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Beruf: Soziologe?!

Studieren für die Praxis

0401
2007
978-3-8385-2902-8
UTB 

Dieses Buch stellt Studierenden und Absolventen der Soziologie potenzielle Berufsfelder im Überblick vor und leistet damit wertvolle Orientierungshilfe, welche beruflichen Perspektiven Soziologen haben. Berufserfahrene SoziologInnen berichten von ihrer Arbeit in der Forschung, bei Stiftungen, Verbänden, in Nichtregierungsorganisationen, in der Privatwirtschaft, in Publizismus und Journalismus. Der Band hilft jedoch nicht nur bei der Berufsentscheidung, sondern gibt wertvolle Tipps, wie man bereits während des Studiums effizient auf seine anschließende berufliche Tätigkeit hinarbeiten kann.

<?page no="1"?> UTB 2902 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Beltz Verlag Weinheim · Basel Böhlau Verlag Köln · Weimar · Wien Verlag Barbara Budrich Opladen · Farmington Hills facultas.wuv Wien Wilhelm Fink München A. Francke Verlag Tübingen und Basel Haupt Verlag Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft Stuttgart Mohr Siebeck Tübingen C. F. Müller Verlag Heidelberg Orell Füssli Verlag Zürich Verlag Recht und Wirtschaft Frankfurt am Main Ernst Reinhardt Verlag München · Basel Ferdinand Schöningh Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich <?page no="2"?> Katrin Späte (Hg.) Beruf: Soziologe? ! Studieren für die Praxis UVK Verlagsgesellschaft mbH <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8252-2902-3 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2007 Lektorat: Verena Artz, Bonn Satz und Layout: Claudia Wild-Bechinger, Stuttgart Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © Panther Media GmbH, München Druck: Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="4"?> Inhalt Katrin Späte Soziologie? Und was kann man damit machen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Katrin Späte Wie die Fische im Wasser? Soziologen in Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sigrid Bathke Die Kunst der Balance zwischen Auftrag, Markt und Unabhängigkeit Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Statistik und Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Ilka Willand Auf der Spur von Strukturen und Trends Soziologen in den Statistischen Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Peter Sonneck Mit dem 6. Sinn hinter die Zahlen schauen Soziologen in der Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Annette von Alemann Der »fremde Blick« Soziologen in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Thomas Klein Die hohe Kunst des Generalismus Soziologen in der Organisations- und Personalentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 91 5 <?page no="5"?> Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Marcus Termeer Distanz und Engagement Soziologen im Printjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Sonja Vollmer Mit präziser Technik und Kreativität ein Bild gestalten Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Verwaltungen und Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Uwe Marquardt Vielfältige Aufgaben - große Herausforderungen! Soziologen in der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Andreas Jaron Vom Bohren dicker Bretter Soziologen als Beamte in einem Bundesministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Gabriele Tellenbach Solidarität und Toleranz vermitteln - Demokratien stärken Soziologen in Politischen Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Dirk Richter Auf unvertrautem Terrain Soziologen im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Verwendete Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Inhalt 6 <?page no="6"?> Katrin Späte Soziologie? Und was kann man damit machen? Die Antwort ist: viel! Die Frage sollte also besser lauten: Was möchten Sie tun? Möchten Sie sich auf die Spur von Strukturen und Trends begeben? Oder lieber eine Alleskönnerin, ein Alleskönner sein? Verwalten Sie vielleicht lieber? Gehört ihre Leidenschaft der Forschung? Möchten Sie journalistisch arbeiten? Oder von allem ein bisschen? Ein abgeschlossenes Studium der Soziologie bietet viele Optionen. Dieser Sammelband stellt Ihnen zwölf mögliche Berufsfelder ausführlich vor. Die Autorinnen und Autoren bieten Ihnen eine in der vorliegenden Form einmalige soziologische Analyse der Struktur ihres Berufsfelds. Sie beschreiben das typische Tätigkeitsspektrum, den Arbeitsalltag und die Verdienstmöglichkeiten. Am Ende der Beiträge erfahren Sie zudem, welche Kompetenzen für ein bestimmtes Berufsfeld förderlich sind, Sie erhalten Tipps wie man den Einstieg in das Berufsfeld schafft und Literaturempfehlungen. 1. Zur Auswahl der Berufsfelder Die Auswahl der Berufsfelder in den Bereichen »Forschung und Lehre« (Sigrid Bathke, Katrin Späte), »Statistik und Marktforschung« (Peter Sonneck, Ilka Willand) »Beratung« (Annette von Alemann, Thomas Klein), »Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit« (Marcus Termeer, Sonja Vollmer), »Verwaltungen und Stiftungen« (Andreas Jaron, Uwe Marquardt, Gabriele Tellenbach) und »Gesundheitswesen« (Dirk Richter) ist zunächst ausgerichtet an den durch Absolventen- Studien bekannten häufigsten Tätigkeiten von Soziologinnen und Soziologen und ihrer Berufsfeldprägnanz. Eine hohe Berufsfeldprägnanz weisen die ersten beiden Bereiche auf. Das bedeutet, dass die im Studium erworbenen Kompetenzen als Soziologin und Soziologe in diesen Bereichen adäquat angewendet werden können und die Konkurrenz durch andere Sozial- und Geisteswissenschaftler geringer ist als beispielsweise im Bereich »Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit«. In den Bereichen »Verwaltung« sowie »Gesundheitswesen« sind Soziologinnen und 7 <?page no="7"?> Soziologen gegenwärtig eher selten anzutreffen. Hier sind zum Teil Zusatzausbildungen notwendig oder es sind Ausbildungen anzuschließen, um den Einstieg in das Berufsfeld zu schaffen. Dies sollte Sie aber nicht daran hindern, auch diese Berufsfelder in Betracht zu ziehen und zu erobern. Die Daten von Absolventenstudien einzelner Institute (vgl. den Überblick bei Brüderl/ Reimer 2002) oder aus dem Mikrozensus (Diaz-Bone/ Glöckner/ Küffer 2004) sowie die Analysen des Hochschul-Informations-Systems (kurz: HIS; vgl. Minks/ Briedis 2005a, 2005b) zeigen deutlich das breite Spektrum möglicher Tätigkeiten mit einem Studienabschluss in Soziologie. Sie geben auch Aufschluss über durchschnittliche Verläufe hinsichtlich Phasen der Sucharbeitslosigkeit, des Umfangs der Beschäftigung (Voll- oder Teilzeit), des Beschäftigungswechsels, der Einkommenshöhe und der subjektiven Einschätzung der Relevanz der im Studium erworbenen Fähigkeiten für den aktuellen Arbeitsplatz. Durchschnittlich kommen die Studien zu dem Ergebnis, dass der Übergang in den Arbeitsmarkt nicht unproblematisch ist. Nach zwölf Monaten sind 61 % der befragten Absolventinnen und Absolventen erwerbstätig und spätestens nach fünf Jahren sind 92,5 % unbefristet und ihrer Ausbildungsqualifikation relativ adäquat beschäftigt (vgl. Brüderl/ Reimer 2002). Die Erkenntnisse dieser Absolventenstudien beziehen sich alle noch auf die »alten« Abschlüsse der Diplom- und Magisterstudiengänge. Über die beruflichen Perspektiven, die sich mit Bachelor-Abschlüssen den Absolventinnen und Absolventen öffnen, ist noch wenig bekannt. Deutlich wird allerdings bereits, dass die berufliche Orientierung in den Bachelor-Studiengängen selbst stärker verankert ist als bei den traditionellen Studiengängen. Außerdem sind die Studieninhalte in Bachelor-Studiengängen häufig klarer strukturiert und die zu erwerbenden Kompetenzen werden in den Studienprogrammen der Institute deutlich herausgestellt. Die Bachelor-Studiengänge an den Universitäten sind dabei im Vergleich zu denen der Fachhochschulen nach Meinung der Absolventinnen und Absolventen immer noch weniger an der Praxis orientiert (vgl. Minks/ Briedis 2005a). 2. Berufliche Orientierung Die genannten wissenschaftlichen Ergebnisse zum beruflichen Verbleib können Ihnen zur Orientierung dienen und Ihnen Anregungen geben. Sie haben allerdings keinen prognostischen Gehalt für Ihre ganz persönlichen beruflichen Wege. Wie vielfältig die Möglichkeiten sind, die sich mit Ihrem Abschluss bieten, hängt nicht nur von den Angeboten des Arbeitsmarktes und Ihrer erworbenen Fachkompetenz Und was kann man damit machen? 8 <?page no="8"?> ab, sondern entscheidend auch von Ihren weiteren Fähigkeiten, Ihren persönlichen Interessen, Ihrer Einstellung zur Erwerbsarbeit. Sie selbst können Ihre Lebenswünsche in eine sinnvolle Balance bringen. Überlegen Sie, welchen Stellenwert die Höhe des zukünftigen Einkommens für Ihre berufliche Orientierung hat und welches Verständnis Sie von »Berufstätigkeit« haben. Soll die Arbeit im Sinne von »Berufung« ihr gesamter Lebensinhalt sein oder möchten Sie eher »Jobs« haben, die Ihnen mehr oder weniger Sicherheit bieten und bei denen Arbeitszeit und Aufgabenbereiche klar geregelt sind? Liegt es Ihnen eher, häufiger die Berufsfelder zu wechseln? Sie erfahren in den Beiträgen viel über die Herausforderungen, die die Tätigkeiten in den einzelnen Feldern jeweils mit sich bringen. Viele Informationen zu den Berufsfeldern für Soziologen erhalten Sie auch in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift »Sozialwissenschaften und Berufspraxis«. Die Zeitschrift wird vom Berufsverband deutscher Soziologinnen und Soziologen herausgegeben mit dem Ziel universitäre Theorie und berufliche Praxis zu verbinden. 3. Kompetenzen Die folgenden Aspekte werden Ihnen in den einzelnen Beiträgen immer wieder begegnen: Fachkompetenz, Schlüsselqualifikationen und Persönlichkeit - es ist die richtige Kombination dieser Faktoren im Kontext der jeweiligen Aufgabenstellungen, die die Berufsfelder mit sich bringen, die Sie in einem Bereich erfolgreich und zufrieden werden lässt. Wenn Sie sich also frühzeitig Gedanken darüber machen, welches Berufsfeld Sie interessiert, haben Sie die Möglichkeit, die Kompetenzen, die dieses erfordert, gezielter während des Studiums oder durch eine Zusatzqualifikation nach dem Studium zu erwerben. Sie können auch direkt bei der Auswahl des Studienorts beginnen, denn im Zuge der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge haben die Soziologie-Institute in Deutschland ihre Profile stärker geschärft. Die Unterschiede in den Forschungs- und Lehrinhalten der einzelnen Studienstandorte sind mit der Studienreform transparenter geworden. Sie können sich also schon vor der Aufnahme eines Studiums darüber informieren, welche Forschungs- und Lehrschwerpunkte Ihnen die Institute mit Ihren Bachelor- und Masterangeboten konkret bieten, welche Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen bestehen, in welcher Weise die Institute internationale Beziehungen pflegen und welche Kompetenzen Studierenden dadurch vermittelt werden sollen. Die in den Beiträgen dieses Bandes beschriebenen Kompetenzen wie Fachkompetenz, analytisches Denken, Organisationsfähigkeit, Methodenkompetenz, Prä- 3. Kompetenzen 9 <?page no="9"?> sentationskompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit und die spezifisch soziologische Reflexionskompetenz, wie nun in den Bachelor- Studienprogrammen begrifflich gefasst werden, sind auch in den »alten« Studiengängen vermittelt worden, aber sie waren eben nicht versprachlicht. Dadurch wurde der Erwerb dieser Kompetenzen nicht reflektiert und den Studierenden war häufig nicht bewusst, dass sie über diese Fähigkeiten verfügen. Welche Kompetenzen Soziologinnen und Soziologen auch im Vergleich zu anderen Wissenschaftlern haben, mit denen Sie in einzelnen Berufsfeldern zum Teil konkurrieren, erfahren Sie in den Beiträgen dieses Bandes. Die Angaben zur Literatur, die in den Beiträgen verwendet wurde, finden Sie in einer Übersicht am Ende des Sammelbandes. Direkt unter den Beiträgen wurden nur die wichtigsten Hinweise aufgenommen. Im Namen der Autorinnen und Autoren wünsche ich Ihnen viele Anregungen bei der Lektüre. Aus konventionellen Gründen wird in den Beiträgen übrigens fortan geschlechterübergreifend in der Regel die männliche Berufsbezeichnung verwendet. Zum Gelingen des Sammelbandes haben beigetragen: • Verena Artz, Sonja Rothländer, der Verlag UVK mit der Anregung, den Band zu verfassen, und das Lektorat, • die Soziologinnen und Soziologen mit ihren Beiträgen, • Frederike Voswinkel mit der Sichtweise einer Studierenden auf die Beiträge und der unermüdlichen Suche nach schreibwilligen Soziologinnen und Soziologen, • der Berufsverband deutscher Soziologinnen und Soziologen mit der Ermöglichung von Kontakten zu den Mitgliedern und • die Deutsche Gesellschaft für Soziologie mit Daten aus Ihrer zweiten Gesamterhebung. Die Herausgeberin dankt Ihnen allen für die Kooperation und das Engagement. 4. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Brüderl, Josef/ Reimer, David (2002): Soziologinnen und Soziologen im Beruf. In: Stockmann, Reinhard u. a. (Hg.): Soziologie im Wandel. Universitäre Ausbildung und Arbeitsmarktchancen in Deutschland, Opladen, S. 199-214. Diaz-Bone, Rainer/ Glöckner, Ulf/ Küffer, Anne-Cathérine (2004): Berufliche Situation und Tätigkeitsfeld von Sozialwissenschaftlern. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Heft 2, S. 171-183. Und was kann man damit machen? 10 <?page no="10"?> Minks, Karl Heinz/ Briedis, Kolja (2005a): Der Bachelor als Sprungbrett? Ergebnisse der ersten bundesweiten Befragung von Bachelorabsolventinnen und Bachelorabsolventen, Teil I, Das Bachelorstudium, HIS-Kurz-Information, Hannover, www.his.de/ pdf/ Kia/ kia200503.pdf. Minks, Karl Heinz/ Briedis, Kolja (2005b): Der Bachelor als Sprungbrett? Ergebnisse der ersten bundesweiten Befragung von Bachelorabsolventinnen und Bachelorabsolventen, Teil II, Der Verbleib nach dem Bachelorstudium, HIS-Kurz-Information, Hannover, www.his.de/ pdf/ Kia/ kia200504.pdf Stockmann, Reinhard/ Meyer, Wolfgang/ Knoll, Thomas (Hg.) (2002): Soziologie im Wandel. Universitäre Ausbildung und Arbeitsmarktchancen in Deutschland, Opladen. Internetseiten: Berufsverband deutscher Soziologinnen und Soziologen: www.bds-soz.de Deutsche Gesellschaft für Soziologie: www.soziologie.de 4. Tipps zum Weiterlesen 11 <?page no="12"?> Forschung und Lehre <?page no="14"?> Katrin Späte Wie die Fische im Wasser? Soziologen in Hochschulen 1. Das Berufsfeld: Entwicklung und Struktur Hochschulen bieten Soziologen unstrittig die höchste »Berufsfeldprägnanz«. Mit anderen Worten: eine Soziologin oder ein Soziologie muss an der Universität die berufliche Identität nicht in Frage stellen und kann einfach Soziologie betreiben und neues Wissen über seine Gesellschaft, die Weltgesellschaft oder das soziale Handeln, seine Bedingungen und Strukturen schaffen. Die Soziologie ist dabei als Produkt des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu anderen Wissenschaften eine sehr junge Disziplin und hat seit ihrer Institutionalisierung in Deutschland Höhen und Tiefen durchlebt. In den 1960er- und 1970er-Jahren erlebte sie in Westdeutschland einen rasanten Aufschwung in Form der Institutionalisierung zahlreicher Institute und Lehrstühle. Soziologie wurde als »Leitwissenschaft« und »Königsdisziplin« bezeichnet. Dies wandelte sich ab den 1980er- Jahren und seit Mitte der 1990er-Jahre werden an einigen Standorten Soziologie-Institute geschlossen oder die Anzahl von Lehrstühlen wird reduziert. Prognosen zum zukünftigen Stellenwert und zur Bedeutung der Soziologie werden von führenden Fachvertretern unterschiedlich beurteilt. Faktisch ist die Ausstrahlungskraft soziologischer Theorien und Forschungsmethoden auf andere wissenschaftliche Disziplinen Stärke und Schwäche der Soziologie zugleich. Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften wie die Politikwissenschaft oder die Wirtschaftswissenschaften und die Geschichtswissenschaft sind zum Teil in ihren Forschungsperspektiven und Forschungsmethoden »soziologisiert«. Daher sind Soziologen auch nicht auf Stellen an »reinen« Soziologie-Instituten beschränkt. Je nach Studien- und Forschungsprofil ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten in anderen Fakultäten, Fachbereichen und Hochschulen wie Bundeswehrhochschulen oder Polizeihochschulen in den sogenannten Bindestrich-Soziologien - wie beispielsweise der Kriminal- oder Medizinsoziologie, Erziehungssoziologie, Sozialpsychologie und der politischen Soziologie - zu forschen und zu lehren. 15 <?page no="15"?> Die Vielfalt der akademischen Soziologie spiegelt sich zwar nicht erschöpfend aber doch beispielhaft in den Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, dem Verband der akademischen Soziologen, der im Jahr 1909 gegründet wurde. Diese Gesellschaft umfasst gegenwärtig 33 Sektionen, hinter denen sich »spezielle« Soziologien verbergen, die soziale Phänomene zum Forschungsgegenstand machen: von der Sektion »Alter und Gesellschaft« über die »Familiensoziologie« bis zur »Wissenssoziologie«. Diese speziellen Soziologien werden zunehmend auch nach dem Forschungsgegenstand selbst bezeichnet, sodass sie (leider) nicht mehr als »Soziologie« erkennbar sind: Migrationsforschung, Rechtsextremismusforschung, Jugendforschung, Familienforschung usw. In Deutschland sind weit mehr Soziologie-Institute vorhanden, als die 57, die das Hochschulranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) oder der Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erfassen. Die letzte Gesamterhebung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie richtete sich an 107 Institute und selbst diese sind nicht alle Institute, in denen Soziologen soziale Phänomene, gesellschaftliche Trends und soziale Probleme erforschen. In diesen Instituten sind im Jahr 2005 ungefähr 340 Hochschullehrer in unterschiedlichen Positionen beschäftigt gewesen. Die Erfassung der Gesamtanzahl der Soziologen in Hochschullehrerpositionen ist sehr schwierig, da viele in anderen Fächern arbeiten. Die Hochschulinstitute mit den meisten Hochschullehrerstellen sind gegenwärtig die Fakultät für Soziologie in Bielefeld und der Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Johann-Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. In diesem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends verändern drei Prozesse das Berufsfeld »deutsche Hochschule« gravierend, die hier nur angerissen werden können. Der »Bologna-Prozess«, die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hochschulen durch die Schaffung von Spitzenuniversitäten im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder sowie die Entlassung der Hochschulen in die »Freiheit«, mit der das Land Nordrhein-Westfalen voranschreitet. Mit dem Bologna-Prozess wird die Übereinkunft der europäischen Länder bezeichnet, einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Er soll die Vergleichbarkeit von Studienleistungen und die Mobilität von Studierenden und Forschern ermöglichen. Bologna ist der Ort, an dem diese Übereinkunft in einem Vertragswerk geregelt wurde. Eines der Ziele ist die Umstellung der Studiengänge in Deutschland auf das Bachelor- und Mastermodell, die sukzessive voranschreitet. Dadurch verändern sich die Dauer der Regelstudienzeit, die Studieninhalte und die Bezeichnungen der akademischen Abschlüsse. Der Bachelor gilt nunmehr als erster berufsqualifzierender Abschluss, sodass die ausbildenden Institute verpflichtet sind, sich damit auseinanderzusetzen, wie ihr Bachelor-Angebot Soziologen in Hochschulen 16 <?page no="16"?> es Studierenden ermöglicht, nach dem Studium den Einstieg in das Berufsleben zu schaffen. Die im vergangenen Jahr durchgeführte Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zielt darauf ab, einige wenige Eliteuniversitäten in der deutschen Hochschullandschaft zu ermitteln, an denen Spitzenforschung geleistet wird. Das deutsche Hochschulsystem wird damit nach amerikanischem Vorbild verändert: wenige Universitäten betreiben Spitzenforschung und bilden die Elite aus, der Rest forscht wenig und bildet die Massen. Mit der Entlassung der Hochschulen in die Freiheit soll der Prozess angesprochen werden, in dem Landesregierungen ihren Hochschulen Autonomie gewähren, sodass sie sich selbst steuern können und müssen. Dieser Prozess wird gemeinsam mit der Exzellenzinitiative das deutsche Hochschulwesen und das Wissenschaffen grundlegend verändern. Im Rahmen dieser Reformen sollen auch bestehende Barrieren zwischen den einzelnen Stufen zu einer Hochschulkarriere abgebaut werden. Die hier dargestellten Arbeitsbedingungen und Personalstrukturen können daher nur auf die momentan noch vorherrschenden Beschäftigungsformen und -strukturen in Deutschland bezogen werden. 2. Beschäftigungsformen an den staatlichen Hochschulen Die Beschäftigungsformen an staatlichen Hochschulinstituten folgen den hierarchischen Stufen wissenschaftlicher Qualifikation vom ersten bis zum dritten akademischen Grad (Magister Artium/ Diplom/ Master, Dr./ PhD, PD). Institute bieten in der Regel im wissenschaftlichen Bereich zwei Grundformen von Beschäftigung an: als Professor (Hochschullehrer) oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit befristeten und unbefristeten Verträgen, auf einer niedrigeren Stufe als wissenschaftliche Hilfskraft. Wissenschaftliche Mitarbeit Die Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter setzt einen akademischen Abschluss voraus. Bei Stellen, die der Promotion (Erwerb des Doktortitels) dienen, ist dies ein erster akademischer Grad wie Magister oder Diplom, Staatsexamen oder Master. Bei Stellen, die an einen Lehrstuhl angebunden sind und der 2. Beschäftigungsformen an den staatlichen Hochschulen 17 <?page no="17"?> Habilitation (Erwerb der Berechtigung, Hochschullehrer zu werden) dienen, ist die Promotion die Zugangsvoraussetzung. Ebenfalls zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern zählen die Akademischen Räte und »Lehrkräfte für besondere Aufgaben«. Diese Stellen sind in der Regel unbefristet. Eine Qualifikationsstelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter ist entweder an einen Lehrstuhl angebunden, an Forschungsprojekte eines Hochschullehrers oder an die Geschäftsführung eines Instituts. In der Regel erhalten Angestellte mit einem akademischen Abschluss eine Vergütung nach dem jeweiligen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Dies war bislang der Bundesangestelltentarif (BAT) IIa, seit November 2006 gilt der Tarifvertrag der Länder mit Eingruppierungen in Gehaltsstufen von 9-12 mit dem Abschluss Bachelor und höher mit dem Abschluss Master (vgl. Tabelle TV-Länder im Anhang). Viele Wissenschaftler, die sich über Mitarbeiterstellen weiterqualifizieren können, aber keine unbefristete Beschäftigung erlangen, müssen sich von Projekt zu Projekt hangeln, was auch als »Projektkarriere« bezeichnet wird. Auch wenn die wissenschaftliche Qualifikation durch Promotion bzw. Habilitation (Privatdozent/ in) und Publikationen in diesen Forschungsprojekten voranschreitet, ist der Weg für eine der Qualifikation angemessene Karriere außerhalb der Hochschulen oftmals aufgrund eines zu hohen Alters versperrt. Der Verlauf und die Arbeitsbedingungen während dieser Qualifikationsphasen bzw. befristeten Beschäftigungsverhältnisse sind stark von den Ansprüchen der jeweiligen Professoren geprägt (vgl. Engler 2001). Hochschullehrer Die Einstellungsvoraussetzungen für eine Position als Professor und die Art des Beschäftigungsverhältnisses selbst (als Beamte auf Lebenszeit oder als Angestellte) werden von politischen Entscheidungsträgern in Hochschulgesetzen festgelegt. Seit Ende des Jahres 2004 werden drei Positionen als »Besoldungsgruppen« differenziert: die W1-Stelle, die W2-Stelle und die W3-Stelle. Sie spiegeln den Grad wissenschaftlicher Qualifikation (vgl. Tabelle »W-Besoldung« im Anhang). Die Höhe des realen Einkommens wird sich zukünftig weitaus stärker an den tatsächlichen Leistungen in Forschung und Lehre orientieren. Für eine W1-Stelle ist die Promotion notwendig, für die anderen Positionen sind es neben der Promotion allgemein wissenschaftliche Leistungen oder eine Habilitation. Die Habilitation ist zurzeit noch als Zugangsvoraussetzung für die Berufung als Professor üblich, wenngleich sie zugunsten von habilitationsadäquaten Leistungen in Form von fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Forschungsprojekten eigentlich an Soziologen in Hochschulen 18 <?page no="18"?> Gewicht verlieren sollte. Um den Übergang zu einem Professorenamt zu erleichtern wurde die »Junior Professur« eingeführt. Hier gelten als Zugangsvoraussetzung die Promotion und andere überdurchschnittliche wissenschaftliche Leistungen. Die Junior Professur ist auf maximal sechs Jahre begrenzt. Ob danach eine Weiterbeschäftigung im »tenure track«, also eine Entfristung des Beschäftigungsverhältnisses eintritt, hängt von der Bewertung der Leistungen des Stelleninhabers durch die Fachkollegen und von den finanziellen Ressourcen der Institute ab. Die Zukunft dieser Beschäftigungsform ist ungewiss. Die Einstellung als Professor erfolgt durch Berufungsverfahren, die von Hochschullehrern und Vertretern der anderen Gruppierungen an der Hochschule, wie den wissenschaftlichen Mitarbeitern, den nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern und den Studierenden, durchgeführt werden. In diesem Verfahren wird eine Rangfolgenliste der Bewerber erstellt. Diese Reihenfolge entscheidet, mit welchem Kandidaten zuerst Berufungsgespräche geführt werden. Da in der Regel die Stimmen der Hochschullehrer insgesamt ein höheres Gewicht haben als die der anderen Mitglieder, entscheiden Wissenschaftler also selbst, wer in die Gemeinschaft der Professoren aufgenommen werden soll. Mit anderen Worten: die Wissenschaft reproduziert und kontrolliert sich selbst. Sie ist damit auch direkt für die eigene Qualitätssicherung in ihrer Disziplin zuständig. Der Berufung von Hochschullehrern kommt daher eine beträchtliche Bedeutung zu. Ob ein Bewerber einen »Ruf« annimmt, hängt wiederum davon ab, wie die Verhandlungen verlaufen. Eine wichtige Rolle spielt - neben der Reputation der Institution - die Ausstattung einer Professur (z. B. die Zahl der wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterstellen). Berufungsverfahren erstrecken sich häufig über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Manchmal kommt es sogar vor, dass die Stelle neu ausgeschrieben werden muss, weil keiner der Kandidaten angenommen hat bzw. letztlich berufen wurde. Es kommt auch vor, dass Stellen während eines Verfahrens aus finanziellen Gründen gestrichen werden. 3. Tätigkeitsbeschreibungen »Ihre Aufgaben erledigen sie überwiegend im Büro sowie in Besprechungsräumen. Lehrveranstaltungen halten sie in Unterrichtsbzw. in Seminarräumen und Hörsälen ab. Zu Recherchearbeiten halten sie sich gelegentlich in Bibliotheksräumen auf.« So wird der Beruf »Soziologe/ Soziologin an Universitäten« in den Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit im Internet beschrieben. Diese nüchterne Beschreibung nach den Orten der Berufsausübung weist auf zwei Kernaufga- 3. Tätigkeitsbeschreibungen 19 <?page no="19"?> ben von Wissenschaftlern hin: auf das Forschen und Lehren. In welchem Verhältnis diese beiden Kernaufgaben gewichtet sind, hängt sowohl von der Position als auch von der Institution ab. An Fachhochschulen beispielsweise ist im Vergleich zu Universitäten die Lehrverpflichtung von Professoren mit bis zu neun Veranstaltungen sehr hoch. An freien Forschungsinstituten (vgl. den Beitrag von Sigrid Bathke in diesem Band) findet in der Regel nur Forschung statt. Insgesamt ist die Arbeitszeit von Wissenschaftlern nicht fest geregelt und sie haben weitaus mehr Freiheiten hinsichtlich der Verteilung von Arbeitszeit und Freizeit als andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst, deren Arbeitszeit von Stempeluhren überwacht wird. Allerdings dürfte es bei den meisten Wissenschaftlern so sein, dass sie weitaus mehr als 41 Stunden arbeiten. Insbesondere während der Qualifikationsphasen dürfte der Arbeitsaufwand weit über 70 Stunden wöchentlich liegen. Und je nach der Einstellung zur »Wissenschaft als Beruf« (Weber 1919) wird überhaupt keine Trennung von Arbeits- und Freizeit gemacht, sodass auch zu Hause weiter geforscht, gelesen, gedacht, begutachtet und geschrieben wird. Forschen und Publizieren Das Forschen, Schreiben und Publizieren sind die wichtigsten Tätigkeiten eines Wissenschaftlers. Das Forschen kann in Forschergruppen eingebettet sein oder es kann aus der individuellen Bearbeitung einer Forschungsfrage bestehen. Der Ablauf eines Forschungsprojektes besteht aus folgenden Phasen: Festlegung der Forschungsfrage, Auswahl der Forschungsmethoden, Durchführung und Ergebnisanalyse. Wie viele Mitarbeiter benötigt werden, hängt vom Umfang und der Methode eines Forschungsprojektes ab. Bei großen repräsentativen Befragungen von über 1000 Personen sind einige Mitarbeiter notwendig, während qualitative Interviews oder teilnehmende Beobachtungen auch ganz allein durchgeführt werden können. Wird eine Karriere bis zum Hochschullehrer angestrebt, sind an Universitäten die Forschungsleistungen und ihre Publikation in Form von Fachaufsätzen und Monographien in Fachverlagen sehr bedeutend, während an Fachhochschulen auch die berufspraktischen Erfahrungen wertgeschätzt werden. Die Fachaufsätze sollten in renommierten Fachzeitschriften erscheinen, die ein anonymisiertes Gutachtenverfahren (»peer review«) für die eingereichten Beiträge durchführen. Für eine Bewerbung auf eine ausgeschriebene Professur ist es relevant, dass man Forschungsprojekte durchgeführt hat, und zwar insbesondere Forschungsprojekte, die von sogenannte Dritten (»Drittmittelprojekte«) finanziert wurden, also nicht aus eigenen Mitteln der Hochschule. Als Aufgaben fallen hier daher an: Soziologen in Hochschulen 20 <?page no="20"?> • die Durchführung und Auswertung der möglichst originellen Forschungen, • das Sichten von Forschungsprojektausschreibungen bzw. das direkte (Ein-)Werben von Geldern bei Unternehmen und Stiftungen durch Vorlegen von Forschungsprojektskizzen, • das Verfassen von Forschungsanträgen und • das Verfassen von Abschlussberichten für (potentielle) Drittmittelgeber wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Stiftungen, Unternehmen oder europäische Institutionen. Mit dem neuen Besoldungssystem sollen diese Forschungsleistungen auch ein Kriterium für »Leistungszulagen« sein, die die Grundvergütung erhöhen. Um der Kernaufgabe »Forschen« auch regelmäßig nachkommen zu können, haben Professoren das Recht auf Forschungsfreisemester. Während dieser Zeit sind sie von Lehrverpflichtungen entbunden und können sich ganz der Forschung und der angemessenen Veröffentlichung ihrer Ergebnisse widmen. Dem Publizieren der Forschungsergebnisse kommt hinsichtlich der Akkumulation von »Reputation« in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, der »scientific community«, eine besondere Bedeutung zu. Salopp wurde diesbezüglich die Grundregel formuliert: »publish or perish«. Wer nicht oder sehr wenig veröffentlicht, wird in der jeweiligen wissenschaftlichen Gemeinschaft seines speziellen Fachgebiets nicht wahrgenommen bzw. kann ja auch nicht wahrgenommen werden. Daher ist es unabdingbar, dass eine überdurchschnittliche Schreibkompetenz und -lust vorhanden ist. Dabei reicht es allerdings nicht, dass geschrieben und publiziert wird, sondern auch das »wo« der Publikation und die Rezeption durch Fachkollegen spielen eine bedeutende Rolle (siehe oben). Robert Merton, der als Begründer der Wissenschaftssoziologie gilt, benannte das Phänomen des »Matthäus-Effekts« in der Wissenschaft: »Wer hat, dem wird gegeben.« Hat also ein Wissenschaftler eine gewisse Reputation erworben, wird diese Reputation gesteigert, indem sich viele auf die Publikationen dieser Person beziehen, weil ihre Forschungen und Ergebnisse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft eben diese Reputation genießen und man davon ausgehen kann mit diesem »Namen« richtig zu liegen. Wie nun eine Publikation genau zu einem »Grundlagenwerk« wird, auf das sich viele in der Gemeinschaft beziehen werden, ist noch nicht erforscht. Eine nicht unerhebliche Rolle, wie überhaupt für Hochschulkarrieren insgesamt, spielen auch hier die persönlichen Beziehungen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft (vgl. Krekel-Eiben 1990, S. 23). Manche Forschergruppen bilden auch sogenannte Zitationskartelle. Damit ist gemeint, dass man sich bewusst und häufig gegenseitig zitiert, auch wenn es manchmal vielleicht nicht unbedingt notwendig wäre. Dies sind wissenschaftspolitische Strategien, die im Rahmen der jeweiligen Hochschulsozialisation erwor- 3. Tätigkeitsbeschreibungen 21 <?page no="21"?> ben werden. Damit ist der Prozess gemeint, in dem Wissenschaftler lernen, nach welchen Regeln ihre wissenschaftliche Gemeinschaft funktioniert und welche Wege erfahrungsgemäß möglichst effektiv zum angestrebten Ziel führen. Wer das »networking« fördern und seine Integration in eine Wissenschaftsgemeinschaft beschleunigen will, sollte an Tagungen und Kongressen teilnehmen, wie sie beispielsweise von den einzelnen Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Gesellschaft selbst oder großen Forschungseinrichtungen organisiert werden. Auf Tagungen und Kongressen, insbesondere internationalen, kann man die eigenen Forschungsergebnisse der wissenschaftlichen Öffentlichkeit präsentieren und zugleich persönliche Kontakte zu Kollegen herstellen. Falls die eigene Reputation noch nicht ausreichend ist, wird man nicht für einen Vortrag geworben, sondern man muss selbst für sich werben, indem man den Veranstaltern ein Exposé des geplanten Beitrags übermittelt. Die Anzahl der gehaltenen Vorträge auf fachwissenschaftlich relevanten Veranstaltungen stellt daher ebenfalls eine wissenschaftliche Auszeichnung dar. Richten Wissenschaftler Tagungen und Kongresse selbst aus, verfolgen sie damit das Ziel, die Entwicklung der Forschung und die Förderung einzelner Wissenschaftler selbst zu steuern. Dies setzt allerdings bereits eine hohe Reputation voraus, da sonst nur wenige oder nicht die gewünschten Wissenschaftler der Einladung folgen werden. Eine ähnliche Steuerungsfunktion hat die Herausgeberschaft von Zeitschriften. Für die allgemeine Soziologie sind im deutschsprachigen Bereich die folgenden drei Zeitschriften besonders wichtig, die zur Zeit ihrer Entstehung soziologische Schulen repräsentiert haben (mehr dazu bei Krekel-Eiben 1990): • Die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS), • die Soziale Welt und • die Zeitschrift für Soziologie (ZfS). Lehren, betreuen und prüfen Die Inhalte der Lehre in Form von Seminaren, Vorlesungen und Kolloquien ergeben sich in der Regel aus den Forschungsschwerpunkten, die sich im Laufe des Studiums und der anschließenden Qualifikationsphasen herausbilden. Das Durchführen von Seminaren und Vorlesungen erfolgt zur Zeit noch nach dem Prinzip des »learning by doing«. Auch wenn der Hochschuldidaktik als notwendiges Instrument zur Verbesserung der Qualität von Lehrveranstaltungen seit Ende der 1960er-Jahre verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wird und an einigen Universitäten bereits hochschuldidaktische Einrichtungen existieren, werden Soziologen in Hochschulen 22 <?page no="22"?> angehende Wissenschaftler in diesem Bereich selten professionell ausgebildet. Verbesserungen sollen hier durch die kontinuierliche Evaluation von Lehrveranstaltungen erreicht werden, die außerdem zukünftig auch als Instrument der Bestimmung von Leistungszulagen dienen soll. Der Umfang der Lehrverpflichtung schwankt in Abhängigkeit der Position bzw. Institution und liegt zwischen vier bis18 SWS, also zwei bis neun Lehrveranstaltungen, wobei eine Lehrveranstaltung 90 Minuten umfasst. Die Lehrenden sind relativ frei bezüglich der genauen Themenwahl und des Zeitpunkts der Lehrveranstaltung. Vorlesungen dienen in erster Linie dazu, den Studierenden die Grundlagen eines Forschungsgebiets und die Forschungsergebnisse zu vermitteln. In Seminaren erproben die Studierenden selbst das wissenschaftliche Arbeiten, in dem sie die Ergebnisse eigener Studien präsentieren. Die Aufgabe der Lehrenden ist es, die Studierenden bei der Aneignung der dafür notwendigen Kompetenzen zu unterstützen. Die Beiträge von Studierenden für Seminare werden individuell betreut. Dies erfolgt in der Regel in Einzelgesprächen, die in den »Sprechstunden« der Lehrenden stattfinden. Umfang, Zeitpunkt und Kontinuität dieses Unterstützungsangebots für Studierende sind von den Lehrenden und ihren Ressourcen abhängig. Für die Korrektur von studentischen Leistungen wie Klausuren und Hausarbeiten stehen Hochschullehrern in der Regel wissenschaftliche Mitarbeiter zur Verfügung. Besonders zeitintensiv kann je nach Unterstützungsbedürfnis der Studierenden die Betreuung von Abschlussarbeiten sein, die darüber hinaus in ausführlichen schriftlichen Gutachten bewertet werden müssen. Wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden oder die Reproduktion der wissenschaftlichen Gemeinschaft Hochschullehrer müssen über die erste Phase der Ausbildung der Studierenden hinaus Sorge für den wissenschaftlichen Nachwuchs tragen, indem sie den Absolventen über die Einbindung in Forschungsprojekte, den Austausch in Kolloquien oder die Einzelbetreuung die Gelegenheit zur Promotion bzw. zur Habilitation geben. Für Dissertationen und Habilitationen müssen umfangreiche Gutachten zur Beurteilung der wissenschaftlichen Leistung verfasst werden. Die Unterstützung der wissenschaftlichen Karriere des Nachwuchses besteht auch in der Vermittlung von Publikationsmöglichkeiten und Kontakten in die wissenschaftliche Gemeinschaft. Viele Hochschullehrer verfassen daher gemeinsam mit dem Nachwuchs fachwissenschaftliche Beiträge und verleihen dem Beitrag dank ihrer Reputation Gewicht. Aus dieser Form der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchs entstehen auch die »Schulen« in einer Disziplin. 3. Tätigkeitsbeschreibungen 23 <?page no="23"?> Selbstverwaltung: die Aufrechterhaltung des Instituts- und Universitätsbetriebs Die Verwaltungsaufgaben in einer Hochschule resultieren aus ihrer jeweiligen, hierarchisch aufgebauten Organisationsstruktur. Die kleinste Einheit ist die Institutsebene. Die Aufrechterhaltung des Institutsbetriebs erfordert u. a.: • Haushalts- und Personalsteuerung, • Erarbeitung von Studien- und Prüfungsordnungen, • Planung und Steuerung des Lehrangebots des Instituts, • Organisation der Studien- und Praktikumsberatung, • Reproduktion der wissenschaftlichen Gemeinschaft selbst, • Öffentlichkeitsarbeit. Diese Aufgaben werden von den Hochschullehrern, wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie Verwaltungsangestellten getragen. Der Umfang dieser Aufgaben schwankt mit der Größe der Institution und der Anzahl der Studierenden. Außerdem müssen die Lehrenden je nach Anzahl der Organisationsebenen einer Hochschule (Institut, Fachbereich, Fakultät und Hochschule) die Interessen ihres Institutes in Kommissionen und Ausschüssen vertreten. 4. Notwendige Kompetenzen Selbstvertrauen, Selbstständigkeit, Kreativität Als Wissenschaftler tätig zu sein, bedeutet für jede und jeden etwas anderes. Für die einen ist es in erster Linie eine Berufung, Wissen zu schaffen und damit der Wahrheitsfindung zu dienen. Für die anderen ist es eine Möglichkeit, Einkommen und Anerkennung zu erwerben, so wie es in anderen Berufen auch der Fall ist. In vielen Publikationen zur Einführung in die Wissenschaft »Soziologie« wird in Anlehnung an Peter L. Bergers »Einladung zur Soziologie« die »Kunst des Misstrauens« als ihre Spezifik erwähnt. Berger selbst wiederum nahm nach eigenem Bekunden Bezug auf den deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. Manche formulieren das spezifisch »Soziologische« auch als die Fähigkeit »hinter die Fassaden zu blicken« oder die Fähigkeit »oberflächliche Phänomene zu durchschauen«. Da könnte man meinen, dass Soziologen als notwendige Kompetenz die Fähigkeit des Misstrauens besitzen sollten, welches schließlich ein Mehr an Informationen erfordert als das Vertrauen. Oskar Negt hat dieses andere wissenschaftliche Inte- Soziologen in Hochschulen 24 <?page no="24"?> resse an der sozialen Wirklichkeit mit C. Wright Mills etwas positiver als »Soziologische Phantasie« (»sociological imagination«) bezeichnet, welche man als Grundhaltung so umschreiben kann: Alles könnte auch anders sein. Wer diese Kreativität nicht besitzt, wird wahrscheinlich wenig originell in der Forschung sein und ohne Originalität besteht kaum Aussicht auf Erfolg, da nur »Neues« Wissenschaft vorantreiben kann. Für eine Tätigkeit als Soziologe ist es mithin unabdingbar, sich überdurchschnittlich für das soziale Miteinander zu interessieren und damit - salopp ausgedrückt - neugierig zu sein; jedoch sind auch einige Kompetenzen notwendig, die eher weniger von der Disziplin abhängen, in der man arbeitet. Wissenschaftliche Karrieren sind in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen lange Wege, deren Verlauf recht unüberschaubar ist. Sie hängen zu einem großen Teil auch direkt von der Unterstützung durch etablierte Wissenschaftler ab. Daher sind eine hohe, von der sozialen Umwelt unabhängige Motivation, Selbstvertrauen, Selbständigkeit, Disziplin und Belastbarkeit notwendig, um diesen Weg zu gehen. Die Arbeitsbelastung bleibt auch bei einer unbefristeten Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Hochschullehrer vielfach auf einem hohen Niveau, zum einen wegen des beständigen Leistungsdrucks, zum anderen wegen des eigenen Ehrgeizes - falls vorhanden. Der Aspekt der eigenen Disziplin muss in diesem Kontext noch einmal betont werden. Mit Disziplin ist hier die Fähigkeit gemeint, trotz mangelnder Motivation, Lustgefühlen und zuweilen fehlendem äußeren Druck das Arbeitspensum kontinuierlich zu erledigen, und zwar allein. Forschergruppen können zwar hilfreich sein, weil man sich gegenseitig durch Konkurrenz und Teamgeist motiviert, aber die Fachliteratur muss allein gelesen werden und auch ein Text wird in der Regel zunächst allein verfasst, bevor er in einer Gruppe zur Diskussion gestellt werden kann. Sprachkompetenz, Reflexionsvermögen, analytisches Denken Aus der Darstellung der Tätigkeiten ergibt sich bereits, dass eine ausgeprägte Neigung zur Aneignung und die Fähigkeit des Verstehens fachwissenschaftlicher Theorien gegeben sein bzw. sich im Laufe des Studiums entfalten müssen. Die Aneignung und Weitergabe von Theorien und die Beschreibung und Analyse sozialer Phänomene erfolgt in der Regel textvermittelt. Daher sind die Sprachkompetenz allgemein und die Lese- und Schreibkompetenz im Besonderen Grundvoraussetzungen für den Aufbau einer wissenschaftlichen, in diesem Fall soziologischen Fachkompetenz. Diese Fachkompetenz beruht u. a. auf der Fähigkeit, mathematisch-analytisch und logisch zu denken. Analytisches Denken und Reflexionsver- 4. Notwendige Kompetenzen 25 <?page no="25"?> mögen können als Befähigungen für jene logischen Denkoperationen umschrieben werden, die abstrakte Erkenntnis und damit die Weiterentwicklung von Wissenschaft ermöglichen. Untrennbar damit verbunden ist die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum auf die Beschreibung eines Problems oder die Beantwortung einer Fragestellung konzentrieren zu können. Dabei muss außerdem präzise und ehrlich gearbeitet werden. Wissenschaft kann nur deswegen einen Anspruch auf »objektiviertes Wissen« erheben, weil die Ergebnisse überprüfbar und wiederholbar sind. Wer es dabei nicht so genau nimmt, schadet der Wissenschaft. Außerdem sind mindestens funktionale Englischkenntnisse (Verstehen von Texten) bereits zu Beginn des Studiums notwendig. Je weiter die wissenschaftliche Karriere voranschreitet, desto »aktiver« sollten die Englischkenntnisse werden. 5. Wege in das Berufsfeld Studium Der gradlinigste Weg führt über Kontakte zu den Professoren während des Studiums, idealerweise in Form von Hilfskraftstellen: während des Studiums als studentische Hilfskraft, nach dem Studium als wissenschaftliche Hilfskraft oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt. So kann der Erwerb von Einkommen zur Existenzsicherung mit der wissenschaftlichen Qualifikation verknüpft werden. Es lässt sich allerdings auch mit dem Slogan eines Internetanbieters auf einen Punkt bringen: »Ich bin drin«. Hochschullehrer achten in den Seminaren häufig auf die mündlichen und schriftlichen Beiträge der Studierenden. Dies ist mithin die Gelegenheit, durch klug wirkende Beiträge während des Seminars oder durch gelungene schriftliche Ausarbeitungen die Aufmerksamkeit des Hochschullehrers zu erlangen, der sich dann wiederum, wenn Hilfskraftstunden zu vergeben sind, an einzelne Studierende erinnert und diese anspricht. Falls Sie aber nun nicht angesprochen werden, weil ihre Fähigkeiten nicht erkannt werden konnten, sollten Sie sich auf keinen Fall scheuen, einem Hochschullehrer ihren Wunsch, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, vorzutragen. Die erste Etappe für eine wissenschaftliche Laufbahn ist ein (sehr) guter erster Abschluss. Soziologen in Hochschulen 26 <?page no="26"?> Promotion (Das »erste Buch«) Darauf folgt die Promotion, die an vielen Universitäten in einem Aufbaustudiengang eingebettet ist. Sie beinhaltet neben weiteren Studien das Verfassen eines wissenschaftlichen Werkes als Ergebnis eigener Forschungsleistungen: die Dissertation. Diese wird von einem Hochschullehrer wissenschaftlich betreut (»Doktorvater«) und später begutachtet. Mit dem Einreichen der Dissertation wird das Promotionsverfahren eingeleitet, das durch Prüfungen in den studierten Fächern, dem »Rigorosum«, oder durch die Verteidigung der Dissertation, der »Disputatio«, abgeschlossen wird. Die Prädikate der Beurteilung des Werkes reichen von »summa cum laude« (hervorragend) über »magna cum laude« (sehr gut) und »cum laude« (gut) bis zu »rite« (bestanden). Die beiden letzten Prädikate sollten vermieden werden. Das Prädikat »summa cum laude« ist die deutliche Empfehlung der Gutachter für eine weitere Stufe auf der wissenschaftlichen Karriereleiter: die Habilitation. Das durchschnittliche Promotionsalter in den Sozialwissenschaften, Soziologie ist nicht einzeln ausgewiesen, liegt laut Statistischem Bundesamt bei 32,7 Jahren. Die Promotionsdauer liegt zwischen (empfohlenen) drei und weit über fünf Jahren (vgl. Wissenschaftsrat 1997: 11). Bei manchen Promovenden stellt sich manchmal ein »cooling out« ein, was bedeutet, dass die Motivation in der Promotionsphase derart sinkt, dass das Vorhaben schließlich ganz abgebrochen wird. Dies ist bei Frauen auffälligerweise häufiger der Fall als bei Männern, was sich an den geringen Zahlen von Frauen in Hochschullehrerstellen ablesen lässt. Diese schwanken zwar in Abhängigkeit unterschiedlicher Fachkulturen der Wissenschaften, befinden sich aber insgesamt mit Anteilen zwischen drei und acht Prozent an allen Hochschullehrerstellen deutlich auf sehr niedrigem Niveau (vgl. Wissenschaftsrat 1998). Als Grund wird eine Männerdominanz im Hochschulsystem benannt, die sich dahingehend auswirkt, dass Frauen positive weibliche Vorbilder fehlen. Außerdem scheinen die geringe Planbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere, Fragen der finanziellen Absicherung während der Qualifikationsphasen sowie die Gründung einer Familie vor dem Hintergrund mangelnder partnerschaftlicher Arbeitsteilung und unzureichender Kinderbetreuungseinrichtungen hinderlich zu sein (vgl. ebd.). Und nicht zuletzt wirken nach wie vor Geschlechtsrollenstereotype - bei Frauen wie bei Männern. Am förderlichsten ist immer ein Beschäftigungsverhältnis an einem Institut. Die Verbindung von Einkommenserwerb und wissenschaftlicher Qualifikation beschleunigt diese Phase und erleichtert auch die fachwissenschaftliche Kommunikation (siehe oben das »Ich-bin-drin-Prinzip«). Die möglichen Formen der Beschäftigung wurden oben dargestellt. Viele promovieren an der Universität, an 5. Wege in das Berufsfeld 27 <?page no="27"?> der sie auch studiert haben, da hier die Kontakte zu den Professoren bestehen. Falls keine Anbindung an ein Institut in Form einer Beschäftigung möglich ist, bestehen folgende Möglichkeiten der Finanzierung: ein Stipendium eines Begabtenförderungswerks, einer Stiftung (vgl. den Beitrag von Gabriele Tellenbach in diesem Band) oder im Rahmen von Länderprogrammen wie Promotions- und Graduiertenkollegs, die von der deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert werden. Bei einer Bewerbung für ein Stipendium muss das Promotionsvorhaben in einem Exposé dargelegt werden. Weiterhin ist meistens ein bzw. sind zwei Gutachten von Hochschullehrern zur wissenschaftlichen Befähigung beizufügen. Stiftungen wie z. B. die Studienstiftung des deutschen Volkes, das Cusanuswerk, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Heinrich-Böll- Stiftung usw. haben an den Hochschulen häufig Vertrauensdozenten, die mit den Bewerbern ein persönliches Gespräch führen und dann eine Empfehlung abgeben. Falls die Qualifikationsphase außerhalb Deutschlands durchgeführt werden soll, stehen zahlreiche Möglichkeiten für Auslandsstipendien zur Verfügung. Eine kompakte Übersicht der Finanzierungsmöglichkeiten bietet Ravenstein 2000. Während dieser Phase sollte auch die Mitgliedschaft in dem akademischen Verband »Deutsche Gesellschaft für Soziologie« (DGS) und in die jeweilige spezielle Sektion in Betracht gezogen werden. Der Kontakt zu anderen Wissenschaftlern und die Teilnahme an Tagungen fördern die eigene wissenschaftliche Qualifikation. In jedem Fall sollte man sich über die Verbandszeitschrift »Soziologie«, die vierteljährlich erscheint, über aktuelle Themen in der Soziologie und Forschungstrends informieren. Habilitation (das »zweite Buch«) Wie für den Einstieg in das Wissenschaftssystem gilt auch hier, dass diese Qualifikationsstufe am besten über die Mitarbeit in einem Projekt oder einer anderweitigen Beschäftigungsform an einer Hochschule oder einer anderen Forschungseinrichtung (Max Planck Institute u. a.) zu bewältigen ist. Die Habilitation besteht aus dem Vorlegen einer Habilitationsschrift (das »zweite Buch«), mancherorts einer Lehrprobe und einem wissenschaftlichen Kolloquium. Sie kann auch »kumulativ« erfolgen, das bedeutet, dass alle veröffentlichten Schriften insgesamt in einem Habilitationsverfahren begutachtet und angenommen werden. Perspektivisch soll -wie bereits ausgeführt - diese Qualifikationsphase keine zwingende Voraussetzung mehr für die Erlangung einer Professur sein. Die besonderen wissenschaftlichen Leistungen können auch in anderen Formen erbracht werden. Soziologen in Hochschulen 28 <?page no="28"?> Unterstützungsangebote Zahlreiche Hochschulen und wissenschaftliche Vereinigungen wie der Deutsche Hochschulverband bieten mittlerweile Fortbildungen bzw. Workshops dazu an, wie man eine wissenschaftliche Karriere plant. Außerdem existieren an vielen Hochschulen institutionalisierte Unterstützungsangebote für die Sichtung von Forschungsprojektausschreibungen und die Beantragung von Forschungsmitteln. Auch die Einrichtungen der Studienberatung an den Hochschulen bieten zur Promotionsphase Beratungsleistungen an. Frauen können sich darüber hinaus an die Gleichstellungsbüros der Hochschulen wenden. Eine gute Unterstützung für Frauen bietet auch das »Center of Excellence Women and Science«, das eine Abteilung des Informationszentrums Sozialwissenschaften in der GESIS (Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e. V.) ist. Über das Center werden auch Bewerbungstrainings für Berufungsverfahren angeboten. 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Deutscher Hochschulverband (2006): Handbuch für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Bonn. Engler, Steffani (2001): »In Einsamkeit und Freiheit«? Zur Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit auf dem Weg zur Professur, Darmstadt. Ravenstein, Marianne (Hg.) (2000): Stipendien: Studium, Promotion, Habilitation, Münster. Weber, Max (1988, 1919): Wissenschaft als Beruf. In: ders. (1988): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, herausgegeben von Johannes Winkelmann, Tübingen, S. 582-613. Wissenschaftsrat (1997): Empfehlungen zur Doktorandenausbildung und zur Sicherung des Hochschullehrernachwuchs, Köln. Wissenschaftsrat (1998): Empfehlungen zur Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Forschung, Köln. Internetadressen: Das Internetangebot der jeweiligen Länderministerien für Wissenschaft und Forschung. Das Internetangebot der jeweiligen Studienberatung einer Hochschule. Das Center of Excellence Women and Science: www.cews.org. 6. Tipps zum Weiterlesen 29 <?page no="29"?> Die deutsche Forschungsgemeinschaft: www.dfg.de. Der deutsche Hochschulverband: www.hochschulverband.de. Die deutsche Gesellschaft für Soziologie: www.soziologie.de. Der Berufsverband deutscher Soziologinnen und Soziologen: www.bds-soz.de. Soziologen in Hochschulen 30 <?page no="30"?> Sigrid Bathke Die Kunst der Balance zwischen Auftrag, Markt und Unabhängigkeit Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 1. Das Berufsfeld Es gibt eine unübersichtliche Anzahl eigenständiger Forschungsinstitute, in denen Soziologen tätig werden können. Wollte man sie in diesem Beitrag alle in den Blick nehmen, wäre nur ein sehr allgemeiner Überblick möglich. Ein detaillierter Einblick in ein konkretes Arbeitsfeld ließe sich nicht vermitteln. Daher geht es in diesem Beitrag speziell um sozialpädagogische Forschungsinstitute. Viele der hier gegebenen Informationen gelten aber auch für andere sozialwissenschaftliche Forschungsinstitute. Da sozialpädagogische Forschungsinstitute sich mit der Untersuchung gesellschaftlicher Problemlagen, Strukturen sozialer Gebilde und Institutionen beschäftigen, ist soziologisches Fachwissen gefragt, um Erklärungsansätze und Strategien zur Lösung dieser Probleme zu gewinnen und zu entwickeln. Will man sich dem Begriff »sozialpädagogische Institute« annähern, wird man schnell feststellen, dass dies kein leichtes Unterfangen ist. Zumal es der Sozialpädagogik - wie immer wieder zu Recht beklagt wird - an einer einheitlichen Gegenstandsauffassung fehlt. So erlaubt die Vieldeutigkeit des Ausdrucks »sozialpädagogisch« bestenfalls eine ungefähre inhaltliche Annäherung an mögliche Arbeitsfelder und erzeugt fast zwangsläufig »Unschärfen« an den Rändern (vgl. Hansbauer 2002a, S. 937). Wie aktuellere Tendenzen zeigen, bedeutet die Eingrenzung »sozialpädagogische Forschungseinrichtung« auch nicht, dass schulische oder gesundheitliche Forschungsschwerpunkte ausgeschlossen sein müssen. Sozialpädagogische Institute finden sich grundsätzlich sowohl hochschulgebunden als auch hochschulunabhängig. 1 Die Rechtsform weist daher deutliche Unterschiede auf. Neben der organisatorischen Anbindung an Hochschulen kommen 31 <?page no="31"?> unabhängige sozialpädagogische Institute sowohl in Form von Stiftungen und (gemeinnützigen) »Gesellschaften mit beschränkter Haftung« (GmbH) vor als auch in Form eingetragener Vereine. Außerhalb von Hochschulen existieren in Deutschland etwa zehn bis 15 überregionale Forschungs- und Beratungsinstitute, die schwerpunktmäßig in (unterschiedlichsten) sozialpädagogischen Handlungsfeldern tätig sind. Die bekanntesten Forschungseinrichtungen, die sich dem Kreis der sozialpädagogischen Institute zuordnen lassen, sind das Deutsche Jugendinstitut e. V. (DJI) in München, das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS) in Frankfurt, das Institut für soziale Arbeit e. V. (ISA) in Münster, das Institut des Rauen Hauses für Soziale Praxis gGmbH (ISP) in Hamburg, das Institut für soziale und kulturelle Arbeit GmbH (ISKA) in Nürnberg, das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e. V. (ism), und das Sozialpädagogische Institut Berlin - Walter May - Gemeinnützige Stiftung (SPI). Finanzierung und Forschungsgebiete Auch bezüglich der Finanzierung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Instituten. Während einige Institute mehrheitlich oder teilweise durch Bundes- oder Landeszuschüsse finanziert werden, sind andere fast ausschließlich auf die Akquisition von »Projektmitteln«, also zeitlich begrenzten Arbeitsaufträgen von Bund, Ländern, Kommunen, Stiftungen und/ oder sonstigen (transnationalen) Auftraggebern angewiesen. Sie konkurrieren dabei im Rahmen der Ausschreibungsverfahren mit anderen Forschungseinrichtungen. Das bedeutet auch, dass sich diese Institute im Zeitverlauf als Projektnehmer etablieren und so ihre Überlebensfähigkeit auf diesem »Markt« immer wieder unter Beweis stellen müssen (vgl. Hansbauer 2002a, S. 938). Bei den Projekten ist zu unterscheiden, ob diese in Form von »Werk- oder Dienstleistungsverträgen« oder von »Zuwendungen« vergeben werden. Bei Werk- oder Dienstleistungsverträgen kann sich der Auftraggeber eine relativ starke Position bei der Projektdurchführung sichern, da er über die Abnahme der Projektergebnisse (mit)entscheidet. Bei Zuwendungen nimmt er in der Regel nach der Bewilligung wenig Einfluss auf die Art der Projektdurchführung. In der Praxis bearbeiten sozialpädagogische Forschungsinstitute ein breites Themenspektrum. Die folgende - nicht abschließende - Auflistung soll nicht nur die Fülle von Themen aufzeigen, sondern auch die Möglichkeiten für Soziologen ver- 1 Wenn im Folgenden von sozialpädagogischen Instituten gesprochen wird, sind grundsätzlich hochschulunabhängige Institute gemeint. Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 32 <?page no="32"?> deutlichen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Schwerpunkten einzusetzen: • Kinder- und Jugendhilfe, • Behindertenhilfe, • Altenhilfe und Pflege, • Jugendhilfe und Schule, • Jugendhilfe und Psychiatrie, • Familie und Familienpolitik, • Prekäre Lebenslagen und Integration, • Selbsthilfe, • Frauen- und Mädchenarbeit, Gender, • Migration und interkulturelle Arbeit, • Arbeitsmarktpolitik und Leistungssysteme, • Professionalisierung und Qualitätsentwicklung der sozialen Arbeit, • Aus- und Fortbildung sozialpädagogischer Kräfte, • Organisation von Fachveranstaltungen und -tagungen, • Praxis-, Team- und Organisationsberatung, • Bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft, • Drogen und Sucht. Diese Themenpalette ist keineswegs statisch zu verstehen, denn die Institute müssen sich immer wieder an die Bedingungen und thematischen Vorgaben ihrer Auftraggeber anpassen. Die meisten der oben genannten Institute sind kaum älter als ein Vierteljahrhundert. In den 1970er-Jahren wurden das ISS (1974) und das ISA (1979) gegründet. In den 1980er-Jahren erfolgte dann die Gründung des ISKA (1988), des ISP (1990) und des ism (1992). In diesem Zeitraum haben einige Institute auch eine deutliche inhaltliche Neuorientierung erfahren: Noch in den 1970er- Jahren erfolgte die sukzessive Umstrukturierung des DJI von der reinen Forschungsförderung zur Verlagerung auf eigene Forschungstätigkeit als sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut sowie die Ausweitung der Tätigkeit des SPI und dessen Umgründung als gemeinnützige Stiftung (1978). Die Gründung bzw. Neuorientierung der Institute ab der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre fiel damit in eine Phase, in der die soziale Arbeit in der alten Bundesrepublik eine ungebremste Wachstums- und Professionalisierungsdynamik entwickelte, die mit erheblichen sektoralen Umstrukturierungen verbunden war. Zu Beginn der 1990er-Jahre begann dann der Transformationsprozess in den neuen Bundesländern, in dessen Verlauf dort das Jugendhilfesystem der alten Bundesländer implementiert wurde (vgl. Hansbauer 2002a, S. 939). Allerdings lässt sich Entstehung bzw. Umgestaltung der Institute nicht allein funktional aus einem 1. Das Berufsfeld 33 <?page no="33"?> gesteigerten Bedarf an Orientierungs- und Handlungswissen in einem sich neu strukturierenden Arbeitsfeld erklären. Konstitutives Merkmal der sozialpädagogischen Institute ist zugleich auch die aktive Gestaltung dieser Entwicklungen, die als Strategie der »aktiven Einmischung« (Bäuerle/ Lüdicke 1972) formuliert wird. Diese aktive Gestaltung gesellschaftlicher Entwicklungen vollzieht sich nach dem Selbstverständnis der Institute nicht nur durch Forschung im Bereich der sozialen Arbeit, sondern auch durch Anleitung von Praktikern sowie durch Fort- und Weiterbildung. Im Zentrum der Anleitung steht dabei nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern mehr noch die Übersetzung sozialwissenschaftlicher Wissensbestände in berufliche Alltagsvollzüge und deren Reflexion. Über Fort- und Weiterbildung soll der Transfer »neuen« Wissens und die Aktualisierung beruflichen Wissens (z. B. Methoden der sozialen Arbeit) sichergestellt werden. Der Einfluss der Institute auf fachliche Entwicklungen und ihre Bedeutung als Motor von Entwicklungen in der praktischen sozialen Arbeit müssen außerdem in Zusammenhang mit einem weiteren zentralen Tätigkeitsfeld - der Beratung von Politik und Verwaltung - gesehen werden. Durch die Bereitschaft der Institute, ihr Wissen zur Bearbeitung von Problemstellungen in Politik und Verwaltung einzubringen, wird gleichzeitig die Trennung zwischen der Produktion von Wissen und der strategischen Verwertung von Wissen aufgehoben (vgl. Hansbauer 2002a, S. 940 f.). Das Verhältnis zu Politik und Verwaltung entspricht dabei der Wechselseitigkeit marktförmiger Anbieter- und Abnehmerbeziehungen, im Sinne einer funktionalen Reziprozität. Auf der einen Seite bedürfen die Institute der Finanzierung durch die Politik, auf der anderen Seite bedarf diese des Know-hows der Institute, um eine (konsensförmige) Lösung ihrer Steuerungsprobleme zu erreichen. Zum Entwicklungspotential Sozialpädagogische Forschungsinstitute müssen sich neben anderen Konkurrenten auf einem bestimmten »Markt« behaupten oder sich durch das eigene Leistungsangebot erst einen solchen zu schaffen. Perspektiven und Entwicklungspotential bewegen sich daher zwischen zwei Extremen: Einerseits muss das ökonomische Überleben des Instituts sichergestellt werden, andererseits zerstört die vollständige Ausrichtung an den Bedürfnissen des »Marktes« die organisatorische Identität, verhindert inhaltliche Profilbildung, sodass sich die Forschungsinstitute voneinander nicht mehr unterscheiden. Dies würde sich letztlich wieder negativ auf Marktchancen und somit auf das ökonomische Überleben auswirken. Deshalb ist es notwendig, ein Gespür für neue Themen zu haben, für die sich möglicherweise ein Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 34 <?page no="34"?> »Markt« auftun könnte. Schon allein aus diesem Grund kann die Themenpalette nicht einseitig auf traditionelle Arbeitsschwerpunkte der verschiedenen sozialpädagogischen Institute ausgerichtet sein, sondern sie muss immer wieder an die Bedingungen des Handlungsfeldes angepasst werden. Wie alle Organisationen, die auf »Märkten« operieren, müssen sich eigenständige Forschungsinstitute darauf einstellen, dass sich diese »Märkte« verändern. Beispielsweise werden zehn Jahre nach der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (1990) große Planungsprojekte, die das gesamte Spektrum der Jugendhilfe betreffen und Laufzeiten von mehreren Jahren haben, zwangsläufig seltener nachgefragt. Hier lässt sich eine Verschiebung des Bedarfes beobachten. Es geht nicht mehr darum, wie z. B. Hilfen zur Erziehung möglichst optimal organisiert und geplant werden können, sondern um die Bearbeitung von Erklärungsansätzen und Strategien zur Lösung eines nun in den Vordergrund rückenden Problems, nämlich dass ungeachtet einer systematischen und zielgerichteten Planung die Fallzahlen der Hilfen zur Erziehung zunehmen. Und es geht natürlich im Gefolge des Konsolidierungsdrucks vieler Kommungen auch um die Bearbeitung von Fragestellungen nach Qualität und Leistungsfähigkeit, also letztlich um die wirkungsorientierte Steuerung von Angeboten. Hier kristallisieren sich neue Themenschwerpunkte heraus, die von sozialpädagogischen Forschungsinstituten bearbeitet werden, sei es in Form von reinen Forschungsvorhaben, sei es im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung von Modellprojekten. Schließlich verändern sich auch die Projekte in ihrer Struktur selbst: Für potentielle Auftraggeber ist bei der Vergabe von Projekten die Qualität des abgegebenen Angebots in Konkurrenz zu anderen von immer größerer Bedeutung. Parallel dazu sinken die durchschnittlichen Projektlaufzeiten, während die Erwartungen an die Ergebnisse steigen. Allerdings darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass teilweise das kostengünstigste Projektangebot für den Auftraggeber das attraktivste sein kann. Gleichzeitig lässt sich ein vermehrter Bedarf nach »innovativen« Anregungen beobachten und die steigende Bereitschaft »originelle« Ideen und Methoden zu fördern (vgl. Hansbauer 2001, S. 145 f.). Perspektivisch erfordert dies von sozialpädagogischen Forschungsinstituten - und damit natürlich auch von ihren Mitarbeitern - ein hohes Maß an Kreativität und Flexibilität. 1. Das Berufsfeld 35 <?page no="35"?> 2. Beschäftigungsformen und Einkommen Wie viele Mitarbeiter sozialpädagogische Forschungsinstitute beschäftigen und in welchen Beschäftigungsformen hängt stark davon ab, wie sie sich finanzieren. Während einige Institute mehrheitlich oder teilweise durch Bundes- oder Landeszuschüsse finanziert werden, sind andere fast ausschließlich auf die Akquirierung von zeitlich begrenzten Projekten angewiesen. Entsprechend variieren damit auch die Zahlen der befristet und unbefristet eingestellten Mitarbeiter sowie das Verhältnis zwischen befristet eingestellten Mitarbeitern und freiberuflich tätigen Kräften, die häufig ebenfalls in die Arbeit an (Forschungs-)Projekten eingebunden sind. Dabei gibt es zwischen den Instituten Differenzen von weniger als zehn fest angestellten Mitarbeitern bis zu deutlich mehr als hundert. Gleichzeitig hat die Zahl der fest angestellten Mitarbeiter wiederum nur eine begrenzte Aussagekraft über die tatsächlich von einzelnen Instituten verantwortete Arbeit, da vielfach und in unterschiedlichem Ausmaß auch Vereinsmitglieder und Vorstände in die Arbeit an Projekten eingebunden sind (vgl. Hansbauer 2002b, S. 163). Dabei ist zu beachten, dass das Verhältnis von fest angestellten und befristet beschäftigten Mitarbeitern auch innerhalb der Institute im Zeitverlauf erheblich variieren kann. Dies hängt zum Beispiel auch damit zusammen, inwiefern es dem jeweiligen Institut gelingt, aktuelle und für Politik und Verwaltung relevante Themenbereiche zu besetzen und Lösungsstrategien anzubieten. Allgemein ist allerdings davon auszugehen, dass immer mehr Stellen befristet besetzt werden. Häufig werden die Projekte auch nicht mehr als Vollzeit-, sondern lediglich als Teilzeitstellen ausgeschrieben und besetzt. Die Erosion des »Normalarbeitsverhältnisses« zeigt sich auch hier in stärkerer Befristung sowie in der Zunahme von Teilzeitarbeitsverhältnissen und im Rückgriff der Institute auf Honorarkräfte und Freiberufler. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die davon betroffenen Personen und ihr Kompetenzprofil. In der Regel lehnen die Forschungsinstitute das Einkommen ihrer Beschäftigten an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L) bzw. zuvor BAT (Bundesangestelltentarifvertrag) an. Einkommen werden aber auch unabhängig von Tarifverträgen vereinbart. Das Einkommen der Beschäftigten von Bund und Kommunen richtet sich nach der Eingruppierung in die Entgeltgruppen und Stufen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD), der am 01. Oktober 2005 in Kraft getreten ist. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TV-L) für Beschäftigte der Länder ist am 01. November 2006 in Kraft getreten (vgl. Tabellen im Anhang). Die Zuordnung zu den tariflichen Entgeltgruppen und Stufen hängt beispielsweise davon ab, welche Ausbildung vorliegt, ob Fortbildungen absolviert wurden, wie komplex die Aufgaben sind, wie groß die Verantwortung ist und wel- Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 36 <?page no="36"?> che beruflichen Erfahrungen vorliegen. Auch regionale und branchenspezifische Faktoren spielen eine Rolle bei der Einkommenshöhe. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (vgl. Tabellen im Anhang: TVöD, TV-L) sieht 15 Entgeltgruppen vor. Jede Entgeltgruppe ist in zwei Grundstufen und vier Entwicklungsstufen unterteilt. Die Abstände zwischen den Stufenaufstiegen sind gestaffelt. In Stufe 1 bleibt man 1 Jahr, in Stufe 2 zwei Jahre, in Stufe 3 drei Jahre, in Stufe 4 vier Jahre, in Stufe 5 fünf Jahre. Stufe 6 ist im Regelfall die Endstufe. Da wissenschaftliche Mitarbeiter sozialpädagogischer Forschungsinstitute in der Regel bisher nach der Gehaltsgruppe IIa des Bundesangestelltentarifvertrags (kurz: BAT) vergütet worden sind, erfolgt die Einstufung für Soziologen in der Regel in die Entgeltgruppe 13 des TVöD. Berufsanfänger werden in die Stufe 1 eingeordnet, d. h., sie erhalten ein Bruttogehalt von 2817 Euro und erreichen nach einem Jahr die Stufe 2. Personen mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung starten unmittelbar mit Stufe 2 und erreichen nach zwei Jahren die erste Entwicklungsstufe (Stufe 3). Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass die Zeiträume zwischen den Stufenaufstiegen verkürzt oder verlängert werden. 3. Tätigkeitsbeschreibungen Ein für sozialpädagogische Forschungsinstitute typisches Merkmal ist, dass Forschung, Reflexion über Praxiszusammenhänge und Strategien zur Einflussnahme auf Praxisvollzüge im Bereich der sozialen Arbeit sowie ihren Schnittstellen miteinander verbunden werden. Mit Schnittstellen sind hier angrenzende Bereiche gemeint - wie beispielsweise Psychiatrie oder Schule - mit denen die soziale Arbeit bzw. Jugendhilfe im professionellen Kontext häufig kooperiert. Ein erheblicher Teil der Arbeit ist also nicht nur im engeren Sinne Forschung, sondern beispielsweise auch Praxisentwicklung, die Moderation von Organisationsentwicklungsprozessen oder die wissenschaftliche Begleitung und Koordinierung von Bundes- und Landesprogrammen. Gleichzeitig sind in viele dieser Tätigkeiten Forschungsprozesse integriert - ohne das dies wiederum zwangsläufig der Fall sein muss (vgl. Hansbauer 2002b, S. 163). Als Kernaufgaben lassen sich zusammenfassend vier Tätigkeitsbereiche benennen: • Forschung, • Praxisanleitung und -entwicklung, • Fort- und Weiterbildung, • Beratung. 3. Tätigkeitsbeschreibungen 37 <?page no="37"?> Forschung Mit Forschung ist nach dem Selbstverständnis sozialpädagogischer Forschungsinstitute zwar auch Grundlagenforschung gemeint, aber mehr noch geht es um Anwendungsbzw. Auftragsforschung, die sich eng an die Bedarfslagen der Praxis anlehnt und dabei Methoden und Verfahren der sozialen Arbeit einer wissenschaftlichen Überprüfung unterzieht und ggf. Alternativen formuliert (vgl. Hansbauer 2002b, S. 162). Wenn diese Institute in unterschiedlichem Ausmaß im Auftrag von Ministerien sowie der öffentlichen Verwaltung forschen, sind mit den Ergebnissen natürlich bestimmte Interessen verbunden. Das bedeutet auch, dass sowohl die Finanzierung dieser Forschung als auch die Verwertung ihrer Ergebnisse überwiegend außerwissenschaftlich erfolgt. Die Frage, ob dies nicht die Unabhängigkeit der Forschung - und damit eines ihrer konstitutiven Merkmale - bedroht, ist daher nicht ganz unberechtigt. Auftragsforschung an sozialpädagogischen Instituten steht sowohl mit Blick auf die Auftraggeber als auch mit Blick auf das Selbstverständnis der Institute, unter einem höheren Erwartungsdruck als dies für Forschung an Hochschulen gilt. Die Auftraggeber sind häufig an Ergebnissen interessiert, die ihr politisches und strategisches Vorgehen stützen bzw. legitimieren. Vielfach wird erwartet, dass (erste) Ergebnisse möglichst bereits dann vorliegen, wenn ein Thema auf der Agenda steht. Neben diesen inhaltlichen und zeitlichen Erwartungen des Auftraggebers besteht auf der Seite der Institute aber vielfach noch die Erwartung, dass Forschung auch praktisch wirksam werden kann und damit möglich wird, Einfluss auf die Arbeit in den Einrichtungen der Aufraggeber zu nehmen. Für die Forschung sozialpädagogischer Institute bedeutet dies, dass sie die Bedürfnisse und die Erwartungen der Auftraggeber an die Forschungsergebnisse berücksichtigen muss, damit die Ergebnisse von Studien oder Begleitforschungen nicht in der Schublade verschwinden und damit ohne Einfluss sind. Gleichzeitig darf sie aber auch nicht eklatant gegen Gütekriterien von Forschung verstoßen und so das Vertrauen in zukünftige Forschungsergebnisse untergraben. Forschung, die die Qualitätsmerkmale von Forschung ignoriert oder andere für die Deutung von Daten (potentiell) relevante Faktoren vernachlässigt, verliert an Wert für den ursprünglichen Auftraggeber und unterminiert damit mittelfristig die eigene Ressourcenbasis. Selbst wenn die Ergebnisse die Position des Auftraggebers stützen, kann er sie aufgrund mangelnder Gütekriterien kaum sinnvoll nutzen. Der Produzent einer solchen Art von Forschung verliert in den Augen (potentieller) Auftraggeber an Vertrauen und verschenkt Marktchancen (vgl. Hansbauer 2002b, S. 168 ff.). Das Austarieren der Balance zwischen Anschlussfähigkeit und Unab- Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 38 <?page no="38"?> hängigkeit erweist sich somit als immanentes Qualitätskriterium von Auftragsforschung - nicht nur an sozialpädagogischen Forschungsinstituten. Praxisanleitung und -entwicklung Die bereits erwähnte Strategie der »aktiven Einmischung« (Bäuerle/ Lüdicke 1972) durch Praxisanleitung und -entwicklung lässt sich am Beispiel der Funktionen, die die Institute für die pädagogische Praxis übernehmen, verdeutlichen. • Sozialpädagogische Forschungsinstitute übernehmen für die Praxis (öffentliche und freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe wie Jugendämter, Kindertageseinrichtungen, Heime, Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit etc.) im Zuge von Dienstleistungen und Projekten bisweilen eine Normierungsfunktion. Sie tragen in entsprechenden Fällen nicht unerheblich dazu bei, fachliche Standards zu formulieren und durchzusetzen. • Auch die Transferfunktion darf nicht unterschätzt werden, denn die Institute sind durch die Zusammenarbeit mit der Praxis im Rahmen von Dienstleistungen oder Projekten an der Verbreitung von Theoriewissen beteiligt, das möglicherweise sonst nicht in dem Umfang die soziale Arbeit vor Ort erreichen würde. • Schließlich soll noch auf die Sensorfunktion der Institute hingewiesen werden. Hier geht es um das Erkennen von neuen Trends innerhalb der Profession oder auch die Entdeckung »neuer« soziale Probleme und Zielgruppen. Dies erfolgt, indem Themen bearbeitet werden, noch bevor diese in disziplinären Kontexten zum Gegenstand der Fachdiskussionen werden. Sozialpädagogische Forschungsinstitute erweisen sich hier sozusagen als »Spürhunde« der Disziplin (vgl. Hansbauer 2002a, S. 937 ff.). Konkret bedeutet dies, dass Projekte häufig »zweigleisig« angelegt sind. Der Theorie-Praxis-Transfer ist in die konzeptionelle Planung und spätere Durchführung der Projekte und Forschungsvorhaben bereits eingebunden. Solche Projekte werden bei der Antragstellung auch formal vielfach als »Forschungs- und Praxisentwicklungsprojekte« bezeichnet. Methoden und Verfahren der Praxis werden wissenschaftlich untersucht, in einem zweiten Schritt werden auf der Basis der Ergebnisse Alternativen gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Praxis erprobt und umgesetzt. Hierbei kann es beispielsweise um die Analyse von (Entscheidungs-)Strukturen in Bezug auf ihre Wirkungsorientierung gehen, um die Verfeinerung von Planungstechniken zur Ermittlung des Personalbedarfs in sozialen Einrichtungen oder auch darum, wie bürgerschaftliches Engagement in die professionelle soziale Arbeit eingebunden werden kann. Für Mitarbeiter an den sozialpädagogischen Forschungsinstituten hat das zur Folge, dass sie nicht nur mit 3. Tätigkeitsbeschreibungen 39 <?page no="39"?> der Planung, Durchführung und Auswertung von Untersuchungen befasst sind, sondern sehr häufig auch in permanentem Kontakt zur Praxis stehen, die in der Regel anderen Handlungslogiken folgt als der Forschungsbetrieb. Die Ergebnisse von Untersuchungen oder Expertisen müssen daher so vermittelt werden, dass sie umsetzbar sind und wirksam werden können. Es versteht sich von selbst, dass die damit verbundenen Tätigkeiten viel mit Kommunikation zu tun haben, um so - im wörtlichen Sinne - zu einer »gemeinsamen Sprache« zu finden. Als Tätigkeitsbereich umfasst Praxisanleitung und -entwicklung somit: • die Analyse von Institutionen, Strukturen und Verfahrensabläufe sozialer Arbeit • die Konzeption handhabbarer Lösungsstrategien und die Begleitung ihrer Umsetzung. Fort- und Weiterbildung Fort- und Weiterbildungen für Fachkräfte der sozialen Arbeit gehören ebenfalls zum Repertoire sozialpädagogischer Forschungsinstitute. Damit ist häufig auch ein mehr oder weniger umfangreiches Tagungs- und Veranstaltungsmanagement verbunden. Die Angebote werden geplant, durchgeführt und evaluiert. Der Anlass zur Initiierung von Fort- und Weiterbildung kann - neben der Orientierung an den Bedarfslagen der Praxis - unterschiedlich sein, sei es dass er aufgrund fachlicher Entwicklungen in den einzelnen Handlungsfeldern entsteht, sei es dass Gesetzesänderungen Veränderungen in den Verfahrensabläufen von Kommunen und Verwaltung notwendig machen. Auch der Umfang der Fort- und Weiterbildungsangebote kann erheblich differieren. Neben einmaligen Tagesveranstaltungen sind - je nach Komplexität des Themas - mehrtätige Kursreihen über mehrere Monate möglich. Fachtagungen dienen ebenfalls der Fort- und Weiterbildung von Fachkräften der sozialen Arbeit. Hier reicht die Teilnehmerzahl von teilweise weniger als 50 bis hin zu mehr als 1000 Personen. Beratung Schließlich gehört zu den Kernaufgaben sozialpädagogischer Forschungsinstitute die (wissenschaftliche) Beratung von Politik und öffentlicher Verwaltung. Bei der Beratung von Entscheidungsinstanzen politischer Organisationen kann es beispielsweise um die Analyse gesellschaftspolitischer und sozialwissenschaftlicher Sachverhalte gehen, deren Ergebnisse dann in Form von Expertisen und Empfehlungen dargestellt und veröffentlicht werden. Die in Anspruch genommene Bera- Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 40 <?page no="40"?> tung dient vielfach auch der Vorbereitung von Entscheidungsprozessen, z. B. wenn es um Erarbeitung von Beschlussvorlagen für Ministerkonferenzen und Jugendhilfeausschüssen geht. Bei der Beratung von Einrichtungen der sozialen Arbeit oder der öffentlichen Verwaltung (z. B. Jugendämtern) stehen häufig Konzepte zur Umsetzung von fachlichen Qualitätsstandards oder die Begleitung von Modellprojekten im Mittelpunkt. Hier zeigt sich, dass die Übergänge zwischen den Tätigkeitsbereichen Praxisentwicklung und Beratung fließend sind, denn Praxisentwicklung enthält in hohem Maße beratende Anteile. 4. Notwendige Kompetenzen In der Datenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit heißt es zum Kompetenzprofil von Soziologen (Uni), dass sie in der Lage sein müssen, auf immer wieder neue Fragestellungen Antworten zu geben, Ursachen zu benennen und mögliche Strategien aufzuzeigen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellen sie in Form von Stellungnahmen, Aufsätzen oder Expertisen schriftlich dar und präsentieren sie außerdem vor ihren Vorgesetzten, vor Auftraggebern oder vor Vertretern der Presse. Dabei wird von ihnen nicht nur erwartet, dass sie komplexe Themen verständlich präsentieren können. Sie müssen außerdem in der Lage sein, ihre Ergebnisse zu interpretieren, Prognosen abzugeben oder konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis zu formulieren. Die Themenvielfalt und das breite Aufgabenspektrum sozialpädagogischer Forschungsinstitute spiegeln sich in den Kompetenzen wider, die wissenschaftliche Mitarbeiter hier benötigen. Wie in jedem Berufsfeld sind dabei nicht nur Kenntnisse und Fertigkeiten - also Informationsbestände und strukturiertes Wissen, welche in der Regel im Studium erworben werden - sondern auch die sogenannten Soft Skills von Bedeutung. Methodenkompetenz und analysierende, systematische Arbeitsweise Auch wenn ein erheblicher Teil der Arbeit - neben Forschung im engeren Sinne - aus Praxisentwicklung, Koordinierung von Modellvorhaben und -projekten sowie Fort- und Weiterbildung besteht, sind in vielen dieser Tätigkeiten doch Forschungsprozesse integriert. Im Rahmen solcher Forschungsprozesse und -projekte müssen Erhebungen und Umfragen gestaltet und durchgeführt, Fragebögen und 4. Notwendige Kompetenzen 41 <?page no="41"?> Interviewleitfäden erstellt und ausgewertet werden. Die erhobenen Daten sind zu analysieren und zu interpretieren. Ergebnisberichte müssen verfasst, auf unterschiedliche Art und für unterschiedliche Zielgruppen präsentiert werden. Fundierte Kenntnisse sowohl quantitativer als auch qualitativer Methoden der empirischen Sozialforschung sind daher eine gute Basis für die Bewältigung dieser Aufgaben. Die Bearbeitung gesellschaftspolitischer und sozialwissenschaftlicher Sachverhalte und Phänomene sowie die Darstellung von Empfehlungen, Prognosen und ggf. (Handlungs- und Steuerungs-)Alternativen erfordern ein wissenschaftlichanalysierendes und konzeptionelles, planvolles Arbeiten. Zudem ist die Fähigkeit zum Planen und Organisieren gefragt, beispielsweise bei der Konzeption von Fort- und Weiterbildung sowie bei der Planung und Durchführung von Fachveranstaltungen. Da Fort- und Weiterbildungen für Fachkräfte (der sozialen Arbeit) nicht nur konzipiert, sondern auch thematisch ausgestaltet werden müssen, ist ein gewisses Maß an didaktischen Fähigkeiten notwendig, um den jeweiligen Adressaten die Inhalte vermitteln zu können. Befähigung zu selbständigem Arbeiten Wissenschaftliche Mitarbeiter an sozialpädagogischen Instituten müssen bestimmte (Teil-)Aufgaben eigenverantwortlich bewältigen, was allerdings nicht heißt, dass nicht auch Abstimmungen mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen notwendig und zweckmäßig sind. Bei diesen Aufgaben kann es sich beispielsweise um die Vorbereitung und Durchführung ganzer Umfragen handeln, um das Verfassen eines Abschlussberichtes für einen Auftraggeber oder auch um die Erstellung einer Beschlussvorlage für politische Gremien. Die Befähigung zu selbständigem Arbeiten ermöglicht es, eigenständig die Entscheidungen zu treffen, die zur Vorbereitung und Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Dazu gehört ein ausreichendes Selbstvertrauen (d. h. Zutrauen in die eigene Urteilskraft), Risikofreudigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Die eigenverantwortliche Erledigung von Aufgaben erfordert zudem eine exakte und sorgfältige Arbeitsweise. Damit verbunden ist die Aufgabe, die eigenen Arbeitsprozesse und -ergebnisse zu kontrollieren und zu steuern. Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 42 <?page no="42"?> Belastbarkeit und Arbeiten unter Zeitdruck Neben dem hohen Erwartungsdruck aufseiten der Auftraggeber existiert in der Regel auch einer hoher Zeitdruck bei der Durchführung der Forschungsaufträge - brauchbare Ergebnisse sollen innerhalb kürzester Zeit vorliegen - sodass die 41-Stunden-Woche häufig nicht eingehalten werden kann. In Hochzeiten mit erheblicher Arbeitsverdichtung durch Organisation von Fachtagungen, Veröffentlichungstermine, Abschlussberichte kann die Arbeitszeit durchaus 60 Stunden pro Woche betragen. Wichtig ist daher die Fähigkeit, auch unter großem Stress und Zeitdruck (häufig Projekte mit engem terminlichen Rahmen und hohem Fertigstellungsdruck) präzise zu arbeiten. Innovationsfreude, Kreativität und Flexibilität Wie bereits geschildert, muss man an sozialpädagogischen Forschungsinstituten die Fähigkeit entwickeln, sehr schnell auf »heiße« Themen, die Marktanteile sichern könnten, zu reagieren. Man muss sich also immer »am Puls der Zeit« bewegen und Trends abschätzen können. Innovationsfreude, d. h. die Freude daran, Ideen, Entwürfe und Konzepte zu entwickeln, ist dafür förderlich. Da Wissenschaftler an sozialpädagogischen Instituten in der Regel projektbezogen beschäftigt werden, sichern sie durch kreative Projektideen mit neuartigen Problemzugängen und -lösungen zugleich die eigene Weiterbeschäftigung nach Ablauf der jeweiligen Projekte. Ein hoher Grad an Flexibilität ist ebenfalls erforderlich. Damit sind nicht nur Arbeitszeit und Arbeitsort (Kooperationstreffen mit Praxispartnern, Untersuchungen und Erhebungen an unterschiedlichen Orten) gemeint, sondern auch Flexibilität im Umgang mit sich schnell verändernden Rahmenbedingungen sowie mit den unterschiedlichsten Akteuren (z. B. Politik, Praktiker der sozialen Arbeit, Einrichtungen der Forschungsförderung etc.). 5. Wege in das Berufsfeld Grundsätzlich ist für die Tätigkeit als Wissenschaftler/ in - hier als Soziologin oder Soziologe - an einem sozialpädagogischen Institut ein abgeschlossenes Hochschulstudium erforderlich. Ein Studium an einer Fachhochschule ist in der Regel nicht ausreichend, da die Bestimmungen und Regelungen für Zuwendungen und Forschungsförderung der meisten Auftraggeber die Einstellung und Beschäftigung 5. Wege in das Berufsfeld 43 <?page no="43"?> von wissenschaftlichen Mitarbeitern mit einem Hochschulstudium (Uni) zwingend vorschreiben. Eine Promotion ist nicht unbedingt notwendig. Bei relevanten Themenbereichen kann eine Promotion mit einschlägigem Thema jedoch förderlich sein, denn sie kann zum einen die Chancen erhöhen, als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt zu werden, zum anderen kann sie bei der Durchführung einer spezifischen Arbeitsaufgabe von Nutzen sein. Zunächst gilt es, schon das Studium praxisorientiert auszufüllen, d. h. entsprechend des gewünschten Tätigkeitsfeldes Kurse zu wählen. Da sozialpädagogische Forschungsinstitute in der Regel vier Kernbereiche umfassen (Forschung, Praxisanleitung und -entwicklung, Fort- und Weiterbildung, Beratung), bieten sich dem Studierenden vielfältige Möglichkeiten, was eine Auswahl nicht unbedingt vereinfacht. Angesichts der Tatsache, dass sozialpädagogische Forschungsinstitute sich immer im Balanceakt zwischen Forschung und Praxisentwicklung befinden, bieten ausgewiesene Kenntnisse in empirischen Forschungsmethoden (sowohl quantitative als auch qualitative) und Kenntnisse aus der Organisationssoziologie aber ohne Zweifel eine gute Basis. Praktika und Nebentätigkeiten während des Studiums können ebenfalls den Weg in dieses Berufsfeld ebnen. Sie tragen dazu bei, an dem entsprechenden Institut bekannt zu werden, sich zu bewähren und im Idealfall den Übergang Studium/ Beruf durch eine (projektbezogene) Beschäftigung zu sichern. Es darf auch nicht vergessen werden, dass nicht wenige Vorstände und Geschäftsführungen sozialpädagogischer Forschungsinstitute an Universitäten und Fachhochschulen lehren. Kontakte zu den Professoren während des Studiums sowie einschlägige Haus- und Diplomarbeiten können sich daher förderlich auf den Berufseinstieg auswirken. 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Behrendt, Erich/ Kallweit, Hauke/ Kromrey, Helmut (2002): Primat der Theorie? Arbeitsmarkt, Qualifikationen und das Image der Soziologie. In: Stockmann, Reinhard/ Meyer, Wolfgang/ Knoll, Thomas (Hg.): Soziologie im Wandel. Universitäre Ausbildung und Arbeitsmarktchancen in Deutschland, Opladen, S. 187-197. Hansbauer, Peter (2002a): Sozialpädagogische Institute und ihre Funktion für Forschung, Evaluation und Beratung. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch, Münster, S. 937-955. Soziologen in eigenständigen Forschungsinstituten 44 <?page no="44"?> Hansbauer, Peter (2002b): Auftragsforschung an sozialpädagogischen Instituten - zwischen Einfluss und Loyalität. In: Institut für soziale Arbeit e. V.: ISA-Jahrbuch zur Sozialen Arbeit, Münster, S. 161-173. Hansbauer, Peter (2001): Das ISA in den Jahren 2000/ 2001. In: Institut für soziale Arbeit e. V.: ISA-Jahrbuch zur Sozialen Arbeit, Münster, S. 139-146. Internetadressen: Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e. V. (ASI): www.gesis.org/ asi. Datenbank Sozialwissenschaftliche Forschungseinrichtungen und Lehrstühle in der Bundesrepublik (SOFO): www.gesis.org/ Information/ SOFO. Institut des Rauhen Hauses für Soziale Praxis GmbH (ISP): www.soziale-praxis.de. Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit e. V. (ISKA): www.iska-nuernberg.de Institut für soziale Arbeit e. V. (ISA): www.isa-muenster.de. Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e. V. (ism): www.ism-mainz.de. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS): www.iss-ffm.de. Sozialpädagogisches Institut Berlin - Walter May - Gemeinnützige Stiftung (SPI): www.stiftung-spi.de. 6. Tipps zum Weiterlesen 45 <?page no="46"?> Statistik und Marktforschung <?page no="48"?> Ilka Willand Auf der Spur von Strukturen und Trends Soziologen in den Statistischen Ämtern Die Zahl der Hochschulabsolventen mit dem Hauptfach Soziologie hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und im Jahr 2005 mit rund 1.700 (einschl. Promotionen) einen vorläufigen Höchststand erreicht. Aufgrund der stark gestiegenen Studienanfängerzahlen zwischen den Jahren 1999 und 2004 ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzt (vgl. Tab. 1 im Anhang). Für Soziologen existieren bislang anders als z. B. für Mediziner oder Juristen keine eindeutigen Berufs- und Jobprofile. Im Zuge der Berufsfeldforschung zeichnet sich eine Vielfalt an Branchen ab, in denen Soziologen und Sozialwissenschaftler tätig sind (Brüderl/ Reimer 2002; Diaz-Bone et al. 2004; Ortenburger 2004). Diese werden jedoch im Rahmen dieser Absolventen- und Verbleibsstudien nicht konkret beschrieben. Im folgenden Beitrag sollen die beruflichen Perspektiven, die der öffentliche Dienst jenseits des Schul- und Hochschulbereichs für Soziologen bietet, am Beispiel der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aufgezeigt werden. Ich beschreibe die Tätigkeitsfelder in der amtlichen Statistik vor dem Hintergrund meiner mehrjährigen Tätigkeit als Soziologin in verschiedenen Abteilungen des Statistischen Bundesamtes. Darüber hinaus werden mögliche Wege in die Statistischen Ämter und die Kenntnisse und Kompetenzen dargestellt, die - aus meiner Sicht - für einen Einstieg nötig sind. Was für den Arbeitsmarkt im Allgemeinen gilt, trifft auch für die amtliche Statistik zu: In den Statistischen Ämtern gibt es keine abgegrenzten Arbeitsfelder, die ausschließlich Soziologen oder Sozialwissenschaftlern vorbehalten sind. Allerdings können die generalistische Ausrichtung des Soziologiestudiums und vielseitig verwendbare Methodenkenntnisse Chancen eröffnen und ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Bewerbern mit anderen Studienabschlüssen sein. 49 <?page no="49"?> 1. Amtliche Statistiken: Ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur Die Aufgabe des Statistischen Bundesamtes ist es, statistische Informationen zu erheben, aufzubereiten und zu analysieren. Diese sind in einer Demokratie ein wichtiger Bestandteil der informationellen Infrastruktur. Sie helfen bei der Planung politischer Maßnahmen, die auf veränderte Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft reagieren müssen. Außerdem haben amtliche Statistiken in einer Demokratie eine aufklärende Funktion, die mit der der Medien verglichen werden kann: Sie werden zur Erfolgskontrolle politischer Maßnahmen und Reformprojekte benötigt. Amtliche Statistiken sind ein öffentliches Gut: Die Daten sind frei zugänglich und überwiegend kostenlos erhältlich. Hauptnutzer amtlicher Daten sind Regierung und Verwaltung, Wirtschaft, Verbände, Gewerkschaften, Medien und die Wissenschaft (vgl. Statistisches Bundesamt 2006, S. 9). Zwischen dem Statistischen Bundesamt und den Statistischen Ämtern der Länder besteht eine Arbeitsteilung. Nur in wenigen Fällen werden Daten vom Statistischen Bundesamt zentral erhoben und aufbereitet. Die Statistikproduktion erfolgt überwiegend in den Statistischen Landesämtern. Sie erstellen und veröffentlichen außerdem die Ergebnisse für ihre jeweiligen Landesregionen. Das Zusammenstellen, Analysieren und Verbreiten der Ergebnisse für den Bund ist die Aufgabe des Statistischen Bundesamtes. Sie umfasst neben der Verbreitung der Statistiken auch die Beratung von Nutzern sowie die Erstellung von individuellen Sonderauswertungen für spezielle Fragestellungen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006, S. 17). Neben den Statistischen Ämtern gibt es weitere Behörden auf Bundes- und Landesebene, die häufig eng mit den Statistischen Ämtern zusammen arbeiten und für Sozialwissenschaftler als potentielle Arbeitgeber von Interesse sein können. Hier ist z. B. das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung zu nennen. Darüber hinaus bieten Bundes- und Landesministerien (z. B. in Statistikreferaten, im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) vielfältige Arbeitsfelder für Sozialwissenschaftler (siehe Abschnitt 6). Über die quantitative Bedeutung der öffentlichen Verwaltung als Berufsfeld für Soziologen liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. In Absolventenstudien werden die Anteile der in der öffentlichen Verwaltung beschäftigten Soziologen zwischen 10 % und 18 % eingeschätzt (Diaz-Bone et al. 2004, S. 177; Ortenburger 2004, S. 128). Bei der Bundesagentur für Arbeit entfielen 2004 gut ein Viertel der gemeldeten freien Stellen für Sozialwissenschaftler (einschl. Soziologen) auf die Soziologen in den Statistischen Ämtern 50 <?page no="50"?> öffentliche Verwaltung. Höher war nur der Anteil der Angebote aus dem Hochschulbereich mit rund 27 % (Bausch 2005, S. 7). Der öffentliche Dienst ist angesichts der prekären Lage der öffentlichen Haushalte und dem damit verbundenen Zwang zu Stelleneinsparungen trotzdem alles andere als ein Wachstumsmarkt für Berufseinsteiger. Der Personalstand im öffentlichen Dienst ist seit 1991 aufgrund des Stellenabbaus und der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen kontinuierlich gesunken (vgl. Kriete-Dodds 2005, S. 1298). Der Bedarf an akademisch ausgebildeten Soziologen ist im Vergleich zu den Absolventenzahlen vergleichsweise gering (vgl. Tab. 1 und 2 im Anhang). Nach den Angaben der Bundesanstalt für Arbeit ist die Zahl der gemeldeten Stellen für Soziologen im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren insgesamt deutlich gesunken. Vom dem Rückgang besonders betroffen war der Bereich der allgemeinen öffentlichen Verwaltung. Die Zahl der freien Stellen im Bereich Sozialversicherung und Arbeitsförderung ist dagegen leicht gestiegen (vgl. Tab. 2 im Anhang). 2. Arbeiten in einer Bundesbehörde: Rahmenbedingungen und Perspektiven Beschäftigungsformen, Einkommen und Arbeitszeit Der Einstieg in das Statistische Bundesamt und in die meisten Statistischen Landesämter erfolgt für Universitätsabsolventen der Soziologie mit Diplom- und Magisterabschluss oder abgeschlossener Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Wissenschaftliche Mitarbeiter werden zeitlich befristet für konkrete Projektaufgaben eingestellt. Die Laufzeit der Arbeitsverträge richtet sich nach der Dauer, die für eine entsprechende Projektaufgabe veranschlagt wird und liegt zwischen zwölf und 36 Monaten. Befristete Arbeitsverträge sind für Berufseinsteiger in Bundes- und Landesbehörden angesichts der schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte und der daraus resultierenden Stellenknappheit wie in anderen Branchen keine Ausnahme, sondern die Regel. Der Berufseinstieg erfolgt als Direkteinstieg (»on the job«), d. h. der vorgesehene Aufgabenbereich wird sofort übernommen. Der Einstieg wird von einem Fortbildungsprogramm begleitet, das auf die Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter zugeschnitten ist und der fachlichen und sozialen Integration der Neuen 2. Arbeiten in einer Bundesbehörde: Rahmenbedingungen und Perspektiven 51 <?page no="51"?> dient. Im Rahmen des Programms wird zunächst ein Überblick über die zahlreichen Fachbereiche innerhalb der Behörde vermittelt, die drei Standorte (Wiesbaden, Bonn und Berlin) mit insgesamt 2.800 Mitarbeitern umfasst (vgl. Statistisches Bundesamt 2006a, S. 69). Im Rahmen weiterer Trainings und Schulungen werden grundlegende Kommunikations- und Führungskompetenzen vermittelt. Wie in der Privatwirtschaft werden die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst auf der Basis eines Arbeitsvertrags beschäftigt, der Bezahlung und Arbeitszeiten verbindlich regelt. Der Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD; vgl. Tabellen im Anhang), der den Bundesangestelltentarif (BAT) im Oktober 2005 abgelöst hat, erstreckt sich auf den Bund und die Kommunen. Für die Länder (außer Hessen und Berlin) gilt seit November 2006 ein eigener Tarifvertrag (TV-L; vgl. Tabellen im Anhang), der dem TVöD in den Grundzügen entspricht. Die Arbeitszeiten für Angestellte des Bundes liegen nach dem TVöD bei 39 Stunden wöchentlich. Beschäftigte bis zum 30. Lebensjahr haben Anspruch auf 26 Urlaubstage. Vielfach werden in der öffentlichen Verwaltung gleitende Arbeitszeiten praktiziert. Berufseinsteiger im Statistischen Bundesamt, die über einen Universitätsabschluss verfügen, werden nach dem neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes in Vergütungsgruppe 13 eingestuft (vgl. Tabellen im Anhang). Gehaltssteigerungen erfolgen im Rahmen des TVöD mit dem Erreichen der jeweils nächst höheren »Entwicklungsbzw. Erfahrungsstufe«, die sich aus der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses ableitet (vgl. ver.di 2005, S. 37f ). Projektarbeit als Sprungbrett Vor Ablauf einer Projekttätigkeit im Statistischen Bundesamt besteht die Möglichkeit, sich auf interne Ausschreibungen zu bewerben. Der Großteil dieser Ausschreibungsverfahren bezieht sich auf befristete wissenschaftliche Mitarbeiterstellen in unterschiedlichen Bereichen der amtlichen Statistik. Wissenschaftliche Mitarbeiter sind auch berechtigt, sich auf einige der wenigen unbefristeten Referentenstellen zu bewerben, die zur Verbeamtung führen können. Die Tätigkeit als Referent bedeutet häufig ein Mehr an Eigenverantwortung und kann bereits Personalverantwortung umfassen. Eine mehrjährige Tätigkeit als Referent ist Voraussetzung für den weiteren Aufstieg in die Referatsleiterfunktion, die eine Übernahme von Führungsverantwortung einschließt. Eine wesentliche Vorraussetzung für eine Karriere im öffentlichen Dienst ist fachliche Flexibilität, da weiterführende Karrierestufen häufig mit der Übernahme neuer Aufgabengebiete und Tätigkeitsfelder verbunden sind. Soziologen in den Statistischen Ämtern 52 <?page no="52"?> In den Statistischen Ämtern wird im Rahmen von Projektarbeiten eng mit anderen Behörden, Forschungseinrichtungen und anderen Institutionen außerhalb der öffentlichen Verwaltung zusammengearbeitet. Über diesen Weg können sich berufliche Kontakte ergeben, die neue Karrierewege außerhalb der amtlichen Statistik eröffnen oder für Bewerbungen bei entsprechenden Institutionen von Vorteil sein können. 3. Auf der Spur von Fakten und Trends: Tätigkeiten in der amtlichen Statistik Das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten für Soziologen im Statistischen Bundesamt ist vielfältig und variiert abhängig von den jeweiligen Fachaufgaben der einzelnen Abteilungen 1 . Die Tätigkeitsschwerpunkte von Soziologen liegen häufig in der Analyse statistischer Daten und der Aufbereitung der Ergebnisse im Hinblick auf unterschiedliche Zielgruppen und Medien. Bei der Erstellung von Auswertungen und Veröffentlichungen müssen aktuelle sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden. Erforderlich ist zudem die Kenntnis empirischer Methoden und der entsprechenden Datenverarbeitungs- und Auswertungssoftware (z. B. SAS oder SPSS). Die medien- und nutzergruppengerechte Darstellung statistischer Informationen schließt in der Regel die Beratung von Nutzern, die Vorbereitung und Erstellung verschiedener Print- oder Onlinepublikationen sowie das Verfassen von Presseinformationen oder Beiträgen in Fachzeitschriften ein. Über Methodenkenntnisse hinaus sind daher Kundenorientierung, Medienkompetenz und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen, gefragt. Die methodische Weiterentwicklung statistischer Berichtssysteme (z. B. Verbesserung der Datenqualität, Anpassung der Erhebungsinhalte an veränderten Informationsbedarf ) fällt vielfach ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich wissenschaftlicher Mitarbeiter. Diese Arbeit erfolgt in Abstimmung mit den Hauptnutzern der Statistiken aus Politik, Wirtschaft, Verbänden, Medien und Wissenschaft, deren Vertreter in entsprechenden Gremien zur Weiterentwicklung der Statistiken vertreten sind. Da die Daten international vergleichbar sein müssen, ist häufig auch auf internationaler Ebene eine enge Zusammenarbeit erforderlich. Die Weiterent- 1 Der Organisationsplan des Statistischen Bundesamtes ist unter URL: http: / / www.destatis.de/ allg/ d/ orga/ orga.htm einsehbar. 3. Auf der Spur von Fakten und Trends: Tätigkeiten in der amtlichen Statistik 53 <?page no="53"?> wicklung von Statistiken beinhaltet daher häufig nationale sowie internationale Gremienarbeit. Die genannten Tätigkeitsfelder repräsentieren einen Ausschnitt möglicher Arbeitsgebiete von Soziologen, die als wissenschaftliche Mitarbeiter im Statistischen Bundesamt tätig sind. Darüber hinaus bieten Querschnittsabteilungen und übergreifend tätige Organisationseinheiten (z. B. Pressestelle, Veröffentlichungen, Internationale Koordination, Forschung und Entwicklung) weitere Betätigungsfelder für Sozialwissenschaftler. 4. Fachwissen und Schlüsselkompetenzen: Die Kombination ist entscheidend Methodenkenntnisse vorausgesetzt Vorraussetzung für eine Tätigkeit von Soziologen bei den Statistischen Ämtern sind fachspezifische Qualifikationen - insbesondere fundierte Kenntnisse quantitativer Forschungsmethoden. Hilfreich sind außerdem Kenntnisse im Umgang mit entsprechender Auswertungs- und Analysesoftware (z. B. SPSS, SAS). An Universitäten werden quantitative Methodenseminare häufig bereits in Zusammenhang mit der praktischen Anwendung von Analysesoftware angeboten. Methodenkenntnisse können im Laufe des Studiums durch die Mitarbeit in Forschungsprojekten an der Hochschule oder im Rahmen von Praktika (z. B. in der Marktforschung, bei Forschungsinstituten oder den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder) praktisch angewendet und ausgebaut werden. Die Kombination aus empirischen Kenntnissen und analytischem Denken (Theoriestudium) qualifiziert Soziologen für viele Berufsfelder und kann bei Bewerbungen ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein (vgl. Uni Magazin 2006). Allerdings sollten Bewerber in den Statistischen Ämtern nachweisen können, dass sie in der Lage sind, diese Qualifikationen praktisch umzusetzen. Wissenschaftliche Mitarbeiter in den Statistischen Ämtern müssen komplexe Sachverhalte anschaulich darstellen und im Hinblick auf unterschiedliche Nutzergruppen aufbereiten (siehe Abschnitt 3). Entsprechende Fähigkeiten können durch den Nachweis von Arbeitsproben, die in der Praxis (z. B. im Rahmen von Praktika) erbracht wurden, erfolgen. Soziologen in den Statistischen Ämtern 54 <?page no="54"?> Soft Skills: »Das Zünglein an der Waage« Bewerber sollten bei Auswahlverfahren im Statistischen Bundesamt zusätzlich zu Methodenkenntnissen entsprechende Schlüsselqualifikationen nachweisen können. Letztlich ist die Kombination aus Fachwissen und sozialen Kompetenzen entscheidend, da Schlüsselkompetenzen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit die produktive Anwendung und Umsetzung von Fachwissen in komplexeren Organisationszusammenhängen erst ermöglichen. An der Statistikproduktion und Weiterentwicklung sowie dem »Vertrieb« statistischer Informationen in Form von Pressematerialien oder Veröffentlichungen sind zahlreiche Akteure beteiligt. Im Arbeitsalltag sind daher vor allem Team- und Kommunikationsfähigkeit, Organisations- und Verhandlungsgeschick, interdisziplinäres (abteilungsübergreifendes) Denken, sowie Kundenorientierung gefragt. Flexibilität und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel sind Eigenschaften, die angehenden Soziologen nachgesagt werden (vgl. Meinefeld 2002, S. 26). Diese Fähigkeiten kommen den allgemeinen Anforderungen, die in der öffentlichen Verwaltung an die Arbeitnehmer gestellt werden, entgegen: Hier sind Generalisten gefragt, die über fundierte Methodenkenntnisse verfügen und fachlich flexibel sind, da es (für das eigene Fortkommen) nicht selten erforderlich ist, das Arbeitsgebiet zu wechseln. 5. Wege in die amtliche Statistik Praktika: Einblicke in die Behördenwelt Wer Interesse an der Arbeit in der öffentlichen Verwaltung hat, sollte im Laufe des Studiums die Gelegenheit zum »Brückenschlag« zwischen Universität und Arbeitswelt nutzen und ein Praktikum in einer Behörde absolvieren (vgl. Meinefeld 2002, S. 79). Ein Praktikum in den Statistischen Ämtern bietet die Möglichkeit, die im Studium erworbenen Methodenkenntnisse praktisch anzuwenden. Außerdem können über Praktika wichtige Kontakte im Hinblick auf spätere Bewerbungen geknüpft werden. Selbst wenn das kennengelernte Berufsfeld letztlich nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, ist die im Rahmen von Praktika gesammelte Erfahrung immer positiv zu bewerten und kann im Rahmen von späteren Bewerbungen von Nutzen sein. 5. Wege in die amtliche Statistik 55 <?page no="55"?> Interessenten sollten die Webseiten der Behörden regelmäßig auf entsprechende Praktikumsangebote überprüfen oder Initiativbewerbungen mit Lebenslauf, Lichtbild, Immatrikulationsbescheinigung und ggf. Zeugnis über Zwischenprüfung oder Vordiplom mindestens drei Monate (besser ein halbes Jahr) vor Beginn des gewünschten Termins einreichen. Es ist durchaus sinnvoll, vor einer schriftlichen Bewerbung Kontakt mit den Personalabteilungen der jeweiligen Behörden aufzunehmen und sich über organisatorische Rahmenbedingungen und Fachbereiche zu informieren, die Praktikumsstellen anbieten. Im Statistischen Bundesamt sind Praktika in der Regel auf zwei Monate beschränkt und werden (bis auf eine geringe Aufwandsentschädigung) nicht vergütet. Es ist nicht möglich, vor Beginn und nach Abschluss des Studiums ein Praktikum zu absolvieren 2 . Examensthema praxisnah gestalten In den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften ist es weit verbreitet, eine Examensarbeit in Zusammenarbeit mit Unternehmen zu erstellen. Auch für Soziologen kann die thematische Spezialisierung einer empirischen Arbeit oder die Nutzung amtlicher Daten im Hinblick auf eine spätere Beschäftigung in den Statistischen Ämtern sinnvoll sein. In jedem Fall ist ein enger Kontakt mit den entsprechenden Fachbereichen erforderlich. Bei der Kontaktaufnahme kann es von Vorteil sein, wenn bereits über zuvor absolvierte Praktika Kontakte bestehen. Generell können Examensarbeiten, die Fragestellungen von allgemeinem Interesse behandeln oder sich konkreten Themen widmen, die im Arbeitsalltag relevant sind, bei einer Bewerbung positives Interesse der Fach- und Personalverantwortlichen auf sich ziehen. Bei Examensthemen mit einem engen Bezug zur amtlichen Statistik besteht zusätzlich die Möglichkeit, von betreuenden Wissenschaftlern für eine Prämierung im Rahmen des Gerhard-Fürst-Preises 3 vorgeschlagen zu werden, der jährlich vom Statistischen Bundesamt vergeben wird. Mit ihm werden herausragende Arbeiten ausgezeichnet, die entweder theoretische Themen mit Bezug zum Aufgabenspektrum der amtlichen Statistik behandeln oder empirische Fragestellungen unter intensiver Nutzung amtlicher Daten untersuchen (vgl. Statisches Bundesamt 2006a, S. 29). Neben einer Geldprämie wird den Gewinnern die Möglichkeit eröffnet, das Examensthema in Form eines Aufsatzes in einer Publika- 2 Kurzinformation zu Praktika im Statistischen Bundesamt unter URL: http: / / www.destatis.de/ allg/ d/ jobs/ dauerhaft_praktikum.htm 3 Teilnahmebedingungen unter URL: http: / / www.destatis.de/ allg/ d/ veroe/ fue_txt.htm Soziologen in den Statistischen Ämtern 56 <?page no="56"?> tion des Statistischen Bundesamtes zu veröffentlichen und damit eine »Visitenkarte« im Hinblick auf eine Bewerbung in den Statistischen Ämtern zu hinterlassen. Stellenanzeigen und Initiativbewerbungen Regelmäßig erscheinen Stellenangebote von Bundes- und Landesbehörden in überregionalen Tages- und Wochenzeitungen oder auf deren Webseiten im Internet. Um den Überblick über Stellenanzeigen für Sozialwissenschaftler zu behalten, die in den wichtigsten Printmedien erscheinen, empfiehlt sich die regelmäßige Lektüre der Zeitschrift »Arbeitsmarkt für Sozialwissenschaftler« des Wissenschaftsladens Bonn (www.wilabonn.de). Diese erscheint wöchentlich und fasst relevante Stellanzeigen für Sozialwissenschaftler und Soziologen aus der zurückliegenden Woche zusammen. Wer Initiativbewerbungen plant, kommt um intensive Recherchen im Vorfeld nicht herum, da erfolgreiche Initiativbewerbungen konkretes Wissen über Tätigkeitsfelder erfordern. Deshalb ist es von Vorteil, wenn Bewerber auf Informationen über einen Fachbereich und die Fachverantwortlichen in den Statistischen Ämtern zurückgreifen können, die z. B. im Rahmen eines Praktikums oder bei der Erstellung einer praxisnahen Examensarbeit erworben wurden. In jedem Fall sollte vor der Erstellung einer Initiativbewerbung Kontakt zur Personalabteilung aufgenommen werden, um Näheres im Hinblick auf Tätigkeitsfelder, Entwicklungsmöglichkeiten, Anforderungsprofile, Einstellungsbedarf und Ansprechpartner zu erfahren, die für die Erstellung einer wirkungsvollen Initiativbewerbung unverzichtbar sind (vgl. Jüde 1999, S. 181f ). Auswahlverfahren: Soft Skills im Fokus Die Personalauswahl wird von jeder Behörde in eigener Verantwortung durchgeführt, d. h., es gibt keine verbindlichen Regeln für die Form von Auswahlverfahren (vgl. Bundesministerium des Innern 2002, S. 56). Bei der Auswahl von Bewerbern anhand der schriftlichen Unterlagen spielen Examensnoten, Studiendauer und das Thema der Examensarbeit eine entscheidende Rolle. Punkten können Bewerber außerdem mit außeruniversitärem Engagement und Auslandsaufenthalten. Im Statistischen Bundesamt wird mit den anhand der Unterlagen ausgewählten Bewerbern ein Auswahlverfahren durchgeführt, das Gruppendiskussionen, Präsentationen und Einzelgespräche umfassen kann. Im Vorfeld einer Bewerbung in den Statistischen Ämtern oder vor der Teilnahme an einem Auswahlverfahren empfiehlt sich in jedem Fall die Lektüre von Fachzeitschriften und Publikationen (z. B. Jahresbericht des Statistischen Bundesamtes), die einen konkreten Einblick 5. Wege in die amtliche Statistik 57 <?page no="57"?> in aktuelle Entwicklungen innerhalb der amtlichen Statistik bieten. Im Blickpunkt des Auswahlverfahrens stehen - neben fachlichen Kriterien - vor allem die Team- und Kommunikationsfähigkeit (Soft Skills) der Bewerber (siehe oben). 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Statistisches Bundesamt (2006): Strategie und Programmplan, Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2006a): Jahresbericht 2005, Wiesbaden. Internetadressen: Statistisches Bundesamt: www.destatis.de. Statistische Landesämter: www.destatis.de/ allg/ d/ link/ link981.htm. Behördenverzeichnis und Informationen zu Bezahlung und Karrieresystem im öffentlichen Dienst: www.bund.de. Soziologen in den Statistischen Ämtern 58 <?page no="58"?> Peter Sonneck Mit dem 6. Sinn hinter die Zahlen schauen Soziologen in der Marktforschung 1. Das Berufsfeld Marktforschungsinstitute bieten ihre Dienste staatlichen Einrichtungen und Wirtschafts- und Handelsunternehmen aus praktisch allen Branchen an und erheben in deren Auftrag Daten zu den unterschiedlichsten Themenfeldern. In Deutschland ist der eigentliche Beginn der Erfolgsgeschichte dieser Branche in der Nachkriegszeit anzusetzen: ab 1945 wurden zahlreiche Institute der Markt- und Meinungsforschung gegründet oder wie die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) weitergeführt, deren Gründung bereits in das Jahr 1934 fällt und die heute zum Branchenführer aufgestiegen ist (vgl. Eberlein 2001, S. 70ff ). Die Marktforschungsbranche in Deutschland ist ein Wachstumsmarkt, der sich durch zunehmende Technisierung und Internationalisierung auszeichnet. Immer mehr Umfragen beziehen sich nicht nur auf die bundesdeutsche Bevölkerung, sondern untersuchen weltweit Einstellungen und Meinungen von Konsumenten. So erhalten Weltkonzerne und Mittelständler Marktdaten, auf deren Basis sie globale Marketingstrategien entwickeln können. Technische Innovationen wie beispielsweise die Befragung per Computer oder die Erhebung von Meinungsbildern über das Internet haben zu dieser Entwicklung entscheidend beigetragen. Aufgrund der immer kostengünstiger werdenden Erhebungs- und Datenverarbeitungsmethoden (Telefoninterviews, Online-Befragungen, computergestützte Datenauswertung usw.) ist der Markt der Marktforscher in den 1990er-Jahren extrem gewachsen und er verzeichnet - abgesehen von einer Stagnation zu Beginn des neuen Jahrtausends insbesondere aufgrund der Entwicklungen am US-amerikanischen Markt - regelmäßig neue Umsatzrekorde. Die Branche erwirtschaftete in Deutschland im Jahr 2005 rund 1,7 Mrd. Euro. Bei genauerer Betrachtung dieser Zahlen zeigt sich allerdings, dass die Umsätze 59 <?page no="59"?> über die Institute hinweg nicht gleichverteilt sind, und es bereits innerhalb der Top-10 große Schwankungen hinsichtlich Umsatzgrößen und Marktanteilen gibt. So erzielten die beiden größten deutschen Marktforschungsinstitute allein ein Viertel des Gesamtumsatzes: die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit ca. 253,6 Mio. Euro und TNS Infratest mit ca. 189,7 Mio. Euro. Bereits das drittgrößte Marktforschungsunternehmen ACNielsen konnte mit 76,2 Mio. Euro nicht einmal die Hälfte des Umsatzes des Branchenzweiten TNS Infratest erreichen und Foerster & Thelen, die Nummer 10 in der Branche, konnte gerade einmal knapp zwölf Mio. Euro Umsatz für sich verbuchen. Tab.: Umsätze und Marktanteile der zehn größten Marktforschungsinstitute (2005) Rang Unternehmen Umsatz 2005 in Mio. e Marktanteil 2005 in % 1 GfK 253.6 14.4 2 TNS Infratest 189.7 10.8 3 ACNielsen Frankfurt 76.2 4.3 4 Ipsos 52.0 2.9 5 Research International* 30.0 1.7 6 Synovate (incl. Roland Berger) 24.1 1.4 7 Maritz Research Hamburg** 19.6 1.1 8 Psyma*** 18.2 1.0 9 Leyhausen & Partner*** 12.0 0.7 10 Foerster & Thelen 11.7 0.6 * Umsatz geschätzt v. Context, ** Gruppen-Umsatz Europa; *** Gruppen-/ Konzern-Umsatz Quelle: Context 2/ 2006; eigene Berechnungen Diese enormen Unterschiede zeigen sich natürlich nicht nur in den Umsatzzahlen, sondern auch in der generellen Größe und Struktur der Unternehmen. Während für die GfK oder TNS Infratest allein am Standort Deutschland jeweils über 1.000 Mitarbeiter arbeiten, beschäftigt das Gros der Marktforschungsinstitute deutlich weniger Angestellte. Firmen mit fünf bis acht Mitarbeitern sind keine Seltenheit. Neben fünf oder sechs echten Branchenriesen existieren damit viele kleine Institute und Struktur sowie Leistungsspektrum der Marktforschungsunternehmen sind entsprechend heterogen. So gibt es Institute, die sich allein auf die Untersuchung des Sportbereichs oder die Werbewirkungsforschung mittels psychophysischer Untersuchungsmethoden (Aufzeichnung von Blickbewegungen o. Ä.) kon- Soziologen in der Marktforschung 60 <?page no="60"?> zentrieren, während andere wiederum als Generalisten am Markt auftreten und alle Themenfelder bedienen. Die Top-10 der deutschen Marktforschungsunternehmen bieten meist von der Automobilüber die Konsumgüterbis hin zur Pharmamarktforschung das gesamte Spektrum möglicher Untersuchungsinhalte und -methoden an, da sie es sich aufgrund zunehmend schärfer werdender Wettbewerbsbedingungen nicht erlauben können, bestimmte Leistungen nicht im Portfolio zu haben. Um den individuellen Ansprüchen der Kunden und den Marktbesonderheiten der verschiedenen Branchen Rechnung tragen zu können, gibt es innerhalb der Institute meistens Fachabteilungen oder ausgewiesene Experten für die verschiedenen Themenbereiche, sodass eine optimale Betreuung und Beratung der Auftraggeber gewährleistet werden kann. Diese Spezialisierung gilt nicht nur für die inhaltlichen, sondern auch für die methodischen Aspekte. Denn so vielfältig die Themen in der Marktforschung sind, so breitgefächert ist auch das Methodenangebot, da sich die Untersuchungsdesigns je nach Fragestellung extrem unterscheiden können. Ist es in einem Fall beispielsweise sinnvoll, möglichst vielen Personen möglichst wenige Fragen zu stellen, erfordert eine andere Ausgangssituation wiederum das genaue Gegenteil, nämlich die genaue und detaillierte Analyse der Meinungen von nur wenigen Befragten. Trotz oder gerade wegen der vielfältigen Möglichkeiten, Fragestellungen zu untersuchen, sind insbesondere, aber nicht nur, die großen Institute daran interessiert, standardisierte Forschungsinstrumente anzubieten, mit denen ein und dieselbe Fragestellung unabhängig vom Untersuchungsthema valide untersucht werden kann. Der Vorteil von solchen Standardinstrumenten liegt - neben ökonomischen Gründen - vor allem darin, Referenzzahlen, sogenannte Benchmarks, über verschiedene Märkte sammeln zu können, mit denen Daten aus aktuellen Studien verglichen und so wesentlich zuverlässiger interpretiert werden können. Hieraus wird ersichtlich, dass der Anspruch an die zu erbringenden Dienstleistungen durch TNS Infratest und die anderen führenden Institute stetig wächst und die Auftraggeber weit mehr als nur Zahlen, Tabellen und Charts erwarten. Neben der Platzierung standardisierter Erhebungsinstrumente profilieren sich die großen Institute auch über Expertisen in bestimmten Teilmärkten. Während die GfK beispielsweise führend bei der Panelforschung (regelmäßig durchgeführten Langzeituntersuchungen) ist und durch die kontinuierliche Erhebung der Fernseheinschaltquoten auch der Bevölkerung mehrheitlich ein Begriff ist, legt TNS Infratest z. B. einen Schwerpunkt auf die sogenannte Ad-hoc-Forschung - der punktuellen Beobachtung von Marktstrukturen, Werbewirkung o. Ä. - und erhebt beispielsweise regelmäßig für unterschiedliche Medien das Meinungsbild zum aktuellen Tagesgeschehen in Politik und Wirtschaft. 1. Das Berufsfeld 61 <?page no="61"?> Abgesehen von inhaltlichen Trends wird die Branche insbesondere durch die auch in diesem Markt zunehmende Globalisierung geprägt. Fusionen und Aufkäufe unter den weltweit agierenden Marktforschungskonzernen sind - wie in den Branchen der Auftraggeber auch - regelmäßig zu beobachten. So kaufte beispielsweise im Jahr 2003 der weltweit agierende Marktforschungskonzern TNS den Konkurrenten NFO auf. Im deutschen Markt bedeutete dieser Zusammenschluss unter Erhaltung der bestehenden Standorte eine Zusammenlegung der vormals konkurrierenden Unternehmen TNS Emnid und NFO Infratest und deren gemeinsame Positionierung am Markt unter dem Namen TNS Infratest. Trotz dieser Konzentrationsprozesse ist aus der Sicht des Standorts Deutschland allerdings nicht zu erkennen, dass in absehbarer Zeit nur noch einige wenige Global Player den Markt beherrschen werden. Denn parallel zu diesen Verdichtungen werden immer wieder kleinere Institute gegründet, die mit je unterschiedlichen Nuancen um Marktanteile kämpfen - entweder als Generalisten oder spezialisiert auf bestimmte Märkte, Forschungsschwerpunkte oder Erhebungsmethoden. 2. Beschäftigungsformen und Einkommen Nach Angaben des Berufsverbands Deutscher Markt- und Sozialforscher (BVM) sind in Deutschland insgesamt zirka 12.000 Personen in der Marktforschung tätig, wobei unklar ist, wie viele sich hiervon in einem ordentlichen Angestelltenverhältnis befinden und wie viele als freie Mitarbeiter für die Institute tätig sind. Als Einstiegsgehalt ist, in Abhängigkeit von persönlichen Vorerfahrungen und Institutsgröße, ein Jahresgehalt zwischen 30.000 und 35.000 Euro brutto zu erwarten. Je nach Größe des Unternehmens können diese Gehälter entweder frei ausgehandelt werden oder sie sind im Rahmen von Tarifverträgen bereits festgelegt. Ob ein 13. Monatsgehalt oder Prämien für besondere Leistungen gezahlt werden, ist von Institut zu Institut unterschiedlich. Sonderzahlungen dieser Art sind insbesondere bei größeren Unternehmen zu erwarten, kleinere Institute hingegen sind oftmals aus wirtschaftlichen Gründen nicht dazu in der Lage. Das Gleiche gilt für den Umgang mit Überstunden. Regulär gilt zwar laut Vertrag meist eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 38,5 und 40 Stunden. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche jedoch häufig bei 42 bis 48 Stunden. Ob und in welcher Form (Freizeitausgleich oder Ausbezahlung) diese zusätzliche Arbeitszeit abgegolten wird, hängt ebenfalls sehr stark von der Größe des Instituts ab. Soziologen in der Marktforschung 62 <?page no="62"?> 3. Tätigkeitsbeschreibungen Die Arbeitsgebiete in der Marktforschung haben sich in den vergangenen zehn Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit ausdifferenziert. Während es in den 1990er-Jahren beispielsweise bei TNS Infratest noch wichtig war, Marktforschungsprojekte auf allen Ebenen - von der Fragebogenerstellung und Programmierung über die Erhebung und tabellarische Auswertung - professionell begleiten zu können, ist gegenwärtig eine zunehmende Ausdifferenzierung der Arbeitsinhalte und eine Spezialisierung festzustellen. Praktisch für jeden Prozess in der Kette - von der Akquise eines Auftrags bis zur Präsentation beim Kunden - haben sich Tätigkeitsschwerpunkte etabliert, die von jeweiligen Experten wahrgenommen werden. Für Studierende, die sich für ein Engagement in dieser Branche nach dem Soziologiestudium interessieren, ist es deshalb empfehlenswert, sich schon früh einen Überblick über mögliche Aufgabenschwerpunkte zu verschaffen. Grundsätzlich lassen sich die Arbeitsfelder in der Marktforschung in die Bereiche »Feldarbeit« und »Forschung« unterteilen. In der Feldarbeit geht es vor allem um die konkrete Erhebung der Daten und die Bewältigung damit verbundener Schwierigkeiten, wie z. B. mangelnde Teilnahmebereitschaft oder die Realisierung extrem komplexer Studiendesigns. Die Forschung hingegen beschäftigt sich mit der generellen Konzeption von Untersuchungen und Fragebögen, der Auswertung der Daten und deren Interpretation. Die beiden Bereiche können mittlerweile allerdings nicht mehr so klar voneinander getrennt werden wie noch vor einigen Jahren, da immer mehr Aufgaben, die früher allein von der Forschung erledigt wurden, mittlerweile auch problemlos von Felddienstleistern bewältigt werden können. Grund hierfür ist der technische Fortschritt, der es auch Feldinstituten problemlos ermöglicht, Auftraggebern nach Wunsch aufbereitete Daten in elektronischer Form zu liefern, mit denen selbige dann gegebenenfalls weiter gehende Analysen durchführen können. Viele Institute bedienen oftmals nur einen der beiden Bereiche und kaufen notwendige Dienstleistungen im Bedarfsfall extern ein. So gibt es nicht wenige Institute, die in ihrem Leistungsspektrum lediglich Forschungsarbeit anbieten und die Erhebung durch andere Unternehmen durchführen lassen. Die Spezialisierung auf einen Bereich ist dabei nicht unbedingt von der Größe des Marktforschungsunternehmens abhängig. Leyhausen & Partner und Foerster & Thelen gehören in punkto Umsatz zu den Top-10 der Branche, obwohl sie »nur« Felddienstleistungen anbieten. Branchenführer wie TNS Infratest oder die GfK agieren in der Regel als sogenannte Full-Service-Institute: alle in der Marktforschung notwendigen Leistungen werden im eigenen Hause erbracht, also nicht extern eingekauft. 3. Tätigkeitsbeschreibungen 63 <?page no="63"?> Mögliche Tätigkeitsfelder für Soziologen existieren in beiden Bereichen, wobei sie aufgrund ihrer fundierten akademischen Ausbildung wesentlich häufiger in der Forschung arbeiten. In diesem Arbeitsfeld gibt es je nach Ausbildungsschwerpunkten, Erfahrungen und persönlichen Interessen unterschiedliche Aufgaben. Während gerade Berufsanfänger häufig in die konkrete Projektarbeit involviert sind und als Projektmanager für die reibungslose Abwicklung der Studien, die Kommunikation mit den verschiedenen Schnittstellen (z. B. Verantwortlicher für Programmierung des Fragebogens bei computergestützten Umfragen) und die adäquate Datenauswertung verantwortlich sind, werden Marktforscher mit entsprechender Berufserfahrung oft als Consultants in den Bereichen Kundenbetreuung und Akquise eingesetzt. Sie beraten in dieser Funktion Unternehmen im Hinblick auf mögliche Studiendesigns oder die strategische Umsetzung der Ergebnisse. Der Weg vom Projektmanager hin zum Consultant ergibt sich oft im Rahmen zunehmender Berufspraxis über das Sammeln von Erfahrung und dem Kennenlernen bestimmter Kunden bzw. Märkte. Die zu erbringenden Beratungsleistungen sollten hinsichtlich der notwendigen Branchen- und Methodenkenntnisse nicht unterschätzt werden. Regelmäßige Lektüre einschlägiger Fachzeitschriften, das Beobachten von Trends und Entwicklungen in der eigenen Branche und das generelles Beobachten des Marktes sind ein Muss, um als kompetenter Gesprächspartner wahrgenommen zu werden. Neben diesen sehr kundenorientierten Arbeitsfeldern gibt es noch den Bereich der Auswertung und Analyse. Angehende Soziologen, die bei sich eine starkes Interesse an Methoden und Statistik feststellen, können hier, angefangen bei der tabellarischen Aufbereitung der Ergebnisse bis hin zur multivariaten Analyse der Daten, tätig werden. 4. Notwendige Kompetenzen Soziale Kompetenzen: Kommunikation & Einfühlungsvermögen - das »A und O« In der Marktforschung wird kommuniziert - und zwar viel: mit Befragten, Interviewern, Kollegen, Zulieferern bestimmter Dienstleistungen und Auftraggebern. Die Menschen, mit denen Marktforscher im Rahmen ihrer Arbeit in Kontakt treten, bringen je nach Stellung und Funktion die unterschiedlichsten Wertvorstellungen und Kenntnisse über die »Marktforschung« mit. Als Experte für empiri- Soziologen in der Marktforschung 64 <?page no="64"?> sche Forschung ist es damit unerlässlich, sich in die jeweilige Position des Gesprächspartners hineinzuversetzen, um eine Verständigung auf Augenhöhe zu ermöglichen. Während mit Kollegen beispielsweise selbstverständlich in der Fachsprache kommuniziert werden kann, ist es bei Auftraggebern häufig notwendig, auf marktforschungsspezifische Begriffe zu verzichten und sich allgemeinverständlich auszudrücken oder methodische Probleme und Begrenzungen der Marktforschung anschaulich darzustellen. Bei der Gestaltung von Fragebögen wiederum gilt es, diese so zu formulieren, dass die Fragen unabhängig vom Bildungsstand und (beruflichem) Hintergrund verständlich sind und keine Interpretationsspielräume zulassen. Sprachliches Ausdrucksvermögen und soziale Kompetenz sind damit entscheidende Erfolgsfaktoren in der Marktforschung. Insbesondere der externen Kommunikation wird dabei in der Marktforschung ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt, da sich die Branche von einem nachfrageorientierten zu einem angebotsorientierten Dienstleister gewandelt hat. Zunehmender Wettbewerbs- und Kostendruck machen es immer wichtiger, bereits in der Akquisephase durch Kommunikationsstärke zu überzeugen. In einer konkreten Angebotssituation ist es erforderlich, sachlich und sprachlich überzeugende und inhaltlich verständliche Angebote zu formulieren, die auf alle Belange des Kunden eingehen. Im Kundenkontakt entscheidet eine gute Kommunikationskompetenz nicht selten über den Geschäftserfolg. Zu den Kernkompetenzen zählt hier nicht zuletzt das »Zuhören können«. Dass heißt, der Kundenbetreuer muss die Anliegen potentieller Auftraggeber eindeutig verstehen und identifizieren können. Dies bedeutet eben auch, dass der Berater nicht nur in seiner eigenen Marktforschungssprache argumentieren können muss, sondern auch die Sprache seiner Kunden beherrschen sollte. Denn nur so können Missverständnisse in der Kommunikation vermieden und die Projekte zur Zufriedenheit des Kunden realisiert werden. Kommunikative Fertigkeiten sind aber nicht nur in der Angebotsphase oder während der Projektabwicklung notwendig. Denn nicht selten werden die Ergebnisse abschließend beim Kunden in einer persönlichen Präsentation dargestellt. Sicheres Auftreten vor Publikum und rhetorische Fähigkeiten sind hier unabdingbar, um ein Projekt zu einem gelungenen Abschluss zu bringen und den Kunden zufriedenzustellen. Viele der erforderlichen Fertigkeiten können bereits während des Studiums zum Beispiel durch den Besuch von Kommunikations- oder Rhetorikseminaren erworben werden. Möglichkeiten hierzu sollten angehende Soziologen nutzen, denn kommunikationspsychologische Grundkenntnisse sind sicherlich nicht nur beim Einstieg in die Branche der Marktforschung von Vorteil. Fortbildungen in diesem Bereich werden aber auch in zahlreicher Form als berufsbegleitende Wei- 4. Notwendige Kompetenzen 65 <?page no="65"?> terbildungsmöglichkeit angeboten. Marktforschungsinstitute wie TNS Infratest bieten ihren Mitarbeitern darüber hinaus bei Bedarf entsprechende Fortbildungen an. Fremdsprachenkenntnisse Ohne Englisch kommt man in der Marktforschung nicht weit. Aufgrund der Internationalisierung in dieser Branche sind gute bis sehr gute Englischkenntnisse in den meisten Funktionen absolut notwendig. Sei es, dass Fragebogenversionen zunächst nur auf Englisch vorliegen, im Rahmen einer weltweit durchgeführten Studie mit ausländischen Instituten verhandelt werden muss, die Darstellung der Ergebnisse auf Englisch verfasst oder sogar die Präsentation der Resultate beim Auftraggeber auf Englisch abgehalten werden soll. Die Kenntnis weiterer Sprachen ist sicherlich von Vorteil, aber keine notwendige Bedingung, um als Marktforscher erfolgreich in der Branche arbeiten zu können. Methodenkenntnisse Marktforscher sind Empiriker und somit sind Kenntnisse der empirischen Forschung zwingend erforderlich. Da bei den meisten Marktforschungsstudien in standardisierter Form Daten von möglichst vielen Menschen gesammelt werden, sie somit quantitativer Art sind, bedeutet dies konkret, dass Grundkenntnisse der deskriptiven Statistik - wie beispielsweise Anwendungsmöglichkeiten und Nutzen des t-Tests - und die Fähigkeit, mit Datenverarbeitungsprogrammen wie SPSS umzugehen, vorhanden sein müssen. Das Wissen über multivariate Analyseverfahren (Faktorenanalyse, Clusteranalyse usw.) wird oft verlangt und ist bei komplexen Fragestellungen oder neuen Forschungsfeldern häufig förderlich und hilfreich, um bestimmte Strukturen in den Daten aufdecken zu können. Neben dem großen Bereich der quantitativen Forschung gibt es einen kleineren Teil, in dem der Markt qualitativ untersucht wird. Das heißt, dass beispielsweise anhand eines Gesprächsleitfadens ein zweistündiges Interview geführt wird, welches nachher inhaltlich analysiert wird. Die hierfür erforderlichen Kenntnisse unterscheiden sich in vielerlei Gesichtspunkten von quantitativer Forschung. Soziologen in der Marktforschung 66 <?page no="66"?> Marktforschung findet in der Wirtschaft statt Die Auftraggeber von Marktforschungsinstituten kommen zu einem großen Teil aus der freien Wirtschaft, sodass ein Interesse an wirtschaftlichen Themen und Fragestellungen unerlässlich ist. Hierzu zählt insbesondere das Verständnis für die Situation des Auftraggebers. Denn die beauftragenden Unternehmen stehen meist unter einem enormen Wettbewerbsdruck und führen die absolute Mehrzahl ihrer Studien in wohlverstandenem Eigeninteresse durch, um sich durch die Marktdaten Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Hinzu kommen Budget- und Kostenzwänge bei den Auftraggebern, die immer wieder dazu führen, dass harte Preisverhandlungen geführt und Forschungsdesigns wiederholt strengstens auf Einsparmöglichkeiten hin überprüft werden müssen. Darüber hinaus erwarten die Kunden von Marktforschungsunternehmen und den sie beratenden Consultants fundiertes Branchenwissen. Hierzu zählen neben guten Kenntnissen über die wichtigsten Konkurrenten des Kunden, die Marktaufteilung unter den Anbietern in der Branche, Fusionen und personelle Veränderungen insbesondere das Wissen über aktuelle Entwicklungen und Trends bei Produkten, Dienstleistungen, Konsumverhalten etc. Das Wissen hierüber wird meist »on the job« erworben und beim Einstieg in die Branche nicht vorausgesetzt. Oft ergeben sich aus einer persönlichen Affinität zu einem bestimmten Thema oder aus der konkreten Projektarbeit heraus bestimmte Marktzuordnungen, durch die man nach und nach in eine bestimmte Branche hineinwächst und beispielsweise Experte für den Lebensmittelbereich wird. Da nicht nur die Auftraggeber, sondern auch die Marktforschungsinstitute selbst in der freien Wirtschaft tätig sind, wird man als Marktforscher mit Themen wie Wettbewerb, Konkurrenz und Kostendruck auch regelmäßig in der eigenen Arbeit konfrontiert. Aufgrund der stetig wachsenden Konkurrenz im Markt und der geringer werdenden Budgetspielräume ist es unerlässlich, im Rahmen der eigenen Projektarbeit die Kosten nicht aus den Augen zu verlieren und mögliches Einsparpotential konsequent zu nutzen. Stressresistenz und Arbeiten unter Zeitdruck Die Arbeit in der Marktforschung unterscheidet sich vor allen Dingen durch den Faktor »Zeit« grundlegend von universitärer Forschung. Sich stetig weiterentwickelnde Informationstechnologien in allen marktforschungsrelevanten Bereichen - von der Stichprobenziehung über die Fragebogenprogrammierung bis hin zur tabellarischen Auswertung und grafischen Umsetzung der Ergebnisse - brin- 4. Notwendige Kompetenzen 67 <?page no="67"?> gen es mit sich, dass Projekte in immer kürzeren Zeiträumen abgewickelt werden können und (auf Wunsch bzw. Drängen der Auftraggeber) auch müssen. Die zunehmende Automatisierung der verschiedenen Arbeitsschritte innerhalb eines Projekts macht es gleichzeitig möglich, parallel mehrere Studien zu betreuen und abzuwickeln. Den Überblick über verschiedenste Themen und Timings zu behalten, ist hierbei die oberste Prämisse und eine gute Organisation und Strukturierung der eigenverantwortlichen Arbeit unerlässlich. 5. Wege in das Berufsfeld Angehende Soziologen mit Interesse an der Marktforschung sollten sich bereits während des Studiums einen Überblick über die verschiedenen Arbeitsbereiche in der Marktforschung machen. Abgesehen von universitären Angeboten eignen sich hierfür insbesondere studienbegleitende Praktika. Diese werden sowohl von größeren Marktforschungsinstituten als auch von großen Unternehmen wie z. B. Automobil- oder Pharmakonzernen mit eigener Marktforschungsabteilung regelmäßig angeboten und stellen eine gute Möglichkeit dar, einen ersten Eindruck von diesem Berufsfeld zu gewinnen. Wichtig bei der Wahl einer Praktikumsstelle ist es, sich im Vorfeld möglichst umfassend über den Ablauf und die Inhalte während des Praktikums zu informieren und darauf zu achten, dass echte Einblicke in die Tätigkeit von Marktforschern geboten und nicht nur besonders kostengünstige Projektassistenten gesucht werden. Die tatsächliche Ausgestaltung hängt unmittelbar mit der Größe des Instituts, in dem ein Praktikum absolviert wird, zusammen. In kleineren Instituten werden die unterschiedlichsten Aufgaben, für die es in großen Unternehmen eigenständige Abteilungen gibt, von einer Person erledigt. Entsprechend unterschiedlich sehen die jeweiligen Praktika aus. Bei TNS Infratest z. B. bekommen die Praktikanten einen Mentor zur Seite gestellt, der für die Dauer des Praktikums Betreuer und kompetenter Ansprechpartner bei allen Fragen ist. Der Mentor kümmert sich darum, dass man als Praktikant an den Forschungsprojekten richtig mitarbeitet - von der Fragebogengestaltung bis hin zur Präsentation. Zum Praktikum gehört zudem das regelmäßig stattfindende Informations- und Weiterbildungsprogramm »Arts&Craft« dazu, in dem beispielsweise ein Kollege einen Fachvortrag zur Werbewirkungsforschung hält. Das Arts&Craft-Programm bei TNS Infratest ist nicht nur für neue Mitarbeiter, sondern auch für Praktikanten Pflichtbestandteil. Darüber hinaus hospitieren die Praktikanten in anderen Fachabteilungen wie beispielsweise in der Gra- Soziologen in der Marktforschung 68 <?page no="68"?> phikabteilung oder im Telefonstudio. Sie erhalten so Einblicke in unterschiedliche Arbeitsbereiche und lernen die verschiedenen Phasen eines Marktforschungsprojekts in der Praxis kennen. Neben der Absolvierung von Praktika sollten die Bedeutung von Studentenjobs in Marktforschungsunternehmen nicht unterschätzt werden. Diese bieten oftmals die Möglichkeit, das Metier von der Picke auf kennenzulernen und sich sukzessive hochzuarbeiten. Nicht wenige Projektmanager oder Geschäftsführer haben als Interviewer in der Marktforschung begonnen und hierüber den Einstieg in diese spannende und abwechslungsreiche Branche geschafft. 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Eberlein, Klaus D. 2001: Möglichkeiten und Grenzen der Meinungsforschung. Kritische Betrachtungen zu Geschichte, Methoden und Interpretationsweisen, Berlin. Berekoven, Ludwig/ Eckert, Werner/ Ellenrieder, Rainer (2006): Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, Wiesbaden. Scheuch, Erwin 2003: Marketing oder Marktforschung? Anspruch und Ansprüche. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Heft 4, S: 431-442. Wels, Hans Christian/ Steinmetz, Peter (2005): Marktforschung. Modernes Marketing für Studium und Praxis, Ludwigshafen. Internetadressen: Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher (BVM): www.bvm.org. Arbeitsgemeinschaft Deutscher Marktforschungsinstitute (ADM e. V.): www.adm-ev.de. Internationaler Marktforschungsverband (ESOMAR): www.esomar.org. Liste aller deutschsprachigen Marktforschungsinstitute: www.sbm.wiso.uni-erlangen.de (über »Links« kommt man zur Liste der Markforschungsinstitute). Context (Print-)Informationsdienst für Fachleute aus dem Bereich Marktforschung, Marketing und nationale/ internationale Verbände: www.conpress.de. Fachzeitschrift für Markt- und Werbeforschung »planung & analyse«: www.planung-analyse.de. 6. Tipps zum Weiterlesen 69 <?page no="70"?> Beratung <?page no="72"?> Annette von Alemann Der »fremde Blick« Soziologen in der Beratung Das Berufsfeld »Beratung« galt lange Zeit als Domäne der Wirtschaftswissenschaften, der Psychologie, der (Sozial-)Pädagogik und der Ingenieurwissenschaften. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird das Berufsfeld auch von Soziologen in Wissenschaft und Praxis erfolgreich besetzt. Beratung bietet eine Möglichkeit, mit dem Einsatz soziologischen Wissens praktische Probleme zu lösen. Beratung durch Soziologen hat eine lange Tradition - insbesondere im Bereich der Politikberatung. So setzte die US-Regierung im Bereich der psychologischen Kriegsführung während des Zweiten Weltkriegs Sozialwissenschaftler als Berater ein. In Deutschland wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren im Rahmen des Ausbaus des Sozialstaats Beratungsstellen eingerichtet, in denen auch Soziologen Arbeit fanden. Der seit Anfang der 1990er-Jahre fortschreitende Stellenabbau im Öffentlichen Dienst und in der Wissenschaft wirkt sich besonders auf die Berufsperspektiven von Soziologen aus. (Insgesamt arbeiten etwa 34 % der deutschen Sozialwissenschaftler im Öffentlichen Dienst, vgl. Schomburg 2002) Soziologen mussten sich Berufsfelder (er-)schaffen, die von der wissenschaftlich ausgerichteten Fachdisziplin nicht vordefiniert waren. Eines dieser Berufsfelder ist die Beratung. Dies hängt auch damit zusammen, dass als Folge tief greifender Veränderungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft - Individualisierung, Verwissenschaftlichung, Globalisierung, um nur einige wichtige Entwicklungen zu nennen - bei Personen wie Institutionen ein rapide wachsender und gleichzeitig hochgradig differenzierter Beratungsbedarf entstanden ist. So ergab sich für öffentliche Organisationen durch den Abbau von Bürokratien und die Förderung von Wettbewerb - von der schrittweisen Einführung leistungsorientierter Bezahlung bis hin zur Privatisierung - eine neue Ausgangssituation. Während der Druck auf die Soziologen wächst, auf dem Arbeitsmarkt Eigeninitiative zu entfalten, entdecken Unternehmen, dass sie nicht nur ökonomisches, sondern auch sozialwissenschaftliches Wissen benötigen, um sich an veränderte Produktions- und Arbeitsbedingungen anzupassen. Soziologen haben sich in diesen Bereichen bereits attraktive Arbeitsplätze erschlossen: als angestellte Berater und Personalentwickler, als Freiberufler und als selbstständige Unternehmer mit 73 <?page no="73"?> eigener Beratungsfirma. Insgesamt arbeiten etwa 15 % aller Soziologen in Beratungsberufen. Das ist der zweitgrößte Anteil von berufstätigen Soziologen nach dem Bildungssektor (etwa 30 Prozent, vgl. Körner et al. 2003) und bewegt sich in derselben Größenordnung wie der Anteil der im Bereich der Forschung tätigen Soziologen (10 bis 15 %; vgl. Körner et al. 2003; Alemann 2002). 1. Das Berufsfeld Das Berufsfeld der Beratung umfasst eine Vielzahl von Beratungsformen und unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Was sie verbindet, ist die sozialwissenschaftliche Definition von Beratung. Danach wird eine soziale Situation als Beratung definiert, wenn mindestens zwei Personen zusammenkommen, von denen sich eine beraten lassen will - und die andere beraten soll oder will. Im Mittelpunkt der Interaktion steht ein (bestehendes oder potenzielles) Problem, das gelöst werden soll. Dies geschieht mit Hilfe von Kommunikation. Die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern ist freiwillig und zeitlich befristet. Der Berater ist weder Teil des Problems noch des hierarchischen Systems des Klienten, d. h., seine Position ist die eines externen Beobachters. Beratung ist gekennzeichnet durch Asymmetrie hinsichtlich der Strukturierung von Kommunikation und Einfluss und durch Kompetenzdifferenz bei der Definition bzw. Diagnose von Problemen und ihrer Lösung sowie bei der Anwendung professioneller Standards (Alemann 2002). Soziologen bieten als Berater unterschiedliche Dienstleistungen an. Sie richten sich mit ihren Angeboten sowohl an Einzelpersonen als auch an kollektive Akteure: • Im Bereich der klientenzentrierten Beratung - der auf das einzelne Individuum ausgerichteten Beratung - unterstützen sie Einzelpersonen beispielsweise bei der Lösung von Studien-, Berufs- und Karrierefragen, bei Partnerschafts-, Familien- oder Erziehungsproblemen oder im Rahmen von Selbsthilfegruppen. • Bei der institutionenzentrierten Beratung stehen die Probleme einer Organisation - eines Unternehmens, einer Verwaltung, eines Verbands - im Mittelpunkt. Soziologische Berater moderieren Gruppenprozesse und Teamgespräche, sie leiten Seminare zur Fort- und Weiterbildung, führen Supervision durch oder begleiten organisatorische Veränderungsprozesse (Alemann 2002). Beratende Soziologen sind in nahezu allen gesellschaftlichen Funktionsbereichen aktiv. Sie beraten zu Fragen der Wirtschaft, Arbeit, Bildung, Berufswahl, Gesundheit, Familie, Politik, Umwelt, Technik, Verkehrssicherheit, Kunst und Kultur etc. Abbildung 1 zeigt die Verteilung von Soziologen auf unterschiedliche gesellschaftliche Funktionsbereiche oder Beratungsfelder. Für die Auszählung wurden zwei Soziologen in der Beratung 74 <?page no="74"?> Abb. 1: Verteilung von Soziologen auf Beratungsfelder in % (Stand: 1997; eigene Auszählungen) 0 5 10 15 20 25 30 Organisationsberatung Unternehmensberatung Berufs- und Studienberatung Beratung für Weiterbildung Projektberatung EDV-Beratung B. im Gesundheitsbereich Psych. Beratung, Supervision Umweltberatung Politikberatung Beratung allgemein PR-Beratung B. im Sozialbereich Technikberatung Verkehrsberatung Finanzberatung Methodenberatung BDS-Datenbank Dammann/ Zinn (1997) Die Absolventenstudie von Dammann und Zinn verzeichnet 26 Organisations- und Unternehmensberater, 20 Politikberater, 14 Berater im Sozialbereich, 13 Berater im Gesundheitswesen, ach Berufsbzw. Studienberater, sieben EDV-Berater, fünf psychologische Berater, zwei Projektberater, zwei Technikberater und jeweils einen Umweltberater, Berater für Verkehrssicherheit, PR-Berater, Finanzberater, Methodenberater und Berater für Weiterbildung, Stipendien und Promotion. Im BDS sind 41 Organisations- und Unternehmensberater, drei Politikberater, ein Berater im Sozialbereich, fünf Berater im Gesundheitswesen, sechs Berufs- und Studienberater, fünf EDV-Berater, drei psychologische Berater, sechs Projektberater, ein Technikberater, drei Umweltberater, ein PR-Berater und sechs Berater für Weiterbildung, Stipendien und Promotion organisiert. Insgesamt lassen sich in der Bielefelder Absolventenstudie 103 und in der BDS-Datenbank 84 Beratungsfelder auszählen; da einige Berater mehrere Beratungsfelder abdecken, ist die Anzahl der beratenden Soziologen geringer, nämlich 85 (Dammann und Zinn 1997) bzw. 61 (BDS). Die Grundgesamtheit der berufstätigen Soziologen beträgt bei Dammann und Zinn 541 und im BDS 413 Personen. Quelle: BDS-Datenbank (Stand 1997), Damman und Zinn (1997) 1. Das Berufsfeld 75 <?page no="75"?> Datenquellen verwendet: die Datenbank des Berufsverbandes deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS) und eine Studie, die den Verbleib aller Bielefelder Diplomsoziologie-Absolventen bis zum Abschlussjahrgang 1994 untersuchte (Dammann und Zinn 1997). Auch wenn die Daten bereits einige Jahre alt sind - aktuellere Zahlen liegen derzeit (2006) nicht vor - so lassen sich einige allgemeine Tendenzen erkennen. Soziologen arbeiten eher in institutionenzentrierten als personenzentrierten Beratungsfeldern und konzentrieren sich auf die Felder Organisations- und Unternehmensberatung und Politikberatung (einschließlich den Politikfeldern Umwelt und Verkehr). Neben Wirtschaft und Politik bieten die gesellschaftlichen Funktionsbereiche Gesundheit und Soziales gute Betätigungsfelder für beratende Soziologen. Nach einer aktuellen Untersuchung des Informationssystems Studienwahl und Arbeitsmarkt der Universität Essen ist das Berufsfeld Bildung/ Gesundheit/ Soziales mit 30 Prozent das wichtigste Arbeitsfeld für Sozialwissenschaftler (ISA 2006). Die Soziologen, die personenzentrierte Beratung ausüben, sind hauptsächlich in den Feldern Berufsberatung, Studienberatung sowie Beratung für Weiterbildung, Stipendien und Promotion aktiv. Viele Berater kombinieren mehrere Beratungsfelder miteinander, z. B. Organisationsberatung und Supervision, Unternehmens- und Politikberatung oder auch Studienberatung und psychologische Beratung oder Supervision. Der BDS bietet ein wichtiges Vernetzungsmedium für Organisations- und Unternehmensberater, die daher stärker als andere Berater im Berufsverband organisiert sind. Dabei ist der Anteil der Freiberufler und Eigentümer kleinerer Beratungsfirmen besonders hoch: Vernetzung ist hier eine besonders wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit. Dabei müssen sich Soziologen darüber bewusst sein, dass sie - mit Ausnahme der Methodenberatung - keine Monopolstellung auf dem Beratungsmarkt haben, sondern in allen Beratungsfeldern mit Konkurrenz anderer Absolventen rechnen müssen. In den klientenzentrierten Beratungsfeldern sind dies vor allem Psychologen, Pädagogen und Sozialpädagogen, aber auch Theologen und Absolventen anderer geisteswissenschaftlicher Fächer. Organisations- und Unternehmensberater müssen sich nicht nur gegenüber Wirtschaftswissenschaftlern und Ingenieuren, sondern auch gegenüber Psychologen und Pädagogen durchsetzen; im Politikbereich sind Politikwissenschaftler und Juristen ihre Konkurrenten, in der EDV Informatiker, Mathematiker und Ingenieure, im Verkehrsbereich Ingenieure, im Umweltbereich Biologen, Chemiker und Umweltmanager. Diese anderen Studiengänge sind teilweise besser professionalisiert als die Soziologie und bieten häufig schon praxisbezogene Ausbildungen im Studium an, sodass es für Soziologen darauf ankommt, ihre spezifischen Kompetenzen für ein Beratungsfeld aktiv heraus zu stellen und zu bewerben. Die Zusammenarbeit mit Absolventen anderer Soziologen in der Beratung 76 <?page no="76"?> Studiengänge erweitert jedoch häufig die eigene Perspektive und bereichert die Arbeit; daher arbeiten viele Berater aktiv mit Angehörigen anderer Disziplinen zusammen oder tauschen sich mit ihnen, z. B. in Beratungszirkeln, aus. 2. »Soziologische Beratung« Empirische Untersuchungen zeigen, dass sich soziologische Berater in ihrem Selbstverständnis von Beratern anderer Disziplinen unterscheiden. Sie grenzen sich zum Teil bewusst ab, betonen die Vorteile der soziologischen Herangehensweise, nehmen ihre Ausbildung sogar als Marktvorteil wahr (Alemann 2002, S. 181). Wodurch aber zeichnet sich eine soziologische Herangehensweise aus? In der neueren Literatur zur soziologischen Beratung nähert man sich dieser Frage auf unterschiedliche Weise. Die Merkmale der soziologischen Beratung werden entweder über die spezifischen Kompetenzen der Berater, über die Ziele der Beratung oder über das soziologische Wissen, das im Beratungsprozess Verwendung findet, definiert (Alemann et al. 2004). Als eine der ersten versuchen Beywl et al. (1996) den Begriff des soziologischen Beraters zu präzisieren. Die Autoren gehen davon aus, dass Soziologen im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Qualifikation besondere Kompetenzen erwerben, die sie in die Beratung einbringen können. Ein Beispiel für eine solche soziologische Kompetenz ist neben der fachlichen Kompetenz - dem soziologischen Wissen - die Methodenkompetenz der empirischen Sozialforschung. Soziologische Beratung beinhaltet in der Regel eine Datenanalyse (Bollinger und Weltz 1989) und wird oft mit einer Evaluation abgeschlossen (Beywl et al. 1996). Die Methoden der empirischen Sozialforschung unterstützen bei der Vor- und Nachbereitung von Entscheidungs- und Problemlösungsprozessen und helfen die Wirksamkeit von Lösungsbzw. Veränderungsmaßnahmen zu überprüfen. Analysiert man die Literatur im Hinblick auf die Ziele soziologischer Beratung, so liegen diese in der Konsolidierung von sozialen Systemen, der Vergrößerung der Autonomie des Ratsuchenden und der Stärkung seiner eigenen Problemlösungskompetenz durch die Überführung von vorhandenem, impliziten in explizites Wissen (Alemann 2002, S. 40). Soziologische Berater gehen davon aus, dass gesellschaftliche Situationen von Menschen gemacht und durch Menschen veränderbar sind; soziologische Beratung hilft dabei, die Grundlagen und Strukturen von Situationen zu erkennen und sie dort, wo es sinnvoll und zum Nutzen der Betroffenen ist, zu verändern. Dabei muss insbesondere in der institutionenzentrierten Beratung beachtet werden, dass die organisatorische Praxis aus verschiedenen Akteuren 2. »Soziologische Beratung« 77 <?page no="77"?> mit zum Teil sehr unterschiedlichen Zielen und Wertorientierungen besteht, die in der Beratungssituation auch aufgedeckt und sichtbar gemacht werden müssen. Beywl et al. fordern die Berücksichtigung der Interessen aller involvierten Parteien, Zielklarheit und Interessenneutralität im Beratungsprozess (1996, S. 268). Die Soziologie stellt Wissen bereit, mit dem sich die Problemlösungsfähigkeit von individuellen und kollektiven Akteuren verbessern lässt. Die spezifische Leistung der Soziologie wird in der Bereitstellung von Deutungen gesehen - insbesondere in der Bereitstellung von alternativen Deutungen. Die Skepsis gegenüber Wirklichkeitskonstruktionen und präsentierten Wirklichkeitsdeutungen zählt zum Kern professioneller soziologischer Identität (Bollinger 1998; Fricke 1998; Pongratz 1998). Die Soziologie bietet einen Interpretationsrahmen, anhand dessen betriebliche Problemdefinitionen und Realitätskonstruktionen einzelner Akteure im Beratungsprozess kritisch hinterfragt und dargelegt werden können (Dewe 1996a, 1996b). Soziologische Beratung kann gerade deshalb produktiv sein, weil sie nicht ohne Weiteres vorgegebene Problemdefinitionen und Sichtweisen übernimmt. Sie ist für individuelle und kollektive Akteure ein wichtiger externer Reflexionsmechanismus (Minssen 1998, S. 62). Durch soziologische Beratung können neue Handlungsoptionen aufgedeckt und Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse besser vorbereitet werden (Dewe 1996a, 1996b). Die Soziologie erklärt das Handeln von Menschen in Gruppen, analysiert die Einstellungen, Motivationen, Denkmuster und Weltsichten, die diesem Handeln zugrunde liegen, und deckt die nicht in der physischen und psychischen Ausgangssituation einer Person liegenden handlungsprägenden Aspekte auf (Berger 1971). So kann die soziologische Beratung beispielsweise die Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung von Denk- und Handlungsmustern in Gruppen oder Organisationen und die Leistungen und Dysfunktionen verschiedener organisatorischer Steuerungsmechanismen aufzeigen (Thinnes 1999, S. 34). Neben ihrer aufklärenden Funktion ist die Soziologie die Wissenschaft, die sich mit den intendierten und nicht-intendierten Folgen sozialen Handelns befasst. Der soziologische Blick befähigt dazu, die Interdependenz verschiedener Systeme zu erkennen. Während die betriebswirtschaftlich orientierte Beratung nach den Kriterien ökonomischer Effizienz berät und eine juristische Beratung auf rechtliche Aspekte fokussiert, kann die soziologische Beratung auf die Verwobenheit der Systeme und daraus resultierende Schwierigkeiten verweisen. Soziologische Berater können dabei Akteure unterstützen, die Folgen der anvisierten Reformmaßnahmen durchzuspielen und gegebenenfalls Vorkehrungen gegen unerwünschte Folgen zu treffen bzw. alternative Lösungswege zu entwickeln. Soziologen in der Beratung 78 <?page no="78"?> 3. Beschäftigungsformen und Tätigkeiten Was tun Soziologen, wenn sie beraten? Das Berufsfeld Beratung bietet, je nach Beratungsform und gesellschaftlichem Funktionsbereich, eine Vielzahl von interessanten Tätigkeiten für Soziologen. Im Folgenden werden die wichtigsten Beratungsfelder exemplarisch mit Tätigkeitsfeldern und Arbeitsbedingungen beschrieben. Klientenzentrierte Beratung Soziologen, die klientenzentriert arbeiten, tun dies beispielsweise in den Beratungsfeldern • Berufsberatung, • Studienberatung, • Karriereberatung oder • Beratung für Selbsthilfegruppen. In der Berufsberatung geht es in erster Linie um Beratung bei der Berufsfindung von Abiturienten, Studierenden und Absolventen. Hinzu kommen Vorträge an Schulen und Universitäten und die Organisation und Durchführung von Workshops, z. B. Bewerbungstrainings. Arbeitgeber ist in der Regel die Bundesagentur für Arbeit, aber auch Industrie- und Handelskammern bieten Berufsberatung an. Eine neue Beratungsform ist die Karriereberatung, die oft mit Mentoring-Programmen verbunden ist. Soziologen bauen hier beispielsweise Experten-Netzwerke auf und vermitteln Ratsuchende an passende Experten weiter. Dazu gehört auch die Auswertung von Fragebögen, in denen die Ratsuchenden ihr Anliegen und ihren Werdegang darstellen. Anbieter von Karriereberatung sind beispielsweise Vereine und Gleichstellungsbüros. Das Beratungsfeld Studienberatung umfasst Beratung von Abiturienten oder Berufstätigen, die ein Studium anstreben, Beratung zur Studienorganisation und Absolventenberatung; zu den Tätigkeiten gehört auch die Organisation und Durchführung von Workshops, z. B. zur Studienorganisation oder zum wissenschaftlichen Arbeiten, und die Leitung von Gruppen (Doktoranden-Coaching, Examensgruppe, Schreibwerkstätten etc.). Während einige Universitäten Studienberatung und psychologische Beratung getrennt anbieten, haben andere Universitäten alle Beratungsformen zusammengelegt, sodass auch Soziologen in diesem Bereich tätig sind. Arbeitgeber sind die Universitäten, aber auch Industrie- und Handelskammern bieten eine solche Beratung für Berufstätige an. Die Selbsthilfeberatung berät Menschen, die eine Selbsthilfegruppe suchen, und vermittelt sie an vorhandene Gruppen, außerdem werden neue Selbsthilfegruppen 3. Beschäftigungsformen und Tätigkeiten 79 <?page no="79"?> aufgebaut und bestehende koordiniert. Die Arbeit findet in Beratungsstellen statt, die in der Regel von öffentlich-rechtlichen Trägern unterhalten werden. Einkommen und Arbeitszeiten in diesen klientenzentrierten Beratungsformen sind normalerweise tariflich geregelt, in der Regel nach oder in Anlehnung an den Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst (TVÖD, siehe Anhang); das Einkommen liegt, je nach Anforderungsprofil der Stelle, Studienabschluss, Familienstand und Lebensalter, zwischen 2.000 und 4.000 Euro Brutto. Gerade im Bereich der Studienberatung sind halbe Stellen recht häufig, und viele Berater üben im Nebenberuf eine andere Tätigkeit aus, z. B. Supervision oder eine wissenschaftliche Tätigkeit. Die Stellen in diesem Bereich sind zudem häufig befristet. Schnittstelle zwischen klienten- und institutionenzentrierter Beratung Psychologische Beratung und Supervision sind Beratungsfelder an der Schnittstelle zwischen klienten- und institutionenzentrierter Beratung, da sowohl mit Einzelpersonen als auch mit Institutionen und Teams gearbeitet wird. Mit Hilfe von Supervision werden berufliche Situationen und Probleme bearbeitet; sie wird vor allem von Berufstätigen im Gesundheits- und Sozialbereich in Anspruch genommen. Einige Berater bieten sowohl Psychotherapie als auch Supervision und Coaching (d. h. Begleitung bei beruflichen Klärungs- und Entwicklungsprozessen) an; einige arbeiten in der eigenen Praxis. Voraussetzung hierfür sind entsprechende Zusatzausbildungen und Zertifikate. Problematisch ist, dass Soziologen nicht mit den Krankenkassen abrechnen können, sondern die Klienten die Beratung selbst bezahlen müssen. Ein Vorteil von Coaching und Supervision besteht darin, dass Lebenserfahrung in diesen Bereichen einen Gewinn darstellt; viele Personen machen erst nach langjähriger Berufstätigkeit eine Supervisionsausbildung und üben diese Berufstätigkeit bis ins hohe Alter hinein aus. Institutionenzentrierte Beratung Institutionenzentrierte Beratung wird von Soziologen überwiegend in folgenden Felder durchgeführt: • Organisations- und Unternehmensberatung • EDV-Beratung • Politikberatung • Methodenberatung Soziologen in der Beratung 80 <?page no="80"?> Organisations- und Unternehmensberatung ist das vielseitigste Feld der institutionenzentrierten Beratungsfelder. Es werden sowohl Unternehmen in der Wirtschaft als auch Non-profit-Organisationen beraten. • Sozial- und Gesundheitsbereich: Krankenkassen, Labors, Krankenhäuser, Reha- Einrichtungen, Altenheime, Kindergärten, aber auch Arztpraxen gehören zu diesem Bereich. Beratungsthemen sind z. B. die Praxisorganisation, die Anpassung an neue Regelungen der Gesundheitsreform, Motivation des Personals, Supervision von Teams, Strukturierung und Organisation von Arbeit, Organisationskulturen und Leitbilder von psycho-sozialen Einrichtungen, Erarbeitung von Kundenprofilen und Vertriebsstrategien für Krankenkassen, strategisches Management von Non-profit-Einrichtungen und die Klärung sozialrechtlicher und betriebswirtschaftlicher Fragen. • öffentlichen Verwaltung: Hier geht es beispielsweise um die Begleitung von Prozessen der Umstrukturierung, um Arbeitsorganisation und Konfliktmanagement zwischen Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie Mitarbeitern und »Kunden« (z. B. im Sozialamt). • Unternehmen: Bei der Beratung von Unternehmen stehen Organisations- und Personalentwicklung ebenso im Mittelpunkt soziologischer Arbeit wie die Begleitung von betrieblichen Veränderungsprozessen und Fusionen; wichtige Themen der Beratung sind Konfliktmanagement, Organisationskultur, Unternehmenskommunikation, Marktforschung und Marketing. Ein weiterer Bereich ist die Auswahl von Unternehmen für politisch finanzierte Modellversuche und Begleitung und Evaluation dieser Modellversuche. Die Formen der Beratung von Unternehmen (ähnliches gilt auch für Organisationen im Non- Profit-Bereich) reichen von der Moderation von Gruppengesprächen, Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Workshops und Zukunftswerkstätten bis hin zur Analyse von Ist-Zuständen mit Mitteln der empirischen Sozialforschung und der Anfertigung von Gutachten. In den meisten Fällen findet die Beratung direkt im Unternehmen statt und der Berater arbeitet mehrere Wochen oder Monate vor Ort. Daher ist der Beruf mit häufigen Reisen und Lebensphasen verbunden, in denen man »aus dem Koffer« lebt. Soziologen beraten Organisationen aller Größen - von kleineren Unternehmen wie Handwerksbetriebe oder Architekturbüros über mittlere Betriebe wie Druckereien bis hin zu Großkonzernen in der Automobil- oder Tabakindustrie. Die EDV-Beratung wird ebenfalls in Organisationen ausgeübt und kann Elemente der Organisationsberatung, z. B. Strategieplanung und Optimierung von Arbeitsprozessen enthalten. Neben der Durchführung von Trainingsveranstaltungen und Einzelschulungen und -beratungen werden EDV-Lösungen für betriebliche Probleme erarbeitet und Programme erstellt. 3. Beschäftigungsformen und Tätigkeiten 81 <?page no="81"?> Viele Berater kombinieren mehrere Beratungsfelder, beraten z. B. Kommunen und Organisationen im Gesundheitsbereich oder Unternehmen und öffentliche Verwaltungen, andere bleiben in einem gesellschaftlichen Funktionsbereich (z. B. Gesundheit und Soziales) und arbeiten mit unterschiedlichen Organisationen und Beratungsformen, z. B. Teamberatung und Supervision. Einige Berater arbeiten als angestellte In-House-Berater z. B. in Krankenkassen - auch die EDV-Berater sind normalerweise fest angestellte Mitarbeiter im Unternehmen. Der überwiegende Teil der Organisations- und Unternehmensberater arbeitet jedoch als Freiberufler oder in der eigenen Beratungsfirma mit Sekretariat und einigen Angestellten. Das Einkommen ist in diesem Bereich sehr unterschiedlich, je nach Beratungsfeld und Präsenz auf dem Markt; insbesondere die ersten drei Jahre in der Freiberuflichkeit werden von den Beratern als harte Zeit mit Einkommen am Existenzminimum bezeichnet (vgl. Alemann 2002). Bei erfolgreichen Freiberuflern mit mehrjähriger Berufserfahrung kann das Jahreseinkommen über 100.000 Euro steigen. Erfahrungsgemäß wird im Non-profit-Bereich weniger gezahlt, weshalb viele Berater sowohl Unternehmen als auch Non-profit-Organisationen beraten. Einige Berater üben Organisationsberatung als freiberufliche Nebentätigkeit neben einer Stelle als Angestellter im selben Bereich oder auch als Hausfrau/ Hausmann aus. Politikberatung ist ebenfalls eine vielseitige Tätigkeit, die die Mitarbeit in Enquete-Kommissionen ebenso einschließt wie die Evaluation von Entwicklungshilfeprogrammen, die Begleitung sozialverträglicher Technikgestaltung, kommunale und regionale Verkehrsplanung und Beratung bei der Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen und Umweltprojekten. Politikberatung erfolgt größtenteils in Form von schriftlichen Ausarbeitungen und Gutachten, die häufig auf empirischen Forschungen basieren, z. B. zum Auftreten von Sekten in Deutschland. Dabei ist es wichtig, kurze verständliche Arbeiten abzugeben und gleichzeitig die Ansprüche an Wissenschaftlichkeit zu erfüllen. Die meisten Berater konzentrieren ihre Tätigkeit auf bestimmte Bereiche wie Technikgestaltung, Verkehrssicherheit, Umwelt oder Entwicklungshilfe. • Im Verkehrsbereich werden neben Kommunen, Regionen und internationalen Organisationen wie der Weltbank 1 auch Privatpersonen beraten, es werden Seminare zur Verkehrssicherheit durchgeführt, Broschüren veröffentlicht und Verkehrssicherheitsforschung betrieben. 1 Die Weltbank finanziert Projekte, die der technischen Beratung von Staaten dienen. So berichtete ein befragter Verkehrsberater von einem Projekt zu der Frage, weshalb in ländlichen Gebieten in Ungarn an Wochenenden mehr tödliche Verkehrsunfälle passieren als in der Woche (Quelle: Befragung eines Verkehrsberaters). Soziologen in der Beratung 82 <?page no="82"?> • Die Tätigkeiten von Umweltberater reichen von der Ermittlung von Beratungsbedarf im Umweltbereich über die Durchführung stadtteilbezogener Umweltprojekte, Konfliktmanagement in Umweltprojekten, Organisations- und Personalberatung bis hin zur Durchführung von Forschungsprojekten zu umweltrelevanten Themen. • Im Bereich der Entwicklungshilfe geht es um die Planung und Evaluation der Nachhaltigkeit von Maßnahmen auf der ganzen Welt. Arbeits- und Beschäftigungsformen sowie die Einkommen in der Politikberatung sind extrem unterschiedlich; einige Berater machen sich als Freiberufler oder mit einem kleinen Beratungsinstitut selbstständig, andere arbeiten als Angestellte z. B. technischer Überwachungsvereine, wieder andere üben die Beratung im Nebenberuf, z. B. neben einer Professur, aus. Eine Sonderform der soziologischen Beratung ist die Methodenberatung. Hier werden Unternehmen und Wissenschaftler bei der Anwendung von Methoden der empirischen Sozialforschung beraten. Es handelt sich also um eine genuin soziologische Beratungstätigkeit, bei der soziologisches Wissen in der Regel eins zu eins angewandt werden kann. Arbeitgeber sind Universitäten und sozialwissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen, die Bezahlung erfolgt nach Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst (Bruttomonatsgehalt zwischen 3.000 und 5.000 Euro), es gibt jedoch nur eine geringe Anzahl von Stellen in diesem Bereich. 4. Notwendige Kompetenzen Auch wenn jedes Beratungsfeld spezifische Kompetenzen und Qualifikationen erfordert, lassen sich Gemeinsamkeiten ausmachen, die für viele oder für alle Beratungsfelder benötigt werden. Dies ist das Ergebnis der Kölner Beratungsstudie (Alemann 2002), bei der Soziologen aus unterschiedlichen Beratungsfeldern befragt wurden. Das Wissen, das diese Berater in der Praxis verwenden, lässt sich danach verschiedenen Quellen zuordnen: dem Soziologiestudium; den Nebenfächern; Aktivitäten, die vor oder neben der Universität bzw. zwischen Hochschulabschluss und Beratungstätigkeit ausgeübt wurden, sowie Zusatzausbildungen und Berufserfahrungen während der Beratungstätigkeit. 4. Notwendige Kompetenzen 83 <?page no="83"?> Kompetenzen aus dem Soziologiestudium Das Soziologiestudium vermittelt gesellschaftliches Hintergrundwissen, z. B. Wissen über soziale Prozesse, sozialen Wandel, soziale Differenzierung und Sozialstruktur (Klassen und Schichten, Milieus), sowie Beratungswissen. Beratungswissen bezeichnet in der Beratung genutzte soziologische Theorien, Wissen über den Beratungsgegenstand und über den Beratungsprozess. Die befragten Berater können besonders gut Systemtheorie und Theorien zur Erklärung individuellen Handelns (z. B. Rational-choice-Theorie) in der Beratung anwenden, außerdem Wissenschaftstheorie sowie Innovations- und Diffusionstheorien. Das Wissen über den Beratungsgegenstand, das die Berater verwenden können, richtet sich am gesellschaftlichen Problemfeld aus, in dem die Beratung stattfindet. So wird für die Organisations- und Unternehmensberatung Wissen aus der Organisationssoziologie, der Industrie- und Betriebssoziologie benötigt. Außerdem findet, je nach Beratungsfeld, Wissen aus der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Berufssoziologie, Soziologie der Mode, Rechtssoziologie oder auch Lebenslaufsoziologie Verwendung. Berufs- und Studienberater benötigen vor allem Wissen aus der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Berufssoziologie, EDV-Berater nutzen Theorien und Ergebnisse aus der Techniksoziologie und der Implementationsforschung, Verkehrsberater Wissen aus der Stadtsoziologie. Neben diesen eher beratungsfeldspezifischen Wissensanteilen vermittelt das Soziologiestudium Wissen über soziale Prozesse, die sich in der Beratung abspielen, z. B. über Kommunikation, Kooperation und Konflikt, soziale Kontrolle, abweichendes Verhalten, Macht und Interessen, Rollen und Sozialisation. Als besonders »praktisch« erweisen sich Statistik und Methoden der empirischen Sozialforschung, die von den befragten Politik-, Verkehrs-, Organisations- und Unternehmensberatern in der Phase der Problemanalyse genutzt werden und bei anderen Beratern das Hintergrundwissen bilden, mit dem Untersuchungen zu ihren Beratungsthemen rezipiert werden. Die befragten Berater (vgl. Alemann 2002) sehen es als Vorteil, wenn die empirischen Methoden im Studium praktisch geübt wurden, weil dadurch auch Kenntnisse im Projektmanagement erworben werden konnten. Daneben vermittelt ein Soziologiestudium Fähigkeiten, die nicht im Lehrplan stehen, die man aber durch die Beschäftigung mit Soziologie erwirbt, z. B. die kritische Rezeption von Forschungsergebnissen und der Umgang mit Daten. Das Soziologiestudium hat die Wahrnehmung der befragten Berater geschärft und sie gelehrt, aus den Aussagen anderer das Gemeinsame oder das Neue herauszufiltern und in komplexen Zusammenhängen zu denken, d. h. ein Phänomen nicht isoliert zu betrachten, sondern den Kontext zu seiner Erklärung heranzuziehen. Die befragten Berater haben im Soziologiestudium gelernt, Theorien auf die Praxis anzuwenden, große Soziologen in der Beratung 84 <?page no="84"?> Informationsmengen in begrenzter Zeit zu verarbeiten, sich klar auszudrücken, systematisch zu arbeiten und strukturiert zu denken. Die Bedeutung der Nebenfächer oder eines Zweitstudiums Aus der Sicht der befragten Berater reicht ein Soziologiestudium jedoch nicht aus, um zu beraten. In den Nebenfächern oder in einem Zweitstudium werden Kenntnisse erworben, die in der Beratung angewendet werden können: Psychologisches Wissen (z. B. Arbeits- und Sozialpsychologie) in der Berufs- und Studienberatung sowie in der Organisations- und Unternehmensberatung; Wissen aus der Pädagogik in klientenzentrierten Beratungsfeldern wie Karriereberatung und Beratung von Selbsthilfegruppen; wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse in Organisations- und Unternehmensberatung und Studienberatung. Außerdem stammt Beratungswissen aus der Kommunikationswissenschaft, der Sozialpolitik (Beratung im Gesundheitsbereich) und der Arbeitswissenschaft (Organisationsberatung). Qualifikationen aus praktischen Tätigkeiten Die befragten Berater betonen die Bedeutung von Qualifikationen, die durch Aktivitäten neben, vor oder nach dem Studium erworben werden. Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit, andere Menschen anzusprechen sowie organisatorische Qualifikationen können beispielsweise durch politisches oder soziales Engagement erlernt werden. Genannt wurden beispielsweise Studentenpolitik, Studienberatung oder auch Frauen- und Dritte-Welt-Arbeit. Pädagogische Qualifikationen wurden durch Nebentätigkeiten in der Erwachsenenbildung erworben, Erfahrungen mit Projektmanagement in Tätigkeiten als studentische Hilfskraft, Praxiserfahrungen in der Produktion durch Ferienjobs und Betriebspraktika. Einige Berater haben eine Berufsausbildung absolviert und wurden dadurch sensibilisiert für Probleme von Menschen ohne Abitur und ohne Studium. Nach dem Studium waren einige Berater in einer vorbereitenden, forschenden oder lehrenden Tätigkeit im Beratungsfeld tätig. Beispielsweise hat ein Studienberater im Modellversuch zur Entwicklung der Studienberatung mitgearbeitet und damit seine spätere Tätigkeit ermöglicht; bei zwei Organisationsberatern ist die eigene Beratungspraxis aus einer Fort- und Weiterbildungstätigkeit für Ärzte und Krankenschwestern hervorgegangen. Andere Berater arbeiteten zunächst als angestellte Personalentwickler, bevor sie sich als Berater selbstständig machten, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Bei einer größeren Gruppe von Beratern lag zwischen 4. Notwendige Kompetenzen 85 <?page no="85"?> Studium und Beratung eine wissenschaftliche Phase, die mit Promotion, teilweise auch Habilitation abgeschlossen wurde und in der bereits Kontakte in mögliche Beratungsfelder aufgebaut und Beratungsausbildungen absolviert wurden. Zusatzausbildungen Nach dem Einstieg in ein Beratungsfeld hat ein großer Teil der befragten Berater Zusatzausbildungen abgeschlossen; die meisten mussten sich auch im Job weiterbilden. Es lassen sich vier Wissensbereiche unterscheiden, die je nach Beratungsfeld benötigt werden (vgl. Alemann 2002): • Psychologische Beratungs- und Therapieformen wie Gruppendynamik, Gestalttherapie, systemische Beratung, Themenzentrierte Interaktion, Neurolinguistisches Programmieren, Bioenergetik, Psychodrama, Gesprächspsychotherapie und Supervision; • Beratungsmethodik: Moderation, Präsentation und Kreativitätstechniken, Organisations- und Personalentwicklung, Organisationsberatung; Persönlichkeitsentwicklung, Auftreten und Umgangsformen, Rhetorik, Atemtechnik und Stimmbildung; Interventionsinstrumente, Coaching, Konfliktlösungstechniken, Durchführung von Zukunftswerkstätten; viele Berater haben spezifische EDV-Kenntnisse erworben; • wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse vor allem in der Organisations- und Unternehmensberatung, z. B. Betriebswirtschaftslehre, Strategisches Management, Marketing und Buchführung. Diese Kenntnisse dienen nicht nur dazu, die Beratungsfälle zu verstehen, sondern helfen auch bei der Durchführung der Beratungsprojekte und der Führung der eigenen Beratungsfirma; • Hintergrundwissen über das Beratungsfeld: in der Organisationsbzw. Unternehmensberatung sind dies branchenspezifische Kenntnisse, in der Berufsberatung Verwaltungskenntnisse und Berufskunde, in der Studienberatung Wissen über Hochschulpolitik, -gesetzgebung und Problemgruppen an der Universität und in der Entwicklungshilfeberatung Sprach- und Länderkenntnisse. Bedeutung der Promotion Uneinigkeit herrscht über die Bedeutung eines Doktortitels in den institutionenzentrierten Beratungsformen; insbesondere im Bereich der Politikberatung gilt er aus Ausweis von besonderer Kompetenz; auch in einigen Großkonzernen ist der Doktortitel von Vorteil, weil man sich damit aus der Masse der Konkurrenten her- Soziologen in der Beratung 86 <?page no="86"?> vorhebt. In der Organisations- und Unternehmensberatung, insbesondere in der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen, sind jedoch Berufserfahrung, Bekanntheit und ein guter Ruf wichtiger, daher ist der Aufbau von Netzwerken und die Mitgliedschaft in Beratungszirkeln unbedingt zu empfehlen. 5. Wege in den Beratungsberuf Beratung ist ein Berufsfeld ohne feste Berufswege und ausgetretene Karrierepfade; der Weg in die Beratung hat sehr viel mit persönlichen Interessen und individuellen Lebensläufen zu tun. Zur Illustration werden zunächst zwei »typische« Beispiele aus der Kölner Beratungsstudie (vgl. Alemann 2002) vorgestellt. Der eine Soziologe arbeitet nach seinem Examen zwölf Jahre als wissenschaftlicher Assistent an der Universität. Sein Schwerpunkt ist die Organisationssoziologie. Nach der Habilitation läuft seine Stelle aus und er beschließt, auch aufgrund der Kontakte, die er in seiner Zeit als Organisationssoziologe zu Unternehmen aufbauen konnte, Berater zu werden. Er macht eine Ausbildung als Unternehmensberater und gründet eine Beratungsgesellschaft für Unternehmenskommunikation und Organisationskultur. Nach einem schwierigen Start - kaum Kunden, großer Weiterbildungsbedarf - ergeben sich kleine Aufträge in kleinen Unternehmen. Mit der Zeit werden die Aufträge und die Unternehmen, für die er tätig ist, größer, sodass seine Beratungsfirma erfolgreich arbeitet. Die andere Soziologin engagiert sich schon während ihres Studiums in der Frauenarbeit. Nach ihrem Studienabschluss arbeitet sie in der Beratung, vernetzt Frauenprojekte und gründet einen Notruf für vergewaltigte Frauen in ihrer Stadt. Während ihrer Arbeit lernt sie viele Leute kennen, die eine Beratungsausbildung gemacht haben, und lässt sich selbst in systemischer Beratung und Supervision ausbilden. Als sie arbeitslos wird, erhält sie aufgrund ihrer Qualifikationen eine ABM-Stelle im Bereich der Praktikumsberatung für Geisteswissenschaftler. Durch ihre Arbeit bekommt sie Kontakt zu einer Studienberaterin an der Universität, die ihr bei einem Arbeitstreffen von einer freien Stelle in der Studienberatung erzählt. Sie erhält die Stelle und organisiert seitdem Seminare für Studierende, koordiniert Aktivitäten zusammen mit den Lehrenden und berät Studierende. Die Berufswege von Beratern wirken auf den ersten Blick so unterschiedlich wie die Beratungsfelder, in denen sie arbeiten. Dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten aufzeigen. Alle in der Kölner Beratungsstudie befragten Personen (vgl. Alemann 2002) hatten ihr Studium nicht auf einen späteren Beratungsberuf ausgerichtet; die meisten fanden nach dem Studium eher zufällig den 5. Wege in den Beratungsberuf 87 <?page no="87"?> Weg in die Beratung, z. B. durch ein Stellenangebot. Drei Gruppen lassen sich unterscheiden: Die erste Gruppe beginnt ihre Beratungstätigkeit gleich nach Abschluss des Studiums. Bei der zweiten Gruppe folgt nach dem Studium zunächst eine wissenschaftliche Phase, aus der oder nach der die Personen eine Umorientierung in Richtung Beratungstätigkeit vornehmen. Die dritte Gruppe arbeitet nach dem Studium in praktischen Projekten, aus denen sich dann eine Beratungstätigkeit entwickelt. Dabei gibt es keine geplanten und durchorganisierten Karrieren, sondern eher eine Verbindung von eigenen Interessen und konkreten Gelegenheiten. Der Berufsweg von Beratern liest sich als Entwicklung hin zu einem eigenen Ziel, das sich erst durch die Wahrnehmung dieser Gelegenheiten herauskristallisiert. Dabei fallen in mehreren Interviews Sätze wie »Es war im Endeffekt dann doch Zufall« oder »Es war keine Strategie, aber es hat sich halt immer alles so ergeben«. Für einen erfolgreichen Weg in einen Beratungsberuf scheinen zwei persönliche Eigenschaften wichtig zu sein: erstens die Eigenschaft, sich durchbeißen zu können. Das bedeutet im Detail, dass man Durststrecken durchstehen muss; dass man weiter macht, auch wenn am Anfang kaum Aufträge akquiriert werden können, und dabei bereit ist, mit wenig Geld auszukommen. Die zweite Eigenschaft, die sich aus den Berufswegen von Beratern herauslesen lässt, ist die Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen. Viele Arbeitsstellen und Aufträge ergaben sich über persönliche Bekannte, Freunde aus dem Studium und berufliche Netzwerke, die auch bewusst aufgebaut werden. Was die benötigten Qualifikationen angeht, so stellt sich in der Regel erst nach Abschluss des Studiums heraus, dass zusätzliche Qualifikationen erworben werden müssen. Welche Qualifikationen dies sind, zeigt sich erst bei beginnender Berufspraxis. Für jedes Beratungsprofil ist eine spezifische Mixtur aus Qualifikationen erforderlich. Ein Teil dieser Qualifikationen ist zu Beginn der Beratungstätigkeit schon vorhanden, weil viele Berater aus eigenem Interesse Zusatzausbildungen im psychologischen und beraterischen Bereich gemacht haben und Erfahrungen aus der Arbeit im ehrenamtlichen Engagement und aus Projektarbeiten während oder nach dem Studium mitbringen. Es ist sinnvoll, vor dem Einstieg in eine Beratungstätigkeit und insbesondere vor dem Beginn einer freiberuflichen Tätigkeit praktische Erfahrungen im Beratungsfeld zu sammeln. In den Berater-Interviews (vgl. Alemann 2002) wurde mehrfach die Bedeutung von Lebenserfahrung hervorgehoben, die notwendig sei, um erfolgreich beraten und Situationsdefinitionen, beispielsweise von Klienten in Organisationen, durchschauen zu können. Was dieses Thema betrifft, haben soziologische Berater eine andere Perspektive als Berater beispielsweise im Bereich der Betriebswirtschaftslehre, wo Absolventen in der Regel nach ihrem Studium Soziologen in der Beratung 88 <?page no="88"?> einige Jahre in einer großen Beratungsfirma arbeiten und dann eine leitende Position in einem Unternehmen suchen. 6. Tipps für Studium und Berufseinstieg Aus den Berufsbiographien der befragten Berater (Alemann 2002) und den von ihnen benötigten Kenntnissen und Qualifikationen lassen sich folgende Hinweise für Studierende ableiten, die sich für Beratungsberuf interessieren: Im Soziologiestudium sollten Sie Veranstaltungen in Bereichen belegen, die Sie interessieren. Gleichzeitig sollten Sie ein gutes soziologisches Basiswissen über die wichtigsten Gebiete und Theorien in der allgemeinen und den speziellen Soziologien aufbauen. Besonders hilfreich ist es, sich einen Autor oder eine Theorie herauszusuchen, mit dem oder der Sie sich verstärkt beschäftigen, sodass Sie in diesem Bereich kompetent sind. Wichtig ist außerdem, qualitative und/ oder quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung zu erlernen und in Forschungspraktika o. Ä. zu praktizieren. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die ein wissenschaftliches Studium beim Erwerb von Zusatzqualifikationen bietet, z. B. im Hinblick auf Arbeitsorganisation, Teamarbeit, Umgang mit Daten, freies Reden und verständliches Schreiben. Darüber hinaus gibt es an den meisten Universitäten und bei den Hochschulteams der Agentur für Arbeit eine Vielzahl von preiswerten Workshops, in denen Sie Rhetorik, Moderation, Projektmanagement und ähnliche Qualifikationen erwerben können. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie nicht wahllos Qualifikationen sammeln, sondern Kurse zu belegen, die zu Ihren bereits bestehenden Qualifikationen, Interessen und Zielen passen. Neben dem Studium sollten Sie praktische Erfahrungen sammeln durch Praktika und Ferientätigkeiten in Bereichen, in denen Sie sich vorstellen können, später tätig zu sein. Nutzen Sie bereits bestehende sozialwissenschaftliche Netzwerke wie den BDS zum Aufbau von Kontakten zu Beratern. Viele Berater stellen für einzelne Beratungsprojekte studentische Hilfskräfte oder Praktikanten ein. Wichtig ist bei all dem, dass Sie sich nicht davon abhalten lassen, in der Freizeit etwas zu tun, was Ihnen wirklich Spaß macht, und setzen Sie sich dafür voll ein. Auch beim Sport, in der Fachschaftsarbeit und in anderen sozialen und politischen Bereichen lassen sich organisatorische und kommunikative Fähigkeiten sammeln. Eine heute erfolgreiche Unternehmensberaterin hat vorher eine selbst organisierte Fahrradwerkstatt betrieben. Und das ist auch das Fazit aus den Interviews: Die 6. Tipps für Studium und Berufseinstieg 89 <?page no="89"?> meisten Berater haben das getan, was sie interessierte - und daraus einen Beratungsberuf gemacht. 7. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Alemann, Annette von (2002): Soziologen als Berater. Eine empirische Studie zur Professionalisierung der Soziologie, Opladen. Beywl, Wolfgang/ Krekel, Elisabeth M./ Lehmann, Jürgen (1996): Grundlagen und Qualifikation soziologischer Beratung. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Jg. 19, Heft 3, S. 267-270. Thinnes, Petra (1999): Soziologische Organisationsberatung - Neue Wissenschafts-Praxis- Synergien? In: Bosch, Aida/ Fehr, Helmut/ Kraetsch, Clemens/ Schmidt, Gert (Hg.): Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis. Interdisziplinäre Sichtweisen, Wiesbaden, S. 31-51. Soziologen in der Beratung 90 <?page no="90"?> Thomas Klein Die hohe Kunst des Generalismus Soziologen in der Organisations- und Personalentwicklung 1. Das Berufsfeld In diesem Beitrag steht die Beratung im Bereich der Organisations- und Personalentwicklung von privaten Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen im Vordergrund. Auftraggeber aus allen Wirtschaftsbranchen oder aus staatlichen Einrichtungen aller Ebenen (EU, Bund, Länder, Kommunen) wenden sich gezielt an Institute oder schreiben Aufträge aus, um durch wissenschaftliche Analysen die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens bzw. die Effizienz ihrer Einrichtung zu verbessern und ihre personellen Ressourcen sowie deren Potenziale gewinnbringender einzusetzen. Am Beispiel des Instituts arbeit innovation qualifikation e.v (aiq) in Dortmund soll die Tätigkeit eines Beraters im Bereich Organisations- und Personalentwicklung exemplarisch beschrieben werden. Das Institut befasst sich primär mit Projekten, die einen Transfer aktueller sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Beratung in der Praxis bieten. Teile des Dienstleistungsprofils des Instituts aiq sind die Konzeptentwicklung und -umsetzung, die bereits genannte Organisationsentwicklung und Personalentwicklung sowie zusätzlich die betriebliche Potenzialberatung, Qualifizierungsbedarfsanalysen oder sekundärstatistische Auswertungen. Die wesentlichen Auftraggeber sind: • öffentliche Auftraggeber für Forschungsdienstleistungen und Gutachten wie z. B. EU-Forschungsprogramme, Bundes- oder Landesministerien, Bundesinstitute oder Stiftungen; • öffentliche Auftraggeber wie die Landesregierung oder Kommunen zur finanziellen Förderung von Beratungs- und Qualifizierungsdienstleistungen für kleine und mittlere Unternehmen; 91 <?page no="91"?> • private Auftraggeber für Gutachten oder Unternehmensberatungsleistungen (sog. Potenzialberatungen). Wissenschaftlich (orientierte) Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber oder Gutachten für Privatunternehmen haben einen eindeutigen Schwerpunkt in der Forschung und Evaluation. Als Beispiel kann eine ausgeschriebene Studie genannt werden, bei der festgestellt werden soll, wie sich die Arbeitskraft älterer Arbeitnehmer in Betrieben erhalten lässt und welchen Beitrag hierzu eine betriebliche Personalentwicklung bieten kann. Aufgabe ist es zunächst, den wissenschaftlichen Forschungsstand zu einem Problem (»the State of the Art«) zu erheben, um auf dieser Basis Modelle zu entwickeln oder auszuwählen, die sich in der Praxis im nächsten Schritt bewähren müssen. Dabei sucht man Unternehmen, die diese Modelle erproben möchten, wendet sie dort gemeinsam an und evaluiert anschließend die Ergebnisse. Bei Projekten mit einem hohen Forschungsanteil ist die Konkurrenz zu Hochschulinstituten sehr groß, sodass sich oftmals eine Kooperation mit ihnen empfiehlt. Für öffentlich geförderte Beratungs- und Qualifizierungsdienstleistungen gilt: Je geringer der Forschungsanteil der ausgeschriebenen Projekte ist, desto stärker wird der Wettbewerbsvorteil kleiner Beratungsinstitute wie zum Beispiel aiq gegenüber der universitären Konkurrenz, und zwar wegen der stärkeren Praxisnähe. Einrichtungen des Bundes, der Länder oder Kommunen schreiben Beratungs- und Qualifizierungsprojekte meist zu einem bestimmten Themenbereich aus. Es müssen daher Unternehmen gefunden werden, die Leistungen in diesem Bereich durchführen. So hat beispielsweise die Landesregierung NRW zwischen 2004 und 2006 einen Förderkatalog ausgeschrieben, der sich mit der Thematik »innovative Weiterbildung« befasst. Das Institut aiq hat in diesem Rahmen ein Projekt für die Qualifizierung von Beschäftigten in Gastronomiebetrieben erhalten. Innerhalb dieses Projektes werden die Betriebe hinsichtlich ihrer strategischen Arbeit (Zielgruppen, Produkt- und Dienstleistungsangebote) und möglicher Ereignisse mit Umsatzpotential, wie z. B. innerstädtische Veranstaltungen und Feste oder Groß-Events wie die Fußball-WM 2006, beraten. In der Folge werden Schulungsbedarfserhebungen durchgeführt, Schulungskonzepte entwickelt und Schulungsmaßnahmen in einem Prozess von bis zu zwei Jahren für alle Beschäftigten abgehalten. Zu den Aufgaben in diesem Projekt gehören also Beratung, Projektmanagement, Erhebung des Schulungsbedarfs, Auswertungen, Organisation und zum Teil auch eigenständige Durchführung von Schulungen. Bei der Beratung für Unternehmen agiert man als externer Dienstleister; man untersucht verschiedene Unternehmensbereiche und gibt Empfehlungen, wie diese verändert werden könnten. Dies erfolgt mit der Zielsetzung, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, die Kompetenzen des Personals zu erweitern oder das Unter- Soziologen in der Organisations- und Personalentwicklung 92 <?page no="92"?> nehmen auf neue Märkte und Zielgruppen auszurichten. Zu den Aufgabenbereichen zählen u. a.: • die Untersuchung betriebsinterner Abläufe und Strukturen sowie deren Effektivität; • Kundenbefragungen, Auswertung von Kundenzufriedenheit und Empfehlungen zur Markt- und Kundenausrichtung sowie Kundenorientierung; • Schulungen und Workshops, • Moderationen, • Beratung zu Qualifizierungsprojekten und Mitarbeiterentwicklung und • Unterstützung zur Umsetzung von Projekten in den Unternehmen. Das Institut aiq führt diese Beratungsprojekte in der Regel mit einer öffentlichen Ko-Finanzierung durch. Diese dient dazu, kleine und mittlere Unternehmen, die sich eine Beratungsleistung finanziell meist nicht erlauben könnten, zu unterstützen. Dafür werden die Beratungskosten zur Hälfte vom zu beratenden Betrieb und zur Hälfte aus Mitteln der Landesregierung oder der EU finanziert. 2. Tätigkeitsbeschreibung Am Beispiel einer Beratung, die aiq bei acht mittelständischen Betrieben in Recklinghausen durchgeführt hat, lassen sich zentrale Aufgaben gut beschreiben. Das Ziel des Beratungsprozesses war die Vorbereitung auf das für Unternehmenskredite wichtige Unternehmensrating der Banken mit der Bezeichnung »Basel II«. Dabei beurteilen Banken die Unternehmen nach einem Kriterienraster bezüglich ihrer Kreditwürdigkeit. Dazu zählen harte betriebswirtschaftliche Faktoren ebenso wie die weichen Faktoren Marketing, Kundenorientierung, Personalführung oder Unternehmensstrategie. Meine Aufgabe war die Vorbereitung und Durchführung von Workshops zu diesen weichen Faktoren und die Moderation von Gruppenübungen. Dabei ging es beispielsweise um praktische Methoden, mit denen sich das eigene Marketing zielgruppengerecht aufbauen lässt. Neben diesen Aufgaben machen Akquise und Verwaltung einen wichtigen Teil der Arbeit aus. Hinzu kommt die Beteiligung an Netzwerken mit anderen Instituten. Dies soll im Folgenden weiter ausgeführt werden. Im Umfeld öffentlich geförderter Beratungs-, Qualifizierungs- und Forschungsprojekte ist, soweit nicht auch zusätzliche Aufträge vom freien Markt, das heißt von privatwirtschaftlichen Anbietern, eine regelmäßige Einkommensquelle darstellen, eine Beschäftigung nur projektbezogen mit unterschiedlich umfangreichen Stellenanteil möglich. So ist man als Angestellter in der Regel nur befristet 2. Tätigkeitsbeschreibung 93 <?page no="93"?> beschäftigt. Üblicherweise laufen Projekte über einen Zeitraum von zwei Jahren und wenn damit ein eigener Stellenanteil von nur 50 % verbunden ist, sollten logischerweise weitere Projekte eingeworben werden, die den Arbeitsplatz auf eine Vollzeitbeschäftigung ausdehnen. Dabei wirbt man mit den Projekten die eigene Arbeitsstelle und zusätzlich jene für studentische Mitarbeiter und Verwaltungsfachkräfte ein. Der beste Weg dies in kleineren Instituten zu bewerkstelligen, ist das Einwerben von Projekten, sprich die Akquise. Dies bedeutet, kontinuierlich nach Ausschreibungen oder Aufrufen zur Einreichung von Projektskizzen zu suchen, Partner für eine gemeinsame Konzeptentwicklung bei Ausschreibungen mit einem größeren Auftragsvolumens zu finden und, sofern eine Zusammenarbeit mit Privatunternehmen von den Auftraggebern gefordert ist, rechtzeitig Unternehmen zu suchen, die sich an dem Projekt beteiligen wollen. So werden in der Regel praxisnahe Projekte nur gefördert, wenn mindestens drei Unternehmen, in denen Maßnahmen wie Beratung oder Qualifizierung durchgeführt werden sollen, am Projekt teilnehmen. Das Einkommen ergibt sich aus dem Stellenanteil und den für die jeweiligen Projekte beantragten Personalkosten. Die kalkulierbaren Personalkosten orientieren sich an der eigenen Berufserfahrung in Projekten. Je mehr Projekterfahrung also vorhanden ist, desto mehr bewegt man sich hin zu einer Bezahlung in Anlehnung an die Entgeltgruppe 13 des TVöD (vgl. Tabelle im Anhang). Nach ungefähr vier Projekten mit mindestens zwei Leitungsfunktionen in den jeweiligen eigenen Projekten ist auch eine Bezahlung nach höheren Entgeltgruppen angemessen. Die eigenen fachlichen Schwerpunkte und Projekterfahrungen mit entsprechenden Referenzen erhöhen die Chance auf Projektaufträge. Eine hohe Spezialisierung in einem bestimmten Gebiet beinhaltet andererseits aber auch das Risiko, dass man hier keine Projekte findet, weil zu diesem speziellen Thema keine Ausschreibungen erfolgen. Daher ist im Rahmen von Akquisebemühungen immer auch der Blick auf wissenschaftliche und arbeitsmarktbezogene Trends und Entwicklungen zu richten, damit man erkennt, welche Forschungs- oder Beratungsbereiche bei den Auftraggebern gefragt sind (vgl. den Beitrag von Sigrid Bathke in diesem Band). Das kann dann auch eine Abkehr von der eigenen Spezialisierung und die Notwendigkeit bedeuten, neue Schwerpunkte zu setzen, weitere Kompetenzen zu erwerben und sich in neue Sachthemen einzuarbeiten. Deswegen empfiehlt es sich auch, ein Kooperationsnetz mit anderen Instituten zu pflegen. Insgesamt kann zwar der (nicht ganz abwegige) Eindruck entstehen, ein Berater führe einen permanenten Überlebenskampf zwischen dem laufenden und dem nächsten Projekt, aber das unterscheidet ihn im Wesentlichen nicht von einem selbständigen Unternehmer. Diese selbstständige Tätigkeit bringt auch Vorteile mit sich: beispielsweise bei der Gestaltung der Arbeitszeit und der Wahl des Soziologen in der Organisations- und Personalentwicklung 94 <?page no="94"?> Arbeitsorts. Teile der Arbeit können auch im eigenen privaten Arbeitszimmer erledigt werden (Home-Office). Die Projektakquise nimmt einen großen Teil der Arbeitszeit ein. Dazu gehört zunächst die Recherche nach öffentlichen Ausschreibungen im Internet oder in Newslettern von staatlichen Einrichtungen. Die Forschungs- und Projektförderung ist ein großer Dschungel zwischen EU, Bund, Ländern und Stiftungen. So findet man interessante Ausschreibungen, die als Projekte nur in bestimmten Regionen (z. B. Ostdeutschland), mit mehreren internationalen Partnern (meist bei EU-Projekten) oder nur mit kooperierenden Privatunternehmen durchgeführt werden dürfen. Daher ist immer auch zu prüfen, ob die jeweiligen Anforderungen mit den eigenen Kapazitäten leistbar sind. Reichen diese Kapazitäten nicht aus, sucht man Kooperationspartner aus den eigenen Netzwerken, mit denen ein Konzept und ein Projektantrag gemeinsam entwickelt werden kann. Bei der Konzeptentwicklung stehen die Literatur- und Internetrecherche zum wissenschaftlichem Status quo im Themengebiet und/ oder die Einholung statistischer Daten an erster Stelle. So kann man zwar Experte für Personalentwicklungsprojekte sein, man muss aber zum Beispiel noch spezielles Know-how und Daten zu der besonderen Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt und deren innerbetrieblicher Stellung gegenüber jüngeren Kollegen einholen. Das Erstellen des Angebotstextes inklusive einer Forschungsskizze, einem Beratungskonzept oder einem Qualifizierungsplan (Angebote können auch alle drei Aspekte beinhalten) und die Kostenkalkulation sind ein langwieriger Prozess, der vom Auftraggeber nicht bezahlt wird. Schließlich ist innerhalb eines Instituts das interne Management noch eine wichtige Aufgabe. In meiner Position als angestellter Geschäftsführer bei dem Institut aiq zählen dazu die üblichen Aufgaben in der Geschäftsführung. Da in kleinen Instituten nicht alles delegiert werden kann, fallen auch Teil-Aufgaben in Buchführung, Personaladministration, Bestellwesen oder Ähnlichem an. 3. Notwendige Kompetenzen Die Komplexität des Aufgabengebietes erfordert fachliche und soziale Kompetenzen, die sich unmöglich verallgemeinern lassen. Für meine Tätigkeit zählen zu den notwendigen sozialen Kompetenzen die Problemlösungsfähigkeit und die Fähigkeit, sich in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten. Man muss kein hoch kommunikativer Mensch sein, aber Kenntnisse über Techniken einer strukturierten Gesprächsführung und ein rhetorisches Basis-Know-how sind wichtig. Schließlich 3. Notwendige Kompetenzen 95 <?page no="95"?> werden bei steigender Verantwortung die Führungsfähigkeiten bedeutsam, die ich auch durch eine zusätzliche Qualifizierung erst verbessern konnte. Da nicht nur Projekte präsentiert, Meetings und Workshops moderiert, sondern auch Qualifizierungsmaßnahmen selbst durchgeführt werden, sind pädagogische und didaktische Fähigkeiten wichtig. Diese können über Weiter- und Fortbildungsangebote unterschiedlicher Träger erworben werden. Natürlich kommen auch im Studium erworbene Kenntnisse wie die Methoden der empirischen Sozialforschung und - nicht zu unterschätzen - Techniken der Literaturrecherche, der Informationsbeschaffung und -aufbereitung zum Einsatz. Erst dann folgen Kenntnisse beispielsweise aus der Organisationssoziologie. 4. Wege in das Berufsfeld Mein Weg in meine heutige Beschäftigung entsprach ziemlich genau jenem »Zick- Zack«-Kurs eines »typischen« Soziologen, den Brüderl und Reimer (Brüderl/ Reimer 2002) beschreiben: Zusatzausbildungen, Jobwechsel, Arbeitslosigkeit und schließlich der Übergang in eine Vollzeitbeschäftigung mit Führungsaufgaben bei aiq. Mein erstes »Aha-Erlebnis« für die Herstellung eines Bezuges zwischen Theorie und Praxis war ein Praktikum bei der Stadtverwaltung Essen während des Studiums. Hier war ich im Schulungszentrum des Personalamtes eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war die Reorganisation der Stadtverwaltung und damit der Stellenprofile der Mitarbeiter das Hauptthema. Meine Aufgaben waren, neben der Mitarbeit in der Schulungsorganisation, die Untersuchung der angestrebten Organisationsstruktur und eine Gewichtung der Abweichungen zur gegebenen Struktur. Schließlich sollten Kompetenzen ermittelt werden, die die leitenden Angestellten zur Mitarbeit am Organisationsentwicklungsprozess befähigen. Der größte Kraftakt in diesem Prozess war aber nicht die Konzeptentwicklung, sondern der Umgang mit Widerständen gegen den Veränderungsprozess auf allen Ebenen. Hierzu waren unzählige Präsentationen vorzubereiten, Workshops mit Brainstorming bezüglich des Umgangs mit Gegenargumenten und moderierte Diskussionsforen zu organisieren, an denen ich als Beobachter auch teilnahm. Ich zog daraus die Erkenntnis, dass eine Steuerung der Unternehmenskultur der strukturellen Reorganisation vorausgehen sollte. Ein Aspekt der in der Theorie der Organisationsentwicklung zwar genannt, aber unterschätzt wird. Diese Erfahrungen prägten ganz wesentlich meine Interessensschwerpunkte während des restlichen Studiums, die fortan bei der Organisations- und Personalentwicklung lagen. Soziologen in der Organisations- und Personalentwicklung 96 <?page no="96"?> Nach dem Studium nahm ich an einem einjährigen Trainee-Programm einer Essener Versicherung teil. Dabei sollte ich verschiedene Aufgaben im Vertrieb, in der betrieblichen Weiterbildung sowie in der Verwaltung kennenlernen. Dazu zählte auch der Verkauf von Versicherungen im Außendienst. Für mich keine schöne Aufgabe, aber rückblickend betrachtet eine gute Schule, denn heute könnte ich ohne Akquise- und Verkaufstechniken nur wenig erreichen. Ich konnte nach ungefähr sechs Monaten auch erste Erfahrungen als Trainer und Moderator sammeln, da mir übertragen wurde, junge Vertriebsmitarbeiter und Auszubildende in Grundlagen der Haftpflicht- und Lebensversicherung einzuarbeiten. Zwar erhielt ich kein Übernahmeangebot, weil ich eine rein vertriebliche Arbeit für zwei weitere Jahre abgelehnt hatte, doch betrachte ich das Trainee-Programm auch heute noch als praxisbezogenen Teil meiner Gesamt-Ausbildung. Nach kurzer Arbeitslosigkeit habe ich meine erste Tätigkeit in einem Trainingszentrum für IT-Trainings in Düsseldorf aufgenommen. Kundenberatung, die Entwicklung von Schulungskonzepten und die Schulungsorganisation waren zunächst meine Aufgabenschwerpunkte. Später kamen noch die Personalplanung und die Entwicklung von E-Learning-Konzepten hinzu. Neben dem Umgang mit Marktwettbewerbern erlebte ich auch erstmals harten, internen Konkurrenzdruck. Dies manifestierte sich z. B. in der Durchsetzung von Konzepten, die Eingang ins Schulungsportfolio finden sollten. Dabei musste ich lernen, dass sich nicht jene Konzepte durchsetzen, die auf theoretischen Modellen fußen und einer wissenschaftlichen Logik folgen, sondern jene, die kurz- oder mittelfristig die größten Umsatzchancen versprechen - auch wenn dies dann tatsächlich doch nicht immer der Fall war. Damit wird ein weiterer Aspekt für beruflichen Erfolg sichtbar: Das Absehen von der reinen Theorie, das Einlassen auf Pragmatismus und die Hinnahme von »gewollten Lösungen«. Rein methodisch und wissenschaftlich argumentierende Wissenschaftler erhalten außerdem schnell den Nimbus des notorischen Besserwissers. Während der Tätigkeit im Trainingszentrum habe ich die betrieblichen Weiterbildungsangebote zu Moderationstechniken, Führung oder EDV wahrgenommen, mich aber auch nebenberuflich fachlich weitergebildet (Train the Trainer, Ausbildereignung, Marketing, Kundenorientierung, Qualitätsmanagement). Erst bei meiner jetzigen Tätigkeit sehe ich den stärksten Bezug zu meiner universitären Ausbildung. Natürlich sind die zusätzlichen Qualifizierungen auch wichtig, doch nur in Kombination mit der Berufserfahrung selbst wird aus meiner Sicht die Berufsbezeichnung »Berater« glaubwürdig. Es ist schwierig, aus dieser Erwerbsbiographie heraus Empfehlungen zu geben. Doch ich möchte Studierenden empfehlen, das »wirkliche« Handwerkszeug des Sozialwissenschaftlers ernst zu nehmen - quantitative wie qualitative Sozialfor- 4. Wege in das Berufsfeld 97 <?page no="97"?> schung und die Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens. Eine fachliche Schwerpunktsetzung im Studium hat mir geholfen, einen roten Faden für meine berufliche Ausrichtung zu finden. Sicher haben die Einarbeitung von Auszubildenden oder die Organisation eines Trainingszentrums nur am Rande mit Personalentwicklung und Organisationssoziologie zu tun und es sind auch keine Aufgaben, die einer wissenschaftlichen Ausbildung bedürfen, aber sie sind Berufserfahrungen, die meinem Ziel, im Feld Organisations- und Personalentwicklung zu arbeiten, dienten. Die Aufnahme von Praktika hilft sehr, ein (praxisnahes) Thema für einen solchen roten Faden zu finden, oder man kann zumindest die für Bewerbungen wichtige Berufserfahrung sammeln. Schließlich empfehle ich den Blick über den Tellerrand in andere Disziplinen, z. B. durch das Belegen eines Nebenfaches wie Wirtschaftspolitik, Politikwissenschaften oder öffentliches Recht um die eigene Kompetenzpalette abzurunden. 5. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Beywl, Wolfgang/ Krekel, Elisabeth M./ Lehmann, Jürgen (1996): Grundlagen und Qualifikation soziologischer Beratung. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Jg. 19, Heft 3, S. 267-270. Thinnes, Petra (1999): Soziologische Organisationsberatung - Neue Wissenschafts-Praxis- Synergien? In: Bosch, Aida/ Fehr, Helmut/ Kraetsch, Clemens/ Schmidt, Gert (Hg.): Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis. Interdisziplinäre Sichtweisen, Wiesbaden, S. 31-51. Soziologen in der Organisations- und Personalentwicklung 98 <?page no="98"?> Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit <?page no="100"?> Marcus Termeer Distanz und Engagement Soziologen im Printjournalismus Journalismus ist ein recht »offener Beruf«. Nicht nur, weil die Berufsbezeichnung »Journalist« in Deutschland nicht geschützt ist, sondern auch aus der Ausbildungsperspektive. So hat der Kommunikationswissenschaftler Siegfried Weischenberg 1995 festgestellt, dass zwar 65 % der Journalisten ein Studium, über 10 % aber weder ein Volontariat, noch eine Journalistenschule oder ein Fachstudium absolviert hatten. Berücksichtigt man diejenigen, die zwar Kommunikationswissenschaften studiert, aber keine praktische Zusatzausbildung besaßen, dann hatten ca. 25 % ihr journalistisches Know-how außerhalb einer formalisierten Ausbildung erworben (Weischenberg 1995, S. 521). Jüngere Studien stützen das. Liane M. Dubowy schreibt, das Idealbild des Berufseinstiegs - Schreiben in der Schülerzeitung, freie Mitarbeit während des Studiums und dann das Volontariat als »Krönung« - sei seit Jahrzehnten gleich, nur kaum realistisch, kämen doch auf einen freien Volontariatsplatz rund 50 Bewerbungen. Pflicht hingegen sei (meist) ein Studienabschluss, wobei die Fächer eher unwichtig, Politik, Geschichte und Germanistik allerdings üblich und sicher ganz praktisch seien (Dubowy 2001, S. 153 f.). Wo bleibt jetzt die Soziologie? Fällt sie einfach unter »eher unwichtig«? Keineswegs. So zeigen Josef Brüderl/ David Reimer unter Verweis auf die HIS-Studie von 1993: für Absolventen in Diplom-Studiengängen stellen kulturelle und journalistische Tätigkeiten mit 18 % - gegenüber Forschung und Wissenschaft mit 13 % - ein recht bedeutendes Feld dar (vgl. Brüderl/ Reimer 2002, S. 209). Für promovierte Soziologen kommt Jürgen Enders auf 6 % Tätigkeiten in der Kulturindustrie insgesamt (vgl. Enders 2002, S. 232). Nun sind Soziologieabsolventen in Zeitungsredaktionen womöglich nicht allzu häufig anzutreffen. Persönliche telefonische Stichproben in der NRW-Redaktion und in der Zentrale der taz etwa ergaben: Fast kein Befund in Düsseldorf 1 und jede Menge Germanisten, Politologen und Historiker in Berlin. Immerhin, Ex- 1 Dank an Dank an Christian Semler (Berlin) und Christoph Schurian (Düsseldorf ). Der NRW-Korrespondent der Bundes-taz und Ex-Redaktionsleiter der taz köln, Pascal Beucker 101 <?page no="101"?> taz-Chefredakteur Michael Rediske wurde in Sozialwissenschaften promoviert. Und der Redaktionsleiter der in die taz nord aufgegangenen taz hamburg, Sven Michael Veit belegte neben Politik Soziologie im Nebenfach (vgl. Schulte 2000). Ein prominenter Abbrecher: Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust schmiss mit 20 Jahren sein Soziologiestudium und ging zur konkret, später zu den St. Pauli Nachrichten, zum NDR und gründete dann Spiegel TV. Und Emma-Chefin Alice Schwarzer studierte von 1970 bis 1974 in Frankreich Psychologie und Soziologie nach einem Volontariat bei den Düsseldorfer Nachrichten. Auch inhaltlich ist ein Soziologiestudium von Belang. Zur nötigen journalistischen Sachkompetenz zählt neben dem Spezialwissen im jeweiligen Ressort das Orientierungswissen. Da geht es um die Fähigkeit Quellen aufzuspüren und zu lesen (in Archiven, Bibliotheken, Datenbanken), um Kenntnisse der Technik wissenschaftlichen Arbeitens und - nun konkreter: Kenntnisse sozialwissenschaftlicher Methoden. Kompetenzen in Soziologie, Politik, Ökonomie sind unerlässlich zur Einordnung des Spezialwissens in Zusammenhänge (vgl. Weischenberg u. a. 1994, S. 48 f.). Das Aufspüren gesellschaftlicher Zusammenhänge, das Einordnen von Geäußertem, Ereignissen etc. verbindet Soziologie und Journalismus durchaus. Ein Werk des Soziologen Norbert Elias heißt »Engagement und Distanzierung«. Das lässt sich gut ausleihen als Motto für einen verantwortungsbewussten Journalismus. Es geht aber auch anders: »Journalist in Deutschland wird«, meint Wiglaf Droste, »wer kein Deutsch kann - das ist seine Qualifikation, und zwar die einzige.« (taz, 21.04.06). Und wird nicht auch Soziologen traditionell gern nachgesagt, kein Deutsch zu schreiben, sondern so etwas wie »Soziologen-Chinesisch«? 1. Die Entwicklung des Berufsfeldes Den Printmedien geht es in den letzten Jahren schlecht, vor allem den Zeitungen. Falsche wirtschaftliche Erwartungen brachten »dramatische Einbrüche« auf dem Stellenanzeigenmarkt (vgl. Bausch 2003, S. 8). Bis 2001 finanzierten sich Zeitungen zu 70 % aus Anzeigeneinnahmen. Von 2000 bis 2002 fielen diese um 1,7 auf nur noch 4,9 Milliarden Euro jährlich (Kleinsteuber u. a. 2005, S. 46). Die Auflagen sanken, das führte zu steigenden Verkaufspreisen und zu weiter sinkenden Auflagen, lastet doch der ökonomische Druck auch auf den Käufern. Inzwischen scheint es eine Konsolidierung zu geben, aber »auf Kosten der Mitarbeiter« (ebda., studierte an der Fachhochschule Köln Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Politik (vgl. Schulte 2000). Soziologen im Printjournalismus 102 <?page no="102"?> S. 51). Zusätzlich zeigt sich die Globalisierung. So kauften 2005 angloamerikanische Investoren um den Medienunternehmer David Montgomery die Berliner Zeitung, um 20 % Umsatzrenditen zu erzielen, was nur bei größerem Personalabbau zu machen sein dürfte. Die Berufssituation ist also durch wachsenden ökonomischen Druck und Unsicherheit geprägt. Redaktionen werden geschlossen oder zusammengelegt, Stellen abgebaut, daraus folgen Verdichtungen der Arbeit, die Gefahr von Informationsverflachung, zu wenig Zeit zur vertiefenden Recherche usw. Wenn etwa eine eigentlich kritische Qualitätszeitung das Bild einer Demonstration vor dem Berliner Reichstag im Frühjahr 2006 untertitelt, hier zögen »junge Leute […] an einem gordischen Knoten« mit der Forderung »Föderalismusreform jetzt«, ohne zu erwähnen, dass es sich dabei um eine Aktion der omnipräsenten arbeitgebernahen »Initiative neue soziale Marktwirtschaft« handelt, gehört das wohl in diesen Zusammenhang. Seit der Jahrtausendwende kam es zu drastischen Stellenstreichungen, vor allem bei Tageszeitungen. Mitte 2003 waren ca. 7000 Journalisten (davon knapp 60 % mit Hochschulausbildung) arbeitslos gemeldet, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) schätzte aber die Dunkelziffer auf bis zu 10.000. Dagegen standen 417 Stellenangebote, davon im Osten nur 25 (ohne den Berliner Hauptstadteffekt). Laut Bundesagentur für Arbeit sind zwar Journalisten überproportional lange arbeitslos. Im Journalismus aber sind Uni-Absolventen deutlich weniger von Arbeitslosigkeit bedroht, als in anderen Bereichen (vgl. Bausch 2003, S. 18 ff. u. 28 ff.). Für Freie, also nicht Festangestellte, bedeutet all das einen erschwerten Zugang zu Aufträgen, gerade für Anfänger. So werden Budgets in den Redaktionen gedeckelt oder gekürzt, Zeilenhonorare (können) sinken, es wird insgesamt schwieriger, Texte unterzubringen. Zugleich dürfte die Zahl der Freien gestiegen sein. Das belegen Daten zur Inanspruchnahme von Fördermitteln zur Gründung von Journalisten- und Pressebüros für 2003 (vgl. ebda., S. 31). Trotz ihrer finanziell prekären Lage - meist liegen die Verdienste nur bei 20.000 Euro im Jahr - vor allem im Printjournalismus, hat die Bremer Sozialwissenschaftlerin Sigrid Betzelt aktuell in einer Studie bei den meisten Befragten »eine hohe innere Motivation« und starke Berufs-Identifikation festgestellt. So würden entstandene Bindungen und die »Befriedigung durch die Arbeit« oft subjektiv höher bewertet als der Verdienst (vgl. Gesterkamp 2006). 2 2 Dank an Sigrid Betzelt für die Zusendung der Studie »Flexible Wissensarbeit: AlleindienstleisterInnen zwischen Privileg und Prekarität«. 1. Die Entwicklung des Berufsfeldes 103 <?page no="103"?> In schwierigen Zeiten kommt es bei Zeitungen häufiger zu »Relaunches«, d. h., das Erscheinungsbild wird verändert, um, so die Begründung, neuen Sehgewohnheiten gerecht zu werden. Das bedeutet im Kern: die Bilder werden größer, die Texte kürzer. Es geht hier also immer auch ums Sparen, sinkt so doch das aufzuwendende Zeilenhonorar, während die Honorare für Bilder unabhängig von ihrer Größe sind. Ein anderer Versuch, (vermeintlich) neuen Lesegewohnheiten zu folgen, dem möglichst raschen Lesen im Stehen, sind Formatveränderungen, so ins »handliche« Tabloid. Zeitungsverlage betreiben auch vermehrt Nebengeschäfte und geben preiswerte Buch-, Lexikon-, Comic- oder DVD-Reihen heraus. Eine neue Konkurrenz sind die sogenannten Blogger, Amateur-Publizisten im Internet. Inzwischen versuchen viele Blätter, sich dies in eigenen Internetforen zunutze und ihre Leser zu Autoren und Lieferanten zu machen. Diese Einebnung der Differenz von Profis und Laien verfolgt auch eine neue Art der Leser-Blatt- Bindung, die traditionell durch Leserbriefe oder Straßenumfragen mit Fotos der Befragten hergestellt worden ist. Überhaupt gibt es »vielfältige Differenzierungen im Tätigkeitsprofil« und »Dekonturierungen im Hinblick auf« Technik, »Unterhaltung, Werbung und Public Relations« (Kleinsteuber u. a. 2005, S. 48 f.). Dazu zählen in umgekehrter Richtung auch massive Versuche, die Trennung zwischen redaktionellem und Anzeigenteil zu unterlaufen: So bieten in den letzten Jahren PR-Abteilungen von Firmen Redaktionen verstärkt per E-Mail »Artikel« zum honorarfreien Abdruck an. Zugleich wird in der allgemeinen Krise PR für Unternehmen, Verbände usw. als Chance für Journalisten dargestellt, ebenso der Boom des Corporate-Publishing, von Kunden- oder Mitarbeiterzeitschriften (vgl. Mast 2004, S. 109, Bausch 2003, S. 37 ff.). Da kommt es nicht von ungefähr, wenn die Journalistenvereinigung »Netzwerk Recherche« (NR) in ihrem zehn Punkte umfassenden neuen Medienkodex betont: »Journalisten machen keine PR« (www.netzwerkrecherche.de/ docs/ nr-medienkodex.pdf ). Das NR versteht sich als politisch unabhängiger und gemeinnütziger Verband und arbeitet, auch international, mit anderen Journalisten-Organisationen und Gewerkschaften zusammen. »Journalisten«, heißt es u. a. im Medienkodex, »berichten unabhängig, sorgfältig, umfassend und wahrhaftig. Sie achten die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte«. Sie »recherchieren, gewichten und veröffentlichen nach dem Grundsatz ›Sicherheit vor Schnelligkeit‹«, arbeiten handwerklich sauber, »verpflichten sich zur sorgfältigen Kontrolle ihrer Arbeit« und »verzichten auf jegliche Vorteilsnahme«. Diese Leitlinien reagieren auf die beschriebenen Gefährdungen von Unabhängigkeit und Qualität des Journalismus (ebd.). »Das Medium ist die Botschaft«, lautet der berühmte Satz Marshall McLuhans, und zwar »in seiner Funktion und praktischen Anwendung« (McLuhan 1995, Soziologen im Printjournalismus 104 <?page no="104"?> S. 21). Man könnte auch sagen: Den Medien ist’s egal. Der Verlauf der Themenkonjunkturen in der Mediengesellschaft zeigt das. Es ist, in McLuhans Worten, »vollkommen gleichgültig«, was zum Medien-Hype wird: die Wahl eines »deutschen Papstes« oder die Vogelgrippe, der Tsunami oder die »überraschende« Tatsache, dass es im Winter kalt ist und schneien kann (so Anfang 2006); und manchmal sogar ein rassistischer Mordanschlag. Ein Hype folgt dem anderen und lässt seinen Vorgänger sofort verschwinden. Und eigentlich kommt niemand daran vorbei. Natürlich entstehen Wechselwirkungen zwischen Medien, öffentlicher Meinung und Politik. So ergab eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen: Nach Ansicht der Deutschen ist die Zahl der Morde von 1993 bis 2003 um 27 %, die der Sexualmorde gar um 260 % gestiegen. Tatsächlich gingen sie um 25 bzw. 37 % zurück; das gilt ebenso für Sexualmorde an Kindern (vgl. Frankfurter Rundschau, 10.05.06). Zugleich sind seit 1998 die einschlägigen Strafgesetze verschärft worden. Dass beide Befunde stark mit der Präsenz des Themas »Kriminalität« in den Medien zusammenhängen, ist wohl eindeutig: Besonders im Fernsehen - Radio und Fernsehen werden mit täglich 165 Minuten noch immer am meisten genutzt -, aber auch in Zeitungen - deren tägliche Lektüre ist seit 1990 mit 28 Minuten leicht rückgängig (vgl. EPD, 17.05.06). Und das weit über den Boulevard hinaus. Umgekehrt wirken öffentliche Meinung und (partei-)politische Diskurse auf die mediale Darstellung ein. Das zeigt die Karriere des Begriffs »Parallelgesellschaft«. Ursprünglich soziologisch als Resultat wechselseitiger Prozesse von Mehrheitsgesellschaft und eingewanderter Minderheit eingeführt, wird er in der Politik flugs zur alleinigen Abschottungsmentalität von Migranten verkürzt und instrumentalisiert und so auch meist in den Massenmedien übernommen. Das alles heißt aber nicht, hierin zwingend unabänderliche Prozesse zu sehen. Auch weiterhin gibt es engagierten und aufklärerischen Journalismus, der die Verantwortung der eigenen Arbeit reflektiert, werden Themen, die in den medialen Konjunkturen untergehen, gesammelt und veröffentlicht. So von der 1997 gegründeten »Initiative Nachrichtenaufklärung«, die jährlich die zehn wichtigsten vernachlässigten Themen und Nachrichten vorstellt. Top-Thema 2005 war hier »Korruptionsbekämpfung durch die UNO ohne Beteiligung Deutschlands«. Daneben u. a. der »Pestizid-Bumerang«: in Deutschland verbotene, aber legal exportierte Gifte kommen in Obst und Gemüse zurück. Vorschläge können Medienschaffende, politische, gesellschaftliche oder wissenschaftliche Institutionen und Bürger machen. Sie werden von studentischen Rechercheseminaren geprüft und einer Jury aus Journalismus und Wissenschaft vorgelegt (www.nachrichtenaufklaerung.de). Nach wie vor fehlt es an Geschlechtergerechtigkeit im Journalismus. 1994 lag der Frauenanteil insgesamt bei 31 % (39 % im Osten), seitdem stieg die Zahl von Frauen in allen journalistischen Ausbildungsformen (Ausnahme: Tageszeitungen) 1. Die Entwicklung des Berufsfeldes 105 <?page no="105"?> deutlich. In Chefredaktionen und anderen Führungspositionen aber lag ihr Anteil, trotz meist besserer Ausbildung, maximal bei 20 bis 30 % (vgl. Weischenberg u. a. 1994, S. 46; Pater 1994, S. 192). Inzwischen ist der Anteil von Journalistinnen auf 47 % gestiegen, wobei jüngere Frauen stärker vertreten sind als Frauen über 45 Jahren (vgl. Schwenk 2006, S. 266). Noch immer »existiert eine ›gläserne Decke‹, die Frauen«, trotz bester Qualifikationen und Motivation, »den Weg zu gehobenen Positionen und […] Einkommensgruppen häufig versperrt«; hier liegt ihr Anteil bei ca. 33 %. Mehr als 5000 Euro brutto verdient jeder vierte Journalist, aber nur jede zehnte Journalistin bei hauptberuflicher Tätigkeit (vgl. ebda., S. 269). Vor gut einem Jahrzehnt war von männlich dominierten Ritualen und Routinen - das Ansprechen immer wieder derselben Quellen, die stereotype Einordnung von Ereignissen nach bloß formalen Merkmalen, der Aufenthalt in spezifischen Presseräumen bei Veranstaltungen - die Rede (vgl. Pater 1994, S. 198 f.). Inwieweit der gestiegene Frauenanteil atmosphärisch etwas verändert hat, bleibt zu diskutieren. So erfolgen die Ressortverteilungen noch immer gemäß der Rollenklischees, sind mehr als 60 % Frauen in den sogenannten weichen Ressorts - Soziales, Familie, Ratgeber - anzutreffen, ebenso viele Männer in sogenannten harten - Wirtschaft, Sport, Technik (vgl. Schwenk 2006, S. 268). Zudem stellte Monika Pater bei Freien fest, dass Frauen (Anteil damals rund 33 %) überwiegend als »Bettkantenjournalisten« arbeiteten, also von zu Hause aus Beruf und Familie unter einen Hut bringen mussten, während Männer in Journalistenbüros wirkten. Immerhin: Nach einer Umfrage der IG Medien sollen 1992 freie Journalistinnen im Wesentlichen den gleichen Verdienst wie ihre männlichen Kollegen gehabt haben (vgl. Pater 1994, S. 201 f.). Nach neueren Zahlen verdienen Frauen (sie stellen heute 43 % aller Freien in publizistisch-künstlerischen Berufen) zwischen 25 % (lt. Künstlersozialkasse) und 10 % weniger (Branchenstudien zur deutschen Medienindustrie für 1997) als Männer. Eine Ungleichheit, die aber tendenziell schwächer ausfalle, als gesamtwirtschaftlich, so Betzelt. Ebenso müsse geschlechterübergreifend der größere Einfluss von Region, Lebensalter und Berufserfahrung aufs Einkommen berücksichtigt werden (vgl. Betzelt 2006, S. 21 f.). 2. Das Einkommen Anfang 2003 zählte der DJV in Deutschland ca. 38.000 fest angestellte Journalisten in den Medien (nicht mitgezählt sind hier die rund 7000 Journalisten in den Pressestellen von Behörden, Firmen etc.), davon ca. 14.000 bei Tageszeitungen, fast zwei Drittel bei den rund 80 größten Blättern mit über 100.000 Auflage, der Soziologen im Printjournalismus 106 <?page no="106"?> Rest bei den ca. 300 mittleren und kleinen. Zeitungen bieten auch die meisten Ausbildungsplätze, im Schnitt ca. 1300 (vgl. Mast 2004, S. 106). Journalismus wird betrieben in Festanstellung - von Redakteuren, leitenden Redakteuren (den Ressortleitern), Chefredakteuren (sie sind verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes) und ihren Stellvertretern, sowie, für die zweijährige Ausbildungszeit, von Volontären - und in freier Mitarbeit. Letzteres gilt es zu differenzieren, auch wenn die Grenzen oft fließend sind. So gibt es arbeitnehmerähnliche feste Freie: Korrespondenten, Pauschalisten. Sie sind von ihrem Arbeitgeber finanziell abhängig, da sie mindestens ein Drittel ihres Einkommens bei ihm erzielen, fest eingebunden, weil sie feste Teile der Zeitung in eigener Verantwortung erstellen oder ständig verfügbar sein müssen. Dafür haben sie Anspruch auf Urlaub und Kündigungsschutz und werden pauschal bezahlt (s. u.). Tatsächliche Freie dagegen haben einen Selbstständigenstatus, arbeiten für (möglichst) viele Auftraggeber, werden pro Auftrag bezahlt und sind nicht weisungsgebunden. Für 2004 schätzte der DJV die Zahl der hauptberuflichen Freien in Deutschland (für alle Medien) auf ca. 22.500. Dazu gibt es mutmaßlich doppelt so viele nebenberufliche Freie (vgl. Mast 2004, S. 111). Das Gehalt der Festangestellten wird nach zwischen den Gewerkschaften und den Verlegerverbänden ausgehandelten Tarifverträgen bezahlt. Wie diese im Einzelnen dotiert sind, listet mediafon.net für die Gewerkschaft ver.di bzw. die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) auf. Volontäre erhalten demnach seit dem 1. Juni 2004 im ersten Ausbildungsjahr 1484 Euro, wenn sie unter 22 und 1646 Euro, wenn sie über 22 Jahre alt sind. In der Gehaltsgruppe II verdienen Redakteure im ersten/ zweiten Berufsjahr 2801, im siebten bis zehnten Berufsjahr (Gehaltsgruppe III) 3900 Euro. Alleinredakteuren (IV) stehen nach drei Jahren 3511, nach zehn Jahren 4561 Euro zu. Redakteuren in besonderer Stellung (V) erhalten 4616, nach 15 Jahren 4974 Euro (vgl. www.mediafon.net). Für feste Freie gibt es Zeilenhonorar nach Tarifen. Die richten sich nach der Auflagenhöhe des Blattes, der Art des Textes und danach, ob es sich um einen Erst- oder Zweitdruck handelt. So sollen seit dem 1. Juni 2004 für Nachrichten und Berichte etwa bei Auflagen über 100.000 Stück 92 Cent (Erstdruck) bzw. 69 Cent (Zweitdruck) pro Zeile gezahlt werden, für Reportagen, Glossen, Kolumnen usw. 126 bzw. 97 Cent (ebd.) Das Honorar wird pauschal bezahlt, z. B. für vertraglich festgelegte 1000 Zeilen pro Monat. Anders bei freier Arbeit: Tarifverträge sind für freie Berufe kartellrechtlich verboten. Und Mindesthonorare, wie sie etwa die Gebührenordnung bei Anwälten regeln, sind im Journalismus unbekannt. So wird das Honorar frei ausgehandelt - was aber meist heißt, dass der Auftraggeber, also die Zeitung oder Zeitschrift, die Preise festlegt. Die richten sich nach der ökonomischen Situation, Verbreitung 2. Das Einkommen 107 <?page no="107"?> und Auflagenhöhe des Blattes, ebenso nach dem hohen Konkurrenzdruck in diesen freien Berufen (Buchholz 1998, S. 136). Zwar bedeutet Handeln auch: »Freie könnten sehr oft mehr bekommen - wenn sie denn mehr verlangen würden« (ebda, S. 136). Nur, zumindest Anfänger dürften es hier oft sehr schwer haben. Wer für ein Lokalblatt über eine Vernissage oder ein Vereins-Jubiläum berichten soll und das avisierte Honorar ablehnt, ist rasch ersetzbar. Und wer einer überregionalen Zeitung einen fertigen Artikel, oft ohne Abdruckgarantie, zusenden darf, ist froh, überhaupt gedruckt zu werden. Freie müssen, wenn sie davon leben wollen, mit hoher hauptberuflicher Intensität arbeiten. Nach den Empfehlungen von ver.di und dju sollten sie das generell auf Basis von Tagessätzen (310 Euro) tun, bei kleineren bzw. kleinen Arbeiten zu Halbtagessätzen (160 Euro) bzw. Stundensätzen (50 Euro). Die Kluft zwischen solchen Empfehlungen und den marktüblichen Honoraren zeigt ein immer wieder gern zitiertes Urteil des Amtsgerichts Hamburg. Das hatte das Zeilengeld eines Stadtmagazins »von 50 Pfennig rechtskräftig als ›lächerlich‹« und zwei bis drei DM als angemessen bezeichnet (Buchholz 1998, S.138). Was Freien bei Zeitungen und Zeitschriften aktuell angeboten wird, listet ebenfalls mediafon.net auf (Stand 19. April 2006). So für die Lokalpresse: Die Aachener Zeitung (Außenredaktion) zahlt 20, die Marburger Neue Zeitung (Lokales) zehn Cent pro Zeile. Überregionale Tageszeitungen zahlen etwa so: die Welt 85, die Süddeutsche Zeitung (Berichte, Reportagen) 128, die Frankfurter Rundschau 89, die taz 60 Cent pro Zeile (120 sind möglich; die Regionalausgaben Berlin und NRW zahlen 34 bzw. 26 Cent). Die Wochenzeitung Freitag zahlt 62 Cent. Bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wären pro Zeile 155 Cent zu verdienen. Die Magazine Spiegel und Stern zahlen 400 bzw. 600 Euro pro Seite. Anders wieder das Bonner Stadtmagazin Schnüss oder die queere Berliner Siegessäule: hier gibt es einen bzw. 1,5 Cent, allerdings pro Zeichen. Bares Geld gibt es auch von anderer Stelle: Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) nimmt die Urheberrechte von Autoren journalistischer (ebenso wissenschaftlicher und belletristischer) Texte wahr. Weil deren geistiges Eigentum ganz legal per Fotokopie, Scannen etc. massenhaft vervielfältigt wird, zahlen Hersteller von Aufzeichnungsgeräten und Speichermedien eine pauschale Vergütung dafür an die VG Wort. Die wiederum schüttet die Vergütung jährlich per Scheck aus. Um diesen zu erhalten - der Betrag richtet sich u. a. nach der Höhe der Anschläge (mindestens 10.000) pro Jahr und der Verbreitung der Artikel -, schließt man einen »Wahrnehmervertrag« mit der VG Wort ab und meldet die Artikel am Jahresende im »Presserepro«. Das geschieht inzwischen online. Freie in publizistischen und künstlerischen Berufen können sich über die Künstlersozialkasse kranken- und rentenversichern. Dazu müssen sie hauptberuf- Soziologen im Printjournalismus 108 <?page no="108"?> lich regelmäßig für mehrere Auftraggeber arbeiten und ein Mindesteinkommen nachweisen. Anders als andere Selbstständige zahlen KSK-Mitglieder nur die Hälfte der Beiträge. Sie sind aber nicht arbeitslosenversichert. 3. Zuständigkeiten und Tätigkeiten Die unterschiedlichen Beschäftigungsformen wurden bereits erwähnt: Freie, feste Freie, Festangestellte. Bei der Chefredaktion liegt die Gesamtleitung des Blattes, sie übernimmt Führungs-, Repräsentations- und Organisationsaufgaben. Chefredakteure schreiben relativ selten selbst, wenn, dann zumeist Leitartikel. Ihnen wird ein hohes Maß an Verantwortung und Autonomie zugeschrieben; allerdings haben sie oft Entscheidungsträger über sich (Verlags- und Geschäftsleitungen, Herausgeber). Es folgen die jeweils für ihren Bereich verantwortlichen und abgestuft autonomen Ressortleiter sowie die einzelnen Redakteure in den Ressorts mit ihren speziellen thematischen Kompetenzen (z. B. für Film oder Sachliteratur im Ressort Kultur). Redakteure in den Lokalressorts sollen dagegen über generalistische Kompetenzen verfügen. Außerhalb der Redaktion arbeiten Reporter und die Leiter der Außen-Büros, so in Berlin, wo alle überregionalen Blätter präsent sein müssen. Unverzichtbar sind Fotoredaktionen, grafische (Werbegrafik usw.) und technische Ressorts, vor allem in der Produktion (Layout und Steuerung) und der Datenverarbeitung. Eine wesentliche Rolle spielt der Chef bzw. die Chefin vom Dienst (CvD). Er oder sie ist zuständig für die Seite eins, die Nachrichten, die Einhaltung der Termine und die Koordination zwischen den einzelnen Ressorts, für die Blattkritik am nächsten Tag, hält Kontakt zu Vertrieb, Anzeigenabteilung und Druckerei, sorgt für die Sonntagsdienstpläne, betreut Praktikanten. Um rechtzeitig für den Druck vorbereitet, korrigiert, redigiert und ins Layout gegeben zu sein, müssen Texte zu einem festgelegten Zeitpunkt - dem Redaktionsschluss oder der Deadline - in der Redaktion sein. Dabei gilt es zwischen Wochenzeitungen, Zeitschriften, Magazinen und der Tagespresse zu differenzieren, bei Letzterer wieder zwischen überregionaler und lokaler Presse. Überregionale Blätter haben, wegen der weiten Vertriebswege, einen viel früheren allgemeinen Redaktionsschluss als lokale; das sieht man daran, dass über Fußballspiele, die erst nach 18 Uhr laufen, am nächsten Morgen überregional noch nichts zu finden ist. Zugleich ist der Redaktionsschluss nicht für alle Ressorts gleichzeitig. Aktuelle Nachrichten und Schlagzeilen auf den Seiten eins und zwei werden zuletzt bearbeitet (ebenso Sportereignisse, die rechtzeitig vor der allgemeinen Deadline been- 3. Zuständigkeiten und Tätigkeiten 109 <?page no="109"?> det sind), während etwa Artikel für Kultur oder die Medienseite deutlich früher »stehen« müssen. Die Deadlines verlaufen also, grob gesagt, zeitlich gestaffelt von hinten nach vorn. Zeitungen sind meist nach »Büchern« eingeteilt (müssen das aber nicht, wie z. B. bei der taz oder dem Freitag ersichtlich). Ein »Buch« besteht etwa aus zwei Bögen (vier Seiten), die einzelnen »Bücher« werden ineinander geschoben. Bei überregionalen Blättern teilt sich das in etwa so auf: Im ersten »Buch« finden sich Nachrichten, Aktuelles, Hintergründe, Kommentare, Inland, Ausland, im zweiten Wirtschaft, im dritten Kultur (Feuilleton), Medien, Sport, schließlich Regionales und Vermischtes. Bei der Lokalpresse befinden sich neben den Nachrichten, Hintergründen und Kommentaren auch Regionales, Wirtschaft und Medien im ersten »Buch«, meist Sport und Kultur im zweiten, es folgt Lokales. Den verschiedenen Rollen inner- und außerhalb der Redaktionen werden bei den je spezifischen Arbeitsabläufen unterschiedliche Grade der Formalisierung zugeschrieben. Diese sind bei Rollen mit technischen Aufgaben und »im Rahmen der Nachrichtenproduktion und -distribution recht hoch, bei Einzelredakteuren in den Ressorts mittel und bei Gesamt- und Ressortleitungen, sowie in Lokalredaktionen und bei Reportern gering« (vgl. Kleinsteuber 1994, S. 42 f.). Letzteres sollte aber nicht über das hohe Maß an Routineabläufen hinwegtäuschen, die den Arbeitsalltag prägen (oft auch notwendigerweise). 4. Notwendige Kompetenzen Grundlegend für den Journalismus ist zum einen die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte auf einem (häufig sehr) begrenzten Platz darzustellen und dabei informativ und treffend zu sein. Man muss zudem die bei der Recherche, also dem Sammeln aller relevanten Informationen für ein Thema, angefallenen Informationen gewichten können (denn nicht alles, was man gesammelt hat, kann man auch im Artikel verwenden, auch aus Gründen der Lesefreundlichkeit) und vor allem die Relevanz von Themen erkennen (auch abseits von Hypes). Das Ganze sollte dann angemessen präsentiert werden, dazu in unterschiedlichen Formen: Nachrichten, Berichten, Kommentaren, Glossen, Reportagen oder Features, wobei die Grenzen manchmal fließend sind und Interpretationen und politische Richtungen deutlich werden (können). Die im jeweiligen Ressort vorhandene Sachkompetenz, das spezielle Wissen etwa im Sport, in der Kultur oder in der Lokalpolitik sind selbstverständlich. Derartiges Wissen aus mehreren Ressorts ist sicher sehr vorteilhaft und auch öfter vor- Soziologen im Printjournalismus 110 <?page no="110"?> handen. Die Arbeit in Lokalredaktionen dürfte es wegen ihrer thematischen Bandbreite oft erleichtern, den Einstieg und einen eigenen Schwerpunkt zu finden. Zum »Handwerk« gehört ebenso das Redigieren, also die Korrektur und Bearbeitung von Texten anderer, um sie zur Veröffentlichung vorzubereiten. Dazu zählt auch (vermeintlich) bessere Formulierungen zu finden, möglicherweise Texte zu kürzen (ohne den Inhalt zu verändern) und (vermeintlich) bessere Titel und Untertitel zu formulieren. Das Beherrschen von Layout-Programmen und -techniken ist hierbei zwar keine zwingende Voraussetzung, aber sicher von Vorteil. Zu den notwendigen technischen und organisatorischen Fertigkeiten gehören: die Handhabung der inzwischen völlig computerisierten Bereiche der Produktion einerseits und andererseits die Planung, Festlegung und Koordination der einzelnen Arbeitsschritte. Man muss zudem (auch jeweils aktuell) Schwerpunkte setzen, eigene Redaktionskonzepte und »Handschriften« entwerfen sowie thematische Exklusivität schaffen. In der Literatur wird zudem immer wieder die Notwendigkeit journalistischen bzw. medienwissenschaftlichen Fachwissens betont, dazu gehören Kenntnisse in Medienpolitik, -ökonomie, -recht, -geschichte und -technik (vgl. Weischenberg u. a. 1994, S. 49; Mast 2004, S. 115 f.). Was schon gar nicht fehlen darf, sind die »berühmten Drei«: Flexibilität, Stresstoleranz und Schnelligkeit. Eigentlich steigen die Anforderungen an die Kompetenzen (v. a. auch die Sachkompetenz) stetig. Ökonomischer Druck und neue Technologien aber führen oft zu einem Sich-Verlassen auf Internet-Suchmaschinen anstelle von breiter Recherche, dazu, dass Zusammenhänge aus dem Blick geraten. Wer etwa über die Bundeswehr in Afghanistan schreibt, sollte nicht nur von der Teilnahme an der ISAF-Friedenstruppe, sondern auch vom streng geheimen Kampfeinsatz des »Kommandos Spezial-Kräfte« wissen. Derartiges zu beachten, hat mit politischen Einstellungen erst einmal gar nichts zu tun, sondern schlicht mit journalistischem Handwerk, ebenso mit der Fähigkeit, die journalistische Rolle und Wirkung, die Arbeitsbedingungen und das Selbstverständniss, kritisch zu reflektieren, kurz: mit den anfangs genannten sozialwissenschaftlichen Kompetenzen. Zumal diese nicht zuletzt einen anderen Blick ermöglichen können (wenn auch nicht müssen). 5. Weg in den Journalismus Als Einstieg immer empfehlenswert ist ein redaktionelles Praktikum. Es dauert i. d. R. maximal acht Wochen und ist oft unbezahlt - abgesehen vom Zeilenhonorar für die in dieser Zeit verfassten Artikel. Manche Zeitung zahlt aber auch eine Aufwandsentschädigung, so die Süddeutsche Zeitung (vgl. www.planet-praktika.de). 5. Weg in den Journalismus 111 <?page no="111"?> Das Praktikum verschafft einen Einblick in die tägliche Produktion: die Arbeit in der Redaktion, von Routineaufgaben wie Postsichtung usw. über die regelmäßigen Redaktionskonferenzen, die Recherche, das Schreiben von Texten unterschiedlicher Formate - Kurzmeldungen, Artikel, Reportagen -, das Redigieren von Texten, Layout u. v. m. Wichtig ist es, bei Bewerbungen stets Arbeitsproben vorzulegen. Eine gewisse Erfahrung in freier Mitarbeit bei Tageszeitungen, Stadtmagazinen, aber auch Uni- und AStA- Zeitungen, Initiativ-Zeitschriften etc. ist schon nötig, um bereits vorhandene Kompetenzen nachzuweisen. Stadtmagazine oder -illustrierte bieten sich für ein Praktikum traditionell an, da hier wegen der relativen Überschaubarkeit der einzelnen Redaktionen umfassende Einblicke gewonnen werden können und das Hierarchiegefälle i. d. R. nicht so groß ausfällt (23 Stadtmagazine in der gesamten Republik listet www.szeneconnection.de auf ). Praktika bieten aber oft auch Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen an. In den Praktikumsbüros (oder ähnlichen Einrichtungen) der Institute für Soziologie lassen sich Adressen von Anbietern erfahren. Sie finden sich, nebst weiterführenden Informationen, ebenso bei planet-praktika.de. Und schließlich sei noch auf den »PraktikumsKnigge« verwiesen, der »alle relevanten Informationen« zu Praktika, Interviews mit »29 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften« und 20 Seiten »Spezial zu Medien und PR« bietet (Nöhmaier/ Keller 2005). Für das zweijährige Volontariat - ihm werden traditionell die besten Berufseinstiegschancen nachgesagt - ist bereits gesammelte, möglichst umfangreiche Praxiserfahrung notwendig. Im Volontariat soll das journalistische Handwerk von Grund auf erlernt werden, dazu werden die verschiedenen Ressorts durchlaufen. Dem schließen sich theoretische Ergänzungskurse an. Freie Plätze aber sind, wie eingangs erwähnt, überaus schwer zu bekommen. Die Redaktionen können sich ihre Auszubildenden aussuchen und oft vor der Anstellung in Praktika, Hospitanzen und freier Mitarbeit auf »Tauglichkeit« überprüfen (vgl. Dubovy 2001, S. 154). Journalistenschulen und Studiengänge werden als Alternativen gehandelt. Allerdings sind kommunikationswissenschaftliche Studiengänge meist ohne Praxisbezug und die Plätze an Journalistenschulen begrenzt (vgl. ebda.). So garantieren inzwischen selbst »Eliteausbildungen« keine Festanstellung mehr, ist »[s]elbst eine einst so zukunftsträchtige Spezialausbildung wie ›Online-Journalismus‹« im Zeichen der Branchenkrise meist eingestellt worden (Bausch 2003, S. 33 f.). Nähere Informationen zu Lehrangeboten, Zulassungsvoraussetzungen, Schwerpunkten, Studien- und Prüfungsordnungen in den Fächern Journalistik, Publizistik, Kommunikations- und Medienwissenschaften an 70 Hochschulen sowie an ca. 140 weiteren Einrichtungen zur Aus- und Fortbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz liefert der »Studienführer Journalismus, Medien, Kom- Soziologen im Printjournalismus 112 <?page no="112"?> munikation« (Hömberg/ Hackel-de Latour 2005). Hinweise zu Zugängen, Berufsfeldern und Laufbahnentwicklungen geben auch die NRW-Initiativen »Ausbildung in Medienberufen« (AIM) und »Medien-Informations-Archiv« (MIA) in Köln, getragen von der Arbeitsagentur, Gewerkschaften, der IHK, dem WDR u. a. (www.aim-mia.de). Auch das »Netzwerk Recherche« bietet Seminare, Ausbildungskonzepte und Beratung für Aus- und Weiterbildungsinstitute an. Wichtig ist es in jedem Fall, sich frühzeitig ein Informationsnetz zuzulegen, also sich in die Presseverteiler von Initiativen, Organisationen und Institutionen aufnehmen zu lassen, um von diesen regelmäßig per E-mail (Fax-Meldungen sind fast ausgestorben, können aber mitunter noch vorkommen) oder Post mit den neuesten Meldungen versorgt zu werden. Anmelden dazu kann man sich auf den Internetseiten von Organisationen unter den Rubriken »Presse« oder »Kontakt«. Mindestens ebenso nützlich ist natürlich persönliche Kontakte zu Berufskollegen zu knüpfen, um sich über Erfahrungen mit Auftraggebern oder Institutionen, aktuelle Entwicklungen in der Branche auszutauschen oder sich gegenseitig auf Themen aufmerksam zu machen. Gelegenheiten dazu gibt es bei Stammtischen, wie sie die Fachgewerkschaften lokal anbieten, Fortbildungen und Tagungen, aber auch am Rande von Pressekonferenzen. Und: Es kann nicht schaden, zu Pressekonferenzen und -terminen, Sitzungen politischer Gremien usw. auch dann zu gehen, wenn man nichts darüber schreiben wird, um sich bei Pressesprechern, -beauftragten und sonstigen Zuständigen bekannt zu machen und Hintergrundwissen anzueignen. 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Gesterkamp, Thomas (2006): Hohe innere Motivation. Sein eigener Herr sein mit geringerem Verdienst. Interview mit Sigrid Betzelt, in: M - Menschen machen Medien. Medienpolitische verdi-Zeitschrift, Nr. 5. Hömberg, Walter/ Hackel-de Latour, Renate (Hg.) (2005 3 ): Studienführer Journalismus, Medien, Kommunikation, Konstanz. Schwenk, Johanna (2006): Berufsfeld Journalismus. Aktuelle Befunde zur beruflichen Situation und Karriere von Frauen und Männern im Journalismus, München. Weischenberg, Siegfried (1995): Journalistik Bd. II: Medientechnik, Medienfunktionen, Medienakteure, Opladen. Weischenberg, Siegfried u. a. (1994): Die Zukunft des Journalismus. Technologische, ökonomische und redaktionelle Trends, Opladen. 6. Tipps zum Weiterlesen 113 <?page no="113"?> Internetseiten: KoordinationsCentrum Ausbildung in Medienberufen: www.aim-mia.de Ratgeber Frei - Kunst und Medien: http: / / www.goetzbuchholz.de/ freieakt.htm Netzwerk Recherche: www.netzwerkrecherche.de Mediafon, Service der Gewerkschaft ver.di für Selbstständige: www.mediafon.net Plantepraktika - Service für Praktikanten: www.planet-praktika.de Soziologen im Printjournalismus 114 <?page no="114"?> Sonja Vollmer Mit präziser Technik und Kreativität ein Bild gestalten - Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 1. Öffentlichkeitsarbeit: Eine Standortbestimmung Ein Artikel über Public Relations muss zwingend mit einer Standortbestimmung dieses nach wie vor sehr heterogenen Berufsfeldes beginnen: Es finden sich zum einen zahllose Begriffe und Funktionsbezeichnungen, zum anderen gibt es häufig diffuse Vorstellungen über die Aufgaben und Rollen, übrigens innerhalb der Berufsgruppe ebenso wie außerhalb. Insofern lassen sich hier bereits einige Gemeinsamkeiten zum Studium der Soziologie finden. Auch Soziologen werden oft mit der Frage konfrontiert: Soziologie - was macht man denn da? Der folgende Abschnitt definiert das Tätigkeitsfeld mit seinen Inhalten in der Berufspraxis und beleuchtet den Stellenwert und die Rolle der Public Relations in verschiedenen Organisationszusammenhängen. Definition und Begriffe Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations, Kommunikationsmanagement, Unternehmenskommunikation, Corporate Communications: So lauten nur einige der Funktionsbezeichnungen, die man nicht nur in der Praxisliteratur, sondern auch in einschlägigen Stellenanzeigen findet. Diese Vielfalt an Bezeichnungen - nachgewiesen wurden in den USA stattliche 427 verschiedene Definitionen (Brauer 2006, S. 37) - ist Ausdruck eines heterogenen Berufsverständnisses (vgl. Bentele et. al. 2005, S. 95). Nachfolgend werden deshalb die Begriffe Public Relations bzw. PR verwendet. Weniger schmeichelnd findet man ab und an auch diese Bezeichnungen: »PR-Fuzzi«, »Pressemensch« oder gar »Pres- 115 <?page no="115"?> setante«. Dies alles ist Ausdruck eines sehr differenzierten und noch jungen Berufsfeldes, das auf der Suche nach einer eigenen Identität mittlerweile weit fortgeschritten ist, sich aber noch immer in diesem Prozess befindet. Der wissenschaftliche Diskurs und die theoretische Fundierung der Public Relations begannen erst in den 1980er-Jahren. Die praktischen Ursprünge der Public Relations werden in Nordamerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermutet. Industrielle Großunternehmen wie Ford oder General Motors bemühten sich um bessere Beziehungen zur politischen Elite und engagierten dafür erstmals eigene Mitarbeiter. Carl Hundhausen führte schließlich in den 1930er-Jahren mit einem Zeitschriftenaufsatz über einen Werbekongress amerikanischer Banken erstmals den Begriff Public Relations in den deutschen Sprachraum ein. Nach dem zweiten Weltkrieg prägte hierzulande vor allem Albert Oeckl das Verständnis und die Notwendigkeit von »Öffentlichkeitsarbeit«. In seinem 1964 erschienenen Handbuch Öffentlichkeitsarbeit stellte er 15 Thesen zu den Inhalten und Aufgaben der PR auf, die bis heute deren Selbstverständnis prägen. An der differenzierten Berufsgeschichte interessierte Leser finden in den Werken von Bentele et. al. (2005) und Brauer (2006) weiterführende Informationen. Public Relations genießen ein »ambivalentes Image« (Hanstein 2004, S. 9). In der Öffentlichkeit herrschen diffuse Vorstellungen darüber, worum es in der PR eigentlich geht: Viele verbinden PR mit Eigenwerbung und publicity-süchtigen Auftritten von kungelnden Möchtegern-Stars oder sehen PR schlichtweg als eine andere Art der Werbung. Nachfolgend seien einige Definitionen angeführt, die für klarere Konturen sorgen. Bentele et. al. unterscheiden Definitionen aus der Alltagsperspektive, der Berufs- und Berufsfeldperspektive und der wissenschaftlichen Perspektive (Bentele et.al. 2005, S. 97). Um jedoch ein Bild dieses heterogenen Berufsfeldes zu gewinnen sollen die Definitionen, die im praktischen Kern ein klareres Bild vermitteln, gleichberechtigt nebeneinander stehen: • »Public Relations is part of the management of communication between an organization an ist publics.« (Grunig/ Hunt 1984, S. 6) • »Public Relations ist die Unterrichtung der Öffentlichkeit (oder ihrer Teile) über sich selbst mit dem Ziel, um Vertrauen zu werben.« (Hundhausen 1951, S. 53) • »Public Relations, kurz PR sind die Pflege und Förderung der Beziehungen eines Unternehmens, einer Organisation oder Institution zu Öffentlichkeit; sie sind eine unternehmerische Führungsfunktion.« (DPRG 1988, S. 2) • »Öffentlichkeitsarbeit ist das Management von Kommunikationsprozessen für Organisationen und Personen mit deren Bezugsgruppen« (DPRG 1990, S. 28) Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 116 <?page no="116"?> • »PR ist ein Prozess intentionaler und kontingenter Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten durch Erzeugung und Befestigung von Images in der Öffentlichkeit.« (Merten 1992, S. 44) Zusammenfassend lassen sich folgende Gemeinsamkeiten festhalten: Public Relations ist eine Kommunikationsaufgabe, deren Ziel darin besteht, ein bestimmtes Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu verankern. Der Weg dazu führt über die relevanten Dialoggruppen, d. h. die wichtigen Meinungsbildner. In der Praxis sind Journalisten bzw. Medien die wichtigsten Dialoggruppen für PR- Schaffende, weshalb die klassische Pressearbeit häufig den Großteil des PR-Alltags bestimmt (Bentele 2005, S. 102). Robert Deg bringt diesen Aspekt auf den Punkt: »Erfolgreiche Public Relations ist, wenn man am Ende in der Zeitung steht« (Deg 2006, S. 17). Der allumfassende Begriff »Öffentlichkeit« beinhaltet jedoch noch weitere wichtige Multiplikatoren oder Meinungsbildner, die für die jeweilige Branche, Institution oder das Unternehmen relevant sein können: Vertreter von Fachverbänden, Politiker, im jeweiligen Umfeld anerkannte Experten etc. Nahe Verwandte: Werbung, Marketing und das Verhältnis zum Journalismus Die vorausgegangene Beschreibung legt möglicherweise den Eindruck nahe, bei Public Relations handele es sich um »Werbung mit anderen, raffinierteren Mitteln« (Bentele et.al. 2005, S. 97). Auf diese Aussage reagiert jeder PR-Schaffende jedoch geradezu allergisch. Werbung möchte verkaufen, PR möchte Vertrauen in das Unternehmen, seine Ziele und Produkte schaffen: »Für PR gelten andere Gesetze als für Werbung« (Kraus-Weysser 2002, S. 17). Diese Unterscheidung ist existenziell für PR-Schaffende, weshalb sie in der Praxis wohl auch so häufig und geradezu verbissen vertreten wird (vgl. Bentele et.al. 2005, S. 103). Die PR wählt den Weg über die genannten Meinungsbildner und Multiplikatoren, um bestimmte Botschaften unterzubringen. Jede Person oder Institution, deren Wort im jeweiligen Umfeld Gewicht hat, gilt als Meinungsbildner. Auch hier kommt man schnell wieder auf die wichtigste aller Dialoggruppen zurück: Die Medien. Ein positives Bild in den Medien hat im Allgemeinen aufgrund der wahrgenommenen Neutralität medialer Berichterstattung eine vertrauensbildende Wirkkraft. Der Leser stelle sich hier die Frage selbst: Was wirkt vertrauensbildender: die bezahlte Werbeanzeige für ein Kopfschmerzmedikament oder beispielsweise der Erfahrungsbericht eines Betroffenen, der mit diesem Medikament eine Linderung oder gar Heilung seiner Beschwerden erfahren hat? 1. Öffentlichkeitsarbeit: Eine Standortbestimmung 117 <?page no="117"?> Im Marketing und in der Werbung geht es also vornehmlich darum, Produkte zu verkaufen. Werbung zielt auf den »Bauch«, PR auf den Verstand: Werbung möchte beim Kunden oder beim Leser einer Anzeige bestimmte Emotionen hervorrufen, die schließlich zum Kaufimpuls führen. PR hingegen vermittelt bestimmte Informationen oder Botschaften. Werbung liefert Slogans, PR Erklärungen (vgl. Kraus-Weysser 2002, S. 18ff; Bentele et.al. 2005, S. 103). Dass jedoch auch Werbung zunehmend Anleihen in der PR macht, zeigen beispielsweise Anzeigen in verschiedenen Medien, sogenannte PR-Anzeigen. Hier wird oft nicht mehr mit Bildmotiven oder kurzen Slogans gearbeitet, sondern mit Texten, die einen bestimmten Zusammenhang argumentativ vermitteln. Diese Anzeigen sind der journalistischen Berichterstattung zum Verwechseln ähnlich. Weit verbreitet ist auch die betriebswirtschaftliche Verortung der PR als Teil des Marketingmix: Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik gehen in Wirtschaftsunternehmen idealerweise Hand in Hand. Diese Beschreibung greift jedoch zu kurz und reduziert den Funktionszusammenhang von PR auf die reine Marktkommunikation. Organisationen außerhalb des kommerziellen Bereichs bleiben hier außen vor: Öffentliche Behörden, Initiativen, Verbände oder Hochschulen betreiben ebenfalls Public Relations. Ebenso wenig wie PR eine andere Form der Werbung ist, ist PR auch keine Sonderform des Journalismus. Selbst wenn zwischen beiden Berufsbildern eine sehr enge Verbindung herrscht und Journalisten immer wieder »Ausflüge« in die PR machen. Prominentes Beispiel sind die Regierungssprecher oder Pressesprecher der Parteien, die fast ausnahmslos eine fundierte journalistische Ausbildung und Berufserfahrung bei führenden Medien haben. Die Verbindung zwischen PR und Journalismus ist also sehr eng, wie sich schon aus der herausragenden Bedeutung dieser Dialoggruppe für den PR-Alltag schließen lässt: Ein PR-Schaffender wird stets auch an seiner journalistischen Kompetenz gemessen. Denn: verkappte Werbebotschaften erkennt ein Journalist sofort und wird sich mit Recht weigern, darüber zu berichten. Rolle und Stellenwert der PR PR-Schaffende finden sich in Wirtschaftsunternehmen aller Branchen, in der Öffentlichen Verwaltung oder sonstigen Organisationen (Verbände, Kammern, Gewerkschaften, Berufsorganisationen, Forschungseinrichtungen, Genossenschaften, Kirchen etc.; siehe weiter unten). So vielfältig wie die Orte, an denen man PR- Tätige antrifft, sind auch der Stellenwert und die jeweilige organisatorische Einbindung der Public Relations. Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 118 <?page no="118"?> Generell gilt die Faustregel: je umsatzstärker ein Unternehmen und je komplexer die zu vermittelnden Unternehmens- oder Organisationsziele desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man auch eigenständige und in der oberen Führungshierarchie angesiedelte PR-Abteilungen vorfindet. Ein Blick auf die Internetseite des Chemieunternehmens BASF weist beispielsweise eine eigene, direkt dem Vorstand angegliederte Abteilung »Corporate Communications« mit neun Mitarbeitern aus. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Abteilungen die sich beispielsweise um kulturelle Veranstaltungen für Mitarbeiter oder Anwohner kümmern, Praxisseminare für Studenten anbieten, Werksführungen organisieren, Mitarbeiterzeitschriften erstellen, das Intranet pflegen etc. Sie alle erfüllen Aufgaben, die sich unter dem Begriff »Public Relations« zusammenfassen lassen und das Ziel verfolgen, in den relevanten Dialoggruppen ein positives Image des Unternehmens zu schaffen und zu pflegen. In kleineren Unternehmen oder Organisationen findet man hingegen häufig Abteilungen die PR, Werbung und Vertrieb zusammenfassen, oft genug in einer Person vereint. 2. Beschäftigungsformen und Perspektiven Kommunikation ist allgegenwärtig, im Privatleben wie auch im Berufsleben. Die professionelle Übermittlung der Inhalte und Ziele einer Organisation oder eines Unternehmens an die relevanten Dialoggruppen ist Aufgabe der PR-Schaffenden. Es gibt unterschiedliche Beschäftigungsformen, die auch finanziell sehr unterschiedlich ausgestattet sind. PR-Fachleute sind häufig in den drei Ausprägungen Berater, Referent oder Sprecher tätig. Alle drei Bezeichnungen sind keine geschützten Begriffe und variieren häufig in Stellenwert und Deutung. PR-Schaffende können bei Unternehmen oder PR-Agenturen fest angestellt sein oder auf freiberuflicher Basis für ihre Auftraggeber arbeiten (vgl. Hanstein 2004, S. 52). Die Beschäftigungsformen, Verdienstmöglichkeiten sowie die Perspektiven werden nachfolgend beleuchtet. Beschäftigungsformen PR-Berater findet man in Agenturen. »PR-Berater (DPRG)« ist vermutlich der einzige, auf sein Qualifikationsprofil hin eindeutig identifizierbare Begriff: Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG), einer der Berufsverbände für PR- Schaffende, bildet mit ihrer Ausbildung zum PR-Berater ein gängiges Profil ab. In 2. Beschäftigungsformen und Perspektiven 119 <?page no="119"?> Deutschland gibt es derzeit rd. 1500 PR-Agenturen unterschiedlichster Größe und Ausrichtung (vgl. Hanstein 2004, S. 39). Entsprechend der gängigen Hierarchiestufen in Beratungsunternehmen finden sich hier Junior- oder Senior-Berater und Partner, je nach Berufserfahrung und/ oder Qualifikation. Referenten (PR-Referenten, Pressereferenten, Referenten für Öffentlichkeitsarbeit) sind der Kommunikations- oder PR-Abteilung in Unternehmen oder Organisationen zugeordnet. Referenten sind üblicherweise dem Pressesprecher unterstellt und arbeiten ihm zu. Die Bezeichnung »Referent/ Referentin« beinhaltet kein festgelegtes Qualifikationsprofil. In der Regel verfügen Referenten beim Berufseintritt jedoch über ein abgeschlossenes Hochschulstudium und erste journalistische oder PR-Erfahrung. Referenten können sich um die gesamte Pressearbeit eines Unternehmens kümmern (Kontakt zu Journalisten halten, Veranstaltungen organisieren, Website betreuen, Mitarbeiterzeitschrift, etc.) oder um bestimmte Teilbereiche - je nach Größe der Organisation. So findet man in größeren Organisationen beispielsweise spezialisierte Referenten, die für bestimmte Produkte oder Produktgruppen (Produkt-PR) arbeiten, die sich um die interne Kommunikation (Mitarbeiterzeitschriften, Intranet) kümmern oder zu bestimmten Themen arbeiten (Event-PR, Public Affairs/ Lobbying). Pressesprecher sind das »Gesicht des Unternehmens« (oder der Organisation) in der Öffentlichkeit. Sie vertreten die Organisation oder das Unternehmen nach außen und tragen die presserechtliche Verantwortung. Auch für die Funktion des Pressesprechers gibt es kein einheitliches Berufsbild oder einen speziellen Ausbildungsgang. Häufig verfügen Pressesprecher jedoch über eine der jeweiligen Branche entsprechende Ausbildung und haben journalistische Erfahrung (z. B. Ingenieure in Automobilfirmen, Pharmazeuten in Pharmafirmen). Sehr häufig wechseln Pressesprecher direkt aus dem Journalismus in die Sprecherfunktion. Auch die Leitung der Unternehmenskommunikation gehört häufig zur Arbeit des Pressesprechers (vgl. Hanstein 2004, S. 47). Freie PR-Berater arbeiten projektbezogen für verschiedene Auftraggeber, häufig gehört auch die persönliche Beratung von Führungspersönlichkeiten zu ihren Aufgaben. Freiberuflich tätige PR-Fachleute besetzen meist eine thematische Nische, weisen also einen hohen Spezialisierungsgrad auf (z. B. Finanzkommunikation oder Politikberatung). Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 120 <?page no="120"?> Verdienstmöglichkeiten Die Vergütung wie auch die Einstiegsgehälter im Bereich Public Relations variieren sehr stark nach Branche und Organisationsform. Agenturen sind meist am unteren Ende der Vergütungstabelle zu finden. Hier eine Übersicht, die allerdings nur eine grobe Orientierung geben kann (Quelle: Hanstein 2004, S. 82): Tab.: Jahresbruttogehälter in der PR-Branche Agenturen PR-Teamassistent 27.500-30.000 Euro Junior-Berater (0-2 Jahre) 27.000-36.000 Euro Berater (3-5 Jahre) 36.000-60.000 Euro (evtl. plus Boni) Senior Berater 60.000-85.000 Euro plus Boni Managing Director/ Partner 100.000-140.000 Euro plus Boni Geschäftsführer 160.000-200.000 Euro plus Boni Unternehmen PR-Referent 36.000-54.000 Euro Abteilungsleiter 56.000-72.000 Euro Pressesprecher 60.000-120.000 Euro plus Boni Top-Positionen 200.000-? ? Euro Perspektiven Die Perspektiven für die Public Relations gelten als positiv. Kommunikationsberufe insgesamt gewinnen stetig an Bedeutung. Im Zuge der Informationsüberflutung und Ausdifferenzierung wird für Unternehmen wie auch Organisationen eine klare und nachhaltige Kommunikation wichtiger, um sich auf dem »Marktplatz der öffentlichen Meinung« zu behaupten (vgl. Bentele et.al. 2005, S. 429). Die Krise der Medien und des Journalismus, in deren Folge zahlreiche Redaktionen bis heute mit Stellenabbau und reduzierten Redaktionsstäben zu kämpfen haben, wird das Wachstum des Arbeitsfeldes PR vermutlich weiter verstärken. Ausdruck für diesen Wachstumsmarkt und insbesondere die dynamische PR- Branche sind folgende Fakten (vgl. Brauer 2006, S. 51ff ): Insgesamt hat sich die Zahl der PR-Agenturen von 1978 bis 1998 verdoppelt. Zwischen 1981 und 2000 hat sich die Anzahl der in der PR Tätigen mit einer qualifizierten PR-Ausbildung (siehe weiter unten) von 41 % auf 75 % nahezu verdoppelt. Schätzungen zufolge 2. Beschäftigungsformen und Perspektiven 121 <?page no="121"?> sind rund 50.000 Personen im weiteren Sinne in der PR tätig. Optimistischen Prognosen zufolge wird sich diese Zahl bis 2010 nochmals verdoppeln. Dass sich nach der Krise Ende der 1990er-Jahre die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder deutlich entspannt hat, zeigt die jüngst wieder steigende Zahl an Jobangeboten - nicht nur für unentgeltliche Praktika. 3. Tätigkeitsbeschreibung Die Frage nach den Aufgaben gehört für diesen Beruf wohl zu den am häufigsten gestellten. Die Vorstellung von Public Relations in der Öffentlichkeit ist äußerst diffus und reicht vom geheimen »Strippenzieher« im Hintergrund bis zur »Glamour-Lady«, die auf diversen Partys wertvolle Kontakte knüpft. Soweit die gängigen Klischees. Mehr zur Realität in den folgenden Abschnitten. Querschnittsfunktion: Dialoggruppen innen und außen Public Relations sind eine klassische Querschnittsfunktion - mit allen Vorteilen und Nachteilen, die eine solche Funktion mit sich bringt. Etwas drastisch ausgedrückt, aber im Kern die Sache treffend hat es die Zeitschrift Capital (Capital 7/ 97) formuliert: »Das Minenfeld, in dem sich PR-Artisten bewegen, ist riesig.« Dieses Spannungsfeld ergibt sich zum einen aus der Position zwischen externen und internen Dialoggruppen. Die externen Dialoggruppen wie z. B. Journalisten erwarten vertrauensvolle und handwerklich einwandfreie Zusammenarbeit, keine verkappten Werbebotschaften. Dazu gehören präzise und sachliche Informationen über die Unternehmens- oder Organisationsziele oder Statements zu aktuellen Entwicklungen (vgl. Brauer 2006, S. 119ff ). Doch nicht nur die professionelle und schnelle Reaktion auf aktive Anfragen von außen zeichnet die Qualität der PR aus, sondern auch die aktive Herangehensweise: Über Pressemitteilungen, Pressegespräche, Hintergrundgespräche, regelmäßige Newsletter oder Podiumsgespräche können PR-Schaffende das Vertrauen von Journalisten oder anderen Multiplikatoren gewinnen und das Unternehmen oder die Organisation inhaltlich positiv in der Öffentlichkeit positionieren. Vertrauen und möglichst hohe Transparenz lauten hier die Stichworte. Genau hierin liegt der Balance-Akt, den die PR zu bewältigen hat: Denn hohe Transparenz und Glaubwürdigkeit stehen natürlich immer etwaigen Betriebsgeheimnissen oder internen Strategien gegenüber. Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 122 <?page no="122"?> Die internen Dialoggruppen (z. B. Geschäftsführer oder Vorstände) erwarten »gut platzierte Botschaften«. Nicht selten bekommen PR-Experten den Satz zu hören: »Bringen Sie das mal in die Zeitung! «. Auch hier kann leicht ein Balanceakt entstehen: Geschäftsführer und Journalisten haben oft unterschiedliche Ansichten darüber, was eine veröffentlichungswürdige Information ist. Diesen Interessenkonflikt hat der PR-Schaffende zu lösen. Die Bezugsgruppen, mit denen ein PR-Schaffender innerhalb einer Organisation im Dialog steht sind Geschäftsführer, Vorstände und Abteilungsleiter. Sie sind die wichtigsten Informationsquellen für die kommunizierenden Inhalte und Botschaften. Zu den Aufgaben eines PR-Schaffenden im Rahmen der Kommunikation mit externen Zielgruppen kann es im übrigen auch gehören, Vorträge für Führungskräfte zu verfassen oder den Geschäftsbericht zu gestalten. Die »interne Kommunikation« als Teil der Public Relations richtet sich an die Dialoggruppe Mitarbeiter des Unternehmens oder Mitglieder einer Organisation (vgl. Brauer 2006, S. 95ff ). Die Mitarbeiter oder Mitglieder als wichtige Multiplikatoren der Organisationsziele werden über verschiedene Instrumente am Informationsfluss beteiligt: Mitarbeiterzeitschriften, interne Newsletter oder Intranetangebote, Aktionstage etc. Projektmanagement: Konzeption, Umsetzung, Evaluation Einen Großteil der alltäglichen PR-Arbeit nimmt das Projektmanagement ein. Dessen zentrales Element ist das PR-Konzept, das idealerweise in Form eines Jahresplans (vgl. Deg 2006, S. 37ff; Dörrbecker/ Fissenewert 2001) erstellt wird. Der Jahresplan umfasst die zentralen Themen, die in einem Jahr im Mittelpunkt stehen sollen. Was soll wann und in welcher Form kommuniziert werden? Welche Themen stehen im Vordergrund und müssen aktiv ge- oder besetzt werden? Welche Bedürfnisse bestehen in den einzelnen Dialoggruppen? Welche Instrumente sind angebracht und effizient? Kommuniziert man einen Inhalt besser über eine sachliche Mitteilung, eine kontrovers angelegte Podiumsdiskussion, einen vertraulichen Round Table oder in einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Journalist und Geschäftsführer? Der Jahresplan enthält also aus der Gesamtstrategie abgeleitete PR-Ziele, die zu kommunizierenden Botschaften, die dafür geeigneten Instrumente und Aktionen sowie einen entsprechenden Zeitplan. Diese Elemente sind in der Praxis gewöhnlich miteinander verknüpfte Projekte, die bezüglich Inhalte und Zeitplan eng aufeinander abgestimmt sein müssen, um erfolgreich zu sein. Am Ende eines jeden Projekts steht die Evaluation, meist in Form einer Medienresonanzanalyse - leider ein in der PR bis heute sträflich vernachlässigtes Element (vgl. Besson 2004). 3. Tätigkeitsbeschreibung 123 <?page no="123"?> Bei der Umsetzung dieser geplanten Elemente werden PR-Tätige stets mit unplanbaren Ereignissen konfrontiert. Diesen bringen den geplanten Tagesablauf oder das für diesen Zeitraum anstehende Projekt regelmäßig durcheinander und erfordern ein Höchstmaß an Organisation und Flexibilität. Ein solches Ereignis kann beispielsweise ein Skandal sein, der die Organisation oder die Branche betrifft und eine entsprechende Reaktionen erfordert. Solche »Krisen« werden für gewöhnlich eine gewisse Zeit medial gepusht und verschwinden dann wieder von der journalistischen Agenda. Wichtig dabei: Jede Krise birgt für ein Unternehmen oder eine Organisation auch gewisse Chancen. Folker Kraus-Weysser (2002, S. 57) dazu: »Eine Krise wird erst dann zur Krise, wenn keiner die Verantwortung übernimmt. Krisen-PR kann den Imageschaden der Krise entschärfen, vielleicht sogar verhindern.« Ein prägnantes Beispiel bietet der sogenannte Gammelfleischskandal Ende 2005. Nach und nach wurden hier Ungereimtheiten aufgedeckt, die allesamt darlegten, dass die Lebensmittelindustrie denselben Marktmechanismen folgt wie jede andere Wirtschaftsbranche: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Die Tatsache, dass die Kunden hochwertige Nahrungsmittel für immer weniger Geld erhalten wollen, sorgt auch in diesem Wirtschaftszweig für großen Druck. Fragen nach den Kontrollmechanismen im Lebensmittelbereich, nach der Ethik in der Lebensmittelproduktion, der Funktion von Preis und Qualität wurden laut. Schnell wurde der Skandal auf die hiervon aufgrund der unterschiedlichen Vertriebs- und Vermarktungswege (nahezu keine Großhandelsstrukturen, viele regionale Vermarktungswege) gar nicht betroffene Biobranche übertragen, an die naturgemäß besonders hohe Erwartungen bezüglich Qualität und Ethik gestellt werden. Die Frage »Ist Bio wirklich besser? « schwang fortan in der Berichterstattung implizit oder explizit mit. Die Medien recherchierten deshalb auch bei Verbänden wie Bioland - eine gute Gelegenheit die Differenzierungsmerkmale in Sachen ökologischer Fleischproduktion und Vermarktungswege zu kommunizieren. Nach einer gewissen Zeit tauchte dann ein anderes Thema in den Medien auf: Artgerechte Tierhaltung und Tiertransporte, Fleischverarbeitung. Auch hier wurden wieder anhand verschiedener Statements und Informationen aus verschiedenen Perspektiven berichtet. Eine Folge des Gammelfleischsskandals: Die Verbraucher griffen vermehrt zu Fleisch aus biologischer Haltung. Daraufhin kam es bei bestimmten Fleischsorten zu Engpässen, da die Nachfrage das Angebot überstieg. Ebenfalls ein Artikel füllender Sachverhalt - und die Chance für Bioland auf die politische Notwendigkeit einer entsprechenden finanziellen Förderung der Umstellung auf ökologischen Landbau (die ein hohes wirtschaftliches Risiko für den jeweiligen Landwirtschaftsbetrieb mit sich bringt) öffentlich hinzuweisen. Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 124 <?page no="124"?> Das Einzigartige und Spannende an der PR-Arbeit wird an diesem Beispiel sehr deutlich: Eine erfolgreiche PR-Arbeit resultiert vor allem aus dem permanenten Austausch und Informationsfluss mit den Dialoggruppen. Was gibt es Neues im Unternehmen, in der Organisation, das sich zu kommunizieren lohnt und hilft, das positive Bild zu festigen? Welche Entwicklungen gibt es in der Branche? Wie lassen sich Ereignisse von außen (wie z. B. der »Gammelfleischskandal«) für das eigene Unternehmen sinnvoll nutzen - auch wenn die Rolle der eigenen Organisation dabei nicht immer zwingend positiv sein muss? Blick in die Praxis: Kooperationsprojekt zum Dokumentarfilm »We feed the World« Mit dem folgenden Beispiel möchte ich einen kurzen Einblick in die PR-Arbeit bei einem Verband geben. Bioland ist der führende Verband für ökologischen Landbau in Deutschland. Er gliedert sich in den Bundesverband und insgesamt acht Landesverbände. Mitglieder des Verbands sind Landwirte, die nach den strengen Bioland-Richtlinien ökologische Landwirtschaft betreiben, sowie Hersteller wie Molkereien, Bäckereien oder Metzgereien, die diese Produkte nach ebenfalls strengen Vorgaben (z. B. nur sehr wenige Zusatzstoffe und spezielle schonende Verfahren) zu Produkten wie Käse, Brot oder Wurst verarbeiten. Der Bundesverband ist in verschiedene Ressorts aufgeteilt, dazu gehört das Ressort Öffentlichkeitsarbeit, das in meiner Verantwortung liegt. In den Landesgeschäftsstellen finden sich ebenfalls - allerdings mit sehr unterschiedlicher professioneller und zeitlicher Ausstattung - Verantwortliche für die Öffentlichkeitsarbeit vor Ort. Das Ziel der Öffentlichkeitsarbeit in der Außenkommunikation ist es, die Bekanntheit und das Image des Verbands sowie seiner Mitglieder und deren Produkte in den relevanten Zielgruppen (Endkunden, Medien und Politik) zu stärken. Bezüglich der internen Kommunikation besteht das erste Ziel darin, die Identifikation der Mitglieder zu festigen und sie bei der eigenen Kundenansprache (z. B. in Form von Informationsmaterialen oder Konzepten für eigene Veranstaltungen) zu unterstützen. Gemeinhin gilt die Biobranche derzeit als die Boombranche schlechthin, es drängen immer mehr Anbieter auf den Markt, um am Aufschwung teilzuhaben. Zahlreiche Einzelhandelsketten etablieren beispielsweise eigene »Biomarken« in ihren Angeboten, darunter auch zunehmend Discounter. Im Ergebnis entsteht bei den Kunden zunehmende Verwirrung aufgrund des vielfältigen Bioangebotes und vor allem der Preisdifferenz dieses Angebots. Bioland- Produkte sind aufgrund der arbeitsintensiven Herstellung und der hochwertigen Inhaltsstoffe im oberen Preissegment angesiedelt. Ziel der Kommunikationsarbeit 3. Tätigkeitsbeschreibung 125 <?page no="125"?> ist es also, auf neuen Wegen nicht nur die traditionelle Bio-Klientel zu halten, sondern in den neuen Käuferschichten die Marke »Bioland« als Premium-Marke zu etablieren. Einen guten Impuls dazu bot sich Anfang 2006 auf einer der führenden Fachmessen der Branche, der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Dort wurde im Rahmen einer Pressevorführung erstmals der Dokumentarfilm »We feed the World« des österreichischen Regisseurs Erwin Wagenhofer einem ausgewählten Fachpublikum vorgestellt. Der Film behandelt auf unsentimentale Weise zentrale Themen und Zusammenhänge der Ernährungsindustrie (z. B. Anbau von Tomaten in Südspanien und der Transport quer durch Europa bis in die Supermarktregale). In Österreich startete dieser Film bereits Mitte 2005 in den Kinos und wurde dort zum erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten. Dieser Kinofilm bot für Bioland die einmalige Gelegenheit, zentrale Botschaften einem breiten Publikum nahe zu bringen. Die PR-Botschaft lautete: »›We feed the World‹ wirft Fragen auf - Bioland bietet Antworten«. Mit diesem Gedanken startete das »Projekt We feed the World«. Nachfolgend möchte ich die wichtigsten Schritte und Inhalte der Kooperation schildern, da sich hier sehr deutlich die Vielfältigkeit und die Anforderungen an Public Relations schildern lassen: Das Gespür für Trends und Entwicklungen, die (oft konfliktträchtige) Querschnittsfunktion, die unbedingte systematische und strukturierte Arbeitsweise sowie das entsprechende »Handwerkszeug«. Am Anfang stand die interne Abstimmung über diese Idee: Teilweise hitzige Diskussionen über das Für und Wider eines solchen Kooperationsprojekts, Überzeugungsarbeit bei den Landesgeschäftsstellen, die traditionell der Eigenständigkeit verpflichtet sind und sich leicht durch den Bundesverband bevormundet fühlen, sowie die Festlegung des finanziellen Rahmens prägten die ersten Wochen. Danach musste der Filmverleih davon überzeugt werden, dass Bioland der optimale Partner für die Vermarktung des Films in Deutschland ist. Es musste ein ausgefeiltes Diskussionspapier erstellen werden, das deutlich machte, welchen Nutzen und welche Chancen sich aus diesem Projekt für alle Beteiligten ergeben und warum es sich lohnt bei den insgesamt knappen finanziellen und zeitlichen Ressourcen in dieses Projekt zu investieren. Nach einem Treffen mit dem Filmverleih Mitte Februar 2006 stand dann fest, dass Bioland exklusiver Vermarktungspartner für den Filmstart Ende April 2006 sein würde. Nun galt es, rasch einen detaillierten Projektplan zu erstellen (der im Laufe des Projekts dann noch mehrmals adaptiert werden musste): Welche Aktionen und Events wird Bioland initiieren, welche Pressematerialien und welche Kundeninformationen sind notwendig? Vor allem aber: Wer wird in das Projektteam berufen? Aufgrund der unterschiedlichen personellen Ausstattung der Landesverbände in Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 126 <?page no="126"?> Sachen Öffentlichkeitsarbeit konnten das nicht automatisch die Öffentlichkeitsarbeiter vor Ort sein. Im Projektteam waren schließlich neben mir selbst als Projektleiterin jeweils ein Projektverantwortlicher seitens der Landesgeschäftsstellen vertreten. Bei den hierarchischen und gleichzeitig dezentralen Strukturen bei Bioland sind solche Abstimmungsprozesse langwierig und erfordern auch etwas Fingerspitzengefühl sowie das Wissen um die Befindlichkeiten der verschiedenen Akteure. Bioland steht diesbezüglich als Beispiel für viele Organisationen aus dem deutschen Verbandswesen. Hinzu kamen die regelmäßige Abstimmung mit den Marketingverantwortlichen des Filmverleihs und die Anpassung der Konzepte und Zeitabläufe. Folgende Elemente wurden schließlich realisiert: Bioland nutzte seine Vertriebskanäle (Verbandszeitschrift, Internetauftritt, Hofläden, Marktstände, Bäckereien etc.) um den Film bekannt zu machen. Dazu wurde entsprechendes Werbematerial in Abstimmung mit dem Filmverleih gestaltet und produziert. Das Projekt wurde über alle internen Medien (Mitgliederrundbriefe, Verbandszeitschrift) mit entsprechend gestalten Texten angekündigt. Diese Texte mussten die zentrale Botschaft des Films und den Nutzen einer Beteiligung an diesem Projekt jedem einzelnen Mitglied klar vermitteln. Die Werbemittel (Flyer und Plakate) wurden im Bioland-Logistik-Zentrum eingelagert und von dort an interessierte Mitglieder verschickt. Mit dem Logistik-Zentrum wiederum mussten die Konditionen für diese Aktion (Kosten für Aufwand und Porto) ausgehandelt werden. Mit einer »Kinotour« durch verschiedene deutsche Städte, die mit einer großen Premierenfeier in Berlin eingeläutet wurde, startete schließlich der Kinofilm Ende April. Diese insgesamt sechs Einzelevents wurden so angelegt, dass der Regisseur Erwin Wagenhofer, ein Bioland-Vertreter plus weitere Akteure (Brot für die Welt, Greenpeace) im Anschluss an die Filmvorführung im Rahmen eines Publikumsgesprächs für Fragen zur Verfügung standen. Bioland-Mitglieder sorgten für den kulinarischen Rahmen des anschließenden »Get-together« und sollten als lebendige Antwort auf die erschütternde Dokumentation den Zuschauern eine echte Handlungsalternative anbieten. Dazu waren folgende Arbeitsschritte nötig: Die Bioland-Partner in den ausgewählten Städten mussten für diese Termine akquiriert werden. Da diese ihre Produkte und Arbeitszeit für diesen Zweck unentgeltlich zur Verfügung stellen mussten, war auch hier etwas Überzeugungsarbeit nötig. Nach der telefonischen Erstakquise wurden speziell aufbereitete Akquisepapiere mit allen notwendigen Angaben (Organisatorische Eckdaten wie Ort und Termin, Nutzen eines Sponsorings etc.) erstellt. Das Podium musste akquiriert werden, die lokalen Medien mussten informiert, die Bioland-Mitarbeiter vor Ort gebrieft und über den gesamten Zeitraum der Informationsfluss zwischen Projektleitung und Projektteam 3. Tätigkeitsbeschreibung 127 <?page no="127"?> ständig gewährleistet sein. Um diese Termine besonders zu promoten, wurden jeweils spezielle Terminankündigungen mit den vorhandenen Werbemitteln kombiniert. Darin wurden die lokalen Bioland-Akteure besonders hervorgehoben, denn auch diese Akteure versprachen sich natürlich ein Plus an Bekanntheit und Image. Als Angebot an die regionalen Medien wurden schließlich lokale Gewinnspiele entwickelt: Bioland akquirierte bei den teilnehmenden Partnern zahlreiche Gewinne (z. B. Einkaufsgutscheine auf dem örtlichen Hofladen, Schnupperabonnements für Gemüsekisten etc.). Bioland war jeweils mit einem Informationsstand vor Ort vertreten. Auf diese Weise gab es zu diesen Kinotour-Terminen eine riesige Besucherresonanz, die Kinos waren allesamt ausverkauft, teilweise fanden sogar Parallelvorstellungen statt, (und) es gab eine umfassende Berichterstattung zum Film und natürlich über Bioland. Den Auftakt dieser Eventserie bildete die große Premierenfeier zum Film in Berlin. Daran nahmen rund 600 geladene Gästen aus Politik, Wirtschaft und Film teil. Der konzeptionelle Rahmen entsprach der Kinotour: Filmvorführung mit anschließendem Publikumsgespräch und Get-together - allerdings in einem erheblich größeren Rahmen als bei den folgenden Kinotourterminen. Das Get-together sollte im Rahmen eines »kulinarischen Marktplatzes« stattfinden und es sollten verschiedene biologische Speisen angeboten werden. Dazu wurden Bioland-Partner aus Berlin bzw. dem Berliner Umfeld akquiriert. Bei der Premierenfeier (in einem überfüllten Kino) konnten die Gäste dann Bioland-Käse, Bioland- Curry-Wurst, Bioland-Eis sowie Bioland-Wein und Bioland-Bier genießen. Bioland-Präsident Thomas Dosch vermittelte im Rahmen der Podiumsdiskussion mit Erwin Wagenhofer und Jean Ziegler, dem Sonderbotschafter der UN für das Recht auf Nahrung, die zentralen Bioland-Botschaften. Auch in diesem Falle mussten zeitgleich zu den organisatorischen Aufgaben die Presse adäquat informiert, wichtige Bioland-Multiplikatoren eingeladen und der Auftritt von Bioland selbst mit Informationsstand und entsprechende Materialen organisiert werden. Auf die erfolgreiche Premiere und Kinotour folgten dann im Mai und Juni weitere konzeptionell ähnlich gestaltete Termine in anderen Orten, die teilweise von den Bioland-Mitgliedern und den örtlichen Kinobetreibern initiiert wurden. Insgesamt wurden die gesetzten Ziele erfolgreich verwirklicht: Die Medienresonanzanalyse ergab, dass im Zusammenhang mit den Events alle relevanten überregionalen Printmedien (ZEIT, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung), die großen TV- und Hörfunksender, die für die politische Arbeit besonders bedeutsamen Berliner Zeitungen sowie die regionale Presse positiv über Bioland berichteten. Die Bioland-Mitglieder konnten über diese Events und die Medienpräsenz den Film zur Steigerung der eigenen Bekanntheit erfolgreich nutzen. Darüber hinaus konnte sich Bioland im undurch- Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 128 <?page no="128"?> sichtiger werdenden Markt bei einer neuen Kundenklientel positionieren. Zudem hat sich Bioland mit diesem Projekt als kompetenter Partner aus der Biobranche für weitere »Filmprojekte« empfohlen, was zahlreiche Anfragen zu anderen Dokumentationen im Nachgang bestätigen. Diese Aktionen wurden allesamt in einem Zeitraum von ungefähr sechs Wochen realisiert. Der ständige Austausch des über das ganze Bundesgebiet verteilten Projektteams sowie adäquate Medienarbeit waren die unerlässliche Basis für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Abschließend sei gesagt, dass neben diesem Projekt die alltäglichen Aufgaben weiter erfüllt werden mussten: In dieser Zeit grassierte in Deutschland die Vogelgrippe, die zahlreiche Presse- und Kundenanfragen mit sich brachte. Die politische Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel musste im Rahmen der täglichen Presse- und Medienarbeit ebenfalls weiterlaufen, sowie diverse andere teilweise zeitaufwändige Anfragen bearbeitet werden (Anfragen für Interviews zu aktuellen Themen, die Vermittlung eines Betriebes für Fernseh- oder Hörfunkaufnahmen, Sichtung der täglichen Medienberichte und ggf. Reaktionen darauf in Form von Stellungnahmen oder Gegendarstellungen). Dieses Beispiel schildert deshalb exemplarisch den vielfältigen Arbeitsalltag eines PR- Schaffenden. 4. Notwendige Kompetenzen Gemäß dem heterogenen Berufsverständnis ist Public Relations trotz erheblicher Professionalisierung bezüglich Aus- und Weiterbildung und einer zunehmenden wissenschaftlichen Verankerung nach wie vor ein klassisches Feld für Quereinsteiger. Es gibt zwar mittlerweile zahlreiche Studiengänge Public Relations, verwandte Studienangebote wie Kommunikationsmanagement oder -wissenschaft an Fachhochschulen oder Universitäten, sowie bei privaten Institutionen. Jedoch finden immer noch die meisten PR-Fachleute erst über Umwege (wie z. B. in meinem Falle einem Soziologiestudium und diverse Praktika) in ihren Traumjob. Die persönlichen und fachlichen Kompetenzen, die man benötigt, um erfolgreich Public Relations betreiben zu können, werden in den folgenden Abschnitten dargestellt. 4. Notwendige Kompetenzen 129 <?page no="129"?> Persönliche Voraussetzungen Jeder Beruf erfordert bestimmte persönliche Voraussetzungen oder Talente, damit man wirklich erfolgreich und glücklich darin arbeiten kann. Diese Voraussetzungen sollten insbesondere beim Berufseinstieg realistisch eingeschätzt und abgewogen werden. Aufgrund der Querschnittsfunktion von Public Relations und der zahlreichen Schnittstellen mit anderen Abteilungen oder Organisationsbereichen ist ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Konfliktfähigkeit erforderlich. Etwas plump ausgedrückt: Man kann nur kommunizieren, was man auch weiß. Wer lieber gerne alleine für sich arbeitet und eher weniger kontaktfreudig ist, wird sich in diesem Bereich nicht wohl fühlen. Ein ständiger Informationsaustausch mit allen Organisationsbereichen (auch mit Kollegen, die einem persönlich vielleicht nicht wirklich liegen) ist also überlebensnotwendig. Ein offenes, positives Naturell ist hier von Vorteil. Konflikte müssen ausgehalten und vor allem konstruktiv gelöst werden. Dies ist nicht immer einfach, vor allem auch deshalb nicht, weil man als PR- Schaffender intern häufig nicht den Stellenwert hat, den beispielsweise ein mit harten Fakten hantierender Controller oder Marketingmanager genießt. Zudem ist eine direkte Erfolgskontrolle bei der PR-Arbeit oft nur schwer möglich. Meist arbeitet man an verschiedenen Projekten gleichzeitig, dazwischen gibt es immer wieder Nachfragen von Journalisten oder Mitarbeitern zu diesen und jenen Themen. Belastbarkeit und Flexibilität sind deshalb ebenfalls eine zwingende Voraussetzung. Wichtig ist außerdem eine systematische Arbeitsweise und Organisationstalent. Sehr häufig muss man z. B. bei Anfragen von Journalisten rasch auf bestimmte Sachverhalte reagieren und diese zuvor natürlich so verstehen, dass man sie anderen verständlich nahebringen kann. Fast immer handelt es sich dabei um Themen, für die man als Soziologin oder Soziologe keine Expertise hat (z. B. branchenspezifische Spezialfragen). Wer also bei Seminararbeiten und der dazugehörigen Literaturrecherche ob der vorhandenen Informationsvielfalt gerne mal die Nerven verliert, sollte über einen Einstieg in die Public Relations gut nachdenken. Neugier und eine Begeisterung für ständige Veränderung runden das Persönlichkeitsprofil für Public Relations ab. Dazu gehören auch: Interesse an der Branche (incl. Medienbereich, neue Zeitschriften oder Sendeformate), dem tagespolitischen Geschehen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen, an Innovationen, Zeitgeist und Trends. Christiane Hanstein zählt dies zur »Grundausstattung eines jeden PR-Fachmanns« (Hanstein 2004, S. 26). Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 130 <?page no="130"?> Fachliche Voraussetzungen Bei den fachlichen Voraussetzungen sind an erster Stelle das journalistische Handwerk und das Wissen um den Arbeitsalltag in den Redaktionen (Redaktionskonferenzen, Redaktionsschlüsse, Arbeitsabläufe und Strukturen) zu nennen: Wenn man es sich bei der wichtigsten Dialoggruppe Journalisten nicht verscherzen möchte, ist eine gute »Schreibe« unerlässlich (vgl. Brauer 2006, S. 74). Die journalistische Schreibweise widerspricht leider nahezu diametral dem wissenschaftlichen Schreibstil, den man sich während des Studiums aneignet. Für wohl jeden PR- Schaffenden ist es ein Erfolgserlebnis, wenn er eine Pressemeldung oder einen längeren PR-Artikel im Wortlaut in einem relevanten Medium abgedruckt findet. Journalistische Textsorten wie Reportage, Nachricht oder Feature lassen sich allerdings anhand der einschlägigen Regeln und etwas Erfahrung (z. B. bei der freien Mitarbeit bei der örtlichen Tageszeitung oder der Hochschulzeitung) schnell erlernen. Eine gute theoretische Einführung bieten Lehrwerke für angehende Journalisten, wie z. B. das Handbuch Journalismus (Schneider/ Raue 1996) oder die PR- und Pressefibel (Schulz-Bruhdoel 2001). Eine weitere wichtige Voraussetzung ist der versierte Umgang mit den gängigen Office-Programmen und eine gewisse EDV-Affinität. In nahezu allen Organisationen finden sich diverse EDV-Programme oder Datenbanken, in denen sich wichtige organisationsinterne und für die tägliche Arbeit relevante Informationen befinden. Darüber hinaus ist betriebswirtschaftliches Verständnis (leider gerade bei Soziologen häufig ein etwas verpöntes Feld) für Kalkulationen oder Budgetplanung unerlässlich. Bei all diesen fachlichen Aspekten helfen einschlägige Praktika oder auch Workshops, die im Rahmen von Berufsqualifizierungsprogrammen an vielen Hochschulen mittlerweile angeboten werden. 5. Wege in die Öffentlichkeitsarbeit Die Wege in die Public Relations sind erwartungsgemäß vielfältig, nicht umsonst gilt die PR nach wie als Domäne für Quereinsteiger. Mittlerweile gehört aber ein Hochschulstudium bei den meisten Stellen zur Grundvoraussetzung. Die m. E. am besten geeignete und effektivste Strategie, den Berufseinstieg zu meistern, ist, bereits während des Studiums Praxiserfahrung zu erwerben: Über ein Praktikum in einer (möglichst nicht zu kleinen) Pressestelle in einem Unternehmen oder einer Agentur lassen sich wertvolle »Pfunde« (Netzwerke und Erfahrung im PR- Alltag) sammeln, mit denen sich bei der Bewerbung »wuchern« lässt. Idealerweise 5. Wege in die Öffentlichkeitsarbeit 131 <?page no="131"?> sollte man für ein Praktikum mindestens zwei Monate anstreben, damit man den Tagesablauf und auch die Projektarbeit miterleben kann. Der Leitspruch: »Agenturerfahrung zählt doppelt«, ist gemeinhin akzeptiert: In Agenturen wird überwiegend unter immensem Zeitdruck gearbeitet und die Themen und die Instrumente, mit denen gearbeitet wird, sind vielseitig, da die Auftraggeber aus unterschiedlichen Branchen kommen. In diesem Umfeld kann man wertvolle Erfahrungen sammeln, sich solide Kenntnisse aneignen und ein Netzwerk aufbauen. Viele PR-Schaffende, so auch in meinem Falle, sind über ein solches Praktikum in den Beruf gelangt. Der zweite Weg führt über die freie Mitarbeit bei einem Medium, sei es der örtliche Radiosender oder - besser noch - die örtliche Tageszeitung. Hier lernt man, journalistisch zu schreiben und einen Text auf das wirklich Wesentliche zu reduzieren. Gleichzeitig lernt man den redaktionellen Alltag kennen. Weiterhin bringt eine Tätigkeit als Freier Mitarbeiter es automatisch mit sich, seine Kontakt- und Kommunikationsfähigkeiten zu optimieren, will man seinen Lebensunterhalt zumindest nennenswert damit aufbessern. Der Lokaltermin beim örtlichen Kleintierzüchterverein, wahlweise auch Sportverein gehört ebenso dazu wie der überzeugende Auftritt vor dem Redakteur, wenn man eine neue Idee für einen Beitrag oder Artikel realisieren möchte. Weiterhin bieten viele Unternehmen den Berufseinstieg in die PR auch über Trainee-Stellen oder Volontariate an. Voraussetzung hierfür sind meist erste Erfahrungen in der PR, beispielsweise durch Praktika, sowie eine abgeschlossene (Hochschul-)Ausbildung. Der Vorteil dieser Ausbildung »on the job«: Trainees bzw. Volontäre haben einen speziellen Ausbildungsplan, der auch theoretische Phasen im Rahmen von Seminaren oder Workshops bei anerkannten Ausbildungsinstitutionen beinhaltet. Darüber hinaus gibt es spezielle Zusatzausbildungen, die immer mindestens ein mehrwöchiges Praktikum in einem Unternehmen beinhalten. Entscheidet man sich direkt nach dem Abschluss des Studiums und ohne nennenswerte Praxiserfahrung für diesen Weg, ist es m. E. ratsam, eine solche Ausbildung bei den Berufsverbänden zu absolvieren. Diese sind schon seit längerer Zeit bestrebt, dem Berufsfeld »Public Relations« einen festeren Rahmen zu geben und haben Ausbildungsmodule etabliert, mit denen ein Qualitätsstandard gesetzt werden soll. Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) und die Deutsche Akademie für Public Relations (DAPR) bieten (kostenpflichtige) Grundausbildungen zur PR-Assistenz (DAPR) zum PR-Referenten (DPRG) oder zum PR-Berater (DPRG) an. Es ist anzunehmen, dass diese Abschlüsse, gemeinsam mit den einschlägigen spezialisierten Studiengängen, in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Schon jetzt genießen die Abschlüsse beispielsweise der DPRG oder der Bayerischen Aka- Soziologen in der Öffentlichkeitsarbeit 132 <?page no="132"?> demie für Werbung und Marketing (BAW) ein hohes Ansehen. Einige Universitäten bieten für Absolventen auch entsprechende Aufbaustudiengänge an. Darüber hinaus tummeln sich mittlerweile zahlreiche Anbieter für Fernstudiengänge auf dem Ausbildungsmarkt. Einen umfassenden Überblick dazu bietet Christiane Hanstein in ihrem Leitfaden PR-Kompass (2004). 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Brauer, Gernot (2006): Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Konstanz. Deg, Robert (2006): Basiswissen Public Relations, 2. Auflage, Wiesbaden. Hanstein, Christiane (2004): PR-Kompass, Essen. Fachzeitschriften: PR Magazin, PR Report, politik&kommunikation, Der Pressesprecher, Horizont, werben &verkaufen Internetadressen: Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG): www.dprg.de Deutsche Akademie für Public Relations (DAPR): www.dapr.de Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA): www.gwa.de Gesellschaft Public Realtions Agenturen (GPRA): www.pr-guide.de Bayerische Akademie für Werbung und Marketing (BAW): www.baw-online.de Literaturtipps und Stellenangebote: Das PR-Portal: www.pr-portal.de Der Bundesverband deutscher Pressesprecher: www.pressesprecherverband.de Das Agentur-Café: www.agenturcafe.de Newsroom: www.newsroom.de 6. Tipps zum Weiterlesen 133 <?page no="134"?> Verwaltungen und Stiftungen <?page no="136"?> Uwe Marquardt Vielfältige Aufgaben - große Herausforderungen! Soziologen in der öffentlichen Verwaltung Bis in die 1970er-Jahre gab es nur wenige Soziologen in den Verwaltungen. Dies lag an den geringen Absolventenzahlen des Faches, das seinen personellen Ausbau erst seit dem Ende der 1960er-Jahre erlebte, aber auch am fehlenden Interesse der Absolventen und der Arbeitgeber. Viele Absolventen konnten sich einen Einstieg in die Verwaltung nicht vorstellen und fanden Angebote der Wirtschaft attraktiver. Die Haltung der Arbeitgeber war durch das sogenannte Juristenprivileg und die subjektive Einschätzung der Berufstauglichkeit der Achtundsechziger geprägt. Inzwischen sind viele Soziologen in die öffentliche Verwaltung eingezogen (etwa 5 bis 10 % der Absolventen). Ein Grund dafür war eine stärkere Öffnung der Verwaltung für Nichtjuristen, die auch mit einer Änderung der Aufgabenstellung und des Selbstverständnisses der Verwaltung zusammenhing (Dienstleistungsorientierung statt Verwaltung nach Vorschriften). Viele Verwaltungszweige benötigen zudem Wissen, das in der Ausbildung zum höheren Verwaltungsdienst bisher nicht vermittelt wurde (z. B. bei Bildungsplanung, Stadtentwicklung, Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform, Weiterbildung). Auch die lange juristisch geprägte Arbeitsweise in der öffentlichen Verwaltung hat sich in vielen Aufgabenbereichen verändert. Sozialwissenschaftliche Kompetenzen (Analyse, Planung, Selbstorganisation, Verständnis für übergreifende Zusammenhänge und Interessenkonflikte) sind also durchaus gefragt. Schließlich gab es auch einen »Nachrück-Effekt«: So wie Juristen tendenziell eher einen Juristen bevorzugen, geben Soziologen eher einem Absolventen der eigenen Fachrichtung eine Chance (Türöffner-Funktion). Das Interesse der Soziologie an der öffentlichen Verwaltung ist relativ gering. Empirische soziologische Untersuchungen zur Verwaltung sind selten. Es gibt nur einzelne Erfahrungsberichte von Soziologen, die in der Verwaltung tätig sind, veröffentlicht in Sammelbänden zur Soziologie, in der Zeitschrift Sozialwissenschaften und Berufspraxis (SuB) sowie im Newsletter des Berufsverbandes deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS). Daher ist das Standardwerk von Renate Mayntz zur Soziologie der öffentlichen Verwaltung (Mayntz 1978) immer noch lesens- 137 <?page no="137"?> wert. Soziologische Fragestellungen werden häufig innerhalb der Studiengänge für Verwaltungswissenschaft vermittelt. Solche Studiengänge finden sich an der Universität Potsdam sowie als Aufbaustudiengang an der Hochschule für Verwaltung in Speyer. Als Fachgebiet gibt es die Verwaltungswissenschaft ferner im Fächerspektrum der politikwissenschaftlichen Studiengänge. So kann man an der Universität Konstanz den Studiengang Politik- und Verwaltungswissenschaft mit dem Abschluss Bachelor of Arts belegen. Zusammen mit der Universität Twente bietet die Universität Münster den Bachelor-Studiengang Public Administration an. Für den Studienbereich Verwaltungswissenschaft ist das Angebot der Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung von größerer Bedeutung. 1. Struktur der öffentlichen Verwaltung Zur öffentlichen Verwaltung gehören in Deutschland die Verwaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Aufgaben sind zwischen Bund und Ländern nach Funktionsbereichen verteilt (z. B. Auswärtiger Dienst beim Bund, Schulen bei den Ländern). Der überwiegende Teil der Verwaltungsaufgaben wird von den Ländern und den Kommunen erfüllt. • Bundesverwaltung: Sie besteht aus den Bundesministerien und den nachgeordneten Bundesbehörden (z. B. Bundesumweltamt). Von den rund 0,5 Mio. Beschäftigten des Bundes sind ca. 23.000 bei der Bundesregierung tätig (vgl. den Beitrag von Andreas Jaron in diesem Band). • Landesverwaltung: Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden, soweit es sich um Bundesaufgaben handelt (Beispiel: Arbeitsschutzverwaltung). Ansonsten erledigen Landesbehörden Aufgaben in eigener Zuständigkeit (Beispiel: Schulverwaltung). In den Flächenländern besteht zumeist ein dreistufiger Behördenaufbau aus obersten Landesbehörden (Landesministerien), Bezirksregierungen und unteren Verwaltungsbehörden. Hinzu kommen weitere besondere Landesbehörden wie Statistische Landesämter, Landeskriminalämter und lokale Sonderbehörden, die in einigen Bundesländern auch Teil kommunaler Behörden sein können. Von den 2,2 Mio. Beschäftigten im Landesdienst sind 1 Mio. in Schulen und Hochschulen tätig. Die nächst größeren »Blöcke« im Landesdienst sind die Polizei (0,3 Mio.), die Justiz und die Steuerverwaltung (je 0,2 Mio.). • Kommunalverwaltung: In Deutschland gibt es über 400 Landkreise bzw. kreisfreie Städte und fast 14.000 Gemeinden. Die Kommunen unterliegen der Aufsicht durch die Landesbehörden. Örtliche Angelegenheiten erfüllen die Ge- Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 138 <?page no="138"?> meinden in eigener Verantwortung. Zu ihren Aufgaben gehören z. B. Stadtplanung, Straßenbau, Wohnungsfürsorge, soziale Dienste, Gesundheitsdienste sowie öffentliche Einrichtungen (z. B. Kindergärten, Sportstätten), Personennahverkehr, Abfallentsorgung und Energieversorgung. Die Gemeindeverbände haben 1,5 Mio. Beschäftigte, von denen die meisten bei den Krankenhäusern und in der Sozialverwaltung tätig sind (je 0,3 Mio.). Neben der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung gibt es noch die sogenannte mittelbare öffentliche Verwaltung. Zu ihr werden Institutionen der Sozialversicherung (Rentenversicherung, Arbeitsagentur, Krankenversicherung) gerechnet, die öffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. Anstalten sind. Sie haben ähnlich wie Kommunen und Hochschulen das Recht auf Selbstverwaltung, wobei die Leitungsgremien zumeist paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber und der Versicherten (Gewerkschaften) besetzt sind. Bei diesen Einrichtungen und beim Bundeseisenbahnvermögen sind 0,6 Mio. Menschen tätig. Die öffentliche Verwaltung befindet sich insgesamt in einem Modernisierungsprozess: So wird zunehmend die bisherige Aufsicht (über Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Einzelfallregelungen) durch betriebswirtschaftliche Instrumente wie Zielvereinbarungen, Kosten- und Leistungsrechnung, Qualitätsmanagement, Controlling, Budgetierung etc. ersetzt. Ferner werden viele Verwaltungsaufgaben organisatorisch ausgegliedert oder privatisiert (z. B. Energieversorgung, Hochschulkliniken, kommunale Krankenhäuser, Straßenbaubetriebe). 2. Beschäftigungsformen In Deutschland sind zur Erledigung öffentlicher Aufgaben Beamte, Richter (die einen beamtenähnlichen Status haben) und Soldaten sowie Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter) beschäftigt. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist in der Regel Beamten übertragen. Hoheitliche Aufgaben sind beispielsweise die Erhebung von Steuern durch das Finanzamt oder eine Anklage durch einen Staatsanwalt. Auch Lehrer und Professoren sind Beamte. Die Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes sind fließend. Auch Angestellte können hoheitliche Funktionen wahrnehmen und immer mehr Beamte haben Dienstleistungs- und Planungsaufgaben. Allerdings sind in Leitungsfunktionen bei Polizei, Justiz und Finanzverwaltung überwiegend Beamte beschäftigt. Im Gesundheitswesen, in den Sozialdiensten, in technischen Berufen und in den Assistenzbereichen werden überwiegend Angestellte und Arbeiter beschäftigt. Die 2. Beschäftigungsformen 139 <?page no="139"?> Einstellung von Mitarbeitern erfolgt in der Regel nach einer öffentlichen Stellenausschreibung und einem Auswahlverfahren der Behörden. Insgesamt sind im öffentlichen Dienst 4,8 Mio. Mitarbeiter beschäftigt. Hiervon sind 1,6 Mio. Beamte, von denen 0,4 Mio. zum höheren Dienst gehören. Zwei Drittel des öffentlichen Dienstes besteht aus Arbeitnehmern (Arbeiter und Angestellte): 2,5 Mio. Angestellte und 0,7 Mio. Arbeiter. Beamte Rolle und Status von Beamten sind im Grundgesetz, ihre Rechtsstellung in verschiedenen Gesetzen geregelt. Das Recht der Beamten einschließlich ihrer Besoldung war bisher weitgehend bundeseinheitlich geregelt. Nach der Föderalismusreform wird aber insbesondere die Besoldung der Landes- und Kommunalbeamten künftig von den Ländern selbst gestaltet. Beamter ist, wer dazu durch einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt ernannt wird. Grundsätzlich muss der Bewerber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Beamte werden je nach Ausbildung unterschiedlichen Laufbahnen zugeordnet: höherer, gehobener, mittlerer, einfacher Dienst. Das mit einer spezifischen Ausbildung verbundene Laufbahnsystem soll dafür sorgen, dass die Beamten nicht nur einzelne, sondern alle Aufgaben einer Laufbahn wahrnehmen können und vielseitig einsetzbar sind. Für die meisten Laufbahnen wird man in einem Vorbereitungsdienst verwaltungsintern ausgebildet. Für bestimmte Fachaufgaben sind Laufbahnen besonderer Fachrichtung eingerichtet. Ferner besteht bis zu einem bestimmten Alter nach besonderer Prüfung die Möglichkeit, als sogenannter anderer Bewerber in das Beamtenverhältnis übernommen zu werden. Auf diese Weise können z. B. Soziologen ohne Vorbereitungsdienst unter Umständen Beamter des höheren Dienstes werden. Voraussetzung für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst sind im höheren Dienst ein abgeschlossenes - für die Laufbahn geeignetes - Studium an einer Hochschule. Der Vorbereitungsdienst dient der praktischen und theoretischen Ausbildung und wird mit einer Laufbahnprüfung abgeschlossen. Das Land Nordrhein-Westfalen bietet z. B. Bewerbern mit einem wirtschafts-, verwaltungs- oder sozialwissenschaftlichen Studienabschluss die Möglichkeit, durch das Verwaltungsreferendariat die Befähigung für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst zu erwerben. Voraussetzung ist außerdem der Nachweis von Kenntnissen im öffentlichen Recht. Das Höchstalter am Tag der Einstellung beträgt 32 1/ 2 Jahre. Der Vorbereitungsdienst beginnt für alle Referendare am 1. Januar eines jeden Einstellungsjahres. Der Einstellung geht ein Auswahlverfahren in Form eines ein- Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 140 <?page no="140"?> tägigen Assessment-Center-Verfahrens bei einer Bezirksregierung voraus. Der Vorbereitungsdienst gliedert sich in die zweijährige Ausbildung und die anschließende Staatsprüfung. Angestellte Die Beschäftigung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst beruht auf dem allgemeinen Arbeitsrecht und Tarifverträgen, die von öffentlichen Arbeitgebern und Gewerkschaften abgeschlossen werden. Für die Angestellten von Bund, Ländern und Gemeinden galt lange einheitlich der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) mit allerdings unterschiedlichen Vergütungsordnungen für Bund und Länder bzw. Gemeinden. Das Einkommen der Beschäftigten von Bund, Ländern und Kommunen richtet sich inzwischen nach der Eingruppierung in die Entgeltgruppen und den Stufen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD), der am 1. Oktober 2005 bzw. zum 1. November 2006 in Kraft getreten ist (vgl. Tabellen im Anhang). Die Zuordnung zu den tariflichen Vergütungsgruppen hängt davon ab, welche Ausbildung und Beschäftigungszeiten vorliegen, ob Fortbildungen absolviert wurden, wie komplex die Aufgaben sind, wie groß die Verantwortung ist und welche beruflichen Erfahrungen vorliegen. Aufstiegsmöglichkeiten Beamte werden innerhalb ihrer Laufbahn befördert, wenn sie bestimmte »Wartezeiten« vollendet haben, die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die notwendigen Beurteilungen vorliegen. Angestellte werden nach Tätigkeitskriterien eingruppiert. Der Aufstieg in eine höhere Gehaltsgruppe setzt zumeist voraus, dass die Behörde dem Arbeitnehmer eine höher bewertete Tätigkeit überträgt. Mit zunehmender Berufserfahrung können auch Soziologen in Behörden Führungsfunktionen übernehmen. Allerdings ist für sie - im Vergleich zu Juristen - der Aufstieg in höhere Führungsebenen immer noch schwierig. 2. Beschäftigungsformen 141 <?page no="141"?> 3. Arbeitsmöglichkeiten für Soziologen in der öffentlichen Verwaltung Soziologen können ihr Wissen in unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung nutzen. Letztlich könnte man alle Tätigkeiten nennen, bei denen es vorrangig darum geht, mit Menschen zu kommunizieren oder die Organisation zu ändern und bei denen juristisches Wissen (Vorbereitung von Gesetzen) oder technisches Wissen (z. B. Bauaufsicht) nicht den Schwerpunkt bildet. Nach aller Erfahrung sind Soziologen keine besseren oder schlechteren Mitarbeiter als Juristen. Sie haben anders zu denken gelernt, können aber im Laufe der Zeit die juristische Methodik im Arbeitsalltag durchaus (mehr oder weniger) gekonnt anwenden. Soziologen finden sich heute in fast allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, auch in den klassischen Aufgabenbereichen der Bezirksregierungen. Es kommt ebenfalls vor, dass Soziologen in Fachverwaltungen arbeiten wie z. B. in der Stadtentwicklung oder der Arbeitsmarktverwaltung. Die Aufgaben in der Verwaltung sind vielfältig und nach Ressorts unterschiedlich. Allgemein gesprochen finden sich Soziologen häufig in Funktionen, bei denen es darum geht Ressourcen (Finanzen, Humankapital etc.) effizient zu verwalten und einzusetzen. Die folgende Aufzählung macht deutlich, wie groß die Zahl der Arbeitsfelder ist, in denen Soziologen tätig sein können. Querschnittsaufgaben Relativ häufig finden sich Soziologen in Querschnittsfunktionen und Stabsstellen (Personal, Gleichstellung, Organisation, Informationstechnik, Planung, Statistik, Öffentlichkeitsarbeit). Als Beispiele für solche Tätigkeiten können genannt werden: • Leitungsfunktion: Soziologen sind Abteilungsleiter in einem Ministerium oder in einer Bezirksregierung, Beigeordneter in einer Stadtverwaltung. • Assistenzfunktion: Soziologen sind als Referent der Behördenleitung/ im Ministerbüro tätig. • Statistik: Soziologen arbeiten in Statistikämtern von Bund, Ländern und Gemeinden (vgl. den Beitrag von Ilka Willand in diesem Band) und entsprechenden Referaten/ Dezernaten von Fachbehörden. Sie beteiligen sich an der Durchführung von Erhebungen, analysieren statistische Daten und erstellen Prognosen. • Öffentlichkeitsarbeit: Soziologen bereiten in Pressestellen Informationskampagnen vor oder entwerfen Pressemitteilungen der Behördenleitungen (vgl. den Beitrag von Sonja Vollmer in diesem Band). Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 142 <?page no="142"?> • Personalverwaltung: Soziologen treffen in der Personalabteilung eine Auswahl unter Stellenbewerbern und erarbeiten Personalentwicklungskonzepte. • Organisation: Soziologen arbeiten bei der Neuorganisation der Verwaltungen mit. Im Zentrum stehen oft Privatisierung und Personaleinsparungen. Die Ausbildung in sozialwissenschaftlicher Methodenlehre ist von Vorteil, wenn externe Untersuchungen kritisch zu begleiten sind. Außerdem gibt es Soziologen häufig in der Funktion des selbständigen Organisationsberaters, z. B. bei der Gestaltung von Management- und Arbeitsprozessen oder der Etablierung von Qualitätsmanagementsystemen (vgl. Beiträge von Thomas Klein und Annette von Alemann in diesem Band). • Informations- und Kommunikationstechnik: Soziologen entwerfen Konzepte zur Ausstattung von Behörden mit Hardware und Software, verbessern die IT-Unterstützung der Verwaltungsabläufe und organisieren die IT-Schulung des Personals. Zum Leistungsspektrum gehören die Bereitstellung und der Betrieb einer informationstechnischen Infrastruktur, der Betrieb der Fachverfahren, Versorgung mit Office-Anwendungen sowie der Betrieb der Datennetze und Telekommunikationssysteme. • Finanzwesen: Soziologen organisieren Prozesse zur Einführung der kaufmännischen Buchführung und Kostenrechnung in Einrichtungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Dort sind sie zuständig für interne Revision, Unternehmensentwicklung und Controlling. Fachaufgaben Aber nicht nur in Querschnittsfunktionen sind Soziologen zu finden, sondern sie sind auch in Fachbehörden tätig. Folgende - exemplarische - Auflistung macht dies deutlich. • Arbeitssicherheit: Soziologen arbeiten in Fachbehörden des Arbeitsschutzes, z. B. bei der Vorbereitung und Durchführung von Gesetzen zum Arbeitsschutz - Unfallverhütung, Erste Hilfe, Umgang mit Gefahrstoffen, Brandschutz, Arbeitsplatzgestaltung - oder bei der Schulung des Fachpersonals für Arbeitsschutz. • Gesundheitsberichterstattung: Soziologen sind in kommunalen Gesundheitsbehörden tätig. Die Gesundheitsämter sind zur Gesundheitsberichterstattung verpflichtet. Teilweise sind Daten vorhanden, teilweise werden Daten generiert. Innerhalb der Kreisverwaltung werden andere Fachämter einbezogen. Neben der appellativen Funktion an Verwaltung, Öffentlichkeit und Politik können die Gesundheitsberichte zur Koordination von Akteuren beitragen. 3. Arbeitsmöglichkeiten für Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 143 <?page no="143"?> • Sozialamt: Sozialplanung beschreibt Bedürfnisse und Lebenslagen, entwickelt vorausschauend soziale Unterstützungssysteme und überprüft diese auf ihre Wirkungen. Zielgruppen und Handlungsfelder kommunaler Sozialplanung sind z. B. Kinder- und Jugendhilfeplanung, Beschäftigungsförderung, Altenhilfeplanung, Behindertenhilfeplanung, Wohnungslosenplanung. Methoden und Instrumente der Sozialplanung sind Sozialberichterstattung, Sozialräumliche Planung, Moderationsverfahren und Partizipationsmodelle. • Jugendamt: Zu den Aufgaben des Jugendamtes und damit der dort tätigen Soziologen gehören die gesetzlich vorgeschriebene Jugendhilfeplanung, die Förderung und Beratung von Jugendverbänden und ihrer Einrichtungen, die außerschulische Jugendbildung, der Ferienfreizeitbereich, internationale Begegnungen und der erzieherische Kinder- und Jugendschutz (Entwicklung präventiver Maßnahmen sowie Beratung von Institutionen und Einzelpersonen). Immer größere Bedeutung bekommt die Jugendsozialarbeit (berufsvorbereitende und berufsbegleitende Maßnahmen für junge Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen). • Umweltschutz: Soziologen arbeiten in Fachbehörden des Umweltschutzes (z. B. bei der Vorbereitung und Durchführung von Gesetzen zum Umweltschutz, Einführung von Umweltmanagementsystemen; siehe auch den Beitrag von Andreas Jaron in diesem Band) und in kommunalen Betrieben der Abfallwirtschaft. • Arbeitsverwaltung (Agentur für Arbeit): Soziologen sind hier z. B. mit der Berufsberatung oder der Analyse von Daten der Arbeitsmarktforschung betraut. • Wirtschafts- und Technologieförderung: Soziologen unterstützen hier kleine und mittlere Unternehmen und wickeln dazu Förderprogramme ab. • Integration von Migranten: Soziologen arbeiten in Fachbehörden, die mit Ausländerfragen befasst sind. Sie analysieren die Entwicklung von Migrantengruppen und informieren über Integrationsmaßnahmen. • Raum- und Regionalplanung, Stadtentwicklung, Verkehrsplanung: Einige Soziologen arbeiten in den Planungsdezernaten der Stadtverwaltungen und Bezirksregierungen. Sie erstellen Unterlagen für stadt- und raumplanerische Entscheidungen der Verwaltungsspitzen und politische Gremien. Dafür werten sie Statistiken aus und erarbeiten Stadtentwicklungskonzepte. Sie koordinieren die Planungen der Fachämter unter sozialräumlichen Aspekten und organisieren Bürgerbeteiligungsverfahren. Soziale Aspekte der Stadtentwicklung stehen im Mittelpunkt. Dazu gehört z. B. aber auch die Verkehrsplanung. • Bauplanung und Liegenschaftsverwaltung: Soziologen erarbeiten Flächenbedarfsanalysen als Vorgaben für die Planungen der Bauverwaltung. Sie arbeiten an der Neuorganisation der Bau- und Liegenschaftsverwaltung mit. Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 144 <?page no="144"?> 4. Notwendige Kompetenzen Was bringen Soziologen mit? Was fehlt ihnen? Vom akademischen Wissen kann man in der Verwaltungspraxis in der Regel wenig direkt anwenden, da mit Ausnahme der Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung in Deutschland nur sehr wenige verwaltungsbezogene Studiengänge bestehen. Ferner geht es in der Wissenschaft eher um Erkenntnis, in der Verwaltung dagegen darum, zu handeln. Ein Beispiel: Wenn ein Soziologe für Statistiken in der Verwaltung zuständig ist, wird Wissen im Bereich Methodik nützen; wichtiger ist aber, dieses Wissen in »funktionierende« Entscheidungen einfließen zu lassen. Hier helfen allgemeine Qualifikationen: Soziologen haben häufig eher Stärken in der Kommunikation als Juristen, weil deren Studium inhaltlich und methodisch anders gestaltet ist. Außerdem verfügen Soziologen durch die Selbstorganisation des Studiengangs über eine andere Art des Lernens, das ihnen bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen hilft. Auch vor Gruppen zu reden, engagiert die eigene Position zu vertreten, lernt man in einem sozialwissenschaftlichen Studium oft besser als in anderen Studiengängen. Soziologen zeichnen sich im beruflichen Tagesgeschäft vor allem durch einen pro-aktiven Umgang mit anstehenden Herausforderungen aus. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation kommt ihnen hierbei zugute. Auch sind Soziologen in der Lage vernetzt zu handeln, da sie in komplexen Zusammenhängen denken können. Schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit, logisch-schlussfolgerndes Denkvermögen sowie die Neigung zum konzeptionellen Arbeiten oder zum Planen und Organisieren sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen. Ihre Aufgaben erledigen die Mitarbeiter in den Verwaltungen im Rahmen von Zielvorgaben selbstständig. Oft sind sie jedoch in ein Projektteam eingebunden, in dem es darum geht, bestimmte Fristen einzuhalten und die Zusammenarbeit aller Mitarbeiter zu gewährleisten. Je nach Tätigkeit arbeiten Soziologen in der Verwaltung mit Juristen, aber auch mit Absolventen anderer Disziplinen wie Diplom-Kaufleuten oder Ingenieuren und mit Beamten und Angestellten anderer Verwaltungslaufbahnen zusammen, insbesondere mit Beamten des gehobenen Dienstes, die eine eigenständige Verwaltungsausbildung mit einem Fachhochschulabschluss absolviert haben. Sie haben ferner vielfältige Kontakte zu Mitarbeitern von anderen Behörden, zu Verbänden, Bildungseinrichtungen, Forschungsinstituten oder den Medien. In den Arbeitsfeldern, in denen Soziologen tätig sind, müssen sie in der Lage sein, auf neue Fragestellungen Antworten zu geben, Ursachen zu benennen und 4. Notwendige Kompetenzen 145 <?page no="145"?> mögliche Strategien aufzuzeigen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellen sie in Form von Stellungnahmen und Vermerken schriftlich dar und präsentieren sie außerdem vor ihren Vorgesetzten, vor politischen Gremien oder vor Vertretern von Verbänden, vor Bürgern, die von Verwaltungsentscheidungen betroffenen sind oder vor der Presse. Dabei wird von ihnen nicht nur erwartet, dass sie komplexe Themen verständlich vermitteln können. Sie müssen außerdem in der Lage sein, Ergebnisse zu interpretieren, Prognosen abzugeben, Handlungsempfehlungen für die Politik zu formulieren bzw. die Behörde nach außen zu repräsentieren. Wichtig ist für Soziologen, die innerhalb der Verwaltung arbeiten, dass sie sich in juristische Denk- und Arbeitsweisen (Verfahrensregelungen, Geschäftsordnungen) einarbeiten. Rollenkonflikte: Warnung vor Enttäuschungen Systemanalytisches und gesellschaftskritisches Denken erleichtert den Soziologen die Orientierung insbesondere beim Berufseinstieg. Zugleich führt dieses Denken aber auch zu einer Distanz von der Arbeitsumgebung, die hierarchisch geprägt ist: Aus dem gewachsenen Verhältnis von Loyalität, Gehorsam und Unbestechlichkeit ergibt sich das Alimentations- und Fürsorgeprinzip des Staates gegenüber seinen Mitarbeitern. Allein dieses Unterordnungsverhältnis dürfte von vielen Soziologen als Beeinträchtigung der beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten erachtet werden. Ein weiteres Problem kann aus dem Wunsch entstehen, selbst zu Veränderungen beizutragen. Diese sind zwar von Behördenleitungen durchaus gewünscht (»Was machen wir mit den Wünschen des Parlaments oder der Bürger in dieser oder jener Situation? Haben Sie einen Vorschlag? «) Aber nicht immer treffen Vorschläge auf Zustimmung, weil z. B. Vorgesetzte oder Kollegen den Zeitpunkt nicht für richtig halten, die vorgeschlagene Richtung oder das geplante Vorgehen ablehnen. Alle Minister und Bürgermeister wünschen sich zwar mündige Bürger, also auch mündige Mitarbeiter. Diese sollen aber zugleich die Pflichten und Tugenden der preußischen Beamten kennen. Ein Soziologe in der Verwaltung braucht also einen langen Atem, inneren Abstand, Verständnis für Systemstabilität und die Tücken des Veränderungsmanagements. Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 146 <?page no="146"?> 5. Wege in das Berufsfeld Wenn man schon vor dem Studium an eine spätere berufliche Tätigkeit in der Verwaltung denkt, ist eine Verwaltungsausbildung eine günstige Einstiegsmöglichkeit. Man lernt, wie eine Verwaltung funktioniert, und kann dann besser einschätzen, was ein Studium nutzen kann. Trägt man sich erst im Studium mit dem Gedanken, in einer Verwaltung zu arbeiten, sind Praktika bei Behörden ein guter Weg, um die Anforderungen der Berufspraxis kennen zu lernen und erste Kontakte zu knüpfen, die später beim Berufseinstieg helfen können. Außerdem sollte man sich im Studium überlegen, welche Fächer für eine Verwaltungstätigkeit nützlich sein können. Dazu gehören sicher die Methoden der empirischen Sozialforschung. Diese Kenntnisse lassen sich fast immer beruflich verwerten. Wenn Seminare oder Vorlesungen zur Soziologie der öffentlichen Verwaltung angeboten werden, sollten sie unbedingt besucht werden. Auch Kenntnisse in Organisationssoziologie oder Sozialpsychologie können später im beruflichen Alltag helfen. In der Verwaltung sind ferner Kenntnisse des öffentlichen Rechts von Vorteil. Sinnvoll ist es auch, sich in Seminar- und Abschlussarbeiten mit Verwaltungsthemen zu beschäftigen. Die formalen Anforderungen an Bewerbungen kann man sich über Bewerbungsratgeber erschließen. Bewerbungsgespräche sind eine Sache der Übung. Man sollte sich also so früh wie möglich bewerben und an Gesprächen zur Übung teilnehmen, ohne dass dabei gleich eine Stelle herauskommen muss. In vielen Kontexten zählen Praxiserfahrungen und Praktika. Kontakte zu Soziologen, die bereits in der Verwaltung arbeiten, sind ebenfalls hilfreich. Man kann sich hierzu an den Berufsverband der Soziologen oder an die Alumnivereine wenden. Manchmal sind Mitarbeiter von Behörden auch als Lehrbeauftragte an Hochschulen tätig. Am besten wäre es natürlich, wenn man schon im Studium einen Soziologen als Tutor oder Mentor in einer Behörde fände, der beim Studium und dem anschließenden Berufseinstieg hilft. 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Grau, Ingeborg (2002): Als Soziologin in der Verkehrsplanung. In: Sozialwissenschaft und Berufspraxis, Jg. 2002, S. 151 ff. Mai, Manfred (1994): Sozialwissenschaftliche Kompetenzen im Verwaltungshandeln. In: Sozialwissenschaft und Berufspraxis, Jg. 17, Heft 2, S. 126-130. 5. Wege in das Berufsfeld 147 <?page no="147"?> Mayntz, Renate (1978): Soziologie der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg/ Karlsruhe. Rehermann, Katarina (1994): Die Soziologin in der Ministerialverwaltung. In: Sozialwissenschaft und Berufspraxis, Jg. 17, Heft 2, S. 131-137. Internetadressen: Bundesministerium des Inneren: www.bmi.bund.de. Landesministerium des Innern NRW (hier auch Informationen zum Aufbau der öffentlichen Verwaltung und zur Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst): www.im.nrw.de. Bundesagentur für Arbeit: www.arbeitsagentur.de. Soziologen in der öffentlichen Verwaltung 148 <?page no="148"?> Andreas Jaron Vom Bohren dicker Bretter Soziologen als Beamte in einem Bundesministerium 1. Das Bundesumweltministerium Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) wurde am 6. Juni 1986 geschaffen. Es ist seitdem innerhalb der Bundesregierung federführend verantwortlich für die Umweltpolitik des Bundes. Bis 1986 kümmerten sich innerhalb der Bundesregierung drei verschiedene Ministerien um Belange des Umweltschutzes: das Innenministerium, das Landwirtschaftsministerium und das Gesundheitsministerium. Das Bundesumweltministerium hat seinen ersten Dienstsitz in Bonn und eine Außenstelle in Berlin. Es hat etwa 820 Mitarbeiter, davon 600 in Bonn. Boshafte Zungen behaupten, in Bonn werde gearbeitet - in Berlin regiert. Das Umweltministerium regelt und koordiniert die Staatstätigkeit im Umwelt- und Naturschutz sowie in der Reaktorsicherheit; dazu gehören die Bereiche Abfallwirtschaft, Gewässerschutz, Bodenschutz, Immissionsschutz (u. a. Luftreinhaltung), Anlagensicherheit, Chemikaliensicherheit, Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Strahlenschutz, nukleare Ver- und Entsorgung, Bio- und Gentechnik - um einige wichtige Felder zu nennen. Daneben werden horizontale Aufgaben erfüllt, wie allgemeine Verwaltungsaufgaben, Forschungsförderung oder internationale Kontakte im Umweltbereich. Die Bundesministerien sind organisiert in Abteilungen (sechs im Bundesumweltministerium), jeweils zwei oder drei Unterabteilungen (14) und dort jeweils in vier bis sieben Referaten (82), die jeweils einen klar umrissenen Aufgabenbereich bearbeiten. Zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums gehören außerdem drei Bundesämter mit zusammen mehr als 2.151 Mitarbeitern: das Umweltbundesamt, das Bundesamt für Naturschutz sowie das Bundesamt für Strahlenschutz. Darüber hinaus wird das Ministerium von mehreren unabhängigen Sachverständigengremien beraten. Die wichtigsten Beratungsgremien sind der 149 <?page no="149"?> Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) und der Wissenschaftliche Beirat »Globale Umweltveränderungen«. 2. Die Bundesverwaltung Die Bundesverwaltung ist, je nach Aufgabe, dreistufig aufgebaut. Bei den Ministerien mit einem eigenen Verwaltungsunterbau (das BMU gehört nicht hierzu) sind sie folgendermaßen gegliedert: Bundesoberbehörde als Zentrale, Bundesmittelbehörden, die regional zuständig sind, und die örtlichen unteren Bundesbehörden. Der Bund unterhält darüber hinaus eine große Anzahl von zentralen Behörden und Institutionen, die mit speziellen Aufgaben betraut sind. Die wichtigsten und personell starken werden als Bundesoberbehörden bezeichnet. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auf das gesamte Gebiet des Bundes; sie unterstehen unmittelbar einer obersten Bundesbehörde, in der Regel dem Bundeskanzleramt oder einem Bundesministerium. Organisatorisch mit ihnen verwandt sind kleinere Bundesbehörden und -anstalten, die vorwiegend im Wissenschafts- und Informationsbereich tätig sind. Insgesamt gibt es ungefähr 100 solcher zentralen Einrichtungen, die jeweils einem Ministerium unterstellt sind. Für bestimmte bundesstaatliche Aufgaben sind »bundesunmittelbare« Körperschaften, Anstalten und Stiftungen eingerichtet worden. Sie sind selbständig für ihren Sachbereich im gesamten Bundesgebiet zuständig und unterstehen der Aufsicht eines Ministeriums. Ein Beispiel dafür ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück; sie wurde aus dem Erlös für den Verkauf der bundeseigenen Salzgitter AG 1989 gespeist und bewirtschaftet einen Betrag von 1,288 Milliarden Euro als Stiftungskapital. Damit ist sie eine der größten Stiftungen in Europa. Seit 1991 hat sie ca. 6200 Projekte aus den Bereichen Umwelttechnik, Umweltforschung, Naturschutz und Umweltkommunikation mit über 1,2 Mrd. Euro Fördervolumen unterstützt. In den Arbeitseinheiten der Ministerien, den »Referaten«, arbeiten Mitarbeiter des höheren, gehobenen, mittleren und einfachen Dienstes zusammen. Der höhere Dienst (Referenten, Referatsleiter, Unterabteilungsleiter, Abteilungsleiter, Staatssekretär) wird i. d. R. von Akademikern besetzt, der gehobene Dienst (Sachbearbeiter) von Fachhochschulabsolventen oder Verwaltungsbeamten, der mittlere Dienst (Bürosachbearbeiter) von ausgebildeten, der einfache Dienst von angelernten Kräften. Traditionell wurden in den Ministerien der Bundesverwaltung (früher bereits in der Reichsverwaltung) im höheren Dienst Juristen als »Allzweckwaffe« eingesetzt. Soziologen als Beamte in einem Bundesministerium 150 <?page no="150"?> Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert: insbesondere in den fachspezifischen »Häusern« wurden Akademiker anderer Fachrichtungen eingestellt, insbesondere Volkswirte und im Umweltministerium naturwissenschaftlich Ausgebildete. In der Verwaltung der Bundesregierung - das sind die Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden - ist die Zahl der ausgebildeten Soziologen allerdings relativ gering. 1 Auch im Bundesumweltministerium sind bislang keine Soziologen für soziologische Aufgaben eingestellt worden, obwohl gerade im Umweltbereich soziologisch interessante Fragestellungen ihrer Beantwortung harren. 3. Das Spannungsfeld von Politik und Verwaltung Schauen wir uns zunächst in dem Berufsfeld um, das man in der Bundesverwaltung - wie fast überall an der Schnittlinie zwischen politischer und reiner Verwaltungstätigkeit - betritt. Hier geht es zunächst vor allem um die Wechselwirkung zwischen Politikern und Verwaltungsangehörigen, anschließend werden die Aufgaben geschildert, die Mitarbeiter des höheren Dienstes in der Bundesverwaltung zu bewältigen haben. Das Grundgesetz regelt in Artikel 62: »Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern«. Sie zusammen bilden das Bundeskabinett. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Ganz wesentlich wird das Handeln der Bundesregierung von den Beamten, meist Spezialisten in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich, gestaltet und entschieden. Max Weber beschrieb in einem seiner bekanntesten Werke »Politik als Beruf« (1919) sehr anschaulich das Zusammenspiel zwischen Politikern und Administration. Er hat den Schwerpunkt dabei jedoch auf die eine Seite der Medaille gelegt: den Politiker. Politik - und besonders auch das Gesetzgebungsverfahren - wird allerdings wesentlich (auch) von Beamten 2 gesteuert, selbst wenn Politiker dies nur ungern zugeben (jedenfalls nicht 1 Eine zusammenfassende Aufstellung der Beschäftigten des Bundes hinsichtlich ihrer Berufsausbildung bzw. ihres Studiums existiert, soweit feststellbar, nicht. 2 Im Folgenden werden als »Beamte« meist alle Bediensteten der Bundesverwaltung bezeichnet, also auch die Angestellten, die zusammen mit Beamten im gehobenen und höheren Dienst der Bundesverwaltung tätig sind. 3. Das Spannungsfeld von Politik und Verwaltung 151 <?page no="151"?> öffentlich) und auch Medien und die breitere Öffentlichkeit diesen Umstand kaum wahrnehmen und daher eher bezweifeln würden. Der eine wesentliche Unterschied liegt darin, dass Politiker »die Breite« des Feldes bearbeiten, während die Beamten »die Tiefe« der jeweiligen Furche - um im Bild zu bleiben - beackern. Allerdings sollte man sich bezüglich »der Breite des Feldes«, das von Politikern beackert wird, keine allzu großen Illusionen machen: Auch hier bedarf es spezialisierter Fähigkeiten und Kenntnisse, um z. B. im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat, der tatsächlich die Breite des Feldes durchmisst, erfolgreich agieren zu können; die überwiegende Zahl der Politiker beschränkt sich in der Regel ebenfalls auf fachliche Spezialgebiete, in die sie sich (günstigstenfalls mit Hilfe von Beamten) einarbeiten. Für sie gilt zudem der Fraktionszwang, der dem einzelnen Parlamentarier die (unmögliche) Durchdringung der gesamten Politik erspart. In anderen Gebietskörperschaften (Kommunen, Ländern, Europäisches Parlament) ist dies ebenso, sobald Spezialkenntnisse vonnöten sind und Entscheidungsprozesse deshalb vorzustrukturieren sind. Der andere wesentliche Unterschied zwischen Politikern und Beamten betrifft das ebenfalls von Max Weber dargestellte Herrschaftsverhältnis, also den Gehorsam des »Staatsdieners« gegenüber dem vom Volk als Souverän durch demokratische Wahlen auf Zeit bestimmten und so legitimierten, den Souverän repräsentierenden Machtträgern: Parlament und Bundesregierung. Sie haben die weitgehende Verfügungsgewalt über die Verwaltungsmittel Personal und Budget. Die verfassungsrechtliche Verantwortung tragen damit grundsätzlich auch die jeweiligen Verfassungsorgane, letztlich also Politiker. Sie teilen, delegieren und kontrollieren diese Verantwortung allerdings, mit der Konsequenz, dass diese oft nicht mehr personifiziert werden kann (»Ich trage die politische, aber keine persönliche Verantwortung! «). Eine interessante Mittelstellung haben hier die »Politischen Beamten« - in den Bundesministerien sind dies die Abteilungsleiter und die Staatssekretäre. Sie können jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, auch ohne besondere Begründung. Dies geschieht regelmäßig bei Regierungswechseln, wenn ein Minister einer anderen Partei »einzieht« und die Führung des Ministeriums ihm bekannten, loyalen, meist der gleichen Partei angehörenden Personen anvertrauen will. Aber der zwangsweise Ruhestand kann auch im (seltenen) Falle politischer Verantwortung eintreten, wenn z. B. ein offensichtliches oder vermeintliches Fehlverhalten Konsequenzen erfordert. Dagegen ist die Verantwortung der »nicht-politischen« Beamten auf ihr Treueverhältnis gegenüber dem Staat und seinen verfassungsmäßigen Repräsentanten beschränkt. Persönliche Verantwortung tragen sie nur in Fällen vorsätzlicher oder Soziologen als Beamte in einem Bundesministerium 152 <?page no="152"?> grob fahrlässiger Amtspflichtverletzung. Im Normalfall reichen die einfachen Disziplinierungsmittel und deren Androhung aus, um Wohlverhalten zu erreichen. Es bedarf im demokratischen Staat beider: der Politiker, die den Souverän und »die Breite« repräsentieren, und der Beamten, die die Rationalität und »die Tiefe« vertreten. Erst zusammen und im ausbalancierten Wechselverhältnis lässt sich »Staat machen«. Die Beamten als »Philosophen« im Sinne Platons Politeia den Staat allein betreiben zu lassen, funktioniert nur kurzzeitig (z. B. nach Wahlen) und würde mit dem Verlust des Vertrauens der Bürger in den Staat enden. Überließe man den Staat dagegen allein den Politikern, wäre die Erosion staatlicher Aufgabenerfüllung die zwangsläufige Folge. Deshalb ist einer »Politisierung der Verwaltung« stets entgegenzuwirken. In Zeiten knapper öffentlicher Haushalte (also immer! ) wird der öffentliche Dienst vonseiten der Politik (die allerdings die Fülle der Aufgaben des öffentlichen Dienstes erst geschaffen hat) regelmäßig als ausufernder Moloch dargestellt, den es zu zähmen und einzuschränken gilt. Sparbeschlüsse (Gehaltskürzungen, Personaleinsparungen, Verlängerung der Arbeitszeit) beziehen sich deshalb meist auf den öffentlichen Dienst, weniger allerdings auf die Aufgabenfülle. 4. Tätigkeiten und notwendige Kompetenzen am Beispiel eines Referats im Bundesumweltministerium Das Referat »Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der Abfallwirtschaft; Grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen«, dem ich als Referatsleiter vorstehe, hat acht Mitarbeiter. Zu seinen Aufgaben gehören die strategische Planung der Abfallwirtschaft, soweit sie staatlich geregelt und initiiert ist, auf nationaler und internationaler Ebene. Hinzu kommen die Abfallexporte und die dazu gehörenden nationalen und internationalen Regelungen sowie die Ressourcenwirtschaft, soweit sie die Schließung der Stoffkreisläufe betrifft. Außerdem obliegt dem Referat als »Kopfreferat« die Koordinierung von gemeinsamen Aufgaben der Unterabteilung sowie eine gewisse »Ausputzerfunktion«, wenn Aufgaben keinem der anderen sechs fachbezogenen Referate zuzuordnen sind. Dies bedeutet im täglichen Geschäft zahlreiche Abstimmungen, meist durch Telefonate und E-Mails, mit zu beteiligenden Ressorts, Umweltministerien der Länder, Verbänden, Unternehmen, Kollegen aus anderen Mitgliedstaaten oder der EU-Kommission etc. Außerdem finden auf der nationalen und den internationa- 4. Tätigkeiten und notwendige Kompetenzen 153 <?page no="153"?> len Ebenen (Europäische Union, OECD, Vereinte Nationen) intensive Abstimmungen über die Schaffung neuer Regelungen sowie die Pflege und Interpretation bestehender Regelungen statt, die jeweils aus konkreten Problemen des Vollzuges des Rechts resultieren. Das zentrale Instrument der Verwaltung ist die »Vorlage«, die als Vehikel der vertikalen und horizontalen Kommunikation dient. Sie wird vom Referat verfasst und kann unterschiedlichen Zwecken dienen. Ihr Aufbau ist meist folgender: Darstellung des Zwecks der Vorlage, Schilderung des Sachstands, Bewertung des Sachstands und der Rahmenbedingungen, Vorschlag für das weitere Vorgehen (einschließlich der etwaigen Kostenwirkungen). Die Vorlage wird im vertikalen Prozess von anderen zu beteiligenden Arbeitseinheiten »mitgezeichnet« und im horizontalen Prozess durch die Hierarchie »nach oben« durch Bemerkungen auf der Vorlage kommentiert, um dem vorgesetzten Entscheidungsträger die Entscheidung zu ermöglichen. Analyse und Vorschlag für Lösungen und Handlungsoptionen sind so systematisch Voraussetzung für die (politische oder administrative) Entscheidung. Die Novellierung der EG-Abfallverbringungsverordnung, die im Jahr 2005 auf europäischer Ebene verhandelt wurde, kann als Beispiel einer heute typischen Ministerialaufgabe kurz dargestellt werden: EG-Verordnungen sind unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltendes Recht; sie erfordern deshalb sorgfältigste Detailarbeit, um einerseits Klarheit für den Vollzug, aber gleichzeitig auch den notwendigen Interessenausgleich zwischen den Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Klarheit verhindert langwierige und schwierige Gerichtsverfahren zur Interpretation des Rechts, die meist den Vollzug des Rechts behindern und kostspielig für die Beteiligten sind. Der Interessenausgleich ist nötig, um zum Teil sehr unterschiedliche Rechtssysteme und materielle Bedingungen (vom Nordkap bis Nikosia) »unter einen Hut zu bekommen«. Zugleich soll dieser Interessenausgleich auch noch einen möglichst hohen Standard repräsentieren. Die Verhandlungen werden im Rahmen des Europäischen Parlaments und des Rates geführt, die aufgrund eines Vorschlags der EU-Kommission in das Mitentscheidungsverfahren eingebunden sind. Allerdings finden die zentralen Verhandlungen auf der Ebene der Fachbeamten in der betreffenden Ratsarbeitsgruppe statt. Dies verlangt von dem federführenden Referat eine permanente Abstimmung mit den anderen beteiligten Ressorts, den nach dem Grundgesetz für den Vollzug des Abfallrechts zuständigen Bundesländern in Gestalt ihrer obersten Landesbehörden (Umweltministerien), den beteiligten Kreisen (Wirtschaft, Kommunale Spitzenverbände und Umweltverbände) sowie der Hierarchie des BMU. Die meisten Detailfragen bleiben auf der fachlichen Ebene, aber wichtigere Verhandlungsgegenstände werden auf politischer Ebene - bis zu den viermal jährlich Soziologen als Beamte in einem Bundesministerium 154 <?page no="154"?> stattfindenden EU-Umweltministerrunden - entschieden; dort wird auch die abschließende Ratsentscheidung über das Gesamtwerk getroffen. Europäische Rechtsakte müssen von EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat gemeinsam entschieden werden (Mitentscheidung) - daher gibt es für Konfliktfälle einen Vermittlungsausschuss. Das Instrument der elektronischen Kommunikation ist bei europäischen (aber auch nationalen) Verhandlungssituationen inzwischen unverzichtbar geworden, da es fachliche Abstimmungen über ganz Europa in kürzesten Zeitspannen ermöglicht. Das persönliche Kennenlernen und die Pflege der Kontakte ist damit zu einem wesentlichen Mittel der europäischen Politik geworden, das weder legal noch organisatorisch formalisiert wurde. Auf der Klaviatur dieser persönlichen Beziehungen spielen zu können, bedeutet einen erheblichen und unverzichtbaren Verhandlungsvorteil. Die Tätigkeit eines Regierungsbeamten an der Schnittlinie zwischen Politik und Verwaltung erfordert verschiedene Fähigkeiten und Kenntnisse. Grundsätzlich setzt die Legitimation staatlicher Intervention die Befolgung des Subsidiaritätsprinzips voraus: Hilfe zur Selbsthilfe - nur dort darf der Staat handeln, wo der Einzelne oder gesellschaftliche Gruppierungen das Ergebnis nicht selbst oder nicht gemeinwohlorientiert erfüllen können. Oft wird in diesem Zusammenhang von »Daseinsvorsorge« gesprochen; aber auch Infrastrukturtätigkeit, Forschung etc. gehorchen grundsätzlich diesem Prinzip, jedenfalls solange es nicht um Alimentierung geneigter Petenten aus (partei-)politischen Gründen geht. Die Entscheidung über eine staatliche Intervention muss schon von daher in einem sorgsamen und komplexen Prozess gefällt werden. Fähigkeiten und Kenntnisse des Beamten als Träger des Entscheidungsprozesses sind gerichtet auf • die Analyse eines Problems, • Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten, • Auswahl der optimalen Lösung, • Durchsetzung der notwendigen Entscheidung für diese Lösung, • Umsetzung des verwaltungsmäßigen Handelns und • Kontrolle der Umsetzung und ihres Erfolges. Der Regierungsbeamte muss den verwaltungstechnischen Instrumentenkasten beherrschen und den politischen Willensbildungsprozess beeinflussen können, wenn er seine Aufgaben erfüllen will. Dabei erfolgt auch hier eine horizontale und vertikale Arbeitsteilung, also die Abstimmung mit anderen Beteiligten bzw. die Beachtung der hierarchischen Entscheidungsstruktur. Ein Auszug aus dem Bewertungsbogen zur Beurteilung der Leistung von Beamten im Bundesdienst gibt einen Eindruck, welche Fähigkeiten vom Beamten 4. Tätigkeiten und notwendige Kompetenzen 155 <?page no="155"?> gefordert werden. Danach werden folgende Merkmale regelmäßig beurteilt: 1. Arbeitsmenge; 2. Arbeitsqualität (Sachkompetenz/ Fachkenntnisse, Gründlichkeit, Zweckmäßigkeit des Handelns, Beachten von Prioritäten, Termingerechtigkeit); 3. Arbeitsweise (Eigenständigkeit/ Initiative, Zusammenarbeit, schriftliche und mündliche Ausdrucksweise); 4. Sozialverhalten (Teamfähigkeit, Umgang mit anderen Beschäftigten); 5. Führungsverhalten/ Wahrnehmung der Führungsverantwortung (Organisation des Verantwortungsbereiches, Anleitung und Aufsicht, Motivierung, Information); 6. Urteilsfähigkeit; 7. Auffassungsgabe; 8. geistige Beweglichkeit; 9. Belastbarkeit; 10. Fähigkeit zur konzeptionellen Arbeit; 11. Kreativität; 12. Kooperationsfähigkeit; 13. Verantwortungsbereitschaft; 14. Entschlusskraft; 15. Verhandlungsgeschick; 16. Organisationsfähigkeit; 17. Durchsetzungsfähigkeit; 18. Zuverlässigkeit. Dieser Auszug demonstriert, wie schwierig und zuweilen subjektiv die Beurteilung von Dienstleistungen im öffentlichen Dienst ist, insbesondere, wenn von einer Beurteilung Beförderungsmöglichkeiten und ggf. Leistungsprämien abhängen; abgesehen davon, dass objektive Beurteilungen in größeren hierarchischen Organisationen nicht möglich sind, da es keinen Beurteiler gibt, der alle zu Beurteilenden kennt und die Beurteilungsmaßstäbe nicht von jedem Beurteilenden in gleicher Weise interpretiert und benutzt werden. Der Soziologe beherrscht - pauschal und vereinfacht gesprochen - zunächst und vor allem die Analyse und Erklärung der gesellschaftlich-politischen Realität, ggf. auch die Darstellung von Lösungswegen. Aber auf die oben genannten praktischen Aspekte staatlicher Intervention hin ist er nicht »trainiert«. Dafür muss man wissen, wie bestehende Lösungen, Lösungsvarianten und Lösungswege zu gewichten sind und welche Durchsetzungspotenziale sie haben. Politikberatung, die über die Analyse hinausgeht, ist daher nicht die Stärke des Soziologen - zumindest sind das die Vorurteile, die seine Arbeit begleiten. Trotzdem trifft man Soziologen auch in der Bundesverwaltung an, wenngleich Soziologie im Hinblick auf das Berufsfeld der öffentlichen Verwaltung sicher eher untypisch ist. Soziologie schult den Blick und die Sichtweise auf die Gesellschaft und fördert die Fähigkeit, gesellschaftliche und politische Konstellationen zu analysieren. Aber dies reicht nicht, um tatsächlich tragfähige Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Hierzu gehören weitere Fähigkeiten, die sich der Soziologe in anderen Fächern oder Tätigkeiten erwerben muss. Grundsätzlich gilt heutzutage bei fast jedem Berufsanfänger, dass allein der Abschluss eines Studiums nicht ausreicht, um sich als Bewerber interessant für den künftigen Arbeitgeber zu machen. Vielmehr sind Sprachkenntnisse, Auslandserfahrung, Praktika und Referenzen neben Allgemein- und Spezialwissen, Sozialkompetenz und Eloquenz nötig, um Eignungstests sowie Vorstellungsgespräche zu pas- Soziologen als Beamte in einem Bundesministerium 156 <?page no="156"?> sieren und einen Beruf erfolgreich ausüben zu können. Auch im öffentlichen Dienst, insbesondere in einem Bundesministerium, das in der internationalen Politik einer globalisierten Welt als Akteur auftritt, gilt dies uneingeschränkt. Deshalb ist dem (angehenden) Soziologen zu empfehlen, seine Basis möglichst breit anzulegen, sich nicht allein auf das Studium zu konzentrieren und zu verlassen, sondern frühzeitig im Hinblick auf seinen Berufswunsch Zusatzqualifikationen zu erwerben. Denn dann ist es auch ohne Schmerz zu ertragen, kein Beamter zu werden. 4. Tätigkeiten und notwendige Kompetenzen 157 <?page no="158"?> Gabriele Tellenbach Solidarität und Toleranz vermitteln - Demokratien stärken Soziologen in politischen Stiftungen 1. Das Berufsfeld »Das Stiftungswesen boomt« stellt der Bundesverband Deutscher Stiftungen e. V. fest. Seit dem Jahrhundertwechsel steigt die Zahl der Stiftungsgründungen in Deutschland stetig an. Allein in dem genannten Dachverband sind mittlerweile ungefähr 13.000 Stiftungen organisiert, die unterschiedliche gesellschaftspolitische oder kulturelle Zielsetzungen verfolgen. Davon sind allerdings nur 800 bis 1300 so groß, dass sie wissenschaftlich ausgebildete Mitarbeiter beschäftigen können. Die Arbeit der politischen Stiftungen unterscheidet sich grundsätzlich von denen der privaten Stiftungen, die privatrechtlich als Möglichkeit beschrieben werden, eine bestimmte »Vermögensmasse eines Stifters einem festgesetzten Zweck zu widmen«. Die zunehmende Beliebtheit dieser Art von Stiftung liegt darin begründet, dass sich die Funktion von Stiftungen gewandelt hat. Bis dato agierten Stifter in Deutschland im Sinnes eines »Gutes tun und das Leben und den Namen des Stifters - meist nach seinem Ableben - durch Schenkungen an Bedürftige verewigen«. Der neue Stiftungsboom basiert auf einem veränderten Verhältnis vom Bürger bzw. Unternehmer zum Staat: der Staat sind die anderen! Vor dem Zugriff des Staates in Form von Steuern will der Bürger bzw. Unternehmer sein Geld retten und dazu bieten Stiftungen vielfältige Möglichkeiten. Außerdem können die Stifter gesellschaftspolitische Entwicklungen direkt und vor allem selbst steuern. Sie entscheiden, wer für welchen Zweck wie viel Geld erhält. Private Stiftungen mit sehr hohen Vermögen sind daher in der Lage, die öffentlichen Diskurse und damit die gesellschaftspolitischen Verhältnisse maßgeblich zu beeinflussen. Ein prominentes Beispiel in Deutschland ist die Bertelsmann Stiftung. Als Reinhard Mohn, Begründer der Bertelsmann AG, einer der zehn größten Medienkonzerne weltweit - im Jahr 1977 die Bertelsmann Stiftung gründete, ver- 159 <?page no="159"?> band er seinen Wunsch nach einer Reform des deutschen Staates mit dem Anliegen, der Familie die Erbschaftssteuer zu ersparen ohne die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren. Reinhard Mohn hat mit der Stiftung eine Reformwerkstatt für den Umbau des deutschen Sozialstaats geschaffen. Die Stiftung ist unter anderem tonangebend im Bereich der Schul- und Hochschulbildung über ihre strategische Vernetzung mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und mit dem Centrum für angewandte Politikforschung (CAP). Die Bertelsmann Stiftung zeigte den Weg für die neuen strategisch ausgerichteten Stiftungen. Gegenwärtig entwickelt sich ein weiteres neues Feld: die Kulturstiftungen. Angesichts ihrer Haushaltsprobleme kürzen Kommunen stark im Kulturetat, denn dort bieten sich die wirklich relevanten Sparpotentiale. Nun sind hier private Finanzierungen gefragt. Die politischen Stiftungen, um die es in diesem Beitrag ausführlicher gehen wird, sind keine »kapitalgetragenen« Stiftungen im wörtlichen Sinn. denn außer der Friedrich-Ebert-Stiftung verfügt keine politische Stiftung über ein nennenswertes Stiftungskapital. 2. Die Arbeit der politischen Stiftungen Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands im Jahre 1945 sahen die westlichen Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich ihre Aufgabe unter anderem darin, durch die Förderung der politischen Bildung eine nachhaltige mentale Grundlage für den Aufbau demokratischer Strukturen zu schaffen. Sie initiierten in ihren Besatzungszonen daher »eine Erziehung zur Demokratie« - bezeichnet als Reeducation-Programm. In diesem Kontext stehen die politischen Stiftungen. Sie sollten gerade in der Aufbauzeit der Bundesrepublik Deutschland dazu dienen, das demokratische Potential der Bürger sowie der politischen Parteien zu stärken. Zu den politischen Stiftungen gehören: • die Friedrich-Ebert-Stiftung, gegründet 1947, sie steht der SPD nahe, • die Konrad-Adenauer-Stiftung, gegründet 1956, sie steht der CDU nahe, • die Friedrich-Naumann-Stiftung, gegründet 1958, sie steht der FDP nahe, • die Hanns-Seidel-Stiftung, gegründet 1967, sie steht der CSU nahe, • die Heinrich-Böll-Stiftung, gegründet 1986, sie steht Bündnis 90/ Die Grünen nahe, • die Rosa-Luxemburg-Stiftung, gegründet 1992, sie steht der PDS (Linkspartei) nahe. Soziologen in politischen Stiftungen 160 <?page no="160"?> Die nahezu ausschließlich aus Steuergeldern finanzierten Stiftungen müssen zwar ihre »Mutterpartei« politisch nicht verleugnen, aber personell und strukturell unabhängig von ihr arbeiten. Das kommt z. B. darin zum Ausdruck, dass in den Führungsgremien der politischen Stiftungen keine aktiven Parteipolitiker vertreten sein dürfen. Weiterhin dürfen die politischen Stiftungen nicht im Sinne einer direkten Unterstützung in Wahlkämpfe eingreifen. Stattdessen obliegt ihnen die gemeinsame Aufgabe, die Demokratie bzw. das demokratische Bewusstsein in der Bevölkerung zu fördern. Die politischen Stiftungen repräsentieren die verschiedenen gesellschaftlich relevanten und über einen längeren Zeitraum vorhandenen Grundströmungen in der politischen Landschaft Deutschlands. Ihre Nähe zu der jeweiligen Partei zeigt sich in der Weltanschauung, den inhaltlichen Schwerpunkten, der Wahl ihrer Kooperationspartner, den Programmen sowie in der Ausrichtung ihrer internationalen Arbeit. In einer gemeinsamen Erklärung der Stiftungen von 1998 wird zusätzlich hervorgehoben: »Der Staat erfüllt seinen verfassungsrechtlichen Bildungsauftrag effektiver, wenn er Finanzzuwendungen erbringt, als wenn er selbst durch eigene Behörden tätig wird. Politisches und kulturelles Leben bedarf der Flexibilität und Kreativität. Die staatliche Finanzhilfe regt die dezentrale Erfüllung des Gemeinwohls an und bewirkt einen Wettbewerb der gesellschaftlichen Kräfte um Ideen, Konzepte und attraktive Programme. Er führt zu Leistungsorientierung, Initiativenvielfalt und zur Aktivierung privaten Sachverstands auf breiter Ebene. Politische Bildung ist Zukunftsgestaltung, nicht Verwaltung, ihre Organisation bedarf unbürokratischer Strukturen und offener Verfahrensweisen.« 1 Ein Vergleich der verschiedenen Stiftungen zeigt, dass diese allgemeinen Schwerpunktsetzungen jeweils stiftungsspezifisch akzentuiert werden. Als Beispiel seien die Schwerpunkte der Friedrich-Naumann-Stiftung für den Zeitraum der Jahre 2004 bis 2007 genannt: • Globalisierung und Entwicklung, • Bildung als Grundlage einer freien Gesellschaft, • Friedenssicherung und Konfliktprävention, • aktive Bürgerschaft und Kommunalpolitik, • Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Verfassungsreform. Die parteipolitisch orientierten Stiftungen nehmen aber nicht nur Aufgaben im Bereich der allgemeinen politischen Bildungsarbeit wahr. Sie verfügen darüber hinaus auch über Begabtenförderwerke, d. h., sie stellen für Studierende Stipendien für das Studium und die Promotion bereit. Wie aus den Ausschreibungen 1 Gemeinsame Erklärung der Politischen Stiftungen (ohne Beteiligung der Rosa-Luxemburg-Stiftung). Quelle: http: / / library.fes.de/ pdf-files/ bibliothek/ 03178.pdf. 2. Die Arbeit der politischen Stiftungen 161 <?page no="161"?> der Stiftungen hervorgeht, gilt ihnen parteipolitische Neutralität als selbstverständlich. Es würde gegen das Gesetz verstoßen, wenn eine Mitgliedschaft in der jeweiligen Partei ausschlaggebend für die Vergabe von Stipendien wäre. Auch die weltanschaulich gebundenen Stiftungen der Kirchen, das katholische Cusanuswerk und die evangelische Villigst-Stiftung, sowie die gewerkschaftsnahe Hans- Böckler-Stiftung haben Studienförderwerke und bieten entsprechend Stipendien an. Diese drei Stiftungen sind im Gegensatz zu den parteipolitisch orientierten Stiftungen auch im eigenen Selbstverständnis weltanschaulich gebunden. Die Verteilung der öffentlichen Mittel auf die einzelnen parteipolitisch orientierten Stiftungen erfolgt über einen Schlüssel, der sich an den Stimmenanteilen orientiert, die die Mutterparteien bei den Bundestagswahlen erreichen konnten. Das Parlament entscheidet in den jährlichen Haushaltsberatungen über das Budget der Stiftungen. Entsprechend der Verschiebungen bei den Stimmanteilen, kann es zu Verschiebungen bei den Mittelzuweisungen an die einzelnen Stiftungen kommen. So erhielt z. B. die Rosa-Luxemburg-Stiftung aufgrund des Erfolges der PDS bei der letzten Bundestagswahl erheblich mehr Mittel als zuvor. Dieser Mechanismus wird hier deshalb erwähnt, da er für die Gestaltung des Berufsfeldes langfristig von Bedeutung sein kann. Wenn eine Partei nicht mehr im Bundestag vertreten ist, heißt dies nicht sofort, dass der ihr nahe stehenden Stiftung alle Mittel entzogen werden. Dies wird durch Übergangsregelungen verhindert. Wenn allerdings eine Partei zweimal in Folge an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, wird die Stiftung aufgelöst. Für die Mitarbeiter bedeutet dies zwar nicht die sofortige Entlassung, aber es heißt doch, dass die Stiftung abgewickelt wird - ein Prozess, der sich wiederum über mehrere Jahre hinziehen kann. Innerhalb der Stiftungen liefert diese relative finanzielle Unsicherheit die Begründung dafür, Festanstellungen nach Möglichkeit zu vermeiden und auf zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnisse zu setzen. Die politischen Stiftungen erhalten weitere Mittel aus den Haushalten verschiedener Ministerien, nämlich aus dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie aus dem Auswärtigen Amt (AA). Diese Mittel sollen den Stiftungen ein größeres Engagement im Ausland erlauben. Der Umfang der Auslandsarbeit der Stiftungen wird durch diese Förderung erheblich mitbestimmt. Ein Beispiel sind die Verwaltungskostenzuschüsse, die es den Stiftungen überhaupt erst ermöglichen, in größerem Umfang Auslandsbüros zu unterhalten. Da das BMZ den Stiftungen bislang einen eher großen Spielraum eingeräumt hat, konnten diese weitgehend selbstbestimmt tätig werden. Die Art und Weise, wie das Auslandsengagement wahrgenommen wird, kann deshalb erheblich von der weltanschaulichen Orientierung der Stiftungen bestimmt sein, entsprechend variieren die Tätigkeitsfelder: Sie reichen von der Förderung zivilge- Soziologen in politischen Stiftungen 162 <?page no="162"?> sellschaftlichen Engagements bis zur Unterstützung demokratischer Regimebildungsprozesse. Die Konrad-Adenauer-Stiftung war z. B. ein Vorreiter für die Bildung von internationalen Netzwerken. Sie hat in fast 120 Staaten Kontakte unterhalb der offiziellen Regierungsebene geknüpft. Im Unterschied dazu konzentriert sich das Auslandsengagement der Heinrich-Böll-Stiftung oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung eher auf die Unterstützung regimekritischer Aktivitäten. Für die politischen Stiftungen hat zurzeit die Förderung von Demokratisierungsprozessen in den neuen EU-Mitgliedsstaaten und in Osteuropa einen gewissen Vorrang, diese werden finanziell bedeutsam unterstützt. Für die Gestaltung des Berufsfeldes ist das insofern relevant, als eine Ausrichtung auf osteuropäische Gesellschaften und ihre Kultur sowie entsprechende Sprachkenntnisse bei einer Bewerbung von Vorteil sein können. 3. Tätigkeiten Die großen Stiftungen bieten für Soziologen Beschäftigungsmöglichkeiten, die denen in Verwaltungen und in Forschungseinrichtungen ähneln. Gegenwärtig gibt es noch keine verlässlichen Daten darüber, wie viele Soziologen in politischen Stiftungen beschäftigt sind. Die Anzahl der zur Erfüllung der Stiftungszwecke benötigten Mitarbeiter hängt von der Größe der Stiftung ab. Die Heinrich-Böll- Stiftung (HBS) zum Beispiel hat ca. 180 Mitarbeiter. Ungefähr ein Drittel dieser Stellen könnte grundsätzlich von Soziologen besetzt werden, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass durch die Einführung der kürzeren Bachelor-Studiengänge Absolventen von Universitäten nun auch in unteren Gehaltsgruppen eingestellt werden können. Während bis vor Kurzem ausschließlich Diplomsoziologen bzw. Diplom-Sozialwissenschaftler und Absolventen von Magister-Studiengängen ausgebildet wurden und diesen eher höhere Positionen und damit auch höhere Gehaltsgruppen zustanden, gibt es seit einigen Jahren die Abschlüsse mit den akademischen Graden Bachelor und Master. Der Stellenkegel wurde damit nach unten geöffnet und es ist vorstellbar, dass Soziologen mit einem Bachelor- Abschluss auch auf Positionen eingestellt werden, auf denen sie stärker weisungsgebunden arbeiten, wie zum Beispiel im Bereich der Sachbearbeitung. Die höheren Positionen, z. B. die Positionen von Fachreferenten, die eigenständig inhaltliche Fragen bearbeiten und Veranstaltungsprogramme planen, oder Leitungspositionen, werden Absolventen mit einem Master-Abschluss vorbehalten bleiben. Langfristig könnten die Stiftungen das Idealmodell erfüllen: Die Soziologie-Absolventen steigen mit ihrem Bachelor-Abschluss auf nahezu jeder Position 3. Tätigkeiten 163 <?page no="163"?> in eine Stiftung ein, sie arbeiten dort ca. ein bis zwei Jahre, sammeln somit Erfahrungen in der Praxis der Stiftungsarbeit, kehren danach in das Studium zurück, um sich im Rahmen eines Masterstudiums auf bestimmte Schwerpunkte zu spezialisieren. Wenn sie dann in die Stiftung zurückkehren, würden sie entsprechend ihrer höheren Qualifikation mit anspruchsvolleren und besser bezahlten Aufgaben betraut. Inwieweit dieses Ideal in Anbetracht des gegenwärtigen Mangels an offenen Stellen und des entsprechenden »Überflusses« an gut qualifizierten Arbeitskräften realisiert wird, muss allerdings als eine offene Frage betrachtet werden. Wenn man die Hierarchieleiter von oben nach unten durchgeht, könnten Soziologen auf allen Ebenen eingestellt werden: • Vorstand und Geschäftsführung, aktuelles Qualifikationsniveau: Diplom, Magister, Promotion, zukünftig wahrscheinlich: Master, Promotion bzw. PhD; • Leitung einer Fachabteilung (in Absprache mit dem Vorstand eigenständige Leitung eines bestimmten Fachgebiets), aktuelles Qualifikationsniveau: Diplom, Magister, Promotion, zukünftig wahrscheinlich: Master, Promotion bzw. PhD • Fachreferent in einer Abteilung (unterliegt der Weisungsbefugnis der Leitung, bearbeitet eigenständig bestimmte Sachgebiete), aktuelles Qualifikationsniveau: Diplom, Magister, ausnahmsweise Promotion, zukünftig wahrscheinlich: Master, ausnahmsweise Promotion bzw. PhD; • Sachbearbeiter (unterliegt der Weisungsbefugnis durch einen Fachreferenten), aktuelles Qualifikationsniveau: Fachschulabschluss, Fachhochschulabschluss, ausnahmsweise Universitätsabschluss (Diplom oder Magister), zukünftig wahrscheinlich: Bachelor, ausnahmsweise Master. Die Bezahlung erfolgt nach dem TVöD im Bereich Bund (vgl. Tabelle im Anhang). Je nach Tätigkeit erfolgt die Einstufung in die jeweilige Entgeltgruppe. Die inhaltlichen Aufgaben, die die Mitarbeiter in den Fachabteilungen der politischen Stiftungen zu bewältigen haben, lassen sich folgendermaßen charakterisieren: • Entwicklung und Bearbeitung von Themenschwerpunkten, • Planung, Organisation sowie Moderation von Fachtagungen, • Planung und Organisation von Veranstaltungen im Rahmen der allgemeinen politischen Bildung, • Planung und Durchführung sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte; diese Aufgabe fällt in den Stiftungen allerdings selten an. Das größte Kontingent an Stellen fällt zwar in den Bereich der Auslandsarbeit, doch werden die meisten dieser Stellen mit Mitarbeitern aus den jeweiligen Ländern besetzt. Daneben ist der Bereich der allgemeinen politischen Bildung im Soziologen in politischen Stiftungen 164 <?page no="164"?> Rahmen der Arbeit der politischen Stiftungen von besonderer Bedeutung. Die Konrad-Adenauer-Stiftung betreibt z. B. 60 Auslandsbüros und unterstützt 200 Projekte der »Hilfe zur Selbsthilfe« in 120 Ländern. Für die politische Bildung im Inland betreibt sie zwei bundesweite Bildungszentren und außerdem 16 Bildungswerke in den verschiedenen Bundesländern. Insgesamt beschäftigt die KAS im Inland 560 Mitarbeiter in zehn Hauptabteilungen, während 80 Beschäftigte ins Ausland entsandt werden. Zu den Stellen, die in diesem Rahmen von Soziologen besetzt werden können, gehören: • die Leitung und Verwaltung von Auslandsbüros, • die Leitung und Verwaltung der Bildungszentren, • die Leitung und Verwaltung der kleineren Bildungswerke, • die Planung, Durchführung, Moderation von Kursen (diese Tätigkeit wird selten von festangestellten Mitarbeitern ausgeübt, sondern zumeist von freiberuflich Arbeitenden). Vergleichbare Tätigkeiten, wenn auch in erheblich kleinerem Umfang, bieten sich für Soziologen im Bereich der Studienwerke der politischen Stiftungen. Diese sind organisatorisch in etwa den Fachabteilungen gleichgestellt, d. h., es gibt eine Leitung, der die Fachreferenten für die Förderung von Studierenden bzw. für die Förderung von Promovenden unterstellt sind. Die Aufgaben der Mitarbeiter der Studienwerke beinhalten: • Organisation und Durchführung des Auswahlverfahrens für die Aufnahme in die Förderung, • Unterstützung bei der Durchführung des Studiums bzw. der Promotion, • Planung und Organisation von Veranstaltungen für die Geförderten, • die Planung, Durchführung, Moderation von Kursen (diese Tätigkeit wird zumeist freiberuflich ausgeübt). Die politischen Stiftungen betätigen sich zudem publizistisch. Sie veröffentlichen Zeitschriften, Broschüren und Bücher. Allein die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt drei periodisch erscheinende Publikationen heraus. Ein neuer zukunftsträchtiger Bereich der Stiftungsarbeit eröffnet sich mit der zunehmenden Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Alle politischen Stiftungen haben (oder planen) Büros in Brüssel bei der EU, denn es ist absehbar, dass stärker als bisher europäische Projekte auch von Brüssel gefördert werden. Und auch die Kulturarbeit gewinnt bei den politischen Stiftungen an Bedeutung. So nimmt der Anteil von Kulturveranstaltungen, etwa bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, deutlich zu. 3. Tätigkeiten 165 <?page no="165"?> 4. Notwendige Kompetenzen Das Soziologiestudium bildet nicht für einen Beruf aus, der ausschließlich und damit konkurrenzlos nur Absolventen des Fachs Soziologie offen steht, wie dies etwa bei Medizin oder Jura der Fall ist. Entsprechend werden Soziologen in den verschiedenen Berufsfeldern auf Konkurrenten aus anderen Fächern stoßen. Der Vorteil von Soziologen in dieser Konkurrenzsituation besteht allgemein darin, nicht so festgelegt zu sein wie andere Akademiker. Soziologen sind gewissermaßen die Spezialisten für das Ganze und sie sind Spezialisten darin, unübersichtliche Situationen so zu strukturieren und ihre Komplexität zu reduzieren, dass sie sich in ihnen zurechtfinden können. Schon im Rahmen der Diplomstudiengänge galt das Prinzip der universitätsspezifischen Vielfalt: an jeder Hochschule war das Studienprogramm inhaltlich anders. Die Studierenden mussten ihr Studium selbständig gestalten und sich selbst kreativ organisieren. Nach der weitgehend abgeschlossenen Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge ist aus den Traditionen der Soziologie-Profession - wenngleich abgemildert - diese Besonderheit erhalten geblieben. Das Qualifikationsspektrum von Soziologen ist breiter angelegt und befähigt sie daher, flexibler auf Aufgabenstellungen zu reagieren. Weiterhin ist es ein Charakteristikum der Soziologie, dass es kein facheinheitliches Paradigma gibt. Das bedeutet, dass die Soziologie in verschiedene Ansätze und Denkrichtungen »zerfällt«. Für die Studierenden ist es zwar mühevoll, sich in dieser unübersichtlichen Lage zu orientieren, aber sie werden dadurch gezwungen, sich auf verschiedene Denkansätze einzulassen, diese miteinander in ein Verhältnis zu setzen und Unterschiede zu erkennen. Sie lernen dabei auch, wie sich die Vertreter dieser Ansätze selbst beschreiben und wie sie von anderen wahrgenommen werden. Daraus ergibt sich als eine Schlüsselqualifikation die Einsicht darin, dass die Wahrnehmung von Wirklichkeit eine Frage der Perspektive ist und dass die jeweilige Art der wissenschaftlichen Beobachtung diese Wirklichkeit mitprägt. Außerdem können Soziologen Fremd- und Selbstwahrnehmung unterscheiden und sind dadurch in der Lage, Konflikte, die aus unterschiedlichen Standpunkten und Wahrnehmungen resultieren, zu benennen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Solche Schlüsselqualifikationen können zusätzlich zu einem sachbezogenen Detailwissen bei der Bearbeitung von gesellschaftlichen Problemfeldern bzw. in der Bildungsarbeit von Stiftungen fruchtbar gemacht werden, etwa für Themen wie Migration, interkulturelle Kommunikation oder zukunftsfähige Entwicklung. Für die typischen Verwaltungstätigkeiten wie Personalverwaltung, Haushaltsführung, Buchhaltung, die je nach Aufgabengebiet in den Stiftungen mit zu leisten sind, gilt die Einschätzung, dass Soziologen einen studienbedingten Vorteil haben, nicht zwingend. Um in diesen Tätigkeitsbereichen ebenfalls Erfolg zu haben, müs- Soziologen in politischen Stiftungen 166 <?page no="166"?> sen sich Soziologen weitere spezifische Kenntnisse aneignen. Sie können entweder auf Verwaltung bezogene Veranstaltungen anderer Studienfächer belegen oder Praktika in Verwaltungen absolvieren, in denen man rechtswissenschaftliche Kenntnisse oder Erfahrungen in der Praxis des Verwaltungshandelns sammelt. Das Studium der Soziologie befähigt schließlich dazu, auch solche thematischen Schwerpunkte zu bearbeiten, die zunächst anderen Fächern zugeordnet würden, wie etwa der Kommunikationswissenschaft, der Medienwissenschaft oder der Kunsttheorie. Dies liegt daran, dass die Professuren in diesen Fächern (Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft, Kunsttheorie) nicht selten von ehemaligen bzw. ausgebildeten Soziologen besetzt werden. Dies führt dazu, dass soziologisches Wissen implizit das Basiswissen auch dieser Fächer bildet und Absolventen der Soziologie den Wettbewerb mit ihnen nicht scheuen müssen. Zusammenfassend ergibt sich: In den Konkurrenzdisziplinen wie der Politikwissenschaft oder der Verwaltungswissenschaft werden durch die Verschulung des Studiums erheblich engere Qualifikationsmuster hervorgebracht. Im Unterschied dazu werden Soziologen zu einer Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Ansätzen gezwungen. Sie berücksichtigen deshalb immer, dass es eine Vielzahl von Perspektiven gibt, und sie kalkulieren die Veränderbarkeit von Strukturen ein: »Alles ist, wie es ist, aber alles könnte auch anders sein« (Niklas Luhmann). Darüber hinaus haben Soziologen - anders als etwa Medienwissenschaftler oder Kulturwissenschaftler - gelernt, mit der Beharrungskraft etablierter Strukturen zu rechnen, die die Umsetzung von Projekten verzögern können. Der aus dem Wissen um die Veränderbarkeit wie auch um das Beharrungsvermögen sozialer Realität resultierende Wettbewerbsvorteil wird um einen weiteren ergänzt: In den Studiengängen der Soziologie werden methodisch kontrollierte Verfahren der Datenerhebung und Datenauswertung gelehrt (im starken Gegensatz zu den neueren Medien-, bzw. Kommunikationswissenschaften). Diese Qualifikation ist nach dem Studium schwer zu erreichen. Deshalb werden für Bereiche, in denen empirische Fakten benötigt werden, Soziologen einen erheblichen Startvorteil haben. Sie sind in der Lage kleinere empirische Untersuchungen wie Nutzerbefragungen, Sekundäranalysen von Datensätzen oder qualitative Interviews im Rahmen der inhaltlichen Arbeit der Stiftungen selbst durchzuführen. 4. Notwendige Kompetenzen 167 <?page no="167"?> 5. Wege in das Berufsfeld Der Einstieg in die Beschäftigung bei Stiftungen kann über unbezahlte bzw. niedrig bezahlte Praktika erfolgen. Anschließend kann sich eine Beschäftigung über kurzfristige Honorarverträge oder auf Projekte bezogene Werkverträge ergeben. Erst auf der Grundlage der dadurch entstandenen Kontakte kann man auf eine Festanstellung hoffen. Dies wäre sozusagen der Aufstieg von innen. Eine andere Möglichkeit ist der Seiteneinstieg aus anderen Bereichen, die mit dem politischen Umfeld der Stiftungen korrespondieren. Ein vorheriges Stipendium erleichtert in jedem Fall den Weg in dieses Berufsfeld. Das gilt nicht nur, wenn jemand bereits von der Stiftung gefördert worden ist, bei der sie oder er sich bewirbt. Auch die Förderung durch eine andere Stiftung ist von Vorteil. Dies schließt nicht aus, dass es eventuell zu Problemen kommt, wenn es sich um zwei weltanschaulich differierende Stiftungen handelt. Einem potentiellen Bewerber ist zu raten, die Jahresberichte der Stiftungen zu studieren. Aus diesen können mögliche Leerstellen in der Stiftungsarbeit herausgelesen werden oder umgekehrt übermäßig bediente Wissensfelder und Projekte identifiziert werden. Die Arbeit der politischen Stiftungen ist im Übrigen äußerst transparent. Es können problemlos Jahresberichte entweder in schriftlicher Form angefordert oder als PDF-Datei heruntergeladen werden, außerdem werden Programme versandt oder ins Internet gestellt, die alle Veranstaltungen und Aktivitäten erfassen. Um die eigenen Chancen im Berufsfeld politische Stiftungen zu verbessern, empfiehlt es sich, Schwerpunkte in den Bereichen Organisationssoziologie und Kommunikationswissenschaft zu setzen sowie Auslandserfahrungen zu sammeln. Es ist außerdem ratsam, schon frühzeitig den Kontakt zu einer Stiftung zu suchen, sei es als Stipendiat oder als Mitarbeiter in befristeten Projekten. Abschließend sei noch ein Berufsfeld genannt, das nicht im eigentlichen Sinne in den Bereich der politischen Stiftungen fällt, sich aber sozusagen in enger Nachbarschaft befindet: Wer im Umfeld einer politischen Stiftung tätig ist, sei es über ein Stipendium, über Projekte oder Praktika bzw. wer eine Anstellung in einer der Stiftungen erreicht hat, kann in den Bereich der wissenschaftlichen »Zuarbeit« für die Abgeordneten der »Mutterpartei« der Stiftung wechseln. Dort gibt es zahlreiche Mitarbeiter-Stellen in der Fraktion, die attraktiv bezahlt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Partei bei einer Landtags- oder Bundestagswahl neue Mandate gewonnen hat und die neuen Abgeordneten neue Mitarbeiter benötigen. Mit einem Studium der Soziologie ist es möglich, auch dort einen Arbeitsplatz zu finden. Soziologen in politischen Stiftungen 168 <?page no="168"?> 6. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Bartsch, Sebastian (1998): Politische Stiftungen: Grenzgänger zwischen Gesellschafts- und Staatenwelten. In: Wolf-Dieter Eberwein/ Karl Kaiser, Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, München, S.185-198. Handbuch Kulturstiftungen (2004). Ein Ratgeber für die Praxis, Berlin. Timmer, Karsten (2005): Stiften in Deutschland: Ergebnisse der StifterStudie, Gütersloh. Internetadressen: Der Bundesverband deutscher Stiftungen e. V., Berlin: www.stiftungen.org. Friedrich-Ebert-Stiftung: www.fes.de Konrad-Adenauer-Stiftung: www.kas.de Friedrich-Naumann-Stiftung: www.fnst.de Hanns-Seidel-Stiftung: www.hss.de Rosa-Luxemburg-Stiftung: www.rosalux.de Heinrich-Böll-Stiftung: www.boell.de 6. Tipps zum Weiterlesen 169 <?page no="170"?> Gesundheitswesen <?page no="172"?> Dirk Richter »Auf unvertrautem Terrain« Soziologen im Gesundheitswesen 1. Das Berufsfeld Das Gesundheitswesen ist nicht unbedingt die erste Wahl für Absolventen soziologischer Studiengänge, die auf Arbeitssuche sind. Als jemand, der - wie der Autor - schon seit mehreren Jahren als Soziologe dort tätig ist, wundert man sich dennoch häufig, wie viele Sozialwissenschaftler in diesem Bereich arbeiten. Zugegeben, das Gesundheitswesen lädt die soziologische Expertise nicht auf den ersten Blick zur Kooperation ein. Rein formal gesehen, gibt es keinen Berufszweig im Gesundheitsbereich, für den die Soziologie speziell als adäquate Vorbereitung dienen kann. Gleichwohl ist die Chance, in diesem Arbeitsfeld eine berufliche Zukunft zu finden, vorhanden. In einigen Bereichen wird die soziologische Expertise, zumal wenn sie mit praktischen Erfahrungen im Gesundheitssystem kombiniert werden kann, absolut geschätzt. Ein Grund für diesen Umstand ist, dass das deutsche Gesundheitswesen, wie in anderen westlichen Staaten ebenfalls, seit vielen Jahren in permanentem Umbruch begriffen ist (vgl. aus soziologischer Perspektive: Kühn 1997). Aus der täglichen Zeitungslektüre sind die Schlagworte auch Personen bekannt, die dem medizinischen Bereich beruflich nicht verbunden sind: Finanzierungsprobleme, Fallpauschalen, Ökonomisierung, Privatisierung, Beitragssatzstabilität, Qualitätsmängel und vieles mehr. Diese Schlagworte deuten darauf hin, dass die ökonomischen Aspekte in den letzten zehn bis 15 Jahren erhebliche Bedeutung gewonnen haben. Und wo es um die Ökonomie geht, werden auch Daten und ihre Auswertungen immer wichtiger. Paradoxerweise eröffnen sich mit der Ökonomisierung und den steigenden externen Anforderungen der Politik an das Gesundheitswesen in vielen Bereichen berufliche Möglichkeiten für Soziologen. Das Gesundheitswesen ist in den vergangenen Jahrzehnten insoweit »sozialer« ausgerichtet worden, als Ursachen und Therapie zumindest theoretisch nicht mehr rein individualistisch, sondern jeweils in ihrem sozialen Kontext betrachtet werden (Mechanic 1995). Aller- 173 <?page no="173"?> dings hat sich dieser Umstand noch nicht bis in die allerletzte Praxis und Klinik herumgesprochen. Gleichwohl kann etwa das Arbeitsfeld »Qualitätsmanagement« als ein Bereich genannt werden, in dem sich in der Tat häufig Sozialwissenschaftler finden lassen, und in dem sich sozialwissenschaftliche Expertise umfassend anwenden lässt. Dies reicht von organisationssoziologischen Fragestellungen über die Projektplanung bis hin zu Evaluations-Ansätzen. Gerade bei der Evaluation, die im Gesundheitswesen immer wichtiger wird, sind sozialwissenschaftliche Methodenkenntnisse unmittelbar anschlussfähig an die Anforderungen auch im medizinischen Bereich. Beispielhaft sei hier verwiesen auf Analysen zur Patientenzufriedenheit, die gegenwärtig in nahezu jeder Einrichtung zum allgemeinen Standard in Evaluation und Qualitätsmanagement zählen. Im Großen und Ganzen jedoch sind Sozialwissenschaftler im Gesundheitswesen zumeist in Nischen anzutreffen und typischerweise handelt es sich - wie im Falle des Qualitätsmanagements - um Querschnittsarbeitsplätze. Hier werden nicht nur Methodenkenntnisse erwartet, sondern man muss auch in der Lage sein, betriebswirtschaftliche bzw. medizinische Themen zu bearbeiten. Insofern sind flexible Allround-Talente gefragt, aber wo ist das heutzutage nicht der Fall? Der vorliegende Beitrag beschreibt Arbeitsfelder, Voraussetzungen und Zugangswege für Soziologen zum Gesundheitswesen, nebst einigen persönlichen Erfahrungen und Tipps, die natürlich nicht sämtlich verallgemeinert werden können, aber womöglich das eine oder andere »Fettnäpfchen« verdeutlichen, von denen es gerade im Gesundheitssystem so manche gibt. Dass es solche »Fettnäpfchen« gibt, ist darauf zurückzuführen, dass soziologische und medizinische Paradigmen sich häufig diametral gegenüberstehen - und niemand kann wirklich entscheiden, welche Perspektive die korrekte ist, wie Niklas Luhmann die modernen Beobachtungsverhältnisse so häufig und zutreffend analysiert hat (vgl. Richter 1994). Die soziologischen Vorwürfe gegen die Medizin (und damit zumeist auch gegen die Abläufe im Gesundheitssystem, die stark medizinisch geprägt sind), brauchen an dieser Stelle nicht extensiv behandelt zu werden. Mit Max Weber sind Mediziner etwa noch vor wenigen Jahren als Fachmenschen ohne Geist (»specialists without spirit«) beschrieben worden (Hewa & Hetherington 1995). Aufmerksame Zeitgenossen haben diesen Umstand jedoch als gegenseitigen Ethnozentrismus bezeichnet (van der Geest 1995). Das Verständnis für die jeweils gelebten wissenschaftlichen Kulturen ist auf beiden Seite relativ gering. Will man aber als Soziologin oder Soziologe in diesem Arbeitsbereich reüssieren, so sind einige Relativierungen und Kompromisse sicherlich notwendig. Soziologen im Gesundheitswesen 174 <?page no="174"?> 2. Arbeitsfelder im Gesundheitswesen Anders als in den Vereinigten Staaten werden Soziologen hierzulande in der Regel nicht direkt mit Patienten arbeiten. Auf der anderen Seite des Atlantiks gibt es Studiengänge, die zum »Clinical Sociologist« qualifizieren. Die Absolventen dieser Studiengänge können dann etwa im Bereich der Soziotherapie und anderen therapeutischen Feldern arbeiten. In Deutschland ist der medizinisch-therapeutische Bereich strikt reglementiert und eine Tätigkeit in diesem Bereich in der Regel an einen Abschluss in Medizin oder Psychologie geknüpft. Ausnahmen gibt es allenfalls im kinder- und jugendtherapeutischen Hilfesystem, hier wird dann aber der Abschluss in Erziehungswissenschaften oder Sozialpädagogik vorausgesetzt. Als Soziologe kann man daher in Deutschland eher in patientenfernen Arbeitsbereichen eingesetzt werden. Arbeitsfelder, in denen man auf Soziologen trifft, sind: • Krankenhäuser (z. B. im Qualitätsmanagement), • Krankenhausträgergesellschaften (z. B. Planung und Evaluation, Projektorganisation), • Krankenversicherungen (z. B. Datenmanagement und -auswertung), • Verbände im Gesundheitswesen (z. B. Krankenhausgesellschaften, Spitzenverbände der Krankenversicherungen), • Auswertungs- und Evaluationsstellen im Gesundheitswesen, • Ausbildungsstätten (z. B. Lehre/ Unterricht an Krankenpflegeschulen, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen). Daneben gibt es Möglichkeiten im weiteren Umfeld des Gesundheitswesens, die sich allerdings nicht wesentlich von denen im Umfeld anderer Branchen unterscheiden: • Unternehmensberatungen, • praxisorientierte Auftragsforschungsinstitute. 3. Arbeitgeber im Gesundheitswesen Öffentlich-rechtliche Arbeitgeber haben im Gesundheitswesen über lange Zeit eine relativ große Rolle gespielt. Sowohl die meisten Verbände als auch viele Kliniken waren in der Vergangenheit Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dabei sind die meisten Kliniken in kommunaler Trägerschaft, d. h. im Besitz von Städten, Gemeinden und Landkreisen. Nur sehr wenige Universitätskliniken und psychiatrische Krankenhäuser befinden sich in der Trägerschaft der Bundesländer. 2. Arbeitsfelder im Gesundheitswesen 175 <?page no="175"?> Insbesondere die Krankenhauslandschaft verändert sich aber seit wenigen Jahren zugunsten privater Träger. Bedingt durch den ökonomischen Druck, der auf dem gesamten Gesundheitswesen und insbesondere auf den Kliniken lastet, werden in der nächsten Zeit eine Reihe von Kliniken von privaten Trägern übernommen. Da private Träger nicht an die tarifrechtlichen Vorgaben des öffentlichen Dienstes gebunden sind, können sie in der Regel mit einer günstigeren Kostenstruktur operieren. Neben öffentlich-rechtlichen und privaten Arbeitgebern sind traditionell freigemeinnützige Einrichtungen im deutschen Gesundheitssystem stark vertreten. Unter diese Begrifflichkeit werden vor allem kirchliche Gesellschaften gefasst. Darüber hinaus existieren immer noch kleinere Trägergesellschaften, die den Wohlfahrtsverbänden zugerechnet werden können. 4. Gehaltsstruktur und Aufstiegsmöglichkeiten Aufgrund der traditionell starken Stellung der öffentlichen-rechtlichen Arbeitgeber werden die Gehaltsstrukturen nach wie vor vom öffentlichen Dienst bestimmt bzw. sie orientieren sich daran. Nachdem der Bundesangestelltentarif (BAT) im Jahre 2005 zugunsten des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TvöD, vgl. auch Tabellen im Anhang) abgeschafft wurde, orientieren sich die Einstiegsgehälter für Universitätsabsolventen zumeist an der TVöD-Stufe 13. Das Brutto-Einstiegsgehalt liegt derzeit (Sommer 2006) inklusive der Jahressonderzahlung bei durchschnittlich 2950 Euro monatlich. Nach fünfzehnjähriger Betriebszugehörigkeit kann das durchschnittliche Monatseinkommen (wiederum mit Jahressonderzahlung) auf derzeit 4494 Euro brutto steigen. Darüber hinaus bieten öffentliche Träger in der Regel Versorgungswerke für die Alterssicherung an. Bei den Einrichtungen in Trägerschaft der Bundesländer gelten ab Ende 2006 prinzipiell die gleichen Regelungen Private und freigemeinnützige Einrichtungen sind natürlich nicht an die öffentlichen Tarifrechte gebunden, da hier eigene Tarifverträge zur Geltung kommen. In der Vergangenheit haben sich vor allem die kirchlichen Häuser mit ihren Gehaltsstrukturen am öffentlichen Dienst orientiert, wenngleich ihre Mitarbeiter in der Regel geringer bezahlt wurden. Da Sozialwissenschaftler im Gesundheitswesen zumeist nicht in den üblichen Karrierelaufbahnen eingesetzt werden, sind die Aufstiegsmöglichkeiten als eher bescheiden zu bezeichnen. Je nach geltendem Tarifvertrag können aber mit längerer Zugehörigkeit zur Einrichtung - wie oben beschrieben - Einkommenszu- Soziologen im Gesundheitswesen 176 <?page no="176"?> wächse erzielt werden. Individuelle Aufstiege und übertarifliche Gehaltszuwächse sind natürlich nicht ausgeschlossen, aber zumeist unüblich. Zudem werden Mitarbeiter, die nicht aus den klassischen Berufsparten des Gesundheitswesens stammen, auch gerne unter dem üblichen Einstiegsgehalt für Akademiker eingruppiert. Dies gilt selbstredend vor allem für Stellen, die nicht zwingend einen Universitätsabschluss voraussetzen. Eine Befristung von Arbeitsverhältnissen ist vor allem zu Beginn zu erwarten - nicht anders als in sonstigen Bereichen der Wirtschaft oder bei sonstigen öffentlichen Arbeitgebern. Sollte sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer allerdings bewähren, steht einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auf mittlere Sicht oftmals nichts entgegen. 5. Wege in das Gesundheitswesen Wenn vor oder während des Soziologie-Studiums keine einschlägigen berufspraktischen Erfahrungen gemacht wurden oder gesundheitsspezifische Studieninhalte bzw. eine entsprechende Abschlussarbeit nachzuweisen sind, ist der Einstieg in das Berufsfeld relativ schwierig. Eine formale Chance, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten theoretisch zu erwerben, besteht in einem postgradualen Zusatzstudium der Gesundheitswissenschaften bzw. Public Health. Seit ungefähr zwei Jahrzehnten haben sich die Gesundheitswissenschaften zu einem eigenständigen Lehr- und Forschungsbereich entwickelt, in dem soziologische und sozialwissenschaftliche Methoden und Inhalte ebenso wie Soziologen selbst eine große Rolle spielen. Die vormals zur Soziologie gehörige Medizinische Soziologie hat sich mittlerweile zu einem vorklinischen Fach im Medizin-Studium gewandelt und ist in der Regel für soziologische Absolventen nicht zugänglich. Die Position der Medizinsoziologie ist nahezu komplett von den Gesundheitswissenschaften eingenommen worden. Postgraduale Studiengänge in Gesundheitswissenschaften/ Public Health werden derzeit (Sommer 2006) an den folgenden Universitäten angeboten: • Berlin (Technische Universität), • Bielefeld (auch Fernstudium möglich), • Bremen, • Düsseldorf, • Dresden, • Hannover (Medizinische Hochschule), • Heidelberg, 5. Wege in das Gesundheitswesen 177 <?page no="177"?> • München (Ludwig-Maximilians-Universität), • Ulm. Der Zugang zu den postgradualen Studiengängen ist an einen Hochschulabschluss geknüpft. Die Studierenden stammen dabei aus verschiedensten Bereichen, neben den Sozialwissenschaften etwa aus der Medizin, den Wirtschaftswissenschaften oder den Naturwissenschaften. Die Studieninhalte sind zwar im Detail etwas verschieden, es gibt aber schon ansatzweise umgesetzte Bestrebungen zwischen den Universitäten, sich auf einen mehr oder weniger einheitlichen Katalog zu verständigen. So sind etwa die Fächer Epidemiologie, Gesundheitsökonomie und Qualitätsmanagement relativ weit verbreitet. Natürlich sind auch im Ausland vielfältige gute Studienangebote im Bereich »Public Health« zu finden. Ein exzellentes Renommee (bei unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland) hat sich beispielsweise die Universität Maastricht in den Niederlanden erworben. Allerdings sind die Studiengebühren hier relativ hoch. Neben den universitären Angeboten existieren noch zahlreiche Fachhochschul-Studiengänge, die jedoch in der Regel mit Pflege-Ausbildungen zusammenhängen. Wie findet man Stellenangebote im Bereich »Gesundheitswesen« Neben dem allgemeinen Stellenmarkt für akademische Berufe, den man in den entsprechenden Anzeigenteilen der überregionalen Tages- und Wochenzeitungen findet, existieren branchenspezifische Anzeigenmärkte und Online-Angebote. In der ZEIT, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung sind immer auch Stellenangebote aus dem Gesundheitswesen zu finden. Die eher medizinisch orientierten Angebote finden sich manchmal im umfangreichen Stellenteil des Deutschen Ärzteblatts. Allerdings wird man hier genauestens und häufig vergeblich nach Stellen suchen müssen, die auch auf Nicht-Mediziner passen. Vorteil dieses Stellenteils ist der unkomplizierte und kostenfreie Online- Zugang. Nur sehr schwierig zu finden sind die Stellenangebote in den eher administrativ ausgerichteten Fachzeitschriften des Gesundheitswesens, die unter Umständen in einigen Fachbibliotheken abonniert werden. Relevante Zeitschriften sind Das Krankenhaus, Krankenhaus-Umschau und Führen und Wirtschaften im Krankenhaus. Bei den Online-Angeboten handelt es sich zumeist um Sammlungen von Fachgesellschaften, die sich naturgemäß an ihre Mitglieder wenden. Die entsprechenden Links sind am Ende des Beitrags zu finden. Soziologen im Gesundheitswesen 178 <?page no="178"?> Formale und berufsfeldspezifische Zugangsvoraussetzungen Wie schon erwähnt, arbeiten Sozialwissenschaftler im Gesundheitswesen in der Regel in Nischenarbeitsplätzen. Aufgrund der fehlenden Spezialisierung in der Ausbildung (siehe oben), konkurriert man mit Absolventen verschiedener anderer Studiengänge. Diese haben bei den für Soziologen zugänglichen Arbeitsfeldern in der Regel keine medizinische Ausbildung. Vor allem in den Arbeitsfeldern Datenauswertung, Beratung, Organisation und Qualitätsmanagement trifft man jedoch auf Psychologen, die oftmals eine adäquate Ausbildung, insbesondere in methodisch-statistischer Hinsicht mitbringen. Ein weiterer Vorteil für Psychologen ist gelegentlich ihre Praktikums- oder Berufserfahrung, beispielsweise im psychotherapeutischen Bereich. Damit sind zugleich zwei entscheidende Zugangsvoraussetzungen genannt, ohne die es für Soziologen relativ schwierig (aber nicht unmöglich) sein dürfte, in dieses von der Soziologie doch recht weit entferne Berufsfeld zu gelangen. Zum einen sind - wie schon erwähnt - Vorerfahrungen im jeweiligen Berufsfeld grundsätzlich niemals von Nachteil, im Gesundheitswesen gilt diese Devise jedoch im besonderen Maße. Es handelt sich eben um einen hochspezialisierten Arbeitsbereich mit vielfältigen internen Differenzierungen, Finanzierungsvoraussetzungen und diffizilen rechtlichen Rahmenbedingungen. Daher trifft man nicht selten bei den Sozialwissenschaftlern im Gesundheitswesen auf, die eine berufsfeldbezogene Grundausbildung vor dem Studium absolviert haben (beispielsweise in der Krankenpflege). Zum anderen sind die Arbeitsplätze für Sozialwissenschaftler häufig datenorientiert. Das heißt, methodisch-statistische Kenntnisse und Anwendungserfahrungen mit entsprechenden Programmpaketen wie SPSS, SAS oder STATA werden häufig vorausgesetzt. Damit sollten selbstverständlich gute IT- Kenntnisse im Officesowie im Datenbankumfeld verbunden sein. Qualitative Methoden werden im Gesundheitssystem eher weniger angewendet. Allerdings verändert sich die Methodenlandschaft ein wenig zugunsten des qualitativen Ansatzes, zumindest dort, wo quantitative Ansätze anerkanntermaßen an ihre Grenzen stoßen (vgl. etwa Richter & Fleer 2004). Informelle Zugangsvoraussetzungen und Akzeptanz Neben diesen eher formalen Zugangsvoraussetzungen werden für Sozialwissenschaftler - im Grunde über alle oben beschriebenen Arbeitsfelder im Gesundheitssystem hinweg - noch informelle Akzeptanz-Bedingungen gesetzt. Damit ist etwa Redegewandtheit und schriftliche Sicherheit gemeint. Die typischen Arbeitsplätze 5. Wege in das Gesundheitswesen 179 <?page no="179"?> für Sozialwissenschaftler im Gesundheitswesen verlangen häufig Vorträge oder Präsentationen nicht selten auch vor größerem Publikum (z. B. der Mitarbeiterschaft von Krankenhäusern). Die Beherrschung von Präsentationssoftware ist daher meistens ein Muss. Anders als Soziologen dies üblicherweise gewohnt sind, spielen Status, Berufsprestige und formale akademische Titel im Gesundheitswesen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ist der Hochschulabschluss die formale Voraussetzung für den Berufseinstieg, so werden die nahezu unvermeidlichen interprofessionellen Akzeptanzprobleme mit einer Promotion oder gar Habilitation deutlich geringer. Angesichts der großen Zahl von Kollegen mit abgeschlossener Promotion und auch Habilitation geht es hier weniger um den Distinktionsgewinn als vielmehr um Akzeptanz auf gleicher Augenhöhe. Darüber hinaus ist die Anrede mit dem Titel, vor allem durch Angehörige nicht-medizinischer Berufe, durchaus an der Tagesordnung. Ein weiterer, eher informeller und mit dem Vorstehenden zusammenhängender Punkt ist das Verhältnis zwischen der soziologischen Ausbildung bzw. der Perspektive, die man sich dort angeeignet hat, und den Abläufen im Gesundheitsbereich. Üblicherweise ist die soziologische Perspektive gegenüber dem Gesundheitswesen im Allgemeinen und gegenüber der Medizin im Besonderen ausgesprochen kritisch. Seit Michel Foucaults Analyse des klinischen Blicks (Foucault 1973) und seit Eliot Freidsons Untersuchung der medizinischen Profession (1970) herrscht zwischen Soziologie und Medizin eine ausgesprochen kritische grundsätzliche Distanz. Für Anfänger im Gesundheitswesen, die Soziologie studiert haben, sind die genannten und viele andere Untersuchungen sicherlich immer noch höchst informativ, zu nennen wäre etwa noch Luhmanns kluge Beobachtung, dass das Gesundheitssystem eigentlich »Krankheitssystem« heißen müsste, da es für Gesundheit nicht wirklich Verwendung hat (Luhmann 1990). Es versteht sich aber fast von selbst, dass diese kritische Distanz im Arbeitsalltag innerhalb des Gesundheitswesen zum einen nur schwer durchzuhalten ist und zum anderen noch mehr Akzeptanzprobleme hervorrufen wird als ohnehin zu erwarten sind. Um nicht missverstanden zu werden: im Gesundheitswesen existieren viele Probleme und zweifelsohne besteht Reformbedarf in diverser Hinsicht. Dies sollte jedoch nicht mit einer grundsätzlichen Ablehnung relevanter Professionen verbunden werden, die nicht selten über erheblichen, häufig sogar über den entscheidenden Einfluss verfügen. Die von Katrin Späte in ihrem Beitrag zitierte »Kunst des Misstrauens« (Peter L. Berger) führt hier eher selten zum Erfolg. Hinzu kommt, dass sich die Verhältnisse von innerhalb des Gesundheitssystems teilweise etwas anders und differenzierter darstellen, als dies von außen der Fall ist. Hier ist beispielsweise der Vorwurf der sozialen Konstruktion psychischer Krank- Soziologen im Gesundheitswesen 180 <?page no="180"?> heiten in Verbindung mit einer unzulässigen Machtausübung zu nennen, welcher der Psychiatrie seit Jahrzehnten gerade von der Soziologie immer entgegengehalten wird (z. B. Bruns 1993). Wenn man im System arbeitet, stellt sich die Frage zumeist gar nicht, man hat es mit Menschen zu tun, die leiden oder aber andere Personen in ihrem Umfeld beeinträchtigen, und dies erfordert zur Behandlung die Benennung der Krankheit, wie immer der Namen hierfür selbst auch zustande gekommen sein mag. Begriffe wie Diagnosen lassen sich nicht einfach abschaffen, nur weil sie eben sozial konstruiert sind (Richter 2000, Richter 2003). Darüber hinaus ist die Medizin nicht in erster Linie eine Wissenschaft, sondern eher ein akademisches Handwerk. Mediziner sehen sich häufig unter sachlichem und zeitlichem Druck, schnelle Lösungen für akute Probleme zu finden. Und dieser Druck ist etwa angesichts lebensbedrohlicher Situationen zum einen kaum zu bestreiten, und wird zum anderen durch ökonomische Vorgaben heutzutage noch drängender, als es bislang ohnehin schon der Fall war. Eine weitere, zuvor nicht bedachte Differenz, ist dem Autor dieses Kapitels im Zusammenhang mit dem Verfassen längerer Texte und wissenschaftlicher Arbeiten im medizinischen Umfeld deutlich geworden. Als Sozialwissenschaftler ist man gewohnt, einen eher diskursiven Sprach- und Schreibstil zu pflegen. Dieser Stil wird gerade bei der Zusammenarbeit mit Medizinern nicht unbedingt geschätzt. Hier neigt man eher zu einem weniger problematisierenden und stattdessen faktenorientierten Stil. So hatte sich einer der ersten medizinischen Ko-Autoren des Verfassers das Ziel zu eigen gemacht, mit so wenig Kommas und Nebensätzen wie möglich in seinen Texten auszukommen. Die ausgetragenen Konflikte möge sich die geneigte Leserin oder der geneigte Leser selbst ausmalen. 6. Zum Schluss Das Gesundheitswesen ist auf den ersten Blick kein leichtes Umfeld für Soziologen. Wenn man allerdings in der Lage ist, aus dem eigenen soziologischen Ethnozentrismus auszubrechen und anzuerkennen, dass die medizinisch-gesundheitswissenschaftliche Perspektive nicht notwendigerweise in die Irre geht, dann kann man ein Arbeitsfeld entdecken, das so vielfältig und interessant wie kaum ein Zweites ist. Die Mischung aus wissenschaftlichen Fragestellungen, die vom Zusammenhang sozialer Ungleichheit mit Gesundheit bis zur Genetik reichen, ist zumindest für den Verfasser ein äußerst anregendes Umfeld. Zum Zweiten wird es angesichts der sich permanent ändernden politischen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen nie langweilig. Man denke etwa an die Diskussionen 6. Zum Schluss 181 <?page no="181"?> um Sterbehilfe, staatliche Heroinvergabe oder Stammzelltherapien. Und drittens, und nicht zuletzt, folgt das Gesundheitswesen schließlich sicherlich auch sozialen und kurativen Zielen - auch wenn dies aus soziologischer Perspektive nicht jederzeit und unmittelbar ersichtlich ist. 7. Tipps zum Weiterlesen Literatur: Kühn, Hagen (1997): Gesundheitswesen im Wandel - eine sozialwissenschaftliche Sichtweise. Das Gesundheitswesen, 59, S. 213-216. Sozialwissenschaften und Berufpraxis, Heft 1/ 2005, Themenschwerpunkt »Gesundheit«. Internetadressen: Public Health Absolventen Deutschland: www.phad.de/ stellen.html. Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie: www.medsoz.uni-freiburg.de/ dgms/ stellenboerse.htm. Deutsche Arbeitsgemeinschaft Epidemiologie: http: / / medweb.uni-muenster.de/ institute/ epi/ dae/ stellen.htm. Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblatts: www.aerzteblatt.de/ v4/ stellen/ maske.asp. Stellenmarkt des British Medical Journal; UK und Commonwealth: www.bmjcareers.com. Stellenmarkt der US-amerikanischen Association of Schools of Public Health: www.publichealthjobs.net. Soziologen im Gesundheitswesen 182 <?page no="182"?> Verwendete Literatur Alemann, Annette von/ Tanja Klenk/ Stefan Schwarz (2004): Positionspapier zur soziologischen Beratung. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Heft 2, S. 203-220. Alemann, Heine von/ Vogel, Annette (Hg.) (1996): Soziologische Beratung. Praxisfelder und Perspektiven. IX. Tagung für angewandte Soziologie. Opladen: Leske + Budrich. Andersen, Uwe/ Woyke, Wichard (1997): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: VS Verlag. Bäuerle, W./ Lüdicke, H. (1972): Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (IFSS). In: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, Heft 2, 23. Jg., S. 49-56. Bonn: Beltz Verlag Weinheim. Bausch, Manfred/ Bundesagentur für Arbeit (2000): Arbeitsmarkt-Information für Fach- und Führungskräfte: Soziologinnen und Soziologen. Bonn. 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Verwendete Literatur 186 <?page no="186"?> Autorinnen und Autoren Annette von Alemann (M. A.) studierte Soziologie, Völkerkunde, Spanisch und Germanistik in Köln, Halle/ Saale und Mendoza (Argentinien); Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie. Promotionsstipendium des Ev. Studienwerks Villigst e. V.; Forschungsinteressen: Soziologie der Eliten, Organisationssoziologie, Geschlechterforschung, Verwendungsforschung, Soziologie der Beratung, qualitative Methoden, Kunstsoziologie. Sigrid Bathke (Dr. phil., Dipl. soz) studierte Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum, danach war sie mehrere Jahre freiberuflich als gesetzliche Betreuerin nach dem Betreuungsrecht tätig. Studium der Planung und Beratung im Sozialwesen an der Universität Duisburg-Essen, Promotion an der Universität Duisburg-Essen; derzeit tätig als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für soziale Arbeit e. V., Münster, mit den Schwerpunkten Vormundschaft, Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, Jugendhilfe und Schule. Andreas Jaron (Dr. phil., Diplom-Volkswirt) studierte Informatik von 1977-1982 in Dortmund, von 1978-1986 Volkswirtschaft und von 1982-1987 Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft in Münster. Nach dem Studium arbeitete er vier Jahre im Niedersächsischen Umweltministerium und danach zwei Jahre in der EU-Kommission, DG Umwelt. Seit 1992 leitet er in der Position eines Regierungsdirektors im Bundesumweltministerium das Referat Abfallwirtschaft und Bodenschutz in der Abteilung Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz. Thomas Klein (Dipl. soz) studierte Soziologie in Bielefeld. Praktische Erfahrungen in der Organisations- und Personalentwicklung sammelte er während des Studiums durch ein Praktikum in der Stadtverwaltung Essen sowie in Lehrforschungsprojekten der Universität Bielefeld. Nach dem Studium absolvierte er ein Hochschulabsolventen-Traineeprogramm bei einer großen deutschen Versicherungsgruppe und arbeitete danach fünf Jahre lang als Berater für Aus- und Weiterbildung im IT-Umfeld in Düsseldorf. Seit Anfang 2004 ist er zunächst als Projektleiter für Unternehmensberatung, seit 2006 als geschäftsführender Vorsitzender von AIQ e. V., Dortmund, tätig. Uwe Marquardt (Dipl. soz) studierte Soziologie und andere sozialwissenschaftliche Fächer in Aachen und Bochum. Er hat im Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW von 1971 bis 2005 in verschiedenen Aufgabengebieten als Referent und Referatsleiter gearbeitet (Hochschulplanung, Wirtschaftsführung der Hochschulkliniken, Personalangelegenheiten/ Fortbildung, Verwaltungsorganisation, IT-Einsatz, Hochschulaufsicht). Dirk Richter (PD, Dr. phil) machte eine Ausbildung als Krankenpfleger in psychiatrischen Kliniken und war in diesem Bereich auch berufstätig. Nach dem Soziologiestudium 187 <?page no="187"?> in Münster promovierte er und habilitierte er sich ebenfalls an der Universität Münster; zurzeit ist er als Qualitätsbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der LWL-Klinik Münster (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) beschäftigt. Peter Sonneck (Dipl. soz.) studierte an den Universitäten Konstanz und Bielefeld Soziologie. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld, Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, Abt. Sportwissenschaft. Marktforscher bei Valid Research, Bielefeld. Zurzeit ist er Research Consultant bei TNS Infratest, Bielefeld, Consumer & Retail mit Schwerpunkt Handelsforschung. Er betreut dort als Key Account Manager ausgewählte deutsche und internationale Kunden aus dem Bereich Handel und Versand. Katrin Späte (Dr. phil.) studierte Lehramt Französisch und Sozialwissenschaften in Münster, legte die Erste und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt in den Sekundarstufen I und II ab, war als Lehrerin tätig und als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache. Im Anschluss promovierte sie in Soziologie und arbeitet seitdem als Studienrätin im Hochschuldienst am Institut für Soziologie der Universität Münster. Forschungsinteressen: Berufsfelder für Soziologinnen und Soziologen, Bildungsforschung, Didaktik der Soziologie, Frauen- und Geschlechterforschung. Gabriele Tellenbach (M. A.) hat in München Soziologie und Erwachsenenbildung studiert, zahlreiche Zusatzqualifikationen erworben, u. a. in der Organisationsentwicklung. Sie engagiert sich im Bereich der politischen Erwachsenenbildung. Seit 1990 arbeitet sie als Referentin in der Studienförderung der grünnahen Heinrich-Böll-Stiftung. Marcus Termeer (Dr. phil., M. A.) studierte Soziologie in Münster. Er promovierte 2005 an der Universität Münster in Soziologie. Zur Zeit lebt er als freier Autor - Schwerpunkte: Kultursoziologie, Dialektik der Zivilisation - und Journalist in Münster. Zum Journalismus kam er über ein Praktikum beim Münsteraner Stadtblatt, später war er Redaktionsleiter der Lokalausgabe der taz in Münster. Sonja Vollmer (M. A.) studierte von 1995-2001 in Tübingen und Heidelberg Soziologie, Politikwissenschaften und Ethnologie. Praktische PR-Erfahrung sammelte sie während des Studiums durch ein Praktikum in einer Pressestelle und die freie Mitarbeit bei verschiedenen Redaktionen. Nach dem Studium arbeitete sie vier Jahre lang als Pressereferentin bei den GWV Fachverlagen, Wiesbaden. In dieser Zeit absolvierte sie berufsbegleitend ein Fernstudium zum Diplom PR-Manager. Danach wechselte sie als Ressortleiterin Öffentlichkeitsarbeit zu Bioland e. V. Seit Anfang 2007 ist sie als Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Verlag Urban&Fischer, München, tätig. Ilka Willand (M. A.) studierte Soziologie, Politik- und Erziehungswissenschaften in Köln und Münster. Im Statistischen Bundesamt ist sie als Referentin im Bereich Bildungsstatistik tätig. Autorinnen und Autoren 188 <?page no="188"?> Anhang Tab. 1: Studienanfänger und Absolventen im Fach Soziologie Jahr Studienanfänger (1. Fachsemester) Absolventen 1) 1995 4 838 608 1996 5 597 745 1997 5 587 786 1998 5 242 899 1999 5 279 1 050 2000 5 891 1 139 2001 6 640 1 091 2002 6 735 1 152 2003 6 244 1 289 2004 4 687 1 419 1) Einschl. Promotionen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Hochschulstatistik. Tab. 2: Bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldete freie Stellen für Soziologen in der öffentlichen Verwaltung Tätigkeitsbereich 2000 2001 2002 2003 2004 Allgemeine öffentliche Verwaltung 150 125 94 33 8 Sozialversicherung und Arbeitsförderung 21 18 18 25 5 Weitere Gebiete der öffentlichen Verwaltung 1) 32 26 39 24 56 Insgesamt 203 169 151 82 69 1) Sonstige öffentliche Verwaltung, Wirtschaftsförderung und Wirtschaftsordnung, Verteidigung, öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung. Quelle: Sonderauswertung der Bundesanstalt für Arbeit. 189 <?page no="189"?> Tab. 3: TV-Länder West Entgeltgruppe Grundentgelt Entwicklungsstufen Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6 nach 1 Jahr nach 3 Jahren nach 6 Jahren nach 10 Jahren nach 15 Jahren Die Tabelle steht unter dem Vorbehalt weiterer Änderungen im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Tarifverhandlungen 15 3.384 3.760 3.900 4.400 4.780 14 3.060 3.400 3.600 3.900 4.360 13 2.817 3.130 3.300 3.630 4.090 12 2.520 2.800 3.200 3.550 4.000 11 2.430 2.700 2.900 3.200 3.635 10 2.340 2.600 2.800 3.000 3.380 9 2.061 2.290 2.410 2.730 2.980 8 1.926 2.140 2.240 2.330 2.430 2.493 7 1.800 2.000 2.130 2.230 2.305 2.375 6 1.764 1.960 2.060 2.155 2.220 2.285 5 1.688 1.875 1.970 2.065 2.135 2.185 4 1.602 1.780 1.900 1.970 2.040 2.081 3 1.575 1.750 1.800 1.880 1.940 1.995 2 1.449 1.610 1.660 1.710 1.820 1.935 1 Je 4 Jahre 1.286 1.310 1.340 1.368 1.440 vorübergehend wird die Tabelle TV-Länder noch um die folgenden drei Entgeltgruppen ergänzt: Entgeltgruppe Grundentgelt Entwicklungsstufen Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6 nach 1 Jahr nach 3 Jahren nach 6 Jahren nach 10 Jahren nach 15 Jahren 2Ü 1.503 1.670 1.730 1.810 1.865 1.906 15Ü 4.275 4.750 5.200 5.500 5.570 Entgeltgruppe Grundentgelt Entwicklungsstufen Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4a Stufe 4b Stufe 5 nach 2 Jahren in Stufe 2 nach 4 Jahren in Stufe 3 nach 3 Jahren in Stufe 4a nach 3 Jahren in Stufe 4b 13Ü 3.130 3.300 3.600 3.900 4.360 Quelle http: / / www.uni-muenster.de/ organisation/ tvl/ entgelttabelle.html (Stand: Dezember 2006) Anhang 190 <?page no="190"?> Tab. 4: TV-Länder Bereich Ost Tabelle TV-Länder (Tarifbereich Ost entsprechend jeweiligem Anpassungssatz, zur Zeit 92,5 v.H.) Grundentgelt Entwicklungsstufen Entgeltgruppe Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6 Nach 1 Jahren Nach 3 Jahren Nach 6 Jahren Nach 10 Jahren Nach 15 Jahren 15 3.384 3.760 3.900 4.400 4.780 14 3.060 3.400 3.600 3.900 4.360 13 2.817 3.130 3.300 3.630 4.090 12 2.520 2.800 3.200 3.550 4.000 11 2.430 2.700 2.900 3.200 3.635 10 2.340 2.600 2.800 3.000 3.380 9 2.061 2.290 2.410 2.730 1/ 2 2.980 8 1.926 2.140 2.240 2.330 2.430 2.493 7 1.800 2.000 2.130 2.230 2.305 2.375 6 1.764 1.960 2.060 2.155 2.220 2.285 5 1.688 1.875 1.970 2.065 2.135 2.185 4 1.602 1.780 1.900 1.970 2.040 2.081 3 1.575 1.750 1.800 1.880 1.940 3 1.995 2 1.449 1.610 1.660 1.710 1.820 4 1.935 1 Je 4 Jahre 1.286 1.310 1.340 1.368 1.440 1 Endstufe für Arbeiter der LGr 9; Stufe 4 nach 7 Jahren in Stufe 3 2 Endstufe Ang Vb BAT ohne Aufstieg und Aufsteiger Vb aus VcBAT: Stufe 3 nach 5 Jahren in der Stufe 2, Stufe 4 nach 9 Jahren in der Stufe 3 3 Endstufe für Arbeiter der LGr 2 mit Aufstiegen nach LGr 2a und LGr 3 und Angestellte VGr VIII BAT mit und ohne Anwartschaft auf Aufstieg nach VGr. VII BAT 4 Endstufe für Angestellte VGr. X BAT mit Aufstiegen nach VGr. IXb BAT, sowie Arbeiter LGr 1 mit Aufstieg nach LGr 1a Quelle: http: / / vbe-sachsen.de/ pdfs-impuls/ 060519-tvoed.pdf (Stand: Dezember 2006). Anhang 191 <?page no="191"?> Tab. 5: W-Besoldung Besoldungsordnung W-Grundgehaltssätze Besoldungsgruppe W 1 W 2 W 3 Monatsbeiträge in Euro 3.405,34 3.890,03 4.723,61 Besoldungsordnung W-Grundgehaltssätze - nach der zweiten Besoldungs - Übergangsverordnung (=Ost) Besoldungsgruppe W1 W2 W3 Monatsbeiträge in Euro 3.149,94 3.598,28 4.369,34 Besoldungsordnung W - Grundgehaltssätze (Monatsbeträge in Euro) Besoldungsgruppe Feste, alterunabhängige Grungehaltssätze W 2 West 3890,03 W 3 West 4723,61 W 2 Ost 3598,28 W 3 Ost 4369,34 Hinzu treten sollen je nach Verhandlungsgeschick Leistungszulagen und andere Zulagen. Anhang 192