrößen der Produktion (vgl. Abb. 8.5). Zweck dieser Systeme ist die Erklärung des Stückkostenverhaltens bei Beschäftigungsänderungen. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Degressionseffekt der Kosten. Unter dem Degressionseffekt der Kosten wird das Phänomen verstanden, dass die Stückkosten bei steigender Produktionsmenge sinken. Kosteneinflussgrößensystem nach Schmalenbach 1) − Beschäftigung − Betriebsgröße: Maschinengröße, Dezentralisation, Spezialisierung als Ursache betriebsgrößenbedingter Kostendegression − Intensität − Auflagengröße: Standardisierung des Produktionsprogramms, Spezialisierung, Sortenfolge, Komplexität der Rüstprozesse, Fertigungsverfahren, Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen als Einflussgröße auf die Auflagendegression Kosteneinflussgrößensystem nach Mellerowicz 2) − Beschäftigung − Betriebsgröße: Maschinengröße, Spezialisierung − Auflagengröße: Artikelzahl Kosteneinflussgrößensystem nach Walther 3) − Stufe der Leistungsbereitschaft als Einflussgröße der Gesamtkosten der Besc