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Fernsehen

0404
2012
978-3-8385-3685-9
UTB 
Karl Nikolaus Renner

Eine systematische Einführung in die vielfältigen Gegenstände des Mediums Fernsehen. Der Autor informiert über die technischen Grundlagen und die Organisation der Fernsehsender, skizziert die Methoden und Ergebnisse der Zuschauer- und Wirkungsforschung und stellt die Programminhalte vor. Dabei verbindet er konsequent kommunikations- und medienwissenschaftliche Sichtweisen miteinander, wodurch das außerordentlich kommunikative Potenzial dieses Mediums fassbar wird. So wird deutlich, warum das Fernsehen zum Leitmedium unserer Gesellschaft werden konnte und dass es seinen Einfluss auch in Zukunft behaupten wird.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB (S) Impressum_12.indd 1 02.02.12 16: 16 <?page no="2"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 2 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 3 UTB <?page no="3"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 3 Karl Nikolaus Renner Fernsehen UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="4"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 4 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 5 Karl Nikolaus Renner ist Professor für Fernsehjournalismus an der Universität Mainz. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2012 Reihenkonzept und Umschlagentwurf: Alexandra Brand Umschlagumsetzung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Claudia Wild, Konstanz Korrektorat: Susanne Ilka Tidow, Freising Druck: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Band Nr. 3685 ISBN 978-3-8252-3685-4 <?page no="5"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 5 Inhalt Warum Fernsehen? - - 7 Fernsehen im Profil 1 Theoretische Grundlagen- - 15 2 Die Technik- - 29 3 Die Sprecherseite- - 39 4 Die Zuschauer- - 59 5 Das Fernsehprogramm- - 83 6 Die Zukunft des Fernsehens- - 113 Anhang Zeittafel- - 117 Literatur- - 121 Index- - 129 <?page no="6"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 7 Warum Fernsehen? Das Fernsehen ist ein vielgestaltiges Medium, das unterschiedlichste Funktionen erfüllt und aus den unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet werden kann. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Fragestellungen, die von den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen an dieses Medium herangetragen werden. Nicht weniger vielfältig ist die Einführungs- und Überblicksliteratur zu diesem Medium. Dieses Kapitel soll eine Einleitung in diese Einführungen bieten und im Anschluss daran den eigenen Standpunkt deutlich machen. Fernsehen als Gegenstand der Wissenschaft Das Fernsehen ist ein junges Medium. Die ersten regulären Fernsehsendungen wurden 1935 ausgestrahlt, seinen Durchbruch erlebte es erst nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 1950er und 60er Jahren. Seitdem ist es zu einem festen Bestandteil unseres Alltagslebens geworden und gilt als Leitmedium unserer Gesellschaft. Offen ist aber, wie lange es das Fernsehen noch so geben wird, wie wir es heute kennen. Infolge der Digitalisierung und der Konvergenz der Medien können bereits heute alle, die das wollen- - ob Zeitungsverlage oder andere Unternehmen, ob Politiker oder Privatpersonen--, ihre Botschaften mit bewegten Bildern im Internet publizieren. Die Fernsehanstalten haben wiederum ganz neue Möglichkeiten, neben den traditionellen linearen Programmangeboten zeitgemäße interaktive Angebote zu entwickeln, was sie mit ihren Mediatheken, Online-Auftritten und Social-Media-Aktivitäten bereits intensiv tun. Alle diese Entwicklungen werden das Medium Fernsehen erheblich verändern. Die Frage nach der Zukunft der Medien beschäftigt auch die Wissenschaft. Hier hat die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen über das Medium Fernsehen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das ist eine späte Entwicklung, war doch das Fernsehen bis in die 1980er Jahre eher ein marginaler Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses. Eine wichtige Zäsur im Bereich der Geistes- und Kulturwissenschaften bildete die Einrichtung des Sonderforschungsbereichs 240 »Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien« an der Universität- GH Siegen. Er nahm 1986 seine Arbeit auf (www.sfb240.uni-siegen.de). Im sozialwissenschaftlichen Bereich sind die Untersuchungen zur nonwww.claudia-wild.de: <?page no="7"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 8 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 9 8 Warum Fernsehen? verbalen Kommunikation zu nennen, die damals an der Universität Mainz stattfanden (Kepplinger 1987 bzw. 2010). Etwa zur gleichen Zeit entwickelte sich an der Universität Tübingen eine eigene Medienlinguistik, die sich ebenfalls intensiv mit dem Medium Fernsehen beschäftigte (Straßner 1982). Zuvor wurde die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den elektronischen Medien vor allem von den Rundfunkanstalten geleistet. Bereits 1950 wurde in Hamburg das Hans-Bredow-Institut gegründet, das seit 1953 die Zeitschrift Rundfunk und Fernsehen herausgibt (1999 umbenannt in Medien & Kommunikation). Seit 1970 erscheinen die Media Perspektiven, in denen die Forschungsabteilungen von ARD und ZDF ihre Ergebnisse publizieren. Aber auch im Fernsehen selbst fand die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Fernsehen statt. So strahlte das ZDF Ende der Siebziger mehrere Sendungen des Medienforschers Bernward Wember aus, die wegen ihres kritischen Ansatzes heftige Diskussionen auslösten (Wember 1976). Inzwischen ist das Fernsehen Forschungsgegenstand vieler wissenschaftlicher Disziplinen. Das sind zunächst die Kommunikationswissenschaft und die Medienwissenschaft. Außerdem beschäftigen sich noch die Pädagogik, die Psychologie, die Text- und Kulturwissenschaften, die Rechts- und die Wirtschaftswissenschaften sowie mehrere technische Disziplinen mit diesem Medium. Sie alle tragen ihre spezifischen Fragestellungen an das Fernsehen heran und beantworten sie mit ihren Methoden. So umfangreich und weit verzweigt diese Fernsehforschungen auch sind, eine eigene Fernsehwissenschaft ist bis jetzt daraus noch nicht entstanden. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die beiden zentralen Disziplinen, die Kommunikationswissenschaft und die Medienwissenschaft, zwei divergierenden Wissenschaftskonzepten verpflichtet sind. Die Kommunikationswissenschaft versteht sich als Sozialwissenschaft und stützt sich auf die dort üblichen empirischen und statistischen Methoden. Die Medienwissenschaft steht dagegen in einer geisteswissenschaftlichen Tradition. Sie hat sich aus der Literaturwissenschaft und der Kunstgeschichte entwickelt und geht historisch beschreibend oder hermeneutisch interpretierend vor. Diese Unterschiede im Selbstverständnis der beiden Fächer machen den interdisziplinären Austausch zwischen ihnen nicht einfach. Denn selbst wenn sie die gleichen Begriffe verwenden, meinen sie damit noch nicht das Gleiche. So versteht die Kommunikationswissenschaft unter ›Medien‹ »die technischen Mittel […], die zur Verbreitung von Aussagen an ein potenziell unbegrenztes Publikum geeignet sind«, sowie »die Produkte dieser Technik und die jeweiligen Institutionen, die mit der Produktion und Verbreitung solcher Aussagen <?page no="8"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 9 9 Warum Fernsehen? beschäftigt sind« (Wilke 2000 : 1). Die Medienwissenschaft denkt beim Begriff ›Medien‹ dagegen zunächst einmal an die materiellen Träger kommunikativer und künstlerischer Bemühungen wie Leinwand und Farbe, Bilder und Projektionsflächen, Ton, Sprache und Schrift, und versucht dann deren spezifische Ausdrucksmöglichkeiten für die Gestaltung kommunikativer, insbesondere künstlerischer Botschaften zu erfassen. Dementsprechend unterscheidet sich auch der Zugang der beiden Disziplinen zum Gegenstand Fernsehen. Die Kommunikationswissenschaft sieht das Fernsehen als Massenmedium. Sie fragt ausgehend von den technischen Verbreitungsmitteln und den Organisationsformen des Fernsehens nach seinen Inhalten und Folgen für die Gesellschaft. Die Medienwissenschaft konzentriert sich dagegen auf das Fernsehprogramm mit seinen vielfältigen Angeboten. Sie untersucht die Gestaltungsweisen und die Botschaften der einzelnen Formate und ordnet sie in umfassende kulturelle Zusammenhänge ein. Dennoch sind Erkenntnisinteressen und Fragestellungen der beiden Fächer viel zu eng miteinander verwoben, als dass man sie voneinander trennen könnte. So zeichnen sich neue Forschungsansätze ab, die beide Herangehensweisen miteinander verbinden. Wichtige Anregungen gehen hierzu von den Cultural Studies aus, die sich in den 70er Jahren in Großbritannien entwickelt haben. Diese Forschungsrichtung hat sich der Untersuchung der Alltagskultur verschrieben und verbindet sozial- und kulturwissenschaftliche Fragestellungen und Methoden. Einführungsliteratur und Übersichtspublikationen Wissenschaftliche Publikationen setzen für ihre Lektüre ein spezifisches Fachwissen voraus, was all denen, die dieses Wissen erst erwerben wollen, den Zugang nicht erleichtert. Die Untersuchungen zum Fernsehen bilden da keine Ausnahme. In den letzten Jahren sind jedoch erfreulich viele Veröffentlichungen erschienen, die gute Einführungen in die verschiedenen Ansätze der Fernsehforschung bieten und die die Methoden vorstellen, mit denen die einzelnen Disziplinen arbeiten. Wem es lediglich um einen ersten Einblick in das Medium Fernsehen geht, kann dazu gut auf die sogenannte Praktikerliteratur zurückgreifen. Das sind Fachpublikationen, die von Journalisten und Fernsehmitarbeitern geschrieben wurden, um Berufsanfängern grundlegende Kenntnisse über das Medium zu vermitteln. Hier bietet der Sammelband ABC des Fernsehens, den Ruth Blaes und Gregor A. Heussen herausgegeben haben, <?page no="9"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 10 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 11 10 Warum Fernsehen? einen guten Überblick über die Vielzahl höchst unterschiedlicher Fragestellungen zum Fernsehen, angefangen »von der Gesetzgebung der Deutschen Bundesländer bis zur Präsentation durch die Moderatoren« (Blaes/ Heussen 1997 : 13). Praxisorientierte Einführungen in die Arbeitsmittel und die Darstellungstechniken des Fernsehjournalismus vermitteln das Handbuch Fernsehjournalismus von Gerhard Schult und Axel Buchholz (erstmals 1982, seitdem acht Neuauflagen) und der Band Fernsehjournalismus von Martin Ordolff (2005). Wer über die historische Entwicklung des Fernsehens einen Zugang zu diesem Medium sucht, der findet in der Geschichte des deutschen Fernsehens von Knut Hickethier (1998) eine kompakte und klare Darstellung des west- und des ostdeutschen Fernsehens, die gleichermaßen die Geschichte der Fernsehsender, die Geschichte der Programmentwicklungen und der Fernsehtechnik umfasst. Auch wird deutlich, wie das Fernsehen seit seiner Entstehung von den kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen beeinflusst wurde und wie es seinerseits wiederum auf alle diese Entwicklungen Einfluss genommen hat. Einen medienwissenschaftlichen Zugang zum Fernsehen bieten die verschiedenen Einführungen in die Film- und Fernsehanalyse, die »theoretisches Rüstzeug und methodisches Handwerkszeug für die systematische Untersuchung von Filmen und Fernsehsendungen zur Verfügung stellen« (Mikos 2003 : 9). Ihr Interesse gilt in erster Linie den Medienangeboten des Fernsehens, wobei es für sie letztlich unerheblich ist, ob es sich um genuine Fernsehsendungen oder um Kinoproduktionen handelt. Die audiovisuellen Ausdrucksmöglichkeiten der beiden Medien unterscheiden sich ja kaum, auch wenn es sonst deutliche Unterschiede gibt. So sind diese Publikationen in ihren Titeln auch gleichermaßen als Einführungen in die Filmwie in die Fernsehanalyse ausgewiesen. Hier erschien bereits 1993 die Film- und Fernsehanalyse von Knut Hickethier, die inzwischen in vierter, überarbeiteter Auflage vorliegt. 2002 folgte dann die Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft von Nils Borstnar, Eckhard Pabst und Hans Jürgen Wulff. 2003 kam die Film- und Fernsehanalyse von Lothar Mikos heraus. Die jüngste dieser Arbeit ist der Grundkurs Fernsehanalyse, den Werner Faulstich 2008 im Anschluss zusammen mit der Neuauflage seines Grundkurs Filmanalyse veröffentlicht hat. Hier muss auch an den Sammelband Fernsehsendungen und ihre Formen erinnert werden, den Helmut Kreuzer und Karl Prümm 1979 herausgegeben haben und der einen Überblick über die Beitragsgattungen des damaligen Fernsehens gibt. Dies war eine der ersten Publikationen <?page no="10"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 11 11 Warum Fernsehen? der gerade entstehenden Medienwissenschaft und ist immer noch Fundgrube, wenn man sich über die Genres und Formate des Fernsehens informieren möchte. Trotz ihrer recht ähnlichen Titel unterscheiden sich die einzelnen Publikationen durchaus, denn sie vertreten unterschiedliche Positionen innerhalb der Medienwissenschaft. Hickethier knüpft an ästhetische Fragestellungen und Methoden an, die die Literaturwissenschaft und die Kunstgeschichte entwickelt haben, um sie auf die audiovisuellen Medien anzuwenden. Borstnar, Pabst und Wulff verfolgen einen semiotischen Ansatz. Ihnen geht es weniger um die ästhetische und politische Bewertung der einzelnen Beiträge, »sondern zunächst einmal um ein regelgeleitetes Wahrnehmen und Erkennen und ein Einordnen in einzeltextübergreifende Zusammenhänge« (Borstnar u. a. 2002 : 10). Mikos vertritt wiederum einen rezeptionsorientierten Ansatz, bei dem die Prozesse des Filmverstehens und des Filmerlebens im Mittelpunkt stehen. Nur wenn Filme und Fernsehsendungen gesehen werden, so seine Ausgangsüberlegung, »treten sie in einen Kommunikationsprozess ein«. Seine Film- und Fernsehanalyse »zielt daher darauf ab, die Strukturen von Filmen und Fernsehsendungen funktional im Rahmen der Kommunikationsprozesse zu betrachten, in die sie eingebunden sind« (Mikos 2003 : 10). Faulstichs Grundkurs Fernsehanalyse beschränkt sich dagegen auf einen Überblick über den »überraschend großen Formenreichtum« (2008 : 8) der verschiedenen Arten von Unterhaltungs-, Informations- und fiktionalen Sendungen, die er sehr schematisch nach einem Standard-Raster abhandelt. Im Zusammenhang mit den medienwissenschaftlichen Einführungsbänden ist noch die knappe und konzise Publikation Fernsehen von Werner Holly zu nennen, dem es weniger um eine Einführung in die Fernsehanalyse geht, sondern um eine Darstellung der besonderen kommunikativen Möglichkeiten und Gefahren des »Dispositivs Fernsehens« (Holly 2004). Hängen die Schwierigkeiten, einen Zugang zur medienwissenschaftlichen Fernsehforschung zu finden, mit den Unterschieden zwischen den theoretischen Konzepten der einzelnen Schulen zusammen, so lassen sich die Zugangsprobleme zur kommunikationswissenschaftlichen Fernsehforschung darauf zurückführen, dass sich diese Forschung auf die detailgenaue Untersuchung einzelner Phänomene konzentriert und übergreifende Zusammenhänge ausklammert. So stehen die einzelnen Studien allzu oft unvermittelt und relativ zusammenhanglos nebeneinander. <?page no="11"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 12 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 13 12 Warum Fernsehen? Hier war es das Vorhaben des Sammelbands Fernsehforschung in Deutschland, der 1998 von der Medienforschung des SWR herausgegeben wurde, erstmals einen Überblick über die »lebendige Vielfalt an Forschungsansätzen, -gebieten und -methoden« der Fernsehforschung im deutschsprachigen Raum zu geben (Klingler u. a. 1998 : 11). Die fünfzig Aufsätze füllen zwei Teilbände und sind in fünf Themenkreise gegliedert. Sie geben einen allgemeinen Überblick über das Zuschauerverhalten in Deutschland und behandeln Fragen der zielgruppenorientierten Fernsehforschung wie die Fernsehnutzung von Kindern oder das Phänomen der Vielseher. Sie setzen sich mit der sendungs- und programmbezogenen Fernsehforschung auseinander, berichten über die Wirkungen, Rezeptionsweisen und Rezeptionsmustern des Fernsehens und stellen die Organisation der deutschen Fernsehforschung dar. Eine zusammenfassende Darstellung der kommunikationswissenschaftlichen Fernsehforschung bietet das Handbuch Fernsehforschung, das 2004 von Klaus Plake publiziert wurde. Plake macht auf den engen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Fernsehforschung und der Entwicklung der Kommunikationswissenschaft aufmerksam. Denn die kommunikationswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Fernsehen stellte etablierte Konzepte der Massenkommunikationsforschung infrage und führte zu neuen theoretischen Überlegungen. Exemplarisch ist die Entwicklung der Wirkungsforschung. Ausführlich behandelt Plake außerdem noch die einzelnen Programmgenres des Fernsehens und die Auswirkungen des Fernsehens auf das soziale, kulturelle und öffentliche Leben der Gesellschaft. Wie verändert sich unter dem Einfluss des Fernsehens das Verständnis von Öffentlichkeit? Welchen Einfluss hat dies wiederum auf die Gestaltung und Vermittlung von Politik? Über solche gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen hinaus spielen für die kommunikationswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Fernsehen auch wirtschaftliche und rechtliche Fragen eine wichtige Rolle. Hier behandelt der Band Firma Fernsehen von Eric Carstens und Jörg Schütte (1999) das Fernsehen aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive (Überarbeitete Neuausgabe unter dem Titel Praxishandbuch Fernsehen. Wie TV-Sender arbeiten. 2010). Die Einführung ins Medienrecht von Dieter Dörr und Rolf Schwartmann, (3., neu bearbeitete Auflage 2010), bietet wiederum einen Überblick über die Rechtsvorschriften des Fernsehens, angefangen bei den Verfassungsnormen der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsschutzes bis hin zu den Grundsatzurteilen des Bundesverfassungsgerichts und zu den diversen Rundfunkstaatsverträgen. <?page no="12"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 13 13 Warum Fernsehen? Die außerordentliche Bedeutung, die das Fernsehen für unsere Alltagskultur besitzt, steht im Mittelpunkt der kulturwissenschaftlichen Fernsehforschung, die stark von den britischen Cultural Studies beeinflusst ist und derzeit sowohl in der Medienwie in der Kommunikationswissenschaft deutlich an Einfluss gewinnt. Eine erste Einführung in diese Forschungsrichtung bietet die Textsammlung Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft (Adelmann u. a. 2001). Sie enthält 16 Aufsätze aus dem Umfeld der Cultural Studies, die im Original zwischen 1956 und 1996 veröffentlicht wurden. Seinem Selbstverständnis nach ist dieser Band kein Versuch, »eine Systematik ›des Fernsehens‹ zu erstellen«, sondern »eine Einführung in die Vielfalt fernsehwissenschaftlicher Grundlagen« zu geben (Adelmann u. a. 2001 : 9). Die einzelnen Beiträge greifen die unterschiedlichsten Aspekte des Fernsehens auf und diskutieren deren Stellenwert für die soziokulturelle Bedeutung des Mediums. Allerdings erschließen sich manche Fragestellungen erst dann zur Gänze, wenn man sich näher mit den Cultural Studies auseinandergesetzt hat. Hier bietet der 2008 erschienene Überblicksband Cultural Studies von Oliver Marchart eine gute Einführung, in der auch die gesellschaftskritischen, strukturalistischen und diskursanalytischen Grundlagen dieser Forschungsrichtung vorgestellt werden. Zur Anlage dieses Bandes Dieses Buch soll einen Überblick über die Vielzahl von Gegenständen, Fragestellungen und Herangehensweisen geben, die alle mit dem Medium Fernsehen zu tun haben. Es will dabei aber auch eine Orientierung bieten. Daher kann es nicht wie eine Enzyklopädie in einzelne Artikel auseinanderfallen, sondern muss selbst einem übergeordneten Gedanken folgen, der als Orientierungspunkt den Zusammenhang der Teile sicherstellt. Dieser Orientierungspunkt ist das Konzept des kommunikativen Handelns, ein semiotisch-pragmatischer Ansatz, der Kommunikation als »Handeln mit Hilfe von Kommunikationsinstrumenten und mit Medienangeboten im weitesten Sinne« versteht. (Schmidt/ Zurstiege 2000 : 147). Kommunikationsinstrumente in diesem Sinne können Zeichensysteme wie die Sprache und das Bild, aber auch Bücher, Fernsehsendungen usw. sein. Dieses Konzept kann als fächerübergreifender Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen dienen, da man es in der Zeichentheorie ebenso findet wie in der Linguistik, in der Medienwissenschaft genauso wie in <?page no="13"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 14 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 15 14 Warum Fernsehen? der Kommunikationswissenschaft. Insbesondere erlaubt es dieses Konzept, das kommunikations- und das medienwissenschaftliche Medienverständnis gegenseitig zu verorten und ausgehend davon eine integrative Perspektive zu entwickeln (Renner 2007). Denn auch das Paradigma dieses theoretischen Konzepts- - also der empirische Gegenstand, der als Anschauungsbeispiel der theoretischen Überlegungen dient (Stegmüller 1975 : 512),-- ist elementarer als das der Paradigmen von Medienwissenschaft und Kommunikationswissenschaft. Das Paradigma des kommunikativen Handelns ist das Gespräch. Das ist die elementare Form der Face-to-Face-Kommunikation von Sprecher und Hörer, von der sich alle anderen Kommunikationsformen herleiten lassen. Sowohl die Kunst wie auch der Journalismus, die das Paradigma der Medienwissenschaft bzw. der Kommunikationswissenschaft bilden. Das Buch orientiert sich in seiner Gliederung an der Struktur der Face-to-Face-Kommunikation. Das erste Kapitel stellt das Konzept des kommunikativen Handelns vor, es diskutiert den Zusammenhang von Medien und Kommunikation und spricht dabei auch die kommunikativen Besonderheiten des Mediums Fernsehen an. Das zweite Kapitel behandelt die technischen Komponenten des Fernsehens, d. h. die physikalische Basis dieses Mediums. Das dritte Kapitel gibt einen Überblick über die Organisation der Fernsehanstalten und spricht rechtliche wie wirtschaftliche Aspekte an. Bezogen auf das Ausgangsmodell der Faceto-Face-Kommunikation beschreibt es die Sprecherseite des Mediums. Dem entspricht die Darstellung der Rezipienten-Seite im vierten Kapitel. Die Stichpunkte sind Zuschauerforschung, Rezeption und Medienwirkung. Auch werden hier die Auswirkungen des Fernsehens auf Politik, Gesellschaft und Kultur thematisiert. Der Gegenstand des fünften Kapitels ist schließlich das Fernsehprogramm, das die Schnittstelle von Produktion und Rezeption bildet und die Sprechermit der Hörerseite verbindet. Im sechsten Kapitel folgt dann noch ein kurzer Ausblick auf die Zukunft des Fernsehens im Zeitalter des Internets. Fernsehen im Profil Theoretische Grundlagen Medien und Kommunikation hängen aufs Engste zusammen. Das theoretische Konzept des kommunikativen Handelns erlaubt es, diesen Zusammenhang zu präzisieren. Speziell auf das Fernsehen bezogen, können damit die unterschiedlichen kommunikativen Leistungen von Sprache und Bild, aber auch von Live-Sendungen und Film-Formaten erklärt werden. Diese Unterschiede führen dazu, dass das Medium Fernsehen die drei Submedien Film, Ereignisübertragung und Sprechfernsehen entwickelt hat. Sie bewirken aber auch die große Vielfalt kommunikativer Möglichkeiten, die es erlaubt, das Medium Fernsehen für unterschiedlichste kommunikative Zwecke zu verwenden. 1.1 Kommunikations- und medienwissenschaftliches Medienverständnis Medien sind Hilfsmittel, die dazu dienen, die universelle menschliche Fähigkeit zu unterstützen, miteinander zu kommunizieren. So einfach diese intuitive Begriffsbestimmung klingt, so schwierig ist es, den Begriff Medium hinreichend genau zu fassen. Die digitale Konvergenz der Medien und die rasante Veränderung der Medienlandschaft machen das nicht einfacher. Die definitorischen Probleme hängen allerdings auch damit zusammen, dass es der Kommunikationswissenschaft und der Medienwissenschaft bis jetzt nicht gelungen ist, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, was unter einem Medium zu verstehen ist. Für das kommunikationswissenschaftliche Medienverständnis soll hier der Definitionsvorschlag von Siegfried J. Schmidt stehen. Er versteht den Begriff »Medium« als einen Kompaktbegriff, der eine Reihe wichtiger Konzepte und Aspekte griffig bündelt, wobei er folgende vier Komponentenebenen identifiziert: <?page no="14"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 15 Fernsehen im Profil Theoretische Grundlagen Medien und Kommunikation hängen aufs Engste zusammen. Das theoretische Konzept des kommunikativen Handelns erlaubt es, diesen Zusammenhang zu präzisieren. Speziell auf das Fernsehen bezogen, können damit die unterschiedlichen kommunikativen Leistungen von Sprache und Bild, aber auch von Live-Sendungen und Film-Formaten erklärt werden. Diese Unterschiede führen dazu, dass das Medium Fernsehen die drei Submedien Film, Ereignisübertragung und Sprechfernsehen entwickelt hat. Sie bewirken aber auch die große Vielfalt kommunikativer Möglichkeiten, die es erlaubt, das Medium Fernsehen für unterschiedlichste kommunikative Zwecke zu verwenden. 1.1 Kommunikations- und medienwissenschaftliches Medienverständnis Medien sind Hilfsmittel, die dazu dienen, die universelle menschliche Fähigkeit zu unterstützen, miteinander zu kommunizieren. So einfach diese intuitive Begriffsbestimmung klingt, so schwierig ist es, den Begriff Medium hinreichend genau zu fassen. Die digitale Konvergenz der Medien und die rasante Veränderung der Medienlandschaft machen das nicht einfacher. Die definitorischen Probleme hängen allerdings auch damit zusammen, dass es der Kommunikationswissenschaft und der Medienwissenschaft bis jetzt nicht gelungen ist, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, was unter einem Medium zu verstehen ist. Für das kommunikationswissenschaftliche Medienverständnis soll hier der Definitionsvorschlag von Siegfried J. Schmidt stehen. Er versteht den Begriff »Medium« als einen Kompaktbegriff, der eine Reihe wichtiger Konzepte und Aspekte griffig bündelt, wobei er folgende vier Komponentenebenen identifiziert: 1 <?page no="15"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 16 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 17 16 Fernsehen im Profil - - Kommunikationsinstrumente, das heißt materielle Zeichen, die zur Kommunikation benutzt werden, allen voran natürliche Sprachen; - - Medientechniken, die eingesetzt werden, um Medienangebote etwa in Form von Büchern, Filmen oder E-Mails herzustellen, zu verbreiten oder zu nutzen; - - institutionelle Einrichtungen bzw. Organisationen (wie Verlage oder Fernsehsender), die entwickelt werden, um Medientechniken zu verwalten, zu finanzieren, politisch und juristisch zu vertreten usw.; - - schließlich die Medienangebote selbst, die aus dem Zusammenwirken aller genannten Faktoren hervorgehen (wie Bücher, Zeitungen, Fernsehsendungen usw.). (Schmidt/ Zurstiege 2000 : 170) Wie Schmidt betont, stehen diese vier Komponentenebenen aber nicht unverbunden nebeneinander, sondern bilden ein sich selbst organisierendes komplexes System, bei dessen Zusammenwirken »keine der vier Komponentenebenen übersehen werden darf« (Schmidt/ Zurstiege 2000 : 170). Ändert sich ein Faktor dieses Systems, dann hat das durch die systemimmanenten Rückkopplungen Auswirkungen auf alle anderen Faktoren. So ist die Ablösung der herkömmlichen analogen Fernsehtechnik durch die Digitaltechnik keine bloße technische Innovation. Sie führt auch zu tiefgreifenden Veränderungen der Medienangebote des Fernsehens. Denn mit dieser Technik lassen sich mehr Fernsehprogramme übertragen als mit analoger Technik, was die Sendeanstalten wiederum dazu zwingt, neue Organisationsformen zu entwickeln, um diese neuen Programme produzieren und gestalten zu können. Der Systemcharakter der Medien erklärt also, warum technische Neuerungen, wirtschaftliche und politische Entscheidungen gleichermaßen tiefgreifende Veränderungen der gesamten Medienlandschaft auslösen können. Das medienwissenschaftliche Medienverständnis wird in den Überlegungen von Werner Holly fassbar, die er seiner Definition des Mediums Fernsehen voranstellt: Was macht eigentlich Fernsehen aus? Will man diese Frage beantworten, kann man nach den jeweils technischen, institutionellen und auch soziokulturellen Bedingungsgefügen fragen, denen Fernsehen unterliegt. Einige Forscher haben für diese Bedingungsgefüge von Medien den Ausdruck ›Dispositiv‹ (engl. apparatus) verwendet […]; sie wollten damit zum Ausdruck bringen, dass jedes Medium mit seiner jeweiligen Spezifik ein Potenzial besonderer Art darstellt, das seine besonderen Möglichkeiten und Gefahren für die Kommunikation enthält. (Holly 2004 : 1 f.) <?page no="16"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 17 17 1 Theoretische Grundlagen Wesentliche Dimensionen eines solchen Bedingungsgefüges sind die Zeichenverarbeitungskapazität (benutzt das Medium visuelle oder auditive Zeichen? ), die Funktionsweise (handelt es sich um ein Speicher- oder um ein Übertragungsmedium? ) und die Kommunikationsrichtung (erlaubt das Medium Interaktivität oder nicht? ). »Gemäß dieser drei Dimensionen ist Fernsehen«- - so Holly- - »zunächst ein audiovisuelles, übertragendes Einwegmedium« (Holly 2004 : 3). Diese Charakterisierung berücksichtigt allerdings noch nicht, dass es durch die Übertragungsmöglichkeiten des Internets inzwischen auch interaktive Fernsehformate gibt. Folgt man den Überlegungen Hollys, so ist die entscheidende Frage hier aber nicht, wie die vorgeschlagene Definition zu modifizieren ist, sondern welche Auswirkungen diese Interaktivität auf das Dispositiv des Mediums Fernsehen hat. Wie verändern sich die besonderen kommunikativen Möglichkeiten und Gefahren des Einwegmediums Fernsehen, wenn es nun möglich wird, interaktive Fernsehformate zu entwickeln? Stellt man das Medienverständnis von Kommunikations- und Medienwissenschaft dermaßen gegeneinander, dann wird erkennbar, dass sie die gleichen Sachverhalte aus komplementären Blickwinkeln betrachten. Das kommunikationswissenschaftliche Medienverständnis betont die substantiellen und das medienwissenschaftliche die funktionalen Aspekte der Medien. Das zeigt sich auch an den unterschiedlichen Wegen, die beide Wissenschaften bei der Bildung ihrer Medienbegriffe einschlagen. Die Kommunikationswissenschaft folgt hier der Denkfigur der Metonymie (Ein gutes Beispiel für die metonymische Begriffsbildung ist die Benennung von Städten und Ländern nach Flüssen, etwa: Traunstein, Rheinland, Tennessee). Sie überträgt den Begriff »Medium« von den Kommunikationsinstrumenten ausgehend auf die technischen Einrichtungen und wirtschaftlichen Organisationen, die mit diesen Kommunikationsinstrumenten zusammenhängen. Die Medienwissenschaft orientiert sich dagegen an der Denkfigur der Metapher und fragt nach den Gemeinsamkeiten der verschiedenen kommunikationsvermittelnden Sachverhalte, seien es malerische oder bildhauerische Arbeitsmittel, Bücher, Filme oder gesprochene Sprache. Dieses tertium comparationis ist das Dispositiv, das Bedingungsgefüge der spezifischen kommunikativen Möglichkeiten und Gefahren, die die Verwendung eines Mediums für die Vermittlung kommunikativer Botschaften beinhaltet. <?page no="17"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 18 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 19 18 Fernsehen im Profil 1.2 Das Konzept des kommunikativen Handelns Betrachtet man die Medien als Hilfsmittel der menschlichen Kommunikation, dann ist es naheliegend, ihre substantiellen und funktionalen Eigenschaften dadurch zu erfassen, indem man sie zu den besonderen Merkmalen der menschlichen Kommunikation in Beziehung setzt. Hier sind zwei Faktoren zentral: Zum einen ist menschliche Kommunikation immer an physikalische Objekte gebunden, die als Zeichen dienen. Das können Schallwellen oder Körpergesten, Druckerschwärze oder Bildschirmpixel sein. Nur Engel kommunizieren von Geist zu Geist. Menschen benötigen dazu unmittelbar wahrnehmbare physikalische Objekte, die sie als Zeichen verwenden. Mithilfe solcher Kommunikationsinstrumente können sie dann auf die Sachverhalte verweisen, die sie einander mitteilen wollen. Menschen sind »in der Lage, aus ›Dingen‹, die sie sinnlich wahrnehmen, interpretierende Schlüsse zu ziehen. Genau diese Fähigkeit«, sagt Rudi Keller in seiner Zeichentheorie, »beuten sie zum Zwecke des Kommunizierens aus« (Keller 1995 : 12). Zum anderen entwickelt sich alle menschliche Kommunikation aus der Face-to-Face-Kommunikation, der Kommunikationsform, in der wir als Kinder das Sprechen und Kommunizieren erlernen. »Die Vis-àvis-Situation ist der Prototyp aller gesellschaftlichen Interaktion«, so beschreiben es Peter L. Berger und Thomas Luckmann in ihrer Wissenssoziologie (Berger/ Luckmann [1966] 2003 : 31). ‚Hörer‘ ‚Sprecher‘ ‚Dinge‘ Zeitpunkt t i organum Abb. 1: Modell des kommunikativen Handelns (nach Bühler 1934) <?page no="18"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 19 19 1 Theoretische Grundlagen Wie diese beiden Faktoren zusammenwirken, das erklärt das Konzept des kommunikativen Handelns. Es soll hier am Beispiel des Organon- Modells von Karl Bühler veranschaulicht werden, der die menschliche Sprache als »organum«, als Kommunikationsinstrument, interpretiert. Sprache, so sagt er unter Berufung auf Plato, ist ein Werkzeug, mit dessen Hilfe der eine dem anderen etwas mitteilt über die Dinge (Bühler [1934] 1999 : 24). Er verdeutlicht das anhand eines graphischen Modells, das die Beziehungen festhält, die zwischen dem Sprecher und dem Hörer, der Sprache und den Dingen bestehen. Sprecher und Hörer benutzen demnach unmittelbar wahrnehmbare Objekte- - in diesem Fall sprachliche Äußerungen, die der Sprecher erzeugt und die der Hörer wahrnimmt-- als Zeichen, um mit ihrer Hilfe Bezüge zu jenen ›Dingen‹ herzustellen, die für sie nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Der Sprecher tätigt diese Äußerungen in der Hoffnung, dass er damit vom Hörer verstanden wird. Und der Hörer versucht ausgehend davon die Bedeutung und den Sinn dieser Äußerungen zu erschließen: Auf welche Dinge und Sachverhalte bezieht sich der Sprecher mit seinen Äußerungen und warum will er ihm diese Äußerungen kommunizieren? Dabei kann in der Face-to-Face-Situation die Position von Sprecher und Hörer immer wieder wechseln, was im Rahmen dieser Darstellung mithilfe der Zeitindizierung t i erfasst werden kann (Renner 2007 : 129-139). Anhand dieses Modells lassen sich nun drei Komponenten festmachen, die bei einer erfolgreichen Ausführung kommunikativer Handlungen zusammenwirken müssen. Die erste Komponente sind die Zeichen, die als Kommunikationsinstrumente dienen. Folgt man der Semiotik, so kann man bei der weiteren Untersuchung der Zeichen zwischen syntaktischen, semantischen und pragmatischen Aspekten unterscheiden. Die Syntax behandelt die Organisation und die Beziehung der Zeichen zueinander, die Semantik die Beziehungen zwischen den Zeichen und den ›Dingen‹ und die Pragmatik die Beziehungen zwischen den Zeichen und ihren Benutzern (Renner 2007 : 111-141). Die zweite Komponente, die für das Gelingen kommunikativer Handlungen unabdingbar ist, sind die elementaren Handlungen, die Sprecher und Hörer ausführen, wenn sie diese Zeichen für kommunikative Zwecke verwenden. Im Anschluss an die Sprechakttheorie der Linguistik kann man hier zwischen der Äußerungs- und Wahrnehmungshandlung, der Herstellung semantischer Gegenstandsbezüge und den illokutionären bzw. perlokutionären Handlungen unterscheiden. Letzteres sind die benutzerbezogenen pragmatischen Aspekte des kommunikativen Hanwww.claudia-wild.de: <?page no="19"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 20 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 21 20 Fernsehen im Profil delns (Renner 2007 : 142-174). Beispiele für illokutionäre Handlungen sind das Erteilen eines Befehls, die Mitteilung einer Information oder die Ausführung eines Versprechens. Diese Handlungen werden ausgeführt, indem man einen Befehl usw. äußert. Perlokutionäre Handlungen zielen dagegen auf bestimmte Wirkungen, der Sprecher will den Hörer überreden, überzeugen, unterhalten usw. Die dritte Komponente ist die Kooperation von Sprecher und Hörer. In der Face-to-Face-Kommunikation wird sie bei jedem Sprecherwechsel fassbar. Denn die Abfolge der einzelnen Redebeiträge bildet keine zufällige Reihung sprachlicher Äußerungen, sondern ein sinnvolles Ganzes, da die einzelnen Äußerungen aufeinander bezogen sind. Das setzt jedoch voraus, dass Sprecher und Hörer bei ihrem kommunikativen Handeln in einem wohlverstandenen Sinne miteinander kooperieren. Ohne eine solche Kooperation scheint Kommunikation nicht möglich (»Grice’sches Kooperationsprinzip«, Keller 1995 : 202-218). Dabei können sich die Gesprächspartner bei der Face-to-Face-Kommunikation den Umstand zunutze machen, dass sie sich beide zur gleichen Zeit am gleichen Ort befinden. So kann der Hörer, wenn er die Bedeutung und den Sinn der verbalen und non-verbalen Äußerungen des Sprechers zu verstehen sucht, auch den situativen Kontext für seine interpretativen Bemühungen heranziehen. Der Sprecher kann wiederum anhand der Folgehandlungen des Hörers kontrollieren, ob ihn dieser richtig verstanden hat. Aufkommende Kommunikationsprobleme lassen sich auf diese Weise schnell identifizieren und beheben. Da bei medialen Kommunikationsbeziehungen der gemeinsame situative Kontext weitgehend fehlt, muss diese Kooperation durch einen Sprecher-Hörer-Vertrag sichergestellt werden. Der ›Sprecher‹ signalisiert dem ›Hörer‹, ob ein Beitrag als journalistisches, als fiktionales Medienangebot usw. zu verstehen ist, und es liegt dann am ›Hörer‹, ob er dieses Vertragsangebot erkennt und akzeptiert. Alle diese Komponenten sind voneinander abhängig. Daher muss die Face-to-Face-Kommunikation als ein komplexes System begriffen werden, dessen einzelne Elemente gegenseitig rückgekoppelt sind. Wenn sich die Zeichen verändern, hat das auch Auswirkungen auf die elementaren Handlungen usw. Auch ist die Face-to-Face-Kommunikation- - wie alle menschliche Kommunikation- - immer in übergreifende gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge eingebunden. Wörter und Begriffe bewahren und reproduzieren kulturelle Erfahrungen und soziale Ordnungen über Generationen. Sprachliche Handlungen illokutionärer und perlokutionärer Natur können nur dann erfolgreich vollzogen werden, <?page no="20"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 21 21 1 Theoretische Grundlagen wenn sie in Übereinstimmung mit den sozialen Regeln der jeweiligen Gesellschaften ausgeführt werden. Beispielsweise können nur ranghöhere Personen anderen Personen Befehle erteilen, rangniedrigere oder gleichgestellte müssen dagegen um einen Gefallen bitten. 1.3 Die Kommunikationsinstrumente des Mediums Fernsehen Nicht nur sprachliche Äußerungen, auch Bilder können als Kommunikationsinstrumente dienen. Man kann mit ihnen viele der illokutionären Handlungen ausführen, die man mit sprachlichen Mitteln vollziehen kann. So kann ein ›Sprecher‹ seine Rezipienten informieren, indem er ihnen ein Bild zeigt. Ebenso kann er damit an sie appellieren, eine bestimmte Handlung auszuführen usw. (Muckenhaupt 1986 : 156-162). Der Journalismus wie die Werbung machen von den Möglichkeiten reichlich Gebrauch, die ihnen die Bilder bieten. Besonders auffällig sind die perlokutionären Wirkungen, die man durch das Zeigen von Bildern erzielen kann. Denn Bilder lösen wesentlich stärkere Emotionen aus als sprachliche Mitteilungen. Das Schlagwort von der »Macht der Bilder« bezieht sich hierauf und macht auf die dispositiven Möglichkeiten und Gefahren jener Medien aufmerksam, die Bilder als Kommunikationsinstrumente verwenden. Hierüber darf man aber nicht übersehen, dass das Kommunikationsinstrument Bild ganz anders ›konstruiert‹ ist als das Kommunikationsinstrument sprachliches Zeichen. Denn die Syntax von Bildern untergliedert sich nicht in Wörter und Sätze, und ihre Semantik baut nicht auf Regeln auf, sondern auf den Ähnlichkeiten zwischen den Abbildungen und den abgebildeten Objekten. Die Semiotik unterscheidet hier arbiträre Zeichen- - oft werden auch die Bezeichnungen symbolische bzw. sprachliche Zeichen verwendet- - und ikonische Zeichen (Keller 1995 : 113-132). Daher besitzen die Dispositive von Medien, die Bilder als Kommunikationsinstrumente verwenden, nicht allein eine andere Wirkungsmacht als sprachliche Medien, sie haben auch andere Ausdrucksmöglichkeiten, unterliegen aber auch anderen Ausdrucksbeschränkungen. Ein kleines Gedankenexperiment kann diese Unterschiede anschaulich machen. Stellen wir uns vor, wir müssten den Satz »Herr Meier fährt jeden Tag 25 Minuten nach Mainz zur Arbeit« ausschließlich mit Bildern wiedergeben, also ohne Benutzung jeglicher sprachlicher Mittel. Wie also sieht »fahren« aus? Steigt Herr Meier ins Auto ein, dreht er den Zündwww.claudia-wild.de: <?page no="21"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 22 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 23 22 Fernsehen im Profil schlüssel um? Startet er sein Auto in einer Garage, biegt er damit auf die Autobahn? Aber wissen wir denn überhaupt, ob Herr Meier ein Auto benutzt? Er könnte doch genauso gut mit der Bahn oder mit einem Motorrad zur Arbeit fahren. Das Beispiel zeigt, sprachliche Ausdrücke können gleichermaßen generalisieren und abstrahieren. »Fahren« fasst das Einsteigen, Losfahren und Lenken zu einem einzigen Begriff zusammen, sieht aber davon ab, welches Fahrzeug man verwendet. Das Verb »radeln« tut das nicht. Andererseits stellen wir fest, dass die Bilder gewissermaßen an den Dingen kleben. Wir können kein Auto an sich zeigen. Es hat immer eine bestimmte Farbe, ist alt oder neu, gepflegt oder verrostet. Die Entscheidung, welches Auto wir wählen, beeinflusst wiederum die Aussagen unseres Filmbeitrags. Das gilt auch für Herrn Meier, der alt oder jung, korpulent oder schlank sein kann und den wir so auswählen können, dass ihn die Zuschauer sympathisch oder unsympathisch finden. Den Namen »Meier« kann man aber mit Bildern ebenso wenig ausdrücken wie die Ortsangabe »Mainz«. Das ist mit ikonischen Zeichen nicht möglich. Man kann höchstens Namensschilder und Ortstafeln in die Bilder schmuggeln. Sonst kann man nur hoffen, dass die Zuschauer aufgrund ihres Wissens erkennen, wer da wo zu sehen ist. Etwas besser steht es um die Begründung, warum Herr Meier nach Mainz fährt. Hier kann man mit den Bildern immerhin eine kleine Geschichte erzählen, warum der Protagonist in die Stadt aufbricht. Dieses Beispiel erklärt auch, warum das Bildermedium Fernsehen nicht ohne Sprache auskommt. Sein Dispositiv wäre sonst zu beschränkt, um anspruchsvollere kommunikative Leistungen zu erbringen. Audiovisuelle Medien vermengen ikonische und arbiträre Zeichen zu einem semiotischen Amalgam, um den Umfang dessen zu erweitern, was sie darstellen können. Dieses semiotische Amalgam wird über die beiden Sinnesorgane Auge und Ohr gleichzeitig wahrgenommen. Doch dürfen Auge und Ohr nicht mit Bild und Sprache gleichgesetzt werden, vielmehr können ikonische und arbiträre Zeichen über beide Sinneskanäle gleivisueller Kanal auditiver Kanal ikonische Zeichen fotografisches Bild Grafik Töne Musik arbiträre Zeichen geschriebene Sprache gesprochene Sprache Abb. 2: Die Struktur des semiotischen Amalgams audiovisueller Medien <?page no="22"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 23 23 1 Theoretische Grundlagen chermaßen vermittelt werden. So können etwa sprachliche Zeichen visuell als Schrift und akustisch als gesprochene Sprache realisiert werden (Renner 2007 : 395-398). Neben den fotografischen Bildern und der Sprache sind noch Töne, Musiken und Grafiken Bestandteile dieses Zeichengemischs. Diese Elemente müssen aber nicht in jedem audiovisuellen Medienbeitrag erscheinen. Journalistische Fernsehbeiträge verwenden nur selten Musik, während Werbung kaum ohne Musik auskommt. Besonders wichtig sind allerdings die beiden Ausprägungen, die dieses semiotische Amalgam zur Wiedergabe gesprochener Sprache annehmen kann. Man kann nämlich zum einen die sprechende Person im Bild zeigen (Sprache im On) und zum anderen die Stimme allein »über die Bilder legen« (Sprache im Off). Bei der Sprache im On benutzt man also neben dem auditiven auch den visuellen Kanal für die Vermittlung der sprachlichen Informationen. Bei der Sprache im Off belegt man nur den auditiven Kanal und kann den visuellen Kanal für Wiedergabe anderer Bilder verwenden. Beide Verfahren spielen im Fernsehjournalismus eine wichtige Rolle. Die Sprache im On wird benutzt, um in Interviews und Statements jene Themen zu vermitteln, die man nur schwer oder gar nicht mit Bildern ausdrücken kann, etwa aktuelle Wirtschaftsdaten oder Einschätzungen der politischen Lage. Die Sprache im Off erlaubt es wiederum, die Bilder als Beweise für die Wahrheit der im Off-Kommentar mitgeteilten Fakten zu verwenden (Renner 2007 : 403-428). So ähnlich diese beiden Verfahren auch aussehen, in zeichentheoretischer Hinsicht unterscheiden sie sich fundamental. Im ersten Fall besteht zwischen Sprache und Bild eine pragmatische Relation: Die Wahrheit des Gesagten stützt sich auf die Glaubwürdigkeit des Sprechers. Der zweite Fall etabliert eine semantische Relation: Die Wahrheit der sprachlichen Hörer Sprecher Dinge Sprache Abb. 3a: Sprache im On Hörer Sprecher Dinge Sprache Abb. 3b: Sprache im Off <?page no="23"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 24 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 25 24 Fernsehen im Profil Informationen wird durch das beglaubigt, was das Bild zeigt. Das Medium Fernsehen kann also die beiden Kommunikationsinstrumente Sprache und Bild auf zwei unterschiedliche Weisen miteinander kombinieren, was ihm unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet und damit eine Ausdifferenzierung des Fernsehens in mehrere Submedien ermöglicht. 1.4 Medien- und Versammlungskommunikation Ein nicht minder wichtiger, aber völlig andersartiger Unterschied von Sprache und Bild liegt darin, dass es sich bei Bildern um Kommunikationsinstrumente handelt, »die uns nicht wie unsere Sprache gleichsam gegeben sind, sondern um Mittel, die je nach Bedarf erst hergestellt werden müssen« (Muckenhaupt 1986 : 156). Bilder sind mediale Kommunikationsmittel. Im Gegensatz zur gesprochenen Sprache können sie nicht mehr allein mit den natürlichen Mitteln des menschlichen Körpers erzeugt werden. Wie bei der Schrift braucht man auch zu ihrer Herstellung Werkzeuge. Derart künstlich hergestellte Zeichen sind durchwegs dauerhafte Zeichen. Man kann sie auch dann noch wahrnehmen, wenn ihre Äußerung vergangen ist, was bei der gesprochenen Sprache nicht der Fall ist, denn sie ist flüchtiger Natur. Daher erlauben dauerhafte Zeichen selbst dann den Vollzug kommunikativer Handlungen, wenn ›Sprecher‹ und ›Hörer‹ zeitlich und räumlich voneinander getrennt sind. Sie bilden den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Medien. Die Verwendung von Medien beginnt da, wo wir die körpereigenen Kommunikationsmöglichkeiten mit technischen Mitteln verstärken oder sogar ersetzen, um die räumliche und zeitliche Beschränkung natürlicher Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu überwinden. (Holly 2004 : 2) Die Trennung der Sprecher- und Hörersituation hat allerdings auch negative Folgen. Denn nun fehlt der gemeinsame situative Kontext, der für das Gelingen kommunikativer Handlungen eine wesentliche Rolle spielt. Daher müssen medial vermittelte Botschaften so gestaltet werden, dass sie ihren ›Hörern‹ nicht nur das signalisieren, was der ›Sprecher‹ meint, sondern dass sie ihnen darüber hinaus auch noch die relevanten Kontextinformationen vermitteln. Daher wird das Gespräch, die zentrale Kommunikationsform der Face-to-Face-Situation, bei der Medienkomwww.claudia-wild.de: <?page no="24"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 25 25 1 Theoretische Grundlagen munikation zum Text oder zu einem textartigen, audiovisuellen Gebilde (Renner 2007 : 305). Dabei unterscheidet sich die Gestaltung der Texte nochmals, ob es sich um Beiträge für Übertragungsmedien oder für Speichermedien handelt. Eine Zeitungsmeldung kann und muss ganz anders geschrieben werden als ein Lexikonartikel, denn die Leser besitzen ein völlig unterschiedliches Vorwissen. Die Affinität der Medien zum Text lässt sich also mit dem Dispositivkonzept der Medienwissenschaft gut erklären. Dementsprechend konzentriert sich auch die Medienwissenschaft darauf, welche Auswirkungen die Gestaltungsmöglichkeiten der verschiedenen Medien für die kommunikativen Botschaften haben. Die kommunikationswissenschaftliche Sichtweise interessiert sich dagegen eher dafür, welche Auswirkungen es hat, wenn bei der Erzeugung kommunikativer Botschaften dauerhafte Zeichen verwendet werden. Denn dauerhafte Zeichen verändern nicht nur die Kommunikationssituation, sie verändern auch die Äußerungshandlung, mit der die kommunikative Botschaft erzeugt wird. Sie wird nun in eine Herstellungs- und Mitteilungshandlung aufgeteilt (Renner 2007 : 249). »A painting must be done in oil before it can be digitized and sent over the Internet« (Ryan 2004 : 16). Ein Fernsehfilm muss zuerst gedreht und geschnitten werden, bevor man ihn ausstrahlen kann. Auch kann man nun kommunikative Botschaften mithilfe von Maschinen und Apparaten herstellen und versenden, die durch den technischen Fortschritt immer effizienter werden. Je nachdem wie komplex die technischen Mittel sind, die man für diese kommunikativen Zwecke verwendet, kann man primäre, sekundäre und tertiäre Medien unterscheiden (Pross 1972). Die Beispiele sind Pinsel und Stift, die Druckerpresse und die elektronischen Medien. Darüber hinaus macht es die Verwendung dauerhafter Zeichen möglich, mediale Zeichenkomplexe mitsamt ihren Botschaften arbeitsteilig zu erzeugen. Daher können sich Institutionen bilden, die Medienangebote produzieren. Solche Institutionen gab es schon im Umfeld der primären Medien, etwa die Schreibwerkstätten mittelalterlicher Klöster. Sekundäre und tertiäre Medien sind ohne solche Medieninstitutionen nicht mehr denkbar. Denn die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen, die bei der Produktion von Büchern, Zeitungen oder Fernsehsendungen zu beachten sind, sind ohne Einrichtungen wie Verlagshäuser und Sendeanstalten nicht mehr zu bewältigen. Der metonymische Charakter des kommunikationswissenschaftlichen Medienbegriffs spiegelt diese Zusammenhänge exakt wider. Auch orienwww.claudia-wild.de: <?page no="25"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 26 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 27 26 Fernsehen im Profil tiert sich dieser Medienbegriff nicht an der individuellen Nutzung primärer Medien, sondern an der komplexen Organisation der Massenmedien Zeitung, Radio und Fernsehen. Diese richten sich nicht an einzelne Personen, sondern an ein anonymes und disperses Publikum (Maletzke 1963). Sie verbreiten ihre Medienangebote unter Rückgriff auf die Koordinationsmechanismen des Markts und stellen Kommunikationsangebote her, »für die sie auf dem Medienmarkt eine Nachfrage erwarten« (Hunziker 1996 : 8). Über die Bedeutung der Medienkommunikation wird eine andere Transformation der Face-to-Face-Kommunikation gerne übersehen, die für das Fernsehen ebenfalls sehr wichtig ist: ihre Weiterentwicklung zur Versammlungskommunikation (Renner 2007 : 252-256). Sprechen nämlich nicht zwei, sondern viele Personen miteinander, dann stellt sich die Frage nach der Wahrnehmbarkeit der verwendeten Zeichen auf eine andere Weise. Denn dann gibt es einen Moment, ab dem die Hörer die Sprecher nicht mehr verstehen. Dieses Problem wird durch Reglementierungen der Kommunikationsbeziehungen gelöst, wobei aber die gesprochene Sprache und die anderen flüchtigen Zeichen der Face-to- Face-Kommunikation weiterhin als Kommunikationsmittel benutzt werden. Exemplarisch ist die Vortragssituation. Sie ist so geregelt, dass es nur einen Sprecher gibt und alle anderen die Hörerrolle übernehmen. Auch hier wird dann das Gespräch zum Text. Gesprächsrunden, in denen ein Moderator das Rederecht verteilt, funktionieren ähnlich. Weitere Beispiele sind Theateraufführungen und Konzerte. Alle diese Kommunikationsformen unterscheiden sich von der massenmedialen Kommunikation dadurch, dass sie kein disperses, sondern ein Präsenzpublikum besitzen (Maletzke 1963). Viele Live-Sendungen des Fernsehens sind mediatisierte Formen dieser Versammlungskommunikation. Besonders deutlich ist das bei Talkshows und Studiodiskussionen. Dort wird die Runde vor der Kamera durch die Zuhörer im Saal erweitert und dann noch einmal durch einen dritten Kommunikationskreis, dem Publikum vor den Fernsehgeräten zuhause (Burger 1990 : 44). In ähnlicher Weise dient das Fernsehen auch bei großen Sportereignissen als virtuelle Tribüne für alle, die im Stadion nicht unterkommen. Beim Public Viewing können sich dabei sogar die gleichen Gemeinschaftsrituale entwickeln wie im Stadion selbst. <?page no="26"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 27 27 1 Theoretische Grundlagen 1.5 Die Submedien des Fernsehens Die Live-Sendungen der elektronischen Medien Radio und Fernsehen besitzen dieses Potenzial zur mediatisierten Versammlungskommunikation deswegen, weil sie eine Kommunikationssituation definieren, in denen ›Sprecher‹ und ›Hörer‹ zwar räumlich, nicht aber zeitlich voneinander getrennt sind. Druckmedien wie Buch und Zeitung, aber auch das Kino besitzen dieses Potenzial nicht. Ihr Dispositiv definiert immer eine räumlich und zeitlich getrennte Sprecher-Hörer-Beziehung. Das gilt auch für die fiktiven und nicht-fiktiven Filmbeiträge, die im Fernsehen laufen. Andererseits lässt das Dispositiv von Live-Sendungen nur eine kontinuierliche Zeitwiedergabe zu. Anders als Filme können sie das gezeigte Geschehen weder zusammenfassen noch durch Auslassungen verkürzen. Da zeitlich versetzte Live-Sendungen (»Live-on-Tape«) diesen kontinuierlichen Charakter bewahren, werden sie im Weiteren wie echte Live- Sendungen behandelt. Die Live-Sendungen des Fernsehens unterscheiden sich aber nicht nur hinsichtlich ihres Dispositivs von den Filmen, die im Fernsehen laufen. Sie werden auch mit einer anderen Technik produziert und erfordern eine andere Arbeitsorganisation. Live und Film unterscheiden sich also auch substanziell voneinander. Beides zusammen erlaubt es, sie als Submedien des Fernsehens zu betrachten (Renner 2007 : 428-434). Dabei kann man innerhalb der Live-Produktionen nochmals klare Unterschiede zwischen der Live-Übertragung von Großereignissen und moderierten Studiosendungen ausmachen. Bei der Ereignisübertragung ist das Bild dominierend und die Sprache liegt im Off. Das Sprechfernsehen (z. B. Talkshows) setzt dagegen auf die Sprache im On, wobei-- anders als beim Spielfilmdialog- - nicht nur die Mitwirkenden, sondern auch die Zuschauer zuhause verbal und nonverbal adressiert werden. In ähnlicher Weise wie die audiovisuellen Medien ihre Kommunikationsmöglichkeiten dadurch erweitern, dass sie Bild und Sprache miteinander verbinden, erweitert das Medium Fernsehen seine kommunikativen Möglichkeiten nochmals dadurch, dass es diese drei Submedien miteinander kombiniert. Talkshows stellen ihre Gäste mithilfe von Einspielfilmen vor, Fußballübertragungen überbrücken die Halbzeitpause mit Expertengesprächen aus einem Studio. In Magazin- und Nachrichtensendungen werden vorproduzierte Filmbeiträge mit Studiomoderationen und Live-Schaltungen zu einem einheitlichen Ganzen verknüpft. <?page no="27"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 28 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 29 28 Fernsehen im Profil Literatur Renner, Karl N. (2007): Fernsehjournalismus. Entwurf einer Theorie des kommunikativen Handelns. Konstanz. Schmidt, Siegfried J./ Guido Zurstiege (2000): Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek. Die Technik Das elektronische Medium Fernsehen vermittelt seine Beiträge auf indirektem Wege. Das Modell von Shannon und Weaver beschreibt die Struktur der dazu erforderlichen Technik. Die Bilder und Töne, die mithilfe der Aufnahme- und Produktionstechnik aufgezeichnet und gestaltet werden, werden in elektronische Signale umgewandelt. Diese werden von der Übertragungstechnik den Zuschauern übermittelt, wo sie die Empfangstechnik wieder in wahrnehmbare Zeichen zurück verwandelt. Die einzelnen Komponenten können dabei mit unterschiedlichen technischen Verfahren realisiert werden. Auch wurden Speichermedien und interaktive Komponenten in diese technische Struktur integriert, wodurch sich das Dispositiv des Fernsehens immer wieder verändert hat. 2.1 Technische Grundlagen Kommunikation ist ohne physikalische Objekte, die als materielle Zeichen verwenden werden, nicht möglich. Medien stellen für diesen Zweck künstlich erzeugte physikalische Objekte zur Verfügung. Hier war das Fernsehen bis zur Entwicklung des Internets das Medium mit der komplexesten Technologie. Wie bei allen modernen technischen Systemen sind dabei auch in die Medientechnik des Fernsehens unzählige Erfindungen und Neuentwicklungen eingegangen, die auf vielfältige Weise miteinander kombiniert wurden und zu weiteren Innovationen führten. Eine zentrale Erfindung war die Nipkow-Scheibe, die 1884 von Paul Nipkow als Patent angemeldet wurde (Hickethier 1998 : 15). Das ist eine rotierende, spiralförmig gelochte Scheibe, mit deren Hilfe es möglich ist, die Lichtreflexion bewegter Objekte zeilenweise abzutasten, sie in elektrische Signale umzuwandeln und an einen anderen Ort zu übertragen. Dort können sie auf einem Projektionsschirm wieder in bewegte Bilder zurückverwandelt werden. Diese Erfindung verbindet zwei Faktoren, die für das Dispositiv des Mediums Fernsehens prägend sind: Die Möglich- Dominanz ikonischer Zeichen - Sprache im Off - Dominanz sprachlicher Zeichen - Sprache im On - diskontinuierliche Zeitwiedergabe Film - Filmbzw. Videoproduktion - »live« kontinuierliche Zeitwiedergabe Ereignisübertragung - Außenproduktion - Sprechfernsehen - Studioproduktion-- Abb. 4: Die Submedien des Fernsehens <?page no="28"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 29 Die Technik Das elektronische Medium Fernsehen vermittelt seine Beiträge auf indirektem Wege. Das Modell von Shannon und Weaver beschreibt die Struktur der dazu erforderlichen Technik. Die Bilder und Töne, die mithilfe der Aufnahme- und Produktionstechnik aufgezeichnet und gestaltet werden, werden in elektronische Signale umgewandelt. Diese werden von der Übertragungstechnik den Zuschauern übermittelt, wo sie die Empfangstechnik wieder in wahrnehmbare Zeichen zurück verwandelt. Die einzelnen Komponenten können dabei mit unterschiedlichen technischen Verfahren realisiert werden. Auch wurden Speichermedien und interaktive Komponenten in diese technische Struktur integriert, wodurch sich das Dispositiv des Fernsehens immer wieder verändert hat. 2.1 Technische Grundlagen Kommunikation ist ohne physikalische Objekte, die als materielle Zeichen verwenden werden, nicht möglich. Medien stellen für diesen Zweck künstlich erzeugte physikalische Objekte zur Verfügung. Hier war das Fernsehen bis zur Entwicklung des Internets das Medium mit der komplexesten Technologie. Wie bei allen modernen technischen Systemen sind dabei auch in die Medientechnik des Fernsehens unzählige Erfindungen und Neuentwicklungen eingegangen, die auf vielfältige Weise miteinander kombiniert wurden und zu weiteren Innovationen führten. Eine zentrale Erfindung war die Nipkow-Scheibe, die 1884 von Paul Nipkow als Patent angemeldet wurde (Hickethier 1998 : 15). Das ist eine rotierende, spiralförmig gelochte Scheibe, mit deren Hilfe es möglich ist, die Lichtreflexion bewegter Objekte zeilenweise abzutasten, sie in elektrische Signale umzuwandeln und an einen anderen Ort zu übertragen. Dort können sie auf einem Projektionsschirm wieder in bewegte Bilder zurückverwandelt werden. Diese Erfindung verbindet zwei Faktoren, die für das Dispositiv des Mediums Fernsehens prägend sind: Die Möglich- 2 <?page no="29"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 30 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 31 30 Fernsehen im Profil keit, auf technischem Wege Bilder zu produzieren, und diese in Echtzeit an andere Orte zu übertragen. Schritt für Schritt wurden dann die einzelnen Komponenten dieses mechanischen Fernsehens durch elektronische Komponenten ersetzt: durch Röhren-- hier ist die Braunsche Röhre besonders zu erwähnen, die schon bald als Empfangsgerät benutzt wurde- -, durch Transistoren und zuletzt durch Chips. Dies ermöglichte es wiederum, Fernsehbilder nicht nur in Schwarz-Weiß, sondern auch in Farbe zu übertragen und das analoge Fernsehen durch das digitale zu ersetzen. Weitere wichtige Erfindungen, auf denen die Medientechnik des Fernsehens aufbaut, sind die Umwandlung von Schallwellen in elektrische Schwingungen (Philipp Reis 1861; vgl. Wilke 2000 : 164) und die drahtlose Übertragung elektrischer Signale (Guglielmo Marconi 1901; vgl. Wilke 2000 : 327). Alle diese Erfindungen machen die gerade erst erforschte Elektrizität für kommunikative Zwecke nutzbar. Die elektronischen Medien, die sich hieraus entwickelt haben, unterscheiden sich von den älteren Medien dadurch, dass sie nicht nur für die Herstellung ihrer Medienangebote, sondern auch für ihre Rezeption technische Geräte benötigen. Denn während primäre und sekundäre Medien ihre Medienangebote- - also Briefe, Bücher, Zeitungen- - mithilfe üblicher Transportmittel auf direktem Wege übermitteln, übermitteln tertiäre Medien ihre Medienangebote auf indirekte Weise. Sie wandeln ihre Beiträge in elektronische Signale um, die sie an die Medienbenutzer senden. Damit diese dann die Beiträge rezipieren können, benötigen sie ein Empfangsgerät, das die elektronischen Signale wieder in menschlich wahrnehmbare Zeichen zurückverwandelt. Die technische Struktur elektronischer Medien mit ihrem Zusammenspiel von Aufnahme-, Übertragungs- und Empfangstechniken ist Gegenstand des Modells, das Claude E. Shannon seinen Berechnungen zur Informationskapazität von Telefon-, Radio- und Fernsehverbindungen zugrunde gelegt hat (Shannon/ Weaver 1949). Dieses Modell wird seit seiner Veröffentlichung als Kommunikationsmodell apostrophiert, was es aber nicht ist. Denn es besitzt keine semantische und pragmatische Komponente. Sein Gegenstand ist die indirekte Übertragung medialer Zeichen für kommunikative Zwecke (Renner 2007 : 285). Diese Zeichen werden von einer »information source« erzeugt. Ihre syntaktische Struktur (»message«) wird durch einen Sender (»transmitter«) in Signale verwandelt und mithilfe der Übertragungstechnik an den Empfänger (»receiver«) weitergeleitet, wobei sie durch das Rauschen von <?page no="30"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 31 31 2 Die Technik Störquellen (»noise source«) beeinträchtigt werden können. Der Empfänger verwandelt die Signale wieder in syntaktische Zeichenkomplexe, die von den Rezipienten (»destination«) wahrnehmbar und interpretierbar sind. Beschreibt man mit diesem Modell die verschiedenen technischen Komponenten des Mediums Fernsehen, so lassen sich drei große Komplexe unterscheiden. Der erste ist die Aufnahme- und Produktionstechnik, die dazu dient, Medienbeiträge herzustellen. Der zweite ist die Übertragungstechnik, mit der die Medienbeiträge an die Rezipienten übertragen werden, ihnen also ›mitgeteilt‹ werden. Der dritte Komplex ist die Empfangstechnik. Diese ist für tertiäre Medien typisch und dient dazu, die übertragenen elektronischen Signale wieder in physikalische Objekte zu verwandeln, die von den Rezipienten als Zeichen wahrnehmbar sind. Dabei können die einzelnen Komponenten durchwegs mit mehreren technischen Verfahren realisiert werden. So kann man etwa Fernsehfilme mit elektronischen wie mit konventionellen Filmkameras drehen, Sendungen terrestrisch oder per Satellit übertragen usw. Auch hat sich das ursprüngliche Dispositiv des Fernsehens als bloßes Übertragungsmedium dadurch verändert, dass nach und nach Speichertechniken für die Senderwie für die Empfängerseite entwickelt wurden. Dies erlaubte eine zeitversetzte Produktion und später auch eine zeitversetzte Rezeption von Fernsehsendungen. So ist nur konsequent, wenn das Einwegmedium Fernsehen jetzt auch interaktive Züge annimmt, nachdem es im Zusammenhang mit der Fernsehübertragung im Internet einfach zu bedienende Rückkanäle gibt. Die Mediatheken, die viele Sender eingerichtet haben, sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. DESTINATION TRANSMITTER RECEIVER INFORMATION SOURCE MESSAGE SIGNAL SIGNAL MESSAGE NOISE SOURCE Abb. 5: Das Modell der Informationsvermittlung elektronischer Medien (Shannon/ Weaver 1949 : 98) <?page no="31"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 32 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 33 32 Fernsehen im Profil 2.2 Die Aufnahme- und Produktionstechnik Die Aufnahme- und Produktionstechnik des Fernsehens dient der technischen Produktion und der Gestaltung der audiovisuellen Medienbeiträge. Dazu gehören Kamera, Licht und Ton für die Aufnahme, Computer für die Schnitt-, Grafik- und Schriftgestaltung während der Postproduktion sowie Speicherkarten und Server für die Sicherung der fertigen Beiträge oder für deren Zwischenarchivierung, bevor sie gesendet werden. Die Aufnahmetechnik muss aber nicht nur die technische Produktion der Fernsehbilder sicherstellen, sie muss auch den Anforderungen an die Gestaltung der verschiedenen Fernsehformate gerecht werden. So dreht man journalistische Filmbeiträge meistens mit einer leichten Handkamera und wenig Licht. Denn bei journalistischen Produktionen wird man immer wieder mit unerwarteten Situationen konfrontiert, auf die man so besser reagieren kann. Unzulänglichkeiten bei der Bildgestaltung nimmt man dabei in Kauf. Bei anderen Produktionen, etwa bei Fernsehfilmen oder Ereignisübertragungen, kommt es dagegen auf eine optimale Bild- und Lichtgestaltung an. Hier arbeitet man mit schweren Stativkameras, Kamerawagen und großen Scheinwerferbatterien, zu deren Aufbau und Bedienung ein großes Aufnahmeteam erforderlich ist. Bei solchen Produktionen kann man nichts mehr improvisieren, hier muss alles möglichst genau im Voraus geplant sein. Die technische Produktion eines Fernsehbeitrags hängt also mit der Gestaltung audiovisueller Medienbeiträge eng zusammen, sie darf aber nicht mit dem eigentlichen Gestaltungsprozess verwechselt werden (Renner 2007 : 435). Die Produktion ist ablaufbezogen. Ein Filmbeitrag wird zunächst gedreht, dann geschnitten, vertont und zuletzt gesendet. Die Gestaltung ist dagegen zielbezogen. Sie orientiert sich an den kommunikativen Absichten, denen ein Beitrag dient. So kommt es bei einem Erklärstück, etwa bei Filmen aus der Sendung mit der Maus, darauf an, den Zuschauern einen Sachverhalt sehr genau darzustellen. Dies erfordert eine exakte Recherche, ein detailliert ausgearbeitetes Drehbuch und eine Filmgestaltung, die mit Großaufnahmen, ruhigen Einstellungen und einem bildgenau geschriebenen Off-Kommentar arbeitet. Dementsprechend muss die Aufnahmetechnik ausgewählt und eingesetzt werden. Selbstredend kommt es hier zu Rückkopplungen. Neue technische Geräte eröffnen neue Gestaltungsmöglichkeiten. Andererseits verringern technische Beschränkungen, die oft finanzielle Ursachen haben, die Gestaltungsspielräume und beeinflussen ihrerseits den Stil von Fernsehproduktionen. <?page no="32"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 33 33 2 Die Technik Bei der Bild- und Tonaufnahme hat sich im Fernsehen inzwischen überall das elektronische Verfahren durchgesetzt, bei dem die Licht- und Schallsignale unmittelbar in elektronische Signale umgewandelt werden. Bis in die 90er Jahre war daneben noch die Produktion auf 16-mm-Film verbreitet, insbesondere bei Fernsehfilmen und nicht-tagesaktuellen journalistischen Sendungen. Diese Filme wurden wie Kinoproduktionen im Labor entwickelt, am Schneidetisch geschnitten und dann mithilfe eines Filmabtasters (das ist eine Kombination aus Filmprojektor und elektronischer Kamera) gesendet. Heute kommen auch hier fast überall elektronische Kameras zum Einsatz, die wie handelsübliche Videokameras als Camcorder konstruiert sind. Sie speichern die Aufnahmen auf einer Videokassette oder einer digitalen Speicherkarte in der Kamera. Nach den Dreharbeiten werden diese Daten in einen Schnittcomputer überspielt und dort zum fertigen Beitrag montiert. Der Arbeitsablauf entspricht also immer noch dem Workflow einer klassischen Filmproduktion. Bei diesem sukzessiven Produktionsverfahren wird zunächst gedreht, dann geschnitten und danach gesendet. Bei Studioproduktionen und Außenübertragungen war der Workflow jedoch immer schon simultan organisiert. Hier finden Aufnahme, Schnitt und bei Live-Produktionen auch die Ausstrahlung gleichzeitig statt. Dazu wird das Geschehen mit mehreren Kameras gedreht, deren Bildsignale über Kabel in die Regie übertragen werden. Geschnitten wird, indem man von einer Kamera zu anderen umschaltet. Für eine Fußballübertragung können dabei zwanzig und mehr Kameras im Einsatz sein, um das Spiel möglichst attraktiv zu zeigen. Bei einer Studioproduktion ist die gesamte Kamera-, Ton- und Beleuchtungstechnik, die man bei den Dreharbeiten benötigt, inklusive der Bild-, Ton und Senderegie, fest in einem Gebäude installiert, sodass der zeitraubende Auf- und Umbau der Aufnahmetechnik entfällt. Man muss vor einer neuen Sendung lediglich die Kulissen austauschen und die Kameras und Scheinwerfer neu justieren. Fernsehstudios mit ihren eingearbeiteten Mitarbeiterstäben bilden daher kompakte Produktionseinheiten, die es ermöglichen, Fernsehsendungen wie am Fließband zu produzieren. Ohne diese industrielle Produktionsweise, die durch Studios erst möglich wird, könnte das Fernsehen nicht jenes große Programmvolumen erbringen, das es heute jeden Tag zu füllen hat. Eine entscheidende technische Innovation für diese industrielle Produktionsweise war die Entwicklung der Magnetaufzeichnung, der MAZ. Das ist ein Speichergerät, das die elektronischen Kamerasignale ähnlich wie ein Tonband auf Band aufzeichnet. Die ersten MAZen kamen in <?page no="33"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 34 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 35 34 Fernsehen im Profil Deutschland 1958 zum Einsatz und revolutionierten den Produktionsbetrieb (Hickethier 1998 : 122). Denn zuvor konnte man elektronisch produzierte Sendungen nur live senden. Sie ließen sich nur speichern, indem man das ausgestrahlte Bild auf Film aufzeichnete. Mithilfe der MAZ konnten nun aber auch Studioproduktionen zeitversetzt produziert und ausgestrahlt werden, was eine wirtschaftlichere Auslastung der Studiokapazitäten erlaubte. Außenproduktionen, also Live-Übertragungen von Großereignissen, sind wie Studioproduktionen organisiert. Man verwendet aber eine mobile Technik, die am Veranstaltungsort aufgebaut wird. Dabei müssen die Kameras so installiert werden, dass sie das ganze Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfassen können. Hierzu können umfangreiche Aufbauten von Kamerapodesten und Kameratürmen notwendig werden. Der Regie-Komplex ist im Übertragungswagen (»Ü-Wagen«) untergebracht. Je nach Veranstaltungstyp kann noch der Aufbau von Sprecherkabinen für die Off-Kommentatoren notwendig werden. Die aufgenommenen Bilder gehen dann vom Ü-Wagen per Kabel oder Satellit an die Sendezentralen der Fernsehanstalten und werden von dort aus übertragen. Kleinere Live-Übertragungen, wie sie in Nachrichtensendungen inzwischen alltäglich sind, arbeiten mit einer kleineren Produktionseinheit, dem SNG-Wagen (Satellite News Gathering). Simultane Fernsehproduktionen, ob Studio oder Außenübertragung, brauchen aber nicht nur eine andere Technik als sukzessive Produktionen, sie benötigen auch ein größeres Team und eine andere Arbeitsorganisation. Denn hier sind viele Positionen mehrfach zu besetzen, da viele Arbeiten parallel erledigt werden müssen. Bei journalistischen Sendungen verändern sich dadurch auch die Profile der journalistischen Arbeit (vgl. S. 57). 2.3 Die Übertragungstechnik Ebenso wie die Aufnahmetechnik ist auch die Übertragungstechnik des Fernsehens von den besonderen Anforderungen geprägt, die sich durch die Verwendung bewegter Bilder als Kommunikationsmittel ergeben. Denn hier müssen große Datenmengen in Echtzeit übertragen werden, weswegen Fernsehsender mit hochfrequenten Wellen im Meter-, Dezimeter- und Zentimeterbereich arbeiten und Fernsehübertragungen große Bandbreiten benötigen. Das gilt nicht nur für analoge Sendungen, sondern auch für digitale. Allerdings fallen beim Digitalfernsehen aufwww.claudia-wild.de: <?page no="34"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 35 35 2 Die Technik grund der Datenkomprimierung nur ein Fünftel bis ein Zehntel der Datenmengen analoger Übertragungen an. Daher werden gegenwärtig die analogen Programme schrittweise abgeschaltet und durch digitale Programme ersetzt, um so die Übertragungskapazitäten besser auszunutzen. Die Übertragung erfolgt beim Antennen- und beim Satellitenfernsehen durch Funkwellen, die von Sendemasten bzw. von geostationären Satelliten ausgestrahlt werden. Beim Kabelfernsehen werden die Signale über ein Breitbandkabelnetz aus Kupfer-Koaxialkabeln oder aus Glasfaserkabeln übertragen. Als eine neue Technologie kommt nun das Internet hinzu, in dem audiovisuelle Medienbeiträge per IPTV (Internet Protocol Television) übertragen werden. Da sich Fernsehwellen wegen ihrer hohen Frequenz geradlinig ausbreiten, müssen Fernsehsender so positioniert werden, dass zu ihren Empfängern eine quasioptische Sichtverbindung besteht. Terrestrische Sender werden daher auf Bergen oder auf Fernsehtürmen eingerichtet, wo sie möglichst viele Empfänger erreichen. In ungünstigen geographischen Lagen verschlechtert sich der Fernsehempfang durch Abschattungen. Siedlungen in Tälern müssen deswegen mit eigenen Füllsendern versorgt werden. Auch braucht man für benachbarte Sender unterschiedliche Frequenzen, da es sonst zu Störungen kommt. Auch dadurch reduziert sich die Anzahl der terrestrisch übertragbaren Programme. Andererseits liegen bei dieser Technologie die Empfangsgebiete der einzelnen Programme ziemlich genau fest, wodurch die Programme gezielt auf die Zuschauer in den jeweiligen Regionen zugeschnitten werden können. Beim Satellitenfernsehen sind die Empfangsgebiete dagegen so groß, dass manche Programme wie arte oder euronews in mehreren Sprachen gesendet werden, um alle potenziellen Zuschauer zu erreichen. Die Ausleuchtzone eines Satelliten kann einen halben Kontinent abdecken. Pro- Empfang über Fernsehhaushalte relativer Anteil Kabel 17,72 Mio. 49 % Satellit 16,17 Mio. 46 % Antenne 1,59 Mio. 5 % 35,49 Mio. 100 % Abb. 6: Fernsehempfang in Deutschland 2010 (http: / / www.ard.de/ intern/ medienbasisdaten/ empfangssituation) <?page no="35"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 36 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 37 36 Fernsehen im Profil gramme, die sich an besondere Zuschauergruppen richten, werden daher digital und verschlüsselt ausgestrahlt, sodass sie nur von den Zuschauern empfangen werden können, die eine Smartcard mit entsprechendem Zugangscode besitzen. Beim Kabelfernsehen werden Antennen- und Satellitenprogramme über sogenannte Kopfstationen in Kabelnetze eingespeist und an die Haushalte weiter verteilt. Dabei können in Kabelnetzen auch Rückkanäle eingerichtet werden, wodurch die Baumstruktur konventioneller Fernsehnetze zu einer echten Netzstruktur erweitert wird. Das erlaubt neue Formen der interaktiven Zuschauerbeteiligung, etwa den zeitversetzen Abruf von Fernsehsendungen aus Mediatheken. Auch ermöglicht dies, die Kabelnetze über den Fernsehempfang hinaus als Telefon- und Internetverbindungen zu benutzen (»tripleplay«). 2.4 Die Empfangstechnik Die Empfangstechnik des Fernsehens wandelt die übertragenen elektronischen Signale wieder in wahrnehmbare Bilder und Töne um. Dazu wird in den herkömmlichen Fernsehgeräten ein Elektronenstrahl durch die empfangenen Signale so gesteuert, dass er auf dem Bildschirm das übertragene Bild Zeile für Zeile reproduziert. Der Ton wird mit Lautsprechern wiedergegeben. Bei LCD-Flachbildschirmen werden zur Bildwiedergabe Flüssigkristalle verwendet, Plasma-Bildschirme benutzen ein ionisiertes Gas-Plasma ähnlich wie Leuchtstoffröhren. Darüber hinaus können Fernsehbilder genauso wie Kinobilder mithilfe eines Beamers auf eine Leinwand projiziert werden. Zeilenzahl, Bildfrequenz und Farbwiedergabe sind durch technische Übertragungsnormen festgelegt. Der europäische Standard (PAL) sind 625 Zeilen und 25 Bildwechsel pro Sekunde, der amerikanische (NTSC) 525 Zeilen und 30 Bildwechsel pro Sekunde. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung wurde auch das hochauflösende Fernsehens (HDTV) eingeführt, das mit 720 oder mit 1080 Zeilen arbeitet und Fernsehbilder deutlich brillanter wiedergeben kann. Auch ist das Bildformat inzwischen umgestellt; das alte Seitenverhältnis des Fernsehbildes war 4 : 3, das neue ist 16 : 9. Weit verbreitet sind Videorecorder und Festplattenrecorder, mit denen man einzelne Sendungen aufzeichnen und zeitversetzt betrachten kann. Um digitale Programme auf analogen Fernsehgeräten zu empfangen, werden eigene Digitalreceiver gebraucht, die die digitalen Signale in analoge <?page no="36"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 37 37 2 Die Technik umwandeln und neben einem Elektronischen Programmführer (EPG) meist auch noch die Möglichkeit zur Aufzeichnung von Sendungen bieten. Als nächster Entwicklungsschritt zeichnen sich Hybridempfänger ab: Digitale Fernsehgeräte, die auch die Benutzung von Internetangeboten ermöglichen. Ein altbekanntes Zusatzgerät, dessen Einfluss auf das Medium Fernsehen nicht groß genug eingeschätzt werden kann, ist dagegen die Fernbedienung. Sie hat nicht nur die Gerätebedienung vereinfacht, sondern auch das Verhalten der Zuschauer grundlegend verändert. Fernsehgeräte werden wegen ihres Gewichts üblicherweise stationär in der Wohnung aufgestellt, was die Rezeption dieses Mediums nachhaltig bestimmt. Das Fernsehen gilt eben als »Pantoffelkino«. Daneben gibt es immer mehr mobile Endgeräte, die zusammen mit den neuen Übertragungstechnologien auch eine mobile Fernsehnutzung ermöglichen. Eine dritte Form der Fernsehnutzung ist das Public Viewing. Hier werden Sportveranstaltungen und andere Großereignissen auf Großbildschirme übertragen, die auf öffentlichen Plätzen, Straßen und in Stadien aufgestellt sind. Auf diese Weise können unter Umständen mehrere tausend Menschen gleichzeitig an einem solchen TV-Event teilnehmen. Literatur Schleicher, Harald/ Alexander Urban, (Hrsg.) (2005): Filmemachen im digitalen Zeitalter. Technik-- Gestaltung-- Kunst. Klassisch und digital. Frankfurt a. M. <?page no="37"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 38 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 39 Die Sprecherseite Sendeanstalten, Produktionsfirmen, Moderator/ -innen, Kameraleute: Sehr viele und sehr verschiedene Akteure sind an der Produktion von Fernsehsendungen beteiligt. Auf das Modell des kommunikativen Handelns bezogen können sie alle der Sprecherseite zugeordnet werden, und ihre gegenseitigen Beziehungen können als Formen der Mehrfachautorenschaft verstanden werden, da sie alle mit der Herstellung oder der Vermittlung von Medienbeiträgen zu tun haben. Ihre konkrete Ausgestaltung erhalten diese Beziehungen durch das Rundfunkrecht, das die öffentliche Aufgabe und die Rechte des Fernsehens umreißt und seine Organisationsformen festlegt. Hier wird aus einer Makroperspektive die Entwicklung der deutschen Fernsehlandschaft von der Entstehung der Landesrundfunkanstalten bis hin zur Entwicklung des Dualen Systems beschrieben. Die Mesoperspektive betrachtet die Organisation der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehanbieter und die Mikroperspektive stellt die Aufgaben und Funktionen der einzelnen Fernsehschaffenden dar. 3.1 Bürokratischer Apparat und Forum öffentlicher Äußerungen Der große technische Aufwand, der für die Produktion und Übertragung von Fernsehsendungen nötig ist, erfordert einen nicht minder großen Aufwand, um die Verwaltung, die Wartung und den wirtschaftlich effizienten Einsatz dieser Technik zu organisieren. Daher ist der Verwaltungsapparat des Fernsehens kaum weniger umfangreich als sein technischer Apparat. Zusätzlich tragen die Anforderungen des Medienrechts zu den aufwändigen Organisationsstrukturen von Fernsehanstalten bei. Denn wegen der »Macht der Bilder« gilt das Fernsehen als ein besonders einflussreiches Massenmedium, weswegen die gesetzlichen Vorgaben zur Regulierung dieses Einflusses besonders detailliert sind. Auch das bleibt für die Organisationsstrukturen des Fernsehens nicht folgenlos. Ein theoretisches Konzept, das es erlaubt, diese institutionellen Aspekte mit den semiotisch-pragmatischen Ausgangsüberlegungen zum <?page no="38"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 39 Die Sprecherseite Sendeanstalten, Produktionsfirmen, Moderator/ -innen, Kameraleute: Sehr viele und sehr verschiedene Akteure sind an der Produktion von Fernsehsendungen beteiligt. Auf das Modell des kommunikativen Handelns bezogen können sie alle der Sprecherseite zugeordnet werden, und ihre gegenseitigen Beziehungen können als Formen der Mehrfachautorenschaft verstanden werden, da sie alle mit der Herstellung oder der Vermittlung von Medienbeiträgen zu tun haben. Ihre konkrete Ausgestaltung erhalten diese Beziehungen durch das Rundfunkrecht, das die öffentliche Aufgabe und die Rechte des Fernsehens umreißt und seine Organisationsformen festlegt. Hier wird aus einer Makroperspektive die Entwicklung der deutschen Fernsehlandschaft von der Entstehung der Landesrundfunkanstalten bis hin zur Entwicklung des Dualen Systems beschrieben. Die Mesoperspektive betrachtet die Organisation der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehanbieter und die Mikroperspektive stellt die Aufgaben und Funktionen der einzelnen Fernsehschaffenden dar. 3.1 Bürokratischer Apparat und Forum öffentlicher Äußerungen Der große technische Aufwand, der für die Produktion und Übertragung von Fernsehsendungen nötig ist, erfordert einen nicht minder großen Aufwand, um die Verwaltung, die Wartung und den wirtschaftlich effizienten Einsatz dieser Technik zu organisieren. Daher ist der Verwaltungsapparat des Fernsehens kaum weniger umfangreich als sein technischer Apparat. Zusätzlich tragen die Anforderungen des Medienrechts zu den aufwändigen Organisationsstrukturen von Fernsehanstalten bei. Denn wegen der »Macht der Bilder« gilt das Fernsehen als ein besonders einflussreiches Massenmedium, weswegen die gesetzlichen Vorgaben zur Regulierung dieses Einflusses besonders detailliert sind. Auch das bleibt für die Organisationsstrukturen des Fernsehens nicht folgenlos. Ein theoretisches Konzept, das es erlaubt, diese institutionellen Aspekte mit den semiotisch-pragmatischen Ausgangsüberlegungen zum 3 <?page no="39"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 40 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 41 40 Fernsehen im Profil kommunikativen Handeln zu verbinden, ist das Konzept der Mehrfachautorenschaft von Hans-Jürgen Bucher: Medienbeiträge sind hinsichtlich ihrer Urheberschaft mehrschichtig. Sie sind einem Träger des Verbreitungsmediums verpflichtet- - beispielsweise einem Verlagshaus oder einer öffentlichen Anstalt-- gehen zurück auf verschiedene Quellen-- geschriebene Texte, Dokumente, aufgezeichnete oder mitgeschriebene Äußerungen-- werden mehrfach überarbeitet und in der Präsentation zusätzlich formatiert, beispielsweise in das Layout einer Tageszeitung eingepasst oder von einer Rundfunksprecherin dem eigenen Sprechduktus angepaßt. (Bucher 1999 : 216) Mit diesem Konzept lassen sich die verschiedenen Handlungszusammenhänge präzisieren, die auf der Sprecherseite des Mediums Fernsehens angesiedelt sind und die arbeitsteilige Herstellung und Ausstrahlung von Fernsehsendungen bestimmen. Sie gehen alle daraus hervor, dass bei der Benutzung künstlich erzeugter Zeichen die Äußerungshandlung des Sprechers in eine Herstellungs- und eine Mitteilungshandlung auseinanderbricht (Renner 2007 : 457-464). Eine erste Ausprägung dieser Mehrfachautorenschaft ist die aufeinander abgestimmte, gemeinsame Ausführung der gestalterischen Arbeiten, die bei der Produktion von Fernsehbeiträgen anfallen. Kameraleute, Cutter, Komponisten usw. erbringen ja mehr als eine rein technische Umsetzung der Vorgaben von Drehbuch und Regie. Sie tragen eigenständig einen Anteil zur Gestaltung von Fernsehsendungen bei. Dieses Teamwork, das für die Produktion aller audiovisuellen Medienbeiträge charakteristisch ist, kann als horizontale Mehrfachautorenschaft verstanden werden, die sich auf die Herstellungshandlung konzentriert. Die Entscheidung, ob ein Beitrag produziert wird und auf welchem Programmplatz er in Sendung geht, liegt aber nicht beim Team, das diesen Beitrag produziert, sondern bei der Redaktion, die ihn in Auftrag gibt. Letztendlich sind es dann die Direktoren und Intendanten, die in der bürokratischen Hierarchie der Fernsehanstalten die elementaren Selektionsentscheidungen treffen, welche Beiträge produziert und ausgestrahlt werden. Sie legen die Themenbereiche und Sendeplätze fest und geben die Budgets vor, die für die Produktion zur Verfügung stehen. Diese vertikale Mehrfachautorenschaft basiert auf einer Ausdifferenzierung der Entscheidungsmacht über die Mitteilung der kommunikativen Botschaften. Auf diese Weise stellt die Institution Fernsehsender sicher, dass die Beiträge, die sie sendet, auch ihren Programmintentionen und ihrem Profil entsprechen. <?page no="40"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 41 41 3 Die Sprecherseite Eine dritte Form der Mehrfachautorenschaft, die transinstitutionelle Mehrfachautorenschaft, bezieht sich darauf, dass in Fernsehsendungen auch Bilder und Beiträge fremder Autoren ausgestrahlt werden. Das können Agenturbilder für Nachrichtensendungen sein, Zulieferungen und Auftragsproduktionen für Magazine, Spielfilme und Fernsehserien, die im Ausland eingekauft wurden. Alle diese Beiträge tragen zum Profil eines Fernsehprogramms bei, bringen aber aufgrund der semiotischen Eigenheiten audiovisueller Kommunikationsmittel immer auch die Position derjenigen zum Ausdruck, die dieses Material produziert haben (Renner 2007 : 456). Daher ist hier immer die Möglichkeit gegeben, Fernsehsender für fremde Interessen zu instrumentalisieren. Exemplarisch sind die Probleme, die bei der Verwendung von PR-Material entstehen. Selbst wenn es sich um ungeschnittene Aufnahmen handelt: Firmen-Footage zeigt seine Motive immer »im besten Licht« und gibt damit den Fernsehbeiträgen, die es verwenden, schnell den beabsichtigten »Spin«. Insbesondere die vertikale Mehrfachautorschaft legt nahe, die einzelnen Sendeanstalten als institutionelle Akteure zu betrachten, die als Ganzes für die kommunikativen Botschaften verantwortlich sind, die sie in ihren Sendungen vermitteln. Eine alternative Sichtweise sieht im Fernsehen dagegen eher ein Forum, das es individuellen Akteuren erlaubt, ihre Standpunkte öffentlich darzustellen. Das Rundfunkrecht spricht hier vom Rundfunk als »Faktor« und »Medium« der öffentlichen Meinungsbildung (Dörr/ Schwartmann 2010 : 54). Ein anschauliches Beispiel für die Forumsidee sind Gesprächssendungen und Bürgerforen. Dort können Bürger, Politiker und Experten das Fernsehen als Forum benutzen, um zu aktuellen Themen ihre Sicht der Dinge darzustellen. Allerdings verzichtet das Fernsehen auch hier keineswegs völlig auf seine institutionelle Autorenschaft. Denn die Themen wie die Gäste werden von einer Fernsehredaktion ausgewählt, die in die Hierarchie des Senders eingebunden ist, und die Gesprächsführung liegt bei einem Moderator, der ebenfalls dem Sender verpflichtet ist. Konsequent realisiert ist dieser Forumsgedanke jedoch in den Offenen Kanälen. Als Bürgerfernsehen unterstützen sie die öffentliche Meinungsbildung auf kommunaler Ebene. Hier kann jedermann Fernsehsendungen zu Themen seiner Wahl publizieren, für die er dann aber auch presserechtlich verantwortlich ist. Die Landesmedienanstalten, die den Offenen Kanälen Kabelfrequenzen und Produktionstechnik zur Verfügung stellen, üben lediglich die rundfunkrechtliche Aufsicht aus (Kamp/ Gellner 1998). <?page no="41"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 42 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 43 42 Fernsehen im Profil Die institutionelle Dimension des Medium Fernsehens kann also sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und jede dieser Ausgestaltungen hat ihren Einfluss darauf, was im Fernsehen zu sehen ist und was nicht. Daher kann die institutionelle Organisation des Fernsehens aus medienwissenschaftlicher Perspektive als institutionelles Dispositiv verstanden werden. Welche Organisationsformen im Einzelnen verwirklicht werden, hängt von den Rechtsvorschriften ab, die das Presse- und Rundfunkwesen regeln. Die Kommunikationswissenschaft untersucht diese Zusammenhänge aus einer Makro-, Meso- und Mikroperspektive. Die Makroperspektive hat das Mediensystem als Ganzes im Blick, die Mesoperspektive fragt nach den Konsequenzen konkreter Organisationsformen für die gesellschaftlichen Leistungen der Medien und die Mikroperspektive konzentriert sich auf die Funktionen und die Aufgaben, die von den verschiedenen Fernsehschaffenden wahrgenommen werden (Künzler/ Hribal/ Jarren 2005). 3.2 Makroperspektive: Die Entwicklung der deutschen Fernsehlandschaft Das Mediensystem der Bundesrepublik Deutschland hat seine grundlegende Prägung in den Jahren nach 1945 erhalten, als in Westdeutschland unter der Kontrolle der Alliierten ein föderaler und demokratischer Rechtsstaat aufgebaut wurde. Die Rechtsgrundlage dieses Mediensystems ist Artikel 5 Grundgesetz, der über die Meinungsfreiheit hinausgehend auch die Informations-, die Presse- und die Rundfunkfreiheit als Grundrechte festschreibt. Die weitere rechtliche Regulierung von Presse und Rundfunk ist dann Sache der Bundesländer, da die Medien als Kulturgut gelten und somit der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegen. Bundesweit einheitliche Rechtsvorschriften, wie sie für nationale Fernsehprogramme unumgänglich sind, müssen daher in Form von Länderstaatsverträgen vereinbart werden. Die beiden wesentlichen Grundsätze des deutschen Medienrechts sind- - in dezidierter Gegenposition zum totalitären Führungsanspruch des NS-Regimes-- die Staatsferne der Medien und die Sicherstellung der publizistischen Vielfalt. Sie gelten beide als unverzichtbare Elemente einer demokratischen Meinungsbildung. Um die Meinungsvielfalt sicherzustellen, hat das deutsche Medienrecht zwei unterschiedliche Wege eingeschlagen: die Außen- und die Binnenpluralität. Die Presse ist nach dem Prinzip der Außenpluralität orgawww.claudia-wild.de: <?page no="42"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 43 43 3 Die Sprecherseite nisiert. Zeitungen und Zeitschriften stehen in einem wirtschaftlichen Wettbewerb, der wiederum den publizistischen Wettbewerb garantieren soll. Bei den elektronischen Medien erfolgte die Sicherung der Vielfalt bis zur Zulassung privater Rundfunkanbieter jedoch ausschließlich nach dem Prinzip der Binnenpluralität (Dörr/ Schwartmann 2010 : 71). Es gab in der Nachkriegszeit nicht genügend Kapital und Sendefrequenzen, um bei einer Zulassung kommerzieller Sender (nach dem Vorbild der USA) das Entstehen einer vorherrschenden Meinungsmacht zu verhindern; eine staatliche Kontrolle verbot sich aber von selbst. Daher wurden Radio und Fernsehen nach dem Vorbild der britischen BBC als öffentlichrechtlicher Rundfunk organisiert (Dörr/ Schwartmann 2010 : 65). Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten werden von Aufsichtsgremien geleitet, die nicht vom Staat, sondern von den gesellschaftlich relevanten Gruppen besetzt werden (Kirchen, Verbände, Gewerkschaften usw.). Diese Rundfunk- und Fernsehräte sollen dafür sorgen, dass in den öffentlich-rechtlichen Programmen möglichst viele Meinungen angemessen vertreten sind. Problematisch ist jedoch, dass diese Gremien durch parteinahe Freundeskreise immer wieder für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert werden. Auch fehlen allzu vielen Gremienmitgliedern die erforderlichen Fachkenntnisse und Arbeitsmöglichkeiten, um in einer kommerzialisierten Medienwelt dem gesetzlichen Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Programme hinreichend Geltung zu verschaffen (Nehls 2009). Um die Staatsferne sicherzustellen, werden die öffentlich-rechtlichen Sender nicht durch staatliche Mittel, sondern durch Gebühren finanziert, deren Höhe von den Landesparlamenten beschlossen wird. Dies wurde jedoch 1994 vom Bundesverfassungsgericht beanstandet, da hier eine staatliche Einflussnahme möglich sei. Daher wurde die unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) gegründet, die die Höhe des Finanzbedarfs ermitteln soll und den Landesparlamenten eine dementsprechende Empfehlung gibt (Dörr/ Schwartmann 2010 : 59 f.). Eine völlig andere Entwicklung nahm das Mediensystem der DDR. Die Medien waren dort den Prinzipien der marxistisch-leninistischen Pressetheorie verpflichtet. Sie galten als kollektive Propagandisten des Marxismus-Leninismus, waren kollektive Agitatoren zur Unterstützung der staatsbeherrschenden Partei und kollektive Organisatoren, um anleitend und kontrollierend in kulturelle Entwicklungen einzugreifen. Die Pressefreiheit war zwar in der Verfassung vorgeschrieben, wurde aber in der Praxis nicht umgesetzt. Zeitungslizenzen wurden nur an Parteien und <?page no="43"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 44 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 45 44 Fernsehen im Profil Massenorganisationen, nicht aber an Privatpersonen erteilt. Radio und Fernsehen unterstanden dem Staatlichen Rundfunkkomitee und damit dem Ministerrat. Nach der Wende 1989 wurden tiefgreifende Reformen zur Einführung eines pluralistischen Mediensystems durchgeführt. Im deutschen Einigungsvertrag wurde dann festgeschrieben, dass der Rundfunk der DDR und der Deutsche Fernsehfunk bis Ende 1991 in neue Organisationsformen zu überführen waren, die den bundesdeutschen Rechtsverhältnissen zu entsprechen hatten (Wilke 2009). Nicht nur die rechtlichen, auch die organisatorischen Entscheidungen der Alliierten prägen die deutsche Rundfunklandschaft bis heute. Während die Amerikaner, dem föderalistischen Denken der USA verpflichtet, in jedem Land ihrer Besatzungszone einen eigenen Radiosender gründeten (Radio Bremen, Frankfurt, München, Stuttgart), ließen Briten und Franzosen aufgrund ihrer zentralistischen Traditionen jeweils nur einen Sender zu (Hamburg, Baden-Baden). Noch vor Gründung der Bundesrepublik entstanden so die verschiedenen Ein- und Mehrländeranstalten, die bis heute weitgehend fortbestehen (Hickethier 1998 : 64 f.). Eine erste Veränderung erfolgte 1956, als der NWDR, der Nordwestdeutsche Rundfunk, in den NDR und WDR aufgeteilt wurde.1959 kam nach dem Beitritt des Saarlands zur Bundesrepublik der Saarländische Rundfunk als neuer Landessender hinzu und nach der deutschen Wiedervereinigung wurden 1992 der Mitteldeutsche und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg gegründet, der 2003 mit dem Sender Freies Berlin zum Rundfunk Berlin-Brandenburg fusionierte. Als Letztes erfolgte 1998 der Zusammenschluss von Süddeutschem Rundfunk und Südwestfunk zum Südwestrundfunk. Erst mit Einrichtung dieser Zwei-Länder-Anstalt war Abb. 7: Die Landessendeanstalten der ARD und ihre Sendegebiete (commons.wikimedia.org/ wiki/ File: ARD.png) <?page no="44"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 45 45 3 Die Sprecherseite die eigenartige Situation beendet, dass es in Baden-Württemberg aufgrund der ehemaligen Besatzungszonen zwei Landesrundfunkanstalten und im Nachbarland Rheinland-Pfalz keinen eigenen Landessender gab. Bereits 1950 schlossen sich die Sendeanstalten der Länder zu einem lockeren Verbund zusammen: zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, der ARD. Eine wesentliche Aufgabe dieses Zusammenschlusses war der technische und organisatorische Aufbau eines gemeinschaftlich betriebenen Fernsehprogramms. Nach einer Versuchsphase, in der das NWDR-Studio Hamburg eine Vorreiterrolle spielte, und nach dem Aufbau eines bundesweiten Fernseh-Übertragungsnetzes ging am 1.11.1954 das gemeinsame Programm der ARD, das »Deutsche Fernsehen«, auf Sendung (Hickethier 1998 : 66-79). Später wurde daraus das »Erste Deutsche Fernsehen«, seit 1996 nur noch kurz »Das Erste«. Es gab allerdings in Deutschland schon einmal zuvor ein reguläres Fernsehprogramm, das zwischen 1935 bis 1944 vom Fernsehsender Paul Nipkow im Großraum Berlin ausgestrahlt wurde. Dieses Fernsehen unterstand dem Propagandaministerium, gewann für die NS-Propaganda jedoch nie die gleiche Bedeutung wie Radio und Kino. Das lag an der Unzulänglichkeit der damaligen Technik, vor allem aber an den hohen Anschaffungskosten. Nur wenige Leute konnten sich ein eigenes Fernsehgerät leisten, daher wurde das Fernsehen öffentlich in kinoähnlichen Fernsehstuben vorgeführt. Nach Kriegsbeginn diente es zur Unterhaltung in Lazaretten und wurde nach einer Bombardierung des Studios 1944 völlig eingestellt. Gleichwohl ist der Fernsehsender Nipkow für das Entstehen des bundesdeutschen Fernsehens nicht belanglos. Denn nach Kriegsende verschlug es einen Teil seiner Mitarbeiter nach Hamburg, wo sie die Fernsehabteilung des NWDR aufbauten (Hickethier 1998 : 36-59; Winker 1994). Eine erste Zäsur in der Geschichte des bundesdeutschen Fernsehens bildete 1961 die Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens. Dieser Gründung ging ein mehrere Jahre schwelender »Fernsehstreit« voraus, in dem es um die rundfunkrechtlichen Kompetenzen von Bund und Ländern, um die Einführung der Fernsehwerbung, um die Zulassung privater Fernsehanbieter und um den Aufbau eines zweiten Fernsehprogramms ging. Die Situation spitzte sich zu, als 1959 die Bundesregierung unter Konrad Adenauer den Entwurf eines Bundesrundfunkgesetzes verabschiedete, das die Einrichtung drei neuer Sendeanstalten vorsah: des Deutschlandfunks für ein gesamtdeutsches Radioprogramm, der Deutschen Welle für den Auslandsrundfunk und <?page no="45"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 46 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 47 46 Fernsehen im Profil des Deutschland-Fernsehens, das die Ausstrahlung eines bundesweiten, werbefinanzierten Fernsehprogramms ermöglichen sollte. Da dieses Vorhaben wegen des Widerstands der Bundesländer nicht durchzusetzen war, gründete Adenauer 1960 die »Deutschland-Fernsehen GmbH« mit dem Bund als einzigem Gesellschafter. Dieses »Adenauerfernsehen« sollte werbefinanziert sein und sein Programm von einer »Freien Fernsehen GmbH« aus Verlegern, Unternehmern und privaten Anteilseignern produziert werden. Hiergegen legten die SPD-regierten Bundesländer Verfassungsklage ein, die am 28.2.1961 zu ihren Gunsten entschieden wurde. (Hickethier 1998 : 114-118). Das Bundesverfassungsgericht führte als Begründung für seine Entscheidung an, dass der Rundfunk als kulturelles Gut der Gesetzgebungskompetenz der Länder und nicht der des Bundes unterliege und dass die »Deutschland-Fernsehen GmbH« wegen der dominierenden Stellung des Bundes gegen das Prinzip der Staatsferne verstoße. Nicht ausgeschlossen wurde dagegen eine privatrechtliche Organisation des Rundfunks. Dieses 1. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts bildet die elementare Grundlage für alle späteren rundfunkrechtlichen Entscheidungen in Deutschland (Dörr/ Schwartmann 2010 : 58). Bereits 1961 schlossen dann alle Bundesländer den ZDF-Staatsvertrag zur Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens, einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt mit Sitz in Mainz, die ein bundesweites Fernsehprogramm ausstrahlen sollte. Zur Finanzierung wurden dem ZDF 30 % der Rundfunkgebühren zugewiesen, außerdem sollte es einen Teil seiner Kosten durch Werbeeinnahmen begleichen. Die erste reguläre Sendung strahlte das ZDF am 1.4.1963 aus (Hickethier 1998 : 118). Ab 1964 begannen die ARD-Sender nach und nach die Dritten Programme einzuführen. Diese sollten den beiden bundesweiten Programmen keine Konkurrenz machen, sondern waren als Regional- und Studienprogramme für Minderheiten konzipiert. Mitte der 70er Jahre wurden sie jedoch in Vollprogramme umgewandelt und sind inzwischen durch den Ausbau der Kabel- und Satellitenübertragung überall in Deutschland zu empfangen (Hickethier 1998 : 225, 342). Die zweite große Zäsur ist die Zulassung privater Rundfunksender und die Umgestaltung der deutschen Rundfunklandschaft zum Dualen Rundfunksystem. Es verbindet die Prinzipien der Binnen- und der Außenpluralität miteinander, die öffentlich-rechtlichen Sender müssen seitdem mit kommerziellen Sendern um die Aufmerksamkeit der Zuschauer konkurrieren. Als Stichtag gilt der 1.1.1984, an dem das Kabelpilotprojekt Ludwigshafen seinen Sendebetrieb startete. Vorangegangen <?page no="46"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 47 47 3 Die Sprecherseite waren dem ein intensiver Ausbau der Kabelnetze unter Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling mit einer entsprechenden Vermehrung der Übertragungsfrequenzen sowie eine zunehmende Einstrahlung kommerzieller Sender aus dem Ausland, wobei insbesondere der luxemburgische Radio- und Fernsehveranstalter RTL zu nennen ist. Die rechtlichen Grundlagen für das Duale System bilden das 3. und 4. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts. Das 3. Urteil (»FRAG- Urteil«) erklärte 1981 einen privatrechtlichen Rundfunk für zulässig, vorausgesetzt, die jeweilige Landesgesetzgebung stellt die Meinungsvielfalt sicher und verhindert die Bildung einer vorherrschenden Meinungsmacht. Diese Vorgabe führte zur Gründung der autonomen Landesmedienanstalten, die die Rechtsaufsicht über die privaten Rundfunkanbieter ausüben. Das 4. Urteil (»Niedersachsenurteil«) legte 1986 fest, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem Gesamtangebot aus Informations-, Bildungs-, Beratungs- und Unterhaltungssendungen die Aufgabe habe, die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Diese Grundversorgung rechtfertige dann, dass an die werbefinanzierten kommerziellen Programme weniger strenge Maßstäbe angelegt werden können (Dörr/ Schwartmann 2010 : 74 f.). Die Einführung des Dualen Systems hatte für das deutsche Fernsehen einschneidende Konsequenzen. Die kommerziellen Anbieter konnten das Publikum rasch für sich gewinnen, während die Zuschauerzahlen der öffentlich-rechtlichen Sender dramatisch zurückgingen. 1992 stieg RTL erstmals zum Markführer auf (Hickethier 1998 : 427). Aufgrund des Systemcharakters von Medien (vgl. S. 16) beeinflusste diese Entwicklung wiederum die Programmgestaltung der Sender. Der Eindruck entstand, die öffentlich-rechtlichen Sender würden sich in ihrer Themenauswahl und -präsentation immer mehr den privaten annähern. Die Konvergenzhypothese, die diese Entwicklung wissenschaftlich beweisen sollte, konnte jedoch keine klaren Beweise erbringen (vgl. S. 95). Die institutionelle Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Sender verlief dagegen relativ kontinuierlich. Sie nutzten die neuen Übertragungstechniken, um ihre Dritten Programme in ganz Deutschland auszustrahlen. Daneben bauten sie zwei transnationale Satellitenprogramme (3sat 1984, arte 1992) und einige Spartenkanäle auf (EINS PLUS 1986, KI.KA 1997, Phoenix 1997, BR-alpha 1998). Die Entwicklung der privaten Rundfunkanbieter war zunächst sehr unübersichtlich. In einer ersten Phase, bis etwa 1987, entstanden vor allem lokale und regionale Anbieter. Dann aber kam es, begleitet von zahlreichen Umbenennungen und Veränderungen der Eigentumsverwww.claudia-wild.de: <?page no="47"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 48 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 49 48 Fernsehen im Profil hältnisse, zu einer massiven Marktbereinigung. Aus dieser gingen der Bertelsmann-Konzern mit der RTL-Sendergruppe (RTL, RTL II, Vox, mehrere digitale Spartenkanäle) und das Firmen-Konglomerat des Filmhändlers Leo Kirch (Sat.1, ProSieben, kabeleins, Premiere, DF1) als Gewinner hervor. Daneben konnten sich ab 1995 noch Spartenkanäle mit Musik- und anderen Spezialprogrammen etablieren (MTV, Viva, TM3, DSF bzw. Sport1) (Hickethier 1998 : 423). Die meisten privaten Fernsehprogramme werden bis heute frei empfangbar ausgestrahlt (Free-TV), ihre Finanzierung erfolgt durch den Verkauf von Werbezeiten. Angesichts der großen Zahl frei empfangbarer Programme, privater wie öffentlich-rechtlicher, konnte sich das Bezahlfernsehen in Deutschland kaum durchsetzen. Im Gegenteil, die enormen Aufwendungen für den Versuch, ein ertragreiches Pay-TV aufzubauen, führten 2002 zum Zusammenbruch des Kirch-Konzerns, mit 6,5 Milliarden Euro Verbindlichkeiten einer der größten deutschen Insolvenzfälle. Inzwischen haben sich im deutschen Fernsehmarkt die Zuschauerzahlen (vgl. Grafik S. 32) wie auch die Finanzausstattung von öffentlichrechtlichen und privaten Sendern eingependelt und es sind zwei etwa gleich große Duopole entstanden. Einerseits die beiden öffentlich-rechtlichen Programmfamilien ARD und ZDF und andererseits die RTL- Gruppe der Bertelsmann AG und die ProSiebenSat.1 Media AG, die vormalige Kirch-Gruppe, die 2003 vom Investor Haim Saban und dann 2006 von den Kapitalbeteiligungsgesellschaften KKR und Permira übernommen wurde. Ein wichtiges historisches Ereignis, das in diese Zeit fällt und auch die deutsche Medienlandschaft veränderte, ist die deutsche Wiedervereinigung 1990. Das staatliche Radio und Fernsehen der DDR wurden aufgelöst, die daraus hervorgegangenen Sendeanstalten wurden Mitglieder der ARD. Die Entwicklung des Privatfernsehens konnte wiederum von den in der DDR weit verbreiteten Antennen-Kabelnetzen profitieren, da dies die Gründung kleiner Privatsender erleichterte. So sind in Sachsen heute rund 60 private Veranstalter lokaler und regionaler Fernsehprogramme zugelassen, deutlich mehr als in jedem anderen Bundesland. Gegenwärtig befindet sich die deutsche Fernsehlandschaft in einer dritten Umbruchphase, die durch die Digitalisierung der Medientechnik und die Konvergenz der Medien ausgelöst wurde. Diese digitale Revolution hat nicht nur das Dispositiv des technischen Mediums Fernsehen verändert, indem sie ein zeitversetztes, interaktives Fernsehen ermöglicht. Sie stellt auch für das institutionelle Medium Fernsehen eine massive Herausforderung dar. Denn durch die Möglichkeiten des <?page no="48"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 49 49 3 Die Sprecherseite Web-2.0 haben die Fernsehsender ihr Monopol als Anbieter audiovisueller Medienbeiträge verloren. Bewegtbild-Angebote finden sich nun ebenso auf den Websites von Zeitungsverlagen, Wirtschaftsunternehmen, Parteien und Verbänden. Auch kann inzwischen jedermann seine Videoproduktionen auf YouTube und anderen Internetportalen der Allgemeinheit zugänglich machen. Diese Konkurrenzsituation wird noch dadurch verschärft, dass es im Internet bis heute kaum erfolgreiche Bezahlmodelle gibt und Internetpublikationen daher entweder durch den Verkauf von Werbung oder durch die Subvention aus anderen Ertragsquellen finanziert werden müssen. Die Strategie, mit der sich die öffentlich-rechtlichen und die privaten Fernsehsender auf diese neue Konkurrenz eingestellt haben, sind zusätzliche digitale Kabel- und Satellitenprogramme und die Ausweitung der Medienangebote ins Internet. Hierzu gehören Mediatheken zur zeitversetzten Rezeption von Sendungen, sendungsergänzende und eigenständige Online-Angebote (Telemedien). Durch diese »elektronischen Zeitungen« sind die Fernsehsender jedoch in eine neuartige Konkurrenzsituation zu den Zeitungsverlagen geraten, die ebenfalls ins Internet expandieren. 4.527 1.115 224 3.998 636 922 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 Öff.-rechtl. 5.387 Privat 6.035 Sons ges Werbung Gebühr / Abo Abb. 8: Gesamtsumme der Einnahmen aller privater (Free- & Pay-TV) und öffentlichrechtlicher Sender 2010 (in Millionen Euro). (Goldmedia-Studie 2010/ 2011 im Auftrag der Landesmedienanstalten, S. 79) <?page no="49"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 50 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 51 50 Fernsehen im Profil Besonders kritisch ist diese Konkurrenzsituation für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sich des Vorwurfs erwehren müssen, ihre Online-Angebote verstießen gegen das geltende EU-Wettbewerbsrecht. Denn sie würden durch steuerähnliche Gebühren finanziert, was eine verdeckte Form unerlaubter staatlicher Subventionen sei. Die Sendeanstalten berufen sich dagegen auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im 5. Rundfunkurteil von 1987. Um einen Ausgleich beider Positionen zu erzielen, wurde 2009 im Rundfunkstaatsvertrag für die öffentlich-rechtlichen Sender zum einem die Zahl der digitalen Kanäle begrenzt und zum anderen wurde ein Dreistufentest vorgeschrieben, der sicherstellen soll, dass die Online- Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender einen publizistischen Mehrwert (Public Value) besitzen und in keinem unmittelbaren wirtschaftlichen Wettbewerb zu kommerziellen Medienunternehmen stehen (ARD Jahrbuch 2010). 3.3 Mesoperspektive I: öffentlich-rechtliche Fernsehsender Die organisatorische Struktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender resultiert aus ihrer binnenpluralistischen Konzeption. Exemplarisch soll dies anhand des ZDF dargestellt werden. Der ZDF-Staatsvertrag sieht drei Organe vor: den Fernsehrat, der die Richtlinien für das ZDF-Programm aufstellt und die Einhaltung der Programmgrundsätze überwacht, den Intendanten, der das ZDF vertritt und für die Gestaltung der Programme verantwortlich ist, und den Verwaltungsrat, der die Tätigkeit des Intendanten überwacht und den vom Intendanten entworfenen Haushaltsplan beschließt, der dann vom Fernsehrat zu genehmigen ist. Der Fernsehrat setzt sich aus Vertretern der Länder, des Bundes, von Kirchen und Verbänden usw. zusammen, der Verwaltungsrat aus Vertretern der Länder und Mitgliedern des Fernsehrats. Der Intendant wird vom Fernsehrat für eine Amtsdauer von fünf Jahren gewählt. Die zweite Führungsebene bilden die Direktoren, die vom Intendanten im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat berufen werden. Hier sind der Chefredakteur für die journalistischen Sendungen und der Programmdirektor für die anderen Programmbereiche zuständig. Die dritte und vierte Ebene betreffen die Organisation der Redaktionen. Eigens anzuführen sind noch die 16 Landesstudios und das Hauptstadtstudio in Berlin, sowie die 19 Auslandsstudios auf allen Kontinenten. Insgesamt <?page no="50"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 51 51 3 Die Sprecherseite beschäftigt das ZDF etwa 3.600 Mitarbeiter/ -innen, hinzu kommt eine nicht näher bezifferte Zahl von freien Mitarbeitern/ Mitarbeiterinnen (www.unternehmen/ zdf.de). Laut Haushaltsplan 2011 verfügt das ZDF über ein Budget von knapp zwei Milliarden Euro. Davon stammen 1,7 Milliarden aus den Rundfunkgebühren, der Rest sind Werbeeinnahmen und Lizenzgebühren für Fernsehproduktionen, die an ausländische Sender verkauft wurden. Von diesen Einkünften gehen knapp 1,5 Milliarden ins Programm, der Rest sind Personalkosten und technische Investitionen. Zusammen mit seinen Digitalkanälen strahlt das ZDF zurzeit vier Fernsehprogramme aus und betreibt vier weitere Fernsehprogramme in Kooperation mit anderen Sendeanstalten (ZDF Jahrbuch 2010). Die Sender der ARD sind im Prinzip ebenfalls nach diesem Muster aufgebaut. Ihre Organisationsstrukturen sind jedoch deutlich komplizierter, da sie neben ihren Fernsehprogrammen noch zahlreiche Hörfunkprogramme, Landesfunkhäuser und Regionalstudios verwalten müssen. Hinzu kommen die Gremien, Kommissionen und Gemein- Fernsehrat 77 Mitglieder Intendant Verwaltungsrat 14 Mitglieder Programm direktor Chefredakteur Direktor Eur. Satellitenprogramme Verwaltungsdirektor Hauptredak on Fernsehspiel Hauptredak on Aktuelles Produk onsdirektor weitere H-Redak onen weitere H-Redak onen weitere Redak onen Redak on Das kleine Fernsehspiel Redak on heute weitere Redak onen Abb. 9 : Organisationsstruktur des ZDF (vereinfachte Darstellung) (ZDF-Jahrbuch 2010) <?page no="51"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 52 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 53 52 Fernsehen im Profil schaftseinrichtungen der ARD, die- - streng nach föderalem Proporz organisiert-- die Kooperation der rechtlich selbstständigen Sendeanstalten garantieren sollen. Den Vorsitz der ARD führt der Intendant/ die Intendantin der Anstalt, die von der Mitgliederversammlung der ARD für ein Jahr mit der Geschäftsführung der ARD betraut wurde. Die wichtigsten Gemeinschaftseinrichtungen sind die Nachrichtenzentrale ARD-aktuell in Hamburg, das Hauptstadtstudio in Berlin und die Filmeinkaufsorganisation Degeto in Frankfurt sowie die ARD.ZDF medienakademie in Nürnberg, das Institut für Rundfunktechnik in München und die Gebühreneinzugszentrale GEZ in Köln (www.ard.de/ intern/ organisation). Die neun Landesrundfunkanstalten der ARD strahlen täglich 52 Radio- und zwölf Fernsehprogramme aus, hinzu kommen noch drei TV-Digitalkanäle. Sie beschäftigen insgesamt etwa 23.000 feste Mitarbeiter/ -innen und verfügen für ihre Radio- und Fernsehprogramme über ein Jahresbudget von ungefähr 6,3 Milliarden Euro, das zu 85 % aus den Rundfunkgebühren stammt. Der Rest sind Werbeeinnahmen und andere Erlöse. Der Fernsehetat beträgt etwa 2,8 Milliarden (ARD Jahrbuch 2010). ARD und ZDF produzieren ihre journalistischen Programme durchwegs als Eigenproduktionen. Andere Programmbestandteile wie Serien und Spielfilme werden zum Teil von Fremdfirmen als Auftragsproduktionen hergestellt oder fertig eingekauft. Auch verfügen ARD wie ZDF über eine Reihe privatrechtlich organisierter Tochtergesellschaften, die die Werbezeiten vermarkten (z. B. ARD-Werbung SALES & SERVICES GmbH) oder den weltweiten Handel mit Sendelizenzen und internationalen Koproduktionen abwickeln (z. B. ZDF Enterprises GmbH). Weiterhin sind sie über Kapitalverflechtungen Eigentümer großer deutscher Film- und Fernsehstudios wie des Studios Hamburg oder der Bavaria Film GmbH. 3.4 Mesoperspektive II: private Fernsehsender und Landesmedienanstalten Anders als die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind die kommerziellen Sender genauso organisiert wie andere Wirtschaftsunternehmen auch. Das ist deswegen möglich, weil das Privatfernsehen medienrechtlich dem Konzept des Außenpluralismus folgt. Ihre typische Organisationsform ist die Kapitalgesellschaft einer GmbH, die von einem Geschäftsführer geleitet wird. Fast alle diese GmbHs sind ihrerseits wiewww.claudia-wild.de: <?page no="52"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 53 53 3 Die Sprecherseite derum Tochterunternehmen von Aktiengesellschaften oder anderen Kapitalgebern. Hier werden die beiden Verfahren deutlich, nach denen das Kapital für den Betrieb privater Rundfunksender aufgebracht wird: Entweder beteiligen sich wenige große Gesellschafter, die Kenntnisse des Fernsehgeschäfts besitzen und außerdem über eine große Finanzkraft verfügen. Solche Kapitalgeber werden sich aktiv in die Geschicke des Senders einmischen. Oder der Sender findet viele kleinere Gesellschafter, die an die Zukunft der Medienbranche glauben, keine oder wenig Erfahrungen im Fernsehbereich haben und der Unternehmensleitung vertrauen, ohne sie eng zu kontrollieren. (Karstens/ Schütte 1999 : 360) Die Rechtsform einer GmbH kommt dem ersten Modell entgegen, da hier die Gesellschafter gute Möglichkeiten haben, »ihre Kenntnisse, strategische Ansätze und taktischen Überlegungen in die Geschäftspolitik einzubringen« (Karstens/ Schütte 1999 : 362). Auch bei der internen Organisation der einzelnen Programmanbieter sind viele Aufgaben, die beim Betrieb eines Fernsehsenders anfallen, in eine eigene GmbH ausgegliedert (Outsourcing) oder als Auftrag an andere Firmen vergeben. Programm Gesellschaft und Sitz der Firma Kapitaleigner Lizenz RTL RTL TELEVISION GMBH Köln RTL Group [gehört Bertelsmann AG] Niedersächsische Landesmedienanstalt RTL II RTL2 Fernsehen GmbH & Co. KG Grünwald 35,9 % UFA [RTL Group] 31,5 % Heinrich Bauer 31,5 % Tele-München 1,1 % Burda GmbH LPR Hessen Super RTL RTL DISNEY Fernsehen GmbH & Co. KG Köln 50 % RTL Group 50 % Walt Disney LPR Hessen VOX VOX Television GmbH Köln 99,7 % RTL-Television 0,3 % DCTP Landesanstalt für Medien NRW <?page no="53"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 54 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 55 54 Fernsehen im Profil Programm Gesellschaft und Sitz der Firma Kapitaleigner Lizenz n-tv n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH Köln RTL-Television Medienanstalt Berlin- Brandenburg Sat.1 Sat.1 Satellliten- Fernsehen GmbH Unterföhring ProSiebenSat.1 Media AG [gehört KKR und Permira] LMK Rheinland-Pfalz ProSieben ProSieben Television GmbH Unterföhring ProSiebenSat.1 Media AG Medienanstalt Berlin- Brandenburg kabel eins kabel eins Fernsehen GmbH Unterföhring ProSiebenSat.1 Media AG BLM Bayern N24 N24 Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH. Berlin N24 Media GmbH bis Juni 2010: ProSieben- Sat.1 Media AG BLM Bayern SPORT1 SPORT1 GmbH Ismaning Constantin Medien AG BLM Bayern Das Vierte Das Vierte GmbH München Mini Movie International Landesanstalt für Medien NRW Tele 5 TM-TV GmbH Grünwald Tele München GmbH & Co. BLM Bayern Sky […] Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG Unterföhring Sky Deutschland AG 49,9 % News Corporation 51,1 % Streubesitz BLM Bayern Abb. 10: Bundesweite private Fernsehprogramme, ihre Eigentümer und Lizenzgeber (www.die-medienanstalten.de/ service/ datenbanken/ tv-senderdatenbank.html sowie www.kek-online.de und Homepages der Firmen) Die Betriebsgrößen der einzelnen Privatsender können erheblich variieren. So beschäftigt RTL, das ein bundesweites 24-Stundenprogramm sendet, etwa 2.500 Mitarbeiter, während kleine Regional- und Stadtsender mit ein paar Dutzend Mitarbeitern auskommen. Ebenso unterschiedlich ist die finanzielle Situation der einzelnen Sender. <?page no="54"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 55 55 3 Die Sprecherseite Das wichtigste Finanzierungsmodell privater Fernsehanbieter ist nach wie vor der Verkauf von Sendezeiten für die Fernsehwerbung. Als Pay- TV werden lediglich die digitalen Programme von Sky Deutschland betrieben (vormals Premiere). Da gegenwärtig immer mehr Werbung ins Internet verlagert wird, gewinnen jedoch andere Erlösmodelle zunehmend an Gewicht. So sind die digitalen Zusatzkanäle der verschiedenen Senderfamilien inzwischen alle verschlüsselt und nur gegen Bezahlung zu empfangen. Weitere Finanzierungsquellen sind Merchandising, gebührenpflichtige Telefonanrufe bei Abstimmungen und Gewinnspielen sowie Product Placement, das nach der neuen EU-Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste jetzt in Unterhaltungsendungen zulässig ist. Akquise, Platzierung und Vertragsabwicklung der Fernsehwerbung übernehmen eigene Mediaagenturen, die ebenfalls Tochtergesellschaften der Kapitalgeber sind. Bei den Sendern der RTL-Gruppe (außer bei RTL II) ist dies IP Deutschland und bei den Sendern der ProSiebenSat.1- Gruppe SevenOneMedia. Die Bezahlung der Werbung richtet sich nach der Anzahl der Zuschauer, die eine Sendung sehen (Tausender-Kontakt- Preis). Je nach Zuschaueraufkommen kann daher der Preis einer Werbeminute erheblich schwanken, aus diesem Grund versuchen die privaten Programmanbieter aber auch fortwährend Aufmerksamkeit für ihre Sendungen zu erzeugen, um möglichst viele Zuschauer zu gewinnen, die sie an Werbetreibende ›verkaufen‹ können. Damit die Zuschauerzahlen nach einem einheitlichen Verfahren erhoben und berechnet werden, haben die großen privaten und öffentlichrechtlichen Fernsehsender 1988 die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung AGF gegründet. Ihr gehören außerdem noch Vertreter der Mediaagenturen und der Werbewirtschaft an. Das Ziel der AGF ist die gemeinsame Durchführung und Weiterentwicklung der quantitativen Fernsehzuschauerforschung in Deutschland. Die Datenerhebung selbst wird im Auftrag der AGF von der Gesellschaft für Konsumforschung GfK SE durchgeführt, dem größten Marktforschungsinstitut in Deutschland. Zulassung und Rechtsaufsicht über den privaten Hörfunk und Fernsehen ist Aufgabe der14 Landesmedienanstalten. Das sind Anstalten des öffentlichen Rechts in den einzelnen Bundesländern, wobei die Landesmedienanstalten Hamburg Schleswig-Holstein und Berlin-Brandenburg jeweils für zwei Bundesländer zuständig sind. Um dem Prinzip der Staatsferne Rechnung zu tragen, werden sie vergleichbar einer Landesrundfunkanstalt von einem Direktor und einem pluralistisch besetzten Aufsichtsgremium geleitet. Zu ihren Aufgaben gehört die Überwachung der Rechtsvorschriften des Rundfunkstaatsvertrags, insbesondere die <?page no="55"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 56 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 57 56 Fernsehen im Profil Einhaltung des Jugendschutzes und der Werberichtlinien. Eine weitere Aufgabe ist die Förderung der Medienkompetenz, der sie durch medienpädagogische Projekte und durch die Einrichtung von Offenen Kanälen und Ausbildungskanälen nachkommen. Zur bundesweiten Abstimmung ihrer Aufgaben haben die Landesmedienanstalten eine Reihe gemeinsamer Kommissionen gebildet. Die bekannteste davon ist die KEK, die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, die das Entstehen einer vorherrschenden Meinungsmacht verhindern soll. Finanziert werden die Landesmedienanstalten aus den Rundfunkgebühren, von denen sie einen Anteil von etwa zwei Prozent erhalten. 3.5 Mikroperspektive: die Fernsehschaffenden Letztendlich sind es aber weder die öffentlich-rechtlichen Sender noch die privaten, die das Fernsehprogramm machen, sondern die Menschen, die dort arbeiten. Inwieweit ihr Handeln von der institutionellen Organisation der Medien bestimmt wird und inwieweit sie mit ihrem Handeln wiederum die Strukturen dieser Organisationen prägen, ist eines der großen Themen der Kommunikationswissenschaft und der Journalistik. Hier sind besonders zwei Modelle zu nennen, mit denen man die Beziehungen zwischen sozialen Akteuren und sozialen Systemen, also die Interaktion von Mikro-, Meso- und Makroebene, zu verstehen sucht. Das Zwiebelschalenmodell veranschaulicht, wie Journalisten und andere Medienschaffende bei ihrem Handeln in eine Hierarchie zwiebelschalenartig aufeinander aufbauender Organisationsvorgaben und Rechtsvorschriften eingebunden sind (Weischenberg 1992 : 68). Das Konzept der unsichtbaren Hand, das auf die ökonomischen Überlegungen von Adam Smith zurückgeht, bietet eine Erklärung dafür, wie sich durch das sinnvoll aufeinander bezogene Handeln einzelner Akteure Systemzusammenhänge konstituieren, die dann ihrerseits wiederum das Handeln der Akteure strukturieren (Bucher 2000 : 246). Die Produktion und Sendung eines Fernsehbeitrags erfordert die Zusammenarbeit vieler Berufe. Zentral sind dabei die Arbeiten, die in das Berufsfeld der Autoren fallen. Das sind Buch, Regie und Redaktion. Die Aufgabe des (Dreh-)Buchautors besteht darin, eine eigene Idee oder ein von der Redaktion vorgeschlagenes Thema zu einem Drehbuch auszuarbeiten, das dann die Grundlage der weiteren Produktion bildet. Der Regisseur setzt das Buch mit den audiovisuellen Gestaltungsmitteln des Fernsehens um. Er wird dabei vom Aufnahmeteam (Kamera, Ton, Licht), <?page no="56"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 57 57 3 Die Sprecherseite den Schauspielern und der Postproduktion (Schnitt, Grafik, Nachvertonung, Musik) unterstützt, deren Arbeit er im Sinne der Gesamtgestaltung koordinieren muss. Die Aufgabe des Redakteurs besteht wiederum darin, Themen zu finden, die in das Profil der von ihm betreuten Sendung passen, Mitarbeiter zur Realisierung dieser Themen zu gewinnen, und aus dem Redaktionsetat die erforderlichen Produktionsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Organisation größerer Projekte wird dann von einem Produktionsleiter geleistet. Bei journalistischen Filmbzw. Videoproduktionen werden Buch, Regie und Produktionsleitung vom Reporter übernommen. Er recherchiert die Fakten, entwickelt Treatment und Drehplan seines Films und legt bei den Dreharbeiten zusammen mit dem Kamerateam die Einstellungen fest. Außerdem führt er die Interviews und textet den Off-Kommentar. Dieses kompakte Arbeitsprofil fällt bei Studioproduktionen und Ereignisübertragungen in zwei eigenständige Arbeitsbereiche auseinander. Aufgrund der spezifischen Kommunikationsdispositive beider Submedien ist nun ein eigener Bildregisseur für die audiovisuelle Gestaltung zuständig. Die Arbeit der Fernsehjournalisten beschränkt sich jetzt darauf, entweder als Moderator durch die Sendung zu führen oder als Live-Kommentator das Geschehen aus dem Off zu kommentieren (Renner 2007 : 442). Die Aufgabenteilung zwischen einem Moderator, der vor der Kamera agiert und zum Gesicht des Senders wird, und einem Bildregisseur, der die audiovisuelle Gestaltung übernimmt, ist auch für die Unterhaltungsformate des Submediums Sprechfernsehen charakteristisch. Talkshows haben einen Host (Talkmaster), Quizsendungen einen Quizmaster und Gameshows einen Showmaster, der als Spielleiter und Schiedsrichter agiert und die heterogenen Elemente dieser Sendungen miteinander verbindet. Arbeitsrechtlich ist die Welt der Fernsehschaffenden in unüberschaubar viele Formen der Mitarbeiterschaft aufgeteilt. Den Festangestellten, die ihre Arbeiten im Rahmen eines üblichen Angestelltenvertrages erledigen, stehen die freien Mitarbeiter gegenüber, die nur für einzelne Projekte beschäftigt werden und auf Honorarbasis entlohnt werden. Eine dritte Gruppe sind die sogenannten Festen Freien, die fast ausschließlich für einen Sender arbeiten und einen arbeitnehmerähnlichen Status besitzen. Schließlich sind noch jene Fernsehschaffenden zu nennen, die nicht unmittelbar für einen Sender, sondern für eine der Produktionsfirmen arbeiten, die von den Aufträgen leben, die die Sender »nach außen« vergeben. Auf diese Weise ist im Fernsehgeschäft eine »Ökonomie der Unsicherheit« entstanden mit rigiden Kontrollen, hohen Beschäftigungsrisiken und Arbeitsbelastungen, die in einem scharfen Kontrast zu den <?page no="57"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 58 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 59 58 Fernsehen im Profil Werten der Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung stehen, die die Lebenskonzepte von Fernsehschaffenden prägen (Marrs 2007). Ähnlich widersprüchlich ist die öffentliche Wahrnehmung der Fernsehschaffenden. Sie hängt maßgeblich davon ab, ob jemand seinen Arbeitsplatz vor oder hinter der Kamera hat. Denn während Kameraleute, Regisseure, ja selbst die »Hierarchen« (Direktoren, Intendanten) einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt sind, erzeugt ein regelmäßiger Auftritt vor der Kamera öffentliche Aufmerksamkeit. So werden die Moderatoren von Nachrichtensendungen, Talkshows und Unterhaltungsformaten geradezu zwangsläufig zu Fernsehstars. Vergleichbares gilt auch für die Hauptdarsteller von lang laufenden Fernsehserien. Das Schicksal mancher dieser Fernsehstars zeigt allerdings, wie sehr das Handeln individueller Akteure vom Meso- und vom Makrosystem abhängig ist, in dessen Rahmen sie agieren. Denn die Ökonomie des Fernsehens lebt davon, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Daher sind die kommerziellen Sender geradezu von selbst gezwungen, unablässig neue Attraktionen zu bieten, um immer neue Aufmerksamkeit zu generieren. Dies produziert eine Flut von Super- und von Megastars, die durch diese Inflation sofort wieder entwertet werden. Sie alle können gefährlich schnell zu Promis abgestuft werden, um dann im Trash TV ein letztes Mal für Einschaltquoten zu sorgen. Keine Fernsehschaffenden im eigentlichen Sinne, aber dennoch unverzichtbarer Bestandteil vieler Sendungen sind jene bekannten und unbekannten Zeitgenossen, die als Gäste und Protagonisten in Talkshows, dokumentarischen Beiträgen und Reality-TV-Formaten auftreten. Hier haben sich inzwischen Entwertungsmechanismen entwickelt, die ethisch kaum mehr zu verantworten sind. Zwar geht es in vielen dieser Sendungen nach wie vor darum, Menschen eine Gelegenheit zu bieten, ihre Ansichten und Anliegen öffentlich darzustellen. Doch daneben wächst die Zahl von Reality-TV-Formaten, deren Ziel es ist, Menschen öffentlich vorzuführen, um damit Aufmerksamkeit zu erzeugen. Egal, welche Folgen das für die Betroffenen hat (z. B. Internetmobbing). Literatur Hickethier, Knut (1998): Geschichte des deutschen Fernsehens (Unter Mitarbeit von Peter Hoff). Stuttgart. Karstens, Eric/ Schütte, Jörg (2010): Praxishandbuch Fernsehen. Wie TV-Sender arbeiten. 2., aktualisierte Auflage. Wiesbaden. Die Zuschauer Die kommunikativen Potenziale des Mediums und seine dispositiven Restriktionen bestimmen die Nutzung und die Rezeption des Fernsehens sowie die Wirkungen, die es für den einzelnen Zuschauer wie für die gesamte Gesellschaft hat. Die Untersuchung dieser Zusammenhänge fällt in das Fachgebiet der Kommunikationswissenschaft. Hier konzentriert sich die anwendungsorientierte Zuschauerforschung auf die Messung der Einschaltquoten und die Klärung der Motive und Bedürfnisse der Fernsehnutzer. Die grundlagenorientierte Rezeptionsforschung untersucht die kognitiven und emotionalen Vorgänge während der Rezeption von Fernsehsendungen. Der Gegenstand der Wirkungsforschung sind die Auswirkungen des Fernsehens für die Bildung der öffentlichen Meinung, für politische Entscheidungsprozesse und das Selbstverständnis moderner Gesellschaften. 4.1 Konzepte und Methoden der Zuschauerforschung Die Frage, welche Wirkungen das Fernsehen auf seine Zuschauer hat, ist ein klassischer Forschungsgegenstand der Kommunikationswissenschaft und der Medienpsychologie. Im Rahmen des semiotisch-pragmatischen Zugangs kann sie als Frage nach den Wirkungen verstanden werden, die das Kommunikationsdispositiv des audiovisuellen Massenmediums Fernsehens auf seine Zuschauer hat. Es geht also wieder einmal um die »Macht der Bilder«, aber auch um die »Macht der Massenmedien«. Daher ist die Fernsehforschung auf diesem Gebiet besonders umfangreich, vielfältig und leider auch unübersichtlich. Die Kommunikationswissenschaft hat im Laufe ihrer Entwicklung mehrere theoretische Konzepte zum Verständnis der Medienwirkungen hervorgebracht, die sich zum Teil an unterschiedlichen Paradigmen orientieren. Die ältere Medienwirkungsforschung war mehr oder minder strikt dem naturwissenschaftlichen Ursache-Wirkungs-Paradigma verpflichtet und betrachtete die Aussagen der Medien als Stimulus, also als <?page no="58"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 59 Die Zuschauer Die kommunikativen Potenziale des Mediums und seine dispositiven Restriktionen bestimmen die Nutzung und die Rezeption des Fernsehens sowie die Wirkungen, die es für den einzelnen Zuschauer wie für die gesamte Gesellschaft hat. Die Untersuchung dieser Zusammenhänge fällt in das Fachgebiet der Kommunikationswissenschaft. Hier konzentriert sich die anwendungsorientierte Zuschauerforschung auf die Messung der Einschaltquoten und die Klärung der Motive und Bedürfnisse der Fernsehnutzer. Die grundlagenorientierte Rezeptionsforschung untersucht die kognitiven und emotionalen Vorgänge während der Rezeption von Fernsehsendungen. Der Gegenstand der Wirkungsforschung sind die Auswirkungen des Fernsehens für die Bildung der öffentlichen Meinung, für politische Entscheidungsprozesse und das Selbstverständnis moderner Gesellschaften. 4.1 Konzepte und Methoden der Zuschauerforschung Die Frage, welche Wirkungen das Fernsehen auf seine Zuschauer hat, ist ein klassischer Forschungsgegenstand der Kommunikationswissenschaft und der Medienpsychologie. Im Rahmen des semiotisch-pragmatischen Zugangs kann sie als Frage nach den Wirkungen verstanden werden, die das Kommunikationsdispositiv des audiovisuellen Massenmediums Fernsehens auf seine Zuschauer hat. Es geht also wieder einmal um die »Macht der Bilder«, aber auch um die »Macht der Massenmedien«. Daher ist die Fernsehforschung auf diesem Gebiet besonders umfangreich, vielfältig und leider auch unübersichtlich. Die Kommunikationswissenschaft hat im Laufe ihrer Entwicklung mehrere theoretische Konzepte zum Verständnis der Medienwirkungen hervorgebracht, die sich zum Teil an unterschiedlichen Paradigmen orientieren. Die ältere Medienwirkungsforschung war mehr oder minder strikt dem naturwissenschaftlichen Ursache-Wirkungs-Paradigma verpflichtet und betrachtete die Aussagen der Medien als Stimulus, also als 4 <?page no="59"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 60 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 61 60 Fernsehen im Profil Ursache, und das Verhalten der Rezipienten als Response, d. h. als Wirkung (Bonfadelli/ Wirth 2005 : 568-573). Im Zusammenhang mit der Verbreitung des Fernsehens setzte sich dann ab etwa 1960 der Uses-and- Gratifications-Ansatz (Plake 2004 : 38-52) durch. Der Begriff der Mediennutzung, der für diesen Ansatz charakteristisch ist, steht dem ökonomischen Begriff des Nutzens nahe, der als Maß für die relative Bedürfnisbefriedigung gilt, die ein Nutzer durch den Gebrauch eines Gutes erzielt. Dieses Medienwirkungskonzept geht von einem aktiven Publikum aus. Es fragt nicht danach, was die Medien mit den Rezipienten, sondern was die Rezipienten mit den Medien machen: wie die Bedürfnisse der Rezipienten deren Mediennutzung bestimmen. Um 1990 wurde der dynamisch-transaktionale Ansatz entwickelt, der die aussagen- und die rezipientenzentrierte Perspektive der beiden anderen Ansätze miteinander verbindet und das Medienwirkungsgeschehen als eine komplexe Interbzw. Transaktion von Medienumwelt und Rezipienten erklärt (Bonfadelli/ Wirth 2005 : 573). Der recht vage alltagssprachliche Begriff der Wirkung wird von der Kommunikationswissenschaft mithilfe dreier Unterbegriffe näher erfasst, Medienangebot Kommunikatoren - Inten onen und Ziele - Manipula onsabsicht - usw. Medien - Zielgruppe - Grad an Interak vität - usw. Aussagen - Frequenzen - Auffälligkeit - usw. - Probleme - Zuwendungsmo ve - usw. Mo va on - Vorwissen - Bildung - usw. Kompetenz - Einstellung - Involvement - usw. Situa on Mediennutzer Zuwendung Aufmerksamkeit Rezep on Akzeptanz Abb. 11: Inter-/ Transaktion von Medienbotschaft und Mediennutzer (nach Bonfadelli/ Wirth 2005 : 573) <?page no="60"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 61 61 4 Die Zuschauer die die drei Forschungsfelder auf diesem Gebiet umreißen. Der Begriff der Mediennutzung bezieht sich auf Medienwirkungseffekte in der präkommunikativen Phase. Die Erforschung der Mediennutzung befasst sich mit dem Publikum. Sie fragt danach, warum sich Menschen bestimmten Medien zuwenden und wie ihre Medienselektion zu erklären ist, etwa durch frühere Nutzungserfahrungen. Der Begriff der Rezeption bezieht sich auf die kommunikative Phase und bezeichnet die kognitiven und affektiven Prozesse, die in dieser Phase ablaufen. Sie werden von der Rezeptionsforschung untersucht. Unter den Medienwirkungen im engeren Sinne werden schließlich die postkommunikativen Effekte verstanden, die die Mediennutzung und die Medienrezeption für das einzelne Individuum wie für die gesamte Gesellschaft haben. Sie sind der Gegenstand der Medienwirkungsforschung im engeren Sinne (Bonfadelli/ Jarren u. a. 2005 : 495 f.). Ein weiteres wichtiges Konzept für die Erforschung der Medien ist der Begriff des Publikums. Wie dieser Begriff genau verstanden wird, richtet sich nach dem jeweiligen Erkenntnisinteresse. Das Publikum kann mit der Zielgruppe eines Programms identifiziert werden, es kann als Öffentlichkeit und damit als gesellschaftlicher Akteur, es kann aber ebenso als opake Masse verstanden werden. Programmangebote können wiederum so konzipiert werden, dass sie sich an vorgefundene soziale Gruppen als ein potenzielles Publikum richten, etwa die Sendungen für Sportinteressierte. Ebenso gibt es aber auch Sendungen, die sich ihr Publikum selbst erzeugen. Ein Beispiel ist die Sendung ARD-Buffet, die durch ihren festen Sendeplatz, durch vielfältige Mitmachmöglichkeiten bis hin zum ARD- Buffet-Wandertag ein Stammpublikum aufgebaut hat, das für konstante Einschaltquoten sorgt. Solche reziproken Wechselbeziehungen zwischen Sendungen und ihrem Publikum lassen sich eigentlich nur mit dem dynamisch-transaktionalen Ansatz erfassen. Zur Untersuchung des Zuschauerverhaltens steht der Medienforschung ein Repertoire empirischer Methoden zur Verfügung. Neben der Messung der Einschaltquoten und den verschiedenen Formen der Beobachtung und Befragung gibt es experimentelle Methoden wie die Blickregistrierung durch Eye-Tracking-Kameras oder die Messung psychophysiologischer Indikatoren (Puls, Atemfrequenz, Hautwiderstand usw.) (Mangold 1998). Ein Verfahren, das zunehmend zur Anwendung kommt, ist die Real-Time-Response-Messung. Man zeigt den Probanden einen Fernsehbeitrag und diese können mithilfe eines individuell zu bedienenden Handreglers fortlaufend die aktuellen Inhalte bewerten. Damit kann man Bewertungsprofil und Inhaltsprofil miteinander korrewww.claudia-wild.de: <?page no="61"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 62 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 63 62 Fernsehen im Profil lieren. Diese Methoden werden auch miteinander kombiniert, um damit ihre Vor- und Nachteile zu kompensieren. Bei all diesen Untersuchungen erhält man zunächst individuelle Daten, die Rückschlüsse auf das individuelle Fernsehverhalten einzelner Zuschauer zulassen. Um dann allgemein verbindliche Aussagen über das Verhalten bestimmter Zuschauergruppen oder das generelle Zuschauerverhalten treffen zu können, müssen diese Individualdaten mithilfe ausgefeilter statistischer Verfahren hochgerechnet werden (Wirth/ Hättenschwiler 2005). 4.2 Die Nutzung des Mediums Fernsehen Grundbegriffe der Zuschauerforschung Wie alle Massenmedien ist auch das Fernsehen auf die Ergebnisse der Mediennutzungsforschung angewiesen, um damit ein Kommunikationsproblem zu lösen, das für die Dispositive aller Massenmedien charakteristisch ist: die Sicherstellung des Rezipientenbezugs. Wegen dieses engen Praxisbezugs ist die Zuschauerforschung eine besonders anwendungsorientierte Forschung. In der Face-to-Face-Kommunikation ist der Rezipientenbezug durch die gemeinsame Kommunikationssituation von Sprecher und Hörer und durch dessen unmittelbare Interaktionsmöglichkeiten garantiert. Beides Publikumstyp Masse Zielgruppe Individuum sozialer Akteur Fan-Kultur Bezugsbereich Gesellschaft Markt Lebenswelt Öffentlichkeit Sinn- Gemeinde Perspektive zivilisatorisch wirtschaftlich psychologisch politisch kulturell Rolle sozialer Charakter Konsument Individuum Bürger Mensch Theorien Kulturkritik Publikumsforschung Uses-and- Gratification z. B. Wissenskluft- These Cultural Studies Abb. 12: Theoretische Konzeptionen des Medienpublikums (nach Marr/ Bonfadelli 2005 : 502) <?page no="62"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 63 63 4 Die Zuschauer ist wegen der einseitigen Kommunikationsrichtung bei massenmedialen Kommunikationsbeziehungen nicht gegeben. Hinzu kommt, dass sich Massenmedien an ein disperses Publikum richten, bestehend aus Menschen mit unterschiedlichem Vorwissen und unterschiedlichen Interessen. Dennoch gelten auch hier die gleichen Kooperationsprinzipien wie in der Face-to-Face-Situation. Die Medienangebote müssen für ihre Nutzer auf irgendeine Art und Weise relevant sein und sie müssen so gestaltet werden, dass sie weder zu wenig noch zu viel Vorwissen voraussetzen. Das eine würde die Rezipienten langweilen, das andere würde sie überfordern. Zwar haben die Fernsehzuschauer seit jeher die Möglichkeit, den Redakteuren ihre Meinung zum Programm mitzuteilen. Zuschauerpost gab es schon immer und das Internet bietet ganz neue Möglichkeiten. Doch bleibt dabei immer offen, wie repräsentativ individuelle Äußerungen sind. Daher ist die Messung der Einschaltquoten für die Programmmacher eine wichtige Rückmeldung, welches Interesse ihre Sendungen finden. Doch noch mehr Einfluss hat die Quotenmessung auf die Fernsehmacher, weil ihre Daten die Grundlage für die Werbeeinnahmen der werbefinanzierten Programme bilden (vgl. S. 55). Die Forschungen zur Fernsehnutzung in Deutschland stützen sich vor allem auf die Daten, die von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung in Zusammenarbeit mit der GfK Fernsehforschung gemessen werden (AGF/ GfK-Daten). Die Grundlage dieser Quotenmessung ist ein Panel von derzeit 5.640 Haushalten, in denen fast 13.000 Personen leben. Es ist so zusammengestellt, dass es ein repräsentatives Bild (fast) aller Fernsehzuschauer in Deutschland widerspiegelt. Nicht erfasst werden die Bewohner von Sammelunterkünften (Hotels, Altersheime usw.) und Migranten aus Ländern außerhalb der EU. Beide Restriktionen sind angesichts des demographischen Wandels allerdings kein zu vernachlässigendes Problem. Die Panelhaushalte sind mit einem Messgerät ausgestattet, das 24 Stunden lang sekundengenau die Nutzung von Fernsehgeräten, Videorekordern usw. registriert und dabei automatisch auch die jeweiligen Benutzer festhält. So können die Einschaltquoten personenbezogen und nicht mehr wie früher haushaltsbezogen erfasst werden. Diese Daten werden in der Nacht an den zentralen Rechner übertragen und dort statistisch ausgewertet. Die ersten Ergebnisse werden wird dann bereits am nächsten Morgen im Videotext veröffentlicht (www.agf.de). <?page no="63"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 64 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 65 64 Fernsehen im Profil Begriff Bedeutung Definition Einschaltquote veralteter Begriff steht oft für Sehbeteiligung in-Prozent Prozentanteil Haushalte eines Kanals/ alle Haushalte Zuschauer gesamt alle Fernsehzuschauer alle Zuschauer ≥ 3 Jahre Kinder Kinder als Fernsehzuschauer Zuschauer 3-- 13 Jahre Erwachsene erwachsene Fernsehzuschauer Zuschauer ≥ 14 Jahre Marktanteil (MA) in Prozent Fernsehzuschaueranteil Prozentanteil der Zuschauer eines Kanals/ alle Zuschauer im Zeitabschnitt Millionen Zuschauer in Millionen hochgerechneter Sehbeteilungswert Reichweite vieldeutiger Begriff meistens verwendet für die durchschnittliche Sehbeteiligung Sehbeteiligung Durchschnittsreichweite der Zuschauer [pro Sendung ohne Zeitabschnitt] (Summe der Sehdauer der Zuschauer eines Kanals/ Dauer der Sendung) * Personen in TV-Haushalten * 100 Sehdauer durchschnittliche Zusehdauer von allen Kindern oder Erwachsenen Sehdauer der Personen in Fernsehhaushalten [Pro-Kopf-Nutzung] Verweildauer Zusehdauer der Seher Während »Sehdauer« ein rein statistischer Durchschnittswert ist, ist dies eine Angabe darüber, wie lange die Personen fernsehen, die ihr Fernsehgerät tatsächlich eingeschaltet haben. Sehdauer der tatsächlichen Fernsehnutzer Abb. 13: Begriffe zur Auswertung der AGF/ GfK-Daten (Buß 1998 : 789) Da die AGF/ GfK-Daten die Grundlage weitreichender Programmentscheidungen bilden, wird das AGF/ GfK-Panel akribisch gepflegt. Um demographische Veränderung und sonstige Verschiebungen auszugleiwww.claudia-wild.de: <?page no="64"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 65 65 4 Die Zuschauer chen, werden jedes Jahr etwa 20 Prozent der Panelhaushalte neu besetzt. Auch wird durch stichprobenartige Telefoninterviews fortwährend überprüft, inwieweit die gemessenen Daten mit dem berichteten Zuschauerverhalten übereinstimmen. Weiterhin werden die Panelhaushalte geheim gehalten, um Einflüsse Dritter auf deren Fernsehverhalten zu verhindern. Trotz der immer wieder aufkeimenden Vorbehalte gegen die AGF-Quoten sind sie valide (Buß 1998). Welchen Einfluss die Quoten auf die Programmverantwortlichen haben und welche Konsequenzen diese daraus ziehen, ist allerdings eine andere Frage. Neben der Zuschauermessung durch AGF und GfK gibt es noch weitere Erhebungen zum Zuschauerverhalten: die MA, die Media-Analyse der werbungtreibenden Wirtschaft und die AWA, die Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse des Instituts für Demoskopie in Allensbach. Besonders zu erwähnen ist schließlich die Studie Massenkommunikation, eine weltweit einmalige Langzeituntersuchung von ARD und ZDF. Sie erfasst die langfristige Entwicklung der Mediennutzungsgewohnheiten im Intermediavergleich, wurde erstmals 1964 durchgeführt und wird seit 1970 alle fünf Jahre wiederholt (Engel/ Ridder 2010). Basisdaten der Fernsehnutzung in Deutschland So gut wie alle Haushalte in Deutschland besitzen heute ein Fernsehgerät, fast jeder zweite Haushalt verfügte 2010 bereits über einen digitalen Empfang. Auch hat sich in den letzten Jahren die DVD- und Harddisk-Technologie stark verbreitet, 2010 verwendeten ein Drittel aller Haushalte bereits digitale Aufzeichnungsmöglichkeiten. Dementsprechend geht inzwischen die Zahl der Videorekorder zurück (Zubayr/ Gerhard 2011 : 126). Betrachtet man den Fernsehkonsum, so nimmt die Fernsehnutzung in Deutschland kontinuierlich zu. Betrug die tägliche Sehdauer im Jahr 2000 noch 3 Stunden und 10 Minuten, so lag sie 2010 bei 3 Stunden 43 Minuten (Zubayr/ Gerhard 2011 : 127). Das sind allerdings rein rechnerische Werte, die Zuschauer und Nicht-Zuschauer gleichermaßen erfassen. Die tägliche Verweildauer, also die Fernsehnutzung der »tatsächlichen Fernsehnutzer«, ist deutlich höher. Sie liegt bei knapp fünf Stunden (Neuwöhner/ Schäfer 2007 : 243). Damit entfällt also gut die Hälfte der täglichen Mediennutzung, die 2010 nicht ganz zehn Stunden betrug, auf das Fernsehen. Es stellt sich die Frage, wann hier die natürliche Grenze erreicht ist (Engel/ Ridder 2010 : 9). Die Zunahme des Fernsehkonsums hängt heute aber nicht mehr mit der Zunahme der Programme zusammen. Denn weniger als drei Prowww.claudia-wild.de: <?page no="65"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 66 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 67 66 Fernsehen im Profil zent der Zuschauer nutzen das gesamte Empfangspotenzial. Betrachtet man die individuell genutzten Programme, so decken von all den Programmen, die man im Laufe eines Fernsehtags einschaltet, bereits die beiden am meisten genutzten etwa die Hälfte des individuellen Fernsehkonsums ab (Beisch/ Engel 2006). Dem entspricht, dass ein Fernsehhaushalt durchschnittlich 77 Programme empfangen kann, dass aber mehr als zwei Drittel der Nutzung auf die sechs großen Programme entfallen. Alle anderen Sender müssen sich das letzte Drittel teilen. (Zubayr/ Gerhard 2011 : 128). Der Verlauf der täglichen Fernsehnutzung ist über die Jahre hinweg weitgehend gleich geblieben, Fernsehen wird abends geschaut. Daher gilt es in der Zuschauerforschung als Abendmedium, während Radio und Zeitung als Tagesbegleitmedien gelten. Die Nutzungskurve des Fernsehens steigt tagsüber nur langsam an, nimmt ab dem späten Nachmittag rapide zu und erreicht gegen 21 Uhr ihr Maximum. Etwa 60 % aller Erwachsenen sehen in Deutschland dann fern. Komplementär dazu verlaufen die Nutzungskurven von Radio und Zeitung. Sie erzielen bereits am Morgen ihre maximalen Werte, gehen dann langsam zurück und fallen gegen Abend ab. Lediglich das Internet wird ziemlich gleichmäßig und durchgängig genutzt (Engel/ Ridder 2010 : 18). Vergleicht man die Nutzungskurven von Fernsehen und Radio und setzt sie mit den Kommunikationsdispositiven in Beziehung, so wird RTL 13,6 Das Erste 13,2 Alle Dri e 13,0 ZDF 12,7 Sat.1 10,1 ProSieben 6,3 VOX 5,6 kabel eins 3,9 Super RTL 2,2 KI.KA 2,1 3sat 1,0 Phoenix 1,0 N24 1,0 n-tv Arte DSF Eurosport Tele5 DMAX Das Vierte Abb. 14: Marktanteile der Fernsehprogramme in Deutschland 2010; Zuschauer ab 3 Jahren, Mo-So, 3.00-3.00 Uhr (Zubayr/ Gerhard 2011 : 130 f.) <?page no="66"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 67 67 4 Die Zuschauer deutlich, wie die komplementäre Nutzung der beiden Medien mit den unterschiedlichen Wahrnehmungsmodalitäten ihrer Zeichensysteme zusammenhängt. Zur Rezeption des Radios ist ausschließlich die auditive Sinneswahrnehmung erforderlich, während zur Rezeption des Fernsehens vor allem der visuelle Wahrnehmungsapparat benötigt wird. Da aufgrund der menschlichen Physiologie die visuelle Wahrnehmung aber wesentlich mehr Aufmerksamkeit absorbiert als die auditive, kann man bei der Fernsehnutzung nur schwer anderen Tätigkeiten nachkommen. Das ist beim Radiohören nicht der Fall, radiohören kann man auch, wenn man Auto fährt oder arbeitet. Das Dispositiv des Fernsehens beschränkt also die Nutzungsmöglichkeiten dieses Mediums derart, dass man eigentlich nur dann fernsehen kann, wenn man nichts anderes zu tun hat. Dem widerspricht auch nicht, dass sich das Nachmittagsfernsehen immer stärker zu einem Nebenbei-Medium entwickelt. Gerade die Nachmittagsangebote sind ja besonders sprachlastig, sodass man ihnen auch ohne Hinzusehen gut folgen kann. Die dispositiven Restriktionen des Fernsehens können also gut erklären, warum so wenig Leute tagsüber fernsehen: Das ist während der Arbeitszeit kaum möglich. Sie können aber nicht begründen, warum das Fernsehen abends so stark genutzt wird und die Menschen in dieser Zeit nicht lesen, radiohören oder anderen Freizeitaktivitäten nachgehen. Was sind also die spezifischen dispositiven Möglichkeiten, die das Fernsehen den anderen Medien voraus hat? 0 10 20 30 40 50 60 70 5.00 6.00 7.00 8.00 9.00 10.00 11.00 12.00 13.00 14.00 15.00 16.00 17.00 18.00 19.00 20.00 21.00 22.00 23.00 Fernsehen Radio Internet Tageszeitung Abb. 15: Mediennutzung im Tagesverlauf 2010 (BRD gesamt, 14+) (ARD/ ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2010; van Eimeren/ Ridder 2011 : 11) <?page no="67"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 68 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 69 68 Fernsehen im Profil Motive der Fernsehnutzung Ein Untersuchungsgegenstand der Zuschauerforschung, der mit den spezifischen Stärken des Mediums Fernsehen zusammenhängt, ist die Frage nach den Nutzungsmotiven. Diese Fragestellung zielt zwar nicht auf das kommunikative Potenzial des Dispositivs Fernsehen, man darf aber annehmen, dass die Gründe für die Nutzung eines Mediums in besonderer Weise mit seinem Potenzial zusammenhängen. Die drei wichtigsten Motive, Fernsehen zu schauen, sind demnach: sich zu informieren, Spaß zu haben und sich zu entspannen (Engel/ Ridder 2010 : 25). Das Fernsehen wird also gleichermaßen als Informations- und Unterhaltungsmedium genutzt. Daneben spielen noch Gewohnheiten und die Kompensation sozialer Bedürfnisse eine Rolle. Man kann hier sicher zu Recht die Ursache für die intensive Fernsehnutzung am Abend vermuten. Die Leute sind durch ihre Alltagsaktivitäten nicht mehr gebunden und können nun das Medium mit dem größten Potenzial für ihre Entspannung nutzen. In ähnlicher Weise wie das Fernsehen wird auch das Radio für Informations- und Unterhaltungszwecke genutzt, wobei der Faktor »Spaß« an erster Stelle steht. Die Zeitung besitzt dagegen eindeutig das Profil eines Informationsmediums. Man liest Zeitung, um sich zu informieren, um Nützliches für den Alltag zu erfahren und um mitreden zu können. Ein ähnliches Profil besitzt auch das Internet. Seine wichtigsten Nutzungsmotive sind die Möglichkeiten, sich zu informieren, Spaß zu haben und mitreden zu können (Engel/ Ridder 2010). 84 81 77 64 61 58 58 51 26 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 sich informieren macht Spaß entspannen Nützliches für den Alltag sich ablenken aus Gewohnheit mitreden können Denkanstöße bekommen sich nicht alleine fühlen "tri� voll und ganz / weitgehend zu" Angaben in % Abb. 16: Die Nutzungsmotive des Fernsehens (BRD gesamt, 14+) (ARD/ ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2010. Engel/ Ridder 2010 : 25) <?page no="68"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 69 69 4 Die Zuschauer Die Einstufung des Fernsehens als Informations- und Unterhaltungsmedium lässt aber offen, inwiefern diese Nutzungsmotive von der audiovisuellen Ausdrucksubstanz oder von den spezifischen Medienbeiträgen des Fernsehens abhängig sind. Das wird deutlich, wenn man fragt, welche Motive am ehesten auf die Nutzung der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehprogramme zutreffen. Demnach werden die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme bevorzugt für Zwecke der Information und die privaten für Zwecke der Unterhaltung genutzt (Engel/ Ridder 2010 : 30). Da öffentlich-rechtliche wie private Fernsehsender die gleiche semiotische Ausdruckssubstanz verwenden, lassen sich diese unterschiedlichen Nutzungsprofile nur mit den unterschiedlichen Programmangeboten der beiden Sendergruppen erklären. Diese Unterschiede hängen ihrerseits wiederum mit ihren unterschiedlichen Organisations- und Finanzierungsformen zusammen, also mit den institutionellen Dispositiven des Medium Fernsehens. Zuschauermilieus und Mediennutzertypologie Eine weitere Aufgabe der Fernsehzuschauerforschung besteht darin, über die reine Messung der Einschaltquoten hinaus diese Daten auch so zu interpretieren, dass sich die Fernsehschaffenden und die Media Agenturen ein Bild der Zuschauer machen können. Erste Hinweise liefern die soziodemographischen Daten über Alter, Geschlecht, Bildungsstand usw. Immer wichtiger werden aber die sozialen Milieus, die die Werte- 73 63 62 59 42 30 33 30 26 19 27 28 31 45 47 59 61 63 0 10 20 30 40 50 60 70 80 sich informieren Nützliches für den Alltag Denkanstöße bekommen mitreden können aus Gewohnheit sich nicht alleine fühlen macht Spaß entspannen sich ablenken "tri� am ehesten zu auf ... ? " Angaben in % privat öff.-rechtlich Abb. 17: Nutzungsmotive öffentlich-rechtlicher/ privater Fernsehprogramme (BRD gesamt, 14+) (ARD/ ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2010. Engel/ Ridder 2010 : 30) <?page no="69"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 70 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 71 70 Fernsehen im Profil Gruppe Charakteristik Mediennutzung Junge Wilde hedonistisch, materialistisch, konsumorientiert, adoleszentes Verhalten Altersstufe: 14-29; Ø 22,9 Bevölkerungsanteil: 11,5 % Starke Outdoor-Orientierung, Reizsuche TV: sehr geringe Nutzung; RTL, ProSieben, MTV u. ähnliche Radio: Junge Wellen Online: Kommunikationsmedium Zielstrebige Trendsetter pragmatische Idealisten und selbstbewusste Macher, breite Interessen, Erfolgsorientierung Altersstufe: 14-29; Ø 24,2 Bevölkerungsanteil: 6,5 % Outdoor, Bücher, Instrumente spielen TV: geringe u. zeitversetzte Nutzung; ProSieben, RTL Radio: geringe Nutzung Online: gezielte Nutzung aller Möglichkeiten von Web 2.0 Unauffällige Orientierung am Privaten, wenig Kontakte, passiv, ökonomisch eingeschränkt, starkes Bedürfnis nach Unterhaltung Altersstufe: 30-49; Ø 38,7 Bevölkerungsanteil: 11,5 % Mediennutzung zur Alltagsbegleitung TV: mittlere Nutzung; RTL, Sat.1, ProSieben Radio: private Programme Online: Nutzung als Marktplatz und-Tauschbörse Berufsorientierte starke Berufsbezogenheit, wenig Zeit für anderes, nüchtern, rational, Kulturfaible, eher ledig als verheiratet Altersstufe: 30-49; Ø 40,9 Bevölkerungsanteil: 8,4 % Bücher, Theater, Konzerte TV: mittlere Nutzung; RTL, ARD, Sat.1, ZDF, Dritte Radio: relativ hohe Nutzung Online: umfassende Nutzung; primäres Informationsmedium Aktiv Familienorientierte Familienmenschen, bodenständig, selbstbewusst, gut organisiert, clever/ findig, dynamisch/ lebendig Altersstufe: 30-49; Ø 41,6 Bevölkerungsanteil: 15,0 % Mediennutzung zur Alltagsbegleitung TV: mittlere Nutzung; RTL, Sat.1, ARD, ZDF Radio: kommerzielle Mainstream- Popformate Online: Nutzung als Marktplatz <?page no="70"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 71 71 4 Die Zuschauer Gruppe Charakteristik Mediennutzung Moderne Kulturorientierte (ehemalige) kulturelle Avantgarde, intellektuellster Typ, hohes Aktivitätsniveau, medienkritisch, weltoffen Altersstufe: 0-69; Ø 53,2 Bevölkerungsanteil: 6,0 % kritischer Umgang mit allen Medien TV: geringe Nutzung; ARD, ZDF, Dritte, auch Arte, 3sat Radio: geringe Nutzung; Kultur- und Informationswellen Online: selektive Nutzung Häusliche Bedürfnis nach Sicherheit und Kontinuität im Alltag, eher traditionelle Wertvorstellungen und Rollenbilder Altersstufe: 40-70+; Ø 57,5 Bevölkerungsanteil: 15,2 % Freizeitaktivitäten Haus und Garten TV: Vielseher; ARD, ZDF, Dritte, RTL, Sat.1 Radio. Melodie- und Oldies-Formate Online: relativ viele Online-Nutzer Vielseitig Interessierte sehr breites Interessenspektrum, gesellig, aktiv, erlebnisfreudig, bodenständig Altersstufe: 60-70+; Ø 64,6 Bevölkerungsanteil: 9,6 % viele Freizeit-Aktivitäten TV: Vielseher; ARD, ZDF, Dritte Radio: Vielhörer Online: spielt (noch) eine Randrolle Kulturorientierte Traditionelle eher konservativ und traditionell geprägtes Weltbild, häuslicher Radius, gleichzeitig (hoch-)kulturelle Aktivitäten Altersstufe: 60-70+; Ø 65,2 Bevölkerungsanteil: 8,1 % klassische Angebote des Kulturlebens TV: mittlere Fernsehnutzung; Dritte, ARD, ZDF, auch Arte, 3sat Radio: Kultur- und Informationswellen Online: geringe Nutzung Zurückgezogene traditionell, häuslich, eher passiv, hohe Bedeutung von Sicherheit u. Harmonie, gering ausgeprägte Interessen Altersstufe: 70+; Ø 69,1 Bevölkerungsanteil: 8,2 % wenige Kontakte außer Haus TV: Vielseher; Dritte, ARD, ZDF Radio: Melodie-Formate Online: kaum Zugang zum Internet Abb. 18: Übersicht über die Mediennutzertypologie MNT 2.0 (eigene Darstellung nach Oehmichen 2007 und Neuwöhner/ Schäfer 2007) <?page no="71"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 72 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 73 72 Fernsehen im Profil orientierungen der Zuschauer, ihre Einstellung zur Arbeit, Freizeitgestaltung usw. erfassen. Am bekanntesten sind hier die sogenannten Sinus- Milieus, die vom Markt- und Sozialforschungsinstitut Sinus GmbH festgestellt und beschrieben wurden. Speziell für die Mediennutzung hat die ARD-Medienforschung eine eigene Mediennutzertypologie entwickelt, die auf Merkmalen wie dem Freizeitverhalten, den Themeninteressen und dem Lebensstil basiert, ergänzt um Lebensziele, Grundwerte und Persönlichkeitseigenschaften. Diese Typologie liefert ein differenziertes und anschauliches Bild des Publikums von Hörfunk, Fernsehen und Internet. Sie wurde erstmals 1998 vorgestellt, 2007 folgte die weiterentwickelte Fassung MNT 2.0, da sich inzwischen die Medienlandschaft und einige soziale Milieus verändert haben. Die Mediennutzertypologie liefert Basisinformationen für die Programmplanung, für die Entwicklung neuer Formate und für die zielgruppengenaue Gestaltung der einzelnen Sendungen. Manche Redaktionen haben sich sogar fiktive Portraits ihrer Zuschauer zeichnen lassen, um immer vor Augen zu haben, für wen sie ihre Beiträge produzieren. Die Entwicklung einer solchen praxisbezogenen Typologie ist exemplarisch für die Aufgaben der anwendungsorientierten Medienforschung. Vergleicht man die verschiedenen Nutzertypen miteinander, so fallen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf, die auf wichtige Themen der grundlagenorientierten Forschung zu den Fragen der Fernsehrezeption und -wirkung verweisen. So sehen Nutzertypen, die wenig Kontakt außer Haus pflegen, deutlich mehr fern als jene mit vielen Freizeitaktivitäten (die »vielseitig Interessierten« sind hier eine erklärungsbedürftige Ausnahme). Das führt zur Frage, inwieweit das Medium Fernsehen soziale Kontakte ersetzen kann. Sie steht im Mittelpunkt der Theorien des sozialen Vergleichs und des parasozialen Handelns. Ebenfalls wird deutlich, dass sich die Fernsehnutzung mit der Zunahme des Lebensalters verändert. Offen ist, inwieweit dies auf das zunehmende Alter oder darauf zurückzuführen ist, dass die verschiedenen Alterskohorten ihre Medienkompetenz in unterschiedlichen Medienlandschaften erlernt haben. Für Letzteres spricht etwa, dass die Gruppe der modernen Kulturinteressierten, zu der auch viele Alt-Achtundsechziger gehören, besonders medienkritisch eingestellt ist und wenig Fernsehen sieht. Hier werden also Fragestellungen fassbar, die die Mediensozialisation und Medienpädagogik betreffen. <?page no="72"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 73 73 4 Die Zuschauer Schließlich ist festzuhalten, dass in allen Altersgruppen mehrere Nutzertypen nebeneinander existieren: mit unterschiedlichen Werteorientierungen und Interessen, aber auch mit unterschiedlichen Medienpräferenzen. Dies führt zur Frage, inwieweit die Aneignung von Medieninhalten von den spezifischen Lebenswelten der Mediennutzer abhängig ist und welche weiteren Faktoren für das Verstehen von Fernsehbeiträgen von Bedeutung sind. 4.3 Die Rezeption des Mediums Fernsehen Konzentriert sich die Mediennutzungsforschung auf die präkommunikative Phase, so untersucht die Rezeptionsforschung die Wahrnehmungs- und Verstehensprozesse, die in der kommunikativen Phase ablaufen (Wirth/ Schramm 2005). Es geht dabei um die Wahrnehmung der audiovisuellen Signale und um deren neuronale Verarbeitung, um das kognitive und um das emotionale Erfassen der vermittelten Botschaften und darum, wie diese Botschaften von den Rezipienten in den Lebensalltag integriert werden, also um das Verstehen der Botschaften. Daneben gewinnt die Erforschung der Rezeptionsmodalitäten immer mehr an Bedeutung. Das sind jene Strategien, die Zuschauer bei der Rezeption von Fernsehsendungen anwenden. Man muss nur einmal bei sich selbst darauf achten, wie unterschiedlich man Fernsehen schaut, wenn man mit der Fernbedienung durch die Programme zappt oder wenn man sich gezielt auf eine Sendung konzentriert. Die Theorien, auf die sich die verschiedenen Arbeiten zur Rezeption des Fernsehens stützen, sind breit gefächert. Es gehören die Wahrnehmungs-, die Sozial- und Medienpsychologie dazu (Winterhoff-Spurk 2004), die Rezeptionsästhetik (Mikos 2001) und die Mediensoziologie (Weiß 2001). Ein wichtiges Forschungsergebnis zur kognitiven Rezeption von Fernsehbeiträgen, insbesondere zur Rezeption von fernsehjournalistischen Filmen, ist, dass sie allzu oft anstelle von Wissen nur Halbwissen und Wissensillusionen vermitteln. Als wesentliche Ursache gilt die Überforderung der Aufmerksamkeit durch visuelle Reize (»Augenkitzel«, Wember 1976), durch zu hohe Schnittfrequenzen (»fehlende Halbsekunde«, Sturm 2000) oder durch eine falsche Textgestaltung (»Text-Bild- Schere«, Wember 1976). Ein anderer Erklärungszusammenhang verweist darauf, dass Fernsehzuschauer die Inhalte von Nachrichtensendungen aufgrund von »Alltagsrationalitäten« beurteilen. Sie stützen sich nicht <?page no="73"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 74 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 75 74 Fernsehen im Profil auf alle Informationen, die berichtet werden, sondern nur auf jene, die ihnen aufgrund ihrer Alltagserfahrungen besonders vertraut sind. (Brosius 1995). Die emotionalen Prozesse, die bei der Rezeption von Fernsehsendungen ablaufen, unterscheiden sich nicht grundlegend von denen in nicht-medialen Alltagssituationen (Scherer 1998). Emotionen können induziert werden, indem etwa die Aussagen eines Fernsehinterviews die Zuschauer erfreuen, verärgern oder gar beleidigen. Ebenso können sie durch emotionale Ansteckung entstehen. So wird in Sitcoms bei jeder Pointe das Gelächter eines unsichtbaren Publikums eingespielt, um die Fernsehzuschauer in Stimmung zu halten. Emotionen können sich aber auch durch Empathie entwickeln, d. h. durch Mitfühlen mit wirklichen wie fiktiven Personen, und sie können ihre Ursache in der ästhetischen Gestaltung eines Fernsehbeitrags haben. Das emotionale Gesamterleben eines Fernsehbeitrags setzt sich aus all diesen Faktoren zusammen und kann von den Rezipienten wiederum zur Regulation des eigenen Emotionshaushalts (Mood-Management) verwendet werden (Wirth/ Schramm 2005). Ein rezeptionstheoretischer Forschungsansatz, der auf den semiotischen Eigenheiten des Fernsehens aufbaut, ist die Untersuchung der Darstellungseffekte (Kepplinger 2009a). Da das Fernsehen ikonische Zeichen verwendet, vermitteln Fernsehbeiträge über reine Sachinformationen hinaus immer auch Informationen über die nonverbale und paraverbale Selbstdarstellung der gezeigten Personen. Anders als Zeitungstexte vermitteln Fernsehbeiträge auch ihre Gestik, Mimik, den Klang ihrer Stimme. Ähnlich wie bei der Face-to-Face-Kommunikation schließen die Fernsehzuschauer aus diesen Selbstdarstellungen auf die Glaubwürdigkeit, die Durchsetzungskraft und weitere Eigenschaften der gezeigten Personen. Doch da diese Eindrücke auch davon abhängen, wie die Kamera die Bilder aufgenommen hat, wie Licht, Ton und Schnitt gestaltet waren, können diese Charakterzuschreibungen erheblich von den tatsächlichen Eigenschaften der gezeigten Personen abweichen. Diese Darstellungseffekte sind insbesondere für die politische Berichterstattung von Bedeutung, da viele Bürger ihre Wahlentscheidungen aufgrund solcher medial erworbenen Charakterzuschreibungen treffen. Integrative Rezeptionskonzepte konzentrieren sich auf das Zusammenwirken der kognitiven und emotionalen Rezeptionsaspekte. Am wichtigsten ist das Konzept der parasozialen Interaktion (PSI). Parasoziale Interaktionen liegen vor, wenn zwischen den Zuschauern und den im Fernsehen auftretenden Personen die »Illusion einer Face-to-Facewww.claudia-wild.de: <?page no="74"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 75 75 4 Die Zuschauer Beziehung« entsteht (Horton/ Wohl [1956] 2001, Vorderer 1996). So adressieren Moderatoren von Sprechfernseh-Formaten ihre Begrüßungen, Blicke und Gesten immer wieder an die Zuschauer, die vor den Bildschirmen sitzen, und diese reagieren mehr oder minder stark darauf. Dennoch ist das keine normale Face-to-Face-Kommunikation, da der Sprecher die Hörerreaktionen nicht unmittelbar wahrnehmen kann und daher nicht abschätzen kann, ob seine Äußerungen so verstanden wurden wie intendiert. Andererseits erleben die Hörer, dass ihre unmittelbaren Reaktionen keinen Einfluss auf das Verhalten des Sprechers haben. Ausgehend davon können sich in der postkommunikativen Phase durch Gespräche mit anderen, durch die Lektüre von Fan-Zeitschriften oder Social Media parasoziale Beziehungen (PSB) zu bestimmten Medienpersonen entwickeln. PSI und PSB sind grundlegend für das Erleben personenzentrierter Medienangebote und bieten zentrale Erklärungsansätze für das Unterhaltungserleben (Wirth/ Schramm 2005). Die Vielzahl dieser Rezeptionsaspekte erlaubt es den Mediennutzern, die gleichen Sendungen nach ganz unterschiedlichen Kriterien zu rezipieren und völlig divergierend zu bewerten. Die Cultural Studies sprechen von einer dominant-hegemonialen und einer oppositionellen Medienlektüre, je nachdem, ob die Rezipienten die Medienbeiträge entsprechend den Intentionen der Macher zu verstehen versuchen oder ob sie nach anderen, konträren Rezeptionsmöglichkeiten suchen (Hall [1973] 2001). Rezeptionstheoretisch werden die diversen Rezeptionsstrategien als Rezeptionsmodalitäten bezeichnet (Suckfüll 2004). Insbesondere unterscheidet man einen distanziert-analysierenden Modus, der für den intellektuellen Zugang zur Medienbotschaft charakteristisch ist, und einen emotional-involvierenden Modus, bei dem man als Rezipient in die dargestellte Welt eintaucht. Wie sehr die Wahl dieses Rezeptionsmodus wiederum von der Rezeptionssituation abhängig ist, die vom Dispositiv des Mediums vorgegeben wird, zeigt ein Vergleich von Kino und Fernsehen, wo das Kino ganz darauf ausgerichtet ist, dass die Zuschauer in die Welt des Films eintauchen (Hickethier 1998 : 10-13). Und auch beim Fernsehen fallen die Rezeptionserlebnisse ganz verschieden aus, je nachdem, ob man dieses Medium irgendwo alleine, zuhause mit der Familie oder beim Public Viewing zusammen mit wildfremden Menschen rezipiert. Beobachtet man das Rezeptionsverhalten in der wichtigsten Rezeptionssituation, dem gemeinsamen Fernsehen zusammen mit anderen, so kann man eine sehr spezifische Form der Anschlusskommunikation erfassen, die einen Einblick in das subjektive Erleben all dieser Rezeptionsaspekte erlaubt. Beim gemeinsamen Fernsehen wird nämlich in der <?page no="75"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 76 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 77 76 Fernsehen im Profil Regel nebenher gesprochen, nicht viel und immer nur in kleinen Häppchen. Die Zuschauer unterstützen sich damit gegenseitig beim Verstehen, Interpretieren und Bewerten der Beiträge, die sie gerade sehen (Charlton/ Klemm 1998). Doch dieses empraktische Reden reicht aus, um abschätzen zu können, welche Bedeutung das Fernsehen für den Lebensalltag besitzt. Demnach dient es über die herkömmliche Sichtweise als Informations- und Unterhaltungsmedium hinaus auch als »Orientierungsmedium« (Holly 2001). Es bietet beständig und in großer Vielfalt eine Fülle von verbindlich-unverbindlichem symbolischem Material an, anhand dessen die Zuschauer soziales Handeln bzw. Probehandeln vollziehen können, was es ihnen erlaubt, sich in der Welt zu positionieren. 4.4 Die Wirkungen des Mediums Fernsehen Nirgendwo sind die Wirkungen des Fernsehens deutlicher zu beobachten als in diesem privaten Bereich. Das Fernsehgerät bildet den Blickpunkt der Wohnzimmermöblierung und ebenso oft werden die alltäglichen Routinen durch die Sendezeiten der Fernsehnachrichten strukturiert. Unübersehbar sind auch die vielen kurzfristigen Wirkungen der Fernseh-Berichterstattung. So brach im Sommer 1987 nach einem Bericht von Monitor über Fadenwürmer in Meeresfischen der deutsche Fischmarkt zusammen, Ähnliches wiederholte sich im Zusammenhang mit der EHEC-Epidemie 2011. Ein anderes, positives Beispiel ist die enorme Spendenbereitschaft nach der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean 2004. Dennoch gibt es erstaunlich wenig wissenschaftlich gesicherte Aussagen über die postkommunikativen Wirkungen des Fernsehens. Das ist der Komplexität des Mediums und der unüberschaubaren Anzahl intervenierender Faktoren geschuldet, die auf die potenziellen Wirkungszusammenhänge einen Einfluss haben. Festzuhalten ist aber auch, dass die Medienwirkungsforschung (Bonfadelli/ Wirth 2005, Kepplinger 2009b) weniger auf die Wirkung der Medien an sich als auf die Wirkung der journalistischen Berichterstattung in den »Medien« konzentriert ist. Daher verliert sie die medialen Unterschiede von Zeitung und Fernsehen ebenso aus dem Blick wie die medialen Gemeinsamkeiten des journalistischen und nicht-journalistischen Fernsehangebots. Dadurch werden diese Forschungsergebnisse für das Verständnis des Fernsehens nicht irrelevant, man darf sie aber nicht vorschnell generalisieren. So untersuchen die Arbeiten zum Agenda-Setting, auf welche Weise Themen auf die Agenda der öffentlichen Meinung gelangen. Sie vergleiwww.claudia-wild.de: <?page no="76"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 77 77 4 Die Zuschauer chen dazu die Themen von Zeitungen und Nachrichtensendungen mit den demoskopisch erhobenen Daten, welche Themen für die Bevölkerung momentan von Bedeutung sind. Dieser Forschungsansatz zielt auf die Wirkung der Medien als Ganzes, daher macht es wenig Sinn, zwischen den Themen der einzelnen Medien zu unterscheiden. Wie Untersuchungen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ergaben, wenden sich die Menschen bei außerordentlichen Ereignissen jedoch bevorzugt dem Fernsehen zu (Emmer u. a. 2002). Ein Forschungsansatz, für den das Fernsehen jedoch eine besondere Rolle spielt, ist die Kultivierungsthese. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass die Medien-- vor allem das Fernsehen-- ein bedeutender Faktor der kulturellen und politischen Sozialisation sind. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass Vielseher mit unterschiedlichen politischen Positionen bei der Beurteilung aktueller Streitfragen weniger divergieren als Wenigseher. Demnach ebnet das Fernsehen langfristig Unterschiede ein. »Es findet eine Zentrierung (Mainstreaming) der Gesellschaft statt, die man positiv als Integrationsgewinn oder negativ als Pluralitätsverlust betrachten kann.« (Kepplinger 2009b: 681). Für die öffentliche Debatte über die Wirkung des Fernsehens ist weiterhin die Entdeckung des sogenannten Third-Person-Effekts wichtig. Er besagt, dass die meisten Menschen die negativen Wirkungen der Medien auf andere Mediennutzer stärker einschätzen als auf sich selbst (Kepplinger 2009b: 676-678). Spezielle Wirkungsprobleme des Fernsehens, die die Wissenschaft stark beschäftigen, sind die Bedeutung, die das Orientierungsmedium Fernsehen für die Ausprägung von Geschlechterrollen (Plake 2004 : 242- 247) und für die (früh-) kindliche Entwicklung besitzt (Groebel 1998 : 545-558). Besonders intensiv, aber auch kontrovers wird seit langem der Zusammenhang von Fernsehen und Gewalt diskutiert (Kunczik/ Zipfel 1998, Kepplinger 2009c). Lerntheorien gehen hier von der Annahme aus, dass durch die Darstellung von Gewalt Verhaltensmodelle erlernt werden, die dann angewendet werden. Triebtheorien stützen sich darauf, dass den Menschen eine Disposition zu aggressiven Verhalten angeboren ist. Die Inhibitionsthese nimmt hier an, dass diese Aggressionsbereitschaft durch die Angst verringert wird, die von den Gewaltdarstellungen ausgeht. Die Katharsisthese spricht dagegen der Rezeption medialer Gewaltdarstellungen eine Abreaktion der Aggressionen und eine reinigende Wirkung zu. Erregungstheorien erklären die Wirkungen von Gewaltdarstellung wiederum damit, dass sie Erregungszustände schaffen, die bei entsprechenden Auslöserreizen zu aggressiven Handlungen führen. <?page no="77"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 78 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 79 78 Fernsehen im Profil Ein bemerkenswertes Ergebnis ist dabei, dass alle Laborexperimente wie Felduntersuchungen meist nur geringe Wirkungen medialer Gewaltdarstellungen ergeben, was in einem scharfen Kontrast zu den Erfahrungen der Psychiater und Psychologen steht, die mit verhaltensauffälligen Jugendlichen zu tun haben. Hier sagen etwa vier Fünftel der Befragten, dass deren aggressive Tendenzen durch Gewaltfilme noch verstärkt wurden. »Dies deutet darauf hin, dass Gewaltdarstellungen auf die Mehrheit nur geringe, auf Minderheiten mit bestimmten Prädispositionen aber erhebliche Wirkungen besitzen« (Kepplinger 2009c: 709). 4.5 Der Einfluss des Fernsehens auf Politik, Gesellschaft und Kultur Redet man über die Fernsehzuschauer, so denkt man zunächst nur an unbeteiligte Beobachter des Geschehens. Zu den Zuschauern gehören aber auch Personen, die selbst Gegenstand der Berichterstattung sind. Das sind Prominente aus Sport und Unterhaltung, Wirtschaftsgrößen, und vor allem Politiker. Da über diese Personen immer wieder berichtet wird, entwickeln sie gezielt Handlungsstrategien, um sicherzustellen, dass diese Berichterstattung günstig ausfällt, oder sie versuchen sogar, die Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die Medienwirkungsforschung spricht hier von reziproken Wirkungseffekten und unterscheidet dabei drei Formen. Pro-aktive Effekte, etwa Pressekonferenzen, gehen der Berichterstattung voran und zielen auf Publicity. Inter-aktive Effekte wie das betonte Lächeln in die Kamera treten während der Berichterstattung auf, Re-aktive Effekte folgen der Berichterstattung, z. B. die Beschwerde beim Intendanten und beim Rundfunkrat (Kepplinger 2009b: 682-686). Auf diese Weise haben sich insbesondere in der Politik enge Wechselbeziehungen mit den Medien herausgebildet. Politisches Handeln in modernen demokratischen Gesellschaften lebt nun einmal davon, dass Politiker mit ihren Vorschlägen die Bevölkerung erreichen und sie die Zustimmung der Wähler erhalten. Beides ist ohne Mitwirkung der journalistischen Berichterstattung in den Medien nicht möglich, wobei das Fernsehen eine Schlüsselrolle spielt. Das ist zum einem eine Frage der schieren Reichweite. So lagen 2010 die Durchschnittswerte der meistgesehenen politischen Talkshow, Anne Will, bei 4,16 Millionen (Zubayr/ Gerhard 2011 : 135), die durchschnittliche Reichweite der größten deutschen Tageszeitung, der Süddeutschen Zeitung, lag 2010 <?page no="78"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 79 79 4 Die Zuschauer dagegen bei 1,27 Millionen Lesern (http: / / www.ma-reichweiten.de) Das ist aber auch eine Frage der besonderen Möglichkeiten, die das audiovisuelle Medium Fernsehen für die Selbstdarstellung und parasoziale Interaktionen verspricht. Der Auftritt vor der Kamera bietet eben eine optimale Chance, möglichst viele Menschen mit einem Mal »direkt« zu erreichen. Das Fernsehen ist in der Tat die wichtigste Informationsquelle, auf die sich Wähler bei ihren Entscheidungen stützen. Dabei ist dann weniger die Sachkompetenz der Kandidaten ausschlaggebend als die Sympathie und die vertrauenswürdige Persönlichkeit (Kepplinger 2009d). Exemplarisch für die Verschiebungen, die sich für die Politik durch diesen Einfluss des Fernsehens ergeben, ist der Bedeutungsverlust des Parlaments als klassischer Ort der demokratischen Öffentlichkeit und die Verlagerung der politischen Diskussion in die Talkshows der Fernsehstudios (Plake 2004 : 255-303). Diese Verschiebungen im Bereich der Politik sind ein Beispiel dafür, wie sich ganze Bereiche der Gesellschaft durch den Einfluss der Medien verändern, ohne dass man dabei eine besondere Wirkung einzelner Medienbeiträge ausmachen kann. Die Wissenschaft spricht hier von Defacto-Effekten. »Es liegen nachweisbare Wirkungen vor, ohne dass man ihre genaue Quelle, die Art ihrer Verbreitung und die dafür ausschlaggebenden Gründe kennt« (Kepplinger 2009b: 697). Ein De-facto-Effekt, der maßgeblich auf das Fernsehen zurückzuführen ist, sind die Verschiebungen von Öffentlichem und Privatem (Meyrowitz 1987; Plake 2004 : 265-269). Denn einerseits erzeugt das Massenmedium Fernsehen durch die Mehrfachadressierung seiner Medienbeiträge Öffentlichkeit (Merten 1999 : 226). Andererseits erlaubt es das audiovisuelle Medium Fernsehen aufgrund des Interpretationspotenzials seiner Bilder (Renner 2007 : 133), Aufnahmen öffentlicher Handlungen immer auch auf einer privaten Ebene zu interpretieren. Die Kamera zeigt eben nie allein die Bundeskanzlerin an sich, sie zeigt immer auch, welche Frisur und welche Bekleidung Frau Merkel trägt und wie sie ganz persönlich auf bestimmte Situationen reagiert. Das Fernsehen hat so erheblich zu dem beispiellosen Wandel der alltäglichen sozialen Beziehungen mit beigetragen, der inzwischen alle Lebensbereiche gleichermaßen umfasst. Dieser Wandel, den die Wissenschaft als Mediatisierung bezeichnet (Krotz 2001), bildet einen zentralen Gegenstand der Cultural Studies (Adelmann u. a. 2001). Er ist aber auch das zentrale Thema der diversen Medientheorien, die je nach Grundüberzeugung der Autoren und nicht immer sonderlich faktengestützt ein <?page no="79"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 80 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 81 80 Fernsehen im Profil pessimistisches oder ein optimistisches Bild der gesellschaftlichen und kulturellen Wirkungen der Medien zeichnen (Einführungen in das Denken von Benjamin, Adorno, McLuhan, Flusser usw. bieten die Überblicksbände von Kloock/ Spahr 1997 und Weber 2010). Stellt man die einzelnen Konzepte einander gegenüber, so erhält man folgende Typologie der Theorien zur gesellschaftlichen Medienwirkung: Was die Bedeutung des Fernsehens für die Entstehung der bundesdeutschen Gesellschaft angeht, so kommt Knut Hickethier in seiner Fernsehgeschichte zu keinem negativen Urteil: Als Vermittlungsagentur gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse lieferte das Fernsehen nicht nur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in vielen Varianten, sondern wirkte nun im besonderem Maße integrativ auf das föderative Gemeinwesen ein, indem es bei großen Bevölkerungsmehrheiten Themen für die gesellschaftliche Selbstverständigung stiftete, gemeinsame emotionale Erlebnisse schuf und neue Vorstellungen popularisierte. (Hickethier 1998 : 202) Es ist damit nicht gesagt, dass das Fernsehen auch nach dem gegenwärtigen Umbruch der Medienlandschaft noch diese Rolle spielen wird. Doch es ist der Mühe wert, dafür zu sorgen. Op�mis�sche Vision Pessimis�sche Vision 1 Freiheit Vielfalt 3 Normlosigkeit lden�tätsverlust 2 Integra�on Solidarität 4 Dominanz Uniformität Zentrifugaler Effekt Zentripedaler Effekt Abb. 19: Typologie der Theorien zur gesellschaftlichen Medienwirkung nach McQuail (Bonfadelli/ Wirth 2005: 595) <?page no="80"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 81 81 4 Die Zuschauer Literatur Bonfadelli, Heinz/ Otfried Jarren/ Gabriele Siegert (Hrsg.) (2005): Einführung in die Publizistikwissenschaft. 2. Aufl. Bern. Plake, Klaus (2004): Handbuch Fernsehforschung. Wiesbaden. <?page no="81"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 82 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 83 Das Fernsehprogramm Alle Faktoren, die das Medium Fernsehen charakterisieren, treffen im Programm zusammen. Es erwächst aus den Erwartungen, die die Zuschauer an das Fernsehen haben, und den Erwartungserwartungen der Fernsehschaffenden an ihre Zuschauer. Zugleich hängt die Gestaltung des Programms von den kommunikativen Möglichkeiten und Beschränkungen des audiovisuellen, elektronischen Mediums Fernsehen ab. Entscheidend ist aber ebenso, ob die Programmverantwortlichen dieses Medium primär als eine kulturelle Institution oder ein Wirtschaftsunternehmen betrachten. Die Inhalte des Programms lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen. Weit verbreitet ist die Einteilung anhand ihrer Funktionen Information, Bildung und Unterhaltung. Da diese Begriffe jedoch ziemlich unscharf sind, orientiert sich die Einteilung hier an den Kommunikationsgattungen Journalismus, fiktionale (Unterhaltungs-)Literatur, nicht-fiktionale Unterhaltung und Werbung. Diese Klassifikation erlaubt zum einen die Anknüpfung an das Konzept des kommunikativen Handelns und zum anderen erlaubt sie es auch, die gesellschaftlichen Funktionen der verschiedenen Programmangebote aufzuzeigen. Zu den journalistischen Programminhalten gehören Nachrichtensendungen, Magazine, Dokumentationen, aber auch Gesprächssendungen und Live-Übertragungen. Die fiktionalen Programminhalte umfassen Spielfilme, Serien und Reality-TV-Formate. Als nichtfiktionales Unterhaltungsfernsehen werden hier Shows, Bunte Abende und vergleichbare Formen der mediatisierten Versammlungskommunikation verstanden. 5.1 Programm und Programminhalte Stützt man sich auf den kommunikationswissenschaftlichen Medienbegriff (vgl. S. 15), kann man ein Fernsehprogramm als Menge aller Medienbeiträge verstehen, die von einer Fernsehanstalt gesendet werden. Die einzelnen Medienbeiträge, also die einzelnen Sendungen, lassen sich dann als <?page no="82"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 83 Das Fernsehprogramm Alle Faktoren, die das Medium Fernsehen charakterisieren, treffen im Programm zusammen. Es erwächst aus den Erwartungen, die die Zuschauer an das Fernsehen haben, und den Erwartungserwartungen der Fernsehschaffenden an ihre Zuschauer. Zugleich hängt die Gestaltung des Programms von den kommunikativen Möglichkeiten und Beschränkungen des audiovisuellen, elektronischen Mediums Fernsehen ab. Entscheidend ist aber ebenso, ob die Programmverantwortlichen dieses Medium primär als eine kulturelle Institution oder ein Wirtschaftsunternehmen betrachten. Die Inhalte des Programms lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen. Weit verbreitet ist die Einteilung anhand ihrer Funktionen Information, Bildung und Unterhaltung. Da diese Begriffe jedoch ziemlich unscharf sind, orientiert sich die Einteilung hier an den Kommunikationsgattungen Journalismus, fiktionale (Unterhaltungs-)Literatur, nicht-fiktionale Unterhaltung und Werbung. Diese Klassifikation erlaubt zum einen die Anknüpfung an das Konzept des kommunikativen Handelns und zum anderen erlaubt sie es auch, die gesellschaftlichen Funktionen der verschiedenen Programmangebote aufzuzeigen. Zu den journalistischen Programminhalten gehören Nachrichtensendungen, Magazine, Dokumentationen, aber auch Gesprächssendungen und Live-Übertragungen. Die fiktionalen Programminhalte umfassen Spielfilme, Serien und Reality-TV-Formate. Als nichtfiktionales Unterhaltungsfernsehen werden hier Shows, Bunte Abende und vergleichbare Formen der mediatisierten Versammlungskommunikation verstanden. 5.1 Programm und Programminhalte Stützt man sich auf den kommunikationswissenschaftlichen Medienbegriff (vgl. S. 15), kann man ein Fernsehprogramm als Menge aller Medienbeiträge verstehen, die von einer Fernsehanstalt gesendet werden. Die einzelnen Medienbeiträge, also die einzelnen Sendungen, lassen sich dann als 5 <?page no="83"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 84 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 85 84 Fernsehen im Profil komplexe Kommunikationsinstrumente begreifen, mit denen die Fernsehsender ihre Zuschauer erreichen wollen, um sie zu informieren und zu unterhalten. Diese Medienbeiträge sind beim Fernsehen genauso wie beim Radio zeitlich linear angeordnet, d. h. sie werden nacheinander ausgestrahlt und die Rezipienten müssen sie in dieser Reihenfolge rezipieren. Das Dispositiv der elektronischen Medien Radio und Fernsehen unterscheidet sich also erheblich vom Dispositiv gedruckter Medien (Buch, Zeitung, Zeitschrift), wo die Rezipienten selbst über den Zeitpunkt der Rezeption, ihr Tempo und ihre Reihenfolge bestimmen können. Das hängt zum einen mit der Übertragungstechnik zusammen, wobei hier durch die Mediatheken im Internet gerade ein tiefgreifender Umbruch stattfindet. Das hängt zum anderen auch damit zusammen, dass Radio und Fernsehen genauso wie Kino-, Theater- und Konzertaufführungen zeitlich organisierte Zeichen-- gesprochene Sprache, Gesten, Musik, bewegte Bilder- - als Kommunikationsinstrumente verwenden, deren spezifische Wahrnehmungsbedingungen eine lineare Rezeption zur Folge haben (Renner 2007 : 274-277). Der Begriff Programm stammt denn auch aus dem Theater- und Konzertbetrieb. Er bezeichnete ursprünglich die schriftliche Vorab-Information über die Stücke, die zur Aufführung kommen (prógramma (gr.): der öffentliche schriftliche Anschlag) und wurde dann auf die Abfolge der Stücke selbst übertragen. Auch das Fernsehen kennt mit der Programmzeitschrift und dem digitalen EPG (Electronic Program Guide) derartige schriftliche Begleitmedien, die es den Zuschauern erlauben, sich vorab über das Fernsehangebot zu informieren. Zu diesen Vorabinformationen gehören neben dem Sendetitel und den Sendezeiten immer auch Angaben darüber, welcher Gattung die Programminhalte zuzuordnen sind. Gerade diese Gattungsangaben sind für die Orientierungsleistung von Fernsehprogrammen besonders wichtig. Denn die Zuschauer haben im Laufe ihrer Mediensozialisation gelernt, was sie von den verschiedenen Gattungen erwarten dürfen, und sie orientieren sich daran bei ihrer Fernsehnutzung. Die Kommunikationswissenschaft erklärt diesen Lernprozess unter Rückgriff auf die Psychologie als Schema-Bildung und versteht die einzelnen Gattungen als Schemata, die die Kooperation von ›Sprecher‹ und ›Hörer‹ organisieren und damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen von Kommunikation leisten (Schmidt/ Zurstiege 2000 : 157 f). Die Einteilung der Programminhalte orientiert sich dabei häufig an den Begriffen Information, Bildung, Unterhaltung. Sie werden im gesetzlichen Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten explizit aufgeführt (RStV § 11). Auch sind in vielen Sendern die <?page no="84"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 85 85 5 Das Fernsehprogramm einzelnen Redaktionen nach diesen Kriterien zu Redaktionsgruppen und Programmbereichen zusammengefasst. Denn die redaktionelle Arbeit für eine Informationssendung erfordert ganz andere Kenntnisse und Herangehensweisen als die Arbeit für eine Serien- oder eine Unterhaltungsredaktion. Dementsprechend unterscheiden sich die einzelnen Redaktionen auch in ihrer Organisationsstruktur, in ihrer Personal- und Finanzausstattung. Eine andere Einteilung der Programminhalte, die vor allem für freie Produktionsfirmen von Bedeutung ist, ist die Unterscheidung von Fiction und Non-Fiction (Karstens/ Schütte 1999 : 188-238). Daneben gibt es weitere Einteilungen der Programminhalte, die sich an den Themen der Sendungen (»Sportsendung«, »Tiersendung«) oder an ihren Zielgruppen (»Kinderfernsehen«, »Verbrauchersendung«) orientieren. So gut diese Einteilungen in der Praxis funktionieren, strengeren Anforderungen, wie sie für Inhalts- und Programmanalysen notwendig sind, werden sie nicht gerecht (Hohlfeld 1998). Gehören Infotainment- Sendungen wie das Frühstücksfernsehen zur Information oder zur Unterhaltung? Sind Coaching-Sendungen und Boulevardmagazine gleichwertige Informationsangebote wie Nachrichtensendungen oder politische Magazine? Solche Fragen sind keineswegs irrelevant. Denn sie haben einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse der einzelnen Programmanalysen, die ihrerseits wiederum als Entscheidungsgrundlagen für die Programmplanung und die Medienpolitik dienen. Eine erste Ursache dieser Einteilungsprobleme ist die Unschärfe der verwendeten Begriffe. Was ist das Differenzkriterium zwischen Information und Bildung? Eine zweite Ursache ist die Verwendung inhomogener Kategorien. Das Gegenteil von Unterhaltung ist eben nicht Information, sondern Langeweile und das Gegenteil von Information wäre Desinformation und Verschleierung. Eine dritte Ursache ist die fortlaufende Entwicklung neuartiger Hybridformate, die etablierte Fernsehgattungen hinter sich lassen und als Mischformen traditionelle Grenzziehungen bewusst verwischen. Ein Vorgang, den die Kommunikationswissenschaft als Entgrenzung bezeichnet (Meier 2011 : 257 ff.). Auch muss man sich bewusst sein, dass die einzelnen Programminhalte nach divergierenden Kriterien klassifiziert werden können, was schnell zu Konfusionen führen kann. So ist eine Fernseh-Reportage hinsichtlich ihrer Sendeform ein Film, hinsichtlich ihrer Beitragsgattung eine nicht-fiktionale Erzählung und hinsichtlich ihrer Kommunikationsgattung ein journalistischer Programminhalt. Als theoretische Basis zur gegenseitigen Verortung dieser drei Kriterien können die semiotischpragmatischen Ausgangsüberlegungen dienen. Die Sendeformen ergewww.claudia-wild.de: <?page no="85"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 86 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 87 86 Fernsehen im Profil ben sich durch die unterschiedlichen Dispositive der drei Submedien, die Beitragsgattungen hängen mit den elementaren kommunikativen Handlungen zusammen und die Kommunikationsgattungen lassen sich auf spezifische Formen der Sprecher-Hörer-Kooperation zurückführen. Sendeformen Beispiele für Sendeformen sind Live-Übertragungen von Großereignissen, aber auch Talkshows, Magazinsendungen und Filme, die im Fernsehen ausgestrahlt werden. Die Unterschiede zwischen ihnen gehen auf die jeweiligen Kommunikationsmöglichkeiten zurück, die von den Dispositiven der drei Submedien vorgegeben werden. So sind Live-Sendungen typische Sendeformen der beiden Submedien Ereignisübertragung und Sprechfernsehen. Ihre Dispositive definieren eine Kommunikationsbeziehung, bei der ›Sprecher‹ und ›Hörer‹ zwar räumlich, nicht aber zeitlich voneinander getrennt sind. Daher ermöglichen sie Formen der mediatisierten Versammlungskommunikation: Die Zuschauer sind zwar nicht vor Ort, nehmen aber via Fernsehen am dortigen Geschehen teil. Das gilt mit Abstrichen selbst dann, wenn »Live-Sendungen« voraufgezeichnet werden und der Live-Charakter simuliert wird. Live-Übertragungen von Ereignissen zielen darauf ab, die Zuschauer an diesen Ereignissen teilhaben zu lassen. Das können solche außerordentlichen Vorgänge sein wie die Tage nach dem Fall der Berliner Mauer oder die Stunden nach den Attentaten vom 11. September 2001. Die zentrale Leistung von Ereignisübertragungen besteht allerdings darin, den Fernsehzuschauern eine Gelegenheit zur Teilnahme an gesellschaftlichen und politischen, an kulturellen und religiösen Versammlungen zu bieten. Sie besitzen damit eine große gemeinschaftsbildende Kraft (Renner 2007 : 382). Bei den Sendeformen des Sprechfernsehens (Gesprächssendungen, Live-Interviews, Moderationen usw.) stehen nicht die Ereignisse, sondern die Redner und die Diskutanten im Mittelpunkt der mediatisierten Versammlungskommunikationen. Hier kommt es nicht auf die Bilder, sondern auf die sprachlichen Äußerungen der Akteure vor der Kamera an. Diese wiederum adressieren ihre Äußerungen nicht nur an die Gesprächspartner im Studio, sondern ebenso an die Fernsehzuschauer zu Hause (Renner 2007 : 267). Ein interessanter Ermessensfall sind Live-Sendungen von Parlamentsdebatten. Hinsichtlich der Bedeutung der gesprochenen Sprache sind sie eine Form des Sprechfernsehens; berücksichtigt man aber, dass hier nicht das Fernsehen, sondern das Parlament den Gang der Debatte festlegt, muss man sie als Ereignisübertragungen einstufen. <?page no="86"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 87 87 5 Das Fernsehprogramm Im Gegensatz dazu definiert das Dispositiv des Submediums Film eine Kommunikationsbeziehung, bei der die Kommunikationssituation von ›Sprecher‹ und ›Hörer‹ in zwei Situationen auseinanderfällt, die räumlich und zeitlich voneinander getrennt sind. Das ist bei den Dispositiven schriftlicher Medien nicht anders. Daher besitzen Filme- - sieht man von den Unterschieden der audiovisuellen und schriftlichen Zeichensysteme ab- - den gleichen Textcharakter wie Beiträge in Büchern oder Zeitungen: Sie sind begrenzte Zeichenfolgen, die in sich kohärent sind und als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisieren (Brinker 1997 : 17). Denn Texte sind Kommunikationsinstrumente, die besonders gut dazu geeignet sind, die Probleme zu kompensieren, die durch das Auseinanderfallen von ›Sprecher‹- und ›Hörer‹-Situation entstehen (Renner 2007 : 305). Auch macht es die zeitliche Distanz zwischen Ereignis und medialer Wiedergabe möglich, dass der ›Sprecher‹ seinen ›Text‹ unabhängig von der Abfolge des tatsächlichen Geschehens so gestaltet, wie es seinen kommunikativen Absichten entspricht. Sieht man die Live-Übertragung eines Fußballspiels, so weiß man bis zu deren Ende nicht, wer gewinnt. Liest man die Zeitung, dann steht das Ergebnis bereits in der Überschrift. Sieht man einen Filmbericht, dann hängt es vom Reporter ab, ob er das Ergebnis gleich zu Beginn nennt und dann aufzeigt, wie es zustande kam, oder ob er der Spannung halber die Zuschauer bis zum Ende im Ungewissen lässt. Diese redaktionelle Bearbeitung ist auch der entscheidende Unterschied zwischen einem Live-Interview und einem Interview, das in einen Film eingeschnitten ist (Renner 2007 : 348). Neben diesen Sendeformen kennt das Fernsehen noch zwei Sendeformen, die verschiedene Submedien miteinander kombinieren. Fernsehmagazine verknüpfen kürzere Filmbeiträge mit Formen des Sprechfernsehens und verpacken sie zu einem sendefähigen Ganzen. Magazine funktionieren wie ein Container, die ursprüngliche Bedeutung dieses Begriffs ist ja auch »Lagerhaus«. Fernsehshows sind Live-Sendungen, die Moderationen und Interviews mit Live-Übertragungen von Spielen, Musik-Aufführungen usw. verbinden. Ihr unverkennbares Vorbild ist das Nummernprogramm des Varieté, dessen Zuschauerkreis nun weit über das Theater hinaus ausgedehnt wird. Darstellungsformen, Genres und Formate Sendebeiträge- - Einzelbeiträge von Magazinen genauso wie ganze Sendungen-- lassen sich zu Beitragsgattungen zusammenfassen, die je nach Programmbereich als journalistische Darstellungsformen, Genres oder <?page no="87"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 88 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 89 88 Fernsehen im Profil Formate bezeichnet werden. Man kann alle diese Beitragsgattungen nach dem Vorbild des linguistischen Textsortenbegriffs als komplexe Kommunikationsmuster verstehen, die »im Laufe der historisch-gesellschaftlichen Entwicklung aufgrund kommunikativer Bedürfnisse entstanden sind« (Brinker 1997 : 126). Die einzelnen Beitragsgattungen werden nach thematischen Kriterien (z. B. Fußball-Übertragung, Wissenschaftsmagazin, Krimi), nach ihren Rezipienten (z. B. Kindersendung), vor allem aber nach den illokutionären und perlokutionären kommunikativen Handlungen eingeteilt, die man mithilfe der jeweiligen Beiträge vollzieht (z. B. Filmbericht, Erklärstück, Unterhaltungssendung). Im Fernsehjournalismus hat man die Terminologie des Zeitungsjournalismus übernommen. Daher bezeichnet man dort die einzelnen Beitragsgattungen als journalistische Darstellungsformen. Denn in der Journalistik ging man einmal davon aus, dass es sich hierbei um rein formale Aspekte handelt, wie der gleiche Stoff dargestellt werden kann. Inzwischen betont man jedoch die unterschiedlichen kommunikativen Funktionen. Diese bestimmen wiederum die Gliederung, den Umfang und die stilistischen Merkmale der einzelnen Beitragsgattungen. Dementsprechend kann dann jede journalistische Darstellungsform durch ein Merkmalsbündel charakterisiert werden (Renner 2007 : 334-346). Bei den fiktionalen Fernsehangeboten benutzt man zur Bezeichnung der verschiedenen Beitragsgattungen den Begriff Genre, der sich im Umfeld des Spielfilms entwickelt hat. Genres sind »Ordnungsschemata, mit denen sich Spielfilme hinsichtlich ihrer Handlung, ihrer räumlichen und zeitlichen Situierung, ihrer bildlichen Motive, ihres visuell-ästhetischen Stils, ihrer narrativen Muster und ihrer Textperspektive klassifizieren lassen« (Borstnar/ Pabst/ Wulff 2002 : 51). Beispiele sind der Western, der Krimi oder der Heimatfilm. Spielfilme sind narrativ, sie erzählen immer Geschichten. Daher stützt sich ihre Untergliederung auf die Themen dieser Geschichten. Quer über alle Programmbereiche hinweg wird zur Bezeichnung von Beitragsgattungen immer öfter der Begriff Format verwendet, der eine deutliche Nähe zum betriebswirtschaftlichen Konzept der Marke besitzt. Ursprünglich hatte dieser Begriff eine rein technische Bedeutung und bezeichnete Bildformate (z. B. 16 : 9-Format), Übertragungsnormen und standardisierte Sendelängen (z. B. 30, 45, 60 Minuten). Da solche Standardisierungen den Handel mit Fernsehprogrammen erleichtern, erweiterte sich der Format-Begriff dann so, dass er nun auch die »Basisideen von bereits produzierten Programmen« bezeichnet (Karstens/ Schütte 1999 : 94). <?page no="88"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 89 89 5 Das Fernsehprogramm Vor allem im internationalen Programmhandel kann man Formate viel einfacher verkaufen als fertige Sendungen. Man braucht keine Übersetzungen, die bei Fernsehshows sehr störend wirken, und man kann Formate viel leichter an die kulturellen Besonderheiten anderer Länder anpassen. So gibt es vom Format der kolumbianischen Telenovela Yo soy Betty, la Fea inzwischen zwanzig Adaptionen, die in Süd- und Nordamerika, in den verschiedenen Ländern Europas, im Nahen und im Fernen Osten ausgestrahlt wurden. In Deutschland lief dieses Format unter dem Titel Verliebt in Berlin bei Sat.1 (Esser 2010). Gattungstheoretisch lassen sich Formate als Beitragsgattungen verstehen, die durch spezifische Konventionen definiert werden (Renner 2007 : 331). Das Format Wetten, dass..? ist zunächst einmal eine Samstagsabendshow mit Spiel, Musik und mit prominenten Gästen. Spezifisch für dieses Format sind jedoch die artistischen Darbietungen unbekannter Zeitgenossen und die Wetten darauf. Exemplarisch für viele Formate ist weiterhin, wie der langjährige Moderator von Wetten, dass..? , Thomas Gottschalk, das Profil der Sendung prägte und so zu ihrem Markenzeichen wurde. Auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesprächssendungen beruhen auf derartigen konventionellen Regeln. Diese Regeln legen fest, wer als Gast ins Studio eingeladen wird (Politiker, Prominente, Alltagsbürger), wie die Gäste im Studio platziert werden und ob im Studio ein Publikum ist oder nicht. Gesprächssendungen sind Live-Sendungen, daher ist man auf solche konventionellen Vorgaben angewiesen, um den Verlauf der Sendungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Da man konventionell vereinbarte Regeln auch schnell und einfach ändern kann, kann man ohne Schwierigkeiten immer wieder neue Talkshow- Formate kreieren. Entsprechend schnelllebig und unübersichtlich sind die dortigen Entwicklungen (Renner 2007 : 353). Eine zentrale Rolle spielen bei allen Gesprächssendungen die Moderatorinnen und Moderatoren. Sie geben den Gästen die Themen vor, verteilen das Rederecht und bestimmen den Stil der Diskussion. Daher sind inzwischen die meisten Talkshow-Formate nach ihren Moderatorinnen und Moderatoren benannt. Bezeichnend ist die Umbenennung der ZDF- Talkshow Berlin Mitte in Maybrit Illner beim Relaunch 2007. Kommunikationsgattungen Die Kommunikationsgattungen bilden neben den Sendeformen und Beitragsgattungen eine dritte Kategorie, nach der man die Inhalte von Fernsehprogrammen einteilen kann. Zu ihnen zählen der Journalismus, die <?page no="89"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 90 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 91 90 Fernsehen im Profil Literatur bzw. die fiktionalen Medienangebote, die Werbung und die Unterhaltung. Kommunikationsgattungen sind »institutionalisierte Makroformen der Kommunikation« (Schmidt/ Zurstiege 2000 : 177). Sie sind medienunabhängig und lassen sich nicht auf die Beitragsgattungen reduzieren. So gibt es journalistische und literarische Formen des Erzählens (Reportage, Roman), journalistische und unterhaltende Talkshows, Ereignisübertragungen mit journalistischem und mit unterhaltendem Anspruch. Andererseits zeigen der Spielfilm und das Hörspiel, aber auch die journalistischen Live-Sendeformen von Fernsehen und Radio, wie etablierte Kommunikationsgattungen neu entstandene Medien für ihre Zwecke fruchtbar machten. Ein Vorgang, der sich im Internet gerade wiederholt. Zeitung Radio Fernsehen Internet Kino Journalismus Nachrichten, Reportage, Kommentar usw. Nachrichten, Live-Übertragung, Kommentar usw. Nachrichten, Reportage, Talkshow usw. Nachrichten, Live- Ticker, Blog usw. Wochenschau Literatur bzw. ›Fiction‹ Fortsetzungsroman Hörspiel Spielfilm, Serie Hypertext- Erzählungen Spielfilm Spiel und Unterhaltung Rätsel Unterhaltungssendung Show, Talkshow Online- Spiele usw. — Werbung Anzeige Werbespot Werbespot Werbebanner Werbefilm Abb. 20: Medien, Kommunikationsgattungen und Beitragsgattungen (eigene Darstellung) Quer über alle Medien legen die Kommunikationsgattungen einen Rahmen fest, wie die Inhalte der jeweiligen Medienbeiträge zu verstehen sind. So werden die Aussagen journalistischer Medienbeiträge als Fakten und die Aussagen literarischer Medienbeiträge als Fiktionen verstanden, egal in welchem Medium sie getätigt werden. Werbeaussagen dürfen die Interessen ihrer Auftraggeber vertreten, während von journalistischen Autowww.claudia-wild.de: <?page no="90"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 91 91 5 Das Fernsehprogramm ren und von Autoren ›literarischer‹ Medienangebote erwartet wird, dass sie für niemanden ›Reklame‹ machen. Ausgehend vom semiotisch-pragmatischen Konzept des kommunikativen Handelns kann man einen Sprecher-Hörer-Vertrag als Grundlage der verschiedenen Kommunikationsgattungen annehmen, der die gattungsspezifischen Sprecher-Hörer-Kooperationen organisiert. Beispielsweise nehmen die Autoren von Spielfilmen ihren Zuschauern gegenüber das Recht in Anspruch, ausgedachte Geschichten zu erzählen. Die Zuschauer müssen das akzeptieren, soll diese Kommunikation gelingen. Vergleichbares gilt auch für die anderen Kommunikationsgattungen. Die Sprecherseite signalisiert dabei ihr Vertragsangebot im Titel der Medienbeiträge (z. B. »Eine Dokumentation von-…«) oder durch deren Platzierung (etwa im Werbeblock) und die Rezipienten können diese Vertragsangebote akzeptieren, missverstehen oder ablehnen (Renner 2007 : 366-373). 5.2 Journalistische Programminhalte Der Kooperationsvertrag der Kommunikationsgattung Journalismus legt fest, dass der ›Sprecher‹ dem ›Hörer‹ jene Fakten mitteilt, die für diesen aktuell, relevant oder zumindest interessant sind. Weiterhin legt dieser Vertrag fest, dass der ›Sprecher‹ keinem speziellen Interesse, sondern dem Allgemeininteresse verpflichtet ist. (Hier unterscheidet sich der Journalismus von der PR, die interessengebunden ist und nur über jene Fakten informiert, die für ihre Auftraggeber mitteilungswert sind.) Der journalistische Sprecher-Hörer-Vertrag reglementiert also alle Dimensionen des kommunikativen Handelns (Renner 2007 : 389-392). Genau diese Reglementierung bildet die Grundlage der sozialen Funktionen, die der Journalismus für unsere Gesellschaft erfüllt: Journalismus recherchiert, selektiert und präsentiert Themen, die neu, faktisch und relevant sind. Er stellt Öffentlichkeit her, indem er die Gesellschaft beobachtet, diese Beobachtung über periodische Medien einem Massenmedium zur Verfügung stellt und dadurch eine gemeinsame Wirklichkeit konstruiert. Diese konstruierte Wirklichkeit bietet Orientierung in einer komplexen Welt. (Meier 2011 : 13) Da der Journalismus höchst unterschiedliche Anforderungen an die Kommunikationspotenziale der jeweiligen Medien stellt, sind die journalistischen Programminhalte des Fernsehens quer über alle Submedien verteilt, <?page no="91"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 92 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 93 92 Fernsehen im Profil je nachdem, welche Anforderungen von ihren Dispositiven besonders gut umgesetzt werden. Live-Sendungen erfüllen in einzigartiger Weise die journalistische Norm, möglichst aktuell zu berichten. Filme bieten die besten Möglichkeiten, Themen attraktiv und verständlich darzustellen. Das Sprechfernsehen erlaubt es wiederum, auch jene Themen aus Politik, Wirtschaft usw. zu behandeln, die man mit audiovisuellen Mitteln kaum darstellen kann. Und da die journalistische Berichterstattung alle diese Anforderungen immer wieder gleichzeitig erfüllen muss, ist im Fernsehjournalismus die Sendeform Magazin besonders weit verbreitet. Auch die Nachrichtensendungen des Fernsehens greifen auf diese Sendeform zurück. Als Kernbereich der journalistischen Berichterstattung sind sie die »Visitenkarte der Kategorie ›Information‹« (Kamps/ Meckel 1998 : 11). Daher kann es nicht verwundern, dass sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Programmprofile auch die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen und der privaten Programme sowohl in ihrer Themenauswahl wie in ihrer Themenpräsentation unterscheiden. Die älteste und nach wie vor meistgesehene Nachrichtensendung des deutschsprachigen Fernsehens ist die Tagesschau, deren Hauptsendung seit 1952 um 20.00 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird. Ursprünglich war die Tagesschau ein bloßer Zusammenschnitt von Wochenschau-Filmen, später kam ein vorgelesener Meldungsblock hinzu. Die heutige Magazinform aus Wort- und Filmbeiträgen entwickelte sich erst in den 60er Jahren. Damals begann man auch, mehrere Ausgaben täglich auszustrahlen (Hickethier 1998). Inzwischen läuft bei der Tagesschau genauso wie bei ‚Hörer‘ ‚Sprecher‘ ‚Dinge‘ Zeichen fak�sch nicht interessengebunden aktuell, relevant, interessant Abb. 21: Reglementierungen der Sprecher-Hörer-Beziehung in der Kommunikationsgattung Journalismus (nach Renner 2007 : 390) <?page no="92"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 93 93 5 Das Fernsehprogramm der ZDF-Nachrichtensendung heute fast zu jeder Stunde eine neue, aktualisierte Ausgabe. Weiterhin gibt es inzwischen crossmediale Internetauftritte und 100-Sekunden-Formate für den mobilen Empfang. Nachrichtensendungen sind auf die reine Information der Zuschauer über Fakten und Ereignisse zugeschnitten. Nachrichtenjournale, wie die Tagesthemen, das heute journal oder die Nachtjournale von ARD, ZDF und RTL haben einen umfassenderen Anspruch. Sie wollen ihre Informationen auch hinterfragen und einordnen. Daher unterscheiden sich diese Sendungen nicht allein in ihrer Länge, sondern auch durch ihre journalistische Präsentation. Die Moderatoren fungieren hier nicht als Nachrichtensprecher, die die Wahrheit verkünden, sondern als Autoritäten, die die Wahrheit herauszufinden versuchen (Karstens/ Schütte 1999 : 195 f.). Die Produktion von Nachrichtenformaten ist aufwendig und teuer. Die Nachrichtenredaktionen von ARD und ZDF umfassen jeweils etwa 100 Leute, hinzu kommen noch die Techniker und Mediengestalter sowie das große Netz der In- und Auslandskorrespondenten. Nicht zuletzt deswegen haben die privaten Anbieter deutlich weniger Nachrichtensendungen in ihren Programmen. Auch haben sie die Produktion zum Teil in die Nachrichtenkanäle n-tv und N24 ausgelagert. Ob der Journalismus seiner gesellschaftlichen Aufgabe gerecht wird, Öffentlichkeit herzustellen, hängt entscheidend davon ab, nach welchen Kriterien die Fakten ausgewählt werden, über die er berichtet. Hierzu hat die Kommunikationswissenschaft eigene Theorien der Nachrichtenauswahl entwickelt (Meier 2011 : 192-f). Speziell für das Fernsehen wird ein Nachrichtenfaktor Visualität diskutiert, wonach es vor allem jene Ereignisse in die Fernsehnachrichten schaffen, von denen es Bilder gibt (Ruhrmann u. a. 2003). Der Journalismus sieht seine Aufgabe aber nicht allein in der Information der Öffentlichkeit. Er will seine Informationen auch bewerten und so zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Das gilt insbesondere für die politische Berichterstattung, die sich als eine Vermittlungsinstanz von Politik und Gesellschaft versteht. Der Zeitungsjournalismus hat hier mit dem Kommentar eine eigene meinungsbildende Darstellungsform entwickelt, die jedoch im Fernsehen kaum eine Rolle spielt. Die Beitragsgattungen, die hier der Meinungsbildung dienen, sind die politischen Magazine (Panorama, Report usw.) und die politischen Gesprächssendungen (Günther Jauch, Hart aber fair usw.). Diese Formate sollen politische Sachverhalte aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten: Gesprächssendungen, indem sie Vertreter der unterschiedlichen Positionen zur Diskussion einladen; Magazine, indem sie mit ihren unterschiedlichen <?page no="93"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 94 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 95 94 Fernsehen im Profil Profilen im Rahmen des Gesamtprogramms die verschiedenen Positionen akzentuieren. Unübersehbar ist dabei, dass die politischen Magazine, die in den 70er und 80er Jahren heftigste Kontroversen auslösten (Hickethier 1998 : 372), ihre meinungsbildende Rolle inzwischen an die politischen Talkshows verloren haben. Nachrichtenformate berichten aufgrund ihres Sendeturnus über tagesaktuelle Themen. Daher produzieren jene journalistischen Ressorts, die latent aktuelle Themen behandeln-- Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucher usw.- -, Magazinsendungen, die in einem wöchentlichen Rhythmus ausgestrahlt werden (z. B. aspekte, Quarks & Co., Markt). Ergänzt wird diese Berichterstattung durch Reportagen, Features, Dokumentationen, die teilweise von den Fachredaktionen selbst, teilweise von eigenen Reportage-, Feature- und Doku-Redaktionen produziert werden. Historisch gesehen ist dieser Fernsehdokumentarismus eine fernsehspezifische Adaption des Dokumentarfilms. Inzwischen hat sich im Fernsehen unter dem Einfluss der fiktionalen Fernsehserien mit der Dokusoap auch eine eigene Form des nicht-fiktionalen seriellen Erzählens entwickelt (Wolf 2003). Der Dokumentarfilm selbst führt im Fernsehen ein Außenseiterdasein. Da Dokumentarfilmer ihre Filme als individuelle, wenn nicht künstlerische Ausdrucksmittel verstehen, sind Konflikte mit den heutigen, durchformatierten Fernsehprogrammen unausweichlich. Dokumentarfilmer orientieren sich bei der Wahl ihrer Themen und der Gestaltung ihrer Filme an ihren eigenen Vorstellungen und nicht an den Erwartungen der Redaktionen und des Publikums. So trifft man ihre Filme fast nur in Minderheitenprogrammen wie 3sat oder Arte. Nichtsdestoweniger bildet der Dokumentarfilm ein kreatives Potenzial, das für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Fernsehjournalismus unverzichtbar ist (Zimmermann 2006). Immer wichtiger wird dagegen der Sport. Die ewigen Verhandlungspoker um die Übertragungsrechte von Fußballspielen und Autorennen, von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen belegen, wie wichtig den Sendern dieser Zuschauermagnet ist. Dementsprechend konzentriert sich der Fernsehsport auf die Live-Übertragung solcher Großveranstaltungen. 2010 waren die zehn meistgesehenen Einzelsendungen des deutschen Fernsehens lauter Fußballübertragungen. Der Spitzenreiter, das WM-Spiel Deutschland-Spanien, hatte 31 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 83 % (Zubayr/ Gerhard 2011 : 133). Die Sportberichterstattung in den Nachrichten und anderen Sportsendungen hat demgegenüber nur noch einen ergänzenden Charakter. <?page no="94"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 95 95 5 Das Fernsehprogramm Am Beispiel des Sportjournalismus lässt sich aber auch gut beobachten, welch zweischneidigen Einfluss das Fernsehen auf den Journalismus hat. Denn der Sport im Fernsehen bildet nicht mehr die Vielfalt der Sportarten ab, sondern ist auf einige wenige, fernsehaffine Sportarten fixiert. Auch wurden die zahllosen Doping-Fälle ausnahmslos von Zeitungs- und Radiojournalisten aufgedeckt. Ereignisübertragungen bieten keinen Rahmen, in dem man die Probleme des Sports ansprechen kann. Die Zuschauer erwarten, bei einem Sportereignis dabei zu sein und nichts anderes (Renner 2007 : 479). Wie einschlägige Erfahrungen belegen, tun die Journalisten gut daran, diese Erwartungen zu respektieren. Neben dem ›seriösen‹ Journalismus war im Fernsehen seit jeher ein Boulevardjournalismus vertreten, der mit unterhaltsamen Mitteln ›leichte‹ Themen präsentierte. Typisch dafür waren Vorabendmagazine wie die legendäre drehscheibe des ZDF. Nach der Zulassung privater Fernsehsender veränderte sich diese Form des Fernsehjournalismus deutlich. Heutige Boulevardmagazine privater wie öffentlich-rechtlicher Sender (Explosiv, taff, Brisant, Hallo Deutschland) orientieren sich mit ihrer sensationsorientierten Aufmachung, ihrer Stereotypisierung und Emotionalisierung an den Verkaufsstrategien von Boulevardzeitungen. Der Zusammenhang mit den institutionellen Mediendispositiven ist unübersehbar: Boulevardzeitungen und privates Free-TV werden nicht durch Abonnements oder Gebühren finanziert, sondern durch die verkaufte Auflage bzw. durch die Quote. Die sensationsorientierte Gestaltung ist ja auch für viele andere Programmangebote des Privatfernsehens charakteristisch. Ebenso unübersehbar ist, dass die öffentlich-rechtlichen Programme hier Gestaltungsmuster des Privatfernsehens übernommen haben. Da es nach der Etablierung des Dualen Systems auch in anderen Programmsegmenten solche Tendenzen gab, wurde in der Kommunikationswissenschaft die Konvergenzhypothese diskutiert, mit der man diese Zusammenhänge zu erklären suchte. Sie war letztlich nicht zu beweisen (Krüger 1998). Als Konvergenzphänomene gelten auch die Infotainment- und Servotainment-Magazine (ARD-, ZDF-Morgenmagazin; ARD-Buffet; Volle Kanne), die sich ausgehend vom Frühstücksfernsehen entwickelt haben, das 1987 von Sat.1 und RTL eingeführt wurde. Diese Formate kombinieren journalistische Beiträge mit unterhaltenden Elementen und sind keineswegs negativ zu sehen. Erlauben sie doch, lange und extrem lange Sendestrecken kostengünstig mit einem sinnvollen Programm zu füllen. Aber nicht allein die Programminhalte, auch die Programmstrukturen sind für den Journalismus von Bedeutung. So beginnen die Hauptsendezeiten vieler Fernsehprogramme mit einer Nachrichtensendung. <?page no="95"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 96 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 97 96 Fernsehen im Profil Dadurch haben sich bei den Zuschauern feste Verhaltensmuster entwickelt, wann und wo sie sich über das tägliche Geschehen auf dem Laufenden halten können. Diese festen Programmstrukturen erlauben es wiederum, durch eine Unterbrechung dieser Routinen die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf besondere Ereignisse zu lenken. Solche Unterbrechungen sind die Breaking News und der Media Event. Der Anlass für eine Breaking News ist etwas Unerwartetes, dessentwegen das Programm durch eine aktuelle Sondersendung unterbrochen wird. Oft ist das ein Unglücksfall. Der Anlass für einen Media Event ist dagegen ein Großereignis wie die Eröffnung Olympischer Spiele, historische Staatsbesuche, nationale Trauerfeiern, derentwegen das Fernsehprogramm so geändert wird, dass man diese Veranstaltungen in voller Länge live übertragen kann. Verursachen Breaking News durch ihre Unterbrechung der alltäglichen Routine Unsicherheiten, so bestätigen Media Events die allgemeine Ordnung oder stellen diese wieder her (Dayan/ Katz 1992 : 8). So begann die Berichterstattung über die Love-Parade- Katastrophe 2010 mit Programmunterbrechungen und Sondersendungen und fand mit der Live-Übertragung der Trauerfeier ihren Abschluss. 5.3 Fiktionale Programminhalte: Filme, Serien, Reality TV Im Gegensatz zu den journalistischen Programmangeboten gilt für die Fiction-Angebote des Fernsehens ein Sprecher-Hörer-Vertrag, der festlegt, dass diese Medieninhalte keinen Anspruch auf Faktizität erheben. Egal ob es sich dabei um literarisch-künstlerische oder bloß unterhaltende Beiträge handelt, sie geben keine Fakten wieder, sondern stellen Fiktionen dar. Das erlaubt ihnen, eigene Wirklichkeiten zu konstruieren, die als Zielvorstellungen des gesellschaftlichen Handelns, als Mittel der Verschleierung oder zur Kritik von politischen und sozialen Zuständen dienen können. [Fiktionale; KNR] Äußerungen sind also modellbildende Systeme: Sie entwerfen Modelle einer Welt. Solche Weltentwürfe sind selbst wieder Medien der kulturellen Selbstverständigung, mittels derer eine Kultur, eine Epoche, eine Gesellschaft Ideologeme bestätigt und einübt oder infrage stellt oder verwirft. Solche Weltmodelle können folglich in unterschiedlichem Ausmaß einerseits mit der offiziellen Ideologie, andererseits mit den tatsächlichen sozialen Praktiken übereinstimmen bzw. von ihnen abweichen. (Krah 2011 : 29) <?page no="96"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 97 97 5 Das Fernsehprogramm Typisch für fiktionale Fernsehangebote ist es, dass sie Geschichten erzählen, auch wenn nicht alle Geschichten ausgedacht sein müssen. Auch journalistische Formate wie die Reportage können Geschichten erzählen. Ob und in welchem Umfang eine Geschichte als Fiktion zu verstehen ist, regelt der jeweilige Sprecher-Hörer-Vertrag (Renner 2007 : 233-239). Dabei kann es zu bemerkenswerten Verschränkungen von faktischen und fiktiven Sachverhalten kommen. So legen viele Fernsehkrimis großen Wert auf ein authentisches Lokalkolorit. Doch die Kommissare, die etwa im Münchener Tatort auf dem Oktoberfest ermitteln, sind fiktiv. Andererseits arbeiten Fernsehdokumentationen, die historische Ereignisse nacherzählen, trotz ihres faktizierenden Anspruchs mit Reenactment, also mit erkennbar nachgestellten Szenen (z. B. Terra X). Sie behaupten damit nicht, dass sich das gezeigte Geschehen so zugetragen hat, sondern, dass es sich so zugetragen haben könnte. Im Gegensatz dazu verschleiern Reality-TV-Formate die Differenz von Fakten und Fiktion. Sie geben vor, ein faktisches Geschehen wiederzugeben, obwohl sie mehr oder minder erfundene Geschichten zeigen. Geschichten sind unabhängig vom Medium, mit dessen Hilfe sie erzählt werden. Sie können als Buch, als Bühnenstück oder als Film erscheinen. Die Erzähltheorie unterscheidet daher zwischen Geschichte (auch: histoire, Handlung, plot) und Diskurs (auch: discours): »Die Geschichte ist das Was der Erzählung-- eine fiktionale Welt, die von Figuren und Dingen bevölkert ist und in der sich bestimmte Geschehnisse ereignen. Der Diskurs ist das Wie der Erzählung-- die sprachliche Mitteilung, die uns der Erzähler von diesen Gegenständen und Ereignissen liefert« (Lahn/ Meister 2008 : 14). Die typische Sendeform fiktionaler Fernsehbeiträge ist der Film. Denn das Dispositiv des Films mit seinen Möglichkeiten zu Zeitsprüngen und zum Wechsel der Perspektiven eignet sich sehr gut, Geschichten zu erzählen. Daher hat sich schon im Kino eine eigene Kultur des audiovisuellen Erzählens entwickelt, die das Fernsehen übernommen und fortentwickelt hat. Spielfilme, die fürs Kino gedreht werden, sind etwa 90 Minuten lang und erzählen eine in sich abgeschlossene Geschichte, deren Wende- und Höhepunkte (plot points) auf diesen Zeitrahmen zugeschnitten sind. Auch sind Kameraführung und Tongestaltung so angelegt, dass Bild und Ton bei der Vorführung im Kino optimal zur Wirkung kommen. Die Fernsehausstrahlung von Kinofilmen ist aber dennoch ein wichtiger Bestandteil ihrer wirtschaftlichen Verwertung. Nachdem sie im Kino liewww.claudia-wild.de: <?page no="97"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 98 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 99 98 Fernsehen im Profil fen und als DVD erschienen sind, werden sie im Pay-TV und anschließend im Free-TV gezeigt. Dabei werden die publikumswirksamen TV- Premieren in den Hauptsendezeiten der großen Programme platziert, während ältere Spielfilme in den kleineren Programmen laufen. Filme mit Jugendschutz-Auflagen dürfen allerdings immer erst spät am Abend gesendet werden. Fernsehfilme sind Spielfilme, die im Auftrag einer Rundfunkanstalt produziert werden und deren Gestaltung den Anforderungen des Fernsehens besonders entgegenkommt. In vielen Fällen sind ihre Vorlagen Trivialromane, die sie routiniert und gekonnt mit Hochglanzbildern wiedergeben. Historisch gesehen hat sich der Fernsehfilm aus dem Fernsehspiel entwickelt, mit dem man einmal die Ausdrucksmöglichkeiten des Theaters für das Fernsehen nutzbar machen wollte (Hickethier 1998 : 148). Neben dem Kino bildet nämlich das Theater den zweiten Ursprung der fiktionalen Fernsehprogramme. Mitschnitte von Theateraufführungen, vor allem von volkstümlichen Stücken, sind bis heute ein fester Bestandteil fiktionaler Programmangebote (Millowitsch-Theater, Ohnsorg-Theater, Komödienstadel). Auch die ersten Fernsehserien wie das Königlich Bayerische Amtsgericht hatten eine unverkennbare Nähe zum Theater. Weitere Fernsehformate, die vom Theater kommen, sind die Sitcom (Hausmeister Krause, Schillerstraße) und die verschiedenen Kleinkunstformen des Kabaretts (Klimbim, Scheibenwischer, Neues aus der Anstalt). Diese Formate werden meistens schon der Unterhaltung zugerechnet. Fernsehfilme sind oftmals Mehrteiler (Dresden ZDF 2006, Die Sturmflut RTL 2006), noch öfter sind sie in Reihen eingebunden, die wie der ZDF Sonntagsfilm immer zur gleichen Zeit gesendet werden. Diese Serienbildung soll verhindern, dass der einzelne Beitrag in der Menge des Programms untergeht. Daher sind Reihen und Serien für das Fernsehen insgesamt charakteristisch, Serienbildung gibt es auch im nicht-fiktionalen Programmangebot. Speziell für fiktionale Programminhalte bietet sie die Möglichkeit, umfangreiche Geschichten in aller Ausführlichkeit zu erzählen. So standen Rainer-Werner Fassbinder für seine Fernsehadaption von Alfred Döblins Roman Berlin Alexanderplatz mehr als 15 Stunden Sendezeit zur Verfügung (ARD 1980), während der Spielfilm von Piel Jutzi 1931 mit anderthalb Stunden auskommen musste. Die Produktion eines Fernsehfilms unterscheidet sich kaum von einer Produktion eines Spielfilms, der im Kino laufen soll. Anders verhält es sich dagegen bei den Serien. Wenn eine Serie wöchentlich oder gar täglich ausgestrahlt wird, muss an einem Tag erheblich mehr Material <?page no="98"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 99 99 5 Das Fernsehprogramm gedreht werden als bei einem Film. Um die Produktionskapazitäten optimal auszunutzen, werden Serien nicht einzeln, sondern in Staffeln gedreht. Auch werden viele Serien in Filmstudios produziert, wo man mit Kulissen arbeitet und ähnlich wie bei einer Fernseh-Studioproduktion mit mehreren Kameras gleichzeitig dreht. Dieses Aufnahmeverfahren verwendet man auch bei Theatermitschnitten und bei Gerichtsshows, die man ebenfalls im Studio produziert. Fernsehserien werden wie Spielfilme nach inhaltlichen Kriterien in Genres unterteilt. Es gibt Familien- und Heimatserien, Krimis, Krankenhausserien usw. Wichtiger ist die Unterscheidung struktureller Formen des seriellen Erzählens. Bei einem ersten Serientyp, der oft als Reihe bezeichnet wird, erzählt jede Sendung eine abgeschlossene Geschichte. Dabei treten jedes Mal die gleichen Hauptfiguren auf und die Schauplätze ändern sich kaum. Bei anderen Formen der Fernsehserie wird dagegen wie bei einem Mehrteiler eine fortlaufende Geschichte erzählt. Nach diesem Prinzip funktionieren die Soap und die Telenovela, deren Namen auf ihre Herkunft aus dem US-amerikanischen Werbefernsehen (»Soap Opera«) und dem lateinamerikanischen Unterhaltungsfernsehen verweisen (Krah 2010). Die bekannteste und am meisten gesehene deutsche Serie mit abgeschlossenen Episoden ist die Krimi-Reihe Tatort. Sie startete Ende 1970 und zählt mittlerweile mehr als 800 Folgen; einzelne Sendungen erreichten 2010 um die zehn Millionen Zuschauer. Die älteste Endlosserie des deutschen Fernsehens ist die Lindenstraße, die seit Ende 1985 jeden Sonntag ausgestrahlt wird und inzwischen mehr als 1.300 Folgen umfasst. Die erste und nach wie vor am meisten gesehene Endlosserie mit täglicher Ausstrahlung (Daily Soap) ist Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Seit 1992 wurden ca. 5.000 Folgen gesendet, 2010 betrug die durchschnittliche Quote 3,61 Millionen Zuschauer. Beispiele für deutschsprachige Telenovelas sind Sturm der Liebe (seit 2005) und Verliebt in Berlin (645 Folgen von 2005 bis 2007) (Alle Zuschauerwerte nach Zubayr/ Gerhard 2011). Soaps und Telenovelas entwickeln zahlreiche Handlungsstränge parallel nebeneinander und springen dabei zwischen den Schauplätzen hin und her (Zopfdramaturgie). Die einzelnen Episoden sind aber nicht abgeschlossen, sondern hören mit einem Cliffhanger auf, einem besonders spannenden Moment, das erst in der nächsten Folge aufgelöst wird. Bei einer Telenovela findet die Geschichte irgendwann zu einem Ende, während die Handlung einer Soap endlos weiterläuft. Eine Soap erzählt keine zusammenhängende Geschichte, sondern das Auf und Ab der Figuren, die ihr fiktionales Universum bevölkern. <?page no="99"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 100 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 101 100 Fernsehen im Profil Charakteristisch für diese Endlosserien ist weiterhin, dass in ihrem Umfeld eigene Fankulturen entstehen, für die dann wiederum Zeitschriften, Bücher und Merchandising-Artikel angeboten werden. Besonders wichtig ist das Internet, wohin sich schon längst die Anschlusskommunikation der Fans verlagert hat. Die Sender tragen dem Rechnung, indem sie für ihre Serien eigene Homepages anbieten mit Mediatheken, aktuellen und ergänzenden Informationen, Foren, Chats und Social Media. Nach dem dramaturgischen Vorbild der Endlosserien wurden auch zahlreiche Hybridformate entwickelt, die alle unterschiedslos mit dem Begriff Reality TV bezeichnet werden, unabhängig davon, ob es sich um fiktionale oder nicht-fiktionale Formate handelt. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich dieses Programmsegment schneller entwickelt als das Begriffssystem, das man zu seinem Verständnis benötigt. Zunächst verstand man unter Reality TV jene (pseudo-)journalistischen Formate der 1990er Jahre, die mit deutlich voyeuristischer Zielsetzung zufällig aufgenommene oder nachgestellte Unglücksfälle vorführten. Seit dem Start von Big Brother im Frühjahr 2000 wurde auch dieses Unterhaltungsformat als Reality TV bezeichnet, ebenso die ähnlich konzipierten Living-History-Formate, die ein Reenactment vergangener Alltagswelten bieten (Schwarzwaldhaus 1902). Inzwischen werden noch folgende Formate unter dem Begriff Reality TV zusammengefasst: Gerichtshows, Pseudo-Dokus (Lenßen und Partner, Familien im Brennpunkt), Coaching-Reportagen (Die Supernanny, Raus aus den Schulden), Makeover-Formate (Einsatz in 4 Wänden), Swap-Formate (Frauentausch). Reality TV ist kein wohl definierter Begriff, sondern die Bezeichnung für ein Konglomerat verschiedener Formate, die alle mit Realitätsanspruch auftreten, dabei aber die Künstlichkeit und Inszeniertheit ihrer Realitätsdarstellung nicht verleugnen. (Klaus 2006) Eine Gemeinsamkeit dieser Formate liegt darin, dass sie alle auf ausgebildete Schauspieler verzichten und mit Laiendarstellern arbeiten, wobei sich die Hauptfiguren meist selbst darstellen. Das gilt sogar für eindeutig fiktionale Formate. Barbara Salesch, die Richterin der gleichnamigen Gerichtsshow von Sat.1, ist von Beruf Richterin. Andererseits ist aber auch in den nicht-fiktionalen Formaten keineswegs das wahre Gesicht der Mitwirkenden zu sehen. Denn sie werden nach dramaturgischen Kriterien gecastet, ihre Aktionen und Äußerungen werden durch Regieanweisungen vorgegeben (Scripted Reality) oder durch gezielte Provokationen manipuliert. Schließlich wird das aufgenommene Material so montiert, dass es dem dramaturgischen Muster der Serie entspricht. Weiwww.claudia-wild.de: <?page no="100"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 101 101 5 Das Fernsehprogramm tere stilistische Gemeinsamkeiten sind die Kameraführung, die sich an der Videoreportage orientiert, und der plakative Einsatz des Off-Kommentars und der Musik nach dem Vorbild des Boulevardjournalismus. Alle diese Formate entwickelten sich im Privatfernsehen, wo sie die Daily Talks ablösten, die dort in den 1990er Jahren das Tagesprogramm prägten (Labitzke 2009). Sie entstanden also innerhalb eines institutionellen Dispositivs, das seine Programminhalte dezidiert an ökonomischen Kriterien ausrichtet. Da die meisten Reality-TV-Formate im Tagesprogamm ausgestrahlt werden, müssen sie mit einem möglichst minimalen Kostenaufwand produziert werden, weil tagsüber weniger Leute Fernsehen schauen und die Einnahmen für den Verkauf der Werbezeiten gering ausfallen. Dieser Kostendruck bestimmt den Inhalt und die Gestaltung dieser Sendungen. Das alles erinnert sehr deutlich an das Entstehen der Kolportage-Literatur in den Druckmedien. 5.4 Nicht-fiktionales Unterhaltungsfernsehen Der Begriff Unterhaltung bezeichnet ein Rezeptionserlebnis, das durch unterschiedlichste Faktoren ausgelöst wird (Früh 2002). Daher gibt es eine Vielfalt unterschiedlichster Programmbeiträge fiktionaler wie nichtfiktionaler Natur, die als Unterhaltungssendungen bezeichnet werden (Frizzoni/ Tomkowiak 2006). Bei letzteren unterscheidet die Programmforschung wiederum zwischen «1. journalistischer Unterhaltung (Magazin, Ratgeber, Reportage, Übertragung, Talk in unterhaltsamer Präsentation), 2. Formaten des Factual Entertainment (Doku-Soaps/ Doku-Inszenierungen) und 3. konventionellen Unterhaltungsformen (Quiz, Darbietungsshow)« (Krüger 2011 : 215). Der Begriff Unterhaltung ist zu unscharf, um ein bestimmtes Programmsegment eindeutig zu umreißen. Deswegen sollen hier nur jene Formate als Unterhaltungssendungen betrachtet werden, bei denen es sich um »Vorführungen mit Ereignischarakter« handelt (Plake 2004 : 157). Die Sendungen dieser Kommunikationsgattung haben einen ähnlich performativen Charakter wie die Theateraufführung und das Spiel. Hier agiert das Fernsehen weder als Berichterstatter, noch als Geschichtenerzähler, sondern als Veranstalter. Es organisiert Spiele, Darbietungen und unterhaltsame Gespräche und lässt durch seine medialen Mittel das Fernsehpublikum an diesen Veranstaltungen mit dabei sein. Diese nichtfiktionalen Unterhaltungssendungen sind mediatisierte Formen der Versammlungskommunikation. <?page no="101"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 102 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 103 102 Fernsehen im Profil Der Sprecher-Hörer-Vertrag dieser Sendungen orientiert sich am Konzept der rituellen Kommunikation. Entscheidend ist nicht die Vermittlung von Informationen, sondern das Dazugehören zu einer Gemeinschaft (Carey 1992 : 18). Diese Gemeinschaft besteht aus den Akteuren vor der Kamera, dem Publikum im Saal und den Zuschauern zuhause. Sie findet ihren Ausdruck darin, dass die Moderatoren nicht allein die Gäste, sondern auch das Publikum und die Zuschauer begrüßen. Und es zeigt sich ebenso im Applaus, mit dem das Publikum die Moderatoren und die Gäste empfängt und wieder verabschiedet. Die typische Sendeform dieser Formate ist die Live-Show, die Elemente der Ereignisübertragung und des Sprechfernsehens (Moderationen, Interviews) miteinander kombiniert. Auch sind alle diese Formate nicht als Einzelsendungen, sondern als Serien angelegt, wie das dem Konzept der rituellen Kommunikation entspricht. Eine zentrale Größe aller Unterhaltungssendungen sind die Moderatorinnen und Moderatoren. Sie geben den einzelnen Formaten ein Gesicht, sind das Bindeglied zwischen den auftretenden Protagonisten, dem Publikum im Studio und dem Publikum zu Hause. Auch verkörpern sie die expliziten und impliziten Werte, denen sich eine Sendung verpflichtet fühlt. Je nach Format kann ihre Rolle sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. In Musiksendungen stellen sie die Interpreten vor, in Spiel- und Quizshows sind sie ein »mitfühlender Richter«, der mit seinen Kandidaten mitbangen, aber nie einen Kandidaten bevorzugen darf (Karstens/ Schütte 2010 : 158), in Comedy-Programmen sind sie wiederum »Spieler ohne Regeln«, deren Autorität allein auf dem erzielten Lacherfolg beruht (Karstens/ Schütte 2010 : 159). Eine erste Gruppe dieser nicht-fiktionalen Unterhaltungsformate sind die Spielshows und Quizsendungen. Sie bestehen aus Geschicklichkeitsspielen und Wissenstests, oft ist beides auch miteinander kombiniert. Vergleichbar den fiktionalen Formaten definieren sie eine eigene Wirklichkeit, »indem sie Relevanzkriterien und Spielregeln erfinden, die es so in alltäglichen Zusammenhängen nicht gibt« (Plake 2004 : 158). Diese Regeln müssen auch von den Zuschauern akzeptiert werden, wollen sie mit ihren Favoriten ›mitfiebern‹ können. Unterhaltungssendungen schaffen damit für ihre Zuschauer Freiräume zur Entspannung und Erholung und rekapitulieren ganz nebenher die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft, wie Leistungsbereitschaft, Kooperationsfähigkeit und Fairness. Welche Bedeutung diese Show- und Quizformate für das Fernsehen besitzen, ist daran zu ersehen, dass die meisten von ihnen in der Primewww.claudia-wild.de: <?page no="102"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 103 103 5 Das Fernsehprogramm time, also in der Hauptsendezeit, platziert sind. Die klassische Unterhaltungssendung dieser Art war bis in die 1980er Jahre die große Samstagabendshow, deren Zweck die Unterhaltung der ganzen Familie war. Das letzte Format dieser Art ist Wetten, dass..? Die einzelnen Sendungen von Wetten, dass..? gehören regelmäßig zu den am meisten gesehenen Einzelsendungen des Jahres und erreichen dabei Einschaltquoten von weit über zehn Millionen Zuschauern (Zubayr/ Gerhardt 2010 : 111). Die Protagonisten von Spiel- und Quizshows sind Alltagsmenschen oder Prominente, nie aber Leute, die die vorzuführenden Tätigkeiten professionell ausüben. Solche professionellen Akteure-- Musiker, Schauspieler, usw.-- trifft man in einer zweiten Gruppe von Unterhaltungsformaten, den Bunten Abenden, Volksmusiksendungen und Comedy- Shows, wo sie dem Publikum ihr Können vorführen. Hier ergibt sich der Ereignischarakter der Sendungen nicht durch den spielerischen Wettkampf, sondern durch die gekonnte, oft auch spektakuläre Darbietung. Auch das Kabarett und die Satire sind hier zu nennen, die Unterhaltung und politische Meinungsbildung miteinander verbinden. Eine dritte Gruppe von Unterhaltungsformaten sind jene Talkshows, in denen Prominente aus ihrem Leben erzählen und zu aktuellen Themen befragt werden. Der Ereignischarakter ergibt sich durch das spontane Frage-Antwort-Spiel vor laufender Kamera und den Einblick in das private Denken prominenter Zeitgenossen. Da alle diese Sendungen durch konventionelle Regeln organisiert werden, lassen sich neue Unterhaltungsformate relativ schnell entwickeln. Hier ist das Privatfernsehen, das seine Einnahmen zu einem großen Teil durch Unterhaltungssendungen verdient, die treibende Kraft. Besonders augenfällig ist das bei den verschiedenen Factual Entertainmentbzw. Reality-TV-Formaten. Doch auch bei den konventionellen Unterhaltungssendungen brachten die privaten Sender immer wieder neue Formate auf den Markt, die- - wenn sie erfolgreich waren- - ganze Scharen ähnlicher Sendungen nach sich zogen. Beispiele sind die Comedy-Shows im Gefolge von RTL Samstag Nacht, der Boom der Quizsendungen nach Wer wird Millionär? und die Daily Talks und Gerichtshows in den 1990er und 2000er Jahren (Labitzke 2009). Bei all den Programminnovationen des Privatfernsehens kam es darauf an, Aufsehen zu erregen, um dadurch Zuschauer zu gewinnen. Ein Mittel dazu ist die Provokation. Dafür stehen Formate wie die Erotik- Show Tutti Frutti, die Konfrontations-Talkshow Der heiße Stuhl und Reality Shows wie Dschungel Camp oder Die Alm. Ein anderes Mittel, das viele Daily Talkshows gezielt eingesetzt haben und von dem auch das perwww.claudia-wild.de: <?page no="103"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 104 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 105 104 Fernsehen im Profil formative Unterhaltungsfernsehen Gebrauch macht (z. B. Verzeih mir, vgl. Keppler 1994), ist der öffentliche Ausbruch heftigster privater Gefühle (»Affektfernsehen« Bente/ Fromm 1997). Ein weiteres Mittel ist die Produktion künstlicher Events. Exemplarisch dafür ist das Format Deutschland sucht den Superstar, sowohl hinsichtlich seines Titels wie seiner besonderen Serienstruktur. Ist bei herkömmlichen Spielshows jede Sendung eine in sich abgeschlossene Einheit, an deren Ende die Gewinner feststehen, so wird hier ein Spannungsbogen entwickelt, der sich wie bei einem mehrteiligen Fernsehfilm über mehrere Sendungen hinweg aufbaut und so, bis in der letzten Runde der Sieger feststeht, immer mehr öffentliches Aufsehen erregt. Diese künstlichen Events versprechen ihren Zuschauern nicht mehr Spaß und Unterhaltung, sondern ähnlich wie ein Media Event das Miterleben eines außerordentlichen Ereignisses. 5.5 Werbung Werbung ist ein festes Element vieler Fernsehprogramme. Sie ist jedoch kein Programminhalt im eigentlichen Sinne. Denn hier agieren die Sendeanstalten nicht als ›Sprecher‹, sondern stellen den Werbetreibenden gegen Entgelt Sendezeiten und Zuschauerkontakte zur Verfügung (vgl. S. 55). Daher schreibt der Rundfunkstaatsvertrag auch vor, dass die Fernsehwerbung eindeutig als Werbung gekennzeichnet sein muss und dass sie das Programm weder inhaltlich noch redaktionell beeinflussen darf (§ 7 RStV). Dieses Trennungsgebot soll sicherstellen, dass die Zuschauer die Werbung nicht mit anderen Programminhalten verwechseln. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der besondere Kooperationsvertrag dieser Kommunikationsgattung hinreichend berücksichtigt wird. Denn Werbung vertritt dezidiert partikulare Interessen. Sie ist nicht dem Gemeinwohl, sondern dem Wohl ihrer Auftraggeber verpflichtet. Auch ist sie eine Form der gebrochenen Fiktionalität. Produktnamen und Preisangaben müssen mit der Realität übereinstimmen, alles andere darf ausgedacht sein. Wenn ein Werbespot eine Oma beim Kuchenbacken zeigt, dann bedeutet das nicht, dass die beworbenen Produkte in Handarbeit hergestellt werden, sondern so gut schmecken wie Selbstgebackenes. Die Werbung lädt die beworbenen Produkte mit solchen zusätzlichen Bedeutungen auf und unterstützt durch dieses »Zeichenmanagement« ihren Absatz (Karmasin 2007 : 13). <?page no="104"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 105 105 5 Das Fernsehprogramm Weiterhin regelt der Rundfunkstaatsvertrag sehr detailliert, in welchem Umfang Fernsehprogramme Werbung senden dürfen. Da sich die privaten Fernsehprogramme durch ihre Werbeeinnahmen finanzieren, dürfen sie innerhalb einer Stunde zwölf Minuten Werbung enthalten (§ 45 RStV). Bei den öffentlich rechtlichen Programmen dürfen nur das Erste und das ZDF Werbung zeigen. Jedoch ausschließlich an Werktagen zwischen 18.00 und 20.00 Uhr, wobei die Werbung insgesamt nicht mehr als 20 Minuten umfassen darf (§ 16 RStV). Die typische Beitragsgattung der Fernsehwerbung ist der Werbespot, ein kurzer, etwa 30 Sekunden langer Filmbeitrag. Dramaturgisch sind Werbespots so gestaltet, dass sie ein Produkt vorführen (»Product is Hero«), dass Experten oder Prominente die Vorzüge eines Produktes loben (»Testimonial«) oder dass eine kurze Geschichte erzählt wird, in der das beworbene Produkt eine wichtige Rolle spielt. Werbespots werden nicht einzeln gesendet, sondern in einem Werbeblock zusammengefasst, der zwischen zwei Sendungen eingeschoben wird oder Sendungen unterbricht. Um den Programmfluss nicht zu stören, werden diese Werbeblocks durch Sender-Jingles, Programmtrailer oder Zeichentrick-Maskottchen in den Sendeablauf integriert. Dennoch neigen die Zuschauer dazu, während der Werbeunterbrechungen wegzuschalten. Daher werden immer wieder Formen der Fernsehwerbung entwickelt, die das verhindern sollen, so die Split-Screen- Werbung bei Sport-Übertragungen. Ein werbeähnliches Verfahren ist das Sponsoring; das ist die direkte oder indirekte Beteiligung an der Finanzierung einer Sendung. Dafür muss dann im Gegenzug im Vor- oder Abspann der Sendung der Name des Sponsors genannt werden (§ 8 RStV). Rechtlich nicht erlaubt sind dagegen Schleichwerbung, Themen- Platzierung und Product Placement, wobei es bei Letzerem einige Ausnahmen gibt (§ 7 Abs. 7 RStV). Unabhängig von diesen Werbeformen hat die Werbewirtschaft schon längst entdeckt, wie sie die semiotischen Eigenschaften von Fernsehbildern für ihre Zwecke nutzen kann. Ob Fußballstadien, Rennautos oder Sport-Trikots, sie alle sind mit Werbeslogans und Markenlogos dermaßen übersät, dass den Fernsehkameras gar keine Wahl bleibt, als diese Werbebotschaften mit zu übertragen, wollen sie über das eigentliche Ereignis berichten. <?page no="105"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 106 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 107 106 Fernsehen im Profil 5.6 Programmformen und Programmplanung Form und Gestalt der gegenwärtigen Fernsehprogramme ist Resultat einer längeren Entwicklung. In seinen Anfangsjahren sendete das Fernsehen nur ein einziges Programm, das ein paar Stunden dauerte und durch Umschaltpausen unterbrochen war. Seine Vorbilder waren der Kinoabend (Wochenschau, Vorfilm, Spielfilm) und das Nummernprogramm des Varietés einschließlich der Programmansagerinnen, die durch den Abend führten. Inzwischen hat sich neben der Anzahl auch die Struktur der Fernsehprogramme grundlegend verändert. Bestanden Fernsehprogramme früher einmal aus einer Abfolge einzelner, klar voneinander getrennter Programmpunkte, so gleichen heute insbesondere die kommerziellen Programme einem permanenten Fluss (flow) von Filmausschnitten, Unterhaltungselementen, journalistischen Informationen, der nur noch durch die Programmpromotion und die Werbung zusammengehalten wird (Williams [1975] 2001). Das heutige, durchformatierte 24-Stunden-Programm entstand nach der Etablierung des Dualen Systems. Die letzten Nachtlücken wurden in den 90er Jahren geschlossen. Damals wurden auch die letzten Programmansagerinnen vom Bildschirm verbannt und durch Trailer ersetzt, deren Funktion bald nicht mehr die Information, sondern die Eigenwerbung war. Denn durch die Kabel- und Satellitenübertragung wuchs die Zahl der Fernsehprogramme, weshalb es immer wichtiger wurde, die Zuschauer durch die Programmpromotion an ein Programm zu binden. Konnte man zu Zeiten, als das Fernsehen ausschließlich terrestrisch ausgestrahlt wurde, in guter Lage etwa fünf Programme empfangen, so sind es heute durchschnittlich 77, in Satellitenhaushalten sogar 140 Programme (Zubayr/ Gerhard 2011 : 126). Mit der Anzahl der Fernsehprogramme entwickelten sich auch die Programmformen auseinander. Neben den herkömmlichen Vollprogrammen, bei denen »Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden« (§ 2 RStV), gibt es nun Spartenkanäle, deren Programme auf einen speziellen Inhalt (Musik, Nachrichten, Sport) oder auf bestimmte Zuschauergruppen zugeschnitten sind (Kinderprogramme). Neuerdings bündeln die Senderfamilien ihre Programme zu digitalen Programmbouquets. Sie können so ihre Produktionen einfacher wiederholen und besser vermarkten. Zum anderen können sie damit ein Gesamtprogramm entwickeln, das in den einzelnen Kanälen auf die Interessen unterschiedlicher Nutzergruppen zugeschnitten ist. Auch haben sich einige neue Formen des Fernsewww.claudia-wild.de: <?page no="106"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 107 107 5 Das Fernsehprogramm hens etabliert. Teleshopping-Kanäle dienen der audiovisuellen Präsentation und dem Verkauf von Waren, beim Business TV nutzen große Wirtschaftsunternehmen die Möglichkeiten des Fernsehens für ihre Unternehmenskommunikation. Die Grundlage jeder Programmplanung ist das Programmschema. Es legt die Anfangs- und Endzeiten der Sendeplätze fest und bestimmt die zeitliche wie inhaltliche Formatierung der einzelnen Sendungen. Dabei muss ein Fernsehprogramm die verschiedenen Formate so anordnen, dass es seinen Zuschauern zur rechten Zeit das passende Angebot macht. »Allein durch eine geschickte Programmierung kann ein Sender bei gleichbleibenden Programminhalten einen spürbar höheren Gesamtmarktanteil erzielen« (Karstens/ Schütte 1999 : 163 f.). Wie die tägliche Nutzungskurve des Fernsehens zeigt (vgl. S. 67), ändern sich nämlich im Lauf des Tages der Umfang des Publikums, seine Zusammensetzung und damit auch seine Interessen. Um dem Rechnung zu tragen, ist der Ablauf des Fernsehprogramms in mehrere Phasen unterteilt, die sich in ihren Programmfarben unterscheiden. Zeit Bezeichnung typische Programmangebote Zuschauerverhalten 06.00 - 17.00 Tagesprogramm Daytime Infou. Servotainment- Magazine; Telenovelas, Gerichtshows geringer Fernsehkonsum Benutzung anderer Medien 17.00 - 20.00 Vorabend Early Fringe Vorabendserien; Boulevard- und Regionalmagazine rapide Zunahme des Fernsehkonsums 20.00 - 22.30 Hauptsendezeit Primetime große Fernsehshows; Spielfilme und Serien; politische Magazine, Dokus Zuschauerzahl erreicht ihr Maximum 22.30 - 01.00 Spätabend Late Night, Late Fringe Talkshows; Spielfilme und Serien starke Abnahme des Fernsehkonsums 01.00 - 06.00 Nachtprogramm Nighttime Wiederholungen; Eisenbahn- und Satellitenbilder minimaler Fernsehkonsum Abb. 22: Die Phasen des Fernsehprogramms im Tagesverlauf (nach Karstens/ Schütte 2010 : 13 f.) <?page no="107"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 108 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 109 108 Fernsehen im Profil Wichtige Instrumente zur Gestaltung eines Fernsehprogramms sind die horizontale und die vertikale Programmierung. Die horizontale Programmierung (stripping) der verschiedenen Serienformate sorgt dafür, dass die einzelnen Sendungen jeden Tag zur gleichen Sendezeit ausgestrahlt werden. Sie setzt darauf, dass sich die Zuschauer an diese Zeiten gewöhnen und von selbst einschalten. Die vertikale Programmierung (audience flow) reiht Sendungen gleicher Thematik hintereinander, sodass Zuschauer, die sich für das Thema einer Sendung interessieren, auch bei den folgenden Sendungen zusehen (Karstens / Schütte 2010 : 129-149). Sind die horizontale und vertikale Programmierung Planungsinstrumente, die man vor allem im Tages- und Vorabendprogramm anwendet, so ist die Platzierung von Programmevents ein Gestaltungsmittel für die Hauptsendezeit. Große Live-Sendungen, Spielfilmpremieren oder Themenabende gewinnen die Aufmerksamkeit des Publikums, indem sie die Programmroutine unterbrechen und ein besonderes Fernseherlebnis versprechen. Dementsprechend wichtig ist die Programmpromotion durch mit zugkräftigen Titel wie: Schlag den Raab oder Der Sat.1 Filmfilm. 5.7 Das Fernsehprogramm: Kulturgut oder Wirtschaftsgut? Die Programmgestaltung hängt auch davon ab, ob man das Fernsehen als Kultur- oder als Wirtschaftsgut betrachtet. Denn das Fernsehen ist beides: Es bietet Information und Unterhaltung und ist eine Dienstleistung, die Kosten verursacht und mit der man Erlöse erzielen kann. Je nach Sichtweise sind dann die wesentlichen Ziele eines Fernsehprogramms seine kommunikativen Funktionen oder die erreichten Einschaltquoten. Das deutsche Fernsehen hat sich zunächst ausschließlich als kulturelle Institution verstanden. Mit Einführung des kommerziellen Fernsehens wurde die zweite Sichtweise populär. Nach wie vor betont aber der Rundfunkstaatsvertrag im gesetzlichen Programmauftrag der öffentlichrechtlichen Sender deren kulturelle Funktion: Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. […] Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. (§ 11 RStV) <?page no="108"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 109 109 5 Das Fernsehprogramm Die Vorschriften für den privaten Rundfunk kennen solche Vorgaben nicht. Sie folgen dem Prinzip der Außenpluralität, wonach der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern auch zu einem publizistischen Wettbewerb führt (vgl. S. 42). Daher verlangt der Rundfunkstaatsvertrag von den privaten Programmanbietern nur die Einhaltung der bestehenden Gesetze und konzentriert sich ansonsten auf die Regulierung von Marktanteilen und Werbezeiten, um das Entstehen von Meinungsmonopolen zu verhindern. Doch öffentlich-rechtliche und private Programme konkurrieren um die Aufmerksamkeit des gleichen Publikums. Die beiden Säulen des Dualen Systems bilden keine isolierten Einheiten, sondern stehen in einem Systemzusammenhang. Daher ergeben sich hier immer wieder Wechselwirkungen. Beispiele sind das Aufkommen der Infotainment- Formate, die Talkshow-Wellen oder die Ausbreitung der Daily Soaps und Dokusoaps. Schon kurz nach Einführung des Dualen Systems kam daher die Konvergenzhypothese auf, die behauptete, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen an die privaten Anbieter anpasse, um sein Publikum nicht zu verlieren. Empirische Untersuchungen stellten allerdings Konvergenzphänomene sowohl bei öffentlich-rechtlichen wie bei privaten Anbietern fest (Krüger 1998). Doch wegen ihrer politisch brisanten Implikationen blieb die Konvergenzhypothese lange Zeit populär. Sind doch Fernsehgebühren für die öffentlich-rechtlichen Programme nicht zu rechtfertigen, wenn diese keine Zuschauer erreichen oder wenn sich diese inhaltlich nicht mehr vom Privatfernsehen unterscheiden. Der aktuelle Vergleich der Programmprofile zeigt, dass auf Makroebene deutliche Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Programmen bestehen (Krüger 2011). Besonders markant ist das bei der Information und bei der Werbung. Aus einer Mesoperspektive betrachtet, wenn man etwa die Platzierungen von Informations- und Unterhaltungsangeboten in der Hauptsendezeit gegeneinander stellt, fallen die Unterschiede weniger deutlich aus (Wolf 2011). Auch ist nicht zu übersehen, dass die strikte Formatierung der privaten wie der öffentlich-rechtlichen Programme die Norm der publizistischen Vielfalt tangiert. Wie das Beispiel Dokumentarfilm zeigt, gibt es für Beiträge, die nicht in dieses Raster passen, kaum noch Sendeplätze, die attraktiv genug sind, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Inzwischen ist die Frage nach der Programmqualität zu Recht in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Damit ist man jedoch wieder auf den Ausgangspunkt zurückgeworfen, ob man das Fernsehen als Kulturwww.claudia-wild.de: <?page no="109"?> UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 110 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 111 110 Fernsehen im Profil gut oder Wirtschaftsgut versteht. Denn Qualität ist ein relationaler Begriff, der etwas darüber aussagt, inwieweit »ein Produkt mit bestimmten Anforderungen« übereinstimmt (Arnold 2008 : 491). Versteht man Qualität aus publizistischer Sicht, so bildet der Programmauftrag den Bezugspunkt der Bewertung. Wichtige Parameter sind dann die Zuverlässigkeit der journalistischen Beiträge, die Vielfalt der journalistischen und nicht-journalistischen Formate und ihre professionelle Gestaltung (Daschmann 2009). Versteht man Qualität dagegen aus einer ökonomischen Perspektive, stehen die Einschaltquoten und das Verhältnis von Aufwand und Ertrag im Mittelpunkt. Qualitätsparameter sind dann die Herstellungskosten und die Erlöse, die Ausschöpfung der potenziellen Zuschauergruppen und die Verwertungsdauer der Formate (Karstens/ Schütte 1999 : 123). Beide Sichtweisen lassen sich aber letztlich nicht voneinander trennen. Öffentlich-rechtliche wie private Fernsehprogramme haben einen enormen Einfluss auf das Selbstverständnis unserer Gesellschaft. Und bei allen Fernsehanstalten hängt es wiederum von ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten ab, welche Programme sie produzieren und senden. Es ist Aufgabe des Medienrechts und der Medienpolitik, einen Rahmen vorzugeben, der beiden Dimensionen Rechnung trägt. Entsprechende Stich- 48 55 25 18 11 35 27 22 29 46 7 10 34 32 20 1 1 14 15 14 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Das Erste ZDF RTL Sat.1 ProSieben Werbung Unterhaltung inkl. Musik Fik on Informa on inkl. Sport Abb. 23: Programmprofile 2010. Tägliche Sendedauer in Prozent. Die fehlenden Prozentpunkte sind sonstige Programmangebote wie Kindersendungen. (Krüger 2011 : 206) <?page no="110"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 111 111 5 Das Fernsehprogramm worte sind: Grundversorgung, Public Value, Qualitäts-Controlling (§ 11e RStV). Doch noch zuvor ist es eine Aufgabe der öffentlichen Diskussion, die Entwicklungen im Fernsehen kritisch zu beobachten und klar Position zu beziehen. Literatur Renner, Karl N. (2007): Fernsehjournalismus. Entwurf einer Theorie des kommunikativen Handelns. Konstanz. Karstens, Eric/ Jörg Schütte (2010): Praxishandbuch Fernsehen. Wie TV-Sender arbeiten. 2.; aktualisierte Auflage. Wiesbaden. <?page no="111"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 112 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 113 Die Zukunft des Fernsehens Es ist absehbar, dass die Medienkonvergenz, die durch die Digitalisierung der Medientechnologien ausgelöst wurde, zu neuen Formen der Medienkommunikation führen wird. Diese werden die traditionellen audiovisuellen Medienangebote ergänzen und verändern. Ebenso zeichnen sich massive Verschiebungen der heutigen Medienlandschaft ab, wodurch die Idee einer publizistischen Grundversorgung, so wie sie im Dualen System entwickelt wurde, medienpolitisch an Gewicht gewinnen wird. Die lineare Struktur des Fernsehprogramms, wie sie im letzten Kapitel beschrieben wurde, prägt längst nicht mehr alle Medienangebote des Fernsehens. Bereits Mitte der 1990er Jahre starteten die Fernsehanstalten eigene Online-Portale mit Hintergrundinformationen und Serviceleistungen. Inzwischen kommen Mediatheken hinzu, die das laufende Programm als Stream und daneben viele Sendungen als Video-on-Demand anbieten. Fernsehen im Internet ist aber weit mehr als ein neuer Ausspielkanal neben den herkömmlichen Übertragungswegen. Denn die Medienkonvergenz von Fernsehen und Internet verändert das Dispositiv des Fernsehens erheblich. Die audiovisuellen Beiträge sind dort in ein crossmediales Umfeld aus schriftlichen Texten, Bild- und Tonbeiträgen eingebettet, das oftmals noch durch interaktive Kommunikationsmöglichkeiten wie Foren, Chats und Social Media ergänzt wird. So haben sich bereits neue Formen einer unmittelbaren Zuschauerbeteiligung entwickelt. Die Zuschauer können bei Gesprächssendungen im Voraus Fragen an die Gäste posten. Sie können auf Videoportalen selbstgedrehte Videos hochladen, die dann im Fernsehen gezeigt werden. In anderen Sendungen werden Zuschauer per Skype zugeschaltet, um Kommentare abzugeben. Weit verbreitet sind digitale Formen der Anschlusskommunikation (vgl. S. 75), da inzwischen viele Formate nach der Sendung einen Chat mit Redakteuren und Studiogästen anbieten. Welche Möglichkeiten die Medienkonvergenz noch eröffnet, wird am Beispiel der journalistischen Ratgeberformate deutlich, wo sich in den <?page no="112"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 113 Die Zukunft des Fernsehens Es ist absehbar, dass die Medienkonvergenz, die durch die Digitalisierung der Medientechnologien ausgelöst wurde, zu neuen Formen der Medienkommunikation führen wird. Diese werden die traditionellen audiovisuellen Medienangebote ergänzen und verändern. Ebenso zeichnen sich massive Verschiebungen der heutigen Medienlandschaft ab, wodurch die Idee einer publizistischen Grundversorgung, so wie sie im Dualen System entwickelt wurde, medienpolitisch an Gewicht gewinnen wird. Die lineare Struktur des Fernsehprogramms, wie sie im letzten Kapitel beschrieben wurde, prägt längst nicht mehr alle Medienangebote des Fernsehens. Bereits Mitte der 1990er Jahre starteten die Fernsehanstalten eigene Online-Portale mit Hintergrundinformationen und Serviceleistungen. Inzwischen kommen Mediatheken hinzu, die das laufende Programm als Stream und daneben viele Sendungen als Video-on-Demand anbieten. Fernsehen im Internet ist aber weit mehr als ein neuer Ausspielkanal neben den herkömmlichen Übertragungswegen. Denn die Medienkonvergenz von Fernsehen und Internet verändert das Dispositiv des Fernsehens erheblich. Die audiovisuellen Beiträge sind dort in ein crossmediales Umfeld aus schriftlichen Texten, Bild- und Tonbeiträgen eingebettet, das oftmals noch durch interaktive Kommunikationsmöglichkeiten wie Foren, Chats und Social Media ergänzt wird. So haben sich bereits neue Formen einer unmittelbaren Zuschauerbeteiligung entwickelt. Die Zuschauer können bei Gesprächssendungen im Voraus Fragen an die Gäste posten. Sie können auf Videoportalen selbstgedrehte Videos hochladen, die dann im Fernsehen gezeigt werden. In anderen Sendungen werden Zuschauer per Skype zugeschaltet, um Kommentare abzugeben. Weit verbreitet sind digitale Formen der Anschlusskommunikation (vgl. S. 75), da inzwischen viele Formate nach der Sendung einen Chat mit Redakteuren und Studiogästen anbieten. Welche Möglichkeiten die Medienkonvergenz noch eröffnet, wird am Beispiel der journalistischen Ratgeberformate deutlich, wo sich in den 6 <?page no="113"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 114 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 115 114 Fernsehen im Profil letzten Jahren auffallend viele neue Formate entwickelt haben. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die kommunikative Handlung »einen Rat geben«, die dieser Spielart des Journalismus zugrunde liegt, durch die crossmediale Verknüpfung des Pushmediums Fernsehen mit dem Pullmedium Internet wesentlich einfacher auszuführen ist als mit den Mitteln des Fernsehens allein. Das eröffnet dann wiederum neue Gestaltungsmöglichkeiten für neue Formate (Renner 2010). Im Bereich der fiktionalen Fernsehangebote werden zurzeit Formen des transmedialen Storytellings erprobt, das Elemente fiktionaler Erzählungen und mit Elementen von Rollenspielen verbindet. Die Zuschauer sehen den Anfang der Geschichte im Fernsehen und müssen deren Fortgang aus fingierten Homepages, Blogs, Radiosendungen usw. erschließen (z. B. Alpha 07 SWR 2010; Wer rettet Dina Foxx? ZDF 2011). Auch das nicht-fiktionale Unterhaltungsfernsehen arbeitet bereits mit crossmedialen Strategien, wenn etwa bei Casting-Shows die Auswahl der Bewerber und Bewerberinnen über Videoportale erfolgt (z. B. Germanys next Topmodel 2012). Eine aktuelle Umfrage des Grimme-Instituts, wie das Fernsehprogramm im Jahr 2015 aussehen wird, ergab dann auch, dass drei Fünftel der befragten Fernsehproduzenten und -redakteure die Zukunft des Fernsehens in einer Konvergenz von linearen und nicht-linearen, von online und mobil zu empfangenden Programmangeboten sieht. Nur ein Fünftel glaubt, dass das Fernsehen in fünf Jahren immer noch so aussieht wie heute. Ein weiteres Fünftel nimmt dagegen an, dass sich das Fernsehen auf seine Kernkompetenzen besinnt und diese Kernkompetenzen weiter ausbaut (Adolf Grimme Institut 2010). Da sich in komplexen Systemen aber alles ändert, wenn sich eines seiner Elemente verändert (vgl. S. 16), hat die Konvergenz der Medien zu einer Konvergenz der Medienkommunikation geführt (Bucher/ Gloning/ Lehnen 2010). Fernsehsender bieten in ihren Online-Auftritten ähnlich wie Zeitungen schriftliche Informationen an, und Zeitungsverlage stellen Bewegtbildbeiträge ins Netz. Hat sich das Fernsehen bisher aufgrund seiner audiovisuellen Besonderheiten deutlich von den anderen Medien unterschieden, so verschwinden jetzt diese Unterschiede. Rundfunkanstalten und Fernsehsender werden nun zu Konkurrenten von Zeitungshäusern und Buchverlagen. Doch das Internet erzeugt noch ganze andere Konkurrenzverhältnisse, denn es hat das publizistische Monopol der Medienunternehmen beendet. Bis vor kurzem hatten allein sie einen Zugang zur Öffentlichkeit, denn nur sie besaßen die dazu erforderliche Technik. Nun müssen sie mit <?page no="114"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 115 115 6 Die Zukunft des Fernsehens Privatpersonen, politischen Organisationen, Verbänden und Unternehmen konkurrieren, die alle die Medien nicht mehr brauchen, wenn sie die Öffentlichkeit direkt erreichen wollen. Denn sie können nun ihre Botschaften selbst über Blogs, Onlineauftritte, Videoportale usw. verbreiten. Im ökonomischen Wettbewerb um die Werbekunden müssen die Medienunternehmen wiederum mit Suchmaschinen-Betreibern und Social- Media-Plattformen konkurrieren, was für sie deswegen besonders prekär ist, weil diese neuen Konkurrenten Werbekontakte generieren können, ohne selbst publizistische Beiträge produzieren zu müssen. Auch steht fest, dass das Internet das Mediennutzungsverhalten der Rezipienten verändern wird. Schon jetzt gehen die Verkaufszahlen der Zeitungen permanent zurück, da immer mehr Leute die Nachrichten im Internet und nicht mehr in der Zeitung lesen. Die Fernsehnutzung hat sich dagegen noch kaum verändert. Ihr Zeitvolumen ist in den letzten Jahren gleich geblieben, während sich die Nutzung aller anderen Medien zugunsten des Internets verschoben hat. Allerdings befindet sich die Nutzung des Internets für Medienangebote noch in der Anfangsphase, nach wie vor wird es in erster Linie für die Individual-Kommunikation verwendet (E-Mails, Chats, Online Communities). Jedoch zeichnen sich bei der jungen Generation (14-29 Jahre) deutliche Änderungen ab (Engel/ Ridder 2010). Zweifelsohne werden alle diese Faktoren- - die neuen dispositiven Möglichkeiten, die neue Konkurrenz und die absehbaren Veränderungen des Zuschauerverhaltens-- auch das Fernsehen verändern. Doch es wird in Zukunft immer noch ein Fernsehen geben, das mehr umfasst, als nur Bewegtbild-Angebote im Netz. Dafür sprechen zwei Argumente: Zum einem ist die Produktion eines attraktiven audiovisuellen Medienangebots-- sei es journalistischer, fiktionaler oder unterhaltender Natur-- so aufwändig, dass dies nur große Medienunternehmen finanzieren können. Zum anderen wird die Unüberschaubarkeit des Internets dazu führen, dass auch dort eine Reduktion der Komplexität durch Medien(unternehmen) stattfinden wird, so wie schon jetzt die Massenmedien die Komplexität der Welt, in der wir leben, so reduzieren, dass sie für uns überschaubar bleibt (Luhmann 2009). Die Schlüsselfrage ist, wie diese Medienunternehmen angesichts der Umsonst-Mentalität des Internets so finanziert werden können, dass sie diese beiden Funktionen erbringen können. Eine reine Werbefinanzierung führte bislang überall zu Defiziten der publizistischen Qualität. Auch ist es angesichts der neuartigen Konkurrenten keineswegs sicher, dass sich Medienunternehmen ausreichend durch Werbeeinnahmen finanzieren können. <?page no="115"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 116 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 117 116 Fernsehen im Profil Hier liegt die Zukunftschance des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Denn wegen seiner Gebührenfinanzierung ist es nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen. Ein umfassendes öffentlich-rechtliches Rundfunkangebot im Internet würde es aber erlauben, das Modell einer Qualitätssicherung durch eine öffentlich-rechtliche Grundversorgung, so wie dies im Dualen System entwickelt wurde, für die zukünftige Medienkommunikation via Internet fruchtbar zu machen. Literatur Bucher, Hans-Jürgen/ Thomas Gloning/ Katrin Lehnen (Hrsg.) (2010): Neue Medien- - neue Formate. Ausdifferenzierung und Konvergenz in der Medienkommunikation. Frankfurt a. M. Adolf Grimme Institut (Hrsg.) (2010): Programmstrategien 2015. Ein Szenario. Stoffentwickler und ihre Optionen für den Content der Zukunft. Marl. Download: www.grimme-institut.de. Anhang Zeittafel 1884 Patentierung des »elektrischen Teleskops« von Paul Nipkow, der später so genannten »Nipkow-Scheibe«. 1901 Erste transatlantische Funkübertragungen durch Guglielmo Marconi. 1928 Erste öffentliche Fernseh-Versuchsübertragungen in Berlin. In dieser Zeit finden auch in Großbritannien, in den USA und in der Sowjetunion Fernseh-Versuchsübertragungen statt. 1935 Offizielle Eröffnung des regulären Fernsehprogrammbetriebs am 22. März im Berliner Haus des Rundfunks. 1944 Einstellung des Sendebetriebs am 21. Juni, nachdem infolge von Bomben schäden seit Ende 1943 kein regulärer Sendebetrieb mehr möglich war. 1947-49 Aufbau der Landesrundfunkanstalten in den Westzonen. 1950 Beginn der Fernsehversuchssendungen des NWDR in Hamburg. 1950 9./ 10. Juni. Gründung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Gründungsmitglieder sind: BR, HR, NWDR, RB, SDR und SWF. 1952 21. Dezember. Start des Fernsehversuchsprogramms in der DDR, das vom Fernsehzentrum Berlin-Adlershof produziert wird. 1952 25. Dezember. Sendestart des Fernsehprogramms des NWDR. 1952 26. Dezember. Erste Sendung der Tagesschau. 1953 30. August. Erste Fernsehsendung des Internationalen Frühschoppens. Die journalistische Diskussionssendung mit dem Moderator Werner Höfer lief zuvor schon seit 1952 im Hörfunk. Sie wird 1987 durch den ARD Presseclub abgelöst. 1954 1. November. Nach Fertigstellung des bundesdeutschen Fernseh- Übertragungsnetzes Sendestart des gemeinsamen ARD-Programms »Deutsches Fernsehen«. 1956 3. Januar. Sendestart des »Deutschen Fernsehfunks« in der DDR. 1958 Einführung der MAZ (Magnetischen Aufzeichnungsmaschine), dadurch werden ganz neue Formen der Programmproduktion möglich. 1959 21. Mai. Der neu gegründete Saarländische Rundfunk tritt der ARD bei. <?page no="116"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 117 Anhang Zeittafel 1884 Patentierung des »elektrischen Teleskops« von Paul Nipkow, der später so genannten »Nipkow-Scheibe«. 1901 Erste transatlantische Funkübertragungen durch Guglielmo Marconi. 1928 Erste öffentliche Fernseh-Versuchsübertragungen in Berlin. In dieser Zeit finden auch in Großbritannien, in den USA und in der Sowjetunion Fernseh-Versuchsübertragungen statt. 1935 Offizielle Eröffnung des regulären Fernsehprogrammbetriebs am 22. März im Berliner Haus des Rundfunks. 1944 Einstellung des Sendebetriebs am 21. Juni, nachdem infolge von Bomben schäden seit Ende 1943 kein regulärer Sendebetrieb mehr möglich war. 1947-49 Aufbau der Landesrundfunkanstalten in den Westzonen. 1950 Beginn der Fernsehversuchssendungen des NWDR in Hamburg. 1950 9./ 10. Juni. Gründung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Gründungsmitglieder sind: BR, HR, NWDR, RB, SDR und SWF. 1952 21. Dezember. Start des Fernsehversuchsprogramms in der DDR, das vom Fernsehzentrum Berlin-Adlershof produziert wird. 1952 25. Dezember. Sendestart des Fernsehprogramms des NWDR. 1952 26. Dezember. Erste Sendung der Tagesschau. 1953 30. August. Erste Fernsehsendung des Internationalen Frühschoppens. Die journalistische Diskussionssendung mit dem Moderator Werner Höfer lief zuvor schon seit 1952 im Hörfunk. Sie wird 1987 durch den ARD Presseclub abgelöst. 1954 1. November. Nach Fertigstellung des bundesdeutschen Fernseh- Übertragungsnetzes Sendestart des gemeinsamen ARD-Programms »Deutsches Fernsehen«. 1956 3. Januar. Sendestart des »Deutschen Fernsehfunks« in der DDR. 1958 Einführung der MAZ (Magnetischen Aufzeichnungsmaschine), dadurch werden ganz neue Formen der Programmproduktion möglich. 1959 21. Mai. Der neu gegründete Saarländische Rundfunk tritt der ARD bei. <?page no="117"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 118 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 119 118 Anhang 1960 25. Juni. Gründung der »Deutschland Fernsehen GmbH« (»Adenauerfernsehen«), daraufhin Verfassungsklage der SPD-regierten Bundesländer. 1961 28. Februar. 1. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts (Staatsfreiheit des Rundfunks, Kompetenz der Länder). 1961 4. Juni. Erste Sendung des politischen Fernsehmagazins Panorama. 1961 6. Juni. Länderstaatsvertrag zur Gründung eines Zweiten Deutschen Fernsehens mit dem Sitz in Mainz. 1963 1. April. Sendestart des ZDF. 1964 22. September. Der Bayerische Rundfunk strahlt als erster Landessender ein eigenes Drittes Programm aus, das Studienprogramm des BR. Der Ausbau der Dritten Programme wird 1969 mit dem gemeinsamen Dritten Programm von SWF, SDR und SR abgeschlossen. 1967 25. August. Anlässlich der Funkausstellung Start des bundesdeutschen Farbfernsehens nach dem PAL-System. 1970 29. November. Die Fernsehkrimi-Reihe Tatort startet mit dem Film Taxi nach Leipzig. 1971 12. Mai. Die Fernsehjournalistin Wibke Bruhns tritt als erste Nachrichtensprecherin der Bundesrepublik in den Spätnachrichten des ZDF auf. 1973 4. März. Das Dritte Programm des WDR sendet die erste Talkshow des Deutschen Fernsehens: Je später der Abend. Moderator ist Dietmar Schönherr. 1978 1./ 2. Januar. Erstsendungen der Nachrichtenjournale heute journal und Tagesthemen. 1981 14. Februar. Erste Sendung der Unterhaltungsshow Wetten, dass- …? Der erste Moderator ist Frank Elstner. Thomas Gottschalk moderiert die Show von 1987 bis 1992 und von 1994 bis 2011. 1981 16. Juni. 3. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit privater Rundfunkanstalten (FRAG-Urteil). Es bildet die Grundlage des Dualen Systems. nach 1982 Die neu gewählte Bundesregierung forciert den Ausbau der Kabelnetze in Deutschland. 1983 16. Juni. Inbetriebnahme des Nachrichtenübertragungs-Satelliten ECS 1 (=-Eutelsat I-F1). 1984 1. Januar. Start des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen und Beginn des Dualen Systems. Neben öffentlich-rechtlichen Programmen werden auch private Fernsehprogramme ausgestrahlt, darunter das Programm der PKS, der Programmgesellschaft für Kabel und Satellitenrundfunk, das 1985 in Sat.1 umbenannt wird. <?page no="118"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 119 119 Zeittafel 1984 2. Januar. Start des privaten Fernsehprogramms RTL Plus (seit 1992 nur noch: RTL). 1984 3. Januar. Erste Ausstrahlung des Wirtschafts- und Verbrauchermagazins WiSo. 1984 1. Dezember. Sendestart von 3sat, dem gemeinsamen Satellitenfernsehen von ZDF, ORF, SRG und seit 1993 auch der ARD für den deutschsprachigen Raum. 1985 8. Dezember. Ausstrahlung der ersten Folge der Lindenstraße. 1986 4. November. 4. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts über die gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt (Niedersachsen-Urteil). Es formuliert die Idee einer Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 1987 Oktober. Start des Frühstücksfernsehens von Sat.1 und RTL. Die Morgenmagazine von ARD und ZDF starten erst 1992. 1988 1. Juli. Gründung der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung AGF zur Messung der Einschaltquoten. 1990-91 Nach der deutschen Wiedervereinigung Abwicklung des Deutschen Fernsehfunks der DDR. 1991 31. August. Unterzeichnung des »Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland« durch die Ministerpräsidenten aller Bundesländer. 1992 1. Januar. Der Mitteldeutsche Rundfunk und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg werden in die ARD aufgenommen. 1992 11. Mai. Ausstrahlung der ersten Folge von Gute Zeiten, schlechte Zeiten. 1992 30. Mai. Sendebeginn des deutsch-französischen Kultursenders arte. 1992 14. September. Erste Ausstrahlung der Nachmittags-Talkshow Hans Meiser (RTL), die den Boom der Daily Talks in den 1990ern auslöst. 1995 5. Dezember. Erste Sendung der Late-Night-Show Harald Schmidt. Bis 2003 in Sat.1, von 2004 bis 2010 im Ersten, dann wieder in Sat.1. 1996 28. August. Die ARD startet anlässlich der CeBIT ihre Homepage. 1997 Sendestart der öffentlich-rechtliche Spartenprogramme KI.KA (1. Januar) und Phoenix (7. April). 1997 27./ 30. August. Anlässlich der Funkausstellung beginnen ZDF und ARD mit der Ausstrahlung ihrer Digitalprogramme, die sie in den folgenden Jahren zu Progammbouquets ausbauen. 1998 1. Januar. Fusion des SWF und SDR zum Südwestdeutschen Rundfunk SWR. 1999 27. September. Erste Sendung der Gerichtsshow Richterin Barbara Salesch (Sat.1). In den 2000er Jahren lösen dann die Gerichtsshows die Daily Talks ab. <?page no="119"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 120 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 121 120 Anhang 1999 24. November. Start des Internetportals der ARD. 2000 28. Februar. Start der ersten Staffel von Big Brother (RTL II). 2001 Start der ZDF Mediathek. 2002 8. April. Die Kirchgruppe des Medienunternehmers Leo Kirch, zu der der TV-Konzern ProSiebenSat.1 und der Pay-TV-Sender Premiere gehören, meldet Insolvenz an. 2004 wird ProSiebenSat.1 an den amerikanischen Medienunternehmer Haim Saban verkauft. Ein Weiterverkauf an die Springer AG scheitert 2006 an den Bedenken der KEK und des Bundeskartellamtes. Saban verkauft daraufhin ProSiebenSat.1 an die Investmentgesellschaften Permira und KKR. 2002 9. November. Ausstrahlung der ersten Sendung der Castingshow Deutschland sucht den Superstar. 2003 Start des terrestrischen ZDF-Digitalangebots ZDFmobil im Großraum Berlin. 2005 10. August. Tagesschau als Podcast-Angebot. 2008 13. Mai. Start der ARD Mediathek. 2009 5. März. Start des ARD-Kanals auf der Videoplattform youtube. 2009 1. Juni. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag tritt in Kraft. Er schreibt vor, dass die Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Sender einem Dreistufentest unterzogen werden müssen, der klärt, ob sie dem gesetzlichen Programmauftrag entsprechen, einen publizistischen Mehrwert besitzen und finanziell vertretbar sind. 2010 21. Dezember. Die Tagesschau ist als App erhältlich. Literatur Adelmann, Ralf/ Jan O. Hesse/ Judith Keilbach/ Markus Stauff/ Matthias Thiele (Hrsg.) (2001): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie- - Geschichte-- Analyse. Konstanz. Adolf Grimme Institut (Hrsg.) (2010): Programmstrategien 2015. Ein Szenario. Stoffentwickler und ihre Optionen für den Content der Zukunft. Marl. Download: http: / / www.grimme-institut.de/ html/ index. php? id=1230. Arnold, Klaus (2008): Qualität im Journalismus- - ein integratives Konzept. In: Publizistik Jg. 53, S. 488-508. ARD Jahrbuch 2010. Download: http: / / www.ard.de/ intern/ publikationen/ -/ id= 8080/ nid=8080/ did=1691604/ r9v1fe/ index.html. 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Darstellungsform 88 Kirch-Gruppe 48 Kommunikation 18, 29, 30 - Anschlusskommunikation 75 - Face-to-Face-Kommunikation 18 - Medienkommunikation 24, 114 - rituelle Kommunikation 102 - Versammlungskommunikation 26, 86, 101 Kommunikationswissenschaft 8, 11, 15, 59 kommunikatives Handeln 13, 18 Kooperation Sprecher-Hörer 20, 91 Kulturwissenschaft 13 Landesmedienanstalt 55 Live 27, 33, 86 Magazin 87, 93 f. Medienkonvergenz 15, 48, 113 f. Mediennutzertypologie 72 Mediennutzung 60 f., 115 Mediensystem - Bundesrepublik 42 <?page no="129"?> www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 130 www.claudia-wild.de: UTB-Renner/ 23.02.2012/ Seite 131 130 Index - DDR 43, 48 Medientheorien 79 Medienwirkung 59 f. Medienwissenschaft 9 f., 16 Medium 15 f., 24 f., 29 - elektronische Medien 30 - Submedium 27, 86 Mehrfachautorenschaft 40, 56 Meinungsbildung 41 f. Moderator 57, 89, 102 Nachrichtensendung 92 - Breaking News 96 öffentlich-rechtl. Rundfunk 43, 108, 116 parasoziale Interaktion 74 Pay-TV 48 privater Rundfunk 52, 109 Produktion 32 Programm 83 f., 106 - gesetzl.Programmauftrag 108 - Programmplanung 107 - Programmprofil 109 Publikum 61 Qualität 109 Reality-TV 58, 97, 100 Rezeption 61, 73 Rezeptionsmodalitäten 75 RTL 47 Rundfunkstaatsvertrag 50, 55, 104, 108 Rundfunkurteile 46 f., 50 Serie 94, 98 f. Show 87, 102 Sport 94 Sprache 19, 22 f. Sprechfernsehen 27, 57, 86 Talkshow 58, 89, 93, 103 Telemedien 49 f. Theater 98, 101 Unterhaltung 101 Varieté 98, 106 Video 33 Werbung 48 f., 55, 104, 115 Wirkung 61, 76 ZDF 45, 50 Zeichen 19, 21, 24 Zuschauerbeteiligung 113 Zuschauerforschung 59, 62 <?page no="130"?> : Weiterlesen Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Fernsehen Nils Borstnar, Eckhard Pabst, Hans Jürgen Wulff Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft 2., überarbeitete Auflage 2008, 250 Seiten 54 s/ w Abb., broschiert ISBN 978-3-8252-2362-5 Nea Matzen, Christian Radler (Hg.) Die Tagesschau Zur Geschichte einer Nachrichtensendung 2009, 326 Seiten 60 s/ w Abb., broschiert ISBN 978-3-86764-143-2 Karl Nikolaus Renner Fernsehjournalismus Entwurf einer Theorie des kommunikativen Handelns 2007, 522 Seiten 40 Abb. s/ w, broschiert ISBN 978-3-8252-2753-1 Sven Grampp Marshall McLuhan Eine Einführung 2011, 228 Seiten 7 s/ w Abb., broschiert ISBN 978-3-8252-3570-3 Lothar Mikos Film- und Fernsehanalyse 2., überarbeitete Auflage 2008, 396 Seiten 55 s/ w Abb., broschiert ISBN 978-3-8252-2415-8 <?page no="131"?> : Weiterlesen Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Medien-Profile Joan Kristin Bleicher Internet 2010, 102 Seiten, broschiert ISBN 978-3-8252-3425-6 Hans-Jürgen Krug Radio 2010, 118 Seiten, broschiert ISBN 978-3-8252-3333-4