Visualisieren
Bilder in wissenschaftlichen Texten
1116
2011
978-3-8385-3508-1
UTB
Professor Steffen-Peter Ballstaedt
Wissenschaftliche Texte sind zunehmend Text-Bild-Kombinationen. Die wichtigsten Bildtypen und Techniken der Herstellung werden vorgestellt: Abbilder, Charts, Diagramme, Piktogramme etc.
Der Band richtet sich an Studierende und Wissenschaftler/innen, die nicht nur gut schreiben, sondern auch effektiv bebildern wollen.
www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 2 Studieren, aber richtig Herausgegeben von Theo Hug, Michael Huter und Otto Kruse Die Bände behandeln jeweils ein Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das gesamte Paket versetzt Studierende in die Lage, die wesentlichen Aufgaben im Studium zu erfüllen. Die Themen orientieren sich an den wichtigsten Situationen und Formen des Wissenserwerbs. Dabei werden auch das scheinbar Selbstverständliche behandelt und die Zusammenhänge erklärt. Weitere Bände: Otto Kruse: Lesen und Schreiben (UTB 3355) Theo Hug, Gerald Poscheschnik: Empirisch Forschen (UTB 3357) Klaus Niedermaier: Recherchieren und Dokumentieren (UTB 3356) Gerlinde Mautner: Wissenschaftliches Englisch (UTB 3444) Heinz Moser, Peter Holzwarth: Mit Medien arbeiten (UTB 3509) Informationen, Materialien und Links: http: / / star.huterundroth.at, www.utb-mehr-wissen.de www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 3 Steffen-Peter Ballstaedt Visualisieren Bilder in wissenschaftlichen Texten UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 4 Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © Verlag Huter & Roth KG, Wien, und UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München, 2012 Satz und Layout: Claudia Wild, Konstanz Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Coverillustration: Graf+Zyx Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg Huter & Roth KG, Verlag und Textbüro Thimiggasse 19/ 1 · 1180 Wien Tel. 0043-1-9571818 www.huterundroth.at UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-21 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Band-Nr. 3508 ISBN 978-3-8252-3508-6 Steffen-Peter Ballstaedt ist Professor für Angewandte Kommunikationswissenschaft im Studiengang Journalismus und Public Relations an der FH Gelsenkirchen. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 5 Inhaltsverzeichnis Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt 9 I Wie Bilder wirken 13 1 Bilder im Wissenserwerb 14 2 Typen von Bildern 18 3 Visuelle Konventionen 21 4 Ganzheitlicher Ersteindruck 25 5 Detailauswertung mit Blickbewegungen 29 6 Begriffliche Verarbeitung 31 7 Anmutungen und Gefühle 36 Zusammenfassung 38 II Gestalten von Bildern 39 1 Dekorative Bilder 40 2 Verständliche Abbilder 41 3 Übersichtliche Charts 50 4 Leserliche Tabellen 60 5 Diagramme als Argumente 64 6 Orientierende Karten 75 7 Prägnante Piktogramme 79 Zusammenfassung 84 III Anwenden visueller Konventionen 87 1 Ansichten, Risse 88 2 Perspektiven 91 3 Einsichten 101 4 Aufbau, Komponenten 103 5 Bewegungen 112 6 Handlungen 117 7 Vergleiche 122 Zusammenfassung 125 5 6 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 6 Inhaltsverzeichnis IV Text und Bild verbinden 127 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 128 2 Multikodale Verarbeitung 136 3 Evaluation von Bild und Text 146 Zusammenfassung 150 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung 151 1 Digitale Bilder 152 2 Zeichnen mit Hand und Computer 156 3 Fotografieren und Bildbearbeitung 159 4 Visualisieren: Charts und Diagramme 163 5 Nutzen von Bildquellen im Internet 165 6 Scannen von Vorlagen 170 7 Bilder in den Text importieren 171 Zusammenfassung 174 Literatur 175 Sachregister 183 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 7 7 Hinweise Beeinflussen des Ersteindrucks 28 Beeinflussen der Blickbewegungen 31 Beeinflussen das Verstehens 34 Beeinflussen der Gefühle 37 Verwenden dekorativer Bilder 41 Gestalten von Abbildern 48 Gestalten von Charts 58 Gestalten von Tabellen 61 Gestalten von Diagrammen 69 Gestalten von Isotypen 73 Gestalten von Übersichtsplänen 78 Gestalten von Piktogrammen 82 Gestalten von Ansichten 91 Gestalten von Perspektiven 99 Gestalten von Einsichten 103 Gestalten von Bezugslinien 107 Markieren von Komponenten 112 Gestalten von Pfeilen 115 Abbilden von Bewegungen 117 Abbilden von Handlungen 122 Gestalten von Vergleichsbildern 125 Gestalten von Infografiken 136 Gestalten von Text-Bild-Kombinationen 144 Tipps zum Zeichnen 157 Tipps zum Fotografieren 160 Richtig Scannen 170 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 8 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 9 9 Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie nehmen ein Buch oder eine schriftliche Arbeit zur Hand und blättern sie flüchtig durch, um sich einen Überblick zu verschaffen. Was fällt zuerst ins Auge? Natürlich die Bilder! Fotos, Diagramme, Charts sind Blickfänger, sie prägen den ersten Eindruck. Bleiwüsten sind öde, Bilder sind »sexy«. Die visuelle Kommunikation hat in den letzten Jahren eine deutliche Aufwertung erfahren. Bilder sind nicht nur Textdekoration, sondern erfüllen im Lehren und Lernen eigene Funktionen. Bilder werden in vielen wissenschaftlichen Disziplinen als visuelle Argumente eingesetzt. Wir denken nämlich nicht nur abstrakt in Begriffen, sondern auch anschaulich in Vorstellungen. In der Lern- und Unterrichtspsychologie gibt es unzählige Untersuchungen, die dem Bild einen Mehrwert gegenüber dem Text bescheinigen. Nicht nur die Einschätzung der Bilder hat sich geändert, auch ihre technische Produktion und Reproduktion. Fachtexte waren zwar schon immer bebildert, die Einbindung von Bildern unterlag jedoch technischen Beschränkungen. Schon die ersten Fachbücher enthalten Handzeichnungen, sie mussten beim Abschreiben von den Kopisten abgezeichnet werden. Mit Aufkommen des Holzschnitts nahm die Anzahl der Bilder in Büchern enorm zu, die Herstellung der Bildplatten war ziemlich aufwändig und wurde von den Autoren in Auftrag gegeben. Selbst beim Offset-Druck war es umständlich, Bilder einzufügen. Es mussten Druckformen, so genannte Klischees, hergestellt und in den Text eingesetzt werden. Das verteuerte die Produktion und die Verleger waren dankbar, wenn Autoren ohne Bilder auskamen. Erst seit der elektronischen Bilderstellung und -verarbeitung bereiten Bilder weniger Mühe. Heute wird von jedem Autor und jeder Autorin selbstverständlich erwartet, dass er oder sie die Bilder in ausreichender Qualität entweder selbst erstellt oder beschafft und mit dem elektronischen Manuskript abliefert. Es gibt jetzt zwar mehr Bilder, aber sie sind nicht unbedingt besser. Vielen Wissenschaftlern fehlt nämlich das Wissen darüber, was ein didaktisch effektives Bild ausmacht. Während an Ratgebern für Bilder in Präsentation mit elektronischen Folien kein Mangel besteht, findet man zur Bebilderung von Seminar-, Bachelor- und Master- 10 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 10 Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt arbeiten, Dissertationen und Aufsätzen aller Art nur verstreute Hinweise, vor allem in Handreichungen für Autoren. Hier erfährt man, dass die Bilder informativ, prägnant, übersichtlich usw. sein sollen. Aber was heißt das konkret für die Auswahl oder Gestaltung? Was macht ein effektives Bild aus? Ein effektives Bild erleichtert das begriffliche Verständnis des Textes und bietet visuelles Wissen an, das über den Text hinausgeht. Effektive Bilder zeigen nur das für die jeweilige Vermittlung Relevante und muten den Betrachtenden keine unnötigen Verarbeitungsprozesse zu. Dieser Band soll Sie dazu motivieren, Bilder aller Art effektiver zu gestalten, sorgfältiger auszuwählen und inhaltlich mit dem Text zu verknüpfen. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten werden dadurch interessanter und verständlicher und damit auch für die Adressaten attraktiver. Bebildern und Visualisieren gehört heute zu den Kompetenzen, die man von Studierenden und Wissenschaftlern erwartet. Dabei werden nicht nur praktische Anleitungen geboten, sondern auch Hintergrundwissen. Wer weiß, wie Bilder im Kopf verarbeitet werden, kann viele sinnvolle Entscheidungen zur Gestaltung treffen und plausibel begründen. Sowohl das Hintergrundwissen als auch die Anleitungen gründen in Theorien und Untersuchungen der Kognitions- und Instruktionspsychologie, der Designforschung, der Medienpsychologie, der Ergonomie und anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Um das Buch lesbar zu halten, werden keine Einzeluntersuchungen referiert, sondern vor allem zusammenfassende Monographien. In Rahmen werden im Text immer wieder praktische Hinweise gegeben, wie man zu effektiven Bildern kommt, d. h. sie selbst gestaltet oder sie auswählt und gegebenenfalls verändert. Die Lese- Fragen, auf die Sie Antworten bekommen Welche Inhalte können Bilder besser vermitteln als Texte? Welcher Bildtyp eignet sich für welche kommunikativen Absichten? Was geschieht in den Köpfen, wenn ein Bild verstanden wird? Wie kann man die Bilder augenfreundlich und verständlich gestalten? Mit welchen Mitteln kann man die Auswertung eines Bildes steuern? Wie kann man Text und Bild effektiv miteinander kombinieren? Welche Tools braucht man, um Bilder selbst zu erstellen? Wie kann man sich Bilder legal aus dem Internet beschaffen? Wie werden Bilder in Texte eingefügt? Überblick www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 11 11 Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt tipps gehen oft über den Band deutlich hinaus und stellen die wissenschaftliche Verwendung von Bildern in einen kulturhistorischen Kontext. Das ist ein anspruchsvolles Programm, aber alles dürfen Sie von diesem Buch auch nicht erwarten. Daher drei Einschränkungen vorweg: 1. Die Darstellung des Bandes ist didaktisch ausgerichtet und bietet keine technische Einführung in das Fotografieren, das Zeichnen oder den Umgang mit Computerprogrammen. In Kapitel V wird auf entsprechende Literatur und auf elektronische Hilfsmittel verwiesen. 2. Es sind nur statische Bilder berücksichtigt, nicht bewegte bzw. animierte Bilder. Wissenschaftliche Animationen kennt jeder aus der Wetterkarte im Fernsehen; aus Wissenschaftsmagazinen oder audiovisuellem Lehrmaterial sind sie nicht mehr wegzudenken (Ballstaedt, 2006). Sie erweitern die visuelle Kommunikation, können aber nicht in schriftliche Arbeiten, sondern nur in wissenschaftliche Präsentationen oder Filmen eingebunden werden. 3. Da das Buch sich an Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaftler verschiedener Disziplinen wendet, werden allgemeine Problem der Bebilderung von Texten behandelt. Um spezielle Bilder wie Strukturformeln in der Chemie, Mikrofotografie in der Biologie, Modelle in der Psychologie, Bildquellen in der Geschichte, Screenshots in der Informatik u. a. m. kann es leider nicht gehen. Das Kapitel I referiert das Hintergrundwissen, das man für einen effektiven Umgang mit Bildern in der Wissenschaft braucht. Die Kapitel II behandelt die Gestaltung von verschiedenen Bildtypen wie z. B. Strichzeichnungen oder Schemabilder. Das Kapitel III stellt die zahlreichen visuellen Konventionen zusammen, die sich in der wissenschaftlichen Kommunikation herausgebildet haben. Das IV. Kapitel befasst sich mit der Kombination von Text und Bild. Das abschließende V. Kapitel gibt technische Hinweise für die Erstellung und Beschaffung von Bildern. 12 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 12 Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt Als Ergänzung zu diesem Band einige Buchempfehlungen, die aber nicht die gesamte Bandbreite der Bebilderung behandeln: Nicol, Adelheid A. M./ Pexman, Penny M. (2010): Displaying your findings. A practical guide for creating figures, posters, and presentations. Washington: American Psychological Association. In diesem Band werden die Richtlinien der APA für »Figures« zusammengefasst, also für alle Bilder in Aufsätzen, Postern und Präsentationen. Burnett, Rebecca E. (2005). Technical Communication. Boston: Thomson Wadsworth. Unter technischer Kommunikation wird im angelsächsischen Sprachraum die Fachkommunikation verstanden. Das in der didaktischen Aufbereitung typische amerikanische Lehrbuch behandelt im Kapitel 12 »Using Visual Forms«. Ebel, Hans Friedrich, Bliefert, Claus & Greulich, Walter (2006): Schreiben und Publizieren in den Naturwissenschaften. Wiley-VCH Verlag. Das umfangreiche Buch (672 Seiten) enthält ein sehr nützliches 7. Kapitel über Abbildungen in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, beschränkt sich jedoch auf die Naturwissenschaften mit dem Fokus auf die Chemie. Wer die erstaunliche Breite und die Ästhetik wissenschaftlicher Bilder erkunden möchte, dem seien zwei Bildbände empfohlen: Robin, Harry (1992). Die wissenschaftliche Illustration. Von der Höhlenmalerei zur Computergraphik. Basel: Birkhäuser. Kemp, Martin (2000). Bilderwissen. Die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Phänomene. Köln: DuMont. Theoretische Ergänzungen zu den Bildbänden bieten folgende Reader, die historische Fallbeispiele über die Rolle von Bildern aus verschiedenen Wissenschaften zusammentragen: Lefèvre, Wolfgang, Renn, Jürgen & Urs Schoepflin (2003). The Power of images in early modern Sciences. Basel: Birkhäuser. Bredekamp, Horst, Schneider, Birgit & Dünkel, Vera (Hg.) (2008). Das technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie-Verlag Sehr interessante Themen behandelt die folgende Zeitschrift, allerdings in sehr anspruchsvollem geisteswissenschaftlichem Stil: Bredekamp, Horst, Bruhn, Matthias & Werner, Gabriele (Hg.) (2003-2011): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Berlin: Akademie-Verlag Lese- und Schautipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 13 I Wie Bilder wirken Wer schnellen und bleibenden Eindruck machen will, bedient sich der Bilder. Otto Neurath 1 Bilder im Wissenserwerb 2 Typen von Bildern 3 Visuelle Konventionen 4 Ganzheitlicher erster Eindruck 5 Detailauswertung mit Blickbewegungen 6 Begriffliche Verarbeitung 7 Anmutungen und Gefühle Zusammenfassung In diesem Kapitel geht es um die Grundlagen für die Verwendung von Bildern in Studium und Wissenschaft. Das Inventar der visuellen Kommunikation wird vorgestellt: die verschiedenen Bildtypen und die visuellen Konventionen. Danach werfen wir einen Blick auf vier Ebenen der Verarbeitung von Bildern in den Gehirnen der Betrachtenden. Was passiert vom ersten Blick auf ein Bild bis zum Verstehen seiner Inhalte und seiner Funktion? Schließlich wird noch das Potenzial von Bildern angesprochen, ästhetische Anmutungen und Emotionen auszulösen. 14 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 14 I Wie Bilder wirken 1 Bilder im Wissenserwerb Wir müssen mit einer wichtigen theoretischen und terminologischen Unterscheidung starten. Unter der Bezeichnung »Bild« werden gern zwei sehr verschiedene Dinge vermischt: Interne Bilder im Kopf, also visuelle Vorstellungen oder Traumbilder (engl. Images) und externe Bilder auf Papier oder in einem anderen Medium (engl. Pictures). Zwischen beiden gibt es einen Zusammenhang: Interne Vorstellungen können mit Skizzen, Zeichnungen, Gemälden externalisiert werden. Externe Bilder regen die Bildung interner Bilder an und verankern das Wissen begrifflich und visuell (Bild I.2). Anschauliches Denken Die Kognitionspsychologen stimmen nach vielen Jahren des Experimentierens und Debattierens überein, dass es in unseren Gehirnen begriffliches Wissen und visuelles Wissen gibt (Kosslyn, 1994; Paivio, 1990). Neben dem Denken in Begriffen gibt es auch ein anschauliches Denken, das vor allem für kreative Prozesse zuständig ist (Arnheim, 1974), und zwar nicht nur bei Künstlern, sondern auch bei Wissenschaftlern. Dazu ein Beispiel: Ingenieure haben oft ein sehr gutes Vorstellungsvermögen. So schreibt Oliver Evans, der um 1785 die automatische Getreidemühle erfand: »Die Anordnung habe ich, bevor ich meine Mühle zu bauen begann, im Kopf so weit vervollständigt, dass ich mir in meinem Bett den ganzen Ablauf visuelle Vorstellung Träume Bilder in verschiedenen Medien Externalisierung Zeichnen, Malen Internalisierung Vorstellen interne Bilder (Images) externe Bilder (Pictures) Bilder Bild I.1: Der Zusammenhang von internen und externen Bildern: Visuelle Vorstellungen werden in Bildern externalisiert, Bilder werden internalisiert und erzeugen visuelle Vorstellungen. Grafik: Claudia Wild. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 15 1 Bilder im Wissenserwerb 15 mit einiger Anspannung vorstellen konnte« (nach Ferguson, 1993, 53). Erst dann hat er eine Skizze seiner Erfindung gezeichnet. Albert Einstein, der ganz sicher eine der abstraktesten Theorien erdacht hat, berichtet: »Es scheint nicht so zu sein, daß die Wörter oder die Sprache-- und zwar die geschriebene oder die gesprochene-- irgendeine Rolle bei den Denkvorgängen spielt. Die psychischen Einheiten, die als Elemente des Denkens zu dienen scheinen, sind zweifellos die mehr oder weniger klaren Zeichen und Bilder, die sich ›willentlich‹ reproduzieren und kombinieren lassen« (Einstein, in Hadamard, 1945, 142 ff.). Einstein hat also in visuellen Vorstellungen gedacht. Auch von anderen Wissenschaftlern wie Michael Faraday oder Friedrich Kekulé ist überliefert, dass das visuelle Denken bei ihnen eine wichtige Rolle beim Entdecken von neuen Erkenntnissen spielte. Visuelles Lernen Wer ein gutes Vorstellungsvermögen hat, dem kann ein Bild beim Einprägen sehr hilfreich sein. So kann man sich z. B. in der Biologie die Stadien der Embryoentwicklung aus einem Lehrbuch vorstellen. Das anschauliche Denken wird durch den Einsatz von Bildern angeregt und gefördert. Als Ergänzung oder sogar als Ersatz von Texten sind Bilder deshalb beim Lehren und Lernen unverzichtbar. Einer der ersten, die sich für Bilder in der Wissensvermittlung ausgesprochen haben, war der Pädagoge Comenius (1592 - 1670). Zwar hielt er Demonstration am wirklichen Objekt für optimal, aber als Wirklichkeitsersatz im Unterrichtsraum und in Büchern plädierte er für Modelle und Bilder. Sie sind für ihn unverzichtbar, weil nicht alle Gegenstände immer greifbar und präsentierbar sind. Für Comenius sind Bilder zwar nach der Wirklichkeit und wirklichkeitsgetreuen Modellen nur dritte Wahl, aber für das Lernen und in der wissenschaftlichen Vermittlung haben sie eigenständige Bedeutung, die über die mnemotechnische für das Behalten des begrifflichen Wissens hinausgeht (Comenius 1554). Diese Ansichten sind inzwischen durch lern- und kognitionspsychologische Untersuchungen eindrucksvoll bestätigt worden (Dwyer, 1972; Mayer, 2001). Bilder können einige Inhalte besser vermitteln als ein Text. Die Stärke des Bildes liegt in der Vermittlung visueller Merkmale wie Form, Farbe, Textur und der Vermittlung räumlicher Zuordnungen. Veränderungen visueller und räumlicher Merkmale werden in einem Vergleich sofort sichtbar. Fotos und Zeichnungen leisten hier mehr als eine umständliche Beschreibung (Bild I.2) 16 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 16 I Wie Bilder wirken Den kommunikativen Wert von Bildern hat der Naturforscher Robert Hooke (1635-1703) eindrücklich formuliert: »Denn auch wenn eine Beschreibung in Worten uns eine unvollkommene Vorstellung und Idee des Dinges geben kann, das so beschrieben wurde, so kann uns doch keine Beschreibung durch Wörter eine so vollständige Darstellung der wahren Form dieses Dinges geben, wie es eine Skizze oder Abzeichnung desselben auf Papier vermag« (Hooke, 1726, S. 293). Wissenschaftliche Bilder Unter wissenschaftlichen Bildern verstehen wir hier alle Bilder, die bei der Wissensgewinnung und der Wissensvermittlung in wissenschaftlichen Disziplinen eine Rolle spielen (Breidbach, 2005). In einer der ältesten erhaltenen technischen Schriften, der »Mechanike Syntaxis« von Philon von Byzanz (Ende des 3. Jh. vor Chr.) schreibt der Autor, dass er »um des besseren Verständnisses willen im Buch Abbildungen hinzugegeben« habe (Stückelberger, 1994). Fachtexte waren also seit jeher bebildert. Oft verweisen die Autoren auf Zeichnungen, die jedoch meist verloren gegangen sind. Die Kopisten haben nämlich nur den Text abgeschrieben und auf das Abzeichnen der Bilder verzichtet. Eine Art kurzhalsige, bauchig runde, etwas abgeflachte Glasflasche mit ellipsoider Standfläche und mit ellipsoidem Querschnitt an der größten Wölbung des Flaschenkörpers. Das Verhältnis Hauptachse/ Nebenachse des ellipsoiden Querschnitts ist annähernd 2: 1. Bild I.2: Der Bocksbeutel. Die Form der Flasche wird durch das Abbild besser vermittelt als durch die umständliche Beschreibung. Vergleicht man die Beschreibung der EU mit der Abbildung, so wird deutlich, dass Formen im Bild besser zu vermitteln sind als in der Sprache. Es ist schwierig, sich aufgrund der Beschreibung die Form der Flasche vorzustellen. Textquelle: Verordnung (EG) Nr. 753/ 2002 der Kommission der EU, Titel Viii, Artikel 47,(2) a), Bildquelle: Prince Grobhein, Wiki Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 17 1 Bilder im Wissenserwerb 17 In den Naturwissenschaften sind Bilder in der Wissensvermittlung unverzichtbar: Karten in der Geographie, Fotos in der Biologie, anatomische Zeichnungen in der Medizin, Diagramme in der Mathematik, technische Zeichnungen in den Ingenieurwissenschaften usw.- - ursprünglich allerdings nur zum Zeigen von Objekten, während die Theorien rein sprachlich oder als abstrakte Formeln formuliert wurden. Inzwischen haben Bilder in verschiedenen Disziplinen eine erkenntnisschaffende Funktion und werden als visuelle Argumente anerkannt, z. B. computertomografische Aufnahmen in der Medizin; radioastronomische Bilder in der Astronomie, Luftbildfotos in der Archäologie, elektronenmikroskopische Aufnahmen in der Biologie. Eher bildscheu waren und sind die Geisteswissenschaften. Hier ist die treffende sprachliche Formulierung wichtig und Bilder dienen- - etwa als Beiwerk in Geschichtsbüchern oder literaturwissenschaftlichen Werken- - vorwiegend der Illustration. Geisteswissenschaftler stehen der Verwendung von Bildern eher reserviert gegenüber, weil sie eine Ablenkung von der Sprache und dem begrifflichen Denken befürchten. Reine »Bleiwüsten« findet man daher fast nur noch in geisteswissenschaftlichen Publikationen, wo weder Daten anschaulich aufbereitet werden noch Abbilder als Realitätsersatz dienen müssen. Aber selbst hier hat ein Umdenken begonnen: Gemälde oder Fotos werden in der Geschichtswissenschaft als historische Dokumente ausgewertet. In den Literaturwissenschaften findet man zunehmend Visualisierungen, um begriffliche Zusammenhänge darzustellen. Die visuelle Wende In den letzten Jahren sind Bilder derart ins Zentrum des Interesses gerückt, dass von einigen Kulturtheoretikern eine visuellen Wende ausgerufen wird, mit der die sprachzentrierte Kultur zu Ende geht. Ob wir tatsächlich in einem so dramatischen Umbruch leben, werden Historiker erst in einem Rückblick feststellen. Zwei Entwicklungen sind jedoch unübersehbar: 1. Die Anzahl der Bilder, mit denen wir konfrontiert werden, hat stark zugenommen. Jede Tageszeitung enthält zahlreiche Fotos und Visualisierungen, das Fernsehen präsentiert auf unzähligen Kanälen Bilder, im Web sind Millionen von Bildern verfügbar und auch in wissenschaftlichen Abhandlungen wächst der Anteil an Bildern. 2. Bilder werden gegenüber der Sprache deutlich aufgewertet, vor allem auch in den Wissenschaften. Die Stärke des Textes liegt in der Vermittlung abstrakter 18 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 18 I Wie Bilder wirken Begriffe und Argumentationen. Erklären und Begründen lässt sich sprachlich zwar besser als mit Bildern, Charts und Diagramme können aber komplexe begriffliche Zusammenhänge sichtbar und damit besser verständlich machen. Im Folgenden vertreten wir die These, dass Text und Bild ein didaktisches Traumpaar bilden, weil sich beide in ihren Stärken und Schwächen ergänzen und für die Wissensvermittlung optimale Bedingungen bieten. Voraussetzung ist allerdings, die Bilder sind durchdacht gestaltet und sinnvoll in den Text integriert. 2 Typen von Bildern In den Bezeichnungen zur bildlichen Kommunikation herrscht ein wirres Durcheinander. Abbildung, Diagramm, Illustration, Visualisierung usw., alle Wörter werden in verschiedenen Bedeutungen verwendet, es gibt keine einheitliche Terminologie. Damit klar ist, wovon wir reden, treffen wir einige terminologische Festlegungen. Das Repertoire der visuellen Kommunikation setzt sich aus Bildtypen und visuellen Konventionen zusammen. In diesem Abschnitt führen wir die Bildtypen ein, im nächsten die Konventionen. Externe Bilder. Darunter verstehen wir alle nichtsprachliche Formen der visuellen Kommunikation. »Bild« ist also ein sehr weiter Begriff, der zahlreiche Unterbegriffe umfasst. Die Einteilung im Bild I.3 zeigt ein hierarchisches Chart von Bildtypen, für die jeweils gilt: Landkau, Ralf (2007): Lehrbuch der Mediengestaltung. Grundlagen der Kommunikation und Visualisierung. Heidelberg: dpunkt Ein Buch, das die Potenziale der visuellen Kommunikation in verschiedenen Medien betont, aber auch theoretisch und historisch einordnet sowie kritisch reflektiert. Anregende Lektüre für den philosophisch anspruchsvollen Bildgestalter. Pörksen, Uwe (1997): Weltmacht der Bilder: Eine Philosophie der Visiotype. Stuttgart: Klett-Cotta. Ein Sprachwissenschaftler, der den Bildern, vor allem den Visualisierungen, sehr kritisch gegenübersteht und befürchtet, dass damit eine Verarmung der sprachlichen Kommunikation und Argumentation einhergeht. Lesetipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 19 2 Typen von Bildern 19 • Jeder Bildtyp erfüllt bestimmte kommunikative Basisfunktionen, d. h. er kann bestimmte Informationen besonders effektiv übermitteln. Das ist wichtig, wenn man sich für einen Bildtyp entscheiden muss. • Jeder Bildtyp stellt bestimmte Anforderungen an die Wahrnehmung und an das Verstehen. Ob ein Bild mit Stiften gezeichnet, analog oder digital fotografiert oder mit einem Computerprogramm erstellt wird, spielt dabei keine wesentliche Rolle. Hier werden die Bildtypen nur kurz charakterisiert, bevor wir sie dann im Kapitel-II ausführlich behandeln. Nicht darstellende Bilder. Hierzu zählen alle Bilder, die nichts abbilden, also keine Gegenstände, Personen oder Szenen enthalten, sondern durch Formen, Farben und Texturen nur ein sinnliches Erlebnis vermitteln. In diese Kategorie gehören grafische Kompositionen, Muster, Ornamente oder abstrakte Bilder. Kreisdiagramme Balkendiagramme Säulendiagramme Liniendiagramme Streudiagramme u.a. (externe) Bilder Tabellen Organogramme Flowcharts Conceps Maps Netzwerke u.a. Bildkarten topologische K. thematische K. Farb-Realbild SW-Realbild Texturbild Strichbild Schemabild Karten Visualisierungen Piktogramme Ikone Symbole Hybride Abbilder darstellende Bilder nicht darstellende Bilder Diagramme Charts Bild I.3: Typen externer Bilder. Die Visualisierung bringt eine hierarchische Ordnung in die Vielfalt unterschiedlicher Bilder. Grafik: Claudia Wild. 20 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 20 I Wie Bilder wirken Abbilder. Darunter verstehen wir Bilder, welche einen Ausschnitt der Wirklichkeit (Gegenstände, Personen, Handlungen, Szenen) abbilden. Wahrnehmungspsychologisch ist ein Abbild eine behandelte Oberfläche, die eine Anordnung von Lichtstrahlen ähnlich wie das natürliche Original reflektiert. Für die Wahrnehmung ist es zunächst unwichtig, ob die Oberfläche durch Belichtung fotosensitiver Schichten, durch Farbauftrag mit einem Pinsel oder durch ein Computerprogramm auf den Monitor zustande kommt. In diese Gruppe gehören farbige und schwarzweiße Realbilder, Texturbilder, Strichbilder und Schemabilder. Visualisierungen. Als Visualisierung bezeichnen wir diejenigen Bilder, die Strukturen und Prozesse sichtbar machen, die eigentlich für die Augen unzugänglich sind. Damit wird die Kernbedeutung »Veranschaulichung« beibehalten: Visualisieren bedeutet, etwas nicht Sichtbares sichtbar machen. Dieser enge Begriff von Visualisierung unterscheidet sich vom üblichen Sprachgebrauch - auch im Titel dieses Buches -, bei dem alle visuellen Textbeigaben als Visualisierung bezeichnet werden. Oft werden Visualisierungen auch als analytische Bilder bezeichnet, denn sie decken Zusammenhänge in der Wirklichkeit auf. (Manchmal werden sie auch- - nicht ganz logisch - logische Bilder genannt). Unter den terminologisch engen Begriff von Visualisierung fallen die Charts und Diagramme. Charts. Sie veranschaulichen und kommunizieren nicht sichtbare begriffliche oder kategoriale Zusammenhänge und sind damit echte Visualisierungen. Es gibt einige Grundtypen in zahllosen grafischen Varianten, die jedoch alle denselben Aufbau haben: Sie bestehen aus Einheiten und Verbindungen zwischen ihnen. Dazu zählen Tabellen, Zeitcharts, Organogramme, Flowcharts, Netzwerke wie Mind Maps und Concept Maps. Das Bild I.3 ist z. B. ein Chart, das begriffliche Zusammenhänge veranschaulicht. Derartige Visualisierungen sind besonders in den Sozialwissenschaften zur Veranschaulichung von theoretischen Modellen beliebt (»Boxologie«). In den Naturwissenschaften spricht man auch von Blockbildern, da sie sich aus geometrischen Figuren wie Rechtecke, Kreise, Rauten usw. zusammensetzen. Tabellen. Auch Tabellen sind Charts, die eine nicht sichtbare, systematische Ordnung visualisieren. Da sie in den Wissenschaften eine herausragende Rolle spielen, haben wir sie als eigene Bildform herausgenommen. In verbalen Tabellen stehen in den Zellen Wörter und Aussagen, also kategoriale Informationen. Daher gehören sie zu den Charts. Bei numerischen Tabellen stehen in den Zellen Zahlen. Sie sind die Vorformen der Diagramme. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 21 3 Visuelle Konventionen 21 Diagramme. Weil sie nicht sichtbare quantitative Zusammenhänge in der Wirklichkeit veranschaulichen, handelt es sich um Visualisierungen im engeren Sinn. Die häufigsten Typen von Diagrammen sind Kreis-, Balken-, Kurven-, Säulen- und Streudiagramme. Es gibt aber eine unüberschaubare Anzahl anderer Visualisierungen quantitativer Daten und Zusammenhänge. Karten. Darunter werden durch verschiedene Projektionen entstandene zweidimensionale Darstellungen von Territorien zusammengefasst, von der Oberfläche der Erde bis zum Lageplan eines Friedhofs. Karten dienen der räumlichen Orientierung. In der Geografie werden abbildende, topografische und thematische Karten unterschieden. Die klassischen Karten als Darstellungsform geografischen Wissens klammern wir hier aus und behandeln nur die Plan Maps, die in vielen Fachtexten vorkommen. Piktogramme. Piktogramme und ihre elektronischen Geschwister, die Icons, sind einfache, schematisierte Bildchen, die auf einen Blick einen Begriff aktivieren und eine Handlung auslösen. Das sollen sie nicht nur sprachfrei, sondern auch kulturfrei tun, um interkulturelle Kommunikation zu ermöglichen. Wie bei jedem Versuch einer Einteilung gibt es auch hier manchmal unklare Grenzen und Überschneidungen. In der Praxis haben sich die Definitionen jedoch bewährt. Das gilt auch für die visuellen Konventionen im nächsten Abschnitt. 3 Visuelle Konventionen Konventionen sind Übereinkünfte, die zur Verbesserung der Kommunikation entstehen und tradiert werden. Zunächst zufällig und unverbindlich, werden sie oft mit der Zeit standardisiert und teilweise sogar in Normen festgeschrieben. Während Charts und Diagramme an sich schon konventionalisierte Bilder sind, haben Konventionen in Abbildern meist die Funktion, die Schwächen der bildlichen Kommunikation auszugleichen. Dabei geht es um die Darstellung von Inhalten, die visuell eigentlich gar nicht oder nicht eindeutig darstellbar sind. Beispiele kennen wir aus dem Comic, wo Bewegung durch Linien, Sprechen und Denken in spezifische »Blasen« oder Schmerz mit einem Stern dargestellt werden. Konventionen sollen die Verarbeitung des Bildes lenken und das Verstehen absichern (Weidenmann, 1993). 22 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 22 I Wie Bilder wirken Einige Konventionen bestehen aus Einzelzeichen, wie z. B. Pfeilen oder Bezugslinien. Hierher gehören auch Symbolfarben, denen eine klare Bedeutung zugeordnet ist, z. B. in der Medizin Rot für arterielles und Blau für venöses Blut. Weidenmann spricht hier von expliziter Steuerung durch visuelle Zusätze. Andere Konventionen betreffen den gesamten Aufbau, die Komposition eines Bildes, wie z. B. die das so genannte Explosionsbild. Weidenmann spricht hier von einer impliziten Steuerung durch die Bildgestaltung. Eine Einteilung der visuellen Konventionen haben wir im Bild I.4 versucht. Dabei orientieren wir uns an drei Beschränkungen oder »Schwächen« der Bildkommunikation, für die jeweils verschiedene Konventionen als Abhilfe erfunden wurden: • Das Problem der Abbildung des dreidimensionalen Raumes und dreidimensionaler Objekte auf zweidimensionalen Flächen. • Das Problem der »Oberflächlichkeit« der Bilder, die nur das Aussehen der Dinge zeigen, aber nicht den Aufbau aus Komponenten. • Das Problem, dass statische Abbilder keine Bewegungen und damit auch keine Handlungen zeigen können. Das Problem der Abbildung von Räumlichkeit nimmt dabei den größten Stellenwert ein. Hier geht es um Ansichten, Perspektiven und Einsichten. In Kapitel III wird jede visuelle Konvention ausführlich behandelt und es werden Richtlinien zur Gestaltung formuliert. Hier sind die Konventionen nur kurz charakterisiert. Ansichten. Das sind orthogonale Projektionen, z. B. Grund-, Auf- und Seitenrisse in der Architektur. Sie bilden Gegenstände und Räume maßstabgetreu ab. Mindestens drei Ansichten müssen aber im Kopf der Betrachtenden erst zu einem räumlichen Eindruck integriert werden. Perspektiven. Auch die Perspektive ist eine Konvention, denn es gibt nicht nur eine, sondern mehrere perspektivische Darstellungen mit unterschiedlichem kommunikativen Potenzial: Man unterscheidet verschiedene Linearperspektiven und Parallelperspektiven. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 23 3 Visuelle Konventionen 23 Einsichten. Sie bieten eine Lösung des Problems, dass der Blick immer nur die Oberfläche von Objekten abbildet, und so wesentliche Informationen hinter der Oberfläche verborgen bleiben: Schnittbild, Aufschnittbild, Transparentbild. Aufbau. Hiermit werden visuelle Konventionen zusammengefasst, die komplexe Objekte in Komponenten und Teil-Ganzes-Beziehungen zerlegen: Der Klassiker ist das Explosionsbild, dazu gehören aber auch Detailbilder (Lupendarstellung), Überzeichnungen und Einfärbungen, die zusammengehörige Teile markieren. Aber auch Hinweispfeile zeigen auf Teile und Details eines Ganzen. Bewegungen. Ein weiteres Problem statischer Bilder ist die Darstellung von Bewegungen. Damit sind zunächst mechanische Bewegungen und Veränderungen in der Zeit gemeint. In diese Kategorie gehören Bewegungspfeile und -linien, Bewegungsunschärfe, Phasenbilder und Bildsequenzen. Visuelle Konventionen Bezugszeichen Referenzlienien Hinweispfeile Explosionsbild Detailbild Überzeichnung Einfärbung Bewegungspfeile Bwegungslinien Phasenbild Bildunschärfe Bildsequenz Ansichten Einsichten Perspektiven Grundrisse Aufrisse Seitenrisse Linearperspektiven Parallelperspektiven Schnittbild Aufschnittbild Transparentbild Raum/ Tiefe Bewegung/ Handlung Aufbau/ Komponenten Bild I.4: Visuelle Konventionen. Die Visualisierung bringt eine hierarchische Ordnung in die Vielfalt unterschiedlicher Konventionen. Grafik: Claudia Wild. 24 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 24 I Wie Bilder wirken Handlungen. Hier geht es nicht um mechanische, sondern um humane Bewegungen beim Vollzug von komplexen Handlungen. Von Handlungsverläufen können immer nur Momentaufnahmen abgebildet werden, die im Kopf ergänzt werden müssen. Dabei gelten dieselben Konventionen wie bei den Bewegungen. Vergleiche. Hier geht es um die Gegenüberstellung von zwei Bildern zur Vermittlung von Unterschieden und Veränderungen, das können Abbilder, Charts, Diagramme oder Karten sein. Vergleiche gibt es für räumliche Konstellationen, Komponenten des Aufbaus und den Ablauf von Bewegungen bzw. Handlungen. Alle visuellen Konventionen sind in der kulturellen Evolution entstanden, erstaunlich viele davon in der Renaissance. Sie werden entweder bereits in der Schule gelernt, wie z. B. das kartesische Achsenkreuz und die Darstellung von Daten in Diagrammen, oder in der Ausbildung in bestimmten Wissensdomänen, wie z. B. die Visualisierung von Höhen durch Höhenlinien (Isohypsen) in der Geografie. Konventionen machen einen wichtigen Teil der visuellen Literalität (=-Visual Literacy) aus. So nennt man die erworbene Fähigkeit, Bilder auszuwerten und zu verstehen (Messaris, 1994). Da Konventionen gelernt werden müssen, stellen sie grundsätzlich eine Hürde für die interkulturelle Kommunikation dar. Eine Konvention kann in einer Kultur unverständlich oder missverständlich sein (Ballstaedt, 2010). Visuelle Konventionen entstehen auch heute noch, z. B. die Emoticons in der elektronischen Kommunikation oder die Falschfarbendarstellung bei Computertomografien. Nachdem wir mit den Bildtypen und den visuellen Konventionen das Repertoire der visuellen Kommunikation kennen, werfen wir einen Blick auf die kognitive Verarbeitung von Bildern: Was läuft in unserem Gehirn ab, wenn wir ein Bild betrachten? Was bewirken Bilder im Denken? Die Ergebnisse unzähliger Untersuchungen zur kognitiven Bildverarbeitung fassen wir kurz auf vier Ebenen zusammen (Weidenmann, 1988a, Ballstaedt, 1995, 2006b): ganzheitlicher erster Eindruck, Detailauswertung durch Blickbewegungen, begriffliches Verstehen und emotionale Bildwirkungen. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 25 4 Ganzheitlicher Ersteindruck 25 4 Ganzheitlicher Ersteindruck Stellen Sie sich vor, Sie blättern in einem Buch eine Seite um und blicken zuerst auf ein Bild. Ein Blick-- etwa 100 Millisekunden! -- genügt für einen ersten Eindruck von der visuellen Organisation und dem globalen Inhalt. Bewirkt wird dies durch angeborene Verarbeitungsprozeduren wie das Figur-Grund-Prinzip, die Gestaltprinzipien und die Mustererkennung. Ihre biologische Funktion ist eine schnelle Orientierung, deshalb ist die Verarbeitung auf dieser Ebene unbewusst und willentlich nicht beeinflussbar. Sie wird auch als präattentiv bezeichnet, weil sie vor der Zuwendung von Aufmerksamkeit stattfindet. »Sehen ist nicht nur ein Vorgang passiver Wahrnehmung, sondern ein intelligenter Prozess aktiver Konstruktion« (Hoffman, 2003, S. 10). Figur-Grund-Prinzip Das Wahrnehmungsfeld weist auf den ersten Blick eine spontane Figur-Grund- Aufteilung auf: Wir sehen einen Hintergrund und davor stehende Objekte oder Personen. Diese elementare Trennung kann man gut an einfachen artifiziellen Vorlagen beobachten, z. B. dem Rubinschen Becher (Bild I.5). Gestaltprinzipien Wie beim Figur-Grund-Prinzip handelt es sich dabei um angeborene »Programme« zur spontanen Verarbeitung visueller Daten. Es gibt etwa 30 Prinzipen, von denen sechs besonders wichtig sind: Räumliche Nähe. Benachbarte Elemente werden zu einer Gruppe zusammengefasst: Man sieht spontan vier Gruppen mit zwei Kreisen. Bild I.5: Der Rubinsche Becher. Entweder wir machen die schwarze Fläche zum Hintergrund, dann sehen wir die Figur eines Pokals. Oder wir machen die weiße Fläche zum Hintergrund, dann sehen wir als Figuren zwei einander zugewandte Gesichter. Beide Sehweisen gleichzeitig sind nicht möglich, die Wahrnehmung springt zwischen den beiden Interpretationen. Deswegen werden derartige Vorlagen auch Kippbilder genannt. Quelle: Bryan Derksen, Wiki Commons. 26 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 26 I Wie Bilder wirken Ähnlichkeit. Gleiche Elemente werden zu einer Gruppe zusammengefasst: Man sieht spontan zwei Gruppen mit schwarzen und zwei Gruppen mit weißen Kreisen. Abgeschlossener Umriss. Offene Gestalten werden in der Wahrnehmung geschlossen: Man sieht vier Rechtecke, auch wenn sie nicht geschlossen sind. Gute Fortsetzung. Es wird der einfachste Verlauf von Linien angenommen: zwei Linien, die sich überkreuzen (es könnte sich auch um zwei Linien handeln, die sich in der Spitze treffen). Gemeinsamer Bereich. Grafisch eingerahmte oder unterlegte Elemente werden als zusammengehörig wahrgenommen. Zusammenhang. Grafisch miteinander verbundene Elemente werden als zusammengehörig empfunden. Man sieht vier »Hanteln« vor einem Hintergrund. Es gibt noch weitere angeborene Regeln der visuellen Verarbeitung. Sie haben in den letzten Jahren in der Wahrnehmungspsychologie zunehmend Beachtung gefunden und jeder Mediengestalter sollte sie sich über den Computer hängen (Hofmann, 2003). abgeschlossener Umriß Zusammenhang räumliche Nähe Ähnlichkeit gemeinsamer Bereich gute Fortsetzung Bild I.6: Gestaltgesetze. Die sechs wichtigsten Wahrnehmungsgesetze werden an einfachen Beispielen demonstriert. Quelle: modifiziert nach Rock & Palmer, 1991, S. 72. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 27 4 Ganzheitlicher Ersteindruck 27 Mustererkennung Objekte, Gesichter oder Szenen in einem Bild werden aufgrund eines Vergleichs mit im Gehirn bereits gespeicherten prototypischen Mustern erkannt, die aus der Erfahrung verallgemeinert wurden. In einem Muster sind typische visuelle Merkmale eines Objekts gespeichert. Praktisch bedeutsam ist das z. B. bei der Gestaltung von Piktogrammen, denn prototypische Abbilder werden sehr schnell erkannt. Figur-Grund-Prinzip, Gestaltprinzipien und Mustererkennung wirken in einer Weise zusammen, dass spontan eine eindeutig gegliederte visuelle Organisation entsteht. Auf dieser Ebene der Verarbeitung werden ornamentale und abstrakte Bilder wahrgenommen, sie bewirken prima vista ein sinnliches, ästhetisches Erleben, aber noch keine begriffliche Erkenntnis. Der globale Eindruck legt fest, ob wir ein Bild als komplex oder einfach, als strukturiert oder verwirrend empfinden. Wahrnehmung und Bildauswertung lassen sich erlernen und trainieren, indem immer feinere Unterscheidungen getroffen und Muster erkannt werden. Derartige visuelle Kompetenzen zur Mustererkennung erwerben Kunstwissenschaftler, Röntgenologen, Luftbildarchäologen oder Astronomen, um nur ein paar Spezialisten zu nennen. Bild I.7: Mustererkennung. Ein Laie kann in dem Röntgenbild einer Lunge nichts Besonderes erkennen, ein Mediziner aber ein Emphysem (Pfeil) diagnostizieren. Er vergleicht die aktuelle Wahrnehmung mit seinem erworbenen visuellen Wissen. Quelle: www.uniklinik-freiburg.de. 28 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 28 I Wie Bilder wirken Beeinflussen des Ersteindrucks Der erste Eindruck bekommt keine zweite Chance. Tatsächlich sollte man den Ersteindruck nicht unterschätzen, denn er färbt die weitere kognitive Verarbeitung. Deshalb muss jeder Gestalter didaktischer Bilder darauf achten, dass sofort eine übersichtliche visuelle Organisation gegeben ist. Es darf keine visuelle Irritation durch Missachtung der Wahrnehmungsprinzipien, sondern Ordnung und Übersichtlichkeit herrschen. Vorsicht bei Visualisierungen. Besonders Charts und Diagramme sind anfällig für einen schlechten ersten Eindruck, weil sie aus einfachen geometrischen Formen zusammengesetzt sind. Hier wirkt sich die Missachtung der Gestaltgesetze besonders nachteilig aus. Hinweise groß klein einhändig zweihändig 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Gesten bei Frauen und Männern Frauen Männer Bild I.8: Gruppiertes Säulendiagramm. Es zeigt die durchschnittliche Anzahl der Gesten von Männern und Frauen beim Erzählen eines Witzes während einer Periode von fünf Minuten. Hier wirken mehrere Gestaltgesetze zusammen: Die Säulen stehen als Figuren vor dem Hintergrund, das Gesetz der Nähe schafft vier Gruppen von Säulen, das Gesetz der Ähnlichkeit bezieht die Säulen mit gleicher Einfärbung aufeinander. So kann man sofort erkennen, dass Frauen durchschnittlich mehr gestikulieren. Quelle: modifiziert nach Nicol & Pexman, 2010, S. 15. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 29 5 Detailauswertung mit Blickbewegungen 29 5 Detailauswertung mit Blickbewegungen Nach dem globalen Eindruck folgt die detaillierte Auswertung des Bildes mit einer Abfolge von Fixationen und Sprüngen (Sakkaden). Da das Auge nur im Bereich der Fovea centralis eine scharfe Wahrnehmung liefert, sind Blickbewegungen notwendig, um beim Betrachten eine ausgedehnte Sehfläche auszuwerten. Die Augenbewegungen können mit komplizierten Apparaturen registriert werden und sind valide Indikatoren der Verteilung der Aufmerksamkeit (Bente, 2004). Der Blick wird entweder automatisch durch visuelle Merkmale der Vorlage angezogen oder über Interessen des Betrachtenden gesteuert. Es gibt im Gehirn je eine Steuerungszentrale für unwillkürliche und willkürliche Blickbewegungen. Unwillkürliche Blickbewegungen Wohin fällt der Blick zuerst? Was sind sichere Eye-Catcher? Die empirische Werbepsychologie hat hier einige Erkenntnisse geliefert. Das allgemeine Prinzip: Wir schauen reflektorisch dorthin, wo etwas von unseren Erwartungen abweicht: Das kann eine ungewöhnliche ornamentale Schrift sein oder eine lila Kuh. Bestimmten biologisch geprägten Schlüsselreizen können wir nicht entkommen, dazu zählen Gesichter-- vor allem auch das Kindchenschema--, in denen wiederum die Augen- und die Mundpartie am interessantesten sind. Besonders erotische und aggressive Bildmotive stechen uns ins Auge. In wissenschaftlichen Bildern sind derartige Reize eher selten, aber amerikanische Anatomielehrbücher zeigen beispielsweise den Aufbau des menschlichen Körpers an realen Nacktmodels. Fehlen derartige Eye-Catcher, so fällt der Blick zuerst auf Areale mit großer Informationsdichte oder Komponenten, die optisch hervorgehoben werden. Willkürliche Blickbewegungen Bei der willentlichen Exploration werden die Blickbewegungen durch Interessen und Vorwissen gesteuert. Ein Bildbetrachter sucht sich einen eigenen Weg durch das Bild und schaut auf diejenigen Areale, die für ihn informativ sind. Die Blickaufzeichnungen zeigen Häufungen von Fixationen in bestimmten Arealen, andere werden ignoriert. Anders wie beim Lesen ist die Freiheit der Bildbetrachtung groß, deshalb zeigen Blickbewegungsmuster große interindividuelle Unterschiede: Jeder sieht ein Bild anders wie das Bild I.9 beweist. 30 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 30 I Wie Bilder wirken Bild I.9: Blickbewegungsmuster. Ein Gemälde und sieben Betrachtende in einer der ersten Aufzeichnungen von Blickbewegungen. Das Bild zeigt die Aufmerksamkeitsverteilung von sieben Betrachtern eines Bildes, die verschiedene Aufgaben gestellt bekamen. In allen Mustern sieht man die Köpfe der Personen repräsentiert - sie ziehen den Blick reflektorisch auf sich. Aber die restlichen Fixationen sind je nach Aufgabenstellung verschieden: Soll das Alter der Personen geschätzt werden, gilt die Aufmerksamkeit den Gesichtern (3), soll entschieden werden, ob die Personen arm oder reich sind, wird die Ausstattung der Wohnung angeschaut (6). Quelle: Yarbus 1967, S. 174. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 31 6 Begriffliche Verarbeitung 31 Da die Prinzipien zur Bildauswertung durch Blickbewegungen recht einfach sind, gibt es ein Computer-Programm, mit dem sich bei einem eingescannten Bild die Blickbewegungen erstaunlich valide vorhersagen lassen (VISATT =-Visual Attention). Diese Simulation der Blickbewegungen ist deutlich billiger als eine Eyetracking-Untersuchung (Höger, 2004). Als Resultat der Blickbewegungen wird eine visuelle Teilkopie in unserem Gedächtnis gespeichert, die wir als Vorstellung abrufen können. Das visuelle Gedächtnis ist also von der Intensität der Auswertung abhängig. 6 Begriffliche Verarbeitung Parallel zu den Blickbewegungen über das Bild verläuft die begriffliche Verarbeitung, denn nur während der Fixationen werden Informationen aufgenommen. Die Interpretation beginnt mit dem ersten Blick auf ein Bild, er aktiviert bereits ein Label für ein Bild, z. B. »Strukturdiagramm«, »Portrait«, »Stillleben« usw. Diese Anfangskategorisierung wird mit jeder weiteren Fixation angereichert. Das Verste- Beeinflussen der Blickbewegungen Richtig sehen lernen. Was didaktische Bilder betrifft, so hat Bernd Weidenmann (1988) auf den flüchtigen Blick hingewiesen: Zwar sind Bilder in Lehrmaterial beliebt, aber sie werden oft nur oberflächlich, sozusagen gedankenlos angeschaut, und können so ihr Potenzial nicht entfalten. Das hängt damit zusammen, dass für das Mustererkennen schon ein Blick ausreicht: Wir sehen eine Landschaft, ein Portrait, eine Szene und lassen es ohne Detailauswertung dabei bewenden. Bereits Comenius leitet deshalb zum »richtigen Sehen«, zum aufmerksamen und sorgfältigen Betrachten von Gegenständen und Bildern an. Die Vielzahl an Bildern dürfte heute die Tendenz zum flüchtigen Sehen eher befördern. Gegensteuern kann man mit ausdrücklichen Sehanleitungen und Übungen zur Bildauswertung. Bildgestaltung. Die Blickbewegungen lassen sich durch zahlreiche Mittel der Gestaltung beeinflussen. Dazu gehört der bewusste Einsatz von Schlüsselreizen und grafischen Hervorhebungen wie Einfärbung, Überzeichnung, Ausschnittvergrößerung. Mit visuellen Konventionen wie Pfeilen, Bezugslinien und anderen grafischen »Leitplanken« werden Blickrichtungen vorgegeben. Die eingeübte Leserichtung - von links nach rechts, von oben nach unten - kann in der Anordnung visueller Elemente berücksichtigt werden. Alle Steuerungsmittel zusammen können aber eine individuelle Betrachtungsweise aufgrund von Vorwissen und Interessen nicht verhindern. Hinweise 32 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 32 I Wie Bilder wirken hen ist ein inkrementeller (=- anwachsender) Prozess. Aus dem Blickbewegungsmuster lässt sich vorhersagen, welche Inhalte behalten werden. Jede fixierte Bildkomponente aktiviert einen Begriff, aber welchen, das ist nicht so eindeutig festgelegt wie z. B. beim Lesen eines Wortes. Zudem sind in einem Text Beziehungen zwischen Begriffen durch Verben, Konjunktionen, Präpositionen eindeutig ausgedrückt, während in einem Bild zahlreiche Beziehungen nur erschließbar sind. Fazit: Bilder sind mehrdeutiger und ihr Verstehen ist weniger festgelegt. Je mehr Fixationen und je längere Fixationen, desto intensiver wird ein Bild ausgewertet. Ergebnis der begrifflichen Verarbeitung ist ein Verstehen des Bildes. Das Bild wird als begriffliche Struktur gespeichert, die in einer Beschreibung verbalisiert werden kann. Da über die Blickbewegungen bereits eine visuelle Speicherung vorliegt, können wir bei Bildern von einer dualen Kodierung sprechen (Paivio, 1990). Die begriffliche Verarbeitung kann man in inhaltliches, symbolisches und indikatorisches Verstehen einteilen. Wieder handelt es sich nicht um eine Abfolge von Stufen, sondern um Ebenen, auf denen während der Betrachtung eines Bildes gleichzeitig verarbeitet wird. Inhaltliches Verstehen Grundlage für das Verstehen eines Bildes ist unsere Alltagserfahrung. Dabei geht es zuerst um die Frage: Welche Personen, Objekte, Szenen sind abgebildet? Oder semiotisch ausgedrückt: Auf welche Gegenstände in der Wirklichkeit beziehen sich die visuellen Zeichen? Was wird über die Objekte und Personen ausgesagt? Eine zweite Frage betrifft die Beziehungen zwischen den Objekten und Personen. Im Bild sind Objekte nebeneinander angeordnet, die Beziehungen zueinander sind meist nur erschließbar. Statische Bilder neigen zur Vieldeutigkeit, weil sie oft nur eine Momentaufnahme aus einem Kontinuum von Abläufen darstellen (Kennedy, 1974). Ergebnis dieses Verstehensprozesses ist die Beschreibung eines Bildes. Wie weit Bilder versprachlicht werden können und ob es Grenzen der Verbalisierung gibt, ist eine spannende Frage. Ein Verstehensproblem kann auftreten, wenn Objekte fremd sind und keine Benennungen aktivieren, z. B. bei Bildern aus anderen Kulturen. Hier helfen dann sogenannte Umschreibungen, die das Unbekannte auf Bekanntes zurückführen. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 33 6 Begriffliche Verarbeitung 33 Symbolisches Verstehen Das symbolische Verstehen geht insofern über die Beschreibung hinaus, als einigen Bildkomponenten symbolische Bedeutungen zugewiesen werden. Diese Stufe erfordert Vorwissen über die visuelle Kulturgeschichte und ihre Symbole. Zum Ersten müssen die visuellen Konventionen bekannt sein. Bei Diagrammen wird das deutlich: Ein schlichtes Säulendiagramm wird nur jemand verstehen, der das kartesische Achsenkreuz kennt und weiß, dass eine Säule einen numerischen Wert symbolisiert, den man an einer Achse ablesen kann. Diagramme enthalten zahllose symbolische Zeichen. Aber auch Abbilder können symbolische Zeichen enthalten. In der Kunstgeschichte gibt verschiedene Deutungsrahmen, z. B. christliche, mythologische oder psychoanalytische Deutungen. Eine abgebildete Nelke kann ein Symbol der Kreuzigung, ein Symbol für den Geruchssinn oder ein Symbol für die Arbeiterbewegung sein. Hier ist es wichtig zu wissen, in welchem Kontext ein Bild entstanden ist. Bei Bildern in wissenschaftlichen Texten entfällt eine symbolische Bedeutung oft beziehungsweise wächst ihnen diese erst mit historischem Abstand zu. Da es zahlreiche andere Deutungssysteme gibt, ist auf dieser Ebene die Gefahr einer Fehldeutung groß, wenn nicht der Entstehungskontext und die kommunikative Funktion berücksichtigt werden. Das ist die nächste Ebene der begrifflichen Verarbeitung. Indikatorisches Verstehen Auf dieser Ebene der Verarbeitung versteht der Interpret Merkmale der Gestaltung als Hinweise oder Indikatoren für die kommunikative Funktion eines Bildes (Weidenmann 1988). Das Interpretationsschema lautet: Der Bildproduzent hat x in der Weise y dargestellt, um z zu erreichen. Hier geht es um das Bild als Kommunikat. Was wollte der Produzent mit dem Bild ausdrücken, mitteilen, bewirken? In Fachtexten ist vor allem wichtig, in welcher Funktion ein Bild eingesetzt wird: Soll es veranschaulichen, erklären, begründen, anleiten, warnen, abschrecken? Ein Bild wird hier vor allem als visuelles Argument für oder gegen eine Behauptung eingesetzt. Bilder in einem Werbeprospekt werden wir kommunikativ ganz anders deuten als in einer wissenschaftlichen Abhandlung. Auf dieser Stufe sind Verstehensprobleme nicht selten, denn die Absicht, mit der das Bild gezeigt wird, ist ohne sprachlichen Kontext oft nicht eindeutig zu erkennen. Kein Bild erklärt sich selbst, so lautet ein Diktum des Kunsthistorikers Ernst Gombrich. Ein Bild ist also erst verstanden, wenn man nicht nur erkannt hat, was dargestellt ist, sondern auch, warum es einem gezeigt wird. 34 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 34 I Wie Bilder wirken Zusammenfassendes Beispiel Die Verarbeitung eines Bildes ist ein komplexer Vorgang auf verschiedenen Ebenen. Ein Beispiel aus der Kunstgeschichte soll das noch einmal verdeutlichen. Das Bild I.10 zeigt ein barockes Stillleben als Arrangements von Objekten. Bild I.10: Stillleben von Georg Flegel: Frühstück mit Hering, Bartmannskrug und Hirschkäfer. 1635. Quelle: Wiki Commons. Beeinflussen des Verstehens Wirkung des Vorwissens. Das begriffliche Verstehen ist zu einem großen Anteil davon abhängig, welches Vorwissen über die Inhalte und die Konventionen in der jeweiligen Disziplin Betrachtende mitbringen. Es ist ein altes didaktisches Prinzip, dieses Vorwissen auch zu aktivieren, und das ist nur über sprachliche Mittel möglich. Sprachliche Steuerung. Bilder sind oft mehrdeutig und die begriffliche Verarbeitung eines Bildes ist sehr individuell. Da wissenschaftliche Bilder nie ohne sprachlichen Kontext vorkommen, kann in einer Text-Bild-Kombination das Verstehen eines Bildes gesteuert werden. Dies leisten mündliche Kommentare oder der Begleittext bzw. die Legende. Diese machen durch die verwendeten Wörter und die syntaktischen Beziehungen Vorgaben für das inhaltliche, symbolische und indikatorische Verstehen (dazu Kap. IV.4 und IV. 5). Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 35 6 Begriffliche Verarbeitung 35 Oberflächlich geht es um die perfekte Abbildung, um die Schönheit auch einfacher und alltäglicher Dinge zu zeigen. Aber gleichzeitig sind es auch »Sinnbilder«, in denen Gedanken und Botschaften visuell kodiert sind. Stillleben eignen sich deshalb sehr gut, um die Ebenen der Bildverarbeitung zu demonstrieren. Visuelle Organisation. Auf einem Tisch und vor einem schwarzen Hintergrund heben sich verschiedene Nahrungsmittel als Figuren ab. Durch Verdeckungen wird eine klare räumliche Anordnung erreicht. Blickbewegungen. Bei diesem Bild ist es schwierig, einen Einstieg und einen Blickpfad vorherzusagen. Als Eye-Catcher wirkt wahrscheinlich der Hirschkäfer, der sich kontrastreich abhebt und in einem solchen Arrangement nicht erwartet wird. Die Zuwendung von Aufmerksamkeit zu Bildkomponenten schlägt sich in einer visuellen Speicherung nieder, die wir als Vorstellung aktivieren können. Inhaltliches Verstehen. Die Gegenstände rufen bestimmte Konzepte auf: ein Fisch auf einem Zinnteller mit Holzbrett, daneben ein Messer. Darum herum sind von links nach rechts gruppiert: Ein Hirschkäfer, ein (venezianisches) gefülltes Glas, ein Teller mit Lauch, ein Käse, auf dem ein Brot liegt, sowie ein Bierkrug. Symbolisches Verstehen. Alle diese Gegenstände haben eine symbolische Bedeutung, die den früheren Betrachtern auch bekannt war. Brot und Wein stehen für das Abendmahl, der Fisch ist ein Symbol für Christus bzw. das Christentum. Auch der Käse ist ein Symbol für Christus, weil er in der Bibel einmal als »Milch des Himmels« bezeichnet wird. Der Lauch kommt ebenfalls in der Bibel vor, er ist ein Symbol des Verzichts, was wiederum zum Fisch passt, der damals als Fastenspeise galt. Der Hirschkäfer ist wie alle Insekten ein Symbol für das kurze Leben und den Tod. Einzig der Bierkrug mit dem bärtigen Gesicht und dem Eichenzweig passt sich in diese Gesamtdeutung nicht ein. Indikatorisches Verstehen. Fasst man die Bedeutungen der Komponenten zusammen, so vermittelt das Bild eine christliche Botschaft. Es erinnert daran, dass wir nur kurz leben und dabei bescheiden bleiben und Verzicht üben sollen. 36 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 36 I Wie Bilder wirken 7 Anmutungen und Gefühle Bisher haben wir die Bildverarbeitung vor allem kognitiv untersucht, aber das ist eine einseitige Betrachtung. Jedes Bild hat auch eine ästhetische Anmutung und kann Gefühle auslösen. Das Stillleben wirkt durch die braunen Farbtöne angenehm warm und löst vielleicht Appetit bei den Betrachtenden aus. Auch wenn Bilder in der Wissenschaft der sachlichen Vermittlung von Informationen dienen, kann man diese Wirkungen von Bildern nicht ausblenden. Ästhetisches Empfinden Schon auf der Ebene der visuellen Organisation, bevor eine inhaltliche Verarbeitung beginnt, löst die Wahrnehmung eines Bildes unmittelbar Empfindungen und ästhetische Urteile aus: Es gefällt oder missfallt, es ist schön, harmonisch, ausgewogen oder hässlich, unausgeglichen, unübersichtlich. Die experimentelle Ästhetik versucht zu erforschen, was im Bild und im Gehirn diese Empfindungen auslöst. Ein wichtiger Bereich der ästhetischen Wahrnehmung betrifft die Farbe, denn der erste Eindruck eines Bildes wird stark von der Farbgestaltung beeinflusst. Leider bietet die Farbpsychologie ein verwirrendes Bild, denn die Ergebnisse aus Untersuchungen zur Farbwahrnehmung sind widersprüchlich und zeigen, dass das Farbempfinden von zahlreichen Bedingungen wie Alter, Schichtzugehörigkeit, Persönlichkeit, Stimmung usw. abhängig ist. Dass man den ästhetischen Aspekt nicht vernachlässigen kann, zeigen viele Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte, die Kunst und Wissenschaft vereinen. Man denke an die botanischen Drucke von Kräutern und Pflanzen seit dem 15. Jahrhundert. Oder an die berühmten anatomischen Zeichnungen des Amerikaners Frank Netter (1906-1991), der gern als »Michelangelo der Medizin« gefeiert wird und dem sogar Ausstellungen gewidmet sind. Auslösen von Gefühlen Bilder können Stimmungen, Gefühle und Affekte auslösen, ihre emotionale Wirkung ist unmittelbarer als beim Wort. Sprache verfügt im Gehirn über eigene Areale der Verarbeitung, Bilder hingegen nicht. Sie werden in denselben Arealen verarbeitet wie Wahrnehmungen der Wirklichkeit. Was uns deshalb beim Wahrnehmen erschreckt, ärgert oder erfreut, das erschreckt, ärgert und erfreut uns auch auf einem Abbild. Es gibt Bilder, bei denen man nicht hinsehen und Bilder, an www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 37 7 Anmutungen und Gefühle 37 denen man sich nicht sattsehen kann. Das Abgebildete löst zwar eine Emotion aus, gleichzeitig bleibt aber eine semiotische Distanz: Wir wissen, dass Bilder Zeichen sind und von ihnen unmittelbar keine Gefahr ausgeht. So kann man eine Schlange oder Spinne auf einem Bild anschauen, vor der man in Wirklichkeit schon längst geflüchtet wäre. Bilder entlasten vom Zwang zum Handeln, wir können ein Geschehen auf uns wirken lassen, ohne eingreifen zu müssen. Ein angehender Mediziner kann sich mit Fotosequenzen ohne Stress auf zukünftige Operationen vorbereiten. Beeinflussen der Gefühle Ästhetisieren. Wer würde sich schon für die Messwerte von Weltraumsonden interessieren, wenn man daraus nicht virtuelle Bilder von fernen Galaxien von großem ästhetischen Reiz generieren könnte? Die computertomografischen Abbildungen des Gehirns in bunten Falschfarben haben es sogar bis in die Illustrierten geschafft. Der Verbreitung und Popularisierung von Wissenschaft ist eine ästhetische Präsentation von Befunden sehr zuträglich. Emotionalisieren. Anders als z. B. in der Werbung oder der politischen Kommunikation ist Emotionalisierung in wissenschaftlichen Texten selten und als ungewollte Botschaft sogar unerwünscht. Es gibt einige Ausnahmen, z. B. bei Warnhinweisen in der technischen Kommunikation. Hier haben sich drastische und personalisierte Bilder in der Verhaltenssteuerung als wirksam erwiesen (Bild I.11). Hinweise Bild I.11: Visuelle Personalisierung. Dem Kopierer bereitet es sichtlich Schmerzen, wenn er durch Druck am Auflagedeckel verschoben wird. Die Darstellung wirkt witzig und der Gesichtsausdruck löst Mitleid in der Mensch-Maschine-Interaktion aus. Quelle: Mijksenaar & Westendorp, 2000, S. 61. 38 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 38 I Wie Bilder wirken Zusammenfassung Bilder können im Wissenserwerb eine komplementäre Rolle zum Text spielen. In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sind sie nicht nur unverzichtbar für die Wissensvermittlung, sondern dienen auch der Erkenntnisgewinnung. Es gibt Repertoire an Bildtypen und Konventionen, die in Kombination die Vielfalt der visuellen Kommunikation ausmachen. Die mentale Verarbeitung von Bildern unterscheidet sich zwar ja nach Bildtyp, aber drei Ebenen des Verstehens lassen sich überall ausmachen: der ganzheitliche Ersteindruck, die Detailauswertung durch Blickbewegungen, das begriffliche Verstehen und die ästhetische und emotionale Verarbeitung. Hoffman, Donald (2003). Visuelle Intelligenz: Wie die Welt im Kopf entsteht. Stuttgart: Klett-Cotta. Ein Buch, das anschaulich belegt, dass Sehen kein passives Wahrnehmen ist, sondern eine unbewusste intelligente Konstruktion durch angeborene visuelle Regeln. Ernst, Bruno (1986). Der Zauberspiegel des M. C. Escher. Berlin: Taco Verlagsgesellschaft. Dieser Bildband zeigt grafische Arbeiten des niederländischen Künstlers Maurits Cornelis Escher, der mit den Wahrnehmungsprinzipien experimentiert und zeigt, wie artifizielle Vorgaben uns visuell täuschen können. Shepard, Roger N. (1991). Einsichten & Anblicke. Illusion und Wahrnehmungskonflikte in Zeichnungen. Heidelberg: Spektrum-der-Wissenschaft Verlagsgesellschaft. Der amerikanische Kognitionspsychologe zeigt an zahlreichen künstlichen visuellen Vorlagen, wie die geistige Verarbeitung beim Bildbetrachten abläuft und warum sich das Gehirn täuschen lässt. Einen guten Überblick zu Theorien und Untersuchungen zu den Augenbewegungen in der Medienforschung bietet folgendes Sammelreferat. Bente, Gary (2004). Erfassung und Analyse des Blickverhaltens. In Roland Mangold, Gary Bente & Peter Vorderer (Eds.), Lehrbuch der Medienpsychologie S. 297-324. Göttingen: Hogrefe. Lese- und Schautipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 39 Zusammenfassung Anmutungen und Gefühle 39 II Gestalten von Bildern In den Wissenschaften besitzt die Veranschaulichung durch visuelle Demonstration […] eine für die Entwicklung des wissenschaftlichen Weltverständnisses entscheidende Funktion. Martin Kemp 1 Dekorative Bilder 2 Verständliche Abbilder 3 Übersichtliche Charts 4 Leserliche Tabellen 5 Diagramme als Argumente 6 Orientierende Karten 7 Prägnante Piktogramme Zusammenfassung In diesem Kapitel werden praktische Hinweise für eine effektive Gestaltung der verschiedenen Bildtypen gegeben. Jeder Bildtyp hat ein bestimmtes kommunikatives Potenzial und ist für bestimmte Botschaften besonders geeignet. Für die Betrachtenden stellt jeder Bildtyp spezielle Anforderungen an die mentale Verarbeitung und an das Verstehen. Die visuelle Gestaltung muss sich an den Adressaten und deren mentalen Ressourcen ausrichten. 40 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 40 II Gestalten von Bildern 1 Dekorative Bilder Nichtdarstellende Bilder wie Ornamente, Muster oder abstrakte Grafiken spielen in wissenschaftlichen Texten nur eine marginale Rolle. Sie widersprechen geradezu der neutralen und nüchternen Darstellung wissenschaftlicher Theorien und Befunde. Martin Kemp (2000, S. 15) hat festgestellt, dass »seit Mitte des 19. Jahrhunderts jede Tendenz zur offenkundigen Ornamentierung zum dezidiert Stilvollen und Malerischen zunehmend verpönt wurde-…«. Kommunikative Funktion. Nichtdarstellende Bilder vermitteln als Dekoration ein ästhetisches Erlebnis und sind für den ersten Eindruck wichtig. Zum Beispiel kann auf dem Titelblatt ein abstraktes Bild als Hingucker zum Lesen einladen (Bild II.1). Mentale Anforderung. Dekorative Bilder sind in dem Sinne anspruchslos, dass sie keine interpretativen Anstrengungen erfordern. Sie können aber Anlass zur Projektion von Bedeutungen werden: Der oder die Betrachtende sieht etwas in ein abstraktes Bild hinein, wie z. B. bei den Klecksbildern des Rorschach-Tests. Bild II.1: Beispiel für ornamental-abstrahiertes Coverbild. Einbandgestaltung Atelier Reichert, Stuttgart. Quelle: UVK Verlagsgesellschaft (2007). www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 41 2 Verständliche Abbilder In Untersuchungen haben sich nichtrepräsentationale Bilder als nicht lernrelevant herausgestellt (Levin et al, 1987). Aber Formen und Farben können gerade bei trockenen Themen zu einem angenehmen Lese- und Schauerlebnis beitragen. So sind z. B. die Formen und Farben von Computergrafiken aus der fraktalen Geometrie mit ihrem ästhetischen Charme ausgesprochene Eye-Catcher. 2 Verständliche Abbilder Abbilder bilden Gegenstände, Personen oder Handlungen der Wirklichkeit ab. Wahrnehmungspsychologisch ist ein Abbild eine behandelte Oberfläche, die eine Anordnung von Lichtstrahlen ähnlich wie das natürliche Original reflektiert. Dabei ist unwichtig, ob die Oberfläche durch Belichtung fotosensitiver Schichten, durch Farbauftrag mit einem Pinsel oder durch ein Computerprogramm auf den Monitor zustande kommt. Ein Abbild kann mehr oder minder wirklichkeitstreu sein. So bietet ein Farbfoto ein recht getreues Abbild der Wirklichkeit, während ein Schemabild davon sehr stark abstrahiert. Die Abbilder lassen sich nach abnehmender Konkretheit oder zunehmender Abstraktheit anordnen: Farbbild, Schwarz- Weiß-Bild, Texturbild, Strichbild, Schemabild (Bild II.2). 41 Verwenden dekorativer Bilder Unkonventionell Bebildern. Visuelles Dekor ist ein Zeichen für einen unkonventionellen individuellen Stil in der Wissenschaft, die nur zu oft akademisch gestelzt daherkommt. Dekorative Motive können die Lesemotivation schon beim Durchblättern anregen. Ästhetisch entspannen. Dekorative Bilder wirken gerade in nüchternen und komplexen Sachtexten entspannend, da sie den Lesefluss unterbrechen (aber auch vom Inhalt ablenken! ). Als schmückendes Beiwerk können ornamentale Elemente in einem wissenschaftlichen Corporate Design angenehme ästhetische Erlebnisse vermitteln. Abdruckgenehmigung einholen. Die Verwendung rein dekorativer Bilder anderer, z. B. auf dem Cover, ist grundsätzlich genehmigungspflichtig. Sie fallen nicht unter das wissenschaftliche Zitatprivileg, da sie für die inhaltliche Diskussion nicht von Belang sind (dazu Kapitel V.5). Hinweise 42 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 42 II Gestalten von Bildern Kommunikative Funktion. Abbilder gehören zu den informierenden oder didaktischen Bildern, die vorrangig Wissen vermitteln (Weidenmann, 1994). Sie sind ein Realitätsersatz für Gegenstände, Lebewesen oder Szenen und vermitteln visuelles Wissen über • visuelle Merkmale wie Form, Farbe, Textur • räumliche Anordnungen • Veränderungen visueller Merkmale • Veränderungen räumlicher Anordnungen Derartiges visuelles Wissen ist- - wie wir schon gesehen haben- - sprachlich nur umständlich und oft nicht eindeutig kommunizierbar. Abbilder ersetzen damit auch den Experten, der zeigt und beschreibt (Scholz, 2000). Sie sind in Wissensdomänen unverzichtbar, bei denen es auf wirklichkeitsgetreue Vermittlung nicht anwesender oder seltener Gegenstände geht, z. B. Organe oder Symptome in der Medizin, Tiere und Pflanzen in der Biologie, ferne Länder in der Geografie oder alte Kulturen in der Geschichte. Abbilder erfüllen oft die Funktion der Dokumentation, sie dienen als Beleg oder Beweis. Mentale Anforderung. Das Verstehen von Abbildern wird oft unterschätzt. Abbilder gelten als selbstverständlich, ein Blick und wir sind im Bilde. In einigen Punkten unterscheidet sich die Wahrnehmung eines Abbilds deutlich von der Wahrnehmung der Wirklichkeit (Ballstaedt, 2011): • Ein Abbild ist begrenzt, es zeigt nur einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Die Bereiche jenseits des Ausschnitts oder der Kontext bleibt für die Betrachtenden verborgen. • Abbilder zeigen den Wirklichkeitsausschnitt in einer festgelegten Perspektive. Was die Betrachtenden sehen können und was nicht, legt der Bildproduzent fest. Exploratives Verhalten vor einem Bild wie Kopfbewegungen oder Ortswechsel bringt keine neue Information. • Abbilder sind merkmalsärmer als die Wirklichkeit, es fehlen z. B. Farben, Texturen, Tiefenhinweise. Das ist ein kommunikativer Vorteil, da die Aufmerksamkeit auf wichtige visuelle Merkmale gerichtet werden kann: Wenn z. B. die Farben fehlen, dann dominieren die Formen. • In Abbildern ist auch festgelegt, welche Bildkomponenten scharf und welche unscharf gezeigt werden. Bei Fotos geschieht das durch die Einstellung des www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 43 2 Verständliche Abbilder 43 Bereichs der Schärfentiefe. In der Wirklichkeit können wir jeden Bereich fixieren, beim Foto hat der Bildproduzent selektiv vorfokussiert. • Abbilder müssen inhaltlich und indikatorisch ausgewertet werden: Es geht nicht nur darum zu verstehen, was abgebildet ist (inhaltliches Verstehen), sondern Abbilder müssen auch als absichtsvolle Zeichen, als Kommunikate durchschaut werden (indikatorisches Verstehen). Bild II.2: Typen von Abbildern eines Objektes: a) Farbfoto, b) Schwarz-weiß-Foto, c) Texturbild, d) Strichbild, e) Schemabild. Es handelt sich um eine Abbildung aus einer technischen Wartungsanleitung. Quelle: Michael Studeny, 2005, mit freundlicher Genehmigung. a b c d e 44 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 44 II Gestalten von Bildern Werfen wir noch einen Blick auf einige Spezialfälle. Zu den Abbildern gehören auch die Screenshots oder Bildschirmfotos. Jedes Betriebssystem bietet die Möglichkeit an, den ganzen Monitor oder Teile davon als Pixel- oder Bitmap-Bilder zu konservieren und in Printdokumente einzufügen. Dabei handelt es sich strenggenommen um ein Abbild eines Bildes. (Diesen Fall findet man in der Bebilderung häufig, z. B. wenn in der Kunstgeschichte ein Gemälde abgebildet wird.) Bei Abbildern von Bildern ergibt sich das Problem der Reproduktionstreue, ein Thema, das wir in diesem Band ausklammern. In der modernen wissenschaftlichen Kommunikation gibt es viele Bilder, die wie Abbilder aussehen, aber aus gemessenen oder eingegebenen Datensätzen errechnet sind, z. B. die Hirnbilder der Computertomografie (siehe Bild III.12) oder die fotorealistischen CAD-Bilder aus dem Computer (siehe Bild III.10). Wir sprechen hier von virtuellen Bildern (Hien & Rümpler, 2008). Fünf Abbildtypen werden wir jetzt näher anschauen, das Bild II-2 zeigt sie in einem Überblick an einem einfachen Beispiel: Farbrealbild, Schwarz-Weiß-Realbild, Texturbild, Strichbild, Schemabild. Es handelt sich um eine Abfolge zu nehmender Abstraktheit: Vom Farbrealbild bis zum Schemabild nehmen die konkreten visuellen Merkmale des Bildes ab. Farb-Realbilder Dazu gehören Farbfotos, aber auch wirklichkeitstreue farbige Zeichnungen und Gemälde, die einen Ausschnitt der Wirklichkeit von einem festen Standort und aus einer Perspektive abbilden und dabei alle Farbabstufungen konservieren. Diese Abbilder sind am konkretesten und detailreichsten. Sie konservieren Wahrnehmungen, sind also für die Betrachtenden Second-hand-Erfahrungen. Sie kommen z. B. in Bestimmungsbüchern für Pilze, Blumen oder Vögel vor. Weil Farbe in Fachbüchern nach wie vor teuer ist, stellt sich die Frage: Wann ist Farbe in der wissenschaftlichen Kommunikation unentbehrlich? Didaktisch ist Farbe eigentlich nur in zwei Fällen nützlich: 1. Die Farben haben eine unterscheidende (diskriminierende) Funktion. So würde ein Pilzbuch mit Schwarz-weißen Fotos oder Strichbildern dem Sammler wenig nutzen, denn bei Pilzen sind Farben wichtige Bestimmungsmerkmale. 2. Den Farben sind symbolische Bedeutungen zugeordnet, d. h. es wird ein Farbkode eingeführt, z. B. in der Elektrotechnik die Leitungen: Braun/ schwarz =-Stromleiter, blau =-Nullleiter, grün-gelb =-Schutzleiter. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 45 2 Verständliche Abbilder 45 Die in Naturwissenschaften verbreitete Falschfarbendarstellung nutzt beide Vorteile der Farbe. Hier werden mit kommunikativer Absicht Farben verwendet, die von der natürlichen Wahrnehmung drastisch abweichen, um Unterschiede sichtbar zu machen. Entweder werden Nuancen im Farbton verstärkt, so bei den eindrucksvollen Aufnahmen der Astrofotografie von Planeten und Kometen. Bei Bildern ohne Farbinformation wird eine Farbkodierung eingeführt, um die Graustufen deutlicher sichtbar werden zu lassen. Ein Beispiel sind die Wärmebilder (Thermografie), die in warmen Farben (gelb, orange, rot) zeigen, wo ein Gebäude Wärme abstrahlt. Die wissenschaftliche Fotografie zum Zwecke der Dokumentation ist heute durchweg farbig, gerade die farbigen Bilder aus dem Mikro- oder Makrobereich faszinieren auch Laien. Die motivierende Funktion von Farben darf man nicht vernachlässigen, Farben befriedigen ästhetische Bedürfnisse. So wird Lehrmaterial mit farbiger Bebilderung immer als anregender und interessanter eingeschätzt als farblose Bücher. Damit wird sicher schöner gelernt, aber nicht unbedingt effizienter. Schwarz-Weiß-Realbilder Hier fehlen die Farben, deshalb sind diese Abbilder gegenüber den Farbrealbildern weiter abstrahiert. Sie sind aber ausreichend, wenn Farbe keine differenzierende oder symbolische Funktion hat. Ein Problem bildet aber oft die Bildqualität. Früher lieferten Fotografen gut ausgeleuchtete und kontrastreiche Schwarz-Weiß- Fotos, die allerdings auch ihren Preis hatten. Dafür gab es Probleme mit der Druckqualität. Heute kann man auch schlecht aufgenommene Fotos digital mit Kontrastverstärkung auffrischen, um wichtige Details sichtbar zu machen. Mit dem Aufkommen der Digitalfotografie und der Bildbearbeitung erleben Fotos in vielen Bereichen, z. B. der technischen Kommunikation eine Renaissance, während man früher Strichbilder bevorzugt hat. Die farbigen und schwarz-weißen Realbilder werden auch als Halbtonbilder zusammengefasst, da sie alle Farb- oder Graustufen enthalten. Texturbilder Abbilder mit Texturen sind fotoähnlich, aber detailärmer (Bild II.2). Sie betonen durch Beleuchtung, Hell-Dunkel-Gestaltung und Schraffuren die Oberflächen zur Steigerung des räumlichen Eindrucks, wobei oft nur einige Graustufen verwendet werden. Sie sind besonders für die Darstellung organischer Gebilde geeignet, z. B. ist 46 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 46 II Gestalten von Bildern in Lehrbüchern der Anatomie das Gehirn immer texturiert abgebildet: Die Windungen und Furchen sind dadurch sehr gut erkennbar. In der Spätrenaissance und im Barock entstand die Hell-Dunkel-Malerei (=-Chiaroscuro) als ein Gestaltungsmittel, um Körper und andere Formen plastischer abzubilden. Licht und Schatten sowie Glanzlichter dienten dazu, Gegenstände und Gestalten plastisch herauszustellen. Strichbilder Diese Abbilder reduzieren die Realität auf Ecken, Kanten und andere abrupte Diskontinuitäten (Gibson, 1982). Sie bieten den Augen eine Diät aus Linien, die allerdings stabile Strukturen (Invarianten) der Wahrnehmung konservieren. Strichzeichnungen haben sich beim Wissenserwerb als sehr effektiv erwiesen, da sie die didaktische Reduktion auf das Wesentliche ermöglichen. Für das Erkennen von Objekten sind Strichzeichnungen ausreichend, da sie die wesentlichen visuellen Informationen enthalten und die unwesentlichen weglassen. Lerntheoretiker haben deshalb lange die Strichzeichnung für die einfachste und prägnanteste Form der visuellen Kommunikation gehalten. Die Bevorzugung der Strichzeichnung hatte aber sicher auch praktische Gründe: Ihre gute Reproduzierbarkeit beim Fotokopieren, Faxen und Scannen war ein großer Vorteil. Das ursprüngliche Strichbild ist die Handzeichnung, die es auch heute noch in einigen Disziplinen gibt, z. B. in der Archäologie, um Fundstätten zur dokumentieren (s.-Kap. V.2). Der nächste Schritt war das mühsame Zeichnen der Strichbilder am Zeichenbrett. Heute können Strichbilder aus durchgezeichneten Fotos, Digitalfotos oder CAD-Daten generiert und mit Grafikprogrammen bearbeitet werden. Dabei liegen sie gewöhnlich als Vektorgrafiken vor, auch handgezeichnete oder eingescannte Strichbilder können mit einem Illustrationsprogramm vektorisiert, d. h. in eine mathematische Beschreibung überführt werden (siehe Vektorbilder im Kapitel V.1.). Dadurch wird das Erstellen spezieller Darstellungen wie Explosions- Bild II.3: Texturbild des Cortex. Die Hirnwindungen grenzen sich in ihrer Plastizität gut gegeneinander ab. Quelle: www.geo.de/ image/ 634.jpg. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 47 47 2 Verständliche Abbilder bilder, Phantombilder, Schnittzeichnungen möglich. In der technischen Kommunikation werden bei Strichbildern zwei Strichdicken verwendet: In der sog. Dick- Dünn-Technik werden Linien bzw. Kanten, hinter die man greifen kann, also die Außenkanten, dicker dargestellt (0,5 mm), was die visuelle Interpretation vereinfacht (z. B. in Isodraw, siehe Bild III.10). Auch Fotos können in eine Strichdarstellung umgesetzt werden, früher durch Nachzeichnen (Abpausen), heute erledigt das Durchzeichnen spezielle Software. Die digital generierte Strichzeichnung hat vor allem in der technischen Kommunikation einen Siegeszug angetreten. Schemabilder In einem schematischen Abbild kommt es weniger auf die wirkliche Gestalt oder Anordnung an, sondern vielmehr darauf, dass typische visuelle und räumliche Merkmale repräsentiert sind. Dazu ein paar Beispiele: Die in der elektronischen Kommunikation beliebten Smileys sind schematisierte Gesichtsausdrücke. Alle Strukturformeln in der Chemie sind Schemabilder, da sie die räumliche Anordnung von Molekülen abbilden. Zu den Schemabildern gehören auch Schaltpläne in der Elektronik, in denen die einzelnen Bauteile und deren elektrische Verknüpfung in konventionalisierter Form repräsentiert sind. In der Geografie gibt es stark schematisierte Karten. Ein berühmtes Schemabild ist die Doppelhelix, die den Aufbau der DNA aus den vier Nukleotiden A, G, T, C zeigt. Manche wissenschaftlichen Schemabilder sind so in unserem visuellen Gedächtnis verankert, dass von Canonical Icons (Gould, 1995) oder Visiotypen (Pörksen, 1997) gesprochen wird. Ein anders Beispiel ist die schematische Darstellung des HIV-Virus oder des Ozon- Loches. Mit zunehmender Schematisierung beginnt der Übergang zu den Visualisierungen. Schemabilder ermöglichen dem Experten eine schnelle Orientierung, sind aber für den Laien oft schwer verständlich, denn die Abstraktion von der natürlichen Wahrnehmung ist erheblich und mental schwer nachvollziehbar. Bild II.4. Schematisches Abbild einer Blüte. 1. Blütenboden, 2. Kelchblätter, 3. Kronblätter, 4. Staubblätter, 5. Fruchtblätter. Auffällig sind die Bezugsziffern gegen den Uhrzeigersinn. Quelle: Petr Dlouhy, Wikimedia Commons. 48 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 48 II Gestalten von Bildern Gestalten von Abbildern Eine gewohnte Perspektive einhalten. Das Abbild muss auf den ersten Blick überschaubar sein. Ein Bild, das unübersichtlich und konfus wirkt, macht keinen guten ersten Eindruck. Am schnellsten verstehen wir eine Szene oder einen abgebildeten Gegenstand in einer gewohnten Ansicht bzw. Perspektive, sozusagen auf Augenhöhe. Gegenstände aus ungewohnten Blickwinkeln können so befremdlich wirken, dass sie gern als visuelle Rätsel verwendet werden (dazu Kap. III 2.). Den Kontext erkennbar machen. Ein Abbild zeigt immer einen Ausschnitt, eine Teilansicht aus der Realität. Der Kontext muss dabei für die Betrachter rekonstruierbar (vorstellbar) sein. Nur so werden räumliche Zuordnungen und Größenverhältnisse richtig erfasst. Ohne Kontext ist eine Maßstabsanzeige in der Abbildung nötig, oft eine Münze oder ein Lineal oder eine Skala. Bei Fotos kann das wichtige Objekt oft scharf, der Hintergrund unscharf, aber noch erkennbar, abgebildet werden. Bei Strichbildern kann man den Hintergrund mit gestrichelten oder dünnen Linien (Haarlinien) andeuten. Mit Eye-Catchern reizen. Visuelle Reize, auf die wir unwillkürlich reflektorisch reagieren, können dazu genutzt werden, den ersten Blick auf bestimmte Informationen zu ziehen. So werden in der Werbung als Eye-Catcher Bilder mit Sex oder Gewalt sowie Gesichter eingesetzt. Damit eine Bildkomponente ins Auge springt, muss man sie grafisch hervorheben. Dazu dienen einige Konventionen wie Einfärbung, Hinweispfeile, Überzeichnung, Lupen, die wir im Kapitel III noch ausführlich kennenlernen. Blickpfade anlegen. Nach dem Einstieg kann der oder die Bildgestaltende versuchen, die Abfolge der Blickbewegungen und damit der Verarbeitung des Bildes über die Gestaltung zu beeinflussen. Betrachtende neigen dazu, entsprechend der Leserichtung in unserer Kultur auch ein Bild von links oben nach rechts unten zu durchmustern. Diese Vorliebe kann man berücksichtigen, indem wichtige Inhalte auf die Diagonale von links oben nach rechts unten gelegt werden. Mit Pfeilen kann eine »Lese«-Richtung vorgegeben werden, die aber nicht unbedingt eingehalten wird. Insgesamt ist die Steuerung der Blickbewegungen über die Gestaltung nur begrenzt möglich. Einsichtige Farbcodes. Wenn man Farben symbolisch einsetzt, sollte die Zuordnung von Bedeutung zu Farben auch Sinn machen. So werden verschiedene Wärmestufen in der Thermografie rot, orange, gelb eingefärbt, in der Tomografie zeigen diese Farben verschiedene Stufen mentaler Aktivität an. Didaktisch Reduzieren. Je mehr Details ein Bild anbietet, desto unkontrollierbarer wird die Auswertung durch verschieden interessierte Betrachtende. Daraus folgt: Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 49 49 2 Verständliche Abbilder Zum Abschluss noch eine Anmerkung zur Rezeption von Abbildern. Besonders Realbilder werden gern als vertrauenswürdige Abbildungen von Wirklichkeit genommen, auch wenn sie im Computer erzeugt oder durch digitale Bildbearbeitung verändert sind. Bilder genießen einen Vertrauensvorschuss, den sie spätestens mit der Digitalsierung nicht mehr verdienen. Mit Bildern kann ein Wissenschaftler genauso täuschen wie mit Sätzen lügen. Bei wissenschaftlichen Bildern müssen Entstehung und Manipulation eines Bildes in der Bildlegende vermerkt sein. Verbindliche ethische Standards dazu gibt es aber bisher nicht. Jede didaktische Reduktion von visueller Komplexität schränkt die Auswertung der Betrachtenden ein und lenkt nicht durch unnötige Komponenten ab. Strichzeichnungen oder schematisierte Abbilder sind deshalb oft effektiver als Realbilder, da sie auf Unwesentliches verzichten (Bild II.4). So ist es sinnvoll, ein Objekt entweder vor einem ruhigen Hintergrund zu zeigen oder ganz freizustellen. Adäquate Bildgrößen anbieten. Zwischen der inhaltlichen Komplexität eines Bildes und der adäquaten Bildgröße gibt es eine plausible Beziehung: Je komplexer der Inhalt ist, desto größer sollte das Format sein. Deshalb kann ein Piktogramm klein sein, denn es enthält nur eine Botschaft, die mit einem Blick erfasst wird. Enthält ein Bild aber zahlreiche Komponenten, dann muss man den Augen einen gewissen Auslauf gewähren. Also keine Briefmarkenformate, wenn komplexe Zusammenhänge gezeigt werden. Eindeutige visuelle Organisation. Bei Strichzeichnungen kommt es häufig vor, dass die visuelle Organisation des Bildes nicht eindeutig ist. Dabei handelt es sich meist um die Verletzung von Gestaltgesetzen, die zu einer mehrdeutigen Wahrnehmung führen (Bild II.5). Unklarheiten der visuellen Organisation sind für das Verstehen nicht schwerwiegend, aber bilden unnötige Irritationen in der Wahrnehmung. Lesbare Screenshots. Für Printdokumente muss die höchste Auflösung für den Monitor gewählt werden. Das betreffende Fenster muss bereits so skaliert sein, dass das Bildschirmfoto in den vorgesehenen Raum im Dokument passt. Späteres Skalieren führt zu verschwommenen oder unvollständigen Abbildern. Hinweise 50 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 50 II Gestalten von Bildern 3 Übersichtliche Charts Charts veranschaulichen qualitative Zusammenhänge zwischen Kategorien und Begriffen, die eigentlich für die Augen nicht sichtbar sind. Deshalb werden sie auch als analytische Bilder bezeichnet: Sie bilden Wirklichkeit nicht ab, sondern decken Zusammenhänge auf. Bei aller Unterschiedlichkeit der grafischen Gestaltung ist der Grundaufbau bei allen Charts gleich. Sie bestehen aus Einheiten und Verknüpfungen zwischen ihnen. Die Einheiten können grafisch als Kästen, Ellipsen, Kreise realisiert sein und repräsentieren einen Begriff oder eine Aussage. Die Verbindungen sind meist Linien oder gerichtete und benannte Pfeile. Die Verbindungen lassen sich wie folgt analysieren: Richtung. Die Verbindungen können gerichtet oder ungerichtet sein. Die Richtung wird durch Pfeilspitzen visualisiert. Benennung. Die Verbindungen können benannt oder unbenannt sein. Unbenannte Verbindungen müssen vom Benutzer interpretiert werden. Zuordnung. Es gibt verschiedene Arten der Zuordnung von Einheiten: Eins-zueins, Eins-zu-mehreren, Mehrere-zu-mehreren. Gewichtung. Die Bedeutung oder das Gewicht einer Verbindung kann durch die Strichdicke visualisiert werden. Abbilder wie Gemälde und Fotos können als historische Dokumente ausgewertet werden. Zwei Historiker schreiben gegen die Textfixiertheit der Geschichtswissenschaft an und fordern die Auswertung von Gemälden, Holzschnitten, Zeichnungen und Fotos als Ergänzung schriftlicher Dokumente. Auch historische Abhandlungen sollten bebildert sein, wenn immer sich Material dafür anbietet. Burke, Peter (2001). Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen. Berlin: Wagenbach. Imhof, Arthur E. (1991). Im Bildersaal der Geschichte oder Ein Historiker schaut Bilder an. München: Beck. Lesetipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 51 3 Übersichtliche Charts 51 Kommunikative Funktion. Charts reduzieren qualitative Zusammenhänge in einer anschaulichen Form: Umfangreiche Charts ermöglichen die Orientierung in komplexen Bedingungsgefügen, einfache Charts (bis zu sieben Einheiten) erleichtern die Einprägung. Beispiele: Outline-Charts dienen als grafische Form der Zusammenfassung; grafische Browser sind Hilfsmittel der Navigation in komplexen Hypertextstrukturen. Mentale Anforderung. Das Verstehen von Charts setzt voraus, dass räumliche Anordnungen in konzeptuelle Zusammenhänge übersetzt werden (z. B. Ursache/ Wirkung oder Überordnung/ Unterordnung). Man kann davon ausgehen, dass ein Chart einfacher zu verstehen ist als ein informationsadäquater Text: Beim Lesen müssen die begrifflichen Zusammenhänge erst durch eine syntaktische Analyse ermittelt werden, beim Anschauen eines Chart lassen sich die Zusammenhänge direkt ablesen, sie springen sozusagen ins Auge. Ein Chart zeigt aber nur die »nackten« Begriffszusammenhänge, viele Nuancen, Abstufungen und Einschränkungen können nur sprachlich ausgedrückt werden. Es gibt einige Grundtypen von Charts, die aber in verschiedenen grafischen Varianten auftreten können: Tabellen, Zeitcharts, Flowcharts, Organisationscharts, Begriffsnetze. Tabellen Man kann zwei Typen von Tabellen (lat. tabella =-Merktäfelchen) unterscheiden. Beide präsentieren Informationen in einer systematischen Anordnung als Matrix aus Spalten und Zeilen. Verbale Tabellen (Word Tables) enthalten wie alle Charts kategoriale Informationen (Bild II.6), numerische Tabellen enthalten Daten. Die quantitative Tabelle dient vor allem der wissenschaftlichen Fachkommunikation und ist die Ausgangsform für Diagramme. AA B C Bild II.5: Grundbaustein eines Chart. Eine Einheit A steht zu einer Einheit B in der Beziehung c (gerichtete und benannte Eins-zu-eins-Zuordnung). Quelle: Ballstaedt. 52 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 52 II Gestalten von Bildern Gewürz Eigenschaften Anwendung Anis verdauungsfördernd, blähungstreibend Appetitlosigkeit, körperliche und nervliche Schwäche Basilikum beruhigend, krampflösend Nervosität, Schlaflosigkeit, Krämpfe, Beklemmungen Dill magenberuhigend, appetitanregend Verdauungsschwäche, Brechreiz, Schluckauf, Appetitlosigkeit Estragon verdauungsfördernd, fäulniswidrig Magen- und Darmstörungen, Luftschlucken Fenchel beruhigend, hustenlindernd Darmkrämpfe- und Entzündungen, Bronchitis, Husten Kerbel abführend, anregend Verstopfung, Hautunreinheiten, ungenügende Nierenfunktion Bild II.6: Qualitative Tabelle. Sie listet die Eigenschaften und Anwendungen von Gewürzen auf. Angaben ohne Gewähr. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker. Quelle: Ballstaedt, 1997, S. 108. Zeitcharts (Timelines) An einer Zeitachse werden Ereignisse chronologisch angeordnet. Beispiele für diese in den Geisteswissenschaften beliebte Visualisierung- - dort oft Zeitstrahl genannt-- sind Lebensläufe berühmter Persönlichkeiten oder geschichtliche Vorgänge. Aber auch Planskizzen oder der jährliche Pollenflugkalender gehören zu den Zeitcharts. Bild II.7: Zeitchart aus der Literaturwissenschaft. An einer Zeitachse sind die wichtigsten literarischen Epochen angetragen. Quelle: www.literaturwelt.com. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 53 3 Übersichtliche Charts 53 Prozess-Chart, Flowchart Flowcharts stammen aus der Informatik zur Visualisierung von Datenflüssen und Programmabläufen, werden aber für Abläufe und Prozesse verschiedenster Art eingesetzt: Handlungs- und Arbeitsabläufe, z. B. die Fehlersuche bei technischen Geräten. Die visuellen Symbole für die Komponenten von Flowcharts sind in Europa in der DIN 66001 normiert (sie werden dort als »Sinnbilder« bezeichnet). Flowcharts bestehen aus vier Haupteinheiten und einem Verbindungstyp: Abgerundetes Rechteck, Ellipse. Anfang und Ende eines Ablaufs. Ein Flowchart hat einen Anfang, kann aber mehrere Enden haben. Rechteck. Handlung, Operation, Tätigkeit. Ein Rechteck hat nur einen Eingang kann aber mehrere Ausgänge haben. Raute. Entscheidung. Eine Raute hat einen Eingang, aber mindestens zwei Ausgänge, meist »ja« oder »nein«. Kreis. Anschlusspunkt. Hier geht der Prozess zwar weiter, wird aber nicht mehr visualisiert. Ein Anschlusskreis bekommt eine Ziffer, der bei der Fortsetzung des Charts aufgenommen wird. Pfeil. Verbindungen zwischen den Einheiten, die Richtung und Verzweigungen des Datenflusses angeben. Für komplexe Programmabläufe gibt es noch einige weitere Einheiten, z. B. für Unterprogramme oder die Art der zu verarbeitenden Daten. Flowcharts werden schnell unübersichtlich und sind dann nur noch für Experten verständlich. Organisationscharts (Organigramme) Sie visualisieren Strukturen von Institutionen mit Abteilungen, Zuständigkeiten und Geschäftsgängen. Ein Organigramm hat gewöhnlich eine hierarchische Struktur, die Rechtecke stellen Abteilungen, Stäbe, Stellen dar, die Verbindungen Über- und Unterordnungen. 54 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 54 II Gestalten von Bildern Bild II.8: Redesign eines Flowcharts. Oben: Ursprüngliches Chart (Rosenthal, 2010); unten: Optimiertes Chart (Laßen, 2010). Das Charts wurde allein mit grafischen Mitteln überarbeitet: Gruppierung von Komponenten, Hervorhebungen durch Farbe und Strichdicke. Quelle: Arne Laßen mit freundlicher Genehmigung. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 55 3 Übersichtliche Charts 55 Begriffsnetze Es gibt zahlreiche Formen von Begriffsnetzen, alle verknüpfen Begriffe durch inhaltliche Beziehungen. Bekannt sind die Mind Maps, die Begriffe nur locker assoziieren und deshalb eher im Bereich kreativen Denkens, z. B. beim Brainstorming eingesetzt werden. Eine strengere Variante sind die Concept Maps, die eine Wissensstruktur visualisieren, wenn sie stabil ist und die Relationen benannt werden können (Bild II.10). Concept Maps haben sich einen festen Platz in vielen natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen erobert. Netzpläne Netzpläne sind Visualisierungen von Transportwegen wie Straßen, Schienen, Fluglinien. In unserer Terminologie kann man sie als Mischform aus schematisierter Karte und Chart aus Knoten und Verbindungen ansehen. Im Alltag kennen wir Netzpläne für den öffentlichen Nahverkehr, z. B. ein U-Bahn-Netz einer Stadt (Bild-II.11). Es verzeichnet als Knoten die Halte- und Umsteigebahnhöfe und als Linien die Strecken. Dabei kommt es nicht auf die topografische Genauigkeit an, z. B. die Streckenlänge, sondern auf eine übersichtliche Gestaltung. Der erste derartige Netzplan wurde 1931 für das Berliner S-Bahn-Netz veröffentlicht. Netzpläne spielen in der Logistik eine wichtige Rolle in der Planung von Transportabläufen. Kaiser ernennt ernennt ernennt Reichstag Reichsstände Kurfürstenkollegium Kurfürsten Fürsten Reichsstädte Grafen und Prälaten Fürstenkollegium Städtekollegium Reichsarmee Erzkanzler Reichshofkanzlei Reichshofrat Reichskammergericht Reichskreise befehligt bewilligt bilden ernennen bilden bilden Bild II.9: Organisationchart: Die Institutionen des Heiligen Römischen Reiches unter Karl V. Quelle: Michail Jungierek, Wikimedia Commons, modifizierte Grafik: Claudia Wild. 56 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 56 II Gestalten von Bildern Wasser Lebewesen Pflanzen Tiere Molküle Zustand Bewegung Hitze Eis Schneeflocke Festkörper Gasförmig Flüssigkeit Dampf Regen wird benötigt von besteht aus sind sind sind in entsteht durch bestimmt kann sein kann sein kann sein verändert liegt vor bei liegt vor bei liegt vor bei liegt vor bei Bild II.10: Concept Map zum Begriff »Wasser«. Quelle: modifiziert nach Peltz, Schmitt & Meis, 2004, www.qualitative-resarch.net, Claudia Wild. Bild II.11. Netzplan der Straßenbahn in Timisoara (Rumänien). Der Plan ist streng schematisiert und mit den satten Farben der Linien sehr übersichtlich. Quelle: Firobuz (2009), Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 57 3 Übersichtliche Charts 57 Fachspezifische Varianten Die älteste Form eines Chats sind wahrscheinlich die Stammbäume aus der Genealogie, die jüngste Form sind Sitemaps. Spezielle Charts gibt es in allen wissenschaftlichen Disziplinen. Dazu nur eine kleine Aufzählung: Soziogramme in der Soziologie oder syntaktische Bäume in der Linguistik. Modelle als visualisierte Theorien in den Sozialwissenschaften sind bereits im Mittelalter beliebt, heute werden sie gern als »Boxologie« verspottet. Das Bild II.12 zeigt ein Fischgrät-Chart (auch Ishikawa-Chart) aus dem Qualitätsmanagement. Ein Chart bildet oft eine Alternative zum Text: Im Prinzip kann jeder Text in ein Chart überführt und jedes Chart vertextet werden: Substantive werden zu Einheiten, Verben und Präpositionen zu Verbindungen. In einem Chart sind Verbindungen zwischen Begriffen schnell ablesbar, beim Text müssen sie über die syntaktischen Konstruktion entnommen werden. Ein Chart übersetzt inhaltliche Beziehungen in räumliche Anordnungen und ist damit übersichtlicher als ein Text. Deshalb sind Charts didaktisch besonders als Übersicht bei komplexen Zusammenhängen beliebt (Outline-Charts). Viele Tafelbilder im Unterricht sind ebenfalls Charts. Bild II.12: Fishbone-Chart oder Ursachen-Wirkungs-Chart. Fachspezifische Charts können grafisch sehr verschieden gestaltet sein. Das Fishbone-Chart visualisiert, welche Ursachen für Fehler - hier bei Motorwellen - verantwortlich sein können. Zuerst sind Bedingungsfelder angegeben: Mensch, Methode, Maschine, Milieu, Transport, Material. In diesen Feldern sind dann konkrete Verursachungen eingetragen. 58 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 58 II Gestalten von Bildern Gestalten von Charts Gestaltgesetze beachten. Viele Charts enthalten zu viele und unübersichtliche angeordnete Einheiten. In der Wahrnehmungspsychologie gilt die Faustregel, dass maximal sieben Elemente noch auf einen Blick erfasst werden. Braucht man in einem Chart mehr Einheiten, dann sollte man sie nach den Gestaltgesetzen gruppieren. Drei der aufgeführten Gestaltgesetze sind besonders wichtig: Räumliche Nähe, Ähnlichkeit und Geschlossenheit (Bild I.6). Die visuelle Organisation darf nicht durch ungewollte Wirkungen von Gestaltgesetzen gestört werden. Individuelle Lernvoraussetzungen Text und Lernsituation Ziel Mentale Repräsentation, Wissensstruktur Verarbeitungsstrategie Verarbeitungsstrategie Bild II.13: Chart zum Einprägen. Dieses Chart aus der Lernpsychologie besteht aus sechs Einheiten: Auf den ersten Blick werden die beiden Ellipsen als zusammengehörig wahrgenommen (Gesetz der Ähnlichkeit): Sie betreffen die kognitive Verarbeitung. Die Kästen visualisieren Einflüsse auf die Verarbeitung. Einzig der ganz linke Kasten fällt inhaltlich aus dem Rahmen, denn er repräsentiert das Endergebnis der Verarbeitung: die Wissensstruktur. Die Pfeile lassen sich alle als »wirkt auf« interpretieren. Die Visualisierung ist nicht zuletzt durch die Symmetrie übersichtlich. Quelle: Arzberger & Brehm, 1995, S. 19, modifizierte Grafik: Claudia Wild. Grafisch differenzieren. Verschiedene Typen von Einheiten eines Charts sollten grafisch unterschiedlich ausgeführt sein, ein vorbildliches Beispiel ist das Flowchart. Zur Kennzeichnung verschiedener Einheiten eignen sich verschiedene Formen und Farben. Topologische Bedeutungen berücksichtigen. Das Verstehen eines Charts wird behindert, wenn die Bedeutungen bestimmter räumlicher oder topologischer Anordnungen missachtet werden: Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 59 3 Übersichtliche Charts 59 • Kausalkette. Einheiten für Ursachen sind links von Einheiten für Wirkungen oder Folgen. • Zeitachse. Frühere Einheiten liegen links vor späteren Einheiten, z. B. historische oder biografische Ereignisse. • Hierarchie. Übergeordnete Einheiten liegen über untergeordneten Einheiten. • Zyklus. Einheiten, die eine zeitliche Wiederholung darstellen, sind im Kreis angeordnet • Inklusion. Einheiten, die sich im logischen Sinne einschließen, werden verschachtelt visualisiert. Ob die topologischen Bedeutungen angeboren oder kulturell vermittelt sind, ist unklar. Untersuchungen haben ergeben, dass z. B. eine auf dem Kopf stehende Hierarchie das Verstehen behindert, obwohl sich die Logik der Zusammenhänge dadurch nicht verändert. Ebenso führt eine Zeitachse zu Schwierigkeiten beim Einprägen, die von rechts nach links verläuft. Leserlich Beschriften. Die Wörter und Ausdrücke in den Einheiten dürfen deren Konturen nicht berühren, sondern sollen mit Abstand und zentriert in ihnen stehen. Die Schrift darf nicht zu klein gewählt werden, deshalb ist die Suche nach kurzen treffenden Stichwörtern wichtig. Bild II.14: Kognitive Verarbeitung audiovisueller Information. Dieses Chart visualisiert kognitive Prozesse. Die Gestaltung berücksichtigt das Gestaltgesetz des gemeinsamen Bereichs, indem einige Einheiten durch Unterlegung gruppiert sind. Die Einheiten sind gut lesbar beschriftet, die Pfeile haben die Bedeutung »Informationsfluss«. Quelle: Ballstaedt, 2006, S. 123. Hinweise 60 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 60 II Gestalten von Bildern 4 Leserliche Tabellen Auf eine Form der Charts gehen wir besonders ein, weil sie in wissenschaftlichen Texten üblich ist: die Tabellen. Qualitative Tabellen (Word Tables) enthalten wie alle Charts verbale Informationen, ein Beispiel ist das Periodensystem der Elemente. Quantitative Tabellen enthalten erhobene Daten, d. h. die Ausprägungen von Variablen, Beispiele sind Tabellen, in denen empirische Untersuchungsergebnisse präsentiert werden. Beide Tabellenarten präsentieren Informationen in einer systematischen Anordnung als Matrix aus Spalten und Zeilen. Wir wollen uns im Folgenden auf die quantitativen Tabellen konzentrieren. Kommunikative Funktion. Wenn es um exakte Daten geht, bei denen es auf Punkt und Komma ankommt, dann ist die Tabelle unverzichtbar. Man kann aus ihr eindeutige Informationen entnehmen, aber das Erkennen von Zusammenhängen und Trends ist schwierig. Mentale Anforderung. Tabellen sind Datenspeicher, aus denen Informationen abgelesen werden. Dazu ist Wissen um den schematischen Aufbau einer Tabelle notwendig, d. h. um die Bedeutung der Zeilen und Spalten. Tabellen sind in der Statistik eine wichtige Visualisierung, deren Grundaufbau recht einfach ist (Bild II.15): Die Tabelle hat einen Titel, die Spalten (auch Kolon- Henschel, Gerhard (2003): Die wirrsten Grafiken der Welt. Hamburg: Hoffmann und Campe. Der Satiriker hat zahlreiche Charts zusammengetragen, die wahrlich kein gutes Licht auf diese beliebte Form der wissenschaftlichen Visualisierung werfen. Sie sind unübersichtlich und teilweise völlig unverständlich. Ein Chart kann aber nicht besser als das Denken seines Urhebers sein! Eco, Umberto (2009). Die unendliche Liste. München: Hanser. Der durch seine Romane bekannte italienische Semiotiker untersucht die textnahe und einfachste Form einer Visualisierung: die Liste. Seine Kulturgeschichte der- - recht breit interpretierten- - Listen und Kataloge zeigt, wie wichtig diese Darstellungsform für die Stiftung von Ordnung ist. Lesetipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 61 4 Leserliche Tabellen 61 nen) und Zeilen (auch Reihen) sind beschriftet. Sie kreuzen sich in Zellen, die durch einen Zellendeskriptor benannt sind. Mehrere Beschriftungen werden durch eine Überschrift (engl. Spanner) zusammengefasst. Tabellen werden danach unterschieden, wie viele Variablen sie darstellen: ein-, zwei-, drei- oder mehrdimensionale Tabellen. Letztere werden recht unübersichtlich. Zur Gestaltung von Tabellen gibt es unzählige Konventionen und Vorschläge aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Es gibt DIN-Normen für statistische Tabellen, Programme wie Word, Pages, Excel, Numbers bieten verschiedene Tabellenlayouts an. Damit eine Tabelle kein Datengrab wird, muss sie lesefreundlich gestaltet sein. Tabellentitel Variable B Spalte B1 Spalte B2 Spalte B3 Zeilensumme Zeile A1 Zelle 1.1 Zelle 1.2 Zelle 1.3 Variable A Zeile A2 Zelle 2.1 Zelle 2.2 Zelle 2.3 Zeile A3 Zelle 3.1 Zelle 3.2 Zelle 3.3 Spaltensumme Bild II.15: Schema einer zweidimensionalen Tabelle. Die Kreuz- oder Kontingenztabelle zeigt den Zusammenhang von zwei Variablen A und B zeigt. Quelle: Ballstaedt, 1997, S. 138. Gestalten von Tabellen Visuelles Suchen erleichtern. Das Ablesen von Werten in einer Tabelle geschieht durch Blickbewegungen und die sollten so kurz als möglich gehalten werden. Dazu dürfen die Räume zwischen den Spalten und Zeilen nicht zu groß sein. Optische Weitsprünge führen oft zu Ablesefehlern (Bild II.15). Eine Tabelle sollte nie umgebrochen werden. Wenn es bei großen Tabellen doch notwenig wird, müssen auf der neuen Seite alle Beschriftungen der Spalten und Zeilen wiederholt werden. Hinweise 62 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 62 II Gestalten von Bildern Schauen wir uns noch zwei Beispiele an, in denen die Hinweise zur lesefreundlichen Gestaltung berücksichtigt sind. Das Bild II.16 zeigt die Optimierung einer eindimensionalen Tabelle durch Berücksichtigung des Gestaltgesetzes der Nähe. Optische Leitplanken anbieten. Den Augen müssen in umfangreichen Tabellen optische Hilfen angeboten werden. Zwar hat sich in der wissenschaftlichen Literatur die Konvention herausgebildet, die Spalten nicht mehr durch vertikale Linien abzugrenzen, aber bei langen Zeilen ist die wechselweise Unterlegung bzw. Einfärbung sehr hilfreich. Bei langen Spalten sind regelmäßige größere Zeilendurchschüsse - etwa alle fünf Zeilen - sinnvoll. Zeilen oder Spalten sollten wenn möglich inhaltlich gruppiert werden. Beschriftungen eindeutig zuordnen. Die Beschriftungen der Zeilen und Spalten müssen eindeutig zuordenbar sein. Bei langen sprachlichen Ausdrücken besser Abkürzungen oder Akronyme einführen, die in der Legende erklärt werden. Bei zahlreichen Spalten die Zeilen nicht nur links, sondern auch rechts beschriften. Bei zahlreichen Zeilen die Spalten nicht nur oben, sondern auch unten beschriften. Lesbare Schriften verwenden. Die Beschriftungen und Werte in der Tabelle müssen gut lesbar sein. Gewöhnlich wird in Tabellen Petit-Schrift benutzt, die etwas 15 bis 20 % kleiner als die Hauptschrift ist. Die Interpretation grafisch unterstützen. Tabellen verdichten numerische Informationen. Was in eine Tabelle an brisanten Werten und Zusammenhängen steckt, muss ein Betrachtender erst herauslesen. Deshalb ist es hilfreich, wenn im Begleittext eine Interpretation geliefert wird und die darauf bezogenen Werte grafische hervorgehoben werden, z. B. durch farbige oder fette Werte bzw. durch Unterlegung von Zellen. Vorgaben beachten. Wer seine Arbeit veröffentlichen möchte, ist gut beraten, die Anweisungen für Manuskripte anzufordern, in denen meist auch die Gestaltung von Tabellen geregelt wird. Fast jeder Verlag hat hier eigene Vorgaben, die vom Schriftgrad bis zur Liniendicke reichen können. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 63 4 Leserliche Tabellen 63 Wo lernt man seinen Partner kennen? % beim Tanzen, in der Disco 27,3 in der Privatwohnung 17,6 am Arbeitsplatz 14,6 auf der Straße, in öffentl. Verkehrsmitteln 9,7 im Café, in der Kneipe 6,1 Wo lernt man seinen Partner kennen? 27, 3 % beim Tanzen, in der Disco 17,6 % in der Privatwohnung 14,6 % am Arbeitsplatz 9,7 % auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln 6,1 % im Café, in der Kneipe Bild II.16: Eindimensionale Tabelle zu Partnersuche. In der oberen Version sind große Augensprünge notwendig, die untere Version ist ablesefreundlicher. Quelle: nach Hartley, 1985, S. 92. Das zweite Beispiel in Bild II.17 ist eine nach den Vorgaben der American Psychological Association (APA) gestaltete Tabelle. Auffällig ist der Verzicht auf vertikalen Linien als Leitplanken für die Augen. Irrtumsraten alter und junger Gruppen Mittelwert Standardabweichung Stichprobengröße Schwierigkeitsgrad jung alt jung alt jung alt niedrig 5 14 8 15 12 18 mittel 5 17 7 15 15 12 hoch 11 26 10 21 16 14 Bild II.17: Tabelle nach den Richtlinien der American Psychological Association (APA). So sieht eine moderne Tabelle aus: Überschrift kursiv; nur horizontale Linien; doppelter Zeilenabstand. Quelle: APA Manual nach Harter & Rienks, 2004, S. 8. 64 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 64 II Gestalten von Bildern 5 Diagramme als Argumente Diagramme wurden im 18. Jahrhundert zur wissenschaftlichen Kommunikation, auch zwischen Experten und Laien erfunden. Sie veranschaulichen quantitative Zusammenhänge in der Wirklichkeit, die aufgrund empirischer Daten gefunden wurden und für die Augen unsichtbar sind. Kommunikative Funktion. Diagramme vermitteln quantitative Beziehungen zwischen Daten bzw. der Ausprägung von Variablen durch topologische und räumliche Beziehungen zwischen grafischen Elementen (Punkte, Linien, Flächen). Dieselben Informationen sind auch in Tabellen darstellbar, aber hier sind Zusammenhänge und Trends nur schwer herauszufinden. In Diagrammen bleiben die exakten Werte ablesbar, gleichzeitig sind visuelle Vergleiche möglich und es werden Trends sichtbar. Diagramme dienen oft als visuelle Argumente, um eine Behauptung zu belegen (Bild II.18). Mentale Anforderung. Diagramme sind grafische Konventionalisierungen, die gelernt werden müssen. Untersuchungen (auch PISA) zeigen immer wieder, dass die Informationsentnahme selbst aus einfachen Diagrammen von vielen Laien nicht beherrscht wird. Die zentralen visuellen Skills beim Auswerten eines Diagramms sind das Ablesen von Einzelwerten und das Vergleichen von Linien, Flächen, Volumina, Neigungen, Winkeln usw. Über derartige Wahrnehmungsurteile Wer sehr viel mit Tabellen zu tun hat, der sollte Spezialliteratur für seine Disziplin heranziehen. Besonders fleißig sind die Psychologen: American Psychological Association (2001). Publication Manual. Washington, DC: APA Der Text ist aber so trocken und leseunfreundlich, dass es zahlreiche Auszüge dazu gibt, die das Wichtigste zusammenfassen: Student’s Guide to APA Psychology, den man unter verschiedenen URLs frei herunterladen kann. Susan Harter & Shauna Rienks (2004). APA Publication Guidlines Mini-Manual. www.du.edu/ psychology/ undergraduate/ APA_Mini-manual.pdf Lesetipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 65 5 Diagramme als Argumente 65 gibt es aus der Psychophysik zahlreiche Erkenntnisse. So können wir z. B. Längen sehr genau vergleichen, täuschen uns aber bei Volumina. Wie ein Diagramm genau ausgewertet wird, haben Hollands & Spence (2001) in einem Modell zusammengefasst und empirisch überprüft. Die fünf Standardtypen sind jeweils auf die Visualisierung spezieller Zusammenhänge spezialisiert (Zelazny, 2006): Kreisdiagramm Visualisierung der Anteile einzelner Komponenten einer Gesamtheit. Beispiele: Marktanteile verschiedener Unternehmen; Sitzverteilung der Parteien im Parlament. Das Kreisdiagramm eignet sich für einen Strukturvergleich. Es ist wahrscheinlich das populärste Diagramm, obwohl es oft nicht optimal ist, denn kleine Winkel und Kreissegmente lassen sich optisch nur schwer vergleichen. Eigentlich ist das Balken- oder Säulendiagramm zum Ablesen kleiner Differenzen besser geeignet. Bodenversieglung und Hochwasserschäden 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 versiegelter Boden in ha Versicherungsschäden in 100 Millionen 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 1027 1121 1473 2553 2672 0,3 0,34 0,53 0,62 1,05 1980 1985 1990 1995 1997 versiegelter Boden Versicherungsschäden Bild II.18: Ein Doppelskalen-Diagramm als visuelles Argument. Die Linien zeigen einen Zusammenhang zwischen Bodenversieglung und Hochwasserschäden. Die linke Skala gibt den versiegelten Boden in Hektar an, die rechte Skala die Versicherungsschäden in 100 Millionen. Die beiden Linien haben einen annähernd parallelen Verlauf. Grafik: Claudia Wild. 66 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 66 II Gestalten von Bildern Balkendiagramm Visualisierung von Rangfolgen und Vergleich von Rängen. Beispiele: Marktanteile konkurrierender Unternehmen; Fluktuationsraten in verschiedenen Abteilungen einer Firma. Es gibt gruppierte und unterteilte Balkendiagramme. Säulendiagramm Sie visualisieren als Histogramm Häufigkeiten in verschiedenen Kategorien. Beispiel: Anzahl der Aids-Fälle in verschiedenen Ländern. Als Zeitreihe visualisieren sie Veränderungen in der Zeit. Beispiel: Steigerungsraten des Umsatzes. Es gibt gruppierte und unterteilte Säulendiagramme. Struktur Rangfolge Zeitreihe Häufigkeit Korrelation Punkt Kurve Säule Balken Kreis Grundformen von Schaubildern Grundtypen von Vergleichen Bild II.19: Welche Funktion wird mit welchem Diagrammtyp dargestellt? Beispiel: das Balkendiagramm dient der Visualisierung von Rangfolgen. Quelle: Zelazny, 2006, S. 31, modifizierte Grafik: Claudia Wild. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 67 5 Diagramme als Argumente 67 Liniendiagramm Die Linie oder Kurve ist eine Weiterentwicklung des Säulendiagramms mit vielen Zeitpunkten. Es visualisiert eindrücklich Verläufe und offenbart damit Trends und Schwankungen. Beispiele: Zinsschwankungen; Zu- oder Abnahme der Asylbewerber; Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. Bei mehreren Linien in einem Diagramm spricht man von einem Spaghetti-Diagramm. Ist die Fläche unter einer Kurve eingefärbt, so spricht man von einem Flächendiagramm. Punkt- oder Streudiagramm Es visualisiert den Zusammenhang von zwei Variablen, statistisch gesprochen eine Korrelation. Dabei entspricht jeder Punkt einem Fall. Ein Zusammenhang wird sichtbar, wenn sich die Punkte zu einer Linie oder Kurve gruppieren lassen. Beispiele: Zusammenhang zwischen Rabatt und Absatz. Fachspezifische Varianten Neben diesen Standardtypen gibt es zahlreiche andere Formen von Diagrammen in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Einige Beispiele: Polardiagramme in der Akustik; das Zeigerdiagramm zur Darstellung von Schwingungen; das Hertzsprung-Russell-Diagramm aus der Astronomie zur Entwicklungsverteilung der Sterne. Aufbau von Diagrammen Alle Diagramme bestehen aus vier Komponenten, die grafisch aber sehr unterschiedlich gestaltet sein können (Kosslyn, 2006). Bild II.20 zeigt die folgenden Komponenten an einem konkreten Balkendiagramm: Hintergrund. Er ist bei wissenschaftlichen Diagrammen meist leer, kann aber dazu genutzt werden durch ein Bild die Aussage zu verstärken. Formaler Rahmen. Er repräsentiert die Variablen, z. B. durch ein Koordinatensystem mit eine x-Achse für die unabhängige Variable (Basislinie) und einer y-Achse für die abhängige Variable. Als Ablesehilfe sind oft Linien oder ein Gitter eingetragen. Die Skaleneinteilung ist meist durch Striche markiert. 68 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 68 II Gestalten von Bildern Spezifische Daten. Im formalen Rahmen sind die spezifischen Daten durch Sektoren, Balken, Säulen, Punktwolken usw. veranschaulicht. Wichtige Werte können grafische hervorgehoben sein (Einfärbung, Strichdicke, Pfeil usw.). Beschriftungen. Das sind alphanumerische Labels, mit denen die Achsen benannt und die Maßeinheiten angegeben werden. Dazu gehören auch die genauen Werte an den Sektoren, Balken, Säulen usw. Manipulation durch Diagramme Bei der Gestaltung von Diagrammen muss man alles vermeiden, was die Entnahme der Informationen erschwert oder sogar manipuliert. Es gibt einige visuelle Tricks, mit denen die Daten zwar formal richtig repräsentiert sind, die aber zu falschen Ablesungen und Fehlschlüssen verleiten. • Skalen dürfen nicht gestaucht oder gestreckt werden, um einen bestimmten Eindruck zu bewirken. • Der Nullpunkt oder die Basislinie darf nicht durch Abschneiden verheimlicht werden. Wenn eine Skala unterbrochen wird, ist das durch eine Lücke optisch deutlich zu machen. • Lineare Größen dürfen nicht durch flächige oder räumliche Darstellungen visuell über- oder untertrieben werden, denn das erschwert Vergleiche erheblich (Bild II.21). Die beliebten 3-D-Diagramme sehen attraktiv aus, aber das auf Kosten einer soliden Kommunikation von Daten. Bild II.20: Die vier Komponenten eines Diagramms. Hintergrund: Schematisierte Trauben und ein Weinglas. Formaler Rahmen: Die metrische x-Achse (Hektoliter) und die kategoriale y-Achse (Länder). Spezifische Daten: die Balken. Beschriftungen: Bildtitel, Länder und Produktionszahlen. Quelle: Jasmin Drogi, mit freundlicher Genehmigung. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 69 5 Diagramme als Argumente 69 • Perspektivische Darstellungen sind zwar reizvoll, aber dürfen die Visualisierung der Daten nicht übermäßig verzerren, so dass ein Ablesen schwer oder sogar unmöglich ist. Vor allem pseudowissenschaftliche Diagramme in Zeitungen und PR-Broschüren machen von diesen Möglichkeiten Gebrauch, in wissenschaftlichen Texten haben sie nichts zu suchen! Zum professionellen Umgang mit Diagrammen gehört auch das Erkennen derartiger visuellen Manipulationen, die das visuelle Argument verzerren oder verfälschen. Bild II.21: Visuelle Manipulation. In diesem Diagramm sind die Säulen durch Schraubenschlüssel ersetzt, die aber durch den flächigen Eindruck die Daten optisch aufblasen. Das wirkt gut, aber ist unseriös verzerrt. Quelle: Hoffmann, Hölscher & Thiele, 2002, S. 291. Gestalten von Diagrammen Für jeden Diagrammtyp lassen sich spezielle Richtlinien formulieren, wir haben uns hier um Gesichtspunkte bemüht, die alle Diagramme betreffen. Tabelle oder Diagramm? Manchmal ist ein Diagramm nicht die geeignete Darstellung von Daten, wenn z. B. nur zwei Werte vorliegen, wirkt ein Kreisdiagramm eher albern. Eine übersichtliche Tabelle muss nicht unbedingt in ein Diagramm überführt werden. Die Botschaft festlegen. Ausgangspunkt aller Gestaltungsentscheidungen sind die Fragen: Was soll das Diagramm zeigen? Was sollen die Betrachtenden daraus entnehmen? Für welche Behauptung stellt es ein visuelles Argument dar? Nach den Antworten auf diese Fragen richtet sich die Wahl des Diagrammtyps. Im Bild II.19 veranschaulicht das Balkendiagramm eine Rangreihe. Die kommunikative Botschaft wird direkt im Diagrammtitel (alternativ in einer Legende) angesprochen: Die führenden Wein-Nationen. Das Balkendiagramm zeigt, dass der meiste Wein noch immer in Europa von dem klassischen Trink-Trio »Frankreich, Italien, Spanien« produziert wird. Hinweise 70 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 70 II Gestalten von Bildern Die Botschaft hervorheben. Die zentrale Botschaft in einem Diagramm kann durch grafische Mittel hervorgehoben werden, die den Blick auf sich ziehen. Wichtige Werte kann man durch Einfärbung, Strichdicke oder Hinweispfeile hervorheben. In einem Liniendiagramm mit mehreren Verläufen (ein sogenanntes Spaghetti-Diagramm) springt eine Linie durch Farbe oder Fettdruck ins Auge. Farbcodes mit sehr unterschiedlichen Farbtönen und Helligkeiten verwenden, damit auch Farbschwache und -blinde Unterschiede wahrnehmen können. Gestaltgesetze beachten. Diagramme setzen sich aus elementaren geometrischen Linien, Flächen und Volumina zusammen, deshalb wirken sich hier die Gestaltgesetze besonders aus. Das betrifft z. B. die Gruppierung von Balken oder Säulen oder die Verläufe mehrerer Linien. Die Gesetze der Nähe, der Ähnlichkeit und des gemeinsamen Bereichs müssen genutzt werden, um eine eindeutige Interpretation des Diagramms zu gewährleisten. Verschiedene Schraffuren von Komponenten, Balken oder Säulen sind kein gutes Mittel der Unterscheidung und Gruppierung, Farben sind wesentlich besser. Blickbewegungen berücksichtigen. Auch bei der Auswertung von Diagrammen wirken die uns »in Fleisch und Blut« übergegangenen Blickrichtungen. So sollte in einem Kreisdiagramm der Sektor, der den entscheidenden Wert repräsentiert, an der 12-Uhr-Linie beginnen. Die Werte werden im Uhrzeigersinn abgelesen. Dies gilt auch für andere zyklische Darstellungen. Die eingeübten Leserichtungen von links nach rechts und von oben nach unten sind zu berücksichtigen. So steht in einem Diagramm der wichtigste Balken oben, die wichtigste Säule steht links. Optische Leitplanken anbieten. Die relevanten Informationen müssen problemlos ablesbar sein. Es gibt viele grafische Möglichkeiten, die Auswertung eines Diagramms zu erleichtern. Dazu dienen z. B. Hilfslinien oder -gitter, an denen sich das Auge zum Ablesen von Daten orientiert. Häufig sind in einem Diagramm visuelle Vergleiche gefordert. Dabei gilt die Faustregel: Je größer der Abstand zwischen zwei zu vergleichenden visuellen Komponenten (Segmenten, Balken, Säulen), desto geringer ist die Zuverlässigkeit des Urteils. Visuell nicht manipulieren. Alles vermeiden, was das korrekte Ablesen der Werte erschwert und sogar einen falschen Eindruck hinterlässt. Schlichte Diagramme ohne optischen Schnickschnack sind in der Wissenschaft erwünscht, trotz aller Verführung durch die elektronischen Gestaltungsmöglichkeiten. Von dem amerikanischen Statistiker Edward Tufte (1983) stammt das asketische Credo: Was man in einem Diagramm ohne Informationsverlust weggelassen kann, soll man es auch weglassen. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 71 5 Diagramme als Argumente 71 Isotypen Ursprünglich die Wiener Methode der Bildstatistik, dann das International System of Typografic Picture Education, beide Bezeichnungen stehen für eine spezielle Art der Visualisierung statistischer Befunde. Erfunden hat sie der Wiener Wirtschaftsstatistiker Otto Neurath (1882-1945), der mit seiner Bildpädagogik ein aufklärendes Anliegen verband: Er wollte gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorgänge so visualisieren, dass sie für jedermann einsichtig werden (Neurath, 1991). Über seinem Schreibtisch hing die Maxime: »Vereinfachte Mengenbilder sich merken ist besser, als genaue Zahlen vergessen.« Isotypen sind Varianten von Diagrammen, die Werte nicht mit Säulen, Balken und Linien, sondern mit Piktogrammen repräsentieren (ausführlich Hartmann & Bauer, 2006). Otto Neurath sprach nicht von einer visuellen Wende, sondern von einem »Jahrhundert des Auges«, aber er meinte damit ebenfalls eine Aufwertung des Bildes gegenüber der Sprache. Kommunikative Funktion. Ein Isotype-Diagramm hat eine ausdrückliche pädagogische Zielsetzung: Sie soll auch Personen eine Botschaft vermitteln, die sonst mit Zahlen und Statistiken wenig anfangen können. Es geht um eine Popularisierung und Demokratisierung von Wissenschaft. Kognitive Anforderung. Die Isotype versucht, die geistigen Anforderungen möglichst gering zu halten. Die grafische Gestaltung soll derart sein, dass die Botschaft sofort ins Auge springt. Deshalb wird alles überflüssige Beiwerk vermieden. Nach Neurath müssen drei Blicke ausreichen: Auf den ersten Blick erkennt man grund- Lesefreundlich beschriften. Zur Interpretation eines Diagramms sind die Beschriftungen unverzichtbar, da sie den Komponenten wie Skalen, Sektoren, Säulen ihre Bedeutung zuweisen. Deshalb müssen Achsenbeschriften, Skalenmaße und Werte leserlich sein, das verlangt nach einer lesbaren Schrift und einem ausreichenden Schriftgrad. Schräge Beschriftungen bei langen Ausdrücken sind zu vermeiden, dafür besser Abkürzungen oder Akronyme einführen. Die Beschriftungen müssen einer Komponente eindeutig zuordenbar sein (Gestaltgesetz der Nähe). Vorgaben beachten. Bei Diagrammen gilt dasselbe wie bei den Tabellen: Es gibt unterschiedliche Standards, die man beim Veröffentlichen in Fachzeitschriften oder Büchern berücksichtigen muss. Hinweise 72 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 72 II Gestalten von Bildern legende Zusammenhänge (z. B. Trends, Unterschiede), auf den zweiten Blick entnimmt man wichtige Einzelheiten, auf den dritten Blick kann man eventuell weitere Feinheiten herauslesen. Isotypen sind eine Visualisierungsform, die derzeit erfreulicherweise eine Renaissance erfährt (Müller, 1991). Zur Erstellung helfen umfangreiche Bilddatenbanken, die Piktogramme und Icons zur Verfügung stellen, sozusagen ein Bildschatz anstelle eines Wortschatzes. Isotypen eignen sich sehr gut zur Präsentation auf dem Bildschirm und über Beamer. Aber auch in Zeitungen findet man sie immer häufiger (Bild II.23). Isotypen eignen sich besonders zur Darstellung sozialstatischer Daten in der Demografie, Politologie oder Medizin. Wer Beispiele im Web sucht, der wird allerdings feststellen, dass oft auch komplexe Infografiken als Isotypen bezeichnet werden, obwohl sie nach Otto Neuraths Kriterien durchfallen würden (z. B. auf http: / / isotyp.com). Bild II.22: Klassisches Isotype-Diagramm. Hier wird die Landflucht eindrücklich veranschaulicht. Das visuelle Argument überzeugt auf den ersten Blick. Quelle: Müller, 1991. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 73 73 5 Diagramme als Argumente Gestalten von Isotypen Öffentliche Wissenschaft. Isotypen sind sinnvoll, wenn wissenschaftliche Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit durch Fachzeitschriften oder Zeitungen zugänglich gemacht werden. Aber Isotypen sollten nicht auf die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Laien beschränkt werden, für die Sozialwissenschaften ist diese Darstellung eine eindrückliche Alternative zu den üblichen Diagrammen. Einprägsame Piktogramme. Für eine bestimmte Quantität einer Variablen wird ein Piktogramm eingeführt. Es ist gewöhnlich als streng schematisierte Silhouette ausgeführt, ursprünglich arbeitete Neurath mit Scherenschnitten! Namhafte Grafiker haben derartige Piktogramm entworfen, z. B. Gerd Arntz (1900-1988) oder Rudolf Modley (*1906). Farbgebung. Es werden satte Farben in homogenen Flächen verwendet, deren Bedeutung unmittelbar einsichtig ist, z. B. Grün für Landwirtschaft und Grau für das Hinweise 100 active participants (more than 100 edits in the last month) 100 semi-active participants (more than 5 edits in the last month) 100,000 media files Data from http: / / stats.wikimedia.org as of January of each year Bild II.23. Modernes Isotype-Diagramm: Zunahme an Nutzern und Medienfiles von Wikimedia Commons. Quelle: Guillaume Paumier (2010), Wikimedia Commons. 74 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 74 II Gestalten von Bildern Da die beiden deutschsprachigen Klassiker Riedwyl (1987) und Zelasny (1999) vergriffen und nur noch in Bibliotheken zu bekommen sind, wird auf englische Literatur zurückgegriffen. Die Empfehlungen der American Psychological Association (APA) für Diagramme findet man übersichtlich zusammengestellt in: Nicol, Adelheid A. M./ Pexman, Penny M. (2010): Displaying your findings. A practical guide for creating figures, posters, and presentations. Washington: American Psychological Association. Eine kognitionspsychologisch fundierte Einführung in die Gestaltung von Diagrammen bietet das Buch: Kosslyn, Stephen M. (2006). Graph design for the eye and mind. New York: Oxford University Press. Wer sich für Diagramme in Form von Isotypen interessiert, dem sind zwei materialreiche Bücher empfohlen. Müller bietet ein etwas kurioses Sammelsurium an Ideen und Visualisierungen, Hartmann & Bauer entwickeln die Ideen von Neurath in ihrem in Typografie und Layout aufwändigem Buch weiter. Lesetipps Stadtleben. Die Farben dienen durch das Gestaltprinzip der Ähnlichkeit auch der visuellen Gruppierung. Vielfachprinzip. Die Häufigkeit wird durch die Anzahl von Piktogrammen angezeigt, aber keinesfalls durch Vergrößerung der Piktogramme, wie so oft in Zeitungen und Zeitschriften zu sehen. Überflüssige Information vermeiden. Wie Edward Tufte fordert, soll man auf jedes ornamentale und unnötige Beiwerk verzichten: keine Perspektive, keine 3-D-Darstellung, kein Achsenkreuz, überhaupt keine unnötigen Konventionen. Ziel ist eine reduzierte Eindeutigkeit. Nach Neurath ist der beste Lehrer der, der weglassen kann. Visuell Argumentieren. Die Anordnung soll auf den ersten Blick ein Argument vermitteln, das heißt, eine Behauptung visuell transportieren. Das Isotyp-Diagramm dient als »Denkwerkzeug« und bietet gleichzeitig eine »gefällige Augenweide«. Ein Isotyp-Diagramm ersetzt die Sprache und schafft eine visuelle Rhetorik. Man wollte möglichst ohne erklärenden Text auskommen. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 75 6 Orientierende Karten 75 6 Orientierende Karten Karten sind verkleinerte, vereinfachte und zweidimensionale Darstellungen von Territorien. Karten sind eine sehr alte Darstellungsform. Erste erhaltene kartografische Wandzeichnungen stammen aus dem Neolithikum, die erste brauchbare Karte von Anaximander von Milet um 541 v. Chr. Die Kartografie hat in Verbindung mit der darstellenden Geometrie eine Entwicklung als eigenständige wissenschaftliche Disziplin durchlaufen, wobei zunächst praktische Probleme eine Rolle spielten: Grenzziehung, Verkehrswege, Navigation, militärische Operationen usw. Kommunikative Funktion. Eine Karte dient der Vermittlung räumlicher Informationen, es geht um die räumliche Orientierung, die relative Lage von Orten, Entfernungen und topologische Beziehungen (neben, über, innerhalb, außerhalb). Wer nach einem Weg gefragt wird, der zeichnet eine Skizze, um umständliche sprachliche Beschreibungen zu vermeiden. Karten ersparen uns umständliche Texte, die nur sehr schwer in visuelle Vorstellungen umgesetzt werden können. Kognitive Anforderung. Grundsätzlich dienen externe Karten dem Aufbau mentaler Karten (cognitive Map), die dann unsere Orientierung anleiten. Die Auswertung von Karten wird in Kartenlesen und Interpretieren eingeteilt. Das »Lesen«, Müller, Karl H. (1991). Symbole, Statistik, Computer, Design. Otto Neuraths Bildpädagogik im Computerzeitalter. Wien: Verlag Hölder-Pichler-Tempsky. Hartmann, Frank & Bauer, Erwin K. (2006). Bildersprache. Otto Neuraths Visualisierungen. Wien: Facultas Wer sich für visuelle Manipulationen in Diagrammen interessiert, der sollte die Bücher von Krämer lesen. Der Autor lehrt Wirtschafts- und Sozialstatistik und hat an vielen Beispielen die Tricks zusammengetragen, mit den Daten falsch und verzerrt visualisiert werden. Als Ergänzung dazu-- für alle, die positiv denken-- gibt es von ihm ein Buch, wie man es besser machen kann: Krämer, Walter (1997). So lügt man mit Statistik. Frankfurt am Main/ NewYork: Campus. Krämer, Walter (1994). So überzeugt man mit Statistik. Frankfurt am Main/ NewYork: Campus. Lesetipps 76 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 76 II Gestalten von Bildern also die visuelle Auswertung, kann über Augenbewegungen erfasst werden und dient dem Erkennen der Komponenten und ihrer räumlichen Anordnung. Das Interpretieren geht über das Gesehene hinaus und erfordert die Vertrautheit mit den visuellen Konventionen. Diese speziellen Skills, die Map Literacy wird erst in den letzten Jahren näher erforscht (Verdi & Kulhavy, 2002; MacEachren, 1995). Karten werden in zwei Situationen genutzt: 1. Man kann aus einer Karte ohne Kontakt mit der Realität eine Vorstellung über räumliche Zusammenhänge entwickeln. Das geschieht, wenn man als »Armchair-traveller« mit einer Karte eine Urlaubsroute plant. Wenn der Maßstab bekannt ist, ist eine geometrische Kartenauswertung möglich, um Entfernungen zu ermitteln. 2. Man kann sich mit einer Karte von einem Standort aus orientieren, z. B. um auf einer Messe einen bestimmten Stand mit Hilfe eines Lageplans zu finden. Beim Vergleich zwischen Karte und Feld wird die zentralperspektivische Wahrnehmung der Wirklichkeit mit der schematisierten und vereinfachten Darstellung in der Karte verglichen, um sich für einen Weg zu entscheiden. In beiden Fällen bauen wir mit Hilfe der externen Karte eine mentale Karte auf (Montello, 1998). Dies gelingt nur, wenn wir die Zeichen der Karte mit Objekten in der Wirklichkeit identifizieren, dazu sind Vorwissen und Vorstellungsvermögen notwenig. Ein schönes Beispiel ist das Verstehen der Höhenlinien in einer topografischen Karte. Zuerst müssen wir wissen, dass eine durchgezogene Linie auf der Karte ein Höhenniveau symbolisiert. Das lernen wir im Geografieunterricht, aber sich aus der Anordnung der Linien die Geländeform vorzustellen, ist eine weitergehende Fähigkeit, die trainiert werden kann. In der Kartografie werden Abbildkarten, topografische Karten und thematische Karten unterschieden. Sie können als Abfolge zunehmender Verallgemeinerung aus der Wirklichkeit verstanden werden. Abbildkarten Das sind Abbilder (Luftbilder), die von Flugzeugen oder Satelliten analog oder digital fotografiert werden, z. B. die Karten, die wir von GoogleEarth oder vom Mars kennen. Abbildkarten werden meist mit symbolischen Zeichen angereichert. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 77 6 Orientierende Karten 77 Topografische Karten Diese Karten kennt jeder aus dem Schulatlas: Sie repräsentieren die Oberflächenbeschaffenheit und die topologischen Zusammenhänge auf der Erde. Diese Karten entstehen auf der Grundlage von Luftbildern und Vermessungen, verzichten aber auf viele Details zugunsten einer Übersichtsinformation, die mit Symbolen (Farben, Städtesymbole, Höhenlinien) angereichert ist. Ein Untertyp sind die Plan Maps, damit werden Stadtpläne, Straßenkarten, Anfahrtsskizzen, Standortpläne, Verkehrsnetze, auch Navigationsdisplays zusammengefasst. Thematische Karten (Kartogramme) Sie zeigen meist nur die Umrisse eines Territoriums, in denen Informationen mit symbolischen oder ikonischen Zeichen eingetragen sind. Beispiele: Verschiedene Farben für mittlere Jahrestemperaturen oder Piktogramme, welche die Vorkommen von Bodenschätzen visualisieren. Diese Karten kombinieren ein Abbild mit konventionalisierten Zeichen (Signaturen). Wir referieren hier nicht die umfangreichen Richtlinien der Kartographie (dazu ausführlich MacEachren, 1995; Kohlstock, 2010), sondern konzentrieren uns auf Plan Maps, das sind Übersichtskarten wie sie immer wieder in Fachtexten vorkommen. Bild II.24: Lageplan der Zitadelle Cyriaksburg. Außer dass die Bezugsziffern etwas zu klein geraten sind, ist dieser Lageplan sehr übersichtlich. Quelle: Lukas Götz, Tom Kidd, 2011, Wikimedia Commons. 78 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 78 II Gestalten von Bildern Gestalten von Übersichtsplänen Klare visuelle Organisation. Viele Richtlinien anderer Bildtypen gelten auch für Karten. Die Gestaltung einer Karte muss von der Botschaft ausgehen, die sie visuell vermitteln möchte, und sie muss die Adressaten berücksichtigen. Die zentrale Aussage muss auch visuell sofort ins Auge springen Das Figur-Grund-Prinzip und die Gestaltgesetze sind von großer Bedeutung für eine eindeutige visuelle Organisation. Die Beschriftungen (Labels) von Komponenten müssen eindeutig zuordenbar und lesbar sein (Kosslyn, 2006, 235 f). Orientierungsspezifität. Eine Karte ist unterschiedlich schwierig zur Orientierung zu benutzen, je nachdem wie sie ausgerichtet ist. Bevorzugte Richtung ist dabei diejenige, bei der die obere Kante dem Gelände zugekehrt ist und links und rechts auf der Karte mit rechts und links dem Gelände übereinstimmen: Diese Vorne-oben-Ausrichtung ist für die Orientierung und Fortbewegung am verständlichsten (Levine 1984). Sie ist auch die übliche Ausrichtung bei Navigationssystemen. Jede andere Orientierung macht kognitiv aufwändige Rotationen notwendig und ist deshalb zu vermeiden. Karten einnorden. Landkarten sind konventionell stets eingenordet, zumindest sollte der Norden z. B. mit einer Windrose anzeigt sein. Maßeinheiten angeben. Bei jeder Karte muss in der Legende der Maßstab bzw. der Verkleinerungsgrad angegeben werden. Dabei gilt: je kleiner der Maßstab, desto weniger detailliert die Karte. Die in der Geografie konventionelle Angabe z. B. 1 : 25 000 ist dabei schwer verständlich. Auch wer weiß, dass damit ein Zentimeter auf der Karte 25 000 Zentimetern in der Wirklichkeit entspricht, muss erst errechnen, dass damit 1 cm auf der Karte 250 Metern in der Wirklichkeit sind (das ist der Maßstab einer Wanderkarte). Zudem stimmt die Angabe nicht mehr, sobald die Karte beim Einfügen in einen Text kleiner oder größer gezogen wird. Am verständlichsten ist die Angabe einer Maßstabsskala am Rande der Karte, sie erleichtert das Abschätzen von Entfernungen und sie wächst und schrumpft proportional mit der Grafikgröße. Zum Schätzen von Entfernungen ist ein dünnes Gitternetz als formaler Rahmen hilfreich. Anhaltspunkte setzen. Zur Orientierung in einer Karte ist es sehr nützlich, einen visuellen Anker anzubieten, z. B. die Hauptstadt, eine Hauptverkehrsader (Bahn oder Straße), ein zentrales Gebäude. Zur räumlichen Einordnung ist die Anwendung der Lupe zu empfehlen: Ein kleines Territorium wird in einen größeren geografischen Kontext eingebunden, wie man das z. B. bei den Hintergrundkarten in den Fernsehnachrichten sieht. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 79 7 Prägnante Piktogramme 79 7 Prägnante Piktogramme Piktogramme begegnen uns im Alltag vor allem zur Orientierung in öffentlichen Räumen, als Gebrauchshinweise auf verschiedenen Produkten und als Icons zur Navigation auf dem Bildschirm. In Fachtexten sind sie vor allem in der technischen Dokumentation als Warnhinweise zu finden: »Vorsicht vor offenem Feuer! « »Achtung: Nicht mit nassen Händen anfassen! « Sie informieren über Art und Quelle der Gefahr, Intensität der Gefahr, Folgen der Gefahr und mögliche Gegenmaßnahmen. Auch Logos und Markenzeichen gehören zu den Piktogrammen. Unter einem Piktogramm versteht man ein einfaches, schematisiertes Bildchen mit einer klaren Funktion. Kommunikative Funktion. Das Piktogramm soll sprachfrei einen Begriff aktivieren, der eine Handlung auslöst oder unterdrückt. Es dient der Orientierung und der Handlungssteuerung. Das Piktogramm entspricht sprachlich oft einem Gebot oder Verbot. Eindeutige Symbole verwenden. In thematischen Karten müssen symbolische Einfärbungen und Texturen klar unterscheidbar bleiben. Bei Graustufen sind drei, höchstens fünf Abstufungen zu empfehlen, Farben müssen sich deutlich in Farbton und in Helligkeit - wegen der farbschwachen Nutzer - unterscheiden. Ikonische Piktogramme sind schneller zu verstehen als symbolische Zeichen, beide müssen jedoch in einer Legende eingeführt werden. Hinweise Karten repräsentieren die Wirklichkeit natürlich nie genau, sondern reduzieren immer. Aber wie Diagramme sind auch Karten anfällig für verschiedene visuelle Manipulationen. Was alles aus politischen, militärischen oder anderen Gründen verfälscht werden kann, das zeigt dieses Buch eines Kartographen. Monmonier, Mark (1996): Eins zu einer Million. Die Tricks und Lügen der Kartographen. Basel: Birkhäuser. Lesetipp 80 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 80 II Gestalten von Bildern Kognitive Anforderung. Ein Piktogramm muss auf einen Blick erkannt werden, ohne über seine Bedeutung nachzugrübeln. Damit keine Durchmusterung mit den Augen notwendig ist, sollte ein Piktogramm genau in die Fovea centralis der Netzhaut fallen. Deshalb ist es in schriftlichen Dokumenten klein. Man kann drei Typen von Piktogrammen unterscheiden: Ikonische oder symbolische Piktogramme und hybride Piktogramme, die sich aus ikonischen und symbolischen Zeichen zusammensetzen. Ikonische Piktogramme Schematisierte, auf wesentliche visuelle Merkmale reduzierte prototypische Abbilder, zum Beispiel eine stilisierte Hand, die auf einen Merksatz hinweist. Ikone sollen ohne Vorwissen sozusagen selbstverständlich sein. Es ist experimentell erwiesen, dass prototypische Abbilder schneller erkannt werden als untypische Abbilder einer Klasse. Aber wie findet ein Piktogramm-Designer den jeweiligen Prototypen? Zwei Methoden haben sich bewährt: • Die Adressaten äußern ihre Vorstellungen zu einem Begriff. Das am häufigsten genannte Motiv wird für das Piktogramm gewählt. • Den Adressaten wird eine Reihe von ausgearbeiteten Piktogramm-Vorschlägen vorgelegt und sie dürfen daraus auswählen. Symbolische Piktogramme Konventionelle Zeichen, die innerhalb einer Kultur gelernt werden müssen z.B. das Summenzeichen ∑ aus der Mathematik. Symbole müssen bekannt sein oder ausdrücklich eingeführt werden. Das Bild II.25 zeigt ein Symbol, das vor der Gefahr einer biologischen Verseuchung oder Ansteckung warnt. Es wurde in folgenden Schritten entwickelt (Baldwin & Runkle, 1967): Bild II.25: Piktogramm für Biogefährdung. Diesem symbolischen Zeichen würde kein Mensch spontan seine Bedeutung ansehen, es muss einmal gelernt werden. Quelle: Torsten Hennig (2006), Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 81 7 Prägnante Piktogramme 81 1. Zuerst wurden Grafiker gebeten verschiedene, möglichst bedeutungsfreie Formen zu entwerfen. 40 Entwürfe wurden in die weiteren Tests einbezogen. 2. Mit einem Assoziationstest wurde der Bedeutungsgehalt der grafischen Formen überprüft: Je weniger den Versuchspersonen zu der Form einfällt, desto bedeutungsloser ist sie. 3. Mit einem Wiedererkennungstest wurde die gute Erkennbarkeit der grafischen Formen überprüft. 4. Schließlich wurde die Form mit bester Erkennbarkeit und geringstem Bedeutungsgehalt ausgewählt. Die Idee dahinter: Je weniger Assoziationen eine Form hervorruft, desto eindeutiger kann es mit einer konventionellen Bedeutung verbunden werden. Man muss die Bedeutung zwar lernen, aber dann ist keine Verwechslung mehr möglich. Hybride Piktogramme Viele Piktogramme setzen sich aus ikonischen und symbolischen Anteilen zusammen, zum Beispiel etliche Verkehrszeichen. In wissenschaftlichen Texten können Piktogramme als Marginalien (=-Randzeichen) gesetzt werden, z. B. um bestimmte Textbausteine wie Zusammenfassung, Aufgabe, Merksatz zu kennzeichnen. Mit piktografischen Marginalien werden optische Signale neben den Basistext gesetzt, um die Orientierung in einem größeren Dokument zu erleichtern. Derartige Piktogramme ornamentieren und personalisieren einen Text. Piktogramme kommen auch als bildliche Zusätze in Abbildern, Charts oder Diagrammen vor (wie z. B. die Männer in der Isotype in Bild II.22). Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, an piktografische Marginalien zu kommen: Es gibt in jedem Textverarbeitungsprogramm Fonts mit Sonderzeichen oder Cliparts, in denen sich für die üblichen Verwendungen Piktogramme finden lassen. Zudem kann man im Web zahlreiche freie oder kostenpflichtige Icon-Sammlungen herunterladen (z. B. bei http: / / sw-guide.de/ webdesign-und-entwicklung/ icon-sammlungen/ ). Wer Spaß daran hat, kann seine Piktogramme selbst entwerfen, das gibt jeder Arbeit einen individuellen Touch. Die Entwicklung eines ästhetisch gelungenen und kommunikativ effektiven Piktogramms ist aber keine leichte Aufgabe. 82 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 82 II Gestalten von Bildern Die folgenden Regeln helfen bei der Auswahl oder der Entwicklung von effektiven Piktogrammen (Ballstaedt, 1994). Dabei darf sich ein Designer nicht allein auf seine Wahrnehmung und seine Interpretation verlassen. Ein Piktogramm sollte entweder mit empirischen Methoden entwickelt oder empirisch evaluiert werden. Bild II.26: Piktogramme als Marginalien. Ein Set von Piktogrammen als Randzeichen in Fachtexten. Quelle: WEKA Autorenhandreichung, 2004, S. 72. Gestalten von Piktogrammen Eindeutige visuelle Organisation. Ein effektives Piktogramm besitzt eine eindeutige visuelle Organisation aus einer einfachen Figur, die sich deutlich vor einem Hintergrund abhebt. Piktogramme müssen - gestaltpsychologisch gesprochen - Prägnanz besitzen. Die Figuren sind deshalb meist schematisch als Outline oder Silhouette ausgeführt, die Silhouette bildet einen besseren Kontrast zum Grund. Auf Details verzichten. Prägnanz wird vor allem durch Weglassen unnötiger Details erreicht. Das Piktogramm soll auf einen - den ersten - Blick erkannt und verstanden werden, ohne dass die Augen es durchmustern müssen. Das bedeutet vor allem, dass nicht zu viele Zeichen (Komponenten) verwendet werden, denn jedes einzelne Zeichen muss erkannt, verstanden und im Zusammenhang interpretiert werden. Prototypisch Abbilden. Ikonische Komponenten eines Piktogramms müssen leicht erkennbare Abbilder sein. Der Prototyp ist entweder ein bestimmtes Exemplar der Klasse und kann diese vertreten oder der Prototyp ist kein bestimmtes Exemplar, Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 83 83 7 Prägnante Piktogramme sondern eine geistige Zusammenfassung der wichtigsten visuellen Komponenten. Der Hammer ist als bestimmtes Exemplar ein prototypisches Werkzeug, das Stemmeisen weniger. Schematisierte Autos auf Verkehrsschildern sind keine bestimmten Exemplare, sondern Prototypen, die für jeden PKW stehen. Überzeichnen. Eine drastische Übertreibung der Darstellung bis zur Karikatur zieht die Aufmerksamkeit auf sich und entfaltet eine intensivere Wirkung. Dies gilt auch für die Abbildung von Gesten, Körperhaltungen und Gesichter (man denke an die Wirkung von Masken). Es ist sicher kein Zufall, dass sich die archaische Abbildung eines Totenschädels bis zum heutigen Tag als Warnpiktogramm erhalten hat. Also Mut zu ungewöhnlichen Piktogrammen! Eindeutige Symbole verwenden. Viele Piktogramme enthalten symbolische Zeichen, deren Nutzen gegenüber ikonischen Zeichen verschieden beurteilt wird. Der Nachteil: Symbole sind nicht wie Abbilder intuitiv verständlich, sondern müssen erst gelernt werden. Allerdings haben auch ikonische Piktogramme immer wieder zu Missverständnissen Anlass gegeben. Der Vorteil: Das Zeichen muss zwar erst gelernt werden, ist dann aber eindeutig auf eine Bedeutung festgelegt. So wissen wir alle, dass ein roter Kreis auf einem Verkehrszeichen ein Verbot bedeutet. Dabei ist wichtig, Hinweise Bild II.27: Piktogramm für Umweltgefährdung. Dieses Piktogramm enthält eine Silhouette (der Baum) und ein Strichbild (der Fisch). Das Piktogramm ist zwar standardisiert, aber auf den ersten Blick nicht verständlich. Es könnte z. B. auch bedeuten: In kalten Wintern sterben die Fische. Quelle: Torsten Henning (2008), Wikimedia Commons. Bild II.28: Überzeichnete Piktogramme: Der Totenschädel mit gekreuzten Knochen warnt eindrücklich vor Lebensgefahr. Das Piktogramm für Lektüretipp mit dem karikierten Bücherwurm zieht die Aufmerksamkeit eher an als ein abgebildetes Buch. Quelle: Cliparts aus dem Internet. 84 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 84 II Gestalten von Bildern Zusammenfassung Wer einen Text bebildert, der kann vor drei Situationen stehen: 1. Er stellt seine Bilder, z. B. Fotos, Diagramme oder Charts, selbst her. Das ist heute mit den digitalen Möglichkeiten kein unüberwindbares Hindernis-- früher musste man sie noch in Auftrag geben. 2. Er übernimmt für seine Argumentation ein Bild aus einer anderen Publikation, das ist innerhalb wissenschaftlicher Arbeiten erlaubt, man sollte allerdings die Genehmigung dazu einholen (Kapitel IV.6). 3. Er modifiziert ein Bild eines anderen Autors, zeichnet einen weiteren Kasten in ein Chart oder hebt einen Befund in einem Diagramm hervor. In allen drei Fällen muss für die Bilder die gleiche Sorgfalt gelten als für Texte. Sie müssen so gestaltet sein, dass die Voraussetzungen der Adressaten und die Funktion der Bilder für den Text in Einklang stehen. Dabei spielt die Berücksichtigung wahrnehmungspsychologischer Richtlinien eine große Rolle, damit die Bilder nicht zu Bilderrätseln werden. Jeder dass das grafische Zeichen, das zu einem Symbol werden soll, möglichst keine anderen Assoziationen aufruft. Auffällige Farben wählen. Piktogramme sollen Aufmerksamkeit erregen. Aus Untersuchungen weiß man, welche Farben besonders auffallen: reines, gesättigtes, helles Orange oder Rot. Deshalb sind dies die Signalfarben bei Sicherheits- und Warnpiktogrammen. Bei mehrfarbigen Piktogrammen sollte man auf harte Kontraste setzen, am häufigsten wird ein Bunt-unbunt-Kontrast gewählt. Farben transportieren auch kulturelle symbolische Bedeutungen, die man bei der Gestaltung von Piktogrammen berücksichtigen muss. So wird Violett mit klerikal, feministisch oder depressiv assoziiert, Hellgrün mit gesund, Blau mit seriös, technisch, fern usw. Hinweise Ackermann, Marion (Hg.) (2007): Piktogramme. Die Einsamkeit der Zeichen. Kunstmuseum Stuttgart Das Buch dokumentiert eine Ausstellung des Kunstvereins Stuttgart, in der die Funktion und Wirkung von Zeichen von der Gebrauchsgrafik bis zur Kunst untersucht wird. Eine Sammlung sehr interessanter Aufsätze und Exponate. Lesetipp www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 85 85 Zusammenfassung Bildtyp muss in seinen kommunikativen Stärken eingesetzt werden. Überschaut man die Richtlinien für die verschiedenen Bildtypen, so fällt auf, dass es eigentlich immer um die Erleichterung der Informationsentnahme geht. Ein effektives wissenschaftliches Bild mutet den Betrachtenden keine unnötigen Verarbeitungsprozesse zu. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 86 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 87 Zusammenfassung Prägnante Piktogramme 87 III Anwenden visueller Konventionen Kunsthistorikern ist es selbstverständlich, dass alte Stile beim Bildermachen oft Konventionen verwendeten, die gelernt werden mussten. Ernst Gombrich 1 Ansichten, Risse 2 Perspektiven 3 Einsichten 4 Aufbau, Komponenten 5 Bewegungen 6 Handlungen 7 Unterschiede 8 Vergleiche Zusammenfassung In diesem Kapitel geht es um die visuellen Zusätze in Bildern, welche die Schwächen des bildlichen Kodes ausgleichen und damit die visuelle Kommunikation ausweiten. Wir haben Konventionen zur räumlichen Darstellung, zum Aufbau aus Komponenten und zur Darstellung von Bewegungen und Handlungen unterschieden. Dabei konzentrieren wir uns auf Konventionen, die für die fachliche bzw. wissenschaftliche Kommunikation erfunden wurden. Das Verstehen von Konventionen macht einen Teil der visuellen Literalität aus und kann eine Hürde für interkulturelle visuelle Kommunikation darstellen. 88 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 88 III Anwenden visueller Konventionen 1 Ansichten, Risse Eine Lösung für das Problem, dreidimensionale Räume auf einer zweidimensionalen Ebene abzubilden, ist die Aufteilung in Ansichten: Draufsicht, Seitensicht, Untersicht, Rückansicht, in der Architektur bekannt als Grundriss, Seitenriss, Aufriss. Diese Form der mehrseitigen Darstellung eines räumlichen Körpers geht auf Albrecht Dürer zurück. Geometrisch handelt es sich um Parallelprojektionen, d. h. zweidimensionale Aufsichten. Der Vorteil: Dreidimensionale Gebilde werden so auf einer Ebene abgebildet, dass Maße und Proportionen abzulesen sind. Ansichten sind deshalb in der Architektur und der Technik unverzichtbar, denn die Zeichnungen dienen der genauen Festlegung für die Konstruktion (deshalb auch die Bezeichung »Bauzeichnungen«). Für einen technischen Laien ist es schwer, die Ansichten bzw. Risse in eine räumliche Vorstellung umzusetzen. V Vorderansicht Aufriss SL Seitenansicht links Seitenriss, Kreuzriss SR Seitenansicht rechts D Draufsicht, Aufsicht Grundriss U Untersicht R Rückansicht Technische Zeichnungen Technische Zeichnungen dienen der eindeutigen Kommunikation zwischen Ingenieuren (Konstrukteuren) und Facharbeitern, die das Objekt anfertigen sollen. »In der technischen Zeichnung ist das räumliche Werkstück durch senkrechte Parallelprojektion in den notwendigen Ansichten dargestellt. Die Bemaßung legt dabei die Form und Abmessungen des Werkstückes eindeutig fest« (Hoischen & Hesser, 2009, 5). Technische Zeichnungen sind Strichbilder, die grundsätzlich maßstabsgetreue Ansichten zeigen. Die Maße sind dabei meist mit dünnen Doppelpfeilen angetragen, deren beiden Spitzen die Länge markieren. Der technische Laie steht dabei meist vor zwei Problemen: www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 89 1 Ansichten, Risse 89 1. Es ist für viele Personen schwierig, aus den isolierten Ansichten mental das Aussehen des dreidimensionalen Objekts zu konstruieren, sie können sich das abgebildete Objekt nicht vorstellen. Ein Beispiel zeigt das Bild III.2, aus dem das Aussehen die Pumpe nicht zu entnehmen ist 2. Eine weitere Verstehenshürde stellen die zahlreichen Einzelzeichen dar, deren Bedeutung man kennen muss: Jeder Linienart, jeder Schraffur ist eine Bedeutung zugeordnet. Es gibt zahlreiche Zeichnungsnormen (dort auch als »Sinnbilder« bezeichnet), die man lernen muss- - nicht umsonst ist technischer Zeichner oder technische Zeichnerin ein eigenständiger Beruf. Bild III.1: Dreitafelprojektion. 1. Parallelprojektion eines Körpers auf die Seiten eines Projektionsquaders, d. h. auf sechs Bildebenen. 2. Entfaltung des Projektionsquaders, 3. Die sechs Ansichten nach der europäischen Konvention, in den USA wird anders aufgefaltet. Quelle: Wikimedia Commons, Iseeboar vectorized by Biezl. 1. 2. 3. 90 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 90 III Anwenden visueller Konventionen Die technische Zeichnung ist ein Beispiel für exakte visuelle Kommunikation, bei der die Konventionen festgeschrieben, d. h. normiert sind, um Missverständnisse zu vermeiden und maßstabsgetreu abzubilden. Bild III.2: Technische Zeichnung einer Doppelmembran-Pumpe. Mit Bezugsziffern werden vier Schrauben bzw. Muttern angezeigt. Quelle: Hugo Brennenstuhl GmbH, Betriebsanleitung. Bild III.3: Symbole in technischen Zeichnungen. Schraffuren sind nach DIN 201 genaue Bedeutungen zugeordnet. Quelle: Jahobr (2007), Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 91 2 Perspektiven 91 2 Perspektiven Unter der Bezeichnung »Perspektiven« werden weitere Lösungen des Problems zusammengefasst, die dreidimensionale Wirklichkeit auf einer zweidimensionalen Fläche (Leinwand, Papier, Bildschirm) abzubilden. Vor und nach der Entdeckung der Perspektiven gab und gibt es andere Mittel, auf einer Fläche einen Eindruck von Tiefe und Räumlichkeit zu erzeugen. Beim natürlichen Sehen gibt es optische Hinweise, die unser Sehapparat für Räumlichkeit auswertet und die auch in Abbildern zur Darstellung von Räumlichkeit genutzt werden (Goldstein, 2002). Verdeckung. Teilweise verdeckte Gegenstände liegen hinter verdeckenden Objekten. Dies führt zu dem Kulisseneffekt mit verschiedenen Ebenen. Im Bild III.4 verdeckt der Baum Teile des Hintergrunds und wird deshalb als Objekt im Vordergrund wahrgenommen. Größe. Objekte in der Ferne sehen kleiner aus als in der Nähe. Je größer der Sehwinkel und damit die Größe des Objekts im Gesichtsfeld, um so näher scheint das Objekt. Gestalten von Ansichten Informative Oberflächen. Ansichten entsprechen unserer natürlichen Wahrnehmung, wenn wir einen Gegenstand von vorne, von der Seite, von oben oder unten explorieren. »Wer einen Gegenstand betrachtet […], der versucht immer, ihn so zu drehen oder einen entsprechenden Standpunkt einzunehmen, dass er senkrecht auf eine Fläche blickt, weil er dann Details (…) am deutlichsten wahrnimmt, ohne perspektivische Verkürzung« (Zieten, 1990, 113). Ansichten mit Abbild kombinieren. Für technische oder architektonische Laien sind isolierte Ansichten recht unanschaulich und oft unverständlich. Deshalb sollte man sie gar nicht oder nur verbunden mit einer perspektivischen Abbildung des Gegenstandes einsetzen. Normen berücksichtigen. Für die korrekte Gestaltung von Ansichten bzw. Rissen gibt es eine umfangreiche Spezialliteratur (für technische Zeichnungen ausführlich Hoischen, 2009). ISO 5456 und ISO 128-30 normieren die Projektionen. Hinweise 92 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 92 III Anwenden visueller Konventionen Farbabstufungen. Objekte, die in der Wahrnehmung blasser erscheinen, werden als entfernter interpretiert. In Bildern von Malern oder in Fotos erzeugen Abstufungen der Helligkeit und Sättigung einen Tiefeneindruck. Diese sogenannte atmosphärische »Perspektive« oder Farbperspektive zeigt das Bild III.4. Texturen. Oberflächenstrukturen, z. B. ein gepflügter Acker oder Geröll, wirken in die Tiefe komprimiert, d. h. die Objekte und die Abstände zwischen ihnen werden in der Wahrnehmung kleiner. Einen derartigen Texturgradienten zeigt das Bild-III.5. Umgangssprachlich verstehen wir unter Perspektive (lat. perspicere =-hindurchsehen) die Betrachtungsweise oder den Blickwinkel, den wir auf einen Gegenstand haben. Die natürliche Perspektive beim Sehen von Räumen und Objekten erfolgt mit zwei Augen und mit Bewegungen des Kopfes und des Körpers. Ein Foto friert eine derartige Perspektive als zweidimensionales Abbild ein. Die künstliche Perspektive ist eine geometrische Theorie des Abbildens von Räumen und Objekten auf einer Fläche, die in der Renaissance ausformuliert wurde. Die künstliche Perspek- Bild III.4: Farbperspektive. Die Berge wirken hintereinander gestaffelt, da die Sättigung des Blaugraus abnimmt und die Helligkeit zunimmt. Quelle: Ballstaedt. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 93 2 Perspektiven 93 tive kann zwar der natürlichen Perspektive sehr nahe kommen, aber nie werden wir ein statisches Abbild mit der Wirklichkeit verwechseln. Vielleicht hat es beim Überblick über die visuellen Konventionen im Kapitel I.3 Verwunderung ausgelöst, dass die Perspektive zu den Konventionen gezählt wird. Aber es gibt nicht nur eine Form der Perspektive, sondern-- wie wir gleich sehen-- mehrere Perspektiven zur räumlichen Darstellung, aus denen ein Bildgestalter auswählen kann. Die Wahl einer Perspektive hat eine kommunikative Funktion, denn sie legt den Standpunkt fest und bestimmt damit, was gesehen, was verdeckt und was verzerrt wahrgenommen wird. Die Wahl der Perspektive ist immer eine Interpretation der Szene mit ihren Objekten. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky hat einen Aufsatz mit dem Titel « Die Perspektive als symbolische Form« geschrieben, in dessen Nachfolge Nelson Goodman behauptet (1995, 25), dass das Verstehen perspektivisch gemalter Bilder gelernt werden muss. Auch wer diese extreme Position für den Betrachter eines Bildes nicht akzeptiert, wird zugeben, dass der Bildgestalter sich Gedanken über die Wahl der Perspektive machen muss. Wir unterscheiden Fluchtpunktperspektiven und Parallelperspektiven. Eine Einführung in die geometrische Konstruktionen können wir hier nicht geben (dazu Störzbach, 2010). Zur Veranschaulichung machen wir uns alle Perspektiven am Abbild eines Würfels klar. Bild III.5: Texturgradient. Dieses Foto des Watts erzeugt einen Tiefeneindruck durch die Texturen des Sandes, die kleiner werden. Quelle: Ballstaedt. 94 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 94 III Anwenden visueller Konventionen Fluchtpunktperspektiven Je nachdem, wie ein Gegenstand im Raum aufgestellt ist und in welcher Höhe die Augen liegen, ergeben sich unterschiedliche perspektivische Ansichten, die das Bild III.6 zeigt. Zentralperspektive oder Einpunkt-Perspektive. Hier liegt der Würfel so, dass eine Fläche frontal vor dem Betrachter liegt. Die Breite und Höhe der Kanten bleiben im Abbild also unverzerrt, nur die Tiefenkanten sind nicht mehr parallel, sondern laufen auf einen Fluchtpunkt zu. Bekanntes Beispiel: Die Schienen, die im Unenda) Ein Fluchtpunkt: Zentralperspektive b) Zwei Fluchtpunkte: Eckperspektive c) Drei Fluchtpunkte: Luftperspektive F 2 F 1 F 2 F 1 F F 3 Bild III.6: Ein Würfel in a) Zentralperspektive, b) Eckperspektive und c) Luftperspektive. Bei Zentralperspektive bleiben die parallelen Linien der Breite und Höhe erhalten, bei Eckperspektive nur noch die parallelen Linien der Höhe, bei Luftperspektiven gibt es gar keine parallelen Linien mehr. Anders ausgedrückt: Die Verzerrungen der Abbilder nimmt zu. Quelle: www.zeichenclub.de www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 95 2 Perspektiven 95 lichen in einem Punkt zusammenlaufen. So sehen wir einen Gegenstand, einen Innenraum oder eine Landschaft, wenn wir frontal gegenüberstehen. Die Zentralperspektive oder Frontperspektive gilt als die »naturgetreuste« Form der Abbildung, die in der Renaissance von Künstlern und Wissenschaftlern zur Blüte gebracht wurde. Die Perspektive dient hier dazu, die menschliche Wahrnehmung möglichst exakt zu konservieren. Je nach Standort des Betrachtenden haben Perspektiven verschiedene kommunikativer Funktion: • Normalperspektive. Der Gegenstand (oder die Person) steht uns auf Augenhöhe- - das sind etwa 1,60 m gegenüber. Das entspricht unserer alltäglichen Wahrnehmung. • Leichte Obersicht. Der Standpunkt des Betrachtenden ist leicht erhöht, z. B. die Sicht eines Stehenden auf einen Sitzenden. Der Sitzende wirkt dabei klein und untergeordnet. • Vogelperspektive. Sicht von sehr weit oben, z. B. Blick aus einem Fenster oder von einem Turm. Die Vogelperspektive ist ungewohnt und nicht alltäglich, sie macht Objekte und Personen zum Spielzeug. • Leichte Untersicht. Der Standpunkt des Betrachtenden ist leicht erniedrigt, z. B. wenn man zu jemandem aufschaut. Der Abgebildete wirkt dominant und eher unsympathisch. • Froschperspektive. Sicht von sehr weit unten auf einen Gegenstand. Auch diese Sicht ist eher ungewohnt und erzeugt deshalb Aufmerksamkeit. Eine Person aus der Froschperspektive wirkt bedrohlich, ein Gegenstand scheint auf einen zuzustürzen. • Schrägsicht. Bisher gingen alle Perspektiven von einer vertikalen Horizontlinie aus. Durch Kippen, z. B. durch Drehen einer Kamera, geraten wir sozusagen aus dem optischen Gleichgewicht-- ein extremes Stilmittel. Eckperspektive oder Zweipunkt-Perspektive. Hier steht der Gegenstand schräg so vor dem Betrachter, dass nur die Höhe einer Kante erhalten bleibt, alle Flächen sind verzerrt. Die Kanten der Breite wie der Tiefe sind im Abbild nicht mehr parallel, sondern laufen in zwei Fluchtpunkten zusammen, die auf der Horizontlinie liegen. Diese Perspektive wirkt vor allem bei architektonischen Objekten sehr eindrucksvoll. 96 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 96 III Anwenden visueller Konventionen Luftperspektive oder Dreipunkt-Perspektive. Hier hat der Betrachtende einen extrem erhöhten Standpunkt oberhalb des Objekts. Hier gibt es im Abbild keine parallelen Linien mehr, sondern die Linien der Breite, Höhe und Tiefe laufen jeweils auf einen Fluchtpunkt zu. Wir sehen den Gegenstand z. B. wie aus einem Flugzeug, das auf ein Gebäude zufliegt. Das führt zu sehr starken Verzerrungen, die gern in Karikaturen oder Traumwelten benutzt werden. Beim natürlichen Sehen ändert sich durch Körper- und Kopfbewegungen die Perspektive ständig, bei einem stillen Abbild muss sich der Bildautor bzw. die -autorin für eine Perspektive entscheiden. Diese Festlegung hat eine kommunikative Dimension, denn sie bestimmt, von welchem Standort ein Betrachtender was sieht und was verdeckt oder verkleinert und verzerrt wird. Wer fotografiert, der legt durch den Standort, die Brennweite und die Distanz zum Gegenstand die Perspektive für die Betrachtenden fest. Wer zeichnet, der konstruiert die Perspektive nach geometrischen Regeln. Und wer am Computer gestaltet, der gibt die Parameter für die perspektivische Darstellung ein. Horizont FP-1 Vogelperspektive Bild III.7: Zentralperspektive mit verschiedenen Standorten. In einer Vogelperspektive schaut man auf den Würfel, in einer Forschperspektive unter den Würfel. Quelle: www.kunstkursonline.de www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 97 2 Perspektiven 97 Parallelperspektiven Die Parallelperspektiven (auch Axonometrie) entsprechen nicht der natürlichen Wahrnehmung. Sie sind vielmehr mit bestimmten kommunikativen Absichten künstlich konstruiert, was von den Bildbetrachtenden allerdings oft gar nicht bemerkt wird. Wenn man sich den oder die Fluchtpunkte ins Unendliche verschoben denkt, dann bleiben die Linien, die am Objekt parallel verlaufen, auch im Abbild parallel, d. h. es gibt keinen Fluchtpunkt. Gegenüber den Fluchtpunktperspektiven, die den Wahrnehmenden als Bezugspunkt haben, rückt jetzt das Objekt ins Zentrum. Die Abbildung zeigt nicht, was wir genau sehen, sondern was wir über den Gegenstand wissen. Es werden drei Achsen (x, y, z) eingeführt und die Winkel auf der Gegenstandsebene festgelegt. Isometrie. 1820 erfindet William Ferish die isometrische Darstellung. Die Maßstäbe für Breite, Höhe und Tiefe sind gleich (grch =- iso): 1 : 1: 1. Der Gegenstand steht in Eckperspektive im Winkel 30 Grad/ 30 Grad. Dadurch können korrekte metrische Daten in allen drei Dimensionen angetragen werden und ein direktes Ablesen von Längen ist möglich. Das Abbild zeigt alle Komponenten unverzerrt. Die isometrische Perspektive wird meistens in technischen Abbildern verwendet (siehe Bild III.10). Bild III.8: Luftperspektive. So kann man seine Bilanz visuell aufblasen: Eine Perspektive mit drei Fluchtpunkten vermittelt den Eindruck des Gigantischen. 98 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 98 III Anwenden visueller Konventionen Dimetrie. Bei der Dimetrie gibt es zwei (grch. =-di) Maßstäbe: 1 : 1 : 0,5. Man unterscheidet die Frontaldimetrie und die Axonometrie. Bei der Frontaldimetrie oder Kavalierperspektive (nach dem Mathematiker Cavalieri benannt) sind die Winkel 0 Grad/ 45 Grad. Diese Perspektive ist besonders einfach zu zeichnen, da man von einer einfachen Aufsicht ausgeht. Bei der Axonometrie betragen die Winkel 7-Grad/ 42 Grad. Bei beiden sind die Seiten- und Aufsichten in der Wahrnehmung stark verkürzt. Trimetrie. Bei der Trimetrie gibt es drei (grch. =-tri) Maßstäbe: 1 : 1,1 : 0,5. Die Winkel sind 5 Grad/ 18 Grad. Sie kommt der Zentralperspektive recht nahe. Vergleichen wir die Fluchtpunktperspektiven mit den Parallelperspektiven, so zeigt sich, dass erstere Wahrnehmungstreue besitzen, aber geringe Maßtreue, letztere Maßtreue, aber eine geringe Wahrnehmungstreue. Welche Perspektive für das kommunikative Ziel die richtige ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. In der Kunst werden Fluchtpunktperspektiven bevorzugt, in der Technik Parallelperspektiven. Man kann die Parallelperspektive als einen Kompromiss zwischen Zentralperspektive und orthogonaler Projektion ansehen. Dreidimensionale Abbilder haben mit der Digitalisierung zugenommen, da sie mit Zeichenprogrammen relativ einfach zu generieren sind. Dabei lassen sich alle Parameter frei definieren, was den Vorteil hat, dass man bei Bedarf schnell einen günstigeren Blickwinkel einstellen kann. Diese CAD-Bilder (Computer aided Design) werden auf der Basis eines dreidimensionalen mathematischen Modells des jeweiligen Gegenstands erstellt. Ein Programm, der Renderer, berechnet für die eingegebenen Parameter (Perspektive, Beleuchtung, Darstellungsstil usw.) eine Isometrie Dimetrie Trimetrie Bild III.9: Ein Würfel in isometrischer, dimetrischer und trimetrischer Perspektive. Diese Perspektiven werden vor allem in der Technik benutzt. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 99 2 Perspektiven 99 zweidimensionale Ansicht. Das Ergebnis sind Abbilder, die von Fotos kaum zu unterscheiden sind. Fotorealistische 2,5-D-Bilder in der Technik oder Architektur können Strichbilder oder Texturbilder in den verschiedensten Linear- und Parallelperspektiven ersetzen. Bild III.10: Perspektivisches CAD-Bild: Isometrische Darstellung eines Getriebes mit dem Programm IsoDraw. In Dick-Dünn-Technik, leicht texturiert und mit Schatten versehen, was die Plastizität des Gegenstandes erhöht. Die Bezugslinien sind auch z-förmig angeordnet, um die Übersicht zu erleichtern. Quelle: Daniel Scheidegger, GIA Informatik AG, mit freundlicher Genehmigung. Gestalten von Perspektiven Die Sicht der Adressaten einnehmen. Die Perspektive auf einen Gegenstand sollte immer adressatenorientiert gewählt werden. Bei Fotos macht man das meist spontan richtig, aber computergenerierte Zeichnungen verleiten zu unbrauchbaren oder schwer verständlichen Perspektiven. Aus welchem Standort und mit welcher Entfernung sieht man in der natürlichen Wahrnehmung einen Gegenstand? Diese Frage sollte bei der Wahl der Perspektive ausschlaggebend sein. Starke Verzerrungen vermeiden. Komplexe Fluchtpunktperspektiven sehen zwar gut aus, sind aber für die Informationsvermittlung nicht immer optimal, oft sind schlichte Aufsichten besser, die keine Verzerrungen mit sich bringen. Eine Perspektive muss so gewählt werden, dass alle wichtigen Komponenten möglichst wenig verzerrt sichtbar sind (siehe Bild III.11). Für Maßtreue immer Isometrie. Im Bereich der technischen Kommunikation, wenn es auf die Maßtreue ankommt, ist die Isometrie die Perspektive der Wahl. Ohnehin sind alle Zeichenprogramme auf isometrische Perspektive spezialisiert (z. B. IsoDraw). Auch hier können die Parameter kommunikativ funktional oder dysfunktional gewählt werden, je nachdem, welches visuelle Wissen vermittelt werden soll. Hinweise 100 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 100 III Anwenden visueller Konventionen Bild III.11: Dysfunktionale Perspektive. Das Strichbild zeigt eine Fügeschere, mit der Holzfurniere aufgetragen werden. Die Perspektive ist ungünstig, denn die Eckperspektive mit zwei Fluchtpunkten verkleinert einen Bereich mit vielen beschrifteten Details und lässt den Bereich fast verdeckt, auf dem die Bedienungselemente liegen. Quelle: Bedienungsanleitung Automatische Fügeschere Typ AFE 22 AFE 28. Zeichentools für den Computer stellen wir in Kapitel V.2 vor. Zwar werden perspektivische Abbilder heute meist mit dem Computer erstellt, aber eine Anleitung zum korrekten perspektivischen Zeichnen soll nicht fehlen: Störzbach, Gernot (2010). Perspektivisch Zeichnen: Grundlagen zur Darstellung des dreidimensionalen Raums. Freiburg: Christophorus-Verlag. Eine sehr tiefgründige Auseinandersetzung mit Perspektiven in der Kunst findet man in dem Buch: Hagen, Margaret A. (1986). Varieties of realism. Geometries of representational art. Cambridge: Cambridge University Press. Lesetipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 101 3 Einsichten 101 3 Einsichten Bei der Abbildung eines Gegenstands sieht man gewöhnlich nur die äußeren Oberflächen, wichtige Komponenten bleiben den neugierigen Augen verborgen. Eine Reihe visueller Konventionen erweitert die visuelle Kommunikation, indem sie einen Blick hinter die Oberfläche auf die »Innereien« erlauben: Schnittbilder, Aufschnittbilder, Transparentbilder. Schnittbild (Sectional View) Der Gegenstand ist wie mit einem scharfen Messer oder Laser durchgeschnitten abgebildet, um verdeckte innere Strukturen zu zeigen. Je nach Schnittebene unterscheidet man Querschnitte und Längsschnitte. Schnittbilder sind z. B. in der Geologie, Biologie, Medizin und Technik üblich, aber für den Laien bleiben sie oft schwer verständlich, da sie visuelle Vorstellungsfähigkeit und eine gewisse Kenntnis der Komponenten voraussetzen. In der Medizin erlauben bildgebende Verfahren ohne Skalpell Schnittbilder aus dem Körperinneren- - hier Tomografien oder Tomogramme genannt. Sie bilden die angeschnittenen Komponenten einer Schicht ab. Die Interpretation erfordert allerdings-- wie auch bei Röntgenaufnahmen-- spezielle visuelle Fähigkeiten der Unterscheidung (Diskrimination). Aus einer Serie paralleler Schnittbilder kann der Computer eine dreidimensionale Abbildung eines Organs, z. B. des Gehirns, des Herzens oder der Lunge errechnen. Tomografische Bilder gibt es auch in der Paläontologie (z. B. von Mumien) oder in den Geowissenschaften (seismische Tomografie zum Aufbau der Erdkruste). In jeder Wissensdomäne wie z. B. im Maschinenbau oder im Bauwesen gibt es unterschiedliche Konventionen für die Gestaltung von Schnittbildern. Bild III.12: Sagittalschnitt durch das Gehirn mitttels MRI (Magnetic Resonance Imaging). In der Anatomie ist das ein Schnitt in der Ebene senkrecht zur Körperquerachse. Die einzelnen neuronalen Strukturen wie z. B. das limbische System oder das Kleinhirn sind für den Fachmann leicht erkennbar. Quelle: Reigh LeBlanc (2009), flickr. 102 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 102 III Anwenden visueller Konventionen Aufschnittbild (Cutaway View) Das Aufschnittbild zeigt ebenfalls Verdecktes, aber indem Wände oder Böden aufgeschnitten dargestellt sind, um den Blick auf das Innere freizugeben. Wahrscheinlich liegt der Ursprung in der Medizin der Renaissance: In den damals entstehenden anatomischen Skizzen wird diese Darstellungskonvention benutzt, um Beobachtungen bei Sektionen zu dokumentieren (z. B. bei Leonardo da Vinci). Bei Aufschnittbildern spricht man von Ausbrüchen, wenn nur ein Bruchstück aus einer Oberfläche, z. B. einer Abdeckung entfernt ist. Transparentbild Transparentbilder werden auch Röntgen- oder Phantombilder genannt, aber diese Bezeichnungen sind für bestimmte Bildtypen in der Medizin oder Kriminalistik reserviert, deshalb sprechen wir von transparenten (lat. =- durchscheinenden) Bildern. Das Transparentbild wird gebraucht, um den Betrachtenden einen äußeren Eindruck eines Objekts zu vermitteln und gleichzeitig das Innere sichtbar zu machen. Das Innenleben wird so dargestellt, dass der Eindruck entsteht, die äußere Hülle sei geisterhaft durchsichtig. Das Transparentbild ist ebenfalls eine Konvention, die sich in der Renaissance herausbildet. Sie fand eine schnelle Verbreitung als Möglichkeit, komplexe Objekte wie Gebäude oder Maschinen auf dem Papier zu entwerfen und zu präsentieren, anstatt kostspielige Modelle zu basteln, wie es vorher üblich war. Meist farbige Transparentbilder werden gern in Präsentation und Werbung benutzt, um mit Komplexität zu imponieren. Sie sind manchmal auch didaktisch nützlich, um z. B. Funktionszusammenhänge bei einem Getriebe sichtbar zu Bild III.13: Historisches Aufschnittbild aus der Anatomie von Vesalius (1543). Es zeigt den weiblichen Unterleib und erstmals deutlich die Ovarien. Quelle: Andreas Vesalius (1543), Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 103 4 Aufbau, Komponenten 103 machen. Mit den Programmen der Bildverarbeitung lassen sich aus CAD-Daten Transparentbilder generieren, allerdings ist die Erstellung recht aufwändig. 4 Aufbau, Komponenten Bei komplexen Gegenständen, Geräten oder Anlagen ist die Darstellung des Aufbaus und das Erkennen und Benennen wichtiger Komponenten oft ein kommunikatives Problem. Dafür wurden verschiedene visuelle Lösungen gefunden: Um einzelne Komponenten zu markieren, dienen Bezugsziffern, Referenzlinien, Einfärbung, Überzeichnung und Lupendarstellung. Um das Zueinander zahlreicher Komponenten zu zeigen, wurde das Explosionsbild erfunden. Bild III.14: Transparentbild. Ein durchscheinendes Bild eines Autos zeigt die komplexe Zusammensetzung des Getriebes.Quelle: Subaro Forester Gestalten von Einsichten Die Schnittebene verdeutlichen. Schnittbilder sind eher für Fachleute verständlich, für Laien sind didaktische Hilfen notwendig, damit sich der Betrachter den Schnitt vorstellen kann. Dazu muss die Schnittebene am Gegenstand gezeigt werden, Die Schnittkanten sind dicker darzustellen als die Linien der inneren Konturen. Schnitt- oder Bruchkanten hervorheben. Bei Aufschnittbildern muss die Schnitt- oder Bruchkante deutlich als solche erkennbar sein, das geschieht z. B. durch gezackte Linien, Freihandlinien oder Einfärben der Schnittflächen (wie das auch bei Schnittmodellen üblich ist). Imponieren mit Transparentbildern. Transparentbilder haben meist wenig didaktischen Wert, sie dienen eher der beeindruckenden Präsentation eines Produkts und damit dem Marketing. Hier kommt es vor allem auf eine aufwändige grafische Gestaltung an. Hinweise 104 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 104 III Anwenden visueller Konventionen Bezugszeichen Bezugszeichen wie Buchstaben oder Ziffern findet man bereits in antiken Zeichnungen, sie schlagen eine Brücke zwischen Text und Bild. Wer den Text liest, der wird mit dem Bezugszeichen ins Bild verwiesen, wer das Bild betrachtet, der wird mit dem Bezugszeichen in den Text verwiesen. Es handelt sich dabei um eine Zuordnung von Bezeichnungen und Bildkomponenten. So ist z. B. das Lateinlehrbuch »Orbis Sensualium Pictus« von Comenius (1658) aufgebaut (Bild III.15). Ein Nachteil von Bezugszeichen ist offensichtlich: Um Text und Bild integrativ zu verarbeiten, ist man gezwungen, mit den Augen andauernd aus dem Text in das Bild springen, und aus dem Bild wieder zurück in den Text. Dabei muss man die zueinander gehörigen sprachlichen und visuellen Informationen oft suchen. Eine optische Krücke dafür sind Bezugslinien. Bild III.15: Bezugszeichen. Im Lateinlehrbuch des Comenius werden im Text lateinisch und deutsch angesprochene Begriffe über Bezugsziffern im Bild gezeigt. Die Ziffern in den Bildern sind allerdings sehr klein geraten. Quelle: Comenius (1658), Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 105 4 Aufbau, Komponenten 105 Bezugslinien Statt Bezugszeichen können die Bezeichnungen als Inschriften auch in die Komponente geschrieben werden, vorausgesetzt sie ist nicht zu klein ist. Oft dienen Bezugslinien-- auch Hinweis- oder Referenzlinien genannt-- den Augen als Leitplanken aus oder in das Bild. Es gibt zwei Varianten, die wir im Bild III.16 an einer einfachen Text-Bild-Kombination demonstrieren, in der die Bezeichnungen »Riegel« und »Drücker« in einem Bild zuordnet werden: Um die Verletzungsgefahr zu verringern, ist der Schalter mit einer Einschalt-Sperre versehen. Zum Einschalten Riegel (1) drücken und dann Drücker (2) betätigen. Nach dem Loslassen wird der Drücker wieder verriegelt. Um die Verletzungsgefahr zu verringern, ist der Schalter mit einer Einschalt-Sperre versehen. Zum Einschalten Riegel drücken und dann Drücker betätigen. Nach dem Loslassen wird der Drücker wieder verriegelt. a) Bezugsziffern an Bezugslinien angetragen. b) Bezeichnungen an Bezugslinien angetragen 1 2 Riegel Drücker Bild III.16: Zuordnung von Bezeichnungen mit Referenzlinien. Zwei Varianten: a) über Bezugsziffern, b) über Beschriftung. Die Variante a) ist aufwändiger zu verarbeiten, da die Bezeichnung nicht direkt an der Bezugslinie, sondern nur über die Bezugsziffer im Text zugeordnet wird. Quelle: Ballstaedt. 106 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 106 III Anwenden visueller Konventionen Welche Form der Zuordnung von Bezeichnungen zu Bildkomponenten ist für die kognitive Verarbeitung die günstigste? Der entscheidende Punkt ist dabei die Anforderung für die Blickbewegungen. In Untersuchungen von John Sweller (1999) hat sich gezeigt, dass die Beschriftung in oder an der Komponente selbst am rezipientenfreundlichsten ist. Das wird aber schnell unübersichtlich, wenn es um kleine und viele Komponenten geht. Die zweitbeste Lösung sind Beschriftungen an den Bezugslinien, hier kann das Auge die Bezugslinie als Leitplanke benutzen. Am schwierigsten ist die Zuordnung über Bezugsziffern oder -buchstaben an der Bezugslinie, hier müssen die Augen zusätzlich die Bezugszeichen im Begleittext suchen. Die Zuordnung von Bezeichnungen und Bildkomponenten hat einen speziellen Bildtyp hervorgebracht: das Überblickbild. Seine Funktion ist das Benennen von Bild III.17: Übersichtsbild. Die Igeltechnik in einem chinesischen Wartungshandbuch für Automobile. Hier ist das Objekt mit Hinweislinien so gespickt, dass man die Komponenten nicht erkennen kann. Quelle: Yiqin Wang mit freundlicher Genehmigung. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 107 4 Aufbau, Komponenten 107 Komponenten eines Gegenstands oder einer Szene und damit die Festlegung einer Terminologie, die eine eindeutige Kommunikation ermöglicht. Dazu werden Komponenten an einem Abbild gezeigt und mit Fachausdrücken (=- Termini) benannt. Man nennt dies auch eine ostentative Definition, d. h. eine Definition durch Zeigen (dazu Kapitel IV). Gestalten von Bezugslinien Normen beachten. Da Bezugslinien eine verbreitete Konvention in der technischen Kommunikation sind, gibt es dort festgelegte Normen zur Gestaltung von Bezugszeichen (DIN 406 T 2). Ausführliche Überlegungen zur Beschriftung hat man sich in der Kartografie gemacht, da in einer Karte oft sehr viele Komponenten benannt werden müssen. Leserlich beschriften. Bezugszeichen oder Beschriftungen nur in die Komponenten schreiben, wenn diese nicht zu klein und die Ziffern bzw. Buchstaben noch gut lesbar sind. Was Schrifttype und Schriftgröße betrifft, muss die Beschriftung leserlich bleiben. Schräge und zu enge Schriften sind zu vermeiden. Eindeutig zuordnen. Bei Bezugszeichen oder Beschriftungen an den Komponenten ist darauf zu achten, dass die Zuordnung zwischen Komponente und Zeichen durch das Gestaltungsprinzip der Nähe eindeutig ist. Direkte Beschriftung im Bild ist für die Verarbeitung günstiger ist als eine räumliche Trennung von Bild- und Sprachinformation, z. B. durch Bezugsziffern. Blickbewegungen kurz halten. Hinweislinien sind so kurz wie möglich zu halten, damit der Blick keine zu lange Strecke abtasten muss. Eindeutige Endpunkte. Hinweislinien sollen bei kleinen Komponenten die Außenkanten berühren, bei großen Komponenten innen enden. Die Bezugslinien können zur Hervorhebung mit einem dicken Endpunkt versehen sein, eine Konvention, die aus den USA kommt (Burnett, 2005). Bezugslinien abheben. Damit sich die Linien gut vom Hintergrund des Gerätes abheben und bei Überkreuzung von Bezugslinien mit Linien des Abbilds, sollten die Bezugslinien mit einer fetten weißen Linie unterlegt werden. Hinweise 108 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 108 III Anwenden visueller Konventionen Hinweispfeile Pfeile sind universelle Zeichen, die in alle Wissensdomänen Eingang gefunden haben, in die Kartografie, Meteorologie, technische Dokumentation usw. Pfeile werden dabei in unterschiedlichen Bedeutungen eingesetzt. Robert E. Horn (1999) behauptet, dass 250 mögliche Bedeutungen des Pfeils unterschieden werden können. Auch Künstler wie der Maler Paul Klee oder der Grafiker Anton Stankowski haben sich mit den unterschiedlichen Bedeutungen von Pfeilen auseinandergesetzt. Wir haben bereits die Bemaßungspfeile in technischen Zeichnungen kennen gelernt. Bei den Konventionen des Aufbaus geht es um die Zeigefunktion des Pfeils, der auf eine Komponente verweist. Eigentlich können auch Bezugslinien als kastrierte Pfeile aufgefasst werden. Hinweispfeile sind sehr beliebt, während die Zeigehand und der Zeiger aus der visuellen Mode gekommen sind. Auf was man sonst mit dem Finger verweist, auf das wird im Bild mit der Pfeilspitze hingewiesen. Die Zeigehand ( ☞ ) anstatt eines Pfeils hat in vielen elektronischen Zeichensätzen überlebt, wird aber nur noch selten, z. B. bei Aufzählungen eingesetzt. Einige Richtlinien zur Gestaltung von Pfeilen fassen wir im folgenden Abschnitt zu den Bewegungspfeilen zusammen. Überschneidungen vermeiden. Bezugslinien dürfen sich nicht kreuzen. Nach Möglichkeit sollen auch die Konturen von anderen Bild-Komponenten nicht durchschnitten oder berührt werden. Die Laufrichtung kann deshalb auch schräg oder abgeknickt sein (Igeltechnik). Bezugslinien gruppieren. Bei zahlreichen Bezugslinien möglichst Linien gruppieren, um zusammengehörige Komponenten visuell zu bündeln. Bei detailreichen Objekten ist es übersichtlicher, das Bezeichnen mit Bezugslinien auf mehrere Abbilder aufzuteilen. Blickgewohnheiten berücksichtigen. Die Abfolge der Bezugsziffern sollte im Uhrzeigersinn verlaufen, beginnend bei 12 Uhr. Das entspricht unseren Gewohnheiten beim Ablesen der Zeit. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 109 4 Aufbau, Komponenten 109 Einfärbung Um auf eine Komponente in einem Bild aufmerksam zu machen, kann sie von der Umgebung farblich abgehoben werden. So springt in einem Schwarz-Weiß-Bild eine eingefärbte Komponente sofort ins Auge. In der Wahrnehmungspsychologie nennt man diese reflektorische Zuwendung den Popout-Effekt: Am ausgeprägtesten ist er bei Signalfarben wie Rot und bei starkem Kontrast zur Umgebung. So kann man auch die Wirkung von Steuerzeichen wie Pfeilen verstärken. Zusammengehörige Komponenten können durch gleiche Einfärbung als zusammengehörig wahrgenommen werden (Gestaltgesetz der Ähnlichkeit, s. Bild I.6 und Bild-I.8). Überzeichnung Bei der Überzeichnung wird eine kleine Komponente im Bild- - oft in Strichbildern-- größer als in Wirklichkeit dargestellt, damit sie visuell auffälliger wirkt. Oft sind zusätzlich die Linien fetter. Die Überzeichnung kann das 2,5-fache betragen, ohne dass dies den Betrachtenden auffällt (Bild III.19). Bild III.18: Aufschnittbild mit sinnigerweise gelb eingefärbten Harnleitern, die damit sofort ins Auge fallen. Quelle: Roxbury, Wikimedia Commons. 110 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 110 III Anwenden visueller Konventionen Detailbild, Ausschnittvergrößerung Die isolierte und oft vergrößerte Darstellung einer Komponente ist ebenfalls eine Konvention, die sich seit der Renaissance durchsetzt. Später wird sie gern mit der visuellen Metapher einer Lupe verbunden. Durch die Lupe wird gezeigt, wo eine Komponente am Objekt zu finden ist. Der Vorteil der Ausschnittvergrößerung Bild III.19: Überzeichnung. Die Gas-Anschlüsse bei einem Gerät aus der Notfallmedizin müssen klar auseinandergehalten werden. Links sind die Bezugsziffern zwischen die Linien gequetscht, rechts mit fetter Überzeichnung vor einem mit dünnen Strichen angedeuteten Kontext. Quelle: Zieten,1990, S. 108. Bild III.20: Anatomisches Detailbild. Die Lage und der Aufbau der Milz werden in einem Bild gezeigt. Quelle: Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 111 4 Aufbau, Komponenten 111 liegt darin, dass ein Detail vergrößert aus seinem Kontext hervorgehoben wird. Genaue Lokalisation und visuelle Unterscheidung sind damit in einem Bild zu erreichen. Als Bezugszeichen für Details werden oft die Buchstaben am Ende des Alphabets genommen (x, y, z). Ausschnittvergrößerungen sind in allen wissenschaftlichen Disziplinen zu finden, in denen Details aus komplexen Gegenständen visuell herausgelöst werden müssen, z. B. in der Biologie oder den Ingenieurswissenschaften. Explosionsbild (Exploded View) Die Explosionsdarstellung zeigt in Perspektive das räumliche Zueinander von Bestandteilen, diese fliegen sozusagen wie bei einer Explosion auseinander. In den technischen Aufzeichnungen von Leonardo da Vinci findet man die ersten korrekt ausgeführten Explosionszeichnungen. Die Explosionsdarstellung ist ein Highlight der visuellen technischen Kommunikation, da sie einzelne Komponenten in ihrem Bezug zum Ganzen darstellt und so das Zusammenbauen und das Auseinandernehmen anleiten kann. Sie findet Verwendung, wenn z. B. komplexe Maschinen in Baugruppen und Bauteile zerlegt werden. Häufig werden Explosionsbilder zur Darstellung der Einzelteile, z. B. für die Ersatzteilbestellung, benutzt. Die Komponenten sind dann mit Bezugslinien und Bezugsziffern versehen. Besonders für den technischen Laien sind Explosionsbilder eine unverzichtbare indirekte Anleitung. Der Erfolg eines Produktes, das in Einzelteilen verkauft wird-- von den Figuren im Überraschungsei bis zu den Möbeln bei IKEA-- hängt von der mitgelieferten Montageanleitung ab, denn nichts frustriert den Kunden mehr als Bild III.21: Explosionsbild einer Dreigang-Nabenschaltung mit Bezugslinien und -ziffern. Quelle: Sears Sports Center (1977), Wikimedia Commons. 112 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 112 III Anwenden visueller Konventionen ein Scheitern. Für den technischen Bereich gibt es Grafikprogramme, die auf der Basis von CAD-Daten auf die Erstellung von Explosionsdarstellungen spezialisiert sind (z. B. IsoDraw). Aber nicht nur in der Technik kommen Explosionsdarstellungen vor, sondern auch in der Architektur oder der Medizin. 5 Bewegungen Das statische oder auch stille Bild hat eine Beschränkung, die manchmal didaktisch unerfreulich ist: Kontinuierliche Bewegungen wie Veränderungen, Abläufe und vor allem Handlungen lassen sich nicht abbilden, dazu wäre Film oder Animation nötig. Wie man Bewegung in ein Bild bringt, das hat auch Maler, Fotogra- Markieren von Komponenten Den ersten Blick festlegen. Bildkomponenten, denen wegen ihrer Wichtigkeit zuerst die Aufmerksamkeit zukommen soll, müssen optisch hervorgehoben werden. Dazu dienen Einfärbung oder Pfeile. Details herausheben. Wie im wirklichen Leben sollte man eine Lupe dazu nutzen, kleine und unscheinbare Details herauszulösen und zu vergrößern. Der Kontext bzw. die Verortung der Komponente muss eindeutig erkennbar bleiben. Mit Farbe auszeichnen. Bei Einfärbung sollte eine Signalfarbe verwendet werden, am besten wirkt Rot oder Orange. Wenn sie sich gut von der Umgebung abhebt, ist aber auch jede andere gesättigte Auszeichnungsfarbe möglich. Überzeichnen. Eine Überzeichnung kann auch ohne Farbe den Blick auf sich ziehen: Die wichtige Komponente ist hier nicht maßstabsgerecht, sondern größer und fetter gezeichnet. Die Überzeichnung kann recht drastisch ausfallen, ohne dass sie auffällt. Übersichtlich explodieren. Bei Explosionsbildern ist eine isometrische Perspektive Standard, die Winkel der Hauptachse betragen gewöhnlich 30 oder 45 Grad. Die einzelnen Komponenten müssen auf einer Zentralachse so weit auseinander gezogen werden, dass sie klar unterscheidbar und zuordenbar sind. Bei verschachtelten Teilen kann von der Zentralachse eine z-förmige Seitenachse abgehen. Für die Bezugslinien mit Bezugsziffern oder Beschriftungen gelten die bereits aufgeführten Richtlinien. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 113 5 Bewegungen 113 fen und technische Zeichner beschäftigt und zu einigen Lösungen geführt (Gombrich, 1989; Cutting 2002; Souza & Dyson, 2007). Bevor es bewegte Bilder in Filmen und Animationen gab, haben sich Konventionen herausgebildet, um statische Bilder zu dynamisieren: Bewegungspfeile, Bewegungslinien, Bewegungsunschärfe, Phasenbilder und Bildsequenzen. Die visuelle Vermittlung von Handlungen in Anleitungen war und ist eine Herausforderung. Im Alltag geht es um Anleitungen zum Stricken oder Kochen, in den Wissenschaften um Anleitungen zur Durchführung von Experimenten oder zur Anwendung einer Untersuchungsmethode. Bewegungspfeile Wieder Pfeile, aber diesmal in anderer Bedeutung: Sie weisen nicht auf eine Komponente hin, sondern zeigen eine Richtung an, in der sich Stoffe, Energie oder Information bewegen, aber auch Ereignisse aufeinanderfolgen: Richtungspfeile. Sie stellen eine Bewegungsrichtung dar, die linear (Ziehen, Drücken) oder nicht linear (Kippen, Drehen) sein kann. Ein Pfeil vertritt somit ein Verb in der Sprache (Krull & Sharp, 2006). Fließpfeile. Angezeigt wird die Flussrichtung von Material-, Energie- oder Information. In dieser Funktion tritt der Pfeil im Bild III.22 auf: Er zeigt die Strömungsrichtung des Wassers an. Ursache-Wirkung-Pfeile. Sie verbinden zwei Ereignisse in der Zeit. A ⇒ B bedeutet: A führt zu B oder ist Ursache von B. Pfeile mit dieser Bedeutung kommen oft in Charts vor. Oft werden Pfeile auch als Entwicklung oder Fortschritt interpretiert. Ernst Gombrich (1989) hat erstmals im 18. Jahrhundert in Abbildern Pfeile gefunden, die dort die Strömung visualisieren (Bild III.22). Auffällig ist die realistische Darstellung des Pfeils mit Federschaft und Widerhaken. Im Laufe der Entwicklung verliert der Pfeil sein ikonische Gestalt, wird immer mehr schematisiert. Damit verbunden ist der Verlust von Widerhaken und Befiederung, der Charakter als Waffe geht verloren, der Pfeil wird sozusagen »pazifiziert«. Bei einigen Pfeilen bleibt nur eine Keil- oder sogar Herzform ohne Schaft und ausgeprägte Spitze übrig. 114 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 114 III Anwenden visueller Konventionen Während Hinweispfeile gerade auf etwas zeigen, werden Bewegungspfeile gern dynamisiert, um die Bewegung optisch eindeutig zu kommunizieren. Dazu gibt es eine Reihe von grafischen Möglichkeiten wie verdrehte, gestauchte und gedehnte Pfeile. Bild III.22: Wasserrad aus Bernard Forst de Bélidor, Architecture Hydraulic, 1737. Der realistische ikonische Pfeil zeigt die Strömungsrichtung an. Quelle: Gombrich, 1989, S. 125. Bild III.23: Dynamisierte Pfeile. Es gibt viele grafische Möglichkeiten, um Pfeilen Bewegung zu verleihen. Quellen: Zeichensätze, Cliparts, MS-Word. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 115 5 Bewegungen 115 Bewegungslinien (Speedlines) Diese Konvention findet man vor allem im Comic, um Bewegungen zu visualisieren: Hinter dem abgebildeten Objekt sind Linien eingezeichnet, die eine Richtung der Bewegung und durch Dicke oder Länge eine Geschwindigkeit der Bewegung anzeigen (Masuch, Schlechtweg & Schulz, 1999). Explosionslinien findet man z. B. bei Warnpiktogrammen. Bewegungsunschärfe (Motion Blur) Wenn sich beim Fotografieren Objekte schnell bewegen, so werden sie unscharf abgebildet. Was in den Anfängen der Fotografie ein unerwünschter Effekt war, das kann dazu genutzt werden, um Bewegungen sichtbar zu machen, z.B in der Sportwissenschaft. Die meisten Programme zur Bildbearbeitung bieten Unschärfeeffekte an, um künstlich den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. Gestalten von Pfeilen Pfeile eindeutig verwenden. Die Vieldeutigkeit des Pfeilsymbols führt dazu, dass es oft in einem Bild in verschiedenen Bedeutungen bzw. Funktionen gebraucht wird. Für die Verständlichkeit ist dies ein Mangel. Einen grafischen Typ von Pfeil sollte man stets nur in einer Funktion verwenden. Werden Pfeile in zwei Funktionen eingesetzt, dann sollte man sie in Form und/ oder Farbe unterscheiden und ihre Bedeutung in einer Legende erklären. Pfeile ins Auge. Ein Pfeil muss sofort erkennbar sein. Die wahrnehmungspsychologisch beste Form ist ein langer, spitzer Pfeil, der möglichst auch eingefärbt ist. Pfeile dynamisieren. Es gibt verschiedene Konventionen, wie Pfeile Bewegung ausdrücken können. Bei Untersuchungen zu Piktogrammen hat sich gezeigt, dass karikaturhaft übersteigerte Formen besser wirken. Alle Textverarbeitungsprogramme bieten meist unter einem Menüpunkt »Formen« verschieden gestaltete Pfeile an, die sich durch Verzerren dynamisieren lassen. Pfeile verräumlichen. 3D-Pfeile zeigen eindeutiger eine komplexe nichtlineare Bewegung als flache zweidimensionale Pfeile. Aber bitte keine 3-D-Pfeile in flächigen Abbildern! Hinweise 116 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 116 III Anwenden visueller Konventionen Phasenbilder Verschiedene Phasen einer Bewegung können einander überlappend in einem Abbild gezeigt werden. Um die Bewegungsrichtung anzudeuten, sind frühe Stadien blasser oder dünner dargestellt als spätere Phasen der Handlung. Die ersten Phasendarstellungen stammen von Eadweard Muybridge (1830-1904), der dazu 1877 noch 30 Kameras aufstellte (und dessen Fotos Marcel Duchamps zu seinem berühmten Gemälde: Nude descending a staircase, 1912, anregte). Phasenbilder entstehen heute durch die Chrono- oder Stroboskop-Fotografie. Dabei wird ein Bewegungsablauf durch Mehrfachbelichtung und eine in kurzen Intervallen aufleuchtende Blitzlampe in ein Abbild gebannt. Je nach Anzahl der Blitze während der Aufnahmen wird die Bewegung in mehr oder weniger Phasen zerlegt. Dies ist z. B. in der Sportwissenschaft wichtig, um komplexe Bewegungsabläufe zu analysieren (Bild III.24). Eine andere Anwendung ist die Verformungsanalyse in der Technik. Noch eine Möglichkeit zur Erfassung von Bewegungen bietet die Time-lapse- Fotografie, bei der durch lange Belichtung Lichtschweife auf Fotos eine Bewegung visuell einfrieren. Bildserie, Bildsequenz Sie besteht aus einer Abfolge von mehreren Bildern, bei der Fotografie spricht man von Serienfotografie. Im Prinzip ist ein Film eine Bildserie, die ab 16 Bilder pro Sekunde bei der Wahrnehmung zu einer fließenden Bewegung verschmilzt. Bild III.24: Stroboskop-Foto. Ein Hürdensprung ist in in elf Phasen aufgesplittet, um den Bewegungsablauf sichtbar zu machen. Quelle: Jörg Jäckl (2009) http: / / tartanrocker.de/ stroboskopfofografie-Leichtathletik mit freundlicher Genehmigung. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 117 6 Handlungen 117 6 Handlungen Es bewegen sich nicht nur Objekte wie Wellen, Zahnräder, Kolben usw., sondern auch Handlungen werden mit Hand-, Fuß- und anderen Körperbewegungen vollzogen. Die Abbildung von Handlungen ist ein so wichtiges Thema in anleitenden Texten, dass wir ihm ein eigenes Kapitel reserviert haben. Es geht dabei um das Bedienen oder Reparieren eines Geräts, aber auch um die Darstellung des Ablaufs von chemischen oder physikalischen Versuchen. Ziehen, Drehen, Anheben, Schütteln, Drücken, Einstecken, Biegen, Falten usw, das sind einfache Bewegungen, aus denen sich komplexe Handlungen zusammensetzen. Für einige dieser elementaren und immer wiederkehrenden Handlungen hat man visuelle Zeichen erfunden (Bild III.25). Es sind bildliche Äquivalente für Verben (drehen) oder deren Nominalisierungen (Drehung), die Handlungen sozusagen abstrakt und kontextfrei repräsentieren. Diese Zeichen sind aber nicht normiert, es gibt noch kein visuelles Lexikon der Abbildung von Handlungen. Handlungen verlaufen kontinuierlich und ein Abbild kann nur eine oder eine Bildfolge mehrere Momentaufnahmen einer Handlung zeigen. Der oder die Betrachtende muss dadurch in die Lage versetzt werden, die Handlung erst mental und dann real nachzuvollziehen. Machen wir uns die Probleme der Abbildung von Abbilden von Bewegungen Die Richtung muss stimmen. Wenn Bewegung didaktisch erforderlich ist und kommuniziert werden muss, dann gibt es einige bewährte Möglichkeiten wie dynamisierte Pfeile, Bewegungslinien, Phasenbilder oder Bewegungsunschärfe. Für alle Varianten gilt: Die Richtung der Bewegung muss eindeutig sein. Die Leserichtung berücksichtigen. Bei Bildfolgen unbedingt wie im Comic die Einzelbilder von links nach rechts bzw. von oben nach unten anordnen. Wer schon einmal ein japanisches Manga »gelesen« hat, der weiß, wie sehr uns die Leserichtung in Fleisch und Blut übergegangen ist. Überbrückbare Zwischenräume. Bei einer Bildsequenz dürfen die Zwischenräume bzw. Momentaufnahmen nicht zu weit auseinander sein, damit die Bewegung »sichtbar« wird, d. h. von den Betrachtenden rekonstruiert werden kann. Das verlangt unter Umständen sehr viele Bilder. Das Problem tritt auch bei der Abbildung von Handlungen auf, auf die wir im nächsten Abschnitt zu sprechen kommen. Hinweise 118 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 118 III Anwenden visueller Konventionen Handlungen an einer schlichten Bedienungsanleitung für ein Küchengerät klar (Bild III.26): Die Handlungen der Inbetriebnahme (2.) und des Entfernens (3.) rechts sind in einer Textspalte beschrieben, links sind zwei Handlungen auch abgebildet, dazu dienen eine Hand und zwei Typen von Pfeilen. Hierarchische Handlungsstruktur An der Verwendung des Milk-Shakers kann man zeigen, dass alle Handlungen hierarchisch organisiert sind: Ein übergeordnetes Ziel wird durch eine Abfolge von Zwischenzielen angestrebt, die wiederum in Unterziele aufgeteilt werden können. Man unterscheidet komplexe Tätigkeiten (z. B. eine Geburtstagsparty vorbereiten), die durch einzelne Handlungen ausgeführt werden (z. B. das Zubereiten von Mixgetränken), die wiederum aus einfachen Operationen (z. B. Handbewegungen) bestehen. Eine komplexe Handlung kann als hierarchisierte Liste dargestellt werden. Aus der Text-Bild-Kombination im Bild III.26 lässt sich folgende hierarchische Handlungsstruktur rekonstruieren: 1 2 3 4 Zubereiten eines Mixgetränkes Vorbereiten des Geräts Abnehmen des Motorblocks Abnehmen des Deckels Aufschieben des Milk-Shaker-Einsatzes (Abbildung 1) (Einfüllen) (Mixen) Entfernen des Milk-Shaker-Einsatzes Abnehmen des Motorblocks Herausnehmen des Milk-Shaker-Einsatzes (Abbildung 2) Greifen mit Zeigeu. Mittelfinger Auflegen des Daumens Herausziehen nach oben Reinigen unter fließendem Wasser Warnung: nicht in die Spülmaschine Bild III.25: Piktogramme für einfache Handlungen nach DIN 30600. Die Piktogramme haben teilweise noch deutliche ikonische Anteile, z. B. bei »Einlegen«, »Messen« oder »Verkleinern«. Teilweise sind sie aber symbolisch, z. B. bei »Einschalten« und »Ausschalten«. Quelle: Günther Reichert, 1991, S. 167. Einlegen (0984) Entnehmen (0985) Einschalten (0021) Ausschalten (0022) Auswerfen (1636) Verkleinern (2929) Vergrößern (2930) Messen (0165) Bild III.26: Hierarchie von Tätigkeiten, Handlungen und Operationen. Es werden vier Hierarchieebenen unterschieden, grundsätzlich lässt sich die Handlung weiter aufgliedern, z. B. das Auflegen des Daumens bis in die Bewegungen der Muskeln hinein. Quelle: Ballstaedt, 1999 a. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 119 6 Handlungen 119 Es fällt auf, dass die Beschreibung wichtige Teilhandlungen völlig auslässt: Das Einfüllen und das eigentliche Mixen werden gar nicht erwähnt, also offensichtlich als selbstverständlich vorausgesetzt. Dagegen wird das Einsetzen und Entfernen des Milk-Shake-Einsatzes genau beschrieben und beide in einer Abbildung gezeigt. Das Herausnehmen wird sogar bis zu den Fingerbewegungen abgebildet. Offensichtlich geht man davon aus, dass es sich hier um einen schwierigen oder ungewöhnlichen Bedienungsschritt handelt. Die Beschreibung einer Handlung kann Bild III.27: Text-Bild-Kombination aus einer Anleitung zur Herstellung von Mixgetränken. Quelle: Betriebsanleitung für den Milk-Shaker von Moulinex. 120 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 120 III Anwenden visueller Konventionen also global, d. h. hierarchiehoch, oder detailliert, d. h. hierarchieniedrig, erfolgen. Es gilt hier die Faustregel: Geläufige Kulturtechniken können global, ungeläufige müssen detailliert dargestellt werden. Aber eine Abbildung ist grundsätzlich hierarchieniedrig, da sie nur einen Moment einer Handlung zeigen kann. Repräsentative Abbildung Ein Abbild stellt eine Momentaufnahme aus einem Handlungsablauf dar. Zur Abbildung einer Handlung findet man bei Lessing im »Laokoon-Essay« eine oft zitierte Stelle: »Die Malerei kann in ihren koexistierenden Kompositionen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nutzen und muss daher den prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird« (nach Gombrich, 1984, S. 42). Das bedeutet: Um verständlich zu sein, muss eine Handlung abgebildet werden, aus der die vorausgegangenen und die zukünftigen Abläufe für den Betrachtenden erschließbar sind. Untersuchungen zeigen, dass dargebotene Handlungs- oder Ereignisausschnitte bei den Betrachtenden zu einer mentalen dynamischen Modellierung anregen: Die eingefrorene Bewegung wird geistig weiterführt. Eine Abbildung ist dann repräsentativ, wenn man die Weiterführung vor dem »inneren Auge sieht«, sie in der Vorstellung nachvollziehen kann. Für hierarchieniedere Operationen muss ein typischer »Schnappschuss« gemacht werden, wie es in den beiden Strichzeichnungen im Bild III.27 auch gelungen ist. Handlungssequenz Tätigkeiten haben eine hierarchische Struktur, aber sie werden als Abfolge von Handlungen und Operationen durchgeführt. In einer Beschreibung entspricht dem eine Abfolge von Sätzen, in einer Abbildung eine meist nummerierte Bildfolge. Die Handlung wird dadurch sozusagen »in Scheiben geschnitten« (Gombrich, 1989). Vorausgesetzt die Abbilder sind repräsentativ, dann kann der oder die Betrachtende die Lücken zwischen den Bildern mental füllen. Die geistige Leistung beim Lesen von Comics liegt in der Ergänzung der Bildzwischenräume. Handlungen setzen an Gegenständen an oder beziehen sie mit ein. Jede Handlung verändert den Zustand von Gegenständen, so dass man die Handlungskette als einen Wechsel von Zuständen und Aktionen darstellen kann: In Anleitungen werden die Zustände meist in Abbildungen gezeigt, die Aktionen werden bevorzugt beschrieben, weil die Sprache mit den Verben ein differenziertes Zeichenrepertoire für Handlungen bereitstellt. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 121 6 Handlungen 121 Eine Sequenz von Zuständen und Aktionen lässt sich verschieden einteilen: Jeder Zustand kann als Voraussetzung (Z1) oder als Ergebnis (Z2) einer Aktion (A) dargestellt werden. Lässt man Versuchspersonen selbst Handlungsanleitungen zeichnen, dann bevorzugen sie mit Abstand eine Z1-A-Sequenz, manchmal mit Z2, manchmal auch ohne. Dieses Ergebnis überrascht nicht, denn diese Darstellung hat zwei Vorteile: 1. Die Darstellung von Z1 dient der Identifikation der Komponenten und Ansatzpunkte der Aktion. 2. Die Darstellung von Z2 dient der Kontrolle des Handlungserfolgs. Was hat sich verändert? Die Z1-A-Z2-Sequenz kann somit als Basiseinheit einer Anleitung aufgefasst werden (picture before, during and after action). In Bild II.26 zeigen beide Bilder Ausgangszustände, an denen eine Handlung ansetzt. Im ersten Abbild wird die Stellung vor dem Einsetzen gezeigt, ein Pfeil zeigt die durchzuführende Operation. Dasselbe gilt für das zweite Abbild. Die Endzustände der Handlung werden hier weggelassen, wahrscheinlich weil sie trivial sind. Für Experten reicht es oft, das Ergebnis der Handlung abzubilden, die dazu führenden Handlungen sind für sie nachvollziehbar. Handlungen verneinen Schließlich müssen wir noch auf ein Problem zu sprechen kommen, das wieder eine Grenze der visuellen Kommunikation markiert: In Abbildern kann man darstellen, was zu tun ist, aber nicht, was zu unterlassen ist. Es gibt keine eindeutige bildliche Verneinung, diese kann nur durch symbolische Zusätze vermittelt werden, indem man eine Handlung abbildet und dann durchstreicht bzw. durchkreuzt. Früher wurden oft Vergleichsbilder verwendet-- richtig : falsch--, auf die wir noch zu sprechen kommen. Bild III.28: Handlungssequenz. Eine Z1-A-Z2-Sequenz zur Bedienung eines Schalters. Quelle: Szlichcinski, 1980, S. 121 122 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 122 III Anwenden visueller Konventionen Das kommunikative Problem taucht z. B. auf, wenn man bildlich vor einer Handlung warnen oder sie untersagen möchte. Warnungen werden deshalb meist sprachlich mit eindeutiger Kennzeichnung des Sprechaktes dargestellt. Auch in unserem Beispiel werden zwei sprachliche Warnungen ausdrücklich mit ACH- TUNG bzw. WICHTIG eingeleitet, die bildlich nicht kommuniziert werden. 7 Vergleiche Visuelle Vergleiche werden angeregt, wenn mindestens zwei Bilder- - Abbilder, Charts, Diagramme, Karten- - nebeneinander gestellt werden, um Unterschiede oder Gemeinsamkeiten sichtbar zu machen. Vergleichsbilder können Veränderungen über die Zeit (vorher: nachher; alt : neu), Unterschiede im Aufbau (Version-1 : Abbilden von Handlungen Die folgenden Regeln lassen sich einfach formulieren, sind aber im konkreten Fall schwer umzusetzen. Den richtigen Moment abbilden. In einem Abbild muss ein Schnappschuss gewählt werden, aus dem die Gesamthandlung, also das Vorher und das Nachher erschließbar sind. Das hängt aber stark vom Vorwissen der Betrachtenden ab! Nachvollziehbare Sequenz. Eine Bildfolge muss nachvollziehbar sein, d. h. darf keine Sprünge enthalten, die der Betrachtende nicht mental überbrücken kann. Am einfachsten ist eine Sequenz aus Ausgangssituation, Handlung und Endsituation. Da Experten zur Verdichtung und Verkürzung neigen, sollte man das Verstehen einer Bildsequenz mit einigen Personen testen. Nur eine Handlung in ein Abbild. Manchmal ist die Versuchung groß, gleich mehrere Handlungen in eine Abbildung zu packen, um Bilder zu sparen. Auch mit Durchnummerieren der Handlungen wird das aber meist unübersichtlich und überfordert die Betrachtenden. Handlungen verneinen. Eine Handlung zu untersagen oder vor ihr zu warnen, ist nur über symbolische Zeichen möglich, klassisch mit einer Durchstreichung oder Durchkreuzung, möglichst noch mit roter Farbe. Oft ist ein visueller Vergleich nützlich, der die falsche Handlung der richtigen Handlung gegenüberstellt. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 123 123 7 Vergleiche Version- 2) oder verschiedene Handlungen (richtig : falsch) gegenüberstellen. Dabei können bildlich Objekte miteinander konfrontiert werden, die man in Wirklichkeit nie an einen Ort zusammenbekommt. Der Vergleich offenbart schnell Informationen, die sprachlich nur sehr umständlich und wenig anschaulich zu formulieren sind (Gaier, Wolf & Bader, 2010). In Unterhaltungszeitschriften werden Bildvergleiche gern als Suchrätsel oder als Denksport- - neuerdings zur Alzheimerprophylaxe- - angeboten: Zwei Fotos mit der Instruktion »Die beiden Bilder unterscheiden sich in zehn Merkmalen. Finde sie in zwei Minuten heraus! «. Beim Vergleichen muss der oder die Betrachtende mit dem Blick zwischen beiden Bildern hin- und herschweifen, um Unterschiede in Anordnung, Form oder Farbe zu entdecken. Das vergleichende Sehen dient etlichen wissenschaftlichen Disziplinen zur Analyse und Argumentation. Der visuelle Vergleich ist ein wichtiges Erkenntnismittel, um Veränderungen festzustellen. Dabei setzt ein gezielter Vergleich voraus, dass beiden Bildern mindestens eine Eigenschaft-- ein tertium comparationis-- gemeinsam ist. So macht es wenig Sinn, ein Gemälde von einem Baum und ein Gemälde von einem Hirsch zu vergleichen, es sei denn, man möchte stilistische Eigenschaften ermitteln. So spielt der visuelle Vergleich in der Kunstwissenschaft eine wichtige Rolle, um Stile zu ermitteln (Gaier, Wolf & Bader, 2010). In der Medizin werden Röntgenbilder odertomografische Aufnahmen verglichen, um Krankheits- oder Heilungsprozesse sichtbar zu machen. In der Astronomie werden Aufnahmen zu verschiedenen Zeitpunkten miteinander verglichen. Vergleichsbilder dienen hier als visuelle Argumente für Behauptungen bzw. Hypothesen (Bild III.29). Die Gegenüberstellung von Bildern ist auch didaktisch sehr nützlich. Obwohl sie derzeit ein wenig aus der Mode gekommen sind, stellt die visuelle Konfrontation ein sehr wirksames Mittel der Kommunikation dar, um Unterschiede zu lernen. So kann man z. B. in der Geschichtswissenschaft die Veränderungen von Grenzverläufen durch die Gegenüberstellung von Karten erkennen. In der Sportwissenschaft können richtige und falsche Körperhaltungen gezeigt werden. Einige Bildsuchmaschinen bieten die Funktion »ähnliche Bilder suchen« an. Dies wird durch ein Programm bewerkstelligt, das Bildvergleiche vornimmt und ähnliche Bilder im Web findet. 124 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 124 III Anwenden visueller Konventionen Bild III.29: Vergleichsbilder. Zwei Fotografien von der Marsoberfläche. Die helle Ablagerung in einer Rinne wird als Beleg für Wasser gezeigt. Quelle: NASA. Bild III.30: Vergleichsbilder aus der Botanik. Stellung des Fruchtknotens: I oberständig, II mittelständig, III unterständig. Quelle: Ulf Mehling (2006), Wikimedia Commons. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 125 125 Zusammenfassung Zusammenfassung In wissenschaftlichen Bildern sind Konventionen unentbehrlich, Charts und Diagramme sind vollständig konventionalisierte Bilder, aber auch bei Abbildern kommt man ohne sie nicht aus. Dieses Kapitel hat zahlreiche Konventionen vorgestellt, welche die visuelle Kommunikation eindrucksvoll erweitern. Denn sie kompensieren Schwächen statischer Bilder, in denen räumliche Zusammenhänge sowie der Aufbau aus Komponenten nur in zwei Dimensionen und Bewegungen gar nicht abgebildet werden können. Für einige visuelle Konventionen wurden Richtlinien zur Gestaltung formuliert, damit sie ihre kommunikative Funktion effektiv erfüllen. Das Umgehen mit diesen bildlichen Gestaltungsmitteln gehört zur Visual Literacy und muss in der wissenschaftlichen Sozialisation gelernt werden. Gestalten von Vergleichsbildern Räumliche Nähe. Die Vergleichsbilder müssen so nah wie möglich beieinander stehen, damit die Blickbewegungen minimiert werden. Je weiter die Sakkaden, desto schwieriger wird der Vergleich. Typografische Hilfen. Durch Einfärbung oder Pfeile kann der visuelle Vergleich mit den Blickbewegungen gesteuert werden. Das Auge bekommt dadurch Hinweise, wo es hinspringen soll, und zeitraubendes freies Suchen wird vermieden. Die visuelle Suche sprachlich anleiten. Wer etwas finden will, muss wissen, was er sucht. Der Experte wird aufgrund seines Vorwissens frei suchen. Wer aber durch Vergleiche unterscheiden lernen soll, für den sind sprachliche Hinweise, worauf er achten muss, sinnvoll. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 126 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 127 Zusammenfassung Vergleiche 127 IV Text und Bild verbinden Häufiger wird im Interesse der größeren Verständlichkeit die Sprache für die wechselseitige Erhellung von Wort und Bild in Anspruch genommen. Ernst Gombrich 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 2 Multikodale Verarbeitung 3 Evaluation von Text und Bild Zusammenfassung Bilder stehen in einem sprachlichen Kontext, eine Text-Bild-Kombination ist die übliche Form der Vermittlung. Dieses Kapitel befasst sich mit der inhaltlichen und der formalen Gestaltung von Text-Bild-Kombinationen. Text und Bild sind dabei zu einer gemeinsamen Botschaft verknüpft, die sprachlich und bildlich so gestaltet ist, dass eine integrative mentale Verarbeitung beider Informationsquellen angeregt wird. Je nach Startpunkt unterscheiden wir das Bild zum Text oder den Text zum Bild. Für die Auswertung spielt auch die Anordnung von Text und Bild auf einer Seite eine Rolle, da von ihr die notwendigen Blickbewegungen abhängen. 128 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 128 IV Text und Bild verbinden 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen Wer-- in welcher wissenschaftlichen Disziplin auch immer-- mit Bildern arbeitet, der kann vor zwei Situationen stehen: Das Bild zum Text. Der Text ist geschrieben und man überlegt sich, ob man das Verstehen des Textes durch Bilder fördern kann. Wissenschaftler setzen Bilder mit bestimmten didaktischen Absichten in ihren Texten ein. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Funktion soll das Bild in Bezug zum Text haben? Welchen Bildtyp braucht man dazu? Welche visuellen Konventionen sind dazu geeignet? Der Text zum Bild. Es liegt ein Bild vor, ein Diagramm, ein Foto, ein Gemälde, das man sprachlich einbetten oder verankern möchte. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Funktion soll der Text in Bezug auf das Bild haben? Ist eine Bildbeschreibung oder Bildinterpretation erforderlich? Müssen ausdrückliche Sehanleitungen für das Bild formuliert werden? In effektiven Text-Bild-Kombinationen sind Text und Bild aufeinander abgestimmt, sie sind nie äquivalent. Mit einem Bild lässt sich nicht alles verständlich zeigen, was sich mit einem Text sagen lässt, beispielsweise bereiten abstrakte Begriffe und Zusammenhänge, Begründungen und Argumente Schwierigkeiten. Umgekehrt kann keine sprachliche Beschreibung die anschaulichen Merkmale eines Bildes wie Formen, Farben, Texturen und räumliche Zuordnungen vollständig erfassen. Aus didaktischer Sicht ergänzen sich Text und Bild in ihren kognitiven und kommunikativen Funktionen in kodaler Komplementarität (Ballstaedt, 2009). So haben sich Kombinationen herausgebildet, bei denen Bilder und Texte zu einer funktionalen kommunikativen Einheit verknüpft sind (vgl. auch Stöckl, 2004, der von Gebrauchsmustern spricht). Schauen wir uns einige typische Funktionen von Text-Bild-Kombinationen in Fachtexten an: Benennen, Bezeichnen In einer Text-Bild-Kombination mit der Funktion des Bezeichnens werden an einem Übersichtsbild Komponenten markiert und im Text oder einer Liste die Bezeichnungen dazu eingeführt. Damit wird einerseits eine visuelle Lokalisierung gegeben, andererseits eine einheitliche Terminologie aufgebaut. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 129 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 129 Darstellen, Veranschaulichen Hier dokumentiert das Bild eine Beobachtung und der Text beschreibt das Aussehen, d. h. die visuellen Merkmale eines Gegenstands. Das ist der klassische Fall kodaler Komplementarität, denn die Sprache kann nie so anschaulich kommunizieren wie ein Abbild. Das wird deutlich, wenn ein unbekannter oder komplexer Gegenstand dargestellt werden soll (Bild IV.2). Bilder in dieser Kombination wurden früher auch als Illustrationen (lat. =-aufhellen, erläutern) bezeichnet, da sie den abstrakten Text mit Anschaulichkeit aufklären. Eine derartige Kombination dient oft der Definition eines Begriffs. Wenn ein Bild im Kontext einer Definition eingesetzt wird, spricht man von ostentativer Definition (lat. ostendere =-zeigen.). Veranschaulichungen sind manchmal die einzige Möglichkeit, einen Begriff verständlich zu definieren. Dies ist der Fall, wenn es um die Definition konkreter Begriffe geht. Was ist z. B. eine Kreuzschlitz-Schraube? Bild IV.1: Bezeichnende Text-Bild-Kombination. Die Organellen der Zelle in einem Schemabild. Quelle: Messer & Szczepan (1990), Wikimedia Commons. 1. Nucleolus 2. Zellkern (Nukleus) 3. Ribosomen 4. Vesikel 5. Raues Endoplasmatisches Reticulum 6. Golgi-Apparat 7. Mikrotubuli 8. Glattes Endoplasmatisches Retikulum 9. Mitochondrien 10. Lysosom 11. Zytosol 12. Peroxisom 13. Zentriolen 130 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 130 IV Text und Bild verbinden Begründen In dieser Text-Bild-Kombination wird im Text eine Behauptung aufgestellt, die mit einem Beweisbild als Argument belegt wird. Im einfachsten Fall dient das Bild als Beweis für die Existenz eines Phänomens, z. B. dass es Kugelblitze gibt oder neue Froscharten im Regenwald entdeckt wurden. In zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen haben Bilder die Funktion von komplexen Argumenten über- Bei dem bizarr aussehenden Teufelsangler (Linophryne arborifera) ist ein extremer Geschlechts-dimorphismus zu beobachten. Das Männchen ist gegenüber dem Weibchen viel kleiner. Bei einigen Arten verwächst das Zwergmännchen fest mit dem Weibchen. Bild IV.2: Darstellende Text-Bild-Kombination. Geschlechtsdimorphismus beim Teufelsangler. Die Strichzeichnung ist informativ, weil nur wenige Menschen den Tiefseefisch zu Gesicht bekommen. Zudem ist ein visueller Vergleich möglich. Quelle: Tony Ayling (1982), Wikimedia Commons. Eine Kreuzschlitz-Schraube ist ein Verbindungs- Element, das auf dem Kopf kreuzförmige Schlitze zum Ansetzen des passenden Schraubendrehers hat. Bild IV.3: Darstellende Text-Bild-Kombination: Ostentative Definition des Begriffs der Kreuzschlitzschraube. Rein sprachlich und ohne Abbild ist die Definition schwer verständlich. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 131 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 131 nommen (Scholz, 2000). Ein klassisches Beispiel ist der Stammbaum der Arten als visuelles Argument für die Evolutionstheorie. Moderne Beispiele: Computertomografische Aufnahmen von inneren Organen in der Medizin belegen einen Krankheitsverlauf. In der Geschichtswissenschaft dienen Gemälde, Stiche und Fotos als Belege für historische Thesen (Imhof, 1991). Weitere Beispiele sind radioastronomische Bilder in der Astronomie oder Luftbildfotos in der Archäologie. Allerdings ist die verbreitete Meinung, dass visuelle Argumente überzeugender wirken als verbale, empirisch nicht gesichert (Oestermeier, Reinhard-Hauck & Ballstaedt, 2001). Diagramme haben häufig die Funktion, Behauptungen mit Daten zu belegen (Bild IV.4). Die Masse der Arbeitnehmer musste sich in Deutschland seit 1995 mit einer real negativen Einkommensentwicklung einrichten. Dabei ging die Einkommensschere zwischen dem unteren Lohnniveau und den Unternehmenseinkommen weiter auseinander. Bild IV.4: Begründende Text-Bild-Kombination. Das Liniendiagramm belegt, was der Text behauptet. Quelle: modifiziert nach http: / / www.jjahnke.de. 14523: Veränderung der Einkommenskluft seit 1995 Quelle: Stundenlöhne: Uni Duisburg-Essen, sonst Statisches Bundesamt, *) Löhne verbraucherpreisbereinigt, Unternehmens- und Vermögenseinkommen BIP-Deflator. © Jahnke - http: / / www.jjahnke.net, modifizierte Grafik: Claudia Wild. 150 140 130 120 110 100 90 80 95 06 07 1995 = 100 � Unternehmens- Vermögenseinkommen � Oberes Lohn-Mittelfeld *) � Oberstes Lohn-Viertel *) � Unteres Lohn-Mittelfeld *) � Unteres Lohnviertel *) 132 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 132 IV Text und Bild verbinden Erklären Eine Erklärung geht von einer Beobachtung (bzw. deren Beschreibung) aus und führt sie auf ihre Ursachen zurück. Sie ist eine Antwort auf eine Warum-Frage, die über das sinnlich Wahrnehmbare hinausgeht, weil sie dazu allgemeine Gesetze, Prinzipien oder Regeln braucht. Wie funktioniert z. B. eine Touchscreen oder wie kommt ein Gewitter zustande? Streng genommen kann man nur in der Sprache etwas erklären, denn in Abbildern lassen sich nur Objekte nebeneinander stellen, aber es gibt keine Abbildung für die kausalen Konjunktionen wie »weil«, »aufgrund«, »deshalb«. Aber der Text kann durch ein Chart oder eine Infografik (deshalb auch Erklärgrafik) ergänzt werden, in dem die kausalen Zusammenhänge durch Kästen und Pfeile visualisiert sind. Bild IV.5: Erklärende Text-Bild-Kombination. Die Funktionsweise eines Kraftwerks wird erklärt, wobei in dieser Infografik der Textanteil gering ist. Quelle: Angelika Jansen, mit freundlicher Genehmigung. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 133 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 133 Anleiten Diese Text-Bild-Kombination findet man vor allem in Bedienungsanleitungen, aber auch in Anleitungen zum Durchführen von Experimenten oder in Kochbüchern. Sprachlich wird eine Handlungsanleitung formuliert, als Befehl (Schrauben Sie die Rückseite ab! ) oder als imperativischer Infinitiv (Rückseite abschrauben! ), in einem Abbild wird gezeigt, wo die Schrauben sitzen und mit welchem Werkzeug (Kreuzschraubendreher) sie in welcher Richtung (Pfeil) aufgedreht werden müssen. Das Problem der Abbildung von Handlungen haben wir bereits behandelt, das Bild III.26 zeigt ein Beispiel für eine anleitende Text-Bild-Kombination. Emotionalisieren Diese Funktion kann als Sonderfall des Veranschaulichens angesehen werden, der in wissenschaftlichen Texten eher selten ist. Da Bilder-- wie wir gesehen haben-- besonders gut Gefühle auslösen, kann ein starkes Bild die Aussage eines Textes verstärken. Man denke an Fotos über Tierversuche, über die Folgen von radioaktiver Verstrahlung, über die Zustände in einem Slum. Eindrückliche Bilder laden Texte emotional auf, ein Funktion, die wir aus dem Journalismus und der Werbung kennen. Ein Spezialfall des Anleitens und Emotionalisierens ist das Warnen: Eine Handlung soll ausgeführt oder unterlassen werden. Besonders in der technischen Kom- Bei einem Augenreizungstest (Draize-Test) wird einem Kaninchen eine Substanz in das Auge geträufelt, um seine ätzende und toxische Wirkung zu überprüfen. Der Test wird z. B. bei Kosmetika angewendet. Bild IV.6: Emotionalisierende Text-Bild-Kombination. Das Foto und die Textinformationen wird Tierschützer und Gegner von Tierversuchen aufregen. Quelle: People for the Ethical Treatment of Animals (PETA)(2007), Wikimedia Commons. 134 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 134 IV Text und Bild verbinden munikation gibt es Text-Bild-Kombinationen, in denen im Text eine Handlung untersagt wird und das Bildhier meist ein Piktogramm-- die Folgen der Nichtbeachtung zeigt. Die Kombination einer sprachlichen Warnung mit einem drastischen und damit emotionalisierenden Piktogramm hat sich als besonders wirksam erwiesen. Nach diesem Prinzip sind die Sicherheitszeichen des American National Standards Institute (ANSI) entwickelt worden (Bild IV.7). All in one: Infografiken Diese spezielle Kombination aus sprachlichen und bildlichen Informationen fällt in dieser Aufzählung etwas aus dem Rahmen, da sie benennende, erklärende, begründende, anleitende Komponenten enthalten kann, wobei der Fokus aber auf der Erklärung liegt, deshalb wird sie auch als Funktionsinfografik oder Erklärgrafik bezeichnet. Ursprünglich stammt sie aus dem Journalismus und stellt komplexe Zusammenhänge durch eine Kombination von Textteilen und Bildern dar, wobei Listen, Tabellen, Charts, Diagramme, Abbilder verwendet werden. Eine Diagramm, das eine thematisches Hintergrundbild hat und Beschriftungen enthält, oder ein Chart, das mit Piktogrammen angereichert ist, sind damit noch keine Bild IV.7: Warnende Text-Bild-Kombinationen. Das American National Standards Institut (ANSI) verlangt für Sicherheitshinweise eine Kombination eines eindrücklichen Piktogramms mit einem prägnanten Verbot oder Gebot. Zwei Beispiele, links: Warnung vor Einatmen eines Gases, rechts: Warnung vor Quetschgefahr. Quelle: ANSI. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 135 1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 135 Infografiken! Aber die Übergänge sind fließend. Die Infografik ist ein Kind des Computers, denn nur mit einem entsprechenden Programm ist eine derartige Text-Bild-Kombination schnell erstellbar, z. B. mit Freehand oder Illustrator. Die Infografik soll durch die Bilder motivieren und das Lesen komplizierter Texte ersetzen, das Verstehen verbindet Betrachten und Lesen. Die Wochenzeitung »DIE ZEIT« hat zwei Jahre lang im Ressort Wissen jede Woche ein komplexes Thema als ganzseitige Infografik aufbereitet (www.zeit.de/ grafik und Drösser, 2011). Nachdem 1999 gleich drei Bücher zu dieser neuen Darstellungsform erschienen, alle drei mehr oder weniger euphorisch, wurde es erstaunlich still um die Infografik (Jansen & Scharfe, 1999; Liebig, 1999; Sprissler, 1999). Trotzdem blieben die Lobpreisungen über die neue Qualität der Information: »Neben der schnelleren Informationserfassung und -verarbeitung und der längeren Speicherung im Ge- Bild IV.8: Typische Infografik. Hier sind Textteile mit piktografischen Bildchen verbunden. Die Text-Bild-Kombination muss von oben nach unten ausgewertet werden. Quelle: foodwatch. 136 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 136 IV Text und Bild verbinden dächtnis wirken Infografiken motivierend auf den Leser« (Bouchon, 2007, 40). Diese Behauptungen über die »Informationsbomben« haben nur wenige Untersuchungen angeregt, die aber eher daran zweifeln lassen, ob diese komplexe Darstellungsform erfüllt, was sich die Infografiker/ innen davon versprechen (Weidenmann, Paechter & Hartmannsgruber, 1998). Wer eine Infografik vor sich hat, der weiß oft nicht, wo mit der Auswertung beginnen und welche Abfolge er in dem sprachlichen und visuellen Angebot wählen soll. Diese Schwierigkeiten muss der Designer grafisch in den Griff bekommen, damit die Infografik keine mentale Überforderung bedeutet und zu fragmentarischem Wissen führt. Es sind noch andere Text-Bild-Kombinationen denkbar, alle haben gemeinsam, dass erst Text und Bild zusammen eine kommunikative Funktion- - oder einen Sprech- und Zeigeakt-- erfüllen. Text und Bild ergänzen sich dabei in ihren Stärken und Schwächen. 2 Multikodale Verarbeitung Eine Text-Bild-Kombination bietet den Augen eine Sehfläche mit zahlreichen ikonischen und symbolischen Zeichen, die ebenfalls auf den bereits beim Bild beschriebenen drei Ebenen verarbeitet wird: globaler Ersteindruck, Blickbewe- Gestalten von Infografiken Den Blick lenken. Eine Infografik muss auf einen Blick einen eindeutigen Einstieg bieten und einen Blickpfad mit visuellen Leitplanken anlegen, der die Abfolge der Auswertung steuert. Vor allem wenn von der üblichen Leserichtung abgewichen wird, muss das eindeutig durch Pfeile, Nummerierung usw. kommuniziert werden. Übersichtlich bleiben. Eine Infografik nicht mit Texten und Bildern vollstopfen, das motiviert wenig zum Betrachten und Lesen, sondern es besteht die Gefahr des mentalen Overload, d. h. einer Überforderung, die zum Ausstieg führt. Sehr komplexe Infografiken sind vermutlich nicht leichter zu verstehen als ein didaktisch gut aufgebauter Text. Plakativ gestalten. Eine Infografik soll schnell und prägnant informieren, sie muss in Text und Bild verdaulich bleiben, deshalb: einfache Bildchen und kleine Sprachhäppchen. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 137 2 Multikodale Verarbeitung 137 gungen, begriffliche Verarbeitung (Ballstaedt, 2006). Auch hier ist Hintergrundwissen zur kognitiven Verarbeitung für eine effektive Gestaltung von Text-Bild- Kombinationen nützlich. Globaler Ersteindruck Bevor aus Text oder Bild auf einer Seite begriffliche Informationen entnommen werden, offenbart der erste Blick eine ganzheitliche visuelle Organisation: das Zueinander von Text- und Bildarealen. Diesen ersten visuellen Eindruck bewirken Gestaltgesetze und andere visuelle Konstruktionsregeln. Es ist ein vorsemantisches Gewahrwerden wie beim Betrachten von dekorativen Ornamenten oder abstrakten Gemälden, das über Typografie, Layout und Bildgestaltung (etwa Farbe) bereits ästhetische Empfindungen wie Ausgewogenheit, Symmetrie, Ordnung, Übersichtlichkeit, Gefälligkeit und deren Gegenteile vermittelt. Wenn wir eine schriftliche Arbeit durchblättern, dann bekommen wir diesen ersten Eindruck. Blickbewegungen Wir lesen und betrachten mit den Augen. Für die Auswertung von Sehflächen aus Text und Bild bedeutet das aber: Entweder lese ich einen Text oder ich betrachte ein Bild, beides gleichzeitig ist nicht möglich. Sehflächen erzwingen eine Aufteilung der Aufmerksamkeit auf beide Zeichensysteme (Split Attention). In Text-Bild- Kombinationen fällt der erste Blick gewöhnlich auf das Bild, d. h. Bilder können als Köder für den Text eingesetzt werden, vor allem, wenn Unerwartetes zu sehen ist. Dies ist eine Trivialität, aber mit erheblichen Folgen: Ein großer Abstand von Text und zugehörigem Bild verringert die Wahrscheinlichkeit einer integrativen Verarbeitung, denn weite Sprünge sind für die Augen lästig und werden vermieden. Gibt es vorhersagbare Blickpfade? Eine Serie von Studien aus dem Poynter-Institut wertet Blickbewegungen bei Seiten einer Online-Zeitung aus, auf der Texte, Fotos, Logos und anderes Zeichenmaterial angeboten wird (Outing & Ruel, 2004). Ein Ergebnis: Der erste Blick fällt zwar meist auf ein Bild, aber dieses wird nicht detailliert ausgewertet, sondern sofort auf Überschriften und Kurztexte weiter gesprungen. Von den ersten drei Fixationen landen 78 % auf einem Text! Erst beim zweiten Durchgang bekommen die Bilder und längere Texte eine Chance: Jetzt werden sie detailliert betrachtet und gelesen. Auch in anderen Untersuchungen lässt sich eine erste Phase der Orientierung von einer zweiten Phase vertiefter Auswertung unterscheiden. In der ersten Phase verschafft man sich einen Überblick, 138 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 138 IV Text und Bild verbinden in der zweiten Phase werden dann informationsdichte Areale öfter und länger angeschaut als informationsarme. Vertikalanordnung. Sie ist bei kleinen Seitenformaten, z. B. in Büchern oder Dissertationen in DIN A 5 der Normalfall. Hier ist das Bild zum Text darüber oder darunter zu finden. Der Blick muss vertikal rauf und runter springen, um die beiden Informationsquellen zu verarbeiten. Für die Augen ist das anstrengend, da die Müskelchen für diese Bewegung des Augapfels nur schwach ausgeprägt sind. Horizontalanordnung. Sie ist vor allem bei großen Seitenformaten zu finden, z. B. Abschlussarbeiten in DIN A 4. Hier ist das Bild zum Text rechts oder links zu finden. Der Blick muss horizontal hin und her springen, um beide Informationsquellen zu verarbeiten. Das fällt den Augen leichter, denn das Absuchen des Horizontes war in der Evolution eine überlebenswichtige Sehtätigkeit. Streuverteilung. In manchen Publikationen werden die Bilder je nach Platzbedarf beliebig auf der Sehfläche verteilt. Auch bei Infografiken findet man diese Anordnung oft, obwohl sie ein unruhiges Layout erzeugt. Begriffliche Verarbeitung Eine Integration von Text und Bild ist nur auf der begrifflichen Ebene möglich: Sowohl Wörter als auch fixierte Bildkomponenten aktivieren Begriffe, wobei Bilder mehrdeutiger sind als Wörter. Es lassen sich drei verschiedene inhaltliche Bezüge zwischen Text und Bild unterscheiden, die unterschiedliche Konsequenzen für die Verarbeitung haben (Ballstaedt, 2009): Kongruenz. Der Text benennt und beschreibt Komponenten des Bildes. Das Bild veranschaulicht Begriffe und Beschreibungen im Text. Bei Kongruenz aktivieren Text und Bild denselben Begriff oder dieselben Begriffe. Zum Beispiel zeigt das Bild einen Gegenstand und der Text benennt ihn wie in einer Lesefibel oder einem Bildlexikon. Um beides Text und Bild aufeinander zu beziehen ist switching notwendig. Dies ist der Fall bei Text-Bild-Kombinationen mit der Funktion des Bezeichnens und Beschreibens. Komplementarität. Hier geht es nicht um eine kodale, sondern eine inhaltliche Komplementarität. Entweder enthält der Text abstrakte und unbestimmte Ausdrüwww.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 139 2 Multikodale Verarbeitung 139 cke, die durch Inhalte im Bild ausgefüllt werden. Oder das Bild enthält Mehrdeutigkeiten, die durch den Text vereindeutigt werden. Bei inhaltlicher Komplementarität aktiviert zwar der Text andere Begriffe als das Bild, aber diese sind innerhalb eines Wissensschemas miteinander verknüpft. Da diese Gestaltung die Betrachtenden zwingt, für ein Gesamtverstehen beide Darstellungsformen zu verarbeiten, ist diese Text-Bild-Beziehung didaktisch besonders interessant. Elaboration. Hier sind Text und Bild nicht direkt, sondern nur über Schlussfolgerungen der Adressaten aufeinander bezogen. Text und Bild aktivieren verschiedene Konzepte, die erst über Schlussfolgerungen aufeinander bezogen werden können. Ohne adäquates Vorwissen fallen beide Darstellungsformen auseinander (im audiovisuellen Bereich spricht man treffend von einer Text-Bild-Schere). Eine elaborative Gestaltung ist in künstlerischen oder unterhaltenden Text-Bild-Kombinationen anregend, aber in Gebrauchstexten sollte man sie vermeiden. Das Bild IV.9 demonstriert die drei Möglichkeiten an einem schlichten Beispiel. In einer komplexen Text-Bild-Kombinationen können alle drei Bezüge vorkommen. Bild IV.9: Drei verschiedene Text-Bild-Beziehungen. Sie erfordern unterschiedliche Verarbeitungsprozesse. (1) Kongruenz: Der Text beschreibt, was das Bild zeigt: eine Gruppe von Pfifferlingen. (2) Komplementarität: Die Begriffe HERBST und WALD aktivieren ein Schema, in das die abgebildeten Pilze passen. (3) Elaboration: Tschernobyl aktiviert das Wissen über den Gau, dessen radioaktive Verstrahlung noch heute in Wildpilzen nachweisbar ist. Quelle des Bildes: Albin Schmalfuß (1897), Wikimedia Commons (1) Die Pfifferlinge wachsen in Gruppen. (2) Im Herbst bietet der Wald viele Genüsse. (3) Die Folgen von Tschernobyl sind noch immer aktuell. 140 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 140 IV Text und Bild verbinden Von Kongruenz über Komplementarität zur Elaboration nimmt der Verarbeitungsaufwand zu. Kongruente und komplementäre Bezüge findet man oft in Fachtexten, während elaborative Bezüge vor allem auf künstlerische Text-Bild- Kompositionen beschränkt bleiben. Visuelle Verarbeitung Aus Gründen, die wir hier nicht behandeln können, ist das Langzeitgedächtnis für Bilder sowohl was Dauer als auch Kapazität betrifft erstaunlich (Engelkamp, 2004). Ein Bild kann sozusagen als Eselsbrücke zum Abruf von Textinformationen dienen. Diese mnemotechnische Funktion erfüllen auch bildliche Analogien. Ein Beispiel ist das Bild II.12 mit dem Fishbone-Chart aus dem Qualitätsmanagement. Der eingezeichnete Fisch mit seiner Rückengräte hilft, sich über die Grundstruktur des Charts die Theorie einzuprägen und später abzurufen. Bild wirkt auf Textverstehen In der Verarbeitung einer Text-Bild-Kombination gibt es wechselseitige Einflüsse (Interaktion): Es macht beim Verstehen durchaus einen Unterschied, ob wir zuerst das Bild anschauen und dann den Text lesen oder umgekehrt. Je nach Startpunkt auf der Sehfläche und der Abfolge von Lesen und Betrachten beeinflusst das Bild die Textverarbeitung oder der Text die Bildverarbeitung. Werfen wir erst einen Blick darauf, wie Bilder die Textverarbeitung beeinflussen. Diese Fragestellung war und ist im Rahmen der Lehrwerkforschung interessant, bei der die Funktionen der Bebilderung in Schul- und Lehrbüchern auf dem Prüfstand steht. Meist wird dabei in einem Experiment verglichen, wie Lernende denselben Text ohne und mit Bebilderung behalten und verstehen (Weidenmann, 1988, Peeck, 1994; Schnotz, 1994). Alle Zusammenfassungen der Untersuchungen stimmen darin überein, dass Bilder einen Effekt auf das Textverstehen haben, vorausgesetzt sie werden funktional in einer Text-Bild-Kombination eingesetzt und dienen nicht nur der Illustration. Die Größe des Effekts wird allerdings sehr unterschiedlich angesetzt, von einer Verbesserung des Textverstehens um 20 % bis 75 %. Aber auch 20 % stellen in der Lernpsychologie einen beachtlichen Gewinn dar. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 141 2 Multikodale Verarbeitung 141 Text und Bildverstehen Ein Bild kann also die Verarbeitung eines Textes messbar beeinflussen. Aber wie sieht es mit der umgekehrten Richtung aus? Wie ein Text die Auswertung eines Bildes beeinflusst, ist seltener untersucht worden. Dabei wird in Experimenten verglichen, wie ein Bild ohne und mit Text verarbeitet, d. h. verstanden und behalten wird. Dazu müssen visuelle Tests durchgeführt werden, wie z. B. Bildergänzung, Nachzeichnung, Fehlererkennung usw. (Zimmer, 1983). Sehanleitungen. Eine Untersuchung konnte belegen, dass ohne ausdrückliche Verweise auf die Bilder, diesen wenig Beachtung geschenkt wird (Reinking, Hayes & McEneamey, 1988). Dabei gehen Hinweise wie »siehe Bild x« beim Lesen unter, besser ist eine vorgegebene Aufgabenorientierung oder Sehanleitung, die eine Auswirkung auf das Suchverhalten und Behalten hat (»Achten sie besonders auf den Verlauf der Kurve nach 1989! «, »Prägen Sie sich besonders die Lage des Schalters ein.«). Explizite Hinweise auf das Bild führen zu mehr Switching zwischen Text und Bild, längeren Betrachtungszeiten und besseren Behaltenleistungen (Ballstaedt, 2011). Bild IV.10: Sehanleitung. In dieser Vertikalverteilung verweist der letzte Satz den Lesenden in das Bild. Quelle: modifiziert nach Mercedes-Benz (o. J.): Technisches Grundwissen PKW, S. 48. Leider lässt sich die durch Gemischverbrennung erzeugte Energie nur zu einem kleinen Teil als Vortrieb nutzen. Rund 30 % der im Kraftstoff steckenden Energie gehen allein durch die Kühlung verloren. Aber diese Kühlung ist für den Motor lebenswichtig: Wird die Überschusswärme nicht schleunigst entfernt, geht der Motor durch Hitzschlag zugrunde. Wo es am heißesten im Motor zugeht, zeigt die Abbildung. Motorkühlung 142 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 142 IV Text und Bild verbinden Sprache hat aufmerksamkeitslenkende Funktion und leitet die Suche im Bild an (Zimmer, 1983). Je nach Aufgabe lassen sich unterschiedliche Blickbewegungsmuster protokollieren (siehe Bild I.9). Anleitungen zur Betrachtung von Bildern sind deshalb ein wichtiges didaktisches Mittel, um die Bildverarbeitung zu fördern. Sprachliche Steuerung. Bilder, so hatten wir festgestellt, sind immer mehrdeutig. Formulierungen im Text tragen dazu bei, das Bild in einer bestimmten Weise auszuwerten und zu interpretieren. Das geht über die Wortwahl und sogar über die Satzkonstruktion. Psycholinguistische Untersuchungen belegen, dass die Wortwahl und damit die begriffliche Kategorisierung die Auswertung des Bildes beeinflusst (Jörg, 1978). Wird ein Bildobjekt konkret benannt, so wird es detaillierter betrachtet als bei einer allgemeineren Benennung. Nenne ich ein Abbild »Fisch« bleibt das Sehen oberflächlich, nenne ich es »Forelle«, so wird genauer hingeschaut. Das gilt auch für die Beschreibung von Eigenschaften. Der Satz »Die Forelle ist farbig« richtet die Wahrnehmung auf ein visuelles Merkmal aus. Selbst die Satzkonstruktion hat messbaren Einfluss auf die Wahrnehmung. Bildkomponenten werden länger inspiziert, wenn sie als Satzsubjekt als wenn sie als Satzobjekt angesprochen werden. Durch sprachliche Hervorhebungen wie z. B. einen Spaltsatz kann man den Effekt noch steigern: »Es ist die Farbe, welche die Forelle besonders auszeichnet.« (zusammenfassend Engelkamp, 1991). Bild IV.11: Ein Strichbild mit zwei Objekten als Vorlage in einem Experiment. Werden die Objekte allgemein benannt, wie in dem Satz a), dann werden sie kürzer inspiziert als bei den konkreten Benennungen des Satzes b). Der Grund: Um zu verifizieren, ob tatsächlich ein Brotmesser oder eine Scholle abgebildet sind, müssen mehr visuelle Merkmale ausgewertet werden. Quelle: Sabine Jörg, 1978, S. 87. a) Das Messer liegt neben dem Fisch. b) Das Brotmesser liegt neben der Scholle. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 143 2 Multikodale Verarbeitung 143 Leerstellen. Hier enthält der Text eine semantische Leerstelle, darunter wird ein unbestimmter oder fehlender Inhalt verstanden, der durch das Bild ausgefüllt wird. Auch hierzu gibt es psycholinguistische Untersuchungen. Sie zeigen z. B. dass eine Pronominalisierung in einem Satz wie »Der Vater hat es gewaschen«, sofort einen Blick auf das nebenstehende Bild auslöst, um zu erfahren, was genau der Vater gewaschen hat, z. B. das Auto. Oder eine Formulierung wie »Die griechische Amphore hat eine charakteristische Form« führt durch die unbestimmte Angabe zur Form zu einer Inspektion des Bildes. Hier geht es also nicht um die kodale, sondern eine inhaltliche Komplementarität. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ein Bild enthält Leestellen, z. B. unbekannte Personen und Gegenstände, deren Bezeichnungen der Text liefert Legende. Sehanleitungen, sprachliche Steuerungen und Leerstellen können im Begleittext realisiert sein, oft findet man sie aber auch in der Legende (lat. =-das zu Lesende). Diese sprachliche Ergänzung befindet sich meist unter dem Bild, deshalb auch Bildunterschrift, selten auch aus Platzökonomie oder Designgründen seitlich daneben. Eine Legende erfüllt eine Scharnierfunktion, da sie Bild und Text über die Bildnummer und den Bildtitel verbindet. Legenden haben idealtypisch folgenden Aufbau: Bild X: Bildtitel. Erklärung von Symbolen und Darstellungskonventionen. Beschreibungen, Erläuterungen und Sehanleitungen für die Auswertung des Bildes. Angabe von technischen Daten und Manipulationen der Bildproduktion und -bearbeitung. Angabe der Quelle. Bild IV.12: Inhaltliche Komplementarität. Der unbestimmte Ausdruck »eine spezielle Form« führt zu einem Blick in das Abbild. Eine Beschreibung der Form liest sich so »eine bogenverzahnte kreisförmig zur Mitte verjüngte Form«. Da ist das Abbild wieder deutlich überlegen. Quelle: modifiziert nach Mercedes-Benz (o. J.): Technisches Grundwissen PKW, S. 104. Schnecken-Rollen-Lenkgetriebe Im Getriebe hat die Lenkschnecke eine spezielle Form, um die Drehung des Lenkrades über die Lenkrolle in eine Schwenkbewegung der Räder zu übertragen. 144 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 144 IV Text und Bild verbinden Welche Informationen man auch in die Legende bzw. Bildunterschrift steckt, die Legenden sollten innerhalb eines Dokuments konsistent gestaltet sein. Dies gilt auch für die typografische Gestaltung. Legenden sind meist kleiner als die Hauptschrift (Petit-Schrift) und engzeiliger als der übrige Text. Gestalten von Text-Bild-Kombinationen Didaktische Funktion festlegen. Grundsätzlich muss klar sein, welche kommunikative bzw. didaktische Funktion eine Text-Bild-Kombination erfüllen soll und wie sich dabei die beiden Zeichensysteme in ihren Stärken und Schwächen ergänzen. Räumliche Kontiguität. Die integrative Verarbeitung durch Textverweise wird erleichtert, wenn Bilder in unmittelbarer Nähe der Textstelle zu finden sind, auf die sie sich beziehen. Muss man erst blättern, dann sieht es mit der integrativen Verarbeitung ganz schlecht aus. Aber auch eine auseinanderliegende Anordnung auf einer Seite erfordert noch erhebliche Augensprünge, die für manche Benutzenden zu lästig sind. Es gilt deshalb das Prinzip der Kontiguität (Mayer, 2001): Je näher sprachliche und visuelle Informationen beieinander liegen, desto eher werden auch beide Informationsquellen genutzt. Wichtig ist dabei, dass Bild und dazugehörige Bildlegende optisch eine Einheit bilden (wieder einmal das Gestaltgesetz der Nähe! ). Horizontale Verteilung. Eine horizontale Anordnung (Text und Bild nebeneinander) hat sich dabei als günstiger erwiesen als eine vertikale Anordnung (Text und Bild übereinander), da die Augen sich nicht gern vertikal bewegen. In der Horizontalverteilung kommt das Zeichensystem mit der Leitinformation nach links. Das entspricht der gewohnten Leserichtung von links nach rechts. Vertikale Verteilung. Verwendet man eine Vertikalverteilung (Text und Bild übereinander), dann wird das Zeichensystem mit der Leitinformation oben platziert. Das Wichtige erwarten wir nach einer topologischen Konvention oben, das weniger wichtige unten. Die Vertikalverteilung ist allerdings für die Augenbewegungen die schlechtere Variante und sollte nicht zu oft eingesetzt werden. Kongruente Beziehungen. Bei Kongruenz ist darauf zu achten, dass kongruente Beziehungen zwischen Text und Bild eindeutig referenziert sind, z. B. durch parallele typografische Mittel. Die Bezeichnungen im Text und die Beschriftungen im Bild müssen übereinstimmen. Die kognitiven Wirkungen kongruenter Informationsdarbietung sind noch immer umstritten. Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass jeder die Sinnesmodalität nutzen kann, die er bevorzugt. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 145 2 Multikodale Verarbeitung 145 Formalia Bei der Einbettung von Bildern in wissenschaftliche Texte haben sich einige formale Konventionen herausgebildet, die hier abschließend zusammengestellt sind. Durchnummerierung. Bilder werden in einem Text fortlaufend durchnummeriert, um auf sie im Text und von außen mit der Nummer Bezug nehmen zu können. Bei umfangreichen Texten ist eine kapitelweise Zählung mit Doppelnummern zu empfehlen, bei der sich die erste Ziffer auf das Kapitel, die zweite auf die Bildzählung bezieht, z. B. Bild 3.14 für das 14. Bild im 3. Kapitel. Ein Bildverweis besteht gewöhnlich in der nachgestellten Angabe der Bildnummer (Abb. 12). Oft wird dabei von Abbildungen gesprochen und zudem die Tabellen gesondert gezählt. Hier gibt es in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Konventionen. In unserer Terminologie bezieht sich Bild (engl. Figure) auf alle nichtsprachlichen Vermittlungsformen, deshalb ziehen wir diese übergeordnete Bezeichnung vor und unterscheiden nicht zwischen Abbildungen und Tabellen. Eine andere Lösung ist nicht falsch, Hauptsache sie wird in einem Text einheitlich gehandhabt. Bildverzeichnis. Bei Texten mit vielen Bildern-- Faustregel: ab fünf-- ist ein Bildverzeichnis sinnvoll. Manchmal wird auch hier ein Bildverzeichnis und ein Tabellenverzeichnis unterschieden. Da wir terminologisch die Tabelle als einen Bildtyp bezeichnet haben, macht diese Trennung keinen Sinn. Das Bildverzeichnis steht vor oder nach dem Text: Bild 1 Titel Quelle Seite Komplementäre Beziehungen. Inhaltliche Komplementarität von Text durch Bild wie von Bild durch Text stellt wahrscheinlich die wirkungsvollste Möglichkeit dar, beide Informationsquellen integrativ zu verarbeiten. Nach Möglichkeit sollten deshalb Leerstellen im Text durch das Bild oder Unbestimmtheiten im Bild durch den Text ergänzt werden. Bildverweise. Beim Verweis auf ein Bild im Text keine deiktischen Ausdrücke verwenden wie »das Bild oben« oder »unten«, das »folgende« oder »vorherige Bild«. Auf Bilder wird nur mit der Bildnummer verwiesen. Hinweise 146 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 146 IV Text und Bild verbinden 3 Evaluation von Bild und Text Zur Bewertung des Bildes stellen wir eine Checkliste aus 23 Entscheidungsfragen vor, die für eine konkrete Text-Bild-Kombination beantwortet werden müssen. Die Arbeit mit der Checkliste setzt die theoretische Kenntniss der vorangegangen Kapiteln voraus. Eine negative Entscheidung bei einer Frage macht auf Mängel beim Einsatz eines Bildes aufmerksam. Im Folgenden wenden wir die Checkliste auf ein konkretes Beispiel an, um zu demonstrieren, wie man mit ihr arbeiten kann. Dazu haben wir eine Text-Bild- Kombination aus einem evolutionsbiologischen Buch ausgewählt (Bild IV.13). Für die Beantwortung jedes Items der Liste gibt es drei Möglichkeiten: In Ordnung (+), mit Mangel (-), Item trifft nicht zu (/ ). Die jeweilige Entscheidung wird unter Anmerkungen kurz begründet. Bild IV.13: Text-Bild-Kombination. Quelle: John Fleagle nach Roger Lewin, 1992, S. 92. Anatomisches Erbe. Die einzelnen Teile unseres Skeletts wurden in verschiedenen Phasen unserer Geschichte geformt. Der abgerundete Schädel zum Beispiel war vor 100 000 Jahren unsere jüngste Errungenschaft, das Zahnmuster hingegen eines der ältesten - es entwickelte sich vor 35 Millionen Jahren. Angaben in Millionen Jahren. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 147 147 3 Evaluation von Bild und Text Kommunikative Funktion Anmerkungen 1. Kommunikative Absicht: Erfüllt die Text-Bild-Kombination eine eindeutige kommunikative Funktion? (+) Veranschaulichen mit einer Strichzeichnung 2. Kodale Komplementarität: Werden Text und Bild ihren funktionalen Stärken entsprechend eingesetzt? (+) Der Text enthält Aussagen, die bildlich nicht gemacht werden können. Das Bild zeigt Teile des Skeletts, die nur schwer sprachlich lokalisiert werden können. 3. Vorwissen: Verfügen die Adressaten über ausreichende Vorkenntnisse, um die Bildinhalte und die visuellen Konventionen zu erkennen und zu verstehen? (+) Es gibt keine ungewöhnlichen visuellen Inhalte. 4. Wenn Farbe eingesetzt wird: Hat die Farbgestaltung eine kommunikative bzw. didaktische Funktion? (/ ) Kein Einsatz von Farbe 5. Ästhetischer Stil: Wird auf einen einheitlichen ästhetischen Stil geachtet? Ist ein corporate Design erkennbar? (/ ) Kann für ein einzelnes Bild nicht bestimmt werden. 6. Emotionaler Eindruck: Werden durch das Bild - auch ungewollte - Gefühle und Assoziationen ausgelöst? (+) Das Skelett mit der Aktentasche auf dem Weg zur Arbeit in einem Bürokomplex wirkt etwas frivol und ist als visueller Gag für einen Fachtext ungewöhnlich. Hier wird unser altes biologisches Erbe mit der modernen Arbeitswelt konfrontiert. Das dürfte zumindest ein Schmunzeln auslösen. Visuelle Organisation 7. Gestaltgesetze: Ist durch Berücksichtigung von Gestaltgesetzen auf den ersten Blick eine eindeutige und prägnante Organisation des Bildes gegeben? (+) Das Skelett hebt sich als Figur deutlich vor einem dünner gezeichneten Hintergrund ab. 8. Bildqualität: Sind einzelne Komponenten der Abbildung oder Visualisierung deutlich erkennbar und unterscheidbar? (-) Die Bezugspfeile und--ziffern sind manchmal schwer unterscheidbar. 148 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 148 IV Text und Bild verbinden Kommunikative Funktion Anmerkungen 9. Bildgröße: Ist die Größe der Abbildung oder Visualisierung funktionsgerecht für eine globale Übersicht oder eine detaillierte Auswertung? (+) Gerade in Ordnung, kleiner dürfte das Skelett nicht sein 10. Bildkomplexität: Sind keine unwichtigen und ablenkenden Details in der Abbildung oder Visualisierung? (+) Eigentlich sind für die Botschaft Aktentasche und Hintergrund überflüssig, aber siehe 6. Item 11. Perspektive: Entspricht die Perspektive oder die Ansicht (Aufsicht, Seitenriss usw.) den Funktionen bzw. dem Lernziel des Bildes? (+) In der Seitenansicht sind alle wichtigen Komponenten sichtbar. 12. Kontext: Ist das Umfeld des Bildausschnittes für die Betrachtenden rekonstruierbar? (+) Das Szenario »Auf dem Weg zur Arbeit« ist sofort verstehbar. Bildliche Steuerungsmittel 13. Blickfang: Gibt es einen aufmerksamkeitserregenden Einstieg in das Bild durch einen Eye-Catcher oder eine grafische Hervorhebung? (+) Das Skelett erregt als Geisterbahneffekt immer die Aufmerksamkeit. Ein erster Blick dürfte auf die Aktentasche gehen, da sie vom Gewohnten abweicht. 14. Blickpfad: Wird durch Anordnung oder grafische Mittel ein Blickpfad nahegelegt? Sind die Inhalte so angeordnet, dass sie in der richtigen bzw. erwünschten Reihenfolge aufgenommen werden? (-) Es ist kein Blickpfad angelegt. 15. Visuelle Konventionen: Sind verwendete fach- oder kulturspezifische visuelle Darstellungskonventionen bekannt oder ausdrücklich eingeführt? (+) Die Hinweispfeile sind eine verbreitete Konvention. (-) Die Ziffern können als Bezugsziffern missverstanden werden, in Wirklichkeit sind es Beschriftungen (Zeitangaben) 16. Konsistenz: Werden die Mittel der Steuerung der Aufmerksamkeit in Gestaltung und Bedeutung konsistent eingesetzt (z. B. Pfeile, Bezugslinien, Lupen)? (+) Die Hinweispfeile und Beschriftungen werden konsistent verwendet. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 149 149 3 Evaluation von Bild und Text Kommunikative Funktion Anmerkungen 17. Diagramme, Charts: Sind die Komponenten einer Visualisierung (Kästen, Balken, Spalten usw.) oder einer Abbildung eindeutig durch sprachliche oder visuelle Marken gekennzeichnet (/ ) Text-Bild-Bezüge 18. Leitkode: Enthält eines der Zeichensysteme die zentrale Information in der Text-Bild-Kombination? (+) Die Botschaft des Bildes wäre ohne den Text nicht verständlich, also ist der Text der Leitkode 19. Verteilung: Gibt es eine konsistente Anordnung von Text und Bild (Horizontal- oder Vertikalverteilung, Text- und Bildspalte)? (/ ) Bei einer Text-Bildkombination nicht beantwortbar. 20. Kontiguität: Sind Bild und Text nahe beieinander, damit die Blickbewegungen möglichst kurze Strecken aus dem Text in das Bild und umgekehrt zurücklegen müssen? (+) Die Legende steht neben dem Bild (Horizonzalverteilung). Da es sich im Bild um keine Bezugsziffern handelt, ist kein Hin- und Herspringen der Augen notwendig. 21. Verweise: Gibt es ausdrückliche sprachliche Hinweise vom Text ins Bild? Sind im Text Sehanleitungen für das Bild formuliert? (-) Es gibt in der Legende keinen direkten, sondern nur einen indirekten Hinweis auf das Bild. 22. Wechselseitige Bestimmung: Gibt es im Text Unbestimmtheiten, die durch Informationen im Bild ausgefüllt werden? Gibt es im Bild Unbestimmtheiten, die durch Informationen im Text ausgefüllt werden? (+) Klare inhaltliche Komplementarität: Was der Text allgemein anspricht, zeigt das Bild konkret. 23. Terminologie: Stimmen Benennungen im Text und Beschriftungen im Bild überein? (-) Im Text werden nur zwei Skelett-Teile angesprochen, der Schädel und die Zähne. Die anderen müssen die Betrachtenden erkennen. Fazit der systematischen Analyse mit Hilfe der Checkliste: Es handelt sich um eine vorwiegend gelungene und originelle Text-Bild-Kombination. Zwei Mängel sollte man beseitigen: 1. Die Hinweispfeile müssen fetter und/ oder farbig sein, damit sie sich gut abheben; 2. Die Legende sollte direkte Verweise ins Bild enthalten, vor allem auch die Bezeichnungen der angezeigten Skelett-Teile. 150 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 150 IV Text und Bild verbinden Zusammenfassung In wissenschaftlichen Texten lassen sich typische Text-Bild-Kombination unterscheiden, die bestimmte Funktionen im Wissenserwerb erfüllen: Benennen, Veranschaulichen, Begründen, Erklären, Anleiten, Emotionalisieren. Eine spezielle Kombination von Bild und Text sind die Infografiken, die mit wenig Sprache und einfachen Bildern komplexe Zusammenhänge darstellen. Die multikodale Verarbeitung von Text-Bild-Kombinationen wird durch die Anordnung von Text und Bild und sprachliche Formulierungen mit gesteuert. So sind Sehanleitungen, semantische Leerstellen, konkrete Wortwahl und fokussierende Satzkonstruktionen wirksame Mittel, um Lesende aus dem Text in das Bild zu locken. Der Verarbeitungsaufwand nimmt von kongruenten über komplementären zu elaborativen inhaltlichen Bezügen zwischen Text und Bild zu. Zur Bewertung einer konkreten Text-Bild-Kombination wurde eine Checkliste angewendet, deren Fragen alle Bereiche der Gestaltung abdecken und deren Beantwortungen auf Mängel aufmerksam machten. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 151 Zusammenfassung Evaluation von Bild und Text 151 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung The capacity to produce an image in accord with the conventions of a certain culture or interpretative community obviously requires a multitude of manual and / or technical skills. Paul Messaris 1 Digitale Bilder 2 Zeichnen mit Hand und Computer 3 Fotografieren und Bildbearbeitung 4 Visualisieren: Charts und Diagramme 5 Nutzen von Bildquellen im Internet 6 Scannen von Vorlagen 7 Bilder in den Text importieren Zusammenfassung Die meisten Diagramme, Charts, Tabellen, Fotos und Zeichnungen erstellt ein Autor oder eine Autorin selbst. Oft kann er oder sie aber auf bereits vorhandene Bilder in Publikationen oder im Internet zurückgreifen, wobei allerdings urheberrechtliche Problem berücksichtigt werden müssen. In diesem Kapitel geht es um die digitale Bildkompetenz, um praktische Hinweise und Tipps, wie man Bilder entweder selbst erstellt oder sich vorhandene Bilder durch Scannen oder Kopieren beschafft. 152 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 152 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung 1 Digitale Bilder Ob man Bilder mit der Hand oder mit dem Computer zeichnet, analog oder digital fotografiert, um sie in einen Text einzubinden, müssen sie alle in digitalem Format vorliegen. Wir werfen kurz einen Blick auf einige technische Aspekte der digitalen Bilder, die für die Bebilderung von Dokumenten wichtig sind. Unter digitalem Bild verstehen wir eine visuelle Darstellung, die aus einer Datei generiert wird. Wir unterscheiden drei Typen von digitalen Bildern: Aufgenommene Bilder. Sie stammen aus Digitalkameras oder Scannern und sind-- wenn man so will-- nur eine neue digitale Form der Reproduktion von Wirklichkeit. Für die Augen ist es letztlich unerheblich, wie eine visuelle Vorlage technisch zustande kommt. Konstruierte Bilder. Das sind durch Zeichenprogramme entstandene Charts und Diagramme, also Visualisierungen, die man in der Wirklichkeit nicht finden kann. Früher wurden sie mit der freien Hand oder am Zeichentisch konstruiert, es handelt sich hier nur um eine handwerkliche Optimierung. Errechnete Bilder. Sie werden mit Hilfe von Programmen aus Daten erstellt. Dazu gehören die tomografischen Aufnahmen der bildgebenden Verfahren in der Medizin oder die durch CAD-Programme (Computer Aided Design) entstandenen fotorealistischen 3-D-Bilder in der Technik. Diese virtuellen Bilder haben heftige Debatten über ihren Status ausgelöst, die aber in diesem Zusammenhang nicht relevant sind. Digitale Bilder sind immer Bestandteile eines Programms, das sie zeigt und verarbeitet. Man betrachtet digitale Bilder gewöhnlich auf einem Monitor oder projiziert sie mit einem Beamer. Wenn digitale Bilder ausgedruckt werden, unterscheiden sie sich wahrnehmungspsychologisch nicht von anderen Print-Bildern. Pixel und Farbtiefe Digitale Bilder bestehen aus winzigen Farbpunkten bzw. -blöcken. Ein Pixel (=-picture element =- Bildpunkt) ist das kleinste darstellbare und adressierbare Element eines Bildes. Unser Auge nimmt das Mosaik aus Pixeln als zusammenhängendes www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 153 1 Digitale Bilder 153 Bild wahr. Wenn man ein digitales Bild stark vergrößert, dann werden die einzelnen Pixel sichtbar. Um die Farbe eines Pixels festzulegen wird jedes Pixel durch eine Anzahl von Daten beschrieben, man spricht von der Farbtiefe. 1 Bit pro Pixel 2 Farben, meist schwarz und weiß 8 Bit pro Pixel 2 8 = 256 Farben oder Graustufen in einer Farbpalette 24 Bit pro Pixel 2 24 = 16,7 Millionen Farben, True Color = fotorealistische Qualität Bild V.1: Tabelle zur Farbtiefe. Das Standardmaß für das Web sind 8 Bit pro Pixel, für den Druck 24 Bit pro Pixel. Quelle: Je mehr Pixel und je größer die Farbtiefe, desto mehr Speicherplatz ist für ein Bild erforderlich. Auflösungen Auflösung ist ein Maß der Detailgenauigkeit, die ein Gerät aufzeichnen oder wiedergeben kann: Je höher die Auflösung, desto detaillierter das Bild. Absolute Auflösung. bei Grafikkarten und Monitoren: Anzahl der Pixel, aus denen das Bild besteht. Die Bildauflösung wird als Anzahl der Pixel in der Horizontalen-x Anzahl der Pixel in der Vertikalen angegeben. Beispiel: 1280 x 960, das Bild besteht damit aus 1.228.800 Pixeln. Bei Digitalkameras wird die Auflösung in der Gesamtzahl der Pixel angegeben, hier also 1,2 Megapixel (1 Million Pixel =-1 Megapixel). Relative Auflösung. bei Scannern oder Druckern: Die Anzahl der Pixel wird auf eine Längeneinheit bezogen: Pixel pro Zoll (inch) =-2,54 cm in der Horizontalen und der Vertikalen. Die Auflösung bei Druckern wird in dpi (=-dots per inch), bei Scannern in ppi (=-pixel per inch) angegeben. Beispiel: Ein Scanner mit 1200 ppi kann auf einer Linie von 2,54 cm 1.200 Pixel setzen. Das bedeutet, dass Pixel unterschiedliche Größe haben können. Um die optimale bzw. notwendige Auflösung für ein digitales Bild herauszufinden, muss man sich an der späteren Ausgabe orientieren. Sollen Bilder gedruckt werden, dann sind 300 dpi normal, für hochwerte Kunstdrucke nimmt man 600-dpi, sonst gehen Details oder Farbübergänge verloren. 154 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 154 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Pixel- und Vektorbilder Bei der Speicherung digitaler Bilder unterscheidet man zwei prinzipiell unterschiedliche Formattypen: Pixelbilder =-Rasterbilder. Die Bilder sind als Matrix von Pixeln gespeichert, denen jeweils ein Farbwert zugeordnet ist (z. B. TIFF, Bitmap, Pict). Derartige Bilder kommen durch einen Scanner oder eine Digitalkamera zustande und können mit spezieller Software (z. B. Photoshop) bearbeitet werden. Pixelbilder haben eine feste Auflösung, Verkleinern bedeutet Weglassen von Pixeln, Vergrößern vergröbert durch zusätzliche Pixel (Aliasing =-Treppeneffekt). Vektorbilder. Die Bilder sind in einer mathematischen Beschreibung gespeichert, d. h. als Gebilde aus Punkten, Geraden, Kurven und Flächen. Dabei handelt es sich um Diagramme, Charts und fotorealistische Grafiken, die in einem Computer mit speziellen Programmen erzeugt werden (z. B. Freehand, Illustrator, CorelDraw). Die Auflösung kann ohne Qualitätsverlust vergrößert oder verkleinert werden (Skalierung). Vektorprogramme können meist Pixelbilder einbinden, aber auch Umwandlungen sind möglich: Ein Vektorbild lässt sich problemlos in ein Pixelbild umrechnen, z. B. bei der Druckausgabe. Ein Pixelbild in ein Vektorbild umzurechnen, ist schwieriger und führt nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen. Ein Programm wie Illustrator kann z. B. Pixelbilder über das Werkzeug »Abpausen« vektorisieren. Farbmodelle Ein Farbmodell legt die Anzahl der Farben fest, die ein Ein- oder Ausgabegerät (Scanner, Monitor, Drucker, Beamer) darstellen kann. Es gibt 30 bis 40 gebräuchliche Farbmodelle, von denen aber hier nur zwei wichtig sind: RGB und CMYK. RGB (Red, Green, Blue). Das Farbmodell geht auf die Dreifarbentheorie der Wahrnehmungspsychologie zurück. Es handelt sich um ein additives Modell, d. h. die Mischung aller drei Grundfarben ergibt Weiß. Für eine Farbe wird der jeweilige Anteil der drei Grundfarben prozentual angegeben. Das Farbmodell ist nur zur Darstellung von Farben auf leuchtenden Monitoren geeignet. CMYK (Cyan, Magenta, Yellow und Key für Schwarz). Hier handelt es sich um ein subtraktives Farbmodell, d. h. die Mischung aller drei Grundfarben ergibt Schwarz. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 155 1 Digitale Bilder 155 Für eine Farbe wird der jeweilige Anteil der drei Grundfarben prozentual angegeben. CMYK bildet die Grundlage des modernen Vierfarbendrucks. Das bedeutet, dass andere Farbmodelle zum Druck in das CMYK-Modell konvertiert werden müssen. Es gibt bisher noch keine Geräte, die den vollständigen Farbraum der menschlichen Wahrnehmung umfassen. Dateiformate Es gibt sehr viele Dateiformate für digitale Bilder, das jeweilige Format verrät die Datei-Endung. Einige Formate sind nur für das Web und den Monitor geeignet, z. B. GIF oder PNG. Viele Programme haben ihr eigenes proprietäres Format, z. B. PSD für Photoshop. Die Formate lassen sich ineinander konvertieren, dazu ist eine Bildkonverter-Software erforderlich, die für die gängigen Formate in die Bildverarbeitungsprogramme integriert ist. Für andere Fälle gibt es isolierte Bildkonverter-Software, die man kostenlos aus dem Web herunterladen kann. Die Dateiformate unterscheiden sich in der Art der Komprimierung. Komprimierung geschieht durch ein Hilfsprogramm, das Dateien verkleinert, um Speicherplatz zu sparen oder die Übertragung zu beschleunigen. Eine verlustfreie Komprimierung entfernt nur Daten, die für die Bildqualität nicht wichtig sind. Die Dateigröße wird nur geringfügig reduziert. Eine verlustreiche Komprimierung opfert einen gewissen Grad an Bildqualität, um möglichst kleine Dateien zu erhalten. JPEG (Joint Photographic Experts Group). Führendes Dateiformat für Fotos aus Digitalkameras. JPEG-Bilder (.jpg) können über 16 Millionen Farben darstellen. Das JPEG-Format eignet sich besonders für fließende Farbübergänge. Das Format ist damit für alle interessant, die eine hohe Bildqualität wünschen wie Fotografen, Künstler, Wissenschaftler usw. Die JPEG-Kompression bietet eine stufenlose Einstellung der Qualität an. Die Dateien werden stark, aber mit jeder Bearbeitung verlustreich reduziert. JPEG ist kein Format für den Druck, dazu werden die JPEG- Bilder in TIFF-Bilder umgewandelt. TIFF (Tagged Image File Format). Die Komprimierung ist verlustfrei, aber es bleiben große Bilddateien. TIFF-Bilder (.tif) haben sich für den Druck von Bildern in hoher Qualität als Standard etabliert, da TIFF 16 Millionen Farben zur Verfügung stellt. 156 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 156 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung EPS (Encapsulated PostScript). Die Seitenbeschreibungssprache Postskript (PS) ist der gängige Standard zum Drucken von Dokumenten aus Text und Bild. Ein EPS- Bild (.eps), eignet sich zum Einbinden in ein Layoutprogramm. Als Besonderheit enthält EPS ein Rasterbild mit niedriger Auflösung, das als Vorschau (sog. thumbnail) im Dokument angezeigt wird. Jedes Grafikprogramm kann aus einem Vektor- oder Pixelbild ein EPS-Bild erzeugen. Wer Bilder für eine Publikation vorbereitet, muss wissen, in welcher Auflösung und in welchem Dateiformat sie für den Druck abgegeben werden müssen. 2 Zeichnen mit Hand und Computer Während das Zeichnen am Zeichenbrett mit Linealen, Geodreieck, Schablonen und diversen Stiften in verschiedenen Strichdicken fast vollständig vom Zeichnen am Computer abgelöst worden ist, hat das Zeichnen mit der Hand in einigen wissenschaftlichen Domänen überlebt. Zeichnen mit der Hand Gemeint ist hier das Freihandzeichnen, mit dem Strichbilder, aber auch bunte Zeichnungen erstellt werden. Die Zeichnung hat als Skizze (sogenanntes »Scribbeln«) bei der Entwicklung von Gedanken und zur visuellen Dokumentation einen festen Platz im wissenschaftlichen Arbeiten. Viele Hochschulen bieten Kurse in wissenschaftlichen Zeichnen an, das in Paläontologie, Archäologie, Geologie, Biologie, Architektur, Kunstgeschichte und Technik trotz Computer einen wichtigen Stellenwert behalten hat. Handzeichnungen können in Fachtexten eine individuelle Handschrift hinterlassen (Bild V.2). Denn eine Handzeichnung verbindet die objektive Darstellung mit einer persönlichen Gestaltung. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 157 2 Zeichnen mit Hand und Computer 157 Bild V.2: Querschnitt durch eine Spiegelreflexkamera. Der Schweizer Psychologe Hans Aebli hat sein Buch über das Denken mit eigenen Handzeichnungen bebildert: »Graphisch kam das ein wenig à la peinture naive heraus, aber es ging so schneller und kam dem Preis des Buches zugute.« Quelle: Aebli, 1980, S. 36 u. 114. Tipps zum Zeichnen Überwinden Sie die Scheu, die viele Menschen vor dem Zeichnen haben: Nicht jeder ist ein Leonardo da Vinci, aber jeder kann etwas kreativ veranschaulichen und dokumentieren, ohne gleich einen Designer- oder Kunstpreis zu gewinnen. Handwerk. Meiden sie zunächst Zeichenprogramme, sie verbrauchen zu viele Ressourcen in der Handhabung. Dadurch dauert das Zeichnen zu lange und die Kreativität wird gehemmt. Richtige Stifte. Wenn Sie loslegen, wählen Sie grundsätzlich eher mittelharte bis weiche Bleistifte (HB oder 1B) oder zeichnen Sie mit Filzstiften. Legen Sie eine Skizze eher groß an, eine Verkleinerung ist durch Scannen oder Kopieren immer möglich. Hinweise 158 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 158 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Zeichnen mit dem Computer Zeichenwerkzeuge enthält heute schon jedes Schreibprogramm (z. B.). Damit lassen sich einfache Charts erstellen, aber komplexeres Zeichnen erfordert spezielle Zeichen- und Malprogramme. Einige haben wir in Bild V.3 zusammengestellt. Bei den Hinweisen auf Tools muss man zwischen Profi- und Consumer-Programmen unterscheiden. Profi-Programme lassen keine Wünsche offen, aber sind teuer und werden meist nur zu Bruchteilen ausgereizt. Oft reichen einfachere Consumer- Programme, die manchmal sogar kostenlos aus dem Internet geladen werden können. Fast jedes Programm bietet eine Testversion-- meist für 30 Tage-- an, mit der man sich mit den angebotenen Werkzeugen vertraut machen kann. Zudem findet man im Web zahlreiche Testberichte zu den Programmen. Zur Einführung in ein Programm sind auch die zahlreichen Print- oder Video-Tutorioals aus dem Web nützlich. Die klassische Lektüre für die Ingenieurdisziplinen referiert die Handwerklichen Grundlagen, das Zeichnen einfacher geometrischer Formen und die Konstruktion komplexer perspektivischer Gebilde. Besonders interessant sind die Tricks für das richtige Augenmaß beim Zeichen. Ulrich Viebahn: Technisches Freihandzeichnen. Lehr- und Übungsbuch. Berlin: Springer, 2009. Wer es nicht mit technischen, sondern biologischen Gegenständen zu tun hat, dem ist eher mit einer Einführung von Künstlern geholfen, z. B.: Dietlinde Sand & Jürgen Sand (2009). Workshop Zeichnen. Freihandzeichnen und skizzieren. Wiesbaden: Englisch Verlag. Im Englisch Verlag findet man für viele Bereiche Einführungen in das Zeichnen: www.englisch-verlag.de Lesetipps www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 159 3 Fotografieren und Bildbearbeitung 159 3 Fotografieren und Bildbearbeitung Wir berücksichtigen hier nur die digitale Fotografie, weil analoge Fotos nur eingescannt und digitalisiert in Texte eingebunden werden können-- früher hat man sie in die Abschlussarbeiten fein säuberlich eingeklebt! Name URL Haupteinsatzgebiet Ungefährer Preis CorelDRAW Home an Student corel.com Windows, Mac-OS Vektorprogramm zur Erstellung von technischen bis künstlerischen Zeichnungen etwa 90 Euro Corel Painter corel.de/ painterix/ home/ Windows Programm für digitales Malen, das Werkzeuge wie Pinsel, Farbrolle, Spraydose usw. enthält etwa 300 Euro Freehand www.adobe.com/ de/ products/ freehand Windows, Mac-OS Das Vektorgrafik-Programm wird seit 2004 nicht mehr weiter entwickelt. etwa 140 Euro Adobe Illustrator Student and Teacher adobe.com/ de/ products/ illustrator/ Windows, Mac-OS Vektorprogramm zur Erstellung von technischen bis künstlerischen Zeichnungen Perspektivische Darstellungen etwa 260 Euro (in der Creative Suite) AutoCAD www.autodesk.de Windows, Mac-OS Programm für 3D-Bilder und Animationen, das im Bereich Architektur und Maschinenbau eingesetzt wird etwa 1 700 Euro Arbortext IsoDraw www.ptc.com/ products/ arbortext/ isodraw Windows Programm für technische isometrische 3D-Strichbilder, vor allem Explosionsbilder etwa 4 300 Euro Bild V.3. Zusammenstellung einiger Zeichenprogramme. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und die Angaben können schnell veralten! 160 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 160 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Fotografieren Eine Einführung in das Fotografieren ist im Rahmen dieses Bandes natürlich nicht möglich, vor allem da es in der Wissenschaft zahlreiche Spezialfotografien gibt: Makrofotografie, Infrarotfotografie, Hochgeschwindigkeitfotografie und neuerdings die HDR-Fotografie (High Dynamic Range). Bei HDR-Fotografie werden unterschiedlich belichtete Fotos desselben Motivs digital übereinandergelegt, um überaus detailreiche Bilder zu bekommen. Wichtige Anregungen zum wissenschaftlichen Fotografieren findet man auch bei Hien & Rümpler (2008). Die Kriterien, die wir für gute Abbilder genannt haben, gelten auch für Fotos. Wie man das praktisch hinbekommt, bleibt aber schwieriges Handwerk. So macht es einen großen Unterschied, ob wir in einem Innenraum oder in einem Außenraum fotografieren. Fotos werden standardmäßig für Profis im RAW-Format, sonst im platzsparenden JPEG-Format gespeichert. Zum Druck wird das verlusthaftige JPEG-Format in das verlustfreie TIFF-Format konvertiert. Wenn ein Foto nicht optimal gelungen ist, so gibt es heute erstaunliche Möglichkeiten der Nachbearbeitung mit einer Bildbearbeitungssoftware. Tipps zum Fotografieren Verständlich gestalten. Die Richtlinien für verständliche Abbilder aus Kapitel II 2 haben auch für Fotos Geltung. Das Bild auf das Wichtige reduzieren und deshalb vor möglichst neutralem Hintergrund aufnehmen. Das Motiv ausleuchten. In Innenräumen mit diffusem Kunstlicht. Nicht direkt auf das Objekt blitzen, sondern an die Decke, um störende Reflexe zu vermeiden. Nie ohne Stativ. Wenn es das Motiv erlaubt und unbedingt bei der Makrofotografie mit schwerem Stativ und Fernauslöser arbeiten. An die Legende denken. Die technischen Daten der Aufnahme schriftlich festhalten, sie kommen in die Bildlegende: Kamera, Brennweite, Belichtungszeit usw. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 161 3 Fotografieren und Bildbearbeitung 161 Bildbearbeitung Die bekannten Textverarbeitungsprogramme enthalten einige wichtige Werkzeuge zur Bildbearbeitung wie Beschneiden, Korrigieren von Helligkeit und Kontrast u. a. m. Für viele Dokumente reicht das schon aus. Wer auf anspruchsvollere Bildbearbeitung angewiesen ist, der denkt zuerst an Photoshop, aber diese Software ist teuer und meist wird nur ein Bruchteil der Funktionen genutzt. Es gibt zahlreiche andere Tools zur Bildbearbeitung, manche sogar zum Nulltarif. Eine Empfehlung auszusprechen, ist schwierig, da es auf die fachspezifischen Aufgaben und das jeweilige Betriebssystem (Windows oder Mac-OS) ankommt und sich die Programme auch andauernd verändern. Aber die wichtigsten Werkzeuge wie Beschneiden, Freistellen, Korrekturen von Helligkeit, Kontrast und Farbe, Drehen, Kippen, Spiegeln, Filtern, Radieren, Maskieren usw. sind in allen Programmen enthalten. Wer wissenschaftlich Fotografieren möchte, kommt an diesem Standardwerk nicht vorbei: Zierl, Richard (2006): Technische Fotografie für Naturwissenschaftler, Mediziner und Ingenieure, München. Pearson Studium. Lesetipp 162 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 162 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Name URL Haupteinsatzgebiet Ungefährer Preis Adobe Photoshop Extended CS5 Student and teacher edition adobe.com/ de/ products/ photoshop/ Windows, Mac-OS Der Marktführer enthält alle Werkzeuge zur Bildretusche und Fotomontage für Fotos (Pixelbilder). Die Handhabung mit verschiedenen Bearbeitungsebenen ist allerdings nicht ganz einfach und ohne Kurs oder Manual kommt man nicht weit. 210 Euro Photoshop Elements www.adobe.com/ de/ products/ photosopel/ Windows, Mac-OS Eine abgespeckte Version von Photoshop, die meistens ausreicht. 75 Euro PhotoLine www.pl32.de Windows, Mac-OS Vom Funktionsumfang eine Alternative zu Photoshop. Raster- und Vektorbilder können bearbeitet werden. Das Programm enthält zusätzlich Werkzeuge zu Erstellung von Layouts. 60 Euro Pixelmator www.pixelmator.com Mac-OS Testversion verfügbar. Nicht so funktionsreich wie Photoshop oder Photoline, aber für die üblichen Bildmanipulationen ausreichend. 50 Euro GIMP (GNU Image Manipulation Programm) www.gimp.org Mac-OS Open-Source-Programm, das alle wichtigen Werkzeuge zur Bearbeitung von Pixelbildern enthält. Es arbeitet ebenfalls mit Bearbeitungsebenen. kostenloser Download Seashore http: / / seashore. sourceforge.net Eine abgespeckte Version von GIMP, die für die gängige Fotobearbeitung ausreicht kostenloser Download Inkscape http: / / inkscape.org Windows, Mac-OS Open-Source-Programm, für Vektorbilder, SVG als Speicherformat kostenloser Download Bild V.4: Zusammenstellung einiger Bildbearbeitungsprogramme. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und die Angaben können schnell veralten! www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 163 4 Visualisieren: Charts und Diagramme 163 Es gibt zahlreiche weitere Bildbearbeitungssoftware, die aber meist auf das Verschönern der Urlaubsfotos und weniger für wissenschaftliche Zwecke spezialisiert ist. Wer mit sehr viel Bildern arbeitet, für den ist Dateiverwaltungsprogramm Adobe Bridge (www.adobe.com/ de/ products/ creativesuite/ bridge/ ) interessant, das eine Bilddatenbank enthält und mit dem man Bildern aus verschiedene Archiven kaufen und direkt in ein Dokument integrieren kann. Alle nachträglichen Bearbeitungen eines Fotos müssen in der Wissenschaft in der Legende vermerkt werden. 4 Visualisieren: Charts und Diagramme Auch zur Erstellung von Charts und Diagrammen gibt es zahlreiche elektronische Möglichkeiten. Alle Textverarbeitungsprogramme enthalten ein Modul zur Erstellung von Tabellen (Schnelltabellen bei WORD) und Charts (SmartArt bei WORD) und Diagrammen (Diagramme bei WORD). Allerdings können die Vorgaben nur begrenzt verändert werden. Anspruchvollere und kreativere Varianten bieten Tabellenkalkulationsprogramme, mit denen man Visualisierungen erstellen und in den Text importieren kann. Auch hier gibt es die Markt-Giganten und kleine, aber durchaus brauchbare Alternativen. Wir führen hier nur einige Programme auf, die sich im wissenschaftlichen Kontext bewährt haben (dazu ausführlicher Hien & Rümpler, 2008). Auch hier gibt es noch viele andere Tools, manche für ganz spezielle wissenschaftliche Visualisierungen, wie z. B. Cmap für Concept Maps, InTouch zur Visualisierung von Prozessabläufen, Math 3 für mathematische Formeln und Gleichungen, IsisDraw für chemische Formeln und zahlreiche GIS-Programme (Geoinformationssystem) zu Visualisierung geografischer Daten. 164 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 164 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Name URL Haupteinsatzgebiet Ungefährer Preis Excel in Microsoft- Office Home and student office.microsoft.com/ de-de/ excel/ Windows, Mac-OS Aus Tabellen werden alle gängigen Varianten von Diagrammen auf Tastendruck erzeugt und können weiter bearbeitet werden. Paket etwa 95 Euro Numbers in iWORK apple.com/ de/ iwork/ numbers Mac-OS Aus Tabellen werden alle gängigen Varianten von Diagrammen auf Tastendruck erzeugt und können weiter bearbeitet werden. Paket 65 Euro Calc aus OpenOffice de.openoffice.org / product/ calc.html Windows, Mac-OS Allzweck Tabellenkalkulationsprogramm kostenloser Download Visio Standard Schulversion office.microsoft.com/ de-de/ visio Windows Dieses Programm für Vektorbilder eignet sich vor allem für Flowcharts, technische Zeichnungen etwa 120 Euro Adobe Illustrator Student and Teacher adobe.com/ de/ products/ illustrator/ Windows, Mac-OS etwa 260 Euro FreeHand http: / / adobe.com/ de/ products/ freehand/ Winddows, Mac-OS Erstellung von Vektorbildern jeder Art etwa 480 Euro Inkscape http: / / inkskape.org Windows Eine Alternative aus dem Open-Source-Lager für Vektorbilder, die aber auch Pixelbilder einbindet: Flussdiagramme, Stadtpläne, Schemabilder. kostenloser Download Bild V.5: Zusammenstellung einiger Programme zur Erstellung von Visualisierungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und die Angaben können schnell veralten! www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 165 5 Nutzen von Bildquellen im Internet 165 5 Nutzen von Bildquellen im Internet Das Internet bildet ein unerschöpfliches Reservoir an Bildern aller Art, es gibt Bildsuchmaschinen, Bildagenturen und -archive, Tauschbörsen für Bilder usw. Bevor wir jedoch auf Bilderjagd gehen, müssen wir einen Blick auf die rechtlichen Bedingungen der Bildverwendung werfen, sonst kann es böse Überraschungen geben. Urheberrecht bei Bildern Bilder sind wie Texte geistiges Eigentum im Sinne des Urheberrechts, d. h. sie dürfen ohne Einverständnis weder kopiert noch veröffentlicht werden. Die Rechte auf Texte und Bilder erlöschen 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, sie sind dann gemeinfrei, es sei denn andere haben die Rechte erworben! Im wissenschaftlichen Bereich ist die Übernahme eines Bildes nach dem Zitatrecht (§ 51 UrhG) zulässig, wenn es in einer selbstständigen Abhandlung zur Erläuterung des Inhalts übernommen wird (dieses Zitatprivileg gilt z. B. bei den Bildern in diesem Band). Ein wissenschaftliches Bildzitat muss also aus sachlichen Gründen für die Abhandlung unverzichtbar sein. Grundsätzlich gilt dabei das Gebot der genauen Quellenangabe. Rein dekorative Bilder (z. B. auf dem Cover) sind immer genehmigungspflichtig. Bilder (Fotos, Gemälde) aus dem künstlerischen Umfeld bleiben rechtlich heikel, weil nicht nur das Urheberrecht gilt, sondern auch noch Rechte von anderen Institutionen (z. B. Museen) vorliegen können. Hierzu bietet die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst in Bonn nützliche Informationen zum rechtlichen Hintergrund und zum praktischen Vorgehen: http: / / www.bildkunst.de. In allen Zweifelsfällen sollte man grundsätzlich eine Abdruckgenehmigung einholen. Für wissenschaftliche Werke wird sie oft honorarfrei oder gegen ein geringes Honorar erteilt. In der Legende steht dann nach Quelle: mit freundlicher Genehmigung von xy. Das Urheberrecht greift auch bei einer bearbeiteten Übernahme. Grundsätzlich ist der Bildurheber dagegen geschützt, dass ein modifiziertes Bild von ihm ohne seine Zustimmung veröffentlicht wird (§ 23 UrhG). Wer also in einem Chart oder Diagramm Linien, Pfeile oder Farben ändert oder ein Foto mit Photoshop für seine Zwecke umgestaltet, hat damit noch kein eigenes Werk geschaffen. Es gelten also auch dafür die Regeln für die Übernahme. Es gibt im Internet jedoch viele Bildangebote, die gemeinfrei sind, d. h. für die Allgemeinheit freigegeben. In den USA spricht man von Public-Domain-Bildern, 166 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 166 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung in Europa kann ein Urheber seine Bilder unter die GNU-Lizenz stellen, d. h. er bietet sie zur freien Verwendung an. In diesem Fall sind die Nennung des Urhebers und die Angabe des Links verpflichtend. Jetzt sind wir juristisch gerüstet, um im Internet auf Bildsuche zu gehen. Gleich vorweg: Hinweise und Tipps, die das Web betreffen, sind oft schon veraltet, wenn sie gelesen werden, denn das Angebot ändert sich fast täglich. Hier kann nur die eigene Recherche nach Bildern für jeweilige wissenschaftliche Disziplin angeregt werden. Bildsuchmaschinen Eine Bildsuchmaschine fahndet nach Dateinamen und beschreibenden Texten zu Bildern. Ein eingegebener Suchbegriff wird mit den Wörtern in dieser Datenbank abgeglichen und die gefundenen Bilder werden als Ergebnis ausgegeben. Die meisten Suchmaschinen bieten auch eine erweiterte Suche an, in der spezielle Suchkriterien eingegeben werden können wie Bildformat, Bildgröße, SW- oder Farbbild, ja sogar der Bildtyp (Foto, Zeichnung) usw. Ein im Browser angezeigtes Bild kann auf die eigene Festplatte herunter geladen werden. Die Bilder unterliegen jedoch dem Urheberrecht und dürfen nicht ohne weiteres weiterverwendet werden. Bei der Bildsuche im Internet hat man folgende Optionen: Es gibt eigene Suchmaschinen für Bilder, wie http: / / picsearch.de http: / / elzr.com Es gibt auch Software, welche den jeweiligen Browser bei der Bildsuche unterstützt, z. B. HyperImage oder NetScrape (für den Mac). Die üblichen Suchmaschinen wie Google, Bing, Altavista, ixquick haben alle eine Bildsuche integriert. Wer z. B. »Sagittalschnitt Gehirn« in die Bildsuche eingibt, der bekommt über 200 Fotos, Strichbilder, Schemabildern angezeigt. Bei dieser wilden Suche gib es aber einige Probleme: Man findet viel visuellen Schrott und die Auflösung ist oft nur für den Bildschirm optimiert (72 dpi), also für die Einbindung in Print nicht zu gebrauchen. Google bietet in der erweiterten Bildsuche auch die Suche nach lizenzfreien Bildern an. Bei anderen Bildfunden müssen die Rechte erst geklärt werden. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 167 5 Nutzen von Bildquellen im Internet 167 http: / / similar-images.googlelabs.com Sehr hilfreich kann die Funktion »Ähnliche Bilder« sein, die manche Suchmaschinen wie die Google-Bildsuche unter jedem Treffer anbietet. Hat man also ein Bild von seinem Objekt gefunden, kann man schnell überprüfen, ob es noch ein ähnliches Bild aus anderer Perspektive, mit anderem Ausschnitt oder in besserer Qualität gibt. Die Funktion wird auch als eigene Bildsuchmaschine angeboten. Bildagenturen, Bildarchive Bildagenturen bieten Bilder an, die professionelle Fotografen oder Mediendesigner erstellt haben. Das kann zwischen 30 bis 250 Euro pro Bild kosten, aber die Bildqualität ist meist gut. Es gibt einige Agenturen, die sich auf wissenschaftliche Bilder spezialisiert haben. www.gettyimages.com Die amerikanische Bildagentur bietet über 70 Millionen Bilder an, ist aber nicht gerade auf Wissenschaft spezialisiert. Man findet dort auch Bilder zu den Kategorien »Technik«, »Gesundheit«, »Tiere« usw. Das Foto kann teuer werden. www.okapia.de Sie ist aus einem Bildarchiv hervorgegangen, das der Fernseh-Zoologe Grzimek gegründet hat und die Betreiber preisen sich als »Spezialisten für Tiere, Botantik, Wissenschaft, Medizin, Städte und Reisen« an. http: / / images.wellcome.ac.uk. Dahinter steht eine Stiftung, die Aufnahmen aus der medizinischen Forschung offeriert. Hier findet man auch historische Aufnahmen, deren Rechte nach 70 Jahren abgelaufen sind. www.pitopia.de Hier kann man nach lizenzfreien Bildern zu bestimmten Wissenschaften suchen. Die Eingabe »Archäologie« führt z. B. zu 270 Treffern. Ein Foto für den Printeinsatz kostet allerdings etwa 30 Euro. http: / / commons.wikimedia.org Wikimedia Commons ist Teil der Web-Enzyklopädie Wikipedia. Es handelt sich um eine internationale Datenbank für Bilder-- aber auch Videos, Musik, Texte-- 168 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 168 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung die für die Benutzer kostenfrei ist. Es werden nur Bilder akzeptiert, die entweder gemeinfrei oder vom Rechtinhaber freigegeben sind. Nicht zuletzt durch zahlreiche Bildspenden sind Millionen von Bildern abrufbar, die nach Themen katalogisiert sind. http: / / de.wikipedia.orgh/ wiki/ Wikipedia: Public-Domain-Bilderquellen Eine auch für wissenschaftliche Zwecke kategorisierte Zusammenstellung von Public-Domain-Bilderquellen. Dort findet man Links zu historischen Bilder, Satellitenbildern, Unterwasseraufnahmen, Karten und vieles mehr. http: / / dpa.de/ dpa-infografik Ein kommerzieller Anbieter für Diagramme und Infografiken. Diese sind allerdings eher journalistisch als wissenschaftlich gestaltet. www.isotyp.com Diese Agentur bietet tagesaktuelle Infografiken und Isotyp-Diagramme nach dem Ansatz von Otto Neurath (siehe Kapitel II 5). Es gibt auch zahlreiche Bildagenturen und Archive, die sich auf eine wissenschaftliche Disziplin konzentrieren. Wer z. B. in Google die Stichworte »Bildagentur« und dann seine Wissenschaft eingibt, der bekommt ein breites Angebot. Zwei Beispiele: Eingabe »Bildagentur Medizin« ergibt unter anderem die Treffer http: / / www.medicalpicture.de http: / / www.medizinfoto.de http: / / www.bildunion.de Eingabe »Bildagentur Geographie OR Geografie« ergibt unter anderem die Treffer http: / / www.eisele-fotos.de http: / / www.bildunion.de/ bildagentur/ lizensfreie-bilder/ geografie.html Tauschbörsen Es gibt auch Websites, auf denen man digitalisierte Bilder hochladen und anderen Nutzern zur Verfügung stellen kann. Am bekanntesten ist Flickr (engl. to flick through something =-etwas durchblättern). www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 169 5 Nutzen von Bildquellen im Internet 169 http: / / www.flickr.com In der Community kann jeder seine Fotos hochladen und sie anderen zur Verfügung stellen, wobei der Zugriff auf bestimmter Nutzer und Nutzergruppen eingeschränkt werden kann. Auf der Startseite kann man einen Suchbegriff eingeben, wird aber für den wissenschaftlichen Bereich nicht immer fündig. Flickr bietet eine Suchfunktion (Die Commons), mit der gemeinfreie Bilder und Bilder mit Creative-Commons-Lizenzen zu finden, die eine Weiterverwendung gestatten. Wer z. B. in seiner Arbeit gern ein Portrait von Charles Darwin abbilden möchte, der sucht unter Commons mit dem Stichwort »Darwin« und bekommt- - neben allerlei Fehltreffern zwei Fotos des Wissenschaftlers, aber auch ein Bild aus seinem Werk »The Expressions of Emotions in Man and Animals« (1872) http: / / www.panoramino.com Interessant vor allem für Geografen, da man hier Fotos aus allen Winkeln der Erde hochladen kann. Man kennt die Bilder aus den Karten von Google Earth, denn Panoramino gehört Google. Für intelligentes Suchen im Web gibt es keine aktuellen Bücher, man muss sinnigerweise im Internet suchen. Die Eingabe »Internet Suche OR Recherche« zeigt etliche Sites mit Tipps an. Hier eine Auswahl: http: / / www.werle.com/ inagent Hier findet man zum Downloaden eines ganzes Handbuch von Rainer Werle, der eine Firma für Webdesign und Programmierung leitet. Die Informationen auf der Site werden laufend aktualisiert. http: / / www.suchfibel.de Hier findet man-- mit Werbung angereichert-- alles über Suchmaschinen. Betreiber ist der Klett Schulbuchverlag. Vorsicht: Die Buchform der Suchfilbel ist veraltet! Nützlich ist auch ein Glossar. http: / / netzmafia.de Hier findet man unter »Skripten« praktische Informationen von Prof. Jürgen Plate. Aber der Autor warnt: »Die Lektüre der Skripten kann in Einzelfällen physische und psychische Folgen bis hin zum Schlaganfall oder unheilbarer Umnachtung zu Folge haben.« Lesetipps 170 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 170 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung 6 Scannen von Vorlagen Vorliegende Bilder in analoger Form können mit einem Scanner (to scan =-abtasten) in eine digitale Form gebracht und dann weiter bearbeitet werden. Viele wissenschaftlich Arbeitende verfügen über einen Drucker mit integriertem Flachbettscanner. Die Vorlage wird auf eine Glasscheibe gelegt, von unten beleuchtet und mit lichtempfindlichen Sensoren abgetastet. Der Scanner erzeugt eine Datei, in der das Bild in Bildpunkten (=-Pixeln) gespeichert ist und aus der das Bild auf einem Monitor gezeigt und ausgedruckt werden kann. Das Format ist gewöhnlich TIFF (Tagged Image File Format), das auch bei Komprimierung eine verlustfreie Speicherung ermöglicht. Hier einige Tipps zum Scannen: Richtig Scannen Druckerauflösung entscheidend. Wenn eingescannte Bilder in einen Text eingebunden und später ausgedruckt werden sollen, dann spielt die Druckerauflösung die entscheidende Rolle. Je höher die Auflösung des Druckers ist desto höher muss die Scanauflösung sein, die man beim Scannen einstellen kann, z. B. 300, 600 oder 1200 dpi (= dots per inch = Bildpunkte pro Zoll, 1 Zoll = 2,54 cm). Je höher die Auflösung, desto größer auch die Bilddatei! Es macht keinen Sinn einen Scanauflösung zu wählen, die weit über der des Ausgabegeräts liegt. Scanauflösung. Vorlagen mit feinen Linien, z. B. Strichbilder, Landkarten, Charts brauchen eine hohe Auflösung, verlangt werden meistens 1200 dpi. Halbtonbilder in Graustufen oder Farbe kommen mit 300 dpi aus, da fast alle Drucker Graustufen und Mischfarben durch mehrere Druckpunkte herstellen. Wer Bilder für eine Publikation vorbereitet, muss wissen, in welcher Auflösung und in welchem Dateiformat sie abgegeben werden müssen. Bildgröße beachten. Wichtig ist, ob das eingescannte Bild vergrößert oder verkleinert gedruckt werden soll. Wird das Bild vergrößert in den Text eingefügt und ausgedruckt, dann muss man eine höhere Auflösung, wird es verkleinert eine niedere Auflösung einstellen. Beispiel: Soll ein Bild mit der Breite von 5 cm in einen Satzspiegel von 10 cm eingefügt werden, dann vervierfacht sich die Bildfläche. Statt mit 300 dpi muss mit 1200 dpi gescannt werden, damit eine gute Druckqualität erreicht wird. Störmuster vermeiden. Sind Vorlagen bereits gepixelt, z. B. Bilder aus Büchern oder Zeitungen, entstehen gern störende Muster (Moiré-Muster nach ihrem Entdecker). Einige Scanner bieten eine Funktion »Entrasterung« an. Wenn nicht, muss man mit der höchsten Auflösung scannen und später mit einer Bildbearbeitungssoftware die Funktion »Weichzeichnen« anwenden. Hinweise www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 171 7 Bilder in den Text integrieren 171 Die eingescannten Bilder können mit Bildbearbeitungssoftware verändert werden, siehe die Tabelle oben. Manchmal ist es auch ausreichend, eine visuelle Vorlage mit einer guten Digitalkamera abzufotografieren, dann hat man eine RAW- oder JPEG-Datei. 7 Bilder in den Text integrieren Als letzter Schritt müssen die digitalen Bilder in den Text importiert und dort positioniert werden. Das Textverarbeitungsprogramm, mit dem man geschrieben hat, umfasst auch Werkzeuge zum Importieren und Einfügen von Bildern. Für eine anspruchsvolle Seitengestaltung ist allerdings ein Layoutprogramm sinnvoll. Textverarbeitungsprogramme Für gewöhnliche Ansprüche an eine Seminar- oder Abschlussarbeit reicht zum Text-Bild-Layout das Textverarbeitungsprogramm aus, mit dem man geschrieben hat. Die meisten haben sich inzwischen beinahe zu Layoutprogrammen entwickelt. MS WORD, Pages, WRITER (OpenOffice) u. a. enthalten zwei Optionen, wie Bilder in den geschrieben Text eingefügt werden können: Einbindung. Das Bild wird so eingefügt, dass es an einer Textstelle verankert wird. Das ist sinnvoll, wenn man am Text noch weiter arbeitet, d. h. Sätze oder Absätze einfügt oder streicht, dann bleibt das Bild mit der Textstelle verbunden, zu der es gehört. Fixierung. Das Bild wird auf einer Seite genau an einem Platz fixiert. Das macht nur Sinn, wenn am Text nichts mehr geändert wird, wenn es also um das abschließende Layout geht. Beim Einfügen eines Bildes werden drei Optionen zum Positionieren angeboten. 1. Bei der Vertikalverteilung nimmt ein Bild die gesamte Satzbreite ein, die Legende steht darunter. Das ist sinnvoll, wenn die Bilder großformatig sein sollen. 2. Es gibt aber auch-- vor allem beim DIN A 4-Hochformat-- die Möglichkeit der Horizontalverteilung, bei der das Bild rechts oder links neben dem Text posi- 172 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 172 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung tioniert wird. Dies macht nur Sinn, wenn die Bilder kleinformatig sein können. Die Vorteile dieser Verteilung haben wir in Kap. IV.2 dargestellt. 3. Die Variante, das Bild vom Text umfließen zu lassen, sieht zwar edel aus, ist aber eher etwas für Zeitschriften und Werbebroschüren. Wichtig ist noch den Abstand der Bilder vom Fließtext festzulegen, dabei sollte man auf genügend Weißraum achten, sonst wirkt eine Seite sehr gedrängt. Layoutprogramme Wer besonderen Wert auf Typografie und Layout legt, der sollte seine Arbeit mit einem Layoutprogramm für DTP (Desktop Publishing) erstellen. Einige Programme haben wir in der Tabelle zusammengestellt. Das ergibt aber nur Sinn, wenn man mit dem Programm vertraut ist, sonst besteht die Gefahr, dass die Handhabung der Software die inhaltliche Arbeit überwuchert. Hier wird zunächst ein Gestaltungsraster festgelegt, das die Anordnung von Text und Bild auf einer Seite durch ein Raster von Hilfslinien festlegt. Ist die Arbeit endgültig layoutet, dann empfiehlt sich die Konvertierung in das PDF-Format (Portable Document Format). Jetzt kann nichts mehr verändert wer- Name URL Haupteinsatzgebiet Ungefährer Preis Adobe InDesign www.adobe.de/ products/ indesign Windows, Mac-OS etwa 235 Euro QuarkXpress (Education) 8.quark.com.de MAC OS, Windows etwa 135 Euro LaTex www.latex-project.org Alle Betriebssysteme. Ein Programm, das besonders bei Mathematikern und Physikern beliebt ist, da es Formeln generieren kann. Kostensloser Download Scribus www.scribus.net Windows, Mac-OS Kostenloser Download Bild V.6: Zusammenstellung einiger Layoutprogramme. Es ist keine Vollständigkeit angestrebt, zudem können die Angaben schnell veralten. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 173 7 Bilder in den Text integrieren 173 den. In dieser Form kann man die Arbeit ausdrucken und z. B. in elektronischen Zeitschriften (E-Journals) im Internet veröffentlichen. An vielen Hochschulen muss eine Abschlussarbeit auch als Datei abgegeben werden, damit eine Plagiatsprüfung durchgeführt werden kann (sogenannter Guttenberg-Check). Geht die Arbeit an einen Verlag werden gewöhnlich die Textdatei und die Bilddateien separat abgeliefert. Im Text werden dann in der Nähe der Textstelle, auf die sich ein Bild bezieht, Platzhalterbezeichnungen eingefügt. Welche Dateiformate akzeptiert werden, das legt die Autorenhandreichung fest. Für den Druck haben sich PDF-Dateien als Standard etabliert. Die Digitalisierung der Bilder hat viele Diskussionen ausgelöst. Eine gute Zusammenfassung bietet ein Aufsatz, den man sich als PDF aus dem Internet holen kann. Heßler, Martina (2006). Von der doppelten Unsichtbarkeit digitaler Bilder. Zeitenblicke 5 (3). Auch: http: / / www.zeitenblicke.de/ 2006/ 3/ Hessler Beim Umgang mit digitalen Bildern hilft das bereits empfohlene Buch: Hien, Katharina & Rümpler, Steffen (2008). Grafische Gestaltung in Naturwissenschaft und Medizin: Wissenschaftliche Informationen vermitteln und präsentieren. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag Dieses Buch ist auf Naturwissenschaften mit dem Fokus auf der Medizin eingeschränkt. Sehr praxisorientiert mit vielen Tipps zur Bilderstellung (Zeichnen, Fotografieren, Scannen, Bildbearbeitung), Bildbeschaffung (Agenturen, Tauschbörsen, Bildrechte) und zur Bildverwaltung. Allerdings etwas wirr aufgebaut. Wer größere Ansprüche an Typografie und Layout hat, ist mit dem folgenden Buch gut bedient. Es richtet sich an angehende Designer, es geht nicht speziell um wissenschaftliche Dokumente, sondern allgemein um Print- und Webdesign. Runk, Claudia (2008). Grundkurs Typografie und Layout: Für Ausbildung und Praxis. Galileo Design. Lesetipps 174 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 174 V Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Zusammenfassung Im digitalen Zeitalter mit Computer und Internet ist das Herstellen und Beschaffen von Bildern einerseits deutlich einfacher als in vordigitalen Zeiten. Andererseits erfordert dies aber von Studierenden oder Wissenschaftlern zusätzlich Fähigkeiten, im Web intelligent zu suchen und die notwendige Software zu beherrschen. Paul Messaris (1993) spricht von »production literacy«. Durch die massenhafte Verbreitung von Bildern haben auch urheberrechtliche Probleme zugenommen. Das abschließende Kapitel hat Anregungen gegeben, mit welchen Mitteln man Bilder selbst herstellen oder vorhandene Bilder einscannen oder aus dem Netz ziehen kann. Bebildern wird in Zukunft in allen wissenschaftlichen Disziplinen als unverzichtbare Tätigkeit neben das Schreiben treten. www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 175 175 Literatur Ackermann, Marion (Hg.) (2007). Piktogramme- - Die Einsamkeit der Zeichen. München/ Berlin: Deutscher Kunstverlag. Aebli, Hans (1980). Denkens: Das Ordnen des Tuns. Bd. I und Bd. II. Stuttgart: Klett-Cotta. Arnheim, Rudolf (1974). Anschauliches Denken. Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln: DuMont. Arzberger, Heinz & Brehm, Karl-Heinz (Hg.). Lerntexte in der Weiterbildung. Erlangen: Publicis MCD Verlag. Baldwin, Charles. L. & Runkle, Robert S. (1967). Biohazards symbol: Development of a biological hazards warning signal. Science, 158, S. 264-265. Ballstaedt, Steffen-Peter (1995). 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Bewegungslinie 113 Bewegungsunschärfe 113 Bezugslinien 105 Bezugszeichen 104 Bild - analytisches 20, 50 - Aufschnitt-B. 102 - CAD-B. 98 - dekoratives 40 - Detail-B. 110 - digitales 152 ff. - Explosionsb. 111 - externes 14, 18 f. - internes 14 - nicht darstellendes 19 - Phasen-B. 116 - Pixel-B. 154 - Schnitt-B. 101 - Transparent-B. 102 f. - Überblicksb. 106 - Vektor-B. 154 - Vergleichsb. 122 ff. - virtuelles 44, 152 - wissenschaftliches 16 Bildagentur 167 Bildarchive 167 Bildquelle 165 ff. Bildserie 116 Bildsuchmaschine 166 ff. Bildtyp 18 ff. Bildverzeichnis 145 Blickbewegungen 29 ff., 137 - unwillkürliche 29 - willkürliche 29 C Chart 20, 50 ff. Chiaroscuro 46 Concept Map 55 D Dateiformat 155 Definition, ostentative 107, 129 Denken, anschauliches 14 Diagramm 21, 64 ff. - Balken-D. 66 - Kreis-D. 65 - Linien-D. 67 - Säulen-D. 66 - Streu-D. 67 Dick-Dünn-Technik 47 Dimetrie 98 Dreitafelprojektion 89 Durchnummerierung 145 E Einfärbung 109 Einsicht 23, 101 ff. Elaboration 139 Empfinden, ästhetisches 36 Emotionalisierung 37 Ersteindruck 25, 28, 137 Evaluation 146 ff. Eye Catcher 29 F Falschfarben 24, 45 Farbtiefe 152 f. Farbmodell 154 Figur-Grund-Prinzip 25 Fixation 29 Flowchart, siehe Prozess-Chart Fovea centralis 29 Fotografie 160 G Gefühl 36 Gestaltprinzip 25 GNU-Lizenz 166 H Halbtonbild 45 Handlung 24, 117 ff. Handlungshierarchie 118 ff. Handlungssequenz 120 Handzeichnung 46, 156 Horizontalanordnung 138 I Infografik 134 ff. Inschrift 105 Isometrie 97 Isotype 71 ff. K Karte 21, 75 ff. - Abbild-K. 76 - thematische K. 77 - topografische K. 77 Kodierung, duale 32 Komplementarität 138 - inhaltliche 138 - kodale 129 Komprimierung 155 Kongruenz 138 Konvention 21 L Leerstelle 143 Legende 143 Lernen, visuelles 15 Literalität, visuelle 24 M Manipulation, visuelle 68 f. Marginalien, piktografische 81 Merkmal, visuelles 15, 42 Mind Map 55 Mustererkennung 27 N Netzplan 55 O Organigramm, siehe Organisationschart Organisation, visuelle 25 Organisationschart 53 P Perspektive 22, 91 ff. - dysfunktionale 100 - Eck-P. 95 - Fluchtpunkt-P. 94 ff. - Frosch-P. 95 - künstliche 92 - Luft-P. 96 - natürliche 92 - Parallel-P. 97 ff. - Vogel-P. 95 - Zentral-P. 94 184 www.claudia-wild.de: STAR-Steffen-Peter Ballstaedt; Visualisieren/ 11.10.2011/ Seite 184 Sachregister Pixel 152 Pfeile 108 - Bewegungsp. 113 - dynamisierte 114 - Hinweisp. 108 Piktogramm 21, 79 ff. - hybrides 81 - ikonisches 80 - symbolisches 80 Popout-Effekt 109 Programme 158 ff. - Bildbearbeitungsp. 161 f. - Layoutp. 172 - Tabellenkalkulationsp. 163 - Textverarbeitungsp. 171 - Visualisierungsp. 163 f. - Zeichenp. 159 Prozess-Chart 53 R Realbild 44 f. - Farb-R. 44 - Schwarz-weiß-R. 45 Riss, siehe Ansicht S Sakkade 29 Scannen 170 Schemabild 47 Sehanleitung 141 Steuerung, sprachliche 142 Streuverteilung 138 Strichbild 46 T Tabelle 20, 51 f., 60 ff. - qualitative 60 - quantitative 60 Tauschbörse 168 Texturbild 45 Trimetrie 98 Text-Bild-Kombination 128 ff. - anleitende T. 133 - begründende T. 130 - bezeichnende T. 128 - darstellende T. 129 - emotionalisierende T. 133 - erklärende T. 132 - warnende T. 133 U Überzeichnung 109 Urheberrecht 165 V Vergleich 24, 122 ff. Verarbeitung - begriffliche 31 ff., 138 - multikodale 136 ff. - visuelle 140 Verstehen 32, 140 ff. - indikatorisches 33 - inhaltliches 32 - inkrementelles 32 - symbolisches 33 Vertikalanordnung 138 Visualisierung 20 visuelle Wende 17 Vorstellung 14 W Wissen - begriffliches 14 - visuelles 14 Z Zeichnung, technische 88 f. Zeitchart 52 Zitatprivileg 165 - inhaltliches 136 - kodales 127