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Kreatives Schreiben

Eine Einführung

0711
2016
978-3-8385-3664-4
978-3-8252-3664-9
UTB 
Oliver Ruf

Was heißt Kreatives Schreiben? Wo ist es entstanden? Was umfassen dessen Theorien und wie gestaltet sich seine Praxis? Für welche Felder ist Kreatives Schreiben relevant und in welcher Form? Der Band liefert eine medien-, kultur- und literaturwissenschaftlich orientierte Einführung, die nicht nur handwerkliche Aspekte behandelt, sondern auch die systematische Geschichte seines Gegenstands skizziert - von den Anfängen des Creative Writing in den Vereinigten Staaten Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zu seiner akademischen (Neu-)Entdeckung in Fachwissenschaft, Fachdidaktik und gestalterischer Anwendung. Dazu wird in die Systematik wie in die Methodik und das grundlegend interdisziplinäre Potential des Kreativen Schreibens vor dem Hintergrund der theoretischen Beschäftigung eingeführt, um Fragen der Ästhetik ebenso zu berücksichtigen wie Modelle und Prozesse der Schreibvermittlung, der Pädagogik bzw. der ästhetischen Bildung.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 0000 UTB (S) Impressum_15.indd 1 08.12.14 10: 56 u t b 3 6 6 4 <?page no="3"?> Oliver Ruf Kreatives Schreiben Eine Einführung A. Francke Verlag Tübingen <?page no="4"?> Professor Dr. Oliver Ruf lehrt Medien- und Gestaltungswissenschaften sowie Textgestaltung und Ästhetik an der Fakultät Digitale Medien der Hochschule Furtwangen. Er war Gastprofessor/ Gastdozent u. a. an der Universität der Künste Berlin und der Zürcher Hochschule der Künste und nimmt Lehraufträge für Medien-, Kommunikations- und Kulturwissenschaft, Medientheorie und Designforschung wahr. Zudem hat er umfangreich als Publizist, Journalist und Autor gearbeitet (etwa für MERKUR , Neue Zürcher Zeitung, taz, Tagesspiegel, Der Bund, form, designreport, Südwestrundfunk und Westdeutscher Rundfunk). Er ist Herausgeber der Buchreihe »Medien- und Gestaltungsästhetik« (transcript- Verlag) und veröffentlichte u. a. die Monographien »Die Hand. Eine Medienästhetik« (2014), »Wischen und Schreiben« (2014), »Die Kraft der Bilder« (2014), »Schreibleben« (2012) und »Zur Ästhetik der Provokation« (2012). Weitere Informationen unter: www.schreibaesthetik.de M.C. Escher’s »Drawing Hands« © 2016 The M.C. Escher Company-The Netherlands. All rights reserved. www.mcescher.com Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany UTB -Band Nr. 3664 ISBN 978-3-8252-3664-9 <?page no="5"?> »Ein Autor, der die Schriftsteller nichts lehrt, lehrt niemanden. Also ist maßgebend der Modellcharakter der Produktion, der andere Produzenten erstens zur Produktion anzuleiten, zweitens einen verbesserten Apparat ihnen zur Verfügung zu stellen vermag. Und zwar ist dieser Apparat um so besser, je mehr er Konsumenten der Produktion zuführt-[…].« Walter Benjamin, Der Autor als Produzent (1934) »Der Begriff Handwerk ist eine Metapher. Bücher bestehen nicht aus Schrauben und Bolzen, es wird nicht gefeilt, und letztlich gibt es nichts, was tatsächlich der physischen Fertigkeit eines routinierten Experten manueller Arbeit entsprechen würde. Aber natürlich, wie in allen Dingen spielt auch hier Übung eine Rolle. Und wie in allen Dingen bewahrt sie einen nicht vor dem Versagen. Auch lernt man beim Schreiben nicht kontinuierlich, sondern in Sprüngen. Nach langer Zeit des Suchens hat man plötzlich Erkenntnisse, zuweilen fast Erleuchtungen, in denen man sich darüber klar wird, was man tun kann und wie die eigene Arbeit aussehen könnte. Das ist oft verbunden mit Sätzen, die man liest oder die einem jemand sagt. Ich habe immer gerne gehört, was Autoren über ihre Arbeit äußern.« Daniel Kehlmann, Diese sehr ernsten Scherze (2006/ 2007) <?page no="7"?> 7 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Was ist Kreatives Schreiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.1. Begriffliche Annäherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.1.1. Was ist Kreativität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.1.2. Was ist Schreiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.1.3. Was meint Kreatives Schreiben? . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.2.1. Entwicklungsaspekte beim Schreiben . . . . . . . . . . 38 1.2.2. Vom freien Gedanken zum geschriebenen Wort . 41 1.3. »Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? « . . . 46 2. Geschichte des Kreativen Schreibens . . . . . . . . . . . . . 49 2.1. Creative Writing in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.1.1. Ursprünge des Creative Writing . . . . . . . . . . . . . . 51 2.1.2. Norman Foerster und die School of Letters . . . . . 57 2.1.3. Associated Writing Programs/ National Writing Project . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.2. Creative Writing in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.2.1. Composing-- Creating-- Enabling . . . . . . . . . . . . 65 2.2.2. Kritische Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.3.1. Aufsatzlehre und kommunikative Wende . . . . . . . 73 2.3.2. Die Schreibbewegung der 1980er Jahre . . . . . . . . 75 2.3.3. Kreatives Schreiben heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens . . . . . . . . . . . . . . 81 3.1. Die Perspektiven der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.1.1. Poetik und Kreatives Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.1.2. ›Spuren‹ zum Kreativen Schreiben . . . . . . . . . . . 87 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben . . . . . . . . . . . . . 91 3.2.1. »Produktionsbedingungen« und »schreibtechnische Dinge« . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.2.2. Rezeptionsästhetische Potentiale . . . . . . . . . . . . . 97 3.2.3. Produktionstheorie als Schreibpraxis . . . . . . . . . . 99 <?page no="8"?> 8 Inhalt 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben . . . . . . . . . . . 102 3.3.1. Vorstellungen von Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.3.2. Professionelle Schreib-Vermittlung . . . . . . . . . . . 107 3.3.3. Werkstatt des Kreativen Schreibens . . . . . . . . . . 111 3.3.4. Schreib-Gestaltung und ›Neue‹ Medien . . . . . . 115 4. Praxis des Kreativen Schreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4.1. »Keine Angst vorm leeren Blatt« . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.2.1. Zu/ nach/ über welche Literatur schreiben? . . . . 125 4.2.2. Zu/ nach/ über Gegenwartsprosa schreiben . . . . 128 4.2.3. Zu/ nach/ über literarische ›Klassiker‹ schreiben 130 4.2.4. Über Texte hinaus schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.3. Medienästhetisches Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4.3.1. Medienproduktion und Kreatives Schreiben . . . 136 4.3.2. Digitales Kreatives Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.3.3. Kreatives Schreiben 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3.4. Kreatives Schreiben medialisieren . . . . . . . . . . . . 148 4.3.5. »Stilübungen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4.4. Zur Zukunftspraxis des Kreativen Schreibens . . . . . . . . 155 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.1. Schreiblernprozesse in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 5.1.1. Lernverhalten messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5.1.2. Perspektiven für den Unterrichtsalltag . . . . . . . . 164 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien . . . . . . 165 5.2.1. Netzspezifisches Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5.2.2. ›Gemachte‹ literarische Kunstwerke . . . . . . . . . 171 5.2.3. Eine digitale Unterrichtseinheit . . . . . . . . . . . . . 172 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb . . . . . . . . . . . 176 5.3.1. Erzählendes wissenschaftliches Schreiben . . . . . 178 5.3.2. Was ist Schreib-Wissenschaft? . . . . . . . . . . . . . . . 182 5.3.3. Vorschläge für ein wissenschaftliches Schreib- Curriculum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 5.3.4. Wozu im Studium schreiben? . . . . . . . . . . . . . . . 189 <?page no="9"?> 9 Inhalt 6. Kreatives Schreiben als Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6.1. Kreatives literarisches Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 6.1.1. Sechs Schritte zum Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . 194 6.1.2. Sichtbar-Werdung als Schreibender . . . . . . . . . . 200 6.2. Kreatives journalistisches Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . 202 6.2.1. Journalistisch Schreiben lernen . . . . . . . . . . . . . 204 6.2.2. Beispiele aus dem Tagesjournalismus . . . . . . . . . 206 6.3. Kreatives literaturkritisches Schreiben . . . . . . . . . . . . . . 208 6.3.1. Zur Wertungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 6.3.2. Methoden, Kriterien, Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . 211 6.3.3. Exemplarische Wertungspraxis . . . . . . . . . . . . . . 213 6.4. Kreatives Schriftdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6.4.1. Typographie und Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 6.4.2. Die Semiotisierung der Form . . . . . . . . . . . . . . . 220 6.4.3. Text, Bild und Gestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 6.4.4. Aufgaben: Von Analysen im Design . . . . . . . . . . 229 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben . . . . 235 7.1. Was sind Creative Writing Studies? . . . . . . . . . . . . . . . . 238 7.2. Forschungsperspektiven Kreativen Schreibens . . . . . . . 248 7.3. ›Schreibrevolutionen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 <?page no="11"?> 11 Einleitung Diskussionen über den Anwendungscharakter von im weitesten Sinne ›künstlerischen‹ Fächern haben sich in jüngerer und jüngster Zeit auf die Frage nach der Herstellung von Zusammenhängen und Synergien zwischen ästhetischen Disziplinen, Theorie und Praxis, Konzept, Entwurf und Technik, Produktion, Rezeption und Vermittlung konzentriert: Künstlerisches Können erweist sich als ein dynamischer Lehr- und Lernprozess, der sich aus Werkkonzeption und domänen-spezifischem Wissen ebenso speist wie aus arbeitsrelevanten Rahmenbedingungen. 1 Geht es dabei um gestalterische Kommunikationskompetenz und phänomenologisch-ästhetische Schulung im Hinblick auf die Entstehung sprachkünstlerischer Werke bzw. allgemein textueller Gebilde, rücken insbesondere solche Arbeitsprozesse ins Zentrum, welche die Produktion von ›Texten‹ betreffen 2 und die heute oftmals unter dem Schlagwort des ›Kreativen Schreibens‹ subsummiert werden. Das vorliegende Buch nimmt sich in diesem Zusammenhang vor, ein Defizit zu beheben, das in der vielfältigen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des Kreativen Schreibens mittlerweile offensichtlich geworden ist; angestrebt wird, eine Lücke zu schließen, die trotz der Beliebtheit und des Erfolgs der fokussierten ›Disziplin‹ im deutschsprachigen Raum nach wie vor besteht. 3 Denn so selektiv die Auseinandersetzung mit Verfahren und Aus- 1 Eine empirische Studie bietet dazu etwa Zembylas/ Dürr: Wissen, Können und literarisches Schreiben. 2 Unter Textproduktion sind hier alle gezielten Aktivitäten der Planung und Redaktion von Texten während der Produktion schriftlicher Äußerungen zu verstehen, die Schreiben als mentalen und sprachlichen Prozess charakterisieren. Vgl. Molitor-Lübbert: »Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozess«, S. 1005. Zur Frage, was ein ›Text‹ ist, hat es diverse Antworten unterschiedlicher disziplinärer Herkunft gegeben. Eine kurze Einführung in das Thema aus kulturwissenschaftlicher Sicht bietet Kammer/ Lüdeke: »Einleitung«. 3 Zur Diskussion des disziplinären Charakters des Kreativen Schreibens vgl. Glindemann: Creative Writing, bes. S. 1-84. Angewandte künstlerische Wissenschaft <?page no="12"?> 12 Einleitung richtungen des Kreativen Schreibens heute erscheint, so einseitig und unklar erweisen sich entsprechende Arbeiten zum Thema, in denen es entweder um handwerkliche Versprechen geht, etwa ›garantiert‹ schreiben zu lernen, 4 oder um den Versuch, einzelne Strömungen des Kreativen Schreibens zu benennen bzw. zusammen zu führen. 5 Was bislang allerdings versäumt wurde, ist die einführende Darstellung des Kreativen Schreibens- - eine Intention, die das vorliegende Buch verfolgt und erstmalig in geschlossener Form vorstellen möchte. Der Bedarf nach einem Einführungsbuch in das Kreative Schreiben rechtfertigt sich bereits mit Blick auf die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge, in denen ausdrücklich die bereits eingangs erwähnte Anwendungs-Perspektive der jeweiligen Wissenschaft hervorgehoben, d. h. vor allem die spätere berufspraktische Relevanz unterstrichen wird. 6 Gerade diese Forderung befördert das Themenspektrum des Kreativen Schreibens, zumal man sich mit dessen Hilfe für ganz unterschiedliche Berufsfelder schon während des Studiums qualifizieren kann: im Bereich von Kommunikations- und Textdesign, von (Kultur-)Journalismus, Marketing und PR , von Schule, Hochschule und künstlerischen Berufen in Theater, Film, Hörfunk, Fernsehen, als Literatur- und Kulturvermittler, in jedem Medienberuf, in denen Autorschaft unabdingbar ist, oder naturgemäß als freier Schriftsteller. 7 Aber nicht erst die genannte aktuelle Entwicklung im deutschen Hochschulbetrieb hat zu einer Wiederbesinnung auf und einer Renaissance des Kreativen Schreibens geführt. Viele Universitäten im deutschsprachigen In- und Ausland erkennen seit einigen Jahren die Bedeutung der Ausbildung einer Schreibkompetenz für Studierende aller Fächer und haben diese daher in die jeweiligen Curricula aufgenommen, weshalb auch zahlreiche universitäre Schreibzentren gegründet worden sind, die neben den fachwissenschaftlichen 4 So etwa Rico: Garantiert schreiben lernen. 5 So etwa Glindemann: Creative Writing; Werder: Kreative Literaturgeschichte. 6 Siehe dazu etwa Roggausch: »Praxisbezug versus Wissenschaft? «, bes. S. 23-25. 7 Vgl. dazu ansatzweise auch Werder: Erfolg im Beruf durch kreatives Schreiben. Garantiert schreiben lernen Berufsqualifizierung Vermittlung von Schreibkompetenz <?page no="13"?> 13 Einleitung Instituten existieren oder in diese integriert werden konnten. 8 In der Beschreibung eines BMBF -Projekts an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld heißt es etwa, eine entscheidende Qualifikation des B. A.-Studiums sei die Verbesserung und Professionalisierung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit; die Vermittlung von Schreibkompetenz gehöre zu den Grundlagen jeder fachwissenschaftlichen Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf die dadurch ausgebildeten Experten für textuell und schriftlich basiertes Wissen. 9 Mittlerweile gibt es zudem zwei universitäre Hochschulstandorte in der Bundesrepublik, an denen Kreatives Schreiben als eigenständiger universitärer Studiengang angeboten wird: am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig (Studiengang Literarisches Schreiben) und an der Universität Hildesheim (Studiengang Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus). 10 Hinzu kommen eine Reihe von Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften 11 und zahlreiche integrale Studienmodule, die sich dem Kreativen Schreiben u. a. im Zusammenhang mit berufsfeldbezogener Kommunikationsfähigkeit sowie Vermittlungs- und Förderfähigkeiten zuwenden. Insbesondere an all jenen Universitären, die einen Schwerpunkt im Bereich der Sprach-, Literatur- 8 Etwa in Bayreuth, Bielefeld, Bochum, Berlin, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Duisburg/ Essen, Freiburg i. Br., Frankfurt a. M., Frankfurt Oder, Göttingen, Hildesheim, Jena, Klagenfurt, Köln, Leipzig, Lüneburg, Ludwigsburg, Mainz, München, Münster, Paderborn, Regensburg, Siegen, Tübingen, Wuppertal oder Zürich. Zum Erwerb wissenschaftlicher Schreibkompetenzen siehe etwa Bräuer: Schreiben als reflexive Praxis; Brugger: Wissen schaffendes Schreiben; Doleschal/ Struger: »Schreibschwierigkeiten von StudienanfängerInnen«; Steinhoff: Wissenschaftliche Textkompetenz. 9 Vgl. http: / / www.uni-bielefeld.de/ lili/ projekte/ likom/ schreibkomp.html, abgerufen am 10. 03. 2016. 10 In Österreich wird Kreatives Schreiben als ›Sprachkunst‹ an der Universität für angewandte Kunst Wien gelehrt, in der Schweiz am Schweizerischen Literaturinstitut Biel der Hochschule der Künste Bern. 11 So etwa an der Dresden International University (Studiengang Human Communication), der Alice-Salomon-Hochschule Berlin (Studiengang Biographisches und Kreatives Schreiben) oder der IB -Hochschule Berlin (Hochschullehrgang Publizistik/ Kreatives Schreiben). An der Hochschule Furtwangen ist das Kreative Schreiben als tragende Säule in den Studiengang Medienkonzeption integriert. Studiengänge und Studienmodelle <?page no="14"?> 14 Einleitung und Mediendiaktik setzen, 12 ist Kreatives Schreiben meist elementarer Bestandteil der Studien- und Prüfungsordnungen. Dass eine solche Entwicklung den Bedarf eines Einführungsbandes Kreatives Schreiben rechtfertigt, ist evident; dass der impliziten Erforderung eines solchen Buches bisher noch nicht nachgekommen wurde, ist erstaunlich. Was aber heißt Kreatives Schreiben? Wo ist es entstanden? Was umfassen dessen Theorien und wie gestaltet sich dessen Praxis? Für welche beruflichen Felder ist Kreatives Schreiben tatsächlich relevant und vor allem wie? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die Erforschung des Kreativen Schreibens? Und was bedeutet dies alles für das dann doch immer noch gespannte Verhältnis zwischen dem Kreativen Schreiben und der Literaturwissenschaft? Indem der vorliegende Einführungsband solchen Fragen nachgeht, nimmt er gegenüber der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand eine deutliche Akzentverschiebung vor. Einerseits verlagert er das Erkenntnisinteresse von rein handwerklich ausgerichteten Aspekten, wie sie vornehmlich die Ratgeberliteratur thematisieren, 13 zur Frage nach der systematischen Begriffsbestimmung (Kapitel 1) sowie nach der Geschichte (Kapitel 2), ästhetischen Theorie (Kapitel 3) und angewendeten Praxis (Kapitel 4) des Kreativen Schreibens. Die darauf rekurrierenden Passagen stellen dessen Anfänge um 1880 in den Vereinigten Staaten ebenso dar wie dessen nachfolgende, ungeheure Erfolgsgeschichte, nicht nur in den USA , sondern auch in Großbritannien. Fokussiert wird darüber hinaus das Interesse am Kreativen Schreiben im Zuge der Schreibbewegung der 1980er Jahre in Deutschland, aber auch die oft vernachlässigte, jedoch wichtige Verbindung desselben mit Poetiken seit der Antike. Gängige gattungsspezifische Stilübungen innerhalb des jeweiligen ästhetischen Möglichkeitshorizonts sowie weniger bekannte, fruchtbare Schreibverfahren sollen im Anschluss konkrete Hilfestellungen und Anweisungen 12 So etwa in Dortmund, Hamburg, Köln, Würzburg, Augsburg, Duisburg/ Essen, Bochum, Mainz, Frankfurt a. M. und an den meisten Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg. 13 Siehe dazu auch Porombka: »Schriftstellerberuf«, S. 291 f. Verlagerung des Erkenntnisinteresses <?page no="15"?> 15 Einleitung zum Schreiben geben. Andererseits bietet der Band Einblicke in die ›Anwendungsfälle‹ des Kreativen Schreibens, und zwar in Bezug auf Schule und Hochschule (Kapitel 5) und auf einschlägige Berufe (Kapitel 6). Eine Beobachtung stärkt in diesem Zusammenhang das formulierte Anliegen: Denn je mehr Einfluss Absolventen eines Studiengangs Kreatives Schreiben beispielsweise auf den literarischen Markt (z. B. durch ihre Teilnahme an literarischen Wettbewerben) zweifelsohne üben, umso mehr wird der Literaturbetrieb (vertreten durch Lektoren, Literaturkritiker oder andere Literaturvermittler) eine engere Anbindung an die dazu gehörigen universitären Institutionen suchen. In jedem Fall ist der Stellenwert einer Einführung ins Kreative Schreiben im Kontext nicht allein eines Studiums angewandter Literatur- und Kulturwissenschaften oder spezieller etwa auch eines kulturjournalistischen Studiums zu sehen, sondern grundsätzlich in der Auffassung des Schreibens als essentielle kulturelle Handlung: 14 Wer schreibt, bedient sich einer Technik, die kulturell geprägt ist: Das Zeichensystem ist weitestgehend vorgegeben, die Bewegungen der Hand erfordern Übung, die Schreibgeräte, zumal heute, sind Produkte eines eigenen Industriezweigs. Und doch erschöpfen sich die Schreibakte nicht in der Reproduktion kulturspezifischer Vorgaben. Schreiben ist eine Technik, durch die Kultur ihrerseits geprägt wird: Ein kulturelles Gedächtnis, ja Kultur überhaupt kann sich ohne Praktiken der Aufzeichnung nicht längerfristig etablieren. Schreibakte sind jedoch nicht nur Aufzeichnungsakte. Es sind auch Akte, in denen Erinnerungen, Erfahrungen und Wissensbestände produziert, artikuliert und organisiert werden. 15 Ausrichtung und Gliederung des Bandes leiten sich aus den skizzierten Überlegungen her. Die geplante Forcierung resultiert nicht zuletzt aus eigenen, langjährigen Erfahrungen im Verfassen von Texten unterschiedlicher Schreibgenres wie in der Leitung von Schreibwerkstätten und Schreibworkshops bzw. in der akademischen Lehre im Bereich von Textgestaltung, Medienästhetik und Literaturwissenschaft. Die konkrete Arbeit mit Studierenden in 14 Vgl. Abraham/ Kupfer-Schreiner/ Maiwald: »Im Spannungsfeld von Didaktik und Pädagogik«, S. 5. 15 Zanetti: »Einleitung«, S. 7. ›Anwendungsfälle‹ des Kreativen Schreibens Schreiben als essentielle kulturelle Handlung <?page no="16"?> 16 Einleitung Lehrveranstaltungen- - sei es zu Methoden des Kreativen Schreibens oder ganz generell in der Diskussion selbst geschriebener Texte- - als auch der Austausch mit angehenden und etablierten Schriftstellerinnen und Schriftstellern bzw. generell professionell Schreibenden hat die Idee zum vorliegenden Buch initiiert. 16 Aus diesen Erfahrungen heraus ist es auch zu erklären, dass an vielen Stellen das Augenmerk auf Phänomene der digitalen Medien und des Kreativen Schreibens gerichtet wird: Sie sind der Kontext, in dem die zu Grunde liegende Schreib-Lehre stattfindet. Da der Band sich in diesem Zusammenhang auf ein noch wissenschaftlich kaum bearbeitetes Gebiet wagt, konzentriert er sich auf den Versuch einer zwar allgemeinen, doch zugleich auch exemplarischen Systematisierung mit persönlichen Schwerpunktsetzungen. Eine Analyse des forschungsgeschichtlichen Stellenwerts des Kreativen Schreibens soll auch daher eine zukünftige wissenschaftliche Verhandlung des Begriffs profilieren (Kapitel 7). Der Band bietet also insgesamt eine historisch und poetologisch vielschichtige Einführung, da es ja gerade symptomatisch für das Kreative Schreiben ist, dass dessen Gestalt und Potential unter den hier akzentuierten Aspekten noch nie derart untersucht worden ist. Um die Beschäftigung mit dem Kreativen Schreiben- - sei es aus historischen, theoretischen und/ oder praktischen Gründen-- zu erleichtern, wird eine Bibliographie, die relevante Quellentexte sowie die vorliegende Forschungsliteratur nennt, sowie ein Personen- und Sachregister das Buch beschließen. Die im Folgenden versammelten Annäherungen an das Kreative Schreiben erfüllen zuvorderst die Aufgabe, die Leserinnen und Leser mit seinen (maßgeblichen) Theorien und Praktiken, Methoden und Kontexten, Implikationen und Explikationen zu versorgen, mit denen dessen Diskussion, Erforschung und Anwendbarkeit nachvollzogen, erkannt und nicht zuletzt auch vorangebracht werden kann, um Kreatives Schreiben sowohl erfolgreich lernen als auch lehren zu können. Der Band will also-- im Spannungsfeld zwischen 16 Im Folgenden ist es dazu unabdingbar, vorliegende Arbeiten d. Verf. zu integrieren, nicht ohne jene überarbeitet und neu kontextualisiert zu haben. Vgl. entsprechende Anm. Forschungsgeschichtliche Analyse Kreatives Schreiben lernen und lehren <?page no="17"?> 17 Einleitung Kunst, Gestaltung und Handwerk 17 - - in differenzierter Hinsicht Arbeits- und Werkstattwie Material- und anleitende Reflexionsgrundlage sein. 17 Dazu im allgemeinen Kontext Breuer (Hrsg.): Ästhetik der schönen Genügsamkeit. <?page no="19"?> 19 1. Was ist Kreatives Schreiben? Das Lichtenberg-Wort, demzufolge das ›Schreiben‹ zur »Auferweckung des in jedem Menschen schlafenden Systems« vortrefflich sei, zumal »jeder der je geschrieben hat« feststellen könne, dass »Schreiben immer etwas erweckt was man vorher nicht deutlich erkannte, ob es gleich in uns lag«, 1 lässt sich in gleicher Weise auf das ›Kreative Schreiben‹ anwenden. Jeder Mensch, so heißt es des Öfteren, besitze ein nicht nur kreatives, sondern auch ein kreativ-sprachliches Potenzial. 2 Die darin zum Ausdruck kommende Vertrautheit und Alltäglichkeit in der Rede von ›Kreativität‹ und ›Schreiben‹, die somit davon ausgeht, dass beides jedem Menschen (bei)gegeben ist, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Versuche, beide Begriffe näher zu fassen sowie das ›Kreative Schreiben‹ eingehend zu reflektieren, keine Selbstverständlichkeit sein kann: Schreibtheorien wie Schreibpraktiken müssen zuvorderst mit begrifflichen Entscheidungen zu Rande kommen, die zwischen Alltagswelt und Wissenschaft changieren und die einen ersten Eindruck davon geben, was sich hinter der Wortschöpfung ›Kreatives Schreiben‹ überhaupt verbirgt. Allgemeine Begriffsbestimmungen dieses Feldes sind keine Seltenheit; sie betonen in der Regel ein Denken und Handeln im und durch das Schreiben; hervorgehoben wird dabei vor allem dessen Neuigkeitswert- - zum Beispiel die entstehenden Produkte, die neuartig und wertvoll sind, wobei auch der Weg, der zum Produkt führt, ebenso neuartig sein kann wie die Weise, in der Schreibender und Schreiben wahrgenommen, gefühlt, erkannt oder gedacht werden. 3 In der begrifflichen Auseinandersetzung mit dem ›Kreativen Schreiben‹ zeigt sich häufig eine »klassisch-hermeneutische 1 Lichtenberg: Schriften und Briefe, S. 652 ( J 19). 2 Vgl. Böttcher: »Grundlagen kreativen Schreibens«, S. 11. 3 Vgl. Brodbeck: Entscheidung zur Kreativität, S. 30. Kreativ-sprachliches Potential Neuigkeitswert des Schreibens <?page no="20"?> 20 1. Was ist Kreatives Schreiben? Metapher«, nämlich diejenige des »Sich-aus-drückens« bzw. des »Etwas-aus-sich-herausdrückens«. 4 Im ›Kreativen Schreiben‹ versucht man, so die hier zugrunde liegende Hypothese, sich selbst zu entfalten bzw. sich selbst zu verwirklichen, 5 um zu versuchen, ein ›Modell menschlichen Wohlbefindens‹ 6 zu erreichen. Das Prädikat eines Neuigkeitswerts der angewandten Schreibverfahren und Formen bleibt für solche, ihre psycho-therapeutische Seite unterstreichenden Schreibweisen, 7 die mit dem Begriff des Kreativen Schreibens belegt werden, bestehen, nicht ohne allerdings eine grundlegende ästhetische Innovation im Kontext von Literaturlandschaft und Literaturgeschichte in Frage zu stellen. 8 1.1. Begriffliche Annäherungen Die Frage nach einer Beschreibung von dem, was ›Kreatives Schreiben‹ begrifflich bedeutet, führt bei genauerem Blick auf eine Entwicklung innerhalb zeit- und wissenschaftskritischer Strömungen und Tendenzen; die Frage, was ›Kreatives Schreiben‹ ist, führt zwangsläufig zu etablierten Diskursen der Geisteswissenschaften bzw. der New Humanities 9 und den mit ihnen hier verbundenen Fragen wiederum begrifflicher Natur: Was ist Literatur? 10 Was ist das Wesentliche am Prozess der Kreativität? Und was dasjenige an dem künstlerisch-gestalterischen Schaffens? Für das ›Kreative 4 Link: »Schreiben als Simulieren? «, S. 600. Zum Thema- - unabängig des Kreativen Schreibens-- siehe auch Foucault: »Über sich selbst schreiben« sowie zudem u. a. auch Bohn: Warum Schreiben? 5 Siehe dazu insgesamt für den entsprechenden US -amerikanischen Diskurszusammenhang Schultz: Growth Psychology sowie auch Taylor: Quellen des Selbst. 6 Vgl. Dumont: »From Illness to Wellness Models of Human Nature«. 7 Vgl. zu diesem wichtigen Begriff der écriture insbesondere Barthes: »Am Nullpunkt der Literatur«, bes. S. 15-18. 8 Vgl. Bothe: »Kreatives Schreiben«, S. 1371. 9 Diese umfassen die älteren und neueren Philologien, Geschichtswissenschaften, Philosophie, Theologie, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie alle Arten der Künste und ihre Erforschung. 10 Zu dieser bedeutenden Frage siehe die einschlägigen Überlegungen in Sartre: Was ist Literatur? Selbstentfaltung Was ist Literatur? <?page no="21"?> 21 1.1. Begriffliche Annäherungen Schreiben‹ hinzu kommt ein pädagogischer Aspekt, denn gefragt wird in diesem Zusammenhang immer auch, wie sich ›Literatur‹, ›Kreativität‹ bzw. ›Kunst‹ und ›Gestaltung‹ erlernen lassen. 11 Dazu hat die Begriffsgeschichte des ›Kreativen Schreibens‹ eine bedeutende historische Hinweisfunktion, denn seine Theoretisierung setzt etwa zur selben Zeit ein, in der sich auch die Literatur- und Sprachwissenschaften im anglo-amerikanischen Raum in einer für sie zentralen Krise befanden und sich die Verwendung des Ausdrucks ›Kreatives Schreiben‹ in seiner ursprünglich englischen Form als Creative Writing im genannten Sprachraum in der heutigen Bedeutung zu etablieren beginnt. 12 Dazu parallel verlief das Bestreben, das Studium der ›Literatur‹, das in den Vereinigten Staaten oft Criticism genannt wird, mit demjenigen seiner Praxis, was dort in der Regel unter dem Schlagwort Creativity fungiert, im Sinne eines geisteswissenschaftlichen Erkennntnisfortschritts beim Verstehen ästhetischen 13 Schreibens zu verbinden. Naheliegend war, dass diese Neugewichtung praktischer Bedeutungshorizonte des Schreibens mit der Privilegierung von ›Theorie‹ als eine internationale lingua franca der Kulturwissenschaften einhergegangen ist. 14 Die theoretische Herausbildung des ›Kreativen Schreibens‹ trug dazu bei, die praktischen Methoden bei der Auseinandersetzung sowohl mit literarischen/ sprachlich- 11 Vgl. Dawson: Creative Writing and the New Humanities, S. 2. 12 Dazu näher Kapitel 2. Ich beziehe mich im vorliegenden Buch in erster Linie auf die Ursprünge des Kreativen Schreibens in literarischer bzw. produktionsästhetischer Hinsicht, weshalb die damit einhergehende Entwicklung einer psycholinguistisch geleiteten Neu-Orientierung schulischen Schreibunterrichts in den USA zugunsten der Darstellung einer literarischpoetischen Schreib-(Kompositions-)Lehre größtenteils in den Hintergrund treten wird. Diese ist überblicksartig skizziert in Girgensohn/ Sennewald: Schreiben lehren, Schreiben lernen, S. 11-15. Siehe dazu auch Nystrand: »The Social and Historical Context for Writing Research«; Scardamalia/ Bereiter: »Research on Written Composition«. 13 Der Begriff des ›Ästhetischen‹, wie er auf Alexander Gottlieb Baumgarten zurückgeht, wird im Folgenden zur Bezeichnung eines Diskursphänomens verwendet, das schöpferische Handlungen/ Dinge ebenso bezeichnet wie ›erhabene‹ und ›schöne‹. Siehe dazu näher Barck: »Ästhetik/ ästhetisch« sowie außerdem u. a. auch Plumpe: Ästhetische Kommunikation der Moderne; Eagleton: Ästhetik; Hammermeister: The German Aesthetic Tradition. 14 Vgl. Dawson: Creative Writing and the New Humanities, S. 2 f. Creative Writing Praktische Bedeutungshorizonte <?page no="22"?> 22 1. Was ist Kreatives Schreiben? textlichen Kunstwerken wie mit deren genuiner Konstruiertheit als ästhetische Kategorien nicht aus den Augen zu verlieren. 15 1.1.1. Was ist Kreativität? In seiner heute vertrauten Alltagsbedeutung hat sich der deutsche Ausdruck ›Kreatives Schreiben‹ also als Lehnübersetzung aus dem Englischen herausgebildet. Der wortgeschichtliche Vergleich der beiden Ausdrücke ›Kreativität‹ und ›Schreiben‹ bzw. ursprünglich Creativity und Writing lässt dabei eine Spannung deutlich werden: Kreativität kann, im 19. Jahrhundert vom lateinischen creare (hervorbringen/ er-schaffen, zeugen/ gebären, schaffen/ ins Leben rufen, verursachen/ bewirken) herkommend, wovon sich u. a. das deutsche aktive ›Neu-Schöpfen‹ herleitet, auch ein passives Geschehen-Lassen (lat. crescere) bezeichnen. 16 Gegenüber der Nicht- Kreativität werden darunter bestimmte Kriterien gefasst, die die bereits oben erwähnten Faktoren Originalität/ Neuartigkeit, aber auch Flexibilität, Einfallsreichtum und Offenheit betreffen. Paul J. Guilford spricht beispielsweise in einem stark beachteten Vortrag aus dem Jahr 1950 von Creativity als einem ›Arbeitsbegriff‹ und versteht darunter ein Verhaltensmuster, unter das ein Sensorium für aufkommende Probleme, d. h. Einfühlungsvermögen, ebenso fällt wie ›flüssiges‹ Denken, d. h. geistige Flexibilität beim- - mühelosen- - Wechseln von Bezugssystemen, oder analytische Fähigkeiten, die zur Umorganisation respektive Neudefinition des Wahrgenommenen anleiten; zudem zählt er das Verstehen der Komplexität begrifflicher und symbolischer Strukturen sowie individuelle Motivationsmöglichkeiten zu diesem Bereich. 17 Der Begriff ›Kreativität‹ verweist auf eine grundsätzliche kulturelle Problematik: auf den Wunsch eines jeden innerhalb der Gegen- 15 Vgl. ebd., S. 3. Die nachfolgende Entwicklung der ›Theorie‹ in den New Humanities dokumentieren etwa Docherty: After Theory; McQuillan et al (Hrsg.): Post-Theory; Nutler/ Guillory/ Thomas (Hrsg.): What’s Left of Theory? ; Eagleton: After Theory. 16 Vgl. den Eintrag ›kreativ‹ in Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 536. Siehe außerdem auch Blamberger: Das Geheimnis des Schöpferischen. 17 Vgl. Guilford: »Creativity«. Flexibilität, Einfallsreichtum und Offenheit <?page no="23"?> 23 1.1. Begriffliche Annäherungen wartskultur kreativ sein zu wollen, einerseits und andererseits auf den Umstand, nicht kreativ sein zu können; Lösungsperspektiven bietet jedoch die in dieser Diskussion immer mitgedachte Überzeugung, solche Schwierigkeiten mit Hilfe von Training und Übung zu überwinden. 18 Andreas Reckwitz, der diesen sozialen Prozess aus kultursoziologischer Sicht ausführlich beleuchtet hat, betont noch einmal zusammenfassend die hierfür enorm wichtigen Momente des Neuen, der Innovation sowie der Schöpfung und weist der Kreativität eine doppelte Bedeutung zu: Zum einen verweist sie auf die Fähigkeit und die Realität, dynamisch Neues hervorzubringen. Kreativität bevorzugt das Neue gegenüber dem Alten, das Abweichende gegenüber dem Standard, das Andere gegenüber dem Gleichen. Diese Hervorbringung des Neuen wird nicht als einmaliger Akt gedacht, sondern als etwas, das immer wieder und auf Dauer geschieht. Zum anderen nimmt Kreativität Bezug auf ein Modell des ›Schöpferischen‹, das sie an die moderne Figur des Künstlers, an das Künstlerische und ästhetische insgesamt zurückbindet. Es geht um mehr als um eine rein technische Produktion von Innovationen, sondern um die sinnliche und affektive Erregung durch das produzierte Neue. Das ästhetisch Neue wird mit Lebendigkeit und Experimentierfreude in Verbindung gebracht, und sein Hervorbringer erscheint als ein schöpferisches Selbst, das dem Künstler analog ist. Das Neuartige im Sinne des Kreativen ist dann nicht lediglich vorhanden wie eine technische Errungenschaft, es wird vom Betrachter und auch von dem, der es in die Welt setzt, als Selbstzweck sinnlich wahrgenommen, erlebt und genossen. 19 Dass die Kreativität, wie sie hier erklärt wird, heute das Zentrum eines dominanten »sozialen Kriterienkatalogs« darstellt, der einen »ästhetischen Kapitalismus« 20 innerhalb von Creative Class, 21 Creative Industries und deren Creative Cities, 22 ein »Krea- 18 Vgl. Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität, S. 9. Siehe außerdem auch Florida: The Rise oft the Creative Class. 19 Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität, S. 10. 20 Ebd., S. 11. 21 Siehe dazu wiederum Florida: The Rise of the Creative Class. 22 Siehe dazu Caves: Creative Industries; Florida: Who’s Your City sowie etwa die Beiträge in Hartley (Hrsg.): Creative industries; Lange et al. (Hrsg.): Governance der Kreativwirtschaft. Kreativität als sozialer Prozess Lebendigkeit und Experimentierfreude <?page no="24"?> 24 1. Was ist Kreatives Schreiben? tivitätsdispositiv« 23 hervorgebracht hat, ist mit Blick auf das Kreative Schreiben eine wichtige Beobachtung: Die Orientierung der Gegenwartskultur an der Kreativität betrifft Arbeitstechniken des Schreibens in gleicher Weise wie Organisationen und Institutionen des Kulturbetriebs, des literarischen Lebens, des Bildungssektors oder der Massenmedien und des Designs. 24 Das kritische Potential einer »universalisierten Kreativitätsorientierung« einschließlich deren »Imperativen«, 25 worauf bereits Niklas Luhmann Ende der 1980er Jahre hingewiesen hat, 26 darf für die Bestimmung und Abgrenzung des Konzepts ›Schreiben‹ nicht unterschätzt werden; vom Impuls der Kreativität lässt sich ein kritischer Bogen zu dessen näherer Begriffsbestimmung schlagen. 1.1.2. Was ist Schreiben? Die Schreibforschung hat eine Vielzahl an Bestimmungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die in ihrer linguistisch-pragmatisch orientierten Ausprägung ›Schreiben‹ und ›Textproduktion‹ gegeneinander diskutieren 27 und in ihrer literaturwissenschaftlich-medienkulturtheoretischen Erscheinung die Frage, was ›Schreiben‹ (tatsächlich) ist, in verschiedenen Phänomenologien philosophischer Provenienz ausführen. 28 Während die erstgenannte das Schreiben in vier Dimensionen bestimmt- - als Handwerk (technologische Dimension), Zeichenproduktion (semiotische Dimension), sprachliche Handlung (linguistische Dimension) und Integration in einen Handlungszusammenhang (operative Dimension)--, hebt zweitgenannte dessen »handwerkliche, technologische Dimension 23 Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität, S. 11, 15. Siehe auch Heubel: Das Dispositiv der Kreativität. 24 Vgl. Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität, S. 11. Siehe dazu auch Raunig: Industrien der Kreativität; Bröckling: Das unternehmerische Selbst. 25 Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität, 15. Siehe dazu etwa auch Raunig/ Wuggenig (Hrsg.): Kritik der Kreativität. 26 Vgl. Luhmann: »Über Kreativität«. 27 Siehe dazu aus der Fülle an Sekundärliteratur Ludwig: »Integriertes und nicht-integriertes Schreiben«. 28 Siehe dazu insbesondere Stingelin: »Schreiben« (2003); ders.: »Schreiben« (2011); ders.: »› UNSER SCHREIBZEUG ARBEITET MIT AN UNSEREN GEDANKEN ‹«. Der Imperativ des Kreativen Dimensionen des Schreibens <?page no="25"?> 25 1.1. Begriffliche Annäherungen als unabdingbare Voraussetzung« hervor. 29 Diese Hervorhebung gewinnt vor dem Hintergrund der etymologischen Herkunft des Begriffs ›Schreiben‹ weiteres Gewicht. Das Wort ›Schreiben‹ stammt, wie Vilém Flusser medientheoretisch erläutert hat, vom lateinischen scribere, das ›ritzen‹ bedeutet, wobei das griechische graphein als weitere Wortherkunft zunächst einmal ›graben‹ meint: In diesem Sinn sind etwa die von einem Stilus in Lehm hinterlassenen Spuren ›Typographien‹. Wie wir aber wissen, meint das Wort ›graphein‹ im allgemeinen Sprachgebrauch ›schreiben‹. Es meint das Graben von Schriftzeichen- - eben dieser Spuren, welche klassifizieren, vergleichen und unterscheiden sollen. Somit ist das Wort ›Typografie‹ im Grunde ein Pleonasmus, der mit ›Grubengraben‹ oder ›Schriftzeichenschreiben‹ übersetzt werden könnte. Es genügt vollauf, von ›schreiben‹ zu sprechen. 30 Demnach »war Schreiben« nach Flusser »ursprünglich eine Geste, die in einen Gegenstand etwas hineingrub und sich dabei eines keilförmigen Werkzeugs (›stilus‹) bediente«. 31 Zur Begriffserläuterung des Schreibens ist Flussers Theorie nicht nur einschlägig; vornehmlich seine Idee dieser ›Geste‹ leitet dessen diskursive Verortung bis heute. Während Flusser in seinem Werk Die Schrift aus dem Jahr 1987, aus der oben zitiert worden ist, seine Gedanken zur ›Geste des Schreibens‹ eingeführt hat, demonstriert ein gleichnamiges Kapitel aus seinem Versuch einer Phänomenologie von 1991 diese ausführlich. Darin kommt er erneut auf den etymologischen Kontext zurück, den er metaphorisch fasst. Zu Beginn heißt es: Es handelt sich darum, ein Material auf eine Oberfläche zu bringen (zum Beispiel Kreide auf eine schwarze Tafel), um Formen zu konstruieren (zum Beispiel Buchstaben). Also anscheinend um eine konstruktive Geste: Konstruktion- = Verbindung unterschiedlicher Strukturen (zum Beispiel Kreide und Tafel), um eine neue Struktur zu formen (Buchstaben). Doch das ist ein Irrtum. Schreiben heißt nicht, Material auf eine Oberfläche zu bringen, sondern an einer Oberfläche zu kratzen, und das griechische Verb graphein beweist das. Der Schein trügt in diesem Fall. Vor einigen tausend Jahren hat man damit begonnen, die Oberflächen mesopotamischer Ziegel mit zugespitzten Stäben einzuritzen, und das ist der Tradition zufolge der Ursprung der Schrift. Es ging darum, Löcher zu machen, die Oberfläche zu durch- 29 Ders.: »›Schreiben‹«, S. 15. 30 Flusser: Die Schrift, S. 14, 49 f. 31 Ebd., S. 14. scribere heißt ritzen; graphein heißt graben Die »Geste des Schreibens« (V. Flusser) <?page no="26"?> 26 1. Was ist Kreatives Schreiben? dringen, und das ist immer noch der Fall. Schreiben heißt immer noch, Inskriptionen zu machen. Es handelt sich nicht um eine konstruktive, sondern um eine eindringende, eindringliche Geste. 32 Die Metapher der Durchdringung, der Eindringung (Inskription) und Eindringlichkeit des Schreibens dominiert so dessen Begriff à la Flusser; der etymologische Zusammenhang des deutschen Worts ›Schreiben‹ mit dem englischen Writing wird von Flusser dabei ausdrücklich herausgestellt: Das englische »to write« (das zwar, wie das lateinische »scribere«, auch »ritzen« bedeutet) erinnert daran, daß »ritzen« und »reißen« dem gleichen Stamm entspringen. Der ritzende Stilus ist ein Reißzahn, und wer Inschriften schreibt, ist ein reißender Tiger: Er zerfetzt Bilder. Inschriften sind zerfetzte, zerrissene Bildkadaver, es sind Bilder, die dem mörderischen Reißzahn des Schreibens zu Opfern wurden. 33 32 Ders.: »Die Geste des Schreibens«, S. 261. 33 Flusser: Die Schrift, S. 17. Vilém Flusser wurde am 12. Mai 1920 in Prag als Sohn einer jüdisch-tschechischen Akademikerfamilie, deren Mitglieder er alle in Konzentrationslagern verlor, geboren. Nach dem Beginn eines Philosophiestudiums an der Karls-Universität flüchtete er 1939 vor den Nationalsozialisten; nach einer Station in London emigrierte er 1940 mit der Familie seiner späteren Ehefrau Edith Barth nach Brasilien. Bis 1950 war er im Im- und Export tätig, bevor er-- nach intensivem Studium, Lehr- und Vortragstätigkeiten-- 1962 Mitglied des Brasilianischen Philosophischen Instituts und 1967 Professor für Kommunikationstheorie an der Universität S-o Paulo wurde. Aufgrund der politischen Situation unter der Militärregierung verließ er 1972 Brasilien in Richtung Meran (Südtirol) und Robion (Provence). Flusser schrieb seine Texte in Englisch und Französisch, vor allem in Portugiesisch und Deutsch, seltener in seiner Muttersprache Tschechisch. 1991 war er auf Einladung von Friedrich Kittler Gastprofessor an der Ruhr-Universität Bochum, wo er Vorlesungen hielt, um seine Kommunikologie weiter zu denken. Nach einem Vortrag am Prager Goethe- Institut starb Vilém Flusser am 27. November 1991 an den Folgen eines Autounfalls kurz vor der deutschen Grenze. <?page no="27"?> 27 1.1. Begriffliche Annäherungen Diese bildstürmerische Begriffsbestimmung des Schreibens ist für ihn mit der Geschichte gesellschaftlicher Mechanismen konform. Flusser konstatiert für seine Gegenwart, dass so genannte Script writer »am Ausgang der Geschichte und am Eingang der Apparate« stehen: Sie beschleunigen den Output der Geschichte, um den Apparaten den von ihnen benötigten Input zu liefern. Sie liefern die Geschichte an die Apparate aus und überliefern ihnen damit den Sinn alles Geschehens.-[…] Die Script writers, diese Gladiatoren, die im Medienzirkus die Schrift in Netze fangen, um sie abzuwürgen, und die dabei selbst abgewürgt werden, erwecken in uns nur darum keine Empörung, weil wir, die wir bewußtlos und ohnmächtig sind, sie hinter den Bildern überhaupt nicht wahrnehmen können. Wir nehmen den Beitrag nicht wahr, den das Alphabet den Bildern noch immer leistet. In diesem sehr entscheidenden Sinn sind wir bereits Analphabeten geworden. 34 Letztendlich erfüllt eine solche Schreibweise die von Roland Barthes scharf gestellte gesellschaftliche Funktion des Schreibens, dass sie die »Beziehung zwischen dem Geschaffenen und der Gesellschaft« sei, d. h. die »durch ihre soziale Bestimmung umgewandelte literarische Ausdrucksweise«, die »in ihrer menschlichen Intention ergriffene Form«, die »somit an die großen Krisen der Geschichte gebunden ist«. 35 Diese im Zuge einer Begriffsbestimmung des Schreibens hin und her zu wendende Schreib- und Schrift-Debatte 36 berührt in nuce eine politische Frage. 37 Mit Flusser formuliert: »Texte schreiben« ist in einer Gesellschaft die »eigentlich politische Geste«: 34 Ebd., S. 137. 35 Barthes: »Am Nullpunkt der Literatur«, S. 18. Siehe dazu auch ders.: Variationen über die Schrift; ders.: »Schriftsteller und Schreiber«; ders.: Die Vorbereitung des Romans. 36 Siehe dazu auch die Beiträge in Gumbrecht/ Pfeiffer (Hrsg.): Materialität der Kommunikation; dies. (Hrsg.): Schrift; Krämer/ Bredekamp (Hrsg.): Bild, Schrift, Zahl; Grube/ Kogge/ Krämer (Hrsg.): Kulturtechnik Schrift; Giuriato/ Kammer (Hrsg.): Bilder der Handschrift; Kiening/ Stercken (Hrsg.): SchriftRäume sowie-- als prominente wie richtungsweisende Abhandlung-- Kittler: Aufschreibesysteme 1800-· 1900. 37 Siehe dazu auch Rancière: »Politik der Literatur« sowie einführend Morgenroth: »Paradoxien des Politischen«. Script writer Die »Schreibweise« (R. Barthes) <?page no="28"?> 28 1. Was ist Kreatives Schreiben? Alles übrige politische Engagement folgt auf Texte und befolgt Texte. Wird obige Frage im konkreten Kontext des Textuniversums (und nicht »in vacuo«) gestellt, dann zeigt sich, daß ich, der Schreibende, nicht für alle Menschen, sondern für die von mir erreichbaren Empfänger da bin. Die Vorstellung, ich schreibe für jemanden, ist nicht nur megaloman, sie ist auch Symptom eines falschen politischen Bewußtseins. Erreichbar sind für den Schreibenden nur jene Empfänger, die mit ihm durch seinen Text übermittelnde Kanäle verbunden sind. Daher schreibt er nicht unmittelbar an seine Empfänger, er schreibt vielmehr an seinen Vermittler. Er ist in erster Linie für seinen Vermittler da, wobei »in erster Linie« buchstäblich zu nehmen ist: Von der ersten Linie des Textes bis zur letzten wird der Text für den Vermittler geschrieben. Der ganze Text ist von der Tatsache getränkt, daß er in erster Linie für einen Vermittler geschrieben wurde. 38 Die Vermittlungsfunktion des Schreibens, die es, wie Konrad Ehlich sagt, möglich macht, von ihr als ›Zerdehnung‹ einer Kommunikationssituation zu sprechen, 39 konstituiert zugleich dessen hier mit Flusser kurz umrissene Begriffsdimension. Das Schreiben für einen Vermittler impliziert, dass man, bevor man ein Schriftstück liest, wissen muss, welches Codes es sich bedient hat: »Man muß es«, erklärt Flusser, »zuerst dekodifizieren, bevor man darangeht, es zu entziffern«, und Entziffern bedeute »ein Auseinanderfalten dessen, was der Bezifferer in sie hineingelegt, impliziert hat«-- »nicht nur auf der Ebene der einzelnen Ziffer, sondern auf allen Ebenen der kodifizierten Botschaft.« 40 Schriftstücke seien an Entzifferer gerichtet: »Der Schreibende streckt seine Hand dem anderen entgegen, um einen Entzifferer zu erreichen. Seine politische Geste des Schreibens geht aus, nicht um Menschen schlechthin, sondern um Entzifferer zu ergreifen.« 41 Noch einmal: Die Leser, an die man schreibt, sind Kommentatoren (die das Geschriebene zerreden) oder Befolger (die sich wie Objekte ihm unterwerfen) oder Kritiker (die ihn zerfetzen)- - falls überhaupt Leser gefunden werden. Daher ist das Gefühl der Absurdität des Schreibens, das viele Schreibende erfaßt und ihnen im Nacken sitzt, nicht nur auf äußere Tatsachen wie Textinflation und Emportauchen geeigneterer Codes zurückzuführen. Es ist vielmehr eine 38 Flusser: Die Schrift, S. 43. 39 Vgl. Ehlich: »Text und sprachliches Handeln«. Siehe außerdem auch ders.: »Die Entwicklung von Kommunikationstypologien«. 40 Flusser: Die Schrift, S. 87. 41 Ebd., S. 88. »[D]er Text [wird] für den Vermittler geschrieben.« Ebenen der kodifizierten Botschaft <?page no="29"?> 29 1.1. Begriffliche Annäherungen Folge des Bewusstwerdens des Schreibens als Engagement und als ausdrückende Geste. 42 Das Bewusstwerden des Schreibens als kulturell-gesellschaftliche Teilhabe wie als gestische Expression bringt eine für die Begriffstheorie des Kreativen Schreibens prägende Annahme ein: Die Idee, kreativ zu schreiben, fußt auf den Vorstellungen von Schreiben als einem Ensemble heterogener Faktoren, die eine ›Schreib-Szene‹ bzw. ›Schreibszene‹ konstituieren: »Auch und gerade wenn ›die Schreib-Szene‹ keine selbstevidente Rahmung der Szene, sondern ein nicht-stabiles Ensemble von Sprache, Instrumentalität und Geste bezeichnet, kann sie«, so Rüdiger Campe, »dennoch das Unternehmen der Literatur als dieses problematische Ensemble, diese schwierige Rahmung kennzeichnen« 43 -- eine Rahmung, die in einem Projekt Zur Genealogie des Schreibens von Martin Stingelin aufgegriffen und komplettiert worden ist. In einem programmatischen Beitrag mit dem Titel ›Schreiben‹. Einleitung zeigt er die sich im, beim und durch Schreiben grundlegend bildende Szene als Inszenierung auf: 1. Das Schreiben hält sich bei und an sich selbst auf, indem es sich selbst thematisiert, reflektiert und problematisiert, und schafft so einen Rahmen, durch den es aus dem Alltag herausgenommen, gleichsam auf eine Bühne gehoben ist, auf der es sich präsentiert und darstellt; 2. dabei stellen sich verschiedene Rollenzuschreibungen und Rollenverteilungen ein; diese wiederum werfen 3. die Frage nach der Regie dieser Inszenierungen auf. 44 1.1.3. Was meint Kreatives Schreiben? Zur Begriffsdiskussion des Kreativen Schreibens bieten sich die von Stingelin im Anschluss an Campe getroffene Unterscheidung zwischen einer ›Schreibszene‹ und einer ›Schreib-Szene‹ an; unter der zweitgenannten versteht dieser »die historisch und individuell von Autorin und Autor zu Autorin und Autor veränderliche Konstellation des Schreibens«, die sich innerhalb des von der Sprache (Semantik des Schreibens), der Instrumentalität (Technologie des Schreibens) und der Geste (Körperlichkeit des Schrei- 42 Ebd., S. 91 f. 43 Campe: »Die Schreibszene, Schreiben«, S. 760. 44 Stingelin: »›Schreiben‹«, S. 8. Bewusstwerdens des Schreibens Zur Genealogie des Schreibens »Schreibszene« und »Schreib-Szene« <?page no="30"?> 30 1. Was ist Kreatives Schreiben? bens) gemeinsam gebildeten Rahmens abspiele, »ohne daß sich diese Faktoren selbst als Gegen- oder Widerstand problematisch würden«; und »wo sich dieses Ensemble in seiner Heterogenität und Nicht-Stabilität an sich selbst aufzuhalten beginne« spricht Stingelin von erstgenannter: Die Singularität jeder einzelnen ›Schreibszene‹ entspringt der Prozessualität des Schreibens; die Singularität jeder einzelnen ›Schreib-Szene‹ der Problematisierung des Schreibens, die (es) zur (Auto-)Reflexion anhält (ohne daß es sich gerade in seiner Heterogenität und Nicht-Stabilität gänzlich transparent werden könnte). Hier wie dort versuchen die Begriffe der ›Schreibszene‹ wie der ›Schreib-Szene‹ jeweils ein (literatur-, medientechnik- und kulturell)historisches und ein systematisches Moment in einem integrativen Modell des Schreibens zusammenzufassen. 45 Theoretische Grundlage dieses Modells sind u. a. wiederum die phänomenologischen Ausführungen Vilém Flussers. Aus ihnen lässt sich mit Hilfe des Schreib(-S)zenen-Konzepts eine Einsicht in das Verständnis der Erscheinung des Kreativen Schreibens ableiten: »Um Schreiben zu können«, erläutert Flusser, werden u. a. »eine Oberfläche (Blatt, Papier)«, »ein Werkzeug (Füllfeder)«, »Zeichen (Buchstaben)«, »eine Konvention (Bedeutung der Buchstaben)«, »Regeln (Orthographie)«, »ein System (Grammatik)«, »ein durch das System der Sprache bezeichnetes System (semantische Kenntnis der Sprache)«, »eine zu schreibende Botschaft (Ideen)« und »das Schreiben« selbst benötigt. 46 Für diese verschiedenen Elemente des Schreibakts nimmt der von Flusser herausgestellte Punkt der ›zu schreibenden Botschaft‹ oder ›Idee‹ eine Sonderstellung ein, denn wer sich von dieser, so erneut Stingelin, erfüllt sieht, mag sich bei seiner ›Be-Geisterung‹, diese mitzuteilen, nicht lange beim Automatismus semantischer, grammatischer oder orthographischer Regeln aufhalten, geschweige denn bei der Mechanik, sich eines Werkzeugs im Zusammenspiel mit seiner Oberfläche bedienen zu müssen, um überhaupt ein Zeichen zum Ausdruck bringen zu können, zeichnet sich die ›Idee‹ in ihrem emphatischen Wortsinn doch gerade dadurch aus, daß sie 45 Ebd., S. 15. 46 Flusser: »Die Geste des Schreibens«, S. 261 f. Ein integratives Modell des Schreibens Die zu schreibende Botschaft, die Idee <?page no="31"?> 31 1.1. Begriffliche Annäherungen durch den Umstand unangefochten bleibt, ob sie tatsächlich zu Papier gebracht worden ist oder nicht. 47 Eine ›Idee‹ sei eine ›Idee‹, »selbst wenn es keinem Schreibwerkzeug gelingt, den Schädel aufzumeißeln, in dem sie geboren ist«, 48 und diese ist für die hier begrifflich zu versuchende Zuschreibung des Kreativen Schreibens deshalb so wichtig, weil erstens das zum Schreiben notwendige, »erhebliche Übung voraussetzende Zusammenspiel von Oberfläche, Werkzeug und Zeichen«, beispielsweise von »Papier, Füllfederhalter und Buchstaben«, aus pädagogisch-didaktischer Sicht durch die gängigen Methoden des Schriftspracherwerbs prinzipiell erlernwie vermittelbar ist; 49 hinzu kommt, dass zweitens der Begriff der ›Idee‹ naturgemäß mit dem der ›Kreativität‹ korreliert, der wiederum mit demjenigen der ›Ästhetik‹ aufs Engste verbunden ist. 50 Kreativität bedingt auf ästhetischem und künstlerisch-gestalterischem bzw. genuin literarischem Gebiet jede Schreib-Szene, auch wenn es nicht explizit um ein zu schaffendes Produkt, sondern um Wahrnehmungsprozesse oder neue Problemlösungsstrategien geht. 51 Im, beim und durch Kreatives Schreiben entsteht eine ›Kreative Schreib-Szene‹, 52 die diesen Aspekt des Ästhetischen betont, bei dem auch der »Modus des Verhaltens zur Welt« 53 im Vordergrund steht, und lässt sich so im Rahmen Ästhetischer Bildung auf die Entdeckung, Wertschätzung und Erweiterung der eigenen ästhetischen Fähigkeiten des Schreibens im Zuge eines emotionalsinnlichen Zugriffs auf die Wirklichkeit hin beschreiben: In der 47 Stingelin: »›Schreiben‹«, S. 14. 48 Ebd. Zu beachten ist, dass »durch die mittels eines Werkzeugs möglichst formvollendete geübte Zeichnung eines Buchstabens auf einer Oberfläche« sich eine ›Idee‹ »überhaupt erst aufspielen kann« (ebd.). 49 Siehe dazu aus der Fülle an Fachliteratur Schründer-Lenzen: Schriftspracherwerb und Unterricht; Schenk: Lesen und Schreiben lernen und lehren; Sassenroth: Schriftspracherwerb. 50 Vgl. Braun: Ästhetik, Kreativität und Bildung, S. 22-37. 51 Siehe dazu etwa Stockhammer: Sozialisation und Kreativität, S. 12. Siehe außerdem auch Kattenstroth: Ästhetische Erziehung und Wahrnehmungstheorien. 52 Eine schematische Darstellung bietet Abb. 1. Vgl. hierzu Ruf: »›Erlebte Poetik‹«. 53 Otto/ Otto: »Ästhetische Erziehung, Ästhetisches Lernen«, Sp. 13. Methoden des Schriftspracherwerbs <?page no="32"?> 32 1. Was ist Kreatives Schreiben? Kreativen Schreib-Szene erschließt, versteht und eignet sich das schreibende Subjekt literarisch-poetische bzw. generell textgestalterisch-narrative Ausdrucksformen in deren Vielschichtigkeit, in ihrer kulturtragenden Funktion und ihrer Symbolkraft ästhetisch erfahrend an. 54 Kreativität wird hier nicht allein entfaltet; Kreativität ist der notwendige Katalysator, um eine solche Schreib-Szene überhaupt zu initiieren. Die Frage, die den Begriff des ›Kreativen Schreibens‹ leitet, lautet somit: Wie kann Kreativität- - didaktisch, pädagogisch, anleitend- - für den Schreibenden durch den »Erwerb von Wissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten« gefördert werden, damit dieser »neue und ungewöhnliche Leistungen entwickeln« kann? 55 Für diese Grundfrage der Kreativen Schreib-Szene gewinnen die »zu Gebote stehenden Schreibwerkzeuge (in der Regel Papier, Feder und Tinte, Bleistift, Kugelschreiber, Schreibmaschine oder Computer)« und die »Schreibgewohnheiten (Anlaß, Ort, Zeitpunkt, Dauer)« an Gewicht; in ihr werden die »Stimulantien und Surrogate der Inspiration zur Überwindung der oft beklagten Schreibblockaden« sowie auch die »soziale Situation«, die »biographische Lebenslage« und das (womöglich bereits ausgebildete oder auszubildende) ästhetische »Selbstverständnis« hervorgehoben. 56 Der Begriff der ›Kreativen Schreib-Szene‹ verdeutlicht so denjenigen des ›Kreativen Schreibens‹, indem beide auf Dasselbe abzielen: Durch die, wie Kaspar H. Spinner es formuliert, »Aktivierung der Imaginationskraft« ist es möglich, etwas »Neues« respektive »zumindest eine neue Sicht auf Bekanntes« entstehen zu lassen, 57 indem gewohnte, im Alltag eingeschliffene Vorstellungsmuster schreibend durchbrochen werden können. 58 Bei der Kreativen Schreib-Szene und damit auch beim Kreativen Schreiben spielen intensive Wahrnehmungsmöglichkeiten ästhetischer Rezeptionserfahrungen eine große Rolle, wie sie wiederum die 54 Vgl. Kirchner/ Schiefer/ Spinner: »Ästhetische Bildung und Identität«, S. 11. 55 Braun: Ästhetik, Kreativität und Bildung, S. 33. 56 Stingelin: »›Schreiben‹«, S. 16. 57 Spinner: »Kreatives Schreiben«, S. 21. 58 Vgl. ders.: »Anstöße zum kreativen Schreiben«. Kreativität als Katalysator Schreibwerkzeuge, Schreibgewohnheiten Schreibblockaden Ästhetische Rezeptionserfahrungen <?page no="33"?> 33 1.1. Begriffliche Annäherungen Ästhetische Bildung stark zu machen vermag, und zwar hier durch die Möglichkeit des schreibenden Subjekts, sich probeweise die Art der Welterschließung zu eigen zu machen, die die Literatur als ästhetisches Objekt präsentiert. 59 Ausgangspunkt dieser Erfahrung ist die spezifische Gestalt des literarischen Objekts, von dem aus kreativ schreibend Gestaltungs- und Ausdrucksformen für die Wahrnehmungen und Eindrücke gesucht und gefunden werden, die zugleich »Hilfe zur Verarbeitung, zur Klärung und zum Verstehen« der jeweiligen Lebenswirklichkeit bieten; im Produktionscharakter der Kreativen Schreib-Szene wird Erlebtes bzw. Rezipiertes in ästhetischer Form zum Ausdruck gebracht; es gelangt »vom nicht kommunikablen Inneren nach außen und wird damit für den intersubjektiven Austausch verfügbar«: »Das Hervorgebrachte wird auf diese Weise zu einem Gegenüber, das mit Distanz betrachtet und reflektiert, geteilt und miteinander besprochen werden kann.« 60 In der Kreativen Schreib-Szene fallen die wahrnehmend-rezeptive (Aisthesis), die gestaltend-produktive (Poiesis) und die urteilend-kommunikative Dimension (Katharsis) der Ästhetischen Bildung im Sinne von Hans Robert Jauß zusammen. 61 In ihr ist die Literatur von Anfang an präsent; diese bietet die Idee, die Inspiration, den Katalysator der Kreativität, der durch die noch näher vorzustellenden Methoden des Kreativen Schreibens, 62 insbesondere durch Verfahren des antizipierenden, Text erweiternden wie verändernden, analogen und zu Textvorlagen freien Schreibens 63 zu etablieren ist. Im Vordergrund stehen damit sowohl explizit literarische Schreibübungen wie Schreibverfahren, d. h. schriftlich fixierte, fiktionale Erzählformate, ohne zu übersehen, dass das Kreative 59 Vgl. Kirchner/ Schiefer/ Spinner: »Ästhetische Bildung und Identität«, S. 12. Zur Zusammenfassung von theoretischen Grundlagen eines Wahrnehmungsmodells der Literatur siehe auch Kiefer: Ästhetik-- Semiotik-- Didaktik, S. 108-130. 60 Kirchner/ Schiefer/ Spinner: »Ästhetische Bildung und Identität«, S. 13 f. 61 Vgl. ebd., S. 15, sowie Jauß: Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik, S. 88 f. 62 Vgl. dazu auch die Typologie in Böttcher: »Zu den Methoden des kreativen Schreibens«, bes. S. 22-26. 63 Siehe dazu die Typologie in Spinner: »Kreatives Schreiben zu literarischen Texten«, S. 115-117. Produktionscharakter der Kreativen Schreib-Szene <?page no="34"?> 34 1. Was ist Kreatives Schreiben? Schreiben auch im Bereich des wissenschaftlichen oder professionell-konzeptionellen bzw. journalistischen Schreibens kreative Anwendung findet. 64 Das Schreiben in der Kreativen Schreib-Szene fungiert, mit Joachim Fritzsche gesagt, als Lerngegenstand und Lernmedium gleichermaßen: 65 Die Textproduktionskompetenz ist für sie und in ihr ebenso zentral wie die Persönlichkeitsentwicklung als Schreibender, der bei der von ihm ausgeübten kulturellen Praxis nicht nur Textsortenwissen und Schreibfertigkeiten entwickelt, sondern auch »sich selbst«. 66 Indem er dies tut, gerät er gleichzeitig in einen Prozess vor allem literaturästhetischer Bildung. Was heißt das explizit? Volker Frederking hat vorgeschlagen, im Rahmen literaturästhetischer Fragestellungen George Herbert Mead zum Ausgangspunkt einer »theoriegeschichtlichen Spurensuche« 67 zu machen-- 64 Vgl. Kap. 6.2. 65 Vgl. Fritzsche: Zur Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts. Bd. 2, S. 9. 66 Abraham/ Kupfer-Schreiner/ Maiwald: »Im Spannungsfeld von Didaktik und Pädagogik«, S. 9. 67 Frederking: »(Literatur-)Ästhetische Bildung, S. 73-78. Textsortenwissen und Schreibfertigkeiten erfordert fördert ermöglicht initiiert erschließt ist präsent in / werden realisiert in Kreative Schreib- Szene Kreativität Kreatives Schreiben produziert Sprache, Literatur, Schreiben Abb. 1: Modell der Kreativen Schreib-Szene (Gestaltung: Verf.) <?page no="35"?> 35 1.1. Begriffliche Annäherungen eine Fragerichtung, die für das vorliegende Thema allein dadurch einsichtig wird, dass Mead sich an der Philosophie John Deweys orientiert, 68 die für das Kreative Schreiben seit dessen Ursprüngen eine schreibpädagogische Basis darstellt. 69 Mit Frederking lässt sich Meads Begriff der »ästhetischen Haltung« 70 für eine Archäologie der Kreativen Schreib-Szene und des Kreativen Schreibens im Rahmen literaturästhetischer Bildung zu Hilfe ziehen, eine Haltung, die sich »in einem verändernden Blick auf sich und die Welt« 71 realisiert. Dabei wird der Dichter zum »Musterbeispiel für die potentielle Autonomie des Individuums gegenüber gesellschaftlichen Zugriffen« und sein schreibend geschaffenes literarisches Kunstwerk »zum Beleg für die potentielle Veränderbarkeit von Welt-- jenseits aller konventionellen Vorgaben.« 72 Dadurch lässt sich das Schreiben eines literarischen Textes »nicht nur als künstlerische Verarbeitung ästhetischer Erfahrungen verstehen, sondern auch als individuelle und kreative Form kultureller Selbstkonstruktion jenseits kollektiver Passformen«; und wenn sich das Schreiben dann hierbei innerhalb einer Kreativen Schreib-Szene abspielt, wird einmal mehr verständlich, was Mead meint, wenn er erklärt, dass »Genusswerte« zu ziehen sind, wenn »wir Werke großer Künstler ästhetisch verstehen«, Genusswerte, »die unsere eigene Lebens- und Handlungsinteressen erfüllen und interpretieren«, da die Menschen in Kunstwerken »den Sinn ihrer eigenen Existenz ausdrücken können.« 73 68 Etwa an Dewey: Kunst als Erfahrung. Vgl. Frederking: »(Literatur-)Ästhetische Bildung«, S. 75. 69 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 9. 70 Mead: »Das Wesen der ästhetischen Erfahrung«, S. 351. 71 Frederking: »(Literatur-)Ästhetische Bildung«, S. 74. 72 Ebd., S. 77. 73 Mead: »Das Wesen der ästhetischen Erfahrung«, S. 353. Schreiben als kreative Form kultureller Selbstkonstruktion <?page no="36"?> 36 1. Was ist Kreatives Schreiben? Die Kreative Schreib-Szene ist mehr noch als die generelle, von Schreiber zu Schreiber individuell divergierende Schreib-Szene durch die ihr inhärente ästhetische Tätigkeit in einer Art kultureller Situation situiert; im Akt des durch Literatur kreativ geprägten Schreibens ist der Akt des Lesens wie des Gelesen- Werdens stets vorhanden: Jede Rezeption ist, literaturästhetisch gesagt, »Ausgangspunkt symbolvermittelter kultureller Selbstvergewisserung«, wodurch »sich auch das Selbst- und Weltverhältnis des Lesenden« und des Schreibenden verändert, 74 mithin des Literatur-Produzenten wie des Literatur-Rezipienten (fallen sie in einer Person zusammen oder nicht). Dieses erfährt in der so eigens beförderten ästhetischen Erfahrung eine »grundlegende Wandlung.« 75 74 Frederking: »(Literatur-)Ästhetische Bildung«, S. 78. 75 Ebd. George Herbert Mead war ein US-amerikanischer Soziologe, Sozialpsychologe und Philosoph, der sich neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit intensiv für sozialreformerische Projekte engagierte. Während seines Philosophiestudiums ab 1887 an der Harvard University hörte er Vorlesungen bei Josiah Royce, George H. Palmer und Francis Bowen. Mit Hilfe eines Stipendiums studierte er 1888/ 89 zeitweilig in Deutschland bei Wilhelm Wundt an der Universität Leipzig und bei Wilhelm Dilthey, Hermann Ebbinghaus, Gustav Schmoller und Friedrich Paulsen in Berlin. 1891 wurde er Dozent an der University of Michigan, wo er Charles H. Cooley und vor allem John Dewey kennen lernte, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verband; 1894 wechselte er mit diesem als Assistenzprofessor an die University of Chicago. Dort setzte sich Mead für die Reformpädagogik ein, die wiederum auch wichtigen Einfluss auf sein sozialpsychologisches Werk ausgeübt hat, in dessen Zentrum die Entstehung der menschlichen Identität und die Genese des Bewusstseins steht. Werke u. a.: Mind, Self, and Society (1934)-- The Philosophy of the Act (1938)-- The Philosophy of the Present (1932)-- Movements of Thought in the Nineteenth Century (1936). Ästhetische Erfahrung <?page no="37"?> 37 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis Durch die Kreative Schreib-Szene und das Kreative Schreiben wird so auch eine Integrationshilfe zur Findung kultureller Identität vermittelt. Der literarisch Schreibende wie auch der genuin literarische Autor beobachten sich selbst im Prozess des Schreibens und aus der Perspektive dessen, was Schreiben und dann auch Sprache und Literatur als künstlerisch-ästhetischer Ausdruck unter verschiedenen (technischen, kulturellen, sozialen, medialen etc.) Bedingungen für sich selbst und die reale oder fiktionale Welt jeweils evoziert und bedeutet; gemacht wird eine ästhetische Erfahrung, die sich »auf eine transzendente Dimension von Wirklichkeit hin öffnen« 76 kann. 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis Der so zum Ausdruck kommende Charakter des Schreibens als (nochmals nach Flusser) »Ausdruck eines eindimensionalen Denkens, und daher auch eines eindimensionalen Fühlens, Wollens, Wertens und Handelns«, »eines Bewußtseins, das dank der Schrift aus den schwindelnden Kreisen des vorschriftlichen Bewußtseins emportaucht«-- als »Schriftbewußtsein« 77 zeigt zugleich an, dass dieses Schreiben weich sein kann, d. h. »plastisch, manipulierbar«. 78 Denn schreibt man auf Papier, wird ein Text, so Flusser, Zeilen bilden, die einem Schlusspunkt entgegen laufen; er wird ›diskursiv‹ sein und so wird »sein diskursiver Charakter, sein eindeutiges Hinzielen auf einen Schlußpunkt, den auf Papier geschriebenen Text als ein in sich geschlossenes und abgeschlossenes ›Werk‹-[…] erscheinen lassen.« 79 Schreibt man hingegen nicht zwangsläufig nur auf Papier, ist das Schreib-Produkt, der Text, oft nicht mehr allein »das Resultat eines kreativen Prozesses, sondern er ist selbst dieser Prozeß, er ist selbst ein Prozessieren«. 80 Die Frage, die sich an die Schlussfolgerung Flussers anschließt, ist die »nach der Differenz, aber auch nach dem Verhältnis von Schreiben (als Prozeß) und Schrift 76 Kirchner/ Ferrari/ Spinner: »Ästhetische Bildung und Identität«, S. 15. 77 Flusser: Die Schrift, S. 11. 78 Ders.: »Hinweg vom Papier, S. 61. 79 Ebd. 80 Ebd., S. 62. »Schriftbewußtsein« <?page no="38"?> 38 1. Was ist Kreatives Schreiben? (als Prozeßspur)« 81 bzw. dann auch nach demjenigen von Schreibprozess und Kreativem Schreiben. Vor allem zwei eng miteinander verbundene Strömungen der Forschung, die je eigene Verfahren hervor bringen, 82 haben sich der Prozesshaftigkeit des Schreibens näher angenommen und Modelle zu deren Erhellung entwickelt. Sie bieten geeignete Anschlussmöglichkeiten, den Prozess des Kreativen Schreibens aus zwei trotz ihrer disziplinären Divergenz und der gegeneinander in Stellung gebrachten Kritik einsichtigen Stoßrichtungen beispielhaft zu beleuchten: aus der Sicht kognitionswissenschaftlich-entwicklungspsychologischer Studien wie sie eine Reihe anglo-amerikanischer ›Klassiker‹ der Schreibwissenschaft anbieten und auf der Basis textgenetisch-editionstheoretischer Ansätze, wie sie die französische Critique Génétique betreibt. 83 Die Differenz zwischen beiden Disziplinen der Schreibprozessforschung betrifft u. a. die Betrachtung der Schreibsituation: Einmal wird diese in Feld- und Laborversuchen ins Auge fasst, um die Zusammenhänge zwischen Wissen, Denken und Schreiben aufzudecken, während dann die eigentlichen (literarischen) Schreibspuren in ihrer Vielfalt und Verflochtenheit im Zentrum stehen. 1.2.1. Entwicklungsaspekte beim Schreiben In seinem Aufsatz Development in Writing von 1980 hat Carl Bereiter mit Bezug auf die Arbeiten von John R. Hayes und Linda S. Flower sowie auch Marlene Scardamalia ein Stufenmodell des 81 Zanetti: »Einleitung«, S. 15. Siehe dazu auch die Beiträge in Hughes/ Fries/ Wälchli (Hrsg.): Schreibprozesse sowie allgemeiner auch Baurmann/ Weingarten: »Prozesse, Prozeduren und Produkte des Schreibens«; Krings: »Schwarze Spuren auf weißem Grund«. 82 Vgl. Hoffmann: »Schreiben als Verfahren der Forschung«. 83 Die ersteren umfassen u. a. Hayes/ Flower: »Identifying the Organization of Writing Processes«; dies.: »Writing as Problem Solving«; Hayes: »The Dynamic of Composing«; Bereiter: »Development in Writing«; Hayes: »A New Framework for Understanding Cognition and Affect in Writing«. Die zweiten beinhalten u. a. Hay: »Die dritte Dimension der Literatur«; Grésillion: Literarische Handschriften; dies.: »Was ist Textgentik? «; dies.: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«; dies.: »›Critique génétique‹«; dies.: »Literarische Schreibprozesse«. Siehe außerdem auch Hurlebusch: »Deutungen literarischer Arbeitsweise«; ders.: »Den Autor besser verstehen«. Schreiben als Prozess und Prozessspur <?page no="39"?> 39 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis Schreibvorgangs erläutert, 84 das es möglich macht, die Interferenzen zwischen einzeln zu lokalisierbaren Schreib-Entwicklungen empirisch-experimentell mittels Daten zu verfolgen. Schreiben wird von Bereiter in Überarbeitungsprozessen beobachtet und es wird seine Modellierung in der Integration dreier Aspekte gefordert: […] die Organisation der kognitiven Schritte, die das Schreiben bestimmen; die Abstufungen des Vorgangs, vom hochbewußten und beabsichtigten zum unbewußten und automatischen Schreiben; schließlich die Frage, wie es möglich ist, die individuellen Fähigkeiten so einzusetzen, daß der Schreibprozeß fortgesetzt werden kann. 85 Die Bestimmung und Abgrenzung des Konzepts ›Kreatives Schreiben‹ muss sich- - so betrachtet- - mit Zweckvorgaben und Einschränkungen befassen, die ein Wissen 86 generieren können, das für den kreativ Schreibenden verfügbar ist, um, wie es Bereiter ausdrückt, »auf eine bestimmte Art zu schreiben.« 87 Ein Beispiel gibt Bereiter selbst, indem er auf das Konzept, einen Kriminalroman zu schreiben, hinweist-- eine Schreibpraxis, die in abstrahierter Hinsicht exemplarisch für jedes Vorhaben des Kreativen Schreibens ist. »Selbst eine Person, die noch nie einen Kriminalroman geschrieben hat«, so Bereiter, werde ein »Kriminalroman-Konzept bereit haben«, das »auch einen Anfänger« dazu bringe, an ein Verbrechen zu denken, an einen Ermittler, an eine Möglichkeit, den Ermittler in Kontakt zum Verbrechen zu bringen, an ein rätselhaftes Element etc., das einfordert, die Identität des Täters bis zum Schluß geheimzuhalten 84 Vgl. Bereiter: »Development in Writing«, S. 73, mit Hayes/ Flower: »Identifying the Organization of Writing« sowie mit Scardamalia: »How Children Cope with the Cognitive Demands of Writing«. Eine Weiterentwicklung der Schreibprozess-Modelle US -amerikanischer Prägung wird beispielsweise vorgestellt in Becker-Mrotzek/ Böttcher: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen, bes. S. 25-51. 85 Bereiter: »Entwicklung im Schreiben«, S. 397. 86 Dazu näher Hoffmann (Hrsg.): Daten sichern; Wittmann (Hrsg.): Spuren erzeugen; Krauthausen/ Nasim (Hrsg.): Notieren, Skizzieren; Voorhoeve (Hrsg.): Welten schaffen. Siehe außerdem auch Mareis/ Joost/ Kimpel (Hrsg.): entwerfen-- wissen-- produzieren. 87 Bereiter: »Entwicklung im Schreiben«, S. 398. Ein Stufenmodell des Schreibvorgangs Was tut man, um z. B. einen Kriminalroman zu schreiben? <?page no="40"?> 40 1. Was ist Kreatives Schreiben? und vielleicht sogar auf bestimmte stereotype Ereignisse, Figuren, Ausdrücke zu rekurrieren. 88 Und der erfahrene Autor von Kriminalromanen werde »ein ausgefeilteres Konzept mit komplexeren Anforderungen ans Schreiben zur Verfügung haben, das kompliziertere Suchbewegungen und Entwicklungen« ermögliche. 89 Wird diese Vorstellung eines integrativen Schreibmodells an Vorstellungen des Kreativen Schreibens angebunden, ergibt sich eine Bestimmung dessen, was linguistisch oft Textsortenmusterwissen 90 und medienpädagogische Genrekompetenz 91 genannt wird. Bereiter führt fünf Elemente an, die seiner Meinung nach in einem solchen Schreibprozess enthalten sind: 1. Ein beschränktes Ensemble an ziemlich spezifischen Intentionen-[…]. 2. Ein Ensemble an Strategien, die es ermöglichen, diese Absichten umzusetzen. Eine Strategie wird schließlich folgendes einschließen: 3. Inhaltskategorien, die nötig sind, damit das Ziel erfüllt, der Plan ausgeführt werden kann.-[…] 4. Suchverfahren, deren es bedarf, um den nötigen Inhalt zu finden. Diese Verfahren können explizit sein, etwa wenn bestimmte Dokumente eingesehen oder Informanten angerufen werden. Oder es handelt sich um implizite, gedächtnisgestützte Strategien. 5. Anforderungen zur Feinabstimmung des sprachlichen Outputs. 92 Zu diesen ›Intentionen‹, ›Strategien‹, ›Inhaltskategorien‹, ›Suchverfahren‹ und ›Anforderungen zur sprachlichen Feinabstimmung‹ kommt, so Bereiter, ein weiteres Element hinzu: »Unterhalb des Textsortenkonzepts« finde »die Verarbeitung von Inhalten 88 Ebd. 89 Ebd. 90 Dazu etwa näher Fix: Texte und Textsorten. 91 Unter ›Genrekompetenz‹ ist etwa die Fähigkeit zu verstehen, Handlungsmuster von Geschichten zu erkennen und aktiv zu nutzen-- sei es bei der Hypothesenbildung der Rezeption, sei es in eigener Geschichtenproduktion--, mit den Repräsentationsmodalitäten von Genres und der genrespezifischen Bedeutung mancher Handlungen umgehen zu können, die Figuren und die ihnen im Text zugeschriebenen Motivationen zu erkennen, die Realität- Fiktion-Unterscheidung zu beherrschen u. v. m. Siehe dazu etwa Vorderer/ Klimmt: »Lesekompetenz im medialen Spannungsfeld von Informations- und Unterhaltungsangeboten«. 92 Bereiter: »Entwicklung im Schreiben«, S. 398 f. Textsortenwissen und Genrekompetenz <?page no="41"?> 41 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis statt«, bei der »semantisches Material aus dem Gedächtnis hervorgeholt und den Anforderungen des Textsortenkonzepts gemäß organisiert« werde. 93 In der Ausdeutung dieses Befundes für das Kreative Schreiben lässt sich eine einfache These formulieren, die weitreichende Konsequenzen birgt und an das bereits im vorherigen Kapitel Ausgeführte anknüpft: Ohne das ›Gedächtnismaterial‹- - ohne Gelesenes/ Rezipiertes oder Erlebtes, ohne Tradition oder Geschichte, mithin ohne ästhetische Erfahrung-- entwickelt sich auch kein Kreatives Schreiben, das gleichzeitig an Schreib-Fähigkeiten gebunden bleibt, an »Flüssigkeit im geschriebenen Ausdruck« wie an »Leichtigkeit in der Entwicklung von Ideen«, an »Beherrschung von Schreibkonventionen« wie an »soziale Kompetenz (verstanden als Fähigkeit, Leseerwartungen zu berücksichtigen)«, an »literarisches Unterscheidungsvermögen« wie an die »Fähigkeit zur Reflexion«. 94 Bereits deutlich wurde allerdings bereits, dass die Prozesse des Kreativen Schreibens nicht derart eindeutig schematisch abbildbar sind, da der kreative Schreiber nicht zwangsläufig vollkommen zielgerichtet, zweckentsprechend, strategisch und adressatengerecht gedanklich plant, sprachlich formuliert oder seinen ›Text‹ in allen Schreibphasen jeweils progressiv überarbeitet; vielmehr verfertigt er diesen allmählich beim Schreiben, um einen Satz Kleists 95 mit Almuth Grésillon abzuwandeln, 96 die die bereits erwähnte ›Schule‹ der Critique Génétique maßgeblich anhand von Forschungen an literarischen Handschriften (als Fallstudien) vorgestellt hat. 1.2.2. Vom freien Gedanken zum geschriebenen Wort Grésillons Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben distanziert sich ausdrücklich von den Schreibprozessmodellen der Kommunikations-, Kognitions- und auch der Sprachwissenschaft, wie sie Bereiter vertritt und die darin ausführ- 93 Ebd., S. 399. 94 Bereiter: »Entwicklung im Schreiben«, S. 403 f. 95 Vgl. Kleist: »Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden«. 96 Vgl. Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 152. Ohne »Gedächtnismaterial« kein Kreatives Schreiben Critique Génétique <?page no="42"?> 42 1. Was ist Kreatives Schreiben? lich kritisiert sind. 97 Plädiert wird für ein »Zusammenspiel der betroffenen Disziplinen«, um die »Viefalt von Schreibsituationen tatsächlich ins Auge« zu fassen; 98 Grésillon stört sich an jenen »Feld- und Laborexperimenten, die mit Schreiberinterviews und Eigenkommentaren, mit Video-Aufnahmen, Fehler- und Pausenanalysen arbeiten.« 99 Der Zugang, den die Critique Génétique im Gegensatz dazu anbietet, thematisiert weniger »Gedanken und Einfälle ›im Rohzustand‹« als »geschriebene Entwürfe, Pläne, Materialsammlungen sowie weitere Phasen des Entstehens und der Überarbeitung«. 100 Von Grésillon unterschieden werden sechs Untersuchungsstandpunkte »schwarzer Spuren auf weißem Grund«: 101 (1.) Zeitverhältnisse, (2.) Raumverhältnisse, (3.) Schrift und Schreibwerkzeug, (4.) Schriftsteller als Subjekt des Schreibprozesses, (5.) Teilprozesse literarischen Schreibens, (6.) Ecriture à processus bzw. literarische bottom up-Schreibprozesse. 102 Ad 1.) Die Betrachtung des aus Biographien, Korrespondenzen, Papier- oder Wasserzeichenforschungen zu rekonstruierenden Entstehungsdatums eines literarischen Werkes birgt das Problem, dass der genaue zeitliche Ablauf wie auch die Dauer einzelner Schreibphasen kaum konkret festzustellen sind-- Grésillon nennt dies die »gefrorene Zeit« einer Handschrift. 103 In der Konsequenz dieser Perspektive wird deren enorme Bedeutung für die Erforschung des Schreibprozesses klarer: Im Sinne objektiver, historischer Zeit können literarische Handschriften Epochen zugehören, für welche Informationen über die konkrete Schreibsituation nicht spontan zur Verfügung stehen: Man denke nur an Beschaffung und Preis des Papiers, an die Umständlichkeit abgeschliffener Gänsefedern 97 Vgl. ebd., bes. S. 154-164. Grésillon bezieht sich (vgl. ebd., S. 154 f.) u. a. auf die Forschungsüberblicke in Eigler et al. (Hrsg.): Wissen und Textproduzieren; Günther/ Ludwig (Hrsg.): Schrift und Schriftlichkeit; Krings/ Antos (Hrsg.): Textproduktion; Feilke: »Schreibentwicklungsforschung«. 98 Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 164 f. 99 Ebd., S. 166. 100 Ebd., S. 153. 101 Vgl. Krings: »Schwarze Spuren auf weißem Grund«. 102 Vgl. Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 166-183. 103 Ebd., S. 167. Entwürfe, Pläne, Materialsammlungen des Schreibens Die »gefrorene Zeit« einer Handschrift <?page no="43"?> 43 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis und die Unbeständigkeit der Tinte selbst sowie auch der Tintenfässer; all dies gehörte im 19. Jahrhundert noch zum Schreiberalltag. Im Sinne kulturhistorischer Gesetzlichkeiten ist weiterhin klar, daß literarische Handschriften nicht systematisch aufbewahrt wurden. So existieren in Deutschland und Frankreich relativ wenige Arbeitshandschriften, die über das 18. Jahrhundert zurückreichen, während dies in Italien- […] schon viel früher bezeugt ist. Zum zweiten ist das Prestige, das ein Autor im literarischen Kanon einer Nation erwirbt, ausschlaggebend dafür, daß seine Handschriften nicht nur privat, sondern auch staatlich überliefert werden. Wenn dies der Fall ist, so verfügt man tatsächlich über ein Material von faszinierendem Reichtum. 104 Heute stellt sich vor diesem Hintergrund dieselbe Frage umso dringlicher, wie nämlich im ›Zeitalter‹ elektronischer Medien die Zeitverhältnisse der Computer-Handschrift die temporalen Phänomene des Schreibens zu bestimmen sind? Auch deshalb hat das ›Deutsche Literaturarchiv Marbach‹ mit seinem ›Literaturmuseum der Moderne‹ als wichtigste Institution in Deutschland längst damit begonnen, nicht nur wie eh und je Manuskripte und Typoskripte auf Papier, sondern auch Disketten, CD s, CD -Roms, Festplatten bzw. digitale/ digitalisierte Datenträger u. ä. zu archivieren, auszuwerten und kuratorisch auszustellen. 105 Ad 2.) Problematisch ist es in gleicher Weise, zu untersuchen, in welcher Schreibersituation-- mit welcher Körpersprache (Gestik, Mimik) und mit welchen metasprachlichen Kommentaren (simultan oder retrospektiv)- - jemand einen Text verfasst hat. Und »[u]m so mehr« sei man, so Grésillion, »angewiesen auf die räumlichen Indizien des Papiers« 106 in ihrer schriftlichen Zweidimensionalität: 107 Heft oder fliegende Blätter? Nur recto oder recto und verso beschrieben? Große oder kleine Blattränder, beschrieben oder nicht? Zwischenzeiliger Raum 104 Ebd. 105 Siehe dazu die Informationen zu den Beständen unter http: / / www.dlamarbach.de. Auf die richtige Beobachtung, dass die Gründung derartiger Institutionen wie diejenige des DLA für die Handschriftenforschung essentiell sind, hat etwa Jacques Derrida hingewiesen (vgl. »Une discussion avec Jacques Derrida«). 106 Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 168. 107 Grésillion verweist hier (vgl. ebd.) auch auf Raible: Die Semiotik der Textgestalt. Handschriften im digitalen Zeitalter Die »räumlichen Indizien des Papiers« <?page no="44"?> 44 1. Was ist Kreatives Schreiben? beschrieben oder nicht? Lineare, horizontales Fortlaufen der Schrift (dem Schriftbild einer Druckseite vergleichbar) oder freieres Spiel der Schriftzeichen mit dem graphischen Raum (an das Raumspiel der Graphik erinnernd und besonders für schreibvorbereitende Phasen bezeichnend, wenn die Gedanken- und Spracharbeit sich relativ umstrukturiert in alle Richtungen hin entwickelt)? Format der Blätter: klein wie gewisse Taschennotizblöcke-[…] oder groß (heutiges A3-Format)-[…]? 108 Jedem Schreiber geläufig sei die »Tatsache, daß sich gegen das untere Ende einer Seite der Zeilenabstand sowie die Schrift selbst verkleinern«, und dies werfe ein »Licht auf den Zusammenhang zwischen gedanklicher Einheit des zu Schreibenden und materieller sowie visueller Einheit des Schreibraums«; der »Griff zu einem neuen Blatt« unterbreche »nicht nur den Schreibfluß, sondern auch den visuellen Überblick über das Geschriebene.« 109 Auf diesen visuellen Aspekt des Schreibens bzw. genauer: des Auf- Schreibens, der für die verbale Kommunikation der Gestaltung eminent bedeutend ist, wird an späterer Stelle nochmals-- schreibpraktisch-- zurückzukommen sein. 110 Ad 3.) Damit nahe verwandt ist die Betrachtung der geschriebenen ›Zeichen‹, die nicht unmittelbar zum Text-Produkt gehören, 111 sowie diejenige der benutzten Schreibwerkzeuge, was 108 Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 168. 109 Ebd. 110 Vgl. Kapitel 6.4. Siehe außerdem erneut etwa auch Giuriato/ Kammer (Hrsg.): Bilder der Handschrift. 111 »Zum Raum selbst treten die graphischen Zeichen, die auf den Raum verteilt sind. Alphabetzeichen sowie metaschriftliche Angaben (Zeichen für Streichungen, Einfügungen, Permutationen, Verweise), teilweise Numerierung der Blätter oder mit dem entstehenden Text mehr oder weniger korrespondierende Kritzeleien und Zeichnungen. Dies muß zunächst alles entziffert und bei der Komplexität literarischer Handschriften in den meisten Fällen auch transkribiert werden.-[…] Auch das Schreibwerkzeug selbst verhilft zu gewissen Auskünften. Neben den schon erwähnten Eigenschaften des Papiers (bis ins 19. Jahrhundert noch handgeschöpft und mit teilweise datierbaren Wasserzeichen versehen) besitzt auch das Schreibwerkzeug selbst prozeßwichtige Indizien. So kann z. B. ein Wechsel des Mediums einer biographischen Veränderung entsprechen und auf eine Unterbrechung des Schreibprozesses schließen lassen.« (Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 168 f.) Siehe dazu auch Driesen et al. (Hrsg.): Über Kritzeln. Der visuelle Aspekt des Schreibens <?page no="45"?> 45 1.2. Schreibprozesse und kulturelle Praxis Flussers Schrift- und Medientheorie schon erwiesen hat; es macht einen enormen Unterschied, ob man mit Federkiel, Schreibkugel/ Schreibmaschine, Bleistift/ Filzstift, Kugelschreiber/ Füller, mit Windows-Computer oder iMac schreibt. 112 Ad 4.) Eine weitere Möglichkeit, dem (literarischen) Schreibprozess auf die Spur zu kommen, besteht nach Grésillion darin, »natürliche Daten« 113 zu erheben- - in dem Verständnis, den Schreiber als Schriftsteller direkt (über Werkstattgespräche/ Interviews) 114 oder indirekt (über Poetikvorlesungen o. ä.) 115 zu befragen, nicht ohne das Risiko dieses Vorgehens zu berücksichtigen, d. h. die Ergebnisse mit Vorsicht auszuwerten. 116 Ad 5.) Nicht unterschätzt werden darf, dass für eine solche Textgenetik Sprache weniger als »Informationsträger« denn als »Kunst in statu nascendi« gilt: Schreiben wird dynamisch »in actu«, d. h. in seiner Entstehung rekapituliert-- als »Produktionsschritte« bzw. »Teilprozesse«, nicht als, wie Grésillion sagt, »›Laborprodukt‹«: Es geht also darum, diesen Schreibspuren so bis ins letzte Detail nachzugehen, daß die Statik der überlieferten Blätter als dynamischer Schreibprozeß interpretierbar wird. Konkret gesprochen, bedeutet dies, daß materielle Indizien, insbesondere solche des zweidimensionalen Raumes und des Schriftbildes, zu verwandeln sind in temporale Indikatoren, die ihrerseits etwas auszusagen vermögen über Prozesse und so der Zweidimensionalität der Schrift die dritte Dimension hinzufügen: die Zeit des Schreibens. 117 Ad 6.) Wie Sylvie Molitor-Lübbert fasst Grésillion das Schreiben als ein ›Schreiben im Schreiben‹ auf; empfohlen wird, nicht von einem »schemageleiteten ›top-down‹-Modell«, sondern von einem »textgeleiteten ›bottom-up‹-Verfahren« auszugehen. 118 Hierbei weiß der Schreiber nicht, wohin ihn das Schreiben gleich- 112 Vgl. Stingelin: »›Schreiben‹«, S. 8. 113 Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 170. 114 Dazu näher Kessler: Werkstattgespräche. 115 Dazu u. a. näher Volk: Der poetologische Diskurs der Gegenwart; Wohlleben: Schwindel der Wahrheit. 116 Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 171. 117 Ebd., S. 171 f. 118 Vgl. ebd., S. 180, mit Molitor-Lübbert: »Schreiben und Kognition«. »[N]atürliche« Daten des Schreibens Produktionsschritte des Schreibens bottom-up-Verfahren statt top-down-Modell <?page no="46"?> 46 1. Was ist Kreatives Schreiben? sam treibt, was mit »Strategien und zielwie adressatenorientierten Schemata, die dem Schreiber helfen sollten, sein Schreibproblem zu lösen«, 119 nicht mehr viel zu tun hat. Damit ist das Element der Kreativität im Kreativen Schreiben direkt angesprochen; basierend auf den Ausführungen Grésillions muss für dessen Gesamtbestimmung veranschlagt werden, dass sein Prozess zwar deutlich zu initiieren, keineswegs aber eindeutig planbar ist. Mit Gerhard Neumann gesagt: »[D]ie Festschreibung erst bringt die Wucherung, die Normierung den Exzeß in Gang.« 120 Durch die Praktik, Ideen buchstäblich fest zu schreiben, können sie erst wuchern; die Methode, --zunächst-- der Norm zu folgen bzw. sie zumindest (auch in der Destruktion) zu bedenken, lässt exzessives Kreatives Schreiben erst entstehen. 1.3. »Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? « Jürgen Link gibt jedem Schreibenden einen Tipp diskurstheoretischer Prägung: Abschied vom Ideologem des prädiskursiven, schöpferischen Tiefen-Subjekts; kreativ ist nicht dieses Phantasma, kreativ ist das generative Spiel der Diskurse, kreativ sind unsere wechselnden, widersprüchlichen, vielleicht auch gespaltenen Subjektivitäten (im Plural! ) des historischen Augenblicks, wie sie auftauchen und zuweilen wieder verlöschen-- in Abhängigkeit nicht zuletzt von den Diskursen, die wir leben und die wir, sie lebend, gerade dann am ehesten ändern können, wenn wir sie als unser ›historisches Apriori‹ (Foucault) begriffen haben. 121 Und Josef Haslinger und Hans-Ulrich Treichel stellen im Vorwort ihres Suhrkamp-Bandes, der dem vorliegenden Kapitel den Titel leiht 122 und seinerseits den Titel eines Schreibratgebers James N. Freys zitiert, 123 fest: 119 Grésillon: »Über die allmähliche Verfertigung von Texten beim Schreiben«, S. 180. 120 Neumann: »Schreiben und Edieren«, S. 210. 121 Link: »Schreiben als Simulieren? «, S. 612. 122 Vgl. Haslinger/ Treichel (Hrsg.): Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? 123 Vgl. Frey: How to Write a Damn Good Novel. Siehe zudem auch ders.: How to Write a Damn Good Novel, II . ›How to Write a Damn Good Novel? ‹ <?page no="47"?> 47 1.3. »Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? « Es gibt keinen Königsweg, um Schriftsteller zu werden. Es gibt noch nicht einmal wirklich brauchbare Rezepte, an die sich derjenige halten kann, der das Schreiben erlernen, der Gedichte, Erzählungen, Romane oder Theaterstücke schreiben möchte. Ratschläge freilich gibt es viele, sinnvolle und weniger sinnvolle, und darunter auch einige von schlagender Simplizität, gegen die man sich einfach nicht wehren kann-[…]. 124 Beide Zitate geben einen Eindruck von jenen intuitiven Vorstellungen, die der Begriff des Kreativen Schreibens aufzurufen weiß, selbst dann, wird er nur beiläufig genannt. Sind es bei Link die Diskurse, die das Subjekt des Schreibers ablösen, identifizieren Haslinger/ Treichel »literarische Begabung« als »dynamische Größe«: »Wo keine zu sein scheint, kann sich gegebenenfalls noch eine zeigen. Und wo eine zu sein scheint, kann diese sich möglicherweise niemals so produktiv entfalten, wie sie es verdient hätte.« 125 Beiden Zitaten gemeinsam ist die Negierung der genieästhetischen Vorstellung vom ›geborenen Schriftsteller‹, 126 wobei eine Selbstverständlichkeit und drei Grundvoraussetzungen nicht unterschlagen sind: Selbstverständlich ist es, dass die »Wege künstlerischer und literarischer Entwicklung- […] von vielen Umständen und Einflüssen« abhängen und »in der Regel nicht planvoll organisiert und organisierbar« sind; für eine schriftstellerische Entwicklung vorauszusetzen ist (a) »ein starker Schreibwunsch, wenn nicht gar ein Schreibzwang«, der allerdings »keine Garantie« für gelingendes/ erfolgreiches Schreiben darstellt; (b) 124 Haslinger/ Treichel: »Vorwort«, S. 7. 125 Ebd. 126 Dazu aus historischer Perspektive Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur. Bd. 1, bspw. S. 1: »Die Anschauung vom außerordentlichen Rang der Dichtkunst hat sich erst im 18. Jahrhundert herausgebildet. Schon durch Klopstock, um das Jahr 1750, vollends dann aber in der Geniezeit, zwischen 1760 und 1775, erhielt der Dichter die Würde eines mit höchster Autorität auftretenden Schöpfers. Galt Dichtung zu Anfang des 18. Jahrhunderts nach dem Horazischen Rezept ›aut prodesse volunt aut delectare poetae‹ als ergötzliche und belehrende Angelegenheit, so erhält sie schon bald nach der Jahrhundertmitte das Pathos und die einmalige Verbindlichkeit einer Offenbarung- - einer Offenbarung von Wahrheiten, die nur dichterisch zugänglich sind und deshalb nur vom Dichter vermittelt werden können.« Siehe außerdem u. a. auch Peters: Der zerrissene Engel. Der Mythos vom »geborenen Schriftsteller« Schreibwunsch, Begabung und Biographie <?page no="48"?> 48 1. Was ist Kreatives Schreiben? dasjenige, was »gemeinhin literarische Begabung genannt wird, auch wenn dies schwer zu fassen und zu definieren ist«; und (c) die (wiederum unplanbare, schicksalhafte) »Biographie« als »entscheidende[] Ressourcen literarischer Imagination und Produktivität« (»[s]elbst und natürlich auch dann, wenn nichts davon in einem Werk auftauchen oder jemals thematisch werden sollte«): »Wenn Begabung, Biographie und Schreib-Wunsch auf günstige Weise miteinander kommunizieren, dann hat der Schreibende eine Chance, Schriftsteller zu werden, wenn er es denn unbedingt möchte.« 127 Es gibt, um ein Wort von Haslinger/ Treichel nochmals aufzugreifen, keinen ›Königsweg‹ des Kreativen Schreibens- - auch jenseits literarischer Ambitionen. Es gibt stattdessen, wie Fritz Gesing stellvertretend für viele Schreib-Lehrer sagt, »Formen erlebender Darstellung und nacherlebender Rezeption«, »Techniken der Darstellung«: »das Handwerk des Schreibens«. 128 In Form einer programmatischen Ankündigung des Folgenden lassen sich zwei Implikationen sowohl dieser Behauptung wie der Ergebnisse dieses ersten Buchteils nennen, mit denen das Kreative Schreiben weitere Kontur gewinnt. Erste Implikation: Das Kreative Schreiben entzieht sich der Festlegung; indem es eine Vielzahl an Themen, Begriffen, Theorien und Konzepten berührt, erweist sich seine Komplexität; und indem es so oft uneindeutig und entzogen erscheint, hat es viele Vorurteile auf sich gezogen, die seine Ernsthaftigkeit erschüttern. Zweite Implikation: Das Kreative Schreiben ist kein Phänomen, das sich auf eine Nationalkultur oder -literatur festlegen ließe; es ist global und hat historisch ›gewachsene‹ Transformationen regelrecht durchlebt. 127 Haslinger/ Treichel: »Vorwort«, S. 8. 128 Gesing: Kreativ schreiben, S. 11. Das »Handwerk des Schreibens« <?page no="49"?> 49 1.3. »Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? « 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Wenngleich unbestritten ist, wann die Disziplin des Kreativen Schreibens entsteht, wann ihre ›Geburtsstunde‹ anzusetzen ist, 1 bleibt festzuhalten, dass mit Blick auf deren über hundertjährige Geschichte eine Fülle von Strömungen existieren, die nebeneinander bestehen und wechselseitigen Einfluss aufeinander ausüben. 2 In Rekurs auf die Positionen D. G. Myers 3 erklärt Barbara Glindemann, dass insbesondere zwei ›Bewegungen‹ als Wegbereiter des heutigen Verständnisses von Kreativem Schreiben gelten: 4 Einerseits befördern jene Ideen dessen Ursprünge, die den so genannten amateur writers’ clubs zugeschrieben werden, d. h. literarischen Salons des späten 19. Jahrhunderts, die in den Vereinigten Staaten nach europäischem Vorbild um 1880 eine Konjunktur erleben. In diesen Clubs gehören Schreibspiele zum festen Repertoire; die Arbeitsweise ihrer Mitglieder lässt sich mit derjenigen heutiger Schreibworkshops vergleichen. 5 Andererseits ist man zur gleichen Zeit an amerikanischen Universitäten darum bemüht, die Literaturwissenschaften mittels eines (schon damals) verloren geglaubten Praxisbezugs zu beleben. Denn die neusprachlichen Philologien hatten das konkrete Schreiben sowie die Lehre darüber, wie literarische Texte entstehen, zunächst vehement ausgeklammert und dieses Feld der ›klassischen‹ Rhetorik überlassen 6 - - eine Entwicklung, die es zu überwinden und neu disziplinär zu konstituieren galt. Anstatt jedoch entsprechende curriculare Teilbereiche an die Literaturwissenschaft anzugliedern, werden gleich zwei neue Studienfächer entwickelt, um den Ansprüchen an die universitäre Institutionalisierung derart ›praktischer‹ Kursformen gerecht zu 1 Vgl. Göritz: »Amerika, du hast es besser«. 2 Dazu insgesamt ausführlich Myers: The Elephant Teach. 3 Vgl. ders.: »The Rise of Creative Writing«. 4 Glindemann: Creative Writing, S. 1. 5 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 278. 6 Vgl. ebd., S. 282. Wegbereiter des Kreativen Schreibens Universitäre Institutionalisierung und Kompositionslehre <?page no="50"?> 50 2. Geschichte des Kreativen Schreibens werden: Zum einen löst die literarische Kompositionslehre mit dem Ausbau und der Spezialisierung der Hochschulausbildung im 19. Jahrhundert die traditionelle Rhetorik ab, die bis dahin ein vierjähriges Studium umfasste; an ihre Stelle rücken zweisemestrige Kompositions-Kurse, die Studierende aller Fachbereiche in formaler Regelrhetorik und zunehmend auch im Hinblick auf grammatische bzw. stilistische Fertigkeiten schulen sollen. Zum anderen werden zum ersten Mal explizit unter dem Schlagwort des ›Creative Writing‹ Schreib-Kurse angeboten, die ausschließlich für Studentinnen und Studenten der Literaturwissenschaft bestimmt sind; sie wirken deren Theoretisierung entgegen und befördern den geforderten Praxisbezug. 7 Sowohl die Kompositionslehre als auch das Creative Writing stellen zentrale Bezugsgrößen für die sich anschließende, bahngreifende Ausbreitung einer Schreib-(Aus-)Bildung an US -amerikanischen Universitäten zwischen 1880 und 1940 dar; ihr immenser Erfolg lässt sie zu Grundpfeilern der Hochschullandschaft der Vereinigten Staaten avancieren, was auch in der heutigen Gegenwart nachhaltig festzustellen ist. Aus diesem Grund werden die bedeutendsten akademischen Schreib-Kurs-Modelle im Folgenden akzentuiert, ohne damit eine lineare Entwicklung behaupten oder den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. 2.1. Creative Writing in den USA Im Vordergrund der zum Ausgang des 19. Jahrhunderts entstehenden US -amerikanischen ›Schulen‹ des Kreativen Schreibens stehen die Fragen, auf welche Weise die etablierten Literaturwissenschaften, obgleich sie sich dem einzelnen ästhetisch-literarischen Text widmen, durch Reflexion und Anwendung des Schreib-Prozesses, d. h. der Bedingungen und der konkreten, selbst gestalteten Realisierung des Schreibens, zu komplettieren sind bzw. auch worin die Verbindung zwischen Literaturtheorie und literarischer Praxis liegt und ob sich das Kreative Schreiben als eigenständige Disziplin in diesem Zwischenbereich zu behaupten vermag. Deshalb entsteht aus den ersten Creative Writing-Kursen in den USA -- 7 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 2. Geforderter Praxisbezug Literaturtheorie und literarischer Praxis <?page no="51"?> 51 2.1. Creative Writing in den USA »zunächst nur als eine Art Schreib- und Ausdrucks-Training für Studierende gedacht«-- bald ein Lehrprogramm, »in dem das literaturwissenschaftliche Studium um einen praxisbezogenen Teil ergänzt wurde«, der »nicht nur formale und handwerkliche Sicherheit in den Techniken des Schreibens« vermittelt: »Auf dem Weg über die eigene, reflektierte Schreiberfahrung« sollen »auch Einsichten in jene Kreativitätsprozesse ermöglicht werden, die bei der Entstehung eines literarischen Werks mitwirken.« 8 2.1.1. Ursprünge des Creative Writing Ab 1880 betonen diese Schreib-Programme mithin die Bedeutung der ›kreativen‹ und ›konstruktiven‹ Aspekte literarischer Werke, und zwar in dem Bewusstsein, dass ›schöne‹ Literatur im akademischen Rahmen für mehr genutzt werden kann als für rein philologische Forschung- - Barrett Wendell, ein Gründungsvater der Kompositionslehre und einer der ersten Schriftsteller, der an einer amerikanischen Universität lehrt, initiiert daher ein Bildungs-Experiment, das in dem Wunsch zum Ausdruck kommt, Studierenden einen geläufigen unprätentiösen, versierten und kreativen Schreibstil zu vermitteln. 9 Zu dieser Vorstellung gehört nicht nur, dass »everyday students« 10 eine tägliche Schreib-Etüde von 100 bis 800 Wörtern zu absolvieren haben, die auf einer alltäglichen Beobachtung oder Erfahrung beruht, 11 sondern auch, dass die Anleitung zum Schreiben davon abgelöst wird, rein sprachliche Strukturen zu untersuchen; vielmehr soll herausgefunden werden, was einen Text (zumal einen literarischen Text) letztendlich auszeichnet. Damit geht es bei diesem (frühen) Kreativen Schreiben um Wert- und Qualitätsmaßstäbe von Literatur, die eine »soziale Trägergruppe« 12 dazu bringt, ein literarisches Werk durch »(Wertungs-)Handlungen« 13 mittels einer geradezu ›unsichtbaren 8 Ortheil: »Creative Writing«, S. 100 f. 9 Vgl. Wendell: The Privileged Classes, S. 237. 10 Ebd. 11 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 3. 12 Heydebrand: »Probleme des ›Kanons‹«, S. 5. 13 Dies./ Winko: Einführung in die Wertung von Literatur, S. 222 f. Ein Bildungs-Experiment <?page no="52"?> 52 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Hand‹ 14 auszuwählen und zu pflegen. Wendell erklärt wiederum in seinem einflussreichen Buch English Composition, dass es sein Anliegen sei, einen jungen Schreibenden darin anzuleiten, das Wesen des Schreibens zu erkennen und zu erfassen. 15 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seiner Kompositionskurse lernen nicht unbedingt, wie Literatur erschaffen werden kann; sie lernen aber durch und mittels dieser. Wichtig erscheint aus Wendells Sicht also weniger die literarische Form als vielmehr die persönliche Erfahrung mit jener; im Zentrum des Studiums steht primär die Begegnung mit Literatur und erst an zweiter Stelle die Analyse formaler Qualitäten. Vor der Folie des vorangegangenen Kapitels gesagt: Wendell schafft für seine Studierenden eine Kreative Schreib-Szene, die zu einer beachtlichen Popularität seiner Kurse und Workshops führt. Zu dieser Auffassung zählt, dass die traditionelle Ausrichtung literaturwissenschaftlicher Lektüren zunehmend in Frage gestellt wird- - in dem Bestreben, eine institutionelle Alternative im Literaturstudium anzubieten, in der Überzeugung, dass Literatur auch eine produktive Aktivität bedeutet und somit produktionsästhetische Blickwinkel innerhalb der universitären Ausbildung Beachtung finden müssen. 16 Auf diese Ansichten reagieren die US amerikanischen Fakultäten um 1900 und verankern das Schreiben zunehmend in ihren Curricula. Ende des 19. Jahrhunderts dominiert Wendells Schreib-Methodik die Universitätslandschaft Amerikas. 17 Es ist also die Praxisfeindlichkeit der Literaturwissenschaft, die zur Ausformung, Institutionalisierung und Etablierung des Kreativen Schreibens führt; dessen Entstehung fungiert damit als Reflexionsinstanz der neueren Philologien, als Praxislehre, jedoch auch als Kritik: als Wissenschaftskritik. Die Vertreter curricularer Schreibvermittlung versuchen, einen neuen Umgang mit Texten bereitzustellen, um deren ›Gemachtheit‹ zu unterstreichen. In der Nachfolge von Wendells Kompositionslehre taucht der Begriff des Kreativen Schreibens zum ersten Mal Mitte der 1920er Jahre in den Schriften Hughes Mearns’ auf, der vor allem in zwei viel gelesenen 14 Dazu aus Sicht der Medientheorie Bublitz (Hrsg.): Unsichtbare Hände. 15 Vgl. Wendell: English composition, S. 265. 16 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 287. 17 Vgl. ebd. English Composition Eine institutionelle Alternative Curriculare Schreibvermittlung <?page no="53"?> 53 2.1. Creative Writing in den USA Büchern 18 seine Schreib-Lehre an der New Yorker Lincoln School exemplifiziert. Mearns entwirft ein Programm für die systematisierende Schulung von Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung und eigenem künstlerischen Ausdrucksvermögen mittels Schreiben (und nicht für die Ausbildung von Berufs-Schriftstellern). 19 Darin wird noch einmal deutlich, wie sehr sich die Anfänge des Kreativen Schreibens in den USA an die reformpädagogischen Überlegungen John Deweys anlehnen, 20 dem Mearns auch sein Buch Creative Youth widmet. Deweys Pädagogik liefert der Entwicklung des Kreativen Schreibens nicht nur den Ansatz; bis heute verläuft die Formfindung des institutionalisierten Kreativen 18 Vgl. Mearns: Creative Youth; ders.: Creative Power. 19 Vgl. ebd., S. 119 f. 20 Vgl. Dewey: Democracy and Education, S. 42. Barrett Wendell wurde am 23. August 1855 in Boston als Sohn von Jacob und Mary Bertholdi Wendell geboren, schloss seine universitäre Ausbildung 1877 in Harvard ab, wo er 1880 Dozent im Fach Englische Sprache und Literatur wurde. Von 1888 bis 1898 war er dort als wissenschaftlicher Assistent von Adam Sherman Hill, dem Inhaber der Bylston-Professur für Rhetorik, von 1898 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1917 als Professor tätig. Als einer der ersten Hochschullehrer der Vereinigten Staaten lehrte Wendell amerikanische Literatur als Gegenstand eines systematisch historischen und literaturkritischen Studiums. Nachdem seine Romane Emilia (1885) und Rankell’s Remains (1887) beim Publikum durchgefallen waren, konzentrierte er sich auf sein akademisches Engagement und konzipierte eine Fülle von disziplinären Neuerungen, die das literarische Schreiben als Bestandteil der Kompositionslehre zu einer Säule des US-amerikanischen Universitätssystem werden ließen. Zu seinen Schülern zählten u. a. George Rice Carpenter und Robert Herrick. Wendell starb am 8. Februar 1921 in Boston. Werke u. a.: The Duchess Emilia. A romance (1885)- - Rankell’s Remains (1887)- - English composition. Eight lectures given at the Lowell Institute (1891)-- A literar history of America (1901)-- The privileged classes (1908)-- The mystery of education, and other academic performances (1909). <?page no="54"?> 54 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Schreibens in den Vereinigten Staaten in permanenter und auffälliger Auseinandersetzung mit dessen Konzepten. 21 Der erzieherische Wert von Literatur liegt dabei darin, dass diese als adäquates Mittel erscheint, das eigene Leben zu bedenken und zu verstehen. Wenn dem so ist, kann Literatur nur in ihrem ›Innern‹ erkannt und eigenständig praktiziert werden. Derjenige, der Literatur studiert, muss, wie Mearns ausführt, eine ›literarische Persönlichkeit‹ sein, jemand, der Literatur ›macht‹. 22 Grundlage ist die Überzeugung des Learning by doing im Sinne Deweys, 23 dass Lernen nur mittels eigener Anwendung, Ausführung und Erfahrung funktionieren kann. Studierende des Kreativen Schreibens lernen nicht ausschließlich von Lehrenden, nicht durch genaues 21 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 2. 22 Vgl. Mearns: »Creative Education in College Years«, S. 269. 23 Vgl. Dewey: The Middle Works 1899-1924. Bd. 6, S. 426, 450. Zur Begriffsgeschichte, die herausstellt, dass dieser Slogan nicht, wie häufig unterstellt, von Dewey erfunden wurde, vgl. Knoll: »Nicht Dewey, sondern Comenius«. John Dewey war einer der wichtigsten US-amerikanischen Philosophen und Pädagogen des 19. und 20. Jahrhunderts. Geboren am 20. Oktober 1859 in Burlington (Vermont) graduierte er 1879 an der dortigen Universität und arbeitete zwei Jahre als High School-Lehrer, bevor er 1884 an der John Hopkins University promovierte. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten der Begründer der experimentellen Psychologie, Granville Stanley Hall, sowie der Begründer der modernen Semiotik, Charles Sanders Peirce. Dewey unterrichtete Philosophie in Michigan und Minnesota und wurde 1894 Vorsitzender der Abteilung für Philosophie, Psychologie und Pädagogik an der University of Chicago. Von 1904 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1930 war er Professor an der Columbia University in New York. Philosophisch vertrat er einen empiristischen Ansatz, der den gesellschaftlich gewordenen Menschen zum Gegenstand hat; pädagogisch wurde er durch seine Theorie der demokratischen Erziehung mit ihrem starken Handlungsbezug bekannt, bei dem das Lernen ganz und gar auf Erfahrung aufgebaut ist. Dewey starb am 1. Juni 1952 in New York. Literarische Persönlichkeiten <?page no="55"?> 55 2.1. Creative Writing in den USA Studium oder vielfältiges Lesen; sie lernen durch die kontinuierliche Erfahrung, sich zu jenen ›literarischen Persönlichkeiten‹ und ›Machern‹ von Literatur zu entwickeln, von denen Mearns spricht. 24 Kreatives Schreiben erscheint damit als Indikator, zu erkennen, wofür literarische Werke nützlich bzw. geeignet sind, und außerdem warum sie hierfür nützlich bzw. geeignet sind, d. h. als Mittel, ihre ästhetische Qualität- - »the text’s greatness« 25 - - zu verstehen. Kreatives Schreiben ist ein Instrument literarischer Kanonisierung, 26 wenngleich man (nach D. G. Myers) besser von ›Nützlichkeit‹ und ›Tauglichkeit‹ statt von Kanonizität sprechen sollte. 27 Mearns Absicht ist es daher nicht, Kreatives Schreiben isoliert vom Studium literarischer Texte zu vermitteln; 28 er ist davon überzeugt, einen geradezu ›alten‹ Weg, Literatur zu lehren, wiederentdeckt und handhabbar gemacht zu haben, eine Methode, die er Creative Reading nennt-- »a new term for a very old art.« 29 Kreatives Schreiben-- und das gilt auch für dessen weitere Ausformung in jüngerer und jüngster Zeit-- erfasst deswegen, wie R. V. Cassill sagen würde, reading as a writer. 30 Unter dem Einfluss von Mearns avanciert das Kreative Schreiben zu einem integrativen akademischen Ansatz, angesiedelt zwischen dem stark Lektüre geleiteten Literaturstudium und der Praktizierung von Schreibübungen, die durchaus literarischen Charakter aufweisen, diesen jedoch keineswegs forcieren. Durch das selbständige Schreiben von Literatur, insbesondere in lyrischer Form, soll weniger Schreibkompetenz vermittelt werden als ein Verständnis dafür, was einen literarischen Text ›gut‹ macht; Ziel war nicht die Ausbildung von professionell Schreibenden, sondern von profunden Lesern. 31 Das enorme Interesse seitens der US -amerikanischen Studierenden gibt diesem Bestreben Recht: 24 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 290. 25 Meek: »The Politics of Poetics«, S. 81. 26 Dazu näher Heydebrand/ Winko: Einführung in die Wertung von Literatur, S. 109 f. 27 Vgl. Myers, »The Rise of Creative Writing«, S. 290. 28 Vgl. Mearns: Creative Youth, S. 55. 29 Ebd., S. 79. Siehe außerdem auch ders.: The Creative Adult. 30 Vgl. Cassill: Writing Fiction. 31 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 291. Creative Reading Verstehen, was »gute« Literatur ist <?page no="56"?> 56 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Bis 1900 werden an zwölf Universitäten in den USA eigenständige Schreibstudiengänge für die Bereiche Dichtung, Short Story und Drama gegründet; gleichzeitig erscheinen erste Lehrbücher-- auch mit schriftstellerischem Erfolg: heute berühmte Autoren wie Thomas Wolfe oder Eugene O’Neill zählen in Harvard ebenso zu den frühen Schreibstudenten wie F. Scott Fitzgerald in Princeton. 32 Bis 1931 haben schließlich bereits 41 Colleges und Universitäten in den Vereinigten Staaten ›Elemente‹ als formale wie inhaltliche Facetten des Kreativen Schreibens in ihre Curricula aufgenommen, wenn auch damals die entsprechenden Kurse noch zur Hälfte aus Kompostionslehre und zur Hälfte aus Selbstfindungsgründen be- 32 Vgl. Adams: A History of Professional Writing Instruction in American Colleges, S. 73, 79 f. Thomas Wolfe und F. Scott Fitzgerald als frühe Schreibstudenten Hughes Mearns (1875-1965) wurde 1920 als Leiter der Lincolm School an die Columbia University in New York berufen, die Abraham Flexner gegründet hatte und sich in erster Linie der Lehrerausbildung widmete. Hier konnte er bis 1925 durchsetzen, dass Creative Writing Bestandteil des Curriculums wurde. Nicht nur als Schreiblehrer, auch als einflussreicher Publizist konnte er-- nach einer Reihe erfolgloser literarischer Werke-- das Literaturstudium in Amerika maßgeblich reformieren. Seine Vorstellungen sind vornehmlich in zwei Büchern ausformuliert, die zu den meist gelesenen Lehrwerken des eingehenden 20. Jahrhunderts zählen: Creative Youth (1925) und Creative Power (1929). In erstgenanntem taucht zu ersten Mal der Begriff ›Creative Writing‹ auf. Seinen Universitätsabschluss erhielt Mearns an den Universitäten von Harvard und Pennsylvania. Ab 1905 lehrte er als Professor an der Philadelphia School of Pedagogy. Für seine Studentinnen und Studenten konzipierte er einen Studiengang, der nicht auf historische Analyse oder grammatikalische Besonderheiten abhebt, sondern auf Selbstverwirklichung, Persönlichkeitsentwicklung und Ausdrucksvermögen. Werke u. a.: Vinegar Saint (1919)-- I Ride in My Coach (1923)-- Lions in the Way (1927)-- Creative Youth. How a School Environment Set Free the Creative Spirit (1928)- - Creative Power. The Education of Youth in the Creative Arts (1958). <?page no="57"?> 57 2.1. Creative Writing in den USA stehen; Myers sagt dazu, dass die ›Form‹ dieser Kurse von Wendell, ihr Inhalt aber von Mearns geprägt sei. 33 2.1.2. Norman Foerster und die School of Letters Einen neuen Impuls in Richtung der Entstehung einer eigenständigen Disziplin erhält das Kreative Schreiben in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts an der staatlichen Universität von Iowa. Dort übernimmt 1930 Norman Foerster die Leitung der neu gegründeten School of Letters, 34 in der und für die er in den nachfolgenden 14 Jahren eine eigene Schreib-Schule aufbauen kann. 35 Durch Foerster wird das Studium des Kreativen Schreibens neben demjenigen des Literary Criticism, 36 d. h. der Literaturwissenschaft im US -amerikanischen Verständnis als dessen Senior-Partner, erstmalig eigenständig etabliert. 37 Für das Literaturstudium sollen beide komplementär sein; Literatur soll aus einer kreativen und einer kritischen Perspektive studierbar werden, d. h. diese vom ›Innern‹ her erschließen, sie mithin mit den Augen eines ›kreativen Künstlers‹ betrachten. 38 Kreatives Schreiben wird aufgefasst als der Versuch, aus den Bedingungen der literarischen Praxis zu einem tieferen, vor allem auch kritischen Verständnis literarischer Kunstwerke zu gelangen. 39 Der Schreibende, so Foersters Überzeugung, benötige deshalb vor allem auch eines: Geist bzw. Seele, den Verstand des Kritikers. 40 Kreatives Schreiben übernimmt auch hier eine bestimmte Art von Wissen durch bestimmte Verfahren der Praxis, aber es erweist sich nicht als Ausbildung für eine oberflächliche Weise der Lebensführung. 41 Kreatives Schreiben wird in Iowa als selbständiger ›Zweig‹ des Studiums von Literatur entwickelt, um Angebote für alle Arten von ›Literatur-Studenten‹ bereit zu halten: für an- 33 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 291. 34 Dazu ausführlich Wilbers: The Iowa Writer’s Workshop. 35 Vgl. Stegner: On the Teaching of Creative Writing, S. 48 f. 36 Dazu insgesamt Graff: Professing Literature. 37 Dazu ausführlich Foerster: The American Scholar, bes. S. 42, 44. 38 Vgl. Foerster: »Language and Literatur«, S. 115. 39 Vgl. ders.: The American Scholar, S. 60. 40 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 293. 41 Vgl. Foerster: The American State University, S. 124. School of Letters Ein »gründliches« Studium des Kreativen Schreibens <?page no="58"?> 58 2. Geschichte des Kreativen Schreibens gehende Kritiker wie für zukünftige Schriftsteller, für zukünftige Wissenschaftler wie für angehende Lehrer. 42 Ein solches gründliches Studium des Kreativen Schreibens bedeutet für Foerster, eine ganze Reihe von Kompetenzen zu aktivieren: philologisches wie historisches Vermögen, künstlerische Einfühlungskraft wie ästhetisches Geschmacksurteil, kritisches Gespür wie Sicherheit im schriftlichen Ausdruck und ein ›Gefühl‹ für Sprache, Literatur und literarisches Leben. 43 Kreatives Schreiben kann und soll curricular nicht von anderen künstlerischen Fächer losgelöst werden, zumal, wie Foerster feststellen muss, damalige Schriftsteller häufig zu undifferenziert, auch ungebildet und naiv mit der Literaturgeschichte umgegangen sind. 44 Damit unterscheidet sich Foersters Konzept des Kreativen Schreibens von demjenigen Mearns’. Foerster steht äußerst feindselig solchen Vorstellungen gegenüber, die mittels Schreib-Lehre die Persönlichkeitsentwicklung bzw. das Ausdrucksvermögen des 42 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 293. 43 Vgl. ebd., S. 294. 44 Vgl. Foerster: »Language and Literatur«, S. 117. Siehe dazu außerdem auch ders.: The American Scholar, S. 60, sowie ders.: American Criticism, S. 228. Schreib-Formen und kulturelle Werte Norman Foerster wurde am 14. April 1887 in Pittsburgh (Pennsylvania) geboren und starb am 1. August 1972 in Palo Alto (Kalifornien). Mit akademischen Qualifikationen der Harvard University (1910), der University of Wisconsin (1912), der University of the South (1931), des Grinnell College (1946) und der University of North Carolina unterrichtete er Englisch u. a. in Wisconsin, North Carolina und vor allem Iowa. Dort war er lange Jahre Direktor der School of Letters und reformierte in dieser Funktion grundlegend dessen Curriculum (vor allem im Hinblick auf die Integration des Kreativen Schreibens). Foerster gilt als einer der prominentesten Vertreter des so genannten New Humanism zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Werke u. a.: The Chief American Prose Writer (1916)- - American Ideals (1917)- - American Poetry and Prose (1925)- - American Criticism (1928)- - The American Scholar (1929). <?page no="59"?> 59 2.1. Creative Writing in den USA ›Selbst‹ fördern wollen; Schreiben zu lernen bedeutet für ihn stattdessen, Schreib-Formen ebenso zu erlernen wie tradierte kulturelle Werte: Jeder Student soll zwar die Chance haben, kreativ tätig werden zu können; er soll sich (nach Foerster) aber insbesondere für eine Ideengeschichte der Kritik und der Literatur engagieren. 45 Lehrende des Kreativen Schreibens können somit nicht ausschließlich etablierte Schriftsteller sein; Kreatives Schreiben muss, so die Stoßrichtung der School of Letters, von Wissenschaftlern gelehrt werden, speziell von solchen aus den Geschichtswissenschaften und den Philologien. 46 Am Ende sollten alle genannten Professionen- - Kritiker, Historiker, Literaturwissenschaftler und Lehrer- - ebenso wie professionelle Schreiber eine solide Grundlage für ihre späteren Berufe erhalten; Lernen von und Lernen durch Literatur ist Foersters großes Gesamtanliegen, das mit denjenigen Wendells (im Hinblick auf dessen Konzentration auf persönliche Schreib-Erfahrung) sowie jenen Mearns’ (mit Blick auf dessen Überlegungen zum ›kreativen‹ Ausdruck des Selbst) die Geschichte des Kreativen Schreibens angestoßen hat. 47 Die Etablierung »ästhetische[r] Sensibilisierung, des »Umgangs mit Ideen« und der »Förderung der kritischen Fakultäten« in diesem disziplinären ›Werden‹ ist das wichtigste Verdienst Norman Foersters. 48 Beflügelt durch die School of Letters befassen sich die Lehr- und Studienpläne des Kreativen Schreibens nun immer stärker mit Faktoren des Schreibprozesses, der Essayform, der Recherche, dem expressiven Schreiben und dem kritischen Denken. 49 Es entsteht ein »akademischer Raum«, um die »verschiedenen Schreibdiskurse« interdisziplinär zu integrieren: »technisches, wirtschaftsbezogenes und wissenschaftliches Schreiben, Feature Writing, journalistisches Schreiben, Literatur- und Kulturkritik, 45 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 295. Siehe dazu auch Adams: A History of Professional Writing Instruction in American Colleges, S. 95 f. 46 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 295. Siehe dazu auch Kapitel 3.1.3. 47 Vgl. ebd., S. 296. 48 Glindemann: Creative Writing, S. 5. Dazu ausführlicher auch Flanagan: The Educational Role of Norman Foerster. 49 Vgl. Adams: A History of Professional Writing Instruction in American Colleges, S. 150. Lernen von und Lernen durch Literatur Interdisziplinäre Integration verschiedener »Schreibdiskurse« <?page no="60"?> 60 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Autobiographie, Biographie, expositorisches [-] und literarisches Schreiben«. 50 2.1.3. Associated Writing Programs/ National Writing Project Es zeigt sich, dass die Grenzen zwischen ›Composition‹, dem ursprünglich expositorischen Schreiben, und ›Creative Writing‹, dem literarischen Schreiben, in den Vereinigten Staaten im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts immer mehr aufgelöst werden-- eine Tendenz, die verschärft wird, als beide Bereiche in der Ende der 1960er Jahre aufkommenden Bewegung des Writing Across the Curriculum ( WAC ) noch näher zusammengebracht werden sollen. Glindemann führt aus: Von nun an kommen dieselben Methoden über die Kursgrenzen hinaus zum Einsatz. Kreatives Schreiben wird zum Leitbegriff einer auf persönliche Erfahrung der Studierenden ausgerichteten Pädagogik, die die schriftliche Geläufigkeit zunächst einmal generell fördert. Die zugrundeliegende These lautet, daß ein gutes schriftliches Ausdrucksvermögen dem Menschen in jedem künftigen Berufsfeld zugute kommt. Zunächst wird das Lernen individualisiert. Die Studenten werden zum persönlich experimentellen Umgang mit dem Lehrmaterial angehalten. Die neue pädagogische Tendenz wendet sich ab vom faktisch-unpersönlichen Reproduzieren der Lehrinhalte als Leistungskontrolle und stellt die individuelle Verarbeitung des Fachwissens in den Vordergrund. Schriftliche Geläufigkeit verbessert die soziale Kommunikationsfähigkeit in umfassender Hinsicht. 51 Der soziale Aspekt des Kreativen Schreibens sei, so Glindemann weiter, hier rein methodologisch zu verstehen und nicht mehr an bestimmte Inhalte-- schon gar nicht an literarische-- gebunden; es zeige sich erneut diskursbildender Einfluss der Schriften Deweys: Dewey betont das kognitive Moment der Schreiblehre, das besagt, daß akademische Inhalte besser verinnerlicht werden können, wenn sich der Lernende ihrer schriftlichen Ausformulierung widmet. Der Student erlebt seine Erkenntnisaneignung als Prozeß und lernt Inhalte besser begreifen durch die persönliche Erfahrung der Verschriftlichung. Deweys umfassendes pädagogisches System stellt eine Theorie bereit, aus der zwei unterschiedliche Schienen des Kreativen Schreibens hervorgehen. Die themenübergreifenden, auf kreativen Selbstausdruck ausgerichteten Kurse verstehen Schreiben als Lern- 50 Glindemann: Creative Writing, S. 6. 51 Ebd. Writing Across the Curriculum ( WAC ) Der soziale Aspekt des Kreativen Schreibens <?page no="61"?> 61 2.1. Creative Writing in den USA medium der sozialen Kommunikation.- […] Die gleichen personalisierten Lehrmethoden kommen in den stärker literarisch, rhetorisch und kritisch orientierten Programmen zum Einsatz. Allerdings verschiebt sich hier die Zielsetzung in Richtung themenabhängiger literarischer Kommunikation. 52 Schreib-Zentren (Writing Centres) werden jetzt immer häufiger an Universitäten gegründet, nicht zuletzt auch zu dem Zweck, ein ums andere Mal die allgemeinen Schreibfähigkeiten der Studierenden zu verbessern. 53 Weiterführende Schreibseminare ergänzen die Basiskurse in Kompositionslehre und Kreativem Schreiben; Organisationen und Konferenzen bauen ein Netzwerk auf, um die unterschiedlichen Interessen und neuen Erkenntnisse dieser Schreibförderungs-›Welle‹ auszutauschen und zu verbreiten- - Gerd Bräuer hat dieses Gefüge näher beschrieben und festgestellt, wie neben der oben bereits erwähnten WAC -Bewegung auch universitäre WAC -Programme aufgekommen sind, die 1967 in der Dachorganisation Associated Writing Programs ( AWP , gegründet 1967) und 1974 im Lehrerfortbildungsinstitut National Writing Project ( NWP ) münden, die mit der jährlich stattfindenden Conference for College Composition and Communication ( CCCC ) eine neue US -amerikanischer Schreibpädagogik auf den Weg gebracht haben. 54 Daran wird der Fluchtpunkt der Geschichte des Kreativen Schreibens in den USA ersichtlich: Gestartet aus dem Bedürfnis, eine grundlegende Reform der Literaturwissenschaft zu erreichen, hat dieses eine wechselhafte Karriere in der dortigen Hochlandschaft hinter sich gebracht; das Schreiben für jedermann wurde ebenso sein Thema wie die literaturhistorisch fundierte Hervor- 52 Ebd., S. 6 f. 53 Vgl. den berühmten Artikel Sheils (»›Why Jonny Can’t Write‹«), in dem etwa die Befürchtung geäußert wurde, dass das US -amerikanische Bildungssystem eine Generation von Schlecht-Schreibern (»semiliterates«) hervorbringen würde (ebd., S. 58). Dort heißt es: »What makes the new illiteracy so dismaying is precisely the fact that writing ability among even the besteducated young people seems to have fallen so far so fast.« (Ebd., S. 59) Siehe dazu auch Nystrand, »The Social and Historical Context for Writing Research«, S. 1-15, sowie Girgensohn/ Sennewald: Schreiben lehren, Schreiben lernen, S. 15 f. 54 Vgl. Bräuer: Warum Schreiben? , S. 55, 65. Allgemeine Schreibkompetenzen verbessern Conference for College Composition and Communication ( CCCC ) <?page no="62"?> 62 2. Geschichte des Kreativen Schreibens bringung von literarischen Autoren; auf seiner Basis zudem ausgebildet haben sich letztendlich pädagogische Tendenzen, die ganz im Geiste Deweys eine Lernforschung für die schulische und die universitäre Didaktik bedingen, zu der das Kreative Schreiben mitunter als Unterbereich hinzu gezählt wird-- ein Unterbereich, der, so Glindemann mit Bräuer, ein breites Spektrum von Bildungsfunktionen (auch kunstbzw. poesietherapeutischer Natur) umfasst: 55 Eine derartige didaktische Methodik minimiert den Unterschied zwischen kreativen und expositorischen Texten. Andere Bereiche, in denen die selben produktions- und erfahrungsorientierten personalisierten Methoden zum Einsatz kommen, sind z. B. Psychologie, Malen, Musik, Theater, Performance und die übrigen bildenden und darstellenden Künste. 56 Eine Konsequenz dieser Erfolgsgeschichte ist seit den 1960er und 1970er Jahren die Konstruktion solitärer Literaturseminare an Hochschuleinrichtungen in den USA , die ausschließlich literarische Schreibstudiengänge anbieten. 57 An den Universitäten bildet sich dadurch auch eine neue literarische Kultur, indem Schriftsteller und Publizisten Dozentenstellen und sogar Lehrstühle besetzen, die das künstlerische Moment des Kreativen Schreibens mit professionellen Ansprüchen und Forderungen in Hinsicht auf formale und adressatenorientierte Qualitäten präferieren. 58 Literarische Zirkel und eine literarische Szene entfaltet sich und blüht 55 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 9, mit Bräuer: Warum Schreiben? , S. 254. Siehe ferner auch Glindemann, Creative Writing, S. 9, Anm. 4: »Geschrieben wird neuerdings auch in der Kunsttherapie und deren spezialisierter Erscheinungsform Poesie- oder Bibliotherapie. Diese Therapieform beruht auf den gleichen Methoden wie das kreative und expositorische Schreiben, stellt aber jegliche formale Aspekte der Texte der ›Patienten‹ zugunsten des Inhalts in den Hintergrund. Denn bei der personal expressiven Therapie geht es darum, dem Patienten zum verbalen Ausdruck seiner Probleme zu bewegen, um dann an deren Inhalten und nicht am Ausdruck therapeutisch zu arbeiten.« 56 Glindemann: Creative Writing, S. 9. 57 Vgl. Adams: A History of Professional Writing Instruction in American Colleges, S. 153. 58 Dazu näher Bishop: Working Words. Bildungsfunktionen therapeutischer Natur Literarische Zirkel und literarische Szene <?page no="63"?> 63 2.1. Creative Writing in den USA dort gleichsam bis heute, durch Lehraufträge und Lesungen wie durch so genannte poet in residence-Programme. 59 Der professionelle Charakter dieser Studiengänge lässt sich mit der Gleichberechtigung von handwerklicher Schreib-Methodik, rhetorisch-stilistischen Techniken und literaturwissenschaftlicher Theorie auf den Punkt bringen. Wie Glindemann prognostiziert, muss dieses Gleichgewicht unbedingt gegeben sein, um literarischen Standards wie akademische Erwartungen in gleicher Weise zu entsprechen, mithin Literatur-Praktiker und Literatur-Theoretiker miteinander zu versöhnen; dies garantiere die Ausgewogenheit der Beschäftigung mit eigenen und fremden kreativen Texten im Studium, 60 was aber auch bedeutet, dass das Kreative Schreiben keine ›Spaß‹-Disziplin, sondern ein ernst zu nehmendes Studienfach mit ›harten‹ Studieninhalten geworden ist. Die, wie Greg Kuzma sie nennt, ›Katastrophe des Kreativen Schreibens‹ 61 tritt dann ein, wenn es zu einem Ungleichgewicht zwischen den genannten ›Säulen‹ des Kreativen Schreib-Studiums kommt: Die hastige Einrichtung von immer mehr Schreibprogrammen an allen möglichen Universitäten konfrontiert die Lehrenden mit administrativer Arbeitslast-- sie verlieren Zeit für ihre eigene kreative Arbeit und den Kontakt zur außeruniversitären literarischen Welt. Die Studenten eines hastig eingerichteten Studiengangs driften in die Selbstreferentialität ab und sind vornehmlich an ihren eigenen Texten interessiert, ohne ein allgemeines Literaturverständnis zu entwickeln. Es besteht die Gefahr, daß Lehrende und Studierende unter diesen ungünstigen Bedingungen sogenannte »workshop poetry« verfassen. Es handelt sich um selbstreferenzielle Texte, die den kreativen Akt thematisieren und die offenen Optionen, mit denen der Schreibende sich verzweifelt konfrontiert sieht. Solchen Texten fehlt jedoch die Essenz, die Literatur ausmacht, sie sind nicht an sich einzigartig, sondern formelhaft simpel und imitierbar. Die unmittelbare Reaktion des Lesers auf diese workshop poetry ist: »Das kann ich auch! «. 62 Jegliches Kreatives Schreiben bildet den Höhenkamm zwischen Kunst und Kitsch mit geradezu gefährlichem Risiko ab: Entweder 59 Vgl. Stegner: On the Teaching of Creative Writing, S. 51. 60 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 21. 61 Vgl. Kuzma: »The Catastrophe of Creative Writing«. 62 Glindemann: Creative Writing, S. 21. Literatur-Praktiker und -Theoretiker versöhnen The Catastroph of Creative Writing »Das kann ich auch! « <?page no="64"?> 64 2. Geschichte des Kreativen Schreibens man erreicht als Könner die andere, die ›gute‹ Seite,-- oder man stürzt unhaltbar ab. 2.2. Creative Writing in Großbritannien ›Creative Writing‹ erscheint im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts als Schlüsselbegriff der praxisorientierten literarischen Studienfächer- - hauptsächlich im anglo-amerikanischen Raum: Ab 1970 übernehmen die Universitäten von East Anglia und Lancaster in Großbritannien zum ersten Mal den diesem mittlerweile immanenten Grundzug als eigene, studierbare Disziplin; bis 1992 entstehen vereinzelt sechs weitere Masterstudiengänge und im Zusammenhang mit der Umformung der britischen polytechnischen Hochschulen zu Universitäten (was einen neuen Anwendungsschub bedeutet) werden noch mehr Schreibstudiengänge gegründet. 63 Ihnen liegt die Einsicht zugrunde, den Literaturdiskurs in diejenigen der Pädagogik, Psychologie, Linguistik, Rhetorik und Kompositionslehre im Sinne der New Rhetoric nochmals zu integrieren: 64 Diese Neue Rhetorik erst erlaubt die Betrachtung von Creative Writing zugleich als repräsentative Kunstform und als Methode, soziale Strukturen und Agenten zu untersuchen. Sie ermöglicht eine Schreiblehre, die sich auf den Schreibprozeß in allen seinen Aspekten bezieht. Creative Writing ist umfassender als die herkömmliche Schreiblehre, die eine korrekte Anwendung von Grammatik und Orthographie betont und auf Thesensätzen, Absätzen und dem Dreigestirn »unity, coherence, and emphasis« basiert- […]. Die traditionelle Schreiblehre geht davon aus, daß lediglich Stil, Organisation und »usage« lehrbar seien, während bestimmte Aspekte des Kompositionsprozesses mysteriös und daher nicht lehrbar seien. Diese Ansicht ist in den britischen Schreibstudiengängen überholt. Hier hat man erkannt, daß ein Schreibstudium neben dem akademisch-rationalen Lernen auch das personal-individuelle Lernen gezielt fördern muß. Neben der Intelligenz als praktisches Lerninstrument gelten auch Instinkt und Zweifel als Stimulus und Lernhilfe. Die kritisch-kreative Doppelnatur macht das Fach eklektisch, 63 Vgl. ebd., S. 23. Dazu ausführlich Wandor: The Author is Not Dead, Merely Somewhere Else. 64 Siehe dazu auch Grabe/ Kaplan: Theory and Practice of Writing sowie Harper: »Creative Writing in Higher Education«. Noch mehr Schreibstudiengänge <?page no="65"?> 65 2.2. Creative Writing in Großbritannien sowohl im Hinblick auf die Lehrinhalte als auch auf die Ansätze und Methoden. 65 In der Konsequenz wird in Großbritannien eine Kompostionstechnik als immanenter Teil des Kreativen Schreibens gelehrt; Form und Inhalt sollen dabei eine strukturelle Einheit bilden, bei der sich Bedeutung und Effekt der entstehenden Texte erst im Kompositionsprozess anhand des sprachlichen Ausdrucks herausbilden, in jedem Schreib-Stadium verändern, revidiert und neu in Form gebracht werden kann: »Das Zusammenwirken von kritischen und kreativen Fakultäten führt zur Annäherung von intendierter Bedeutung und sprachlichem Ausdruck.« 66 Glindemann verweist auf David Lodge, der hierfür das Bild einer ›chemischen‹ oder gar ›alchemistischen‹ Reaktion zwischen Form und Inhalt verwendet, die die Qualität eines Romans ausmache. 67 In dieser Privilegierung des Schreibprozesses, der keinem Selbstzweck dient, sondern an dessen Ende ein literarischer bzw. literarisch ambitionierter Text steht, macht sich bemerkbar, wie sehr das Kreative Schreiben in Großbritannien von Anfang an sehr vehement die Professionalisierung im Hinblick auf den literarischen Markt in den Fokus genommen hat, ohne der Organisation in den einzelnen Lehrveranstaltungen ein all zu starres Korsett vorzugeben, ihnen Unabhängigkeit hinsichtlich der Lehrinhalte wie der Methodenwahl zu gewährleisten; die britischen Schreibseminare bieten ein »unterstützendes Lernumfeld«. 68 2.2.1. Composing-- Creating--Enabling Hin und her gerissen zwischen zwei extremen und noch immer vorherrschenden Überzeugungen, die auf der einen Seite besagen, literarische Fähigkeiten könnten nicht weitergegeben werden, und auf der anderen Seite verkünden, jeder könne schreiben, 69 lässt sich das Schreiblehrkonzept in Großbritannien in einem Schlag- 65 Glindemann: Creative Writing, S. 24. 66 Ebd., S. 25. 67 Vgl. ebd., S. 26, mit Lodge: The Practice of Writing, S. 177 f. Siehe außerdem auch Rijlaarsdam/ Bergh/ Couzijn: Effective Teaching and Lerning of Writing. 68 Glindemann: Creative Writing, S. 28. 69 Vgl. ebd., S. 31. Kompositionstechnik als Teil des Kreativen Schreibens Ein »unterstützendes Lernumfeld« <?page no="66"?> 66 2. Geschichte des Kreativen Schreibens wort zusammenfassen: Es lautet ›befähigen‹ (enabling), was bedeutet, dass die Schreibstudierenden zum Schreiben angeleitet und ermutigt werden sollen; »ihre Texte werden diskutiert, kritisiert und lektoriert.« 70 Zur Erläuterung dieser Entwicklung zitiert Glindemann u. a. folgende Positionen: One cannot teach a person to write but one can enable their writing and I think you do that by creating the right circumstances, a supportive atmosphere with time to write and you have, above all, to encourage.-[…] The course is about enabling people to push their work out, to cut the cord.-[…] 71 Was genau unter diesem ›Befähigen‹ zu verstehen ist, wird einsichtiger, wenn man sich die didaktische Situation vergegenwärtigt, die bis heute Creative Writing-Kurse (über alle Landes- und Kulturgrenzen hinweg) prägen: Man lernt nicht allein, indem ein Lehrender Wissen an einen Lernenden weitergibt, sondern indem Lehrende und Lernende sowie die Lernenden untereinander voneinander lernen. Dadurch entsteht eine kooperative wie produktive Arbeitsgemeinschaft, in der eigene und fremde Texte vorgestellt, besprochen, analysiert, ggf. auch interpretiert werden-- dies allerdings nicht primär im Hinblick auf eine bestimmte Lesart des jeweiligen Textes. Vielmehr steht der Austausch über die individuellen Schreibbedingungen und -strategien sowie über deren allgemeinen Rahmen (das literarische Um-Feld) im Mittelpunkt, um die Förderung individueller Fähigkeiten und/ oder Begabungen zu intensivieren. 72 Ein solches Lehr- und Lernprogramm vollzieht sich in Großbritannien neben der curricularen Lehre mittels Einsatz von Gastdozenten aus dem Literatur- und bzw. allgemeinen Schreib-Betrieb; konzentriert wird sich in diesem »Course Writing« 73 vor allem auf »technischen Fertigkeiten«. 74 Damit ist das britische Schreibstudium weit davon entfernt, zu vermitteln, jeder könne Schriftsteller werden (oder dies sogar zu garantieren), eine Ansicht, die 70 Ebd., S. 32. 71 Ebd. Zitiert werden Passagen aus Podmore: »The NAWE Interview with Jeremy Hooker«, S. V sowie Biswell: »Creating a Market«. 72 Siehe dazu auch die Beiträge in Graig (Hrsg.): Fresh Starts. 73 Illis: »The Art of Course Writing«. 74 Glindemann: Creative Writing, S. 33. ›Befähigen‹ (enabling) Eine kooperativ-produktive Arbeitsgemeinschaft <?page no="67"?> 67 2.2. Creative Writing in Großbritannien hier auch gar nicht diskutiert wird. 75 Vielmehr setzen die dortigen Schreiblehrer auf die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur, damit die Studierenden ihre eigenen Fähigkeiten in Konfrontation mit einem vertiefenden, mithin insbesondere kritischen literarischen Verständnis im Sinne eines »creative criticism« verbessern: Jede Schreibarbeit geht notwendig aus dem Zusammenspiel kritischer und kreativer Fakultäten hervor, die Schreibstimme ist daher rational-akademisch und persönlich zugleich- - und dies gilt für alle Texte. In akademischen Essays ist die persönliche Meinung und Bewertung durchaus erwünscht und angebracht. Auch beim literarischen Schreiben geht es nicht um das reine Vermitteln abstrakter Techniken und Methoden, die zur Teilnahme an einem bestehenden Diskurs befähigen. Statt dessen wird im praktischen Studium von zeitgenössischen Beispieltexten die abstrakte Technik mit konkreten Inhalten gefüllt, um sie fühlbar und nachvollziehbar werden zu lassen. Kritisches Lesen und Kreatives Schreiben sind im Schreibstudium komplementär zu verstehen-[…]. 76 Die Überzeugung, dass die Kenntnis von literarischen Genres, rhetorischen Figuren, narratologischen Grundlagen und poetischen Möglichkeiten zur Ausprägung eines eigenen »Handwerksstil« 77 führt, geht davon aus, dass literarische respektive lyrische, erzählerische oder dramatische Techniken am Besten durch das Studium literarischer respektive lyrischer, erzählerischer oder dramatischer Beispiele erlernt werden können. Dieser Lernprozeß führe in Großbritannien zur Entwicklung einer persönlichen Poetik, die das Ziel dieses Creative Writing-Studiums ausmache: Es ist kein rein kreativer Lernprozeß, sondern eine dialektische Schwingbewegung des kritischen Umgehens mit Vorgaben und deren kreativer Umsetzung: Möglichkeiten dazu bieten z. B. Analyse, Kombination, Spiegelung, Umkehrung, Verdoppelung, Fragmentarisierung, Übertreibung, Untertreibung, etc. Das literarische Schreiben gilt in Großbritannien nicht als »Sprache«, die zu erlernen wäre wie etwa die Fachsprache der Juristen. Unter dieser Voraussetzung entstünden lediglich standardisierte, formelhafte Texte. Britisches Creative Writing bedeutet immer kritischen, reflektierten 75 Vgl. den Hinweis von Glindemann (ebd.) auf Meikle: »University Hopes for Poetry Form Part-Time Professor Motion«: »Writing can be taught, but you cannot fashion what is not there to be fashioned.« 76 Glindemann: Creative Writing, S. 34 f. 77 Ebd., S. 35. Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur »Handwerksstil« <?page no="68"?> 68 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Umgang mit vorhandenen Regeln und Techniken in einem praktischen und aktiven Prozeß des Zu-Eigen-Machens. Handwerkliche Techniken sind vor allem »Inspirationshilfe«, sie stellen Anknüpfungspunkte bereit und intensivieren die Lust am Schreiben. Derartige Anknüpfungspunkte erlösen den Schreibenden von dem hohen Anspruch, alles selbst neu erfinden zu müssen und befähigen ihn, sich beruhigt hinzusetzen und vom Bestehenden auszugehen. 78 Neben dem in dieser Beschreibung zum Ausdruck kommenden Befund, Kreatives Schreiben als eine Kombination aus »Selbst- Lesen, Andere-Lesen-Sehen, Selbst-Schreiben und Andere- Schreiben-Sehen, Besuchen von Lesungen, Diskussionen über das Schreiben und Diskussionen über Literatur« 79 zu verstehen, entwickeln sich in Großbritannien darauf rekurrierende berufspraktische Studieninhalte, die hervorheben, wie sehr ein angehender Autor auch als eine Art Geschäftsmann und damit als Selbstvermarkter handeln muss. 80 Damit werden jene Aspekte konkreter Berufsperspektiven angesprochen, die zum ›Leben‹ eines Schriftstellers seit der Ausdifferenzierung eines literarischen Marktes immer schon dazu gehören 81 und gerade auch hinsichtlich einer Konkurrenz um Aufmerksamkeit bis heute nicht an Bedeutung eingebüßt haben: 82 Kontakt und Kooperation mit literarischen Verlagen und Medien, Verhandlungsgeschick für Vorschüsse, Honorare und Verträge, Organisation und Gestaltung von Lesungen der eigenen Werke und anderweitigen öffentlichen Auftritten. 83 Für die akademische Implementierung des Kreativen Schreibens in Großbritannien wird darauf dadurch reagiert, dass an den jeweiligen Hochschulen literarische Veranstaltungen und Wettbewerbe entstehen, dass studentische Literaturzeitschriften gegründet und die Zusammen- 78 Ebd. Siehe dazu auch den dortigen Hinweis auf Brownjohn: »Our Tutors Speak«. 79 Glindemann: Creative Writing, S. 36. 80 Vgl. wiederum ebd., S. 36, mit Lodge: The Practice of Writing, S. 16. 81 Dazu u. a. ausführlich Barber/ Fabian: Buch und Buchhandel in Europa im 18. Jahrhundert. 82 Vgl. Kap. 6.1. 83 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 36. »Inspirationshilfe« Aspekte konkreter Berufsperspektiven <?page no="69"?> 69 2.2. Creative Writing in Großbritannien arbeit mit literarischen bzw. allgemein kulturellen Institutionen bereits im Studium gesucht wird. 2.2.2. Kritische Positionen Glindemann weist in ihrer historischen Darstellung des Kreativen Schreibens zu Recht darauf hin, dass dessen skizzierte Entwicklung in Großbritannien zu einer wenn nicht vollends kommerzialisierten, dann doch zumindest zu einer auf kommerziellen Erfolg abzielenden universitären Ausprägung zuläuft. Damit sind Konflikte mit den bestehenden Philologien vorprogrammiert, da deren Erforschung literarischer Traditionen sich lange Zeit auf kanonische literarische Werke konzentriert hat. Nur solche Texte, die Eingang in einen literaturwissenschaftlich begründeten Kanon gefunden haben, werden als relevant und d. h. als forschungswürdig akzeptiert. 84 Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass nicht nur ursprünglich in Deutschland, sondern vor allem auch in Großbritannien kanonisierte ›Groß‹-Autoren wie Shakespeare oder Jane Austen die Lehrpläne dominieren und wiederum auch nur dieser literarische Höhenkamm akademische Anerkennung findet. Das Kreative Schreiben mit seiner Infragestellung eines eigentlichen Kanons und seiner Stärkung gegenwärtiger Literatur läuft diesem Wissenschaftsdiskurs naturgemäß entgegen. Dessen Ablehnung seitens der britischen Literaturwissenschaft fußt zugleich darauf, dass die Kompetenz der britischen Schreibdozenten angezweifelt wird, da sie sich, so die Sicht ihrer Kritiker, »Shakespeare oder Jane Austen ebenbürtig zu halten« scheinen, »sonst würden sie nicht schreiben«, dabei seien »sie ganz offensichtlich (bisher) völlig unbedeutend«; wenn ein Literaturprofessor »wahrhaftig« zum Schreiben berufen sei, was mache er dann »immer noch an der Universität«? 85 Der Grundkonflikt, der sich hinter derartigen Vorbehalten und Vorwürfen gegenüber dem hochschulisch institutionalisierten 84 Vgl. ebd., S. 37. 85 Ebd., S. 38. Siehe dazu auch den dort zitierten Ausspruch: »It is the minor writers who have remained academics.« (Alvarez: »The Poet in the University«, S. 298) Konflikte mit den bestehenden Philologien Ablehnung seitens der britischen Literaturwissenschaft <?page no="70"?> 70 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Kreativen Schreiben verbirgt, liegt in einem Streit um Zu- und Abhängigkeiten begründet. Die Hochschulentwicklung in Großbritannien ist hierfür das beste Beispiel, denn wenn die Vertreter kreativen Schreibens hier dasselbe Lehrgebiet wie die Literaturwissenschaft bzw. der Literary Criticism beanspruchen und dabei aber über deren Inhalte in praktischer Hinsicht hinausgehen, sich als unabhängig von diesen erklären, entsteht zwangsläufig eine konfliktgeladene Situation. Wie kann sich ein Student des Kreativen Schreibens auf eine literaturgeschichtlich verbürgte literarische Tradition beziehen und zugleich mit dieser brechen, sie in Frage stellen und sich auf sich selbst fixieren? Die Antwort vieler Creative Writing-Lehrer lautet, es handele sich lediglich um einen Perspektivenwechsel; betrachtet werde die Literaturgeschichte mit den Augen der Literaturproduzenten, wobei jeder Schreibende der Literaturtradition notwendigerweise kritisch gegenüberstehen müsse, um seine eigene Position als Literaturschaffender klar zu definieren. 86 Daneben stellt es auch in Großbritannien ein Problem innerhalb des akademischen Lehrsystems dar, dass mit dem Kreativen Schreiben und dessen den Schreibprozess entauratisierenden Strukturen gleichsam das Allerheiligste der Literaturwissenschaft (das Numinose der Literatur) unwesentlich wird. Gefragt wird gegen das Kreative Schreiben nach der Authentizität des Geschriebenen: Woher genau nimmt der literarisch kreativ schreibende Mensch seinen Stoff und ist dieser aus dem Leben gegriffen oder frei erfunden? Diese Frage wird immer wieder an die Lehrenden und Studierenden des Creative Writing gerichtet, genau wie sie auf jeder Autorenlesung unvermeidlich die Diskussion einleitet. Wie hat in der Literatur überhaupt das Verhältnis von Realität und Fiktion auszusehen? Inwieweit befindet die zeitgenössische Gesellschaft das Erfundene moralisch fragwürdig oder zumindest verdächtig? Und inwieweit gilt das Reale als zu persönlich, um archetypische Bedeutungen zu transportieren? Ein Text, in dem Objektivität und überprüfbare Fakten überwiegen, gilt als journalistisch, während ein fiktiver Text von subjektiv-imaginativer Färbung als literarisch gilt. Dennoch gibt es fließende Übergänge zwischen diesen Bereichen. 87 86 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 38. Siehe dazu auch den Verweis ebd. auf Lomax: »Creativity and Criticism: a Current Debate«. 87 Glindemann: Creative Writing, S. 39. Literary Criticism Das Allerheiligste der Literaturwissenschaft <?page no="71"?> 71 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland Zu den diskursiven Verfahren, die einen Autor hervorbringen, gehört auch die Erwartung, dass dieser etwas Authentisches, Ehrliches, Glaubhaftes hervorbringt- - eine Tendenz, mit der Glindemann die immer weiter zunehmende Popularität narrativer »Non-fiction«, 88 d. h. von Autobiographien und Memoiren, sowie die abnehmende Nachfrage nach rein fiktiver Erzählliteratur begründet, da diese erfinde bzw. lüge. 89 Ob dies allerdings tatsächlich ein Vorwurf ist, der gegenüber dem Kreativen Schreiben geäußert werden kann (oder eher ein Trend, der gesellschaftliche Umorientierungen aus rezeptionsorientierter Sicht widerspiegelt) bleibt zu hinterfragen. Letztendlich handelt es sich bei dem »Schreibstudium nach britischem Modell« in jedem Fall um eine wichtige Weiterentwicklung gegenüber seinen US -amerikanischen Ursprüngen: Indem hier nicht die Erziehung »zur Unabhängigkeit von der Literaturtradition, sondern zum selbstbestimmten Umgang mit literarischen Techniken und Genres« im Mittelpunkt steht, 90 können handwerkliche und literaturwissenschaftliche Herangehensbzw. Umgangsweisen mit Literatur und literarischem Schreiben stärker miteinander verbunden werden. Sie bereiten das vor, was den Erfolg des Kreativen Schreibens in Deutschland avant la lettre vorbereitet. 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland Mag es auf den ersten Blick scheinen, als seien Kreatives Schreiben, Schreibvermittlung und deren Produktionsdiskurse erst nach Überwindung großer Hemmnisse nach Deutschland gelangt-- zu verweisen wäre dazu etwa auf die Darstellungen Mattenklotts 91 und Ludwigs 92 --, so lässt sich für den Verlauf des 20. Jahrhunderts gleichwohl eine Engführung von ästhetischen Strömungen, litera- 88 Morrison: »Too True«, zit. nach: Glindemann: Creative Writing, S. 39. 89 »Anhänger der neuen Kultur der Intimität betrachten eine Ausbildung in Kreativem Schreiben als Ausbildung im Lügen. Für sie kann das Erfundene nie dieselbe Kraft entwickeln, zu überraschen oder zu schockieren, wie eine persönliche Enthüllung.« (Ebd.) 90 Ebd., S. 40. 91 Vgl. Mattenklott: Literarische Geselligkeit. Schreiben in der Schule. 92 Vgl. Ludwig: Der Schulaufsatz. Seine Geschichte in Deutschland. Popularität narrativer »Non-fiction« Kreatives Schreiben avant la lettre <?page no="72"?> 72 2. Geschichte des Kreativen Schreibens rischer Praxis und pädagogischen Bestrebungen, Schreiben (kultur-)technisch zu lehren, für den deutschsprachigen Sprachraum feststellen: »Vor dem Hintergrund von Dada und Surrealismus entstanden experimentelle und z. T. an der Psychotherapie orientierte Schreibtechniken, u. a. Sprachcollagen, écriture automatique und Traumtexte.« 93 Die Geschichte des Kreatives Schreiben in Deutschland wird, verhindert durch die radikal-diktatorische Kulturpolitik des Dritten Reichs, 94 mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges jäh unterbrochen und erst nach 1945 wieder aufgegriffen- - allerdings vornehmlich im Kontext einer Neuorientierung des traditionellen Aufsatzunterrichts in der Schule: Hatte im preußischen Obrigkeitsstaat die schulische Behandlung entsprechend so genannter ›preußischer Tugenden‹ die im 19. Jahrhundert aufkommende Abhandlung bzw. Erörterung abgelöst und war von den Nationalsozialisten der Besinnungsaufsatz als »ausdrückliches Mittel der (faschistischen Charakterbildung instrumentalisiert« worden, konzentriert sich der Schreibunterricht in Deutschland zunächst auf die Aufwertung des so genannten »sprachschaffenden bzw.--gestaltenden Aufsatz[es]«. 95 Jedoch wird man sich in der schulischen Wirklichkeit schließlich über die Unzulänglichkeiten dieser Kon- 93 Böttcher: »Grundlagen kreativen Schreibens«, S. 14. 94 Vehement zu erinnern ist hier an den von der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland propagierten Begriff der ›Entarteten Kunst‹, der mit rassentheoretischen Begründungen bekanntlich jegliche Erscheinung moderner Kunst diffamieren sollte, darunter insbesondere diejenige der europäischen Avantgardeströmungen wie Surrealismus und Dada, d. h. explizit all jener Tendenzen, die die o. g. kreativen Schreibverfahren im westlichen Europa entwickelt haben. Dazu allgemein und ausführlich Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. 95 Becker-Mrotzek/ Böttcher: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen, S. 20. Dort heißt es zu näheren Erklärung dieses Phänomens: »Sprachgestaltend deshalb, weil die Schüler nun nach bestimmten Vorgaben Sprache gestalten sollten.-[…] Der sprachgestaltende Absatz reduziert diese Idee auf das bloße Nachgestalten vorgegebener Aufsatzformen, weil mit dem Verlust der Stilübungen zugleich die eigentliche Arbeit an der Sprache verloren gegangen ist. Die Schüler werden in ein Curriculum von fünf basalen Darstellungsformen eingeführt, die das gesamte Spektrum möglicher kommunikativer Anlässe abdecken sollen. Vermittelt werden zunächst die Formen, mit denen dann später die Inhalte dargestellt werden sollen.« (Ebd., S. 20 f.) Dada und Surrealismus Schreibunterricht <?page no="73"?> 73 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland zepte bewusst, in deren Konsequenz Gegenbewegungen entstehen, die unter den Bezeichnungen ›freier Aufsatz‹ (in der Volksschule), ›prozessorientierte Schreibdidaktik‹ (in der Hochschule) und- - letztendlich- - Kreatives Schreiben (in Schule, Hochschule und Gesellschaft) bekannt geworden sind. 96 2.3.1. Aufsatzlehre und kommunikative Wende Die Forschung betont in diesem Zusammenhang in der Regel die kommunikative Wende der Sprachdidaktik in den 1970er Jahren, die-- parallel zur Entwicklung in Großbritannien-- eine erste Etablierung kreativen Schreibens in Deutschland initiiert: 97 In einem zugegebenermaßen kühnen Bogen könnte man ›Praxis‹ dem auf den Erwerb einer ›kommunikativen Kompetenz‹ ausgerichteten Deutschunterricht der 70er und 80er Jahre zuordnen: Ob im ›Umgang mit Texten‹ oder bei der Förderung mündlicher Kommunikation-- im Vordergrund stand und steht das Lernziel, Schülern ›Kommunikation im Vollzug‹ erfahrbar zu machen. So wichtig dieses Lernziel ist, so ergänzungsbedürftig ist es durch einen ›herstellungsorientierten‹, einen ›poietischen‹ Ansatz: Ziel dieses Ansatzes ist es, Schüler eigene Texte herstellen und damit schriftliches Formulieren als wichtigste Form angewandter Sprachreflexion einüben zu lassen. Nichts kann die Auseinandersetzung mit der eigenen, aktiv betriebenen Textproduktion ersetzen. Denn sie erfordert und fördert zentrale allgemeine Fähigkeiten: Planen einer komplexen Handlung, Antizipationsfähigkeit bezüglich der Wirkungsintention, selektive Bereitstellung und Strukturierung von Wissen-[…], Kritikfähigkeit bei der Revision des Geschriebenen und schließlich Identitätsbildung qua »Selbstbetrachtung des Schreibers in seinem Produkt«-[…]. In der Ausbildung dieser Fähigkeiten liegt der eigentliche Sinn des Schreibens. 98 Im Verlauf der 1970er Jahre entsteht in Deutschland mithin ein neuer Aufsatzunterricht unter kommunikativen Vorzeichen; das Konzept dieser Aufsatzdidaktik akzentuiert die »soziale Funktion der schriftlichen Textproduktion.« 99 Kreatives Schreiben hat hier (noch) nichts mit einer universitär geleiteten Ausbildung profes- 96 Vgl. ebd., S. 22. 97 Vgl. bspw. ebd. sowie u. a. auch Glindemann: Creative Writing, S. 42. Siehe außerdem auch Merkelbach: »Kreatives Schreiben in der Schule«. 98 Antos: »Eigene Texte herstellen! «, S. 37. 99 Glindemann: Creative Writing, S. 43. Dazu näher Boueke/ Schülein: »›Personales Schreiben‹«, S. 283. ›Freier Aufsatz‹ und ›prozessorientierte Schreibdidaktik‹ Die kommunikative Wende der Sprachdidaktik Ein neuer Aufsatzunterricht <?page no="74"?> 74 2. Geschichte des Kreativen Schreibens sionell Schreibender gemeinsam; vielmehr geht es, wie 100 Jahre zuvor in den Vereinigten Staaten, um die Schulung allgemeiner Schreibfertigkeiten, die jedoch von einer solitären, ein Gegenüber oder eine Gruppe von Lesenden ignorierenden Schreibtätigkeit streng abgegrenzt wird. Da es sich bei einem schulischen Schreibseminar stets um eine geschlossene, überschaubare Kommunikationssituation, eine »Gruppenkonstellation des literarischen Schreibens« handelt, lassen sich bei diesem leicht weitere Anschlüsse an seine US amerikanischen Vorläufer finden. Die Aufsatzlehre, die kreative Schreibaufträge aufgreift und aufgibt, findet im Rahmen jener literarischen Geselligkeit statt, die bereits um 1880 die ›Erfindung‹ des Kreatives Schreibens als akademische Disziplin in den USA hervorgebracht hat. Eine derartige Situation gilt als Basis aller historischen Formen der literarischen Geselligkeit, mit der sich auch im Klassenzimmer Arbeitsatmosphären bilden, die die Schreibenden wechselseitig inspirieren und sie zu einer eigenen Schreibsprache führen. 100 Absicht und Anliegen der Deutschdidaktik ist es daher nicht, mittels Kreativem Schreiben schriftstellerische Talente zu suchen oder zu finden und auch nicht, Unterstützung bei potentiellen Veröffentlichungen zu leisten. In den einzelnen Unterrichtseinheiten soll regelgeleitet und kreativ-spontan geschrieben werden, um auch die Wahrnehmungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu schulen; literarische Ansprüche an die entstehenden Texte werden bewusst ausgeklammert; Schreibhemmungen und -blockaden sollen erst gar nicht aufkommen: »Die Didaktiker prüfen beide Linien und erklären die Kombination von Bindung und Freiheit zum konzeptionellen Grundstein des Kreativen Schreibens.« 101 Es entsteht, befördert durch schreibtheoretische Arbeiten in England und den USA , in Deutschland letzten Endes eine interdisziplinäre Schreibforschung, an der sich Fachvertreter der Linguistik wie der Sprach- und Literaturdidaktik sowie der Psychologie intensiv beteiligen. 102 Einzig die Neuere Deutsche Literaturwis- 100 Vgl. Mattenklott: Literarische Geselligkeit, S. 173-182. 101 Glindemann: Creative Writing, S. 45. 102 »Ihr vielleicht wichtigstes Verdienst ist die empirische Grundlegung der Schreibdidaktik, das heißt ihr Bemühen um die Klärung der Schreibwirk- »Gruppenkonstellation des literarischen Schreibens« Schreibhemmungen und -blockaden <?page no="75"?> 75 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland senschaft verhält sich wie schon ihr britisches Pendant skeptisch und vorsichtig gegenüber einer fachlich vertretbaren Ansicht, eine Produktfixiertheit und Orientierung an ›fertigen‹ literarischen Texten vollständig zu überwinden; man tut sich schwer damit, Literatur grundsätzlich als im Entstehen begriffene ästhetische Erscheinung aufzufassen, wenn auch die Editionsphilologie seit jeher Textvorstufen, Handschriften und Entwurfsprozesse in ihren Forschungen berücksichtigt. 103 Insbesondere die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur aus der Perspektive des Literaturproduzenten ist dem Kreativen Schreiben auch in Deutschland inhärent. 104 Dort hat dieses also zwar einen didaktisch guten Ruf, sieht sich zugleich aber einer Reihe von Vorurteilen seitens der Literaturwissenschaft ausgesetzt. Dem steht eine zunehmende Popularität gegenüber-- auch und besonders außerhalb des Hochschulsektors. 2.3.2. Die Schreibbewegung der 1980er Jahre Die 1980er Jahre sind im Hinblick auf die (Erfolgs-)Geschichte des Kreativen Schreibens in Deutschland die Zeit freier, d. h. (hoch-)schulisch unabhängiger ›Schreibbewegungen‹, die sich beispielsweise 1982 in der Gründung des so genannten Segeberger Kreises, einer vereinsmäßig organisierten Gesellschaft für Kreatives Schreiben, konzentrieren und die den Charakter von Gruppenzirkeln annehmen, in der gemeinsam kreativ geschrieben werden soll. 105 Es bildet sich eine Art zurückgenommener oder ›reduzierter‹ Öffentlichkeit, die sich ausdrücklich gegen den etablierten (marktgerecht organisierten) literarischen Betrieb wenden will. 106 lichkeit: Was tun Schreiber, wenn sie einen Text verfassen? Und wie erwerben sie diese Fähigkeit? « (Becker-Mrotzek/ Böttcher: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen, S. 24) 103 Dazu etwa einführend Dane/ Jungmayr/ Schotte (Hrsg.): Im Dickicht der Texte. 104 Waldmann hat aus dieser Überzeugung sein bis heute stark innerhalb der Fachdidaktiken und auch in schulischen Fachseminaren rezipierten Ansatz eines handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts entwickelt. Siehe dazu etwa Waldmann: Produktiver Umgang mit Literatur im Unterricht. 105 Vgl. Pielow: »Über die literarische Kultur des Schreibkreises«, S. 39. 106 Vgl. Werder: Der integrative Ansatz im kreativen Schreiben, S. 35. Textvorstufen, Handschriften und Entwurfsprozesse ›Schreibbewegungen‹ <?page no="76"?> 76 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Wertung und Beurteilung der entstehenden Texte treten deshalb in den Hintergrund- - zugunsten einer ›Gelegenheitsschriftstellerei‹, in der die »traditionellen Gesetze« 107 der Literatur umgangen werden sollen und die durch eine antiautoritäre Tradition das literarische Establishment ablehnen. 108 Das Bestreben, durch das Kreative Schreiben zu sich selbst zu finden, ist hier besonders deutlich ausgeprägt, 109 um eine Gegen- und Alternativkultur zum kommerziellen Literatursystem zu inszenieren. Gleichzeitig rückt die therapeutische Funktion des Kreativen Schreibens in den Vordergrund. Dieser ist darum zu tun, psychische Erkrankungen mit Hilfe angeleiteten, vor allem autobiographischen Schreibens (etwa zur Stabilisierung des Ichs) zu behandeln. 110 Nach und nach wird dennoch das Kreative Schreiben in Deutschland in die eigentliche Literaturproduktion überführt. 111 Dem gegenüber stehen zwar nach wie vor die Vorbehalte der deutschen Universitätsgermanistik, doch allmählich werden Schreibworkshops im akademischen Lehrbetrieb häufiger, 112 um das herkömmlich philologische Studium mit einer Produktionsperspektive zu ergänzen. Kreatives Schreiben wird allerdings noch nicht als eigenes Fach unterrichtet und es wird eher ein theoretischer sowie didaktischer Zugang betont. Eine Ausnahme stellt Hermann Kinder dar, der seit 1983 Schreibseminare an der Universität Konstanz anbietet, um sprachliche Kreativität, Textsensibilität und eine gemeinsame Schulung des literarischen Geschmacks zu vermitteln. 113 An den Universitäten formiert sich im Zuge dessen eine vorsichtige Annäherung an das Konzept und die Idee des Kreativen Schreibens. Literarisches Leben findet nicht nur verstärkt Anschluss an das akademische Milieu; es bilden sich schließlich auch Strukturen, die am Ende eigene Creative Writing-Sudiengänge ermöglichen. Sie bleiben zunächst lange Zeit auf die schulische 107 Piwitt: »Plädoyer für den Gelegenheitsschriftsteller«, S. 25. 108 Vgl. Mattenklott: »Wem gehört die Literatur? «, S. 76 f. 109 Vgl. Koch/ Pielow: Schreiben und Alltagskultur, S. 2. 110 Vgl. ebd., S. 10. 111 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 51. 112 Siehe dazu insgesamt Rau (Hrsg.): Kreatives Schreiben an Hochschulen. 113 Vgl. Kinder: »Die Schreibgruppe an der Universität«. ›Gelegenheitsschriftstellerei‹ Schreibworkshops im akademischen Lehrbetrieb Anschluss an das akademische Milieu <?page no="77"?> 77 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland Praxis des Deutschunterrichts über alle Schulformen hinweg bezogen; sie beziehen dennoch ebenfalls literaturwissenschaftliche und rhetorische Ansätze mit ein: Diese deuten die Entwicklung vom Ergänzungsstudium zum eigenständigen Fachbereich an. Immer mehr aufeinander aufbauende Seminarkomplexe in Kreativem Schreiben werden angeboten. Die Studierenden sehen ihre Texte nicht länger als Repräsentanten einer Alternativkultur; sie schließen die Möglichkeit nicht aus, mit Texten, die in der kleinen Öffentlichkeit der Werkstatt bestehen, an die große literarische Öffentlichkeit zu treten. Literatur wird als phantasievolle symbolische Entsprechung innerer Befindlichkeit, eingebettet in Handlungsschemata betrachtet, nicht mehr als Verlängerung oder Resultat eines psychologisch subjektiven Prozesses der Betroffenheit. Erzählerische oder literarische Texte schreibt man nicht nur für sich selbst, sie werden komponiert, um von einem (fiktiven oder realen) Publikum gelesen zu werden. Der Erzähler erfindet Konzepte und sendet Impulse an seine Leser, er gewinnt Kontrolle und wird nicht länger vom Zwang zur Selbstentblößung kontrolliert. Der Autor literarischer Texte nimmt »Anleihen« bei der Wirklichkeit auf und macht diese zu seinem Arbeitsmaterial, die literarisch dargestellte »Wirklichkeit« muß nicht auf die reale Wirklichkeit verweisen. Indem er literarische Mechanismen einsetzt, verwandelt der Verfasser sein Material in literarisch-fiktionale Erzähltexte. Der Schreibende wählt bewußt bestimmte Sprach- und Formmittel aus und kombiniert Wirklichkeit und Phantasie anhand von literarischen Regeln. 114 Die Schreiblehre der 1990er Jahre in Deutschland findet somit wiederum Anschluss an den literarischen Diskurs; neben therapeutischem und pädagogischem Effektfindet zunehmend eine Betonung des ursprünglich hohen künstlerischen Potentials des Kreativen Schreibens statt. 115 Dessen ›Abstand‹ zur Literaturwissenschaft wird geringer, auch wenn es jenen bis heute nicht überwunden hat. 2.3.3. Kreatives Schreiben heute Mittlerweile werden- - als Ergebnis der geschilderten Vorhaben und Voranschreitungen- - Konzepte der Literatur- und Schreibförderung in bestehende (und neu entwickelte) Studiengänge ebenso integriert wie Methoden literarischer Kreativität erprobt 114 Glindemann: Creative Writing, S. 63 f. Siehe dazu auch Waldmann: »Produktiver Umgang mit Literatur«, S. 467 f. 115 Vgl. Glindemann: Creative Writing, S. 64, sowie Werder: Der integrative Ansatz im kreativen Schreiben, S. 33. Der Erzähler erfindet Konzepte und sendet Impulse <?page no="78"?> 78 2. Geschichte des Kreativen Schreibens und Multiplikatoren des Literaturbetriebs (in erster Linie Kulturjournalisten und Lektoren) ausgebildet werden. 116 Derartige universitäre Aktivitäten dienen auch der Förderung eines Kreativen Schreibens, das sich vom wissenschaftlichen Schreiben distanziert, das dieses aber nachträglich leserlicher machen kann, indem es jenes literarisiert. 117 Sie vermitteln ferner eine »andere Art des literarischen Wissens« 118 und fundamentieren den Kontakt zwischen Studierenden, Professoren, Buchmarkt und einem allgemeinen Lesepublikum. 119 Anders formuliert: Sie bringen kulturelles Leben an die Universität bzw. Hochschule. So gibt [d]as angloamerikanische Modell- […] viele konkrete Beispiele für den Erfolg einer Ausbildung in Kreativem Schreiben-[…] und auch in Deutschland verzeichnen universitäre Schreibseminare erste Erfolge. Dennoch diskutiert man hierzulande nach wie vor darüber, ob Schreiben lehr- und lernbar sei, anstatt sich auf die Frage zu konzentrieren, in welchem Rahmen und mit welchen Methoden die Schriftstellerausbildung sinnvoll institutionalisiert und in den Fächerkanon integriert werden kann.- […] Vor diesem Hintergrund bilden sich zwei Fronten heraus; auf der einen Seite die »philologiescheuen Autoren«, die separate Institute oder Akademien für Schriftsteller fordern, auf der anderen Seite die »aufgeschlossenen Wissenschaftler«, die eine Integration von Schreibkursen in die traditionellen Universitäten befürworten. 120 Auf der Suche nach praktikablen Modellen zur Autorenausbildung bietet sich auf der einen Seite wiederum das anglo-amerikanische Modell des poet-in-residence in Form von Gastdozenturen für Poetik an, 121 wie es an vielen deutschen Universitäten mittlerweile umgesetzt wird; auf der anderen Seite bleibt das Kreative Schreiben aktuell in Deutschland durch eine Erscheinungsweise definiert, die auf die angeleitete und reflektierende Vermittlung von Formen und Techniken literarischer Expression zurückgreift. 122 ›Erfunden‹ wurde dieses Phänomen, wie ausgeführt worden ist, um 116 Dies wurde z. B. eingefordert in Herholz: »Schreibwerkstätten zwischen Urschrei und Literatur«, S. 240. 117 Dazu näher Gössmann/ Hollender (Hrsg.): Schreiben und Übersetzen. 118 Linthicum: »Diplomstudium Creative Writing: Das amerikanische Modell«, S. 149. 119 Vgl. ebd., S. 150. 120 Glindemann: Creative Writing, S. 79 f. 121 Vgl. ebd., S. 80. 122 Vgl. Ortheil: »Creative Writing«, S. 100. Multiplikatoren des Literaturbetriebs Kontakt zwischen Studierenden, Professoren, Buchmarkt und einem allgemeinen Lesepublikum Techniken literarischer Expression <?page no="79"?> 79 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland 1880 im Zuge einer neuen Praxisorientierung der neueren Philologien bzw. der New Humanities innerhalb der US -amerikanischen Hochschulen und deren Curricula 123 und als neuer akademische Lehr- und Lernbereich beginnt die Etablierung wissenschaftlich praktizierten Kreativen Schreibens in den Praxis-Laboratorien des auslaufenden 19. Jahrhunderts. 124 Heute erfolgt die ›deutsche‹ Betrachtung des Kreativen Schreibens in ähnlicher Weise aus der Tendenz, Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft 125 aufzufassen und sich diesem als »komplexer Kulturtechnik« einschließlich des entsprechenden »kulturellen Schreibraum[s]« zuzuwenden, in dem das materielle/ mediale/ performative Wie des Schreibens, sein intentionales Warum, sein formales/ inhaltliches Was und sein Wozu (Zielorientierung) in »einem bestimmten historischen Moment aufgenommen und zugleich variiert« 126 werden. 127 Zwar hat die kulturwissenschaftliche Wende der Geisteswissenschaften die Literaturwissenschaften umorientiert; 128 das Kreative Schreiben steckt aber trotz der skizzierten Erfolge noch immer regelrecht in den Kinderschuhen. Dennoch existieren zwei Vollzeit-Studiengänge, die für die universitäre Schriftstellerausbildung vorgesehen sind: an der Universität Hildesheim der Bachelorstudiengang Kulturjournalismus und Kreatives Schreiben 129 sowie der Masterstudiengang Literarisches Schreiben und am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig der Bachelor- und 123 Vgl. erneut Dawson: Creative Writing and the New Humanities. 124 Vgl. Harper/ Kroll: »Creative Writing in the University«. 125 Dazu bekanntlich u. a. näher Glaser/ Luserke (Hrsg.): Literaturwissenschaft-- Kulturwissenschaft; Nünning/ Sommer (Hrsg.): Kulturwissenschaftliche Literaturwissenschaft; Schößler: Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft. 126 Porombka: »Abgewandt. Angewandt. Zugewandt«, S. 600. 127 Siehe dazu außerdem auch Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«. Das Kreative Schreiben impliziert aus dieser Sicht, einen Text in der Stoßrichtung des New Historicism als »Gewebe von ›Zitaten‹ aus dem Text der Kultur« (Baßler: »New Historicism und der Text der Kultur«, S. 26) zu verstehen. 128 Vgl. Bachmann-Medick: Cultural Turns; dies. (Hrsg.): Kultur als Text. 129 Siehe dazu u. a. Ortheil: »Der Studiengang ›Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus‹«. Siehe zudem etwa auch ders.: »Lesen Schreiben Deuten«; Porombka: »Verdammt gut fördern«. New Humanities »Komplexe Kulturtechnik« und »kultureller Schreibraum« <?page no="80"?> 80 2. Geschichte des Kreativen Schreibens Masterstudiengang Literarisches Schreiben. 130 In seiner kulturwissenschaftlichen Verortung findet das Hildesheimer enge Verzahnung in einer theoretisch ambitioniert und praktisch berufsorientiert vermittelten sowie auch medienwissenschaftlich geleiteten Schreibwissenschaft; 131 in Leipzig forciert die institutionelle Lehre starke poetologische und literaturtheoretische Inhalte und erhält nicht zuletzt durch die fortlaufende Integration wechselnder literarischer Gastdozenten sowie durch eine Vielzahl an Werkstattmodulen konzentrierten Anwendungscharakter. Die Installierung des Kreativen Schreibens in den deutschen Studienbetrieb hat also durchaus begonnen. Es bleibt allerdings die Aufgabe, zukünftiger Studiengangsgestalter, aus diesem Beginn eine ausdifferenzierte und vielseitige Curriculumsbildung zu machen, die jedem Schreib- Interesse gerecht wird: denjenigen, die beruflich-professionell schreiben wollen, denjenigen, die ›Schreiben‹ in der Schule richtig thematisieren möchten und denjenigen, deren Anliegen es ist, ihr eigenes Schreiben in welcher Hinsicht auch immer grundlegend zu verbessern. 130 Vgl. http: / / www.deutsches-literaturinstitut.de/ studium-und-lehre.html, zul. abgeruf. am 25. 04. 2016. 131 Vgl. die Informationen unter http: / / www.uni-hildesheim.de/ fb2/ institute/ schreiben/ studiengaenge/ , zul. abgeruf. am 25. 04. 2016 sowie auch literaturinstitut-hildesheim.de. Vgl. auch Kap. 5.3. und 7.1. Medienwissenschaftlich geleitete Schreibwissenschaft <?page no="81"?> 81 2.3. Kreatives Schreiben in Deutschland 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens Kreatives Schreiben verlangt immer auch die »intensive Arbeit an Kontexten«: »[E]s geht um das Lesen vor dem Schreiben, um das Lesen während des Schreibens und um das Lesen nach dem Schreiben, das ja eigentlich nichts anderes als das Lesen vor dem Wieder-Weiterschreiben ist.« 1 Was aber soll für einen letztlich produktionsästhetischen Zweck gelesen werden? 2 Bei Mearns sind es zumindest nicht die so genannten Klassiker, die in seinen Creative Writing Classes die Lektüren bedingen, nicht »the reiterated dead giants of the past«, 3 sondern zeitgenössische Autorinnen und Autoren, 4 die als Vorbilder dienen können und deren Werke vor der Folie ihres Nutzwertes, literarisch Schreiben zu lehren, selektiert werden. Das erfordert naturgemäß, den ›üblichen‹ literarischen Kanon permanent zu erweitern. 5 Gerade deswegen steht heute Kanonisierung vor allem in englischsprachigen Creative Writing-Programmen unablässig auf dem Prüfstand. Sandra Lea Meek etwa führt mit Verweis auf Frank Kermodes These, Kanonbildung sei eine strategische Konstruktion gesellschaftlicher Gruppierungen, die dadurch ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen, 6 folgendes aus: […] the »society« of the creative writing program is usually controlled by a small group of professors, who may believe that they can best serve their own interests- - self-serving or altruistic- - by constructing a canon that fits their own aesthetic preferences. While writers may have an interest in the propagation of their own aesthetics, there is nothing inherently calculated and self-serving in teaching what one sees as good writing. The problem occurs when the poet takes on a too narrowly evangelical role. In the workshop, such zeal raises a complicated issue; how can the proponent of a particular 1 Porombka: »Das neue Kreative Schreiben«, S. 174 f.; vgl. auch Earnshaw (Hrsg.): The Handbook of Creative Writing, S. 4. 2 Siehe dazu auch Rudloff: Produktionsästhetik und Produktionsdidaktik. 3 Mearns: »Creative Learning«, S. 165. 4 Vgl. ders.: Creative Youth, S. 50. 5 Vgl. Myers: »The Rise of Creative Writing«, S. 290. 6 Vgl. Kermode: »Institutional Control of Interpretation«. Die »intensive Arbeit an Kontexten« Eine strategische Konstruktion gesellschaftlicher Gruppierungen <?page no="82"?> 82 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens belief system- - aesthetic or religious- - judge if a student-writer, a potential aesthetic convert, is doing well in his own belief system when that »leader« believes her won to bet he true, the chosen one? This kind of missionary attitude, common enough, can be limiting and even debilitating for the student, the potential artist in whom the writing program is supposed to encourage individual artistic growth. 7 Fasst man nun auch ins Auge, dass in Deutschland (wie sich gezeigt hat) Creative Writing nach US -amerikanischem Muster noch regelrecht in den Kinderschuhen steckt und außerdem, dass auf dieses (wie sich ebenfalls bereits erwiesen hat) aufgrund von vor allem genieästhetischer Überzeugungen 8 und Vorbehalten gegenüber diesem als selbst-therapeutisches Instrumentarium 9 seit jeher äußerst zurück haltend reagiert wird, stellt sich die Frage nach der Bedeutung eines theoretischen Gehalts des Creative Writing? 3.1. Die Perspektiven der Theorie Hanns-Josef Ortheil hat erläutert, aus welchen Formen speziell der Poetik sich dieses herleiten ließe und was es in der Gegenwart mit diesen Formen zu tun habe; Ortheil greift dazu auf »einige Ahnherren der Poetik wie Aristoteles oder Horaz« zurück, die er so versteht, »als wären es Abhandlungen, die auch das ›Kreative Schreiben‹ betreffen«: Weil die Literatur über das »Kreative Schreiben« weitgehend ohne ein solches begriffliches oder historisches Denken auskommt, bleibt sie oft blass und ist kaum fundiert. Vielleicht ist das auch der Grund, warum »Kreatives Schreiben« die Literaturwissenschaft bisher noch nicht interessiert hat.-[…] Es ist also an der Zeit, das »Kreative Schreiben« ernst zu nehmen und ihm eine Geschichte zu geben. Deshalb gehe ich hier bis zur Antike zurück, um nach seiner Herkunft und seinen Ursprüngen zu fragen. Indem ich das tue, 7 Meek: »The Politics of Poetics«, S. 86. 8 Vgl. Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur; Ortheil: »Der Studiengang ›Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus‹ an der Universität Hildesheim«, S. 64; Rudloff: »Historische Bezugspunkte kreativen Schreibens«, S. 97. 9 Derart etwa postuliert in Petzoldu/ Orth (Hrsg.): Poesie und Therapie sowie u. a. in Werder: Triffst Du das Zauberwort; ders.: Schreiben als Therapie; ders.: Lehrbuch des kreativen Schreibens. Der theoretische Gehalt des Creative Writing? <?page no="83"?> 83 3.1. Die Perspektiven der Theorie verorte ich das »Kreative Schreiben« als eine Spiel- und vor allem Lesart von Poetik. 10 Es ließe sich die Position Kaspar H. Spinners hinzufügen, der gezeigt hat, in welcher Weise die kreativen Verfahren auch literaturwissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln vermögen, so daß nicht von einem notwendigen Widerspruch zwischen der Freude am Spielerischen, der Entfaltung von Phantasie und der Kundgabe persönlicher Erlebnisse einerseits und der theoretischen Reflexion und der Analyse und Interpretation von Texten andererseits ausgegangen werden muß. 11 Damit steht das Creative Writing im Übrigen auch im Kontext des New Historicism, indem es dazu anleitet, einen Text als »›Gewe- 10 Ortheil: »Aristoteles und andere Ahnherren«, S. 17. 11 Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 79. Hanns-Josef Ortheil wurde am 5. November 1951 als fünfter Sohn von Maria Katharina und Josef Ortheil in Köln geboren. Traumatische Erlebnisse ließen seine Mutter verstummen, so dass er im Alter von drei Jahren selbst für gewisse Zeit mit dem Sprechen aufhörte. Seit frühester Kindheit spielt Ortheil Klavier, machte Abitur in Mainz und studierte schließlich Musikwissenschaft, Philosophie, Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft. 1976 wurde er mit einer Arbeit zur Theorie des Romans im Zeitalter der Französischen Revolution promoviert. Drei Jahre später erfolgte sein literarisches Debüt. Seit 1990 lehrt er-- noch immer als einziger deutscher Universitätsprofessor-- Kreatives Schreiben an der Universität Hildesheim. Hanns-Josef Ortheil gilt heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Gegenwart. Werke u. a.: Fermer (1979)- - Hecke (1983)- - Köder, Beute und Schatten (1985)- - Römische Sequenz (1993)- - Das Element des Elephanten (1994)- - Blauer Weg (1996)- - Lo und Lu (2001)- - Die geheimen Stunden der Nacht (2004)- - Das Verlangen nach Liebe (2007)- - Die Erfindung des Lebens (2009)- - Die Moselreise (2010)- - Das Kind, das nicht fragte (2012)- - Die Berlinreise (2014). New Historicism <?page no="84"?> 84 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens be‹ von ›Zitaten‹ aus dem Text der Kultur« 12 aufzufassen: »Er verdichtet nicht Inneres, sondern etwas, das mit sozialer Energie präformiert und als Image konstruiert worden ist.« 13 Auch dem Kreativen Schreiben kann dabei ein intimes Verhältnis zu Körperlichkeit und Identität zugesprochen werden. Denn dieses äußert sich ja explizit auf der Ebene der Ausführung in einer Bewegung oder Geste, die einerseits ein haptisches Instrumentarium benötigt (zuallererst Hände oder Finger, dann ein Instrumentarium, eine zu beschreibende Oberfläche etc.); andererseits können dessen Tätigkeiten sowohl als spezielle Manifestationen von Selbstpräsenz betrachtet werden als auch von Markierungen eines Selbstverlustes. 14 Auch aus theoretischer Perspektive hilft der Akt des Kreatives Schreibens nicht nur bei der Orientierung oder der Gliederung von Ideen; er manifestiert zudem geradezu die Erscheinungen und mithin Ergebnisse ästhetischer Literatur. Insbesondere die neuere Tendenz des Kreativen Schreibens lässt sich in diesem Zusammenhang dahingehend beschreiben, sich etablierten literarischen Gefügen zu entziehen und grenzüberschreitend übergriffig zu werden. Dieser Befund gewinnt angesichts der wiederum theoretischen Implikationen der so genannten Postmoderne 15 vor der Folie von Autorschafts- und Textgewebetheorien an Deutlichkeit; 16 vor allem aber zeichnet sich hier eine neue Beschäftigung damit ab, was eine Theorie des Kreativen Schreibens überhaupt ist, was 12 Baßler: »New Historicism und der Text der Kultur«, S. 26. 13 Poromobka: »Das neue Kreative Schreiben«, S. 175. 14 Eine gründliche Information zu einer solchen generellen Verortung des Schreibens bietet Giuriato/ Stingelin/ Zanetti (Hrsg.): »Schreiben heißt: sich selber lesen«. 15 Wolfgang Welsch hat in seiner präzisen Bestimmung dieses Terms gezeigt, wie sowohl missverständlich als auch unumgänglich er wurde-- als ›Magie des falschen Namens‹ (vgl. Welsch: Unsere postmoderne Moderne). Jean- François Lyotard bestimmt dabei bekanntlich das »postmoderne Wissen« nicht allein als »Instrument der Mächte«, sondern als Verfeinerung einer »Sensibilität für die Unterschiede« sowie als »Verstärkung« der »Fähigkeit, das Inkommensurable zu ertragen«: »Es selbst« finde »seinen Grund nicht in der Übereinstimmung der Experten, sondern in der Paralogie der Erfinder.« (Lyotard: Das postmoderne Wissen, S. 16) 16 Diese Diskussion leiten noch immer Barthes: »Der Tod des Autors« sowie Foucault: »Was ist ein Autor? «. Markierungen eines Selbstverlustes Autorschafts- und Textgewebetheorien <?page no="85"?> 85 3.1. Die Perspektiven der Theorie es bedeutet, impliziert und welche Beziehungen es als literarische Praktik einzunehmen vermag. 17 3.1.1. Poetik und Kreatives Schreiben Damit sind Fragen aufgeworfen, denen dadurch nachgespürt werden kann, indem die literaturpraktische und schreibreflexive ›Arbeit‹ mit Theorien explizit postmoderner Provenienz darstellend untersucht werden soll. Diese diskursive Konstellation ist ein Ausgangspunkt, der das Thema zum wiederholten Male im Kontext der Poetik sieht, zumal diese als ›Dichtkunst‹ im Sinne einer ›Theorie der Poesie‹, 18 als »Reflexionen über Dichtung, über Voraussetzungen, Funktionen und Effekte dichterischer Texte, über poetische Gattungen, Darstellungsweisen und Kommunikationsformen« 19 nach dem ›Wesen‹ der Literatur wie des Schreibens fragt. Die Forschung hat sich bislang intensiv mit ihrer Geschichte 20 auseinandergesetzt und einzelne ihrer Stationen intensiv betrachtet. 21 Wird der Blick in einer solchen Perspektive auf die Literatur der Gegenwart gerichtet, 22 werden zunehmend eine Reihe poetologischer Erscheinungsformen fokussiert, die eine »wichtige Rolle im Literaturbetrieb« spielen, namentlich »Poetikvorlesungen, Abhandlungen über das Schreiben, seine Bedingungen, Funktionen und Effekte, poetologisch-reflexive Schreibweisen sowie Strategien der Interaktion dichtungstheoretischer Begriffe und Konzepte in fiktionalen Werken«. 23 Insbesondere der 17 Tasos Zembylas und Claudia Dürr haben im Rahmen ihrer wichtigen empirischen Fallstudien zum literarischen Schreibprozess in actu den Begriff der ›Praxis‹ eingehend bestimmt und dabei Theorien und »andere Verdinglichungsformen« als deren »emergente Produkte« klassifiziert (Zembylas/ Dürr: Wissen, Können und literarisches Schreiben, S. 13). 18 Vgl. Meier: »Poetik«, S. 205. Siehe zudem u. a. auch Fricke: »Poetik«. 19 Schmitz-Emans/ Lindemann/ Schmeling: »Vorbemerkung der Herausgeber«, S. VII . 20 Siehe dazu etwa Jung: Poetik; ders.: Kleine Geschichte der Poetik; Petersen: Mimesis-- Imitatio-- Nachahmung; Wiegmann: Geschichte der Poetik. 21 Vgl. exemplarisch Scherpe: Gattungspoetik im 18. Jahrhundert; Stockhorst: Reformpoetik; Trappen: Gattungspoetik. 22 Zur Frage, was Gegenwartsliteratur ist, siehe etwa Braun: Die deutsche Gegenwartsliteratur, bes. S. 15. 23 Schmitz-Emans/ Lindemann/ Schmeling: »Vorbemerkung«, S. XI . Das ›Wesen‹ der Literatur und des Schreibens <?page no="86"?> 86 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens erstgenannte Gegenstand dient oftmals dazu, den ›poetologischen Diskurs der Gegenwart‹ zu erklären. 24 Im Fokus stehen hier die in Theorien wie Poetologien verhandelten und ins Bild gesetzten Phänomenologien des allgemeinen literarischen Schreibens, die auf ihren konkreten Anwendungscharakter im Kreativen Schreiben hin abgeklopft werden können- - insbesondere im Hinblick auf eine Poetik der Literatur der Gegenwart. Hier geht es darum, die Funktion des Kreativen Schreibens als eine literarische ›Arbeit‹ mit Theorie bzw. genauer: insbesondere mit Medien-Theorie zu betrachten. Werden diese theoretischen, postmodernen Überlegungen gegen poetologische Positionen in Stellung gebracht und subvertieren sie somit einen seit dem 18. Jahrhundert vorherrschenden Autorbzw. Künstlermythos, so stellt sich insgesamt auch die Frage, welche literarischen und theoretischen Automatismen dadurch ins Wanken geraten. Diese Stoßrichtung ist für eine tiefer gehende Explikation des Kreativen Schreibens, wie sie im vorliegenden Buch versucht werden soll, in zweifacher Hinsicht interessant: Zum einen kann damit jenen ›Spuren‹ nachgegangen werden, die in der Rezeption von (Medien-)Theorien innerhalb poetologischer Ausführungen auffindbar sind, nicht ohne die begriffliche Problematik eines solchen Projekts bewusst zu machen. 25 Zum anderen ist es auf diese Weise möglich, der Funktion von Theorie für das Kreative Schreiben sowie ihrer Weiterentwicklung in der Gegenwartsliteratur exemplarisch nachzugehen. 26 24 Siehe dazu Volk: Der poetologische Diskurs der Gegenwart. Eine eher thematisch orientierte Darstellung bietet dagegen etwa erneut Wohlleben: Schwindel der Wahrheit. 25 Siehe dazu u. a. Sybille Krämer: »Sprache und Schrift«; dies.: »Das Medium als Spur und als Apparat«; dies.: »Das Medium zwischen Zeichen und Spur«; dies.: »Zur Sichtbarkeit der Schrift«; dies.: »Was also ist eine Spur? «. 26 Vgl. hierzu Ruf: »Über Schreiben schreiben«. Der ›poetologische Diskurs der Gegenwart‹ Rezeption von (Medien-) Theorien <?page no="87"?> 87 3.1. Die Perspektiven der Theorie 3.1.2. ›Spuren‹ zum Kreativen Schreiben Der Begriff der ›Spur‹ 27 taucht in der Philosophie des 20. Jahrhunderts an prominenter Stelle in Benjamins Passagen-Werk auf; er wird darin dem Begriff der ›Aura‹ gegenüber gestellt: 28 »Spur und Aura. Die Spur ist Erscheinung einer Nähe, so fern das sein mag, was sie hinterließ. Die Aura ist Erscheinung einer Ferne, so nah das sein mag, was sie hervorruft. In der Spur werden wir der Sache habhaft; in der Aura bemächtigt sie sich unser.« 29 ›Spur‹ und ›Aura‹ opponieren bei Benjamin, sind aber wenigstens in gleichem Maße aufeinander verwiesen; 30 sie bilden eine »dialektische Einheit«, sofern Benjamin »hinter den Spuren und Zeugnissen des Vergangenen das Lebendige des Augenblicks gegenwärtig zu machen sucht«. 31 Der ›Spur‹-Begriff bei Benjamin bezieht sich, wie er in seinem Passagen-Werk weiter erläutert, auf etwas, das-- als »Witterung einer Schwelle« oder eines »Tastbewußtseins« 32 - - nahe ist und gleichzeitig auf etwas Fernes verweist, von dem es herrührt; es handelt sich um die »Spur eines Abwesenden«, 33 die »entziffert« 34 werden muss. ›Spuren‹ sind, so Benjamin, »Winke und Weisungen«, die ein »Ort«, »schon rege geworden, sprachlos, geistlos gibt«; sie zeigen nicht auf etwas ihnen »Vorgängiges«, sondern wecken »eine erstaunliche Resonanz«. 35 Ob ›Spuren‹ solchermaßen zu einem Anderen ihrer selbst führen 36 oder ob darin, um eine Überlegung Derridas aus La differánce aufzugreifen, der Ausdruck einer sich jeweils entziehenden bzw. niemals vollständig einholbaren ›Präsenz‹ zu sehen ist, ist 27 Etymologisch kann ›Spur‹, wie es im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm erklärt wird, von germ. ›spor‹ in der Bedeutung von ›Fußabdruck‹ über mhd. ›spor‹, ›spur‹, ›spür‹ für ›Fährte‹ zurückverfolgt werden. Vgl. Grimm/ Grimm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 1, S. 235. 28 Siehe dazu u. a. Jauß: »Spur und Aura«. 29 Benjamin: Das Passagen-Werk, S. 560. 30 Vgl. Menke: Sprachfiguren, S. 360. 31 Stierle: »Aura, Spur und Benjamins Vergegenwärtigung des 19. Jahrhunderts«, S. 45. 32 Benjamin: Das Passagen-Werk, S. 524. 33 Menke: Sprachfiguren, S. 362. 34 Ginzburg: »Indizien: Morelli, Freud und Sherlock Holmes«, S. 136. 35 Benjamin: Das Passagen-Werk, S. 514. 36 Vgl. ebd., S. 165. Benjamins Passagen- Werk Derridas La differánce <?page no="88"?> 88 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens zu unterscheiden; Derrida spricht von etwas sich Aufschiebendem, von etwas aus Differenzen Gewebtem, das Repräsentanten entsendet, wobei keine Möglichkeit besteht, »daß der Vertretene ›selbst‹ irgendwo ›existiert‹, gegenwärtig ist, und noch weniger, daß er bewußt wird«: »Diese radikale Andersheit im Verhältnis zu jeder möglichen Gegenwart äußert sich in irrediziblen Effekten des Nachher, der Nachträglichkeit«. 37 ›Spuren‹ können für Derrida »selbst nie auftreten, erscheinen und sich als solche in ihrem Phänomen offenbaren«: 38 Da die Spur kein Anwesen ist, sondern das Simulacrum eines Anwesens, das sich auflöst, verschiebt, verweist, eigentlich nicht stattfindet, gehört das Erlöschen zu ihrer Struktur. Nicht nur jenes Erlöschen, dem sie stets muß unterliegen können, sonst wäre sie nicht Spur, sondern unzerstörbare und monumentale Substanz, vielmehr jenes Erlöschen, welches sie von Anfang an als Spur konstituiert, als Ortsveränderung einführt und in ihrem Erscheinen verschwinden, in ihrer Position aus sich hinausgehen läßt.-[…] Paradox an einer solchen Struktur ist- […]: das Anwesende wird zum Zeichen des Zeichens, zur Spur der Spur. Es ist nicht mehr das, worauf jede Verweisung in letzter Instanz verweist. Es wird zu einer Funktion in einer allgemeineren Verweisungsstruktur. Es ist Spur und Spur des Erlöschens der Spur. 39 ›Spuren‹ setzt Derrida in ein Bild, indem er sie mit dem »Draußen eines Textes« vergleicht, das er »[m]ehr oder minder als sein[en] eigene[n] Rand« denkt 40 - - auch dies ein deutlicher Hinweis auf deren theoretische Bedeutung für das Kreative Schreiben. Es geht Derrida um die Bezeichnung der endlichen Anwesenheit des ›supplementierten‹ Abwesenden, was »weder als bloßes Anzeichen noch als- - bereits unmöglich gewordener- - Ausdruck 37 Derrida: »Die différance«, S. 49 f. 38 Ebd., S. 52. 39 Ebd., S. 53. 40 Ebd., S. 55. Das »Draußen eines Textes« <?page no="89"?> 89 3.1. Die Perspektiven der Theorie angesehen wird« 41 - - und dies innerhalb der ›Schrift‹. 42 In De la grammatologie führt er aus: Es gilt-[…] zu erkennen, daß die Differenzen im spezifischen Bereich jenes Eindrucks und jener Spur- - in der Temporalisation eines Erlebten, welches weder in der Welt noch in einer »anderen Welt« ist, und in der Zeit nicht eher als im Raum ist-- hier zwischen den Elementen in Erscheinung treten, besser noch, sie produzieren, sie als solche an die Oberfläche dringen lassen und Texte, Ketten und Systeme von Spuren konstituieren. Diese Ketten und diese Systeme können sich nur im Gewebe jener Spur, jenes Abdrucks einzeichnen. Die unerhörte Differenz zwischen dem Erscheinenden und dem Erscheinen (zwischen der »Welt« und dem »Erlebten«) ist die Bedingung für alle anderen Differenzen, alle anderen Spuren, sie ist selbst schon eine Spur. Und dieser Begriff ist schlechthin und rechtens »älter« als das ganze physiologische Problem der Natur des Engramms, als das ganze metaphysische Problem des Sinns der absoluten Präsenz, deren Spur sich damit entschlüsseln läßt. In Wirklichkeit ist die Spur der absolute Ursprung des Sinns im allgemeinen- […]. Die Spur ist die Differenz, in welcher das Erscheinen und die Bedeutung ihren Anfang nehmen. 43 Emmanuel Levinas bedient sich des Begriffs der ›Spur‹, um den Unterschied zwischen einer dem Ich wahrnehmbaren Welt und einer unbegreiflichen Transzendenz zu beschreiben (darin ist er sich mit Benjamin und Derrida- - grundsätzlich- - einig); gleichwohl grenzt ihn Levinas ab vom Zeichenbegriff, um die ›Spur‹ »aus der Fixierung auf begreifbare Phänomene herauszulösen« 44 41 Zeilinger: Nachträgliches Denken, S. 86. Siehe auch weiter ebd.: »Kennzeichen der Spur ist es, den (endlichen) Signifikanten auf das ihm ›Vorgängige‹ zu überschreiten ohne diese ›Transzendenz‹ in einem Ursprung enden bzw. anfangen lassen zu wollen. Die Spur ist dabei dem verschwundenen Ursprung viel näher als der metaphysische Ausdruck seiner idealen Bedeutung, denn die Zeichenstruktur trennt die endliche Spur nicht vom Ursprung, sondern: das Zeichen, der Signifikant, ist die Nähe der Spur und des Ursprungs.« 42 Zu einer Diskussion des ›Schrift‹-Begriffs bei Derrida insbesondere aus praktischer Perspektive siehe Küster: Geordnetes Weltbild, S. 4-16. Siehe dazu insgesamt wiederum Gumbrecht/ Pfeiffer (Hrsg.): Schrift sowie Grube/ Kogge/ Krämer (Hrsg.): Kulturtechnik Schrift. David E. Wellbery hat dazu die Implikationen des poststrukturalistischen Terms von Schrift und Schreiben aufgezeigt (vgl. Wellbery: »Die Äußerlichkeit der Schrift«). 43 Derrida: Grammatologie, S. 113 f. 44 Zimmermann: »Die Wunde in der Darstellung«, o. S. Siehe auch weiter ebd.: »Eine zeichenvermittelte Erkenntnis wird durch einen vertrauten, Eine unbegreifliche Transzendenz <?page no="90"?> 90 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens und die Begegnung mit dem transzendent ›Anderen‹ zu denken. 45 In De Dieu qui vient à l’idée heißt es entsprechend: Das Andere des Anderen ist nicht eine verstehbare Form, die im Prozeß des intentionalen ›Enthüllens‹ an andere Formen gebunden ist, sondern ein Antlitz, die proletarische Nacktheit, die Mittellosigkeit; das Andere ist der Andere; das Herausgehen aus sich selbst ist die Annäherung an den Nächsten; die Transzendenz ist Nähe, die Nähe ist Verantwortung für den Anderen, Stellvertretung für den Anderen, Sühne für den Anderen, Bedingung-- oder Un-Bedingung- - der Geiselschaft; die Verantwortung als Antwort auf das vorgängige Sagen; die Transzendenz ist Kommunikation-[…]. 46 Die wahrgenommene Andersheit ist für Levinas ›spurenhaft‹; der Andere, der, so Levinas in Le Temps et l’Autre, »erreicht wird, ohne sich als berührt zu erweisen«, 47 offenbart sich als »Bedeuten jenseits von Bedeutsamkeit«, als ›Antlitz‹: »Kraft seiner Epiphanie als Antlitz hört der Andere auf, eine wahre Vorstellung, ein Zeichen zu sein, über welches das Identitätsprinzip des Bewusstseins zu verfügen in der Lage wäre.« 48 Nach dem Antlitz des Anderen zu sein, bedeutet für Levinas, »sich in seiner Spur [zu] befinden«; zu »ihm hingehen heißt nicht, dieser Spur, die kein Zeichen ist, [zu] folgen, sondern auf die Anderen zu[zu]gehen, die sich in der Spur halten.« 49 Derartige ›Spuren‹ als ›Winke und Weisungen‹ im Sinne Benjamins, als ›anwesendes Abwesendes‹ im Sinne Derridas wie als ›Zugehen auf die Anderen‹ im Sinne Levinas sind in der Poetik der Gegenwartsliteratur und damit für eine Theorie des Kreativen konventionalisierten Verweisungszusammenhang hergestellt, in dem man etwas durch etwas anderes zu verstehen meint. Zeichen, die solchermaßen einer dem Ich vorgängigen Welt angehören, stehen vor allem im Dienste von Mitteilungen. Zeichen funktionieren somit im Sinne einer ›Philosophie des Selben‹, welche den oder das Andere aus der Perspektive der Identifizierbarkeit heraus betrachtet. Sie überführen das Abwesende (Signifikat) qua Repräsentation (Signifikant) in Anwesenheit und machen es damit dem Erkenntnishorizont in der Perspektive des Selben verfügbar.« 45 Dies gilt auch für Levinas Kunst- und Ästhetikbegriff. Dazu näher Esterbauer: »Schattenspendende Moderne.« 46 Levinas: Wenn Gott ins Denken einfällt, S. 42 f. 47 Ders.: »Die Spur des Anderen«, S. 216. 48 Zimmermann: »Die Wunde in der Darstellung«, o. S. 49 Levinas: »Die Spur des Anderen«, S. 235 f. Levinas’ De Dieu qui vient à l’idée Poetik der Gegenwartsliteratur <?page no="91"?> 91 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben Schreibens auf verschiedenen Ebenen identifizierbar; derartige ›Spuren‹ kommen darin auf zweifache Weise vor: ganz konkret, wenn diese namentlich benannt und/ oder von ihnen aus Reflexionen zur Konstitution von Schrift, Sprache und Schreiben unternommen werden, und sozusagen getarnt, wenn Topoi der Schreibtheorie als Medientheorie aufgerufen sind. Diese poetologischen Ausführungen sind mehr oder weniger dicht durchzogen von direkten und indirekten Zitaten, die im engeren oder weiteren Zusammenhang mit schreibbzw. medientheoretischen Ideen stehen. 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben Exemplarisch kann dieser Befund anhand der Poetikvorlesungen eines Gegenwartsautors demonstriert werden, dessen Person und Werk zwar nicht auf den ersten Blick genannt wird, wenn es um Theorien des Kreativen Schreibens geht, dessen Person und Werk allerdings das Interesse der Literaturwissenschaft in auffälliger Weise mehr und mehr befördert: 50 Uwe Timm gilt als »Glücksfall« 51 der Philologie, zumal er sich seit seinen schriftstellerischen Anfängen in den 1970er-Jahren wiederholt mit den theoretischen Grundlagen seiner literarischen Tätigkeit beschäftigt hat; so seien es »nicht allein die Themen«, »die ihn beim Schreiben leiten«, sondern vor allem »die Formfragen«, und er habe »für jeden Roman eine eigene, bezwingende Form gefunden«. 52 Monographisch veröffentlicht sind Timms Beschäftigungen mit Form und Theorie des Schreibens vor allem in zwei Büchern, die die Titel Erzählen und kein Ende (1993) sowie Von Anfang und Ende. Über die Lesbarkeit der Welt (2009) tragen und auf die sich daher hier konzentriert werden kann. Auszugehen ist bei ihnen von einer 50 An Studien seien hervorgehoben Basker (Hrsg.): Uwe Timm; ders. (Hrsg.): Uwe Timm II ; Cornils/ Finlay (Hrsg.): »(Un-)erfüllte Wirklichkeit«; Durzak/ Steinecke (Hrsg.): Die Archäologie der Wünsche; Hielscher: Uwe Timm; Kutzmutz (Hrsg.): Uwe Timm-- lauter Lesarten; Malchow (Hrsg.): Der schöne Überfluß; Marx (Hrsg.): Erinnern, Vergessen, Erzählen; Text- + Kritik 195 (2012): Uwe Timm. 51 Kammler: »Uwe Timm-- ein Archäologe des Alltags«, S. 8. 52 Greiner: »Warum Uwe Timm ›Schwaan‹ mit zwei a schrieb«, o. S. Poetikvorlesungen eines Gegenwartsautors Erzählen und kein Ende-- Über die Lesbarkeit der Welt <?page no="92"?> 92 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens Beobachtung, die auch an anderer Stelle betont worden ist: 53 So sehr Timms Poetik in den meisten vorliegenden Studien als Explikationshilfe der jeweiligen Einzel- oder Gesamtuntersuchung dient, 54 so selten ist sie selbst in den Mittelpunkt einer Lektüre gestellt worden. 55 Gleiches gilt speziell für neuere, ausdrücklich medientheoretisch orientierte Arbeiten, die Uwe Timms Literatur anhand dieser Theorie erhellen, in denen aber seine poetologischen Texte allenfalls beiläufig Erwähnung finden. 56 Gleichwohl zeigen solche Untersuchungen die Richtung, in die die Uwe Timm-Forschung zwar bereits erste Schritte, jedoch noch nicht ganze Wege gegangen ist: Theorie bzw.-- explizit-- Medientheorie 57 ist für Uwe Timm, so der Ausgangsbefund, ein bedeutendes Thema, und dies nicht allein als Mittel, seine literarischen Werke theoretisch zu lesen (respektive lesen zu lassen), sondern als Referenz, vor der sich schließlich seine Literatur(theorie) als eine Ästhetik des Alltags entwickelt, 58 die letztendlich nichts anderes darstellt als eine theoretisch avancierte Theorie des Kreativen Schreibens. 3.2.1. »Produktionsbedingungen« und »schreibtechnische Dinge« Uwe Timms Referenzen auf medientheoretische Konzeptionen stehen zu Beginn seiner Poetikvorlesung an der Universität Paderborn im Wintersemester 1991/ 92, die unter dem Titel Erzählen und kein Ende veröffentlicht worden sind, im Zeichen medientechnischer Voraussetzungen, wenn er diese mit einem »Blick in den höllischen Maschinenraum« vergleicht und als Erstes auf das 53 Vgl. Kammler: »Uwe Timm«, S. 8. 54 Etwa bei Gockel: »Vom ästhetischen Nutzen der Currywurst«, S. 234 f. 55 Eine Ausnahme stellt dar Schöll: »›der Autor, ich‹«. 56 So bei Oliver Jahraus, der einen »medientheoretisch geschulte[n] Blick« auf Timms Erzählkonstellation wirft (vgl. Jahraus: »Totenrede und Roman«, S. 173). 57 Dazu einführend Faulstich: Medientheorien; Kloock/ Spahr: Medientheorien; Lagaay/ Lauer: Medientheorien; Leschke: Einführung in die Medientheorie; Mersch: Medientheorien zur Einführung; Schanze (Hrsg.): Metzler Lexikon Medientheorie und Medienwissenschaft; Roesler/ Stiegler (Hrsg.): Grundbegriffe der Medientheorie; dies.: Philosophie in der Medientheorie; dies.: Was ist ein Medium? 58 Vgl. Timm: »Der Blick über die Schulter oder Notizen zu einer Ästhetik des Alltags«. Ästhetik des Alltags <?page no="93"?> 93 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben »Schreibenlernen« im Sinne der Nachahmung von Schriftzeichen wie einer »Ausrichtung«, d. h. der »Erziehung zu folgerichtigem Denken«, zu sprechen kommt. 59 Hier rekurriert er wörtlich auf Vilém Flussers Essay Die Schrift, über den es heißt, Flusser habe darin »darauf hingewiesen, wie das Alphabet das Denken, das sich in vorschriftlichen Kulturen im Kreise bewegte, bildhaft, also mythisch war, linear ausgerichtet hat«: »Wie durch die Buchstaben Bildhaftes in Zeichen umgesetzt wurde und wie das Schreiben mit dem Alphabet eine nach innen gewandte Geste ist, die den Schreiber in sich hineinhorchen läßt, Vorstellungen und Kausalitäten schafft und sich dann wieder, und zwar ausdrücklich, nach außen wendet, also auf einen Leser zielt.« 60 Flussers Medientheorie als Fundament und Folie von Timms Poetologie von Schrift und Schreiben 59 Timm: Erzählen und kein Ende, S. 7, 10. 60 Ebd. »Schreibenlernen« im Sinne der Nachahmung von Schriftzeichen Uwe Timm wurde am 30. März 1940 in Hamburg als drittes Kind des Ehepaares Anna und Hans Timm geboren. Im Alter von drei Jahren führte ihn die Evakuierung während des Zweiten Weltkrieges nach Coburg. Im Spätsommer 1945 kehrte die Familie in die Hansestadt zurück. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Timm eine Kürschnerlehre und übernahm 1958 das hoch verschuldete Pelzgeschäft seines kurz zuvor verstorbenen Vaters. Später absolvierte er dann das Braunschweig-Kolleg, veröffentlichte erste Gedichte und studierte nach dem Abitur in München Philosophie und Germanistik, zwischenzeitlich auch in Paris. Seit Schulzeiten links-alternativ geprägt engagierte er sich im Sozialistischen Deutschen Studentenbund und verfasste mithin Agitprop-Lyrik und Straßentheaterstücke. Ein Zweitstudium der Soziologie und Volkswirtschaft brach er ab. 1971 promovierte er über Albert Camus und ist seither als freier Schriftsteller tätig. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die literarischen Bücher Heißer Sommer (1974), Morenga (1978), Kerbels Flucht (1980), Der Mann auf dem Hochrad (1984), Der Schlangenbaum (1986), Rennschwein Rudi Rüssel (1989), Die Entdeckung der Currywurst (1993), Johannisnacht (1996), Rot (2001), Am Beispiel meines Bruders (2003), Der Freund und der Fremde (2005) sowie Vogelweide (2013). <?page no="94"?> 94 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens findet sich hier ausdrücklich erwähnt; am Nächsten kommt er ihr in der Überlegung, die Schrift sei damit »im ursprünglichen Sinne politisch«, 61 womit Timm nicht nur Flusser weiter denkt, sondern auch Ergebnisse der jüngsten literaturwissenschaftlichen Schreibprozessforschung vorweg nimmt. 62 An dieser Stelle, an der Timm seine eigenen Erfahrungen beim Erlernen von ›Rechtschreibung‹ im Sinne eines Erlernens »des Alphabets, der Schrift« rekapituliert, wird dessen Wirkung mit einer Zwanghaftigkeit gleichgesetzt; sie will er allein schon in der »Form der Schrift« erkennen; es sei die »Rechtschreibordnung, die, wie ein Korsett der gesprochenen Sprache« anliege, sie verfeinere, gliedere, aber auch beenge- - im Rechtschreiben liege ein »permanenter Zwang«, der nur ertragbar werde, »weil wir ihn so lange einüben, daß wir ihn schließlich nicht mehr oder kaum noch bemerken«. 63 Die konkrete Konsequenz, die Timm mit Flusser aus einer solchen Lernerfahrung zieht, besteht darin, dass er die eigene Schriftsprachlichkeit an der Mündlichkeit ausgerichtet sieht, und dies vor allem mit Hilfe eines ›Werkzeuges‹: durch Erzählen. 64 Von einer solchen, von Irritation und Unsicherheit geprägten Schreiberfahrung leitet Timm auf die Form des literarischen Schreibens über; er privilegiert das mündliche Erzählen, das ihm im Alltag am Deutlichsten ausgeprägt erscheint, und stellt es in eine Reihe mit dem literarischen Erzählen, jedoch mit einer zentralen Differenz: Ein wesentlicher Unterschied zwischen alltäglichem Sprechen/ Erzählen und dem literarischen liegt für ihn in dessen Interesse für »gesellschaftlich unbewußte Verhaltensmuster«, für »Wahrnehmungsmuster« und »Wahrnehmungsmodelle« durch und von Literatur, die ein »anderes Sehen, Hören, 61 Ebd. Siehe dazu wiederum auch Vilém Flussers eigene Ausführungen: »Für wen bin ich da, wenn ich schreibe? So lautet in einer von Schriften beherrschten Gesellschaft die politische Frage: Texte schreiben (und sie publizieren) ist in einer derartige Gesellschaft die eigentlich politische Geste. Alles übrige politische Engagement folgt auf Texte und befolgt Texte.« (Flusser: Die Schrift, S. 43) 62 Vgl. erneut Morgenroth/ Stingelin/ Thiele: »Politisches Schreiben«. 63 Timm: Erzählen und kein Ende, S. 10 f. 64 Timm erinnert sich: »Ich bog den Druck durch Erzählen ab, wobei ich, auf die Situation, das Bild konzentriert, die Wörter in der schriftlichen Form variierte, die Schreibweise nach Klang und Rhythmus umbaute.« (Ebd., S. 12) »Form der Schrift« »Wahrnehmungsmuster« und »Wahrnehmungsmodelle« durch und von Literatur <?page no="95"?> 95 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben Riechen, Fühlen und auch Denken« evozieren. 65 Darin bleibt aber der Modus der Schrift-Produktion zentral, d. h. die »Produktionsbedingungen« und »schreibtechnischen Dinge« von und in der Literatur, 66 womit Timm wiederum an Flusser anschließen kann. 67 Wie dieser hebt er seine Neugierde für Arbeits- und Schreibtische hervor, wenn er bedenkt, dass es eine »vertrackte, höchst komplizierte Homologie« zwischen »dem Schreibtisch, der Lampe und dem, was und wie geschrieben wird«, gebe. 68 Timm konstituiert aus dieser ›Schreibtisch-Lage‹ seine ›Schreib-Ästhetik‹ als jene bereits erwähnte ›Ästhetik des Alltags‹. Er sagt etwa über das ›Aussehen‹ von Schreibtischen: »Der angespitzte Bleistift, das aufgeschlagene Buch, der Zettel, der Kleber-Stick, die Zeitung, die Tasse Kaffee, die Blumen in der Vase, all diese Dinge tragen etwas von jener scheinbar belanglosen Zufälligkeit in sich, als etwas von dem Alltäglichen.« 69 Vom ›Aussehen‹ von Schreibtischen schließt Timm keineswegs auf die »Qualität der darauf geschriebenen Literatur«, erkennt darin jedoch, wie er es mit Baudrillard bestimmt, ein System der Dinge, das als Momentaufnahme des Schreibtisches darüber etwas aussagt, was den Schreibenden »zum jeweiligen Zeitpunkt beschäftigt oder auch beeinflußt hat.« 70 Baudrillard erblickt in seinem gleichnamigen, von Timm zitierten Buch einem solchen System entsprechend eine »ergiebige Quelle der Entwürfe und Vorstellungen«; 71 Timm hebt hier die »den Dingen anhaftenden Geschichten« 72 hervor, was er mit einem Beispiel demonstriert: Er beschreibt seinen eigenen Schreibtisch, auf dem sich ein »kleiner silberner Stab, den man aufschieben kann zu einem Zahnstocher«, befinde, den er »früher zum Reinigen der Schreibmaschinentypen« benutzt habe- - und der im Übrigen auch zum Anlass für seinen Roman Der Mann auf dem Hochrad (1984) wurde. 73 65 Ebd., S. 17. 66 Ebd., S. 19. 67 Vgl. Flusser: Die Schrift, S. 124-130. 68 Timm: Erzählen und kein Ende, S. 20. 69 Ebd., S. 21. 70 Ebd., S. 22 f. 71 Baudrillard: Das System der Dinge, S. 40. 72 Timm: Erzählen und kein Ende, S. 24. 73 Ebd., S. 26. System der Dinge <?page no="96"?> 96 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens Für den vorliegenden Kontext entscheidender als dieser eher motivische Aspekt ist der materialästhetische: Timms poetologischer Text thematisiert ausgehend von der ›Unterlage‹ und dem ›Ort‹ des Schreibens (dem Schreibtisch) sodann dessen Werkzeug in seiner modernen Form, d. h. als PC bzw. Laptop, womit Timm erneut Flusser folgt. Bei Timm heißt es etwa über das Schreiben am Computer: »Die Schrift leuchtet auf, ein Prozeß ähnlich dem, denke ich, wie er auch im Kopf stattfindet, denn das Denken hat auch mit elektrischen Strömen zu tun«; 74 und bei Flusser: »Daß Denken ein Vorgang ist, der mit Elektronen, Protonen und ähnlichen Teilchen zu tun hat, ist eine Erkenntnis«, 75 wobei Timm ausdrücklich auch Flussers Begriff der ›informatischen Revolution‹ 76 anführt. 77 74 Ebd., S. 28. 75 Flusser: Die Schrift, S. 140. 76 Vgl. Timm: Erzählen und kein Ende, S. 28. 77 Vgl. Flusser: Die Schrift, S. 141 f.: »Aus diesem einsetzenden Nachdenken über das Denken ist unter anderem und vor allem die ›informatische Revolution‹ entstanden. Es ist eine Revolution, weil sie den Ausgangspunkt zur Welt und zum Menschen umdreht. Sie geht nicht mehr von den soliden Sachen aus (von den Molekülen), sondern von Teilchen wie Elektronen und Protonen, also von der Ebene des Denkens. Eben deshalb kann sie, von unten kommend, die soliden Sachen, inklusive die Menschen als Körper, radikaler verändern als alle vorangegangenen Revolutionen. Von der Veränderung, die sie in den Menschen als denkenden Sachen bewirkt, ganz zu schweigen. Obwohl diese Revolution erst im Ansatz ist, kann man an ihr doch schon einige Grundzüge erkennen. Sie erlaubt zum Beispiel, die soliden Sachen als bloße Erscheinungen technisch (und nicht nur philosophisch) zu durchblicken, und also muß die Welt dieser Sachen immer uninteressanter werden. Sie erlaubt weiterhin, Teilchen auf Schirmen sichtbar zu machen, sie dort zu Bildern zu komputieren, und also muß die Welt dieser Teilchen immer interessanter werden. Drittens erlaubt sie die Herstellung automatischer Denk- und Arbeitsmaschinen, die auf gelenkten Teilchensprüngen beruhen, und also müssen alle mit Denken und Arbeiten verbundenen Werte umgewertet werden. Und sie erlaubt schließlich, Denkprozesse unter einem neuen Gesichtspunkt, jenem der Informatik, zu analysieren und zu synthetisieren, und also müssen wir anders denken lernen.« Materialästhetik und Neue Medien <?page no="97"?> 97 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben 3.2.2. Rezeptionsästhetische Potentiale Uwe Timms Poetik referiert derartige Medientheorie der Schrift und des Schreibens und vollzieht sie bis zu einem gewissen Grad nach, untersucht sie quellenkundig. Er folgt, wiederum mit Benjamin 78 gesagt, ihren ›Winken und Weisungen‹ und analysiert sie anhand seiner eigenen Situation als Schreibender und Schriftsteller, die sowohl als Voraussetzung wie als Resultat dieser ›Spuren‹ 79 im Spiel ist. Das liegt einerseits daran, dass diese Anschauung der Konstruktion von Schrift und Schreiben von medienhistorischen und äquivalent schreibtechnischen Entwicklungen begleitet ist, so die Verdrängung der Schreibmaschine von elektronischen bzw. digitalen Anwendungen. 80 Andererseits sind es Timms eigene, insbesondere auch medientheoretischen Leseerfahrungen, die in seiner Poetik als ›Abwesende‹ 81 permanent präsent sind- - er geht auf diese buchstäblich zu und stellt sich dazu der Einsicht in eine Medienkritik anheim, die er aus seiner Sprachkritik entwickelt (z. B. wenn er mit Roland Barthes über die ›irritierende Distanz zur Sprache‹ reflektiert). 82 Für diese Einsicht muss er das rezep- 78 Dass Uwe Timm ebenfalls ein Benjamin-Leser ist, zeigt sich, wenn er dessen Essays über Goethes Wahlverwandtschaften, über den Begriff der Geschichte und den Erzähler wörtlich zitiert. Vgl. Timm: Erzählen und kein Ende, S. 21, 41, 57, mit Benjamin: »Goethes Wahlverwandtschaften«; ders., »Der Erzähler«; ders.: »Über den Begriff der Geschichte«. 79 Timm sagt im Übrigen selbst: »So gibt es so viele Gründe für das Erzählen wie für das Zuhören: Neugierde, Belehrung, Zeitvertreib, Lust am Spiel mit der Wirklichkeit, denn man folgt einer Spur, die nicht wirklich ist, aber doch wahr.« (Timm: Erzählen und kein Ende, S. 78) 80 Siehe dazu etwa die Beiträge in Giuriato/ Stingelin/ Zanetti (Hrsg.): »System ohne General«. 81 Im Essay Die Stimme beim Schreiben zitiert Timm mithin aus einer Studie Albrecht Koschorkes (Körperströme und Schriftverkehr) den Satz: »Der Weg der Schrift besteht darin, Körper und Sinne ins Abwesende zu verschieben; und dort, im Zustand ihres physischen Todes, können sie als Produkte der Phantasie widerstehen« und bewertet diesen als »sehr schöne« Wiedergabe des Prozesses des Schreibens wie des Lesens. Vgl. Timm: »Die Stimme beim Schreiben«, S. 403. 82 Timm greift Roland Barthes Antrittsvorlesung am Collège de France auf (vgl. Timm: Erzählen und kein Ende, S. 49, mit Barthes: Leçon/ Lektion) und folgert daraus u. a.: »Die irritierende Distanz zur Sprache ist der Grund für ein in der Literatur experimentelles, im Alltag spielerisches Umgehen mit Medientheorie der Schrift und des Schreibens Medienkritik <?page no="98"?> 98 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens tionsästhetische Potential des literarischen Erzählens schließlich gegenüber demjenigen des Massenmedialen unterstreichen. In diese Richtung begibt sich die Motivierung und Plausibilisierung von Timms Einsicht, die sich ihm im Lesen offenbart. Er erklärt: Ich sehe im Lesen denn auch eine Chance, sich gegen die Opulenz des Visuellen zu wehren. Und gerade die Prosa kann hier-[…] ihre Möglichkeiten entfalten. Sie kann-- unspektakulär und leise-- Bilder wieder aufbrechen, die wir uns von der Wirklichkeit selbst gemacht haben. Das sind Bilder, die sich in der Sprache verankern und darum sehr resistent sind.-[…] Das Aufsprengen des Bildes, die Auflösung der Wiederholung der Sprache wären solche Möglichkeiten des Erzählens, ein Nachfragen nach den Ursachen, sozusagen eine Alltags-Archäologie, ein Aufsplittern der Kausalzusammenhänge, um neue, andere Zusammenhänge zu finden. 83 All dies vollzieht sich auf dem Grund der Privilegierung des schriftlichen Erzählens. In seinen Frankfurter Poetikvorlesungen, mit denen jene 2009 zum letzten Mal im »legendären« 84 Hörsaal VI der Goethe-Universität stattgefunden haben und die die »dichihr. Neue Formen können erprobt werden, das Wort kann im Mund buchstäblich um und um gedreht werden. Durch Kombination kann eine neue Konnotation erreicht werden, winzige Sinnerweiterungen, auch Sinnverwirrungen, eine Destruktion eingefahrener Sprachabläufe, bestimmter Worte, Floskeln, Begriffe, ja sogar der Satzzeichen. Dieses Ver-kehren, Um-drehen, Über-tragen von Bildern, das Auf-splittern von Sinnzusammenhängen gibt es auch im alltäglichen Sprechen. Wenn auch mit der Einschränkung, daß sie durch die Omnipotenz des Geredes in den Massenmedien belang- und damit wirkungsloser werden.« (Timm: Erzählen und kein Ende, S. 55) An anderer Stelle rekurriert Timm dann auch auf Barthes Mythen des Alltags (vgl. ebd., S. 116). 83 Ebd., S. 132 f. 84 »Der legendäre ›Adorno-Hörsaal‹ VI der Frankfurter Goethe-Universität war überfüllt wie seit den Kampfzeiten nicht mehr, als Uwe Timm, der in diesem Semester die Poetikdozentur bekleidete, im fünfzigsten Jahr dieser Einrichtung, seinen Vorlesungszyklus eröffnete. Man saß auf Bänken und Pulten, alle Seitengänge und selbst die Zugänge waren verstopft. In großer Zahl erschienen war das im vormals umkämpften Frankfurter Westend längst sesshaft gewordene und daselbst ergraute linke Bildungsbürgertum.-[…] Zu hören waren dann aber in geballter Verdichtung fünf konzise poetologische Vorlesungen, die es in sich hatten und deren Vortragender seiner Aufgabe präzise, konzentriert und beherzt nachkam.- […] Ein würdiges Ende, auch für den ›Adorno-Hörsaal‹, der vor dem Abriss steht.« (Breidecker: »Der Autor im Hall der Gedanken«, o. S.) Privilegierung des schriftlichen Erzählens <?page no="99"?> 99 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben terisch schönsten Poetikvorlesungen, die in Frankfurt gehalten [wurden]«, genannt worden sind, da sie »zeigen, was Poetologie leisten kann, wenn sie bildhaft konkret und zugleich philosophisch präzise formuliert ist«, 85 sagt Timm deutlich über die »Arbeit des Schriftstellers, der nicht nur Sprache montiert oder Vorgedachtem nachschreibt«, in ihr setze »notwendig die Reflexion auf das Erzählen und seinen Gegenstand ein, die es vom Naivem, Mündlichen abhebt, strukturiert und selbstreflexiv gestaltet«. 86 Auch hier betont Timm den Zusammenhang zwischen Schrift, Schreiben, Erzählen und den Schreibwerkzeugen, indem er Erinnerungstheorie ins Spiel bringt: 87 Kalliope, die Muse der epischen Dichtung und der Wissenschaft, wird meist mit Schreibtafel und Griffel oder Buchrolle dargestellt. Ihre Schwester Klio, Muse der Geschichtsschreibung, ebenfalls mit Schriftrolle und Griffel, zuweilen auch mit einer Bücherkiste. Das Bemerkenswerte daran ist, diese Abkömmlinge der Erinnerung werden früh schon mit Schreibutensilien, also mit dem Schreiben verbunden. Sie stehen nicht mehr nur- […] für die individuelle Erinnerung, sondern für die schon festgeschriebene, auch übertragbare, es geht um das, was nicht nur dem einzelnen Gedächtnis eingeschrieben ist, sondern einen kulturellen Speicher gefunden hat, also um eine fixierte Erinnerung, die mit ihrer Fixierung wiederum ins kulturelle Gedächtnis eingeht. 88 3.2.3. Produktionstheorie als Schreibpraxis Die Poetik treibt die Momente der Medien- und hier auch der Kulturtheorie, die ihr eine wissenschaftlich bezeugte Rahmung verleihen, an einen Punkt, der letztendlich ins Zentrum von Timms Schrift- und Schreib-Reflexionen und dann auch den ›Spuren‹ innerhalb seiner Poetikvorlesungen führt: ›Spuren‹ sind für ihn als »Lektüreerlebnisse« bzw. allgemeiner: als »ästhetische Erlebnisse« vollzogen; 89 Erfahrungen mit Kunst, Literatur, Sprache zeich- 85 Lützeler: »Urknall und Verheißung«, o. S. 86 Timm: Von Anfang und Ende, S. 57. 87 Timm bezieht sich hier auf eine Studie Jan Assmanns Studie (vgl. ebd., S. 66, mit Assmann: »Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität«). 88 Timm: Von Anfang und Ende, S. 65 f. 89 Ebd., S. 84 f. Timm gibt eines von mehreren Beispielen: »Ich war vielleicht neun Jahre alt, als ich zum ersten Mal von den Eltern mit in ein Theaterstück Erinnerungstheorie <?page no="100"?> 100 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens net Timm als die ›Motoren‹ von Schrift, (Kreativem) Schreiben und dann auch dem Erzählen; sie halten, um im Bild zu bleiben, ihren von Timm benannten ›Maschinenraum‹ am Laufen. Ein Beispiel gibt Timm mit Blick auf seinen Roman Morenga (1978): Auslösend war ein bestimmtes Bild, eine Situation, die Erinnerung an einen Bericht über eine Ballonfahrt, wie so vieles weit in die Kindheit des Autors zurückreichend. In dem Bericht wurde beschrieben, dass Sand mit kleinen Schaufeln abgeworfen wird, um den Ballon ein paar Meter höher steigen zu lassen. Diese Vorstellung: Unten steht er, der Autor, also ich, als Beobachter und reibt sich, während der Ballon langsam entschwindet, die Augen. Damit war das Ende gefunden, das etwas über die Wünsche, das Erzählen und das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit sagt. 90 Dass Timm so der begriffsmetaphorischen Idee der ›Spur‹ mit einem eigenen, medientheoretisch angeleiteten Beschreibungsinstrumentarium des (vehement) Kreativen Schreibens gegenüber steht, zeigt an, dass seine poetologische Konzeption zwar ohne die ›Anderen‹ nicht auskommt, sie aber weiterdenkt und neu konstituiert. Die Fundamentalproblematik einer solchen poetologischen Überzeugung, die Möglichkeiten ihrer Konstitution und Fortsetzung über den konkreten theoretischen Kontext hinaus, ihre Produktionserkenntnis hat Timm in einer Analyse des seiner Frankfurter Poetikvorlesungen den Titel gebenden Anfangs und Endes für Erwachsene genommen worden war. Nicht ins Schauspielhaus, sondern in ein plattdeutsches Stück im Ohnsorg-Theater. Die Erinnerung daran ist von einer ganz erstaunlichen Frische und umfasst alle Sinne. Geruch, Geräusche, das Bühnenbild, die Handlung, die Figuren, und auch das blieb im Gedächtnis, die Melancholie des Stücks, das ›Die Königin von Honolulu‹ hieß. Sogar der Geschmackssinn ist in der Erinnerung aufgehoben, denn in der Pause gab es Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat. Über Jahre habe ich diese Stimmung als eine freudige Erwartung mit ins Theater getragen, habe später im Studententheater gespielt, bis irgendwann die Lust und die Neugierde auf die Theaterbesuche nachließen, nicht aber die Lust auf Kartoffelsalat mit Frankfurter Würstchen, die mich, bestelle ich sie mir, wiederum an das Theater erinnern.« (Ebd., S. 85) Für Timm gibt es zudem aber vor allem auch »Wörter, die, weil an ganz bestimmte Erlebnisse gebunden, eine regelrechte Bilderflut auslösen« (ebd.). 90 Ebd., S. 131. ›Motor‹ von Schrift, Kreativem Schreiben und Erzählen Produktionserkenntnis <?page no="101"?> 101 3.2. Medientheorie und Kreatives Schreiben des Schreibens, im spezifischen Bezug auf dessen Realisierungspraxis, wie folgt formuliert: Wie der Anfang umgeschrieben werden kann, so kann, jedenfalls in der Prosa, auch das Ende umgeschrieben werden. Hat das Umschreiben am Anfang aber etwas von Spiel, Zufall, vom Würfeln, weil der Autor noch nicht weiß, wohin alles führen wird, jedenfalls dann, wenn er nicht Vorgestanztes schreibt, so hat das Umschreiben am Ende immer etwas von einem Willkürakt, einem Eingriff, der meist zu einer Änderung der gesamten Bedeutung führt. 91 In analoger Weise gilt dies insgesamt für ein theoretisch geleitetes Kreatives Schreiben: Dieses zerlegt gleichsam die Theorie in dessen abwesenden und zugleich anwesenden ›Spuren‹, literarisiert sie-- und diese in ihrer abwesend-anwesenden ›Präsenz‹ spür- und auffindbaren ›Spuren‹ theoretisieren zur gleichen Zeit die Literatur, führen sie zurück auf die strukturellen Anhaltspunkte ihres Gemachtseins, ihrer Form, ihrer Medien. Poetik dekonstruiert derart die ihr eingeschriebenen theoretischen Konstruktionen auf der Ebene ihres eigenen Anspruchs: als Anweisung und/ oder Hilfe zum Schreiben. Sie tut dies als Produktionstheorie, die selbst als Schreibpraktik verstanden werden muss, als Umschreibepraktik. »Das Umschreiben des Textes, das Ändern des Gemachten, des Geschriebenen«, sagt Timm, verweise ja auf die »fundamentale Möglichkeit der Veränderung«: »[N]ichts muss so sein, wie es ist«. 92 Das poetologische, theoretische Fundament des Kreativen Schreibens findet sich im literarischen Erzählbzw. Fiktionalitätsakt aufgehoben: Dieser transzendiert die gelegten/ gefolgten ›Spuren‹ theoretischer Verfahren; er birgt, so erneut Timm, mit jedem Satz, Absatz, jedem Kapitel, jedem Roman, jedem Gedicht, »von dem gesagt werden kann, es sei gut«, ein »utopisches Versprechen auf das Gelingen, auf den Genuss«, in dem »die Schönheit und die existenzielle Wahrheit aufleuchten, wenn man denn als Schreiber wie Leser sagen kann: Es ist gut.« 93 Die Einsicht und Auslieferung des Kreativen Schreibens auf »ein Mehr«, einen »Überfluss an Bedeutung«, der »über das hinausgeht«, was der Autor »zu 91 Ebd., S. 132. 92 Ebd., S. 142. 93 Ebd. Produktionstheorie als Schreibpraktik <?page no="102"?> 102 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens geben glaubte«, 94 dominiert hier beispielhaft die elementare Erfassung und Nobilitierung einer Dichtkunst im Sinne einer Theorie der Poesie wie des Kreativen Schreibens in nuce. Gleichzeitig erweist sich so, wie Literatur und Theorie über sich selbst kreativ zu schreiben vermögen, worüber es in Michel Foucaults Aufsatz L’écriture de soi stellvertretend heißt: »Das Schreiben als eigene, für sich selbst unternommene Übung ist eine Kunst der disparaten Wahrheit oder genauer eine reflektierte Form, die überlieferte Autorität des bereits Gesagten mit dem singulären Charakter der darin behaupteten Wahrheit und den besonderen Umständen zu verknüpfen, die deren Verwendung bestimmen.« 95 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben Eine Poetik des Kreativen Schreibens speziell in Deutschland als ein auch in stilistischer Hinsicht ausgeprägtes theoretisches Programm formulieren vor allem zwei Sammelbände, die bereits zitiert worden sind und die zwei deutsche Creative Writing-Professoren, namentlich Josef Haslinger und Hans Ulrich Treichel, herausgegeben haben. 96 In den beiden Büchern sind neben deutschsprachigen Gegenwartsschriftstellerinnen und -schriftstellern, 97 internationalen Schreib-Lehrern 98 bzw. Berufspraktikern aus dem Feld der Literaturkritik und -vermittlung 99 insbesondere die hauptamtlichen Lehrenden aus Hildesheim und Leipzig vertreten-- d. h. für die Jahre 2005 und 2006 für erstgenanntes Institut Hanns-Josef Ortheil und Stephan Porombka und für zweitgenanntes (neben Haslinger und Treichel): Michael Lentz. Dessen Beiträge, die sich in Hinsicht auf die jeweilige Textsorte an der Grenze von literaturwissenschaftlicher Abhandlung und literarischem Essay bewegen, stechen hervor; sie sind bemerkenswerte Beispiele für ein theo- 94 Ebd. 95 Foucault: »Über sich selbst schreiben«, S. 357. 96 Es handelt sich um die Bände Haslinger/ Treichel (Hrsg.): Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller und dies. (Hrgs.): Schreiben lernen- - Schreiben lehren. 97 Z. B. Norbert Hummelt, Juli Zeh, Katja Lange-Müller oder Ursula Krechel. 98 Z. B. Hans Otto Jorgensen, Vivian Sohn Eden, Nirav Christophe, Amir Or, Eldrid Lunden, Staffan Söderblom oder Daniel Soukup. 99 Z. B. Tilman Krause und Olaf Kutzmutz. Dichtkunst im Sinne einer Theorie der Poesie Eine Poetik des Kreativen Schreibens <?page no="103"?> 103 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben retisch grundiertes Creative Writing-Verständnis, das seine Grundzüge aus einem Regelwerk ableitet, das Formen und Techniken literarischen Schreibens unter medienästhetische Bedingungen stellt. Zwei Essays von Michael Lentz, die die Titel Warum steht jetzt da, was das steht. Eine nachgefragte Inventur 100 und Schreiben lernen? Haben andere nicht nötig! 101 tragen, stechen nochmals hervor, da sie einen diskurs-archäologischen Weg eröffnen, indem sie die Begriffstheorie/ -geschichte des Kreativen Schreibens mit einer systematischen Ansicht der Medienästhetik konfrontieren. 102 3.3.1. Vorstellungen von Literatur Im ersten der beiden Essays zum Kreativen Schreiben nimmt Lentz die traditionelle Bezeichnung ›Poetenkasten‹ als Synonym für ›Hinterkopf‹ in den Blick; er beginnt seinen Text also wort- 100 Vgl. Lentz: »Warum steht jetzt da, was das steht«. 101 Vgl. ders.: »Schreiben lernen? «. 102 Vgl. hierzu Ruf: »Medienästhetik und Creative Writing«. Beispiele für ein theoretisch grundiertes Creative Writing-Verständnis Michael Lentz geboren am 15. Mai 1964 in Düren, ist ein deutscher Schriftsteller, Lautpoet, Literaturwissenschaftler und Musiker. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium in Aachen, München und Siegen erfolgte ebd. 1999 seine Promotion mit einer Arbeit über Lautpoesie/ -musik nach 1945. Bereits vier Jahre zuvor debütierte er mit einem Lyrik- und Prosaband, gewann 1998 die deutsche Poetry-Slam-Meisterschaft und gewann 2001 (nach einer ersten Teilnahme 1998) den Ingeborg-Bachmann-Preis. Seit 2006 ist Michael Lentz Professor für Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Neben Romanen, Erzählungen, Theaterstücken, Hörspielen und Gedichten verfasst er Stücke für unterschiedliche musikalische Besetzungen, die etwa bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt worden sind. Werke u. a.: Zur Kenntnisnahme (1985)-- ODER (1998)-- Neue Anagramme (1998)-- Muttersterben (2001)-- Liebeserklärung (2003)-- Aller Ding (2003)-- Tell me. Erzähle (2004)-- Pazifik Exil (2007)-- Offene Unruh (2010)-- Atmen Ordnung Abgrund (2013). ›Poetenkasten‹ <?page no="104"?> 104 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens analytisch. Im ausdrücklichen Versuch, die Wörter ›Poet‹ und ›Kasten‹ in diesem Kompositum als Metapher zu verbinden, bestimmt Lentz eine Struktur, kreativ zu schreiben, wofür als Erstes die Erfahrung einer Hemmung den Anstoß gibt: Tägliche Besinnung: Jetzt habe ich schon wieder nicht das Buch geschrieben. Es ist mir entglitten. Von Anfang an schon. Ich habe halt weitergemacht. Das Buch zu Ende gestrickt. Beim nächsten Buch wird alles anders. Ich schwör’s. Da werde ich leben, um endlich nur zu schreiben. Man hat es, oder man hat es nicht. Und ich hab’s ja. Keinerlei Ablenkungen mehr. Das Minus auf dem Konto als irrationale Größe begreifen lernen. Vierundzwanzig Stunden sind ganz klar zu kurz. Erst einmal also die Segmentierung der Zeit in Stunden und Tage ignorieren. Diesen Zeitzwang innerlich außer Kraft setzen. In größeren Bögen denken. Überhaupt nicht mehr »rund um die Uhr«. Da wird man nur selber rund. Die entstundete Zeit ist sicher nicht bei Gott. Jenseits jeder Lebenserwartung ist sie sterbensnäher. Man denkt, man habe Zeit. Man hat überhaupt keine Zeit. Da liegt das Buch also, diese Unausstehlichkeit, das einen im Kreis laufen, an den Kopf fassen, an den eigenen Poetenkasten klopfen macht. 103 Lentz rekurriert auf den Diskurshorizont der Kreativität und stellt diesem eine eigene potentielle Schreibsituation als eine Art Selbstgespräch 104 bei Seite; Lentz nennt dies ein »Nachfragen in eigener Sache«. 105 Schreiben formiert sich bei ihm hier in einem Span- 103 Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 156. 104 Siehe hierzu erneut Foucault: »Über sich selbst schreiben« sowie etwa auch Demuth: Zur Sprache kommen, bes. S. 11 f.: »Schreiben ist ein Selbstversuch, der nicht aufhört.- […] Was aber wäre in diesem Zusammenhang das Besondere des Schreibens? Worin liegen Faszination und Versuchung einer dem Augenschein nach einigermaßen unspektakulären Tätigkeit, die, hat man gerade kein elektronisches Schreibgerät zur Hand, noch immer mit Papier und Bleistift auskommt? Inwiefern setzt sich aus, wer bestimmte Sätze aufs Papier bringt, die heute, was immer mit ihnen gesagt werden soll, keine Zensur, keine Inquisition und keinen Geheimdienst mehr interessieren? Warum also würde jemand ein Risiko eingehen- […], wenn er schreibt? -[…] Weil Schreiben nicht allein die Recherche nach etwas lange sprachlos Gebliebenen ist, gleichermaßen nach einem dunklen Kontinent, sondern weil das Subjekt dieser Suche früher oder später der Entdeckung nicht mehr auszuweichen vermag, dass die wirkliche Unbekannte seiner Recherche tatsächlich er selbst ist, und der Sucher niemand anderes als der Gesuchte.« 105 Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 156. Diskurshorizont der Kreativität <?page no="105"?> 105 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben nungsfeld von Praxis (als handelnd Schreibender) und praktischer Tätigkeit (Schreibbedingungen). In der Methode, nach deren Konstitutionen kritisch 106 zu fragen, diese mithin nachdenkend zu überprüfen, 107 charakterisiert er durch eine Reihe von Rekapitulationen die für ihn wesentlichen Schritte zum Schreiben: Vorbereitung(en) wie Spontaneität; das Verhältnis von Einsatz/ Aufwand und Ergebnis/ Ertrag; die Schreibkompetenz und schließlich auch: das Gelernte respektive eine Schreib-›Schule‹: Habe ich nicht lange genug nachgedacht? Kann man lange genug nachdenken? Waren die Vorbereitungen falsch? Ist ein Übermaß an Vorbereitung nicht ein Krampf, eine Totgeburt, das Ende jeder Spontaneität? Also ganz allein aus sich heraus etwas zu Tage fördern? Kein Input, kein Output? -[…] Welche Kompetenz maße ich mir an, ein Buch schreiben zu können? Wo habe ich das denn gelernt? Wie machen das denn andere? Wie schaffen die das denn? Nachschlagen. Lebenserinnerungen. Das schön geschriebene Leben. 108 Phänomenologisch genau beschreibt Lentz die Situation eines Subjekts, das literarisch schreiben will und sich dazu erst über das, was Literatur ist, klar werden soll. Zwangsläufig muss er sich dazu mit Vorstellungen von Literatur, mit Gesagtem und Ungesagtem, beschäftigen; ›große‹ Vorbilder, auf die Lentz abhebt, werden angesprochen bzw. werden Erinnerungen über sie zitiert (an dieser Stelle sind es Aussagen von »Frau Thomas Mann«), denen er ebenso misstraut wie er ihnen die »Lüge der Fiktion« 109 im Platonischen Sinn 110 gegenüberstellt. Parameter von Literatur (Recherche und auch ›Abschreiben‹, faktische Orientierung und auch Überprüfbarkeit, »das Mögliche, Wahrscheinliche und Wunderbare«) führen bei Lentz zu einem für ihn zum Schreiben-Lehren 106 Zu dieser Methode als Schreibverfahren, wie es die historische Avantgarde sowohl theoretisiert als auch praktiziert hat-- Michael Lentz steht bekanntlich in deren Nachfolge (vgl. etwa Lentz: »Textleben«)- -, siehe insgesamt Ruf: Zur Ästhetik der Provokation. 107 Michael Lentz demonstriert auf diese Weise geradezu prototypisch essayistisches Schreiben. Dazu u. a. einführend Schärf: Geschichte des Essays; Kauffmann/ Braungart (Hrsg.): Essayismus um 1900; Zima: Essay / Essayismus. Siehe auch die älteren Studien Haas: Essay; Rohner: Der deutsche Essay. 108 Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 156 f. 109 Ebd., S. 157. 110 Vgl. Platon: »Staat (Politeia)«, bes. S. 85. Schritte zum Schreiben Die »Lüge der Fiktion« <?page no="106"?> 106 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens und Schreiben-Lernen zentralen Begriff, an dessen Ausführung sich »[a]uch eine Revolutionierung der Schreibungsart« »messen lassen« muss; das »Lesen« (»Ist Lesen zur Schule gehen? «, »Ist Schreiben immer noch zur Schule gehen? «) ermöglicht ihm die Kontur eines Schreibakts zu formulieren, in dem der »Kurzschluß Leben und Literatur« und »[l]ebensweltliche Probleme« zwar als problematisch identifiziert sind, 111 der aber gleichwohl den »geeigneten Stoff« des Schreibens unter der Voraussetzung von dessen Autonomie anbietet: Auf der Suche nach einem geeigneten Stoff ist man schon in der falschen Richtung unterwegs. Das wird nichts. Der Stoff stößt einem zu. So sehr man auch versucht, vielfältig zu sein, unvereinbar, bunt, man verläßt den Käfig, in den man zu früh und von einem selbst unbemerkt hineingekrochen ist, nie.- […] Der Käfig ist dieses Sprachkorsett, das man sich anlegt, das man enger schnürt, das man hassen lernt, ohne dass man nackt zu sein glaubt, das man irgendwann nicht mehr spürt, das mitläuft. Man hat es nicht anders haben wollen. Hat man die Wahl? -[…] Kann man sich aber mal tatsächlich nicht leiden, nehme man ein Buch zur Hand und lese. Die Damen und Herren Kollegen kochen auch nur mit Wasser. Notorische Ausnahmen werden geflissentlich übersehen. 112 Wenn Lentz sich an dieser Stelle für das Lesen interessiert und das Potential für das Schreiben betont, befestigt er zwischen Lesen und Schreiben einen pädagogischen Wert-- im Verständnis des ›traditionellen‹ Creative Writing. Der Nutzen des Lesens liegt bei Lentz darin, sich, wie er bildhaft sagt, zu »ernähren«, sich »an[zu]spornen«, »sensibel« zu bleiben, den »Faden fortzuspinnen«, »Zuflucht« zu »nehmen zu den Büchern anderer Autoren und Autorinnen«; »Schreiben und Lesen« sind für ihn »eine Tateinheit«, in denen sich der »Schreibende (und der Lesende)« als »Schnittstelle und Kontrollorgan« des Rezipierten auffasst, wobei damit für ihn jenes »Schreiben über das Schreiben« korreliert: 113 als »Leser meiner selbst«. 114 Zu diesem Lesen des eigenen Texts zählt 111 Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 158. 112 Ebd., S. 159. 113 Ebd., S. 160 f. 114 »Als Leser meiner selbst-- das Lesen setzt unmittelbar mit dem Schreiben ein und begleitet es-- möchte ich mich nicht aus den Augen verlieren. Ich versuche immer konziser zu werden, eine Sprache zu finden, die ›realistisch‹ zu nennen ist, indem sie nah am Generalthema bleibt-[…]. Das spornt an zur Leben und Literatur Der Nutzen des Lesens <?page no="107"?> 107 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben auch das Lesen durch einen Dritten, d. h. durch den jeweiligen Lektor, der die vom Schreibenden selbst nicht erkannten »Fehler im System« als Fehler im Text lokalisieren kann: der Text als »eine Baustelle«, 115 für den, um im Bild zu bleiben, ein ›Bauplan‹ zur Verfügung steht, der von Lentz bereits angesprochen worden ist. Hier macht sich bemerkbar, wie Schreiben-Lernen und Schreiben- Lehren mit poetologischer Profitierung zusammenhängt; bemerkbar wird ein strukturiertes Schreiben, das sich von den eigenen Strukturen löst: Höchste Zeit, von diesem Tiefgang poetologisch zu profitieren. Schreiben mit Strukturplan oder ohne? Wenn mit, ist das Korsett zu eng geschnürt? Sklavische Ausführung eines Reißbrettentwurfs, der Literatur sein soll? Habe den Mut, dich deiner Intuition zu bedienen und den Plan über den Haufen zu werfen. Intuition? Der ›Stoff‹ entfaltet sich nach einer nie ganz zu kontrollierenden Eigengesetzlichkeit. Es ist eine große Lust, diese Entfaltung zu beobachten und dabei festzustellen, daß eben-- zum Glück-- nicht alles nach Plan geht. Hiermit soll keineswegs einem autopoietischen Diskurs das Wort geredet werden. Es handelt sich schlichtweg um eine pragmatische Schreiberfahrung, daß die Sprache selbst, hat man erst einmal Fährte aufgenommen, zu denken scheint, daß Sprache selbst nicht schreibt. Ein Wort scheint auf, und schon öffnen sich Assoziationsfelder, im Wort eingefaltete Geschichten bieten sich an, erzählt zu werden, das bloße assoziative Nebeneinanderstehen von Wörtern, verbunden zum Beispiel in der Zeile eines Gedichts, die mit anderen Zeilen eine Strophe bilden, suggeriert in der Rezeption Kausalitätsassoziationen; eine poetische Etymologie von Wörtern entsteht, deren lexikalisches oder alltagssprachliches Begriffsfeld erweitert bzw. umkodiert wird. 116 3.3.2. Professionelle Schreib-Vermittlung So plädiert Lentz für Schreiberfahrungen als »Arbeitserfahrungen«; er tut dies nunmehr aber nicht mehr fragend, sondern im Imperativ; er kommt zu einer Schreib-Anleitung, manifestiert in einem »Strategiebündel des Schreibens«, die er dem Leser seines Essays anbietet, indem er jenen in der 2. Person Singular als Gegenüber (»Du«) direkt anspricht (und damit im Übrigen auch Genauigkeit. Womit ich einen Teil meiner Arbeit selbst verleugne.« (Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 162) 115 Ebd., S. 162-164. 116 Ebd., S. 164. Ein ›Bauplan‹ »Im Wort eingefaltete Geschichten« »Arbeitserfahrungen« <?page no="108"?> 108 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens dem Vorbild Walter Benjamins folgt). 117 Zusammengefasst bringt Lentz ins Spiel, wie sehr Schreiben bedeutet, eine Arbeit als Beruf wie als Tätigkeit auszuüben, Mut zum Loslassen eines Textes zu haben, Entscheidungen beim Schreiben zu treffen, sich nicht dabei von etwas anderem irritieren zu lassen, Kohärenz herzustellen, Klarheit und Deutlichkeit zu realisieren, sprachlich nicht zu abstrahieren, aus einer Poetik heraus zu schreiben, Stilübungen 118 zu versuchen, keine Ungenauigkeiten und keine Beschwerden über das eigene Schreiben bei sich zuzulassen (Beispiele nennt Lentz mit Autoren von Avantgarde und Experimentalliteratur: Majakowski, OULIPO , Chlebnikov). 119 Lentz gibt auf diese Weise sehr konkrete Hilfestellungen zum Schreiben; er leitet an und versäumt es nicht, Vorurteile und Klischees gegenüber einer solcherart angeleiteten, literarisch professionellen Schreib-Vermittlung anzusprechen 120 und diese als das zu 117 Ebd., S. 165. Die Vorlage bzw. der Subtext Benjamins stellt dessen Text mit dem Titel ANKLEBEN VERBOTEN ! dar, in dem die Technik des Schriftstellers in dreizehn Thesen vorgestellt wird. 118 Lentz spielt hier auf Queneaus Exercices de Style (vgl. Queneau: Stilübungen) an bzw. nimmt er sie zum ungenannt bleibenden Vorbild, wenn es heißt: »Schreibe ein Gedicht wie Paul Celan.-[…] Schreibe ein Gedicht wie Rilke-[…]. Schreibe ein Gedicht, vom dem du behauptest, nur du hättest dieses Gedicht schreiben können.« (Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 170 f.) 119 Vgl. ebd., S. 165-172. Lentz hat derartige Thesen auch in der an Benjamins Text angelehnten, gleichnamigen Rubrik in der Neuen Rundschau formuliert (in: Neue Rundschau 1, 2007, o. S. [herausnehmbares und gefaltetes Plakat]). Lentz erweist sich dort nicht nur als Schreib-, sondern auch als ›Lebens‹- Ratgeber. 120 Lentz nennt etwa die gängige Vorstellung, dichten könne man nicht, »dichten kann man«, und er nennt eine »Schreibschule« (wie diejenige am Deutschen Literaturinstitut) selbstironisch »Spießerschule«: »Da geht man nicht hin. Und wenn man schon hingeht, dann lehnt man sich dagegen auf. Dozenten sind übrigens Oberspießer. Die haben das Schreiben ja schon hinter sich. Mit dem Betreten des Dozentenzimmers haben Dozenten ihr letztes Buch geschrieben. Die schreiben jetzt nur noch Klassenbuch. Und sehen der Jugend beim Altern zu. Und überwachen eifersüchtig den sogenannten Nachwuchs. Damit da nichts nachwächst. Damit keiner heranreicht-- an ihr Klassenbuch.« (Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 173) Der zitierende Ausspruch »Dichten lernt man nicht, dichten kann man«, wird im Übrigen von Lentz zu Beginn seines Essays Schreiben lernen! Vorurteile und Klischees <?page no="109"?> 109 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben erklären, was sie ist: ein Ort, eine Rahmung des ›umkehrenden‹ Schreibens: »Was auch immer dir in einem Schreibseminar gesagt wird, du wirst es nie einsehen. Vielleicht ersetzt du mal das eine Wort durch ein anderes, streichst einen ganzen Satz, erweiterst ein Romankapitel, nimmst ein anderes heraus, änderst den Titel eines Gedichts-… wirklich einsehen kann man nur sich selbst-- höchstens. Und das ist auch gut so.« 121 Lentz kennt die Vorgehensweise(n), die Geschichte, gleichsam die Sonnen- und Schattenseiten des Creative Writing; er kennt die Vorbehalte in Deutschland gegenüber diesem, 122 denen er als Inhaber einer Schreib-Professur mit sowohl literaturtheoretischer wie literaturpraktischer Ausrichtung seinerseits vorbehaltlich begegnet (er stellt beispielsweise fest: »Dass die kolportierten Meinungen in höchsten Maße fragwürdig sind, zeigt sich in den Seminaren«); 123 und er hat Schreibwie Lehr- und Lern-Erfahrung, um seine Schreib-Schule (oder in seinen Worten: seine ›Botanisiertrommel‹) als Denk-und Diskurs-Schule zu empfehlen. Dies tut er als ausgebildeter Literaturwissenschaftler wie als erfolgreicher Schriftsteller gleichermaßen. 124 In seinem zweiten, hier vorzustellenden Essay zum Kreativen Schreiben entwickelt er ausgehend von diesem Wissen zum Creative Writing ein weiter gehendes Programm, das er schreibdidaktisch näher fundamentiert. Zwischen »Stolz« und »Beschämung« verortet er die Entscheidung eines Schreiben-Lernenden, an einem Literaturinstitut zu studieren: »Eine Art Katharsis setzt ein, eine Auseinandersetzung von und zwischen Eigenem und Haben andere nicht nötig! wörtlich wiederholt (vgl. ders.: »Schreiben lernen! «, S. 30). 121 Ders.: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 174. 122 »In Deutschland scheint eine universitäre Autorenausbildung etwas Anrüchiges zu sein, im Sinne von ›da musste nachgeholfen werden‹, ›da war von Grund auf was auszubessern‹, ›braves Durchschnittstalent‹, ›gibt es das jetzt auch schon bei uns? ‹.« (Ders.: »Schreiben lernen! «, S. 30) 123 Ebd. 124 Siehe zum erstgenannten u. a. die Dissertation von dems. (Lautpoesie/ musik nach 1945); und zum zweitgenannten die diesem zugesprochenen Literaturpreise, darunter der Ingeborg-Bachmann-Preis 2001 und der Walter- Hasenclever-Literaturpreis 2012. Sonnen- und Schattenseiten des Creative Writing <?page no="110"?> 110 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens Fremden.« 125 Lentz’ Schreib-Lern- und -Lehr-Begriff speist sich aus intertextueller Einsicht, die davon ausgeht, »dass Literatur aus Literatur entsteht« und dass »ein Autor als Dozent« »einen Autor machen kann, indem er ihm zu sich selbst verhilft«- - dies scheint ihm die »zentrale Aufgabe eines Dozenten für literarisches Schreiben im Kontext einer universitären Autorenausbildung zu sein.« 126 Die »Bedingungen, unter denen Schreiben lehrbar oder Dichtung lernbar ist«, 127 seine Lehr- und Lern-Überzeugung, macht Lentz hier anhand von drei konstitutiven Begriffen produktiv: (1.) bestimmt er am Beispiel seiner eigenen Person als Schreibender die Poetik- - sei sie von Aristoteles oder Horaz, von Scaliger oder Opitz, von Boileau oder Gottsched, sei sie eine form- und regelkanonisierende Gattungspoetik oder eine manifeste, produktionsästhetische Autorenpoetologie- - als »Anweisung, wie Literatur und Dichtung zu schreiben seien, bzw. wie man ein Dichter wird,« illusionär, aber gleichwohl immanent präsent (sie soll »anhand textanalytischer Argumentation an Fremdtexten und Texten der Seminarteilnehmer« unter dem Angebot, »zu widersprechen, zu ergänzen, ein Vorverständnis neu zu perspektivieren«, vermittelt werden); (2.) führt dies auf eine Methodik hin, sich mit der Rolle des Dozenten und den Mitteln dieses Vermittelns auseinanderzusetzen-- im Fall von Lentz erfahrungsgeleitetet und methodenpluralistisch, theoretisch ambitioniert (genannt werden Strukturalismus, Poststrukturalismus und Dekonstruktion ebenso wie Werkimmanenz, Positivismus und Rhetorik) sowie den Werkstattcharakter des Schreibens als Schreibwerkstatt forcierend; (3.) fasst Lentz seine »auf Pragmatik ausgerichtete und empirisch gestützte Disziplin der Seminargestaltung mittels intensiver und sachbezogener Kommunikation« als Didaktik auf, die an spezifische Funktionen angebunden ist, zum Beispiel (wiederum) an Kritik und Korrektur: Die didaktische Aufgabe des Dozenten als interagierendes und integratives Medium ist es, kognitive Strukturen zu vermitteln, die der Studierende, der angehende Autor, dann selber auf- und weiter ausbaut- […] und ent- 125 Ders.: »Schreiben lernen! «, S. 30. 126 Ebd., S. 31. 127 Ebd. »Bedingungen, unter denen Schreiben lehrbar oder Dichtung lernbar ist« Die Rolle des Schreibdozenten <?page no="111"?> 111 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben sprechend seiner transparent gemachten Schreibdispositionen auch zur Ökonomisierung seiner selbst einsetzt. Pragmatisches Ziel hierbei ist, dass der Studierende insbesondere die Werkstattseminare als einen Prozess der Selbstorganisation von Wissen-- auch und insbesondere von seinen eigenen poetologischen Voraussetzungen- - verstehen lernt. Didaktik in diesem Verständnis heißt Vermittlung von selbstorganisatorischen Strategien. Das erscheint mir im Hinblick auf eine mögliche ganzheitliche Ausbildung des Autors von zentraler Bedeutung. 128 3.3.3. Werkstatt des Kreativen Schreibens Hervorgehoben werden von Lentz an dieser Stelle sowohl die »so wichtige Aneignung literaturhistorischer und literaturwissenschaftlicher Kenntnisse« als auch die Selbstreflexions-Kompetenz in Hinsicht auf »schriftstellerisches Handwerk, differenziertes Verständnis von Lyrik, Hörspiel, Drama, Poesiefilm und Hypertext als eigene Medien«, 129 die Bedeutung von Literaturbetriebswissen wie die seiner eigenen avantgardistisch-lautpoetischen Vorliebe 130 geschuldeten Privilegierung von Stimme, lautem Lesen bzw. literarischer Rezitation: »Sich artikulieren, vorlesen, einen Text zu Gehör bringen«; einen »Text stimmlich angemessen artikulieren zu können«, 131 war und sei wesentliches Element in seinen Lyrik- und Rhetorik-Seminaren. Bei Lentz steht also das Werkstattseminar (keine akademische Vorlesung) im Mittelpunkt, das als dynamisch-differenzielles, offenes und produktives Lehr- und Lernsystem dient; umgesetzt wird es mittels Referaten der Teilnehmenden (»zum Beispiel über Epochenzusammenhänge, einzelne Autoren oder Werke«), mittels eigenen Schreib- und Text-Präsentationen und dessen anschließender Reflexion/ Diskussion, was »der Hinterfragung des poetologischen Selbstverständnisses dient«; es entsteht die »modellhafte[] Simulation« von »Kommunikationsstrukturen, die 128 Ebd., S. 32-35. 129 Ebd., S. 35 f. 130 Vgl. etwa die performativen Auftritte von Michael Lentz als Lautpoet, etwa unter https: / / www.youtube.com/ watch? v=-f RLQ 7k_ VDY , zul. abgeruf. am 10. 03. 2016. 131 Lentz: »Schreiben lernen! «, S. 36. Fachwissen und Selbstreflexionskompetenz Schreib- und Text-Präsentationen <?page no="112"?> 112 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens dem Literaturbetrieb intern wie extern analog sind.« 132 Es handelt sich um eine literaturgeschichtliche, literaturtheoretische, rhetorische, kommunikationspsychologisch wie semiotisch abgesicherte Textarbeit, die Lentz als Schreib-Lehrer vertritt und in der Text- Produktion wie Text-Rezeption aufeinander bezogen bleiben, voneinander abhängig sind: Aufgabe eines Seminars ist es, ein spontanes Verstehen von Texten und ihren Strukturzusammenhängen reflektierend zu vertiefen. Die praktische Arbeit an literarischen Texten bedarf eines Oszillierens zwischen so genannten »werkimmanenten« Strategien der Interpretation, motivationsästhetischen Aspekten, die auch kritisch Autorenintentionalität hinterfragen, und einem weiter gesteckten Referenzrahmen, der auch textexterne Daten wie zum Beispiel kulturelle Voraussetzungen (Wissen, das der Text einbringt bzw. stillschweigend voraussetzt) einholt. Bei der Textanalyse mittels Stilfragen, syntagmatischen und semantischen Detailfragen oder der Erörterung von Vorlieben für ein lexikalisch-morphologisches Inventar werden Kriterien der Text-Kohärenz auf spezifischen strukturellen Ebenen der Syntax, Semantik, Phonetik etc. hinterfragt. Es geht darum, die Partie nachzuspielen, indem die dem Text zugrunde liegende Ordnung rekonstruiert wird. 133 An solchen Ausführungen wird deutlich, wie Lentz als Essayist, schreibt er über das Kreative Schreiben, zwischen wissenschaftlichen (hier: textlinguistischen) und literarischen (hier: metaphorischen) Ausführungen pendelt; er nutzt die wissenschaftlichen Kategorien, um seine literarischen Überzeugungen zu stützen und umgekehrt: Der literarische Stil, erneut: ein Erzählen, durchbricht den Wissenschaftsdiskurs und macht ihn- - gerade angesichts des Themas- - fassbarer, angewandt. Wenn Lentz konkrete Schreib-Situationen aus seinen Creative Writing-Seminaren und Text-Beispiele anführt, tut er dies vor der Folie seiner eigenen literaturwissenschaftlichen Ausbildung. Lentz würde vielleicht selbst sagen: vor dem Hintergrund seines »Traditionsbewusstseins«, das es ihm ermöglicht, »Kotext[e]« der im Seminar entstehenden und reflektierten Schreib-Arbeiten seiner Studierenden zu identifizieren, Abstraktionsreihen als Fortschreibungen eines »Muttertexts« vornehmen zu lassen und Um-Schreibungen mit 132 Ebd., S. 36 f. 133 Ebd., S. 37 f. Zwischen Wissenschaft und Literatur <?page no="113"?> 113 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben Stil-Vorlagen zu beauftragen. 134 Lentz verweist hierbei auf ähnlich gelagerte Schreib-Projekte 135 - - und er skizziert die schreibangeleitete Gestaltung ›Neuer‹ Medien. Exemplarisch vorgestellt wird eine Zweisemester-Aufgabe zu einem »kollektive[n] Langgedicht«, das gemeinsam gelesen und analysiert, an erster Stelle aber »als multimediales Projekt« (und mit wiederum poetologischer Auseinandersetzung und Begründung) »in Richtung auf ein Verständnis neuer und neuester Medien als schriftanaloge Produktions- und Distributionsapparate« mit folgender Aufgabenstellung aufgeführt werden soll: Fügen Sie Zeilen oder einzelne Wörter hinzu: am Anfang, mitten im Gedichttext oder/ und an seinem Ende; streichen Sie etwas, wenn Sie mit dem Vorliegenden unzufrieden sind; stellen Sie Zeilen um, wenn Sie dies für richtig halten. Beachten Sie: nie kann das gesamte bislang erreichte Gedicht gestrichen werden, Streichungen betreffen also immer nur Einzelpassagen. Behalten Sie immer das Thema des Gedichts im Auge-[…]. 136 134 Ebd., S. 39-40. Entsprechende Aufträge lauten: »Schreiben Sie ein Gedicht aus wirklich existenziellem Anlass. Erweitern Sie Ihre poetische Palette, indem Sie mit Ausdrucksformen und überhaupt mit Gedichtformen mehr experimentieren. Lassen Sie sich von Ihrer Lektüre zu einem Gedicht animieren. Sie haben eine vage Vorstellung von einem Gedicht im Kopf, vielleicht auch schon vereinzelte Notizen; lesen Sie aufmerksam: Lässt sich etwas von dieser Lektüre verwerten? - […] Schreiben Sie ein Gedicht als ›Stilleben‹.-[…] [V]ersuchen Sie hierbei, formal schlichte Gebilde von vieldeutiger Komplexität hervorzubringen und von der eigenen sonstigen Schreibpraxis abzuweichen.- […] Schreiben Sie ein Gedicht, das in seinen Darstellungsmodi und Performanzen einem von Ihnen geträumten Traum adäquat ist. Arbeiten Sie vielleicht mit Text-Bild-Kombinationen-[…] oder Graphismen von keinerlei Sprache.-[…] Schreiben Sie ›Hälfte des Lebens‹ von Hölderlin um. Tun Sie dies a) unter Wahrung der formalen Eigenheiten der Hölderlin-Vorlage, b) indem Sie die formale und bildliche Ebene der Vorlage verlassen.« (Ebd., S. 41) 135 Hier: Auf »einen Versuch«, »den Urs Engeler in seiner Zeitschrift ›Zwischen den Zeilen‹ unternahm, indem er u. a. Marcel Beyer und Thomas Kling ›Hälfte des Lebens‹ übersetzen, parodieren, modifizieren ließ.« (Ebd., S. 41 f.; siehe dazu auch Zwischen den Zeilen 4, 1994). Andere Arbeiten mit vergleichender Stoßrichtung finden sich etwa in Pastior: Mein Chlebnikov. Siehe dazu zudem auch Chlebnikov: Werke. 136 Lentz: »Schreiben lernen! «, S. 42 f.: »Vorgesehen sind der Einsatz von raumakustischer Lesung, Zuspielungen von zum Teil bereits aufgenommenen stimmlichen Realisierungen des Gedichts, die sich auch chorisch Die schreib-angeleitete Gestaltung ›Neuer‹ Medien <?page no="114"?> 114 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens Ein weiteres Beispiel für ein Werkstattseminar »mit historischem und medientheoretischem Profil« skizziert Lentz für seine Lehrveranstaltungen zum »[H]ören« und »[M]achen« von Hörspielen: Geeignet für Aufnahmen sind Dat-Recorder, Mino-Disc-Recorder oder MP3-Player. Haben Sie Ihr Aufnahmegerät stets dabei! Besorgen Sie sich ein gutes kleines Mikrophon, das Sie auch unbemerkt ans Revers stecken können. Gehen Sie, stets aufnahmebereit, durch Leipzig. Nehmen Sie sich hierfür Zeit. Berücksichtigen Sie bei Ihrer Tour sowohl das Zentrum wie auch die Randlagen der Stadt. Sie suchen den Sound der Stadt Leipzig. Wie klingt diese Stadt-- und wie klingt sie in sich selbst anders? Sammeln Sie O-Töne. Entwickeln Sie Strategien, die Menschen zum Sprechen bringen. Fahren Sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und nehmen Sie diese Fahrten auf. Gehen Sie zum Völkerschlachtdenkmal und nehmen Sie die Reaktionen der Besucher auf. Sitzen Sie in einem Café, nehmen Sie auf. Führen Sie Selbstgespräche und nehmen Sie diese Selbstgespräche auf. Entwickeln Sie ein dramaturgisches Hörspiel-Konzept. 137 Die beiden Semesterübungen ›Multimedia-Langgedicht‹ und ›Hörspiel‹ verweisen auf die Verortung/ Klassifizierung von Creative Writing und »Medienkunst« 138 à la Michael Lentz, deren Innovationswert zur »künstlerischen Auseinandersetzung mit neuen Medien« innerhalb des Kreativen Schreibens von Grenzen überschreitender, man könnte auch sagen: »intermedial neu zu erproben[der]« »Dichtkunst« führt; bei dieser haben die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer »nicht das in seiner Gestalt ›fertige‹ Gedicht wie eine Buchseite vor sich«, sondern bringen den Text »als Teil des Projekts« »erst hervor, in den sie lenkend auch eingreifen«-- derartige, insbesondere digitale Schreibformen liefern, so Lentz abschließend, »Anregungen für den poetologischen Diskurs«, wodurch sich Fragen medienästhetischer Orientieüberlagern, möglicherweise Bildprojektionen. Dem Projekt eignet sich somit eine ›performative Drift‹: sprachliche Prozesse werden hier als Wahrnehmungsereignisse erfahrbar gemacht.« (Ebd., S. 42) 137 Ebd., S. 43 f. 138 Ebd., S. 43. Creative Writing und »Medienkunst« <?page no="115"?> 115 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben rung (etwa zu »Sprache, Text, Schreiben, Lesen«), so Lentz, aufs Neue stellen. 139 3.3.4. Schreib-Gestaltung und ›Neue‹ Medien Lentz macht im Creative Writing, wie sich in Anlehnung an Jens Schröter sagen ließe, Maßverhältnisse der Medienästhetik aus, 140 mit denen sich ›modernes‹ und ›post-modernes‹ Schreiben lehren wie lernen lassen. Diese erleben, wie Schröter nach einer abwägenden Rekapitulation 141 etwa der Positionen von Norbert Bolz 142 und Martin Seel 143 mit Verweis u. a. auf Niklas Luhmann 144 und Bruno Latour 145 feststellen kann, auffallenderweise mit der Hinwendung zu neuen medialen Erscheinungen, zu Objekten als Medien einschließlich deren Produktion und Nutzung, hier: mit dem »Auftreten des Computers« bzw. mit der »Computersimulation«, einen neuen »Boom«; Schröter vermutet, »dass das Auftauchen des Diskurses der ›Medienästhetik‹ mit der Ausbreitung von Computern, dem Medienumbruch zu den digitalen Medien, 139 Ebd., S. 45. Der Begriff der ›Intermedialität‹ bleibt in diesem Zusammenhang kritisch zu hinterfragen. Siehe dazu u. a. Meyer/ Simanowski/ Zeller: »Vorwort«. Vgl. etwa auch Prümm: »Intermedialität und Multimedialität«; Eicher/ Bleckmann (Hrsg.): Intermedialität; Zima (Hrsg.): Literatur intermedial; Müller: Intermedialität; Helbig (Hrsg.): Intermedialität; Mertens (Hrsg.): Forschungsüberblick »Intermedialität«. Siehe zudem Tholen/ Schade (Hrsg.): Konfigurationen zwischen Kunst und Medien sowie Wirth: »Intermedialität«; Higgins: »Statement on Intermedia«; Rajewski: Intermedialität, bes. S. 13; Wenz: »Transmedialisierung«. 140 Vgl. Schröter: »Maßverhältnisse der Medienästhetik«. 141 Vgl. ebd., S. 63-68. 142 Zitiert wird Bolz: Theorie der neuen Medien; ders.: Eine kurze Geschichte des Scheins. Vgl. Schröter: »Maßverhältnisse der Medienästhetik«, S. 63. 143 Zitiert wird Seel: »Vor dem Schein kommt das Erscheinen. Bemerkungen zu einer Ästhetik der Medien«; ders.: »Ästhetik und Aisthetik«. Vgl. Schröter: »Maßverhältnisse der Medienästhetik«, S. 64. 144 Zitiert wird Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft; ders.: Soziale Systeme. Vgl. Schröter: »Maßverhältnisse der Medienästhetik«, S. 66. 145 Zitiert wird Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft; ders.: Science in Action; ders.: »How to be Iconophilic in Art, Science, and Religion? «; ders.: Die Hoffnung der Pandora. Vgl. Schröter: »Maßverhältnisse der Medienästhetik«, S. 63 f. Maßverhältnisse der Medienästhetik <?page no="116"?> 116 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens verbunden ist.« 146 Aus medienwissenschaftlicher Perspektive wird in diesem Kontext auf das Interesse der Medienästhetik an der Materialität von Medien und den mit ihnen erzeugten Formen bzw. deren Störungen hingewiesen, z. B. auf Filmriss, Knistern, Rauschen, Verzerrungen; und als Grund für die »Ausdehnung des Begriffs der Medienästhetik parallel zur Ausbreitung der ›Neuen Medien‹« wird die Transformation der »Simulation aus medialen Materialitäten« zu »Wahrnehmungsformen« aufgeführt: Jeder heutige Computernutzer weiß: Auf seinem Display lassen sich Bilder, Töne, Filme, Schriften-[…] nebeneinander in verschiedenen Fenstern sammeln. Der vernetzte Computer stellt eine Technologie dar, die im Prinzip auf jedem Schreibtisch ein Panorama der Form errichtet-- unter approximativem und partiellem Einschluss der vormalig renitenten medialen Materialität. So gesehen dehnen sich mit der Ausbreitung der multimedialen Computer die Panoramen der Form auf Kosten der Panoramen des Mediums aus. ›Medienästhetik‹ bedeutet mithin nicht, dass ein ›Medium‹ im Sinne einer irreduziblen, auf eine Materialität mit spezifischen Effekten bezogenen Größe wieder zur zentralen Bezugsgröße der Ästhetik wird-[…]. Es bedeutet vielmehr, dass alle Medien nurmehr als Aisthesis, als Form, verstanden werden. Formen, die anders als die Materalität zirkulieren können. 147 Diese medienästhetisch gestaltete Zirkulation der ›Form‹ im Creative Writing, das Schreib-Design bzw. die Schreib-Gestaltung, die die Begriffsgeschichte wie Ausführung des Kreativen Schreibens bei Michael Lentz leitet, zeigt, dass literarisches Schreiben- Lernen, literarisches Schreiben-Lehren und Medien des literarischen Schreibens untrennbar miteinander verbunden sind; diese vermittelte Medien-Arbeit, die Schreiben formt, ist ein Phänomen, das gleichermaßen Kultur-Techniken in Kultur-Praktiken übersetzt. Die Übersetzung von geschultem Wissen in poetologischreflektierende Schreibversuche, wie sie Michael Lentz vorführt, um als Ziel die entstehenden Medien-Texte am Ende in ein literarisches Werk münden zu lassen, trägt einen historischen Index. Das Verständnis des Ensembles von Medienästhetik und Creative Writing lässt sich weder nur als Instrument noch als Affirmation zum Schreiben adäquat charakterisieren. Medienästhetisches kreatives Schreiben ist zu allererst ermöglichend, nämlich als Grund- 146 Ebd., S. 78. 147 Ebd., S. 79 f. »Wahrnehmungsformen« Medien »als Aisthesis, als Form« Das Verständnis des Ensembles von Medienästhetik und Creative Writing <?page no="117"?> 117 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben lage der Verhandlung ›medialer Materialiäten‹. Insofern kommt ihm auch ein medienkonzeptioneller Charakter zu, denn es ist die Idee der Konzeption, die dieses Schreiben unter den Bedingungen der Medien buchstäblich begreifbar macht, und zwar über die sprachlichen, textuellen, visuellen et cetera Strukturen, über die es Elemente eines Fächers medialer Ausdrucksweisen verbindet. In dieser Hinsicht lassen sich Medienästhetik und Creative Writing, wie sie hier zunächst anhand begriffsgeschichtlicher Ansätze, dann mit einer intensiven Lektüre zweier Essays von Michael Lentz vorgestellt worden sind, als symbolische Repräsentationen verstehen, die medienhistorisch die Hervorbringung ›neuer‹ Technologien des Schreibens repräsentieren und zugleich ›alte‹ Schreibweisen fortführen-- zumal, wie hier, angesichts des Entwicklungsstandes elektronischer Kommunikation: Wenn wir die elektronische Kommunikation innerhalb dieses historischen Kontextes untersuchen, hören wir einen Widerhall, werden wir entdecken, inwieweit diese neue Art des Schreibens ältere Formen weiterführt. Solche Resonanzen können uns zu verstehen helfen, inwiefern das elektronische Schreiben radikal mit der Vergangenheit bricht- - und inwiefern es sie konsequent fortsetzt. 148 Dieser Geschichte des Kreativen Schreibens ist Rechnung zu tragen, indem die medienästhetische Spannung seiner spezifisch kulturtechnischen Erscheinung offengehalten wird. Michael Lentz hat ihr seinerseits diese Formulierung gegeben: »Immerhin habe ich Zeit, etwas aufzuschreiben. Die Zeit davor, die Zeit danach habe ich verbummelt? -[…] Eines Tages läuft jedenfalls die Zeit davon, da sollte man schon genau wissen, was man wie schreibt.« 149 Beim Kreativen Schreiben handelt sich um eine engagierte, eine enthusiastische, eine verantwortliche Kunst: »Vermittlung ohne Enthusiasmus ist eine halbe Sache. Enthusiasmus zeigt, dass der Dozent für sein Tun einsteht.« 150 Das Eingeständnis in das Funktionieren von dem, was Kreatives Schreiben meint, bedeutet (als kurze Zwischenrekapitulation formuliert) aus dessen Geschichte 148 Bolter: »Das Internet in der Geschichte der Technologien des Schreibens«, S. 318 f. 149 Lentz: »Warum steht jetzt da, was da steht«, S. 163 f. 150 Ders.: »Schreiben lernen! «, S. 46. Die elektronische Kommunikation »[G]enau wissen, was man wie schreibt.« <?page no="118"?> 118 3. Theorie(n) des Kreativen Schreibens methodisch zu lernen und aus dessen Theorien Modelle zu entwickeln, die das Schreiben-Lernen in den dargestellten Möglichkeitsdimensionen abbilden. Nimmt man sie ernst, ergeben sich Praktiken des Kreativen Schreibens, die im Folgenden exemplarisch in Form von Lehreinheiten eine potentielle Darstellung finden. <?page no="119"?> 119 3.3. Medienästhetik und Kreatives Schreiben 4. Praxis des Kreativen Schreibens Insbesondere transformierende kreative Schreibverfahren erleichtern erfahrungsgemäß den Schreiben Lernenden die Rezeption von Orientierungstexten und schaffen einen individuellen Zugang zum eigenen Schreiben- - mit ihnen lassen sich literaturhistorische Hintergründe wie textanalytische Kompetenzen sinnvoll aktivieren. Für die Praxis des Kreativen Schreibens bietet es sich mithin an, zunächst vor diesem Hintergrund Ansätze vorzustellen, die den produktiv-analytischen Blick im konkreten Umgang mit vorgängigen literarischen Werken vorschlagen- - dies entspricht schließlich noch einmal dem zuvor an vielen Stellen Gesagtem: Dadurch dass Kreatives Schreiben und vorliegende Literatur miteinander in Bezug zu setzen sind, soll ›Qualität‹ im eigentlichen Schreiben erfolgen. Die nachfolgenden Übungen 1 und Anleitungen versuchen, dem so formulierten Anspruch an Creative Writing- Praktiken gerecht zu werden, indem die aktivierende Textarbeit in den Mittelpunkt gerückt wird. Dazu werden solche literarischen Beispiele herangezogen, die sowohl dem so genannten Höhenkamm der deutschsprachigen Literaturgeschichte entnommen sind als auch aus dem Feld der jüngeren und jüngsten Gegenwartsliteratur stammen. Verbunden werden soll dieser Ansatz mit dem Anliegen, ›neue‹ Schreibweisen digitaler Natur einzubeziehen-- in dem Bewusstsein, dass sich 1 Hier wird ausdrücklich kein schematischer Weg zur Darstellung von Schreibübungen gewählt (einen solchen bietet etwa Bernays/ Paintner: Was wäre, wenn. Schreibübungen für Schriftsteller). Stattdessen geht es an dieser Stelle darum, sich anhand verschiedener Zugänge dem Kreativen Schreiben als Kulturpraxis zu nähern. Wer diese vorgeschlagenen Phasen und Verfahren absolviert, wird feststellen, dass er letztendlich implizit all jene Punkte bearbeitet hat, die die Schreibratgeber explizit unterstreichen, etwa die ersten Sätze einer Geschichte, die Charakterisierung von Figuren, Perspektive und Standpunkt des Erzählens, die Gestaltung von Dialogen bzw. generell des Plots, dessen Wandlungen und Szenen, Sprachspiele und Nachahmungen usw. Siehe dazu wiederum ebd. sowie u. a. auch Clark: Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben; Steele (Hrsg.): Creative Writing; Gesing: Kreativ schreiben. Transformierende kreative Schreibverfahren ›Neue‹ digitale Schreibweisen <?page no="120"?> 120 4. Praxis des Kreativen Schreibens Schreiben zwar in seinem grundlegenden Kern nicht wandelt, dass es allerdings auf neue (kulturelle, soziale, technologische usw.) Zusammenhänge reagiert: Das Schreiben bleibt als zentrale Kulturtechnik Bestandteil der menschlichen Lebenswelt, zumindest innerhalb literal geprägter Gesellschaften; 2 seit jeher korrelieren diese zugleich mit den Entwicklungen neuer Kommunikationsweisen und der mit ihnen einhergehenden Medien. Insbesondere die heute zentral gewordene Digitalisierung hat das Schreiben in bestimmter Weise verändert und auch erneuert. Hinter ihren Begriffen verbirgt sich eine Theoriegeschichte des Schreibens, in der sich Zeichentheoreme durch Medientechnologien artikulieren. Eine Frage, die sich angesichts der vorliegenden Bestimmungen des Schreibens aufdrängt, formuliert sich also heute im Kontext der Dominanz ›Neuer‹ Medien bzw. im Zuge des Einbezugs derartiger Kulturtechniken in neue Medienumgebungen. Damit wird explizit nach dem Charakter und den Funktionsweisen des sogenannten digitalen Schreibens gefragt, d. h. nach einer Erscheinung, die ein an Maschinen angebundenes Schreiben in einem kulturellen Kontext darstellt, der im Zeichen elektronischer und technologischer Entwicklungen steht: »Eine neue Ökonomie des Schreibens, ein neues Zusammenspiel von technischen Geräten und den Weisen, mit ihnen umzugehen, beginnt sich auszubreiten.« 3 Was bedeuten diese sich ausbreitenden Weisen? Sie scheinen sich auf eine historische Tendenz anzuwenden, deren Wert als Anwendung im Verlauf der Zeitläufte der Technologie des Schreibens (unter anderem von der Papyrusrolle der Antike, dem Kodex der Spätantike und des Mittelalters und dem gedruckten Buch von der Renaissance bis heute) sich verschiedenen technologischen Unterordnungen zugeordnet hat: zur Wachs- und Steintafel in der antiken Welt, zu vergänglichen wie monumentalen Schreibarten im europäischen Mittelalter, zum Manuskript, zum Holztafeldruck, zur Schreibmaschine, zu Diktiergeräten. Das digitale Schreiben 2 Zu den Erfahrungen, die sich insbesondere in nicht-schriftlichen Gesellschaften machen lassen, siehe andererseits einmal mehr Lévi-Strauss: Traurige Tropen, bes. S. 288-300. 3 Bolter: »Das Internet in der Geschichte der Technologien des Schreibens«, S. 318. Neue Kommunikationsweisen Von der Papyrusrolle bis heute <?page no="121"?> 121 4.1. »Keine Angst vorm leeren Blatt« führt, wie sich bereits im vorangegangenen Kapitel im Kontext der Schreibtheorie von Michael Lentz erweisen hat und wie sich im weiteren Verlauf der vorliegenden Einführung noch näher zeigen wird, diese den historischen Technologien untergeordnete Verfahren weiter; es setzt sie konsequent fort-- und bricht gleichzeitig radikal mit ihnen. 4 Dennoch sieht sich der Schreibende hier Problemen gegenübergestellt, die sich für ihn schon immer im Dispositiv des Kreativen Schreibens ergeben haben: wenn das Schreiben gestört 5 ist oder genauer: wenn der Schreibende nicht weiß, wie er mit dem Schreiben trotz aller Kreativität beginnen soll. 4.1. »Keine Angst vorm leeren Blatt« Lösungsperspektiven für diese Störung bzw. aus dieser ›Falle‹ des Schreibens 6 führen zu einem zentralen Mythos der Moderne, die sich konstituiert, sobald sie gleichsam das Wort von der Vorsehung abschneidet: die weiße oder leere Seite bzw. das weiße Blatt. 7 Sie wird, wie dies Bernhard Teuber formuliert, zu einer »modernen Figuration des (Schreib-)Anfangs«, zumal sich die »vormoderne 4 Vgl. ebd., S. 318 f., insbes. S. 319: »Historisch hat sich jede Ökonomie des Schreibens im Zusammenhang mit bestimmten Genres und Stilen definiert. Die Papyrusrolle war mit der antiken Rhetorik und Historiographie verbunden; der Kodex mit der mittelalterlichen Enzyklopädie, marginalen Anmerkungen, Glossarien und illustrierten religiösen Texten; die Drucktechnik schließlich mit der Novelle und der Zeitung. Diese Genres und Stile drücken unterschiedliche kulturelle Einstellungen bezüglich der Organisation von menschlichem Wissen und Erfahrung aus. Technologien des Schreibens waren durchgängig bedeutsam für die abendländischen Ideen des Wissens und der Subjektivität.« 5 Zur Figur eines solchen ›Störfalls‹ siehe im Übrigen auch das entsprechende, von Lars Koch, Christer Petersen und Joseph Vogl herausgegebene Themenheft der Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2 (2011). 6 Schreiben pendelt, derart gesehen, zwischen Knowing-how und Knowingthat, worüber Christian Stetter erklärt hat, dass Erstgenanntes dasjenige Können darstellt, mittels dessen Zweitgenanntes konstituiert wird: »Es ist dasjenige Können, mittels dessen Theorie, Knowing-that formuliert wird-[…]. Das Charakteristikum des Knowing-that liegt darin, daß es propositionales Wissen ist-- im Gegensatz zum Gewußt-wie des Praktikers, der sieht, wie’s geht.« (Stetter: Schrift und Sprache, S. 292) 7 Vgl. hierzu Ruf: »Weißes Blatt«. Die ›Falle‹ des Schreibens <?page no="122"?> 122 4. Praxis des Kreativen Schreibens Dichtung als Sprachrohr einer ursprünglichen Sprechinstanz« verstehe und sich die »moderne Literatur in der (mißlichen) Lage« befinde, »eigene (Schreib-)Anfänge auf leeren Seiten vorzunehmen und hierbei womöglich zu scheitern«. Dieses weiße Blatt, »Sinnbild für die Materialität des Schreibakts«, blockiere die »Beschreibung der Welt durch das Wort« und stelle »daher einen namenlosen Schrecken für all diejenigen Autoren dar, deren gewohnte Arbeit sich plötzlich in ›endlosen‹ Entwürfen« verliere; sie gebe zudem den »Impuls zu Poetiken, die die anfängliche (weiße) Leere ausstellen und so zum [S]prechen bringen«; »und nicht zuletzt werden-[…] zahlreiche Strategien entwickelt, die die (leere) weiße Seite nutzen, um sie auf buchstäblich ›originelle‹ Weise zu füllen.« 8 Das Kreative Schreiben überwältigt gleichsam das weiße Blatt, da es von jenen produktionsästhetischen Einsichten geleitet wird, die davon ausgehen, dass die Produktion nicht sichtbar gemacht oder dicht dargestellt werden kann, die mithin die Struktur eines Risses betreffen, der jede Darstellung von ihrem Gewordensein trennt. 9 Künstlerisch-gestalterische Produktion- - wie das Schreiben- - ereignet sich so zwischen den Polen Anwesenheit und Abwesenheit: 10 Schreiben-zu-Wollen kann einerseits vorhanden, die entsprechende Hervorbringung aber noch abwesend sein, und ein gefundenes Objekt kann ohne jegliche Konzeption vorliegen; andererseits können das Wollen-zu-Schreiben und das Objekt abwesend und dennoch ein Produktionsprozess bereits im Gang sein, denn die Gewissheit, dass etwas sein wird, kann doch existieren, wenn in der Vorstellung schon etwas vorhanden ist. 11 Diese Überlegung erlaubt es, zu sehen, wie das weiße Blatt in seinem begriff- 8 Vgl. http: / / www.forschergruppe-anfaenge.uni-muenchen.de/ teilprojekte/ teilprojekte/ teuber1/ index.html, zul. abgeruf. am 10. 03. 2016. 9 Dazu ausführlich Egenhofer: Produktionsästhetik. 10 Siehe dazu auch Schmitz-Emans: Schrift und Abwesenheit. 11 Siehe dazu auch die Ausführungen der Schreibforschung, die eine Reihe an Schreibprozessmodellen entwickelt hat, um die Schreibentwicklung in deren unterschiedlichen Phasen vorstellbar zu machen und in Kategorien zu fassen, etwa erneut Hayes/ Flower: »Identifying the Organization of Writing Processes«; Bereiter: »Development in Writing«; Hayes: »A New Framework for Understanding Cognition and Affect in Writing«, sowie Bereiter/ Scardamalia: The Psychology of Written Composition. Produktionsäshetische Einsichten <?page no="123"?> 123 4.1. »Keine Angst vorm leeren Blatt« lichen Verweis auf eine unbeschriebene, geradezu jungfräuliche Schreiboberfläche ein kardinales Moment von Textgenese und Schreibprozess symbolisiert. 12 Das weiße Blatt problematisiert diskurshistorisch das schreibpraktische Anfangen wie das schreibprozessuale Wiederanfangen als-- ästhetisches/ literarisches-- Produktionsprinzip. 13 Relevant für diese Symbolbildung und dessen Problematisierung sind die Bedeutung des weißen Blatts als leere Fläche, die es zu füllen gilt, deren komplexe Funktion als Aufzeichnungsbzw. Aufschreibemedium und die mit dem weißen Blatt oftmals verknüpfte Dichotomie von handwerklicher Tätigkeit, die erlernt werden kann/ die es zu erlernen gilt, und dem Erwarten einer Eingebung, eines Einfalls 14 bzw. einer Idee oder einer Art ›göttlichem Funken‹ qua Begabung/ Talent respektive Genie. Hinzu kommt das kulturgeschichtlich motivierte Interesse für die damit verbundenen Kulturerwerbstechniken schreibspezifischer Provenienz, d. h. für die einerseits äußerlich-materiellen (Raum, Schreibmaterialien), andererseits innerlich-sprachlichen (psychischen, stilistischen) Dispositionen, wodurch in den Fokus Strategien zur Überwindung der Schwierigkeiten des Anfangens-- bzw. wiederum von Störungen des Schreibens respektive der Angst vorm leeren Blatt 15 -- rücken. Außerdem auch die damit verbundenen Klagen darüber, »um sich und anderen«, so Hubert Thüring, »geeignete Mittel zu verordnen und um dabei gleich über den Anfang hinauszukommen«. 16 Beispiele für solche Mittel geben die folgenden Kapitel. 12 Dazu ausführlich Thüring/ Jäger-Trees/ Schläfli (Hrsg.): Anfangen zu schreiben. 13 Vgl. Thüring: »Anfangen zu schreiben«, S. 10 f. 14 Dazu ausführlich Fetz/ Kastberger (Hrsg.): Der literarische Einfall. 15 Vgl. Kruse: Keine Angst vorm leeren Blatt. 16 Thüring: »Anfangen zu schreiben«, S. 13. Aufzeichnungs- und Aufschreibemedium <?page no="124"?> 124 4. Praxis des Kreativen Schreibens 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur Seit der Etablierung jener Schreibforschung, 17 auf die bereits zu Beginn dieser Einführung eingegangen worden ist, steht für die praktische Stoßrichtung des Kreativen Schreibens der Rückgriff auf eine Vielzahl unterschiedlicher Schreibformen zur Verfügung. Rückt dabei literarisches bzw., wie es hier genannt werden soll, generell gestalterisches Schreiben in den Mittelpunkt, nehmen diese Termini (fachdidaktisch formuliert) auf die Strukturen, Semantiken und die verfolgten Intentionen des entstehenden Produkts Bezug. 18 Gestalterisches Schreiben hat in diesem Zusammenhang den Anspruch, heuristisch dem Verstehen zu dienen, 19 und zu seinen etablierten Schreibformen zählen etwa das Verfassen von Erlebnisgeschichten z. B. in Anlehnung an Textvorlagen, das Ausgestalten von Erzählkernen, das Fortführen von poetischen Texten, das Schreiben nach literarischen Vorbildern sowie das Umschreiben und Korrespondieren in Briefform. Gestalterisches Schreiben schließt das Schildern von Erlebnissen, Eindrücken und Empfindungen mit ein als auch das Schreiben in literarischen Stilformen sowie das Entwerfen von inneren Monologen. Ebenso zählen hierzu das assoziative Schreiben nach optischen und akustischen Impulsen, die Textmontage, die Textcollage und auch die gestaltende Interpretation, bei der beispielsweise analoge Texte oder Gegentexte verfasst werden. Hinzu kommen Verfahren wie die Weiterführung von Texten oder die Veränderung der Perspektive oder der Stilebene sowie ungebundene pragmatische Schreibformen wie Essay und Kritik, freie Versuche und Bearbeitungen literarischer Vorlagen. Alle diese Formen kennt die Praxis des Kreativen Schreibens, die im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele und Praxis- Szenarien vorgestellt werden soll; sie nehmen, wie es wiederum 17 Vgl. dazu wiederum einführend Baurmann/ Weingarten (Hrsg.): Schreiben: Prozesse, Prozeduren, Produkte; siehe dazu auch Baurmann/ Ludwig (Hrsg.): Schreiben-- Schreiben in der Schule; Baurmann: »Zur Didaktik und Methodik des Schreibens«; Kruse/ Berger/ Ulmi (Hrsg.): Prozessorientierte Schreibdidaktik. 18 Vgl. Matthiessen: »Umgang mit Texten in der Sekundarstufe II «, S. 126. 19 Vgl. Paefgen: »Textnahes Lesen«, S. 52. Vielzahl unterschiedlicher Schreibformen Ausgewählte Beispiele und Praxis-Szenarien <?page no="125"?> 125 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur die Fachdidaktik formuliert, »subjektiv auf Texte Bezug, interpretieren und werten sie«: »Unbewusstes freisetzend, stellen sie ichbezogene Formen des Schreibens dar«, die auf Cluster-Methoden ebenso basieren können wie auf Tagebuch-Skizzen und assoziativen Verfahren bzw. sich auch an literarischen Mustern orientieren. 20 Für die Praxis des Kreativen Schreibens entscheidend ist aber in jedem Fall, dass jener literarische Text (an dem sich orientiert oder ›abgearbeitet‹ werden soll) hier nur scheinbar in den Hintergrund rückt, indem er zum Stimulus wird, jedoch trotzdem den zentralen Gegenstand darstellt, mit dem sich der Schreiber auf der Basis komplexen Verständnisses auseinandersetzt. Mit Martin Fix lässt sich zusammenfassen, dass sich die Annäherung an das Verstehen literarischer Texte hier gerade durch das eigene Schreiben vollzieht; der kreativ Schreibende denkt »sich schreibend in die Literatur ›hinein‹«; er eignet sich »Literatur durch schreibende Verarbeitung an«. 21 Dieser Ansatz, den man das Schreiben zu/ nach/ über Literatur nennen kann, ist vor allem dann erfolgreich praktizierbar, wenn man sich solche literarischen Texte in der eigenen Schreib-Szene vornimmt, die einen spezifischen vorbildhaften Charakter aufweisen. Um solche geht es in den Unterkapiteln des vorliegenden Buchteils, die auf der einen Seite derartige Vorbilder der Gegenwart und auf der anderen Seite ›klassische‹ (bzw. kanonische) der Vergangenheit darstellen. 22 4.2.1. Zu/ nach/ über welche Literatur schreiben? Als Erstes soll mithin der Blick exemplarisch auf einen der bedeutendsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren gerichtet werden: Ingo Schulze und speziell sein Roman Neue Leben verdeutlicht, 23 20 Matthiessen: »Umgang mit Texten in der Sekundarstufe II «, S. 129. Ingrid Böttcher unterteilt Schreibverfahren in sechs Methodengruppen: Assoziative Verfahren-- Schreibspiele-- Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Muster-- Schreiben zu und nach (literarischen) Texten-- Schreiben zu Stimuli-- Weiterschreiben an kreativen Texten (vgl. Böttscher: »Zu den Methoden des kreative Schreibens«, S. 22-26). 21 Fix: »Lernen durch Schreiben«, S. 7. 22 Vgl. hierzu Ruf: »Zeitgeschichte mit Gegenwartsliteratur schreibend vermitteln«. 23 Vgl. Schulze: Neue Leben. Schreibende Aneignung von Literatur <?page no="126"?> 126 4. Praxis des Kreativen Schreibens wie zeitgeschichtliche Kontexte innovative Themen des Schreibens ›gegenwärtiger‹ Literatur sein können. Schulze gilt nicht nur als einer der bekanntesten Autoren seiner Generation und wichtiger Hoffnungsträger der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, sondern insbesondere als Schriftsteller der deutsch-deutschen Wende par excellence-- ein Ruf, den zunächst sein Roman Simple Storys begründete. 24 Vor allem aber hat sein Roman Neue Leben die Illusionen und Selbsttäuschungen und das Staunens vor und nach dem Umbruch 1989/ 90 skizziert, so dass ausdrücklich jenes Buch als der große Roman zur Wiedervereinigung begrüßt worden ist. 25 Bereits diese Einschätzung gibt einen ersten Hinweis, was Neue Leben insbesondere für schreibpraktische Überlegungen interessant macht. Darin wird das zentrale Wende-Datum deutsch-deutscher Geschichte auf bemerkenswert ästhetische Weise ausphantasiert: Schulzes Text bietet aufgrund seiner strukturellen Organisation als Briefroman fruchtbare Anschlüsse für das Kreative Schreiben. Denn bei diesem monumentalen Roman handelt es sich um eine vielfach verzweigte Schilderung des Mauerfalls und der letzten Jahre der DDR , um ein fiktives Historiengemälde aus strikt ostdeutscher Sicht. Zeitgenössische Wirklichkeit, genauer: in der ostthüringischen Provinz, wird rückblickend erzählt, wodurch gleichsam ein Mosaik sozialer Befindlichkeiten aus tragikomischen Momentaufnahmen menschlicher Schicksale und zwischenmenschlicher Beziehungen literarisch aufgerufen wird. 26 Schulzes Roman reflektiert auf diese Weise eine konkrete, zeitgeschichtliche Schwellensituation, um die grundsätzliche Entwicklung eines Menschen, seine Identitäts- und Persönlichkeitsbildung in der Auseinandersetzung mit einem solchen, zerfallenden Lebenskontext aufzuzeigen. Als Gegenstand des Kreativen Schreibens offeriert Neue Leben damit die Chance, historisches Wissen zur Zeitgeschichte durch die ›Brille‹ innovativer literarischer Techniken konzentriert kennenzulernen, wobei man sich gleichzeitig mit dem im Roman geschilderten Übergangsstadium des Protagonisten als literarische Perspektivierung auseinander setzen kann. 24 Vgl. ders.: Simple Storys. 25 Vgl. Ruf: »Ingo Schulze: Neue Leben«, S. 632 f. 26 Vgl. ebd. Themen des Schreibens ›gegenwärtiger‹ Literatur Anschlüsse für das Kreative Schreiben <?page no="127"?> 127 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur Der Roman kann daher Anregung und Anlass sein, textbezogene Schreibverfahren konkret zu erschließen. Besonders geeignet für die Schreibpraxis ist dabei vor allem jene integrative Variante des Creative Writing, bei der nicht allein das Schreiben selbst im Vordergrund steht, sondern auch die, wie es die Didaktik nennt, »Vorbereitung oder Vertiefung der Textrezeption durch die eigene Produktion«. 27 Bei solchen Verfahren stellt die (Teil-)Lektüre eines literarischen Textes einen Ansatzpunkt für das Schreiben dar, wobei das Umarbeiten sowohl dem Ziel der Inhaltserschließung als auch der Interpretation sowie der eigenen Stil- und Stoffentwicklung dienen kann. Hier erleichtern die produktiven Aktivitäten mithin die Rezeption und schaffen einen individuellen Zugang zum Text. 28 Gleichzeitig dienen sie dem Erwerb von Wissen als Aufbau und fortlaufende Modifikation von Wissensrepräsentationen: 29 Während des Schreibprozesses ruft der Autor ständig sein Wissen etwa über Welt- oder Fachwissen 27 Fix: Texte schreiben, S. 155. 28 Vgl. ebd., S. 156. 29 Vgl. Krapp/ Weidemann (Hrsg.): Pädagogische Psychologie, S. 164. Ingo Schulze wurde am 15. Dezember 1962 als Sohn eines Physikprofessors und einer Ärztin in Dresden geboren. Nach dem Abitur und dem Grundwehrdienst in der NVA studierte er Klassische Philologie in Jena und war im Anschluss daran als Dramaturg am Landestheater Altenburg tätig. 1990 gründete er mit anderen das Altenburger Wochenblatt und leitete den dazu gehörenden Altenburger Verlag bis 1992. In Russland lancierte er zudem kurze Zeit eine Annoncenzeitung. Seit Mitte der 1990-er lebt Schulze als freier Schriftsteller in Berlin. Seine literarischen Arbeiten gelten als Schlüsselwerke der deutschdeutschen Wendezeit. Werke u. a.: 33 Augenblicke des Glücks (1995)- - Simple Storys (1998)- - Neue Leben (2005)- - Handy (2007)- - Adam und Evelyn (2008)- - Was wollen wir? (2009)- - Orangen und Engel (2010)- - Unsere schönen neuen Kleider (2012)- - Henkerslos (2013). Erschließung und Interpretation <?page no="128"?> 128 4. Praxis des Kreativen Schreibens ab; gleichzeitig wirkt dieser Prozess über das Denken auf das vorhandene Wissen zurück: Diese »Schreibaufgaben aktivieren somit vorhandenes Wissen, sie können diese aber auch mit neuem Wissen verknüpfen, wenn Lesen und Schreiben, also Rezeption und Produktion, sinnvoll verbunden werden.« 30 Welche ›Art‹ von Schreibaufgaben können vor dieser Folie für die Arbeit mit Neue Leben praktisch eingesetzt werden? Vorgeschlagen wird hier, die oben genannten, transformierenden Verfahren zu modifizieren, d. h. Schreibimpulse zu wählen, die in engem Bezug zu Schulzes Buch stehen und den Zugang zu diesem erleichtern. Gearbeitet werden soll also mit Schulzes literarischem Text als Anregung zum Selberschreiben. Ein derart kreativ-produktives Vorgehen folgt dem Prinzip des imitativen Lernens, 31 und zwar in zweifacher Hinsicht: Einerseits soll Neue Leben Regeln und Muster vorgeben, mit denen in besonderer ästhetischer Weise so etwas wie Zeitgeschichte aussprechbar wird (Schreibende entdecken in einer solchen Nachahmung von Formulierungsmustern neue Ausdrucksmöglichkeiten). Andererseits fordert der literarische Charakter bzw. die poetische Sprache von Schulzes Roman dazu heraus, sich probehandelnd in literarische Wirklichkeiten und Sichtweisen hineinzubegeben. 4.2.2. Zu/ nach/ über Gegenwartsprosa schreiben Die Einführung in Schulzes Text funktioniert naturgemäß am Besten mittels der Lektüre von dessen eigenem Vorwort. 32 Leitfragen, die man sich stellen kann, können sein: Um was geht es nach Schulzes eigener Aussage in seinem Buch? Und um welche ›Art‹ von Buch handelt es sich überhaupt? Auf der Grundlage von Schulzes Ausführungen dürfte dieses- - irritierender Weise- - als quasi wissenschaftliche Briefedition (und nicht als Roman) identifiziert werden. Um sich einsichtig zu machen, dass es sich bei Neue Leben allerdings sehr wohl um ein fiktionales (und nicht um ein authentisches) Werk handelt, dient ein erster Schreibauftrag, der einerseits 30 Fix: »Lernen durch Schreiben«, S. 8. 31 Dazu wiederum näher Böttcher: »Zu den Methoden des kreative Schreibens«, S. 24 f. 32 Vgl. Schulze: Neue Leben, S. 7-11. Schreibimpulse Texterschließung <?page no="129"?> 129 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur darin besteht, sich noch einmal das Vorwort vorzunehmen und mit dessen Hilfe eine Rollenbiographie des darin vorgestellten Briefe- Verfassers Enrico Türmer zu verfassen. Andererseits besteht die Aufgabe darin, eine Rollenbiographie zu Ingo Schulze zu schreiben. Im Zuge dessen wird schnell offensichtlich, dass es zahlreiche Parallelen zwischen den Leben von Enrico Türmer und Ingo Schulze gibt, dass hier daher sozusagen etwas nicht stimmt bzw. dass es sich nicht wirklich um eine Sammlung ›echter‹ Briefe handeln kann. In diesem Zusammenhang sollte schließlich einsichtig werden, dass es sich bei Schulzes Buch um einen fiktionalen Roman handelt, der aus Briefen ›besteht‹, die eine frei erfundene Figur versendet hat. Dass eine solche Ver- und Enträtselung des Buches Schreibmotivation aufbaut, ist eine erste Einsicht, zu der die kreativen Schreibaufgaben führen. Durch sie nähert man sich nicht nur Hauptfigur, Buchinhalt und Romanstruktur an, sondern man erkennt bereits die besondere Erzählperspektive der Briefform. Zur konkreten Textproduktion ist ein weiterer Schreibauftrag hilfreich, der die Aufgabe umfasst, eigene Briefe an drei unterschiedliche Adressaten zu schreiben. Geschildert werden soll darin jeweils ein reales oder erdachtes Erlebnis, welches das eigene Leben radikal verändert hat. Dadurch werden eigene vorhandene Textsortenkenntnisse abgefragt, rekapituliert und erhellt; es gilt die Adressatenabhängigkeit von Briefen sichtbar zu machen, die wiederum auf deren Stil und Ausrichtung Einfluss hat, ohne dass der grundsätzliche Aufbau (Anrede, Grußformel etc.) verändert wird. Zugleich setzt man sich mit dem zentralen Thema von Schulzes Romans auseinander, d. h. mit einer Umbruch-Situation, die die persönliche Existenz im Großen und Kleinen gewissermaßen auf den Kopf stellen kann. Dazu können diese Erkenntnisse wiederum auf den Roman übertragen werden, am Besten nahe am Text, indem man sich exemplarische Briefe Enrico Türmers vornimmt, die an die unterschiedlichen Bezugspersonen adressiert sind. Damit wird der Zeitrahmen des Romans (also die ostdeutsche Vor- und deutschdeutsche Nachwendezeit) 33 benannt und außerdem der Auslöser 33 Zwei Erzählstränge zeichnen sich ab: Erstens das, was sich in Altenburg, Leipzig, Dresden und Ost-Berlin wenige Monate vor der Wiedervereinigung ereignete, zwischen kurz nach dem Fall der Mauer und kurz vor der Einfüh- Textproduktion <?page no="130"?> 130 4. Praxis des Kreativen Schreibens für Türmers Lebensveränderung (nämlich eben jene ›Wende‹) herausgestellt. Zur Vertiefung kann zudem eine daran anknüpfende Schreibaufgabe dienen, bei der die gelesenen Briefe in andere Textsorten umgewandelt werden (etwa in Zeitungsberichte, Zeitungsinterviews zwischen Briefschreiber und -adressat oder Tagebucheinträge Türmers). Textsorten- und daran anknüpfende Schreibkompetenzen, erzählerischer Perspektivenwechsel und zeithistorisches Verständnis werden dadurch wiederum geschult. Darüber hinaus bietet sich die Untersuchung weiterer, den historischen Hintergrund erhellende Briefpassagen an. 34 Zugleich kann die Charakterisierung der einzelnen Figuren angestrebt werden, die jede für sich genommen einen bestimmten Typus symbolisiert, der auf die Zeitgeschichte rekurriert: Türmers Schwarm Nicoletta steht für die Verlockungen des Westens; seine Schwester Vera repräsentiert die vor der Wende dorthin ausgereiste Dissidentin; der Jugendfreund Johann fungiert als Spiegelbild der sich auch marktwirtschaftlich rasant veränderten DDR -Gesellschaft. Zum Abschluss dieser Schreibübung zu/ nach/ über Gegenwartsprosa kann erneut die dem Roman zugrunde liegende Herausgeberfiktion zum Thema gemacht werden, indem Neue Leben gleichsam von außen verstehbar gemacht wird: Dazu versetzt man sich etwa in die Rolle eines Literaturkritikers, der Schulzes Buch rezensieren soll. 35 Durch diese Schreibanregung kann der kreativ Schreibende sein Schreiben in einen neuen Zusammenhang bringen, indem er die strukturelle Organisation eines solchen best practice-Romans kritisch benennt und außerdem die eigene Meinung über die Qualität des Buches artikuliert, indem die Elemente der Texterschließung kanalisiert werden. 4.2.3. Zu/ nach/ über literarische ›Klassiker‹ schreiben Ein weiteres Übungsmodell kann zeigen, wie ausgehend von auch ›schwierigen‹ literarischen Gattungen schreibproduktive Verrung der West-Mark; zweitens Enrico Türmers Jugend und die frühen Jahre seines Erwachsenenlebens in der DDR . 34 Vgl. Schulze: Neue Leben, S. 21 f., 35 f., 195 f. 35 Siehe dazu etwa Anz/ Baasner (Hrsg.): Literaturkritik; Neuhaus: Literaturkritik. Hilfestellungen zum Verfassen von Kritiken bietet Porombka: Kritiken Schreiben. Vgl. auch Kap. 6.3. Eine anknüpfende Schreibaufgabe Rolle eines Literaturkritikers <?page no="131"?> 131 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur fahren möglich bzw. ergiebig sind, und darüber hinaus darstellen, wie Anhaltsbzw. Ausgangspunkte des Schreibens aus einer spezifischen sozialen Verfahrenspraxis heraus entstehen. Ein passendes Beispiel ist hierfür eine historische Situation, in der die beiden bekanntesten ›Klassiker‹ der deutschen Literatur aufeinander treffen: die Begegnung und der Austausch zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. 1797 begannen beide literarische Balladen im Wettstreit für den Musenalmanach zu schreiben; ihr wechselseitiges dichterisches Schaffen demonstriert eine spezifische literarische Schreibpraxis, die nach wie vor ertragreich ist. Diese Schriftsteller-Verbindung geht zurück auf eine Einladung Schillers vom 13. Juni 1794 an Goethe, sich an seinem Zeitschriftenunternehmen der Horen zu beteiligen; in knapp vier Monaten bildet sich eine literarisch-künstlerische, berufliche und persönliche Verbindung heraus, an die zuvor nicht zu denken gewesen ist. 36 Indem beide dennoch zusammen finden, entsteht eine der fruchtbarsten literarischen Arbeitsgemeinschaften überhaupt, in der eine Wettstreitsituation an vielen Stellen beobachtbar bleibt, vor allem, wenn man den eigentlichen Produktionsprozess vor Augen behält, aus dem entsprechende Texte hervorgehen. Dieser Prozess demonstriert, dass jeder literarische Text erst nach und nach entsteht und einen bestimmten Anlass hat. Gerade ein solcher produktionsästhetischer Aspekt bietet wichtige und lohnende Anhaltspunkte, Schillers Balladen in Beziehung zur Erfahrungswelt als kreativ Schreibender zu setzen (zumal, wenn man noch wenig vertraut mit schriftstellerischen Produktionsverfahren ist)-- wichtig und lohnend vor allem deshalb, weil es dabei nicht allein um eine biographische Episode geht, sondern weil mit dieser und durch diese eine bestimmte literarische Intentionalität dargestellt ist: jene Wettstreit-Situation, die die Entstehung der Balladen ursprünglich befördert hat. Für die entsprechende Schreibübung werden solche produktiven Verfahren gewählt, durch die die Erschließung der Schillerschen Balladen schrittweise nachvollzogen werden kann. Um das zu behandelnde Textkorpus von vornherein sinnvoll einzuschrän- 36 Vgl. u. a. Böhler: »Die Freundschaft von Schiller und Goethe als literatursoziologisches Paradigma«; ders.: »Geteilte Autorschaft: Goethe und Schiller«. Anhaltsbzw. Ausgangspunkte des Schreibens Fruchtbare literarische Arbeitsgemeinschaft Produktive Verfahren <?page no="132"?> 132 4. Praxis des Kreativen Schreibens ken, sollten ausgewählte Balladen Schillers im Mittelpunkt stehen, etwa Die Kraniche des Ibykus (wobei selbstverständlich stets auch eine andere der Wettstreit-Balladen möglich ist). 37 Die Schiller’sche Ballade weist im Allgemeinen typische Merkmale auf, mit denen man die Gattung einsichtig machen kann: Es handelt sich um einen mehrstrophigen Text, der einen antiken bzw. mythischen Stoff aufgreift und sich durch die spannungsgeladene Hinführung der Handlung zu einem pointierten Schluss auszeichnet. Zudem weist er grundlegende lyrische, epische und dramatische Elemente auf, d. h. formal sind neben der Vers- und Strophenform Reimschemata festzustellen, aber auch wörtliche Rede und erzählerische Eigenarten. In Die Kraniche des Ibykus wird im Besonderen ein historisch belegbares Ereignis der Antike thematisiert, das sich ca. 530 v. Chr in der Nähe von Korinth zugetragen hat und das Motiv ›letzter‹ Gerechtigkeit ausphantasiert: Während der als Sänger und Leierspieler begabte Ibykus dorthin reist, begleitet ihn eine Schar Kraniche; er gerät in einen Hinterhalt und stirbt. In seinen letzten Zügen ruft er die Kraniche dazu auf, seine Mörder als Stimme dieser ›letzten‹ Gerechtigkeit anzuklagen-- ein Wunsch, der beim späteren Poseidon-Fest wahr wird, wenn sich die Mörder selbst entlarven. Die Geschichte gibt größtenteils ein auktorialer Erzähler wieder. Ziel der unten skizzierten Schreibübung ist die Ermöglichung des Nachvollzugs literarischen Lebens. In Konfrontation mit dem realhistorischen Kontext der Textentstehung in Abgleich mit eigenen, lebenswirklichen Erfahrungen können sich erhellende Deutungsvarianten zeigen; gleichzeitig wird der strukturelle Aufbau einsichtig und man versteht, wie sich die literarische Meisterschaft Schillers auf diesem Gebiet offenbart. Dazu wird man mit den drei folgenden Blickwinkeln konfrontiert: (a) Künstlerischer Wettstreit in der Literaturgeschichte: Hinsichtlich der realhistorischen Situation wird das Spannungsverhältnis zwischen literarischer Produktion und Rezeption ersichtlich, die das Verständnis eines ästhetischen Textes leitet und sich zwischen bekannten Normen, der Kenntnis der immanenten Poetik der Gattung, der impliziten Beziehungen zu bekannten Werken der 37 Vgl. Schiller: »Die Kraniche des Ibykus«. Die Kraniche des Ibykus Konfrontation mit dem realhistorischen Kontext der Textentstehung <?page no="133"?> 133 4.2. Schreiben zu/ nach/ über Literatur literaturhistorischen Umgebung und dem Gegensatz von Fiktion und Wirklichkeit bewegen kann; 38 dabei wird erlernbar, wie ein produktionsästhetischer Umgang mit Literatur um 1800 praktiziert und wie aus einer Idee ein poetisches ›Produkt‹ hervorgebracht worden ist, 39 und man erhält Einblicke in die ›Produktionswerkstatt‹ eines prominenten kanonischen Autors, wodurch man dazu angeregt werden kann, sich im Anschluss mit eigenen Produktionsprozessen auseinanderzusetzen; (b) Performativer Charakter im Vergleich zur Gegenwartskultur: Da sich auf textlicher Ebene die Wettkampf-Situation in der Textsorte Ballade widerspiegelt, bietet die o. a. Kontextualisierung Gelegenheit, den performativen Aspekt des Gattungs-Typus durch den Produktionsanlass zu verstehen: Aufgrund der gattungsimmanenten Vereinigung lyrischer, dramatischer und epischer Elemente ist es für diesen immer schon vorgesehen, Balladen z. B. zum Zwecke des Wettkampfs vortragen zu lassen-- eine Erfahrung, die einem heute durch populärkulturelle Phänomene, etwa im Hinblick auf Rap- und Hip-Hop-Musik, vertraut sein dürfte: Hier wird der persuasive Charakter der Schillerschen Balladen im Vergleich mit populärer Gegenwartskultur einsichtig und zugleich wird das Moment des Wettstreits sowohl in kontextualer wie textueller Hinsicht deutlich; (c) Herausstellung der literarischen ›Qualität‹: Indem die werkgeschichtlichen Hintergründe sowie der Bezug der Gattung Ballade zu Kunstformen der Gegenwart erschließbar wird, zeigt sich darüber hinaus die ›Zeitlosigkeit‹, das Besondere und das heißt eben auch die eigentliche Bedeutung von Schillers Balladen. 4.2.4. Über Texte hinaus schreiben Die Kontexualisierung des Themas geschieht mit einer Aufgabe, die den Einstieg vorbereitet, indem die ›spannende‹ Ausgangssituation der Balladen erfahrbar wird. Dies kann durch die Lektüre von Textstellen aus dem Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller erfolgen, in denen es um den Balladenwettstreit geht. Man taucht also gleich zu Beginn der Übung in das Geschehen im ›Bal- 38 Vgl. Jauß: Literaturgeschichte als Provokation, S. 177. 39 Vgl. Rudloff: Produktionsästhetik und Produktionsdidaktik, S. 236-277. Wettkampf-Situation Kontexualisierung des Themas <?page no="134"?> 134 4. Praxis des Kreativen Schreibens ladenjahr‹ 1797 ein, um im Anschluss die Textgattung Ballade zu konkretisieren. Dazu wird die ausgewählte Ballade, hier also: Die Kraniche des Ibykus, die ggf. bereits in den Briefstellen thematisiert worden ist, mittels der Schreibmethode des sogenannten Überden-Rand-hinaus-Schreibens erschlossen. 40 Die Arbeitsanweisungen lauten: Lies noch einmal den Text-- falls nötig mithilfe eines strukturierten Kommentarbogens 41 - - und trage in die darauf frei gelassenen Spalten die eigenen Eindrücke und Beobachtungen ein. Zu erwarten ist, dass insbesondere die epischen, lyrischen und dramatischen ›Bestandteile‹ der Ballade erkannt und benannt werden: Epik: Auktorialer Erzähler, nüchterne Schilderung der Ereignisse, wörtliche Rede; Lyrik: Gedichtform, in Strophen geschriebene Geschichte, Reimschema; Dramatik: Aufbau einer Spannungskurve von einer Exposition über eine dramatische Zuspitzung hin zu einem ersten Höhepunkt, dem Mord und der Wendung des sterbenden Sängers an die Kraniche, anschließendes Abfallen der Spannungskurve, wenn die Trauer der Freunde und Festteilnehmer geschildert wird, dann wiederum Steigerung bis zum zweiten Höhepunkt, der Selbstoffenbarung der Mörder. 42 Eine vertiefende Erkundung der literarischen Gestalt von Balladen können weitere kreative Schreibverfahren erproben, die z. B. einen Wechsel der Erzählform verlangen-- statt einer Ballade entsteht dann kreativ schreibend etwa eine Kurzgeschichte, ein Bericht, eine Anklageschrift, ein Protestsong oder auch ein Hip-Hop- Lied. Der Schreibende agiert hierbei also wiederum selbständig, wobei die realhistorische Folie präsent bleibt, ohne den Transfer des Themas in die Gegenwart zu vernachlässigen. Hergestellt wird durch dieses Vorgehen eine Verbindung zwischen subjektiver Erfahrungswelt und Wahrnehmung eines Textes sowie die Unterstützung der imaginativen Vergegenwärtigung des Textes im Kopf des Schreibenden. Der Fokus richtet sich auf die Machart von Texten, ganz abgesehen davon, dass ein wahrnehmungsintensiver, 40 Vgl. Becker-Mrotzek/ Böttcher: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen, S. 45-47. 41 Vgl. Böttcher/ Wagner: »Kreative Texte bearbeiten«, S. 26. 42 Schiller geht es in seiner Ballade um ein Gerechtigkeits-Postulat, d. h. um eine höhere Wahrheit, der man nicht ›entkommen‹ kann. Erkundung der literarischen Gestalt <?page no="135"?> 135 4.3. Medienästhetisches Schreiben ästhetischer Zugang angeregt wird. 43 Der Wechsel der Erzählform erlaubt in diesem Zusammenhang eine vielfältige Erschließung des Balladen-Inhalts. Werden Protestsong oder Hip-Hop-Lied als neue Textversionen gewählt, wird insbesondere der performative Zug von Schillers Balladen deutlich, und einem kann wiederholt der Aspekt des Wettstreits bewusst werden, da ja in so genannten Hip-Hop-Battles zwei oder mehr Vortragskünstler in Reimform verbal miteinander um die Gunst des Publikums ›kämpfen‹. Entscheidet man sich für eine Anklageschrift, wird das Gerechtigkeitsmotiv nochmals aufgegriffen. 4.3. Medienästhetisches Schreiben Medienästhetik als Theorie der Wahrnehmung unter den Bedingungen (auch) neuer Medien schließt- - wiederholt gesagt- - an ästhetische Konzeptionen an, die für praktisches Kreatives Schreiben Gewinn bringend zu nutzen sind. Insbesondere kanonische Werke des literarischen Höhenkamms machen es- - wie oben gezeigt worden ist-- idealiter vor. Als weiteres prominentes Beispiel bietet sich zudem die Literatur der deutschen Romantik mit ihrer starken intermedialen Aufladung an, entsprechend inszeniert und davon ausgehend neu fort geschrieben zu werden. Prosa ist dazu weniger gut geeignet als Lyrik. Mit Clemens Brentanos bekanntem Gedicht Der Spinnerin Nachtlied 44 lässt sich etwa demonstrieren, wie Kreatives Schreiben die Grenzen des Mediums ›Text‹ zu überschreiten vermag, indem es auf weitere Medien übertragen wird. 45 Das folgende Modell betont deshalb sowohl den Schreibprozess als auch die Medienproduktion sowie neue Schreibverfahren im so genannten Web 2.0. 46 Dabei wird gleichzeitig die Analyse derart spezifischer Ästhetiken zum literarischen Lernen erneut motivational nutzbar. Brentanos Text zählt zu den »bekanntesten Gedichten eines wenig bekannten Autors«; es steht symptomatisch für den 43 Dazu näher Spinner: »Kreatives Schreiben zu literarischen Texten«, S. 111. 44 Vgl. Brentano: »Aus der Chronik eines fahrenden Schülers«. 45 Vgl. hierzu Ruf: »Romantische Liebeslyrik medienästhetisch inszeniert«. 46 Dazu näher Alby: Web 2.0. Wechsel der Erzählform Medienübertragung <?page no="136"?> 136 4. Praxis des Kreativen Schreibens »Ton« des »romantischen Liedes« schlechthin. 47 In seinem »raffinierten Aufbau« 48 und seiner »lyrischen Substanz« 49 ist es prädestiniert, im Kreativen Schreiben aufgegriffen zu werden: Sein- Reiz liegt in der formalen Struktur wie in der thematischen Komplexität, wobei beide Aspekte wiederum in für die deutsche Romantik programmatischer Art ausgeführt sind. Zu beachten ist, dass jedoch gerade diese Aspekte erfahrungsgemäß auch Probleme in kreativen Schreibphasen aufwerfen, da sie in-sprachlich-stilistischer als auch motivisch-bildhafter Hinsicht Schwierigkeiten bereiten, indem sie oft fremd und mithin unzugänglich erscheinen können. 50 Das im Folgenden beschriebene Modell soll daher auch dazu dienen, einen neuen, aktuellen Zugang mit Hilfe von Brentanos Gedicht zu ermöglichen, indem durch dieses medienästhetische Produktionsformen Anwendung finden. Dadurch orientiert man sich diesmal an jenen intermedialen Implikationen, die bereits die romantische Literatur/ Lyrik aufweist, indem man die eigene Medienkompetenz mediengestalterisch erprobt und im Zuge dessen erlebt, wie unterschiedlich Wirklichkeit ästhetisch erfahren und inszeniert werden kann. Dies ermöglicht die Erkenntnis fördernde Funktion lyrischen Sprechens in Konfrontation mit medialen Ausdrucksformen der eigenen Lebenswirklichkeit: Man bemerkt, dass Poesie ein Medium ist, das die heute eher gewohnten Rezeptions- und Wahrnehmungsweisen nicht nur komplettiert, sondern in ihrem Gehalt bei Weitem übersteigt. 4.3.1. Medienproduktion und Kreatives Schreiben Zu Beginn der Übungseinheit hat man die Möglichkeit, sich mit einem der später herauszustellenden, zentralen Themen des Gedichts zu beschäftigen, und dies bereits anhand desjenigen Mediums, in dem ebenfalls später die produktionsorientierte Arbeit mit jenem erfolgen soll. Dazu beschäftigt man sich mit einem Kurz- 47 Frühwald: »Die artistische Konstruktion des Volkstones«, S. 270. 48 Enzensberger: Brentanos Poetik, S. 116. 49 Alewyn: »Clemens Brentano: ›Der Spinnerin Nachtlied‹«, S. 199. 50 Dazu näher Frühwald: »Die artistische Konstruktion des Volkstones«, S. 270-273. Intermediale Implikationen <?page no="137"?> 137 4.3. Medienästhetisches Schreiben film, der mit derjenigen Technik realisiert worden ist, die dann selbst umzusetzen ist: Eine kurze Liebesgeschichte in Stop Motion 51 von Carlos Lascano erzählt von der Liebe zweier Menschen, die sich als Jugendliche, d. h. genauer: in einer Schulklasse kennen lernen und- - in der Vorstellung des Mädchens- - ineinander verlieben. Sinnbildlich zeichnet dieses ein Bild des jungen Paares, woraufhin sich- - geradezu als romantische Traumsequenz und Zukunftsvision- - das Leben der beiden Liebenden im Zeitraffer abspielt, vom ersten Kuss, über die Geburt des Sohnes bis hin zum gemeinsamen Älterwerden. Neben der ambitionierten Technik, die der Film demonstriert, wird so diese selbst zum erzählerischen Motor der herbeiphantasierten Geschichte. Indem am Ende zurück zum Anfang geschnitten wird und die Narration ausdrücklich als Phantasie, als Fiktion, ausgewiesen wird, bietet der Film die Ausgangsbedingungen, um anschließend einen kreativen Bezug zu Brentanos Gedicht zu finden. Trotz des betonten produktionsorientierten Umgangs mit Der Spinnerin Nachtlied sollte dessen analytische Erschließung allerdings nicht vernachlässigt werden, z. B. indem einführend literaturgeschichtlich wie literaturtheoretisch zentrale Aspekte herausgestellt werden, u. a. wie von Brentano die »Idee von der ursprünglichen Einheit alles Lebendigen in der Natur, seiner Trennung durch den Einbruch von Erkenntnis und Bewusstsein und seiner Wiedervereinigung auf einer Stufe, die Schmerz und Bewusstsein der Trennung umschließt-- und daher niemals enden wird« 52 in der Szene der auf den (toten) Geliebten qualvoll wartenden und diesen herbeisehnenden Spinnerin in ein treffendes poetisches Bild gesetzt ist. Derart vorbereitet für eine mögliche Bedeutung von Der Spinnerin Nachtlied rückt in einem nächsten Schritt die medienästhetische Auseinandersetzung mit dessen Stoff ins Zentrum. Zur Vorbereitung der Produktion eines potentiell eigenen (Stop Motion-)Films kann man zunächst ein ›schlecht‹ weil trivial in- 51 Vgl. http: / / vimeo.com/ 877 053? pg=embed&sec=877 053, zul. abgeruf. am 10. 03. 2016. 52 Frühwald: »Die artistische Konstruktion des Volkstones«, S. 273. Eine kurze Liebesgeschichte in Stop Motion Textanalyse Stop Motion <?page no="138"?> 138 4. Praxis des Kreativen Schreibens szeniertes You-Tube-Beispiel kennen lernen, 53 um daran anschließend bzw. dazu abgrenzend ein eigenes ›gutes‹ Film-Projekt zu versuchen. Ein Storyboard, in dem jede filmische Sequenz geplant und visuell dokumentiert wird, ist vorzubereiten, um die Deutungsvielfalt des Textes zu erweitern und zu visualisieren; neue Hypothesen werden in der (filmischen) Arbeit mit dem Material exponiert und die Kreativität im steten Bezug zum literarischen Gegenstand gefördert. Ein weiterer, paralleler (ergänzender oder alternativer) Schritt in der Vorbereitung zur konkreten Medienarbeit im Kreativen Schreiben kann die Einrichtung eines Brentano-Blogs sein. 54 Der sukzessiv entstehende Blog dient dazu, die mediale Auseinandersetzung mit Der Spinnerin Nachtlied (gerne auch erzählerisch) als eine Art virtuelles Portfolio zu dokumentieren und diese dadurch implizit zu reflektieren. Zugleich ahmt der Schreibproduzent, indem er dies tut, die Bewegung des ursprünglichen 53 Z. B. http: / / www.youtube.com/ watch? v=ko PGLJM h HX k, zul. abgeruf. am 10. 03. 2016. 54 Ein Blog lässt sich unkompliziert und kostenfrei über das Portal WordPress. com einrichten, mit dem den Nutzern Speicherplatz und vor allem ein technisches Blog-System online zur Verfügung gestellt werden. Dazu ruft man die entsprechende Seite http: / / de.wordpress.com auf und klickt auf den Button ›Registrieren‹. Die Benutzeroberfläche ist so aufgebaut, dass jeder schrittweise durch das Registrierungsverfahren geführt wird. Nachdem dieser Vorgang abgeschlossen ist, erhält derjenige, der seine Email-Adresse als Kontakt angegeben hat, eine Nachricht zur Bestätigung und mit weiteren Anweisungen, denen man folgen muss. Nachdem die Aktivierung erfolgreich realisiert worden ist, kann die Anmeldung auf der o. a. WordPress-Seite erfolgen. Eine Fülle unterschiedlicher Blogs steht im Anschluss zur Verfügung, die nach einiger Übung einfach und problemlos einzurichten bzw. mit Text, Bildern, Videos etc. zu füllen sind. Der Verwalter des Blogs kann weitere Nutzer als Autoren/ Redakteure des Blogs einladen, wodurch von Anfang an eine kooperative Lern- und Arbeitsatmosphäre geschaffen wird. Jeder Einzelne muss sich allerdings zuvor bei WordPress registriert haben. Die Funktionen, die der Blog-Verwalter den Autoren/ Redakteuren zuweisen kann, beginnen beim Autorenstatus, können jedoch sukzessive erweitert werden, z. B. je nach Kompetenz und Aufgabenverteilung. WordPress differenziert im Übrigen zwei Formen von Beiträgen: einzelne Artikel (Postings) und Seiten. Die Artikel dienen zur Dokumentation bzw. zum Schreiben einzelner Beiträge; die Seiten bilden die einzelnen Themen und Schwerpunkte des Blogs ab. Storyboard <?page no="139"?> 139 4.3. Medienästhetisches Schreiben Text-Subjekts am Spinnrad, die ebenfalls Tun und Empfinden ausdrückt, nach. Dass im Blog Abbildungen, ggf. auch Musik und weitere Videos zu Brentano wie zur Epoche der (Heidelberger) Romantik ihren Platz finden können, was das literarische Lernen wiederum eigenproduktiv leitet, versteht sich von selbst. Ein sinnvolles Ende des Projekts kann sein, sich ein Zitat Brentanos aus einem Brief an Achim von Arnim vom 6. September 1802 vorzunehmen, das sein eigenes Anliegen zum Ausdruck bringt: »Ich habe Dir nichts zu schicken, denn ich kann jetzt wenig dichten. Weil ich aber weiß, daß in der Ferne auch der kleinste Ton der Liebe wohltut, so schreibe ich Dir hier ein kleines Lied her- […].« 55 Indem Brentano hier betont, wie sehr sein Gedicht dem Freund in der Ferne Trost spenden soll, kann zum Abschluss die »enge« Beschränkung der Thematik auf eine körperliche Liebe hin auf eine zu diskutierende, eher »offene« Liebe (im Sinne freundschaftlicher Verbundenheit) gelenkt werden, zumal dadurch auch die Produktionsgemeinschaft der beiden Romantiker Brentano und Arnim zum Vorschein kommen kann: als Möglichkeit, deren individuellen Schreibprozess wie die potentielle Schreib-Ausgangslage ästhetischer Literatur nochmals näher zu erkennen. 4.3.2. Digitales Kreatives Schreiben Die systematische Mediendidaktik betont immer öfter die Relevanz digitaler Lern- und Lehrformen für die allgemeine kulturtechnische Praxis. 56 Werden entsprechende Ansätze mit schreibdidaktischen Methoden kombiniert, können digitale ›Mit- Mach‹-Projekte produktionsästhetisch entstehen, die in ihrer Realisation ebenfalls literaturhistorisches Wissen vermitteln und die in gewisser Weise in der Tradition der Schreibbewegung der 1980er Jahre in Deutschland stehen (die allerdings aufgrund ihres genuin intermedialen Gehalts wenigstens zeitgemäßer und im besten Fall effektiver ausfallen dürften). 55 O. V.: »Briefe aus dem Brentanokreis«, S. 390. 56 Dazu insgesamt Uellner/ Wulf (Hrsg.): Vernetztes Lernen mit digitalen Medien. »[D]enn ich kann jetzt wenig dichten« Die Relevanz digitaler Lern- und Lehrformen <?page no="140"?> 140 4. Praxis des Kreativen Schreibens Dies lässt sich wiederum exemplarisch an einem literarischen ›Klassiker‹ demonstrieren, dessen Autor ein Glücksfall für das Kreative Schreiben ist und dessen ungebrochene Aktualität bei dessen digitaler Inszenierung neue Deutlichkeit gewinnt: 57 Georg Büchners Erzählung Lenz 58 ist ein immens intertextuell durchsetzter, von medizinisch-pathologischem Interesse geleiteter und philosophisch-theologisch inszenierter Prosatext des 19. Jahrhunderts, der mit den Mitteln der Literatur die Tragik der historischen Figur des Schriftstellers Jakob Michel Reinhold Lenz in einer Art Fallstudie eindrücklich nachvollzieht; 59 er bietet neben seinem unbestrittenem Stellenwert innerhalb der Weltliteraturgeschichte auch Anhaltspunkte für neue medienästhetische Initiativen im Rahmen der Praxis des Kreativen Schreibens. Denn er kann Anlass und Mittel sein, sich seinem Autor wie seinem Gegenstand in einer Weise anzunähern, die der eigenen medialen Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht nur entspricht, sondern sich in dieser geradezu ›bewegt‹, sie aufgreift und innovativ produktionsästhetisch nutzt. Das im Folgenden vorgestellte Projekt präsentiert derartige Möglichkeiten. Intentional geht es darin darum, die Vermittlung ästhetischer Literatur aus dem Medium der reinen Text-Rezeption und -Analyse herauszuholen und in neue, digitale Kontexte zu stellen, um motivationale Effekte (etwa mit Blick auf die ›Leselust‹) zu bewirken; das für den kreativ Schreibenden essentielle literarische Lernen abseits der Auseinandersetzung mit Handlungsabläufen und Figurengestaltung durch die mediale Übertragung von Inhalten zu ermöglichen; die eigene Medienreflexion und Mediennutzungsdiskussion zu vertiefen; sowie die nicht oft genug zu schulenden und damit zu routinisierenden Schreibkompetenzen zu fördern und in diesem Zusammenhang auch das eigene (literarische) Geschichtenerzählen als Digital Storytelling umzusetzen. Das Projekt beginnt mit einer ersten Schreibaufgabe, in der man ohne Textsortenvorgabe schreiben bzw. erzählen soll, was man unter dem schon oben erwähnten, im Alltag mittlerweile oft ge- 57 Vgl. hierzu Ruf: »Digitale Textdidaktik«. 58 Vgl. Büchner: Sämtliche Werke und Schriften. Bd. 5. 59 Dazu ausführlich Dissel: Das Prinzip des Gegenentwurfs bei Georg Büchner. Ein Glücksfall für das Kreative Schreiben Medienreflexion und -diskussion <?page no="141"?> 141 4.3. Medienästhetisches Schreiben brauchten Begriff des ›Web 2.0‹ versteht. 60 Ziel ist es, dass nicht nur das Vorwissen offen gelegt, sondern auch die eigenen Präferenzen in der Textgestaltung präsentiert werden können (z. B. indem zur Beantwortung der Frage ein Gedicht, eine Geschichte, eine kleine Szene, ein Sachtext o. ä. verfasst wird). In der Ergebniszusammenführung geht es dann darum, eine Verbindung zu Büchners Lenz herzustellen und z. B. zu fragen: Wie würde Büchner heute als Autor auf seine literarische Arbeit aufmerksam machen? Welche Möglichkeiten bietet ihm hierfür die Dimensionen von auf Kooperation ausgelegten Internetseiten? Hierzu kann eine spontane Recherche von Netz-Präsentationen von Gegenwartsautorinnen und -autoren nützlich sein, wodurch man (als positiver Neben-Effekt) auf dieses Feld nochmals eigens aufmerksam wird und zu Gegenwartslektüren angeregt werden kann. Letztgenannte steht im Mittelpunkt des sich anschließenden Projektteils, das sich auf die noch immer übliche facebook- Nutzung 61 konzentriert und das Kreative Schreiben auf dieser Plattform forciert. Die nächsten Projektschritte spielen sich daher insgesamt in, um und mit facebook ab, nicht ohne dessen Risiken und Strategien wahrzunehmen bzw. nochmals eigens bewusst zu machen. Da es im weiteren Verlauf darum geht, für einzelne Stationen und Elemente des Lenz-Textes einzelne facebook-Seiten einzurichten und schreibend ausfüllen zu lassen, ist es ratsam, zunächst ein neues facebook-Profil von der Person ›Georg Büchner‹ neu zu erstellen. Die zentrale Projektphase besteht in der erzählerischen Darstellung von Büchners Lenz in der facebook-›Welt‹. Warum diese Erzählung medial transferiert werden soll, liegt auf den ersten Blick nicht zwangsläufig auf der Hand. Wenngleich die Methode zweifellos mit anderen literarischen Texten anwendbar ist, so erweist 60 Web 2.0 ist wiederum jenes Schlagwort, das für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets, speziell des World Wide Webs, verwendet wird. Hierbei konsumiert der Nutzer nicht nur den Inhalt, er stellt als Prosument selbst Inhalt zur Verfügung. Der Begriff postuliert in Anlehnung an die Versionsnummern von Softwareprodukten eine neue Generation des Webs und grenzt diese von früheren Nutzungsarten ab. Die Verwendung des Begriffs nimmt jedoch zugunsten des Begriffs Social Media ab. 61 Eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit diesem Phänomen bieten u. a. die Beiträge in Leistert/ Röhle (Hrsg.): Generation Facebook. Präferenzen in der Textgestaltung facebook-›Welt‹ <?page no="142"?> 142 4. Praxis des Kreativen Schreibens sich Büchners Lenz jedoch aus mehreren Gründen als durchaus prädestiniert für ein interaktives Schreibprojekt. Die zahlreichen, offen zu legenden, bereits angedeuteten intertextuellen Verweise Büchners (etwa auf den zeitgenössischen naturwissenschaftlichen und juristischen Diskurs) wie auch Büchners eigene Schreib-Verfahren, Inhalte, Themen und Perspektiven seiner Literatur zusammenzutragen und ästhetisch in eine neue narrative Gestalt zu bringen, 62 ähneln grundsätzlich der Hyperlinkstruktur und damit den Eigenschaften des Internets. Unabhängig davon vollzieht das Projekt eine solche im Medium von facebook nach: Die kreativschreibend zu füllende facebook-Seite kann die historischen Autoren Büchner und Lenz, die literarische Figur Lenz, weitere Figuren der Erzählung (z. B. Oberlin), die Schauplätze der Handlung, die thematisierte Natur usw. umfassen. Offensichtlich ist, dass im Projekt die erzähltheoretisch zu identifizierenden Bestandteile des Büchnerschen Textes in Anlehnung daran neu produziert werden können. 63 Der Moment der Interaktion eröffnet sich dann, wenn (nachdem die Seite online geschaltet worden ist) potentielle Kommentare anderer facebook- Nutzer geschrieben werden, man auf diese reagieren muss und man so eine Art neue digitale Erzählung zu Büchners Lenz realisiert. Damit sind die Grundlagen gegeben, um auf potentiell weiteren facebook-Seiten eigenständig im Rollenwechsel als Büchner, als Lenz, als Oberlin etc. zu posten, die Postings zu kommentieren und dabei Büchners Geschichte in neuartiger Weise nach- und womöglich auch weiter zu erzählen. 64 Das entstehende, sich verändernde und die Erzählung immer wieder neu initiierende facebook-›Gespräch‹ macht deutlich, wie und dass ein ›Leben‹ heute als digitale Existenz möglich ist, dass über diesem aber immer auch die Option der Fiktionalität 62 Vgl. wiederum Dissel: Das Prinzip des Gegenentwurfs bei Georg Büchner. 63 Dazu fachwissenschaftlich einführend sind Martínez/ Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie; Fludernik: Erzähltheorie. Zum Thema des vorliegenden Kapitels in diesem Zusammenhang Gewinn bringend ist außerdem Mahne: Transmediale Erzähltheorie. 64 Bekannte literarische Übertragungen bzw. Neu- und Weitererzählungen bieten bekanntlich die Arbeiten von Peter Schneider (Lenz) und Gert Hofmann (Die Rückkehr des verlorenen Jakob Michael Reinhold Lenz nach Riga). Intertextuelle Verweise Der Moment der Interaktion <?page no="143"?> 143 4.3. Medienästhetisches Schreiben schwebt: Mit Hilfe des Schreibprojekts kann intensiv ein Bild von der Differenz zwischen Realität und Netz-›Existenz‹ schreibend herausgearbeitet und intensiviert werden. In dieser Phase kann zusätzlich bewusst werden, wie sehr die digitalen Medien in der ihr genuinen Hypertextumgebung den Verfahren und Mechanismen der ästhetischen Literatur entsprechen, sich an sie anlehnen und sie sogar manipulativ nachahmen. So kann insgesamt deutlich werden, dass fiktive Figuren eine eigene, geradezu ›lebendige‹ Dynamik aufweisen, innerhalb der Narration regelrecht zum Leben erwachen- - ganz so, wie die ›Subjekte‹ von facebook-Accounts ebenfalls gewissermaßen ›leben‹. Gleichzeitig können hier ursprünglich literarische Figuren ihrerseits gleichsam zum Leben erwachen und dadurch greifbarer und nachvollziehbarer werden-- Büchners Lenz ›lebt‹ dann so zu sagen (auch) im sozialen Netz und es entsteht effektiv ein interaktiver Schreib-Austausch auf einer Reihe von digitalen Kanälen. Diese intermediale 65 Be- und Erarbeitung eines (bedeutenden) literarischen Texts wie die eines (derart wichtigen) literarischen Autors, die im vorgestellten Projekt angestoßen wird, transportiert beide Facetten des Themas in die Jetztzeit und verweist darauf, dass der analoge Text heute längst nicht mehr nur in der ihm zu Grunde liegenden, schriftlichen Medialität und dann auch Materialität betrachtet werden kann; gleichwohl muss dies im medienästhetischen Kreativen Schreiben stets mitbedacht werden, da das Medium Schrift Grundlage und Folie einer Vermischung mit bzw. Überschreitung hin zu anderen medialen Erscheinungen bedeutet. Deswegen ist es ratsam, sich am Ende des Projekts nochmals mit Büchners eigentlichem Text zu beschäftigen, ihn mit den facebook- und weiteren Social Media-Fortschreibungen zu vergleichen und hierbei letztendlich auch für sich herauszustellen, was diesen von jenen unterscheidet. Das heißt, es sollte abschließend eine Reflexion darüber stattfinden, dass Büchners Lenz auch völlig ohne die interbzw. transmedialen 66 Möglichkeiten, welche die digitalen Medien für das Kreative Schreiben bedeuten, eine Faszinationskraft und Erzählschärfe bereit hält, mit der nur wenige andere 65 Zur Diskussion dieses Begriffs siehe wiederum u. a. Helbig (Hrsg.): Intermedialität. 66 Dazu ausführlich Meyer/ Simanowski/ Zeller (Hrsg.): Transmedialität. Netz-›Existenz‹ Intermediale Be- und Erarbeitung Social Media-Fortschreibungen <?page no="144"?> 144 4. Praxis des Kreativen Schreibens Beispiele der deutschsprachigen Literaturgeschichte mithalten können und die ein Beleg für Büchners Einzigartigkeit als Schriftsteller sind. 4.3.3. Kreatives Schreiben 2.0 Einsichtig ist: Podcasts, Blogs und Wikis wie überhaupt die interkommunikative Struktur des World Wide Web üben eine ungebrochene Faszination auf die heutige Gesellschaft aus- - ganz im Gegensatz zur Begeisterung für ›alte‹ Medien, insbesondere betreffen jene ›schöne‹ Literatur. 67 Ein weiteres intermediales Projekt kann mittels explizit digitaler Schreibverfahren diese Diskrepanz verringern, was das Beispiel der sogenannten Literatur 2.0 zeigt. 68 Deren jüngerer literaturhistorischer Hintergrund bilden Werke der so genannten ›Netzliteratur‹, beispielsweise Rainald Goetz’ online geschriebenes Tagebuch Abfall für alle oder das von Thomas Hettche initiierte, kollaborative Web-Schreib-Projekt NULL . 69 Auch wenn sich zwar seither keine umfassende Rezeption derartiger Literatur abzeichnet, 70 ist es ein Allgemeinplatz der mediensoziologischen Forschung, dass das Medium Internet in jüngerer und jüngster Zeit insbesondere aufgrund sozialer Netzwerkformen und -dienste, mittels Chatforen, Instant Messaging oder Mikro-Blogging-Systemen, durch facebook, Twitter und YouTube eine Art »heimliche Medienrevolution« 71 erlebt und sich dadurch auch für das Kreative Schreiben neue Möglichkeiten im Rahmen der Nutzung eines solchen ›Mitmachnetzes‹ bieten. 72 Das folgende Schreibprojekt versucht mithin, an die gesellschaftlich beliebten wie intensiven Internet-Surf- und -Beteiligungsgewohnheiten anzuschließen. Der Zugang zur Literatur 2.0 kann durch dessen eigenverantwortliche Erschließung erreicht werden, beispielsweise mittels ei- 67 Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.): KIM -Studie 2014. 68 Vgl. hierzu Ruf: »Digitales Schreiben-- Literatur 2.0 in der Praxis«. 69 Vgl. Goetz: Abfall für alle; Hettche/ Hensel: NULL . Siehe dazu u. a. Simanowski: Interfictions. 70 Vgl. u. a. Simanowski: »Geburt und Entwicklung der digitalen Literatur«, S. 92. 71 Dazu populär Möller: Die heimliche Medienrevolution. 72 Dazu etwa Gerhards/ Klingler: »Mediennutzung der Zukunft«. Die interkommunikative Struktur des WWW ›Mitmachnetz‹ <?page no="145"?> 145 4.3. Medienästhetisches Schreiben ner einfachen google-Suche; mögliche Suchbegriffe sind: ›digitale literatur‹, ›literatur 2.0‹, ›computerdichtung‹, ›mehrautorenprojekte‹ etc. Ergebnis könnte sein: Als der Hyperfiction 73 zugehörig umfassen neue Literaturformen im so genannten elektronischen Raum 74 auch solche literarischen Arbeiten, die im Verbund eines Autorenkollektivs entstehen und/ oder auf einer Webseite fortlaufend bzw. in einem bestimmten Zeitraum veröffentlicht, d. h. innerhalb eines pluralen Schreibprozesses realisiert werden, an dem mitunter sogar tausende Textproduzenten beteiligt sein können. Das Durchklicken bzw. Anhören eines Podcast-Romans kann nun als Aufhänger für die Erschließung multimedialer Aspekte der Literatur 2.0 dienen. Weniger über den Podcast-Roman selbst als über das eigentliche Neue dieser Art, Literatur zu veröffentlichen, ist hier nachzudenken. Ergänzende Informationen aus einem exemplarischen Telefon-Interview mit einem entsprechenden Autor, das angehört werden kann, präzisieren die Intentionen und Eigenarten der Literatur 2.0 im Hinblick auf den sich unter den Bedingungen digitaler Medien wandelnden Literaturbetrieb. 75 Darüber hinaus bietet es sich an, den Entstehungsprozess eines Blog-Romans zu verfolgen; Berücksichtigung finden können dabei dessen Einträge über die ›Zeit des Schreibens‹. Zu erkennen sind vor allem die multimedialen Bedingungen, unter denen ein Autor heute schreibt und unter denen ein Verlag heute Literatur veröffentlichen sowie vermarkten muss: 76 Sie führen zu der Einsicht, dass eine adäquate finanzielle Vergütung für Schriftstellerinnen und Schriftsteller hier oftmals nicht mehr gewährleistet ist, wenngleich diese dadurch, falls sie noch relativ unbekannt sind, ein großes Publikum erreichen und auf sich aufmerksam machen können. Auch deshalb bleibt zu diskutieren, inwieweit diese literarischen Texte als ästhetisch wert- 73 Dazu grundlegend Suter: Hyperfiktion und interaktive Narration im frühen Entwicklungsstadium zu einem Genre; Ortmann: netz literatur projekt; Porombka: Hypertext. 74 Dazu ausführlich Heibach: Literatur im elektronischen Raum. 75 http: / / www.podcast.de/ episode/ 343 171/ 151_Buchkolumne: _Interview_mit_Tim_Cortinovis_von_ %22Herzfassen%22, zul. abgeruf. am 06. 02. 2016. 76 Dazu einführend Plachta: Der Literaturbetrieb, S. 62-89. Hyperfiction ›Zeit des Schreibens‹ <?page no="146"?> 146 4. Praxis des Kreativen Schreibens voll anzusehen sind: Entsprechen dessen Inhalte und Formen den Maßstäben der bekannten Grundzüge von ›guter‹ Literatur? Im Anschluss kann im Projekt eine eigene Wiki-Geschichte in Angriff genommen werden. Hilfreich und einfach handhabbar sind dazu kostenlose Wiki-Angebote, auf deren Basis das Projekt online gehen könnte. Dazu müssen gleichgesinnte kreativ Schreibende gefunden werden, die bereit sind, ein solches Vorhaben gemeinsam durchzuführen. Das gemeinschaftliche Abfassen solcher Kollektiv-Texte folgt den Prinzipien des kollaborativen Kreativen Schreibens; das Thema ist frei und wird in der Schreibgemeinschaft demokratisch festgelegt. Je nach Bedarf können Schreibanlässe zur Verfügung gestellt werden, z. B. mittels Phantasiereisen, Bildern oder Musik. In realen oder auch virtuellen Gruppen (man trifft sich real und schreibt zusammen in einem realen Raum oder man trifft sich virtuell und schreibt zusammen in einem virtuellen Raum) entstehen einzelne Geschichten zunächst in Einzelarbeit, die dann innerhalb der Gruppen besprochen werden, um jeweils die ›beste‹ Master-Geschichte zu wählen. Mit dem Ziel, Überarbeitungen dieser Texte langfristig anzubahnen und im Sinne einer inneren Textdifferenzierung zu fördern, sollte den Schreibenden klar sein, dass es Erfolg versprechend ist, auch für das WWW Geschriebenes auf schriftliche Normen, auf den Leser, den Schreibenden selbst und auf die Sache hin abzuwägen. Außerdem muss beachtet werden, dass die Überarbeitungsfähigkeit sehr behutsam gefördert und neben einer qualitativen Verbesserung der Sinn des jeweiligen Master-Textes möglichst wenig verändert wird. 77 Für einen solchen strukturierten und organisierten Lernprozess sind kreative und kriterienorientierte Verfahren sinnvoll; drei Stufen des bewertenden Reagierens, die der Schreibunterricht kennt, lassen sich unterscheiden: das Weiterschreiben, das fördernde Beurteilen und das prüfende Bewerten. 78 Dies ermöglicht Textproduktion und -revision zugleich und erhöht die Schreibmotivation-- gerade auch im Hinblick auf die Internet-Veröffentlichung. Die Schreibenden wählen individuell und kooperativ allmählich selbstbestimmt die Verfahren zur Textbearbeitung, experimentie- 77 Vgl. Böttcher (Hrsg.): Kreatives Schreiben, S. 72. 78 Vgl. Baurmann: »Schreibforschung und Aufsatzunterricht: ein Nichtverhältnis oder-…? «, S. 121. Wiki-Angebote Überarbeitungsfähigkeit fördern <?page no="147"?> 147 4.3. Medienästhetisches Schreiben ren spielerisch an den Texten und stellen sie der Schreibgruppe vor. Das Ganze soll direkt im Wiki erfolgen, 79 dessen technisches Grundprinzip jede einzelne Überarbeitung transparent macht, für die außerdem Kommentar- und Diskussionsfunktionen zur Verfügung stehen. Die Lenkung der vertiefenden Überarbeitung können zuvor ausgewählte Spezialisten (=-erfahrene Schreibende) übernehmen, die in der Gruppe auf die inhaltliche Geschlossenheit, Verständlichkeit/ Sprachliche Angemessenheit/ Wortwahl, Kohärenz/ Kohäsion, einheitliche Erzählperspektive, Wirkung auf den Rezipienten der Texte aufmerksam machen; die Kriterien können ggf. an Beispielen aus der Literatur 2.0 einsichtig gemacht werden. Wichtig bei alledem ist, dass die Schreibenden die Gewissheit haben, dass die Wahrnehmungen der anderen zum Text konstruktive Anregungen sind, die sie aufnehmen oder ablehnen können, und dass sie ihnen helfen, den Text womöglich gelungener im Hinblick auf zuvor festgelegte Kriterien zu machen. Am Ende des Projekts steht der Abschluss der Wiki-Geschichten, die auch ein offenes Ende haben und zum Weiterschreiben anregen können. Die Online-Veröffentlichung bietet die Chance, dass ›echte‹ Leserinnen und Leser zum entstandenen Text bzw. zum gesamten Vorhaben Stellung beziehen können, dass dieses auch außerhalb des Projekts fortgesetzt wird und somit die Schreib-Leistung zu einem gewissen Teil einen Grad an Anerkennung erfährt. Zur Erhöhung der Motivation ist die Kürung des ›besten‹ Wiki-Textes durch ein solches externes Lese-Publikum denkbar. Die Online-Publikation bietet die Möglichkeit, mit einem eigenen literarischen Text womöglich erstmals öffentlich in Erscheinung zu treten, ohne den Weg über einen Verlag zu gehen, was aber auch die Gefahr birgt, sich dabei öffentlicher positiver wie negativer Kritik ausgesetzt zu sehen und diese akzeptieren zu müssen. Auch Kreatives Schreiben 2.0 ermöglicht also eine intensive Auseinandersetzung mit dem Produktionsprozess von Literatur, ein konzentriertes Hineinversetzen in die Situation eines Schreibenden und ein Bewusstsein des eigenen Textverständnisses und der Schreibsituation; es macht darüber hinaus Aspekte der Leser-/ 79 Dazu anleitend Murbach: Mit Web 2.0 das Internet aktiv mitgestalten. Kommentar- und Diskussionsfunktionen Online-Veröffentlichung <?page no="148"?> 148 4. Praxis des Kreativen Schreibens Hörer-/ Zuschauer-Wirkung auf breiterer Basis thematisch, als dies eher traditionelle Schreibformen und Möglichkeiten, Literatur in Buchform zu veröffentlichen, bewirken. 4.3.4. Kreatives Schreiben medialisieren Die Verbindung von handlungs- und produktionsorientierten Verfahren im Kreativen Schreiben kann also insbesondere mit solchen Gegenständen funktionieren, die die entsprechende Methode bereits in ihrer ästhetischen Erscheinungsform, mithin als literarisches Kunstwerk vorgeben. Wie die Vermittlung intermedialer Schreibkompetenzen, bei denen sowohl der geschriebene Text als auch die Überschreitung der Grenzen seines ursprünglichen Mediums hin zum Gesprochenen im Vordergrund stehen, führt das folgende Schreibpraxisbeispiel vor Augen, das die Schreib- und Sprechweisen der bekanntesten deutschsprachigen ›Spoken Word- Poetin‹ und Performance-Lyrikerin Nora Gomringer vorstellt, die u. a. 2015 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und 2011 mit dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache ausgezeichnet worden ist. Aspekte der Leser-/ Hörer-/ Zuschauer-Wirkung Überschreitung medialer Grenzen Nora-Eugenie Gomringer wurde am 26. Januar 1980 in Neunkirchen/ Saar als Tochter der Germanistin Nortrud Gomringer und des Schweizerischen Dichters Eugen Gomringer, dem Begründer der so genannten ›Konkreten Poesie‹, geboren. Nach dem Abitur in Bamberg absolvierte sie ein Studium der Anglistik, Germanistik und Kunstgeschichte ebenda. Seit 2002 veröffentlicht sie vornehmlich lyrische Texte und tritt im Rahmen von Sprach-Performances auf. 2005 gewann sie die Deutsche Poetry-Slam-Meisterschaften; 2015 wurde sie mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Seit 2010 leitet Nora Gomringer das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg als dessen Direktorin. Werke u. a.: Silbentrennung (2002)-- Sag doch mal was zur Nacht (2006)-- Klimaforschung (2008)-- Nachrichten aus der Luft (2010)-- Ich werde etwas mit der Sprache machen (2011)-- Mein Gedicht fragt nicht lange (2011)-- Monster Poems (2013)-- Ich bin doch nicht hier, um Sie zu amüsieren (2015). <?page no="149"?> 149 4.3. Medienästhetisches Schreiben Lyrik als Gegenstand des Kreativen Schreibens stößt in der Praxis meist dann an die Grenzen der Umsetzung und Anwendung, wenn der Zugang zu ihr Sprach- und Verständnisschwierigkeiten bereitet und/ oder mit den eigenen Lebens- und ästhetischen bzw. literarischen Rezeptionsgewohnheiten in Widerspruch steht. Dabei bietet der schreibtechnische Einsatz experimenteller lyrischer Texte die Gelegenheit, zentrale Ausdruckskompetenzen zu schulen. Jüngere Arbeiten haben gezeigt, wie hilfreich hier der Rückgriff auf solche Lyrik-Formate sein kann, die nicht allein textuell fixiert sind, sondern die traditionellen Grenzen des Textes medial übersteigen; 80 als effektiv hat sich für Schreibübungsprojekte insbesondere die Thematisierung und Durchführung von Poetry Slam-Gedichten erwiesen, 81 zumal mit folgenden Intentionen: diese üben (1.) zugleich Schreib-, Sprach- und Sprechkompetenz, indem sie poetisches Sprechen in performative Situationen übertragen sowie schreibend wie spielerisch nachahmen; (2.) entwickeln Schreibende mit ihnen sowohl ihre Medien- und Handlungskompetenz initiativ weiter als auch ihre zu professionalisierende Selbst- und Sozialkompetenz mittels kooperativen Austauschs und Praktizierung ästhetischer Wahrnehmungsmuster. In einer ersten Phase dieses Projekts macht der Schreibende ggf. erste Erfahrungen mit Spoken Word Poems, d. h. mit solchen Texten, die im Rahmen von öffentlichen Literaturwettbewerben auf einer Bühne und im Wettbewerb mit anderen vorgetragen werden, wobei dann das Publikum entscheidet, welche Gedicht-Performance am Ende gewinnt. 82 Dies soll im vorliegenden Fall also am Beispiel Nora Gomringers erfolgen, von deren ›Vorträgen‹ zahlreiche Video-Clips auf den üblichen Video-Online-Plattformen abrufbar sind. 83 Der entsprechende Auftrag lautet deswegen, als Erstes im Netz nach Nora Gomringer-Clips zu suchen. Die Ergebnisse wer- 80 Vgl. hierzu Ruf: »Performative Schreib- und Sprechkompetenz intermedial erschließen«. 81 Vgl. etwa Anders: »Poetry Slam«; dies.: Poetry Slam-- Live Poeten in Dichterschlachten; dies.: »Texte auf Wanderschaft«; dies./ Abraham: »Poetry Slam und Poetry Clip«; dies.: Slam Poetry; dies.: Poetry Slam. 82 Dazu u. a. näher Westermayr: Poetry Slam in Deutschland; Preckwitz: Spoken Word und Poetry Slam; Willrich: Poetry Slam für Deutschland. 83 Z. B. http: / / www.youtube.com/ watch? v=SnkmDwiMrcM, zul. abgeruf. am 10. 03. 2016. Lyrik als Gegenstand des Kreativen Schreibens Spoken Word Poems <?page no="150"?> 150 4. Praxis des Kreativen Schreibens den mit den eigenen, bisherigen Literatur-Erfahrungen verglichen: Welche Art von Texten trägt Nora Gomringer vor? Handelt es sich wirklich um Gedichte? Wenn ja: Warum? Wie wirkt Nora Gomringer? Was geschieht überhaupt bei Poetry Slams? In einem zweiten Schritt wird das Gedicht von Nora Gomringer mit dem Titel Ich werde etwas mit der Sprache machen 84 gelesen, da mit diesem auch poetologische Fragen angesprochen und rekapituliert werden können. Schnell feststellen wird man, dass das Gedicht keiner ›festen‹ Form entspricht, sondern bestimmte stilistische und rhetorische Mittel einsetzt, um das schon im Titel Angekündigte (»Ich werde etwas mit der Sprache machen«) inhaltlich zu beschreiben und zugleich formal zu realisieren: Inhalt und Struktur bedingen sich wechselseitig und sind, als weitere wichtige Beobachtung, ursprünglich für das Sprechen bzw. genauer: das Aussprechen und den ›Auftritt‹ geschrieben. Bereits der Titel weist in die Richtung, in die eine Kommentierung des Gedichts versucht werden kann: Es ist davon die Rede, »mit der Sprache« tätig zu werden, zu handeln oder, anders gesagt, zu arbeiten. Dabei ist der Einsatz des Textes von Anfang als Ankündigung formuliert; der Leser respektive Hörer des Textes wird in eine Erwartungshaltung versetzt, die dadurch aufrecht erhalten wird, dass das ›Versprechen‹, »etwas mit der Sprache [zu] machen«, persistent im weiteren Verlauf aufgegriffen und variiert wird sowie motivisch Verwendung findet. Die Spannung, die das Gedicht aufbaut, wird dadurch befördert, dass das angekündigte Tun auch semantisch als »etwas Bestimmtes, Besonderes« 85 (Z. 2) benannt wird, und außerdem, indem die erwartete bzw. besser: erhoffte Reaktion (»Da werden Sie staunen«, Z. 3) herausgestellt ist, was wiederum variierend wiederholt wird: Der Leser/ Zuhörer wird, so das Versprechen des Gedicht-Schreibers/ Sprechers, »staunen« und dies selbst dann, wenn er ob seiner potentiellen Ab- und Aufgeklärtheit »nicht staunen« will, weil das in Aussicht Gestellte wiederum »ganz erstaunlich und unerwartet, ja unvorhersehbar« sein soll (Z.-7 f.). 84 Vgl. Gomringer: »Ich werde etwas mit der Sprache machen«. 85 Im Folgenden zitiert unter Angabe der Zeilenzahl in Klammern. »Ich werde etwas mit der Sprache machen« »Da werden Sie staunen« <?page no="151"?> 151 4.3. Medienästhetisches Schreiben Das Paradoxe des Beschriebenen ist jedoch, dass am Ende nichts Konkretes vorgefallen sein wird, sondern dass das, was erreicht werden soll, im Lesen/ Hören, in der Rezeption des Textes stattfindet: Etwas mit der Sprache zu machen, ist formal wie inhaltlich das Thema des Gedichts. D. h.: Was es thematisch ankündigt, leistet es selbst, etwa mittels rhetorischer Wiederholungsfiguren auf der Ebene von Wortwahl, Syntax, Semantik, Phonetik usw., d. h. auf der Ebene desjenigen, was sich als ›Sprache‹ bezeichnen lässt. Entsprechend werden die »Sinne« angesprochen, die diese Sprache »fast unverständlich« (Z. 12) erscheinen lassen sollen-- ein Hinweis auf den experimentellen, avantgardistischen Kontext von Laut- und Konkreter Poesie, 86 in der die Lyrik der Verfasserin insgesamt steht; vom »Effekt« (Z. 13) einer solchen Sprache wird mithin geschrieben/ gesprochen. Ihre Wirkung steht im Vordergrund, nicht so sehr ihr Inhalt, das, »[was] sie auslösen wird« (Z. 14). Einander gegenüber gestellt wird in diesem Zusammenhang deutlich die dem Leser/ Hörer »bekannte Sprache«, der der Gedicht-Schreiber/ -Sprecher »etwas abringen« will (Z. 16), was zugleich-- der Gesamtintention wiederum entsprechend-- wörtlich genommen wird: »Da werden Sie staunen werden Sie da / Darüber, wie ich ringe damit« (Z. 17 f.). Hier wird deutlich, dass die ›Sprache‹ des Textes dann tatsächlich eher mündlich als schriftlich konnotiert ist (auf Satzstellung und Zeichensetzung in der Schriftsprache wird weniger Wert gelegt, als auf spontane Äußerungen anzeigende, primär gesprochene Sprache kennzeichnende Wortfolgen). Die ›Atemlosigkeit‹, die eine solche ›Sprach-Arbeit‹ bewirken kann und die im Übrigen auch als symptomatisch für Nora Gomringers Werkkontext der ›Spoken Word Poetry‹ und des Poetry Slams gilt, ist denn auch explizit beschrieben (vgl. Z. 21). Im zweiten Teil des Gedichts wird ein weiterer Aspekt angesprochen, der für bekannte Sprach-Spiele und Sprach-Experimente, in deren Tradition sich Nora Gomringer damit stellt, kennzeichnend ist: Das ›Zaubern‹, die ›Magie‹ im Umgang mit herkömmlicher Sprache bzw. Sprach-›Resten‹, wie es zuerst die historische 86 Dazu u. a. Scholz (Hrsg.): Fümms bö wö tää zää Uu; Dencker: Optische Poesie, bes. S. 312 f. Gedicht-Schreiber/ - Sprecher <?page no="152"?> 152 4. Praxis des Kreativen Schreibens Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa in Form von Dada Zürich vorgemacht hat; 87 hinzuweisen wäre ferner auf die Unsinnpoesie, zudem auf schamanische und mystische Beschwörungsformeln bzw. auf Sprachengebete aus dem Bereich religiöser ›Zungenrede‹. ›Sprache‹ wird von Nora Gomringer in ihrer Performanz, ihrer Ausführung auf ihre Verwendungs- und Kombinationsmöglichkeiten hin permanent getestet und reflektiert. Ihr Gedicht verweist nicht auf einen oberflächlichen oder naiven Willen, mit Poesie Sprache zu verändern; buchstäblich angesprochen werden die Widerstände, Widersprüche und Obsessionen, die bei einem solchen Versuch auftreten können. Auffallend ist, dass es sich bei dem Gedicht nicht um einen ausschließlich experimentellen Text handelt: Er ist semantisch verständlich; die Struktur der Wörter und Sätze, ihre ›Zusammensetzung‹ wird nicht angetastet. Gleichwohl hat das 50 Verse umfassende Gedicht kein einheitliches Metrum oder Reimschemata aufzuweisen. Andererseits ist es von einem eigentümlichen, wiederum auf den mündlichen Vortrag abhebenden Rhythmus geprägt, den Nora Gomringer selbst auf der dem Lyrik-Band beigefügten Audio- CD darbietet. Zum Einsatz kommen Anaphern (vgl. etwa Z. 48), Ellipsen und, wie gesagt, sehr häufig zu identifizierende rhetorische Wiederholungsfiguren. Damit entspricht die Form der rhetorischen Strategie, etwas in immer mehr, ähnlichen Wendungen anzukündigen, ohne es schließlich einzulösen. Kurz gesagt: Der ›Weg‹ des Textes ist hier sein ›Ziel‹. Hervorgehoben wird gleichzeitig die ebenfalls schon erwähnte, rituell anmutende, gebets- und formelhafte Erscheinungsform von Lyrik schlechthin. »Schauen Sie doch hin, wie ich das machen, machen könnte, was ich machen könnte, wenn Sie mich nur ließen«, heißt es in Zeile 37 f. stellvertretend für die Gefahren, die sich ergeben, wenn derartige poetische Dichtungsweisen realisiert werden sollen; allerdings ist es nicht nur der Rezipient, der hier zum Störfaktor des Produzenten wird- - auch dieser selbst kann, in der Logik des Textes, hierfür ursächlich sein, wenn er sich, wie es das Gedicht nahe legt, tatsächlich stören lässt, so dass am Ende nur die Ankündigung und die Beschwerde darüber im Raum steht, doch 87 Dazu ausführlich wiederum Ruf: Zur Ästhetik der Provokation. Widerstände, Widersprüche und Obsessionen Störfaktor des Produzenten <?page no="153"?> 153 4.3. Medienästhetisches Schreiben »[n]ichts Außergewöhnliches, Erstaunliches mit der Sprache« (Z. 43) gemacht zu haben. Es fehlt letztendlich (»sehr bedauerlich«) die »Zauberei« (Z.-45), die nicht zu Stande kommt, weil die Rezeption aufgrund des mündlichen Text-Charakters nicht verdauert werden kann. Deshalb endet das Gedicht im Scheitern: »Wenn Sie nicht dabeibleiben an der unerhörten Sprache, der ganz außergewöhnlichen, durch meine Arbeit an ihr so veränderten, bekannten, altbekannten Sprache, so wird das natürlich etwas ganz Anderes, ganz vom Anfangsgedanken Abgekehrtes, so wird das nämlich / Nichts.« (Z. 46-50). Als zentrales Thema des Gedichts wird so jene Sprachskepsis aus dem Verlust eines Vertrauens in Sprache deutlich, die die großen Avantgarde-Strömungen und ihre nachfolgenden, insbesondere lyrischen Tendenzen innerhalb der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit hervor gebracht hat; 88 zugleich handelt es aber auch vom Ende eines solchen ›Projekts‹: Wenn niemand mehr zuhört, so ließe sich die Aussage des Textes zusammenfassen, kann es auch kein neues (lyrisches) Sprechen mehr geben. Sprechen-Wollen allein genügt dazu nicht. So lässt sich mit Hilfe des Gedichts auch eine Mini-Poetik poetischer Sprach-›Arbeit‹ identifizieren. Nora Gomringer bedenkt eine ästhetische Position, die davon ausgeht, dass es ohne literarische Wirkung keine ›neue‹ Produktion von Literatur geben kann, eine Position, die zum weiteren Nachdenken anregen kann, die es aber in jedem Fall nahe legt, gegenüber den literarischen Produzenten und deren Tun (dem Schreiben) vor allem eines nicht zu machen: sie damit allein zu lassen. 4.3.5. »Stilübungen« Um diese Lektüreergebnisse schreibproduktiv zu vertiefen und selbst ästhetisch erfahrbar zu machen, kann eine kreative Schreibübung dienen, die in komplexe, ebenfalls experimentell-avantgardistische Schreibanweisungen mündet. Eingesetzt werden kann dazu Andreas Thalmayrs Buch Lyrik nervt! sowie etwa auch Alexander Nitzbergs Lyrik-Baukasten. 89 Gearbeitet werden kann aber auch mit Raymond Queneaus- - für das Kreative Schreiben ein- 88 Dazu u. a. Bürger: Theorie der Avantgarde. 89 Vgl. Thalymayr: Lyrik nervt! ; Nitzberg: Lyrikbaukasten. Sprachskepsis aus dem Verlust eines Vertrauens in Sprache <?page no="154"?> 154 4. Praxis des Kreativen Schreibens schlägigen und bereits im Kontext der Schreibpoetik von Michael Lentz genannten-- Stilübungen: 90 Mitte der 1940er Jahre veröffentlichte Queneau das gleichnamige Buch, das bis heute nicht nur sehr berühmt geblieben ist, sondern das gleichzeitig eine Vielfalt an Möglichkeiten bereitstellt, einen literarischen Text im eigenen kreativen Schreiben immer wieder neu zu entdecken. In den 1947 erschienenen Exercises de style nimmt Queneau eine kurze Geschichte zum Ausgangspunkt, diese in immer wieder anderer Form neu zu verfassen. Der Ursprungstext mit dem Titel Angaben lautet: Im Autobus der Linie S, zur Hauptverkehrszeit. Ein Kerl von etwa sechsundzwanzig Jahren, weicher Hut mit Kordel anstelle des Bandes, zu langer Hals, als hatte man daran gezogen. Leute steigen aus. Der in Frage stehende Kerl ist über seinen Nachbarn erbost. Er wirft ihm vor, ihn jedesmal, wenn jemand vorbeikommt, anzurempeln. Weinerlicher Ton, der bösartig klingen soll. Als er einen leeren Platz sieht, stürzt er sich drauf. Zwei Stunden später sehe ich ihn an der Cour de Rome, vor der Gare Saint- Lazare, wieder. Er ist mit einem Kameraden zusammen, der zu ihm sagt: ›Du solltest dir noch einen Knopf an deinen Überzieher nähen lassen.‹ Er zeigt ihm wo (am Ausschnitt) und warum. 91 Dieser ›Minimalstoff‹ wird von Queneau achtundneunzigmal variiert--, etwa als Sonett, als Traum oder als Verhör, in ›gehobenem‹ Sprach-Stil, metaphorisch oder vulgär. Queneau exerziert seine Geschichte lautmalerisch, philosophisch oder beleidigend vor, als Komödie, als ›amtlichen Brief‹, als Bericht einer Frau, eines Landmanns oder eines Reaktionärs. Dabei gibt die Überschrift stets an, in welche Richtung die neue Textvariante geht: ›Verdoppelung‹, ›Telegraphisch‹, ›Ausrufe‹, ›Anglizismen‹, ›Konsonantenversetzung‹, ›Anagramme‹, ›Gastronomisch‹ oder ›Visuell‹. Als Übungsaufgabe zu Nora Gomringers Gedicht Ich werde etwas mit der Sprache machen lässt sich vor diesem Hintergrund formulieren, sich noch einmal jenes durchzulesen und zu versuchen, das Gedicht in drei unterschiedlichen Versionen neu zu schreiben genau so, wie es Raymond Queneau in seinen Stilübungen vormacht. Dazu muss eine Überschrift gefunden werden, die die gewählte Schreibweise stichwortartig benennt oder andeutet. 90 Vgl. wiederum Queneau: Stilübungen. 91 Ebd., S. 49. Variation eines ›Minimalstoffs‹ Neue Versionen schreiben <?page no="155"?> 155 4.4. Zur Zukunftspraxis des Kreativen Schreibens Geachtet werden muss ferner darauf, Gomringers Gedicht nicht einfach nachzuerzählen oder sogar nur nachzuahmen: Etwas völlig Neues soll daraus entstehen. Zu finden ist ein eigener Stil, mit dem ein eigener Text verfasst wird, der aber die Grundaussagen der Gedicht-Vorlage noch in der gewählten Perspektive erkennen lässt oder der sie ins Gegenteil dreht, sie fortschreibt oder parodiert. Diese Texte sollen das ursprüngliche Gedicht somit als Material verwenden, das immer wieder neu bearbeitet und schließlich auch dazu verwendet werden kann, eigene Poetry Slam-Texte zu bilden. Diesen ist schließlich der öffentliche Vortrag immanent-- ein Umstand, der es sinnvoll macht, die selbst verfassten Gedichte ggf. im Rahmen einer eigens organisierten Slam-Veranstaltung vorzutragen, d. h. adäquat zu performen und in dessen Rahmen auch die Möglichkeit zu bieten, Auszeichnungen zu vergeben. Dass im Vorfeld das Vorgetragene in Hinsicht auf Vortragsgeschwindigkeit, Aussprache, Zeitmanagement, Körpersprache usw. geübt wird, muss nicht eigens betont werden. 4.4. Zur Zukunftspraxis des Kreativen Schreibens Die Frage, was Kreatives Schreiben praktisch bedeutet, hat ihr Maß in der ihren Begriffen inhärenten kulturellen Ganzheit gefunden und es hat sich erwiesen, dass sie immer auch an den die Ganzheit erschließenden Medienmöglichkeiten orientiert ist, an Etwas völlig Neues Raymond Queneau war ein französischer Dichter, der seit seiner Jugend Kontakt zur surrealistischen Szene in Frankreich hatte. Entsprechend ist sein literarisches Werk beeinflusst. Mit François Le Lionnais gründete er die experimentelle Künstlergruppe OuLiPo, der auch die Schriftsteller Georges Perec und Italo Calvino angehörten. Zu seinem bekanntesten Romanen zählt Zazie dans le metró aus dem Jahr 1959. Das Kreative Schreiben bzw. generell auch die Poetik haben vor allem seine Exercices de Style (1947) beeinflusst, die Eugen Helmlé und Ludwig Harig erstmals ins Deutsche übersetzt haben. Inhärente kulturelle Ganzheit <?page no="156"?> 156 4. Praxis des Kreativen Schreibens Intertextualität, Intermedialität, Hypertextualität, Multimedialität usw. D. h. zugleich, dass sich die Frage nach dem Wesen einer Praxis des Kreativen Schreibens mit der Feststellung einzelner Anhaltspunkte nicht begnügen darf und dass dieses angesichts seiner derzeitigen Medien-›Umwelt‹ zum Gegenstand gänzlich medialen Verhaltens, vor allem der so genannten Konvergenz, geworden ist. Diese These ist gleichbedeutend mit der Frage nach der Mediologie im Sinne Debrays 92 (und damit geht sie im Übrigen über postmoderne Ansätze hinaus): 93 Es geht dabei nicht um konkrete einzelne Medien, sondern um die grundsätzlichen Zusammenhänge von symbolischen Produktionen und Medientechnologien. Das entsprechende System einer medialen Apparatur, die kulturelle Inhalte neu und anders strukturiert, hebt die Leistungen einzelner Medien in einem Zusammenspiel der Informationskreisläufe auf. ›Kultur‹ wird tatsächlich nicht mehr zu diskutieren sein, ohne technische Realitäten, wie die Logik von Datenstrukturen, die Funktion von Programmen, das Design von Interfaces, die Emergenz von Informationsordnungen, das Handeln von Agententechnologie, die Architektur der Vernetzung usw. auf derselben Ebene anzusprechen. Und ›Theorie‹, die ihre Zeit erfassen will, soll hermeneutische Kriterien von Verstehbarkeit durchaus zugunsten informationswissenschaftlicher Kriterien und damit des je grundlegenden ›Modus, Spuren zu erfassen, zu archivieren und zirkulieren zu lassen‹-[…] erweitern. 94 Das Kreative Schreiben der Zukunft hat demnach die technologischen Möglichkeiten seiner medialen Umgebung immer mehr zu berücksichtigen und in den Zusammenhang eines medienkonvergenten Schreib-Zusammenhangs zu stellen. Die Aufgabe eines solchen Schreibens, das vor den Gebrauchsweisen ›neuer‹ Medien nicht die Augen verschließt, ist noch immer zu entdecken. Auch im Hinblick auf sie ist das Anliegen einer ›historischen Mediologie‹ zentral: Zu berücksichtigen ist dabei zum ersten das ganze Spektrum materieller Typen (Schriftstücke, Druckwerke, Objekte- […] etc.) und medialer Konstellationen (Texte, Bilder, Diagramme, Karten etc.). Zum zweiten das ganze Inventar der Formen, die zwischen einzelnen Text- oder Bildelementen multiple Beziehungen stiften: syntagmatische wie paradigmatische, semantische 92 Vgl. Debray: Einleitung in die Mediologie. 93 Vgl. Hartmann: Mediologie, S. 17. 94 Ebd., S. 12 f. Medienkonvergenter Schreib-Zusammenhang <?page no="157"?> 157 4.4. Zur Zukunftspraxis des Kreativen Schreibens wie klangliche oder graphische. Zum dritten die ganze Reichweite sowohl medialer Selbstbeschreibungen wie medialer Selbstüberschreitungen, die beide zusammen die epistemische wie performative Dimension des Medialen ausmachen. Beispielsweise in Texten: eine Beschreibung von Objekten, Malereien und Räumen, von Gegebenheiten des Erzählens, Dichtens, Schreibens, Singens oder allgemein Kommunizierens; eine Thematisierung der Formen, Intentionen und Funktionen von Texten, zum Beispiel des Verhältnisses von Vers und Prosa; eine Potenzierung durch Reflexion der (Grenzen der) Schrift in der Schrift. In Bildern: ein Spiel mit Nischen, Fenstern, Türen und Rahmen, Gemälden, Karten und Spiegeln, Bildern, Materialien und Spolien, eine Spannung von Sichtbarem und Unsichtbarem, von äußeren und inneren, realen und mentalen Formen. 95 Das gilt nicht nur für das Kreative Schreiben als praktische Erscheinung, sondern auch für eine zu verstehende Sache, die grundsätzlich nach der Zukunft des Schreibens oder sogar noch grundlegender: derjenigen unserer Kulturtechniken schlechthin fragt. 96 Auch im Hinblick auf sie ist das mediologische Anliegen sinnvoll. Hier liegt das Zukunftsmoment dieses Schreibens, deren Mediengesten zu durchschauen und zu klären sind, um zu begreifen, was von ihren Produktionsweisen und Darstellungen zu bewahren und ggf. weiter zu reformulieren ist. 95 Kiening: »Wege zu einer historischen Mediologie«, o. S. 96 Dazu ausführlich Ruf: Wischen und Schreiben. Vgl. außerdem ders.: »Wischen«. Das mediologische Anliegen <?page no="159"?> 159 4.4. Zur Zukunftspraxis des Kreativen Schreibens 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft Bei der vorliegenden Auseinandersetzung mit dem Kreativen Schreiben geht es nicht nur um dessen Begriffe und Geschichte und nicht nur um dessen Theorie(n) und Praxis. Es geht auch darum, das Kreative Schreiben im didaktischen und mithin auf einen schulisch sowie hochschulisch bezogenen Zusammenhang zu diskutieren und zu bewerten. Diese Diskussion und Bewertung erfolgt in der Überzeugung, dass Schreibstrategien und Schreibroutinen grundlegende Techniken zur kulturellen Teilhabe an der aktiven Wissensgesellschaft bedeuten. Diese Erkenntnis hat im Bereich der schreibdidaktischen Forschung sichtbare Folgen: Lehrende haben sich- - wie ausgeführt- - vom so genannten traditionellen Aufsatzunterricht abgewendet und bevorzugen nun mehr und mehr prozessorientierte Lehr- und Lernformen. Besonders erfolgreich ist das Kreative Schreiben dabei immer dann, wenn es in schulischdidaktischer Weise methodisch durch Schreibspiele und Schreibübungen Eingang in den Unterrichtsalltag findet. Wissenschaftlich begleitet wird dessen Popularität in jüngerer Zeit mit einer Reihe von fachdidaktischen Veröffentlichungen und Herausgaben, von denen eine Auswahl im Folgenden kurz vorgestellt wird: Zu unterscheiden sind Arbeiten, die sich als Überblickswerke und/ oder Schreibratgeber verstehen, von jenen, die ›echte‹ Forschungsbeiträge bedeuten und die zudem das Reflexionsvermögen des Gegenstands (vor allem auch im Hinblick auf die Schule) sowohl in der Theorie fundieren als auch in der Vermittlungspraxis diskutieren. 1 Zur ersten Kategorie zählen etwa Bände von Lutz von Werder und Fritz Gesing. 2 In ihnen werden Schreibtechniken von ästhetischer Literatur sowie die Entwicklung der Techniken des Kreativen Schreibens in der Literaturgeschichte angerissen (von Werder) bzw. konkrete Anweisungen zum Schreiben erzäh- 1 Vgl. hierzu Ruf: »Kreatives Schreiben. Ein Blick auf die neuere Forschung«. 2 Vgl. Werder: Einführung in das Kreative Schreiben; Gesing: Kreativ Schreiben. Schreibspiele und Schreibübungen im Unterrichtsalltag <?page no="160"?> 160 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft lerischer Werke aus der Sicht eines professionellen Schriftstellers gegeben (Gesing). Effektiver, wenn man schulischen Unterricht planen, durchführen und reflektieren sowie sich in fachdidaktischer Hinsicht fortbilden möchte, sind dagegen die Arbeiten, die fachwissenschaftlich vorgehen und auf breiter Basis argumentieren. Dafür ist Ingrid Böttchers Einführungsmonographie in der ›Lehrer-Bücherei Grundschule‹ ein Standardwerk. 3 Sie stellt nicht nur Kreatives Schreiben, Schreibdidaktik und Schreibforschung in einen Zusammenhang, sondern erläutert darüber hinaus solche kreative Methoden, die typisiert werden und sich gut zur Organisation/ Struktur kreativen Schreibunterrichts eignen. Einerseits weist Böttcher damit auf besondere Unterrichtsfelder des Kreativen Schreibens hin (z. B. auf Schreibwerkstatt und Schreibecke), die bislang nicht umfassend empirisch erforscht worden sind. Andererseits stellt ihr Beitrag ein forschungsgeschichtliches Plädoyer für einen fächerübergreifenden Schreibunterricht dar, dessen Differenzierung für einzelne Unterrichtsfächer von ihr in Kürze veranschaulicht und mit Beispielen illustriert werden kann. Weitere Bände der fachdidaktischen Literatur tragen zwar nicht explizit den Begriff des Kreativen Schreibens im Titel, greifen es jedoch an zahlreichen Stellen auf und führen es weiter: Ein Sammelband, der Einzelbeiträge zum Thema zusammenstellt, wurde von Ulf Abraham, Claudia Kupfer-Schreiner und Klaus Maiwald herausgegeben. 4 Für die darauf rekurrierende Forschung zum Kreativen Schreiben hervorzuheben sind daraus die Studien von Kaspar Spinner (»Kreatives Schreiben zu literarischen Texten«), 5 Volker Frederking (»Schreiben und literarische Texte am Bildschirm«) 6 und Gerd Bräuer (»Schreiben verändern und durch Schreiben verändern- - Potenziale moderner Schreibdidaktik«), 7 da diese drei Beiträge wichtige Forschungsherausforderungen thematisieren: Wie kann mit Kreativem Schreiben ästhetische Literatur bereits früh analysiert werden? Welche 3 Vgl. Böttcher (Hrsg.): Kreatives Schreiben. 4 Vgl. Abraham/ Kupfer-Schreiner/ Maiwald (Hrsg.): Schreibförderung und Schreiberziehung. 5 Vgl. Spinner: »Kreatives Schreiben zu literarischen Texten«. 6 Vgl. Frederking: »Schreiben und literarische Texte am Bildschirm«. 7 Vgl. Bräuer: »Schreiben verändern und durch Schreiben verändern«. Kreativer Schreibunterricht »Schreiben verändern und durch Schreiben verändern-- Potenziale moderner Schreibdidaktik« <?page no="161"?> 161 5.1. Schreiblernprozesse in der Schule Schnittstellen ergeben sich zur immer mehr an Bedeutung gewinnenden (digitalen) Mediendidaktik? Und wie kann die ›Idee‹ des Kreativen Schreibens in ein interdisziplinäres, intercurriculares Schreib- und Medienzentrum integriert werden, das sinnbildlich-- womöglich-- die Zukunft integrativer Schulformen symbolisiert? Einen wissenschaftlichen Rahmen dieser Fragen bietet zum einen das Praxisbuch von Michael Becker-Mrotzek und Ingrid Böttcher. 8 Es vollzieht noch einmal den Weg von der ›alten‹ Aufsatzzur ›neuen‹ Schreibdidaktik nach, erläutert Schreibprozess-Modelle und -Strategien (von der Schreibkonferenz über die Textlupe bis hin zum Schreibatelier oder zum Schreiben in elektronischen Umgebungen) und zeigt umfangreiche Schreiblehrgänge auf- - darunter gerade wiederum auch das große Methodenspektrum des Kreativen Schreibens. Zum anderen hat Jürgen Baurmann ein Arbeitsbuch zur Schreibdidaktik vorgelegt, das u. a. dem ›frühen Schreiben‹ eine Sonderstellung einräumt. 9 5.1. Schreiblernprozesse in der Schule Wie wichtig es ist, ein Kind genau beim Lernen zu beobachten, zeigen die Ergebnisse seiner Textproduktionskompetenz. Nur wenn die Lehrkraft dessen Strategien erkennt, kann sie konkret seinen Lernweg verfolgen und Rückschlüsse auf den wahrscheinlichen Lernerfolg ziehen. 10 Die jüngeren und jüngsten Reformprozesse unterstreichen, wie bedeutend denn auch selbstgesteuertes Lernen und Lernen außerhalb traditioneller Präsenz-Umgebungen (wie dem Klassenraum) ist: Selbstgesteuertes Lernen bedeutet, dass das Kind bestimmte Lernstrategien beherrscht und genau weiß, wie es am besten lernt, und die Lehrkraft kann das besonders konkret beim Schreiben beobachten und hat hier ideale Möglichkeiten, das einzelne Kind zu fördern- - eine Situation, wie sie das Kreative Schreiben in der Schule zur Verfügung stellen kann. 11 8 Vgl. Becker-Mrotzek/ Böttcher: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. 9 Vgl. Baurmann: Schreiben-- Überarbeiten-- Beurteilen. 10 Vgl. hierzu Ruf: »Schreiben als Prozess«. 11 Dazu u. a. Bönsch: Variable Lernwege; Braun/ Schmischke: Kinder individuell fördern; Engel/ Wiedenhorn: Stärken fördern- - Lernwege individualisieren; Hempel (Hrsg.): Lernwege der Kinder. Selbstgesteuertes Lernen <?page no="162"?> 162 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft Die Lehrkraft kann bei einem Lernenden aber natürlich nur dann Lernstrategien feststellen, wenn er sie auch anwendet. Darum rücken verstärkt Lerntaktiken ins Zentrum anwendbarer Beobachtungsprozesse. In deren Mittelpunkt steht dabei die Frage ›Welche Verhaltensweisen kann ich betrachten, die Rückschlüsse darauf zulassen, welcher Lernweg beschritten und welcher Lernerfolg erzielt worden ist? ‹ Was bedeutet dies im Hinblick auf eine der wichtigsten Kulturerwerbskompetenzen, d. h. in Hinsicht auf die Ausbildung, Verstetigung und Vertiefung grundlegender Schreibfertigkeiten? Anders gefragt: Wie lernt man in der Schule Schreiben? Werden Lernstrategien als kognitive wie verhaltensbezogene Vorgehensweisen zum Zwecke des Wissenserwerbs aufgefasst, die verschiedene Handlungssequenzen bedingen, sind vom Lehrenden kognitionspsychologisch die Parameter Wiederholung, Organisation, Elaboration und Metakognition zu beachten, die die Lernenden beim Schreiben von Texten jeweils strategisch anwenden-- mit je unterschiedlicher Komplexität und Konsequenz: Beim Abschreiben üben sie die Fähigkeit, Inhalte schreibend zu wiederholen, verarbeiten diese jedoch nicht weiter; strukturieren sie beim Schreiben neu zu Lernendes, trennen sie hingegen Wichtiges von Unwichtigem und verdichten somit Information. Sollen die Schülerinnen und Schüler dann auf der Basis eines vorgegebenen Textes einen eigenen, neuen Text verfassen, der an die Vorgabe anknüpft, können sie Verbindungen zwischen dem neuen Material und ihrem bestehendem Wissen herstellen: Wenn sie zum Beispiel eine Geschichte fortschreiben, müssen sie sich zwangsläufig auf die literarische Vorlage beziehen, ihren Inhalt und auch ihre Form. Am Besten ist der Lernerfolg für die Lehrkraft sichtbar und belegbar, wenn insgesamt die Abläufe der Planung, Überwachung und Regulation des Lernens im Schreibprozess des Lernenden ersichtlich werden. 5.1.1. Lernverhalten messen Lernwege beim kreativen Texteschreiben zu beobachten ist insbesondere bei jungen Lernenden mit Hilfe rückblickender Selbstberichte weniger gesichert messbar. Es ist besser, handlungsnahe Wiederholung, Organisation, Elaboration und Metakognition <?page no="163"?> 163 5.1. Schreiblernprozesse in der Schule Erfassungsmethoden einzusetzen, d. h. das Schreiben der Schülerinnen und Schüler bei dessen Ausführung zu erfassen. Dadurch kann die Lehrkraft das Lernverhalten beim Texte schreiben in allen vier genannten Bereichen messen: an der Wiederholungs-, der Organisations-, der Ausarbeitungs- und der Metakognitionsstrategie, den Schülerinnen und Schülern also beispielsweise über die Schultern zu blicken, wenn sie schreiben, oder ihre Textprodukte direkt im Anschluss in den Blick zu nehmen. Empfehlenswert ist hier, ein Lerntagebuch bzw. Prozessportfolio erstellen zu lassen. 12 Es ist mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum unbestritten, dass es sich besonders gut dazu eignet, den Lernprozess Schreibkompetenz zu dokumentieren: Im Lerntagebuch können die Lerner Arbeitsergebnisse, Dokumente bzw. unterschiedliche Präsentationsformen sammeln und gesondert reflektieren. Der Vorteil für die Lehrkräfte besteht darin, dass sie die Lernenden während einer Lernphase dazu auffordern können, wichtige Inhalte, Methoden und Ergebnisse produktorientiert gezielt selbstständig zu erfassen und schriftlich zu dokumentieren. Für die konkrete Lernweg-Beobachtung ergibt sich daraus u. a. folgende Perspektive: Lehrende und Lernende können gemeinsam ein Lehr-Lern-Projekt planen, indem die Lehrenden Schreib-Aufgaben stellen bzw. Schreib-Anregungen geben und die Lernenden an diesen von Anfang an teilhaben. Dies betrifft auch die gemeinsam zu erarbeitenden Bewertungskriterien (wiederum mit Blick auf das fertige Produkt und den dazu durchlaufenden Prozess), die vor Beginn der jeweiligen Arbeits- und Auswertungsphase naturgemäß transparent gemacht sein müssen. Entscheidend ist hierbei, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeit immer schriftlich und beobachtend reflektieren- - jedoch nicht einfach nur, indem sie sie beschreiben und die vorgelegten Ergebnisse dokumentieren, sondern auch, indem sie den Lernprozess beurteilen. Dazu sind Fragestellungen geeignet, die darauf ausgerichtet sind, die Auswahl der Lerngegenstände (Aufgaben) zu begründen, das Verhältnis von eingebrachten Leistungen und Leistungsveränderungen zu diskutieren. Die Lerner beschreiben in eigenen 12 Dazu näher Gläser-Zikuda (Hrsg.): Lerntagebuch und Portfolio aus empirischer Sicht. Handlungsnahe Erfassungsmethoden Gemeinsame Lehr-Lern-Projekte <?page no="164"?> 164 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft Worten die eingesetzten Lernmethoden (wie habe ich gelernt? ) und ihre Effektivität (war es so erfolgreich? ), bezeichnen die Erkenntnisgewinne (was habe ich gelernt? ) und offen gebliebene Fragen (was will ich noch wissen? was habe ich nicht verstanden? ), thematisieren Wünsche und Imaginationen etc. (was möchte ich noch lernen/ wissen? ). Solche Fragen müssen vorab entwickelt und den Lernenden beispielsweise als Leitfragen zur Verfügung gestellt werden. 5.1.2. Perspektiven für den Unterrichtsalltag Wie kann ein solches Kreatives Schreibprojekt im Unterricht aussehen? Das Beispiel: Thema ist das erste Schreiben zu Gedichten. Das Ziel: Die Lernenden sollen mit dieser literarischen Form vertraut gemacht werden, sie als gemachtes Kunstwerk verstehen und eigene poetische Textversuche üben. Die Vorgehensweise: Zunächst geht es darum, mit dem Methoden-Spektrum des Kreativen Schreibens vom Elfchen über Akrostichon bis hin zum Schneeballgedicht das Schreiben in Gang zu bringen. 13 Vorbilder können kognitiv erfasst und in der Eigenproduktion metakognitiv gleichsam durchleuchtet werden; man versteht den Vorbild-Text, indem man ihn fort- oder weiterschreibt, ihn in einem anderen Stil formuliert usw. Die Schülerinnen und Schüler können die schriftlichen Ergebnisse individuell sammeln und mit konkreten Reflexionsanweisungen vertiefen. Leitfragen könnten dabei sein: Woran hast du zuerst gedacht? Woher kommt deine Idee? Hast du die Form eingehalten? Im Fall des Elfchens: Fasst das letzte Wort das ganze Gedicht zusammen? Wie hast du dieses Wort gefunden? Bist du zufrieden mit deinem Ergebnis? Was könntest du besser machen? Nun besteht die Möglichkeit, die einzelnen Phasen des Schreibprozesses (Planung, Formulierung, Überarbeitung usw.) nachzuvollziehen, um eine Lernkompetenz zu fördern und zugleich angemessen zu bewerten. Der Lernweg, der in diesem Fall zu beobachten ist, umfasst hierbei geradezu idealiter, inwiefern vorgegebenes Wissen rein reproduziert worden ist gegenüber der Transformation und Beurteilung eigener Schreibstrategien und dem eigenen Planungshandeln. 13 Dazu ausführlich einmal mehr Böttcher (Hrsg.): Kreatives Schreiben. Wünsche und Imaginationen Einen Vorbild-Text verstehen <?page no="165"?> 165 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien Werden bei der Schreibübung Teile eines Gedichts ›nur‹ abgeschrieben, zeigt sich ein geringerer Lernerfolg, als wenn eigene Verse in entsprechendem Metrum und Reimschema entstanden sind. Eine so gestaltete Lernumgebung, in der die Lehrkraft das Kreative Schreiben begleitet und beobachtet, richtet die Aufmerksamkeit auf ein Lernverhalten, das dem Lehrenden für die weitere Unterrichtskonzeption noch auszufüllende Leerstellen symptomatisch offenbart. Ersichtlich werden kann, ob etwa Gedicht-Formen nochmals thematisiert werden müssen, ob die grundsätzliche Funktionsweise von Metaphern verstanden worden ist u. ä. Derartiges literarisches Lernen kann auf diese Weise nach und nach und für die einzelne Lerngruppe ausgebaut werden. Außerdem wird Lernerfolg in unterschiedlichen Anwendungsfällen individuell messbar, auch hinsichtlich der erlebten Qualität des Lernangebots (›ich finde Lernen toll‹), der emotionalen Reaktion (›mir macht Lernen Spaß‹) und Lernmotivation (›ich will mehr Lernen‹). So wiederholen, organisieren und elaborieren die geschriebenen Texte nicht nur die gegangenen Lernwege. Sie fördern insgesamt ein Lernvermögen, das aufzeigt, wie schriftliche Repräsentationen (=- geschriebene Texte) kulturelles Handeln (=- Kommunikation durch Schreiben) sowohl ausführen als auch grundsätzlich verstehbar machen. 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien Ein exponierter ›Ort‹, an dem Kreatives Schreiben heute in der Schule ausprobiert werden kann, eröffnet sich auch hier in Hinsicht auf die digitalen Medien. Denn für den Schulunterricht hat das Digitalmedium des Internets sowohl im Bereich von Sprache als auch von Literatur signifikante medienspezifische Veränderungen evoziert, die zur Erweiterung seiner Untersuchungsgegenstände herausfordern- - vor allem auch im Hinblick auf kreative Schreibprozesse. So eröffnet das ›Schreiben im Netz‹ unter Einsatz diverser professioneller (insbesondere virtueller) Textverarbeitungsprogramme Perspektiven für die Aneignung und Vertiefung sprachbzw. schreibgestalterischer Verfahren, die eine Lernumgebungen gestalten ›Mir macht Lernen Spaß! ‹ ›Schreiben im Netz‹ <?page no="166"?> 166 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft aktuelle medienreflexive und medienkritische Didaktik sowohl zu initiieren wie auch zu innovieren hat. 14 Didaktische Prinzipien zum Schreiben in medialen Umgebungen sind: (1.) Schreibe interaktiv. (Beachte, dass man als Schreibender im Netz immer beabsichtigt, dass der Leser auf das Geschriebene unmittelbar reagiert, worauf man selbst wiederum sofort antworten kann-- dass Autor- und Leserrolle also permanent wechseln.); (2.) Schreibe multimedial. (Beachte, beim Schreiben im Netz nicht allein das Medium der Schrift einzusetzen, sondern andere mediale Formen zum Ausdruck des Geschriebenen einzusetzen, etwa Fotografien bzw. Abbildungen, Filme, Audio-Dateien etc.); (3.) Schreibe reflektiert. (Beachte, dass ein Schreiben im Netz immer die Eigentümlichkeiten des Mediums bzw. der Medien, in denen es realisiert wird, kritisch bedenkt und distanziert zu diesem Stellung beziehen muss.) Die Bedeutung des Internets für den schulischen Schreibunterricht ergibt sich schließlich aus dessen spezifischer medialer Beschaffenheit, wobei insbesondere zwei Aspekte hierbei noch einmal hervorzuheben sind: seine Interaktivität wie seine Hypertextualität. 15 Die Interaktivität des Internets ergibt sich aus der polybzw. multidirektionalen Nutzbarkeit seiner kommunikativen und informativen Optionen; es ermöglicht potentiell jedem Nutzer die Interaktion mit jedem anderen Anbieter bzw. Nutzer. Speziell für den Deutschunterricht bieten sich dadurch vornehmlich im Bereich computervermittelter Kommunikationen und Kooperationen Ansatzpunkte, insofern diese zumeist schriftsprachlich erfolgen und deshalb das Spektrum situierten schriftlichen Sprachgebrauchs-- z. B. durch Kooperationen zwischen lokal getrennten Lerngruppen-- erheblich erweitern. 16 Gleichzeitig eröffnet sich ein weites Feld für medienspezifische Reflexionen über Sprache und Sprachgebrauch. Denn mit den asynchronen (E-Mail, virtuelle Arbeitsplattformen) und synchronen (Chat) Formen computervermittelter Kommunikation und Kooperation gehen grundlegende Veränderungen auf der 14 Vgl. hierzu Ruf: »Schreiben in medialen Umgebungen«; ders.: »Im sozialen Netz«. 15 Vgl. Sandbothe: »Interaktivität-- Hypertextualität-- Transversalität«. 16 Vgl. Frederking/ Krommer/ Maiwald: Mediendidaktik Deutsch, S. 59. Schreibe multimedial Interaktivität und Hypertextualität Formen computervermittelter Kommunikation und Kooperation <?page no="167"?> 167 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien Ebene der Sprache einher. 17 So stellt der oraliterale, d. h. zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit liegende Charakter von Internetbzw. SMS -basierten sprachlichen Interaktionen einen Unterrichtsgegenstand dar, der Schülerinnen und Schülern die Bewusstmachung, Reflexion und Verarbeitung des medial bedingten sprachlichen Wandels ermöglicht. Gleiches gilt für die reflexive Aufarbeitung medienspezifischer sprachlicher Normen und Codes. 18 Auch die Hypertextualität, definiert als digitales Zeichengeflecht aus Sprache, Schrift und Bild, 19 d. h. als eine Form der Überlagerung und Vernetzung von Texten bzw. Textteilen jeglicher Art im Internet, die miteinander in einer komplexen Beziehung stehen, ist fachdidaktisch Herausforderung und Chance zugleich: Indem sich das World Wide Web erst durch ein solches Text-Geflecht konstituiert, lassen sich neue Erscheinungen von Texten analysieren und produzieren, die mit den medialen Nutzungsgewohnheiten bzw. mit der medialen Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler übereinstimmen. Dadurch ist es aber gleichzeitig sehr schwierig, adäquate, sinnvolle und daher unterrichtsrelevante Beispiele zu finden-- auch, weil der Hypertext »explizit als unabschließbarer ›Text in Bewegung‹ konzipiert ist, [der sich] nicht zu Ende lesen [lässt]«: »Man hat einen Text vor sich, der im Grunde nur aus alternativen Textanfängen besteht.« 20 Damit einher gehen spezifische Anforderungen an Lese- und Schreibfähigkeiten, deren Ausbildung der Unterricht zu seinem Aufgabenbereich machen muss, will er den veränderten Medienerfahrungen heutiger Heranwachsender entsprechen und zum Aufbzw. Ausbau der für adäquate Internetnutzung notwendigen Kompetenzen beitragen. 21 Anders gesagt: Das Internet ist eine 17 Dazu näher Döring: »Kommunikation im Internet«; dies.: »Identitäten, Beziehungen und Gemeinschaften im Internet«; dies.: »Identitäten, soziale Beziehungen und Gemeinschaften im Netz«; Weingarten (Hrsg.): Sprachwandel durch Computer; Blatt/ Hartmann (Hrsg.): Schreibprozesse im medialen Wandel. 18 Vgl. Frederking/ Krommer/ Maiwald: Mediendidaktik Deutsch, S. 59. 19 Vgl. Sandbothe: »Interaktivität-- Hypertextualität-- Transversalität«, S. 70. 20 Wirth: »Literatur im Internet«, S. 319 f. 21 Vgl. Frederking/ Krommer/ Maiwald: Mediendidaktik Deutsch, S. 60. Sprachlicher Wandel ›Text in Bewegung‹ <?page no="168"?> 168 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft hypertextuell strukturierte »Weltkarte des Wissens«, 22 die einerseits bei kompetenter Nutzung enorme Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Andererseits bietet ein derart ausgerichteter Unterricht die Perspektive, auch solche Schülerinnen und Schüler an die ›Neuen‹ Medien bzw. speziell an den schreibenden Umgang mit diesen heran zu führen, die (noch) nicht versiert oder sogar (noch) gar nicht mit diesen umgehen. Die Lehr- und Lernbarkeit von Schreibkompetenz im Netz bedeutet dann, sich letztendlich schriftsprachlich korrekt und medial adäquat in solchen ›neuen‹ Schreibumgebungen ausdrücken zu können. Warum? Zwar bilden Lese- und Schreibprozesse die Grundlage seiner Nutzung, allerdings sind spezifische Kompetenzen Voraussetzung für die Rezeption und Produktion der multimedialen Beschaffenheit von Webseiten. Gerade im Internet werden die Potentiale des Computers als Unibzw. Symmedium genutzt, insofern fast durchweg schriftbasierte Texte bzw. Textteile mit Bild-, Ton-, Film- und animierten Multimedia-Dokumenten zu einem multimedialen Gesamttext verbunden werden. 23 Neben der Nutzung des Internets als Informationsmedium stellen zudem auch internetspezifische Formen der Literaturproduktion und Literaturrezeption wie Netzliteratur, Internetliteratur bzw. Hyperfiction neue fachspezifische, mediendidaktische Optionen dar, die in reflektierter Weise in den Schulunterricht integriert werden sollten, um wiederum den medialen Wandel von Sprache und Literatur 24 im digitalen Zeitalter zu verdeutlichen und dadurch den Unterricht grundsätzlich als integrative Medienerziehung 25 anzulegen. 5.2.1. Netzspezifisches Schreiben Mit dem durch Computer und Internet eingeleiteten Medialisierungsschub ist die Auseinandersetzung mit digitalen Lehr-Lern- Prozessen also in das Blickfeld des Schulunterrichts getreten- - 22 Wirth: »Literatur im Internet«, S. 323. 23 Vgl. Schmitz: »Text-Bild-Metarmophosen in Medien um 2000« sowie wiederum Simanowski: Interfictions. 24 Vgl. Greber/ Ehlich/ Müller (Hrsg.): Materialität und Medialität der Schrift. 25 Vgl. Wermke: Integrierte Medienerziehung im Fachunterricht; Vach: Medienzentrierter Deutschunterricht in der Grundschule. ›Neue‹ Schreibumgebungen Digitale Lehr-Lern-Prozesse <?page no="169"?> 169 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien auch deshalb, da damit zugleich der Wandel von sprachlichen und literarischen Präsentations- und Rezeptionsformen einher gegangen ist: In elektronischen bzw. digitalen Medien werden Sprache und Literatur in unterschiedlicher Form neu verarbeitet; sie erhalten eine je eigene medienspezifische Ausprägung, die neuartige mündliche oder schriftsprachliche Ausdrucksformen, Kommunikationsstrategien, Narrationsmuster etc. hervorgebracht hat, vor allem, was den computervermittelten Umgang mit Sprache im Online-Modus betrifft: 26 Kommunikation findet hier nicht mehr in Form von Briefkultur statt, sondern in Gestalt spontaner, kurzer sprachlicher Reaktionen, die durchsetzt sind mit Zitaten aus der digitalen Eingangspost und mit Emoticons als Buchstaben- und Zeichenkombinationen, die die Aussagen graphisch oft ironisch kommentieren, statt dies gleichsam zwischen den Zeilen zu tun. Das Copy- und Paste-Verfahren, bei dem fremde Texte und Textteile kopiert und in die eigenen wieder neu eingesetzt werden, ermöglicht eine andere Textproduktion, als sie das weiße Blatt Papier auf dem Schreibtisch oder in der Schreibmaschine verlangt; die problemlose Korrektur, Umstellung und Vervielfältigung von Textsegmenten verführt zum spontanen Schreiben ohne Konzeption: »Die elektronische Sprache verändert den Umgang mit Text, sie macht ihn beweglich, aber auch flüchtig, entfernt ihn vom Konzept der Kontemplation und Verläßlichkeit, den er in der Buchkultur entwickelt hatte.« 27 Das Internet stellt zugleich die ästhetische Literatur in einen veränderten prozessualen und kommunikativen Rahmen, da praktisch jeder über eine Webseite oder ein Netz- Portal seine (vermeintlich) literarischen Texte direkt digital veröffentlichen kann. Für das ›Schreiben im Netz‹ spielen dabei in erster Linie solche Kommunikationsformen eine Rolle, die den zeitgleichen Austausch von Informationen ermöglichen, u. a. z. B. Weiterentwicklungen von Chat-Formaten. 28 Spätestens seit der Popularisierung des Web 2.0 sind auch in der Schule Formen netzspezifischer Schreib-Interaktivität zu entdecken, die interaktive und kollaborative Phänomene des Internets 26 Vgl. Frederking/ Krommer/ Maiwald: Mediendidaktik Deutsch, S. 75. 27 Simanowski: Interfictions, S. 10. 28 Siehe dazu auch Krommer: »Chat«. Eine andere Textproduktion Kollaborative Phänomene <?page no="170"?> 170 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft auf eine neue Ebene heben. 29 So wird die Online-Enzyklopädie Wikipedia von den Internetnutzern nicht nur gelesen, sondern auch selbst geschrieben und permanent redaktionell besowie überarbeitet, weil hier (wie bereits gezeigt) keine speziellen Softwarebzw. Programmierkenntnisse mehr notwendig sind, um eigene Inhalte ins Netz zu stellen. Persönliche Homepages, die früher oft recht statisch wirkten, werden außerdem zunehmend ersetzt durch Blogs bzw. Web-Logs, also konstant weiter geschriebenen Online-Tagebücher. Ihre Dynamik erhalten dabei ›gute‹ Blogs nicht nur durch die regelmäßige Veröffentlichung neuer Texte, sondern vor allem durch die intensiven Interaktionsmöglichkeiten für Leserinnen und Leser, die ihre Kommentare zu einzelnen Blog- Einträgen abgeben können und auf diese Weise mit anderen Leserinnen und Lesern sowie dem Initiator des jeweiligen Blogs selbst in Diskussionen treten können. 30 Durch diese neuen Schreibweisen sind neue Formen des literarischen bzw. fiktionalen Schreibens entstanden, die mit Aufkommen der Hyperfiction als fiktionale Erzählungen, die für eine hypertextuelle Darstellung konzipiert werden, eingetreten sind: Aus dem passiven Rezipienten, der in einem linearen, abgeschlossenen und vollständig vom Autor gestalteten Werk gleichsam gefangen ist, wird (so zumindest der Wunsch) ein aktiver Leser, der durch die individuelle Auswahl einzelner Erzählstränge immer neue Textvarianten erzeugt und der in dieser Hinsicht Funktionen erfüllt, die vormals dem Autor vorbehalten waren. 31 Wenn dieser Anspruch auch durchaus hinterfragt werden kann und mithin hinterfragt worden ist, 32 so ergeben sich doch unterrichtliche Perspektiven, werden Hypertexte so konzipiert, dass sich ihre spezifische Ästhetik erst dann entfalten kann, wenn ihre Produktion und/ oder Rezeption ausschließlich online möglich ist; 33 diese Ästhetik besteht hierbei gerade darin, dass althergebrachte Erwartungen an ›Kunst‹ grundlegend revidiert werden, z. B. indem ein Werk als kollektive Arbeit erschaffen und in ständiger Verände- 29 Vgl. Frederking/ Krommer/ Maiwald: Mediendiaktik Deutsch, S. 222. 30 Vgl. ebd. 31 Vgl. ebd., S. 224. 32 Vgl. Heibach: »Schreiben im World Wide Web«, S. 186. 33 Vgl. Kepser: Massenmedium Computer, S. 286. Hypertextuelle Darstellung <?page no="171"?> 171 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien rung gehalten, d. h. ein prozessuales, dynamisches und unabgeschlossenes Schreiben praktiziert wird. 5.2.2. ›Gemachte‹ literarische Kunstwerke Grundsätzlich gilt: In allen Ausprägungen des ›Schreibens im Netz‹ werden die wesentlichen Veränderungen der Kulturtechnik des Schreibens durch das Internet deutlich. Die traditionelle Trias Autor-Text-Leser wird aufgebrochen; aus dem Leser wird ein lesender Autor und schreibender Leser, und anstatt des abgeschlossenen Werkes steht ein mobiler Entstehungsprozess im Mittelpunkt. Kommunikative Web-Schreib-Projekte beruhen auf unmittelbaren Rückkopplungsmöglichkeiten, die ein Novum etwa für die Entstehung von Literatur darstellen 34 und so auch neue Blicke auf den prozesshaften, ›gemachten‹ Charakter literarischer Kunstwerke im Schulunterricht ermöglichen, wodurch die Vertiefung derartiger, aus der Literaturgeschichte bereits in ›analoger‹ Form bekannter Schreibweisen möglich wird. So können die neuen digitalen Symmedien (insbesondere im Online-Modus) Schreibmedien hervorbringen, die die schriftsprachlichen Erscheinungen z. B. zur Analyse medienbedingten Sprachwandels oder zur Steigerung der Schreibmotivation nutzen, indem Schülerinnen und Schüler zur Gestaltung von themenbzw. lerngruppenspezifischen digitalen Texten angeregt werden, die entweder dem eigenen intensiven Medienverhalten in hohem Maße entsprechen, da viele Heranwachsende heute (fast) permanent online sind, oder weniger Internet-Versierten Optionen eröffnen, medial schreibend zu kommunizieren. Dem Unterricht eröffnen sich mit diesen hypertextuellen Schreibformen bzw. hyperlinkbasierten Verknüpfungen weitreichende neue Betätigungsfelder, 35 wobei der Vergleich zwischen print- und netzbasierten Schreibformen ebenso sinnvoll ist wie die gemeinsame Erstellung von Texten im Netz. Kreativ-ästhetische Schreibprozesse im Internet bilden dabei noch immer eine innovative didaktische Nutzungsoption, 36 in- 34 Vgl. Heibach: »Schreiben im World Wide Web«, S. 189. 35 Vgl. Maiwald: »Hypertext unter medialen, kulturellen und deutschdidaktischen Aspekten«. 36 Vgl. Frederking/ Krommer/ Maiwald: Mediendidaktik Deutsch, S. 236. Lesender Autor, schreibender Leser <?page no="172"?> 172 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft dem literarisches Schreiben multimedial eingeübt werden kann und so das Verständnis von Literatur im heutigen digitalen Medienzeitalter unter dessen Bedingungen geschult wird. Dadurch finden die im ›modernen‹ Aufsatzunterricht verbreiteten Formen handelnd-produktiven, kreativen, freien, assoziativen oder personalen Schreibens eine medienspezifische Erweiterung: Als synästhetisches Handlungsmedium bietet das ›Schreiben im Netz‹ die Verbindung textueller, visueller, auditiver oder audiovisueller Symbolisierungsformen, die im Medienverbund rezipiert bzw. im handelnden Umgang gestaltet werden können, 37 z. B. indem ein im Unterricht behandelter, literarischer Text im Netz weiter geschrieben oder kommentiert wird, indem dessen Fortsetzung auf einer Homepage erdichtet, als Podcast präsentiert oder eine Szene filmisch als Web-Clip dargestellt wird- - oder indem die Schülerinnen und Schüler sich in die Rolle des Autors begeben und ein virtuelles Tagebuch schreiben, das den eigentlichen Text erklärt, kontextualisiert und bewertet. Zum Einen sind hier produktiv-kreative mediendidaktische Ansätze von Bedeutung, die Schülerinnen und Schüler zur multibzw. symmedialen Gestaltung eines literarischen Textes unter Hinzuziehung von Bild-, Ton- Film- oder animierten Multimedia- Dokumenten im Rahmen eines Textverarbeitungsprogramms, interaktiver Software, auch von Computerspielen bzw. hypermedial gestalteten Webseiten auffordern. 38 Zum Anderen können auch analytisch-diskursive Zugriffe auf multimediale Gesamttexte, in denen ein literarisches Motiv oder ein Text in unterschiedlicher medialer Form auf einer Handlungsebene zugänglich ist, das unterschiedliche ästhetische Ausdrucksformen verbindende Potential des Schreibens im Netz spezifischer nutzen und Schülerinnen und Schülern Spielräume für vertiefende Verstehensprozesse ihrer eigenen Schreibkompetenz erfolgreich anbieten. 5.2.3. Eine digitale Unterrichtseinheit Geht es heute vor dem Hintergrund eines nicht nur intermedialen, sondern tatsächlich symmedialen Unterrichts, der in seinen com- 37 Vgl. ebd. 38 Vgl. ebd., S. 240. Literatur im digitalen Medienzeitalter Symmediale Gestaltung <?page no="173"?> 173 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien putergestützten Ausprägungen alte wie neue Medien aufeinander bezieht, um die dargestellten internetspezifische Schreib- und Erzählprozesse, werden zwar immer häufiger, doch nach wie vor zu selten, Möglichkeiten des digitalen Kreativen Schreibens betont. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Vornehmlich setzen sich die Schülerinnen und Schüler hier mit Schreibtechniken auseinander, die mit ihren eigenen medialen Schreibgewohnheiten in hohem Maße korrelieren (Simsen, Chatten, Posten, Bloggen etc.), und ihnen wird im Zuge dessen klar, wie Schreibprozesse grundsätzlich ablaufen: Sie lernen, die Phasen des Planens und Entwerfens, des Niederschreibens und Überarbeitens eines Textes sowohl aktiv produzierend wie rezipierend in gemeinsamer, sozialer Zusammenarbeit nachzuvollziehen, d. h. im Rahmen motivierender Lernaufgaben bearbeitungswürdigende Punkte eines kooperativ digital verfassten Textes zu erkennen, miteinander auszuhandeln und sich über klärungsrelevante Punkte zu verständigen. Dies gilt vornehmlich für die interaktiven Schreibdimensionen sozialer Medien (facebook & Co.). 39 Zu beachten ist dann aber auch, dass mehrere Schreiber gemeinsam und gleichzeitig als Planende, Formulierende und Adressaten den Schreibprozess durchlaufen und als Gruppe das Textprodukt verantworten, dass also Planungs-, Formulierungs- und Überarbeitungsaktivitäten permanent ineinander greifen. Zudem können die eigenen Textentwürfe in den verschiedenen Stadien des Schreibprozesses von den Mitlesenden und Mitschreibenden fortlaufend kommentiert und bewertet werden. Diese Bewertungen bilden den Ausgangspunkt der Textüberarbeitungen bzw. der Herstellung eines neuen Textes oder neuer Textteile. Dadurch findet zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Schreibens die Perspektive des Lesers Beachtung. Die Distanz zum fremden Text ermöglicht ihnen, sinnvolle Vorschläge zur Überarbeitung zu formulieren. Gleichzeitig führt der flexible Perspektiventausch vom Schreibenden und Lesenden zu einem verstärkten Nachdenken über eigene Schreibroutinen und -strategien bzw. Schriftlichkeitsnormen, da der Schreiber/ Leser sich mit den Formulierungsvorschlägen der anderen Teilnehmer auseinander- 39 Siehe dazu auch Simanowski: Facebook. Internetspezifische Erzählprozesse Die Perspektive des Lesers <?page no="174"?> 174 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft setzen muss. So stellt die Bedingung der Kooperativität selbst eine erhebliche Einflussgröße für den Textproduktionsprozess dar. Schrittweises kooperatives Schreiben in digitalen Medien steht für den ständigen Wechsel individuellen Produzierens und kooperativen Austauschs über das Produzierte. Die Textrevision wird also nicht zu einer besonderen Phase am Ende des Schreibprozesses, sondern zu einem Teilprozess während des Schreibens. Gleichzeitig werden die Schülerinnen und Schüler mit den für den Prozess des Schreibens bedeutenden Faktoren der Schreibumgebung und der Schreibwerkzeuge vertraut gemacht, die sich im Fall des digitalen Schreibens ja je anders darstellen als im Fall des Schreibens auf Papier. Kreative Schreibaufgaben, die das Erzählen einer fiktiven Geschichte initiieren und realisieren, eröffnen schließlich auch Zugänge zum Genre digitaler Literatur und führen dadurch in den narrativen Aufbau virtuell erzählter Geschichten ein. Diese Aufgaben münden in einem symmedial erzählten Kunstwerk, für dessen Realisierung z. B. auch Elemente des filmischen Schreibens eingesetzt werden können. Medienkompetenz wird dadurch auf multibzw. symmedialen Ebenen geschult und gefördert. 40 Eine beispielhafte schulische Unterrichtseinheit kann Kreatives Schreiben dahingehend initiieren, dass anhand eines Brainstormings sich die Schülerinnen und Schüler zunächst Gedanken über das Thema einer gemeinsamen digital zu erzählenden Story machen. Außerdem überlegen sie, welche Elemente für eine solche notwendig sind (Was soll erzählt werden? Antwort: Über ein Ereignis, ein Geschehen oder eine Geschichte im Rahmen einer Handlung von Figuren in einer erzählten Welt. Wie soll erzählt werden? Antwort: In einer gewählten Erzählperspektive mit einem bestimmten Zeitpunkt, Ort und einer bestimmten Stellung des Erzählers zum Geschehen. Und: Welche Auswirkungen hat das Medium, in dem erzählt wird? Antwort: Die digitale Umgebung verlangt erzählerische Bedingungen wie Prägnanz und Kürze, Multimedialität, Visualität etc.) 40 Vgl. Becker-Mrotzek/ Böttcher: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen, S. 39-44. Digitale Literatur Digitale Erzähl-Umgebung <?page no="175"?> 175 5.2. Schulische Schreibspielräume digitaler Medien Dadurch machen sich die Lernenden ihrerseits eigenständig mit grundlegenden Merkmalen fiktionalen Erzählens vertraut und knüpfen dabei wiederum an ihre eigene Mediennutzungserfahrung an. Die potentiellen Themen der einzelnen digitalen Storys werden von einem zuvor intern gewählten Gruppensprecher vorgestellt. Das Unterrichtsgespräch führt die Ergebnisse zum ›digitalen Erzählen‹ zusammen, kommentiert und vertieft diese. Im Unterrichtsgespräch ist herauszustellen, dass innerhalb des Internets verstärkt multimedial, visuell, seriell und verdichtet erzählt wird, also z. B. anhand von Video-Trailern, Podcasts oder durch Einbindung digitaler Fotos, und dass diese Methoden ein mediales Arrangement ergeben, das für das Erzählen einer digitalen Story eine nicht unwichtige Rolle spielt. Ein gutes Beispiel hierfür gibt die kreative Schreibübung zu einem schon älteren Schreibprojekt des Schweizer Schriftstellers Peter K. Wehrli. 41 Aus ihr lassen sich Erzählverfahren mit Snapshot- und Webcam-Technik entwickeln, auf deren Grundlage die Schüler Storys zu den zuvor festgelegten Themen in Gruppenarbeit produzieren können. Hinzuweisen wäre darauf, dass ggf. auch digitale Fotos (einem filmischen Storyboard ähnlich) oder Videos eingesetzt werden können. Die einzelne Story wird dabei dynamisch entwickelt, indem jeder in diese eingreifen kann, sein Eingreifen aber immer auch begründen sollte. Für den Lernfortschritt entscheidend ist nicht der ästhetische Gehalt der entstehenden Geschichten als vielmehr die Thematisierung des Storytelling-Prozesses, der immer nachvollziehbar bleibt. Daher sollte im Unterricht der prozessuale Verlauf der einzelnen Storys herausgestellt und deren einzelne Phasen näher betrachtet werden. Diskutiert werden sollte ebenfalls, ob die Storys den Elementen und Weisen digitalen Erzählens entsprechen. Die Unterrichtseinheit sollte mit der Veröffentlichung der Storys abschließen, indem das Produzierte in Netzwerk-Portalen wie facebook eingebunden werden kann, so dass die Schülerinnen und Schüler ihren (virtuellen) ›Freunden‹ ihre Storys zum Lesen/ Anschauen und wiederum auch zur Diskussion (diesmal ohne Unterrichtsbezug) anbieten 41 Vgl. Wehrli: Katalog von Allem. Siehe dazu auch Porombka: Kritiken Schreiben, S. 50-88. Snapshot- und Webcam-Technik <?page no="176"?> 176 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft können. Das erzählerische Schreiben im sozialen Netz wird also zum Abschluss noch einmal in der Wechselwirkung von Produktion, Rezeption und Reflexion im Rahmen der dazugehörigen symmedialen Umgebung möglich- - eine Form ästhetischen Lernens, die auf die Bedingungen eines sich rasant weiter entwickelnden Medienzeitalters mit genuinen Vermittlungsweisen reagiert. 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb Kreatives Schreiben bleibt- - bereits aufgrund seines Gründungskontextes an US -amerikanischen Hochschulen- - weder beim professionellen literarischen Schreiben noch beim schulischen Schreibkompetenzunterricht stehen. Vielmehr macht es selbstverständlich vor dem Einsatz im Studium ebenso wenig Halt, wie es überhaupt dominante Mechanismen von Wissenschaft schlechthin betrifft: In seinem Zentrum steht ein Phänomen, dessen »altes Rätsel« Friedrich A. Kittler in einem Text mit dem Titel Die Zeit der anderen Auslegung festgestellt und mit der Wendung »sechsundzwanzig schwarze[] Figuren auf weißem Grund« privilegiert hat. 42 Zuvor heißt es dort, es fehle deren »Historik«, und kurz darauf, diese sei »nirgends nötiger, aber auch nirgends schwerer als im Feld der Moderne«. 43 Man hat oft nach dem Wesen oder zumindest nach dem Modell für jene Tätigkeit und Technik gesucht, die auch im vorliegenden Buch immer wieder thematisiert wird und die zu regelrecht ›großen‹ Begriffen führt, die bis heute-- buchstäblich-- in aller Munde sind, allen voran diejenigen des ›Wortes‹ und der ›Zeichen‹ (einschließlich ihrer Differenzen). 44 42 Kittler: »Die Zeit der anderen Auslegung«, S. 40. 43 Ebd., S. 40 f. 44 Vgl. Stetter: Schrift und Sprache, S. 21: »Zeichen gibt man, Worte äußert man. Die scheint auf den ersten Blick nicht mehr zu besagen, als daß Worte von innen kommen, während Zeichen von vornherein uns äußerliche Phänomene sind. Doch geht man unserem alltäglichen Sprachgebrauch nach, so zeigen sich in der Verwendungsweise der Wörter ›Wort‹ und ›Zeichen‹ eine Fülle von analogen Unterschieden die auf eine kategoriale Differenz hindeuten, Wort und Zeichen gehören verschiedenen Ordnungen an. Zeichen kann man malen, erkennen, entziffern und verabreden- - alles Handlungen, die man mit Worten kaum oder gar nicht vollziehen würde. Wörter dagegen sagt man, man kann sie aussprechen und vernehmen. Worte kön- Schreiben im sozialen Netz »Die Zeit der anderen Auslegung« (Kittler) <?page no="177"?> 177 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb Vilém Flusser beschreibt sie als Bewegung, die einer »spezifischen Linearität« gehorche: »Dem abendländischen Programm entsprechend« beginne sie »in der linken oberen Ecke einer Oberfläche« und rücke »bis zur rechten oberen Ecke vor«; »um auf die linke Seite zurückzukehren«, springe sie »in genau unter die bereits geschriebene Linie« und fahre »fort, auf diese Weise vorzurücken und zu springen«, bis sie »die rechte untere Ecke der Oberfläche erreicht« habe. 45 Roland Barthes hat schließlich mit einer Formulierung, die im Titel dieses Kapitels abgewandelt wird, 46 die bedeutende Relevanz dieses näher zu betrachtenden Gegenstandes herausgestellt. Dieser verlangt danach, so der Ausgangspunkt des Folgenden, erklärt zu werden, und zwar: als Voraussetzung, Instrument oder Werkzeug von Wissenschaft, Lehre und Forschung, mithin als deren grundlegende Technik: ›Schreiben‹ somit als wissenschaftliches Verb zu erklären, bedeutet, das Kreative Schreiben in einen Zusammenhang zu stellen, von dem etwa Valentin Groebner eine exemplarische Szene schildert: Juni 2009, Workshop im Deutschen Literaturarchiv Marbach: »Die Sprache der Wissenschaft«. Von der Produktion wissenschaftlicher Texte sollte die Veranstaltung handeln, vom Schreiben. Dafür waren eineinhalb Tage anberaumt, und in der Vorstellungsrunde zu Beginn hatten sich die Teilnehmer-- neun weiblich, vier männlich, laufende oder gerade frisch abgeschlossene Doktorarbeiten in Literaturwissenschaften, Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie und Wissenschaftsforschung- - in Erklärungen überboten, was für Vergnügen es ihnen bereite. Wie gerne sie schrieben, wie wichtig ihnen ihr eigenes Schreiben sei. Vorgetragen wurde das mit intensiver, leicht verbissener Fröhlichkeit. »Spannend« war dabei ein häufig gebrauchtes Adjektiv. »Aufregend«. Auf skeptisches Nachfragen- - »Meint Ihr das ironisch? «- - wurde das dann kombiniert mit Demuts-, ja Abhängigkeitsbekenntnissen. »Zerrissen« sei man bei der Einschätzung eigener Texte. Andere sprachen von »quälender Unsicherheit«. Oder, kürzer: »Meine Obsession«. Klang nicht wie Ironie. 47 nen anrühren, treffen, verletzen, sie können aufrichtig und gelogen, liebevoll oder haßerfüllt sein. Nichts davon würde man im Deutschen von Zeichen sagen.« Die-- bei näherem Blick-- Unhaltbarkeit dieser Aussagen wird ebenda naturgemäß sogleich in Frage gestellt. 45 Flusser: »Die Geste des Schreibens«, S. 262. 46 Vgl. Barthes: »Schreiben, ein intransitives Verb? «. 47 Groebner: Wissenschaftssprache, S. 11. Schreiben als Voraussetzung, Instrument, Werkzeug von Wissenschaft, Lehre und Forschung <?page no="178"?> 178 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft Dies scheint für das kreative wissenschaftliche Schreiben so oder so (diesseits wie jenseits eines Ironie-Verdachts) zu gelten: Es handelt sich einerseits um das Vehikel von »Mechanismen innerhalb wissenschaftlicher Disziplinen« und andererseits um »unübersehbare[] Spuren, die sie in ihren Produkten aus Papier und Druckfarbe hinterlassen«. 48 Aus der Schnittmenge dieser Felder tritt eine Architektur hervor, in der die Kontur wissenschaftlicher Schreibstunden vorformuliert ist, wie sie Claude Lévi-Strauss im XXVIII . Kapitel seiner ethnographischen Studie Traurige Tropen schildert; 49 d. h. den Ausgang nehmen die folgenden Überlegungen von einer Begegnung, in der, wie Elizabeth Hill Boone und Walter D. Mignolo näher skizziert haben, paradoxerweise Schreiben ohne Schreiben stattfindet. 50 5.3.1. Erzählendes wissenschaftliches Schreiben Von Lévi-Strauss wird in seinem oben genannten Buch- - neben vielem anderen- - geschildert, wie er versucht, das indigene Volk der Nambikwara im brasilianischen Amazonasgebiet zu erforschen und dazu diesen im Zuge einer von ihm »ziemlich riskant[]« 51 genannten Reise Geschenke bringt; in dieser Situation ereignet sich ein für das Verständnis des Phänomens Schreiben »berühmte[r]« 52 Zwischenfall: Es läßt sich denken, daß die Nambikwara nicht schreiben können; aber sie zeichnen auch nicht, mit Ausnahme einiger punktierter oder Zickzacklinien auf ihren Kürbisbehältern. Wie bei den Caduveo verteile ich trotzdem Papier und Bleistifte, mit denen zuerst niemand etwas anzufangen wußte; doch eines Tages sah ich sie alle damit beschäftigt, horizontale Wellenlinien auf das Papier zu zeichnen. Was hatten sie vor? Schließlich mußte ich mich von den Tatsachen überzeugen lassen: sie schrieben, oder genauer, sie versuchten, ihren Bleistift in derselben Weise zu benutzen wie ich, also der einzigen, die sie sich vorstellen konnten, denn ich hatte noch nicht versucht, sie mit meinen Zeichnungen zu unterhalten. Die meisten ließen es bei diesem Bemühen bewenden; aber der Häuptling sah weiter. Wahrscheinlich hatte 48 Ebd., S. 16. 49 Vgl. Lévi-Strauss: Traurige Tropen, S. 288-300. 50 Vgl. Boone/ Mignolo (Hrsg.): Writing without Words. 51 Lévi-Strauss: Traurige Tropen, S. 289. 52 Zanetti: »Einleitung«, S. 7. »Mechanismen innerhalb wissenschaftlicher Disziplinen« Ein »berühmte[r]« Zwischenfall <?page no="179"?> 179 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb er als einziger die Funktion der Schrift begriffen. So hat er mich um einen Notizblock gebeten, und wenn wir nun zusammen arbeiten, sind wir gleichartig ausgerüstet. Er gibt mir die Informationen, um die ich ihn bitte, nicht mündlich, sondern zeichnet Wellenlinien auf sein Papier, die er mir dann vorzeigt, so als fordere er mich auf, seine Antwort zu lesen. Halb fällt er selbst auf seine Komödie herein; jedesmal, wenn seine Hand eine Linie zu Ende zieht, prüft er sie ängstlich, als müsse ihre Bedeutung sofort daraus hervorspringen, und auf seinem Gesicht malt sich immer wieder die gleiche Enttäuschung. Aber das will er nicht wahrhaben, und zwischen uns besteht die stille Übereinkunft, daß seine Kritzeleien einen Sinn haben, den zu entziffern ich vortäusche; der mündliche Kommentar folgt immer so prompt, daß ich nicht um nähere Erläuterungen zu bitten brauche. 53 Lévi-Strauss’ 1955 publizierter »Reisebericht« 54 spielt auf bemerkenswerte Weise mit den Funktionen des Beobachtens wie des Beobachtetwerdens, die zu einer Infragestellung des Eigenen aus der Perspektive des Anderen führen können und dadurch das Eigene fremd erscheinen lassen würden; 55 reflektiert wird in diesem Rahmen die Funktion von Schrift nicht allein als Träger von Kommunikation/ Verständigung, 56 sondern als machtakkumulierendes 53 Lévi-Strauss: Traurige Tropen, S. 290 f. 54 Zanetti: Einleitung, S. 7. Von diesem sagt Lévi-Strauss selbst: »Davon überzeugt, daß eine Universitätslaufbahn mir nicht offenstünde, verlockte mich das Projekt, einmal ohne Vorbedacht zu schreiben und alles mitzuteilen, was mir durch den Kopf ging.« (Lévi-Strauss/ Eribon: Das Nahe und das Ferne, S. 90) 55 Dafür wurde er u. a. von Jacques Derrida kritisiert, der darin einen »Ethnozentrismus, der als Anti-Ethnozentrismus gedacht wird« (Derrida: Grammatologie, S. 210), erkennt, wodurch Lévi-Strauss nach Derrida bei seiner Annäherung an das Fremde im Eigenen gefangen bleibe. 56 Vgl. ebd., S. 213: »Was ist die ›Schreibstunde‹? Stunde in einem zweifachen Sinn, den der Titel sehr schön zusammenfaßt. Schreibstunde, insofern sie von der erlernten Schrift handelt. Der Häuptling der Nambikwara erlernt die Schrift vom Ethnologen, er lernt sie zunächst, ohne zu begreifen, was ihn gelehrt wird; er ahmt die Schrift eher nach, als daß er ihre sprachliche Funktion verstünde; eher leuchtet ihm ihre wesentlich unterjochende Funktion als ihre für ihn nebensächliche Kommunikations-, Bedeutungs- und Übersetzungsfunktion für einen Signifikanten ein. Doch ist die Schreibstunde auch eine Stunde über die Schrift; eine Lehre, die der Ethnologe glaubt, aus dem Zwischenfall ziehen zu können, der sich während einer ausführlichen Reflexion ereignete, als er, wie er sagt, gegen die Schlaflosigkeit ankämpfend über den Ursprung, die Funktion und die Bedeutung der Schrift meditierte. Beobachten und Beobachtetwerden <?page no="180"?> 180 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft Phänomen, das in der Auslegung von Lévi-Strauss darauf aus ist, zu postulieren, dass »die primäre Funktion der schriftlichen Kommunikation darin besteht, die Versklavung zu erleichtern«, 57 was die meisten (oder vielmehr, so Lévi-Strauss, die »klügsten«) der Nambikwara-Indianer offenbar intuitiv begreifen und sich von ihrem Häuptling, »nachdem er versucht hatte, die Karte der Zivilisation auszuspielen«, »lossagten«: sie »begriffen dunkel, daß Schrift und Betrug vereint bei ihnen eindrangen.« 58 Auf keinen Fall wird man aber annehmen dürfen, damit würde allein Schrift und Schreiben in einen rein negativen Kontext gestellt. Aufschluss über das, worum es Lévi-Strauss bei der Schilderung dieser Schreibstunden und deren Deutung auch geht, gibt er wiederum selbst, wenn er sagt, er wäre aufgrund der Strenge der Gattung, in der jedes Wort zur Handlung beitragen müsse, gerne Dramatiker geworden. 59 Denn sein Text der Traurigen Tropen ist sowohl eine Schrift etwa über die Konfrontation einer mutmaßlich schriftlosen Kultur mit dem Schreiben als auch ein geschriebener Text, der innerhalb einer schriftdominanten Kultur veröffentlicht, verbreitet, gelesen, diskutiert, kritisiert, bestärkt, widerlegt, abgelehnt usw. wird. Dazu bedient sich sein Autor, der zu einem offenkundig wissenschaftlichen Zweck schreibt- - u. a. soll, vereinfacht gesagt, die Erforschung eines Indianervolkes dargestellt, erklärt und gedeutet werden-- seinerseits Schreibweisen, in deren semantischem Zentrum das Spiel mit Dichotomien steht, durch die wie im Fall zweier gegenüberstehender Spiegel eine unendliche Wechselseitigkeit der Perspektiven erzeugt und die Zweischneidigkeit Nachdem er einen Häuptling der Nambikwara die Geste des Schreibens gelehrt hat, welcher lernte, ohne zu begreifen, begreift jetzt der Ethnologe, was ihn gelehrt wurde, und er zieht seine Lektion aus der Schrift.« 57 Und so bedeutet die »Verwendung der Schrift zu uneigennützigen Zwecken, d. h. im Dienst intellektueller und ästhetischer Befriedigung« für Lévi-Strauss »ein sekundäres Ereignis, wenn nicht gar nur ein Mittel, um das andere zu verstärken, zu rechtfertigen und zu verschleiern.« (Lévi-Strauss: Traurige Tropen, S. 294) 58 Ebd., S. 294 f. Gleichwohl zeigt sich Lévi-Strauss beeindruckt vom »Genie« des Häuptlings, »der sofort verstanden hatte, wie hilfreich ihm die Schrift für den Ausbau seiner Macht sein konnte, und damit die Grundlage dieser Institution begriff, ohne ihre Verwendung zu beherrschen« (ebd., S. 295 f.). 59 Vgl. Lévi-Strauss/ Eribon: Das Nahe und das Ferne, S. 136. Schreibstunden <?page no="181"?> 181 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb jeglicher Kategorien (und damit auch der Schriftlichkeit) vorgeführt wird. 60 Diese dichotome Grundstruktur der Traurigen Tropen, d. h. einer annähernd sozialwissenschaftlichen Publikation, in der allerdings (so eine weitere Beobachtung) kaum bis gar nicht zitiert wird bzw. in der kaum oder gar keine Quellen genannt sind, macht diesen Text zugleich zu einem Bericht bzw., wie es genauer und richtiger heißen müsste, zu einer Erzählung. 61 Vermutet werden kann daher denn auch, dass wissenschaftliches Schreiben, wenn nicht immer, dann doch sehr häufig erzählt respektive erzählen muss, damit sich die entsprechenden Produkte als geschrieben erweisen-- deshalb verdient es hier das Prädikat ›kreativ‹. Dies stützen etwa auch Forschungen zum »Aufkommen wissenschaftlicher Berichte als charakteristische Form wissenschaftlicher Aufsätze«, die u. a. dazu dienten, eine Art »virtueller Zeugenschaft« zur Herbeiführung und Sicherung von Zustimmung zu erzeugen--: in jedem Fall wurde das Berichten von Beobachtungen und Experimenten als historischen Ereignissen schließlich zur Gewohnheit, und diese Gewohnheit hat sich, mehr oder weniger stark, bis heute erhalten. Aus dem Umstand, daß sich individuelle Experimente allmählich zu größeren Forschungsvorhaben entwickelten, dürfte gefolgert werden, daß sich auch die Berichte änderten, indem sie ganze Serien von Ereignissen zu erfassen hatten, mit anderen Worten, indem sie erzählenden Charakter gewannen. 62 Unabhängig davon, ob eine Erzählung tatsächlich radikal am Ereigniswert festgemacht werden kann, 63 so verdeutlichen diese Feststellungen, wie sehr »narrative Beschreibungen« zum Schreiben einer »wissenschaftlichen Untersuchung« gehören, dass die- 60 Das ist u. a. die These in Schüttpelz: Die Moderne im Spiegel des Primitiven. 61 Damit ähneln die Traurigen Tropen im Übrigen jenen Sozialreportagen, die Einblicke in bestimmte Milieus- - oft zum Zweck der Aufdeckung sozialer Missstände- - geben; sie sind selbstverständlich aber primär Zeugnis einer Feldforschung strukturalistischen Charakters. 62 Holmes: »Wissenschaftliches Schreiben und wissenschaftliches Entdecken«, S. 430. 63 Diese Diskussion kann und soll an dieser Stelle nicht aufgegriffen werden; siehe dazu vielmehr die Standards in Chatman: Story and Discourse sowie-- aktueller reagierend- - etwa auch Wolf: »Das Problem der Narrativität in Literatur, bildender Kunst und Musik«. Auch wissenschaftliches Schreiben muss etwas erzählen »[N]arrative Beschreibungen« <?page no="182"?> 182 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft se »im Modus einer Erzählung« geschrieben sein können, wenn sie geschrieben werden. 64 ›Schreiben‹, so die Schlussfolgerung, gehört als Wort wie als Tätigkeit-- als ›Ausführung‹-- zum wissenschaftlichen Wortschatz schlechthin. Es ist ein besonderes Wort, das gerade auch besondere Aufmerksamkeit jeglicher Wissenschaft verdient. Im Folgenden wird zu konstatieren sein, wie dieses Diktum vom Schreiben als wissenschaftliches Verb in einer akademischen qualifizierenden Lehre und Forschung realisiert und dort genutzt werden kann. Es handelt sich zugleich um »ebenso imaginative Konstruktionen«, die jedoch helfen, wenigstens ein Stück weit »zu enthüllen, was Wissenschaftler tun«. 65 5.3.2. Was ist Schreib-Wissenschaft? Um allgemeine Schreibkompetenzen in Studium, Hochschule und Wissenschaftsbetrieb auszubilden, soll an dieser Stelle für die Bezeichnung einer eigenen-- kleinen-- Disziplin plädiert werden: für eine ›Schreib-Wissenschaft‹. Eine solche lehrt und erforscht entsprechend grundsätzlich Erscheinungen mit einem speziellen Schwerpunkt auf den schriftlichen Konstitutionsprozessen von Kultur. Im Mittelpunkt steht hierbei sowohl das Interesse für die materiellen Bedingungen als auch die strukturellen Verlaufsformen von dabei entstehenden oder produzierten Phänomenen, d. h. deren sprachlich-textuelle Fixierung wie die Ausbildung und Förderung des sprachlich-textlichen Handwerks des Schreibens. Damit stehen u. a. solche Lehr- und Forschungsfelder im Fokus, die insbesondere die Methodologie von Kultur-, Literatur- und Medienwissenschaften sowie eben auch die Praxis des Storytelling 66 mit ambitionierter Theorie im Sinne einer praxeologischen Medienkulturwissenschaft als Gestaltungswissenschaft verbinden. Praxeologisch meint hier: 64 Holmes: »Wissenschaftliches Schreiben und wissenschaftliches Entdecken«, S. 430, 432. 65 Ebd., S. 440. 66 Dieser Begriff hebt ab auf methodische (z. B. strukturalistische und semiotische) Vorgehensweisen, die sowohl explizit Informationen auf der Ebene der Textoberfläche als auch implizite Bedeutungen auf der Ebene der Narration für eine Vermittlungsleistung zugänglich machen. Dazu näher Titzmann: »Narrative Strukturen in semiotischen Äußerungen«. Diktum vom Schreiben Für eine ›Schreib-Wissenschaft‹ <?page no="183"?> 183 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb 1. […] das praktische, das Alltagswissen von AkteurInnen in seiner Eigenart ernst zu nehmen, also methodologisch mit der in modernen Gesellschaften üblichen, quasi doxischen Hierarchisierung von Alltagswissen einerseits, wissenschaftlichem bzw. Experten-Wissen andererseits, zu brechen.- […] 2. Praxeologie erfordert eine konsequente Historisierung.- […] Das verweist 3. darauf, dass es zu einer praexologischen Forschungsstrategie gehört, das eigene Tun, also die wissenschaftliche Produktion von Wissen, selbst als soziale Praxis zu verstehen, die durch eine spezifische Logik von anderen Formen sozialer Praxis unterschieden ist.- […] 4. Praktisches Handeln und wissenschaftliche Wissensproduktion als unterschiedliche Praxisformen zu verstehen, impliziert für eine praxeologische Forschungsstrategie methodologisch auch, zu reflektieren, was unter dem Bruch mit Erfahrungswissen zu verstehen ist, der im »scholastischen Denken« vollzogen werden muss. 67 Medienkulturwissenschaft bedeutet dabei, Medien als »Formationssysteme« zu begreifen, die Kultur herstellen und Kommunikation ermöglichen. Das Erkenntnisinteresse der Medienkulturwissenschaft richtet sich, wenn sie mediale Praktiken untersucht, auf Fragen danach, inwiefern solche Praktiken Kulturen und ihre Vergleichbarkeit herstellen und konstitutiv für kulturelle Kommunikation sind. Sie untersucht, wie Medien als Bedingungen für Zusammenhänge zwischen Zeichen, Technik, Mensch und Gesellschaft, für historische Abläufe und bestimmte Texte operieren. 68 Und in der Rede von einer Gestaltungswissenschaft zeigt sich die spezielle Qualifikation der Lehrenden des Faches: Zum einen muss eine Professionalisierung und ein Über- und Weitblick im eigenen Fach bestehen, zum anderen muss die Kenntnis um die Gestaltung so komplex sein, dass die Verantwortung zur Vermittlungsübertragung dezidiert und sensibel ausgewählt und Übertragungsleistungen hergestellt werden können.- […] Das bedeutet, dass der Lehrende-[…] quasi als Lotse durch die wissenschaftlichen Disziplinen geht, mit dem geschulten und verantwortungsbewussten Blick dafür, was notwendig zur Grundlagenbildung-[…] ist. 69 Eine Spezialisierung dieser Disziplin betrifft naturgemäß die Auseinandersetzung mit Objekten textueller Provenienz. Ausgegangen wird von einem weiten Text-Begriff, der all das als solchen bezeichnet, »was an Sprache so vorkommt«, 70 mithin Ergebnis- 67 Dölling: »Pierre Bourdieus Praxeologie«, S. 172-174, 176. 68 Bohnenkamp/ Schneider: »Medienkulturwissenschaft«, S. 44. 69 Meier: »Design Theorie«, S. 26. 70 Hartmann: »Text, Texte, Klassen von Texten«, S. 17. »Formationssysteme« »Übertragungsleistungen« <?page no="184"?> 184 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft se sprachlicher Tätigkeit sozial handelnder Menschen. Text wird also nicht einzig an einzelnen sprachlichen Befunden festgemacht, sondern als Ergebnis einer komplexen Interpretationsleistung verstanden; Text wird dynamisch aufgefasst aus der Sicht der Grammatik (Schreibweisen), aus der Sicht sprachlichen Handelns (Wissen über kommunikative Normen) und aus der Sicht der Textkomposition (Organisationsprinzipien). Etwas weiterführend steht hinter dieser Beobachtung ein Befund, der so etwas wie eine Meta-Beziehung zwischen der wissenschaftlich realisierten Lehre und Erforschung des Schreibens und dem Vollzugsgeschehen von Wissenschaft an-sich bedeutet. Denn wer Wissenschaft ›macht‹, ist umgeben von Schriftlichem. Die Monographien und Aufsätze, die Rezensionen und Artikel, die Konzeptpapiere und Statements, die Antragsformulare und Abstracts sind als immanent für literale Formen von Wissenschaftlichkeit und das heißt: von wissenschaftlicher Kommunikation aufzufassen. Das Literale komplettiert hier das Kommunikative, das Schriftliche ist in dieser Überzeugung dessen notwendiges Element, deren ›Räume‹ die Schreib-Wissenschaft betrachtet, auch indem insbesondere die Kenntnis wissenschaftlicher Verfahrensweisen wie Recherche, Textanalyse, Vergleich, Experiment bzw. ›Experimentalsysteme‹, 71 Nachweise und Zitieren forciert werden, um diskursive schriftliche Kompetenzen über disziplinäre Grenzen hinweg zu erhöhen. Zielgerichtete Interaktion, die danach fragt, für wen ich wissenschaftlich textuell produziere, und Techniken argumentativ-schriftlicher Darstellung, die u. a. die Erstellung eines Projektexposés ermöglichen, sind in dazu gehörigen Lehrveranstaltungen deswegen durchgehend zu privilegieren. Eine solche Meta-Wissenschaft ist damit in ihren Forschungswie in ihren Lehrgrundsätzen im Kontext interdisziplinären Arbeitens verortet, gleichwohl sie stets philologische Züge aufweist. Sie untersucht Schreiben als universelle Matrix von Zeichenmodellen mit ihren jeweils differenzierten ästhetischen, kulturellen und historischen Dimensionen in komplexen Handlungs-, Symbol- und ›Aufschreibesystemen‹. 72 Dazu kann sie sich auf Entwicklungen 71 Vgl. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 72 Vgl. wiederum Kittler: Aufschreibesysteme. Text wird dynamisch aufgefasst Für wen produziere ich textuell? <?page no="185"?> 185 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb von Text und Sprache bzw. von Schrift, Schreiben und (ihren) Medien mit Blick auf jeweils neu ausgeprägte Medienarten und -muster einschließlich deren rezeptionsästhetischen Konstitutionsbedingungen durchaus stetig konzentrieren. Dann geht es u. a. auch um Geschichte, Formen und Funktionen wichtiger Mediengenres innerhalb eines Systems der Wissenschaft respektive der Wissenschaften; um diese erklärende/ begleitende Theorien einschließlich ihrer praktischen Relevanz; um analytische Methoden und Fähigkeiten zu diesen Analysen; um Untersuchungen im konkreten Anwendungskontext; um Fragen wissenschaftlicher Produktions-, Rezeptions- und Medienästhetik und einen Überblick über Konzepte und Arbeitsformen von (Wissenschafts-)AutorInnen und deren Arbeitsfeldern in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das Profil jener Wissenschaft richtet sich damit in besonderer Weise an Studierende, die textlich-sprachliche und gestalterischerzählerische Fähigkeiten mit einer ausgeprägten Neigung zur kritischen Auseinandersetzung und Reflexion verbinden. Dazu ist, wiederholt gesagt, ein theoretisches Interesse unabdingbar, da die Grundlagen für eine kritische und theoretisch versierte AutorInnenschaft als Wissenschaftler bzw. besser: als wissenschaftlich Ausgebildete gelegt werden sollen. In der Auseinandersetzung mit theoretischen Diskursen werden so textuelle, konzeptionelle und organisatorische Kompetenzen entwickelt, um kulturelle Praktiken und Techniken zu verstehen, mitzugestalten und auch neu zu erfinden. 73 Die Studierenden lernen im besten Fall effektive Techniken von wissenschaftlicher AutorInnenschaft; sie lernen Ansätze und Verfahren etablierter wie experimenteller Schreib-Praktiken kennen und werden wissenschaftlich vorbereitet. Exemplarisch wird schriftliches Handeln analysiert und praktische Erkundung vorgenommen. Schreib-Wissenschaft bildet daher kritisch und 73 Kulturtechniken gelten einmal mehr als Praktiken, die an der Konstitution von Kulturen und Kollektiven beteiligt und durch Medien und Erziehung vermittelt sind; sie stellen ein Konzept zur Verfügung, das nicht auf die elementaren Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) beschränkt ist, sondern auch Techniken des Körpers, Repräsentationsverfahren und andere Techniken der Hervorbringung beinhaltet. Dazu näher Maye: »Was ist eine Kulturtechnik? «. Produktions-, Rezeptions- und Medienästhetik <?page no="186"?> 186 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft theoretisch versierte AutorInnen zu Kommunikations- und Theoriearbeit sowie zur Produktion und Reflexion ihrer divergenten Projekte aus. 5.3.3. Vorschläge für ein wissenschaftliches Schreib-Curriculum Im Zentrum des Schreibens, fasst man es als wissenschaftliches Verb auf, steht also der Erwerb von spezifischen Qualifikationen und kulturellen Schreib-/ Text-, Erzähl- und Medien-/ Gestaltungskompetenzen, die für Studierende wie für Forschende und Lehrende jedweder Disziplin unerlässlich sind. In diesem Sinn fokussiert die hier postulierte Schreib-Wissenschaft vehement auf die Rolle des Schreibens für den Bereich der Wissenschaft als essentielle Form einer universalen kulturellen Grammatik, denn [k]ulturelle Grammatik ist die Gesamtheit aller Regeln (Wert- und Normsysteme, kulturelle, politische, religiöse, ökonomische Wissensformen, Verhaltensregeln, Interaktionsrituale, ästhetische Codes usw.), durch die gesellschaftliche Wirklichkeit, auf der Makro- und Mikroebene, als System von Macht- und Herrschaftsverhältnissen produziert und reproduziert wird- - bewusst und unbewusst. Soziale Wirklichkeit ist, gemäß dieser Position, eine Wirklichkeit von Zeichen, die etwas bedeuten und Wirklichkeit in einem Prozess der Bedeutungsproduktion konstituieren- - dieser Prozess wird zumeist von der Dominanzkultur bestimmt. Sie ist die Instanz, die die jeweils aktuelle soziale Wirklichkeit als normal und die beste aller möglichen Gesellschaftsformen erscheinen lässt sowie bei den Gesellschaftsmitgliedern Konsens darüber herstellt, sie als unhinterfragte Ordnung der Dinge manifestiert. Gesellschaftliche Vermittlungsagenturen der kulturellen Grammatik sind etwa Schule oder Universitäten-[…]. 74 Wissenschaftliche Sprache wird im Zuge dessen als eigenständiges Medium gedacht, das für die jeweilige kommunikative Situation naturgemäß wissenschaftlich schreibend zu gestalten ist. Geschichte, Theorie und Poetik des wissenschaftliches Schreibens werden daher gelehrt und es muss überhaupt zum Umgang mit ihnen angeleitet werden. Das schriftliche wissenschaftliche Medium (das Buch, der Aufsatz, der Bericht usw.) wird dazu gewissermaßen als Kulturraum aufgefasst, der die Systeme der funktional differenzierten Gesellschaft abbildet. Diese wiederum nutzt das 74 Kleiner: Medien-Heterotopien, S. 375. Kommunikations- und Theoriearbeit Eine universale kulturelle Grammatik Geschichte, Theorie und Poetik des wissenschaftliches Schreibens <?page no="187"?> 187 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb Medium zu einer Phänomenologie des wissenschaftlichen Selbst, zur Selbstkonstitution wie zur Selbstkonstruktion und -expression. Der schreib-wissenschaftlich ausgebildete Autor nutzt hierbei gerade die Möglichkeitsdimensionen des Mediums in der Beobachtung und Handhabung der technischen Entwicklungen, die er mit Nutzen bringenden Inhalten buchstäblich verwebt-- in der Verknüpfung seiner Zeichen: Schreib-Wissenschaft verknüpft technologische, kulturelle, gestalterische und mediale Perspektiven in der Beobachtung, Bewertung und Entwicklung dynamischer Kommunikation. Aus dieser Programmatik sind folgende Lehrziele bzw. ist folgende Lehrmethodik abzuleiten: Den Studierenden soll die zentrale Bedeutung des Schreibens sowohl für das gesellschaftliche Zusammenleben als auch für das Leben in den jeweiligen Lebenswelten nahe gebracht und dargelegt werden, wie sich mit dieser die Realität schreibend beschreiben/ beobachten, erklären/ reflektieren, interpretieren/ kommentieren, untersuchen/ analysieren lässt. Die Studierenden erwerben zu diesem Zweck systematisch fachspezifische Schreib-Kompetenzen und Grundlagen für die schriftliche Darlegung ihrer Urteilsfähigkeit im Umgang mit entsprechendem Wissenserwerb, Wissenskritik und Wissenserweiterung. Im Idealfall wird ihnen in diesem Zusammenhang ermöglicht, wissenschaftliches Denken mit Motivation und Begeisterung zu erlernen und in ihren späteren Berufsfeldern einen verantwortlichen und professionell-versierten Umgang damit auszubilden. 75 Im interdisziplinären Diskurs schärfen sie den Blick auf Wissensbestände in ihrer historischen Prozessualität; auf der Basis von Theoriegrundlagen setzen sie sich kritisch und konstruktiv mit Phänomen des Wissens auseinander; sie entwickeln ein Sensorium für die Möglichkeitsdimensionen wissenschaftlichschriftlichen Ausdrucks. Eine derartige Ausrichtung der akademischen Lehre verbindet analytische und kooperative Lehr- und Lernformen miteinander, um die Wissensvermittlung implizit zu unterstützen und die Realisierungsperspektive explizit zu stärken. Dies kann nur durch die Lektüre theoretischer Originalquellen erfolgen, die dazu genutzt 75 Schreiben schult dieses Denken; es bringt jenes meist überhaupt hervor. Phänomenologie des Selbst Urteilsfähigkeit und Wissenserwerb Wissensvermittlung <?page no="188"?> 188 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft werden, vorliegende und entstehende Kultur-, Technologie-, Gestaltungs- oder Medienprodukte detailliert zu besprechen und sie mit kulturellen Handlungen in Beziehung zu setzen. Die Lehrmethodik entspricht mithin der Überzeugung, dass projektbezogene Unterrichtsformen in hohem Maße individuelles wie kooperatives Lernen einschließlich daraus resultierende Diskurs- und Beurteilungskompetenzen ermöglichen, wenn lebenspraktische Relevanz in der konkreten Umsetzung ausreichend Berücksichtigung findet, wie dies beispielsweise ebenfalls Leitsätze großer Bildungsinstitutionen formulieren: Universitäre Bildung im Sinne solcher intellektueller und persönlicher Bildung des Selbstdenkens erfordert spezifische Unterrichtsformen, die den Monolog der Vorlesung ergänzen und konterkarieren. Eine unverzichtbare Übung bildet das Seminargespräch; in bestimmten Fächerkulturen wie etwa den Naturwissenschaften bietet sich zusätzlich auch das Experiment an, das selbständig durchgeführt und, im Kontakt mit der Arbeitsgruppe ausgewertet, den Prozess des Selbstdenkens geradezu mustergültig fordert und fördert. Aus den genannten Punkten geht schließlich hervor, dass universitäre Bildung über den Raum der Universität hinausreichend von zentraler Bedeutung ist. Indem sie an die Stelle der Repetition von vorgegebenem Wissen als ihr eigentliches Ziel die Anstrengung des Selbstdenkens setzt, kann sie in intellektueller wie persönlicher Hinsicht genau die Qualifikationen vermitteln, die lebenspraktisch und beruflich erforderlich sind, um eine Welt mitzugestalten, die sprichwörtlich immer komplexer wird und geltendes Wissen mit rasender Geschwindigkeit überholt. Wenn nicht jederzeit nach der zündenden Idee, so ist hier doch mindestens nach dem mündigen und verantwortlichen Urteil gefragt. 76 Allgemeines Lehrziel ist es daher, Lernprozesse zu initiieren, 77 mit denen schriftlich verfahrend einerseits Wissen erlernt wird und andererseits Anreize zum selbstständigen sowie teamorientierten Arbeiten gegeben werden. Die Studierenden sollten so- - wie im Zitat gefordert- -- auf die verschiedenen Berufsfelder vorbereitet werden. Insofern versteht sich die akademische Lehre- - insbesondere im Zuge der hochschulischen Veränderungen durch 76 http: / / www.uni-jena.de/ Spezifikum_normative_Grundsaetze.html, zul. abgeruf. am 10. 03. 2016. 77 Eine für diesen Kontext hilfreiche Einführung bietet u. a. Macke/ Hanke/ Viehmann: Hochschuldidaktik. Projektbezoge Unterrichtsformen Auf Berufsfelder vorbereiten <?page no="189"?> 189 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb den Bologna-Prozess 78 - - zunehmend als eine wissenschaftliche Berufsqualifikation und wissenschaftliche Berufsausbildung, die neben der fachlichen Qualifikation Schlüsselqualifikationen wie Sozial- und Kommunikationskompetenz, theoriegeleitete Handlungskompetenz, Teamfähigkeit, Selbstorganisation, soziale und wissenschaftliche Verantwortung, Gestaltungskompetenz in unterschiedlichen Medien sowie Theorien/ Methoden für weitere Bildungs- und Lernprozesse durch die Schreib-Kompetenz an die Hand gibt. Rechercheaufgaben begleiten dazu den inhalts- und themenzentrierten Umgang mit darauf abhebenden, genuin produktionsorientierten Fragestellungen, jeweils abgestimmt mit den spezifischen Interessen der Studierenden und wiederum deren Gesten des Schreibens. 5.3.4. Wozu im Studium schreiben? Die Lehrziele der Schreib-Wissenschaft beinhalten schließlich in systematischer Folge: Den Studierenden soll (1.) Wissen, d. h. die Fähigkeit zur schriftlichen Wiedergabe und Handhabung von wichtigen Schlüsselbegriffen, Theorien, Methoden und Prinzipien, vermittelt werden. Dabei werden explizit verschiedene Perspektiven und Sichtweisen auch angrenzender Wissenschaftsgebiete angesprochen, um einerseits die Vielfalt der Fächer darzulegen und andererseits die Studierenden zu netzwerkartigem Denken anzuregen. Beigetragen werden soll (2.) zur Reorganisation des Erlernten, d. h. dass die Studierenden dazu befähigt und angeregt werden, Sachverhalte schreibend zu erklären, zu interpretieren, zuzuordnen und mögliche Entwicklungen vorauszusagen oder abzuschätzen. Den Studierenden soll (3.) vermittelt werden, wie Wissen schreibend angewendet und auf neue Situationen übertragen werden kann. Die Studierenden erhalten (4.) die Fähigkeit, das Gelernte zu bewerten, eigenständige Problemlösungen zu entwickeln und zu begründen, neue Fragen zu konstruieren und in diskursiven Formen bzw. wissenschaftlichen Textformen (Diskussions-/ Reflexionsessays, Hausarbeiten, Referate, Journals/ Portfolios, Projektplanungen/ Exposés) zu synthetisieren. 78 Siehe dazu etwa Hanft/ Müskens (Hrsg.): Bologna und die Folgen für die Hochschulen. Fähigkeit zur schriftlichen Wiedergabe <?page no="190"?> 190 5. Kreatives Schreiben in Schule, Hochschule und Wissenschaft Die Studierenden üben (5.) dabei schreibend Verfahren und Methoden im Umgang mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Verfahren. Im Mittelpunkt steht (6.) auch das Bestreben, gesellschaftliche Kommunikationskompetenz, Schreib-Handwerk und phänomenologische Schulung im Hinblick auf unterschiedliche Materialien, Medien und Darstellungsformen zu verbinden. Das Lehrgebiet- des wissenschaftlichen Schreibens geriert sich daher immer als Vermittlung schriftlicher Muster und Ausdrucksmöglichkeiten, für die es bei all dem immer auch um Leidenschaft geht. Und dies tut es auch, um am Ende womöglich die nicht unerhebliche Frage zu beantworten, warum »wir so hingebungsvoll an unseren wissenschaftlichen Texten« 79 arbeiten. In einem (noch immer weitgehend unterschätzten) Text Derridas heißt es dazu in einem noch sehr viel weitergehenden Sinn: Und dennoch halte ich fest an der Idee, dieser Raum akademischen Typs müsse durch eine Art absoluter Immunität symbolisch geschützt werden. Ich glaube (und dies ist so etwas wie ein Glaubensbekenntnis, mit dem ich mich an Sie wende und das ich Ihrer Beurteilung anheimstelle), daß wir diese Idee stets wieder bekräftigen, sie öffentlich erklären, sie lehren und lehrend uns zu ihr bekennen müssen- - auch wenn der Schutz dieser akademischen Immunität (in dem Sinne, in dem man auch von biologischer, diplomatischer oder parlamentarischer Immunität spricht) niemals rein ist, auch wenn er stets einen gefährlichen Prozeß der Selbstimmunisierung in Gang setzen kann und uns nicht davon abhalten darf, uns an das Außen der Universität zu richten-- ohne jede utopische Enthaltung. Wir müssen diese Freiheit oder Immunität der Universität und, par excellence, ihrer Humanities fordern, indem wir mit aller Kraft für sie einstehen und uns zu ihr verpflichten. Nicht allein in Gestalt von Verlautbarungen und Erklärungen, sondern in actu, in unserer Arbeit und in dem, was wir durch Ereignisse kommen heißen. 80 In einer akademischen Zukunft, die so oder so ähnlich aussehen kann und in der die hier eingeforderte Schreib-Wissenschaft einen angestammten Platz einnehmen kann, müsste nicht nur die Notwendigkeit ihres weiter zu verbreitenden Lehr-Programms sichtbar gemacht werden- - was ein Gemeinplatz wäre und mit deren eigentlichen Besonderheit nur wenig zu tun hätte--, sondern auch, dass diese Notwendigkeit mit der der akademischen Pädagogik 79 Groebner: Wissenschaftssprache digital, S. 148. 80 Derrida: Die unbedingte Universität, S. 45 f. Warum »wir so hingebungsvoll an unseren wissenschaftlichen Texten« arbeiten <?page no="191"?> 191 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb oder Didaktik identisch ist. Um diese angemessen bedienen zu können, müsste sie in einzelne Vermittlungen näher programmatisch aufgegliedert werden und diese Gliederung wäre um so außergewöhnlicher, als das gewaltige Anwachsen des Geschriebenen mit Blick auf die kaum zu überblickende Zahl an neuen Publikationen wissenschaftlicher Professionalitäten zum einen permanent wächst, zum anderen allerdings die Menge (und Qualität) der schriftlichen Zeugnisse wissenschaftlicher Studierender, wie all zu oft zu erfahren ist, mehr und mehr abnimmt. Wenn Schreiben auch als wissenschaftliches Verb allgegenwärtig bliebe, müsste man sich um keine Wissenschaft Sorgen machen; ihr würde dadurch eine Präsenz wiedergegeben: ein angestammter Platz in der Welt. Wissenschaftliche Professionalitäten <?page no="193"?> 193 5.3. ›Schreiben‹, ein wissenschaftliches Verb 6. Kreatives Schreiben als Beruf Die vorliegenden Überlegungen haben in einem Grundzug des Öfteren herausgestellt, wie sich Kreatives Schreiben (historisch, theoretisch, praktisch, schulisch, hochschulisch, wissenschaftlich) aus der Sicht dieser Einführung konstituiert: mittels der Lektüre von und die Orientierung an einem eigenen Kanon sowohl zwecks Schulung der eigenen Schreibfähigkeit als auch des eigenen Text- Analyse-Verstehens bzw. der Werk-Interpretations-Kompetenz. Hierfür darf nicht die reine »imitatio« 1 oder das bloße Nacheifern eines Musters im Vordergrund stehen, 2 sondern das Kennenlernen des jeweils unterschiedlich benutzenden Schreibwerkzeugs. Solche Verfahren müssen als zu erprobende Spielregeln für eigene Schreib-Experimente übernommen und bei erwiesener Eignung zur Lösung von Schreibproblemen entsprechend dem eigenen Ausdrucksbedürfnis in das Schreibrepertoire integriert werden, was von der Funktion her etwas anderes ist als das Befolgen einer Regelpoetik. 3 Im folgenden Kapitel wird näher auf Verfahrensmodelle eingegangen werden, die geeignet sind, das formulierte Anliegen für gängige Berufe jenseits des (Hoch-)Schulbetriebs zu etablieren, für die Kreatives Schreiben handhabbar ist: (1.) für den Beruf des Schriftstellers; (2.) für den Beruf des Journalisten; und (3.) für den Beruf des (Text-)Designers. Abgewandelt werden dazu im Speziellen die von Kaspar Spinner vertretenen schreibdidaktischen Ansätze. 4 Der ›Akt des Schreibens‹ wird zudem auf alles ausgeweitet, was ihn kulturell formiert: »die Schreibgeräte, die Schreibhaltung, die Schreibgeste, das Schreibverständnis, der Schreibprozeß als 1 Ueding: Rhetorik des Schreibens, S. 17. 2 Vgl. Dyck: »Die antike Rhetorik in der modernen Schreibwerkstatt«. 3 Vgl. Bothe: »Kreatives Schreiben«, Sp. 1376. 4 Vgl. Spinner: »Kreatives Schreiben«; ders.: »Schreiben: Konzepte und schulische Praxis«; ders.: »Gibt es eine Didaktik des kreativen Schreibens? «. Siehe zudem auch Abraham: »Was tun mit Steinen? «. Berufe jenseits des (Hoch-)Schulbetriebs <?page no="194"?> 194 6. Kreatives Schreiben als Beruf Akt der Verdichtung kultureller Energien«, 5 um denn auch vor diesem Hintergrund modifizierte Schreibmodelle für die berufliche Anwendung zu skizzieren. Diese beinhaltet entsprechend operative, antizipierende, nachahmende und verfremdende Verfahren sowie solche des erweiternden und freien Schreibens; 6 sie umfassen in einem ersten Schritt insgesamt sechs Schritte, die entweder aufeinander aufbauend oder selektiv gehandhabt werden können. Grundsätzlich orientiert sich dieser Vorschlag wiederholt an einem Schreiben zu literarischen Texten als eine Teilmenge des Kreativen Schreibens, dem jedoch eine »hervorgehobene Rolle« zukommt, spielt doch Anregung durch Textvorlagen auch hier in dessen Praxis »schon immer eine große Rolle«: Als kreativ kann man dieses Schreiben bezeichnen, weil es- - anders als das bloß musterorientierte Schreiben- - nicht einfach auf Regelerfüllung zielt, sondern weil ein Spielraum eröffnet wird, der auch eine Differenz zur Vorlage erlaubt, etwa dadurch, dass ein anderer (zum Beispiel persönlich gefärbter) Inhalt mit der übernommenen Form verbunden wird, dass eine parodistische Distanzierung erfolgt, dass eine Verbindung mit anderen Stilmitteln vorgenommen wird usw. 7 6.1. Kreatives literarisches Schreiben Nachfolgend werden die einzelnen Schritte eines Modells beschrieben, das angehenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern dazu dienen kann, eine Art selbständiger Ausbildung im Kreativen Schreiben zu absolvieren. 8 6.1.1. Sechs Schritte zum Schreiben Schritt 1: Zu Beginn fällt die Entscheidung für eine literarische Vorlage, die der Intentionalität des Vorhabens geschuldet ist; sie kann sich an der Gattung oder der literaturgeschichtlichen Epoche 5 Porombka: »Das neue kreative Schreiben«, S. 175 f. 6 Vgl. Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 80-86. 7 Spinner: »Kreatives Schreiben zu literarischen Texten«, S. 110. Vgl. Abraham: StilGestalten; ders.: »Von der ›Stylübung‹ zum Schreiben als ›Arbeit am Stil‹.« 8 Vgl. hierzu Ruf: »Literatur, Literaturwissenschaft und Creative Writing«. Modifizierte Schreibmodelle Selbständige Ausbildung im Kreativen Schreiben <?page no="195"?> 195 6.1. Kreatives literarisches Schreiben orientieren 9 -- d. h. man kann dabei auf bereits kanonisierte Werke zurückgreifen, jedoch ebenfalls abseitige Autorinnen und Autoren und insbesondere solche der eigenen Gegenwart heranziehen. Um einen Anschluss an das weitere Vorgehen zu gewährleisten, empfiehlt es sich allerdings, bei diesen Überlegungen zu berücksichtigen, ob ein literarisches Werk im Kontext einer bestimmten entweder literaturhistorischen Strömung oder eigens formulierten Poetik steht. Denn dies ist das elementarste Vehikel der Instanz Schreibausgangssituation. Steht beispielsweise ein Genre im Vordergrund, kann die Entscheidung heißen: Historische Stoffe (es wird unten nochmals näher besprochen, welche Werke bzw. Autorinnen und Autoren hierfür geeignet sein können). Gleich wie die Entscheidung ausfällt, zwingend notwendig ist vor allem, dass die literarische Vorlage als eine Art integraler ›Schreib-Fluss‹ aufgefasst wird, d. h. dass der »fertige Text sozusagen in den Zustand des Gemacht-Werdens zurückversetzt und der Produktionsprozeß vom Leser nachvollzogen« 10 werden kann. Schritt 2: Nun erfolgt die konkrete Hinwendung zur literarischen Vorlage, die anhand der Parameter Semantik/ Sprache, Technologie/ Instrumentalität, Körperlichkeit/ Geste betrachtet wird, also etwa in der Hinsicht, welcher Stil hier Verwendung findet und warum sowie auch welches Schreibwerkzeug benutzt worden ist (Feder, Stift, Schreibmaschine, PC etc.). In Vergleich gesetzt werden die Ergebnisse mit der vorhandenen Poetik des Text-Urhebers oder auch mit den Konventionen jener literarischen ›Schule‹, der sich dieser zugehörig fühlt oder gegen die er explizit anschreiben will. Hilfreich (und daher auch für die Entscheidung des ersten Schrittes nützlich) sind die gut erschlossenen Forschungsbereiche der ›großen‹ Literatur-Epochen; schwieriger, aber umso interessanter, können solitäre Bewegungen und/ oder Einzelfälle sein. Problematisch ist von Fall zu Fall der Umgang mit jüngerer und jüngster Literatur, die ggf. erst teilweise oder noch gar nicht erforscht ist-- empfohlen werden soll daher, auf solche Autorinnen und Autoren zurückzugreifen, die bereits Poetik-Vorlesungen abgehalten bzw. poetologische Schriften veröffentlicht haben und 9 Dazu auch Roth: »›Ein Satz spielt mit dem anderen‹«. 10 Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 80. ›Schreib-Fluss‹ Umgang mit jüngerer und jüngster Literatur <?page no="196"?> 196 6. Kreatives Schreiben als Beruf deren Schreib-Szenen denn auch größtenteils nachvollziehbar sind. 11 Hat man sich etwa für einen historischen Stoff entschieden, ließe sich auf Poetik und Werk einer deutschsprachigen Gegenwartsautorin wie Felicitas Hoppe zurückgreifen, die umsichtig ihren Schreibprozess (etwa hinsichtlich ihres Romans Johanna) reflektiert 12 und auch Einblicke in ihre individuelle Schreib-Situation gewährt: Beim Schreiben benötige ich zwei Dinge: einen Tisch vor mir und ein Dach über dem Kopf. So sehr die Mobilität Bedingung meines Schreibens ist, so sehr bin ich auf einen »stabilen« Ort angewiesen, wenn ich produktiv werden möchte. Wobei dieser Ort keineswegs meine Berliner Wohnung sein muss. 13 Im Übrigen hat sich Felicitas Hoppe auch zur ›eigenen‹ literarischen Kanonbildung geäußert: Warum und in welchem Moment Literatur zu uns spricht, ist kollektiv relativ leicht feststellbar, sobald man sich auf Kriterien geeinigt hat. Dafür sind Kritik und Wissenschaft zuständig. Für den Einzelfall, und jeder Leser ist so ein Einzelfall, sieht das schon etwas schwieriger aus. Unsere persönlichen Leseerfahrungen basteln wir uns zusammen wie unsere Kindheiten. Das beweist nicht zuletzt unsere hartnäckige Neigung zum falschen Zitieren, sofern wir so genannte Lieblingszitate aus unserer Erinnerung hervorholen. Schriftliche wie mündliche Überlieferung bleiben in ihrer Wirkung in letzter Konsequenz unkalkulierbar, und davon abgesehen: Welche Bücher suchen wir uns aus und warum? Wann und warum bleiben welche Sätze, welche Wörter bei uns hängen? Warum lesen wir manche Bücher gar nicht, andere dafür ein zweites und drittes Mal und glauben jedes Mal, ein viertes zu lesen? In der Möglichkeit, das zu tun, besteht ein Teil der Schönheit ungebundenen Lesens, Hörens und Sprechens. Und, natürlich, die Schönheit des Schreibens. 14 Und sie fügt hinzu: Es versteht sich daher von selbst, dass Autoren, wo sie anfangen, von sich selbst zu sprechen und dabei Vorbilder aufrufen und Poetologien entwerfen, dazu neigen, sich in große Kontexte zu stellen. Autoren haben ein untrügliches Gespür für das, was womöglich ein Kanon sein könnte und stellen sich 11 Dazu wiederum ausführlich Volk: Der poetologische Diskurs der Gegenwart. 12 Vgl. Hoppe: »Auge in Auge.« 13 Dies.: »›Weshalb ich, was Junghuhn betrifft, nichts als eine flüchtige Bekanntschaft bin‹.«, S. 255. 14 Dies.: Sieben Schätze, S. 201. »Persönliche Leseerfahrungen« <?page no="197"?> 197 6.1. Kreatives literarisches Schreiben dabei ausdrücklich in die Reihe so genannter großer Geister, deren Gefolgschaft sie antreten möchten. Wer auf Nachruhm setzt, muss erstens behaupten, dass es überhaupt Traditionen gibt, zweitens erklären, was Traditionen sind, und drittens in den so beschriebenen Traditionen stehen und schreiben. Das kann, stark vereinfacht, auf dreierlei Weise geschehen: Erstens durch ausdrückliche Nachfolge, zweitens durch bewussten und demonstrativen Traditionsbruch, drittens durch poetischen Slapstick: Thomas Mann behauptet, Goethe zu folgen, Bertolt Brecht folgt sich selbst, und Uetz behauptet, Hölderlin zu folgen, indem er rigoros sich selbst folgt. 15 Ein derartiger Rückgriff auf poetologische Aussagen ähnelt im Übrigen der Methode des Werkstattgesprächs, bei dem von (lebenden) Autoren etwas über die Verfahren, Prozesse und die ›Räume‹ ihres Schreibens in Erfahrung gebracht werden soll. 16 Schritt 3: In der oben zitierten Textpassage zur eigenen literarischen Kanonbildung formuliert Hoppe, was in dem hier vorgestellten Schreibmodell in einer nächsten Einheit erfolgen soll, nämlich Nachahmung und Veränderung/ Verfremdung der literarischen Vorlage, 17 also z. B. mittels stilistischer Imitation, dem Wechsel der Fokalisierung, dem Wandel des Tempus, dem Transfer in eine andere Textsorte, der Imagination einer neuen erzählten Welt usw. 18 Dadurch werden zum Einen die Besonderheiten der literarischen Vorlage kontrastiv herausgestellt und zum Anderen derart operatives Schreiben geschult, wie es auch Jürgen Links ›generative Übungen‹ 19 oder bekanntermaßen wiederum Raymond Queneaus Exercices de Style kennzeichnet. 20 Gleichzeitig rückt ins Bewusstsein, welche ähnlichen Schreibverfahren der ›ursprüngliche‹ Autor gewählt hat, um seinen eigenen Text zu verfassen. Auch hierfür gibt Felicitas Hoppe ein eigenes Beispiel: Das Verfahren, Textstellen aus anderen Büchern in meine eigenen einzubauen, verwende ich seit Pigafetta. Man könnte mich einen Schatzräuber nennen, der Schätze aus anderen Büchern hebt und sie dann bearbeitet oder in einen neuen Kontext stellt. Ich hab zum Beispiel in Pigafetta die »Sicherheitsrol- 15 Ebd., S. 209. 16 Dazu näher Johnson: The Art of the Author Interview. 17 Vgl. Spinner: »Gibt es eine Didaktik des kreativen Schreibens? «, S. 88. 18 Vgl. ders.: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 80, 82-84. 19 Vgl. erneut Link: »Schreiben als Simulieren? «. 20 Vgl. erneut Queneau: Stilübungen. Rückgriff auf poetologische Aussagen Operatives Schreiben <?page no="198"?> 198 6. Kreatives Schreiben als Beruf le«, die auf jedem Schiff zu finden ist und Anweisungen enthält wie: Nicht ins Wasser springen, oder: Vor dem Betreten des Schiffes wetterfeste Kleidung anziehen usw., wortwörtlich in den Roman übernommen. Ich verwende aber diese und andere Textstellen nicht als Zitat, sondern als eine Art Textstoff, der dadurch, dass er in einen neuen Kontext gestellt wird, entweder-- im Falle eines Sachtextes- - literarisiert wird oder- - im Falle eines literarischen Textes-- durch den neuen Zusammenhang eine andere Art literarischer Wirkung entfaltet. Ein weiteres Beispiel möchte ich noch anführen: Im Georg-Meister- Porträt aus Verbrecher und Versager habe ich einen Passage aus Meisters Orientalisch-Indianischen Kunst- und Lust-Gärtner über den Kokosbaum umgeschrieben, die dort an die zwanzig Seiten lang ist. Ich erinnere mich noch, wie viel Zeit und Mühe mich diese »redaktionelle Arbeit« kostete, die u. a. im Kürzen bestand. Schließlich und endlich hatte ich die zwanzig Seiten auf eineinhalb oder zwei gebracht. Ich war und bin immer noch stolz auf diese Arbeit, die darin besteht, aus dem Vorgefundenen das heraus zu filtern, was mir essenziell erschien, und es zugleich-- durch die Hoppesche Zusammenfassungsvariante- - mit meiner spezifischen Komik und meiner spezifischen Denkungsart zu versetzen. Generell denke ich, dass man mit dem zur Verfügung stehenden Material, seien es Bücher oder Plakate oder Sicherheitsrollen, machen kann, was man möchte, wenn es von einem eigenen Ton und einem eigenen Ansatz geklammert wird. Ich hätte überhaupt keine Probleme damit, wenn jemand auf diese Weise mit meinen Büchern verfährt. Das alles zeigt auch, dass ich viel weniger fantastisch arbeite als oft gesagt wird. Ich sehe etwas, ein Plakat, eine Sicherheits- oder eine Gebrauchsanweisung, und fange sofort an, mit diesem Material zu arbeiten. 21 Schritt 4: Das von Hoppe aufgerissene ›materielle‹ Schreiben führt vor, wie der Umgang mit einem literarischen Prä-Text funktionieren kann. Möglich sind aber auch Schreibaufgaben, die daran anknüpfen und »zum selbständigen Weiterschreiben mit dem Ziel auffordern, den Ausgangstext weiter zu entfalten.« 22 Immer wieder werden in den so selbst geschriebenen Texten vermeintlich unscheinbare Details der Vorlage aufgegriffen, fort- und umgeschrieben, was die Auseinandersetzung mit deren ›Botschaft‹ vertieft, dazu führen kann, dessen Geheimnis auf die Schliche zu kommen. 23 Die Vor- oder Nachgeschichte der Vorlage ließe sich 21 Hoppe: »Weshalb ich, was Junghuhn betrifft, nichts als eine flüchtige Bekanntschaft bin«, S. 257. 22 Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 84. 23 Vgl. ebd. »Zur Verfügung stehendes Material« Vor- oder Nachgeschichte der Vorlage <?page no="199"?> 199 6.1. Kreatives literarisches Schreiben ebenfalls schreibend imaginieren. Bezogen etwa auf Hoppes Johanna-Roman könnte dies dadurch erfolgen, dass zunächst im Sinne antizipierenden Schreibens das Vorgehen Hoppes nachvollzogen wird, indem man den historischen Stoff (hier: der Mythos von Johanna von Orleans) erst selbst erzählend entfaltet, wobei Hoppes Poetik und der Inhalt des Romans aus den Schritten 1-3 bereits bekannt sind; anschließend könnte möglicherweise ein traumhaftes Gespräch- - denn darin geht es u. a. in Hoppes Text- - zwischen der Ich-Erzählerin und Johanna- - beide spielen im Roman eine Rolle und ihre Zeit enthobene Verbindung ist von entscheidender Bedeutung 24 -- vorgestellt und nieder geschrieben werden, könnte darüber hinaus das Roman-Ende einige Erzählzeit später fortgeführt und rückblickend beurteilt werden, zumal von Hoppes Erzählerin am Schluss Fragen aufgeworfen sind: Überhaupt. Warum bin ich im Wasser? Wohin soll ich schwimmen, wo liegt Frankreich, wohin will ich kommen? Und was will ich Johanna schwimmend beweisen? Dass ich die Schwimmergebete beherrsche, weil ich weiß, wie man Arme und Beine faltet? Dass ich weiß, wie man paddelt? Dass ich weiß, wie man flieht? 25 Man fügt also dem eigenen Schreiben gleichsam einen fremden ›Stoff‹ zu, »um zu verstehen, welches Kulturprogramm man eigentlich ausführt«. 26 Felicitas Hoppe bietet hierfür das Material an; sie bietet die Regeln, die Formen für das Schreiben. Schritt 5: Vom erweiternden Schreiben, so auch Spinner, ist es »kein großer Schritt mehr zum freien Schreiben«, 27 das nicht mehr auf einen bestimmten vorliegenden Text bezogen ist und deshalb auch nicht direkt als Mittel für Textanalyse und -interpretation Einsatz finden kann: »Wohl aber ermöglicht das freie Schreiben grundsätzliche Einsichten in den literarischen Produktionsprozeß.« 28 Indem sich der Schreibende einen eigenen Text erarbeitet und dabei handwerklich an die zuvor an einer literarischen Vorlage erlernten Techniken anschließen kann, löst er sich 24 Dazu näher Ruf: »Das phonographische Gedächtnis«. 25 Hoppe: Johanna, S. 170. 26 Porombka: »Das neue Kreative Schreiben«, S. 182. 27 Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 86. 28 Ebd. Antizipierendens Schreiben Freies Schreiben <?page no="200"?> 200 6. Kreatives Schreiben als Beruf von dieser, wird jedoch zudem aufmerksamer für literarische Ausdrucksmöglichkeiten und den Schreibprozess schlechthin, vertieft und differenziert zur selben Zeit die zuvor theoretisch erschlossenen Erkenntnisse. Mit Hoppe gesagt: Nachdem ein eigener literarischer Kanon in welchem Ausmaß auch immer gebildet und mit diesem kreativ schreibend umgegangen worden ist, gelangt man im Idealfall zu dem, »was unsere eigene Stimme und unsere eigene Empfindung ist«, zur »einfache[n] eigene[n] Urteilskraft« und »gute[m] Geschmackssinn«. 29 Schritt 6: Hier wird eine Art pädagogischer Faktor in das Modell eingeführt: Kanon und Kreatives Schreiben nämlich als Integrativ eines Lerngegenstands und Lernmediums zu begreifen. 30 Gerd Bräuer würde sagen: Schreibend lernen und schreiben lernen gehören zusammen 31 oder präziser bildhaft gesprochen: Literarisch schreibend lernen und literarisch schreiben lernen sind zwei Seiten derselben Medaille. Ein derart beschriebenes Creative Writing erlaubt es, literarische Strukturen und inhaltliche Problemdimensionen durch eigene Produktion zu erkunden, was kognitive Einsicht wie emotionale Erfahrung mit einschließt, d. h. ein in der Tat ganzheitliches »Erfassen« 32 von Literatur und eben auch eigenes literarisches Leben ermöglicht-- eine Art literatur-/ kulturwissenschaftlich-didaktische Not- und Überlebensgemeinschaft im Sinne Adolf Muschgs. 33 6.1.2. Sichtbar-Werdung als Schreibender Die Effektivität des kreativen literarischen Schreibens liegt hier in der Chance, Kanones unter den Bedingungen der Mediengesellschaft und des Schreibens als »unverzichtbarer Teil kultureller Praxis« 34 neu zu stationieren-- eine Perspektive, die von strategischem Gewicht ist. Denn sie verknüpft wesentliche Teile eines Be- 29 Hoppe: Sieben Schätze, S. 228. 30 Vgl. Fritzsche: Zur Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts. Bd. 2, S. 9. 31 Vgl. Bräuer: Schreibend lernen. 32 Spinner: »Kreatives Schreiben und literaturwissenschaftliche Erkenntnis«, S. 87. 33 Vgl. Muschg: »Erlaubt ist, was gelingt«, S. 179. 34 Abraham/ Kupfer-Schreiner/ Maiwald: »Im Spannungsfeld von Didaktik und Pädagogik«, S. 5. Lerngegenstand und Lernmedium <?page no="201"?> 201 6.1. Kreatives literarisches Schreiben rufs, in deren Mittelpunkt der (allgemein gesprochen) ›Umgang‹ mit Literatur situiert ist. Es handelt sich dabei um ein emanatives Projekt der disziplinären Selbstbehauptung, wodurch ein großer Vektor von Kultur gewonnen wird: Die Entdeckung des Schreibens im Akt des Schreibens. 35 Wie gezeigt werden sollte, ist diese von einem Nachdenken über die Schwierigkeiten geleitet, die Regeln eines literarischen Werkes aufzustellen, sie zu verstehen und ihnen zu folgen, sie jedoch auch ganz bewusst zu brechen, um etwas ›Neues‹ im Anschluss an und in Abgrenzung an etwas ›Altes‹ sowohl zu erkennen und/ oder zu erschaffen: Jeder Text gibt mit seinen ersten Sätzen also ein von seinem Inhalt geprägtes Formgesetz, das aus vielerlei Regeln besteht, vor. Die handwerkliche Arbeit des Schreibenden besteht darin, diesen geheimen, nirgends ausgesprochenen Regeln nun auch zu folgen. Um diese Arbeit zu leisten, muß der Schreibende die Grundregeln der Textformen, der Erzähl- und Redeweisen, der Stillagen und rhetorischen Figuren kennen. […] Denn erst die Kenntnis dieser Varianten verhilft dem Schreiber-[…] dazu, jene Komposition- - jenen Zusammenhang von Varianten also- - zu wählen, der dann so etwas wie die geheimen Regen eines Textes bindet, an die sich der Schreiber während seiner Textarbeit wird halten müssen. 36 Diese Kenntnis kann nur mit Blick auf die literaturhistorischen »Zeugen der Tradition« 37 deutlich erreicht werden. Das schließt ›eigenes‹ Schreiben und ›eigene‹ literarische Kanonbildung ausdrücklich mit ein. Im Verlauf der Darstellung ist dabei mehrfach angedeutet worden, dass dazu die Sichtbar-Werdung als Schreibender möglich sein muss bzw. die Bereitschaft, Gespräche über Texte zuzulassen- - seien sie Teil eines anderweitig kanonisierten literarischen Höhenkamms oder (mit direktem oder indirektem Bezug zu diesem) eine Art erschriebene Emersion. 35 Vgl. Brunner: Schreibgesten. 36 Ortheil: »Wie fang’ ich nach der Regel an? «, S. 61. 37 Ebd., S. 66. Disziplinäre Selbstbehauptung »Zeugen der Tradition« <?page no="202"?> 202 6. Kreatives Schreiben als Beruf 6.2. Kreatives journalistisches Schreiben Für ›journalistisch‹ gibt es eine Bedeutung, die schon im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt worden ist und sich aus dem Fremdwort ›Journal‹ ableitet; sie lautet: ›Jeden einzelnen Tag betreffend‹. Quelle ist das lateinische ›diurnus‹ (täglich) in seiner vulgärlateinischen Substantivierung ›diurnum‹ (Tag), dem das Nomen ›dies‹ (Tageslicht, Tag) bzw. dessen adverbialer Lokativ ›diu‹ (bei Tage) zugrunde liegt. 38 Ein Journalist ist heute denn auch jemand, der Artikel für Zeitungen schreibt, der also beruflich für die Presse publizistisch tätig ist. 39 Vor hundert Jahren aber hat Lion Feuchtwanger in Das Literarische Echo genau diese Berufsbestimmung kritisiert. Er fragte: »Geht es an, das Werk deshalb als journalistisch zu bezeichnen? Darf ich diese Schöpfungen deshalb der Journalistik zuzählen- […], ihre Dichter Journalisten nennen? « 40 Und er erweiterte daher diese Definition um einen 38 Vgl. Kluge/ Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 39 Dazu u. a. ausführlich Goderbauer-Marchner: Journalist werden! 40 Feuchtwanger: »Was bedeutet journalistisch? «, Sp. 1505. ›Jeden einzelnen Tag betreffend‹ Felicitas Hoppe wurde am 22. Dezember 1960 in Hameln als drittes von fünf Kindern geboren. Dort legte sie 1980 das Abitur und studierte danach an mehreren Universitäten in Deutschland und den Vereinigten Staaten u. a. Literaturwissenschaft und Rhetorik. Zum Nebenerwerb unterrichtete sie währenddessen Deutsch als Fremdsprache am Goethe-Institut. Erste Stipendien für ihre literarische Tätigkeit erhielt sie ab 1990; seit 1996 lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. Ihr Werk wird mittlerweile im S. Fischer-Verlag verlegt. 2012 erhielt sie- - neben weiteren wichtigen Auszeichnungen- - den Georg-Büchner-Preis. Felicitas Hoppe hat verschiedene Gastprofessuren für literarisches Schreiben wahrgenommen und dabei eine Reihe von Poetikvorlesungen gehalten. Werke u. a. Picknick der Friseure (1996)-- Pigafetta (1999)-- Verbrecher und Versager (2004)-- Paradiese, Übersee (2006)-- Johanna (2006)-- Iwein Löwenritter (2008)-- Sieben Schätze (2009)-- Hoppe (2012). <?page no="203"?> 203 6.2. Kreatives journalistisches Schreiben sinnreichen Aspekt. Statt der äußeren Erscheinungsform, d. h. der Periodizität von journalistischen Publikationen, schlug Feuchtwanger vor, besser vom Prinzip der Aktualität auszugehen, um das Journalistische zu definieren: Dieses summum principium kann sich stofflich äußern und formell. Stofflich insofern, als der Journalist sich in der Wahl des Gegenstands durch die Rücksicht aufs Aktuelle wird beeinflussen lassen. Er wird mit Vorliebe Dinge von temporärer Wichtigkeit behandeln oder doch solche, die sich leicht zu den Interessen des Tages in Relation setzen lassen oder sonst wie modisches Interesse haben. Formell wird sich das Prinzip der Aktualität insofern äußern, als der Journalist die Form wählen wird, die seiner ja zunächst nur für ephemere Wirkung bestimmten Arbeit den sichersten und leichtesten Erfolg gewährleistet. 41 Ein Journalist wird also, das folgert Feuchtwanger daraufhin, »aktuell, das heißt populär, angenehm faßlich: feuilletonistisch schreiben«, und davon ausgehend schließt er auf die folgende Definition: »Journalistik ist die, sei es durch Inhalt oder Form, jeweils aktuelle Schriftstellerei, die von Tagesereignissen handelnde und die von Rücksichten auf den Tag bestimmte«, kurz: »die Schriftstellerei über den Tag und für den Tag, soweit sie in Journalen niedergelegt ist.« 42 Daraus ließe sich schließen, dass nach wie vor weniger Trennendes als Gemeinsames zwischen Schriftstellern und Zeitungsschreibern auffällig ist, schließlich richten sich beide an ein Publikum von Lesern, beide bedienen sich des Mediums Sprache, beide sind möglicherweise derselben Idee verpflichtet. Zwar hat es spätestens seit dem 19. Jahrhundert, als Presseerzeugnisse zum ersten Mal eine ernsthafte Konkurrenz zum Buch darstellten, immer öfter Divergenzen und Konflikte zwischen Journalisten und Schriftstellern gegeben-- so etwa als Rivalen um die Bildung des öffentlichen Bewusstseins. 43 Dies hat aber nicht zwangsläufig Schriftsteller daran gehindert, auch journalistisch zu arbeiten. Für viele bedeutete diese Tätigkeit, ähnlich wie es auch beim schriftstellerischen Schaffen der Fall ist, die Möglichkeit, etwas über den Tag und für den Tag 41 Ebd., Sp. 1506. 42 Ebd., Sp. 1506 f. 43 Vgl. Jacobi: Journalisten im literarischen Text, S. 7, 11, 24 f. »[F]euilletonistisch schreiben« Über den Tag und für den Tag <?page no="204"?> 204 6. Kreatives Schreiben als Beruf mitzuteilen, womit die oben kurz skizzierte Begriffsherkunft nochmals unterstrichen werden kann. 6.2.1 Journalistisch Schreiben lernen Wenn Schriftstellerei und Journalistik demnach so einander ähneln, dann auch im Hinblick auf ihr Handwerkszeug: das Schreiben bzw. genauer: das Schreiben über und für den Tag. Dieses ist-- in einer solchen Auffassung-- kein Produkt eines ›genialen‹ Autors, der seine ›Schöpfung‹ (im Sinn der Frühromantik) allein qua Begabung oder Talent hervorzubringen vermag. Sondern: Dieses Schreiben ist erlernbar, da es klaren Regeln und Textstrukturen folgt. 44 Dazu ins Spiel gebracht werden können die nunmehr bekannten Methoden des Kreativen Schreibens, das für den Journalismus somit einerseits die grundsätzlichen Strategien und Arbeitsweisen anbietet, um Textplanungsaktivitäten überhaupt erst auszubilden. Andererseits bietet die Analyse von journalistischen Texten die Spiegelfläche, von der aus neue kreative Schreibweisen entwickelt und Anleitungen zu diesen ausdifferenziert werden können. Innerhalb der Journalistik als zielgerichtete Kommunikationsform, die sich verschiedener Mittel und Medien bedient, um die Aufmerksamkeit potenzieller Leserinnen und Leser auf Ereignisse, Nachrichten, Hintergründe, Personen oder Storys zu lenken, 45 erhalten mithin all jene einzelne Textsorten (vom Bericht zur Reportage, vom Kommentar zur Glosse, vom Feature zum Leitartikel etc.) 46 eine sorgfältig geplante Struktur, die eine konkrete kommunikative Botschaft erfüllen soll. Die Wirkung journalistischen Schreibens ist unmittelbar gebunden an die erlernbare Ausgestaltung verbaler Mittel. Kreatives Schreiben ist, wie sich erwiesen hat, immer auch angeleitetes Schreiben, das sowohl mit Begrenzungen wie mit Spontaneität arbeitet, weshalb sich viele Anleitungen Methoden wie der Vorgabe inhaltlicher Aspekte, formaler Kriterien, struktureller Regeln oder textsortenorientierter Muster bedienen. Diese Ver- 44 Vgl. hierzu Ruf: »Creative Writing, Textgestaltung und der Blick des Reporters«. 45 Dazu u. a. Meier: Journalistik. 46 Dazu ist noch immer einschlägig Lüger: Pressesprache. Analyse von journalistischen Texten <?page no="205"?> 205 6.2. Kreatives journalistisches Schreiben fahren helfen, Gestaltungsmöglichkeiten von Sprache respektive von Kommunikation zu entfalten, im Idealfall sogar eigene Regeln, Muster, Vorgaben zu erfinden bzw. das zu entwickeln, was man den eigenen Sound nennen könnte. Dazu müssen bestimmte, z. B. erzählerische Techniken und Sprachkunstmittel produktiv erprobt werden, und zwar (und dies gilt also nicht nur für das kreative literarische Schreiben, sondern ebenfalls für das journalistische) an und mit einem ›fremden‹ Text. Die Methode, die hier greift und die am Beispiel literarischer Texte in den voran gehenden Kapitel ausführlich exemplifiziert werden konnte, ist das Schreiben zu und nach solchen ›fremden‹ Texten. 47 Gearbeitet wird mit ihnen als Anregung zum Selberschreiben, wobei die Didaktik dem Prinzip des imitativen Schreibens folgt: Einerseits gibt der Text Regeln und ein Muster vor, mit dem in besonderer Art etwas aussprechbar wird; andererseits fordert sein individueller Charakter und seine Sprache dazu heraus, sich probehandelnd in andere Perspektiven hineinzubegeben-- beispielsweise in diejenige des Reporters. Indem in einer Reportage ein Geschehen aus dessen Blick geschildert bzw. nacherlebt wird und man genau dieses Blicken im eigenen Schreiben nachvollzieht, erlernt man die Funktionsweise (und das Erfolgsgeheimnis) all jener verbaler Erscheinungsformen, die hier zur Textgestaltung eines Mediums eingesetzt werden können. Diese können, indem innerhalb derartiger Vorgaben ein ›Gerüst‹, aber auch dessen Freiraum im Rahmen einer Creative Writing-Einheit angeboten wird, weiter- und fortentwickelt werden. Die Vorlage dient als Inspiration und Anleitung, aber auch als eine Art Innovations- und Motivationsmotor für die Anwendung, für die wiederum ein eigener Blick auf der Basis der vorgefundenen, methodisch wie konzeptuell erlernbaren Herkunft entwickelt werden kann. Es geht auch hier um die Interaktion zwischen Rezipient und Text, die durch die Möglichkeiten des jeweiligen Mediums (etwa eine Zeitung oder eine Zeitschrift) mit dessen Aneignungshandlungen befördert sind. Denn, semiotisch gesprochen, wird der Sinn eines sprachlichen Zeichens nicht aus diesem selbst 47 Vgl. Kap. 4.2. Gestaltungsmöglichkeiten von Sprache Inspiration und Anleitung <?page no="206"?> 206 6. Kreatives Schreiben als Beruf abgleitet, sondern er ergibt sich erst aus der Rekonstruktion seiner kommunikativen Einbettung Schritt für Schritt. 48 6.2.2. Beispiele aus dem Tagesjournalismus Hinweise, wie journalistisches Schreiben funktioniert, können zwei Beispiel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geben. Sie demonstrieren, in zwei unterschiedlichen Textsorten, solche kreativen Schreibstrategien, die einen journalistischen Text nicht nur informativ, sondern nachvollziehbar, emotional und mithin lebendig gestalten. Hubert Spiegel legt ein Porträt des Schriftstellers Ror Wolf vor, 49 dessen Anlass ein doppelter ist: Zum einen dessen Achtzigster Geburtstag, zum anderen die Veröffentlichung eines neuen Buches. Beides verknüpft Spiegel, um eine Kritik des Buches mit einer Charakterzeichnung des Autors zu verknüpfen. Um diesem Anliegen einen adäquaten Rahmen zu geben, der für den Leser den Charakter von Roman und Mensch regelrecht spürbar macht, wird eine Homestory dargestellt: Der Journalist Spiegel besucht den Schriftsteller Wolf zu Hause; geschildert wird dessen Wohnung, die Eindrücke, die der Besuchte auf den Besucher macht. Und wiedergegeben wird all das, was der eine zu dem anderen- - vermutlich auf dessen Fragen hin- - antwortet. Stilistisch unterbrochen sind diese Passagen von elliptischen Einschüben, die wiederum Antworten auf jene Fragen sind, die sich aus der Auseinandersetzung des Literaturkritikers Spiegel mit der Literatur von Wolf ergeben: Ein Textabschnitt bezieht sich so auch grammatikalisch auf den folgenden, wodurch gleichzeitig die einzelnen Schritte des journalistischen Textes miteinander verbunden sind: Von der Ortsbegehung zum neu erschienenen Buch zu den Eigenarten des Schreibens von Ror Wolf zu dessen Lebensgeschichte zu dessen Werkgeschichte zur Deutung seiner Werke zu dessen Vorbildern und wieder zurück zum Ort der Begegnung sowie zu den Geburtstagsglückwünschen. Claudius Seidl hat einen journalistischen Text verfasst, dessen Anlass wiederum ein Jubiläum ist, jedoch nicht der Geburtstag eines beachtenswerten Menschen, sondern derjenige der bekann- 48 Vgl. Bucher: »Textdesign und Multimodalität«, S. 70 f. 49 Vgl. Spiegel: »Das Wort soll glänzen«. Homestory <?page no="207"?> 207 6.2. Kreatives journalistisches Schreiben testen und einflussreichsten deutschen Boulevardzeitung. 50 Auslöser des Textes ist das Vorhaben der BILD-Zeitung, im Jahr ihres sechzigsten Erscheinens an jeden deutschen Haushalt eine kostenlose Ausgabe zu liefern. Der Text kommentiert polemisch ein aktuelles Geschehen; er kritisiert es, indem Seidl zunächst aktuelle Ereignisse, die in dem entsprechenden Zusammenhang stehen, aufgreift (u. a. die Weigerung der Süddeutschen Zeitung den Henri- Nannen-Preis entgegen zu nehmen, da mit diesem auch die BILD - Zeitung ausgezeichnet werden sollte) und ebenfalls bewertet: Die Ablehnung hätte, so die Meinung Seidls, viel stärker begründet werden müssen. Genau diese Forderung löst Seidl anschließend ein, indem der BILD -Kampagnenjournalismus historisch resümiert und dazu eine Reihe deutlicher Beispiele skizziert werden (auch in Hinsicht auf den missglückten Versuch des SPIEGEL , ebenfalls BILD zu kritisieren). Seidls Text ist also sowohl eine BILD -Kritik als auch eine Kritik an der Kritik an BILD , die nach Erklärungsmodellen für deren Popularität sucht und fündig wird, nicht ohne zu verabsäumen, den Text mit einer rhetorische Pointe abzuschließen. Diese kurzen Text- und Schreibanalysen machen deutlich: Jedes einzelne der wahrgenommenen Elemente (beispielsweise das Erleben des Reporters, sein Zusammentreffen mit anderen Protagonisten seiner Reportage, die Hintergrundinformationen, die er schildert, die Emotionen, die das Geschehen bei ihm selbst hervorruft und die er beschreibt usw.) wird als jeweils gegenseitige Kontextualisierung rezipiert. Neben der Frage nach der Art des Zusammenhangs zwischen Kommunikationseinheiten konfrontieren derartige Kommunikationsformen die Text-Rezipienten wie die Text-Produzenten zusätzlich mit der Frage, wo überhaupt kommunikative Zusammenhänge hergestellt werden. Auf der Grundlage der Gestalttheorie können dann Prinzipien als-- kreativ zu formende- - Vorlagen bzw. Muster formuliert werden, die ein Verstehen der Funktionsmechanismen und Zusammenhänge kommunikativer Einheiten und dessen Zweck gerichtete Nutzung erklären, das Prinzip der Kontinuität beispielsweise, dasjenige der 50 Vgl. Seidl: »Einfach gar keine Haltung«. Polemik und Kommentierung Hintergrundinformationen <?page no="208"?> 208 6. Kreatives Schreiben als Beruf (emotionalen) Nähe, der Ähnlichkeit, der Intensivierung, der Abgeschlossenheit. 51 Dabei gilt, dass solche Prinzipien für das Verstehen journalistischen Schreibens und deren Kommunikation nicht nur erklären müssen, wie Beitragseinheiten zusammenhängen, sondern auch, wie diese Zusammenhänge mit Hilfe der Textgestaltung überhaupt erst zu (re-)konstruieren sind. Erlernen lassen sich solche Schreibweisen nur, wenn man ihre Tradition kennt (sei es eine journalistische, sei es auch eine literarische), diese Tradition selbst ausprobiert hat, sie als Orientierungs- und Schreib-/ Gestaltungshilfe nutzt, um sie auf neue Zusammenhänge erfolgreich anwenden zu können, um letztendlich erfolgreich praktisch Schreiben zu lernen. Das ist durchaus eine Kunst, und zwar- - wirklich- - eine (all-)tägliche. 6.3. Kreatives literaturkritisches Schreiben Einen Sonderfall des journalistischen Schreiben stellt das kulturjournalistische bzw. genauer: das literaturkritische Schreiben dar. Dieses nimmt auch speziell für das Kreative Schreiben eine Sonderstellung ein, da es auf der einen Seite das Schreiben von Literatur beurteilt und auf der anderen Seite selbst geschrieben wird, um jene Wertung zu fixieren, die dem Deutungsraum ihrer Begriffsgeschichte zufolge in erster Linie ein kritisches Unterfangen ist: Unter ihrem Titel werden Konzepte zur Rangbestimmung von literarischer Kunst zu einem Verbund an Bewertungs-Methodiken gekoppelt und in der Erzeugung von Bewertungs-Kriterien die Kritik von Kunst ermöglicht. 52 Da das dabei zugrunde liegende Konzept von Wertung hybrid gefasst wird, sind entsprechend weitläufige Wertungs-Praktiken zwangsläufig. 53 Sowohl ihren Phänomenen und Repräsentationen als auch ihren Theorien und ihrer Begriffsentwicklung nach gilt die Wertung von Literatur dem Bestreben, kunstvolle literarische Gegenstände (den literarischen 51 Siehe dazu wiederum auch Bucher: »Textdesign und Multimodalität«, S. 70. 52 Zu derartigen Formaten von Kunst-Kritik vgl. Melchinger: Keine Maßstäbe? , S. 88; Vormweg: »Kriterien der Literaturkritik«, S. 81. 53 Vgl. hierzu Ruf: »Wie wertet man Literatur? «. Orientierungs- und Schreib-/ Gestaltungshilfe Rangbestimmung von literarischer Kunst <?page no="209"?> 209 6.3. Kreatives literaturkritisches Schreiben Text) funktional zu selektieren, zu beschreiben, auch zu interpretieren und so zu evaluieren. 54 Ein »Konzept der Kritik« kann zugleich als »Reproduktion der Originalproduktion« dienen, 55 wobei der Terminus ›kritisch‹ mit Benjamin in dem Sinne verstanden werden kann, »die Erhebung des Denkens über alle Bindungen so weit [zu] treiben, dass gleichsam zauberisch aus der Einsicht in das Falsche der Bindungen die Erkenntnis der Wahrheit sich schwang.« 56 6.3.1. Zur Wertungspraxis Praktische Wertungen von Literatur, aus denen solche Postulate hervorgegangen sind, verschaffen sich in Auseinandersetzungen um Urteile über das Schöne oder Hässliche, das Vollkommene oder Verfehlte eines literarischen Kunstwerks ebenso Gehör wie in den Besonderheiten ihrer eigenen Schreibweisen. Das führt zur Formulierung regelwie wirkungspoetischer bzw. -poetologischer Auffassungen literarischer Wertungen und daraus abgeleiteter Forderungen, etwa nach deren eigener Kunsthaftigkeit, ihrem Kunstgehalt. Die Wertung von Literatur erfordert in der Praxis dabei Unterscheidungsfähigkeit und Urteilsvermögen; 57 sie überwacht die Qualität literarischer Texte nach nicht immer eindeutigen Anhaltspunkten, denn sie kann sich u. a. auf eine literaturgeschichtliche Tradition/ Strömung ebenso beziehen wie auf allgemeine literarische Zuschreibungen-- Motive, rhetorische Mittel, narratologische Elemente--, auf deren Kontext-- Autor, Literaturbetrieb, Buchmarkt- - oder auch auf einen potentiellen (Mehr-)Wert für den Leser. Die Frage, wie man Literatur werten kann, ist mithin stets mit dem Problem der objektivierenden Begründung von Urteilskriterien und Wertungsmaßstäben verbunden. Gelöst werden kann diese Problematik, indem bei der Wertung von Literatur von Vergleichen mit anderen, ähnlichen Werken ausgegangen wird; die Qualität eines Kunstwerks wird dann u. a. daran gemessen, ob die- 54 Dazu stellvertretend Albrecht: Literaturkritik, S. 6, sowie zur Vielfalt der Begriffsdimensionen Schalk/ Weber: »Kritik, Literaturkritik«, hier Sp. 1285-1292; Bormann et al.: »Kritik«, Sp. 1249. 55 Gebhardt: »Literarische Kritik«, Sp. 1091 56 Benjamin: Der Begriff der Kunstkritik in der Romantik, S. 55. 57 Vgl. Röttgers: »Kritik«, S. 652. Urteile über das Schöne oder Hässliche Qualität eines Kunstwerks <?page no="210"?> 210 6. Kreatives Schreiben als Beruf sem die Erfassung einer bestimmten Gattung gelingt. Damit einher geht die Vorstellung, die in einer Methode des Nachfühlens, der geradezu gefühlsintensiven Annäherung an ein literarisches Kunstwerk ihren Ermöglichungsgrund findet, um jenes epistemologisch durchdringen und wiederum beurteilen zu können. Für die Umsetzung praktischer Wertungen von Literatur soll dieses Vermögen ihren spezifischen Beitrag leisten-- nicht zuletzt in der Realisierung ästhetisch ambitionierter Literaturvermittlung und Literaturbegegnung. Eine Konturierung kritischer Wertungspraktiken fördert einen »Ästhetisierungsprozess« zu Tage, der seinen Ursprung in frühromantischen Themen und Theoremen hat und der »Dichtung, literarische Theorie und Kritik zusammenschließt«, 58 d. h. der die Gemeinsamkeiten literarischer Produktion, literaturkritischer Anwendung und theoretischer Diskussion hervorzuheben versucht. 59 Kritikpraxis bzw. die praktische Wertung wird so zu sagen zu einem ›Organ‹ der Kunst, zu deren Exekutive. In den Vollendungsprozess der Literatur wird dadurch deren Wertung also aktiv einbezogen; diese potenziert in ihrer Betrachtung die Strukturen der Literatur und nimmt dadurch eine eigene schöpferische Ebene ein. 60 Die Aufgabe, Literatur in der Praxis zu werten und zu kritisieren, ist somit ein konstruktiv mitwirkender Beitrag innerhalb des Systems der Literatur- - eine Position, die etwa Draxler zusammenfassend dahingehend dargestellt hat, dass Kritik nicht einfach nur Kriterien und Maßstäbe zur Beurteilung der Praxis liefere, sondern das Kunstwerk vollende, indem sie selbst praktisch und substanziell werde: Dieses »substanzielle Prestige« trete bereits als »Überschreitung ihrer selbst ins Kritische« auf und damit artikuliere sich dieses Kritische selbst als »ästhetische Kategorie und gleichzeitig als prozessuale«. 61 58 Urban: Kunst der Kritik, S. 236. 59 Siehe dazu auch Schulte-Sasse: »Der Begriff der Literaturkritik in der Romantik«, S. 76. 60 Dazu ausführlicher Baasner: »Literaturkritik in der Zeit der Romantik«, S. 53. 61 Draxler: Gefährliche Substanzen, S. 28. Umsetzung praktischer Wertungen <?page no="211"?> 211 6.3. Kreatives literaturkritisches Schreiben 6.3.2. Methoden, Kriterien, Maßstäbe Was bei einer solchen Ausrichtung der Wertung von Literatur allerdings nur ungenau zur Geltung gelangt, sind die konkreten Strukturmomente, die eine literaturkritisch-wertende ›Rede‹ über literarische Gegenstandsbereiche in der Anwendung realisieren. Ein erster Moment betrifft die bereits erwähnte Auswahl von zur Wertung bestimmten literarischen Werken. Sie kann im Diskurs der jeweiligen Gegenwart durch die Prominenz, auch die Skandalisierung oder die Innovation eines einzelnen Literaturproduzenten respektive Autors beeinflusst sein; sie kann von literarischen Debatten bedingt werden; und sie kann nicht zuletzt von dem Anliegen geleitet sein, ein neues literarisches Talent zu entdecken, bekannt zu machen und womöglich durchzusetzen. Literarische Wertungen helfen auf diese Weise dem Literaturrezipienten, Entscheidungen beim Kauf und dann auch bei der Lektüre literarischer Veröffentlichungen in negativer wie positiver Hinsicht zu treffen. Hinzu kommt, dass dieser im Zuge dessen auch unterhalten werden soll/ kann/ muss. Literarische Wertungspraktiken erfüllen dadurch Funktionen der ›Geschmacksbildung‹ für ein Lesepublikum wie der Förderung und Sanktionierung für Literaturschaffende und nehmen die Rolle eines indirekten bzw. im Falle staatlicher Zensurtechniken direkten ›Türhüters‹ oder ›Wächters‹ wenn auch nicht zwangsläufig für den Erfolg, so doch für die Aufmerksamkeit eines literarischen Werkes ein. 62 Praktische Literaturkritiken setzen bei all dem zweierlei in Szene und pragmatisch um: Beschreibung und bewertende Erörterung inhaltlicher, formaler, sprachlicher und sonstiger Textbestandteile; 63 der Kritiker als Beschreibender und Bewertender von Literatur hat dazu die Möglichkeit, »eine ihm zusagende Verfahrensweise auszuwählen und/ oder individuell und innovativ zu sein, Herkömmliches und Normatives zu durchbrechen.« 64 In der Konfrontation werkimmanenter und werkexterner Anhaltspunkte werden mit Werk-Beschreibung und Werk-Bewertung Mechanismen ausgehandelt, die sich aus dem Spannungsverhältnis von 62 Vgl. Anz: »Literaturkritik und Literaturwissenschaft«, S. 201. 63 So Albrecht: Literaturkritik, S. 64. 64 Ebd., 66 Literaturkritisch-wertende ›Rede‹ Werk-Beschreibung und Werk-Bewertung <?page no="212"?> 212 6. Kreatives Schreiben als Beruf Subjektivität und Objektivität beim Beschreibungs- und Bewertungsvorgang ergeben, wobei auch hier das Verhältnis der Werte untereinander nicht streng logisch ist, sondern wechselnden Hierarchisierungen unterliegt-- ganz so wie »im Konflikt ästhet. und ethischer, individueller und verallgemeinerbarer Werte.« 65 Was diesseits des inhaltlichen Gehalts sowie der Vermittelbarkeit dieser Inhalte in den Blick gerät, ist die genuine Leistung von Literatur-- eine Leistung, die in Kriterien wie Thematik und Stoff des bewerteten Werkes in ihrer ästhetischen Fülle und Bewältigung, Folgerichtigkeit und Spannung des Geschehens, Überzeugungskraft und Typisierung sowie Vorbildhaftigkeit sonderlich des Helden und anderer Hauptfiguren, in ihrer Abbildung der Wirklichkeit zum Ausdruck kommt. 66 Sprache und Stil spielen in diesem Kalkül der Beschreibungs- und Bewertungserörterung eine doppelte Rolle. Zum Ersten geraten sie nach den Ergebnissen einer Studie von Lerchner zu einer Art technischer Voraussetzung der Überprüfung, »ob die Sprachgestaltung tatsächliche Regularitäten individuellen Stilwillens folgt, ob es sich also wirklich um einen ausgeprägten Individualstil handelt bei dem, was in dem zu beurteilenden Text vom Autor sprachlich geboten wird«; zum Zweiten setzen sie, so Lerchner weiter, ihrerseits eine »Einstellung des Kritikers zu Formfragen« voraus, mithin einer »Wertzumessung, die er der Gestaltung literarischer Texte für die gesellschaftlichen Aneignungsprozesse grundsätzlich zu gewähren bereit ist, und nicht zuletzt mit dem Arbeitsaufwand und mit der Aufmerksamkeit, die er für die Lektüre aufbringt.« 67 Auf der Grundlage erörternder Beschreibungs- und Bewertungsverfahren werden literaturkritische Anlagen unternommen, die zwischen Innovationsschub und Traditionsbezug im Zeichen der Ambition stehen. Zur Verfügung stehen Kritiker-Vorbilder bzw. Kritiker-›Päpste‹, die mit Persönlichkeiten wie Adorno, Benjamin und Brecht oder auch Barthes und Lukács assoziiert sein können, die aber auch Namen wie Alfred Kerr (für den Beginn des 65 Heydebrand: »Wertung, literarisch«, S. 854. 66 Vgl. wiederum Albrecht: Literaturkritik, S. 71. Siehe dazu auch Schmidt: Zur Spezifik der journalistischen Literatur- und Kunstkritik, Bl. 136. 67 Lerchner: Sprachform von Dichtung, S. 192. »Einstellung des Kritikers zu Formfragen« <?page no="213"?> 213 6.3. Kreatives literaturkritisches Schreiben 20. Jahrhunderts) und Marcel Reich-Ranicki (für dessen Ende und den Beginn des 21. Jahrhunderts) tragen und deren Kritik-Theorie implizit wie explizit rezipiert werden kann. Dabei verschafft sich auf der Seite Kerrs diejenige Position Geltung, die in dessen Vorrede zu Die Welt im Drama formuliert ist: diejenige nach der Unterscheidung der »Dichtung« in »Epik, Lyrik, Dramatik und Kritik« 68 und damit nach dem, was ja bereits die Frühromantik für die Wertungspraxis von Literatur gefordert hat. 69 Gründe hierfür können im Selbstverständnis des Kritikers als »›Vorhut‹ einer avancierten ästhetischen Tendenz« liegen, »bei welcher der Kritik wiederum selbst Kunstcharakter aufgeprägt ist«, 70 aber auch in Vorentscheidungen auf Grund der Zugehörigkeit des Kritikers zu einer bestimmten, ggf. ideologischen Kritik-Strömung bzw. einer entsprechenden Zeitungs-, Zeitschriften-, Rundfunk-, TV - oder Online-Redaktion-- es ist (oft) etwas anderes, wenn ein Rezensent für das Feuilleton einer wert-konservativen Zeitung arbeitet oder für dasjenige einer links-alternativen. 6.3.3. Exemplarische Wertungspraxis Die Beschäftigung mit der Wertung von Literatur setzt in der Praxis somit ein Konzept des Informiert-Seins, des Wissens, der Kompetenz voraus, aus der heraus die Erörterung der Beschreibung und Bewertung und letzten Endes das Wert-Urteil erfolgt. Wiedergegeben werden zugleich ästhetische Erfahrungen: von der Sprache über die Diegese, von der Fokalisierung und dem künstlerischen Ausdruck bis hin zu grammatikalischen Besonderheiten. Bewertet steht so zur Verfügung, was Orientierung über das Werk anbietet- - Einstellungen zu dessen ›Wert‹ sind die Folge, die vor einer Lektüre entweder abschrecken oder aber es möglich machen, die eigene mit der fremden, literaturkritischen Lektüre abzugleichen, eigene, wertend-vorbelastete Erfahrungen zu machen, sich eine eigene Wert-Meinung, eigene Urteile zu bilden. Diese können dann ihrerseits wertende Nachspiele haben, wenn 68 Kerr: Die Welt im Drama, S. VI . 69 Dazu Kerschbaumer: »Die Kunst der Literaturkritik«. 70 Ruf: Zur Ästhetik der Provokation, S. 79. Kritik-Theorie Konzept des Informiert-Seins <?page no="214"?> 214 6. Kreatives Schreiben als Beruf die Kritik bewertet wird-- als Kritik der Kritik. 71 Zu diesem allgemeinen Befund gesellt sich ein grundlegend konkreter, der neben die Beeinflussung des Literatur-Rezipienten durch das Urteil des Kritikers zwei wesentliche Richtungen der praktischen Literaturwertung anzugeben weiß: Lob 72 und Verriss. Für die angewandte Modellierung dieser Beobachtung als kreatives literaturkritisches Schreiben sollen im Folgenden einige Hinweise respektive Anleitungen formuliert werden, wie Literaturkritik in dieser Anwendung praktiziert werden kann. 73 Diese Formulierungen haben poetologischen Charakter und sollen dazu dienen, die zur praktischen Wertung von Literatur notwendigen Wertungsebenen in das Zentrum der kreativen Produktion von Literaturkritiken zu stellen und diese dabei gleichzeitig auf deren Medienästhetik zurück zu wenden, d. h. den zu wertenden literarischen Text mit einer theoretisch und ästhetisch ausgearbeiteten Bestimmung, was an dem Bewerteten gelungen und was nicht gelungen sein mag, Kriterien geleitet zu konfrontieren. Dies ist im Hinblick auf Motivgestaltung, Spiegelungsmöglichkeiten und Strukturmomente möglich, wobei man sich selbstverständlich auch hier darüber bewusst sein muss, dass diese Nennung nur eine Auswahl im vorliegenden Kompetenzbereich sein kann. 1. Motive: Wer literarische Texte, insbesondere literarische Neuerscheinungen wertet, benötigt dazu einen allgemeinen ›Rahmen‹ bzw. allgemein anerkannte Kriterien. Bestens geeignet hierfür sind solche exemplarischen Grundmuster von Literatur, die jedem entweder aus der eigenen Lektüre bzw. aus der eigenen Leseerfahrung bzw. nicht zuletzt aus der eigenen Schullaufbahn mit ihrem mal mehr und mal weniger innovativen Literaturunterricht geläufig sind. Wer so nach Maßgabe traditionell literaturwissenschaftlicher Methodik vorgeht, sucht und findet zunächst das in dem betreffenden literarischen Text dominante Motiv, das dessen Ganzheit, mithin seine Figuren und seine Handlung sowie auch seine Erzähl- 71 Zu neuen Positionen bzw. neuen Thesen zur Literaturkritik siehe das entsprechende Themenheft der Neuen Rundschau 1 (2011). 72 Siehe dazu nicht zuletzt auch Daniel Kehlmanns gleichnamigen Band aus dem Jahr 2010. 73 Siehe dazu auch hinsichtlich einer Vielfalt an Übungen und Aufgaben erneut Porombka: Kritiken schreiben. Motivgestaltung, Spiegelungsmöglichkeiten und Strukturmomente <?page no="215"?> 215 6.3. Kreatives literaturkritisches Schreiben weise, die erzählte Welt leitet. Daher bietet es sich an, diese motivische Ausrichtung des rezensierten Werkes etwa mit weiteren signifikant erscheinenden Charakteristika kurz zu schließen, z. B. mit dessen sprachlicher Gestaltung. Zur Verdeutlichung einer solchen Position sollten konkrete Belegstellen unter Zitation derselben angeführt werden. Zu fragen wäre an dieser Stelle also nicht nur, was das Motiv oder die Motive des Textes sind, sondern auch, welche Funktion sie für jenen haben. 2. Spiegelung : Was in der Praxis bewertet wird, ist auch die Einordnung des jeweiligen Werkes in seinen weiter gehenden Kontext- - in eine bestimmte Autorengruppierung etwa oder eine literarische Tendenz der Gegenwartsliteratur. Die Kritik kann dazu auf ein einfaches, aber nicht minder ›gefährliches‹ Mittel zurück greifen, indem der kritisierte Texte mit seinen eigenen Merkmalen beschrieben, beobachtet und dann auch kritisiert wird-- indem er entsprechend gespiegelt wird: Die Wertung folgt den stilistischen wie inhaltlichen Vorgaben des bewerteten Objekts, das als Beleg und Ausweis in einzelnen Passagen der Kritik wiederum zitiert werden muss. So ist es möglich, eine (erste oder tiefere) Orientierung oder Einschätzung über den literarischen Gegenstand vorzulegen. Die Gefahr besteht vor allem darin, den kritisierten Text lediglich zu imitieren, sich in ihm gewissermaßen zu verlieren, und auch darin, sich in der Aufzählung von Zitatstellen, in Inhaltsangaben oder in der Beschreibung von einzelnen Auffälligkeiten zu erschöpfen; gleichwohl dürfen diese Punkte als Eckpfeiler der Wertungshandlung nicht vollends aufgegeben werden. Um diesen Gefahren zu entgehen, kann erneut auf die Darstellung detaillierter Zusammenhänge zurückgegriffen werden wie die Klärung von Gattungsfragen (siehe oben) oder die Zuweisung des Buches innerhalb des literarischen Feldes. 3. Strukturierung : Die überzeugende Wertung eines literarischen Werkes verlangt die Explikation von dessen strukturellem Aufbau. Nur so kann der Leser der Rezension überhaupt erst nachvollziehen, worauf sich diese im Aufbau bezieht. Gleichzeitig bedeutet dieses Vorgehen, die Wertung an die Struktur des bewerteten Textes anzugleichen. Anders formuliert: Die einzelnen Wertungskategorien sollen stets mit Hilfe des bewerteten Werkes vorbereitet werden; sie sollen mit dessen Erscheinungsweise (sprachlich, aufbauend, kon- Tendenz der Gegenwartsliteratur Die Explikation des strukturellen Aufbaus <?page no="216"?> 216 6. Kreatives Schreiben als Beruf textuell usw.) grundsätzlich korrelieren. Mit einer solchen Vorgabe wird dem bereits genannten Gebot des Nach- oder Einfühlens im Zuge einer literarischen Wertung entsprochen. Zugleich werden dadurch auch solche Formulierungen möglich, die die Herausstellung des für eine Kritik bereits stark gemachten Grundmotivs etwa metaphorisch abbilden können. Die Kategorien der Wertung drehen sich also permanent um den Motiv-, Spiegelungs- und Strukturkontext, die mit dem bewerteten Buch aufgerufen sind und die sich in den einzelnen Wertungsaussagen niederschlagen. An dem mit Hilfe solcher Kriterien fundamentierten Gesamturteil über ein literarisches Werk und einen literarischen Autor bzw. eine Autorin zeigt sich zugleich die Grundproblematik angewandter literarischer Wertung. Diese kann auch bei komplexen und differenzierten Urteilsbegründungen nicht zwangsläufig eindeutige, für jeden zwangsläufig nachvollziehbare Urteilsmaximen benennen. Deswegen ist es mehr als angebracht, wenn zukünftig die Erforschung der Anwendung literarischer Wertungen noch weitaus konziser als bislang geschehen die genannten, aber auch weiter führende Kriterien geleitete Hinsichten beleuchtet, die im Übertrag auf alle ästhetischen Wertungsbereiche (neben dem literarischen etwa auch denjenigen bildkünstlerischer, musikalischer oder theatralischer Wertung) zu einer Spezifik kritischer Systembildung führt. Ein solcher Kriterien-Transfer ist selbst theoretisch wie praktisch geerdet, da sein Interesse dem gilt, was ästhetische Theorie und Praxis über die Natur eines Kunstwerks überhaupt auszusagen vermag. 6.4. Kreatives Schriftdesign Neben dem literarischen und journalistischen sowie speziell dem literaturkritischen Beruf wird immer häufiger virulent, Kreatives Schreiben auch für solche Bereiche zu handhaben, die das Gebiet des (Kommunikations-)›Designs‹ umfassen. Dessen Stellenwert ist vor allem für die Konzeption von Texten für die sowohl inhaltliche wie graphische Gestaltung von Headlines bzw. Slogans, mithin für Werbekampagnen und Anzeigen herauszustellen, 74 jedoch 74 Vgl. Janich: Werbesprache. Nach- oder Einfühlen Ästhetische Wertungsbereiche Werbekampagnen und Anzeigen <?page no="217"?> 217 6.4. Kreatives Schriftdesign muss für die Bedeutung des Kreativen Schreibens auch hier eine Erklärung der betroffenen zentralen Begriffe erfolgen, ohne die nicht zu verstehen ist, was es heißt, von Schreibbzw. genauer: Schrift-Design zu sprechen. 75 Der Begriff der ›Schrift‹ und der Begriff des ›Designs‹ betreffen eine Frage der Kultur und zunächst eine Frage der (visuellen) Form: Das Wort Schrift und das Wort Design fragen danach, wie etwas entsteht und überdauert, wie es sich dauerhaft wandelt, und danach, in welchen Bahnen und Linien es dabei verläuft, wie es in Erscheinung tritt. Diese Fragen der Produktion (der Schrift) und des Umrisses (des Designs) sind in ihrer Wesenhaftigkeit besonders dort sichtbar, wo sie in so vielen theoretischen wie praktischen Fragestellungen verdienen, eine spezifische Zuspitzung zuerkannt zu erhalten. 76 So gibt es Schriften, denen man eine bestimmte Wirkung attestiert; gruppiert werden können sie in Handschriften, Zweckschriften und Textschriften, von denen die letztere »die eigentliche vom Leser bewusst oder unbewusst gewünschte Form« und die »einwandfreie« ist: »Diese Ästhetik der Wortbilder hat sich am tiefsten in seinem Unterbewusstsein festgesetzt, aus dem einfachen Grund, weil er Bücher, Zeitungen usw., das heißt den Hauptteil seines Wissens, in dieser Form gelesen, also in sich gespeichert hat-[…].« 77 6.4.1. Typographie und Druck Schrift wurde seit Gutenberg und wird noch immer nach Drucksystemen festgehalten; sie fragt nach der Typographie- - typographía (τυπογραφία) bedeutet, nach dem Zusammenfall von 75 Vgl. hierzu Ruf: »Schriftdesign«. 76 Hier soll es aber nicht darum gehen, erneut den Schrift- und Design-Begriff auszuführen. Eine der eindrücklichsten dieser Ausführungen zum Erstgenannten findet sich in Grube/ Kogge: »Zur Einleitung«, S. 13-15: »Schriften sind Zeichen und- - wie alle Zeichen- - referieren sie auf etwas.- […] Schriften sind der Aisthesis zugängliche, präsente Gestaltinformationen.-[…] Der Unterschied zu ›gewöhnlichen‹ Bildern, die ebenfalls den Referenzaspekt und den Präsenzaspekt erfüllen, kommt im operativen oder notationalen Aspekt zum Ausdruck.« Zum Zweitgenannten siehe etwa Ruf: Die Hand, S. 23-39. Siehe außerdem den designsoziologisch-anthropologischen Ansatz in Milev (Hrsg.): Design Kulturen; dies. (Hrsg.): D. A.; dies.: Designsoziologie. 77 Frutiger: Der Mensch und seine Zeichen, S. 110 f. »Ästhetik der Wortbilder« <?page no="218"?> 218 6. Kreatives Schreiben als Beruf týpos (τύπος-= ›Schlag‹, ›Abdruck‹, ›Figur‹, ›Typ‹) und--graphie (-γραφή/ -graphē, -γραφία/ graphía, γράφειν/ gráphein- = ›schreiben‹, ›zeichnen‹) zu fragen 78 - -; sie verweist auf die Kunst und das Handwerk des Druckens, bei der bzw. bei dem mit beweglichen Lettern (›Typen‹) Texte zusammengesetzt werden; und sie symbolisiert den Prozess, der mittels Schrift, Bildern, Linien, Flächen und Räumen Spuren als Druckwerke und elektronische Medien hinterlässt: In diesem Sinn sind etwa die von einem Stilus in Lehm hinterlassenen Spuren »Typographien«. Wie wir aber wissen, meint das Wort »graphein« im allgemeinen Sprachgebrauch »schreiben«. Es meint das Graben von Schriftzeichen- - eben dieser Spuren, welche klassifizieren, vergleichen und unterscheiden sollen. Somit ist das Wort »Typografie« im Grunde ein Pleonasmus, der mit »Grubengraben« oder »Schriftzeichenschreiben« übersetzt werden könnte. 79 Die Typographie bindet mithin eine Schrift an ein Design. Ihr Kompositum, das, was man ›Schriftdesign‹ nennt, ist also eine Frage der Äußerlichkeit, zumal in poststrukturalistischem Verständnis: Wenn die Theoretisierung der Schrift, die wir mit der poststrukturalistischen Intervention assoziieren, die Einsetzung der Äußerlichkeit als eines nichtreduzierbaren Elements auf dem Schauplatz der Bedeutung ist, und wenn daraus folgt, daß die Reduzierung von Äußerlichkeit auf die Idealität des Sinns nicht mehr möglich ist, dann wird klar, daß diese Äußerlichkeit nicht länger den Status von, sagen wir, bloßer Äußerlichkeit hat. Das heißt, die poststrukturalistische Vorstellung von Äußerlichkeit ist nicht einfach die Vorstellung eines empirischen, im Koordinatennetz von Raum und Zeit dargestellten Gegenstandes. Empirizität ist nur das Doppel, d. h. das systematische Korrelat von Transzendentalität, wie Foucault in Les mots et les choses behauptet hat. Aber Äußerlichkeit ist auch nicht das radikal Andere, die hyperbolische Äußerlichkeit von Levinas’ Totalité et infini, das grenzenlos Äußere oder transzendente Andere, das in keiner Beziehung zum Bereich der Raum-Zeit und dem Empirischen stünde. Es ist eine Äußerlichkeit, die eine wesentliche 78 Etymologisch etwas genauer: Typoist abgeleitet aus altgriech. typos für ›Schlag‹, ›Stoß‹, später für ›Eindruck‹, ›Muster‹, ›Bild‹ (analog zu typtein-= ›schlagen‹, ›hauen‹); daraus wird lat. typus für ›Figur‹, ›Bild‹, ›Muster‹; -graphie rekurriert auf altgriech. -graphia für ›Schreiben‹, ›Darstellen‹, ›Beschreiben‹ (analog zu graphein-= ›ritzen‹, ›schreiben‹). 79 Flusser: Die Schrift, S. 14, 49 f. ›Typen‹ »Schriftzeichenschreiben« »Totalité et infini« <?page no="219"?> 219 6.4. Kreatives Schriftdesign Beziehung zum empirischen Bereich unterhält, dem Bereich des gleichsam Sekundären und Nicht-Ursprünglichen, die aber zugleich nicht völlig in diesem Bereich aufgeht. Dahin gehen meiner Ansicht nach die paradoxalen Formulierungen, die sie definieren, Ausdrücke wie Urschrift, ursprüngliche Spur oder- - in Bezug auf Foucaults Archéologie- - das methodologische Konzept einer wiederholbaren Materialität. Wenn Derrida- […] von der ›ursprünglichen Verflechtung‹ von Innen und Außen, von Ausdruck und Anzeichen spricht, ist es evident, daß die Erhebung der Äußerlichkeit zu einem konstitutiven Status den Begriff von Äußerlichkeit nicht unberührt läßt. 80 Wenn man die Äußerlichkeit (die ›ursprüngliche Verflechtung‹ von Innen und Außen) einer typographischen Textschrift (ihre ›Eingrabung‹ oder ›Einkerbung‹) wörtlich nimmt, für die Gestaltungspraxis des Kreativen Schreibens deutet, fällt die Frage des Schriftdesigns mit der Frage der Druck- oder Reproduktionstechnik (der Buchdruckerkunst wie des Druckschriftentwurfs, des Letterngusses wie der drucktechnischen Schriftvervielfältigung, der eigentlichen Gestaltung von Druckwerken wie der Sichtbarmachung von Sprache/ Gedanken mittels maschinell bzw. digital reproduzierbaren Schriftzeichen, 81 der visuellen Optimierung eines Druckerzeugnisses, eines virtuellen Mediums oder einer dreidimensionalen Oberfläche wie der handwerklichen, druck- und programmtechnischen Implementierung einer Schriftsatzarbeit) und damit auch mit der Frage der Mediengeschichte in eins. Auf strikt buchstäbliche Weise kann man-- und man hat es auch getan-- diese These etwa am Beispiel der ›Serife‹ überprüfen: Anhand jener mehr oder wenige feinen Linien, die einen Buchstabenstrich am Ende, quer zu seiner Grundrichtung, beschließen. 82 Für den vorliegenden Zweck nutzbarer ist es aber, von jenem Ort auszugehen, der die Frage des Schriftdesigns evoziert. Die Begründung hierfür findet sich bereits im Wort selbst: Seit dem 17. Jahrhundert hat sich ›drucken‹ als umlautlose Nebenform zu ›drücken‹ für das ›Bücher drucken‹ durchgesetzt; drücken bzw. 80 Wellbery: »Die Äußerlichkeit der Schrift«, S. 343. 81 »Typographie ist im Druck gestaltete Mitteilung, Gedankendarstellung.« (Moholy-Nagy: Typographie-Photographie, zit. nach: Eisele: »Der Typografie verschrieben. Protagonisten und Diskurse«, S. 11) 82 Dahinter steht die Problematik, die ›Serife‹ als eine Folge der Meißeltechnik der Antike anzusehen. Zur Widerlegung siehe etwa Catich: The Origin of the Serif. »Wiederholbare Materialität« Sichtbarmachung von Sprache/ Gedanken ›Bücher drucken‹ <?page no="220"?> 220 6. Kreatives Schreiben als Beruf die damit verbundenen Wörter drängen, pressen, stampfen, hervortreiben und auch quälen, welche die maschinelle Vervielfältigung eines Schriftstücks (eines Druckwerks) beschreiben, haben ihren Platz in einem Prozess der Bearbeitung verschiedenster Träger von Schrift: 83 nicht ausschließlich von Papier, sondern von Prinzipien der Bedruckung, sei es Fläche gegen Fläche (flach gegen flach), Zylinder gegen Fläche (rund gegen flach) oder Zylinder gegen Zylinder (rund gegen rund)- - von Verfahrensweisen also, die ein Material ihrerseits maschinell materiell beschriften. 84 Dies ist das, was ursprünglich (und auch noch immer) in der Druckerei geschieht. Inwiefern steht die Frage des Drucks hier im Zentrum der Frage des Schriftdesigns? Sie reguliert letztere nicht nur in ihrem Ergebnis (etwa in einem gedruckten Buch), sondern auch in ihrem vorhergehenden Verlauf, in ihrem Davor, ihrer- - ›Vorstufe‹ und die Frage des Schriftdesigns ist in diesem Sinne auch die Frage einer bestimmten Vergangenheit der Schrift und des Designs. 6.4.2. Die Semiotisierung der Form Die Diskussion (oder auch: der Diskurs) des Schriftdesigns umschließt als Ensemble diese Fragen, die Begriffe dienlich machen, die die Produktion von Bildlichkeit genauso betreffen wie diejenige von Text und die einerseits die erstere privilegieren. Hans Peter Willberg hat ausgesagt: »Das Bild kann manchmal aussagen, was das Wort nicht deutlich machen kann, oder das gleiche auf eine andere Weise sagen und beleuchten. Das Bild wird mitsprechen und 83 Historisch umfassend zeigt diese Entwicklung Wehde: Typographische Kultur. 84 In der Drucktechnik wird das zu bedruckende Material entweder von einer flachen Gegendruckplatte (Tiegel) mit großer Kraft auf eine flache, eingefärbte Druckformplatte gedrückt oder es erfolgt der Anpressdruck auf den Bedruckstoff durch die Drehbewegung eines Druckzylinders über der Druckform oder eine runde Druckform wird auf einem Druckzylinder befestigt, um den Bedruckstoff über den Gegendruckzylinder als Bogen oder Rolle an den Formzylinder zu pressen (Varianten dieses Verfahrens sind der heute übliche Flexo- und der Offsetdruck). Siehe dazu insgesamt Kipphan (Hrsg.): Handbuch der Printmedien. ›Vorstufe‹ <?page no="221"?> 221 6.4. Kreatives Schriftdesign nicht nacherzählen«, 85 während Kurt Schwitters beide Elemente (Bild und Text/ Sprache) innerhalb der Schrift zusammenfallen sieht: »Schrift ist das niedergeschriebene Bild der Sprache, das Bild des Klanges.« 86 Die aus der Schriftgestaltung hervor sprudelnde ›Letterfontäne‹, die gleichsam die ›Anatomie der Schrift‹ seziert, 87 hat ihre Quelle in diesem Zusammenfall, der-- im besten Fall-- regelrecht ›Buchstabengeschichten‹ 88 hervorzubringen vermag und der im Übrigen denn auch die Bezeichnungen ›Visuelle Kommunikation‹ bzw. wörtlich: ›Kommunikationsdesign‹ erhalten hat. Für sie interessiert sich Friedrich Vordemberge-Gildewart, wenn er seinerseits Typographie definiert: Heute wissen wir genau, daß nicht die jeweilige Form der Letter automatisch eine exakt funktionierende Typographie garantiert, sondern daß es eben die Ordnungsbeziehungen von Buchstaben und Buchstabengruppen zum gegebenen Format ist, das heißt also das Inbeziehungsetzen von nicht gewählten, sondern gegebenen Elementen, wie eben neben Text das Format, die Anzahl der Farben, Firmenzeichen, Abbildungen und anderes mehr. Die Typographie wirkt im zeitlichen Verlauf, wie die Musik. Und wie in der Musik die endlose Anhäufung von Tönen niemals das Wesentliche sein kann und ist, so ist die Typographie ebenfalls keine endlose Anhäufung von Buchstaben. Erst durch das Intervall, durch die Begrenzung wird die maßlose Anhäufung zu einer beherrschten, optisch aufnehmbaren Sprache. 89 Bevor diese durch Optik wahrgenommene Aufnahme Schrift wird, bevor sie äußerlich und dann auch bleibend wird, war sie andererseits aber immer schon Sprache: Daß die Schrift von der Sprache her geformt wird, entspricht dem Gang der Evolution ebenso wie der Logik jedes einzelnen Schrifterwerbs. Sprache ist in jeder Hinsicht das »ältere« Medium. Die Schrift hat sich entwickelt durch absolute Unterordnung des Graphismus unter deren Strukturen. Sollten Gedanken durch graphische Zeichen mitgeteilt werden, so bedurften sie solange der interpretierenden Hilfe der Sprache, als sie nicht imstande waren, dasselbe zu sagen, was sich durch gesprochene Worte sagen ließ.- […] Das schriftlich Fixierte muß durch das gesprochene Wort interpretiert, nämlich 85 Willberg: »Ansichten eines Typographen über die Aussichten der Typographie«, S. 48 f. 86 Schwitters: »Anregungen zur Erlangung einer Systemschrift«, S. 312. 87 Vgl. Pohlen: Letterfontäne. 88 Vgl. Bollwage: Buchstabengeschichte(n). 89 Vordemberge-Gildewart: »Zur Geschichte der Typografie«, S. 93. Bild und Text/ Sprache Die »Logik jedes einzelnen Schrifterwerbs« <?page no="222"?> 222 6. Kreatives Schreiben als Beruf der Form des Gedankens angepaßt werden. In dem Augenblick aber, in dem die Schrift das einzelne Wort auszuartikulieren vermag, kann sie auf diese sekundierende Deutung verzichten. Der Gedanke ist ihr nun eindeutig abzulesen, weil er eindeutig geschrieben werden kann.-[…] Schrift in diesem Sinne ist eine Art der Textur-[…]. 90 Die Frage des Schriftdesigns stellt sich auch an diesem Ort, der hier im Wesentlichen ein zu gestaltender Ort der Bildlichkeit bleibt und den man mithin meist ›Grafik‹ nennt. Noch vor seinem heute üblichen Gebrauch ist dieser Name die Bezeichnung eines geschriebenen Bildes: γραφική [τέχνη]/ graphiké [téchne]- = ›die schreibende/ beschreibende [Kunst]‹; er ist der Titel jenes Ortes, der von Schrift und Design handelt oder der Schrift und Design behandelt- - eine Handlung und Behandlung, die auch die Frage nach Originalität und Reproduktion evoziert. Ist aber die druckgrafisch reproduzierte Schrift nicht immer einmalig (als Ort, von dem aus Gedanken, Vorstellungen, Ideen ausschließlich gedruckt darstellbar sind)? Dieser Ort erweist die Frage des Schriftdesigns als die Frage des Mediums, Sprache und Gedanken visuell (als Text-Bild) darzustellen und so Zusammenhänge sichtbar, lesbar, augenscheinlich: kommunikativ zu machen. In diesem Sinne ist die Frage des Schriftdesigns die Frage der Zeichen; sie fragt nach dem »Zuweisungsprozess von Zeichen«, die in »Formensprache umgesetzt werden«; »Design setzt Zeichen.« 91 Die Frage des Schriftdesigns ist also eine Frage, die insbesondere die Semiotik (oder: die Semiologie) 92 stellt und in der die kreative Schreib- Frage nach dem, was geschieht, wenn Medien mit/ aus Texten und Bildern zusammentreffen, enthalten ist. Das wahrscheinlich noch immer einflussreichste Theorem zur Semiotisierung der Form derart medialer Kommunikation ist dabei das Konzept der Multimodalität. 93 Die Behandlung der 90 Stetter: Schrift und Sprache, S. 468 f. 91 Solís-Muñiz: »Über den Einfluss der Semiotik auf die Designwissenschaft«, S. 196. 92 D. h. einer »umfassenden Wissenschaft der Zeichen, die Saussure vor etwa vierzig Jahren unter [diesem] Namen- […] postuliert hat« und die »eine Wissenschaft der Formen ist«, »da sie Bedeutungen unabhängig von ihrem Gehalt untersucht.« (Barthes: »Der Mythos heute«. S. 254) 93 Vgl. auch hier Bucher: »Textdesign und Multimodalität«, S. 53. Der »Zuweisungsprozess von Zeichen« <?page no="223"?> 223 6.4. Kreatives Schriftdesign Präsentationsform von Kommunikation ist hierbei ein Teilaspekt dieses Ansatzes, dem es um eine übergreifende Klärung aller Erscheinungsformen derzeitiger Kommunikation geht. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Diagnose, dass Sprache nicht länger den zentralen semiotischen Modus darstellt, da die Potentiale elektronischer Technologien insbesondere visuelle Kommunikations-Modi installiert haben, 94 weshalb ein Übergang zu ›multimodalen‹ kommunikativen Erscheinungsformen zu beobachten ist, 95 die die Erscheinung ›tertiärer Schriftlichkeit‹ bezeichnen: Sie benennt neuartige, medienbasierte ›Text-Bild-Konglomerate‹, in denen Text und Bild einander kontextualisieren und monosemieren. 96 ›Multimodalität‹ wird so definiert als der »Gebrauch und die Kombination verschiedener semiotischer Modi-- Sprache, Design, Fotos, Film, Farbe, Geruch etc.--, wobei die verschiedenen Modi sich gegenseitig verstärken oder ergänzen können oder aber hierarchisch geordnet sind.« 97 Kommunikation würde hier ein vielschichtiges Phänomen bedeuten; erklärtes Ziel wäre eine umfassende Grammatik der verschiedenen semiotischen Modi, die die Bedeutungen, den Sinn der vielschichtigen kommunikativen Praktiken und des jeweiligen Zusammenwirkens der semiotischen Modi rekonstruierbar macht. 98 Die multimodale Theorie der Kommunikation unterscheidet zwischen den semiotischen Ressourcen der Kommunikation, wie sie für die Modi und die Mediengattungen typisch sind, und auf der anderen Seite den kommunikativen Praktiken, in denen diese Ressourcen eingesetzt werden, wobei für die kommunikativen Praktiken nochmals unterschieden wird zwischen dem Inhalt und dem Ausdruck der Kommunikation, ganz analog zur Unterscheidung der ›Seiten‹ eines Zeichens. 99 Im Unterschied zur analyti- 94 Vgl. Kress: »Visual and Verbal Modes of Representation in Electronically Mediated Communication«, S. 55, 73. 95 Ders./ Leeuwen: Multimodal Discourse, S. 127. 96 Vgl. Schmitz: Sprache in modernen Medien, S. 114 f. 97 Bucher: »Textdesign und Multimodalität«, S. 53. 98 Vgl. ebd., S. 53 f. 99 »[I]ch erinnere-[…] daran, daß jede Semiologie eine Beziehung zwischen zwei Termen postuliert, einem Signifikanten und einem Signifikat. Diese Beziehung setzt Objekte verschiedener Ordnung in Relation, und deshalb ist sie keine Gleichheit, sondern eine Äquivalenz. Es ist hier darauf zu ach- Visuelle Kommunikations-Modi Die multimodale Theorie der Kommunikation <?page no="224"?> 224 6. Kreatives Schreiben als Beruf schen Unterscheidung zwischen der Ausdrucks- und der Inhaltsseite eines Zeichens werden die Aspekte für eine Analyse der Multimodalität sequenziert und ereignisbezogen und historisch verstanden; Inhalt und Ausdruck der Kommunikation sind dementsprechend zwei Abschnitte des Kommunikationsprozesses, die aufgrund des historischen Entwicklungsstandes der Kommunikationstechnologie und der damit verbundenen Ausdifferenzierung und Arbeitsteilung immer weiter auseinanderdriften können: Während in oralen Gesellschaften die Inhalte und deren Formulierung bzw. Ausdruck in der gesprochenen Sprache untrennbar verbunden sind, ist in Mediengesellschaften als ausdifferenzierte ›semiotische Landschaft‹ die Verbindung zwischen Inhalt und Präsentation bzw. Ausdruck der Kommunikationsbeiträge in verschiedene Arbeitsgänge aufgelöst. 100 6.4.3. Text, Bild und Gestalt Zu unterstreichen ist, dass vor allem der Designbegriff nicht eindeutig der Inhalts- oder Ausdrucksseite der Kommunikation zuzuordnen ist: 101 Design kann sowohl Inhalte produzieren als auch die Realisierung der Kommunikation steuern, sie gewissermaßen moderieren. Man könnte sagen: Es ist »einerseits Vorlage, Muster für eine bestimmte Art der Präsentation oder des Ausdrucks von Inhalten, andererseits aber auch die Erscheinungsform einer bestimmten, raumzeitlich realisierten Kommunikation«. 102 Aus ten, dass ich es im Gegensatz der geläufigen Redeweise, die mir einfach nur sagt, daß der Signifikant das Signifikat ausdrückt, im gesamten semiologischen System nicht mit zwei, sondern mit drei Termen zu tun habe; denn ich erfasse keineswegs einen Term nach dem anderen, sondern die Korrelation, die sie beide vereint. Es gibt also den Signifikaten, das Signifikat und das Zeichen, das die assoziative Gesamtheit der ersten beiden Terme ist.« (Barthes: »Der Mythos heute«, S. 256) 100 Bucher: »Textdesign und Multimodalität«, S. 54. 101 Vgl. Kress/ van Leeuwen: Multimodal Discourse, S. 5-21: »Design stands midway between content and expression. It is the conceptual side of expression, and the expression side of conception« (ebd., S. 5); »Sometimes design and production, mode and medium, are hard to separate« (ebd., S. 7); »Design is separate from the actual material production of the semiotic product or event« (ebd., S. 21); »Designs are means to realise discourses in the context of a given communication situation« (ebd., S. 5). 102 Bucher: »Textdesign und Multimodalität« S. 55. Der Designbegriff <?page no="225"?> 225 6.4. Kreatives Schriftdesign einer solchen Unschärfe des Designbegriffs resultiert die Beobachtung, dass Design nicht zwangsläufig von Handlungsplanungen zu unterscheiden ist. Was die in dieser Begriffsproblematik enthaltene Frage nach dem Handlungsraum der Gestaltung betrifft, kann das Wort Schriftdesign mit einem ihm übergeordneten Wort konfrontiert werden, dem man sich häufig bedient, um einen bestimmten Designprozess im Feld der Produktion zu beschreiben, und der eine Fährte für eine exemplarische Fallbetrachtung ist. Es ist das Wort Textdesign (als Kategorie des Kommunikationsdesigns), für das nach der oben durchgeführten Reflexion Planungsaktivitäten neben der konkreten Gestaltung ebenfalls als zum Design gehörig zu etikettieren sind. Der Begriff des Designs bezieht sich in diesem Wort keineswegs ausschließlich auf eine Ästhetik des Textes, sondern auch auf solche der Konzeption und Organisation, 103 d. h. auf genuine Implikationen des Kreativen Schreibens. Diese konzeptionelle und organisatorische Idee scheint ebenso für die Idee des Schriftdesigns wesentlich zu sein bzw. finden sich sogar in ihr Motive jedweden Designs wieder; Design wird im- - Sinne Bonsiepes- - verstehbar als zielorientierte Strategie, als Schnittstelle zwischen Produzent, Rezipient und Produkt, mit deren Hilfe ein Handlungsziel erreicht werden kann. 104 In den Mittelpunkt rückt damit wiederum die visuelle Form von Schrift- - und damit auch die Wechselwirkung von visuellem und inhaltlichem Design-- als Trägermedium kommunikativer Bedeutungen, denn »[j]ede Gestaltung fügt eine Interpretation hinzu«; »[a]llein die Wahl der Schrift kann den Inhalt eines Wortes manipulieren«; 105 und: »Jede Format-, Papier- und Schriftwahl nimmt unausweichlich Verbindung zum Text, zum Inhalt des Buches oder irgend einer anderen Drucksache auf, erst recht die typographische Anordnung. Die Form spricht mit, unausweichlich.« 106 So viele Gestaltungsmotive gibt es, die sich in der Frage des Schriftdesigns verbinden. Kann man sich überhaupt eine schriftliche Form vorstellen, die ohne Gestalt auskäme? Man kann, aber 103 Siehe dazu auch Schriver: Dynamics in Document Design. 104 Vgl. etwa Bonsiepe: Entwurfskultur und Gesellschaft. 105 Spiekermann: ÜberSchrift, S. 103. 106 Willberg: Typolemik/ Typophilie, S. 51. Textdesign »Die Form spricht mit« <?page no="226"?> 226 6. Kreatives Schreiben als Beruf nur bis zu dem Moment, da man sie verstehen, also lesen wird müssen. Man kann sich jedenfalls nur schwer vorstellen, mit einer Schriftform umzugehen, die sich nicht in einer Gestalt erweist, die ihr eine Identität verleiht. Das ist im Kern die Frage, die das Schriftdesign als berufliche Anwendung des Kreativen Schreibens verlangt: ›Wie können wir einen Text als Design identifizieren? ‹ bzw.: ›Was hat es formal auf sich mit diesem Text-- und zwar unabhängig seiner Inhalte, seiner Sprache, also seiner Semantik und so fort? ‹; d. h. auch: Die Identifizierung des Designs eines Textes (von der Schrift ausgehend) hat sich einzufügen in die Designentwicklung und die Designausbildung, wie sie bereits Dieter Urban konstatiert. 107 Wenn es sich um ein Schriftdesign handelt, das sich in ein Textdesign fügt, dann trägt der für diese Fügung programmatische Fall naturgemäß eine lange Geschichte mit sich und d. h. auch: Es lassen sich Beispiele in der Designgeschichte der Schrift- und Textgestaltung finden, die die Frage des Schriftdesigns begleiten. Derartig Designgeschichte geschrieben hat etwa eine Kampagne, von der es nicht ganz klar ist, ob sie von Michael Schirner oder Anton Stankowski initiiert worden ist. 108 Diese lautet schlicht: ›schre IBM aschinen‹ und sie zeigt etwas Grundsätzliches: Nicht nur, dass das hier gestaltete Wort in der Wahl der Schrift selbstreferentiell auf die Inhaltsseite des genannten Wortes rekurriert und damit auch für das zu bewerbende Produkt durch die Integration seiner Initialen in dieses Wort eine Art Allmachtanspruch für das thematisierte Gebiet (hier: für das maschinenvermittelte Schreiben wie für Schreiben schlechthin) im Hinblick auf die beworbene Unternehmung vermittelt wird. Sondern auch: Dass der Schriftzug ganz selbstverständlich auf Formen und Ausdrucksdimensionen hinweist, die eine Verbindung von Lesen und Sehen unterstreichen und die aus der Literaturgeschichte als ›Visuelle‹ oder ›Konkrete Poesie‹ bekannt sind (die ebenfalls die Aufmerksamkeit eines gelesenen Textes hin zur 107 Vgl. Urban: Text-Design, S. 7. 108 Siehe dazu etwa Gauss (Hrsg.): Anton Stankowski 06; Peichl (Hrsg.): Michael Schirner BYE BYE . Designentwicklung ›Visuelle‹ oder ›Konkrete Poesie‹ <?page no="227"?> 227 6.4. Kreatives Schriftdesign Typographie verschiebt, um das Wort von seiner bloß repräsentativen, bezeichnenden Funktion gleichsam zu befreien). 109 Dieses Insistieren auf der Befreiung und dann auf der Freiheit hat mehrere Anliegen, mindestens drei: (1.) Dass das Schriftdesign Muster und zugleich Freiraum hat, indem die visuelle Seite des/ eines Wortes als zusätzliche Bedeutungsebene eingeschoben wird: Das Wort repräsentiert und präsentiert zugleich. Womit wir es zu tun haben, sind Texte, Wörter, Schrift, die man nicht vorlesen kann (denn dann würde ihr Design verloren gehen). Es bildet Sehtexte, die eine ›Poesie der Fläche‹ 110 (re-)konstruieren, die man, wie ich betonen möchte, nur dann selbst anwenden respektive gestalten kann, wenn man einen gegenwärtigen Blick für sie entwickelt-- auf der Basis vorgefundener, methodisch wie konzeptuell erlernbarer Entwürfe: Es wendet sich ans Jetzt; (2.) dass, wenn es Muster und Freiraum hat, selbst Muster und Freiräume ausbilden wird, mithin dass es zukünftig ist: Es wendet sich voraus; (3.) dass es immer eine Vergangenheit umschließt, die aufmerksam ist für die visuelle Materialität der Sprache; dass es einen gewissermaßen in eine Tradition stürzt: Es wendet sich zurück. Die Diskussion der Frage des Schriftdesigns- - die man kulturwissenschaftlich ihre ›Archäologie‹ 111 nennen kann- - sagt sehr 109 »Bereits in der Antike gab es sie, die Texte, die durch die Anordnung ihrer Buchstaben einen semantischen Mehrwert besaßen. In den Labyrinthgedichten schlängelte sich die Textzeile wie ein Labyrinthgang über das Papier und hielt damit diese Metapher neben der Botschaft des Textes präsent. In den Figurengedichten bildete der Text in seiner Anordnung eine bestimmte Figur, zunächst oft ein Kreuz, im Barock auch weltliche Figuren wie einen Pokal anlässlich der Hochzeit eines Bremer Bürgerpaares im Jahre 1637- […]. In diesem Gedicht lässt sich eine frühe Form interaktiver Literatur erkennen, die den Leser veranlasst, zur Lektüre entweder das Blatt oder den Kopf zu drehen. Der tiefere Witz dieser formalen Spielerei ist, dass einem nach dem Drehen des Papiers so schwindlig ist, als habe man schon einen Pokal geleert.« (Simanowski: »Lesen, Sehen, Klicken«, zit. nach URL http: / / www.rrz.uni-hamburg.de/ DigiLit/ simanowski/ kinetisch_ konkret_poesie_druck.html, zul. abgeruf. am 26. 09. 2014) 110 Vgl. Mon: »Zur Poesie der Fläche«. 111 Zur Deutung des ›Archäologie‹-Begriffs à la Foucault für den designwissenschaftlichen Diskurs siehe Ibach: Ästhetische Impulse der Netzkommunikation, S. 24, S. 30-39. Zu dessen Theoriegeschichte siehe insgesamt Ebeling: Wilde Archäologien 1. Die visuelle Seite des Wortes ›Archäologie‹ <?page no="228"?> 228 6. Kreatives Schreiben als Beruf viel über den Weg aus, den eine Theorie der Designs 112 insgesamt hat zurück legen müssen, ein Weg, der die urtümlichen und eigentümlichen Weisen von Gestaltung skandiert. Beat Schneider hat diesen Weg exemplarisch mit einigen Wegmarken formuliert: Das Design verstand sich als Unterkategorie der Disziplin Kunst und nicht als selbständige Disziplin und überliess Theorie und Geschichtsschreibung allzu oft der Kunstwissenschaft und Kunstgeschichte. Eine starke, bisweilen dominante Tradition in der Geschichte des Designs seit der Industrialisierung bis in die Gegenwart war und ist von der Kunstmotivation, von der Kunstinspiration für ein expressives Design geprägt. Sie hatte seit jeher die Tendenz, die eigene Praxis als künstlerische zu fetischisieren, sich des rationalen Argumentierens zu entheben und stattdessen die Sphäre der irrationalen künstlerischen Kreativität zu lieben und die Aura des Autorendesigns zu pflegen. In diesem Kontext entstand immer aufs Neue der Mythos vom kreativen »Artist-Designer«, der mit seinem »guten« Design die Dinge der Welt arrangiert. Der Mythos vom kreativen Schöpfer […] nährte sich auch aus der empirischen Erfahrung, dass es selbstbezogene Kreativität immer wieder braucht, um Neuem in der Geschichte zum Durchbruch zu verhelfen. Der Mythos war aber dazu angetan, der Designprofession den Blick auf die Realität eher zu verstellen als zu erhellen. Otl Aicher fragte deshalb: »war kunst nicht insgesamt ein alibi, um die wirklichkeit denen zu überlassen, die sie beherrschten? « Und diese Wirklichkeit sah und sieht bekanntlich nicht nach »gutem« Design aus. Aber die Zunft hielt liebend gern an den Ritualen des Autorendesigns ( Jurierung, Preisverleihung, individualisierte Ausbildungskarrieren usw.) fest. Die Wurzeln des antirationalen Designmythos liegen seit der europäischen Aufklärung in der Hypostasierung der gesamten ästhetischen Sphäre ins Reich des »Höchsten«, »Erhabenen« und »Interesselosen«, in der Irrationalisierung der künstlerischen Produktion und in der Transzendierung des künstlerischen Werks in die auratische Ferne völliger Autonomie. So lastet auf dem Design seit Ende des 18. Jahrhunderts die »Hypothek der Kunst« (Lucius Burckhardt), die den Weg zur Industrialisierung des Designs immer wieder behinderte. 113 Dieser ›Behinderung‹ steht- - auch in der Frage des Schriftdesigns-- die Geschichte einer Designwissenschaft gegenüber, an die etwa Cordula Meier in einer aufschlussreichen Analyse erinnert hat. Im Zentrum des Fluchtpunkts dieser Wissenschaft steht nicht der Singular, sondern der Plural; sie ist eine »Vernetzung von ver- 112 Zu deren jüngerer Explikation siehe einmal mehr Erlhoff: Theorie des Designs sowie Mareis: Theorien des Designs zur Einführung. 113 Schneider: Design-- Eine Einführung, S. 260 f. »Der Mythos vom kreativen Schöpfer« <?page no="229"?> 229 6.4. Kreatives Schriftdesign schiedenen komplexen wissenschaftlichen Systemen« (von denen die Theorie des Schriftdesigns stark profitiert): Dazu gehören das heutige aktuelle Feld der Philosophie, der Linguistik, der Hirnforschung, der Kulturtheorien, der Germanistik mit kognitivem Schwerpunkt und letztlich die phänomenologische Alltagskultur, die Soziologie, Kommunikationstheorie, Semiotik, Designgeschichte, Mediengeschichte, Kunstgeschichte, Kunsttheorie, Medientheorie-[…]. 114 Beat Schneider nennt die Designtheorie mithin auch ein »Netz von vielen Disziplinen aus dem Bereich der Human-, Sozial- und Ingenieurwissenschaften, Disziplinen aus Industrie, Handel, Verwaltung und Kultur«. 115 Die in dieser geradezu umfassenden Aufzählung zum Ausdruck kommende Idee der Interdisziplinarität, ist ein Prozess, dem auch in der Frage des Schriftdesigns Rechnung zu tragen ist und die ein ums andere Mal darauf hinweist, dass schließlich auch das Kreative Schreiben auf einem solchen interdisziplinären Feld stattfindet. 6.4.4. Aufgaben: Von Analysen im Design Zum Abschluss des vorliegenden Kapitels sollen vor dem Hintergrund dieser Aussage einige gestaltungstheoretische Positionen beleuchtet werden, die sich in dieser Reihung miteinander zu einer Linie verbinden und die nicht weniger als auf die Pointe hinauslaufen, dass die Behandlung von Schrift und Design jenseits der ›Buchstabenkomposition‹ 116 zum Einen die Frage nach dem Ende der Schriftkultur aufkündigt und damit das Kreative Schreiben erneut in einen medienwissenschaftlichen Zusammenhang stellt: Diese Frage wurde durch die Heraufkunft der sogenannten Neuen Medien, die Transformation der Industriein eine Informationsgesellschaft und nicht zuletzt die Jahrtausendwende herausgefordert- - obwohl sie so gar nicht gestellt werden dürfte. Gibt es denn die Schriftkultur oder nicht vielmehr viele Schriftkulturen? Von welcher Art eines Endes ist die Rede: von der »Vollendung« einer durch Schrift definierten Geschlossenheit- […] oder vom 114 Meier: »Design Theorie«, S. 24. Die-- kritische-- Bestandsaufnahme einer solchen Wissenschaft zeichnet im Übrigen nach Bürdek: Design- - auf dem Weg zu einer Disziplin. 115 Schneider: Design-- Eine Einführung, S. 267. 116 Vgl. Primus/ Wagner: »Buchstabenkomposition«. Ein »Netz von vielen Disziplinen« ›Buchstabenkomposition‹ <?page no="230"?> 230 6. Kreatives Schreiben als Beruf »Abschluss«-[…] des Schreibens? Hatte es denn nicht im Verlauf ihrer Geschichte schon viele Enden gegeben, ohne dass die Schriftkultur verschwunden wäre? Warum wird diese Frage erst jetzt bzw. immer noch gestellt, gab es doch seit längerer Zeit Sorgen vor bzw. Hoffnungen auf den großen Umbruch? 117 Zum Anderen kündigt die oben gestellt Frage aber auch die beständige Revision des Projekts ›Schriftdesign‹ an, das dann nichts anderes im Sinn hat, als die ›Stimme‹ des Designers zu sein, sein ›Klang‹, sein Stil, der das Entworfene und Erschaffene, sein Produkt (meist auch: die Werbung), zwischen Text und Bild der reinen Zweckmäßigkeit und Funktion enthebt und gleichsam das Begehren der Form oder der Formen als Notwendigkeit wiederholt. Auch Jean Baudrillard hat diesen Gedanken in Szene gesetzt: Von den praktischen Funktionen und der menschlichen Bevormundung befreit, kommen die Formen miteinander in Beziehung und mit dem Raum, den sie in einen »Rhythmus« versetzen. Von dieser Konstatierung aus kann man jetzt eine Definition des »Stils«- […] vorlegen: Indem der Mechanismus selbst vorausgesetzt, nur virtuell angenommen wird (bloß gewisse Andeutungen verraten sein Vorhandensein, das Werk läßt sich nicht ausnehmen), tritt die Form allein in Erscheinung und verhüllt das Objekt mit ihren Elementen, bedeckt die abstrakte, kristallene Energie im Inneren mit ihrem Gewande. Wie es ähnlich in der Evolution mancher Tierarten zu sehen ist, veräußerlicht sich die Form, der festen Schale gleich, die allseitig den Körper umschließt. Flüssig, transitiv, umhüllend gibt die Form dem Sichtbaren einen Ausdruck, überwindet die verwirrende Diskontinuität der verschiedenen Mechanismen und gibt dem Ganzen eine kohärente Einheitlichkeit. In dieser funktionellen Umwelt schafft die Umgrenzung kontinuierlicher Linien-[…] eine Welt aus einem Guß- […]. Wir kommen nun unter die Herrschaft der Formen: Sie allein sind bestimmend, sie allein werden beachtet, und im Grunde ist es die Funktionalität der Formen, die den »Stil« definiert. 118 Damit können stichwortartig Aufgaben formuliert werden, die sich dem Schriftdesigns etwa für eine Definition des Stils stellen und die sich hinter Metaphern verbergen, die zu jenen Erscheinungen zurückführen, die Schrift und Design bereits begrifflich erklärt haben: 117 Stein: Schriftkultur, S. 316. 118 Baudrillard: Das System der Dinge, S. 70 f. Die ›Stimme‹ des Designers Die »Funktionalität der Formen« <?page no="231"?> 231 6.4. Kreatives Schriftdesign 1. Die Schrift und der Körper. Theoretisch über Schrift und Design zu sprechen, heißt, sich über Denkfiguren zu unterhalten, die nicht frei von Metaphern sind; insbesondere die Metapher des Körpers ist derart eng mit der Frage des Schriftdesigns verbunden, dass die »Metaphorisierung der Schrift als Körper des gesprochenen Wortes« 119 nicht einfach übersehen werden kann. 120 Die Schrift als Körperform zu lesen, wäre eine erste Aufgabe für eine Analyse der Form. 2. Ein Design der Körperlichkeit. An dem Ort, an dem Schrift als Design ursprünglich realisiert wird, kann man die Körpermetaphorik »terminologisch und figürlich« in einer »bestimmten Medienpraxis« erblicken, die die Geschichte der »(Buch) Druckkunst« bezeugt: »Wenn wir heute von Briefkopf, Kopf- und Fußzeile, Fußnote oder eben Textkörper sprechen (nicht zuletzt in den Markup-Tags <head>, <heading>, <body> usw.), liegt unserer Rede genauso die Körpermetapher zugrunde wie dem typographischen Terminus typeface.« 121 Die typographische Designpraxis als Körperarbeit zu untersuchen, wäre eine zweite Aufgabe für die Formanalyse. 3. Architektur des Schriftdesigns. Dem Diskurs von Körper und Design gegenüber steht die gleichfalls metaphorische Auffassung des Schriftdesigns als Gebäude oder Haus, als Architektur. Diese zu entwerfen ist das Zentrum eines Berufes, der wiederum zwischen vielen Stühlen sitzt, vor allem zwischen zweien: Peter Behrens lokalisiert sie zwischen Kunst und Technik, denen er Identitäten zuordnet bzw. diese sich verbinden sieht; ihm erscheint es »gleichgültig, ob die Konzeption für bedeutungsvolle zeitgemäße Werke aus der Initiative eines weitsichtig und 119 Buss/ Jost: »Die Schrift als Gewebe und als Körper«, S. 174. 120 Siehe dazu auch Herbold: Eingesaugt und rausgepresst. 121 Buss/ Jost: »Die Schrift als Gewebe und als Körper«, S. 176. Siehe auch weiter ebd.: »Als materialisierte Figur taucht der Schriftkörper in typographischen Renaissancetraktaten auf, die vom Homo-Mensura-Satz des Protagoras geprägt sind. Das sicherlich berühmteste Beispiel hierfür ist der ›Champ fleury‹ (1529) von Geofroy Tory, der vorschlägt, die gedruckten Buchstaben nach den Proportionen des menschlichen Körpers zu gestalten. Etwas verspielter- […] präsentieren sich hingegen die sogenannten alfabeti figurati, wie die von Giovannino de’ Gassi (1350-1398) oder Giovanni Battista Bracelli (tätig ca. 1616-50).« Schrift als Körperform Zwischen Kunst und Technik <?page no="232"?> 232 6. Kreatives Schreiben als Beruf technisch veranlagten Architekten« oder »eines rhythmisch empfindenden, künstlerisch veranlagten Ingenieurs hervorgeht« oder »ob ein Dritter, ein weitsichtiger Organisator, die grundlegende Idee gibt und den Baukünstler und Konstrukteur zu sich und seinem Werk zieht«: »Die Hauptsache ist, daß der Charakter der zeitgemäßen Formgestaltung erkannt und durchgeführt wird, und daß solche Ingenieure und Baukünstler zum Werke kommen, die die nötige Gestaltungskraft und das sichere Stilempfinden besitzen.« 122 Schriftdesign als Auftrag von Schriftarchitekten und Designingenieuren oder Schriftkonstrukteuren und Designbaukünstlern oder idealer Weise: in personam zu realisieren, wäre eine dritte formanalytische Aufgabe. 4. Schließlich kann man für die Metapher des Körpers und der Metapher der Architektur über ein weiteres ›Bild‹ des Schriftdesigns sprechen (das auch mit dem zentralen Begriff des Textes einhergeht). 123 Adrian Frutiger hat darauf hingewiesen, dass mit dem fortschreitenden Schriftgebrauch in größeren Mengen die Einzelzeichen eines gemeinsamen Alphabets einen Anpassungs- oder Ausgleichsprozess durchgemacht haben, der den Worten, Zeilen und Seiten einen zusammengefassten Ausdruck verlieh. Dieses Annähern der einzelnen Buchstabenformen hat nicht unbedingt eine Einbuße der Lesbarkeit zur Folge, da beim gewohnten Lesen die Schrift nicht mehr nach Einzelzeichen buchstabiert wird, sondern die Wortbilder ganzheitlich, ja sogar ganze Satzteile mit einem Blick aufgenommen werden. Die Reihung der Schriftzeichen wird deshalb zu einer Art Textil, in dem Materie und Zwischenraum, also Faden und Masche, einen lesbaren »Stoff« bilden. 124 Diese Metapher, die dazu ermahnt, für die Frage des Schriftdesigns die Verknüpfung, das Weben und Flechten, das Textile zu erfassen, ist eine weitere Richtung, in welche die Diskussion verlaufen kann. 122 Behrens: »Kunst und Technik«, S. 23 f. 123 »›Ungeheure Gewebe‹ und ›textile Texte‹-- die Metaphern des Spinnens und Webens sowie des textilen sind zentrale Bildbereiche in der theoretischen Auseinandersetzung mit Sprache und Text. Für die Bedeutung des Text-Begriffs spielen die Eigenschaften des Gewebes eine konstitutive Rolle- […], worauf die lateinischen Substantive textus und textura ebenso hinweisen wie das Verb textere. Textus, textura bedeutet Geflecht oder Gewebe und textere bezeichnet die handwerklichen Tätigkeiten flechten und weben.« (Buss/ Jost: »Die Schrift als Gewebe und als Körper«, S. 170) 124 Frutiger: Der Mensch und seine Zeichen, S. 84. Schriftkonstrukteure und Designbaukünstler Weben und Flechten <?page no="233"?> 233 6.4. Kreatives Schriftdesign Schrift zu gestalten, als ob man einen Teppich (oder ein Stück Stoff) weben/ herstellen würde, macht klar: Was man tut, wenn man Schrift designt, nimmt den Platz einer ›Mode‹ in einer ›Welt der Stoffe‹ ein. Anders formuliert: Was zu erfahren ist, wenn man schriftlich designed kreativ schreibt, befindet sich in »der Bewegung zwischen zentrifugaler Ausweitung und zentripetaler Synthetisierung« und es »öffnet sich ein Raum der Interpretation«. 125 Die Schrift im Design zu interpretieren, wäre eine letzte Aufgabe, was vielleicht einmal für Furore sorgen wird: Furore deshalb, weil die Frage des Schriftdesigns-- so schon Flusser-- nicht allein nach einer »Technik zur Herstellung von Drucksachen« oder nach einer »Methode zur Verteilung alphanumerischer Informationen« hin operiert, sondern weil jene eine »neue Art des Schreibens und Denkens« bedeutet, 126 die- - so schon Derrida- - wiederum eine »Spur« legt, »was sich nicht in der Einfältigkeit einer Gegenwart fassen läßt«. 127 Schrift (mit Derrida: »das Gewebe der Spur« 128 ) und Design (mit Flusser: »etwas ›ent-zeichnen‹« 129 ) gehören heute meistens zu Recht der Zeitlosigkeit an. Zeitlos scheint denn auch das Kreative Schreiben im Allgemeinen zu sein: Es ist anwendbar auf zahlreiche Gebiete. Es ist historizierbar und zu theoretisieren. Und: Es ist erforschbar und zwar noch immer, weil es vor allem die Literaturwissenschaft vor eine Reihe an Herausforderungen stellt. Das Verhältnis von Kreativem Schreiben und Literaturwissenschaft beleuchtet daher das letzte Kapitel der vorliegenden Einführung. 125 Folkmann: »Umsetzung«, S. 176. 126 Flusser: Die Schrift, S. 49. 127 Derrida: Grammatologie, S. 116. 128 Ebd., S. 114. 129 Flusser: Vom Stand der Dinge, S. 9. »[E]twas ›ent-zeichnen‹« <?page no="235"?> 235 6.4. Kreatives Schriftdesign 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben Die angewandte, insbesondere germanistische Literaturwissenschaft- - verstanden als Disziplin, welche die Praxis des Literaturbetriebs als Bestandteil des eigenen Diskurses begreift und nach dem wissenschaftlichen Umgang mit dem Gegenstand ›Literaturvermittlung‹ fragt, 1 trägt derzeit, wie man in Anlehnung an die wissenschaftstheoretische Terminologie Thomas S. Kuhns sagen könnte, 2 dazu bei, dass sich die neuere deutsche Philologie in einer Übergangsphase von ›normaler‹ zu ›revolutionärer‹ Wissenschaft befindet. Äußerliche Indizien dafür sind: Das zahlenmäßig starke Anwachsen entsprechender universitärer Zusatz-, Ergänzungs-, Bachelor- und Masterstudiengänge in den letzten Jahren; 3 im Gefolge davon die seit ihrer Konzeption im Zuge der sozialgeschichtlichen Wende (als Teil der Szientifizierung des Faches) seit Ende der 1960er Jahre merklich zunehmende Zahl kritischer Forschungsarbeiten 4 und nicht zuletzt das Erscheinen neuer 1 Dazu Porombka: »Literaturvermittelnde Institutionen«, S. 269. Siehe dazu auch Neuhaus: »Nur wer sich ändert, bleibt sich treu«. Zum Begriff des ›Literaturbetriebs‹ näher u. a. Arnold: »Skizzen aus dem Literaturbetrieb der Bundesrepublik«, S. 7; Schnell: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945, S. 2, sowie einleitend auch wiederum Plachta: Literaturbetrieb, S. 9-15. 2 Vgl. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 3 Genannt seien etwa die Studiengänge ›Angewandte Literaturwissenschaft‹ ( FU Berlin), ›Buchwissenschaft‹ (Erlangen-Nürnberg, Leipzig, Mainz, München), ›Literaturvermittlung‹ (Bamberg), ›Literaturvermittlung in den Medien‹ (Marburg), ›Literatur und Medienpraxis‹ (Duisburg-Essen), ›Angewandte Literaturwissenschaft‹ (Innsbruck) und ›Angewandte Literatur- und Kulturwissenschaften‹ (Dortmund). 4 Kritische Forschungsarbeiten zur Konzeption einer angewandten Literaturwissenschaft finden sich erstmalig in Kemper: Angewandte Germanistik; Arbeitsgruppe NIKOL (Hrsg.): Angewandte Literaturwissenschaft; Kerkhoff: Angewandte Textwissenschaft; Mecklenburg: »Wertung und Kritik als praktische Aufgaben der Literaturwissenschaft«. Diese frühen Konzepte sehen einen Anwendungsbezug der Literaturwissenschaft in der Hinwendung zur ›Revolutionäre‹ Wissenschaft <?page no="236"?> 236 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben Einführungsbände zum Thema. 5 Nimmt man zu alldem noch die Vielzahl an einerseits akademischen Ringvorlesungen 6 und andererseits weitestgehend verwandten Veröffentlichungen 7 hinzu, so ist ein bisher in solcher Massierung wohl noch nie da gewesenes Interesse an einer Anwendungsorientierung, ja, ein regelrechter Praxis-Boom innerhalb der neueren deutschen Philologie zu konstatieren. Der vergleichsweise ›revolutionäre‹, innovative Charakter der derzeitigen Phase in deren Geschichte zeigt sich dabei nicht nur in der Erörterung und Erprobung neuer (wie sich bereits gezeigt hat: vornehmlich kulturwissenschaftlicher) Fragestellungen und Methoden oder in der Hinwendung zu dem lange Zeit stark vernachlässigten Forschungsfeld der literarischen Kritik 8 bzw. kulturjournalistischer Erscheinungen; 9 er zeigt sich auch und gerade darin, dass seit kurzem vormals unüberwindbar scheinende philologische Grenzen zur Diskussion stehen und man in Konkurrenz zu vor allem genieästhetischen Postulaten getreten ist, 10 wodurch der Status eines Paradigmas im Sinne Kuhns 11 bereits erlangt worden sein könnte. So positiv einerseits ein solcher Pa- Didaktik des Deutschunterrichts (Kemper), zur Sozialhermeneutik (Kerkhoff), zur Empirie ( NIKOL ) sowie zur Literaturkritik (Mecklenburg). 5 Dazu einführend Neuhaus: Literaturvermittlung. Siehe außerdem auch ders./ Ruf (Hrsg.): Perspektiven der Literaturvermittlung. 6 So beispielsweise die regelmäßig stattfindenden Ringvorlesungen der Graduate School Practices of Literature der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster oder jene unter dem Titel ›Berufsfeld Kulturwissenschaften‹ stattfindenden der Fakultät Kulturwissenschaften der TU Dortmund. 7 Zu nennen sind u. a. Heß (Hrsg.): Kulturjournalismus; Nehm/ Hardt/ Schulz: Büchermacher der Zukunft; Reus: Ressort: Feuilleton; Schiffrin: Verlag ohne Verleger; Tschapke: Zur Praxis des Kulturjournalismus; Mandel: Lust auf Kultur; Schütz/ Wegmann (Hrsg.): literatur.com; Heinze: Neue Ansätze im Kulturmanagement; Zembylas: Kulturbetriebslehre; Schneider: Der unsichtbare Zweite; Schütz et al. (Hrsg.): Das BuchMarktBuch; Mandel (Hrsg.): Kulturvermittlung; Heinrichs: Der Kulturbetrieb; Plachta: Literaturbetrieb. 8 Vgl. Kap. 6.3. 9 Dazu Porombka: »Gemengelagen lesen«. 10 Vgl. erneut Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur. 11 Zum Begriff des ›Paradigmas‹ vgl. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, S. 28-30. Anwendungsorientierung Status eines Paradigmas <?page no="237"?> 237 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben radigmenwechsel, 12 d. h. das Aufweichen älterer Paradigmata und das Aufstellen eines neuen Paradigma-Anwärters an sich zu bewerten ist-- Fortschritt in der Forschung scheint sich vor allem durch wissenschaftliche ›Revolutionen‹ zu vollziehen 13 - -, so sind doch andererseits die Gefahren nicht zu übersehen, die mit einem Paradigmenwechsel in der augenblicklichen Situation einhergehen. Eine große Gefahr besteht beispielsweise darin, dass sich die Anhänger konkurrierender Paradigmata in gegenseitiger Polemik gleichsam verschleißen und über die Absicherung und Verteidigung des jeweiligen Paradigmas verabsäumen, sich seit langem anstehenden Forschungsaufgaben zu widmen, etwa dem noch immer notwendigen Nachdenken darüber, ob die Germanistik »sich unter dem ›Akzeptanzangebot der Stunde‹ dem Oktroy aktueller Dysfunktionalität beugen und seine Gegenstände, Fragestellungen und Aufgaben gemäß den von außen angetragenen zweckrationalen Verwendungsansprüchen zurichten will.« 14 Diese Gefahr könnte allerdings dadurch gemindert werden, dass es gerade in den letzten Jahren einige verheißungsvolle Ansätze zu einer angewandten germanistischen Literaturwissenschaft gibt, die durch die erwartbaren ideologischen Gefechte nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern unbeirrt auf ihren verschiedenen Themenfeldern weitergeführt und weiterentwickelt worden sind. Eine dieser lange Zeit vernachlässigten Themen- und Forschungsbereiche ist, wie es in diesem Buch dargelegt worden ist, die Auseinandersetzung mit der Lehr- und Lernbarkeit Kreativen Schreibens- - ein literaturhistorisch, schreibtheoretisch, literaturdidaktisch, produktionsästhetisch und interdisziplinär methodologisch gleichermaßen interessantes Gebiet, dessen Erforschung sowohl im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem Schreiben als »komplexer Kulturtechnik« als auch im Hinblick auf die Beschäftigung »mit den Diskursen, die jetzt die Bedeutung des Schreibens formieren«, mit dem »kulturellen Schreibraum«, in 12 Zum Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften vgl. ebd. Zu den Unterschieden zwischen Paradigmenwechseln in der Geschichte der Naturwissenschaft und im Bereich der Literatur- oder Geisteswissenschaft vgl. Jauß: »Paradigmenwechsel in der Literaturwissenschaft«, bes. S. 54 f. 13 Vgl. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, S. 210-215. 14 Förster et al.: »Wozu noch Germanistik? «, S. 7. Paradigmenwechsel ›Akzeptanzangebot der Stunde‹ »Diskurse[], die jetzt die Bedeutung des Schreibens formieren« <?page no="238"?> 238 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben dem »das Wie des Schreibens (Materialität, Medialität, Performativität), das Warum (Intentionalität), das Was (Form und Inhalt), das Wozu (Zielorientierung) jeweils in einem bestimmten historischen Moment aufgenommen und zugleich variiert wird«, 15 zahlreiche neue Erkenntnisse erbracht hat. Niedergelegt sind diese Forschungsergebnisse in Hinsicht auf das Lehren und Lernen Kreativen Schreibens denn auch insbesondere in solchen Publikationen, die in Deutschland im Rahmen derjenigen Studiengänge entstanden sind, die sich explizit der universitären Ausbildung zum Schriftsteller widmen. 16 7.1. Was sind Creative Writing Studies? Hinter dem Befund, dass die angewandte germanistische Literaturwissenschaft derartige ihr zugeschriebenen Lehr- und Forschungsfelder neuerdings auf einem Gebiet entfaltet, das man-- den Titel eines aktuellen US -amerikanischen Lehrbuchs zitierend-- Creative Writing Studies nennen könnte, 17 steht die These, dass die Zukunft der Literaturwissenschaft schlechthin entscheidend davon abhängt, »wie konsistent sie ihre Theorieentwürfe gestaltet und wie produktiv ihre konkrete und gewinnbringende ›Arbeit am Text‹ sein wird.« 18 Von Creative Writing Studies als eine Möglichkeit zu sprechen, sich diesem Postulat anzunähern, setzt jedoch voraus, dass literarische Texte nicht allein als Analyseobjekte untersucht und theoretische Modelle diskutiert werden, sondern dass die Vermittlung von Literatur einschließlich deren Interpretation und ästhetischer Erfahrung an die Beobachtung ihrer Genese rückgebunden wird 19 und dass ihr Zustandekommen wesentlich an 15 Porombka: »Abgewandt. Angewandt. Zugewandt«, S. 600. 16 Vgl. wiederum Kap. 2.3.3. 17 Vgl. Harper/ Kroll (Hrsg.): Creative Writing Studies. Vgl. hierzu Ruf: »Creative Writing Studies und ›angewandter‹ Imperativ.« 18 Müller: »Literaturwissenschaft nach 1968«, S. 188. 19 Spinner: »Bildung im Literaturstudium? «, S. 184, 189. Als Aufgabe der Literaturwissenschaft innerhalb der Schreiblehre unterstreicht Heinz Hillmann die Erklärung der Möglichkeiten des Entstehens von Literatur und damit auch die Benennung jener Voraussetzungen, unter denen Menschen Schriftsteller werden (vgl. Hillmann: Alltagsphantasie und dichterische Phantasie, S. 172). ›Arbeit am Text‹ <?page no="239"?> 239 7.1. Was sind Creative Writing Studies? einem emphatischen Verständnis von literaturwissenschaftlicher Anwendung liegt, d. h. vor allem an der Berücksichtigung sowohl des auch im vorliegenden Buch hervor gehobenen Schreibprozesses als auch den Strukturen und Bedingungen desjenigen ›Ortes‹, an dem literarisches Schreiben für gewöhnlich stattfindet, also des Literaturbetriebs im Allgemeinen. Creative Writing Studies verfahren, so gesehen, ›revolutionärer‹, als es ›normale‹ literaturwissenschaftliche Verfahren tun, und sie zeigen auch etwas anderes als diese. Zur Einlösung dieser Behauptung ist zunächst eine Klärung und Beschreibung dessen nötig, was diejenigen Verfahren tun, die unter der Bezeichnung Creative Writing Studies gefasst werden können. Dies erfordert deren systematisierende Darstellung sowie eine Bestimmung derjenigen Motive, die als konstitutiv für sie gelten. Anschließend ist die Frage nach ihren literaturwissenschaftlich relevanten Optionen bzw. methodischen und formalen Implikationen zu stellen, das heißt die Frage nach ihrer Wirksamkeit für die neuere, insbesondere germanistische Philologie. Dies ist die Frage, wie und mit welchem Recht Creative Writing Studies das tun, was sie seit ihrem Entstehen im späten 19. Jahrhundert offensichtlich tun, nämlich die neusprachliche Literaturwissenschaft durch den verlorengegangenen Praxisbezug wieder zu beleben. 20 Am Ende dieser Einführung soll deshalb ein Rekonstruktionsvorschlag gemacht werden, dem nach sich eine solche Wiederbelebung nur unter bestimmten Voraussetzungen ergeben kann. Dieser Auffassung zufolge ist Kreatives Schreiben im engeren Sinne eines angeleiteten und reflektierend begleiteten Erlernens von Formen und Techniken literarischen Schreibens 21 eine Herausforderung philologischer Forschung und damit ein anspruchsvolles textkritisches Gebiet, das neben anderen steht und, wie gezeigt werden soll, für den Gegenstandsbereich der germanistischen Literaturwissenschaft innovative Funktionen auf besonders effektive Weise übernehmen kann. Zur Skizzierung dieses Rekonstruktionsvorschlags sollen zunächst die konstitutiven Elemente der Creative Writing Studies bestimmt werden, bevor kurz gezeigt wird, wie 20 Vgl. wiederum Glindemann: Creative Writing, S. 1. 21 Vgl. Ortheil: »Creative Writing«, S. 100. Der ›Ort‹ literarischen Schreibens Eine Herausforderung philologischer Forschung <?page no="240"?> 240 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben auf deren Basis neue anwendungsorientierte germanistische Forschung-- Bourdieu würde von einer Theorie der Praxis, von einer praxeologischen Philologie sprechen 22 - - (hier: am Beispiel von E. T. A. Hoffmanns ›Doppelroman‹ über die Lebens-Ansichten des Katers Murr) erfolgen kann. Schließlich wird darauf hingewiesen, welche Eigenschaften Creative Writing Studies zu einem effektiven Mittel insgesamt für Legitimationsfragen der Literaturbzw. Geisteswissenschaften 23 machen. Was sind und wie funktionieren Creative Writing Studies? Im Kontext der persistenten Diskussion, ob literarisches Schreiben überhaupt lehr- und lernbar sei bzw. dann auch überhaupt gelehrt und erlernt bzw. erforscht werden sollte, 24 verbindet sich diese Frage vor dem Hintergrund der Geschichte und des disziplinären Charakters des Kreativen Schreibens mit fundamentalen Fragestellungen der Literaturwissenschaft, etwa was Literatur und/ oder was der Kern literarischer Kreativität sei. 25 Die Frage, ob literarisches Schreiben gelehrt werden kann, steht so in Verbindung mit der grundsätzlicheren Frage, ob und wenn ja wie Literatur gelehrt werden kann. 26 Vor der Folie dieser, vor allem in Europa in Abgrenzung zum englischsprachigen Raum, in dem Kreatives Schreiben (wie skizziert worden ist) bereits seit der ästhetischen Moderne universitär verankert ist, geführten Debatten sind die wissenschaftlich praktizierten Creative Writing Studies folgendermaßen überblicksartig zu charakterisieren und qualifizieren: Sie umfassen (a) praktische/ angeleitete Übungen des literarischen Schreibens vor der Hintergrund der literaturgeschichtlichen Tradition ebenso wie (b) literaturwissenschaftliche Forschung zum theoretischen und konkret-praktischen Produktionsprozess eines 22 Vgl. Kap. 5.3.2. Siehe zudem auch Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. 23 Siehe dazu die Ausführungen von Georg Mein, die dieser u. a. vor den Rekapitulationen von Wolfgang Frühwald, Hans R. Jauß, Reinhart Koselleck, Jürgen Mittelstraß und Burkhart Steinwachs (Geisteswissenschaften heute) sowie von Hans-Ulrich Gumbrecht (Die Macht der Philologie) veranschlagt (vgl. Mein: »Verausgabung, Erschöpfung und andere Müdigkeitszustände«, S. 18-21). 24 Vgl. Dawson: Creative Writing and the New Humanities, S. 1. 25 Vgl. ebd., S. 2. Vgl. auch Kap. 1.1. 26 Dazu etwa Quiller-Couch: On the Art of Writing, S. 12-14. Fundamentale Fragen der Literaturwissenschaft <?page no="241"?> 241 7.1. Was sind Creative Writing Studies? vorliegenden literarischen Textes sowie zudem (c) Wissensaneignung über die Funktionsmechanismen, ›Säulen‹ und Kontexte jenes Gebildes, das man für gewöhnlich den Buchmarkt oder literarischen Betrieb nennt, und (d) pädagogische Aspekte der didaktischen Vermittlung von Literatur. 27 Zu a) In seinem Essay Warum Creative Writing? weist Josef Haslinger mit Bezug auf die Beobachtung, dass es »in den USA eine Fülle von hochgeschätzten Professoren für Creative Writing [gibt], die selbst keinen einzigen literarischen Text verfasst haben«, nach, dass die Praxis des Kreativen Schreibens an Universitären nicht darin besteht, zukünftigen Autorinnen und Autoren »zu sagen, wie sie schreiben sollen«; die »produktive Arbeit eines guten Creative Writing-Lehrers« bestehe vielmehr darin, diese »für das, was sie geschrieben haben, die Augen zu öffnen.« 28 Für jemanden, der Kreatives Schreiben an einer Hochschule unterrichtet, bedeutet dies (wie demonstriert worden ist), sich den Bedingungen des Gemachtseins eines Textes zuzuwenden. 29 Creative Writing Studies betrachten Literatur also nicht nur als Gegenstand der akademischen Lehre, sondern auch als eine ihrer Bestandteile; sie funktionieren, indem nicht allein, wie es in einem bekannten Ratgeberbuch heißt, der »Stoff, aus dem die Storys sind« 30 - - etwa, wiederholt gesagt, Figuren, Plot, Konflikt, Fokalisierung, Handlungsmuster, Szenengestaltung, Stil und Sprachkompetenz, Symbolverwendung und Metaphorisierung 31 - - oder etablierte Schreibmethoden- - etwa, ebenfalls wiederholt genannt, Assoziative Verfahren, Schreibspiele, Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Muster, Schreiben zu und nach (literarischen) Texten, Schreiben zu Stimuli, Weiterschreiben an Texten-- Berücksichtigung finden, sondern, wie Ursula Krechel unterstreicht, 32 Verstehens-Anregungen für ästhetische Strukturen angeboten werden. Krechel führt aus: 27 Vgl. wiederum Harper/ Kroll: »Creative Writing in the University«, S. 3. 28 Haslinger: »Warum Creative Writing? «, S. 180. 29 Porombka: »Sehenlernen! «, S. 194. 30 Gesing: Kreativ schreiben, S. 62. 31 Vgl. wiederum die einz. Kap. ebd. 32 Vgl. Krechel: In Zukunft schreiben, S. 148. Buchmarkt und literarischer Betrieb Verstehens-Anregungen für ästhetische Strukturen <?page no="242"?> 242 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben So wichtig es ist, verschiedene literarische Verfahren zu kennen und ihre Anwendung zu lehren in einem Baukastenprinzip der Module, der Potenzialitäten, die Ausbildung zum Schriftsteller ist ein Hervortreiben des Spezifischen, zu einer Sprache zu kommen, die Welt schafft und Welt erhält. Und dies ist ein Dilemma des Schreiben Lehrens. Die ästhetischen Vorstellungen und die Ergebnisse, die der Lehrende, die Lehrende für sich als sinnvoll betrachtet, können in der Nachahmung steril oder gar schädlich werden. Schreiben lehren heißt auch: von den eigenen Bedingungen eines Textes zu abstrahieren, mit jedem neuen Text die Prämissen zu verändern.-[…] Wer wie Joyce oder Woolf oder Salinger oder-… oder-… schreiben will, dem bleibt nichts anderes übrig als zu erforschen, wie diese Autoren arbeiten, wie sie Wirklichkeiten erfassen und erfinden-[…]. Jede Analyse eines Textes eröffnet neuen Schichten des Verstehens, doch der Text behält sein Geheimnis, seine Strategien und Intentionen können offen gelegt, analysiert, aber nicht wiederholt werden. Kein Buch, das etwas taugt, wird geschrieben wie, sondern muss sich in seiner Einzigartigkeit bewähren. Und doch nützt diese Lektüre wie ein Scheideverfahren, Maßstäbe werden geschärft, der Blick für Strukturen.-[…] Es ist dies eher eine osmotische Fähigkeit als eine systematische Arbeit. 33 Creative Writing Studies thematisieren also die Literaturgeschichte, dies jedoch nicht aus einem rein historiographischen Blickwinkel; im Mittelpunkt eines literaturgeschichtlich orientierten Kreativen Schreibens steht das »Lesenlernen« im Verständnis, »andere Texte auszuprobieren, um sie probeweise auf ihre Regeln und Hinweise zu überprüfen« 34 - - ein tatsächliches Lesen als Schreibender, 35 mithin in der Überzeugung, dass literarisches Schreiben und Lesen eine Tateinheit bilden. 36 Zu b) Die Zielrichtung der Creative Writing Studies läuft darauf hinaus, literarisches Schreiben als genuines Thema akademischer Forschung und Lehre zu behandeln. Diesem Anspruch kann aber eine rein schreibpraktische, textanalytische, texttheoretische oder literaturgeschichtliche Perspektivierung nicht genügen. Creative 33 Dies: »Teaching, Coaching, Mentoring«, S. 60 f. 34 Porombka: »Sehenlernen! «, S. 198. Siehe dazu auch Kutzmutz/ Porombka (Hrsg.): Erst lesen. Dann schreiben. 35 Vgl. wiederum Cassil: Writing Fiction. 36 Wolfgang Hegewald schlägt deshalb auch die Einrichtung einer Lesewerkstatt als Pendant zum so gen. Schreiblabor vor (»Vom achten Gebot«). »Dilemma des Schreiben Lehrens« »Lesenlernen« <?page no="243"?> 243 7.1. Was sind Creative Writing Studies? Writing Studies versuchen daher, gängige literaturwissenschaftliche Herangehensweisen an literarische Texte (wie z. B. werkimmanente, formalistisch-strukturalistische, dekonstruktivistische, dialogizistische, sozialgeschichtliche, diskursanalytische oder wirkungsästhetische) mit jenen zentralen Fragen der literaturwissenschaftlichen Schreibprozessforschung zu verbinden, die die primär linguistische Beschreibung des Schreibens in die vier Dimensionen (1.) Schreiben als Handwerk (technologische Dimension), (2.) Schreiben als Zeichenproduktion (semiotische Dimension), (3.) Schreiben als sprachliche Handlung (linguistische Dimension) und (4.) Integration des Schreibens in einen Handlungszusammenhang (operative Dimension), welche typologisch wiederum in integrierte und nicht-integriertes Schreiben unterschieden werden, 37 komplettieren, indem auch hier auch die handwerkliche, technologische Dimension des literarischen Schreibens problematisiert und reflektiert wird. Im engeren Sinn der literarischen Tätigkeit betont der Begriff ›Schreiben‹ so das »produktionsästhetische Moment des schöpferischen Arbeitsprozesses, der vom Einfall, der Organisation, der Formulierung, der Aufzeichnung, der Überarbeitung und der Korrektur bis zur Veröffentlichung verschiedene Phasen umfaßt.« 38 Ganz allgemein gilt, dass die Creative Writing Studies grundsätzlich davon ausgehen, dass sich (die) Literatur im Lichte des (literarischen) Schreibprozesses (neu) darstellt und entfaltet. Das Problem, dem sie auf dem Weg der Schreibproduktionsbetrachung auf die Spur zu kommen trachten, ist dabei ein aktuelles; das Mittel zu seiner Formulierung ist die Konstruktion von Schreibkonstellationen oder -szenarien, an denen sich etwas Relevantes zeigt über das Problematische oder Konstitutive des jeweils zeitgemäßen literarischen Schreibens, wie es beispielsweise-- was die so genannte ›Digitale Schriftstellerei‹ mit dem Computer anbelangt- - von Matthias Politycki formuliert worden ist: Das gute alte Schreibwerkzeug von einst hat sich zum gleichwertigen Mitarbeiter, ach was: Co-Autor, ach was: Lebenspartner gemausert, und wenn man sich nicht ständig mit ihm streitet bzw. regelmäßig auch wieder versöhnt: dann versorgt es uns, nach Art der Lebenspartner, sukzessive mit einer neuen 37 Vgl. wiederum Ludwig: »Integriertes und nicht-integriertes Schreiben«. 38 Stingelin: »›Schreiben‹«, S. 15 f. Fragen der literaturwissenschaftlichen Schreibprozessforschung Schreibproduktionsbetrachung <?page no="244"?> 244 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben Weltsicht, einer neuen Ästhetik, einem neuen Vokabular, neuen Stoffen. Und nicht zuletzt auch, gespeist aus den Erfahrungen in Chat-Foren, mit neuen Formen: mit neuen Satzrhythmen, stakkatohaft verkürzt aufs Wesentliche, mit neuen Tempi des Erzählens, neuen Erzählstrukturen, -strategien.« 39 Um den Effekt solcher ›Begleitumstände‹ des literarischen Schreibens beschreiben zu können, setzen die Creative Writing Studies eine Darstellungsmaschinerie in Gang, die sich am Konzept der bereits explizierten ›Genealogie des Schreibens‹ orientieren kann und somit in drei zentrale Elemente zerlegen lässt: Jedes literarische Schreiben bedient sich erstens einer bestimmten Semantik (Sprache), die zweitens nur durch die Benutzung eines Schreibwerkzeugs (Instrumentalität) zeichenhaft zum Ausdruck gebracht werden kann, und zwar drittens durch eine spezifische Körperlichkeit des Schreibakts (Geste), die »sich vom eigenhändigen Kratzen mit der Feder über das Hämmern mit der Schreibmaschine bis hin zur Flüchtigkeit der Stimme beim Diktieren erstrecken kann.« 40 Erst in der Aufmerksamkeit für diese Faktoren erhalten die Creative Writing Studies eine Eindringlichkeit, die ihre philologische Relevanz berührt. Zu c) An der bisherigen Rekonstruktion der konstitutiven Elemente der Creative Writing Studies lässt sich sehen, wie in einem komplexen Zusammenspiel dieser Elemente das Lehren und Lernen literarischen Schreibens eine literaturwissenschaftliche Rahmung erhält. Creative Writing Studies beinhalten also die erforschende Vermittlung von ›eigenem‹ und ›fremden‹ Schreiben, das darüber hinaus mit einem weiteren wichtigen ›Begleitumstand‹ kurz geschlossen ist, den man den literatursoziologischen nennen könnte. Dazu sind kurz einige Annahmen zu klären: Folgt man den Ansätzen des genetischen Strukturalismus ist eine strukturelle, nicht inhaltliche Entsprechung zwischen Werk und sozialem Kontext anzunehmen; 41 der literarische Produktionsprozess als primäres ›Objekt‹ der Creative Writing Studies ist demnach 39 Politycki: »Der Autor als Zeugwart«, o. S. Siehe dazu auch Stingelin: »›Schreiben‹«, S. 8. 40 Ebd., S. 18. 41 Vgl. Goldman: »Der genetische Strukturalismus in der Literatursoziologie«. ›Begleitumstände‹ des literarischen Schreibens Genetischer Strukturalismus <?page no="245"?> 245 7.1. Was sind Creative Writing Studies? durch strukturhomologe Beziehungen gekennzeichnet, und zwar ja durch die Relation zwischen einem Werk und einer sozialen Trägergruppe sowie zwischen Werkstruktur und Gesellschaftsstruktur. Hierbei wird auch diejenige Weise analysiert, in der inner- und außerliterarisch gesellschaftliche Wirklichkeit konstruiert wird, 42 welche elementaren Wahrnehmungsmuster Verwendung finden, genauer: welches erdachte und wahrgenommene Material ein literarisch Schreibender zur Formulierung eines literarischen Textes heranzieht- - Medvedev würde sagen, literarische Produktion bezieht ihr (Zeichen-)Material aus unterschiedlichen sozialen Milieus (Religion, Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft etc.), in denen soziale Gruppen auf je spezifische Art die ökonomische Basis wahrnehmen und verarbeiten: Literatur integriert diese sozialen Zeichenbestände in eine neue, ästhetische Struktur, so dass sie ihre Bezeichnungsfunktion unter den Bedingungen des ästhetischen Textes mit ›doppelt gebrochenem‹ Wirklichkeitsbezug vollziehen. 43 Creative Writing Studies thematisieren eine solche soziale Material-Findung unter Beachtung der Regeln, nach denen literarische Texte produziert werden. 44 Dies kann empirisch-analytisch erfolgen, indem die Mechanismen des Buchmarktes mit seinen Distributionsinstanzen ebenso thematisch werden wie die industriellen Bedingungen des Buchdrucks. Wenn die Creative Writing Studies aber derart empirisch die ›Begleitumstände‹ des literarischen Schreibens hervorheben, so tun sie dies nur dann adäquat, wenn sie die betreffenden Datenmengen mittels theoriehaltiger Interpretation beschreiben, indem sie die literarischen Texte selbst mit einbeziehen 45 und z. B. das einzelne literarische Werk als intentionales Zeichen der Auseinandersetzung um Akkumulation von ökonomischem und symboli- 42 Vgl. Berger/ Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. 43 Vgl. Medvedev: Die formale Methode in der Literaturwissenschaft. 44 Siehe dazu auch die Sichtweise der generativen Theorie (vgl. u. a. Link: Elementare Literatur und generative Diskursanalyse). 45 Etwa mittels Methoden der Textsoziologie (vgl. u. a. Zima: Textsoziologie) oder der Konfigurationsanalyse (vgl. u. a. Link/ Link-Heer: Literatursoziologisches Propädeutikum, S. 427 f.) Relation zwischen einem Werk und einer sozialen Trägergruppe Theoriehaltige Interpretation <?page no="246"?> 246 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben schem Kapital im ›literarischen Feld‹ verstehen. 46 Creative Writing Studies beobachten auf der einen Seite, was ein Schriftsteller ist, was ein literarischer Text ist, wie man sich als Schriftsteller in der Öffentlichkeit verhält und wie sich finanzielles oder symbolisches Kapital akkumulieren lassen, indem sie das ›literarische Feld‹ beobachten, einschließlich literarischer Neuerscheinungen, literarischer Zeitschriften, Feuilletondebatten, Veränderungen der Verlagslandschaft, literarischer Festivals, Wettbewerbe und kulturpolitischer Entwicklungen, 47 einschließlich aber auch der personellen Positionen mit ihren Einfluss- und Wirkungsbereichen im ›literarischen Feld‹: des Autors, des Lektors, des Verlegers, des Literaturkritikers, neuerdings auch des Literaturagenten etc. Daraus ergibt sich auf der anderen Seite eine mit Dringlichkeit versehene Anforderung an deren inhaltliche Ausrichtung, deren Unabdingbarkeit evident ist: Um die ›Begleitumstände‹ des ›eigenen‹ und ›fremden‹ literarischen Schreibens zu erfassen, ist wiederum ein Schwerpunkt auf jüngerer und jüngster Literatur mehr als nahe liegend. 48 Zu d) Erweitert man diese Perspektive und formuliert den Appell, der von solchermaßen rekonstruierten Creative Writing Studies an die ihnen impliziten Vermittlungsformen ergeht, kann eine Art Didaktik des literarischen Schreibens als angewandter Imperativ formuliert werden. 49 Diese ist zunächst weniger an den Forschenden als an den Lehrenden adressiert und enthält eine einfache Aufgabenstellung: Wie fungiert der Creative Writing-Dozent als Vermittler und mit welchen Mitteln? Ihr Ziel ist als Erstes die Förderung intuitiven und spontanen Handelns, das in ein Werkstattgespräch eingebettet ist, in dem Werkzeuge der antiken Rhetorik wie etwa die Elocutio genauso ihren Platz haben wie weiter führende gestalttheoretische und wahrnehmungspsychologische Modelle, die durch praktische Erfahrungen, die produktionsästhetisch-technische Umsetzung und Machbarkeit betreffend, ergänzt 46 Eine umfassende Explikation dieses Funktionszusammenhangs findet sich bei Bourdieu: Die Regeln der Kunst. 47 Vgl. Porombka: »Schriftstellerberuf«, S. 284. 48 Vgl. ebd., S. 293. 49 Siehe zur Diskussion wiederum Spinner: »Gibt es eine Didaktik des kreativen Schreibens? «. Symbolisches Kapital Implizite Vermittlungsformen <?page no="247"?> 247 7.1. Was sind Creative Writing Studies? werden. 50 Michael Lentz, auf dessen aus eigener Tätigkeit gewonnenen Überlegungen bereits Bezug genommen worden ist und auf die sich auch das Folgende noch einmal ob ihrer Evidenz bezieht, hat unterstrichen, dass der Dozent hier einen Weg finden muss, »textinterne und scheinbar textexterne Fragestellungen in ihrer Dringlichkeit auszutarieren, also Kriterien von Interpretation, Beschreibung und Projektion zu entwickeln«; der Dozent fungiere als »Vermittler von Immanenz und Transzendenz.« 51 Was eine speziell vermittelnde Didaktik des Kreativen Schreibens im besten Fall auslösen kann, ist eine auf Pragmatik ausgerichtete und empirisch gestützte Form der Seminargestaltung mittels intensiver und sachbezogener Kommunikation, für die der Dozent »Durchgangsmedium« und »Filter« ist, ein »kritisches und Kritikfähigkeit förderndes Korrektiv«, zuweilen »auch nur Moderator eines poetologischen Gesprächs«. 52 Diese Forcierung artikuliert die Aneignungsfunktion der Creative Writing Studies im Hinblick auf literaturhistorische und literaturwissenschaftliche Kenntnisse sowie deren Ausbildungsfunktion in Hinsicht auf das Erreichen einer selbstreflexiven Kompetenz 53 in Bereichen von schriftstellerischem Handwerk und typologischem Literaturverständnis der ›klassischen‹ literarischen Gattungstriade bis hin zu neueren und neuesten intermedialen Erscheinungsformen. Ein Beispiel für eine auf die angesprochenen Faktoren abhebende Seminarstunde gibt wiederum Lentz; in ihr übernehmen die Seminarteilnehmer neben Referaten zum Beispiel über Epochenzusammenhänge, einzelne Autoren oder Werke zudem die Aufgabe, eigene Schreibarbeiten zu präsentieren, deren Besprechung innerhalb der gesamten Seminargruppe mitunter auch der Hinterfragung des poetologischen Selbstverständnisses dient: In einem folgenden interviewartigen Gespräch mit allen Seminarteilnehmern, das neben der Fähigkeit zur Selbstdarstellung auch die rhetorische Fähigkeit herausbilden soll, soll der Referent sich über den Referenzrahmen textinterner Spezifika, Schreibweisen und stilistischer Merkmale hinaus offeneren Fragezusammenhängen stellen. So kann das Seminar in der modell- 50 Vgl. Lentz: »Schreiben lernen! «, S. 34. 51 Ebd., S. 35. 52 Ebd. 53 Siehe dazu auch Jung: Schreiben und Selbstreflexion. Didaktik des Kreativen Schreibens Hinterfragung des poetologischen Selbstverständnisses <?page no="248"?> 248 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben haften Simulation Kommunikationsstrukturen einüben, die dem Literaturbetrieb intern wie extern analog sind. 54 In didaktischer Sicht ist es deshalb ein wesentliches Bestreben der Creative Writing Studies, »ein spontanes Verstehen von Texten und ihren Strukturzusammenhängen reflektierend zu vertiefen«, ein Oszillieren zwischen »›werkimmanenten‹ Strategien der Interpretation, motivationsästhetischen Aspekten, die auch kritisch Autorenintentionalität hinterfragen, und einem weiter gesteckten Referenzrahmen« zu ermöglichen, »der auch textexterne Daten wie zum Beispiel kulturelle Voraussetzungen (Wissen, das der Text einbringt bzw. stillschweigend voraussetzt) einholt.« 55 Creative Writing Studies, wie sie an dieser Stelle rekonstruiert werden können, bedeuten, wie es Hanns-Josef Ortheil auf den Punkt bringt, »poetologisches Fragen und schreibendes Antworten unter Anleitung und Regie eines Lehrers.« 56 Sie inszenieren und organisieren literarische Prozesse, die ›normales‹ literaturwissenschaftliches Erkenntnisinteresse nicht nur mit einschließen, sondern in den dargestellten Weisen über sie hinaus gehen und sie dadurch tatsächlich ›beleben‹ und ›revolutionären‹. 7.2. Forschungsperspektiven Kreativen Schreibens Die genannten und explizierten Elemente der Creative Writing Studies, nämlich Schreibpraxis im Zeichen der Literaturgeschichte, ›eigene‹ und ›fremde‹ Schreibproduktionsbetrachtung, Buchmarktanalyse und poetologische Selbstreflexionsdidaktik, eröffnen Forschungsperspektiven für die angewandte germanistische Literaturwissenschaft. Eine solche Perspektive soll nachfolgend schlaglichtartig angerissen werden. Zugewendet wird sich dazu einem Text E. T. A. Hoffmanns, mit dem auf mustergültige Weise die Demonstration spezifischer Verfahren der Creative Writing Studies möglich ist: den Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern. Bei diesem ›Doppelroman‹ handelt es sich um 54 Lentz: »Schreiben lernen! «, S. 36 f. 55 Ebd., S. 37 f. 56 Ortheil: »Aristoteles und andere Ahnherren«, S. 20. »[P]oetologisches Fragen und schreibendes Antworten« <?page no="249"?> 249 7.2. Forschungsperspektiven Kreativen Schreibens ein literarisches Beispiel, das Schreibprozesse ebenso ins Licht rückt wie Positionierungsversuche des Autors im ›literarischen Feld‹, Produktionsweisen des Schreibens ebenso thematisiert wie die Diskursdimensionen eines literarischen Werkes. Bereits das ›Vorwort des Herausgebers‹ setzt eine Schreibfiktion in Szene: Als der Kater Murr seine Lebensansichten schrieb, zerriß er ohne Umstände ein gedrucktes Buch, das er bei seinem Herrn vorfand, und verbrauchte die Blätter harmlos teils zur Unterlage, teils zum Löschen. Diese Blätter blieben im Manuskript und- - wurden, als zu demselben gehörig, aus Versehen mit abgedruckt! 57 Der Leser hat es also mit einem Text zu tun, der Makulatur und Katerlebensbeschreibung ineinander schiebt, wobei das in der Erzählfiktion nur zufällig Überlieferte sowie die Kateraufzeichnungen sich als jeweiligen Komplentär- und Kontrasttext wechselseitig kommentieren, was den gesamten Roman »zu einem Spielfeld von Verweiszusammenhängen« macht, »deren ›Zusammenschau‹ dem Leser überlassen wird.« 58 Blickt man mit der ›Brille‹ der Creative Writing Studies auf den Text, lassen sich wichtige Einsichten zum Lernhorizont literarischen Schreibens erfassen, insbesondere, »dass jeder literarische Text das Resultat eines noch nicht gelesenen Textes ist, der aber schon immer da ist.« 59 So verweisen die beiden Romanteile des Katers Murr nicht nur wechselseitig aufeinander, sondern auf eine »ganze Bibliothek von Texten«, da beide bereits im Titel genannten Protagonisten gewissermaßen »inkarnierte Zitate« darstellen: der Kater betont selbst seine literarische Abstammung, die ihn zurück führt zu Tiecks Gestiefeltem Kater; 60 Kreisler ist ein Hoffmann’sches »Selbstzitat«, ein »Wiedergänger« seines Œuvres, jenes Kapellmeisters, »der schon in der Kreisleriana die Projektionsfigur für zentrale Autorphantasmen darstellt.« 61 Und: Um ›geronnene Literatur‹ handelt es sich auch bei den Kateraufzeichnungen- - auf verschobene Weise: Murrs Text, der einem zweiten Text ›auf- 57 Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr, S. 8. 58 Liebrand: »Lebens-Ansichten des Katers Murr«, S. 213 f. 59 Lentz: »Schreiben lernen! «, S. 38. 60 Vgl. Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr, S. 69. 61 Liebrand: »Lebens-Ansichten des Katers Murr«, S. 214. Diskursdimensionen eines literarischen Werkes Einsichten zum Lernhorizont literarischen Schreibens <?page no="250"?> 250 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben gepfropft‹, als Umkehrtext auf den Text der Makulaturblätter geschrieben ist, gründet materialiter auf Literatur- - und erzähltechnisch. Der Kater, ein großer Plagiator und Zitatenplünderer, rekonstruiert sein Leben nach den Maßgaben literarischer Prätexte. 62 Daher spricht der fiktive Herausgeber von einem »literarischen Vandalismus des Katers«, 63 der gekennzeichnet ist vom »kruden Umgang des Autobiographen mit der als Schreibunterlage und Löschpapier dienenden Kreislerbiographie« sowie von einem Erzählverfahren, das sich Versatzstücke aus der literarischen Tradition zu Eigen macht, sich »hemmungs- und skrupellos überkommener Darstellungsmuster, Topoi, Stillagen« bedient, den »weltliterarischen Zitatenschatz nach Lust und Laune« plündert: »Murr verwandelt sich die Prätexte, die ihm brauchbar scheinen, an-- verleibt sie sich gefräßig ein.« 64 Gleichzeitig sind die Kreisler- Teile von Hoffmanns Roman ebenso intertextuell angelegt wie die Kateraufzeichnungen (wenn auch mit entscheidenden Unterschieden). 65 Diese Anlage des Katers Murr versinnbildlicht in Bezug auf die für Creative Writing Studies bedeutsame Schreibpraktiken, dass ein (literarisches) Buch kein »endliches und festumrissenes Objekt ist, ruhend im geschlossenen Raum der Bibliothek«, 66 wenn der Kater gleichsam deren einzelnen Bände ›annagt‹, deren Werke »verschlingt«, deren Tinte »trinkt«, »ohne sich um Titel und Autoren zu kümmern«: Sein »ganzes ›Leben‹« erscheint als »ein einziges literarisches Zitat«, als »eine Wiederholung dessen, was er in den Büchern gelesen hat.« 67 Der Roman macht geltend, wie sich im Rahmen von literarisch fixierten Mustern Neues und Eigenes sagen lässt; 68 er verweist auf den Begriff der Kreativität als immanenten Bestandteil der Creative Writing Studies als Bezeichnung für die Fähigkeit, Neues und Eigenes (mit den Mitteln des 62 Ebd., S. 214 f. 63 Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr, S. 8. 64 Ebd., S. 215. 65 Vgl. Liebrand: »Lebens-Ansichten des Katers Murr«, S. 217-220. 66 Kofman: Schreiben wie eine Katze, S. 105. 67 Ebd., S. 108. 68 Vgl. Liebrand: »Lebens-Ansichten des Katers Murr«, S. 223. »[L]iterarischer Vandalismus« Literarisch fixierte Muster <?page no="251"?> 251 7.2. Forschungsperspektiven Kreativen Schreibens literarischen Schreibens) zu schaffen. 69 Gleichzeitig widerspiegelt er die Grundkonstellation des romantischen Genie- und Künstlerdiskurses wie auch bereits die moderne Relativierung des Mythos vom genialistischen Kunstschöpfer durch eine Verschiebung der Beziehung des Künstlers zur Tradition. Hoffmanns Text zeigt außerdem die schreibproduktive Arbeitsweise des Autors E. T. A. Hoffmann, der Anregungen zum Kater Murr sowohl seinem persönlichen Lebensumfeld wie der Literaturgeschichte entnommen hat, eine Arbeitsweise (abseits des juristischen ›Brotberufs‹) als eifriger Bibliotheksbenützer, 70 die er auch in seiner Erzähl-Sammlung Die Serapions-Brüder anspricht, wenn darin die individuellen Quellen und Entstehungsbedingungen ›serapionistischer‹ Werke zum Thema werden, zugleich aber auch klar gemacht wird, dass derartige Anregungen zwar eine wichtige Rolle bei der Schaffung bzw. in der Produktionssituation eines Dichtwerks zukommt, jedoch nur die von ihnen ausgehenden kreativen Eigenleistungen des Dichters von Bedeutung sind. 71 Die bereitwillige Nennung von Referenzautoren im Text führt unmittelbar vor Augen, dass hier philologische Einflussforschung selbst fiktionalisiert und ironisiert wird. 72 Hoffmanns Roman bestätigt die Sicht eines literarischen Textes »als Ort, an dem sich die unterschiedlichsten Schrifttraditionen kreuzen.« 73 Anhand seines Katers Murr lassen sich die für die Creative Writing Studies wiederum interessanten Literaturbetriebspraktiken ablesen, wenn durch die dem Roman eingeschriebene Herausgeberfiktion die Positionierungsversuche von Autorschaft nicht nur aufgegriffen, sondern parodiert werden, 74 ganz abgesehen davon, dass das ›Autorenschicksal‹ E. T. A. Hoffmann ausreichend Anlass bietet, die immer weiter umgreifende Ausdifferenzierung des deutschen Buchhandels gegen Ende des 18. und 69 Siehe dazu auch Kruse: Kreativität als Ressource für Veränderung und Wachstum, bes. S. 15. 70 Vgl. Feldges/ Stadler: E. T. A. Hoffmann, S. 42. 71 Vgl. Konow: »Sich hineinschwingen in die Werkstatt des Autors«, S. 60. 72 Vgl. Kremer: »Lebens-Ansichten des Katers Murr«, S. 341. 73 Ebd., S. 356. 74 Siehe dazu Wirth: Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion, S. 377-424. Neues und Eigenes durch Schreiben schaffen Philologische Einflussforschung <?page no="252"?> 252 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben zu Beginn des 19. Jahrhunderts an seinem Beispiel zu exemplifizieren, so seine ›Rolle‹ auf dem Buchmarkt, das Autoren-Verleger- Verhältnis oder den Marktwert seiner literarischen Produktion. 75 7.3. ›Schreibrevolutionen‹ Die hier kurz am Beispiel von E. T. A. Hoffmanns Katers Murr skizzierte Möglichkeit angewandter literaturwissenschaftlicher Forschung eines Creative Writing Studies-Programms hat in dieser Form einen philologischen Ertrag und einen Nutzen für die daran anschließende Übertragung von Forschungsfragen auf die akademische Lehre. Mit Hilfe des vorgeschlagenen Umgangs mit einem literarischen Text lässt sich ein nützliches Raster zur Vermittlung von literarischen ›Fähigkeiten‹ bereitstellen, das sich in der konkreten Seminarsituation bewähren kann. Dort ließe sich zeigen, dass auf der Basis eines vorliegenden literarischen Werkes die Formung eines »Traditionsbewusstseins sozusagen mit diachroner Tiefenwirkung« ebenso möglich ist wie das »Erlernen der Fähigkeit, autorenpoetologisch sein eigenes schriftstellerisches Tun zu reflektieren.« 76 Das zweite Ergebnis betrifft die systematische Frage nach der didaktischen Form. So lässt sich Hoffmanns Roman auch als Fiktion eines Schreib-Modells lesen, das eigenen Regeln folgt. Die von Murr praktizierte und explizierte Schreibästhetik ist durchaus ein universell einsetzbares literarisches Schreib-Verfahren mit dem Gegenstandsbereich einsetzbarer Mittel zur (unterstellten) Verbesserung des ursprünglichen Textes. An diesen Gegenständen und mit diesem Ansatzpunkt ist erneut eine Didaktik des Kreatives Schreibens erkennbar, die von Murr in einen eigentümlichen ›Bild‹-Bereich verlagert wird: »Verse sollen in dem in Prosa geschriebenen Buche das leisten was der Speck in der Wurst, nämlich hin und wieder in kleinen Stückchen eingestreut, dem ganzen Gemengsel mehr Glanz der Fettigkeit, mehr süße Anmut des Geschmacks verleihen« ein »guter Vers« könne einem »mittelmäßigen Roman eben so dienlich sein«, wie ein »fetter Speck 75 Vgl. Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 175. 76 Lentz: »Schreiben lernen! «, S. 38. Autoren-Verleger- Verhältnis Fiktion eines Schreib-Modells <?page no="253"?> 253 7.3. ›Schreibrevolutionen‹ einer mageren Wurst.« 77 Diesen Praktiken entsprechen kreative Schreibimpulse, die die ›Flüssigkeit des Denkens‹ des Schreibenden anregen. 78 Dass Creative Writing Studies all diese Faktoren thematisch aufgreifen und auf die Praxis des literarischen Schreibens anwenden, prädestiniert sie für literaturwissenschaftliche Relektüren, bei denen wegen der gewählten Produktionsperspektive aufschlussreiche Strukturen deutlich und diese in der Folge im selbsttätigen Schreiben nochmals überprüft, variiert und innoviert werden können. Für derartige Fälle stellen Creative Writing Studies mit ihren Schreib-Szenarien Modelle der Identifikation und Begeisterung wie der Distanznahme, des Widerstands und der Neubewertung bereit, die auf den bewusst oder unbewusst herbeigeführten Bruch mit (vermeintlichen) Vorbildern setzen. In vier Hinsichten kann abschließend angedeutet werden, wieso solche Creative Writing Studies-Modelle, die einen potentiell bleibenden Beitrag für die Frage nach neuen Impulsen für die angewandte germanistische Literaturwissenschaft sind, methodische Attraktivität auch für gegenwärtige Legitimationsfragen der Philologien besitzen. i.) Der genuin anwendbare Charakter des Kreativen Schreibens unterscheidet dieses scheinbar strikt von theoretisch-orientierten Formen der allgemeinen Geisteswissenschaften, die (berufs-) praktische Anteile vermeintlich ausblenden. Da erstgenannte aber (wie sich gezeigt hat) immer Theoriebildung u. a. über Medien, ästhetische Kritik, Buchhandel und Verlagswesen oder auch darüber, welche Rolle Autor, Text und Leser zur Klärung des Rezeptionsprozesses von Literatur einnehmen, betreibt, 79 verschafft sie dem philologischen Blick eine theorie- und praxisgeleitete Tiefenschärfe, die die erfassten Gegenstände in der Tat ›revolutionär‹ erweitert. Denn ihr methodischer Ausgangspunkt ist die ›revolutionäre‹ Auseinandersetzung mit ›eigenen‹ und ›fremden‹ literarischen Praktiken und Institutionen, was den Bereich des Erkennens von Literatur nach hinten verlängert und damit andere Blicke auf Altbekanntes möglich macht. Dass die Geschichte der 77 Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr, S. 414. 78 Dazu Edelmann: Lernpsychologie, S. 325. 79 Dazu Neuhaus: Literaturvermittlung, S. 24. Hanns-Josef Ortheil plädiert z. B. für eine Theorie der Lektoratsarbeit (»Lektorieren als Arbeit am Text«). ›Flüssigkeit des Denkens‹ Theoriebildung u. a. über Medien <?page no="254"?> 254 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben deutschen Literatur beispielsweise mit der Geschichte des deutschen Buchhandels korreliert, ist zwar keine radikal neue These, sie gewinnt jedoch im Licht der Creative Writing Studies an epistemologischem Gewicht. Erst in diesem Licht zeigt sich der wesentliche Zusammenhang von Schreib- und Lese-›Revolutionen‹. ii.) Der ›revolutionäre‹ Charakter der Creative Writing Studies zielt auf Prozesse hinten den ›normalen‹ philologischen Vorgehensweisen. Denn sie beschreiben in konkreten Szenarien das Zustandekommen, Sich-Verändern und Sich-Durchsetzen, das Vergehen und Bestehen von literarischen Praktikabilitäten sowie poetologischen Ein- und Ansichten. Dazu setzen sie ein konstitutionstheoretisches, d. h. massiv selbstreflexives Instrumentarium ein, wie sie ein generell prozessuales Bild literarischen Schreibens zeichnen. In der Perspektive der Creative Writing Studies ist die literarische ›Welt‹ ein Raum, in dem sich ihre Elemente in ständiger Bewegung allererst konstituieren. Creative Writing Studies sind in dem Sinn dynamische oder ›lebendige‹ Philologie, dass sie diese Konstitutionsleistung einer ›beweglichen‹ Literatur generell zum Gegenstand ihrer Beschreibungen machen. Damit sind sie dazu geeignet, auf Anmahnungen einer Entkopplung der Literaturwissenschaft von der Philologie mit Verweis auf den eigenen Gegenstandsbereich zu reagieren. 80 iii.) Der aus schreibpraktischen wie literaturgeschichtlichen und literaturtheoretischen Überlegungen gespeiste Kern der Creative Writing Studies erlaubt dieser Disziplin einen deskriptiven und analytischen Zugriff auf ein Phänomen, das im ›Herzen‹ jeder Beschäftigung mit selbst- oder von anderen verfassten ästhetischen Texten liegen kann: das literarische Zitat bzw. (mit Derrida gesprochen): das schreibende Zitieren als Pfropfung (greffe citationelle). 81 80 Vgl. die Stellungnahme von Oliver Jungen zum Germanistentag 2007 in Marburg: »Weit fataler ist die immense Verunsicherung der Disziplin, zumindest ihres literaturwissenschaftlichen Zweigs. Auf eine erste Sinnkrise nach der Entkopplung von der Philologie hatte man mit einer resoluten Öffnung der Disziplin reagiert, unzählige Paradigmen umarmt-[…], sich gänzlich überfordern lassen durch die Pantheorien Kultur- und Medienwissenschaft. Heute muss man feststellen, dass ebendies zum Verlust der eigenen Mitte geführt hat.« (»Der hat die Kokusnuss geklaut! «, o. S.) 81 Vgl. Derrida: »Signatur Ereignis Kontext«, S. 32. Dazu näher Wirth: »Aufpfropfung als Figur des Wissens in der Kultur- und Mediengeschichte«, S. 114 f. Literarische Praktikabilitäten Das schreibende Zitieren als Pfropfung <?page no="255"?> 255 7.3. ›Schreibrevolutionen‹ Diese ist für Derrida die Metapher für die wesentliche Iterabilität der Zeichen, die sowohl ihre Identifizierbarkeit als auch ihre Rekontextualisierbarkeit sichert; Iterabilität heißt dabei, dass jedes Zeichen »mit jedem gegebenen Kontext brechen und auf absolut nicht sättigbare Weise unendlich viele neue Kontexte zeugen« kann; diese »Kraft zum Bruch« des Zeichens mit einer syntagmatischen Verkettung eröffnet die Möglichkeit, dem Zeichen neue Funktionsweisen zuzuerkennen, indem man es »in andere Ketten einschreibt oder es ihnen aufpropft«. 82 Begreift man so wiederholt den Prozess des Erlernens, Lehrens und Erforschens des Kreativen Schreibens als einen Prozess der aktiven Erzeugung, Verschiebung und Überlagerung von literarischen Spuren, dann vollzieht sich im Zuge der Arbeit der Creative Writing Studies in und mit textuellen Einheiten die Beschreibung, Analyse und Erprobung von Literatur als ›Pfropf‹ nicht nur »als Einwuchs«, sondern auch als Eignung, »den Einwuchs aufzunehmen.« 83 Da Creative Writing Studies dieses ›Pfropfen‹ sichtbar machen, durchleuchten sie die Bedingungen der Möglichkeiten von Literatur. Ihr angeleiteter und stimulierter Fokus auf deren Produktions-, Rezeptions- und Distributionsweisen ist deshalb im Übrigen auch ein vordringlicher Ansatzpunkt für die Überprüfung und Revision potentieller literarischer Wertigkeit. 84 iv.) Gegenüber rein textinterpretierenden Lektüreverfahren sind Creative Writing Studies mit ihrer Betonung des schreibprozessualen Charakters mitsamt dessen Umfeldern im Vorteil, auch wenn dies (aus deren Perspektive) wie ein Nachteil erscheinen könnte. Sie können zwar gegebenenfalls auf hochstufige theoretische und deskriptive Prämissen rekurrieren, besitzen aber nicht zwangsläufig ein unüberwindbares ›Geländer‹, indem sie die Geste des Schreibens zum Prinzip erheben: Sie begreifen schließlich den Akt des Schreibens als primär oder vorstehend gegenüber dem mutmaßlich abgeschlossenen literarischen Produkt; darin liegt auch ihre methodische Nähe zur ihr wesensverwandten und sie weiterhin stark rezipierenden Literaturdidaktik. 85 Creative Writing 82 Derrida: »Signatur Ereignis Kontext«, S. 27. 83 Vgl. Rheinberger: »Von der Zelle zum Gen.«, S. 56 f. 84 Dazu wiederum Meek: »The Politics of Poetics«, S. 81. 85 Vgl. hierzu Ruf: »Kanon und Kreatives Schreiben«. Die Bedingungen der Möglichkeiten von Literatur <?page no="256"?> 256 7. Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben Studies sind so verstanden immer reaktiv; sie sind als Momente der Abwehr oder des Gegenangriffs gegenüber gesellschaftlichen Nützlichkeitsforderungen für die angewandte germanistische Literaturwissenschaft wie für die neueren Philologien im Ganzen effektiv eine »mehr und mehr notwendige Instanz«. 86 86 Spinnen: »Genie in der Schulbank«, S. 69. <?page no="257"?> 257 Bibliographie Bibliographie Abraham, Ulf: StilGestalten. Geschichte und Systematik der Rede vom Stil in der Deutschdidaktik. Tübingen: Niemeyer 1996 (=-Reihe Germanistische Linguistik; 161). Abraham, Ulf: »Was tun mit Steinen? Gibt es eigentlich ein ›Kreatives Schreiben‹ im Deutschunterricht? « In: ide 4 (1998), S. 19-36. Abraham, Ulf, Claudia Kupfer-Schreiner u. Klaus Maiwald (Hrsg.): Schreibförderung und Schreiberziehung. Eine Einführung für Schule und Hochschule. Donauwörth: Auer 2005. Abraham, Ulf, Claudia Kupfer-Schreiner u. 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Flower, Linda S. 38 f., 122 Flusser, Vilém 25-28, 30, 37, 45, 93-96, 177, 218, 233 Foerster, Norman 57 ff. Foucault, Michel 20, 46, 84, 102, 104, 218, 227 Frederking, Volker 34 ff., 160, 166 f., 169 ff. Frey, James N. 46 Frutiger, Adrian 217, 232 Gesing, Fritz 48, 119, 159, 241 Glindemann, Barbara 11 f., 35, 49 ff., 54, 59 f., 62 f., 65-71, 73 f., 76 ff., 239 Goethe, Johann Wolfgang von 26, 97 f., 131, 133, 197, 202 Goetz, Rainald 144 Gomringer, Nora 148-154 Gottsched, Johann Christoph 110 Grésillon, Almuth 41-46 Grimm, Jacob 87, 148 Guilford, Paul J. 22 Haslinger, Josef 46 ff., 102, 241 Hayes, John R. 38 f., 122 Hettche, Thomas 144 Hoffmann, E. T. A. 38 f., 240, 248-253 Hoppe, Felicitas 196-200, 202 Horaz 82, 110 Kehlmann, Daniel 5, 214 Kermode, Frank 81 Kerr, Alfred 212 f. Kittler, Friedrich A. 26 f., 176, 184 Kuhn, Thomas S. 235 ff. Kupfer-Schreiner, Claudia 160 Kuzma, Greg 63 Lascano, Carlos 137 Lentz, Michael 102-117, 121, 154, 247 ff., 252 Levinas, Emmanuel 89 f., 218 Lévi-Strauss, Claude 120, 178 ff. Lichtenberg, Georg Christoph 19 Link, Jürgen 20, 46 f., 197, 245 <?page no="296"?> 296 Personenregister Lodge, David 65, 68 Ludwig, Otto 24, 42, 71, 124, 155, 243 Lukács, Georg 212 Maiwald, Klaus 15, 34, 160, 166 f., 169 ff., 200 Mead, George Herbert 34 ff. Mearns, Hughes 52, 54 ff., 58, 81 Meier, Cordula 85, 183, 204, 228 f. Mignolo, Walter D. 178 Molitor-Lübbert, Sylvie 11, 45 Muschg, Adolf 200 Myers, D. G. 49, 52, 55, 57 ff., 81 Neumann, Gerhard 46 Nitzberg, Andreas 153 Opitz, Martin 110 Ortheil, Hanns-Josef 51, 78 f., 82 f., 102, 201, 239, 248, 253 Platon 105 Politycki, Matthias 243 f. Porombka, Stephan 14, 79, 81, 102, 130, 145, 175, 194, 199, 214, 235 f., 238, 241 f., 246 Queneau, Raymond 108, 153 ff., 197 Reich-Ranicki, Marcel 213 Scaliger, Joseph Justus 110 Schiller, Friedrich 131-135 Schirner, Michael 226 Schneider, Beat 142, 183, 228 f., 236 Schulze, Ingo 125-130 Schwitters, Kurt 221 Seidl, Claudius 206 f. Shakespeare, William 69 Spiegel, Hubert 180 f., 206 Spinner, Kaspar H. 32 f., 37, 79, 83, 135, 160, 193 ff., 197-200, 238, 246 Stankowski, Anton 226 Stingelin, Martin 24, 29-32, 45, 84, 94, 97, 243 f. Thalmayr, Andreas 153 Thüring, Hubert 123 Tieck, Ludwig 249 Timm, Uwe 91-101 Treichel, Hans Ulrich 46 ff., 102 Urban, Dieter 210, 226 Vordemberge-Gildewart, Friedrich 221 Wehrli, Peter K. 175 Wendell, Barret 51 ff., 57, 59 Werder, Lutz von 12, 75, 77, 82, 159 Willberg, Hans Peter 220 f., 225 Wolfe, Thomas 56 Wolf, Ror 181, 206 <?page no="297"?> 297 Sachregister Sachregister Abschreiben 105, 162 Akrostichon 164 Anagramm 103, 154 Angewandte Wissenschaft 13 Anwendungscharakter 11, 80, 86 Archäologie 35, 91, 98, 227 Associated Writing Programs (AWP) 60 f. Ästhetik 17, 21, 31 ff., 92, 95, 105, 115 f., 152, 170, 213, 217, 225, 244 Ästhetische Bildung 32-37 Ästhetische Erfahrung 33, 36 Aufsatzunterricht 72 f., 146, 159, 172 Aufschreibemedium 123 Aufschreibesystem 27, 184 Autobiographie 60 Autor 5, 29, 37 f., 40, 43, 56, 62, 68 f., 71, 77 f., 81, 84, 86, 92, 98, 100 f., 106, 108, 110 f., 122, 126 f., 133, 135, 138, 140-143, 145, 166, 170 ff., 180, 187, 195 ff., 204, 206, 209, 211 f., 216, 241-244, 246 f., 249-253 Autorschaft 12, 131, 251 Ballade 131, 133 f. Bericht 100, 134, 154, 181, 186, 204 Berufsfeld 12, 60, 188, 236 Berufsperspektive 68 Berufsqualifizierung 12 Biographie 47, 60, 248 Blatt 30, 43 ff., 121 ff., 167, 169, 227, 249 Blog 138, 144 f., 170 Botschaft 28, 30, 198, 204, 227 Brief 19, 124, 129, 139, 154 Buch 5, 11, 14, 16, 21, 52 f., 68, 86, 93, 95, 104 ff., 108, 120, 126, 128, 130, 153, 176, 178, 186, 196, 198, 203, 206, 215 ff., 219 f., 225, 231, 237, 239, 242, 249 f. Buchdruck 245 Buchhandel 68, 251 ff. Buchmarkt 78, 209, 241, 245, 252 Buchstaben 25, 30 f., 93, 169, 221, 227, 231 Buchstabenkomposition 229 CD-Rom 43 Chat 166, 169, 244 Cluster 125 Computer 32, 43, 45, 96, 115 f., 167 f., 170, 243 Conference for College Composition and Communication (CCCC) 61 Creative Reading 55 Creative Writing Studies 238-255 Critique Génétique 38, 41 f. Dada 72, 152 Datenträger 43 Dat-Recorder 114 Dekonstruktion 110 Design 24, 116, 156, 183, 216 ff., 220, 222-231, 233 Designtheorie 229 Deutschdidaktik 74 Deutung 38, 180, 206, 222, 227 Diagramm 156 Dichtkunst 47, 85, 102, 114 Digitale Literatur 174 Digital Storytelling 140 Diskette 43 Einfall 42, 123, 243 Elfchen 164 Elocutio 246 E-Mail 166 <?page no="298"?> 298 Sachregister Emoticon 169 Enabling 65 Entwurf 11, 42, 95, 227, 240 Epik 134, 213 Erinnerungstheorie 99 Erzählform 134 Erzählperspektive 129, 147, 174 Erzählung 47, 103, 140 ff., 170, 181 Essay 67, 93, 97, 102 f., 105, 107 ff., 117, 124, 241 Experimentalsystem 184 Exposé 189 Facebook 141, 173 Feature 59, 204 Festplatte 43 Feuilleton 213, 236 Figur 23, 40, 67, 99, 119, 121, 129 f., 140, 142 f., 174, 176, 201, 214, 218, 227, 231, 241, 254 Film 12, 116, 137, 166, 168, 172, 223 Finger 84 Form 12, 20 f., 25, 27, 33, 35, 48, 52, 55, 58, 65, 67, 72 ff., 78, 82, 90 f., 94, 96 f., 101 ff., 116 ff., 124, 138, 146, 150, 152, 154, 156, 162, 164-172, 176, 181, 183-186, 189, 194, 199, 203, 217, 220 ff., 225 ff., 230 f., 238 f., 244, 247, 252 f. Formanalyse 231 Freies Schreiben 199 Füllfeder 30 Garantiert schreiben lernen 12 Gegenwartskultur 22, 24, 133 Gegenwartsliteratur 85 f., 90, 119, 125 f., 215 Geisteswissenschaft 237 Genealogie des Schreibens 29 Gestalterisches Schreiben 124 Gestalttheorie 207 Gestaltung 17, 21, 34, 44, 68, 113, 115 f., 119, 171 f., 183, 212, 215 f., 219, 225, 228 Gestaltungswissenschaft 182 f. Geste 25-30, 84, 93 f., 177, 179, 189, 195, 244, 255 Glosse 204 Grafik 222 Grammatik 30, 64, 184, 186, 223 Hand 15, 28, 43, 52, 84, 104, 106, 140 f., 173, 179, 189, 217 Handlung 15, 21, 24, 40, 51, 73, 77, 99, 132, 142, 174, 176, 180, 188, 214, 222, 243 Handschrift 27, 38, 41-44, 75, 217 Hausarbeit 189 Heft 43 Hildesheim, Universität 13, 79, 82 f., 102 Hochschulbetrieb 12 Homestory 206 Hörspiel 111, 114 Hyperfiction 145, 168, 170 Hypertext 111, 145, 167, 171 Idee 16, 25, 29 ff., 33, 41, 46, 49, 59, 72, 76, 84, 91, 100, 117, 121, 123, 133, 137, 161, 164, 188, 190, 203, 222, 225, 229, 232 Ingeborg-Bachmann-Preis 103, 109, 148 Ingenieurwissenschaft 229 Inspiration 32 f., 205 Interaktivität 166 f., 169 Intermedialität 115, 143, 156 Internet 117, 120, 144, 146 f., 167 ff., 171 Interpretation 81, 83, 112, 124, 127, 225, 233, 238, 245, 247 f. Jacob-Grimm-Preis 148 Journal 189, 202 Journalismus, Journalistik 12, 202 ff. Journalist 202 f., 206 Kanon 43, 51, 69, 81, 193, 196, 200, 256 Karte 156, 180 Kohärenz 108, 112, 147 Kohäsion 147 Kommunikationsdesign 221, 225 <?page no="299"?> 299 Sachregister Kommunikationskompetenz 11, 189 f. Kommunikationssituation 28, 74 Komödie 154, 179 Kompositionslehre 49, 51 ff., 61, 64 Kompositionstechnik 65 Kooperation 68, 141, 166 Kopf 96, 104, 113, 129, 134, 179, 196, 227, 231 Körperlichkeit 29, 84, 195, 231, 244 Kreativität 19 f., 22 ff., 31 ff., 46, 76 f., 104, 121, 138, 228, 240, 250 f. Kreide 25 Kulturjournalismus 13, 79, 82, 236 Kulturkritik 59 Kulturtechnik 27, 79, 89, 120, 171, 185, 237 Kulturwissenschaft 15, 20 f., 79, 121, 235 f. Kurzgeschichte 134 Langgedicht 113 f. Laptop 96 Lektüre 55, 92, 113, 117, 127 f., 133, 187, 193, 211-214, 227, 242 Lernerfolg 161 f., 165 Lernprozess 11, 146, 163, 188 Lernumgebung 165 Lernweg 161-164 Lesart 66, 83 Lesekompetenz 40 Leselust 140 Literarische Zirkel 62 Literatur 2.0 144 f., 147 Literaturbetrieb 15, 85, 112, 145, 209, 235 f., 248 Literaturdidaktik 74, 256 Literaturgeschichte 12, 20, 58, 70, 119, 132 f., 144, 159, 171, 226, 242, 248, 251 Literaturkritik 102, 130, 208-214, 235 Literaturkritiker 15, 130, 206, 246 Literaturmuseum der Moderne 43 Literaturtheorie 50 Literaturvermittlung 210, 235 f., 253 Literaturwissenschaft 13 ff., 49 f., 52, 57, 61, 69 f., 74, 77, 79, 82 f., 91, 177, 194, 202, 211, 233, 235, 237-240, 245, 248, 253 f., 256 Lob 214 Lyrik 93, 103, 111, 134 ff., 149, 151 ff., 213 Manuskript 43, 120, 249 Massenmedium 24, 97, 170 Material 17, 25, 41, 43, 77, 138, 155, 162, 198 f., 220, 245 Materialästhetik 96 Medienarbeit 138 Medienart 185 Medienästhetik 15, 102 f., 115 f., 135, 185, 214 Mediengesellschaft 200 Medienkritik 97 Medienkulturwissenschaft 182 f. Medienkunst 114 Medienrevolution 144 Medientheorie 45, 52, 91 ff., 97, 229 Medienumbruch 115 Medienverbund 172 Medienwissenschaft 92, 182, 254 Mediologie 156 f. Monolog 188 Motiv 132, 172, 209, 214, 216, 225, 239 MP3-Player 114 Multimedia 114, 168, 172 Multimodalität 206, 208, 222 ff. Mythos 47, 121, 199, 222 f., 228, 251 Narration 137, 143, 145, 182 National Writing Project (NWP) 60 f. Netzliteratur 144, 168 Neue Medien 96, 116, 229 New Humanities 20 ff., 79, 240 New Rhetoric 64 <?page no="300"?> 300 Sachregister Online 147, 149, 169 ff., 213 Operatives Schreiben 197 Orthographie 30, 64 OULIPO 108 Papier 30 ff., 37, 42 ff., 104, 169, 174, 178, 220, 225, 227 Paradigmenwechsel 236 f. Passagen-Werk 87 PC 96, 195 Performance 62, 148 f. Pfropfung 254 Phänomenologie 25, 187 Philologie 91, 127, 235, 239 f., 254 Podcast-Roman 145 Poesie 62, 82, 85, 102, 136, 148, 151 f., 226 f. Poetik 31, 67, 78, 82 f., 85 f., 90, 92, 97, 99, 101 f., 108, 110, 132, 136, 153, 155, 186, 195, 199 Poetikvorlesung 92 Poetry Slam 149 ff., 155 Portfolio 138, 163, 189 Positivismus 110 Poststrukturalismus 110 Pragmatik 110, 247 Praxeologie 183 Praxisbezug 12, 49 f., 239 Presse 202 Produktionsästhetik 81, 122, 133 Produktionsbedingung 92, 95 Produktionstheorie 99, 101 Rechtschreibung 94 Referenz 92 Reisebericht 179 Revolution 83, 96 Rhetorik 49 f., 53, 64, 110 f., 121, 193, 202, 246 Romantik 135 f., 139, 209 f. Sachtext 141, 198 Schneeballgedicht 164 School of Letters 57 ff. Schreibakt 15 Schreibanlass 146 Schreibaufgabe 130, 140 Schreibbewegung 14, 75, 139 Schreibdidaktik 73 f., 124, 160 f. Schreiben im Netz 165 f., 169, 172 Schreibenlernen 93 Schreibentwicklung 122 Schreibfähigkeit 193 Schreibfiktion 249 Schreibforschung 24, 74, 122, 124, 146, 160 Schreibgruppe 76, 147 Schreibkompetenz 12, 39, 55, 72, 74, 105, 134, 161, 163, 168, 172, 174 Schreiblehre 60, 64, 77, 238 Schreibmaschine 32, 45, 97, 120, 169, 195, 244 Schreibmodell 40, 197 Schreibmotivation 129, 146, 171 Schreiboberfläche 123 Schreibpraxis 39, 99, 113, 127, 131, 248 Schreibproblem 46 Schreibprozess 38 ff., 42, 44 f., 59, 65, 70, 85, 123, 127, 135, 139, 145, 161 f., 164, 173 f., 196, 200, 239, 243 Schreibprozessforschung 38, 94, 243 Schreibratgeber 46, 119, 159 Schreibraum 44, 79, 237 Schreibschule 108 Schreibseminar 74, 109 Schreibsituation 38, 42, 104, 147 Schreibstunde 179 Schreibszene 29 f. Schreib-Szene 29-37, 52, 125, 196 Schreibtätigkeit 74 Schreibtheorie 91, 121 Schreibübung 130 ff., 153, 165, 175 Schreibverfahren 14, 20, 33, 72, 105, 119, 125, 127, 134 f., 144, 197 Schreibvermittlung 52, 71 Schreibweise 27, 94, 154 Schreibwissenschaft 38, 80 Schreibworkshop 15, 49, 76 <?page no="301"?> 301 Sachregister Schreibwunsch 47 Schriftspracherwerb 31 Schriftsteller 5, 12, 27, 42, 45 ff., 51, 58 f., 62, 66, 68, 78, 83, 93, 97, 99, 102 f., 108 f., 119, 126 f., 131, 140, 144 f., 155, 160, 175, 193, 202 f., 206, 238, 242, 246 Schriftstellerei 203 f., 243 Schulbetrieb 193 Segeberger Kreis 75 Selberschreiben 128, 205 Selbstgesteuertes Lernen 161 Selbstreflexion 247 Semantik 29, 112, 151, 195, 226, 244 Seminargestaltung 110, 247 Semiotik 33, 43, 54, 222, 229 SMS 167 Snapshot 175 Social Media 141, 143 Sound 114, 205 Sozialkompetenz 149 Spannungskurve 134 Spoken Word 148 f., 151 Spontaneität 105, 204 Sprachdidaktik 73 Sprachkompetenz 241 Sprachskepsis 153 Sprachwissenschaft 21, 41 Sprechkompetenz 149 Spur 25, 38 f., 42, 45, 86-90, 97, 99 ff., 156, 178, 218 f., 233, 243, 255 Stift 195 Stil 64, 112, 127, 129, 154 f., 164, 194 f., 212, 230, 241 Stoff 70, 106 f., 132, 137, 196, 199, 203, 212, 232 f., 241 Story 56, 174 f., 181 Storyboard 138, 175 Strukturalismus 110, 244 Tafel 25 Tagebuch 125, 144, 172 Technologie 29, 116, 120, 188, 195 Textanalyse 112, 137, 184, 199 Textarbeit 112, 119, 201 Textcollage 124 Textdesign 12, 206, 208, 222-226 Textentstehung 132 Texterschließung 128, 130 Textgattung 134 Textgestaltung 15, 141, 204 f., 208, 226 Textkompetenz 13 Textkomposition 184 Textmontage 124 Textproduktion 11, 24, 42, 73, 129, 146, 169 Textrezeption 127 Textsorte 102, 133, 197 Theoriearbeit 186 Transformation 116, 164, 229 Transmedialität 143 Türhüter 211 Twitter 144 Typographie 217 ff., 221, 227 Unterrichtsalltag 159, 164 Unterrichtsgegenstand 167 Unterrichtskonzeption 165 Urteilsfähigkeit 187 Verlagslandschaft 246 Verlagswesen 253 Verleger 236, 252 Verriss 214 Video 42, 138 f., 149, 175 Visualität 174 Visuelle Kommunikation 221, 223 Vorstufe 220 Wahrnehmung 134 f. Web 2.0 135, 141, 147, 169 Webcam 175 Web-Log 170 Webseite 145, 169 Werbung 230 Werkimmanenz 110 Wettbewerb 149 Wischen 157 Wissenserwerb 162, 187 World Wide Web (WWW) 141, 144, 167, 170 f. <?page no="302"?> 302 Sachregister Writing Across the Curriculum (WAC) 60 Writing Centre 61 YouTube 144 Zeichenproduktion 24, 243 Zeitschrift 113, 121, 205 Zeitung 95, 121, 205 ff., 213 <?page no="303"?> 303 Nachweise Nachweise Eingangszitat S. 5 aus: Daniel Kehlmann, »Diese sehr ernsten Scherze«. In: Daniel Kehlmann, Lob. Über Literatur. Copyright © 2010 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. Mit freundlicher Genehmigung. Dewey, John. Gemeinfrei. https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: John_Dewey_cph.3a51 565.jpg (letzter Zugriff 17. 03. 2016). Flusser, Vilém. © Ulrich Mertens. Gomringer, Nora-Eugenie. Foto von Jürgen Bauer, CC BY-SA 3.0. https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Gomringer_Nora_J%C3%BCrgen_ Bauer.jpg (letzter Zugriff 17. 03. 2016). Hoppe, Felicitas. © akg-images / Anna Weise. Lentz, Michael. © ullstein bild-- P/ F/ H. Mead, George Herbert. Gemeinfrei. https: / / commons.wikimedia.org/ w/ index.php? curid=2 567 107 (letzter Zugriff 17. 03. 2016). Ortheil, Hanns-Josef. © ullstein bild-- Schleyer. Queneau, Raymond. Fair Use. https: / / en.wikipedia.org/ wiki/ File: Raymond_Queneau.jpg (letzter Zugriff 17. 03. 2016). Schulze, Ingo. © akg-images / Doris Poklekowski. Timm, Uwe. Gemeinfrei (CC0 1.0 Universal (CC0 1.0)). https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Uwe_Timm,_Frankfurter_Buchmesse_2013_1.jpg (letzter Zugriff 17. 03. 2016). Wendell, Barrett. Gemeinfrei. http: / / www.azquotes.com/ public/ pictures/ authors/ a1/ f7/ a1f708f9a4a55d6269a1ef4786df2eef/ 5616b50e22ad8_ barrett_wendell.gif (letzter Zugriff 17. 03. 2016).