Macht
0418
2012
978-3-8385-3714-6
978-3-8252-3714-1
UTB
Niklas Luhmann
Es gibt viele widerspruchsfreie Versuche, das Phänomen der Macht auf einen theoretisch und empirisch erfolgreichen Begriff zu bringen. Angesichts dieser Lage kann eine Theorie der Macht sich nicht mit einer beschreibenden Deutung, einer Wesensanalyse begnügen, die mehr oder weniger voraussetzt, was sie als Resultat herausholt. Auch Versuche, den Begriff an sich selbst zu analysieren und in seinen verschiedenen Bedeutungen auseinanderzulegen, führen nicht weiter.
Luhmanns Überlegungen führen zurück auf die Gesellschaft als Bedingung der Möglichkeit von Macht, also eine Machttheorie auf dem Umweg über eine Gesellschaftstheorie. Es geht um Klärung, was es besagen könnte, wenn man Macht als symbolisch generalisiertes Medium der Kommunikation behandelt und Machtanalysen (insbesondere von Geld, Wahrheit und Liebe) auf diese Weise in einen gesellschaftstheoretischen Zusammenhang einordnet.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich <?page no="2"?> Niklas Luhmann Macht 4. Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Die Originalausgabe erschien 1975 im F. Enke Verlag, Stuttgart Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urhberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 4. Auflage © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2012 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Druck: fgb. freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel.: 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Band Nr. 2377 ISBN 978-3-8252-3714-1 <?page no="4"?> 5 Inhalt Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Macht als Kommunikationsmedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Handlungsbezug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Code-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Macht und physische Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 V. Lebenswelt und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Vl. Generalisierung von Einfluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 VII. Risiken der Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht. . . . . . . . . . . . . . 101 IX. Organisierte Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 <?page no="6"?> 7 Einführung Es gibt zahlreiche, widerspruchsreiche Versuche, das Phänomen der Macht auf einen theoretisch und empirisch erfolgreichen Begriff zu bringen. Angesichts dieser Lage kann eine Theorie der Macht sich nicht mit einer beschreibenden Deutung, mit einer Wesensanalyse begnügen, die mehr oder weniger voraussetzt, was sie als Resultat herausholt. Auch Versuche, den Begriff an sich selbst zu analysieren und in seine verschiedenen Bedeutungen auseinanderzulegen, führen nicht weiter - es sei denn zu Vorsicht und schließlich zu Resignation. Man wird unter diesen Umständen nicht punktuell vorgehen können, je schon voraussetzend, was Macht ist, sondern muß allgemeinere Konzepte zu benutzen versuchen, die auch sonst Verwendung finden, die dem Transfer bereits bewährter Fragestellungen und Begriffsbildungen dienen, Vergleiche ermöglichen und Anschlußforschungen in anderen Sachbereichen vermitteln. Sucht man nach Angeboten dieser Art, so findet man zunächst die Vorstellung, Macht sei ein Bewirken von Wirkungen gegen möglichen Widerstand, sozusagen Kausalität unter ungünstigen Umständen; sowie neuerdings tausch- und spieltheoretische Konzepte, die die kalkulatorische Seite eines immer noch kausal begriffenen, aber alternativenreichen Prozesses herausstellen 1 . Deren Analyse kann verschiedene Wege gehen. Es bietet sich zunächst an, solche Begriffsbildungen immanent auf ihre Schlüssigkeit, auf Verifikationsmöglichkeiten, auf Messungsschwierigkeiten und schließlich auf ihre begrifflichen Voraussetzungen hin zu untersuchen 2 . Dieser Weg hat, bisher jedenfalls, eher in die Zersplitterung als zur Konsolidierung einer Machttheorie geführt. Das scheint die Folge einer voreiligen Theoretisierung eines Einzelphänomens zu sein. Man könnte sich ferner einer seit Durkheim bewährten soziologischen Fragetechnik bedienen, um Prämissen von lebensweltlich fungierenden, immer schon interpretierten und verstandenen Einrichtungen zu <?page no="7"?> 8 Einführung durchleuchten. Man könnte fragen: wenn Macht ein Kausalprozeß sein soll, nach den nicht-ursächlichen Grundlagen der Kausalität; wenn Macht als Tausch kalkuliert sein soll, nach den nichtvertauschbaren Grundlagen des Tausches; wenn Macht ein Spiel unter Gegnern sein soll, nach den nicht-verspielbaren Grundlagen des Spiels. Diese Fragetechnik führt zurück auf die Gesellschaft als Bedingung der Möglichkeit von Macht. Sie sucht eine Machttheorie auf dem Umweg über eine Gesellschaftstheorie. Dieser Umweg soll im folgenden beschritten werden. Wir fassen dabei eine bestimmte makrosoziologische Systemreferenz ins Auge, nämlich die des umfassenden Gesellschaftssystems, und fragen primär nach der Funktion von Machtbildungen auf dieser Ebene 3 . Das schließt es nicht aus, auch auf experimentelle sozialpsychologische Forschungen zurückzugreifen. Wir können aber zusätzlich Leistungen symbolischer Generalisierung voraussetzen, die nicht in einzelnen Interaktionen, sondern nur durch die Gesellschaft im ganzen erbracht werden können - zum Beispiel Rechtsbildung. Vor allem aber können wir uns bei dieser Ausrichtung der Analysen auf die Ebene des Gesellschaftssystems zu nutze machen - und das führt über die bloße Bezeichnung der Macht als Ausdruck oder als abhängige Variable des sozialen Faktums Gesellschaft hinaus -, daß die neuere Gesellschaftstheorie mit drei verschiedenartigen, aber integrierbaren Konzepten arbeitet, nämlich (1) mit einer Theorie der Systembildung und Systemdifferenzierung; (2) mit einer Theorie der Evolution; und (3) mit einer erst in Ansätzen sichtbaren Theorie symbolisch generalisierter Medien der Kommunikation. Die Gegenstände dieser Theorien sind auf der Ebene gesamtgesellschaftlicher Systembildung als interdependent zu sehen in der Weise, daß die gesellschaftliche Evolution zu größeren, komplexeren, stärker differenzierten Gesellschaftssystemen führt, die zur Überbrückung eines höheren Differenzierungsgrades höher generalisierte und zugleich spezialisierte Medien der Kommunikation ausbilden und die gesellschaftlich prominenten Teilsysteme diesen Medien zuordnen. Dieser Zusammenhang kann hier nicht als ganzer ausgearbeitet <?page no="8"?> Einführung 9 werden. Wir stellen uns die Teilaufgabe zu klären, was es besagen könnte, wenn man Macht als symbolisch generalisiertes Medium der Kommunikation behandelt und Machtanalysen auf diese Weise in einen gesellschaftstheoretischen Zusammenhang einordnet. <?page no="10"?> 11 I. Macht als Kommunikationsmedium Die Theorie der Kommunikationsmedien bietet als Grundlage der Machttheorie den Vorteil, die Möglichkeit eines Vergleichs der Macht mit andersartigen Kommunikationsmedien an Hand identisch gehaltener Fragestellungen zu eröffnen - eines Vergleichs zum Beispiel mit Wahrheit oder mit Geld. Diese Fragestellungen dienen also nicht nur der Klärung des Phänomens Macht, sondern zugleich einem breiter orientierten Vergleichsinteresse und dem Austausch theoretischer Anregungen aus verschiedenen Medienbereichen. Die Machttheorie zieht daraus neben solchen Anregungen den Nutzen eines Überblicks über Formen des Einflusses, die außerhalb eines eingegrenzten Konzepts der Macht behandelt werden. Das ermöglicht es, eine oft zu beobachtende Überfrachtung des Machtbegriffs mit Merkmalen eines sehr breit und unbestimmt gefaßten Einflußprozesses zu vermeiden 4 . Um einzuleiten, sind daher einige kursorische Bemerkungen zur Theorie der Kommunikationsmedien erforderlich 5 . 1. In ihren aus dem 19. Jahrhundert überlieferten Hauptbestandsteilen ist die Gesellschaftstheorie einerseits Theorie der sozialen Differenzierung nach Schichtung und nach funktionalen Subsystemen und andererseits Theorie der sozio-kulturellen Evolution. Beide Ausgangspunkte haben sich verbunden in der These, daß die sozio-kulturelle Evolution auf zunehmende Differenzierung hinauslaufe. In diesem Bezugsrahmen blieben Fragen der Kommunikation und Fragen der Motivation zur Annahme und Befolgung von Kommunikationen unterbelichtet. Sie wurden teils als bloß psychologische Tatbestände gesehen und den Individuen zugerechnet, so daß man sie bei einer makrosoziologischen Betrachtungsweise übergehen konnte; teils wurden sie unter Sonderbegriffe wie Konsens, Legitimität, informale Organisation, Massenkommunikation und Ähnliches gebracht. Beide Problembehandlungen führten auf Konzepte geringeren Ranges und ge- <?page no="11"?> 12 I. Macht als Kommunikationsmedium ringerer Reichweite im Vergleich zu den Begriffen Differenzierung und Evolution. Fragen der Kommunikation und der Motivation waren so aus der Gesellschaftstheorie zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber sie waren nicht ebenbürtig mit den Hauptbegriffen. Dagegen konnte man dann im Namen eines vermeintlich humanen Interesses auftreten und die verlorene Menschlichkeit einklagen, ohne damit mehr zu erreichen als einen nicht niveaugerecht artikulierten Proteste 6 . Der Versuch, eine allgemeine Theorie symbolisch generalisierter Kommunikation zu formulieren und sie mit dem Konzept der Gesellschaftsdifferenzierung sowie mit Aussagen über Mechanismen und Phasen der sozio-kulturellen Evolution zu verknüpfen, zielt darauf ab, diesen Mangel zu beheben. Dabei soll ein Rückgriff auf das »Subjekt« im Sinne der Transzendentalphilosophie ebenso vermieden werden wie der Anspruch, das organisch-psychisch konkretisierte Individuum zu behandeln. Der eine Ausweg wäre zu abstrakt, der andere zu konkret für soziologische Theorie 7 . Statt dessen gehen wir von der Grundannahme aus, daß soziale Systeme sich überhaupt erst durch Kommunikation bilden, also immer schon voraussetzen, daß mehrfache Selektionsprozesse einander antizipativ oder reaktiv bestimmen. Erst aus den Notwendigkeiten selektiver Akkordierung entstehen soziale Systeme, so wie andererseits solche Notwendigkeiten erst in sozialen Systemen erfahren werden. Die Bedingungen der Möglichkeit dieses Zusammenhanges sind Resultat der Evolution und ändern sich mit ihr. So wie Evolution die zeitliche und Differenzierung die sachliche, artikuliert Kommunikation die soziale Sinnhaftigkeit des Gesellschaftssystems. Kommunikation kommt nur zustande, wenn man die Selektivität einer Mitteilung verstehen und das heißt: zur Selektion eines eigenen Systemzustandes verwenden kann 8 . Das impliziert Kontingenz auf beiden Seiten, also auch Möglichkeiten der Ablehnung von kommunikativ übermittelten Selektionsofferten. Diese Möglichkeiten der Zurückweisung können als Möglichkeiten nicht eliminiert werden. Eine Rückkommunikation von Ablehnung <?page no="12"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 13 und die Thematisierung der Ablehnung in sozialen Systemen ist Konflikt. Alle sozialen Systeme sind potentiell Konflikte; nur das Ausmaß der Aktualisierung dieses Konfliktpotentials variiert mit dem Ausmaß der Systemdifferenzierung und mit der gesellschaftlichen Evolution. Bei diesen Konstitutionsbedingungen kann die Wahl zwischen Ja und Nein nicht allein durch die Sprache gesteuert werden, denn diese gewährt ja gerade beide Möglichkeiten; noch kann sie dem Zufall überlassen bleiben. Es gibt deshalb in jeder Gesellschaft Zusatzeinrichtungen zur Sprache, die in erforderlichem Umfange die Übertragung von Selektionsleistungen sicherstellen. Der Bedarf dafür steigt und die Form dieser Einrichtungen ändert sich mit der Evolution des Gesellschaftssystems. In einfachen Gesellschaften wird diese Funktion im wesentlichen durch lebensweltlichgemeinsame »Realitätskonstruktionen« erfüllt, die den Kommunikationsprozessen als Selbstverständlichkeiten zu Grunde liegen 9 . Die Sprache dient in hohem Maße der Vergewisserung solcher Selbstverständlichkeiten, ihre Informations- und Negationspotentiale werden nicht ausgeschöpft 10 . Erst in fortgeschritteneren Gesellschaften entwickelt sich ein Bedarf für eine funktionale Differenzierung des Sprach-Codes im allgemeinen und besonderer symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien wie Macht oder Wahrheit, die speziell die Motivation zur Annahme von Selektionsofferten konditionieren und regulieren. Durch diese Differenzierung können Konflikts- und Konsenspotentiale in der Gesellschaft miteinander gesteigert werden. Die evolutionären Mechanismen der Variation und der Selektion brauchbarer, sozial erfolgreicher, übertragbarer Selektionen treten auseinander, und das beschleunigt die soziokulturelle Evolution, da jetzt aus mehr Möglichkeiten unter spezifischeren Gesichtspunkten gewählt werden kann. Historischer Anlaß für die Entwicklung besonders symbolisierter Kommunikationsmedien scheint die Erfindung und Verbreitung der Schrift gewesen zu sein, die das Kommunikationspotential der Gesellschaft über die Interaktion unter Anwesenden hinaus <?page no="13"?> 14 I. Macht als Kommunikationsmedium immens erweitert und es damit der Kontrolle durch konkrete Interaktionssysteme entzogen hatte 11 . Ohne Schrift läßt sich der Aufbau komplexer Machtketten in politisch-administrativen Bürokratien nicht durchführen, geschweige denn eine demokratische Kontrolle politischer Macht. Ostrazismus setzt Schrift voraus. Das Gleiche gilt für die diskursive Entwicklung und Fortschreibung komplexerer Wahrheitszusammenhänge 12 . Die Sortierfunktion eines logisch schematisierten Wahrheits-Codes wird erst benötigt, wenn schriftlich formuliertes Gedankengut vorliegt. Aber auch die moralische Generalisierung eines Sonder-Codes für Freundschaft/ Liebe (philía, amicitia) in der griechischen Polis ist eine Reaktion auf städtische Schriftkultur, eine Kompensation für eine nicht mehr vorauszusetzende Interaktionsdichte der Nahestehenden (philói). Erst recht ist diese Schriftabhängigkeit beim Geld-Code evident. Erst die Zweit-Codierung der Sprache durch Schrift löst den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß so stark aus den Bindungen an soziale Situationen und an Selbstverständlichkeiten heraus, daß für Motivation zur Annahme von Kommunikationen derartige Spezial-Codes geschaffen werden müssen, die zugleich auch konditionieren, was erfolgreich behauptet und beansprucht werden kann. 2. Unter Kommunikationsmedien soll nach all dem verstanden werden eine Zusatzeinrichtung zur Sprache, nämlich ein Code generalisierter Symbole, der die Übertragung von Selektionsleistungen steuert. Zusätzlich zur Sprache, die im Normalfall die intersubjektive Verständlichkeit, das heißt das Erkennen der Selektion des je anderen als Selektion gewährleistet, haben Kommunikationsmedien mithin auch eine Motivationsfunktion, indem sie die Annahme fremder Selektionsleistungen nahelegen und für den Normalfall erwartbar machen. Kommunikationsmedien können sich demnach immer dann bilden, wenn die Selektionsweise des einen Partners zugleich als Motivationsstruktur des anderen dient. Die Symbole dieses Zusammenhangs von Selektion und Motivation übernehmen dann die Funktion einer Vermittlung <?page no="14"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 15 und machen den Zusammenhang beider Seiten deutlich, so daß er als antizipierbarer Zusammenhang die Selektivität verstärken und zusätzlich motivieren kann. Dieses Konzept hat eine Reihe von Voraussetzungen und Implikationen, die auch für die Machttheorie gelten und sie in eine bestimmte Richtung lenken. Die erste und wichtigste Voraussetzung ist, daß mediengesteuerte Kommunikationsprozesse Partner verbinden, die beide eigene Selektionsleistungen vollziehen und dies vom jeweils anderen wissen 13 . Wir werden von Alter und Ego sprechen. Alle Kommunikationsmedien setzen soziale Situationen mit Wahlmöglichkeiten auf beiden Seiten, also Situationen mit doppelkontingenter Selektivität voraus. Genau das gibt ihnen ihre Funktion, Prozesse der Übertragung von Selektionen in ihrer Selektivität von Alter auf Ego zu steuern. Insofern ist das Ausgangsproblem bei allen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien identisch; für Macht gilt insofern nichts anderes als für Liebe oder für Wahrheit. In jedem Falle bezieht sich die einflußnehmende Kommunikation auf einen Partner, der in seinen Selektionen dirigiert werden soll 14 . Übertragung von Selektionsleistungen heißt demnach genau genommen: Reproduktion von Selektionsleistungen unter vereinfachten, von Ausgangskonstellationen abstrahierenden Bedingungen. Für diese Vereinfachung und Abstraktion braucht man Symbole, die den konkreten Anfang, den Ausgangskontext der Selektionskette, ersetzen. Dafür entwickeln Kommunikationsmedien symbolisch generalisierte Codes für gemeinsame Orientierung. Jede weitere Phase des Prozesses bleibt gleichwohl selbst Selektion. Kommunikationsmedien kombinieren mithin Gemeinsamkeit der Orientierungen und Nichtidentität der Selektionen. Auch Macht fungiert als Kommunikationsmedium nur unter dieser Grundbedingung 15 . Sie ordnet soziale Situationen mit doppelter Selektivität. Also muß die Selektivität von Alter und die von Ego unterschieden werden, denn in bezug auf sie stellen sich gerade im Falle der Macht ganz verschiedene Probleme. <?page no="15"?> 16 I. Macht als Kommunikationsmedium Eine fundamentale Voraussetzung aller Macht ist demnach, daß in bezug auf die Selektion des Machthabers Alter Unsicherheit besteht 16 . Alter verfügt, aus welchen Gründen immer, über mehr als eine Alternative. Er kann bei seinem Partner in bezug auf die Ausübung seiner Wahl Unsicherheit erzeugen und beseitigen. Diese Umleitung über Produktion und Reduktion von Unsicherheit ist Machtvoraussetzung schlechthin, ist Bedingung eines Spielraums für Generalisierung und Spezifikation eines besonderen Kommunikationsmediums - und nicht etwa eine besondere Machtquelle unter anderen. Auch auf Seiten des machtbetroffenen Ego setzt Macht Offenheit für andere Möglichkeiten des Handelns voraus. Macht erbringt ihre Übertragungsleistung dadurch, daß sie die Selektion von Handlungen (oder Unterlassungen) angesichts anderer Möglichkeiten zu beeinflussen vermag. Sie ist größere Macht, wenn sie sich auch gegenüber attraktiven Alternativen des Handelns oder Unterlassens durchzusetzen vermag. Und sie ist steigerbar nur zusammen mit einer Steigerung der Freiheiten auf Seiten Machtunterworfener. Macht ist daher zu unterscheiden von dem Zwang, etwas konkret genau Bestimmtes zu tun. Die Wahlmöglichkeiten des Gezwungenen werden auf Null reduziert. Im Grenzfall läuft Zwang auf Anwendung physischer Gewalt hinaus und damit auf Substitution eigenen Handelns für unerreichbares Handeln anderer 17 . Macht verliert ihre Funktion, doppelte Kontingenz zu überbrükken, in dem Maße, als sie sich dem Charakter von Zwang annähert. Zwang bedeutet Verzicht auf die Vorteile symbolischer Generalisierung und Verzicht darauf, die Selektivität des Partners zu steuern. In dem Maße, als Zwang ausgeübt wird - wir können für viele Fälle auch sagen: mangels Macht Zwang ausgeübt werden muß -, muß derjenige, der den Zwang ausübt, die Selektions- und Entscheidungslast selbst übernehmen; die Reduktion der Komplexität wird nicht verteilt, sondern geht auf ihn über. Ob dies sinnvoll ist, hängt davon ab, wie komplex und veränderlich die Situationen sind, in denen über Handeln entschieden werden muß. <?page no="16"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 17 Nur in sehr einfachen Systemen ist die Anwendung von Zwang selbst zentralisierbar. Komplexere Systeme können nur die Entscheidungen (oder gar nur Entscheidungen über Entscheidungsprämissen von Entscheidungen) über die Anwendung von Zwang zentralisieren. Das bedeutet, daß sie Macht bilden müssen, um Zwang zu ermöglichen. Der von Max Weber eingeführte Begriff des »Erzwingungsstabes« bezeichnet diesen Sachverhalt. Schon diese einfachen Ausgangsüberlegungen zeigen, daß eine genauere Bestimmung, Operationalisierung und Messung konkreter Machtbeziehungen ein außerordentlich kompliziertes Unterfangen wird. Es müßte auf beiden Seiten (bei Kettenbildung: für alle Beteiligte) ein mehrdimensionales Maß für die Komplexität der Möglichkeiten zu Grunde gelegt werden, aus denen sie ein Handeln auswählen können 18 . Die Macht des Machthabers ist größer, wenn er mehr und verschiedenartigere Entscheidungen zu machtmäßiger Durchsetzung auswählen kann; und sie ist außerdem größer, wenn er dies gegenüber einem Partner tun kann, der seinerseits mehr und verschiedenartigere Alternativen besitzt. Macht steigt mit Freiheiten auf beiden Seiten, steigt zum Beispiel in einer Gesellschaft in dem Maße, als sie Alternativen erzeugt. Damit sind nicht nur wissenschaftliche und methodische Probleme bezeichnet 19 . Vielmehr folgt aus dieser Komplikation für die Gesellschaft selbst, daß sie Substitute für einen genauen Vergleich von Machtlagen entwickeln muß, und daß diese Substitute selbst zum Machtfaktor werden. Als Substitute dienen einmal Hierarchien, die eine asymmetrische Machtverteilung postulieren. Man nimmt an, daß ein Vorgesetzter mehr Macht hat als ein Untergebener (obwohl in bürokratischen Organisationen das Gegenteil normal sein dürfte) 20 . Ein anderes Substitut liegt in der Systemgeschichte: in Fällen erfolgreicher Durchsetzung in Konfliktslagen, die erinnert, normalisiert, als Erwartungen generalisiert werden. Mit dieser Funktion als Vergleichsgrundlage hängt die symbolische Brisanz von Statusfragen und von Einzelereignissen zusammen, die die wirkliche Machtlage zu deutlich beleuchten. Drittens liegen wichtige Substitutionsmöglichkeiten in vertragsartigen <?page no="17"?> 18 I. Macht als Kommunikationsmedium Regelungen, mit denen ein übermächtiger Partner sich mit denen arrangiert, die sich zurückziehen oder illoyal sein könnten 21 . In all diesen Fällen wird der direkte kommunikative Rekurs auf Macht ersetzt durch Bezugnahme auf Symbole, die beide Seiten normativ verpflichten und zugleich dem unterstellten Machtgefälle Rechnung tragen. Dies alles sind funktionale Äquivalente für Machtmessung und für Machttests als Entscheidungsvoraussetzungen in der gesellschaftlichen Realität. Die institutionelle Verankerung und Gebrauchsfähigkeit solcher Substitute macht exakte Feststellungen unnötig, ja sogar jeden Ansatz dazu problematisch. Dies hat zur Folge, daß die Wissenschaft, gelänge ihr eine Messung von Macht, die soziale Wirklichkeit verändern, nämlich Substitute zerstören, als falsche Annahmen entlarven würde. Eher liegt es allerdings im Bereich des Wahrscheinlichen, daß sie eigene Substitute für Machtmessung entwickeln wird, die in anderen Bereichen der Gesellschaft als lediglich wissenschaftliches Gedankengut behandelt werden. 3. Die Funktion eines Kommunikationsmediums liegt in der Übertragung reduzierter Komplexität. Die Selektion Alters schränkt dadurch, daß sie unter bestimmten, näher anzugebenden Bedingungen kommuniziert wird, die Selektionsmöglichkeiten Egos ein. Von allgemeinen Interferenzen und wechselseitigen Behinderungen - Alter hört Radio und Ego kann deshalb nicht einschlafen - heben Abhängigkeiten, die über Kommunikationsmedien laufen, sich dadurch ab, daß sie einen Prozeß der Kommunikation voraussetzen, der durch Symbole konditioniert werden kann. Sie sind dadurch kulturell formbar, evolutionär veränderbar und mit einer größeren Zahl von Systemzuständen kompatibel. Auch im Falle von Macht interessiert primär diese Übertragung von Selektionsleistungen und nicht etwa das konkrete Bewirken bestimmter Wirkungen. Macht liegt keineswegs nur in dem Grenzfalle vor, in dem Alter das Handeln Egos konkret festlegt - ihn etwa bestimmt, eine angegebene Schraube so fest <?page no="18"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 19 wie möglich anzuziehen. Typischer ist es und ausreichend, Macht wie jedes andere Kommunikationsmedium als Beschränkung des Selektionsspielraums des Partners zu sehen 22 . Die theorieleitende Kausalvorstellung 23 darf nicht negiert, sie muß aber abstrahiert werden; sie bezeichnet nicht eine invariante Verknüpfung konkreter Weltzustände - Machtäußerungen und Verhalten - und beschränkt die Wirksamkeit von Macht auch nicht auf den Fall, daß das Verhalten Egos ohne die machtgetragene Kommunikation Alters anders abgelaufen wäre 24 . Dabei würde nämlich zu Unrecht vorausgesetzt werden, daß ein fertiger Willensentschluß, der dann gebrochen wird, immer schon vorliegt (und empirisch feststellbar ist). Faktisch macht jedoch die Existenz eines Machtgefälles und einer antizipierbaren Machtentscheidung es für den Unterworfenen gerade sinnlos, überhaupt einen Willen zu bilden. Und gerade darin besteht die Funktion von Macht: Sie stellt mögliche Wirkungsketten sicher unabhängig vom Willen des machtunterworfenen Handelnden - ob er will oder nicht. Die Kausalität der Macht besteht in der Neutralisierung des Willens, nicht unbedingt in der Brechung des Willens des Unterworfenen. Sie betrifft diesen auch und gerade dann, wenn er gleichsinnig handeln wollte und dann erfährt: er muß ohnehin. Die Funktion der Macht liegt in der Regulierung von Kontingenz. Wie jeder andere Medien-Code bezieht sich auch der Macht-Code auf eine mögliche (! ) - nicht notwendig auf eine wirkliche - Diskrepanz der Selektionsleistungen von Alter und Ego, indem er sie »egalisiert«. Die Macht des Machthabers ist demnach als Ursache und selbst als potentielle Ursache nicht ausreichend beschrieben. Eher läßt sie sich mit der komplexen Funktion eines Katalysators vergleichen. Katalysatoren beschleunigen (bzw. verlangsamen) den Eintritt von Ereignissen; sie verändern, ohne sich selbst dabei zu ändern, die Eintrittsrate bzw. Wahrscheinlichkeit, die bei zufälligen Beziehungen zwischen System und Umwelt zu erwarten wäre. Sie produzieren letztlich also Zeitgewinn - einen für den Aufbau komplexer Systeme immer kritischen Faktor. Dabei sind sie, und das werden wir in Anlehnung an Kant auch mit dem Begriff des <?page no="19"?> 20 I. Macht als Kommunikationsmedium Schematismus ausdrücken, allgemeiner als ihr jeweiliges Produkt; sie verändern sich in der Katalyse nicht oder nicht in gleichem Maße, wie der beschleunigte (bzw. verlangsamte) Prozeß Wirkungen erzeugt oder verhindert. Wenn man sich bewußt bleibt, daß damit eine reale Struktur (und nicht nur: eine analytische Zusammenfassung) gemeint ist 25 , kann man somit formulieren, daß Macht eine Chance ist, die Wahrscheinlichkeit des Zustandekommens unwahrscheinlicher Selektionszusammenhänge zu steigern 26 . Realen Wahrscheinlichkeiten wohnt eine Tendenz zur Selbstverstärkung inne: Wenn man weiß, daß etwas wahrscheinlich ist, rechnet man lieber mit dem Eintritt als mit dem Nichteintritt des Ereignisses, und je höher die Relevanz, desto niedriger die Schwelle, die einen solchen Prozeß ins Rollen bringt. Das Entsprechende gilt aber, wie jeder Autofahrer weiß, auch für Unwahrscheinlichkeiten. Es bedarf also jeweils einer Vorentscheidung, ob ein ungewisses Ereignis für (sehr/ ziemlich/ wenig) wahrscheinlich oder für (wenig/ ziemlich/ sehr) unwahrscheinlich angesehen wird. Dabei können rein psychologische Gesetzmäßigkeiten eine Rolle spielen 27 . Darüber hinaus werden soziale Situationsdefinitionen einwirken und die Wahrnehmung des Wahrscheinlichen bzw. Unwahrscheinlichen beeinflussen. Und diese Situationsdefinitionen können ihrerseits durch symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien modalisiert sein. Die katalytische Funktion der Macht beruht nach all dem ihrerseits bereits auf sehr komplexen Kausalzusammenhängen. Eben deshalb ist Macht nur als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium zu begreifen. Durch Abstraktion in Richtung auf symbolisch kontrollierte Selektionszusammenhänge wird zugleich erreicht, daß die Macht nicht als abhängig gesehen wird von einer unmittelbar handelnden Einwirkung des Machthabers auf den Machtunterworfenen 28 . Vorausgesetzt ist nur Kommunikation überhaupt, also daß der Machtunterworfene auf welchen Umwegen immer von der Selektivität (nicht nur von der Existenz! ) 29 vergangener oder künftiger Machthandlungen des Machthabers <?page no="20"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 21 erfährt. Es ist geradezu eine Funktion der Generalisierung des Kommunikationsmediums Macht, solche Umwege zu ermöglichen, ohne damit die Identifizierbarkeit des Macht-Code und der Kommunikationsthemen aufzuheben. 4. Für alle Kommunikationsmedien ist typisch, daß ihrer Ausdifferenzierung eine besondere Interaktionskonstellation und in deren Rahmen eine spezifische Problemstellung zu Grunde liegt. Kommunikationsmedien heben sich nur dort aus den Selbstverständlichkeiten gemeinsamer Lebensführung heraus, wo Einfluß kontingent und dadurch zunächst einmal eher unwahrscheinlich ist. Nur wenn und soweit Güter knapp sind, wird der handelnde Zugriff des einen zum Problem für andere, und diese Situation wird dann durch ein Kommunikationsmedium geregelt, das die Handlungsselektion des einen in das Miterleben anderer überführt und dort akzeptierbar macht 30 . Im Horizont von Knappheit wird Einfluß in einer ganz besonderen Weise prekär, so daß sich an Hand dieser Sondersituation ein spezifisch generalisiertes Kommunikationsmedium bilden kann, das die Übertragung reduzierter Komplexität für diesen Fall, aber nicht für andere ermöglicht. Nicht anders entsteht Wahrheit. Auch hier muß es im Rahmen allgemeiner lebensweltlicher Selbstverständlichkeiten und Glaubwürdigkeiten zunächst zu einer gewissen Unwahrscheinlichkeit der Information kommen, bevor Prüfkriterien in Funktion treten und ein besonderer Code sich herausbilden kann, der die Feststellung von Wahrheiten und Unwahrheiten reguliert. Wahrheit ist überwundener Zweifel. Ihr Auslöser kann die schlichte Enttäuschung kognitiver Erwartungen sein, aber auch ein verschärft abstrahiertes Auflösungsvermögen kognitiver Instrumente. Auch zur Ausbildung des Kommunikationsmediums der Macht ist ein solcher focus, ein Durchgang durch gesteigerte Kontingenz erforderlich. Nicht jede Ausführung einer zugemuteten Handlung wird problematisch. Man läßt nicht fallen, was einem gegeben wird, sondern nimmt es an, hält es fest usw. Aber in Sonderfällen, wenn der Zumuter sich sozusagen aufs Zumu- <?page no="21"?> 22 I. Macht als Kommunikationsmedium ten beschränkt und sein eigenes Handeln darauf spezialisiert, das Handeln anderer vorzuschreiben, trägt der konkrete Kontext die Selektionsübertragung nicht mehr. Mit der Kontingenz der Selektion steigt auch die Verlockung zur Negation. Dann kommt eine Übertragung von Selektionsleistungen nur noch unter besonderen Voraussetzungen zustande, und diese Voraussetzungen rekonstruiert und institutionalisiert der Macht-Code. Sie werden erst mit Hilfe eines symbolisch generalisierten Kommunikationsmediums Grundlage zuverlässiger Erwartungen. Es ist schwierig, diesen Problembezug in eine Definition einzufangen, die eindeutig angibt, was Macht ist und was sie nicht ist. Der Problembezug generiert jedoch Zusammenhänge, und diese lassen sich beschreiben. Man kann sagen: Je stärker Einfluß kontingent wird, indem er sich als ein Handeln zu erkennen gibt, das die eigene Selektivität darauf spezialisiert, fremdes Handeln auszulösen, desto weniger kann eine natürlich-situative Interessenkongruenz unterstellt werden, desto problematischer wird die Motivation und desto notwendiger wird ein Code, der die Bedingungen der Selektionsübertragung und die Zuschreibung der entsprechenden Motive regelt. Dieser von Interaktionskonstellationen ausgehende Ansatz kann dann in die Theorie gesellschaftlicher Evolution übernommen werden mit der These, daß bei zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung Situationen häufiger werden, in denen trotz so hoher Kontingenz und Spezialisierung Selektionsübertragungen stattfinden müssen, wenn ein erreichtes Entwicklungsniveau gehalten werden soll. In wichtigen Funktionsbereichen stellt sich situative Interessenkongruenz nicht mehr häufig und nicht mehr spezialisiert genug ein, daß damit auszukommen wäre. Dann wird die Entwicklung eines problembezogenen Sonder-Codes für Macht zum Engpaß weiterer Evolution. Auch diese Argumentation hat ihre Parallelen in anderen Medienbereichen und wird dadurch mitgestützt. Erst von einem gewissen Entwicklungsstande ab wird die tägliche Kommunikation so informationsreich, daß Wahrheit zum Problem wird. Erst von <?page no="22"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 23 einem gewissen Entwicklungsstande ab wird der Güterbestand so groß, daß es Sinn hat, ihn unter dem Gesichtspunkt der Knappheit für kontingenten Zugriff offen zu halten. Man könnte ferner sagen: Liebe wird als ein besonderer Kommunikations-Code erst nötig, wenn die Emotionen und Welt-Sichten anderer so stark individualisiert - und das heißt: kontingent geworden - sind, daß man ihrer nicht mehr sicher sein kann und deshalb nach Maßgabe kultureller Vorschriften selbst lieben muß. Und auch Kunst ist als Kommunikationsmedium abhängig von gesteigerter Kontingenz - nämlich von der Kontingenz offensichtlich hergestellter, aber vom konkreten lebensweltlichen Zweckkontext nicht mehr getragener Werke. Mit all dem sind spezialisierte Interaktionsproblematiken, nämlich Varianten des Problems der Selektionsübertragung, und zugleich evolutionäre Lagen des Gesellschaftssystems bezeichnet. 5. Die vielleicht wichtigste Veränderung gegenüber älteren Machttheorien liegt darin, daß die Theorie der Kommunikationsmedien das Phänomen Macht auf Grund einer Differenz von Code und Kommunikationsprozeß begreift und deshalb nicht in der Lage ist, Macht einem der Partner als Eigenschaft oder als Fähigkeit zuzuschreiben 31 . Macht »ist« eine codegesteuerte Kommunikation. Die Zurechnung der Macht auf den Machthaber wird in diesem Code geregelt mit weittragenden Folgen, was Verstärkung der Befolgungsmotive, Verantwortung, Institutionalisierbarkeit, Adressierung von Änderungswünschen usw. anlangt. Obwohl beide Seiten handeln, wird das, was geschieht, dem Machthaber allein zugerechnet 32 . Die wissenschaftliche Analyse darf sich durch die in ihrem Gegenstand selbst liegenden Zurechnungsregeln jedoch nicht irritieren lassen; solche Regelungen bewirken nicht, daß der Machthaber für das Zustandekommen von Macht wichtiger oder in irgend einem Sinne »ursächlicher« ist als der Machtunterworfene 33 . Zurechnungsregeln der Medien-Codes sind selbst noch ein möglicher Gegenstand wissenschaftlicher Analyse 34 . Man kann auch nach ihren Funktionen noch fragen. Dazu muß das analytische Instrumentarium von Vorentscheidungen über Zurechnun- <?page no="23"?> 24 I. Macht als Kommunikationsmedium gen zunächst abstrahieren. Dieses Erfordernis liegt zugleich auf der Linie einer stärkeren Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems aus der Gesellschaft, in unserem Fall einer weitergehenden Differenzierung von Wissenschaft und Politik. Die Unterscheidung von generalisiertem Code und selektivem Kommunikationsprozeß wird uns im Folgenden ständig begleiten. Die symbolische Generalisierung eines Code, nach dem Erwartungen gebildet werden können, ist Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Macht als eines spezialisierten Mediums, das auf bestimmte Problemkonstellationen bezogen werden kann, bestimmte Leistungen erbringt und bestimmten Bedingungen unterliegt. Im generalisierten Medien-Code liegen ferner die Ansatzpunkte für Steigerungsleistungen im Laufe der gesellschaftlichen Evolution. Unter diesen Gesichtspunkten ist Macht gesellschaftstheoretisch von Interesse. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß Organisationstheorien oder Interaktionstheorien mit vereinfachten Konzepten der Macht arbeiten können, etwa mit solchen, die im Machtbegriff schon Statusdifferenzen oder ausreichende Informations und Kalkulationsmöglichkeiten voraussetzen. Im Rahmen derart verengter Prämissen wird man jedoch kein Urteil über die gesamtgesellschaftliche Tragweite von Macht gewinnen können. 6. In einer viel beachteten, umfangreichen Kritik des Werkes von Parsons und seiner Machttheorie insbesondere äußert Alvin Gouldner sein Erstaunen darüber, daß Parsons Macht durch ihre Behandlung als symbolisch generalisiertes Medium in so hohem Maße mit legitimer Macht, mit »establishment power« identifiziere und dies für den gesellschaftlichen Normalfall halte 35 . Diese Auffassung wird pauschal und in einzelnen ihrer Ausformulierungen als moralistisch, als intellektuell absurd, als utopistisch, als irreführend abgetan unter Hinweis auf die Brutalität und die Eigensüchtigkeit der Machthaber. Dies Erstaunen eines Soziologen müßte nun wiederum die Soziologen erstaunen; um so mehr, als es im Rahmen einer Soziologie der Soziologie formuliert wird. <?page no="24"?> I. Macht als Kommunikationsmedium 25 Natürlich ist nicht zu bestreiten, daß die Soziologie sich für Phänomene des brutalen und eigensüchtigen Machtgebrauchs interessieren kann und sollte. Ein solches Interesse darf jedoch nicht zu einem in die Begriffe und Theorien eingebauten Vorurteil über die gesellschaftliche Realität auswachsen. Es war gerade die Leistung der Parsons’schen Theorie, die Vorurteile der Soziologie als einer Krisen- und Oppositionswissenschaft durch eine relativ autonome (in sich selbst dann wieder kritisierbare) Begriffsarchitektonik zu ersetzen. Wie immer man über die Adäquität dieses Instrumentariums urteilt, man wird nicht bestreiten können, daß die Institutionalisierung durchsetzbarer legitimer Macht das Phänomen von größerer gesellschaftlicher Tragweite ist im Vergleich zu Brutalität und Eigensucht. Das Alltagsleben einer Gesellschaft ist in sehr viel stärkerem Maße durch Rekurs auf normalisierte Macht, namentlich auf Rechtsmacht, bestimmt, als durch brutalen und eigensüchtigen Machtgebrauch. Regional begrenzte Ausnahmefälle machen gerade diesen Sachverhalt deutlich 36 . Die Interferenz legitimer Gewalt ist größer; man kann sie nicht hinwegdenken, ohne daß fast das gesamte normale gesellschaftliche Leben gestört und transformiert würde. Brutalität und Eigensucht sind Vorkommnisse, die mit vielen gesellschaftlichen Zuständen kompatibel sind, so lange sie die Dominanz institutionalisierter Macht nicht untergraben. Natürlich rechtfertigt, wie man aus der Geschichte der Theodizeen und Wohlfahrtsrechnungen weiß, ein solches Argument keinen einzigen Akt der Brutalität, auch nicht ein Tolerieren oder In-Kauf-Nehmen. Aber ein solches Verrechnungsproblem stellt sich seinerseits erst sekundär - sowohl historisch als auch theoretisch. Es setzt voraus, daß ein binärer Schematismus schon eingeführt ist, der Soll und Haben, oder Recht und Unrecht oder konformes und abweichendes Verhalten differenziert. Mit der Ausarbeitung einer Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien setzen wir dazu an, solche Kontroversen zu unterlaufen. Die Konstitutionsbedingungen einer Dichotomisierung von »herrschender Ordnung« und »Kritik« <?page no="25"?> 26 I. Macht als Kommunikationsmedium gehen in die Theorie selbst ein. Sie behandelt derartige Disjunktionen als Elemente eines Kommunikations-Codes und fragt nach ihren genetischen Bedingungen, ihren Funktionen, ihren Folgen, ihren Komplementäreinrichtungen, ihren Entwicklungschancen. Auch eine solche Theorie läßt sich mit Gouldner dann wiederum als moralistisch und konservativ charakterisieren, wenn man unterstellt, daß sie die an ihrem Gegenstand entdeckten Merkmale bejaht; sie ist in dem Sinne konservativ, daß sie die Option bewahren und offen halten möchte, je nach Lage der Dinge für oder gegen eine Machtäußerung Stellung zu nehmen. <?page no="26"?> 27 II. Handlungsbezug Von anderen Kommunikationsmedien unterscheidet Macht sich dadurch, daß ihr Code auf beiden Seiten der Kommunikationsbeziehung Partner voraussetzt, welche Komplexität durch Handeln - und nicht nur durch Erleben - reduzieren. Diese Kontrastierung von Handeln und Erleben hat, da das menschliche Leben beides in unentwirrbarer Verflechtung voraussetzt, etwas Künstliches 37 . Das wird nicht bestritten, kann aber der Theorie nicht zum Vorwurf gereichen. Die Künstlichkeit eines ganz speziell auf Handlungsketten-Bildung zugeschnittenen Mechanismus ist nämlich kein analytisches Kunstwerk der wissenschaftlichen Abstraktion, sondern eine Abstraktionsleistung der Gesellschaft selbst, ein Erfordernis evolutionär fortgeschrittener Gesellschaftssysteme. Eine Machttheorie, die als Theorie eines besonderen symbolisch generalisierten Kommunikationsmediums ausgearbeitet wird, muß jedoch erklären können, wie eine solche Spezialisierung auf Übertragung von Handlungsreduktionen im gesellschaftlichen Leben überhaupt möglich ist und welche Folgeprobleme sie aufwirft. Spiegelbildlich würde sich das gleiche Problem für eine Theorie der Wahrheit stellen, die zu erklären hätte, wie eine Spezialisierung auf die Übertragung von erlebnismäßigen Reduktionen möglich ist, ohne daß die Interferenz von Handlungen und Handlungspräferenzen der Beteiligten die Sachverhalte verzerrt. 1. Von Handeln wollen wir dann und nur dann sprechen, wenn selektives Verhalten einem System (und nicht seiner Umwelt) zugerechnet wird 38 . Die Zurechnung bezieht sich auf die Selektion selbst, liefert gleichsam die Erklärung für das Wunder der Reduktion. Über die Zurechnung als Erleben bzw. Handeln kann und wird in vielen Fällen Dissens bestehen. Es besteht aber zugleich ein gesellschaftliches Interesse, diese Frage zumindest für Problemsituationen zu klären. Von der Umweltbzw. Systemzurechnung hängt nämlich ab, ob den übrigen Systemen in der Gesellschaft <?page no="27"?> 28 II. Handlungsbezug gleiche Selektion zugemutet oder andersartige Selektion freigegeben wird. Erleben muß man gleich, handeln kann man auch anders. Diese Unterscheidung geht der Frage voraus, ob die Freigabe andersartigen Handelns dann wieder beschränkt wird - etwa durch Gebote der Moral oder des Rechts oder durch Macht. In bezug auf Erleben hätten diese Formen der Einschränkung von Kontingenz keinen Sinn. Fehlgriffe des Erlebens werden als Irrtümer behandelt und, wenn überhaupt, anders sanktioniert 39 . Handeln unterliegt dagegen besonderen sozialen Kontrollen, die mit seiner Ermöglichung zugleich ausgebildet werden. Das hohe Risiko der Ermöglichung von Handeln liegt auf der Hand. Es zeigt sich unter anderem an der erleichterten Negierbarkeit der Handlungsintention im Vergleich zum Erleben und, abhängig davon, an den Komplikationen der Behandlung des Negationsproblems in einer normativen Handlungstheorie oder gar -logik. Die Kategorisierung von Selektion als Handeln muß deshalb gewürdigt werden als ein Mechanismus, der Systeme aus der Gleichheitszumutung entläßt und Differenzierungen möglich macht. Da dies nicht uneingeschränkt geschehen kann, muß das Handeln gleichsam wieder eingefangen und domestiziert werden. Die soziale Konstitution der Möglichkeit zu handeln und die Spezialisierung von darauf bezogenen Kontrollmechanismen haben ihre primäre Funktion in einem Produktionsumweg für höhere gesellschaftliche Komplexität, nämlich in der Erzeugung und Beschränkung der Möglichkeit ungleichartiger Selektionen in einer intersubjektiv konstituierten SinnWelt. Dem Zurechnungs- und Etikettierungsinteresse folgen Kategorisierungen, die den Tatbestand des Handelns voraussetzen und erklären - also das Erleben eigenen bzw. fremden Handelns ordnen. Dazu zählt der Begriff des Willens (im Unterschied zu Vernunft), die Auffassung der Kontingenz des Selektionsaktes als Freiheit (im Unterschied zu Zufall) und in der neueren Zeit vor allem die Zuschreibung von Motiven 40 und Absichten 41 . Freier Wille ist ein alteuropäisches, Motiviertheit ein neuzeitliches Attribut des Handelns - in jedem Falle kein primäres Faktum, etwa <?page no="28"?> II. Handlungsbezug 29 gar eine »Ursache« des Handelns 42 , sondern eine Zuschreibung, die das sozial einhellige Erleben von Handeln ermöglicht. Motive sind kein Erfordernis des Handelns, wohl aber ein Erfordernis des verständlichen Erlebens von Handlungen. Auf der Ebene der Motivzuschreibungen wird eine Sozialordnung daher sehr viel stärker integriert sein als auf der Ebene des Handelns selbst. Verständnis von Motiven hilft dann rückläufig zur Erkenntnis darüber, ob überhaupt eine Handlung vorliegt 43 . Die Funktion des Kommunikationsmediums Macht ist daher nicht ausreichend beschrieben, wenn man meint, es gehe nur darum, den Machtunterworfenen zur Annahme der Weisungen zu bewegen. Auch der Machthaber selbst muß zur Ausübung seiner Macht bewegt werden, und darin liegt in vielen Fällen die größere Schwierigkeit. Liegt es nicht gerade für ihn, der im Zweifel unabhängiger ist, näher, sich zurückzuziehen und die Dinge laufen zu lassen? Auch die Motivation dessen, der Selektionsleistungen überträgt, wird erst im Kommunikationsprozeß aufgebaut und zugeschrieben. Gerade dem Machthaber werden, ob er will oder nicht, auf Grund seiner Macht Erfolge und Mißerfolge zugerechnet und dazu passende Motive oktroyiert. Macht instrumentiert also nicht einen schon vorhandenen Willen, sie erzeugt diesen Willen erst und sie kann ihn verpflichten, kann ihn binden, kann ihn zur Absorption von Risiken und Unsicherheiten bringen, kann ihn sogar in Versuchung führen und scheitern lassen. Die generalisierten Symbole des Code, die Aufgaben und Insignien des Amtes, die Ideologien und Legitimationsbedingungen dienen der Artikulationshilfe; aber erst der Kommunikationsprozeß selbst legt mit der Machtausübung zugleich die Motive fest. 2. Vor diesem Hintergrund muß man die Spezialisierung eines Mediums begreifen, das die Übertragung von Handlungsselektionen auf Handlungsselektionen leistet, also beide Partner voraussetzt als Systeme, denen ihre Selektion als Handlung zugerechnet wird. Der Machtunterworfene wird erwartet als jemand, der sein eigenes Handeln wählt und darin die Möglichkeit der Selbstbe- <?page no="29"?> 30 II. Handlungsbezug stimmung hat; nur deshalb werden Machtmittel, etwa Drohungen, gegen ihn eingesetzt, um ihn in dieser selbstvollzogenen Wahl zu steuern. Und auch der Machthaber nimmt in Anspruch, nicht einfach die Wahrheit zu sein, sondern seinem Willen gemäß zu handeln. Damit ist in der Beziehung beider die Möglichkeit zurechenbarer, »lokalisierbarer« Divergenz postuliert. Eine Übertragung reduzierter Komplexität kommt zustande, wenn und soweit Alters Handeln die Selektion von Egos Handeln mitbestimmt. Der Erfolg einer Machtordnung besteht in der Steigerung noch überbrückbarer Situations- und Selektionsdifferenzierungen. Dazu ist ein Umweg über Negationen erforderlich, der gewisse Anforderungen an den Code der Macht stellt. Wenn Macht eine Kombination von gewählten Alternativen leisten soll und andere Möglichkeiten im Spiel sind, kann die Wahrscheinlichkeit dieser Kombination nur durch eine parallellaufende Koordination des Ausscheidens von Alternativen gewährleistet werden. Macht setzt voraus, daß beide Partner Alternativen sehen, deren Realisierung sie vermeiden möchten. Auf beiden Seiten muß es mithin über die bloße Mehrheit von Möglichkeiten hinaus eine Ordnung von Präferenzen geben, die unter dem Gesichtspunkt von eher positiver und eher negativer Bewertung schematisiert und für die andere Seite einsichtig sein muß 44 . Unter dieser Voraussetzung kann eine hypothetische Kombination von Vermeidungsalternativen beider Seiten hergestellt werden - am einfachsten durch Drohung mit Sanktionen, die der Machthaber selbst lieber vermieden sähe: »Wenn Du dies nicht tust, schlage ich Dich! «. Auch das allein genügt noch nicht. Zur Machtausübung kommt es erst, wenn die Beziehung der Beteiligten zu ihren jeweiligen Vermeidungsalternativen unterschiedlich strukturiert ist derart, daß der Machtunterworfene seine Alternative - in unserem Beispiel: die des physischen Kampfes - vergleichsweise eher vermeiden möchte als der Machthaber, und auch diese Relation zwischen den Relationen der Beteiligten zu ihren Vermeidungsalternativen für die Beteiligten erkennbar ist. Kurz gesagt: Der Macht-Code muß eine Relationierbarkeit von Relationen gewährleisten. Bei dieser Vorausset- <?page no="30"?> II. Handlungsbezug 31 zung entsteht die Möglichkeit einer konditionalen Verknüpfung der Kombination von Vermeidungsalternativen mit einer weniger negativ bewerteten Kombination von anderen Alternativen. Diese Verknüpfung motiviert die Übertragung von Handlungsselektionen vom Machthaber auf den Machtunterworfenen. Sie gibt dem Macht, der darüber entscheiden kann, ob eine solche konditionale Verknüpfung von Möglichkeitskombinationen hergestellt wird oder nicht 45 . Macht beruht mithin darauf, daß Möglichkeiten gegeben sind, deren Verwirklichung vermieden wird. Das Vermeiden von (möglichen und möglich bleibenden) Sanktionen ist für die Funktion von Macht unabdingbar 46 . Jeder faktische Rückgriff auf Vermeidungsalternativen, jede Ausübung von Gewalt zum Beispiel, verändert die Kommunikationsstruktur in kaum reversibler Weise. Es liegt im Interesse der Macht, eine solche Wendung zu vermeiden. Macht ist damit schon strukturell (und nicht erst: rechtlich! ) aufgebaut auf Kontrolle des Ausnahmefalles. Sie bricht zusammen, wenn es zur Verwirklichung der Vermeidungsalternativen kommt 47 . Daraus folgt unter anderem, daß hochkomplexe Gesellschaften, die weit mehr Macht benötigen als einfachere Gesellschaften, die Proportion von Machtausübung und Sanktionsanwendung ändern und mit einem verschwindend geringen Anteil an faktischer Realisierung von Vermeidungsalternativen auskommen müssen 48 . Diese Angaben bedürfen im Hinblick auf das Verhältnis von negativen und positiven Sanktionen einer weiteren Klärung. Negative und positive Sanktionen unterscheiden sich - trotz logischer Symmetrisierbarkeit - in den Voraussetzungen, an die sie anknüpfen, und in ihren Folgen so wesentlich 49 , daß die Ausdifferenzierung und Spezifikation von Kommunikationsmedien diesen Unterschied nicht übergehen kann. Liebe, Geld und Überredung zu Wertkonsens lassen sich nicht als Fälle von Macht spezifizieren. Wir beschränken deshalb den Machtbegriff auf den Fall, der mit dem (allerdings erläuterungsbedürftigen) Begriff der negativen Sanktion gemeint war 50 . Macht wird nur dann angewandt, wenn gegenüber einer gegebenen Erwartungslage eine <?page no="31"?> 32 II. Handlungsbezug ungünstigere Alternativenkombination konstruiert wird. Die Unterscheidung ungünstiger/ günstiger ist erwartungsabhängig und damit auch zeitpunktabhängig 51 . Die Ausgangslage kann sehr wohl auf positiven Leistungen des Machthabers beruhen - etwa auf Schutzversprechen, Liebeserweisen, Zahlungsversprechen; sie wird in Macht aber nur dann transformiert, wenn nicht schon die Ausgangslage selbst, sondern ihr Entzug vom Verhalten des Unterworfenen abhängig gemacht wird. Staatliche Subventionen, die mit Auflagen verknüpft werden, sind als solche keine Machtäußerung ebenso wenig wie ein normaler Kauf; sie werden zur Machtbasis erst, wenn mit der Drohung der Streichung ein im Subventionsprogramm nicht vorgesehenes Verhalten (z. B. Unterlassen regierungskritischer Äußerungen) durchgesetzt werden soll. Der Unterschied liegt darin, daß bei vorheriger Konditionierung positiver Leistungen der Betroffene frei kalkulieren kann, daß er bei nachträglicher Konditionierung mit Entzugsdrohung dagegen Erwartungen schon gebildet hatte, sich schon eingerichtet hatte und deshalb stärkeren Schutz verdient. Deshalb unterscheidet sich auch der Legitimationsbedarf positiver und negativer Sanktionen. Und andererseits mag gerade dieser Weg, positive Leistungen in negative Sanktionen zu transformieren, dem Machthaber Motivquellen und Einwirkungschancen erschließen, an die er sonst nicht herankäme. Weitgehend beruht die durch Organisation gebildete Macht auf diesem Umweg. Wir kehren nach diesen Klarstellungen zum Hauptthema zurück. Unter der Einwirkung einer so kompliziert gebauten, durch Negationen vermittelten Medienstruktur, die die Selektivität des Verhaltens beider Partner betont herausarbeitet und forciert, wird Handeln zum Entscheiden, das heißt zur bewußt selektiven Wahl. Die evolutionäre Unwahrscheinlichkeit eines solchen ausdifferenzierten, symbolisch generalisierten Codes spiegelt sich auf der Prozeßebene in Entscheidungszumutungen, die für den Machtunterworfenen, aber auch für den Machthaber selbst unbequem werden können. Man wird daher nicht überrascht sein können, wenn sich bei zunehmend komplexen Selektionsfeldern heraus- <?page no="32"?> II. Handlungsbezug 33 stellt, daß Machtprobleme letztlich in Entscheidungsschwierigkeiten kulminieren. 3. Die Grundstruktur des Kommunikationsmediums Macht, jene - man kann es leider nicht einfacher formulieren - invers konditionalisierte Kombination von relativ negativ bewerteten und relativ positiv bewerteten Alternativenkombinationen, ist die Grundlage dafür, daß Macht als Möglichkeit (Potenz, Chance, Disposition) erscheint und auch als solche wirkt 52 . Auf dieser Grundlage kommt es zu einer Modalisierung kommunikativer Interaktionen unter dem Gesichtspunkt von Macht. Bei der Kommunikation über Sachthemen wird mit in Betracht gezogen, daß die eine Seite die Möglichkeit hat, ihre Auffassung durchzusetzen. Durch Generalisierung als Möglichkeit wird die Macht gegenüber Kontexten egalisiert und in gewissem Umfange unabhängig gemacht von einer nur bruchstückhaft und situationsweise gegebenen Wirklichkeit; die Projektion des Möglichen erlaubt, um mit Nelson Goodman 53 zu formulieren, ein Auffüllen der Lücken des Wirklichen. Aus einer solchen Modalisierung ergibt sich ein typisches Folgeproblem, das auch die Wissenschaft unter theoretischen wie unter methodischen Gesichtspunkten bereits beschäftigt hat 54 . Durch Modalisierung wird ein Überschuß an Möglichkeiten erzeugt. Macht, die eine ständig vorhandene Möglichkeit ist und dem Machthaber wie eine Fähigkeit oder eine Eigenschaft zugeschrieben wird, kann doch nicht ständig und vor allem nicht ständig über alle Personen und alle Themen des Machtfeldes ausgeübt werden. Die Erwartung, daß alle Macht immer auch ausgeübt werde, würde nicht nur den Machthaber überanstrengen; sie würde als Vorschrift des Macht-Code auch verhindern, daß nennenswerte Macht akkumuliert wird. Der Machthaber muß sich zu seiner eigenen Macht selektiv verhalten; er muß sich überlegen, ob er sie einsetzen will oder nicht; er muß sich selbst disziplinieren können. Für derartige Entscheidungen, die für ihn zwangsläufig sind, braucht der Machthaber zusätzliche Direktiven und Rationalisierungshilfen 55 ; dafür versucht eine <?page no="33"?> 34 II. Handlungsbezug neuere, ökonomische Fassung der Machttheorie, Kostenkalküle anzubieten 56 . Wie weit das gelingen kann, ist eine derzeit offene Frage. Jedenfalls zwingt das gesellschaftliche Faktum der Modalisierung des Mediums Macht die Machttheorie, zwei Ebenen simultan zu berücksichtigen: die genetischen und strukturellen Bedingungen der Konstitution von Macht als Potential und die strukturellen und situativen Bedingungen der Ausübung von Macht. Diese Differenz von Potentialität und Aktualisierung bedeutet ein Doppeltes: Auf der Ebene des symbolischen Codes können Instruktionen, wann Macht anzuwenden ist, zwar angedeutet, aber nicht voll spezifiziert werden, denn das würde den disponiblen Überschuß an Potentialität eliminieren. Der Code muß, soll er eine durchgehaltene Möglichkeit symbolisieren, in dieser Richtung unterspezifiziert sein. Dies setzt vor allem einer Juridifizierung von Macht, die den Machthaber zum dauernden Einschreiten zwingt, Schranken. Oder anders formuliert: Juridifizierung macht Macht in gefährlicher Weise herausforderbar. Zum anderen kann auf der prozessualen Ebene faktischen Machtverhaltens eine Festlegung auf Anwendung von Macht Machtverlust bedeuten, nämlich Verzicht auf Unbestimmtheit, Offenheit, Liquidität des Möglichen 57 . Zugleich wird Macht durch modale Generalisierung empfindlich gegen bestimmte Informationen über eine gegenteilige Wirklichkeit: Der Machthaber kann in dem Maße, als er von projektiver Informationsverarbeitung abhängig ist, sich keine Niederlage im Einzelfall mehr leisten. Er muß unter Umständen schon kämpfen, um die Façade seiner Macht zu halten 58 . Es findet zugleich mit der Kommunikation über das in Aussicht genommene Handeln oder Unterlassen eine Metakommunikation über Macht statt 59 . Sie kann die Form der stillschweigenden Vorwegverständigung annehmen, des erwartbaren Erwartens von Erwartungen; sie kann auch durch Andeutungen und unbeantwortbare Anspielungen aktualisiert und schließlich auch explizit formuliert 60 werden. Formulierte Macht nimmt im Kommunikationsprozeß den Charakter einer Drohung an. Sie setzt sich der Möglichkeit einer expliziten Nega- <?page no="34"?> II. Handlungsbezug 35 tion aus. Sie bildet schon einen ersten Schritt zur Realisierung der Vermeidungsalternativen, einen ersten Schritt zur Zerstörung der Macht, und wird daher nach Möglichkeit vermieden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, daß man, statt die Gewalt direkt zu formulieren, auf einen gewaltgedeckten Rechtsanspruch Bezug nimmt. Die Formulierung von Macht, die zur Klärung und zur Herstellung einer übereinstimmend modalisierten Situationsdefinition erforderlich erscheinen kann, ist vor allem in einfachen Systemen elementarer Interaktion schwierig und problematisch. In organisierten Sozialsystemen und auf der Ebene umfassender Gesellschaftssysteme gibt es dafür institutionalisierte Äquivalente - etwa anerkannte Kompetenzen oder geltende Rechtsnormen, auf die man sich berufen kann. Diese Äquivalente dienen dazu, Machtausübung in Interaktionssystemen zu erleichtern und zu entpersonalisieren, also Motive der Machtausübung bereitzustellen, obwohl auch in bezug auf sie Formulierungshemmungen auftreten können (wie jeder Vorgesetzte weiß, der sich einem schwerhörigen Untergebenen gegenüber explizit auf seine Befehlszuständigkeit berufen muß) 61 . Die Einzelheiten der Formen, in denen Metakommunikation über Macht ablaufen kann, können hier nicht ins Detail verfolgt werden. Fürs weitere interessiert vor allem, daß die Differenzierung von Code und Prozeß die Form einer Modalisierung kommunikativen Handelns annimmt. Diese Modalisierung - und nicht etwa eine dem Machthaber innewohnende Fähigkeit, Kraft, oder Potenz und auch nicht seine bloße Ausstattung mit Mitteln - ist die Grundlage dafür, daß Macht auch ohne Einsatz der sogenannten Machtmittel als bloße Möglichkeit schon wirkt. Mit dem Begriff der Chance oder des Machtpotentials wird dieser Sachverhalt unzulänglich begriffen. 4. Darüber hinaus brauchen wir unsere Analyse der Modalisierung von Macht durch Kombination von relativ negativ bewerteten und relativ positiv bewerteten Alternativenkombinationen, <?page no="35"?> 36 II. Handlungsbezug um gewisse Probleme der zeitlichen Struktur von Machtverhältnissen zu klären. Wenn Macht als Möglichkeit gesichert ist auf der Basis von Handlungsmöglichkeiten, deren Aktualisierung man vermeiden möchte, können auf der Ebene interaktioneller Prozesse Entscheidungen zeitlich auseinandergezogen werden. Ein Sozialsystem, das über diese Möglichkeit verfügt, kann damit Zeit gewinnen, um Komplexität zu ordnen. Was nicht gleichzeitig sein kann, läßt sich in einem geordneten Nacheinander gleichwohl ermöglichen. Auf diese Weise läßt sich das Repertoire der integrierbaren, noch aufeinander beziehbaren Handlungen eines Systems erweitern. Zunächst gibt es solche Zeitstrukturen im eigenen Handlungsbereich des Machthabers selbst. Er kann zuerst den gewünschten Handlungsverlauf gleichsam versuchsweise und unverbindlich skizzieren, wohl wissend, daß er Macht einzusetzen hat. Er kann probieren, ob schon dies genügt, weil der andere weiß, wo die Macht sitzt. Er kann sodann in dem Fall, daß sich Widerstand zeigt, deutlicher werden und implizit oder sogar explizit zur Kommunikation über Macht ansetzen, also drohen. Hier gibt es Schritte der Steigerung. Schließlich kann er entscheiden, ob er, wenn all das nichts nützt, die Sanktion ausführen, also die Vermeidungsalternative realisieren will oder nicht. Die Einheit einer solchen Kette ist einerseits durch das System vorgezeichnet, in dem sie stattfindet, andererseits durch den Macht-Code selbst, das heißt durch Rücksichten auf die Erhaltung oder Steigerung des Potentials. Es ist also nicht reiner Zufall, wenn ein Schritt auf den anderen folgt und sich Machtäußerungen in der angegebenen Weise steigern. System und Code fungieren in einem solchen Ablauf als begleitende Identitäten, die die Möglichkeit/ Unmöglichkeit des Anschlusses der nächsten Schritte definieren. Gleichwohl bestehen solche Ketten aus Entscheidungen in jeweils neuen, veränderten Situationen. Ob der Machthaber seine Macht zu erwähnen beginnt, wenn seine Kommunikation nicht glatt abfließt, mag von ihm selbst und von der Situation abhängen; ebenso und erst recht, ob er eine angedrohte Sanktion auch ausführt. Das System und <?page no="36"?> II. Handlungsbezug 37 die Potentialität seiner Macht überlassen ihm die Entscheidung, aber nicht zur Willkür, sondern mit mehr oder weniger scharf definierten Konsistenzbedingungen. Auch darin zeigt sich der oben (S.- 33- f.) erörterte Möglichkeitsüberschuß. Es ist mithin eine wichtige Frage, welcher Verhaltensspielraum dem Machthaber selbst im Hinblick auf seine eigene Entscheidungskette gelassen wird, wie offen seine eigene Zukunft noch ist, wenn er einmal begonnen hat zu kommunizieren 62 . Die Größe und Sicherheit seines Machtpotentials dürfte hier ebenso wichtig sein wie der Grad an Ausdifferenzierung, also an möglicher Rücksichtslosigkeit in Bezug auf eigene andere Rollen, und schließlich auch die Art der Symbolisierung der Macht, zum Beispiel: ob eine normative Form der Legitimation oder gar eine juristische Durchformulierung der Macht den Machthaber verstärkt dazu zwingt, konsistent zu sein. Die Offenheit seiner Zukunft und die Elastizität in der Handhabung wird nicht zuletzt davon abhängen, ob dem Machthaber erlaubt wird, opportunistisch zu verfahren. Dies sind Entscheidungsketten auf Seiten des Machthabers, die sorgfältig unterschieden werden müssen von denjenigen Ketten, die mehrere Entscheidungsträger verbinden. Beide Arten von zeitlich geordneten Entscheidungszusammenhängen werden durch die übergreifende Potentialisierung der Macht ermöglicht, und beide dienen der Ordnung von Komplexität im zeitlichen Nacheinander. Erst auf Grund der relativ komplizierten Voraussetzungen eines Macht-Codes beginnt Macht zu »fließen«, das heißt die Form eines Prozesses anzunehmen, der reduzierte Komplexität von Entscheidung auf Entscheidung überträgt. Die Liquidität von Macht ist der Effekt eines entsprechenden Codes - ganz ähnlich wie beim Geld 63 . Der Eindruck des »Fließens« entsteht dadurch, daß nacheinander Ereignisse (hier: Handlungen) stattfinden, deren Selektivität durch einen Code aufeinander bezogen ist in dem Sinne, daß Selektionen sich wechselseitig voraussetzen bzw. fortsetzen. Die Konsistenz des Zusammenhanges wird im Falle von Macht durch Themen gewährleistet 64 , und es scheint, daß die einzelnen Machtprozesse nur durch thematische Integration <?page no="37"?> 38 II. Handlungsbezug identifizierbar sind 65 . Darin liegen zugleich wichtige Schranken der Bildung von Machtketten, auf die wir zurückkommen werden. Mobilisierung, Kettenbildung, Generalisierung und thematische Spezifikation von Machtprozessen steigern die gesellschaftlich verfügbaren Ressourcen, indem sie Handlungskombinationen und Selektivitätsverstärkungen ermöglichen, die sich nicht gleichsam von selbst ergeben würden 66 . Auf diese Weise ist eine gewisse Unabhängigkeit von lebensweltlich-natürlichen Motivgrundlagen erreichbar. Die Nichtselbstverständlichkeit einer solchen Ausdifferenzierung und Verknüpfung von Machtprozessen macht zugleich die Problematik von Macht verständlich. Sie ist auch daran ablesbar, daß es in der Entwicklung zur Hochkultur zunächst nahegelegen hatte, die erforderliche Entscheidungsmacht nicht als solche zu spezialisieren, sondern die Einheit von Wissen und Entscheidungskompetenz, von Wahrheit und Macht zu behaupten. Unter diesen Prämissen, die man sehr schön an den fernöstlichen Kulturen studieren kann 67 , kann auch auf Seiten des Machtunterworfenen keine alternativenreiche Situation vorausgesetzt werden. Es fehlt bei derart unvollständiger CodeDifferenzierung auch ein Bedarf für den Aufbau eines hinreichend komplexen Rechtssystems für die Codierung von Macht. Konflikte und konfliktsträchtige binäre Schematisierungen werden moralisch diskreditiert. Die dann postulierte absolute Macht bleibt geringe Macht, weil ihr gar keine Wahlsituationen vorliegen, in die sie eingreifen könnte. Unter diesen Umständen bildet die Gesellschaft keinen eindeutigen Primat des ausdifferenzierten Syndroms von Politik, Macht und Recht aus, dessen Kontingenz und Differenzierungsfähigkeit auf der Basis von Handlung eine notwendige Stufe gesellschaftlicher Evolution zu sein scheint. <?page no="38"?> 39 III. Code-Funktionen Der hier gewählte Ansatz einer Machttheorie hat Konsequenzen für die Richtung, in der man Steigerungsinteressen sieht und verfolgt. Behandelt man Macht, mit Kurt Holm zum Beispiel 68 , als Schädigungsfähigkeit, liegt die Steigerungsrichtung in der Größe des Schadens, den der Machthaber verursachen kann, und/ oder in der Größe der Gegenmacht, die eine Schädigung effektiv verhindern könnte. Ein solcher Ansatz mag methodologische und meßtechnische Vorteile bieten; er erfaßt jedoch nicht die eigentümliche Ordnungsleistung der Macht, - nicht, oder nur auf dem Umweg einer Theorie der Drohung mit Macht 69 . Eine enge Assoziation von Mächtigkeit und Gefährlichkeit ist eigentlich nur für archaische Gesellschaften und archaisches Denken adäquat 70 , für Gesellschaften ohne ausdifferenzierte Kommunikationsmedien. Die Begriffsbildung muß der gesellschaftlichen Entwicklung folgen. Mit einer Theorie der Kommunikationsmedien wird ein Machtbegriff gebildet, der die Steigerbarkeit einer Leistung unter veränderlichen gesellschaftlichen Bedingungen ins Auge faßt. Die Leistung ist die Übertragung reduzierter Komplexität, die um so kritischer wird, je komplexer die intersubjektiv konstituierte Welt ausfällt, und die Steigerungsbedingungen werden im Code des Mediums institutionalisiert. Alle Steigerungsmöglichkeiten knüpfen an das an, was der Differenzierung von Code und Prozeß zu Grunde liegt: an die Generalisierung von Symbolen 71 . Unter Generalisierung ist zu verstehen eine Verallgemeinerung von Sinnorientierungen, die es ermöglicht, identischen Sinn gegenüber verschiedenen Partnern in verschiedenen Situationen festzuhalten, um daraus gleiche oder ähnliche Konsequenzen zu ziehen. Die damit erreichte relative Situationsfreiheit reduziert die Mühe der Informationsbeschaffung und -auswertung im Einzelfall und erspart eine vollständige Neuorientierung von Fall zu Fall. Sie absorbiert auf diese Weise zugleich Unsicherheit. Sie ermöglicht Bildung von komplemen- <?page no="39"?> 40 III. Code-Funktionen tären Erwartungen und Verhalten auf Grund von Erwartungen, läuft damit zugleich aber das Risiko eines zwar erwartungsorientierten, aber nicht ganz situationsadäquaten Verhaltens, einer Nichtausnutzung von Möglichkeiten, die die konkrete Situation böte, (etwa: Nichtausnutzung einer momentanen Schwäche des Machthabers) und eines Verpassens von Lernchancen. Die Flexibilität des Verhaltens in verschiedenartigen Situationen unter einem Code wird, zunächst jedenfalls, mit der Inflexibilität des Code bezahlt. Das gilt besonders bei normativer, bewußt kontrafaktischer Generalisierung. Unter Symbolisierung (Symbolen, symbolischen Codes) ist zu verstehen, daß eine sehr komplex gebaute Interaktionslage vereinfacht ausgedrückt und dadurch als Einheit erlebbar wird. Die im vorigen Abschnitt analysierten Konstitutionsbedingungen des Kommunikationsmedium Macht können nicht als solche ständiges Bewußtseinsthema auf beiden Seiten sein. Sie werden in Wortsymbolen, Zeichen oder auch durch Symbolisierung der Identität von Personen zusammengefaßt und dargestellt. Die Ausdrucksformen variieren - zum Beispiel nach dem Bezug auf Machtquellen, dem Grade der Personalisierung, dem Grade der Verrechtlichung usw. Die Symbolisierung als solche ist unerläßliches Requisit der Machtbildung. Die Sprache - und keineswegs nur die theoretische Sprache der Wissenschaft - hält für diesen Zweck »Dispositionsbegriffe« bereit wie Kraft, Fähigkeit, Potenz. Solche Ausdrücke verdecken den Umstand, daß Macht eine Modalisierung kommunikativer Prozesse ist, indem sie mit dem Ausdruck der Möglichkeit zugleich eine Zurechnung der Macht auf den Machthaber verbinden. Sie sind in dieser Funktion Bestandteile des Macht- Codes selbst. Dispositionsbegriffe haben als symbolisierte Potentiale angebbare Eigenschaften: Sie erreichen eine Vereinfachung durch Verzicht auf Abbildung oder Antizipation dessen, was ermöglicht wird. Sie sind keine Modelle, keine Karten, keine Pläne; sie brauchen dem, was ermöglicht wird, nicht ähnlich zu sein. Sie setzen statt dessen - gleichsam als funktionales Äquivalent für Ähnlich- <?page no="40"?> III. Code-Funktionen 41 keit - Zeit und mit der Zeit kommende Gelegenheiten voraus. Symbolisiert wird eine stabilisierte Möglichkeit, eine Bereitschaft zur Autokatalyse des Systems, die produktiv werden kann, wenn weitere Bedingungen eintreten 72 . Auf der Grundlage symbolischer Generalisierung und Potentialisierung läßt sich für verschiedene Medien ein je verschiedener Code entwickeln. Nicht jede Reihe generalisierter Symbole, nicht jeder Text, nicht jede Struktur ist schon ein Code im engeren Sinne. Unter Code wollen wir eine Struktur verstehen, die in der Lage ist, für jedes beliebige Item in ihrem Relevanzbereich ein komplementäres anderes zu suchen und zuzuordnen. Man kann sich das Fungieren solcher Codes an den Spezialcodes für die Umsetzung von Texten in andere Datenträger zwecks Übertragung oder maschineller Verarbeitung von Nachrichten verdeutlichen. Es gibt aber zahlreiche andere Fälle - zum Beispiel auf der Basis von Enzymen bereits in der präorganischen Evolution (genetische Codes) 73 . Für die soziokulturelle Evolution wird der wichtigste Code mit Hilfe der Sprache gebildet, und zwar dadurch, daß die Sprache mit Negationsfähigkeiten verbunden wird, so daß für die wichtigen Sprachfunktionen eine der Aussage genau entsprechende Negation zur Verfügung steht 74 . Genau wegen dieser Negierbarkeit sprachlicher Kommunikation werden jene Zusatzeinrichtungen zur Sprache erforderlich, die wir unter dem Titel Kommunikationsmedien zusammenfassen. Sie müssen ihre Fähigkeit, als Code zu operieren, auf andere Weise gewährleisten. Wir kommen darauf unter 6) im Zusammenhang mit der Erörterung binärer Schematisierung zurück. Strukturen mit der Eigenschaft eines Code scheinen für den Aufbau komplexer Systeme von großer Bedeutung, ja vielleicht unerläßlich zu sein. Die Gründe dieser Leistungsfähigkeit liegen im Selektionstyp des Code, und zwar in einer Kombination von Universalismus und Spezifikation. Der Code ist in der Lage, relativ unabhängig von Verteilungen in der Umwelt des Systems jedem Item sein genau entsprechendes Komplement zuzuordnen, also z. B. jeder sprachlichen Kommunikation die ihr genau ent- <?page no="41"?> 42 III. Code-Funktionen sprechende Negation, jeder wahren Aussage die ihr genau entsprechende unwahre, jeder Ausgabe bzw. Einnahme die entsprechende Gegenbuchung, jedem Laut seinen Buchstaben usw. Dadurch produziert er, nur abhängig von Gelegenheiten (aber nicht oder nur in der zeitlichen Dauer bzw. Wahrscheinlichkeit des Prozesses von der Verteilung der Gelegenheiten) systemeigene Koppelungen als Voraussetzung weiterer Operationen. In einem sehr elementaren oder interaktionellen Sinne ist Macht immer schon ein Code - nämlich insofern, als sie den Handlungsselektionen, deren Übertragung erstrebt wird, Punkt für Punkt Vermeidungsalternativen zuordnet, also die in Betracht gezogenen Möglichkeiten zunächst dupliziert. Diese für Codes typische Duplikation ermöglicht es, wie gezeigt, dem Wollen des Machthabers ein Nichtwollen des Machtunterworfenen zuzuordnen. Wer studieren wollte, wird durch den Gestellungsbefehl - und erst durch den Gestellungsbefehl - zu jemandem, der nicht eingezogen werden wollte 75 , und wird so zur Komplementarität von Wollen und Nichtwollen gebracht, die im Machtkontext entscheidbar ist. Durch Macht entsteht so aus der diffusen Impulsivität und dem spontanen Zielstreben des sozialen Lebens eine »unnatürliche« Verteilung des Wollens und Nichtwollens als Bedingung spezifischer Operationen. Das ist die Ausgangslage: eine unerläßliche Voraussetzung aller Steigerung von Macht. Infolge dieser Duplikationsregel der Konstitution komplementärer Vermeidungsalternativen ist Macht immer schon ein Code. Sie öffnet die Situation für jeweils zwei Verlaufsrichtungen im Sinne oder gegen den Sinn des Machthabers. Das ist Macht sozusagen im Rohzustand. Die Relationierung dieser beiden Verlaufsrichtungen kann dann nochmals codiert werden, das heißt nochmals dupliziert werden, etwa in erlaubte oder nichterlaubte Kombinationen. Eine solche Zweit-Codierung bezieht sich genau auf die Relation, die durch die Duplikationsregel des Erst-Codes hergestellt ist, und sie hat ihr Bezugsproblem in einer spezifischen Problematik dieser Relation. Im Falle der Macht müssen zunächst die zu hohen Beliebigkeiten möglicher Kombinationen mit Ver- <?page no="42"?> III. Code-Funktionen 43 meidungsalternativen auf ein erwartbares Format eingeschränkt werden. Die Zweit-Codierung der Macht erfolgt daher in unserer Tradition durch den binären Schematismus von Recht und Unrecht. 76 Auch dies ist im Bereich der Kommunikationsmedien kein Einzelfall. So wird der Wirtschafts-Code des Eigentums, die einfache Regel, daß das Haben des einen in genau entsprechendem Maße zugleich Nichthaben der anderen ist, bei einem gewissen Entwicklungsstande zweit-codiert durch den Geldmechanismus. Der Geld-Code dupliziert die Chancen, Eigentümer zu sein, durch die (an sich wertlosen) Geldsymbole. Damit wird das Sacheigentum in Bewegung gesetzt; es kann sozusagen die Personen wechseln und im Hinblick auf diese Möglichkeit an Wert gewinnen, indem es gegen Geldeigentum getauscht wird. Der Geldeigentümer erhält als Nichteigentümer bestimmter Sachen die Chance, diese zu erwerben und umgekehrt. Eine vergleichbare Problemlage tritt im logischen Schematismus des Wahrheitsmediums auf, sobald der Prozeß des Negierens reflexiv und als reflexiver im Medien- Code legitimiert wird. Dann werden, um eine Formulierung von Bachelard zu verwenden, die Wahrheiten »dialektisiert« im Hinblick auf ihre Möglichkeit, Unwahrheit zu werden, und ebenso umgekehrt die Unwahrheiten 77 . Der Geist selbst wird, so erscheint es den Zeitgenossen dieser Veränderung, historisch. Aber die Geschichte ist kein Code. Die Zweit-Codierung der Wahrheit ist mit Titeln wie Dialektik oder mehrwertige Logik zwar bezeichnet, aber in ihrer Struktur bisher nicht durchsichtig gemacht worden 78 . Zweit-Codierungen sind ein, aber nur ein Element in der Steigerung der Übertragungsleistung von Kommunikationsmedien unter sich ändernden gesellschaftsstrukturellen Anforderungen. Sie müßten im Rahmen einer allgemeinen Theorie der Kommunikationsmedien genauer untersucht werden. Die Steigerung von Macht nach Maßgabe von gesellschaftlich sich entwickelnden Anforderungen hängt darüber hinaus ab von weiteren Symbolen, die mit dem Macht-Code assoziiert werden können. Steigerung ist nicht als bloße Höhergeneralisierung der Symbole des Code <?page no="43"?> 44 III. Code-Funktionen auf einer eindimensionalen Skala zu begreifen. Vielmehr stoßen Veränderungen des Machtniveaus in komplexer werdenden Gesellschaften auf eine Vielzahl verschiedenartiger Probleme, deren Lösung im Macht-Code mitinstitutionalisiert werden muß. Nicht jede Form der Problemlösung ist mit anderen kompatibel und alle haben ihre Dysfunktionen. Ihr Gesamteffekt bestimmt das jeweilige Funktionsniveau gesellschaftlich ausdifferenzierter Macht. Wir werden im folgenden eine Liste solcher Problemstellungen durchgehen, ohne den bestehenden Interdependenzen voll gerecht werden zu können. Wir halten uns dabei durchgehend an Fragestellungen, die auch für andere Medien-Codes ausgearbeitet werden könnten. 1. Symbolische Generalisierungen ermöglichen es, den Vorgang der Übertragung reduzierter Komplexität zum Teil von der Ebene expliziter Kommunikation auf die Ebene des komplementären Erwartens zu überführen und damit den zeitraubenden, schwerfälligen, durch Sprache grobfühligen Kommunikationsprozeß zu entlasten 79 . Die Antizipation des Machtunterworfenen läuft dann doppelschichtig: Sie bezieht sich nicht nur auf die Reaktionen des Machthabers im Falle der Nichtbefolgung seiner Wünsche, also auf die Vermeidungsalternativen, sondern auch auf die Wünsche selbst. Der Machthaber braucht gar nicht erst zu befehlen, auch seine unbefohlenen Befehle werden schon befolgt. Sogar die Initiative zum Befehl kann auf den Unterworfenen verlagert werden; er fragt nach, wenn ihm unklar ist, was befohlen werden würde. Explizite Kommunikation wird auf eine unvermeidbare Residualfunktion beschränkt. In gewissem Umfange geht mit dieser Form der Machtsteigerung Macht auf den Machtunterworfenen über: Er entscheidet, wann er den Machthaber einschaltet, und gewinnt damit nicht nur Einfluß, sondern auch Macht, nämlich die Vermeidungsalternativen, den Machthaber gar nicht mehr oder ihn immerzu zum Befehlen zu stimulieren 80 . Zu den Dysfunktionen einer kommunikationslos ausgeübten Macht gehören Schranken der Formalisierung und Zentralisierung. <?page no="44"?> III. Code-Funktionen 45 2. Jene doppelschichtige Antizipation von a) Macht und b) Machtthemen erfordert eine gewisse Trennung dieser beiden Ebenen und daher unterschiedliche Sicherungen der Erwartungsmöglichkeit auf beiden. Dies Erfordernis verweist auf eine weitere Eigentümlichkeit vollausgebildeter Medien-Codes: die Doppelstufigkeit der Symbolbildung. Der Code des Mediums selbst muß unterschieden werden von denjenigen Symbolen, die Selektionen oder Selektionsbereitschaften signalisieren, Themen und Meinungen übermitteln und entsprechende Erwartungsinhalte festlegen. Der Code kann daher über geeignete Symbole, zum Beispiel Ämter und Kompetenzen, auch Macht gewähren, die relativ themenunabhängig ist 81 . Themenunabhängigkeit ermöglicht ein zeitliches Auseinanderziehen von Machtbildung und Machtanwendung 82 und erleichtert Initiativen. Der Medien-Code selbst besteht mithin aus symbolisch generalisierten Regeln der möglichen Kombination anderer Symbole, die erst den Prozeß der Erlebens- und Handelnsselektion anleiten. Zum Code der Wahrheit gehören zum Beispiel allgemeine Regeln der Logik, der jeweilige Wahrheitsbegriff, Kriterien methodischer Akzeptierbarkeit usw., nicht aber die jeweils als wahrheitsfähig angebotenen Theorien und Einzelerkenntnisse. Ebenso gehört zum Code der Macht nur die Symbolisierung der Machtquellen, der Machtschranken usw., nicht aber die jeweiligen Selektionen des Machthabers, seine Wünsche, seine Befehle. Der Code selbst kann dann den Wechsel der Themen überdauern und relativ unabhängig von ihm stabilisiert werden. Die Ausdifferenzierung und Steigerung der Medienfunktion hängt sehr wesentlich von dem Abstraktionsgrad ab, mit dem diese Mehrstufigkeit eingerichtet werden kann. Ein wesentlicher Schritt zur Differenzierung der Ebenen ist die Entpersonalisierung des Mediums. In dem Maße, als sie gelingt, hängt die Übertragungsleistung nicht mehr von der Person des Selektierenden ab, sondern nur noch von den Code-Bedingungen. Die Person dessen, der Wahrheiten kennt, oder dessen, der Macht hat, ist dann nur noch ein Faktor für die Erwartbarkeit von Themenwahlen <?page no="45"?> 46 III. Code-Funktionen und Reduktionen, nicht aber konstitutiv für die Wahrheit bzw. die Macht selbst. In diesem Zusammenhang ist für den Macht-Code die Differenzierung von Amt und Person und die Beziehung der Macht auf das Amt, nicht auf die Person, von ausschlaggebender Bedeutung gewesen 83 . Ist diese Differenzierung gesichert, können im Rahmen eines Macht-Codes auch Machthaber - sozusagen als gebündelte Selektionsbereitschaften - gewählt und gegebenenfalls ausgewechselt werden. Mehrstufigkeit bringt Vorteile der Generalisierung ein, ohne sie mit Unbestimmbarkeit und Verzicht auf Konkretisierungsmöglichkeiten bezahlen zu müssen. Ämter können besetzt werden. Zugleich tritt mit einer Differenzierung der symbolischen Ebenen ein Sekundärproblem auf - nämlich die Frage, ob und in welchem Umfange Kommunikationsschwierigkeiten zu Code-Problemen herauftransformiert werden 84 . Es gibt dann kritische Schwellen in der Interaktion, die eine Metakommunikation über Macht oder gar eine Formulierung der Machtfrage auslösen. Hierauf bezieht sich eine Fülle von Sekundärstrategien - etwa die Vermeidung der Sichtbarkeit (oder auch nur der Sichtbarkeit der Sichtbarkeit) von Verstößen 85 ; das Umgehen, Verschweigen oder gemeinsame Verharmlosen von Konflikten 86 ; die Vermeidung von Präzedenzwirkungen bei einem Nachgeben des Machthabers; die Wahrung respektvoller Formen bei Unbotmäßigkeit in der Sache usw. Die Bedingungen für Mehrstufigkeit symbolischer Ebenen, vor allem die Trennung von Amt und Person, setzen Organisation voraus; ihre Folgen und Folgestrategien können daher auch am besten im Organisationsmilieu studiert werden. 3. Nimmt man an, daß eine Differenzierung von MedienCode und Kommunikationsthemen geleistet werden kann 87 , kommt es zu der Frage, ob und wie der Code den Themenwechsel steuern kann. Die Unterscheidung der beiden Sinnebenen ist nur gerechtfertigt, wenn der Code nicht konkret vorschreibt, was befohlen werden soll. Der Code bleibt, wie die Sprache selbst, abstrakt auch <?page no="46"?> III. Code-Funktionen 47 insofern, als er keine Reihenfolge festlegt, in der über Themen kommuniziert wird. Andererseits kann er nicht völlig indifferent sein gegen Grenzen der Möglichkeit von Themen. Er definiert die Bedingungen der Möglichkeit von Themen, die unter diesem bestimmten Code behandelt werden können, und die Frage ist, wie weit solche »Bedingungen der Möglichkeit« zugleich eine regulative Funktion für die Grobsteuerung des Kommunikationsprozesses übernehmen. Im Falle des Wahrheits-Code würde an dieser Stelle die schwierige Frage zu behandeln sein, ob und genau wie der Theorienwechsel sich an Wahrheit orientiert; ob der Wahrheits-Code zum Beispiel Kriterien enthält, nach denen alte gegen neue, schlechtere gegen bessere Theorien ausgewechselt werden können. Im Falle von Macht erlaubt der Handlungsbezug des Mediums eine deutlichere Konturierung des Problems mit Hilfe von Organisation. Unter Voraussetzung von Organisation kann die bereits behandelte Unterscheidung von Amt und Person in den Macht-Code eingebaut werden. Damit steht zumindest die Möglichkeit bereit, Entscheidungsprämissen personaler, aufgabenmäßiger oder organisatorischer Art auszuwechseln unter Orientierung an den jeweils nicht veränderten Strukturen 88 . In dem Maße, als der Mechanismus der organisatorischen Stellendefinition versagt, wird auch diese Form der Codierung des Themenwechsels fragwürdig. Das gilt besonders für Spitzenpositionen des politischen Systems. Selbst hier gibt es jedoch Beispiele für gut institutionalisierte Lösungen unseres Problems - Beispiele dafür, daß politische Macht nur erreichbar ist, wenn der Machthaber sich zugleich Bedingungen eines Wechsels politischer Themen oder gar seiner Person selbst unterwirft. 4. Unser nächster Gesichtspunkt betrifft die Bildung von Handlungsketten. Damit ist eine Ordnung von Machtprozessen gemeint, die mehr als zwei Partner verbindet in der Art, daß A Macht über B hat, B Macht über C und C Macht über D usw., bis die Kette bei einem Partner endet, der seinerseits niemanden mehr unter <?page no="47"?> 48 III. Code-Funktionen sich hat. Bei anderen Medien findet man Entsprechendes - zum Beispiel Ketten von geldvermittelten Tauschgeschäften 89 , Ketten von festgestellten Wahrheiten bzw. Unwahrheiten als Grundlage weiterer Forschungen in den Wissenschaften 90 oder auch Ketten der Selektivitätssteigerung des Liebens, die durch strukturelle Begrenzung auf zwei Personen gezwungen werden, in sich selbst zurücklaufen. Macht dient als Katalysator für den Aufbau von Handlungsketten. Wenn Macht an mehreren Stellen vorausgesetzt werden kann, wird es sozusagen zur Versuchung, kettenförmige Kombinationen zu bilden, in denen die Selektion einer Handlung an die anderer anschließt oder sie als Folgeselektion zu ihrer Vollendung antizipiert. Es wird häufiger, als es bei zufälligen Interessenkoinzidenzen der Fall wäre, auch zur Bildung langläufiger Handlungsketten kommen, die sich durch Kombinationsgewinne bewähren. Solche Leistungssteigerungen erfordern eine Spezifikation des Mediums. Sie sind nicht in beliebigen Kombinationen zu erwarten, die kreuz und quer laufen können, da letztlich jeder auf irgend jemanden Einfluß hat. Auch ein bloßer Kausalzusammenhang unter den Machtquellen dürfte nicht genügen. Wir wollen von Ketten nur dann sprechen, wenn und soweit A nicht nur über irgendein Handeln des B, sondern gerade über dessen Machtausübung disponieren kann; wenn dem A also die Macht des B über C zur Verfügung steht. Eine Kette liegt also nicht schon dann vor, wenn der König dem General befehlen, dieser seiner Frau Weisungen geben kann und diese ihren Dienstboten, welche ihrerseits kraft ihrer Stellung ihre Nachbarn tyrannisieren; sondern nur wenn und nur soweit, als dem jeweiligen Machthaber der Durchgriff durch diese Kette möglich ist. Definierendes Merkmal der Kettenbildung ist demnach die Reflexivität des Machtprozesses, das heißt die Möglichkeit seiner Anwendung auf sich selbst. Ein Vergleich mit anderen reflexiven Prozessen 91 zeigt, daß dies eine sehr voraussetzungsvolle und sehr leistungsfähige Prozeßstruktur ist. Sie setzt eine ausreichend generalisierte funktionale Definition der Identität des Prozesses voraus, <?page no="48"?> III. Code-Funktionen 49 der auf sich selbst - denn was hieße sonst: sich selbst? - angewandt wird. Reflexive Mechanismen findet man daher nur in Systemen, die hinreichend deutliche Grenzen besitzen und ihre Prozesse funktional spezifizieren können. Ein Reflexivwerden politischer Macht erfordert beispielsweise einen entsprechenden Grad an Ausdifferenzierung hierarchischer Strukturen mit einem ausreichenden Maß an Rollentrennung 92 . Erstreckt sich die Reflexivität auch auf den höchsten Machthaber, indem sie ihn zum Glied einer Machtkette macht, ihn also einer Übermächtigung aussetzt, muß das politische System noch stärker ausdifferenziert und die politische Macht noch stärker spezifiziert werden 93 . Kettenbildung erfordert und erzeugt mithin Sperren gegen eine funktions- und systemfremde Verwendung von Macht als eine Bedingung der Steigerung, der Reichweite, der Durchgriffsfähigkeit. Sie blockiert jedoch nicht die Entstehung einer in der Kette selbst zurücklaufenden, reziproken Macht des Untergebenen über seinen Vorgesetzten, des Vorgesetzten über seinen Minister, des Ministers über seine Fraktion 94 . Vermutlich gehört es sogar zu den strukturellen Eigentümlichkeiten kettenförmig verlängerter Macht, daß sie gegenläufige Macht erzeugt, da die Macht des Systems die mögliche Selektionskapazität eines einzelnen Machthabers übersteigt und die Dispositionsgewalt der Mittelglieder diesen als eigene Machtquelle dient. Dann müssen Macht-Codes nach »formal« und »informal« differenziert werden, und die größte formal/ informal aggregierte Macht wird an Knotenstellen unterhalb der Spitze zu finden sein. Kettenbildung hat die Funktion, mehr Macht verfügbar zu machen, als ein Machthaber ausüben kann - im Grenzfalle politischer Wahl: alle Macht denen verfügbar zu machen, die sie überhaupt nicht ausüben können. Kettenbildung ermöglicht damit Machtsteigerungen, die über die Selektionskapazität des einzelnen Machthabers hinausreichen. Der Künstlichkeit einer solchen Machtsteigerung entsprechen Anforderungen an den Code der Macht; sie ist zum Beispiel ohne binäre Schematisierung - siehe unter 6) -, ohne Differenzierung von Macht-Code und Macht- <?page no="49"?> 50 III. Code-Funktionen Themen und ohne Differenzierung von Amt und Person nicht realisierbar. Zugleich wachsen die Risiken des Abreißens der Kette und des Blockierens durch reziprok gebildete Gegenmacht, und auch daraus ergeben sich Anforderungen an den Code, vor allem die Trennung von formaler und informaler Macht betreffend. 5. Die Unterscheidung von formaler und informaler Macht bezeichnet ein unbestrittenes Faktum von erheblicher Bedeutung, gibt aber in der vorliegenden Formulierung theoretisch nicht viel her. Bei einem Vergleich mit anderen Kommunikationsmedien fällt auf, daß das Problem eine allgemeinere Bedeutung besitzt. Wir wollen es mit dem Begriff des Neben-Code bezeichnen. Solche Neben-Codes bilden sich, wenn Kommunikationsmedien mit zunehmender Komplexität der Gesellschaft steigenden Ansprüchen an Übertragung von Selektionsleistungen genügen müssen. Dann entstehen neben den eigentlichen Kommunikations-Codes, die abstrahiert und spezifiziert werden müssen, gegenläufig gebildete Neben-Codes, die mit entgegengesetzten Eigenschaften in etwa die gleiche Funktion erfüllen können. Im Wissenschaftssystem stützen sich zum Beispiel Prozesse der Kommunikation und Informationsverarbeitung nicht nur auf die offiziell anerkannten Wahrheitskriterien, sondern daneben sehr wesentlich auch auf Reputation 95 . Intime Beziehungen orientieren sich nicht nur am Code der Liebe, sondern bilden zugleich eine konkrete Geschichte verflochtener Biographien, die dem Code mehr oder weniger weitgehend substituiert werden kann. Geld ist an sich so komplex, daß Neben-Währungen normalerweise nicht benötigt werden, wohl aber in Krisenzeiten, vor allem bei Inflationen, auftauchen - etwa in der Form des Ausweichens in ausländische Währungen, Gold, Zigaretten, Grund und Boden, die recht oder schlecht einen Teil der Funktionen des Geld-Codes übernehmen. Das Verhältnis von formaler und informaler Macht ist nur ein anderer Fall dieses allgemeinen Sachverhalts. Neben-Codes haben durchgehend drei miteinander zusammenhängende Eigenschaften, nämlich 1) größere Konkretheit <?page no="50"?> III. Code-Funktionen 51 und Kontextabhängigkeit, 2) geringere gesellschaftliche Legitimationsfähigkeit, also auch geringere »Darstellbarkeit« und deshalb 3) Angewiesenheit auf ein systeminternes Funktionieren unter besonderen Voraussetzungen in bezug auf Feinfühligkeit, Milieukenntnis, Geschichtskenntnis, Vertrauen und (! ) Mißtrauen, die in der Umwelt nicht geteilt werden 96 . All dies gilt auch für informale Macht, die in Abhängigkeit von organisatorischen Arbeits- und Kooperationsbedingungen entsteht. Informale Macht kann und muß dauernd einen Teil der Code-Funktionen tragen, sie kann auf dieser Grundlage in Ausnahmelagen mehr Funktionen übernehmen bis hin zu dem Grenzfall, in dem formale Macht nur noch als Fassade dient, die die Entscheidungen der Umwelt gegenüber rechtfertigt. Die Trennung und Simultanverwendung von Haupt-Code und Neben-Code setzt mithin eine ausreichende Ausdifferenzierung des Systems und eine Trennung interner und externer Medienverwendung voraus. 6. Erfolgreiche Kommunikationsmedien können die Form und die Selektionsleistung eines Code nur erreichen, wenn sie einen binären Schematismus einsetzen, der die möglichen Operationen zweiwertig vorstrukturiert. Zweiwertigkeit ist Konstitutionsbedingung für symbolisch generalisierte Codes, weil nur in dieser Form Universalismus und Spezifikation kombiniert werden können, nämlich jedem relevanten Item ein bestimmtes Anderes eindeutig zugeordnet werden kann. Wahrheit zum Beispiel muß, wenn sie mehr sein soll als eine gemeinsame Realitätskonstruktion, durch eine zweiwertige Logik strukturiert werden. Davon hängt die Möglichkeit von Forschung ab - Forschung im Sinne einer (prinzipiell unendlichen) Kette progressiver Operationen mit Anschlußselektivität. Im Code der Liebe hat die Forderung der Exklusivität und ihre Institutionalisierung als Ehe die gleiche Funktion 97 . Im Falle des Geld-Codes erfüllt das Eigentum (einschließlich Freiheit im Sinne des Rechts der wirtschaftlichen Verfügung über die eigene Arbeitskraft) die Funktion einer eindeutigen Trennung von Haben und Nichthaben als Voraussetzung der Erwartungssteuerung <?page no="51"?> 52 III. Code-Funktionen ökonomischer Rechnungen und Transaktionen 98 . Eigentum ist nur institutionalisierbar mit Hilfe des binären Schematismus von Recht/ Unrecht. Die gleiche Abhängigkeit vom Rechtssystem ist im Falle der Macht gegeben. Macht ist »von Natur aus« diffus und fluktuierend verstreut. Nur mit Hilfe der Unterscheidung von rechtmäßiger und rechtswidriger Macht läßt. sie sich unter ein klares Entweder/ Oder bringen. Dem Anschein zuwider dienen binäre Schematismen nicht der Trennung, sondern der Verbindung des Entgegengesetzten. Sie erleichtern den Übergang von einer Situationsdefinition in ihr Gegenteil, indem sie dafür nichts weiter als eine Negation erfordern, deren Zulassung im System geregelt werden kann - eine Technik der paradoxen Integration. Zwischen Wahrheit und Unwahrheit besteht ein engerer Zusammenhang als etwa zwischen Wahrheit und Liebe. Vor allem kann ein solches binäres Integrationsprinzip abstrahiert, spezifiziert und universell gesetzt werden, während die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Medien-Codes (Wahrheit/ Liebe, Macht/ Geld) sehr viel konkreter und situationsnäher geregelt werden müßten, weil weder Ausschließung noch Zusammenhang als allgemeingültig behauptet werden können. Als Bestandteile eines Medien-Codes dienen Zweier-Paradigmata zur Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme. Sie erleichtern und konditionieren Negationen innerhalb eines spezifischen Schematismus und ermöglichen dadurch ein systemspezifisches Praktizieren von gesellschaftsuniversell relevanten Funktionen 99 . Zugleich haben und behalten aber solche Schematismen, wie andere Code-Elemente auch, etwas Künstliches und Problematisches an sich; sie müssen als solche aufoktroyiert werden 100 (ungeachtet der Frage, wie - und auf wen! - dann Haben/ Nichthaben, Recht/ Unrecht, Liebe/ Nichtliebe, Wahrheit/ Unwahrheit verteilt wird). Andererseits haben sie unverzichtbare Funktionen, so daß ein bloßer Protest gegen Zweier-Paradigmen - etwa in der Liebe, oder in bezug auf Eigentum - ideologisch bleiben muß, wenn nicht für das Medium selbst oder für die Funktion binärer Schematisierung Äquivalente entwickelt werden. Das Problem <?page no="52"?> III. Code-Funktionen 53 liegt in der präsumptiven Vollständigkeit des Schemas, im Anspruch der Konstruktion der Totalität des Möglichen durch einen Gegensatz 101 . Der Institutionalisierungsgrad eines Kommunikationsmediums läßt sich unter anderem daran erkennen, wie weit die Zumutung seines binären Schematismus unabhängig von den konkreten Chancenverteilungen Anerkennung findet. Wenn und soweit das der Fall ist, vollziehen sich Entwicklungen innerhalb und mit Hilfe des binären Schemas - etwa als Transformation von Wahrheit in Unwahrheit, von Rechtsbehauptung in Unrechtsbehauptung. Dies alles ist unabhängig von den Besonderheiten des Macht- Codes formulierbar. Die Medientheorie entlastet die Machttheorie von Problemen, die für sie nicht spezifisch sind. Sorels Unterscheidung von force und violence 102 als Machtausübung durch bzw. gegen den rechtmäßigen Machthaber ist insoweit kein machtspezifisches Problem. Zugleich erhellt der Vergleich aber Besonderheiten des Macht-Code. Die Zumutung der Schematisierung in rechtmäßige und unrechtmäßige Macht bedarf, da es bei diesem Medium auf beiden Seiten um zurechenbares Handeln geht, der normativen Form. Sie stützt sich auf kontrafaktische Erwartungen und erfaßt die Realität der Macht unsicher und ungenau. Auch unrechtmäßige Macht ist Macht - und zwar in einem anderen Sinne als auch Unwahrheit Wahrheit ist. Sie ist reale, vom rechtmäßigen Machthaber ständig antizipierte Macht, nicht nur eine Möglichkeit, auf deren Eintreffen man im Besitze von Negationsmöglichkeiten neugierig-lernbereit warten kann. Das bedeutet zugleich, daß das Verhältnis von Macht und Recht prekärer gebildet wird als das Verhältnis von Wahrheit und Logik. Machtverteilungen können tendentiell die Rechtsordnung gefährden, und diese Tendenz drängt, weil handlungsbezogen, zur Entscheidung, zur Angleichung der Rechtslage an die Machtlage. Ein Wechsel von Theorien vollzieht sich dagegen kaum je auf Grund einer Diskrepanz von Wahrheit und Logik 103 . Man erträgt im Bereich des Wissens sogar Wahrheiten (etwa die auf Aristoteles zurückgehende Wahrheit der Wahrheitsunfähigkeit künfti- <?page no="53"?> 54 III. Code-Funktionen ger Kontingenzen), die den binären Schematismus der Logik als solchem widersprechen, ohne daß diese Einsichten die operativen Funktionen der zweiwertigen Logik behinderten. Die Differenzierung verschiedener Medien und verschiedener binärer Schematisierungen führt zu komplizierten Interdependenzen, da sich die Zweier-Paradigmata nicht zur Deckung bringen lassen. Die Steigerungsleistungen des einen Mediums betreffen andere diffus. Zuweilen gibt es strukturell signifikante Zusammenhänge. So ermöglicht ein machtgesicherter Rechtsfrieden die Steigerung der Möglichkeiten, Eigentum zu haben oder nicht zu haben. Und Eigentum wiederum ist, wie schon Locke wußte, Bedingung für Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit. In diesem Verhältnis der Medien Macht und Geld steigert also die Leistung des einen Mediums die Disjunktion des anderen. Das daraus resultierende komplizierte Spannungsverhältnis - und nicht etwa die naive Annahme, daß die Eigentümer die Macht besäßen - charakterisiert die »politische Ökonomie« der bürgerlichen Gesellschaft. Und daraus ergeben sich, um zum Thema Macht zurückzukehren, bestimmte Forderungen an den Code und an das Ausmaß erforderlicher Macht, die heute tendentiell zu einer Repolitisierung wirtschaftlicher Fragen und damit zur Entdifferenzierung der Gesellschaft in dieser Hinsicht führen. Ein letzter Beitrag zum Problem der binären Schematisierung betrifft ihren Realisierungsgrad. Vermutlich haben alle Zweier- Paradigmata ihre rules of evasion. Es wäre reizvoll, ist hier aber undurchführbar, dieser Frage im Bereich von Wahrheit (Logik), Liebe (Ehe) und Geld (Eigentum) nachzugehen. Im Bereich von Macht (Recht) dürfte das Phänomen der Erzeugung reziproker Gegenmacht in Machtketten unter Differenzierung von formaler und informaler Macht hier einzuordnen sein. Der binäre Schematismus von rechtmäßiger und unrechtmäßiger Macht ist nur auf formale Macht anwendbar. Diese ist dadurch geradezu definiert. Aber informale Macht kann, wie wir wissen, die größere Macht sein, ohne sich dieser Schematisierung zu stellen. Das Recht selbst wird - als passende bzw. nichtpassende Situationsdefinition - in <?page no="54"?> III. Code-Funktionen 55 systeminternen Interaktionen eingeschaltet oder ausgeschaltet. Der Schematismus von rechtmäßiger/ unrechtmäßiger Macht wird dann durch einen zweiten, systeminternen Schematismus von formaler/ informaler Macht gesteuert, der nur für Eingeweihte benutzbar ist. Diese Komplikation setzt eine für die Beteiligten selbst erkennbare, operative Differenzierung von System und Umwelt voraus. 7. Rules of evasion werden nur dann und nur in dem Maße benötigt, als ein Code mit binärer Schematisierung universelle Relevanz zu besitzen beansprucht. Mit diesem andeutungsweise bereits erwähnten Merkmal stoßen wir auf eine weitere charakteristische Funktion ausdifferenzierter Medien-Codes. Von Universalismus wollen wir im Anschluß an Parsons immer dann sprechen, wenn vorgesehen ist, daß Sinnbezüge nach allgemeinen Kriterien und unabhängig von den Eigenschaften der jeweils an einer Situation beteiligten Partner aktualisiert werden 104 . Für Macht bildet sich ein universalistischer Code demnach dann, wenn die Übertragungsfunktion zwar nicht ohne Machthaber und Machtunterworfenen, aber ohne Abhängigkeit von ihren jeweiligen Eigenschaften nach allgemein angebbaren Konditionen verwirklicht wird. Gerade für Macht, wo ja die Selektionen den Partnern als Entscheidungen zugerechnet werden, ist diese Bedingung nur schwer erfüllbar - verglichen etwa mit dem Falle des Geldes oder der Wahrheit. Gleichwohl ist auch Macht ohne universalistischen Code in komplexen Gesellschaften nicht institutionalisierbar. Universell verwendbare, in den »jeweils« in Frage kommenden Situationen abrufbare Symbole sind Voraussetzung dafür, daß für noch unbekannte oder für noch nicht festgelegte Situationen überhaupt Erwartungen gebildet und zuverlässige Handlungsgrundlagen bereitgestellt werden können. Ohne primär universalistische Orientierung ist weder Kettenbildung, noch eine hinreichend weit ausgreifende Einstellung auf eine offene Zukunft, noch hohe gesellschaftliche Mobilität mit laufend wechselnden Beteiligten möglich. <?page no="55"?> 56 III. Code-Funktionen Hieraus ergeben sich Anforderungen an die Symbole des Macht-Code. Sie müssen zum Beispiel zitierfähig sein - zitierfähig durch jedermann, wann immer sich eine Situation ergibt, in der Macht in Anspruch genommen werden muß. Sie schließen Launenhaftigkeit des Machtgebrauchs nicht in der Situation oder in der Einzelentscheidung, wohl aber als sinnvolle, kettenwirksame, auf Entlastung durch Erwartungen rechnende Strategie aus. Macht läßt sich unter solchen Umständen zum Beispiel besser durch »Entscheidung« als durch »Wille« symbolisieren. Funktionale Spezifikation und konditionale Programmierung - Beziehungen, die durch »sofern« oder »immer wenn« relationiert werden können - eignen sich besonders gut zur Präzisierung eines universalistischen Machtanspruchs. Sie machen zugleich deutlich, daß Macht, die für unbekannte Situationen in Anspruch genommen und vorweg garantiert werden muß, keineswegs absolute, uneingeschränkte Macht ist. Die rechtsförmige Stabilisierung von Macht ist eine - aber nicht die einzige - Grundlage universalistischer Spezifizierbarkeit 105 Auf die Bedeutung, die der Kasernierung und Monopolisierung physischer Gewalt in diesem Zusammenhang zukommt, kommen wir zurück. Die soeben skizzierten Funktionen legen, und das kann man seit dem Beginn der Hochkulturen vor allem im vorderasiatischen und dann im europäischen Raum beobachten, eine normative, rechtliche und moralische Bindung des Machthabers an seine Macht nahe, die als solche strukturelle Konsequenzen hat. Er soll seine Macht zum Guten gebrauchen, zum Schutze des Rechts, zum Schutze der Armen. Die Kehrseite ist, daß damit Opportunität und Situationsanpassung geopfert werden. In die Kette des eigenen Verhaltens des Machthabers (vgl. oben S.- 36- f.) werden Konsistenzzwänge eingebaut. Der Legitimationsmythos steigert in seinen Konsequenzen den Machteinsatz. Von einem begonnenen Vorhaben kann man schwerlich ablassen, wenn man es unter normativen Gesichtspunkten angesetzt hatte. Jedes Engagement macht den Machthaber unfrei, er gerät unter Folgezwang. Wenn, was immer ihm gefällt, Gesetzeskraft hat, muß er vorsichtig wer- <?page no="56"?> III. Code-Funktionen 57 den, Gefallen zu äußern. Bei aller Vorsicht und bei aller taktischen Bereitschaft zur Inkonsequenz ist es bei solchen Ausgangsbedingungen strukturell wahrscheinlich, daß Normativismus, Moralismus und faktisches Ausspielen von Macht sich wechselseitig steigern. Unter solchen Bedingungen gewinnt die Politik einen funktionellen Primat im Gesellschaftssystem. Besonders wichtig und aktuell sind schließlich Folgeprobleme, die sich ergeben, wenn Medien-Codes die Funktionen binärer Schematisierung mit eingebauter Präferenz (für Wahrheiten, Rechtmäßigkeit, Liebe, Besitz) kombinieren mit einem universalistischen Geltungsanspruch. Diese Kombination hat als solche Konsequenzen für den Code. Wenn nämlich schon ein Zweier- Paradigma aufoktroyiert wird, kann nicht zugleich innerhalb dieses Paradigmas die ungünstige Alternative erzwungen werden. Ein solcher Code muß dann für jedermann die Möglichkeit gewährleisten, im Sinne der präferierten Code-Alternative zu erleben oder zu handeln. Es muß für jedermann möglich sein, wahr zu erleben, rechtmäßige Macht auszuüben oder für sich ausüben zu lassen, zu Eigentum zu kommen, lieben bzw. geliebt zu werden. Diese Möglichkeit wird zumindest in der Form des Ausschlusses der Unmöglichkeit garantiert. Schon aus diesen Gründen gehört das Prinzip der Widerspruchsfreiheit in den Wahrheits-Code ebenso wie in den Macht-Code. Darüber hinaus werden damit bestimmte inhaltliche Ausprägungen der Code-Symbole ausgeschlossen - etwa die Definition von Wahrheit als Geheimnis Gottes oder des Rechts als Summe geheimgehaltener Klagformeln. Eigentum muß dann entweder Gemeineigentum sein oder für alle erwerbbar. Schließlich können durch diesen Ansatz der Medien-Codes Wünsche oder Forderungen legitimiert werden, die die Zugänglichkeit der präferierten Alternative konkreter umreißen bis hin zu Reformpolitiken der Vereinfachung und der Publizität des Rechts, der Eigentumsverteilung, der Beseitigung von Arbeitslosigkeit usw. 8. Gelingt es, den Macht-Code mit dem binären Schematismus von Recht und Unrecht zu verknüpfen und diese Verknüpfung <?page no="57"?> 58 III. Code-Funktionen universell relevant zu setzen, hat das weittragende Folgen für den Technisierungsgrad der Macht, nämlich für ihre relativ kontextfreie Verwendbarkeit. Man kann sich dann in Situationen, in denen keiner der Beteiligten kraft eigener Machtquellen eindeutig Macht über den anderen hat, doch auf ein eindeutiges Machtgefälle beziehen, das auf einem der Situation fernstehenden Machthaber beruht und durch das Recht vermittelt wird. Wer in der Situation Recht hat, hat dann auch die Macht, Macht zu mobilisieren. Er ist nicht auf die »Hilfe« der Umstehenden angewiesen - ein, wie wir wissen, in hochdifferenzierten Gesellschaften wenig zuverlässiger Mechanismus 106 -, sondern verfügt über einen Klingeldraht zum Machthaber, den er nach vorweg bekannten Regeln betätigen kann. Das setzt die »rechtsstaatliche« Code-Regel voraus, daß Recht ein notwendiger und - mindestens ebenso wichtig - ein hinreichender Grund für die Ausübung staatlicher Macht ist. Unter dieser Voraussetzung, die selbstverständlich eine höchst unwahrscheinliche, stets nur unvollkommen funktionierende Errungenschaft darstellt, können der Gesellschaft Machtquellen lokaler Art in gewissem Umfange entzogen und auf ein Teilsystem konzentriert werden. Das politische System der Gesellschaft übernimmt die Erzeugung, Verwaltung und Kontrolle der Macht für die Gesellschaft. Das Recht garantiert aber nicht nur dem Machtlosen einen Anteil an gesellschaftlicher Macht; es ordnet auch das Zusammenwirken verschiedener Machtquellen, vor allem ein Zusammenwirken wirtschaftlicher, politischer und militärischer Macht 107 . Mit Hilfe der Dichotomie von Recht und Unrecht können diejenigen Kommunikationen konditioniert werden, die mehrere Machthaber zu Ketten verknüpfen, in denen der eine die Macht des anderen in Anspruch nimmt. Akzeptiert man eine Anregung von Stinchcombe 108 , daß solche Möglichkeiten konditionierten Rückgriffs auf Machtreserven anderer Machthaber eine, Macht als legitim ausweisen, dann wird erkennbar, daß das Recht als Macht-Code strukturell (und ohne Bindung an bestimmte Werte oder gar an die Überzeugung der Machtunterworfenen) Legitimität erzeugt. <?page no="58"?> III. Code-Funktionen 59 Legitimität ist dann nichts weiter als Kontingenzverknüpfung im Machtbereich 109 . An dieser Stelle interessieren uns noch nicht die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen einer solchen Errungenschaft, sondern bestimmte Anforderungen an den Macht-Code, die sich im Zusammenhang mit ihr ergeben. Wir müssen dafür auf unsere Analyse der Konstitution von Macht (oben S.-29-ff.) zurückgreifen. Macht hängt, wie wir gesehen haben, ab von einer näher beschreibbaren Alternativenkonstellation sowie davon, daß der Machthaber durch kontingentes Entscheiden Alternativenkombinationen konditional verknüpft. Bei dieser Ausgangslage ist es für das Funktionieren des Kommunikationsmediums eine wichtige Voraussetzung, daß die Möglichkeit dazu und die Bereitschaft dazu für den Machtunterworfenen glaubhaft ist. Mit anderen Worten: die Kontingenz der Macht muß in eine zuverlässig erwartbare Praxis überführt, muß erwartbar gemacht werden, ohne dadurch den Charakter als Kontingenz zu verlieren. Der Macht-Code muß die Motivation und die »Glaubhaftigkeit« der Motivation des Machthabers mitkonstituieren 110 . Dies ist besonders deshalb ein Problem, weil die Bereitschaft zum effektiven Einsatz der Machtmittel, etwa zur Ausübung physischer Gewalt, eine Vermeidungsalternative auch des Machthabers betrifft. In der Machtkommunikation liegt die Mitteilung, daß der Machthaber seine Vermeidungsalternative lieber nicht realisieren möchte - aber doch dazu bereit ist. Eine negierte Absicht muß plausibel gemacht werden. Besonders die sozialpsychologische Forschung, die spieltheoretische Forschung und die Theorie der Abschreckung in internationalen Beziehungen hat sich mit diesem Problem der Glaubhaftigkeit des Machthabers befaßt und sie als eine wesentliche Machtbedingung angesehen 111 . Fehlt es an Glaubhaftigkeit oder fehlt es an Information darüber, kommt es zu einem gefährlichen Testen der Macht, zu einem Ausprobieren der Bereitschaft mit oft irreversiblen Entwicklungen in Richtung auf eine Realisierung der Vermeidungsalternativen. <?page no="59"?> 60 III. Code-Funktionen Unter relativ einfachen Systembedingungen kann der Macht- Code Glaubhaftigkeit schlicht durch Stärke symbolisieren, eventuell unterstützt durch gelegentliche Exempel von Stärke. In hochkomplexen, hochdifferenzierten Systemen versagt dieses Mittel symbolischer Darstellung undifferenzierter Stärke. Die Glaubhaftigkeit muß auf andere Weise sichergestellt werden. An deren Stelle tritt die rechtliche Schematisierung und Technisierung der Macht. Die konditionale Verknüpfung der Alternativen wird durch das Recht selbst nochmals konditional programmiert. Ihre Kontingenz wird reguliert und dadurch berechenbar. Zumindest übernimmt der Macht-Code die Funktion, darzustellen, daß dies der Fall sei. Das Problem der Glaubhaftigkeit des Willens und der Stärke wird dadurch nicht gelöst, es wird obsolet, und an seine Stelle tritt ein anderes Problem, nämlich das Problem der Information des programmierten Machtapparats. Der Machtunterworfene wird jetzt nicht mehr mit mangelnder Bereitschaft des Machthabers spekulieren, seine Mittel einzusetzen, sondern mit mangelnder Information des Machthabers über Anlässe dazu 112 . Das legt andere »rules of evasion« nahe, denen die Tendenz fehlt, einen offenen Machtkampf auszulösen, denen also eine höhere Kompatibilität mit Frieden eignet. 9. Infolge der symbolischen Generalisierung des Macht-Codes (zum Beispiel dadurch, daß binäre Schematismen das Negieren und damit eine Pauschalbehandlung von Sachverhalten erleichtern) treten Konsistenzprobleme auf. Macht kann daher nur gesteigert werden, wenn gesichert wird, daß sie sich nicht laufend selbst diskreditiert. Das ist nicht zuletzt auch eine Bedingung der Erwartbarkeit des Verhaltens. Schon in bezug auf die Selektionsleistungen des Machthabers selbst muß eine thematische Linie die Kohärenz seiner Negationsleistungen erkennbar machen. Darüber hinaus wird auf der Ebene des symbolischen Codes die Konsistenz der Macht als solcher zum Problem und bedarf einer symbolischen Kontrolle durch den Code selbst. <?page no="60"?> III. Code-Funktionen 61 Dies gilt vor allem in zwei Hinsichten: bei der Verteilung einheitlicher Macht auf eine Vielzahl von Machthabern, also bei Kettenbildung, und bei einem Fluktuieren von Machtverhältnissen infolge eines Wechsels der machtbildenden Situationen und der Präferenzstrukturen. Für beide Probleme können im Macht-Code selbst mehr oder weniger prekäre Lösungen angeboten werden in der Form rationalisierender Reduktionen. Auf das erste Problem der Kettenbildung antwortet der Code durch die Annahme einer hierarchisch-transitiven Ordnung der Machtverhältnisse. Sie erlaubt es, für eine beliebig große Anzahl von Machthabern jeweils eindeutig festzustellen, wer wem überbzw. untergeordnet ist und wer damit die größere Macht hat. Hierarchie erspart Messungen der Macht, erspart erst recht Kämpfe zur Klärung unklarer Verhältnisse 113 . Auf das zweite Problem des Fluktuierens von Machtverhältnissen kann ein Macht-Code antworten durch die Prämisse der Summenkonstanz. Sie setzt voraus, daß Macht in einer bestimmten Menge gegeben ist, so daß jede Änderung eine Umverteilung bedeutet. Was einem an Macht anwächst, muß einem anderen verloren gehen. Bei gut erkennbaren Konfliktsfronten, vor allem bei Parteienbildungen, läßt diese Prämisse einen raschen Überblick über die Konsequenzen von Machtänderungen zu. Sie läßt sich in der Form von Abstimmungsverfahren, die Macht durch Stimmen ausdrücken, formalisieren. Hierarchieprinzip und Summenkonstanzprinzip sind unter entgegengesetzten Bedingungen sinnvoll: Das Hierarchieprinzip scheitert in dem Maße, als es zu machtverändernden Konflikten kommt, da es voraussetzt, daß die Konflikte auf Grund der bestehenden Machtverteilung entschieden werden können; das Summenkonstanzprinzip gewinnt umgekehrt erst in bezug auf Konflikte über Machtverteilung seinen Orientierungswert. Beide Prinzipien schließen sich logisch nicht aus. Werden sie nebeneinander benutzt, bedarf es einer organisatorischen Abgrenzung an Hand der Frage, ob und in welchen Interaktionskonstellationen mit machtverändernden Konflikten zu rechnen ist. <?page no="61"?> 62 III. Code-Funktionen Wohlgemerkt: Sowohl das Hierarchieprinzip als auch das Summenkonstanzprinzip sind mögliche Komponenten eines Macht- Code - nicht Prämissen der Machttheorie 114 . Die Machttheorie muß vielmehr in der Lage sein, die Funktion, die Anwendbarkeitsbedingungen und vor allem den prekären, mehr oder weniger fiktiven Charakter solcher Code-Elemente zu untersuchen. Sie muß sich selbst von den entsprechenden Prämissen freizeichnen, um sie als Abstraktionen ihrer gegenständlichen Realität analysieren zu können 115 . 10. Daß eine Theorie der Macht nicht an die normativen Regeln des Macht-Code selbst gebunden sein kann, sieht man noch deutlicher, wenn man über die bisher erörterten Reduktionen (Symbolbildung, binärer Schematismus, Hierarchieprinzip, Summenkonstanzprinzip) hinausgehend nach weiteren Kalkulationserleichterungen fragt. Ein Kommunikationsmedium darf die Informationsverarbeitungskapazität der Beteiligten nicht überfordern. Auch dies ist ein Gesichtspunkt, der für alle Kommunikationsmedien Bedeutung besitzt, und auch dies ist eine Variable, deren Ausformung wechselt je nach der Art des Mediums und je nach der Komplexität der gesellschaftlichen Lage, in der es fungiert. Ein Teil der Informationsverarbeitungsprobleme wird bei allen Medien aus dem Prozeß sprachlicher Kommunikation ausgegliedert und der Wahrnehmung überlassen. Nicht nur Liebe, auch Macht macht sich sichtbar. Dabei helfen die Embleme der Hierarchie, ferner symbolisch gemeinte Akte der Gewalt und nicht zuletzt das persönliche Auftreten, die Präsenz höchster Machthaber in der Interaktion. Inhaltlich hängen Informationsprobleme mit zwei weiteren Fragen eng zusammen: mit der Form der Motivation und mit der Zurechnung der Selektion. Es gibt Codes, zum Beispiel Liebe und Geld, die das Motivationsproblem zum Teil durch Selektion bereits motivierter Partner lösen - mit entsprechend hohen Informationslasten bei der Partnerselektion. Entsprechendes gilt für Macht, wenn tragfähige Alternativenkombinationen erst gesucht <?page no="62"?> III. Code-Funktionen 63 werden müssen. Das ist schwierig, weil machtunterwerfungsbereite Partner kaum geneigt sind, sich selbst zu melden wie liebesbereite oder kaufbereite oder wahrheitsinteressierte Partner. Viele an sich mögliche Machtkombinationen scheitern daher an zu hohen Informationslasten. Die Informationslast verringert sich bei Machtmitteln wie physischer Gewalt, die von Motivationsstrukturen hochgradig unabhängig sind, oder bei organisierter Macht, die auf vorweg pauschal erklärter Unterwerfung beruht und dadurch ebenfalls - soweit sie reicht! - motivunabhängig operiert. Diese Lösung des Motivationsproblems wird gestützt durch eine entsprechende Lösung des Zurechnungsproblems. Motive braucht man nur dort, wo Handeln zugerechnet wird 116 . Im Falle eines machtmotivierten Handelns wird die Selektion, obwohl sie beidseitig vollzogen wird, tendentiell allein dem Machthaber zugerechnet, weil der Machtunterworfene nicht mit erkennbar eigenen Motiven entgegenkommt. Das ist zwar nicht zwangsläufig so. Nicht jede Machtausübung befreit zum Beispiel den Machtunterworfenen von strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Ein Macht- Code muß aber mit dieser Tendenz zur Zurechnungsverschiebung rechnen und kann sie legalisieren und formalisieren, indem er zum Beispiel dem Machtunterworfenen die Möglichkeit gibt, sich »offiziell« zwingen zu lassen und sich damit von Verantwortung zu entlasten 117 . In extrem machtspezifischen Codes, etwa des Militärs, geschieht dies sogar ohne eigenes Zutun des Untergebenen: Für einen unklaren Befehl übernimmt der Offizier die Verantwortung. 11. Wenn die generalisierten Codes von Kommunikationsmedien eine Vielzahl solcher Funktionen abdecken und kombinieren müssen, nimmt mit dem Anspruchs- und Erfüllungsniveau die Wahrscheinlichkeit zu, daß der Code selbst Aufmerksamkeit findet und in artikulierten Symbolen und Verhaltensregeln dargestellt wird. Das ist besonders dann notwendig, wenn der Code in die Form von Normen gebracht wird, die auch bei gegenläufigem faktischen Verhalten gelten und sich deshalb auf ihre Formuliertheit stützen müssen. Wie aber kann der Code selbst thematisiert <?page no="63"?> 64 III. Code-Funktionen werden, wenn doch Thematisierungen immer die Möglichkeit der Negation miteröffnen? Alle Kommunikation setzt eine Ebene des für sie selbst nicht negierbaren Vorverständigtseins voraus. Je nach Art und Thematisierungsbereitschaft eines Kommunikationsprozesses muß diese Ebene der Nichtnegierbarkeiten wechseln. In der alteuropäischen Tradition stand für solche Vorverständigungen etwa die Sprachform der Perfektion zur Verfügung 118 . Sie führt zum Beispiel die politische Ordnungsform des menschlichen Lebens als die »herrlichste« Gemeinschaft ein 119 . Im Perfektionsbegriff impliziert die Steigerungsmöglichkeit sich selbst und ihr Ende; die Perfektion selbst ist als Form der Realität steigerbar bis hin zum ens perfectissimum, in dem das relativ Imperfekte zugleich seinen Grund und die Möglichkeit seiner Kritik findet. Mit Hilfe dieser Logik der Perfektion konnten die Nichtnegierbarkeiten eines Code formuliert werden in einer Weise, die zugleich den Gebrauch von Negationen in den codierten Prozessen deckte. Die Teilnahme an der perfekten Wahrheit implizierte die Möglichkeit des Irrens, die Teilnahme an der perfekten Macht die Hinnahme von Beschränkungen. Diese Logik der Perfektion ist sicher aus vielerlei Gründen gescheitert, darunter auch aus rein religiösen Gründen der spekulativen Erweiterung von Negationspotentialen 120 Im Bereich des Macht-Code dürfte die im Spätmittelalter aufkommende Souveränitätsdiskussion ein Auslöser gewesen sein und zwar mit der noch im Stile der Perfektionslogik formulierten Definition des souveränen Gemeinwesens als civitas superiorem non recognoscens 121 . Wie immer die aktuellen Anlässe gelegen haben mögen, und ob es mehr französische oder mehr italienische Quellen gewesen sind, die diese Diskussion zuerst inspirierten: Innerhalb des Macht-Code werden damit größere Thematisierungsfreiheiten und größere Negationspotentiale gewonnen, bis schließlich die Thematisierung des Code diesen selbst kontingent werden und als auch anders möglich erscheinen läßt. Die damit sich stellenden Probleme müssen im Code der Macht durch neuartige Nichtnegierbarkeiten aufgefangen wer- <?page no="64"?> III. Code-Funktionen 65 den, denn wie anders sollte man über den Code kommunizieren, ihn bezweifeln, begründen oder ändern können? Üblicherweise wird auf diese Frage mit dem Begriff der Legitimität geantwortet. Macht müsse letztlich legitimiert werden. Legitimität wird dabei durch Wertkonsens definiert. Eine ausreichende Klärung dessen, was damit gemeint ist, scheint jedoch nicht zu gelingen. Eine mögliche Präzisierung läge in der These, daß Kommunikationen über den Code eines Mediums immer durch ein anderes Medium gesteuert sein müssen 122 . Systemtheoretisch würde das bedeuten, daß Mediensysteme in ihren höchsten Symbolen ihre Autonomie verlieren und am umweltempfindlichsten sind. Dabei kann man sich den Aufbau der Steuerungsmedien mit Parsons hierarchisch vorstellen 123 und gerät dann mit der Frage in Schwierigkeiten, wie über den Code des höchsten Mediums noch kommuniziert werden kann. Man ist so zu der Inkonsequenz gezwungen, das Prinzip der Fremdsteuerung der höchsten Medien- Symbole beim höchsten Medium aufzugeben. Jede Gesellschaft brauchte danach letzte, für sie selbst nichtkontingente Grundlagen, mi denen Kontingenz und Änderbarkeit limitiert und kontrollier werden kann. Das widerspricht jedoch den phänomenologisch aufweisbaren Eigenarten sinnhafter Orientierung, zu der eine Verweisung auf andere Möglichkeiten ununterdrückbar dazu gehört. Außerdem stößt eine solche These der Absorption vor Kontingenz durch höchste Prinzipien sich hart an den historisch vorliegenden Denkerfahrungen, etwa den Erfahrungen mit der Vorstellung der Perfektion. Grundsätzlich anders würde eine Theorie aussehen, die das Problem der Code-Thematisierung über die Erforschung von medien- und systemspezifischen Opportunismen zu lösen versucht. Wenn zum Beispiel der Macht-Code durch das Recht seine Zweit-Codierung erhält und damit selbst höchste Machthaber Unrecht tun und selbst die Schwächsten der Schwachen Recht haben und im Streitfalle Recht erhalten können, muß die Frage nach dem Vorrang von Macht bzw. Recht im System reflektiert werden und trotzdem strukturell unentschieden bleiben. Zweit-Codierung bedeutet ja <?page no="65"?> 66 III. Code-Funktionen nicht, daß die Präferenzen Macht und Recht bzw. Ohnmacht und Unrecht zur Deckung gebracht werden - das wäre nicht nur eine politische Utopie, sondern auch ein Strukturfehler -, sondern sie bedeutet, daß die Disjunktionen Macht/ Ohnmacht und Recht/ Unrecht aufeinander bezogen werden. Bei dieser Struktur muß die Abschlußproblematik fallweise verschieden, darf also nur opportunistisch gelöst werden 124 . Es ist dann strukturell wichtig, daß Daueridentifikationen vermieden und Entscheidungen weder per Thematik noch per Implikation dahin führen, daß der Machthaber immer im Recht ist. Das »legibus solutus« ist das äußerste, was ihm zu konzedieren ist 125 . Damit ist keineswegs ein Rückgriff auf letztlich beliebige, irrationale Dezision und/ oder auf das jeweils Bestehende empfohlen 126 . Vielmehr geht es darum, gegenüber einem kontingent werdenden Code Orientierungs-, Lern- und Entscheidungshilfen an der konkreten Situation zu gewinnen, die durch den Code selbst vorstrukturiert ist. Im einzelnen muß man unterscheiden zwischen dem lebensweltlich-praktischen Opportunismus, dessen wissenschaftlicher Erforschung und dem opportunistischen Verfahren der wissenschaftlichen Analyse selbst. Eine weitere Konsequenz jener Zweit-Codierung ist, daß die Abschlußproblematik (alteuropäisch: die Perfektion) des Macht- Code nicht mehr moralisch artikuliert werden kann. Moral assoziiert Code-Symbole mit Bedingungen, unter denen Menschen sich wechselseitig achten können. Wenn nun zwei Disjunktionen aufeinander bezogen werden müssen, aber nicht mehr zur Deckung gebracht werden dürfen, wenn also der höchste Machthaber ein solcher sein muß, der Unrecht tun kann, läßt sich der Glanz seiner Herrschaft nicht mehr in einer einheitlichen, zugleich moralisch qualifizierbaren Perfektionsformel darstellen. Die moralische Forderung an den Machthaber, kein Unrecht zu tun, bleibt bestehen, aber sie verliert ihre gesellschaftsstrukturelle Relevanz. Sie bezeichnet nicht mehr zugleich die Natur der Gesellschaft oder die Realperfektion der Macht, sondern wird zur Sache »bloßer Moral«, für die in der Subjektivität des Bewußtseins eine autonome Begründung gesucht werden mag. <?page no="66"?> III. Code-Funktionen 67 Für die Erfordernisse sehr komplexer Macht- und Gesellschaftsordnungen ist symptomatisch, daß die voll entwickelte bürgerliche Gesellschaft keine Medienhierarchie zur Steuerung von Politik benutzt (also Politik nicht durch Wahrheit legitimiert), sondern dafür einen neuartigen politischen Code mit hoher Affinität für Opportunismus ausgebildet hat, und zwar in Form der Dichotomie von progressiv und konservativ. Dieses Zweierparadigma erfüllt die strengen Voraussetzungen eines Code im oben 127 skizzierten Sinne: es eignet sich dazu, jedem beliebigen politischen Thema ein Gegenstück zuzuordnen. Alles Vorhandene kann, sofern seine Politisierung gelingt 128 , unter progressiven Reformgesichtspunkten thematisiert werden, und umgekehrt kann jedem Änderungsvorschlag mit Begründungsfragen und Argumenten für das Vorhandene entgegengetreten werden. Der Code selbst enthält keine Sperren für Änderung oder Erhaltung, er ist formal und eben deshalb universell und zugleich themenspezifisch verwendbar. Der Code bewirkt eine geradezu zwangshafte Verdoppelung der politischen Wirklichkeit, er gehört zur Struktur politischer Themen, ist Bedingung der Politisierbarkeit von Themen geworden. Entsteht ein Thema, entstehen auch progressive und konservative Kräfte, wie immer sie sich dann aus dem Schlagwortkatalog der Geschichte ideologisch bewaffnen. Es ist kein Zufall, daß die bürgerliche Gesellschaft zur Codierung von Politik ein Schema verwendet, in dem die Zeit strukturgebend fungiert. Auch ließe sich zeigen, daß und weshalb dieser politische Code mit seiner Zeitstruktur den zeitneutralen Rechtsschematismus zurückdrängt 129 . Diese Fragen können, so interessant sie sind, hier nicht weiter verfolgt werden 130 . Für unsere Zwecke ist nur festzuhalten, daß gerade dieser politische Code dank seiner Formalität und dank seiner Zeitlichkeit mit Opportunismus kompatibel ist und der Gesellschaft dadurch die Bindung an eine feste Medien-Hierarchie erspart 131 . Im Rahmen dieses politischen Codes lassen andere Codes sich problematisieren. Einige weitere Voraussetzungen für solche Code-Problematisierungen können wir, wenngleich kaum direkt <?page no="67"?> 68 III. Code-Funktionen hierauf angesetzte Forschung vorliegt, angeben, nämlich: (1) ausreichende Sicherheit auf der Ebene einfacher Interaktionssysteme in bezug auf die Fortsetzbarkeit der Interaktion 132 ; (2) zeitweilig ausreichende Äquivalente für Code-Funktionen in der Struktur und im Umweltverständnis von Interaktionssystemen - zum Beispiel überzeugend-gemeinsame Situationsdefinitionen in eindeutigen Krisenlagen; (3) Verfügbarkeit von Neben-Codes im selben Medium, die einen Teil der Funktionen der problematisierten Code-Symbole mittragen und zeitweilig darüber hinaus als Substitut fungieren können - zum Beispiel Reputation neben Wahrheit, informale Macht neben formaler Macht, Familiengeschichte mit ineinander verflochtenen Biographien neben Liebe 133 ; und (4) die im einzelnen sehr komplexen Voraussetzungen von Lernfähigkeit, die es ermöglichen, daß für problematisierte Code-Bestandteile hinreichend rasch Alternativen vor der Hand liegen. Im Unterschied zur üblichen Legitimitätsdiskussion sehe ich das Problem nach all dem weder in einer hinreichenden (etwa gar logisch stichhaltigen) Begründung des Macht-Code noch allein in seiner faktischen Hinnahme auf Grund einer Mischung von Konsens und Gewalt, sondern in den Strukturen und Prozessen, die das Kontingent-Werden des Code ermöglichen und kontrollieren können. Begründung und Hinnahme sind nur Aspekte (und wissenschaftlich unzureichend formulierte Aspekte) dieses allgemeinen Problems der Kontingenzkontrolle. In dieser abstrakteren Formel werden alte Problemstellungen aufgehoben 134 , der Akzent und der Blick für Folgeprobleme verschieben sich. In den Mittelpunkt rückt die Frage, wie es möglich ist, bei hoher Code-Kontingenz Differenzierungen zu erhalten; nämlich einerseits zu verhindern, daß alle Kommunikationsprobleme zugleich immer auch Code-Probleme werden, also Struktur und Prozeß verschmelzen, und andererseits zu verhindern, daß die Differenzierung verschiedenartiger Medien-Codes zusammenbricht und Macht sich auf Wahrheit oder auf Liebe oder auf Geld gründen muß. <?page no="68"?> 69 IV. Macht und physische Gewalt Macht wird konstituiert durch die Verteilung von Präferenzen für Alternativen und hängt daher inhaltlich von solchen Präferenz- Konstellationen ab. Wir hatten uns im letzten Kapitel mit dieser Feststellung begnügt, um uns dann allgemeinen Code-Problemen zuzuwenden. Jetzt setzen wir an diesem Punkte nochmals an mit dem Ziele, das Verhältnis von Macht und Gewalt zu klären. Über die Voraussetzung eines gegebenen Umfangs von Alternativen und einer gegebenen Ordnung von Präferenzen steht Macht im Zusammenhang mit anderen Strukturen sozialer Systeme. Macht ist kein völlig autarker Sachkomplex, sondern hängt in den Bedingungen ihrer Möglichkeit ebenso wie im Bedarfs- und Anspruchsniveau von anderen Faktoren ab. Sie variiert vor allem, wie oft notiert, mit Art und Ausmaß der Differenzierung des Gesellschaftssystems und mit der Arbeitsteilung in einzelnen Organisationssystemen 135 . Von daher können sehr verschiedene Machttypologien konstruiert werden je nach der Art von Alternativen, die präferiert werden bzw. entzogen werden können. Diese Möglichkeit können wir hier nicht weiter verfolgen. Generell kann jedoch festgehalten werden, daß mit den infolge Differenzierung zunehmenden Interdependenzen auch Machtmöglichkeiten und Machtbedarf zunehmen - freilich nicht ohne weiteres in »brauchbarer« Form. Man kann nicht unterstellen, daß die gesellschaftliche Entwicklung sich automatisch Macht in der Form erzeugt, die sie braucht; daß Macht gleichsam als Nebenprodukt gesellschaftlicher Differenzierung wie von selbst anfällt und dann benutzt werden kann, um höhere Komplexität und höhere Kontingenz der Handlungsmöglichkeiten zu überbrücken. Dem steht entgegen, daß Macht, die auf strukturell bedingten Abhängigkeiten beruht, bei zunehmender Differenzierung hochgradig zerstückelt, funktionsspezifisch und undisponibel anfällt - etwa als Macht der Reparaturkolonne über Akkordarbeiter des Betriebs 136 . Die strukturellen Abhängigkeiten der Machtbildung erfordern <?page no="69"?> 70 IV. Macht und physische Gewalt deshalb entsprechende Elastizitäten beim Aufbau der Macht selbst - was nicht ohne weiteres schon heißen soll: entsprechende Dispositionsfreiheiten »des« Machthabers. Wenn Macht der Möglichkeit und dem Bedarf nach mit Systemdifferenzierung zunimmt, bleibt dieses Wachstumsprinzip angewiesen auf entsprechende Generalisierungen im Macht-Code selbst. Es müssen dann zugleich Machtgrundlagen gewählt werden können, die nicht ausschließlich von gesellschaftlicher Differenzierung abhängen, sondern universeller verwendbar sind. Dazu dient auf gesamtgesellschaftlicher Ebene die Machtgrundlage physische Gewalt. Wir greifen zunächst auf die oben (S.-16) gewonnene Einsicht zurück, daß Macht durch aktuelle Ausübung von physischem Zwang, durch Anstoßen der Körper, annulliert wird; zumindest für die Situation, in der das geschieht. Nemo ad praecise factum cogi potest, lautet eine alte, auf Gerichtssprüche zugeschnittene Parömie. Physische Gewalt kann deshalb nicht einfach als »letztes Mittel« auf einer Skala zunehmender Pressionen begriffen werden. Sie hat vielmehr im Verhältnis zum symbolisch generalisierten Macht-Code eine sehr viel allgemeinere Bedeutung darin, daß sie die Beziehung der symbolischen zur organischen Ebene vermittelt, ohne dabei andere, unpolitische Funktionskreise wie Wirtschaft oder Familie zu engagieren. Sie ermöglicht dadurch die Ausdifferenzierung spezifisch politischer Macht - immer gebunden an die Bedingung, daß die Macht selbst nicht in physische Gewalt »ausartet«. Wie schon bei Code-Problemen des Kommunikationsmediums Macht können wir auch hier von Analysen profitieren, die auf der Ebene einer allgemeinen Theorie der Kommunikationsmedien angesetzt werden. Kein Kommunikationsmedium kann allein aus einer Reihe generalisierter Symbole bestehen, etwa aus einer Liste von Zeichen. Die am Kommunikationsprozeß Beteiligten unterliegen gemeinsam Bedingungen und Beschränkungen der Selektivität auf Grund ihrer physisch-organischen Existenz - das heißt auf Grund von Bedingungen der Kompatibilität mit anderen Ebenen der Systembildung. Diese Bedingungen sind für <?page no="70"?> IV. Macht und physische Gewalt 71 alle Beteiligten gemeinsame, wir können daher von symbiotischen Bedingungen sprechen und die Regelungen des Verhältnisses von symbolischer und symbiotischer Ebene als symbiotische Mechanismen bezeichnen 137 . Alle Kommunikationsmedien bilden symbiotische Mechanismen aus - und zwar in Abhängigkeit vom Grade der Ausdifferenzierung, der Generalisierung und der Spezifikation ihres Code unter jeweils verschiedenen Bedingungen. Es gibt einerseits gemeinsame symbiotische Grundlagen für alle Kommunikationsmedien, etwa Bedingungen und Beschränkungen der organischen Kapazität für Informationsverarbeitung 138 , und außerdem besondere, konstellationsspezifische Mechanismen, die jeweils nur für einzelne Kommunikationsmedien besondere Relevanz haben (obwohl sie natürlich alle von allen vorausgesetzt werden). Im Falle von Wahrheit gewinnt Wahrnehmung eine spezifische Relevanz, im Falle von Liebe Sexualität. Der Geld-Code ist angewiesen darauf, daß er sich in Bedürfnisbefriedigungen auszahlt, und Macht hat eine spezifische Beziehung zu physischer Gewalt. Trotz dieser Verschiedenartigkeit symbiotischer Mechanismen wiederholen sich gleiche Probleme. In allen Fällen gilt: 1. Der symbiotische Bezug ist nicht ignorierbar. Man kann in Fragen der Wahrheit nicht einfach davon absehen, was wahrgenommen wird, so wenig wie man in Fragen der Macht schlicht ignorieren kann, wo die überlegene Fähigkeit zur Ausübung physischer Gewalt sitzt. Der Bezug zur symbiotischen Ebene muß daher im Code mitgeregelt werden. 2. Positiv formuliert, bieten symbiotische Mechanismen eine Art Sicherheit für mediengesteuerte Prozesse, die sich in Übereinstimmung mit ihnen befinden 139 . Diese Sicherheit wird um so wichtiger, je höher die Selektivität des geregelten Erlebens/ Handelns auf beiden Seiten und je unsicherer daher die Selektion ausfällt: Wenn viel vorstellbar ist, muß man um so eher wissen, was wahrgenommen wird; wenn jeder jeden heiraten könnte, wird Sexualität als Basis und Liebesbeweis wichtiger. <?page no="71"?> 72 IV. Macht und physische Gewalt 3. Durchgehend charakteristisch ist ferner, daß die Fixierung und Konditionierung der symbiotischen Mechanismen in organischen Systemen sie auf der höheren Ebene der sinnkonstituierenden Prozesse unspezifisch wirken läßt. Sie sind hier unterdeterminiert, können relativ strukturfrei fungieren - und gerade darauf beruht auf höheren Ebenen ihre Funktion. Im organischen Wahrnehmungsapparat sind zwar Limitationen vorgegeben, nicht aber die Inhalte der Wahrnehmung. Mit physischer Gewalt kann man nicht alles erreichen, aber doch relativ voraussetzungslos motivieren. Freilich versteht sich diese Eigenschaft nicht von selbst, sondern ist ihrerseits abhängig von symbolischen Prozessen, die sie konstituieren; denn in der natürlichen Lebenswelt gibt es zunächst keine reine physische Gewalt, keine kontextfreie Wahrnehmung, keine libido an sich, die sich ihre Partner erst sucht. Es ist mithin erst eine Funktion des Medien-Codes, einen symbiotischen Mechanismus so freizusetzen, daß sein Nichtfixiertsein auf symbolischer Ebene, seine Unabhängigkeit von spezifischen Sinnstrukturen, genutzt werden kann. Und diese Leistung variiert, wie oben angedeutet, mit steigenden Ansprüchen an Ausdifferenzierung, Generalisierung und Spezifikation der Medien. 4. Da bei mediengesteuerten Kommunikationsprozessen eine Mehrheit organischer Systeme involviert ist, muß es in den Medien-Codes Vorsorge dafür geben, daß diese Organismen und ihre psychischen Steuerungssysteme sich nicht verselbständigen, sondern daß ihr Zusammenhang über den Umweg sinnhaft-sozialer Kommunikationsbeziehungen läuft. Das geschieht durch Selbstbefriedigungsverbote. Für den Fall Liebe/ Sexualität leuchtet dieser Zusammenhang unmittelbar ein. Auch Wahrheit kann sich nicht auf lediglich subjektives Evidenzerleben stützen - weder im Wahrnehmungsprozeß noch in einer Art intuitiven Sinnschau. Und Macht würde kaum soziale Ordnungsfunktionen erfüllen, Selektionsleistungen übertragen und über bloßen Zwang hinauskommen können, wenn jeder jederzeit selbst physische Gewalt anwenden könnte. Daß Eigentum und Geld erst durch wirtschaftliche Nichtautarkie Sinn und Funk- <?page no="72"?> IV. Macht und physische Gewalt 73 tionen erhalten, liegt ebenfalls auf der Hand, wenngleich insoweit der Code nicht auf normative Verbote zurückgreift, sondern auf Bedingungen der Vorteilhaftigkeit des Verhaltens. 5. Symbiotische Mechanismen erhalten mithin auf festliegenden organischen Grundlagen erst durch symbolisch generalisierte Codes eine auf Kommunikationsmedien spezialisierte Funktion. Bei zunehmenden Ansprüchen kommt außerdem Abhängigkeit von Organisation hinzu. Hinter den organischen Prozessen als dem vermeintlich letzten Bezug tauchen dann nochmals spezialisierte Sozialsysteme auf. Das Geld erreicht Bedürfnisbefriedigungen nur über organisierten Handel. Wissenschaftlich relevante Wahrnehmungen sind in den meisten Fällen nur noch über organisierte Vorbereitung zugänglich. Physische Gewalt setzt, soll ihre Überlegenheit über jede mögliche Gewalt in einem Territorium zuverlässig sichergestellt sein, Massierung und Mobilisierung von Ressourcen voraus. Sie ist dann nicht mehr selbst letzte Sicherheit, sondern erfordert Organisation der Entscheidungen über ihren Einsatz, und diese muß nun sicher sein. Selbst Sexualität ist nicht mehr nur Sicherheitsbasis für Liebe, nämlich Liebesbeweis, sondern erfordert ihrerseits eine weitere Sicherheit - in den Produkten der pharmazeutischen Industrie. Sicherheitsketten dieser Art bieten angesichts höherer Unsicherheiten höhere Sicherheiten, und zwar gerade dadurch, daß sie so heterogen gebildet sind, daß sie nicht in allen Gliedern zugleich reißen. Diese Gesichtspunkte des Vergleichs mit anderen symbiotischen Mechanismen strukturieren eine Theorie der Gewalt. Bei einer bloßen Analogiebildung darf man indes nicht stehen bleiben, damit würde die funktionale Analyse entarten zu einer nur klassifikatorischen Leistung. Ihre Frage nach der Äquivalenz des Verschiedenartigen erfordert, darüber hinauszugehen und die Besonderheiten der Gewalt auf die Besonderheiten des Macht-Code und auf seine Funktion für eine spezifische Interaktionskonstellation zu beziehen. Gegen Menschen 140 absichtlich angewandte physische Gewalt ordnet sich dem handlungsbezogenen Medium Macht dadurch <?page no="73"?> 74 IV. Macht und physische Gewalt zu 141 , daß sie Handeln durch Handeln eliminiert und dadurch auch eine kommunikative Übertragung reduzierter Entscheidungsprämissen ausschließt. Mit diesen Eigenschaften kann physische Gewalt nicht Macht sein, sie bildet aber den nichtüberbietbaren Grenzfall einer machtkonstituierenden Vermeidungsalternative. In dieser Stellung kommen die oben skizzierten Eigenschaften symbiotischer Mechanismen zum Tragen: Die Möglichkeit von Gewaltanwendung ist für den Betroffenen nicht ignorierbar; sie bietet dem überlegenen hohe Sicherheit in der Verfolgung seiner Ziele; sie ist nahezu universell verwendbar, da sie als Mittel weder an bestimmte Ziele noch an bestimmte Situationen oder an bestimmte Motivlagen des Betroffenen gebunden ist; sie ist schließlich, da es um relativ einfaches Handeln geht, gut organisierbar und damit unter Ausschluß von Selbstbefriedigung zentralisierbar. Dazu kommt, daß Gewalt jene Eigenschaft einer asymmetrischen Ordnung der relativen Präferenzen aufweist, die bei der Machtbildung erforderlich ist: Sie ist für den überlegenen weniger unangenehm als für den Unterlegenen 142 . Außerdem bildet Gewaltanwendung den Kulminationspunkt eines Konfliktes, in dem eine Entscheidung unausweichlich wird: Entweder siegt der eine oder der andere. Daraus folgt ein binärer Orientierungsschematismus schon in der Antizipation des Konfliktsausgangs. Bei Verwendung als gesellschaftliche Vermeidungsalternative wird dieser Schematismus durch einen weiteren, den von Recht und Unrecht, für die positiv gewählten Alternativen ergänzt. Die Doppelnatur des Macht-Codes, bestehend aus Stärke/ Schwäche und Recht/ Unrecht, beruht mithin auf der Doppelung von negativen und positiven Alternativenkombinationen, die Macht konstituiert. Hieraus ergeben sich die Forderungen der Kompatibilität von Stärke und Recht und zugleich die Einsicht, daß Stärke und Recht nicht identisch sind. Die seit den Sophisten immer neu belebte Diskussion des »Rechts des Stärkeren« legt jedoch eine viel zu einfache Machttheorie zu Grunde. Daß all jene Eigenschaften zusammenfallen, gibt der physischen Gewalt eine für Machtbildung exzeptionelle Stellung. In der <?page no="74"?> IV. Macht und physische Gewalt 75 Kombination dieser Aspekte wird physische Gewalt durch keine andere Vermeidungsalternative übertroffen. Zugleich bleibt diese Kombination von Vorteilen beschränkt auf die Verwendung als Vermeidungsalternative; sie ist und bleibt deshalb machtspezifischer Natur, kann also keine andersartigen Medien, etwa Wahrheit oder Liebe, symbiotisch fundieren. Darin liegt eine inhärente Beschränkung gewaltfundierter Macht: Sie kann, obwohl nahezu universell verwendbar, den erreichten »Mehrwert« nicht unmittelbar für Positionsgewinne im Bereich anderer Medien auswerten. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erhellt die Bedeutung aller Anstrengungen, Gewalt im Status einer Vermeidungsalternative zu erhalten. Das kann zum Beispiel durch Demonstration eindrucksvoller Stärke geschehen, die herauszufordern Wahnsinn wäre. Ein funktionales Äquivalent dafür ist die bürgerliche Technik der Temporalisierung der Gewalt. Entsprechend der Ausdifferenzierung doppelter Zeithorizonte ist solche Temporalisierung in zweifacher Weise möglich - als Abschieben in die Vergangenheit und als Abschieben in die Zukunft, also in jeweils inaktuelle aber relevante Horizonte der Gegenwart. Die Gewalt wird als Anfang des Systems gesetzt, der zur Selektion von Regeln führt, deren Funktion, Rationalität und Legitimität sich von den vergangenen Ausgangsbedingungen unabhängig machen 143 . Zugleich wird die Gewalt als ein zukünftiges Ereignis dargestellt, dessen Eintritt gegenwärtig noch vermieden werden kann, da die Konditionen ihrer Auslösung bekannt sind. Beide Temporalisierungen beruhen auf einer wirksamen Regulierung des je gegenwärtigen Machtverhaltens, also auf der Zweit-Codierung der Macht durch das Recht. Sie ersetzen die schlichte Omnipräsenz der Gewalt durch die Präsenz einer regulierten Gegenwart, die mit den Zeithorizonten einer andersartigen, aber inaktuellen Vergangenheit bzw. Zukunft kompatibel ist. Problemlösungen eines so hohen strukturellen Raffinements sind selbstverständlich historisch bedingt und von vielen Faktoren abhängig. Sie setzen nicht nur eine gesicherte Monopolisierung der Entscheidung über Gewalt voraus, sondern überdies auch ein hinreichend komplexes Verhältnis des Gesellschaftssystems zur <?page no="75"?> 76 IV. Macht und physische Gewalt Zeit. Die Unterschiede der Zeitmodi müssen, sollen Zukunft und Vergangenheit als andersartige Gegenwarten erscheinen, in mehr als nur machtbezogener Hinsicht zur Rekonstruktion gesellschaftlicher Komplexität in Anspruch genommen werden - eine Möglichkeit, die erstmals in der bürgerlichen Gesellschaft des 18./ 19. Jahrhunderts realisiert worden ist. Wir schließen nun zwei weitere Überlegungsreihen an, Systembildung und Generalisierung betreffend. Gewaltfundierte Macht hat die Eigenschaft eines relativ einfachen, entscheidungsnahen Orientierungsprinzips, das zugleich mit hoher Komplexität kompatibel ist. Ein solches Orientierungsprinzip kann, wenn es mit einer Diskontinuität von System und Umwelt zusammentrifft, nach allgemeinen systemtheoretischen Einsichten durch Effektakkumulation einfacher Schritte den Aufbau hochkomplexer Systeme auslösen 144 . Machtübertragene Reduktionen können auf der Grundlage von Gewaltüberlegenheit so ausgewählt werden, daß sie neue Machtquellen erschließen - zum Beispiel durch Kettenbildung. Es kann auf diese Weise aus einfachen Bedingungen ein System von kontingenter Komplexität entstehen, dessen Ordnungserfolg es von seinen Ausgangsbedingungen weitgehend unabhängig macht. Bei einem solchen Verlauf - er ist keineswegs zwangsläufig - differenzieren sich genetische Bedingungen und Kontrollbedingungen der Macht. Im genetischen Sinne und im Sinne von nichtnegierbaren Minimalbedingungen beruht das System auf Gewalt, aber es ist durch Gewalt nicht mehr zu kontrollieren. Die Rationabilität seiner Komplexität wird zum Problem. Die Entstehung des modernen, souveränen Staates auf Grund eines Monopols auf Entscheidung über physische Gewaltanwendung und seine Aufblähung zu kaum mehr kontrollierbarer Komplexität ist auf gesamtgesellschaftlicher Ebene das bedeutsamste Beispiel für eine solche Entwicklung. Zugleich erklärt jene Machttheorie die Anfälligkeit dieser Lage für Revolution - für den Rückgriff auf Gewalt zur Änderung eines unkontrollierbar-komplexen Systems mittels regressiver Progression. <?page no="76"?> IV. Macht und physische Gewalt 77 Einen ähnlichen Bruch in Steigerungslinien finden wir, wenn wir das Problem der Generalisierung von Macht auf der Basis von Gewalt bedenken. Kommunikationsmedien sind zu kompliziert gebaut, als daß ihre Funktion linear steigerbar wäre. Eine Steigerung der Verfügung über Gewaltmittel betrifft nur eine bestimmte, wenngleich wichtige, Vermeidungsalternative. Sie erreicht rasch einen Sättigungspunkt, von dem ab sie nicht mehr größere Sicherheit, geschweige denn mehr Macht produziert. Weiterer Machtgewinn hängt dann nicht mehr davon ab, daß der Sieg in einem physischen Kampf gewisser oder die eigene Belastung durch einen solchen Kampf geringer wird; sondern sie wird von strukturell andersartigen Gründen getragen, die wir als Anforderungen an einen symbolisch generalisierten Code der Macht behandelt haben. Die Generalisierung des symbolischen Codes hat dann nicht mehr allein die Form eines für nahezu beliebige Zwecke verwendbaren Universalmittels. Sie ist vielmehr auf einer höheren Stufe generell insofern, als sie sehr verschiedenartige Ressourcen kombinieren und sie auf Selektivität in sehr verschiedenartigen Situationskontexten zu beziehen vermag 145 . Die am höchsten generalisierte Macht ist deshalb nicht die, die einem Machthaber beliebige Auswahl im größten Alternativenbereich in die Hand gibt (so viel Komplexität kann er gar nicht selbst reduzieren), sondern diejenige, die ähnlich wie Geld größte Varietät durch Festlegung von Entscheidungsprämissen für andere zu übergreifen vermag. Und auch dafür liegt der Engpaß nicht in der Verfügung über Gewaltmittel, sondern in der Fähigkeit zu rationaler Kontrolle hochkomplexer Entscheidungszusammenhänge. Machtsteigerungen bringen, wenn sie über relativ elementare Schwellen hinausführen, Macht in eine nichtbeliebige und nicht beliebig ausübbare Form, nicht zuletzt deshalb, weil sie Gegenmacht mitkonstituieren. Das haben wir unter anderem in der Analyse der Kettenbildung festgestellt; es gilt aber immer dann, wenn der Machtunterworfene den Machthaber veranlassen kann, sich auf die Bedingungen und Situationsdefinitionen einzustellen, unter denen er Macht ausüben kann. Auch die Provozierbarkeit der Ge- <?page no="77"?> 78 IV. Macht und physische Gewalt walt ist ein Beispiel dafür. Steigerungsbedingungen hängen von Beschränkungen ab. Nur weil dies so ist, kann es auch in bezug auf hohe Macht noch eine Theorie der Macht geben. Als Fazit all dieser Ausführungen zum Thema Gewalt ist festzuhalten, daß die verbreitete Vorstellung eines Gegensatzes oder einer eindimensionalen Polarität von Legitimität und Gewalt oder von Konsens und Zwang 146 in die Irre führt. Es scheint sich bei dieser Vorstellung um eine bürgerliche Parallelkonstruktion zu jenem soeben behandelten Problem der Temporalisierung und Inaktualisierung der Gewaltanwendung zu handeln. Ein solches Konzept ist Bestandteil des MachtCodes selbst, ist also eine Verhaltensvorschrift und besagt, der Machthaber solle sich stets um Konsens bemühen, bevor er Gewalt anwende. Als Theorie der Macht und vor allem als begriffliches Instrument für die Analyse des Verhältnisses der Generalisierungsleistungen und der Kompatibilität/ Inkompatibilität von Mediensymbolen und symbiotischen Mechanismen ist eine solche Aussage viel zu einfach. Weder Legitimität noch Gewalt kommen ohne Vermittlung symbolischer Prozesse zustande. Die Begriffe charakterisieren weder einen einfachen Gegensatz noch die beiden Pole einer einheitlichen Dimension, so daß man sagen könnte: Je mehr Gewalt desto weniger Legitimität und umgekehrt. Vielmehr bestehen symbolische Interdependenzen in dem Sinne, daß Regelungen der Beziehungen zur symbiotischen Ebene, das heißt zur organischen Seite des Zusammenlebens, nicht ohne Rücksicht auf andere Anforderungen an das Kommunikationsmedium getroffen werden können. Beider Zusammenwirken ist erforderlich zum Prozessieren von Kontingenzen, und die Bedingungen dieses Zusammenwirkens sind evolutionär variabel. Sie hängen vor allem ab vom Grade der Ausdifferenzierung eines spezifisch politischen Machtmechanismus und von seiner universellen, gesellschaftsweiten Zugänglichkeit. Mit den folgenden Überlegungen nehmen wir dieses Thema der Variabilität gesellschaftsstruktureller Anforderungen an Macht und Gewalt nochmals auf, und zwar unter dem Blickpunkt der Technizität von Macht. <?page no="78"?> 79 V. Lebenswelt und Technik In den vorangegangenen Kapiteln haben wir den Machtmechanismus in einer hochspezialisierten Form als ausdifferenziertes Kommunikationsmedium erörtert. Wir haben im Blick gehabt, daß es mehrere verschiedenartige Kommunikationsmedien gibt. Selbst wenn man alle zusammen nimmt, deckt ihr Wirkungsbereich jedoch nicht all das, was man in einem sehr weiten Sinne Einfluß nennen könnte. Alle Medien werden für spezifische Interaktionskonstellationen und damit für besondere Problemlagen entwickelt und bereitgestellt. Sie setzen ein faktisches Zusammenleben von Menschen, eine soziale »Lebenswelt« immer schon voraus. Wie seit Husserl 147 oft beschrieben, verläuft das faktische Zusammenleben der Menschen in täglichen Interaktionen auf dem Boden unbefragter Weltgewißheit durchweg unproblematisch oder doch unproblematisiert. Störungen bleiben Ausnahme. Die Grundlagen des Zusammenlebens und die Bedingungen seiner Fortsetzung brauchen normalerweise nicht bedacht, Handlungen nicht gerechtfertigt, Motive nicht eigens beschafft und vorgezeigt zu werden. Problematisierungen und Thematisierungen sind nie ausgeschlossen, bleiben stets möglich; aber diese inaktuelle Möglichkeit genügt normalerweise schon als Interaktionsbasis: Wenn niemand sie ergreift, ist alles in Ordnung. Diese Grundbedingung der Lebensweltlichkeit des alltäglichen Lebens kann nicht aufgehoben werden. Sie beruht auf den engen Schranken der Fähigkeit zu bewußter Erlebnisverarbeitung. Man kann weder kulturellen Fortschritt, noch die Zunahme technischer oder normativer Bedingungen, Abhängigkeiten oder Reglementierungen, noch ein phänomenologisches Programm der Aufarbeitung aller sinnstiftenden Leistungen ursprünglicher Subjektivität auffassen als einen Prozeß des allmählichen Umformens von Unbewußtem in Bewußtes, des allmählichen Substituierens von Rationalität für Naivität. Weder Entwicklung noch Aufklärung können nach Art einer schlichten Substitution von Besserem <?page no="79"?> 80 V. Lebenswelt und Technik für Schlechteres begriffen werden. Die Lebenswelt bleibt vorbewußt im Status eines Horizontes inaktualisierter Möglichkeiten. Steigerungen von Ordnungsleistungen sind daher nur möglich als Steigerung von formulierten und nichtformulierten, problematisierten und nichtproblematisierten Sinnprämissen des sozialen Verkehrs. Steigerungen nehmen unter diesen Voraussetzungen die Form von Technik an. Das Wesen des Technischen sehen wir - wiederum im Anschluß an Husserl, aber ohne dessen Abwertung vom Standpunkt transzendentaler Denkmöglichkeiten aus nachzuvollziehen 148 - in der Entlastung sinnverarbeitender Prozesse des Erlebens und Handelns von der Aufnahme, Formulierung und kommunikativen Explikation aller Sinnbezüge, die impliziert sind. Im Grenzfall erreicht die Technik die Form einer Automatisierung und Kalkülisierung der Informationsverarbeitung, eines Operierens mit idealisierten Einheiten, ohne daß zugleich mit den Operationen deren weitläufiger Sinn bedacht werden müßte. Technisierung ermöglicht eine selektive Bearbeitung sehr komplexer Sachverhalte und damit eine Neuorganisation der Möglichkeiten der Welt, die mit den Grenzen des Bewußtseins und dem Status der Welt als Lebenswelt kompatibel bleibt. Dieser Technik-Begriff ist soziologisch sehr viel breiter gelagert als der Begriff der Maschinentechnik; er ist daher zunächst auch sehr viel unbestimmter, was Korrelationen mit anderen gesellschaftsstrukturellen Variablen angeht. Er suggeriert nicht so direkt wie die Maschinentechnik als primäre Faktoren des gesellschaftlichen Wandels Arbeitsorganisation, Naturbeherrschung, Produktionsverhältnisse, Wirtschaftsverfassung, Klassenherrschaft (ohne solche Momente auszuschließen). Er hat dadurch einen für das Gesellschaftssystem als ganzes adäquaten Umfang. Man kann annehmen, daß höhere Stufen der Technisierung der Gesellschaft alle Funktionsbereiche unmittelbar tangieren. Legt man diesen allgemeinen Begriff der Technik zu Grunde, dann läßt sich daher auch die Ausdifferenzierung von Kommunikationsmedien und im besonderen die Ausdifferenzierung von <?page no="80"?> V. Lebenswelt und Technik 81 Macht als Erscheinungsform von Technik darstellen. Das Technische an der Struktur der Kommunikationsmedien gründet in den Eigenschaften binärer Codes, beliebig anfangende Prozesse zu schematisieren, als Operationsabfolgen zu regulieren und in ihrer Selektivität durch Kettenbildungen zu verstärken über das hinaus, was einzelne Teilnehmer überblicken und verantworten können. Ebenso wichtig ist die Möglichkeit, Möglichkeiten zu symbolisieren, so daß der Selektionsprozeß nicht nur auf Wirkliches, sondern auch auf Mögliches oder auf Wirkliches in seiner Möglichkeit, anders zu sein, reagieren kann. Codierung und Symbolisierung entlasten das Bewußtsein und steigern damit die Fähigkeit, sich an Kontingenzen zu orientieren 149 . All dies wird, wie die Technisierung der Lebenswelt überhaupt, erst unter angebbaren evolutionären Voraussetzungen sinnvoll und möglich. Wo hinreichend spezifizierte Medien-Codes mit diesen Funktionen vorausgesetzt werden können, wird der Aufbau komplexer Systeme durch eine Art Autokatalyse beschleunigt. Die Orientierung an relativ einfachen und im sozialen Verkehr zumutbaren Regeln führt dann bei einer für das System zufällig variierenden Umwelt zum Aufbau von zunehmend komplexen Strukturen 150 . Einfachheit und Zufall sind relativ anspruchslose Voraussetzungen für den Aufbau von Komplexität. Diese Entstehungsbedingungen enthalten deshalb keinerlei Garantie für Erhaltung der Systeme, geschweige denn für die Fähigkeit zur Selbstregulation. Probleme der Erhaltung und der laufenden Anpassung treten als Folgeprobleme technischer Entwicklungen massiv auf und erfordern dann Einsatz von Techniken besonderer Art auf der Basis bereits erreichter Komplexität. Das gilt in heute evidentem Maße auch für mit Macht konstituierte Systeme der Politik und Verwaltung. Die folgenden Analysen verstehen sich somit zugleich als ein Beitrag zur Klärung des Verhältnisses und der Entwicklungsbedingungen des Verhältnisses von Lebenswelt und Technik am Beispiel der Macht. Eine eher für die Wissenschaft geläufige Themenstellung wird mit Hilfe der allgemeinen Theorie der Kommunikationsmedien auf den Praxisbereich von Macht/ Recht/ Politik <?page no="81"?> 82 V. Lebenswelt und Technik übertragen. Die Steigerungsleistungen des Macht-Code, seine Abstraktions-, Idealisierungs- und Schematisierungsleistungen, seine Reduktionen und Orientierungsverkürzungen werden damit in Parallele gesetzt zu Technisierungen anderer Art - etwa im Bereich der Logik oder des Geldwesens. Sie werden zugleich als »Abweichungen« von Grundlagenphänomenen des sozialen Lebens, als »normalisierte Unwahrscheinlichkeiten« begriffen, als Strukturen, die immer voraussetzen, daß Einfluß normalerweise nicht explizit oder implizit auf Macht gegründet werden muß, sondern leichtläufig und situationsabhängig geübt werden kann, ohne daß es darauf ankommt und ohne daß viel davon abhängt. Macht setzt voraus, daß nicht zu viel Probleme erzeugt werden, die nur mit Macht gelöst werden können; ähnlich wie innerhalb der machtgeregelten Kommunikation dann wieder vorausgesetzt werden muß, daß nicht zu viele Kommunikationsprobleme zu Code-Problemen werden. Von diesen Annahmen ausgehend, werden wir in den nächsten Kapiteln folgende Themenkomplexe behandeln: 1. Wie läßt sich sinnvermittelter Einfluß im Bereich der Übertragung von Handlungsreduktionen generalisieren, und wie wirken Bedingungen der Ausdifferenzierung und Technisierung selektiv auf Formen der Generalisierung von Einfluß? (VI) 2. Welche Risiken treten als Begleiterscheinungen evolutionär und lebensweltlich unwahrscheinlicher Errungenschaften auf und welche Formen der Risiko-Absorption entsprechen ihnen? (VII) 3. In welchem Zusammenhang steht die Technisierung des Kommunikationsmediums Macht mit der evolutionär zunehmenden Differenzierung verschiedener Ebenen der Systembildung (Gesellschaft, Organisation, Interaktion) und in welchem Sinne ist und bleibt Macht ein spezifisch gesellschaftliches Phänomen? (VIII) <?page no="82"?> 83 Vl. Generalisierung von Einfluß Als Einfluß wollen wir allgemein und ohne weitere Qualifikation die Übertragung von Reduktionsleistungen bezeichnen 151 . Einfluß setzt als Basis für unterschiedliche Selektionsmöglichkeiten eine gemeinsame Sinnorientierung voraus. Sinn wird stets zugleich zeitlich, sachlich und sozial konstituiert 152 . Die Verweisung auf andere Zeiten des Erlebens, andere Sachverhalte des Erlebens, andere Erlebende ist aus erlebtem Sinn nicht eliminierbar - obwohl in bestimmten Hinsichten negierbar oder durch Abstraktion ausklammerbar. Sinn kann daher in diesen drei Richtungen auch generalisiert werden. Generalisiert ist Sinn in dem Maße, als er von Unterschieden in den einzelnen Dimensionen unabhängig gemacht werden kann - also unabhängig davon, wann etwas erlebt wird, was erlebt wird und wer etwas erlebt. Ausreichende Generalisierung von Sinn ist Voraussetzung für die relativ kontext- und situationsfreie Verwendung von Sinngehalten und damit für jede Art von Technisierung. Wichtigstes Instrument der Generalisierung ist die Sprache 153 . Wir übertragen diesen allgemeinen Ansatz nunmehr auf den Sonderfall, daß Einfluß gesucht wird, der nicht nur Erleben, sondern Handeln auslösen will. Hier liegt es zunächst nahe, Generalisierungen der Motivation dessen zu suchen, der zu bestimmtem Handeln veranlaßt werden soll. Er erlebt seine Situation und seine Möglichkeiten sinnhaft und kontingent. Einflußannahme ist für ihn Selektion. Dafür braucht er Motive. Diese können, wie aller Sinn, zeitlich, sachlich und sozial generalisiert werden. Im Falle zeitlicher Generalisierung werden Zeitunterschiede neutralisiert: Ego nimmt Einfluß deshalb an, weil er zuvor auch bereits Einfluß angenommen hatte, weil es eine Geschichte gibt, deren Fortsetzung naheliegt 154 . Im Falle sachlicher Generalisierung werden Sachunterschiede neutralisiert: Ego nimmt Einfluß an, weil er auch in andersartigen Fällen Einfluß angenommen hat und weil er die Bewährung der Übernahme von einem Kommunikationsin- <?page no="83"?> 84 Vl. Generalisierung von Einfluß halt auf einen anderen überträgt. Im Falle sozialer Generalisierung werden soziale Unterschiede neutralisiert. Ego nimmt Einfluß an, weil auch andere ihn annehmen. Um diese Generalisierungstypen eindeutig bezeichnen zu können, wollen wir zeitlich generalisierten Einfluß Autorität, sachlich generalisierten Einfluß Reputation und sozial generalisierten Einfluß Führung nennen 155 . Autorität, Reputation und Führung sind mithin richtungsmäßig unterscheidbare, aber durchaus kompatible Motivgeneralisierungen für die Annahme von Einfluß 156 . Autorität, Reputation und Führung sind relativ »natürliche« Formen der Motivgeneralisierung. Damit soll gesagt sein, daß ihre Entstehung und ihr Ausbau zu erwartbaren Strukturen bereits in einfachen Interaktionssystemen 157 zu beobachten ist, also relativ voraussetzungslos stattfinden kann. Sie sind in Richtung auf höhere Generalisierung steigerungsfähig. Steigerungen sind - hier wie sonst auch - nicht beliebig möglich, sondern haben ihre jeweiligen Bedingungen der Kompatibilität und ihre jeweiligen Folgen. Einen wenigstens knappen Überblick über diese Zusammenhänge müssen wir gewinnen, um dann in bezug auf Grenzen natürlicher Einflußgeneralisierungen die spezifische Funktion des Kommunikationsmediums Macht - und wir können jetzt auch formulieren: die Funktion der Technisierung von Reduktionsübertragungen - profilieren zu können. Autorität bildet sich auf Grund einer Chancendifferenzierung durch vorheriges Handeln. Wenn einflußnehmende Kommunikationen aus welchen Gründen immer Erfolg gehabt haben, konsolidieren sich Erwartungen, die diese Wahrscheinlichkeit verstärken, die erneute Versuche erleichtern und Ablehnungen erschweren 158 . Nach einiger Zeit glatt laufender Abnahme führt Ablehnung zu Überraschungen, zu Enttäuschungen, zu unübersehbaren Folgen und bedarf daher besonderer Gründe. Umgekehrt bedarf Autorität zunächst keiner Rechtfertigung. Sie beruht, wenn man so will, auf Tradition, braucht sich aber nicht auf Tradition zu berufen 159 . Reputation beruht auf der Unterstellung, daß Gründe für die Richtigkeit des beeinflußten Handelns angegeben werden können 160 . Die sachliche Generalisierung von Einfluß ist zugleich <?page no="84"?> Vl. Generalisierung von Einfluß 85 diejenige Generalisierungsrichtung, die kognitiven Mechanismen am nächsten steht. Auch die Wissenschaftstheorie könnte daher den Begriff der Reputation zur Bezeichnung eines möglichen Substituts für Wahrheit benutzen 161 . Die Motivgeneralisierung kommt in diesem Falle dadurch zustande, daß eine allgemeine Erläuterungs- und Argumentationsfähigkeit relativ unkritisch angenommen bzw. von bewährten Fällen auf andere übertragen wird 162 . Die Basis der Beziehung ist auch hier eine Möglichkeit - die bloße Möglichkeit des Rückfragens und Bezweifelns, die aber nicht praktiziert wird. Diese Möglichkeit enthält ein Moment der Unbestimmtheit - genauer: es fehlt ihr die Notwendigkeit vollständiger Bestimmung -, das die Generalisierung trägt. In dem Maße, als Gründe für bestimmte Entscheidungen klar und allgemein anerkannt sind, verschwindet daher auch die Reputation. Im Hinblick darauf wird oft gesagt, daß die Versachlichung der Verhältnisse im Industriebetrieb zum Abbau der hierarchischen Funktion führe 163 . Führung beruht, und hier greifen wir auf gruppentheoretische Forschungen zurück, auf einer Verstärkung der Folgebereitschaft durch die Erfahrung, daß andere auch folgen, - also auf Imitation. Die einen nehmen dann den Einfluß an, weil die anderen ihn annehmen; und die anderen nehmen ihn an, weil die einen ihn annehmen. Ist Einfluß über mehrere Personen möglich und erwartbar, kann der Führer wählen, wen er beeinflußt; er gewinnt Alternativen hinzu, die wiederum zum Orientierungsfaktor für andere werden. Der Führer wird unabhängig von konkreten Gehorsamkeitsbedingungen, die ein Einzelner ihm stellen könnte. Der Einzelne verliert Möglichkeiten, die er selbst hat, und muß gegebenenfalls die Gruppe gegen den Führer aufbringen. Und ebenso muß der Führer sich um die Erhaltung eines - wenn auch illusionären - Gruppenklimas bemühen, nämlich um die Erhaltung der Unterstellung, daß die jeweils anderen ihn als Führer akzeptieren würden und der Abweichende sich isolieren würde. <?page no="85"?> 86 Vl. Generalisierung von Einfluß Zeitliche, sachliche und soziale Generalisierungsleistungen der beschriebenen Art haben gewisse gemeinsame Voraussetzungen. Sie setzen als Bedingung der Möglichkeit von Erwartungsbildungen etwas Identifizierbares voraus und damit eine gewisse Zentralisierung der Sinnstruktur des Systems durch prominente Themen, zum Beispiel Zwecke oder durch prominente Rollen. Man muß den zu erwartenden Einfluß auf etwas Bestimmbares beziehen, muß ihn im System verorten können 164 . Damit ist notwendigerweise der Aufbau komplexerer Strukturen verbunden, die als höherstufige Nichtbeliebigkeiten zu begreifen sind. Ein solcher Strukturaufbau mit thematischer und/ oder rollenmäßiger Konzentration verträgt keine volle Spezifikation - weder in dimensionaler noch in funktionaler Hinsicht. Kein Führer kann sich ausschließlich auf den sozialen Aspekt wechselseitiger Erwartungsverständigung stützen; er wird immer auch eine gewisse Bewährung und eine Reputation für richtiges und erfolgreiches Entscheiden in einem gewissen Sachbereich in Anspruch nehmen müssen. Bewährung ist nicht ohne Bezug auf Themen und Personen feststellbar; also kann auch zeitliche Generalisierung als Autoritätsbildung nicht ganz ohne Reputation erfolgen, und sie wird zu sozialer Generalisierung tendieren, sobald man über sie kommuniziert. Vor allem dort, wo die Richtigkeit nicht rasch und unmittelbar auf der Hand liegt, wird die Meinung und Folgebereitschaft der anderen zählen. Es mag in diesen Hinsichten Schwerpunkte geben, aber der Nachvollzug der nur analytischen Unterscheidung verschiedener Sinndimensionen ist in der Wirklichkeit sozialer Systeme weder notwendig noch möglich. Darin liegen nicht nur Schranken der Generalisierung und Abstraktion von Einflußbeziehungen, sondern zugleich auch Schranken der funktionalen Ausdifferenzierung von sozialen Systemen. Zeitliche Motivgeneralisierung kann, bei allem Interesse an »Gesetzmäßigkeiten« des sozialen Lebens, nicht ganz aus der faktischen Systemgeschichte mit ihren vielseitig-konkreten Engagements herausgelöst werden; und Reputation behält bei aller Begriffsabstraktion und hochentwickelter verbaler Geschicklichkeit, <?page no="86"?> Vl. Generalisierung von Einfluß 87 immer einen Bezug auf das vorhandene Wissen. Kurz: Generalisierungen in den verschiedenen Sinndimensionen setzen einander wechselseitig voraus 165 . Vereinseitigungen sind auf dieser Basis nur begrenzt erreichbar, jedenfalls riskant. Höhere Kombinationsmöglichkeiten und Freiheiten der Disposition und Umdisposition ohne Rücksicht auf die angegebenen Kontexte, die die Motivgeneralisierung tragen, sind schwerer zu gewinnen. Durch Ausdifferenzierung eines besonderen Kommunikationsmediums Macht wird nun Einfluß auf Handlungen von diesen Ausgangsbedingungen der Motivgeneralisierung mehr oder weniger abgelöst. Stärker als Einfluß im allgemeinen kann Macht von bestimmten motivationalen Voraussetzungen unabhängig werden. Sie stützt sich, besonders wenn sie auf überlegene physische Gewalt zurückgreifen kann, auf die oben (S.- 30) geschilderte Konstellation von Präferenzen. Eine solche Konstellation ist standardisierbar. Sie kann unabhängig gemacht werden von früherer Bewährung und Tradition, damit auch von der Fixierung an Themen, Personen, Rollentypen oder Kontexten, mit denen diese Bewährung verbunden war. Sie läßt sich auch immunisieren gegen die Einschätzung der Folgebereitschaft anderer, sofern diese nicht zum Machtfaktor selbst wird. Sie ist daher besser kompatibel mit einem Wechsel von Kommunikationsthemen und mit einem Austausch von Machthabern, also mit höherer Mobilität im System. Das alles sind Voraussetzungen für die soziale Anerkennung der Kontingenz von Einfluß - dafür also, daß die Folgsamen eine Fremdreduktion ihres Handlungspotentials akzeptieren, obwohl sie lediglich durch Entscheidung zustandegekommen ist. Die Ausdifferenzierung eines Macht-Codes macht also Einflußprozesse in gewissem Maße unabhängig von allzu konkreten, historischen Quellen ihrer zeitlichen, sachlichen und sozialen Generalisierung. Das erlaubt es, Einflußprozesse mit Selektivitätsverstärkung auszustatten und über sehr heterogene Situationen hinweg innovativ einzusetzen. Höhere Mobilität und Kontextfreiheit des Übertragungsprozesses sind zunächst aber nur Möglichkeiten, die durch Macht erreichbar sind. Die Ausdifferenzierung, <?page no="87"?> 88 Vl. Generalisierung von Einfluß symbolische Generalisierung und Spezifikation des Kommunikationsmediums sind Bedingungen von Möglichkeiten. Damit ist noch nichts über weitere Voraussetzungen gesagt, unter denen die entsprechenden Handlungszusammenhänge wirklich oder auch nur wahrscheinlich werden. Die Gesamtheit der Realisierungsbedingungen konkreten Geschehens ist naturgemäß sehr komplex und nicht darstellbar ohne Verengung des Blicks auf bestimmte historische Situationen. Keinesfalls ist die Macht allein schon hinreichende Bedingung ihrer Selbstverwirklichung (so als ob es nur an ihrer Kraft läge, sich durchzusetzen). Die Macht der Macht kann nicht wiederum der Macht zugerechnet werden. Vielmehr bedarf es gründlicher evolutions- und systemtheoretischer Analysen, wenn man erklären will, unter welchen gesellschaftsstrukturellen Bedingungen die Entwicklung und Institutionalisierung abstrakterer, leistungsfähigerer Medien-Codes erfolgt 166 . Diese Überlegungen lassen sich nunmehr einordnen in den Zusammenhang von Lebenswelt und Technik. Die Technizität der Macht setzt gewisse Beschränkungen natürlich-lebensweltlicher Erwartungsgeneralisierung außer Kraft. Sie ermöglicht darüber hinausgehende Möglichkeiten und damit höhere Wahlfreiheiten im System. Auf diese Weise steigt zugleich die Selektivität der Machtentscheidungen, schließlich die Selektivität des Macht- Code selbst. Es ist kein Zufall, daß die politisch konstituierten Gesellschaften begannen, Kontingenz zu erfahren und zu problematisieren 167 . Damals wurde Kontingenz religiös begriffen und verarbeitet 168 . Ein späteres Beispiel macht die Konturen unseres Problems noch deutlicher. Wie man an der mathematisierten Weltkonstruktion der Naturwissenschaften und an der Maschinentechnik ablesen kann, bedeuten höhere Selektivität und Kontingenz technischer Errungenschaften keineswegs Zufälligkeit, Unbestimmbarkeit, Willkür oder Belieben des Erlebens und Handelns 169 , vielmehr im Gegenteil zunehmende Abhängigkeit von Bedingungen und Beschränkungen. Aus dem gleichen Grunde führen auch Machtsteigerungen in Probleme der Entscheidungstheorie, der Entschei- <?page no="88"?> Vl. Generalisierung von Einfluß 89 dungsorganisation, der Entscheidungstechnik. Höhere Macht wird unausweichlich als kontingente Entscheidung sichtbar; ihr können daher auch mehr Bedingungen gestellt, mehr Beschränkungen gesetzt, mehr Rücksichten abverlangt werden. Die Sündenregister der Herrscher sind schon immer länger gewesen als die des einfachen Mannes; auf ihre Gerechtigkeit glaubte man keinesfalls verzichten zu können 170 . Man kann diese Problemstellung jedoch entmoralisieren und sie abstrakter als ein Steigerungsverhältnis von Möglichkeiten und Beschränkungen formulieren. Die höhere Rationalität höherer Macht besteht bei dieser Konzeption nicht in der (forcierten und doch problematischen) Bindung an gute Ziele, sondern darin, daß mehr Möglichkeiten mehr Beschränkungen unterworfen werden können. Die Rationalität liegt in dieser Relation, nicht in bestimmten Ergebnissen. Ihre Steigerung macht abstraktere Entscheidungskriterien erforderlich und anwendbar. Damit kommt der technische Charakter der Macht und ihrer Rationalität zur Sprache. Machttechnik in diesem Sinne kann dann als Demokratie begriffen, in ihren konstitutionellen Voraussetzungen normiert und remoralisiert werden. Voraussetzung dafür ist, daß die Beschränkungen der Macht integriert werden mit Bedingungen gesellschaftsstruktureller Kompatibilität 171 . <?page no="90"?> 91 VII. Risiken der Macht Entwickeltere Formen der Institutionalisierung von MedienCodes sind nur denkbar, wenn die Selektionsleistung der mediengesteuerten Prozesse (wenn nicht gar: die Selektionsleistung der Codes selbst) sozial sichtbar ist. Um unterstellen zu können, daß andere aus code-spezifischen Gründen akzeptieren, muß man wissen oder zumindest ahnen können, daß überhaupt Selektionen stattfinden. Dies gilt vor allem für ausdifferenzierte Kommunikationsmedien, die nicht mehr einfach die gemeinsame Realität repräsentieren. Mit steigendem Selektionsbewußtsein wachsen die bewußt werdenden Risiken. Sie werden zunächst auf der Ebene der Selektions- und Übertragungsprozesse als Risiko von Fehlleistungen thematisiert. Bei dieser Fassung des Problems liegt der Ausweg in der Forcierung von Standards richtiger Selektion. Das gilt für alle Medien gleichermaßen - bei starken Unterschieden in der Art von Klugheitsregeln, Moralen, Dogmatiken und organisatorischinstitutionellen Vorkehrungen, die zur Abwendung der Gefahr ersonnen und empfohlen werden. Im besonderen Falle der Macht fürchtet man Mißbrauch der Macht durch den Machthaber. Sobald zentralisierte Macht sichtbar und disponibel wird, kommt das Problem des Tyrannen auf, der despotisch und willkürlich über die Macht verfügt. Dem entspricht die politische Theorie durch eine institutionengebundene Ethik. In dieser Fassung bleibt das Problem des Risikos ausdifferenzierter Macht strukturabhängig gestellt und ist im Einzelfall zu lösen. Seit ihren Anfängen ist die bürgerliche Gesellschaft der Neuzeit sich bewußt, daß ihre Verhältnisse über diese Gefahr-Definition und diese Hilfsmittel sich hinausentwickelt haben. Die Gründe dafür sind komplex und hier nicht im einzelnen zu analysieren. Sie liegen in den gesellschaftlichen Intersystembeziehungen von Politik, in der zunehmenden Generalisierung politischer Ziele und sonstiger Einigungsformeln ebenso wie in den gesellschaftlich notwendigen Machtsteigerungen, und sie kulminieren thema- <?page no="91"?> 92 VII. Risiken der Macht tisch in der Souveränitätsdiskussion. Nach diesen Veränderungen konnte die bürgerliche Revolution, als sie schließlich als politischer Vorgang zum Ausdruck kam, keiner der üblichen Korrektive des Mißbrauchs von Macht im Einzelfall sein, und auch das war dem sie begleitenden Bewußtsein durchaus klar. Weniger klar ist, welcher Begriff des Risikos der Macht nun an die Stelle des alten, gut greifbaren, moralisierten, »rechtsfähigen« Mißbrauchs-Konzepts treten könnte. Daß dieses Konzept nicht obsolet geworden ist, vielmehr seinerseits in durch Technik gesteigerten Dimensionen auftritt, liegt auf der Hand in einem Jahrhundert, das alle früheren im Umfang und in der Effizienz von Machtmißbrauch überbietet. Aber schon die Hilflosigkeit der alten Mittel gegen Machtmißbrauch, vom Widerstandsrecht angefangen, gibt zu denken. Und ebenso augenfällig ist, daß eine bloße Generalisierung alter Mißbrauchs- und Unterdrückungsthemen - etwa im Konzept der »strukturellen Gewalt«, der »herrschenden Klasse« oder ganz naiv in der Vorstellung des Mehrwert abschöpfenden Kapitalisten oder Plutokraten - die Realität nicht greift, sondern nur der Stimulierung von Aggressionen dient. Vorstellungssyndrome dieser Art lassen sich nicht an der Erschließungskraft ihrer Begriffe messen; sie sind nur ein blinder Reflex der Machtverhältnisse selbst (und damit ein Aspekt ihres Risikos! ) insofern, als bei gesamtgesellschaftlich zunehmenden Interdependenzen Machtpotentiale nur noch über abstraktere Ideen oder Mystifikationen politisch resonanz- und reaktionsfähig dargestellt werden können 172 . Ein weiterer Ansatz schließlich, die einfache »Fortschreibung« des Themas Revolution im Sinne der Prognose Hegels 173 , gibt zu denken - vor allem in Richtung auf Erfordernisse der Kompatibilität von hoher Macht mit instabilen politischen Verhältnissen -, enthält aber in der Fixierung an ein historisches Thema keine hinreichend differenzierte Analyse des RisikoProblems. Führt nun die Theorie der Kommunikationsmedien darüber hinaus? Wir müssen zunächst, um eine generellere Problemstellung zu gewinnen, die Zusammenhänge mit der Evolutionstheorie verdeutlichen. Im Evolutionsprozeß setzt sich normalerweise <?page no="92"?> VII. Risiken der Macht 93 das Wahrscheinlichere durch, weil es häufiger vorkommt, weil es sich rascher reproduzieren läßt. Unwahrscheinliches muß daher gegentendentiell (oder wie Naturwissenschaftler sagen würden: gegen die Tendenz zur Entropie) eingeführt und erhalten werden. Evolution ist Erzeugung von Unwahrscheinlichkeiten - wenn man so will: Normalisierung des Unwahrscheinlichen. Das involviert unter anderem immer ein Zeitproblem, nämlich ein Wettmachen der Zeitvorteile des Wahrscheinlichen - in der organischen Evolution z. B. durch Katalyse oder durch Kontrolle des Reproduktionstempos. Damit zugleich wächst die Störfähigkeit. Die Zeit gewinnt, wenn relativ Wahrscheinliches mit relativ Unwahrscheinlichem um Reproduktionschancen konkurrieren muß, Struktur in dem Sinne, daß es nicht mehr gleichwahrscheinlich und nicht mehr gleichgültig ist, wann etwas geschieht, und sie gewinnt Irreversibilität in dem Sinne, daß verlorene Chancen nicht wiederkehren (sofern nicht ausnahmsweise strukturell Wiederholbarkeit gesichert ist). In einem sehr allgemeinen Sinne impliziert Evolution also Zunahme von Bewegungstempo, Interdependenzen, differentiellen Zeitknappheiten und Risiken, die sich mit ihren darauf bezogenen Abhilfen wechselseitig bedingen und steigern. Die Ausdifferenzierung von Sonderrollen, schließlich von besonderen symbolischen Codes für Machtgebrauch ist einerseits eine Antwort darauf, andererseits eine Steigerung, Konzentration und Spezifikation des Risikos an einem Punkte. Sie ist eine Antwort insofern, als sie als Beschleunigung und als Zeitpunktkontrolle wirkt, indem sie die Gesellschaft vom Zufall des Gelingens einer Übertragung von Entscheidungsleistungen unabhängig macht 174 . Damit konzentriert das Risiko sich in anderer Form, sichtbarer und insofern auch kontrollierbarer, in der Selektionspraxis des Machthabers; es verlagert sich aus der Zeitdimension in Fragen der sachlichen Richtigkeit, des Erfolgs und des sozialen Konsenses. Dieser Problemstand wird mit dem »Tyrannen-Komplex« registriert und tradierfähig beschrieben. <?page no="93"?> 94 VII. Risiken der Macht War dies immer eine Gefahr von »zu viel Macht« gewesen, so wird in neuerer Zeit daneben zugleich die Gefahr von »zu wenig Macht« erkennbar; und im Anschluß daran ergeben sich neuartige Risiken des Funktionsverlustes, der sichtbaren Ineffektivität und des Machtzerfalls, die durch ihr Erscheinen nur noch gefördert werden. Der Ausgangspunkt dieses Problems ist ein mit der gesellschaftlichen Entwicklung rapide zunehmender Entscheidungsbedarf, der nicht durch entsprechende Entscheidungs- und Übertragungsleistungen gedeckt werden kann. Das Auflösevermögen gegenüber Naturkonstanten jeder Art (und zwar der »äußeren Natur« ebenso wie der »inneren Natur«) ist so sehr gestiegen, daß fast jede Selektion präsumptiv eine Entscheidung ist oder auf Entscheidungen zurückgeführt werden kann. Da aber offensichtlich diese Entscheidungslast nicht an einer Stelle getragen, ja nicht einmal von einer Stelle aus dirigiert werden kann, wird die Organisation von Entscheidungsleistungen zum Problem und damit die kettenförmige Übertragung von Macht. Obwohl wir über die Beziehungen zwischen kognitiver Komplexität und Machtstrukturen in Organisationen so gut wie nichts wissen - hier liegt ein wichtiges Arbeitsfeld künftiger Organisationsforschung -, ist für eine gesellschaftstheoretische Behandlung des Problems offensichtlich, daß Grenzen der Entscheidungskapazität bestehen, die nun als solche zu Machtquellen werden, und zwar in doppeltem Sinne: (1) als Blockiermacht in den Machtketten, die nichts bewirken und nichts verantworten, aber viel verhindern kann 175 , und (2) als Macht der Nichtentscheidung an den verantwortlichen Stellen 176 . Unter den angegebenen Bedingungen werden mithin Fälle wahrscheinlicher, in denen Macht negative Entscheidungsleistungen überträgt, und Fälle unwahrscheinlicher, in denen Macht positive Entscheidungsleistungen überträgt 177 . Ein zweiter Gesichtspunkt hängt hiermit eng zusammen. Er betrifft das Erscheinen von Zeitproblemen im Kontext der Machtausübung - also genau den Aspekt, in dem zunächst die evolutionären Vorteile der Ausdifferenzierung von Macht lagen. <?page no="94"?> VII. Risiken der Macht 95 Auch hier zeigen sich Überlastungssymptome. Tempo, Synchronisation und Rechtzeitigkeit werden innerhalb der Machtpraxis zum Problem und verzerren ihre Präferenzen 178 . Bei hoher Interdependenz gesellschaftlicher Prozesse mit je verschiedenen Zeitrhythmen ist ein Machthaber zumeist nicht in der Lage, bei Anordnung eines Verlaufs auch dessen Synchronisation mit anderen Prozessen zu kontrollieren. Ein Nacheinander läßt sich zwar vorsehen, lineare Sequenzen lassen sich reproduzieren, aber die Simultaneität des Miterforderlichen entzieht sich bei höherer Komplexität dem Programm und zwingt immer wieder zum Aufschub 179 . Die Zeit wird auf diese Weise zum Störfaktor, zum ungreifbaren Widerstand. Nicht die Härte der Materie oder der Köpfe, sondern die Uhr und der Kalender machen’s unmöglich. Auf der gleichen Linie liegt, daß die Steigerung der Macht im politischen System die Möglichkeit eines Auswechselns der Inhaber zumindest von Spitzenpositionen nahelegt mit der Folge, daß das Perioden-Denken nicht nur rein zeitlich, sondern auch in der Auswahl dessen, was innerhalb der Amtszeit möglich ist und passieren kann, die Machtpraxis beherrscht 180 . In sachlicher wie in zeitlicher Hinsicht scheint mithin die in politischen Systemen disponible Macht den Anforderungen an Entscheidungs- und Übertragungsleistungen nicht mehr gewachsen zu sein. Kein Wunder, daß sich dann auch in sozialer Hinsicht Spannungen und Krisensymptome zeigen 181 . Das heißt, in die oben (V.) entwickelte Terminologie übersetzt: Die politisch konstituierte Macht beginnt als einheitliches technisches Substitut für Autorität, Reputation und Führung zu versagen. Ein Rückgriff auf diese mehr »naturwüchsigen« Grundlagen der Generalisierung von Einfluß kommt jedoch angesichts des Entwicklungsstandes der Gesellschaft für zentrale Funktionen kaum in Betracht. Statt dessen entwickeln sich technische Substitute für Macht - etwa in der Form der Selbstmystifikation von Führern oder in massenwirksamen Erfolgssuggestionen. Ob Erscheinungen dieser Art wirklich Defizite anzeigen, lassen wir dahingestellt. Ein solches Urteil kann nicht einfach daraus ab- <?page no="95"?> 96 VII. Risiken der Macht geleitet werden, daß Besseres vorstellbar ist. Es ließe sich nur durch gesamtgesellschaftliche Analyse und entsprechende Begründung der Beurteilungsdimensionen und Vergleichsmaßstäbe rechtfertigen. Davon sind wir weit entfernt. An dieser Stelle handeln wir nur von den evolutionären Risiken der Macht, und da interessiert die Frage, ob nicht mit diesem chronischen Zurückbleiben hinter den strukturell verankerten Erwartungen ein neuartiges Risiko der Macht auftaucht, nämlich das Risiko, daß sichtbar wird, daß die Macht ihre eigenen Möglichkeiten nicht realisiert. Es dürfte zu den sehr allgemein feststellbaren Risiken ausdifferenzierter Kommunikationsmedien gehören, daß mit dem Grade ihrer symbolischen Artikulation und dem Ausmaß des Selektionsbewußtseins die Diskrepanz zwischen Möglichem und Wirklichem wächst und in der einen oder anderen Weise einstellungsprägend wird. Die symbolischen Elemente der Medien-Codes müssen, um sehr diverse Situationen und heterogene Motivlagen übergreifen zu können, hochgeneralisiert sein und benutzen deshalb in dieser Funktion Idealisierungen und Fiktionen - etwa den Begriff der zwingend intersubjektiven Gewißheit, den Begriff der Souveränität oder die Vorstellung eines auf einen bestimmten Menschen gerichteten und gleichwohl ganz einschränkungsfreien Liebesgefühls 182 . Die damit anfallenden Enttäuschungen gehören zu den strukturellen (nicht nur: interaktionellen) Risiken ausdifferenzierter Kommunikationsmedien und müssen durch ihre symbolischen Codes bzw. durch Neben-Codes mitkontrolliert werden. Für alle Kommunikationsmedien gemeinsam kann man demnach sagen, daß Ausdifferenzierung, Generalisierung und funktionale Spezifikation die Diskrepanz zwischen Möglichem und Wirklichem steigen läßt - und dies nicht nur im Sinne steigender Selektivität der Prozesse, sondern auch im Sinne der strukturellen Erzeugung überzogener Erwartungen und Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der entsprechenden Kommunikationssysteme, die faktisch nicht eingelöst werden können. Im ökonomischen Bereich ist die viel diskutierte Revolution der überproportional <?page no="96"?> VII. Risiken der Macht 97 steigenden Erwartungen ein guter Beleg dafür. Diese Diskrepanzen können auch als Kornplexitätsgefälle, als Differenz der Komplexität des Möglichen und des Wirklichen begriffen werden. Sie sind als solche ein Realfaktor, der auf die Bedingungen der Möglichkeit zurückwirkt und zum Beispiel zur Diskontierung oder zur Ideologisierung oder zu nur opportunistischer Verwendung der Code-Symbole führt. Diese Zwischenüberlegung erhellt die Normalität solcher Risiken. Es handelt sich nicht um Fehlentwicklungen. Andererseits ist damit über Stabilisierungsbedingungen noch wenig gesagt. Diese könnten zum einen in der Entwicklung entsprechender Einstellungen liegen, zum anderen in einer Übersetzung des Problems in Krisentechnik. Sie könnten schließlich in noch kontrollierbaren Inflationen bzw. Deflationen von Macht Ausdruck finden. Zur Frage kompatibler Einstellungen müssen wir uns kurz fassen, weil hierüber so gut wie nichts bekannt ist. Hier liegt ein wichtiges Forschungsfeld politischer Psychologie. Es wird Einstellungen geben, etwa Fatalismus oder Apathie, die speziell der Vorwegnahme von Enttäuschungen dienen. In anderen Einstellungen wird man bei hoher Kontingenz und geringen Realisierungschancen sichtbarer Möglichkeiten eine Änderung der Richtungsausprägung erwarten können, so etwa eine Verlagerung von internaler auf externale Zurechnung mit Konsequenzen auf dem Gebiet der Leistungsmotivation 183 . Weitere Anpassungsmöglichkeiten liegen nicht in Sozialisations-, sondern in Selektionsprozessen, die Personen mit problemkompatiblen Einstellungen in die entscheidenden Positionen transportieren. Für ein einigermaßen gesichertes Urteil reicht der Forschungsstand in all diesen Hinsichten nicht aus; zumindest bedarf jedoch das theoretische und empirische Instrumentarium einer solchen Einstellungsforschung keiner weiteren Erläuterung. Im Falle der Krisentechnik kommen Unklarheiten des Begriffs und des theoretischen Kontextes noch hinzu 184 . Am besten begreift man Krisen zunächst ganz formal unter dem Gesichtspunkt der Zeitdimension als Prozeßphase mit außergewöhnlichen Gefähr- <?page no="97"?> 98 VII. Risiken der Macht dungen und, daraus resultierend, außergewöhnlichen Möglichkeiten. Die Komplexität des Möglichen wird dem System dann nicht simultan zugemutet, sondern auf der Zeitachse abgebildet als ein Nacheinander von Verschiedenem: von Normalsituationen mit geringer Macht und mit fernliegenden Möglichkeiten, die zur Zeit nicht eigentlich möglich sind, und von Krisensituationen, in denen situations- und themenspezifische Macht aktiviert werden kann, für die zeitlich limitierte Sonderbedingungen struktureller Kompatibilität gelten. Auf diese Weise können durch Diskontinuieren der Verhaltensprämissen Vorteile zeitlicher Differenzierung gewonnen werden. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß Krisen sich bei fehlender Macht und/ oder fehlender Einsicht entwickeln. Diese Anhaltspunkte beziehen sich zwar auf organisierte Sozialsysteme 185 , sie sind nicht ohne weiteres auf gesamtgesellschaftliche Analysen übertragbar 186 . Die beschriebenen Prozesse der Machtblockierung bzw. des Herausfilterns von nur negativ verwendbarer Macht sind aber organisatorische Phänomene, und es ist anzunehmen, daß auf dieser Ebene, sei es im Bereich der kognitiven Komplexität, sei es im Bereich der Macht, auch die Sperren zu suchen sind, die krisenhafte Entwicklungen auslösen. Weiterhin gibt es erste Untersuchungen darüber, daß Krisen die Machtlage in Organisationen verändern 187 . Man wird daher primär organisationsspezifische Instrumente einer Krisentechnik ausbilden müssen, um im Kontext der gesellschaftlichen Funktionen der Macht den Anforderungen gewachsen zu sein. Krisentechnik heißt nicht Bemühen um Verhinderung oder Hinausschieben einer Krise des Gesellschaftssystems, die, wie die Marxisten zu wissen meinen, sowieso kommt. Gemeint ist vielmehr die zeitliche Differenzierung des Risikos der Macht, durch Einbeziehen von Krisen in eine Art Machtplanung. Dafür hat man in Notstandsgesetzgebungen ein formalisiertes Muster. Dieses Muster läßt sich im politischen Prozeß weniger schwerfällig, kleinformatiger reproduzieren 188 . Daneben kennt die Organisation das »management by exception«. Dieses Muster ließe sich ins <?page no="98"?> VII. Risiken der Macht 99 Politische hinein vergrößern im Sinne exzeptioneller Aktivierung politischer Ressourcen der Macht. In derart antizipierten und kalkulierten Krisen wird das Risiko hoher Macht mit bestimmten Restriktionen im Entscheidungsprozeß bezahlt: mit Zeitdruck, mit Kurzfristigkeit der zu erreichenden Effekte, mit Abhängigkeit von drastischen, breit politisierbaren Problemen, also mit geringer Planungsfähigkeit 189 . Vor allem aber wirkt ein solcher Mechanismus, was mögliche Themen angeht, hochgradig selektiv. Denn bei weitem nicht alle Leiden sind organisations- und krisenfähig. Eine dritte, wiederum stärker medien-theoretische Variante des Risikoproblems besteht in inflationären Trends. Die Übertragung der Begriffe Inflation/ Deflation aus der Geldtheorie in die Machttheorie und schließlich in die allgemeine Theorie der Kommunikationsmedien hat Talcott Parsons angeregt 190 . Es ist jedoch unklar, wie man diese Begriffe abstrahieren muß, um sie übertragen zu können. Inflationär wirkt ein Überziehen des Risikos der Generalisierung mit der Gefahr der Entwertung der Motivationsmittel, deflationär wirkt umgekehrt ein Nichtausnutzen der Chancen der Generalisierung mit dem Nachteil, daß Übertragungsmöglichkeiten ungenutzt bleiben. Im Falle der Macht wäre danach inflationsträchtig eine Kommunikationspraxis, die mit leeren oder nur ausnahmsweise gedeckten Drohungen arbeitet, zum Beispiel die »Kriminalisierung« von Verhaltensbereichen, in denen Verstöße faktisch oder aus kriminalpolitischen Gründen nicht verfolgt werden können 191 . Ebenso wie im monetären Bereich scheint eine »leichte« Inflation eine mögliche Risiko-Strategie zu sein, die allerdings den Nachteil hat, daß sie von Betroffenen antizipiert und für ihre Zwecke ausgenutzt wird. Dann kommt es zu einem mehr oder weniger starken Auseinanderklaffen der Code-Symbole einerseits und der Rollen und Ressourcendisposition andererseits mit der Folge, daß auf beiden Ebenen die Mediendifferenzierung nicht aufrechterhalten werden kann 192 . <?page no="100"?> 101 VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien haben, auch darin der Sprache vergleichbar, eine notwendige Systemreferenz: die Gesellschaft. Sie betreffen Probleme von gesamtgesellschaftlicher Relevanz, regeln Konstellationen, die jederzeit und überall in der Gesellschaft möglich sind. Sie lassen sich nicht einschränken und auf Teilsysteme isolieren in dem Sinne etwa, daß ausschließlich in der Wissenschaft Wahrheit oder ausschließlich in der Politik Macht eine Rolle spielt. Es gibt Konstellationen im Zusammenhang mit doppelkontingenter Selektivität, die sich aus dem Möglichkeitshorizont menschlicher Interaktion nicht eliminieren lassen. Wo immer Menschen miteinander kommunizieren oder auch nur diese Möglichkeit ins Auge fassen, besteht die Wahrscheinlichkeit der Selektionsübertragung in der einen oder anderen Form. (Die gegenteilige Annahme wäre eine gute soziologische Definition von Entropie). Wo immer Menschen miteinander kommunizieren, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß sie sich an der Möglichkeit wechselseitiger Benachteiligung orientieren und sich dadurch beeinflussen. Macht ist ein lebensweltliches Universale gesellschaftlicher Existenz. Alle Kommunikationsmedien sind, soweit sie überhaupt ausdifferenziert werden, in dieser Weise gesamtgesellschaftliche Einrichtungen; auch Wahrheit, auch Geld, auch Liebe haben in diesem Sinne Omnipräsenz, und es ist eine Existenznotwendigkeit, an ihnen in positivem oder negativem Sinne zu partizipieren. Evolutionäre Veränderungen solcher Codes betreffen daher immer Glückliche und Unglückliche zugleich - diejenigen, die lieben können und diejenigen, die in neuartigen Symbolen erfahren, daß sie nicht lieben können; diejenigen, die Eigentum und Geld haben, und diejenigen, die es nicht haben. Code-Änderungen können zwar in gewissem Umfange zur Neuverteilung der Chancen führen, aber die »innere Logik« der Codes, die Nichtbeliebigkeit ihres Symbolarrangements verhindert zumeist, daß Neuerungen <?page no="101"?> 102 VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht zu radikalen Umverteilungen führen. Die Gesamtheit der Nichteigentümer kann nie Eigentümer werden, weil dies hieße, daß jeder alles, also jeder nichts hat. Die Struktur aller Medien-Codes macht »Revolutionen« unmöglich 193 . Sie individualisiert und operationalisiert alle Bewegungsvorgänge. Codes sind Katalysatoren für historische, selbstsubstitutive Ordnungen. Sie sind auch in diesem Sinne Formelemente des Systems Gesellschaft. Diese Feststellungen betreffen ebenfalls das Verhältnis von Lebenswelt und Technik und sollen unter diesem Gesichtspunkt hier ausgearbeitet werden. Vor dem Hintergrund lebensweltlichgesellschaftlicher Universalität wird die Ausdifferenzierung, Steigerung und funktionale Spezifikation von Macht zum Problem. Diese Ausdifferenzierung erfordert die Entwicklung neuer, auf Machtbildung und -handhabung spezialisierter, politischer Systemreferenzen - in spätarchaischen Gesellschaften zunächst die Usurpation und Steigerung dauerhafter, relativ themenunabhängiger Macht in bestimmten Zentren, ohne daß unter dieser politischen Systemreferenz je alle Macht zusammengefaßt und integriert werden könnte. In dem Maße, als ein politisches System ausdifferenziert wird, zeigt sich, daß es andere Macht - zunächst die anderer Gesellschaften, anderer politischer Systeme, aber auch die des Grundbesitzes und später vor allem Finanzmacht - außer sich hat. Die Ausdifferenzierung politischer Macht unter einem machtspezifischen Medien-Code hat in der Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft den Übergang von archaischen Gesellschaften zu Hochkulturen ermöglicht und gehört seitdem zu den kaum reversiblen evolutionären Errungenschaften. Sie hat die Machtlage in der Gesellschaft insgesamt revolutioniert: die Sichtbarkeit der Macht, ihre Symbolik (einschließlich Legitimationsbedarf ), ihre Funktionsweise, ihre Reichweite. Es handelt sich also nicht nur um einen Prozeß der Spezifikation, um Verengung und Einschränkung auf einen Teil des Vorhandenen. Die Konstitution politischer Macht ist nicht nur für die Politik relevant, sie verändert die Gesellschaft im ganzen. Mit der Bildung von besonderen <?page no="102"?> VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht 103 politischen Systemen in der Gesellschaft, die sich auf durchweg überlegene physische Gewalt stützen können, läßt sich zwar eine gewisse Systematisierung und Zweckspezifikation und damit auch eine komplexere Entscheidungsabhängigkeit des Machteinsatzes erreichen, nicht aber eine volle Monopolisierung der Macht in der Hand des »Staates«. Das heißt nicht nur, daß mit Machtausübung gegen die politisch legitimierten Entscheidungsinstanzen gerechnet werden muß, die unter gesellschaftlichen Druck gesetzt, wenn nicht gar mit Gewalt bedroht werden, weil man ihre Entscheidungen über Macht beeinflussen will. Ein weiteres und vielleicht größeres Problem bildet das Volumen gesellschaftlicher Macht, das außerhalb jeden Bezugs zum politischen System entsteht und verbleibt - zunächst vor allem die Macht in der Familie (die »Despotie« im eigentlichen Sinne) und die Macht der Priester, sodann die Macht in der Wirtschaft, vor allem die in der Neuzeit viel diskutierte Macht des Eigentümers, und heute nicht zuletzt die im Erziehungssystem ausgeübte Macht, die sich des Mittels der Entscheidung über Statuszuweisungen bedient. All diese Erscheinungen führen vor die Frage nach Grenzen der Politisierbarkeit von Macht 194 . Zunächst muß man sehen, daß es Parallelentwicklungen in anderen Medienbereichen und Teilsystemen gibt, die dort die Benutzung negativer Sanktionen einschränken und die Differenzierung positiver und negativer Sanktionen ermöglichen. Nach dem Code der Liebe ist es nicht möglich, mit Entzug der Liebe zu drohen, die Drohung ist schon der Entzug selbst und gibt daher keine Macht. Im Bereich der Wirtschaft wird Macht durch Geld neutralisiert, und zwar die Macht dessen, der knappe Ressourcen besitzt: Man kann sie ihm abkaufen. Es ist dann nur noch eine Frage der eigenen Ressourcen und der rationalen Kalkulation, wieviel man bietet. Im Vergleich zur spätarchaischen Redistribution knapper Güter im »großen Haus« der Gesellschaft ermöglicht die Geldwirtschaft eine deutliche Differenzierung von positiven Anreizen und negativen Sanktionen und damit eine Differenzierung der entsprechenden Einflußformen. <?page no="103"?> 104 VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht Gerade diese Überlegung macht nun aber deutlich, wie sehr einerseits Politik gerade heute wieder Verteilungsfunktionen usurpiert und dabei selbst Geld benutzt zur Neutralisierung von Gegenmacht; und in welchem Maße andererseits in der Gesellschaft nichtpolitisierbare Macht zurückbleibt. Wohlgemerkt: Es handelt sich immer um Macht im strengen Sinne, nicht um die bloße Tatsache, daß Familienväter, Priester, Eigentümer oder Erzieher in der Wahrnehmung ihrer Funktion Einfluß ausüben 195 . Es geht darum, daß ihre Funktion ihnen Droh- und Sanktionsmittel an die Hand gibt, die sie als Machtgrundlage benutzen können, die aber auch, über Erwartungsstrukturen vermittelt, per Antizipation wirken und damit funktional diffuse Effekte auslösen können. Das gesellschaftsstrukturelle Problem liegt also keineswegs nur in gelegentlicher Überwältigung der Herrschaftsspitze des politischen Systems - das haben Gesellschaften in der Regel gut überstanden, denn als Bedrohung des politischen Systems muß gesellschaftliche Macht sich ja in politische transponieren; das Problem liegt außerdem in der Nichteliminierbarkeit von Macht in den außerpolitischen Interaktionen, in einer Grenze der funktionalen Spezifikation anderer Gesellschaftsbereiche auf reine persönliche Liebe, rationale Produktion und reinen Tausch, reine Bildungsarbeit. Nicht nur die Selbstbehauptung des politischen Systems ist mithin ein politisches Dauerproblem angesichts gesellschaftsweiter Machtquellen, sondern ebenso sehr die Erhaltung der funktionalen Spezifikation anderer Systeme als anderer. Diese Doppelproblematik der möglichen Bedrohung des politischen Systems einerseits, der Nichtpolitisierbarkeit und funktionalen Diffusion gesellschaftlicher Macht andererseits unterliegt selbst gesellschaftlichem Wandel. Die Schärfe und die Tragweite der Problematik hängt von weiteren Faktoren ab und ändert sich mit ihnen. Vor allem spielen funktionale Interdependenzen und Schichtungsstrukturen eine Rolle. Zunehmende Interdependenzen vermehren die politisch nicht kontrollierbaren Machtquellen in der Gesellschaft (was nicht ohne weiteres heißt, daß auch die Machtäußerungen politisch nicht kontrollierbar wären). Die Zu- <?page no="104"?> VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht 105 rückhaltung, Verlangsamung oder auch nur unkooperative, wenig opferbereite Erbringung von Leistungen, die anderswo benötigt werden, wird bei hohen Interdependenzen zur Machtquelle ersten Ranges, die weder auf physische Gewalt zurückgeht, noch über Drohung mit physischer Gewalt bekämpft werden kann. Zwar bleiben der Generalisierbarkeit, Themenunabhängigkeit und Drohfähigkeit solcher Macht enge Schranken gezogen; aus Interdependenz von Leistungen kann sich daher keine Gegenpolitik entwickeln. Gerade das aber ist das Problem. Denn dadurch wird ausgeschlossen, daß diese Macht selbst mit Herrschaftsanspruch auftritt. Sie bleibt politisch bestenfalls parasitär, indem sie von einer noch funktionierenden Politik zu profitieren sucht und damit deren Funktionsfähigkeit zugleich untergräbt. Zugleich zersetzt solche Macht tendentiell die Funktionsfähigkeit des eigenen Bereichs, indem sie den dort ablaufenden Interaktionen eine Metaorientierung an Machtfragen aufdrängt, auch dabei immer Erhaltung der Funktionsfähigkeit voraussetzend. In Gesellschaftsformationen älteren Typs werden Interdependenzen im wesentlichen über Schichtung limitiert und kontrolliert auf der Ebene von Familien, Status und Rollen. Mit der sozialen Schicht, der man angehörte, gab es einen jede funktionale Spezifikation übergreifenden Gesichtspunkt, an dem Verhaltensregulative schichtspezifischer Art ansetzen konnten. Darin lagen auch unpolitische, interaktionell wirksame Machtkontrollen, vor allem in höheren Schichten, in denen der Typus einer kleinen, auf persönlicher Bekanntschaft beruhenden Gesellschaft in einer großen Gesellschaft reproduziert werden konnte. Die sehr hohen Interdependenzen der modernen Gesellschaft lassen sich jedoch auf diese Weise nicht mehr neutralisieren - weder in schichtspezifischen Kontaktsystemen der Interaktion unter Anwesenden, noch überhaupt auf der Ebene von Status und Rollen. Damit ist es möglich geworden, Schichtung als Prinzip auch ideologisch abzulehnen. Ungeklärt ist die Frage der funktionalen Äquivalente, sofern das Problem nicht einfach durch Verringerung des Integrationsbedarfs der modernen Gesellschaft aufgeho- <?page no="105"?> 106 VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht ben werden kann. Für unser Sonderproblem der nichtpolitisierbaren Macht bleibt diese Frage offen. Es hat den Anschein, daß gegenwärtig vor allem zwei Lösungsmöglichkeiten konkurrieren, die beide mit dem Abbau sozialer Schichtung in der bürgerlichen Gesellschaft zunehmende Bedeutung gewinnen und Symptome der Überlastung deutlich schon zeigen, nämlich »Juridifizierung« und »Demokratisierung«. Im einen Falle handelt es sich um den Export politischer Macht in politikferne Interaktionskontexte, im anderen Falle um eine Nachahmung von Politik in politikfernen Bereichen. Während in archaischen Gesellschaftssystemen interaktionell motivierte Rechtskonflikte eine Triebfeder der situativen Politisierung waren 196 , ist nach Ausdifferenzierung politischer Systeme und nach Positivierung des Rechts Rechtsförmigkeit umgekehrt ein Mittel der Generalisierung und Extension von Politik geworden. In der Form von Recht kann politische Macht gleichsam konserviert und für den verfügbar gehalten werden, der selbst weder politisch handelt noch über eigene Macht verfügt. So muß vor allem der Vertrag begriffen werden als Instrument der zuverlässigen Indienstnahme unprogrammierter politischer Macht für unpolitische (»private«) Zwecke 197 . Die fatale Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht hat diesen Bezug allen Rechts zur Politik verwischt, obwohl gerade Privatrecht ursprünglich ius civilis, also politisches Recht gewesen war. Entsprechend wird über Rechtstaat fast nur im Hinblick auf öffentliches Recht diskutiert. Ebenso wichtig wie die rechtliche Kontrolle der politischen Gewalt selbst ist jedoch die Erreichbarkeit der Rechtsform im Verkehr zwischen Privaten. In die Form des Rechts gekleidet, wird die politische Macht, wie oben (III. 6) gezeigt, binär schematisiert. Dadurch kann sie ohne Wiederholung der Erzeugungsbedingungen vereinfacht reproduziert werden. Zur Anwendung des Schematismus ist die Neubildung politischer Macht nicht erforderlich; es genügt, wenn sie irgendwo anrufbar existiert. Sie kann dadurch in unpolitische Interaktionskontexte exportiert werden, ohne diese zu politisieren. <?page no="106"?> VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht 107 Schematisierung hat mithin nicht nur eine Entlastungsfunktion im Prozeß der Reproduktion; sie erleichtert zugleich den Transport mediengesteuerter Motive über Systemgrenzen und sehr heterogene Interaktionsfelder und macht Kommunikationsmedien dadurch kompatibel mit hoher funktionaler Differenzierung der Gesellschaft 198 . In dem Maße, als soziale Kontrolle über Recht vermittelt und durch fernstehende Machthaber garantiert wird, können Interaktionssysteme von konkret bindenden und damit wesentlich rigideren Formen der sozialen Kontrolle unter Anwesenden entlastet werden. So ermöglicht das Recht relativ rücksichtsloses Handeln im Sinne hochgradig spezifizierter Funktionskontexte. Interaktionssysteme lassen sich dann mehr oder weniger ausschließlich spezifischen Teilsystemen der Gesellschaft zuordnen. Auf dem Markt wird dann nur noch verkauft und eingekauft, nicht aber zugleich auch geschwatzt, erzogen, ein Liebespartner gesucht oder die nächste politische Abstimmung vorbereitet. Die Bedeutung des Rechts für die beginnende bürgerliche Gesellschaft der Neuzeit muß vor diesem theoretischen Hintergrund gewürdigt werden. Erst neuere Forschungen und erst internationale Vergleiche zeigen, wie wenig selbstverständlich dieses Expandieren des politisch kontrollierenden Rechts in die Gesellschaft ist (so selbstverständlich bleibt, daß jede Gesellschaft notwendige Funktionen in der Form des Rechts erfüllt) 199 . Weder die binäre Schematisierbarkeit von Konfliktssituationen nach Recht/ Unrecht noch die Bezugnahme auf fernliegende, politisch installierte Entscheidungsmacht sind universell gesichert; selbst die Moral steht einem solchen Rechtsbezug sehr oft im Wege. Und es scheint, daß eine fortschreitende Industrialisierung nicht unbedingt davon abhängt. Statt dessen kann die Gesellschaft auch auf noch nicht abgebaute Schichtungsstrukturen zurückgreifen, um Differenzierung und Integration zu vermitteln. Ein Urteil über die Zukunft dieses rechtsstaatlichen Lösungstyps der Vermittlung von Politik und Gesellschaft ist daher schwer möglich. <?page no="107"?> 108 VIII. Gesellschaftliche Relevanz von Macht Mehr Aufmerksamkeit findet zur Zeit der Versuch, das gleiche Problem der Differenz von Gesamtgesellschaft und politischer Gewalt durch eine Art kleinsystemspezifischen Lokalpolitismus zu lösen 200 . Unter normativ gemeinten Postulaten wie Demokratie, Partizipation oder Mitbestimmung werden Organisationssysteme jeden Typs und in allen gesellschaftlichen Funktionskontexten, seien es Schulen oder Montankonzerne, Gefängnisse oder Pfarreien, mit dem Anspruch auf Mitsprache aller bei der Ausübung von Macht konfrontiert. Damit wird sowohl die Ebenendifferenzierung von Gesellschaftssystem und Einzelorganisation als auch die Differenzierung der gesellschaftlichen Funktionsbereiche ideologisch unterlaufen; man kommt auf die lebensweltliche Universalität des Phänomens Macht zurück. Selbstverständlich besteht nicht die Möglichkeit, die Ausdifferenzierung des politischen Systems zurückzunehmen oder auch nur überall kleine Politik nach der Art von großer Politik zu betreiben. Was zu gelingen scheint, ist: den in den Organisationen vorhandenen Positions- und Funktionseinfluß verstärkt sichtbar zu machen und in ein Netz von Kommunikationen oder Metakommunikationen über Machtfragen zu verstricken. Man kann voraussehen, daß damit die ohnehin organisationstypische Verhinderungsmacht verstärkt wird. Weniger noch als irgendwo sonst besteht auf diesem Wege die Aussicht, die Gesellschaft durch Interaktionen unter dem Kommunikationsmedium Macht zu ändern. Die Schwächen der Macht im Kontext der gesellschaftlichen Evolution heute sind evident. Sie sind letztlich durch die Komplexität des Systems Weltgesellschaft bedingt. Sie spiegeln sich in dem Versuch, aber sie lassen sich nicht beheben durch den Versuch, Machtkommunikation durch Kommunikation über Macht zu ersetzen. <?page no="108"?> 109 IX. Organisierte Macht Wenn Macht zunächst als gesellschaftliches Universale gesehen werden muß, ist es notwendig, in der Machttheorie die Systemreferenz Gesellschaft zu Grunde zu legen, das heißt: von den Funktionen der Macht für das System der Gesamtgesellschaft auszugehen. An dieser Systemreferenz ändert sich nichts durch Einbeziehung von Politik und Recht in die Betrachtungsweise. Denn das politische System ebenso wie das Rechtssystem sind Teilsysteme der Gesellschaft, die für gesamtgesellschaftliche Funktionen ausdifferenziert sind. Ihre Ausdifferenzierung und funktionale Spezifikation verändern die Gesellschaft selbst, verändern die Möglichkeiten und Kompatibilitätsbedingungen aller gesellschaftlichen Teilsysteme, sind also ein Moment der gesellschaftlichen Evolution. Bei der Analyse der Funktionen und Strukturen eines symbolisch generalisierten Macht-Codes sind wir jedoch mehrfach auf Chancen der Leistungssteigerung und auf Folgeprobleme gestoßen, die sich im Rahmen dieser Systemreferenz nicht mehr zureichend behandeln lassen. Das gilt zum Beispiel für die Bildung langer Machtketten, deren thematische Konsistenz gleichwohl noch kontrollierbar ist, für die Erzeugung von Gegenmacht in diesen Ketten und für die angedeuteten Probleme der Informationsverarbeitungspotentiale und der Grenzen von Entscheidungsrationalität. Eine angemessene Behandlung dieser Themen erfordert einen Wechsel der Systemreferenz, eine Analyse unter Einbeziehung der besonderen Strukturbedingungen organisierter Sozialsysteme. Die Wahl der Systemreferenz wissenschaftlicher Analysen ist natürlich eine Option im Rahmen des Forschungsprozesses, ein Aspekt der Themenwahl und der thematischen Begrenzung. Sie ist gleichwohl nicht beliebig möglich, nicht Sache reiner Willkür. Wie sich an unserem Thema eines gesamtgesellschaftlichen Medien-Codes zeigen läßt, setzt der Code selbst die Existenz eines andersartigen Systemtyps Organisation voraus. <?page no="109"?> 110 IX. Organisierte Macht Die Möglichkeiten der Selektivitätsverstärkung und Selektionsübertragung, die sich in der symbolischen Struktur des Kommunikationsmediums abzeichnen, lassen sich nur ausschöpfen, wenn innerhalb der Gesellschaft nicht nur Subsysteme des Gesellschaftssystems, sondern außerdem auch Systeme anderen Typs gebildet werden, nämlich Organisationen. In der Symbolik, die gesamtgesellschaftlichen Funktionen dient, ist eine Verschiedenartigkeit und Interdependenz mehrerer Möglichkeiten der Systembildung vorausgesetzt. Die Inanspruchnahme begrenzterer Möglichkeiten der Systembildung ist Voraussetzung der Realisierung von gesamtgesellschaftlich sich abzeichnenden Möglichkeiten, und zugleich schafft die Ausdifferenzierung und Spezifikation besonderer Kommunikationsmedien Katalysatoren für Systembildungen in der Form von Organisation, namentlich über Eigentum und über gewaltgedeckte politische Macht. Was durch Organisation hinzugewonnen werden kann, ergibt sich nicht aus dem Einsatz neuartiger Kommunikationsmedien, sondern aus einem eigentümlichen Verfahren der Systembildung. Organisationssysteme bilden sich immer dann, wenn Eintritt ins System und Austritt aus dem System als entscheidbar vorausgesetzt und für diese Entscheidung Regeln entwickelt werden können. Diese Voraussetzung läßt sich auch mit Bezug auf das Kontingenz-Problem formulieren. Organisation setzt voraus, daß die Rolle der Mitgliedschaft im System kontingent ist, daß also Nichtmitglieder Mitglied sein, aber auch Mitglieder Nichtmitglied sein könnten, daß es also ein Rekrutierungsfeld möglicher Mitglieder gibt und für die Mitglieder selbst Austritts- oder Entlassungsmöglichkeiten. Das ist der eine Kontingenzbereich. Der andere liegt in den Regeln, die die Mitgliedsrollen konstituieren und das Verhalten in Organisationen zu bestimmen bestimmt sind. Auch diese Regeln werden kontingent gesetzt, sie gelten positiv auf Grund von Entscheidungen und sind durch diesen Geltungsmodus, qua Herkunft oder qua Änderbarkeit oder bei einem Vergleich mit Systemen der Umwelt als kontingent sichtbar. In dem Maße nun, als beide Kontingenzbereiche hervortreten und sich profilieren, <?page no="110"?> IX. Organisierte Macht 111 können sie sich aufeinander stützen und sich aneinander steigern. Die Steigerung der kontingenten Unwahrscheinlichkeit von Regeln für und Regelbefolgung in Mitgliedschaftsrollen hat einen Bezug auf die Kontingenz des Personalmarktes, sie steigert und begrenzt die Möglichkeiten selektiver Rekrutierung und Entlassung von Personen. Umgekehrt kann Rollenmobilität sich nur entwickeln, wenn kontingent erreichbare Rollenzusammenhänge bereitstehen und unabhängig von ihrer jeweiligen Besetzung stabil gehalten werden können. Die Beziehung zwischen diesen beiden Variationsbereichen des Eintritts bzw. Austritts und der Regeln ist daher nicht oder weniger kontingent als diese selbst: Regeln und Mitglieder können geändert werden, aber nur nach Maßgabe von Gesichtspunkten, die die kontinuierliche Beziehbarkeit von Regeln auf Mitglieder und von Mitgliedern auf Regeln sicherstellen. In diesem Sinne kann man den Organisationsmechanismus charakterisieren als Systematisierung nicht oder weniger kontingenter Beziehungen zwischen Kontingentem. Seine Rationalität beruht auf einer Relationierung von Relationen. Dabei wirkt die Relationierung von Kontingentem selbstselektiv auf ihre eigenen Möglichkeiten; denn selbst Beliebiges ließe sich nicht beliebig kombinieren 201 . Organisation ist mithin eine bestimmte Weise der Systembildung durch Steigerung und Reduktion von Kontingenzen. Dieses Prinzip setzt sich im Inneren der Organisationssysteme fort und wird ausformuliert über die Identifikation von »Stellen«. Jede Stelle präsentiert einen Verknüpfungspunkt von kontingenten Verhaltensprogrammen (= Bedingungen der Richtigkeit des Verhaltens), und kontingenten Kommunikationsbeziehungen mit je einer kontingenten Person. Die Identität der Stelle läßt diese verschiedenen Aspekte überhaupt erst als kontingent erscheinen. Zugleich reduziert sie als Bezugspunkt der Verknüpfung die Beliebigkeit dieser Kontingenzen, da nicht jede Person und nicht jedes Kommunikationsnetz zu jeder Aufgabe paßt. Auf diese Weise läßt sich Kontingenz unter zunehmend restriktiven Bedingungen ins zunehmend Unwahrscheinliche spezifizieren. Dabei entsteht in <?page no="111"?> 112 IX. Organisierte Macht der Verknüpfung von Elementen, die alle anders sein könnten, eine mehr oder weniger inkontingente Komposition. Bei hoher Komplexität des Kontingenten dient dessen Relationierung, dient die Interkontingenz der Reduktion von Komplexität. Während die Scholastik noch das Einfache für notwendig hielt und die Zusammensetzung für kontingent 202 und deshalb behauptete: »Ex multis contingentibus non potest fieri unum necessarium« 203 , sind wir Heutigen geneigt, die Schwerfälligkeit der Organisationen und die Unbeweglichkeit einmal eingespielter Gefüge, also das Notwendigwerden des Kontingenten zu beklagen. Wir haben hier nicht die Möglichkeit, eine so angesetzte Organisationstheorie auch nur skizzenhaft auszuarbeiten. Im Rahmen einer Machttheorie ist es jedoch unerläßlich, sich einige Konsequenzen für die Bildung und Eliminierung von Macht in Organisationen zu überlegen. Es versteht sich von selbst, daß der Aufbau von Organisationen das gesellschaftlich Mögliche verändert und zwar auch und gerade in dem Bereich, der mit Macht zu tun hat. Der gesamtgesellschaftlich etablierte Macht-Code verweist in verschiedenen Hinsichten auf diese Möglichkeit, über Organisation neue Machtkombinationen zu ermöglichen und zu restringieren, und er bringt sie durch Zentralisierung der Verfügung über Machtgrundlagen und durch katalytischen Einsatz von Macht bei der Organisationsbildung mit in Gang. Gleichwohl wäre es unrealistisch, Organisationssysteme lediglich instrumental als Apparat, als verlängerten Arm des Machthabers anzusehen 204 . Dies ist wiederum nur eine Reproduktion der symbolischen Selbstpräsentation des Macht-Codes, aber keine empirisch zureichende Machttheorie. Das Verhältnis des gesellschaftlichen Mediums zum Systemtypus Organisation ist in Wirklichkeit sehr viel komplexer. 1. Wir beginnen die Analyse mit der These, daß der Übergang in eine andere Ebene und ein anderes Prinzip der Systembildung zugleich ein Konvertieren des Kommunikationsmediums ermöglicht, wie es gesamtgesellschaftlich sonst nicht zulässig wäre. »Konvertieren« soll heißen, daß die Verfügung über Einflußmöglichkei- <?page no="112"?> IX. Organisierte Macht 113 ten nach den Bedingungen des einen Mediums benutzt werden kann, um Einfluß nach den Bedingungen eines anderen Mediums zu gewinnen, also zum Beispiel Umtausch von Wissen in Macht, wenn man Wahrheiten ermitteln und feststellen kann, die Drohpotentiale steigern; oder Umtausch von Einfluß auf der Basis von Eigentum oder Geld in Einfluß auf der Basis von Macht. Ein Gesellschaftssystem, das überhaupt mehrere verschiedene Kommunikationsmedien ausdifferenziert und getrennt symbolisiert, muß immer auch dafür sorgen, daß diese Medien nicht beliebig ineinander überführt werden können, denn das würde die Symbolik der Medien diskreditieren und deren Differenzierung zunichte machen. So gibt es recht wirksame Sperren gegen den direkten Kauf von Wahrheiten oder von Liebe oder von Macht 205 . Natürlich ist Geld, um nur diesen Fall auszuführen, nicht ohne Einfluß auf die Produktion von Wahrheiten. Wer Forschung finanzieren kann, kann auch die Themenwahl steuern. Dennoch gibt es keine direkte Bezahlung wahrer bzw. unwahrer Sätze, geschweige denn eine Korrelation der Art, daß Geld direkt in Wahrheit umgetauscht werden könnte ohne Vermittlung durch den spezifischen Code des anderen Mediums. In dem Maße, als Wahrheiten problematisiert werden und besondere Kontrollen eines darauf spezialisierten Codes durchlaufen müssen, werden solche direkten Äquivalenzen ausgeschlossen. Beim Kalkül der Finanzierung von Forschungen lassen sich zwar ökonomische Überlegungen über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag anstellen, aber sie bleiben auf ihren eigenen Wertungskontext beschränkt. Sie lassen sich nicht ausbauen zu Argumenten für oder gegen die Wahrheit bestimmter Sätze. Forschungsfinanzierungen beziehen sich daher typisch auf Organisationen, die Forschung betreiben, und auf die dafür erforderlichen Ressourcen, aber nicht auf den Inhalt von (wahren bzw. unwahren) Sätzen, greifen also nicht direkt in den binären Schematismus des anderen Mediums ein. An diesem Beispiel begegnen wir bereits dem uns interessierenden Lösungstypus: Die direkte Konfrontation und Verquickung der Medien, ihrer Werte und Verhaltensinstruktionen, kann ver- <?page no="113"?> 114 IX. Organisierte Macht mieden werden dadurch, daß die Systemreferenz gewechselt und das Problem der Konversion auf die Ebene der Organisation abgeschoben wird. Man finanziert nicht Wahrheiten, sondern Organisationen, die sich um die Erforschung und Feststellungen von Wahrheiten bzw. Unwahrheiten mehr oder minder erfolgreich bemühen. Mutatis mutandis ergibt sich eine ähnliche Situation bei der Konversion von Eigentum und Geld in Macht. Auf der Ebene der gesellschaftlichen Teilsysteme Wirtschaft und Politik gibt es zunächst wichtige normative Sperren gegen eine direkte Konvertibilität von Geld und Macht. Politischer Einfluß sollte nicht vom Reichtum der Personen abhängen und hängt in der heutigen Gesellschaft auch weniger davon ab als in jeder ihrer historischen Vorläuferinnen 206 . Die Chance, den Inhalt der Gesetze zu bestimmen, wird nicht an den Meistbietenden versteigert. Ebenso wird umgekehrt die politische Macht durch Verfassungsvorschriften gegen Enteignung gehindert, sich selbst unmittelbar gewinnbringend einzusetzen oder gar ihren Träger zu bereichern 207 . Unterhalb solcher Sperren kann das Medium der Wirtschaft jedoch benutzt werden, um Organisationssysteme mit Attraktivität auszustatten oder auch über rechtlich gesichertes Grund- und Sacheigentum einfach elementare Bedingungen der Möglichkeit organisierter Arbeit zu schaffen 208 . In dieser Funktion wird das Medium der Wirtschaft auch Kapital genannt. Die mit Kapital gebildeten (auf einer Haben/ Nichthaben-Schematik beruhenden) Organisationen definieren dann Bedingungen des Eintritts und des Austritts und der Unterwerfung unter Weisungsgewalt und konstituieren so autonome Macht. Dies gilt für Staatsbürokratien ebenso wie für Privatbürokratien. Üblicherweise wird befürchtet und behauptet, daß dem Eigentümer damit unverdiente Macht zuwachse. Das kann sein 209 . Die Befürchtung selbst ist ihrerseits ein Reflex der in den Medien- Codes festgelegten Konvertibilitätssperren. Innerhalb von Organisationen kommt indes eine Eigenlogik sozialer Strukturen ins Spiel, die jene Bedingungen verändert, unter denen Konvertibilitätssperren notwendig sind. Geld kann, wenn es generelles Mittel <?page no="114"?> IX. Organisierte Macht 115 der Herstellung von Systemattraktivität ist, nicht oder nur sehr begrenzt zugleich Mittel der ad hoc Motivation sein. Die Umschaltung von Geld auf Macht muß mehr oder weniger pauschal vollzogen werden. Schon damit werden Code-Verquickungen verhindert. Beim Aufbau komplex organisierter Machtsysteme erreicht man zudem sehr rasch den Punkt, an dem unüberschreitbare Grenzen der Zentralisierbarkeit von Macht in den Händen des oder der Eigentümer gezogen sind. Von da ab bildet die Machtlage in der Organisation ein Problem, das nicht mehr in direktem Rückgriff auf ökonomische Kriterien der Behandlung des eigenen Eigentums gelöst werden kann. Der Eigentümer hat dann noch einen besseren Zugang zu Positionen in der Organisation, von denen aus nach deren (nicht: nach seinen! ) Bedingungen Macht ausgeübt werden kann. Die Grenzen dieser Chancen sind durch zahlreiche Untersuchungen zu den Problemen der Nachfolger-Rekrutierung in Familienbetrieben bekannt 210 . Es wird bei ökonomischer Betrachtung unrational, Positionsbesetzungen ans Eigentum und damit an den Zufall des Zusammenfallens von Haben und Können in einer Person zu koppeln. Dem Eigentümer bleibt ein Drohpotential: die Möglichkeit, seine Mittel aus dem Betrieb zurückzuziehen. Aber hier ist er machttechnisch im Nachteil dessen, der sich schon engagiert und auf Liquidität verzichtet hat 211 . Für etwaige Gegner erwächst daraus die Möglichkeit, den Eigentümer auszubeuten, da seine Macht der Liquidation zu groß ist, als daß sie innerhalb der Organisation ausgeübt werden kann. Diese wenigen Bemerkungen müssen genügen, um zu zeigen, wie mit Hilfe der Eigenkomplexität von Organisationssystemen der Übergang von Geld in Macht bewerkstelligt werden kann ohne frustrierende Amalgamierung der Codes. Die genetische Bindung neu konstituierter Macht an Eigentum und Geld wird dadurch weniger problematisch. Andererseits bewirkt die Differenzierung von Gesellschaftssystem und organisierten Sozialsystemen, die dies ermöglicht, zugleich eine Abkoppelung der Organisationsmacht von der im Gesellschaftssystem konstituierten politischen Macht. Und hier könnte, langfristig gesehen, das größere Problem liegen 212 . <?page no="115"?> 116 IX. Organisierte Macht 2. Während die förmliche Organisationsmacht auf der Kompetenz zu dienstlichen Weisungen beruht, deren Anerkennung Bedingung der Mitgliedschaft ist und so durch Entlassung sanktioniert werden kann, hängt die faktische Macht in Organisationen weit mehr vom Einfluß auf Karrieren ab. Sie beruht also nicht so sehr auf der Disposition über Mitgliedschaften, als vielmehr auf der Disposition über Stellenbesetzungen - auf den Befugnissen, die man im öffentlichen Dienst »Personalhoheit« nennt. Um kurze und griffige Termini verwenden zu können, wollen wir von Organisationsmacht und von Personalmacht sprechen. Das Prinzip ist in beiden Fällen das gleiche: Disposition über Kontingenz, über Ja und Nein in bezug auf begehrte Rollen, als Machtbasis. Es wird zur Machtbasis in dem Maße, als sich Interessen, Besitzstände oder Anwartschaften bilden, deren Entzug bzw. Nichtberücksichtigung als Vermeidungsalternative fungieren kann. Gleichwohl unterscheiden sich beide Machtarten in wichtigen Hinsichten. Die Organisationsmacht bezieht sich auf die Mitgliedschaft im ganzen, die Personalmacht auf ihre jeweilige Ausprägung zu einer Stellenrolle, die man hat oder zu haben begehrt. Die Mitgliedschaft kann und wird normalerweise, wenn sie überhaupt attraktiv ist, sehr pauschal vorteilhaft sein über eine ganze Bandbreite verschiedenartiger Stellen und Arbeitsbedingungen hinweg 213 . Nicht bei jedem Stellenwechsel stellt sich daher die Frage des Verbleibens im System, und erst recht nicht bei jedem »Übergangenwerden« bei Stellenbesetzungen. Dem entspricht, daß der Entzug der Mitgliedschaft aus disziplinarischen Gründen nur selten akut wird und daß man sich ohne viel Mühe dagegen schützen kann, indem man die Minimalanforderungen erfüllt und nicht offen meutert. Um im System Karriere zu machen, ist dagegen sehr viel mehr erforderlich; und wer dies will, bekommt Personalmacht zu fühlen. Mit diesem Unterschied hängt zusammen, daß die Organisationsmacht in sehr viel stärkerem Maße konjunkturempfindlich ist. Bei regressiven Wirtschaftsentwicklungen steigt die Entlassungs- <?page no="116"?> IX. Organisierte Macht 117 gefahr und mit ihr die Bereitschaft zu Normkonformität und überschießendem Gehorsam. Eine Wirtschaft mit Vollbeschäftigung hat den gegenteiligen Effekt. Von solchen Schwankungen bleibt die Personalmacht relativ unberührt, denn begehrte Stellen sind immer knapp. Organisationssysteme, die aus Gründen der Wirtschaftslage oder, wie staatliche und kirchliche Organisationen, aus Gründen rechtlich gewährten Bestandsschutzes nur über geringe Organisationsmacht verfügen, müssen daher in verstärktem Maße auf Personalmacht zurückgreifen können - oder auf machtmäßige Beeinflussung ihres Personals mehr oder weniger verzichten. Die Organisationsmacht hat nach all dem Grenzen in der Knappheit brauchbaren Personals, die Personalmacht hat Grenzen in der Knappheit begehrter Stellen im Organisationssystem. Die Sanktionierung der Organisationsmacht, Entlassung, erfolgt höchst selten, sie ist eindeutig als negative Vermeidungsalternative für beide Seiten ausgewiesen; sie hat immer offiziellen Charakter. Die Sanktionierung der Personalmacht erfolgt je nach der Mobilität im System häufiger, aber in versteckterer Form. Bei ihr mischen sich Sacherwägungen mit positiven und negativen Sanktionen. Sie kann einfach in der Bevorzugung anderer Stellenbewerber bestehen und nur dem Abgewiesenen als negative Sanktion erscheinen. Sie beruht mehr auf Antizipation und auf Zuschreibung von Intentionen. Sie braucht also für den Machthaber selbst keine zu vermeidende Alternative zu sein. Immerhin wird er seine Stellenbesetzungspolitik nicht gleichzeitig in Richtung auf Eignungserwägungen und auf Handhabung von Anreizen und Sanktionsmacht optimieren können, weil das im Einzelfalle unterschiedliche Entscheidungen erfordern würde. Die »Kosten« dieser Vermeidungsalternative werden nicht so sehr im Einzelfalle, als vielmehr bei einer funktional aggregierenden und rationalisierenden Betrachtungsweise deutlich 214 . Entsprechend verschieden ist schließlich der Bezug auf das formale Regelwerk des Organisationssystems. Die Organisationsmacht dient mit ihrer eigenen Kontingenz der Stabilisierung dieser kontingenten Regeln. Sie hat offiziellen Charakter. Dagegen wird <?page no="117"?> 118 IX. Organisierte Macht die Personalmacht durch Bindung an formale Regeln für Stellenbesetzungen, an Kriterien, Arbeitsplatzanalysen, standardisierte Personalbeurteilungen eher geschwächt. Sie benutzt die Bezugnahme auf solche Regeln eher zur Tarnung, als Ausrede oder als Möglichkeit, die Negativbehandlung des einen als Positivbehandlung eines anderen erscheinen zu lassen. Daß diese Möglichkeit fast immer gegeben ist, steht auch einer juristischen Beschränkung der Personalmacht in der Form subjektiver Rechtsansprüche auf bestimmte Personalentscheidungen entgegen. Gerade wegen dieser strukturellen Unterschiede liegt in der Kombination von Organisationsmacht und Personalmacht die Möglichkeit eines Machtgewinns. Beide Machtformen fallen letztlich in der Vorgesetzten-Hierarchie zusammen. Selbst wenn dem unmittelbaren Vorgesetzten, der allein Personalmacht wirksam handhaben kann, die Kompetenz für Personalentscheidungen entzogen wird 215 , bleibt ihm ein beträchtlicher Einfluß auf diese Entscheidungen, etwa im Wege der Personalbeurteilung, und das genügt als Machtquelle 216 . Neuere Tendenzen zu Reformen und Rationalisierungen im Personalwesen großer Organisationen tangieren Personalmacht weniger durch Abspaltung als durch Systematisierung und durch Komplikation. In dem Maße, als Personalentscheidungen so durchrationalisiert werden, daß sie erst im situativen Aufeinandertreffen zahlreicher Vorentscheidungen über Arbeitsplatzbewertungen und Personalbeurteilungen mehrerer Stellen und Personen zustandekommen, verlieren sie jene Antizipierbarkeit, die für eine Verwendung im Machtkontext erforderlich wäre. Die Manipulation des Systems wird dann selbst für den Vorgesetzten zu schwierig, und für den Untergebenen wird ersichtlich, daß nicht ersichtlich ist, wie sich positive bzw. negative Einstellungen des Vorgesetzten auf seine Karriere auswirken werden. Das System gewinnt Transparenz auf der Ebene der Kriterien, es verliert eben damit Transparenz auf der Ebene der Entscheidungen. Bei hinreichender Verfeinerung der Empfindlichkeit kann dann die Macht von der Kontrolle über Mitgliedschaft nicht nur auf die <?page no="118"?> IX. Organisierte Macht 119 Kontrolle über Stellenbesetzungen, sondern weiter noch auf die Kontrolle über Bewertungspunkte übergehen, die für Karrieren möglicherweise relevant werden können. Aber es ist die Frage, ob die machttragende Alternativenkonstellation eine so stark verfeinerte Sensibilität, eine solche Tiefenschärfe des Interesses aufbringen wird. 3. Es könnte mithin sein, daß wichtige Machtquellen für die praktischen Möglichkeiten eines Vorgesetzten zu kompliziert werden. Ähnliche Tendenzen zeichnen sich bei den Machtentscheidungen selbst ab. Einen für organisierte Macht typischen Gesichtspunkt haben wir schon mehrfach gestreift: daß sie Kettenbildung in beträchtlichen Längen und Verzweigungen ermöglicht und dadurch die Informationsverarbeitungskapazität und die Kontrollmöglichkeiten 217 eines einzelnen Machthabers sehr rasch überfordert. Wir haben dann nicht mehr den Fall vor uns, mit dem die klassische Machttheorie typisch rechnet: daß Macht Gegenmacht vorfindet und zum Widerstand reizt. Sondern in Organisationen erzeugt Macht Gegenmacht. Die Überforderung des Machthabers in Organisationen kann nämlich immer dann, wenn seine Stellung Handeln oder Nichthandeln nicht dem Belieben überläßt, von anderen als eigene Machtquelle ausgenutzt werden. Man kann ihm nicht nur Informationen vorenthalten und sich so vor ihm schützen; man kann darüber hinaus auch damit rechnen, daß er Konsens sucht, weil er auf »Mitarbeit« angewiesen ist, und sich die Entscheidung über »freien« Konsens bzw. Dissens vorbehalten. In dem Maße, als dies der Fall ist, schiebt sich im bürokratischen Milieu vor die letzte Vermeidungsalternative Entlassung oder Austritt eine zweitletzte: die Möglichkeit, sich mit Befehl durchzusetzen. Auch sie spendet Macht, wenn man sie in der Hinterhand hält und nach Möglichkeit nicht benutzt. Zur Vermeidung expliziten Befehlens läßt der Vorgesetzte dann lieber relativ unwichtige Ziele fallen, während umgekehrt die Untergebenen geschickt vermeiden, ihn in eine Art Befehlsnotstand zu bringen 218 . <?page no="119"?> 120 IX. Organisierte Macht Bezieht man diese Einsichten nicht, wie in der organisationssoziologischen Forschung, auf Produktionssteigerungen 219 , sondern auf Machtsteigerungen, dann kann man die Frage stellen, wessen Macht von zunehmenden Reziprozitäten eigentlich profitiert. Wie verschieben sich unter solchen Bedingungen die Machtchancen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, wenn die Komplexität in ihren möglichen Beziehungen zunimmt? Offensichtlich ist die Aufnahmefähigkeit für Komplexität beim Vorgesetzten eng begrenzt. Da genau dies die Machtquelle der Untergebenen ist, müßte man vermuten, daß jede Zunahme von Komplexität das Machtverhältnis zu Gunsten der Untergebenen verschiebt mit der Folge, daß ein Organisationssystem um so weniger leitbar ist, je komplexer es ist. Freilich stehen den Kapazitätsschranken des Vorgesetzten Kapazitätsschranken der Untergebenen gegenüber. Wenn es dort an Bewußtsein fehlt, fehlt es hier an Kommunikation. Die Macht, die bei den Untergebenen anfällt, fällt ihnen als Einzelnen, allenfalls als Cliquen zu. Sie ergibt sich aus Situationen, bleibt abhängig von persönlicher Initiative und hinreichendem Vorverständigtsein. Erst recht kann es nicht zu einer schlichten Umkehrung, zur Machtübernahme durch die Untergebenen kommen; denn ihre Macht beruht strukturell auf ihrer Stellung als Untergebene und auf der relativen Impotenz ihres übermächtigen Vorgesetzten. Gewiß können einzelne Untergebene danach streben, unter Verzicht auf die Macht ihrer bisherigen Stellung Vorgesetzte zu werden; aber sie können sich nicht verhalten wie ein Pferd, das versucht, sich selbst in den Sattel zu schwingen. Wenn dem so ist, müßte es Tendenzen geben, die Macht der Untergebenen zu kollektivieren, zu systematisieren, zu domestizieren, zu legitimieren. Und das ist in der Tat der Fall. Den Untergebenen wird mehr und mehr suggeriert, es sei gut für sie, ihre Macht kollektiv auszuüben, Vertreter zu wählen, Gremien zu bilden, die an Entscheidungen beteiligt werden. Mit Hilfe von Schlagworten wie Partizipation oder Mitbestimmung wird gegenwärtig diese Idee verkauft, - unter Mitsuggestion falschen Bewußtseins. So wird »Emanzipa- <?page no="120"?> IX. Organisierte Macht 121 tion« zum letzten Trick des Managements: den Unterschied von Vorgesetzten und Untergebenen zu leugnen und damit dem Untergebenen seine Machtbasis zu entziehen. Unter Vorgabe eines Machtausgleichs 220 wird aber nur die Macht reorganisiert, die die Untergebenen im großen und ganzen schon haben. Ob und wie dies gelingen kann, ist noch nicht abzusehen 221 . Manches spricht dafür, daß die als Kollektiv formal organisierte Macht der Untergebenen deren informale Macht gar nicht absorbieren, aber auch nicht verstärken kann, sondern unabhängig von ihr unter völlig anderen Bedingungen (z. B. höhere Transparenz, geringere Elastizität 222 , höhere Konflikthaftigkeit, höhere externe Beeinflußbarkeit) praktiziert werden muß. Die Machtlage wird dadurch erneut komplexer, und zwar unabhängig von den Themen allein durch Organisation. Es ist nicht anzunehmen, daß die Gremien viel Einfluß und viel Machtreputation gewinnen 223 ; aber es könnte sein, daß einige Untergebene den direkten Einfluß auf ihre Vorgesetzten dadurch verstärken können, daß sie zugleich Mitglieder in solchen Gremien sind und ihr Stimmpotential als »Vermeidungsalternative« gegenüber ihrem Vorgesetzten einsetzen können. Andererseits kann man sich auf diesem Wege auch dem Punkte nähern, an dem es sich nicht mehr lohnt, den Vorgesetzten zu beeinflussen, weil er keine Macht mehr hat. Schon vor Beginn der »Demokratisierungswelle« in Bezug auf Organisationen hatte Mary Parker Follett 224 die Formel geliefert: »The division of power is not the thing to be considered, but that method of organization which will generate power« 225 . Etwas später, nach der Weltwirtschaftskrise, kam man auch im Bereich eines anderen Mediums für die Wirtschaft auf den Gedanken, daß Wachstumsförderung vordringlich sei, weil man mit ihrer Hilfe Verteilungsprobleme lösen könne, aber nicht umgekehrt 226 . In Kenntnis dieses Arguments hat dann Parsons wiederum für die Machttheorie den Verzicht auf die Nullsummenprämisse und die Relativierung von Verteilungsfragen auf variable Machtmengen verlangt 227 . Nachdem diese Fragen einmal, wenngleich allzu pauschal, gestellt worden sind, kann man weder in die Vorstellung <?page no="121"?> 122 IX. Organisierte Macht zurückfallen, man könne die Macht anderer sich durch langsames Voranrobben in den Organisationen verlustlos aneignen; noch darf man glauben, es genüge, Macht durch Gewaltenteilung gegen Willkür in der Handhabung zu schützen. Unsere eigene, spezifischer auf Organisationen zugeschnittene Analyse hatte noch die Einsicht hinzugefügt, daß die Erhaltung der impotenten Übermacht des Vorgesetzten Machtbedingung des Untergebenen ist. Danach wird, wenn man Machtmengen als variabel ansehen muß, aber Steigerung von Macht Gegenmacht erzeugt, der Schlüssel des Problems in einer stärkeren Differenzierung und Spezifikation von Machtquellen und Machtkommunikationen liegen, die verhindern, daß reziproke Machtpotentiale sich aneinander aufheben 228 . Oder anders formuliert: Wie kann mit Hilfe des Selektionsmechanismus Organisation erreicht werden, daß die asymmetrische Struktur von Machtkommunikationen auch bei reziproker Macht erhaltenbleibt? Darauf weiß die heutige Organisationswissenschaft keine Antwort. Zweifellos würde eine schlichte Copie des Modells der Gewaltenteilung es sich zu einfach machen. Dieses Modell hatte die spezifische Funktion, zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Machtgebrauch zu differenzieren, jenen durchzulassen und diesen zu blockieren. Das genügt aber nicht, weil gerade organisationsinterne Macht nicht adäquat juridifiziert werden kann. Ebensowenig befriedigen die Vorschläge zur wechselseitigen Einflußsteigerung, die im Rahmen der »human relations« Bewegung ausgearbeitet worden sind, nämlich in sich selbst zurücklaufende Ketten der Einflußsteigerung, in denen Alter von Ego mehr Einfluß annimmt, weil dieser mehr Einfluß von Alter annimmt 229 . Dies mag auch für Organisationssysteme eine durchaus realistische Möglichkeit sein, ist aber mit einer Abstützung auf negative Sanktionen und Vermeidungsalternativen schwerlich kompatibel, wäre also eher ein Fall von Liebe als ein Fall von Macht 230 . Jedenfalls fällt eine stark emotionale, soziale, lokale Einfärbung dieser Vorschläge auf, die die Frage offen lassen, wie weit so erzeugte Steigerungen reziproken Einflusses für Zwecke der Anpassung des <?page no="122"?> IX. Organisierte Macht 123 Systems an die Umwelt disponibel sind und Änderungen in der Personalstruktur überdauern. Dieses Ergebnis scheint bedingt zu sein durch die schlichte Tatsache, daß in Organisationen sich zwar Machtquellen, aber nicht Machtthemen scharf differenzieren lassen; daß sich mit anderen Worten Macht auf verschiedenen Machtgrundlagen bildet, sich aber thematisch nicht ausreichend auseinanderziehen läßt. Die Vorgesetztenmacht, sei sie Organisationsmacht, Personalmacht oder schließlich Personalbeurteilungsmacht, sieht sich der Macht von Untergebenen gegenüber, die auf ganz andersartigen Vermeidungsalternativen beruht. Andererseits folgt aus der funktionalen, arbeitsteiligen Differenzierung großer Organisationssysteme, daß Vorgesetzte und Untergebene auf relativ schmaler Bandbreite thematisch zusammenarbeiten müssen. Sie haben wenig Möglichkeiten, Interessenzonen derart gegeneinander abzugrenzen, daß der Vorgesetzte mehr auf die einen, der Untergebene mehr auf die anderen Projekte Einfluß nimmt und die wechselseitige Respektierung der Einflußzonen tauschförmig motiviert wird; dazu sind die Interdependenzen und die zentralisierten Verantwortlichkeiten innerhalb eines ausdifferenzierten Arbeitsgebietes im allgemeinen zu hoch 231 . Selbst in Universitäten und Fakultäten, in denen sich sehr verschiedenartige Machtbereiche wie Prüfungswesen, Berufungspolitik, Lehrplanung, Verwaltung der Haushaltsmittel, politische Schaustellungen usw. deutlich unterscheiden lassen, scheinen sich Zonen- und Tolerierungsabkommen zwischen den Machtgruppen nicht einzuspielen. Angesichts der Vielfalt von höchst verschiedenartigen Organisationen kann man nicht apodiktisch formulieren - aber tendentiell dürfte eine Machtsteigerung innerhalb von Organisationen auf dieses Dilemma auflaufen, daß der Differenzierung von Machtquellen keine Differenzierung von Machtthemen entsprechen kann, so daß der Spielraum für einen Machtausgleich fehlt. Für eine nur additive Akkumulation von Macht verschiedener Art ist die Interdependenz im System zu hoch. <?page no="123"?> 124 IX. Organisierte Macht 4. Mit diesen Überlegungen und mit zunehmenden Einsichten in die Machtposition von Untergebenen taucht ein weiteres Problem auf, das in der Fixierung des Blicks auf das Machtgefälle und den Machtausgleich zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, auf Herrschaftsabbau und Demokratisierung in den Organisationen, nicht angemessen erfaßt werden kann: das Problem der Machtverhältnisse zwischen den Untergebenen. Wenn in Organisationen die potentielle Macht sich weitgehend auf Untergebene verlagert, wird es um so wichtiger, wie diese ihr Verhältnis zueinander regeln. Ein Machtzuwachs bei den Untergebenen wird diese ermutigen, ihre Macht auch aneinander auszuprobieren. Der Vorgesetzte gewinnt eine neue Funktion als Transformator in den Machtkämpfen der Untergebenen 232 . Er findet sich dann nicht nur mit Meinungsverschiedenheiten und Empfindlichkeiten seiner Untergebenen konfrontiert, sondern außerdem mit einem strukturell oder cliquenmäßig bedingten Machtgefälle zwischen ihnen, das er als solches nicht beseitigen kann und in dem er selbst ein Faktor unter anderen ist. Die dem Vorgesetzten oktroyierte Partizipation muß dann zugleich die Funktion der Streitschlichtung und des Machtausgleichs unter den Untergebenen übernehmen - und es ist die Frage, ob sie sich dazu eignet. Forschung über die Machtkomponente in Entscheidungsprozessen von Großbürokratien gibt es kaum; die Urteile von Sachkennern lassen jedoch die Bedeutung der Fragestellung erkennen und vermitteln zugleich den Eindruck, daß eine im wesentlichen negativ gerichtete Macht des Abwehrens und Blockierens vorherrscht 233 . Das Gesamt-Ja ergibt sich dann als Summe der Bereitschaften, nicht Nein zu sagen. Dieser Effekt würde durch eine Politik der partizipatorisch-interaktionistischen Einflußsteigerung auf der Basis persönlicher Nähe, konkreter Milieukenntnis und Einfühlfähigkeit eher noch verstärkt werden. Aus der Sicht einer gesellschaftsbezogenen Machttheorie erscheint eine solche Entwicklung als ein weitgehender Verzicht auf die Technizität von Macht im oben (Kapitel V) erläuterten Sinne und auf die Bildung initiierbarer durchlaufender Machtketten - und dies gerade <?page no="124"?> IX. Organisierte Macht 125 im Organisationsbereich! Eine hochinteressante Studie aus dem Bereich der Kommunalpolitik einer amerikanischen Großstadt 234 zeigt, wie diese durch organisatorische Dezentralisation erzeugte Reduktion der Macht auf bloßes Blockierpotential durch informale Arrangements und durch eine diffuse Struktur politischen Einflusses kompensiert werden kann mit der Folge, daß Macht innerhalb solcher informaler Arrangements dann auch wieder politisch kalkulierbar und kontrollierbar wird. Macht bildet sich dann sozusagen trotz Organisation. Das Überwinden der Schwierigkeiten, die aus der formalen Struktur resultieren, rechnet im informalen System des politischen Einflusses zu den »politischen Kosten«, die eine Aktion verhindern können - aber nicht müssen. Die Politik lebt dann davon und leidet zugleich darunter, daß die Macht zum Verzicht auf technische Effizienz gebracht worden ist. Man darf die aktuelle Einwirkung von Doktrinen und Denkmoden auf das Geschehen in und die Forschung über Organisationen nicht unterschätzen, vor allem bei Themen, die Macht tangieren. Eine ideologisch untermauerte und dadurch legitimierte, hochentwickelte Machtempfindlichkeit verhindert in der Praxis wie in der Wissenschaft jedes Ausloten der Grenzen des Möglichen 235 . Damit fehlen auch unabhängige Grundlagen sicheren empirischen Wissens. Ungeachtet dessen wird man davon ausgehen können, daß die analysierten Befunde immanente Schranken der Steigerung von Macht in und durch Organisationen signalisieren. Die Schranken werden spürbarer werden, wenn man die Interdependenz der Entscheidungsleistungen in den Organisationen steigert und wenn man von konditionaler Programmierung zu Zweckprogrammierung übergeht. Um so mehr tritt dann Macht als Mechanismus der Übertragung von Selektionsleistungen zurück. Daß man in den Ruinen der zu groß gebauten Organisationen und vor allem in den unteren Etagen noch wohnen kann, soll damit nicht bestritten sein. Angesichts dieses Machtdefizits läßt die »human relations« Bewegung sich charakterisieren als Suche nach anderen Quellen und Formen von Einfluß. Man kann aber die Mängel und Leistungs- <?page no="125"?> 126 IX. Organisierte Macht grenzen eines hochtechnisierten Instruments wie formaler Macht nicht ausreichend kompensieren durch weniger technisierte, konkreter ansetzende, kontextabhängigere Formen der Kommunikation und Interaktion. Aus lokaler Einflußverdichtung durch intensivierte Interaktion wird nie ein Äquivalent für organisatorische und gesellschaftliche Leistungen technisierter, kontextfrei verwendbarer, innovativ initiierbarer Macht werden können. Der Irrtum der »human relations« Bewegung lag in einer Verquickung verschiedener Ebenen der Systembildung, und dieser Irrtum wird durch die Verquickung von Partizipation und Demokratie getreulich nachvollzogen. Wenn unsere Vermutung stimmt, daß das nicht gehen wird, wird es relativ belanglos, ob es im Interesse von Herrschaft oder im Interesse von Emanzipation nicht gehen wird. Technik wird sich allenfalls durch Technik komplettieren lassen. Dabei ist vor allem an mehr oder weniger weit entwickelte Techniken der quantifizierenden Informationsverarbeitung und der statistischen Datenaggregation und Kontrolle zu denken, die bei Output-Messungen, aber auch bei direkten Anforderungs- und Leistungsmessungen ansetzen können. Mit ihrer Hilfe läßt sich der Informationsstand der Organisationsleitung verbessern, aber nicht nur das. Der Zusammenhang der Steuerungsentscheidung mit den Mechanismen der Selektionsübertragung wird gelockert. Die Änderungen mögen sich auf das Produktionsprogramm beziehen, auf die Stellenorganisation oder auf das Personalsystem mit seinen Kriterien für Eignung, Leistung und Bezahlung. Für die Betroffenen haben sie keinen direkten Bezug zu eigenem vorherigen Verhalten oder zu sonstigen auslösenden Ereignissen. Sie ergeben sich vielmehr aus hochaggregierten Daten. Sie erfolgen nicht im Wege der Sanktion, sind daher auch nicht androhbar und erst recht keine Vermeidungsalternative, deren Realisierung man nach Möglichkeit zurückhält. Sie ändern die Parameter und Entscheidungsprämissen künftigen Handelns im System als Konsequenz von Anspruchsniveau und Sachstand. In die Definition und die Einschätzung solcher Urteilsgrundlagen gehen natürlich systempolitische Entscheidungen ein. Selbststeuerung wird <?page no="126"?> IX. Organisierte Macht 127 nie ein logischer Automatismus sein. Erst recht halten wir jedes Urteil über die »Rationalität« solcher Steuerungsformen zurück. Die Leistungsfähigkeit und die Lernfähigkeit der entsprechenden Technologien sind soziologisch noch nicht abschätzbar und sind als gesamtgesellschaftliche Realitäten unbekannte Größen nach Ausmaß und Verbreitung. Ungeachtet dessen zeichnen sich hier Möglichkeiten ab, Organisationsmacht als rein formale Macht der Definition von Mitgliedschaftsbedingungen zu rekonstruieren und sie in ihren eigenen Regelkreisen zu domestizieren. Das hieße: die kleine Welt der Interaktion und die große Welt der Organisation stärker zu differenzieren und in jeder das ihr entsprechende Machtspiel zu spielen. <?page no="128"?> 129 Anmerkungen 1 Vgl. etwa Harsanyi (1962 a) und (1962 b); ferner Tedeschi, Bonoma, Brown (1971); Baldwin (1971 c) und Bonoma, Tedeschi, Lindskold (1972). 2 Siehe etwa Riker (1964); Danzger (1964); March (1966); Wrong (1968) oder Luhmann (1969 b). 3 Auf die Besonderheit dieser Fragestellung hat vor allem Lehman (1969) hingewiesen. 4 Namentlich Sozialpsychologen laufen diese Gefahr. Typische Beispiele wären: Raven (1965) und Clark (1965). 5 Die Behandlung speziell der Macht als Kommunikationsmedium beginnt mit Parsons (1963 a). Für weitere Anregungen, Anwendungen und Kritiken siehe Chazel (1964); Mitthell (1967); Lessnoff (1968); Giddens (1968); Turner (1968); ferner Baldwin (1971 a) und Blain (1971). Im Folgenden wird der Begriff des Kommunikationsmediums in einer Weise gebraucht, die vom Parsons’schen Interchange-Paradigma unabhängig ist, die deshalb auch nicht auf der Vorstellung eines Tausches aufbaut und auch in anderen Hinsichten von der Konzeption Parsons’ abweicht. Die Unterschiede hängen von der Auffassung des Kontingenz-Problems ab und sind erläutert in meinem Beitrag »Generalized Media and the Problem of Contingency« zu einer geplanten Parsons-Festschrift. 6 Vgl. z. B. Homans (1964) und Maciejewski (1972). 7 Diese Aussage soll zugleich anzeigen, wie problematisch es ist, das Individuum als Subjekt zu bezeichnen. Mit dieser Aquivokation wird der Aufstieg vom Abstrakten zum Konkreten allzu mühelos bewältigt. 8 Zu diesem Kommunikationsbegriff vgl. MacKay (1969). 9 Vgl. Berger, Luckmann (1969); McLeod, Chaffee (1972); ferner Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (1973). 10 Siehe z. B. Marshall (1961). 11 Hierzu vgl. Goody, Watt (1963) und Goody (1973). 12 Der »Dialog« wird dann als literarische Form gepflegt, als ein sich selbst widersprechender Protest gegen das Erfordernis der Schriftlichkeit; und so erst erreicht er stilistische Perfektion. <?page no="129"?> 130 Anmerkungen 13 Dem trägt Parsons Rechnung durch die These eines double contingency als Voraussetzung der Bildung komplementärer Erwartungen. Vgl. Parsons, Shils (1951: 14 ff.); siehe ferner die bemerkenswerte Definition von authority als Festlegung von Entscheidungsprämissen (nicht Entscheidungen! ) anderer bei March, Simon (1958: 90). 14 Infolgedessen ist es im Rahmen einer allgemeinen Machttheorie wenig sinnvoll, die Entscheidungsprobleme der einen oder der anderen Seite einseitig zu betonen. Für besondere Machtkonstellationen mag dies anders sein. So empfiehlt Fisher (1969) den Ämtern für auswärtige Angelegenheiten, sich weniger um die Präzisierung der eigenen Politik als um die anderer Staaten zu kümmern und vor aller Machtanwendung bejahbare Entscheidungen anderer Regierungen auszuarbeiten. 15 Vor allem Abramson, Cutler, Kautz, Mendelson (1958) betonen diesen Gesichtspunkt, daß in der Machttheorie die Mehrheit von Handlungsmöglichkeiten auf beiden Seiten zu berücksichtigen sei. 16 Vgl. dazu die Beobachtung von Crozier (1963, insb. 193 ff.), daß in stark durchstrukturierten Organisationen die Macht dorthin abwandert, wo in bezug auf Handlungswahlen, von denen andere abhängig sind, noch ein Rest von Unsicherheit besteht. Als Ausweitung zu einer allgemeinen »strategic contingencies theory« der Macht siehe Pennings et al. (1969); Hinings et al. (1974). 17 Dieser Anwendungsfall physischer Gewalt - man bewegt fremde Körper, um sie z. B. zur Veränderung ihrer Lage im Raum zu veranlassen - ist sorgfältig zu unterscheiden von symbolischen Gebrauch physischer Gewalt zur Bildung von Macht. Darauf kommen wir unter IV. zurück. 18 Ein Problem, das hier nur angemerkt werden kann, besteht darin, daß alle diese Maße relativ sind auf die Bedingungen der Möglichkeit, die man zu Grunde legt. Messung setzt daher immer voraus, daß die Beteiligten einem System angehören und durch gemeinsame Bedingungen des Möglichen beschränkt sind. 19 Dazu Danzger (1964: 714 ff.). 20 Siehe z. B. Walter (1966) und dazu kritisch: Mayhew, Jr., Gray (1969). Hierzu nochmals S. 107 ff. 21 Vgl. hierzu eine Reihe von Experimenten, die explizit von auf beiden Seiten bestehenden Alternativen ausgehen, nämlich: Thibaut, Faucheux (1965); Thibaut (1968) und Thibaut, Gruder (1969). <?page no="130"?> Anmerkungen 131 22 Dem wird in Machttheorien gelegentlich explizit, zumeist implizit Rechnung getragen. Für eine entsprechende Definition des Machtbegriffs siehe van Doorn (1962/ 63: 12). 23 Einen neueren Überblick über Probleme der Kausaltheorie der Macht findet man bei Dahl (1968: 410 ff.). Vgl. auch Gamson (1968: 59 ff.); ferner Stinchcombe (1968: 163 ff.) mit dem Vorschlag einer informationstheoretischen Formulierung des kausalen Machtkonzepts. 24 Dieses Merkmal wird häufig in der von Max Weber angeregten Form berücksichtigt. Man nimmt Macht nur dort an, wo der Machthaber sich auch gegen Widerstreben durchsetzen kann (siehe Weber 1948: 28). Diese Begriffsfassung übernehmen z. B. Emerson (1962) und Holm (1969). Auf der Ebene einer allgemeinen Theorie der Kommunikationsmedien ist zunächst nur die selektive Bestimmung, das »Prozessieren von Kontingenz« wesentlich. Auf die spezifischen Eigenarten, die dieser Vorgang im Falle der Macht annimmt, kommen wir zurück. 25 Diese Auffassung greift auf Max Webers Begriff der Chance zurück. Wrong (1968: S. 677f.) weist mit Recht darauf hin, daß hier die Einschätzung des Machtunterworfenen gemeint ist und nicht die statistische Analyse der Fälle faktischer Machtausübung durch den Soziologen. 26 In diesem Sinne formuliert Dahl 1957 nicht nur die Macht selbst als Chance, sondern auch die Kausalität der Macht als Änderung von Wahrscheinlichkeiten. 27 Zum Beispiel eine allgemein zu beobachtende Tendenz zu eher positiven Situationsdefinitionen, die vermutlich den Fall doppelter Negation (wenig unwahrscheinlich) selten vorkommen läßt. Vgl. z. B. Jordan (1965); Kanouse, Hanson (1971). Eine andere Frage wäre, ob negative bzw. positive Beurteilungen die jeweils größere Interferenz mit Alternativen haben, ob Unwahrscheinliches oder ob Wahrscheinliches mehr andere Möglichkeiten blockiert bzw. offenläßt. 28 Dazu und dagegen auch Nagel (1968, S. 132 f.); Gamson (1968, S. 69 f.) und Wrong (1968, S. 678 f.); ferner Schermerhorn (1961, S. 95 f.) am Beispiel der lokalpolitischen Macht der ansässigen Großunternehmen. 29 So Nagel (1968). 30 Hierzu Luhmann (1972 a). <?page no="131"?> 132 Anmerkungen 31 Noch einschneidender wirkt sich diese Umdisposition im Bereiche anderer Kommunikationsmedien aus. Wahrheit kann, wenn als Kommunikationsmedium gesehen, nicht mehr als Eigenschaft von Vorstellungen oder von Sätzen charakterisiert werden, Liebe nicht mehr als Gefühl, Geld nicht mehr als Habe, Glaube nicht mehr als innere Bindung der Person. Für die Soziologie der Kommunikationsmedien sind derartige Vorstellungen und Zurechnungen nicht Merkmale ihrer Theorie, sondern Merkmale ihres Gegenstandes: Verständigungsvereinfachungen des gesellschaftlichen Lebens, das sich an generalisierten Codes orientiert. 32 Schon Hierarchien im allgemeinen steuern, wie man aus experimentellen Forschungen weiß, den Zurechnungsprozeß in diesem Sinne. Vgl. Thibaut, Riecken (1955). 33 Ebensowenig gilt natürlich das Umgekehrte: den Machtunterworfenen als ausschlaggebende Ursache für das Zustandekommen von Macht anzusehen. So zahlreiche amerikanische Definitionen von Weisungsgewalt (authority) im Anschluß an Barnard (1938, S. 161 ff.); Simon (1957); Peabody (1964); ferner im Hinblick auf Drohungen Lazarus (1968, S. 339 ff.); Fisher (1969). 34 Lehman (1969) weist zum Beispiel auf die verstärkte Bedeutung einer stabilen, voraussagbaren Zurechnung der Macht auf der makrosoziologischen Ebene hin. Eingehendere Untersuchungen sind mir nicht bekannt. 35 Siehe Gouldner (1971, insb. S. 290 ff.). 36 Vgl. Guzmän, Borda, Luna (1962). 37 Siehe auch die Kritik von Habermas in: Habermas, Luhmann (1971, S. 202 ff.) an dem Gesichtspunkt der funktionalen Äquivalenz von Erleben und Handeln und von Loh (1972, S. 48 ff.) unter dem Gesichtspunkt eines unterschiedlichen Verhältnisses zur Identifikation von Systemen. 38 Mit der Unterscheidung von internaler und externaler Zurechnung arbeitet auch die Sozialpsychologie, und zwar an der wichtigen Nahtstelle von Kognitionspsychologie und Motivationspsychologie. Vgl. Lefcourt (1966); Kelley (1967); Jones et al. (1971); Meyer (1973). 39 Vgl. Luhmann, Selbststeuerung der Wissenschaft in: ders. (1970, S. 232-252 [233]). Die sozialpsychologische Forschung belegt vor allem, daß auch bei Enttäuschung kognitiver Erwartungen Emotiona- <?page no="132"?> Anmerkungen 133 lität auftritt - vermutlich wegen dieser Gleichheitszumutung. Vgl. z. B. Carlsmith, Aronson (1963); Keisner (1969). 40 Zu dem hier gemeinten Motivbegriff vgl. Blum, McHugh (1971). 41 Siehe als neueren Forschungsüberblick Maselli, Altrocchi (1969). 42 Als Ursache allein schon deshalb nicht, weil Wille und Motiv gar nicht unabhängig von dem Handeln, das sie bestimmen, bestimmbar sind. Vgl. Melden (1961, S. 83 ff.). 43 Auch die Kategorie des Interesses gehört in diesen Zusammenhang, ist sogar in der Zeit ihrer maßgebenden Prägung am Anfang der bürgerlichen Gesellschaft eigens für ihn entworfen worden. Interesse ist das (nur) in der Reflexion, also (nur) im Erleben erreichbare Handelnsmotiv, das in der Erlebnisperspektive sofort als problematische Absonderung erkennbar und für die bürgerliche Gesellschaft als ein primär ökonomisches mit der gesellschaftlichen Differenzierung verknüpft wird. Mit dem Überführen von Handelnsdifferenzierung in Erlebenskategorien ist hier, wie sonst, das Erfordernis der sozialen Einhelligkeit verknüpft, das in der bürgerlichen Gesellschaft aber weder durch religiöse Inbrunst (Fenelon) noch durch die konkrete Sittlichkeit des Staates (Hegel), ganz zu schweigen vom Unbegriff des »öffentlichen Interesses«, erreicht werden kann, sondern nur noch durch Geld als die Harmonisierungsformel nicht aufgehobener Interessen. Zur Begriffsgeschichte von »Interesse« siehe Spaemann (1963, insb. S. 74 ff.); Hirsch-Weber (1969, S. 50 ff.); Neuendorff (1973). 44 Wir setzen keine transitive Ordnung der Präferenzen voraus. Soweit es eine solche gibt, erleichtert sie natürlich die Kalkulation der Macht und ihre Ausnutzung bis in Grenzfälle. Siehe im übrigen zur binären Schematisierung von Präferenzen S. 51 ff. 45 Die Kontingenz der Macht liegt mithin schon im Bereich bloßer Möglichkeiten, nicht erst in der Entscheidung über den »Einsatz von Machtmitteln«. Siehe dazu die durchgehende Unterscheidung von noncontingent und contingent threats bzw. promises bei Tedeschi (1970). 46 Anders eine verbreitete Theorie der Drohung, die im bloßen Drohen nur einen »Ersatz« für die eigentliche Machtausübung sieht - einen Ersatz mit bestimmten, generalisierende Kräfte freisetzenden Eigenschaften. Siehe z. B. Clausen (1972, S. 8). Diese Konzeption kommt den unten zu erörternden Vorstellungen über Generalisierung von <?page no="133"?> 134 Anmerkungen Macht sehr nahe. Von »Ersatz« sollte man m. E. aber deshalb nicht sprechen, weil dieser Begriff Funktionsgleichheit von Sanktion und Drohung voraussetzt; und daran fehlt es. 47 An diese Darstellung könnte eine Theorie und Kunstlehre der Provokation anknüpfen. Provokation fordert den Machthaber heraus, seine Vermeidungsalternative zu zeigen oder gar zu realisieren und damit seine Macht selbst (! ) zu zerstören, - ein typisch kindliches Probierverhalten, das aber auch als gesellschaftspolitische Strategie empfohlen wird. 48 So z. B. Riggs (1957, S. 70 und 86). Vgl. auch Parsons (1964 a); Coser (1967, S. 93 ff.). 49 Obwohl die Unterscheidung alt und geläufig ist, gibt es relativ wenig empirische Forschung zu einem Vergleich negativer und positiver Sanktionen. Einen Überblick geben Raven, Kruglanski (1970, S. 86 ff.). Im Hinblick auf Kooperationsbereitschaft als abhängige Variable siehe insb. Miller, Butler, McMartin (1969); Schmitt, Marwell (1970); Chenney, Harford, Solomon (1972). 50 So explizit Parsons (1963 a); Blau (1964, S. 117); Bachrach, Baratz (1970, S. 21 ff.). Vgl. ferner Baldwin (1971 b), der zeigt, daß die politische Wissenschaft überwiegend in dieser Richtung tendiert, der die wichtigen Unterschiede zwischen negativen und positiven Sanktionen herausarbeitet - und dann überraschend doch für einen beide Sanktionsarten übergreifenden Machtbegriff optiert. Mein Hauptbedenken gegen einen so weiten Machtbegriff ist, daß er Geld und Liebe als Einflußformen einschließt. 51 Blau (1964, S. 116), spricht von einer »initial baseline«, also einem Status quo, in bezug auf den erst Bestrafung und Belohnung sich unterscheiden lassen. 52 Es handelt sich hier nicht um einen Unterschied von aktueller und potentieller Macht (wie häufig formuliert wird), sondern um die wirkliche und wirksame Orientierung an Möglichkeiten - um Friedrichs law of anticipated reactions. Vgl. Friedrich (1941, S. 589 ff.), ferner ders. (1963). Siehe auch die Unterscheidung von »power as potential« und »potential for power« bei Rose (1967, S. 47), und dazu Wrong (1968, S. 678 ff.). Bei aller Bemühung um diese Unterscheidung bleiben ihre logischen und theoretischen Grundlagen letztlich unklar. Die Differenz einer bloß möglichen Macht und eines Machtpotentials, dessen Ausübung wahrscheinlich ist und das <?page no="134"?> Anmerkungen 135 als solches per anticipationem schon wirkt, kann nur durch Rückgriff auf unterschiedliche Bedingungen der Möglichkeit geklärt werden, und das heißt durch Unterscheidung von Systemreferenzen. 53 Siehe Goodman (1965, S. 50). 54 Vgl. March (1966, S. 58 ff.). 55 Das einfachste Prinzip dieser Art ist: daß man Macht nur in dem Maße des sich zeigenden Widerstandes anwendet (so z. B. Clark, 1965, S. 12 f.). Die weitergehende Frage ist jedoch, ob eine »ökonomische« Handhabung von Macht nicht auch Verzichte auf Durchsetzung impliziert, so wie ökonomische Rationalität generell nicht bestimmte Erträge maximiert, sondern Relationen zwischen Aufwand und Ertrag. 56 Harsanyi (1962 a und 1962 b). 57 So z. B. Abramson et al. (1958, S. 17). Parsons übersteigert dieses Problem in Analogie zum Medium Geld durch die These, daß jede Machtanwendung »spending of power«, also Machtverlust bedeute. Vgl. Parsons (1963 a, S. 246); ders. (1964 a, S. 50 f.); ders. (1966, S.-97 ff.). 58 Auch die Enthüllung dieser Lage kann mit Provokationen intendiert sein, nämlich mit Bagatell-Provokationen, die dazu dienen, den Einsatz von Macht um der bloßen Macht willen herauszukitzeln und offenzulegen. 59 Vgl. zu diesem Konzept Watzlawick, Beavin, Jackson (1967). 60 »Formuliert« im Sinne von Garfinkel, Sacks (1970). Diese »Formulierung« eines Code-Bezugs in der täglichen Interaktion ist streng zu unterscheiden von der allgemeinen Formuliertheit des Codes, etwa seinem Vorhandensein in der Form eines schriftlichen Textes. Auch Texte müssen noch zitiert werden, und das ist hier mit Formulierung gemeint. 61 Hierzu interessant die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über Kommunikationsbeziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen von Burns (1954). Vgl. auch, die Tendenz bestätigend, Webber (1970, insb. S. 244 ff.); Zaleznik, Dalton, Barnes (1970, S. 97 ff.). 62 Fisher (1969, insb. S. 27 ff.), sieht auch in dieser Frage ein Strategieproblem und rät dem Machthaber, nicht routinemäßig oder unter dem Gefühl des Engagements zu verfahren, sondern jeden Schritt im Hinblick auf die Situation und im Hinblick auf die Entscheidungs- <?page no="135"?> 136 Anmerkungen möglichkeiten des Adressaten neu zu entscheiden. Parallel dazu müßte man jedoch untersuchen, von welchen strukturellen Vorbedingungen die Offenheit der Zukunft des Machthabers abhängt. 63 Zu diesem Vergleich siehe auch Talcott Parsons - in einem freilich etwas anderen Sinne des »spending of power« durch Festlegung von »binding decisions«, was eine Übertragung der ausgegebenen Macht impliziert. Siehe Parsons (1963 a, S. 246); ders. (1964 a, S. 50 f.) und ders. (1966, S. 97 ff.). 64 In der amerikanischen community power Forschung spricht man von »issues«. 65 Anders im Wirtschaftssystem, wo die medienorientierten Prozesse auf thematische Integration verzichten müssen und deshalb als Substitut für Themen »übertragbare« Geldsymbole fungieren, deren Identifizierbarkeit die Konsistenz der selektiven Ereignisse garantiert. Das ermöglicht es, sich das »Fließen« des ökonomischen Prozesses trotz Wechsels der thematischen Interessen am Kreislauf der Geldsymbole von Hand zu Hand zu veranschaulichen. An dieser höheren Abstraktheit des Geldes findet der Vergleich von Machtzirkulation und Geldzirkulation seine Grenzen. 66 Dieses Problem untersucht am Beispiel älterer Großreichsbildungen Eisenstadt (1963). 67 Vgl. z. B. Hahm (1967). 68 Siehe Holm (1969) und vergleiche die Definition S. 278: »Die Macht von A gegenüber B ist die Fähigkeit von A, dem Handelnden B negative Werte beifügen zu können.« 69 welche dann in die Schwierigkeiten führt, welche man mit der Wahl des Machtbegriffs vermeiden wollte. Dazu Holm (1969, S. 282). Zur Kritik der methodologischen Vereinfachungen dieses Ansatzes vgl. auch Krysmanski (1971, S. 65 ff.). 70 Vgl. Douglas (1966), insb. S. 94 ff. 71 Vgl. Parsons (1951, S. 10 f.); ferner ders., Bales, Shils (1953, S. 41 f.). 72 Siehe den Begriff des state of conditional readiness bei MacKay (1972, S. 12 f.). 73 Vgl. zu Molekularsystemen mit Fähigkeiten zu komplementärer Instruktion Eigen (1971, S. 492 ff.). 74 Dazu und zu den Grenzen sprachlich artikulierbarer Negationsmöglichkeiten vgl. Schmidt (1973). <?page no="136"?> Anmerkungen 137 75 Ich benutze absichtlich die Vergangenheitsform, um zu sagen, daß die Machtäußerung den Partner in die Lage bringt, eine andere Geschichte haben zu müssen, nämlich eine Geschichte, die seinen Zielen eine Selektionsschärfe mit bestimmten Frontenstellungen gibt. 76 Hierzu näher S.-57 ff. 77 Siehe Bachelard (1938); ders. (1940). 78 Vgl. hierzu Günther (1959); ders. (1967). Ferner zur Ungelöstheit der entsprechenden Code-Probleme in der Systemtheorie selbst Heil (1971/ 72). 79 Die gleichen Erscheinungen sind bei anderen Kommunikationsmedien funktionswichtig. Es ist völlig undenkbar, daß alle fungierenden, abstimmungsnotwendigen Wahrheiten ständig durch Kommunikation übermittelt werden. Im Falle der Liebe beruht ein Hochgefühl des Verständigtseins gerade auf der Unnötigkeit des plumpen Mittels sprachlicher Kommunikation (insofern sehr problematisch Berger, Kellner, 1965), und das Herausfordern ausdrücklicher Kommunikation kann schon ein Zeichen von Krise sein. Ebenso beruht der Ordnungserfolg des Kommunikationsmediums Geld weitgehend auf Rechenoperationen, die nur in Grenzfällen auf ein explizites Testen des Marktes, ein Fragen nach Preisen usw. angewiesen sind. In all diesen Fällen ist eine Differenzierung der Code-Symbole und der Themen vorausgesetzt, um deren Reduktion es jeweils geht. Darauf kommen wir im Text gleich zurück. 80 Hierzu aus dem Organisationsmilieu Mechanic (1962); Rushing (1962); Kahn, Wolle, Quinn, Snoek (1964, S. 198 ff.). Vgl. ferner Walter (1966). Meine Vermutung ist, daß moderne Tendenzen zu einem verständnisbereiten, permissiven, Partizipation vorsehenden Führungsstil eine Folge dieses Umstandes sind, daß zu mehr die Macht des Vorgesetzten ohnehin nicht reicht; oder anders formuliert: daß Machtsteigerungen durch Entlastung des Kommunikationsprozesses notwendig sind, aber eine gewisse Teilung des Machtzuwachses voraussetzen. Hierzu näher S.-109-ff. 81 Die Bedeutung solcher Themenunabhängigkeit läßt sich gut erkennen am Gegenbeispiel - an einem System, wie einer Universität oder einer Fakultät, das starke Personalisierung von Macht durch themenabhängiges Fluktuieren gleichsam neutralisiert, eben damit aber über Macht auch nicht gesteuert und auf Macht hin von außen nicht angesprochen werden kann. Vgl. dazu die ausgezeichneten Analysen <?page no="137"?> 138 Anmerkungen von Bucher (1970). In jedem Falle scheint die Universität als auf Wahrheit und Erziehung spezialisierte Organisation eine Neutralisierung von Macht zu benötigen. Heute wird jenes dynamische und konsensfähige Machtpatt der Personen zunehmend durch das statische Machtpatt eines Gruppenkonfliktes ersetzt, in dem dann ein an den Geschäften noch interessierter »innerer Kreis« von Personen die faktische Macht ausübt. 82 Dieses Auseinanderziehen scheint im Falle der Macht wichtiger zu sein als im Falle des Geldes. Man kann Geld sehr wohl denen absammeln, die mit Hilfe des gesammelten Geldes erst davon überzeugt werden müssen, daß das Geld gesammelt werden muß; denn es gibt Kredit. Das Äquivalent im Falle der Macht wäre das Bluffen mit Machtmitteln, die erst durch den Bluff erzeugt werden. 83 Für das politische Scheitern der chinesischen Theoretiker und Fürstenberater, die man Legisten nennt, scheint einer der wesentlichen Gründe das Fehlen einer Trennung von Amt und Person des Herrschers gewesen zu sein. Das hatte die Folge, daß eine schon hochabstrakte, entmoralisierte Machttheorie und -praxis sich konkret bestimmten Herrscherpersönlichkeiten verpflichtete und mit ihnen stand und fiel. Vgl. dazu Vandermeersch (1965, insb. S. 175 ff.). Die zeitgenössischen Reflexionen vermitteln den Eindruck, daß infolgedessen ein Obermaß an Intelligenz auf die Beobachtung des Herrschers verwandt werden mußte. Siehe etwa Han Fei Tzu (1964) und auch Bünger (1946). 84 Dazu nochmals S. 67 f. 85 Als ein Beispiel für viele: Bensman, Gerver (1963). 86 Hierauf könnte sich die Feststellung von Evan (1965) beziehen, daß in höheren Rängen mehr offene Konflikte zu beobachten sind. 87 also Macht nicht mehr in den Befehlen sitzt - so wenig wie Liebe in Liebesakten, Wahrheit in Worten oder Sätzen, Geld in Münzen. 88 Vgl. dazu Luhmann (1971 a, S. 188 ff., 207 f.); Grunow (1972, insb. 18-ff.). 89 An diesem Beispiel versucht Blain (1971) eine Alternative zu Parsons’ Tauschmodell der Kommunikationsmedien zu entwickeln. 90 Hierzu Bachelard (1938). 91 Siehe Luhmann, Reflexive Mechanismen, in ders. (1970, S. 92-112). 92 Für einen Grenzfall interessant: Smith (1960). <?page no="138"?> Anmerkungen 139 93 Das zeigt sich deutlich an der hierfür kritischen Stelle: an der Einrichtung politischer Wahlen, die zwar für einen Wechsel der höchsten Machthaber sorgen können, aber eben deshalb auf einer ausdifferenzierten Rollenstruktur beruhen, so daß der politische Wähler kaum in der Lage ist, seine Interessen aus anderen Rollen in politische Macht umzusetzen. 94 Auch hierfür lesenswerte Beiträge bei Smith (1960, S. 27 ff.); zu den machttheoretischen Problemen reziproker Macht vgl. ferner Wrong (1968, S. 673 ff.). 95 Hierzu Luhmann, Selbststeuerung der Wissenschaft, in ders. (1970, S. 232-252). 96 Bemerkenswert ist, daß im Falle von Wahrheit/ Reputation die Relevanz für Außenbeziehungen sich umzukehren scheint: Der gesellschaftlichen Umwelt des Wissenschaftssystems ist zwar wissenschaftliche Reputation als Autorität verständlich, nicht aber die eigentlichen theoretischen Standards und methodischen Kriterien der Wahrheitsfindung. 97 Dieser Vergleich kann hier nicht ausgearbeitet, er sollte aber gegen ein mögliches Mißverständnis geschützt werden. Der binäre Schematismus der Liebesbeziehung besteht nicht etwa in der Zweiheit der Partner, sondern darin, daß die öffentliche Welt durch eine Privatwelt dupliziert wird, in der alle Vorkommnisse nochmals gewertet werden können im Hinblick darauf, was sie für das Erleben des Partners bedeuten. Daß es sich dabei jeweils nur um einen (im ganzen also nur um zwei) Partner handelt, ermöglicht die Eindeutigkeit dieser Zuordnung einer Parallelwertung. Die vom Code für Liebe/ Ehe vorgeschriebene Zweiheit der Partner ist also nur eine Duplikationsregel, nicht schon die Duplizität selbst. Die Duplikation ist dann nach Maßgabe jener symbolischen Instruktion erst noch zu leisten. Das heißt: Sie kann mißlingen. 98 Hierzu Luhmann (1974 a, S. 60 ff.). 99 Daran anschließend siehe S. 46 ff. 100 Dazu Kelly (1958); Weinrich (1967). 101 Dies ist ein uraltes Problem der Weltkonstruktion archaischer Gesellschaften, das in späteren Gesellschaften im Zuge fortschreitender Differenzierung auf die Einzelmedien gleichsam delegiert wird und so eine rationalere, besser spezifizierbare, zugleich aber umso unwahrscheinlichere Fassung erhält. Zu älteren Formen siehe etwa <?page no="139"?> 140 Anmerkungen Massart (1957); Yalman (1962); Leach (1964). Eine neuere Version des gleichen Problems steckt im Arrow-Theorem, das die sehr restriktiven Bedingungen betrifft, unter denen eine Menge komplexer Gesichtspunkte sich durch eine Ja/ Nein-Entscheidung ausdrücken läßt. Vgl. Arrow (1963). 102 Vgl. Sorel (1936). 103 Vgl. Kuhn (1967). 104 Vgl. Parsons, Bales, Shiles (1953, S. 45 ff., 81); ders. (1960). Vgl. ferner Blau (1962). 105 Dies deshalb, weil im Recht schon sehr früh und sehr weitreichend universalistische Orientierungen ausgebildet worden sind, um sicherzustellen, daß Rechtskonflikte nach vorher feststehenden Kriterien ohne Abhängigkeit von den konkreten Merkmalen und Situationsdefinitionen der Beteiligten entschieden werden können. 106 Siehe als einen Forschungsüberblick und für weitere Hinweise Macaulay, Berkowitz (1970). 107 Die Macht der Erzieher (in Familie und Schule) scheint sich dagegen als nichtanschließbar zu erweisen, weil sie sich schwer juridifizieren läßt. Im (wie immer rechtlich konditionierten) Anschluß an externe Machtquellen scheitert zugleich die Aufgabe der Erziehung. Sie läßt sich, soweit sie überhaupt auf Sanktionsmacht beruht, auf diese Weise nicht verstärken. Und ebenso schwierig ist es, die Macht der Erzieher juristisch zu domestizieren und an politische oder gerichtliche Kontrollen zu binden. Eine bemerkenswerte Fallstudie zu diesem Problem ist Rubington (1965). 108 Siehe Stinchcombe (1968, S. 150 f., 158 ff.). Eine ähnliche Vorstellung findet sich bei Popitz (1968), in dem Gedanken, daß die »Basislegitimität« in der »gegenseitigen Anerkennung der Privilegierten« ihren Ausgangspunkt habe. Ein Vergleich dieser beiden Analysen von Popitz und Stinchcombe macht übrigens bewußt, daß das gleiche Phänomen auf der Ebene der Interaktionssysteme, von denen Popitz handelt, sehr viel problematischer ist als auf der Ebene funktional differenzierter Gesellschaftssysteme, auf der es sehr verschiedenartige Machtquellen konditional integriert. 109 Wir kommen auf diese Fragen S. 77 f. nochmals zurück. 110 Vgl. dazu S. 29. 111 Vgl. den Überblick über die Forschung bei Tedeschi (1970). <?page no="140"?> Anmerkungen 141 112 Während diese Zeilen geschrieben werden, berichtet die FAZ (vom 12. 8. 1972), Politiker aller Parteien hätten sich von einer rechtgemäßen staatsanwaltschaftlichen Untersuchung der Redaktionsräume einer Illustrierten distanziert, selbst der Bundeskanzler habe die Handlungsweise der Staatsanwaltschaft öffentlich in Zweifel gezogen. Damit wird das Recht als hinreichender Anlaß für die Ausübung von Macht diskreditiert. Und die Frage entsteht, auf welchen Code sonst Herr Brandt seine Glaubhaftigkeit als Machthaber stützen wollte: auf die Anerkennung seiner guten Absichten? Oder auf das Faktum überlegener Gewalt? Beide Antworten hätten einen regressiven Charakter; sie würden auf einen gesellschaftlich-politischen Zustand verweisen, der mit der rechtsstaatlichen Codierung politischer Macht gerade überwunden worden war. 113 Zur Entstehung von Hierarchien aus Gewaltverhältnissen vgl. Rammstedt (1973). 114 Zur Kritik entsprechender theoretischer Prämissen Luhmann (1969), S. 160ff. Während die Hierarchie-Kritik geläufig ist, hat auf das Problem der Summenkonstanzprämisse vor allem Parsons aufmerksam gemacht - siehe 1963 a, S. 250 ff. und ders., 1963 b, S. 59 ff. Vgl. ferner Lammers (1967) und im Hinblick auf Tausch- und Ausbeutungsprozesse zwischen Zentrum und Peripherie Jessop (1969). 115 Diese Forderung, die Medien-Theorie von den normativen Codes der Medien selbst analytisch unabhängig zu machen, würde ich - gegen die Bedenken von Habermas und anderen - selbst im Falle des Kommunikationsmediums Wahrheit aufrechterhalten - hier allerdings in der besonderen Form einer Rückkopplung der Medien- Theorie an ihren Gegenstand. Die Medien-Theorie, für die, wie wir gesehen haben, selbst Logik, selbst Widerspruchsfreiheit, zunächst ein Merkmal des Wahrheits-Codes ist, wird sich dann selbst an ihren Erkenntnissen auf ihre eigene Wahrheitsfähigkeit hin zu prüfen haben. Vgl. Habermas, Luhmann (1971, S. 221 ff., 342 ff.). 116 Diese Aussage gilt natürlich nur im Rahmen des auf S.-28-f. akzeptierten Motivbegriffs. 117 Hierfür existieren in bürokratischen Organisationen ausgearbeitete Ritualien. Macht-Codes, die gegentendentiell gebaut sind und zum Beispiel dem Untergebenen das Recht und die Pflicht und damit auch die Verantwortung für Gehorsamsverweigerung bei rechtswidrigen Befehlen zuschieben, müssen aus diesen Gründen mit fehlen- <?page no="141"?> 142 Anmerkungen der Durchführbarkeit rechnen. Im Bereich des Militärs beispielsweise kommt ein Untergebener normalerweise gar nicht auf den Gedanken, daß die Selektion der Durchführung eines Befehls ihm selbst zugerechnet werden würde, und die Informationslast, in allen Befehlssituationen zu prüfen, ob dies ausnahmsweise doch der Fall ist, dürfte so hoch sein, daß eine entsprechende Verantwortungsverschiebung wenig Erfolg verspricht. Gleichwohl mögen auch illusionäre Elemente dieser Art in einem Macht-Code angebbare Funktionen erfüllen. Vgl. dazu Rostek (1971). 118 Vgl. Lovejoy (1936). Zum Zusammenhang von Perfektion und Negation auch Burke (1961, insb. S. 283 ff.). 119 bei Aristoteles, Pol. 1252 a 5; principalissimum bei Thomas (1492, S. 1). 120 So bei der allmählichen Verdrängung des ens quo maius cogitari nequit (Anselm) durch das ens infinitum (Duns Scotus) im späten Mittelalter mit Konsequenzen für die wissenschaftliche Anerkennung der aktualen Unendlichkeit der Welt ohne Berührung der Gott zustehenden Attribute. Dazu Maier (1947). 121 Vgl. Calasso (1951); von der Heydte (1952); Quaritsch (1970, S.-80-ff.). 122 Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist Kelsens Lehre von der Grundnorm, wenn man sie, die rechtmäßige Machtausübung begründen soll, als erkenntnistheoretische Hypothese begreift. Vgl. z. B. Kelsen (1960). Eine andere Fassung dieses Gedankens ist die bekannte These von Jürgen Habermas, alle Macht müsse sich in Diskursen der Frage nach ihrer Begründung stellen. 123 Vgl. etwa Parsons (1964 b). Nach Parsons wird das Medium power in sozialen Systemen durch das Medium influence und das Medium influence durch das Medium value commitments kontrolliert. Siehe im einzelnen Parsons (1963 b) und ders. (1968). 124 Siehe als ein Beispiel für viele Bänger (1946, S. 27 f., 66 ff.); oder die Paulus-Stelle D 32,23: »Ex imperfecto testamento legata vel fideicommissa imperatorem vindicare inverecundum est: decet enim tantae maiestati eas servare leges, quibus ipse solutus esse videtur« (Hervorhebung durch mich, N. L.). 125 Zur Herkunft und zur mittelalterlichen Verwendung dieser Formel aus den Digesten (D 1, 3, 31) vgl. Esmein (1913); Krause (1952, S. 53 ff.); Tierney (1962-63). Sie besagte ursprünglich nichts weiter als <?page no="142"?> Anmerkungen 143 ein konkret gefaßtes Privileg zur Selbstdispension z. B. von baupolizeilichen Vorschriften. 126 Wie unter anderen Lipp (1972) befürchtet. In diese Richtung gezielte Fragen hat auch Rainer Baum (mündlich) gestellt. 127 Vgl. S. 41 ff. 128 Zur Kreation und Karriere politischer Themen vgl. auch Luhmann, Öffentliche Meinung, in ders., 1971 a, S. 9-34. 129 Anschlußüberlegungen hierzu in meinem Vortrag 1973 e. 130 Für eine ausführliche Analyse siehe Luhmann (1974 b). 131 Wie schon bei der rechtlichen Zweit-Codierung der Macht, so sind auch hier bei der politischen Zweit-Codierung Tendenzen zur naiven Direktassoziation von Präferenzen zu beobachten, die dann bezeichnenderweise nicht systemstrukturell, sondern moralisch begründet werden - so das Postulat, die Macht solle progressiv (und nicht konservativ) sein, was nach der Logik des politischen Code die Gegenthese auf den Plan ruft: Die Macht solle konservativ (und nicht progressiv) sein. 132 Hierauf beruht insbesondere die vermutlich hohe Normfluktuation in archaischen Gesellschaften. Zum Unterlaufen von Normgeltungen durch Interaktionskonsens vgl. auch Luhmann (1972 b, Bd. I, S. 39, 149, Bd. II, S. 267 ff.) mit weiteren Hinweisen. 133 Vgl. S. 50 f. 134 Insofern, meine ich, ist es berechtigt, den Begriff der Legitimität bzw. Legitimation fortzuführen. So in Luhmann (1969 a). 135 Vgl. Mey (1972). Die für Organisationssysteme beste Analyse ist Dubin (1963). 136 Vgl. zu diesem Beispiel Crozier (1963, S. 142 ff., 203 ff.). Zum allgemeinen Problem der Neutralisierung zentralisierter Macht durch wachsende Interdependenzen vgl. auch Elias (1970, S. 70 ff., 96 ff.). 137 Hierzu näher Luhmann (1973 d). 138 Man kann z. B. vermuten, daß die durchgehende Bedeutung binärer Schematismen symbiotisch bedingt ist, vielleicht durch eine physiologische Differenzierung von Lust/ Unlust-Lokalisierungen, vielleicht auch in der Schwelle zwischen Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis ihre Grundlage hat. Neuere Forschungen deuten jedenfalls darauf hin, daß diese Schwelle bei Unterbrechung des Erlebnisstromes normalerweise nicht mehr als zwei Informationen für das längerfristige Gedächtnis zurückbehält. Vgl. Simon (1969, <?page no="143"?> 144 Anmerkungen S. 39f.). Wenn diese Annahme sich bestätigen sollte, wird zugleich erklärbar, daß und weshalb es auf der symbolischen Ebene bei diesen Ausgangsbedingungen vorteilhaft ist, einer dieser beiden Informationen die hochgeneralisierte Form der Negation zu geben, also in diesem spezifischen Sinne binär zu schematisieren. 139 Parsons spricht in bezug darauf von »real assets«, Deutsch von »damage control«. Beide sehen darin eine Voraussetzung für das »Überziehen« dieser Sicherheitsbasis durch Prozesse symbolischer Generalisierung. Vgl. Parsons (1963 a) und Deutsch (1969, S. 184 ff.). 140 Wir beschränken uns auf diesen Fall der Gewalt gegen Menschen. Darunter ist auch zu verstehen eine mittels Sacharrangement geübte Gewalt, die Menschen in der Freiheit der Disposition über ihren Leib behindert, etwa Einsperren in Räumen, in die sich die Eingesperrten freiwillig begeben hatten. Andere Fälle von Gewalt gegen Sachen, etwa mutwillige Zerstörungen, dienen nur dann dem Aufbau von Macht, wenn sie symbolisch gemeint sind und Bereitschaft zur Gewalt auch gegen Menschen ankündigen - etwa gegen Menschen, die ihre Sachen schützen möchten. 141 Diese Zuordnung ist natürlich nicht als exklusiv zu begreifen. Sie erklärt keineswegs alle faktischen Vorkommnisse physischer Gewalt. Diese hat vielmehr noch zahlreiche andere Funktionen und auslösende Anlässe - etwa Funktionen expressiver Art, Funktionen helfender Art, etwa bei Krankenbehandlungen, bei der Rettung Ertrinkender, vielleicht auch Funktionen erzieherischer Art usw. So argumentiert beispielsweise Fanon (1961, S. 29 ff.) auf gesellschaftspolitischer Ebene mit einer Aggregation psychischer Effekte: Gewaltakte der Unterdrückten würden deren Selbstbewußtsein steigern. Das mag sein - womit allerdings noch wenig gesagt ist über die Möglichkeiten und Schranken politisch-organisatorischer Aggregation solcher Effekte, und auch wenig über die Komplexität (»Aufgeklärtheit«) eines solchen Bewußtseins. 142 Daß diese Asymmetrie bei Vermeidungsalternativen prekär sein kann und unter Umständen umkehrbar ist, hatten wir oben in der Anm.- 47 über Provokation bereits notiert. Auch gegenüber überlegener Gewalt kann unter Ausnutzung dieser Möglichkeit eine bestimmte Art von Zwang ausgeübt werden - nämlich der Zwang, die Gewalt tatsächlich anzuwenden. Eine solche Strategie der Herausforderung zur Gewaltanwendung kann unter Umständen po- <?page no="144"?> Anmerkungen 145 litischen Erfolg haben, nämlich dann, wenn sich der Machthaber den Rückgriff auf Gewalt als Machtgrundlage politisch nicht leisten kann. 143 Vgl. dazu mit Bezug auf Kant Spaemann (1972). 144 Vgl. dazu für den Parallelbereich kognitiver Informationsverarbeitung Simon (1969). Für den Fall der Macht selbst kann man die Analysen von Popitz (1968) auswerten. 145 Zu diesen besonderen Anforderungen an »makrosoziologische« Macht vgl. auch Lehman (1969). 146 Vgl. z. B. Schermerhorn (1961, S. 36 ff.); Partridge (1963, S. 110 ff.); Buckley (1967, S. 176 ff.) oder mit weiteren Literaturhinweisen Walter (1964). 147 Husserls (1954) Problementfaltung bleibt in diesem Zusammenhang beschränkt auf den Bereich des Kommunikationsmediums Wahrheit. Für eine Phänomenologie der Praxis gibt es in seinem Werk nur wenige Anhaltspunkte. 148 Vgl. Husserl (1954). Dazu ferner Blumenberg (1963). 149 Könnte man sich mit Blumenberg (1972) eine Lebenswelt ganz ohne Kontingenzen vorstellen, könnte man sogar formulieren, daß Technik Kontingenz erst konstituiert. Dann freilich müßte auch die Phänomenologie selbst, sofern sie nach Maßgabe logischer Prämissen Wahrheit sucht, als Technik begriffen werden. 150 Siehe hierzu Simon (1969, S. 1 ff.). 151 Zu einem derart weiten Einflußbegriff als Basis für typologische Differenzierungen vgl. etwa Raven (1965); Cartwright, Zander (1968). Einen Überblick über neuere sozialpsychologische Forschungen in den Vereinigten Staaten findet man ferner bei Tedeschi (1972). 152 Hierzu und zum folgenden ausführlicher Luhmann (1971 b). 153 An der Eigenart dieses Instruments dürfte es liegen, daß zeitliche und soziale Generalisierungen sehr viel leichter fallen und sehr viel weiter getrieben werden können als sachliche Generalisierungen. Im alltäglich-lebensweltlichen Verkehr können jene aus dem Bereich bewußter Aufmerksamkeit weitgehend verschwinden. Worte können etwas bedeuten unabhängig davon, wer sie verwendet und wann sie verwendet werden, dagegen nicht in gleichem Maße unabhängig davon, was inhaltlich mit ihnen gemeint ist. Entsprechend ermöglicht die Sprache eine völlige Dissoziierung des Sprechers und des Zeitpunktes eines Sprechens von den sozialen und zeitlichen Ge- <?page no="145"?> 146 Anmerkungen halten, über die er spricht; nicht dagegen eine völlige Dissoziierung von Meinung und Bedeutung, ohne daß das die Sprache benutzende Interaktionssystem in Verwirrungen zusammenbräche. 154 Eine speziell unter diesem Gesichtspunkt zeitlicher Generalisierung (generalized reinforcement) entworfene Einflußtheorie schlagen Adams, Romney (1959 etwas ausführlicher auch in dies., 1962) auf behavioristischer Grundlage vor. 155 Diese Terminologie wird definitorisch eingeführt und ohne Anspruch auf begriffliche Konsistenz mit anderen Forschungen, die diese Termini verwenden. Die Übereinstimmung muß also von Fall zu Fall unabhängig von der Terminologie überprüft werden. Ich selbst hatte in »Funktionen und Folgen formaler Organisation« (1964, S. 123 ff.) die Bezeichnung Macht (statt Autorität), Autorität (statt Reputation) und Führung vorgeschlagen. Der Anlaß zur Umdisposition liegt in der weiteren Ausarbeitung der Theorie der Kommunikationsmedien. Begriffsgeschichtliche Analysen gibt es vor allem für auctoritas/ Autorität. Vgl. jetzt Veit, Rabe, Röttgers (1971) und Rabe (1972), jeweils mit weiteren Literaturhinweisen. 156 Eine ähnliche Unterscheidung mit ganz anderer Intention, nämlich im Hinblick auf meßbare Dimensionen der Macht, findet sich bei Dahl (1957). Dahl wählt von fünf Variablen, die seiner Ansicht nach den Machtbegriff definieren, drei den Unterworfenen betreffende als vergleichsrelevant aus. Die drei Variablen sind: scope of power (= sachlich-thematische Reichweite), number of comparable respondents (= Sozialdimension abstrahiert auf eine bloße Zahl von Unterworfenen) und change in probabilities (= Zeitdimension der Annahmebereitschaft, allerdings nicht als Permanenz, sondern als Wechsel erfaßt). Ganz ähnlich auch Kaplan (1964, S. 13 ff.). 157 Im Sinne von Luhmann (1972 c). 158 Vgl. dazu die allgemeine kybernetische Theorie der Wahrscheinlichkeit von Abweichungsverstärkungen von Maruyama (1963). 159 Seit Karl Mannheim (1927) taucht diese Unterscheidung eines unreflektierten bzw. reflektierten Traditionalismus in vielen Untersuchungen zum Problem der Tradition auf. 160 In diesem Sinne definiert Friedrich (1958) Autorität als capacity for reasoned elaboration. Er meint damit nicht ein rein subjektives Vermögen, sondern die Qualität einer Kommunikation, die eine entsprechende Antizipation mitkommuniziert. Es kommt dabei also <?page no="146"?> Anmerkungen 147 weniger auf die Fähigkeit selbst an, als vielmehr auf die Unterstellung der Fähigkeit und auf ihre Überschätzung. In der sozialpsychologischen Forschung werden die kognitiven Zusammenhänge zwischen Art der Reputation und Einfluß auf Meinungen vor allem seit Asch (1948) betont. Eigenschaften eines Kommunikanten, die seine Überzeugungskraft erhöhen, findet man auch unter der irreführenden Bezeichnung »ethos« zusammengefaßt. Vgl. Andersen, Clevenger (1963). Andere einschlägige Forschungen laufen unter Bezeichnungen wie expertness, competence, credibility. Vgl. z. B. Hovland, Janis, Kelley (1953, S. 19 ff.); Hollander (1960); Aronson, Golden (1962); Aronson, Turner, Carlsmith (1963). 161 Vgl. Luhmann, Selbststeuerung der Wissenschaft, in ders. (1970, S.-232-252). 162 Auch dieses Moment des ungeprüften, unkritischen Annehmens taucht zumeist in Erörterungen des Autoritätsbegriffs auf. So bereits bei Lewis (1849, insb. S. 6 f.) auf Grund einer alten, mit dem Unterschied von Meinen und Wissen (und das heißt gesellschaftstheoretisch: mit der Ausdifferenzierung von Wissenschaft aus der Lebenswelt) verbundenen Tradition. 163 Siehe statt anderer Weltz (1964, S. 27 ff.). 164 In der Gruppenforschung ist dagegen in bezug auf Führung betont worden, daß eine Rollenzentralisierung allein von der Funktion her noch nicht vorausgesetzt werden könne, sondern Führung im System auch diffus verteilt sein könne. Vgl. z. B. Paterson (1955, S. 117 ff.); Thibaut, Kelley (1959, S. 283 ff.); Shelley (1960); French, Snyder (1959). Siehe dazu auch die kritischen Bemerkungen von Janda (1960, insb. S. 351 f.). 165 Zur Funktion des Rechts als Sicherung einer solchen Kongruenz von Generalisierungen im Bereich normativer Erwartungen vgl. Luhmann (1972 b, insb. Bd. I, S. 27 ff.). 166 Ich denke an die - allerdings theoretisch ebenso wie empirisch noch sehr groben - Untersuchungen von Eisenstadt (1963). Vgl. auch Fried (1967) und Sigrist (1967). 167 Vgl. Luhmann (1973 a). 168 Hierzu Luhmann (1972 d). 169 Insofern irreführend die Formel von Claessens (1965), Rationalität sei Beliebigkeit. Genauer müßte man sagen: höhere Rationalität sei höhere Kontingenz der Wahl unter mehr Beschränkungen ihrer Aus- <?page no="147"?> 148 Anmerkungen übung; sie sei höhere Beliebigkeit, die mehr Beschränkungen tragen könne. Oder im Hinblick auf das für Claessens beispielgebende Medium des Geldes formuliert: Höhere Rationalität wird dadurch erreicht, daß die hohen Verwendungsfreiheiten des Geldes es ermöglichen, mehr Gesichtspunkte der Verwendungsbeschränkung in Betracht zu ziehen. 170 Vgl. Aristoteles, Politik III, 4. 171 Ausführlicher erläutert sind diese knappen Bemerkungen in Luhmann Komplexität und Demokratie, in ders. (1971 a, S. 35-45). Vgl. auch ders. (1965; 1973 b). 172 Siehe Elias (1970, S. 70 ff., 96 ff.). Vgl. dazu auch die Darstellung der bürgerlichen Revolution als Aufhebung der alten Balance von »center« und »periphery« mit der Folge einer Ideologisierung und Protestempfänglichkeit von Politik bei Eisenstadt (1971), Introduction to Ch. 9-12, S. 317 ff. 173 Vgl. Ritter (1957). 174 Diese politisch gewonnene Zufallsunabhängigkeit einer höher entwickelten Gesellschaft war ein Leitthema der altchinesischen politischen Philosophie, die man Legistik nennt. Vgl. Duyvendak (1928), insb. die Einleitung S. 109 ff. 175 Vgl. dazu S. 48 f. zur Bildung reziproker Macht in Machtketten und ausführlicher S. 119 ff. 176 Vgl. Bachrach, Baratz (1962) und dies. (1963). 177 Daraus kann in keiner Weise der Schluß gezogen werden, daß der Status quo erhalten bleibe und die Gesellschaft daran gehindert werde, sich zu ändern. Ein rapider gesellschaftlicher Wandel ist ohnehin in Gang; es ist weder möglich noch sinnvoll, ihn anzuhalten. Die Frage kann nur sein, ob er überhaupt und ob er in der Form von Machtausübung gesteuert werden kann. 178 Vgl. Luhmann, Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten, in ders. (1971 a, 143-164). 179 Genauere Analysen müßten hier ansetzen, nämlich bei der Frage, ob die Reproduzierbarkeit von Problemlösungen ein Arrangieren in linearen Sequenzen erfordert. Sollte diese Vermutung sich bestätigen, läge darin eine spürbare Schranke dessen, was per Macht zur mehr oder weniger automatischen, interventionsfreien Reproduktion übertragen werden kann. 180 Hierzu auch Luhmann (1973 b, S. 12 ff.). <?page no="148"?> Anmerkungen 149 181 Das zeigt sich zunächst daran, daß die Frage nach der »Legitimation von Herrschaft« schlechthin (und nicht als Frage nach der Legitimität eines Herrschers) gestellt wird; und heute schon zunehmend darin, daß diese Frage gar nicht mehr gestellt, sondern ihre Beantwortung im negativen Sinne unterstellt wird. In einer Umfrage unter Angehörigen des öffentlichen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland hat sich beispielsweise gezeigt, daß 62% der Befragten (in der Gruppe der Jüngsten sogar 71% der Befragten) nicht bereit sind, ihren politischen Vorgesetzten politischen Einfluß auf ihre eigenen Meinungen einzuräumen. Vgl. Luhmann, Mayntz (1973, S.-337-ff.). Obwohl diese Zahlen keinen sicheren Schluß auf die faktische Folgebereitschaft zulassen, zeigen sie doch, wie weit der Boden für politische Führung korrodiert ist, und dies heute, wie die gleiche Untersuchung zeigt, nicht mehr nur deshalb, weil in der Rechtsförmigkeit der Weisungsgewalt ein funktionales Äquivalent zur Verfügung steht. 182 Begriffsgeschichtlich gesehen haben alle diese Code-Symbole mittelalterliche Wurzeln, die sich kaum kappen lassen. Sie sind zunächst innerhalb einer Logik der Perfektion formuliert worden als Nichtmehr-weiter-zu-Steigerndes, als Abschluß einer Steigerungsprogression und hatten von da her einen konkret anschaulich zu machenden Ordnungsbezug. 183 So für den Fall des Karriererisikos Luhmann (1973 c). 184 Interesse an begrifflichen Klärungen zeigen gegenwärtig vor allem spätmarxistische Beobachter des Spätkapitalismus, z. B. Habermas (1973). 185 Vgl. namentlich Crozier (1963); Sofer (1961); Baum (1961, S. 70 ff.); Guest (1962). Sehr interessant auch Bucher (1970) als Analyse der machtmäßigen Resonanzunfähigkeit der Universität vor Ausbruch der Studentenkrise. 186 Habermas (1973) wählt für die gesamtgesellschaftliche Analyse mit dem Konzept typenprägender »Organisationsprinzipien« einen vielleicht zu starren Ansatz. 187 Vgl. Mulder, Ritsema van Eck, de Jong (1971). 188 Ähnlich Scharpf (1971, S. 27 f.). 189 Vgl. Vickers (1965, S. 197 ff.) über »desperate decisions«. 190 Vgl. Parsons (1963 a); ders. (1968, S. 153 ff.). Auch Baldwin (1971 a, S. 608 ff.) sieht bei sonst sehr skeptischer Einstellung zum Geld/ <?page no="149"?> 150 Anmerkungen Macht-Vergleich hier eine ausbaufähige Fragestellung. Ähnlich Mayhew (1971, S. 143). 191 Dazu gibt es alte rechtspolitische Warnungen. Vgl. z. B. Montesquieu (1941, S. 95). 192 Dazu Baum (1971), der an diesen Befund die Definition der Begriffe Inflation und Deflation anknüpft. 193 Es wäre eine Überlegung wert, ob das in Moral-Codes anders ist. Moral-Codes beruhen auf der Disjunktion von Achtung und Nichtachtung. Zumindest ein radikaler Vorschlag, die Mißachteten zu achten, ist bekannt geworden - der des Jesus von Nazareth. Aber auch hier ist unklar geblieben, ob dies auf eine schlichte Umstülpung oder auf eine Aufhebung von Moral hinausläuft. Jedenfalls werden seitdem Revolutionen als moralische Veranstaltungen stilisiert, weil in der Moral eine Revolution zumindest vorstellbar ist. 194 Hierzu auch Heller (1933). 195 Im übrigen ist es schon eine ungerechtfertigte Analogie zur Politik, daß wir von dem Familienvater, dem Eigentümer, dem Erzieher wie von einer Herrschaftsrolle sprechen. In der heutigen Familie (und analog in den anderen Fällen) dürfte zum Beispiel das mit Zwangsmitteln vorgehende Kind das größere Problem sein im Vergleich zum notorisch ohnmächtigen »visiting father«. Vgl. Patterson, Reid (1970). Im Vorblick auf die folgenden Ausführungen sei noch angefügt, daß die Zwangsgewalt des Kindes politisch und rechtlich noch schwieriger zu kontrollieren sein dürfte als die Zwangsgewalt der Eltern. 196 Eine gute Darstellung dieses Zusammenhanges gibt Moore (1972). 197 »Such rational-legal instruments as contract permit actors to bring the power of the established state to bear upon their private affairs«, formuliert Mayhew (1971, S. 37), unter Berufung auf Max Weber. 198 Andere Beispiele sind: Die Verwendung logisch schematisierten Wissens außerhalb des Erzeugungskontextes und unabhängig von den Bedingungen und Interessen der Forschung; die Verwendung von Eigentum auf Grund des Schematismus von Haben/ Nichthaben unabhängig vom Erwerbskontext. 199 Vgl. van der Sprenkel (1962, z. B. S. 71); Cohn (1965); Hahm (1967); Kawashima (1968); Rokumoto (1972, 1973); Gessner (1974). 200 Vgl. aus der kaum noch übersehbaren Literatur Naschold (1969) und speziell dazu Oberndörfer (1971). <?page no="150"?> Anmerkungen 151 201 Das Modell dieses Arguments findet man in der Kantischen Theorie der Moral und des Rechts als Bedingungen des Zusammenbestehens der Freiheit mehrerer Subjekte. 202 So z. B. Joannes Duns Scotus, Ordinatio I dist. 39. 203 Thomas von Aquino, Summa contra Gentiles III Cap. 86. 204 Diese Auffassung findet sich namentlich in Max Webers Zusammenschluß der Begriffe Herrschaft und Verwaltungsstab, Herrschaft und Verwaltung, Herrschaft und Organisation. Siehe Weber (1948, S. 29 f., 607 ff.). Aber auch in neueren Analysen stößt man auf entsprechende Vereinfachungen; so wenn Stinchcombe (1968, S. 149 ff.) Machtkanäle in Organisationen unter dem Gesichtspunkt der Gehorsamsketten und des Durchgriffs des Machthabers auf intendierte Effekte im Handeln des letzten Gliedes beurteilt. Als kritische Analysen vgl. namentlich Bendix (1945) und Schluchter (1972). 205 Anzumerken ist noch, daß Geld als das auf Tausch spezialisierte Medium am unempfindlichsten ist gegen Konversionen und daß die Sperren zum Schutze der anderen Medien institutionalisiert werden müssen. Vom Geld her ergeben sich zunächst keine Gründe, warum nicht auch Macht oder Liebe oder Wahrheit käuflich sein sollten. Daran zeigt sich, daß Gesellschaftssysteme mit hoher Mediendifferenzierung zugleich dahin tendieren, einen funktionalen Primat der Okonomie auszubilden. Eine genauere Analyse würde allerdings sehr rasch ergeben, daß eine monetäre Beeinflussung des Unterschiedes von Wahrheiten und Unwahrheiten die Grundlagen des Geldsystems selbst zerstören würde. 206 Damit ist selbstverständlich nicht bestritten, daß wirtschaftliche Situation und politische Partizipation von Personen korrelieren, und erst recht nicht, daß soziale Schichtung eine solche Korrelation erfordert. Zugleich ist aber die gegen Konvertibilität gerichtete Code- Symbolik so stark institutionalisiert, daß selbst Wissenschaftler sich über solche Korrelationen ärgern und zu Gegenmaßnahmen aufrufen, statt sie als ein Zeichen von Ordnung zu nehmen und sich daran zu erfreuen. 207 Hierzu auch Luhmann (1973 b, S. 14 ff.). 208 Vgl. namentlich Commons (1932). 209 In die umfangreiche Diskussion des Problems der faktischen Macht von Eigentümern innerhalb ihrer »eigenen« Organisationssysteme <?page no="151"?> 152 Anmerkungen können und wollen wir an dieser Stelle nicht eintreten. Als eine neuere Einführung in die Problematik siehe etwa Pondy (1970). 210 Siehe als ein Beispiel: Sofer (1961). 211 Vgl. unter allgemeinen machttheoretischen Gesichtspunkten Abramson et al. (1958). 212 In diese Richtung weisen (ungewollt) auch Analysen der politischen Probleme des »Spätkapitalismus«, in denen das Moment des »Privaten« eigentümlich blaß und unausgearbeitet bleibt, dagegen die politische Undisponibilität von privat konstituierter Organisationsmacht deutlich hervortritt. Vgl. z. B. Offe (1972). Die Frage ist dann, ob dies bei öffentlich konstituierter Organisationsmacht anders sein kann, wenn und solange die Eintritts- und Austrittsmotivation auch hier ökonomisch durch Geld oder durch über Geld definierte Sicherheit bedingt ist. 213 Vgl. dazu Barnard (1938, S. 139 ff.); Simon (1955, S. 71 ff.). 214 Vgl. dazu die Unterscheidung von Auswahlfunktion und Anreizfunktion des Beförderungssystems - die negative Sanktionsmacht tritt als reformpolitisch nicht erwähnbar (? ) zurück - bei Mayntz (1973). 215 Deutlich auf Machtminderung abzielende Vorschläge in dieser Richtung bei Blau (1956, S. 64 ff.). Siehe andererseits Myers, Turnbull (1956). Vgl. auch Haritz (1974, S. 24 ff.). 216 Wenn die Personalbeurteilung als machtspendende Vermeidungsalternative benutzt wird, heißt dies natürlich, daß negative Beurteilungen vermieden und nur als Möglichkeit in der Hinterhand gehalten werden müssen. Diese Funktion des Beurteilens führt mithin zu einer Verzerrung in Richtung auf positive Beurteilungsergebnisse. Damit sind empirische Forschungsresultate kompatibel, die zeigen, daß Vorgesetzte als Beurteiler positiv eingeschätzt werden (vgl. Luhmann, Mayntz [1973, S. 224]; Moths, Wulf-Mathies [1973, S. 33 f.]) und daß Vorgesetzte günstigere Personalbeurteilungen abgeben als Untergebene (vgl. Kamano, Powell, Martin [1966]). 217 »Kontrollmöglichkeiten« können auch untersucht werden als Schranken der Fähigkeit, die Macht durch persönliche Intervention, durch Anwesenheit, durch Teilnahme an Interaktionssystemen Ausdruck zu geben. Zu solchen »limits to personal power« siehe Bannester (1969, S. 382 f.). <?page no="152"?> Anmerkungen 153 218 Organisationssoziologische Forschungen hierzu münden zum Teil in die explizite Empfehlung eines toleranten, nachsichtigen Führungsstils aus. Vgl. u. a. Roethlisberger, Dickson (1939, S. 449 ff.); Gouldner (1954); Blau (1955, insb. S. 28 ff., 167 ff.); Blau, Scott (1962, S. 140 ff.); Schwartz (1964). Kritische Stimmen haben aller dings auf die Unbestimmtheit dieser Maxime hingewiesen (so Dubin [1961, insb. 403 ff.]. Vgl. auch ders. [1965]), und die empirische Forschung (Kahn, Wolfe, Quinn, Snoek [1964, S. 161 ff.]) zeigt, daß das Leben bei solch einer Multiplikation von Reziprozitäten jedenfalls nicht leichter wird, sondern daß Spannungen und Konflikte zunehmen. 219 In dieser primär ökonomischen Perspektive argumentieren unter Erweiterung auf »Leistungssteigerung« auch Naschold (1969); Hondrich (1972). 220 Dazu kritisch Strauss (1963). 221 Siehe dazu die Gegenüberstellung von direkter (allerdings nur: legitimer) und indirekter (kollektiv organisierter) Partizipation bei Lammers (1967). Ein empirischer Vergleich beider Formen der Macht von Untergebenen dürfte außerordentlich schwierig sein, besonders wenn das Ausmaß ihrer Interdependenz noch ungeklärt ist und mit der personalen Konstellation variieren kann. 222 »Elastizität« soll sich hier auf das oben (S. 36 f.) erörterte Problem der eigenen Entscheidungsketten des Machthabers beziehen. Gremien haben größere Mühe als Individuen, in moralisierten Machtfragen ihre Meinung zu revidieren; dafür vergessen sie rascher, besonders bei hoher Personalfluktuation. 223 So wird z. B. der Einfluß des Personalrates auf Personalangelegenheiten im öffentlichen Dienst als relativ gering veranschlagt und zwar um so häufiger als gering, je höher die Ranggruppe ist. Vgl. dazu die Ergebnisse bei Luhmann, Mayntz (1973, S. 226, 253 f.). Das Ergebnis ist besonders eindrucksvoll, wenn man es mit dem Einfluß vergleicht, der dem eigenen Vorgesetzten zugeschrieben wird (Luhmann, Mayntz [1973, S. 223 ff.]). 224 In einem Vortrag über »Power« (Januar 1925). Siehe Follett (1941, S.-111). 225 Vgl. dazu die Beurteilung der Resultate durch Schelsky (1973). 226 Siehe insb. Kaldor (1939) und Hicks (1939). 227 Hinweise Anm. 114. <?page no="153"?> 154 Anmerkungen 228 Vgl. dazu van Doorn (1962, insb. S. 16 ff.); ferner die oben (Anm.-21) zitierte sozialpsychologische Forschung zu Normbildungstendenzen bei reziproker Macht. 229 Zur Kritik der Nullsummen-Prämisse auf der Grundlage solcher Vorstellungen vgl. etwa Likert (1961, insb. S. 55 ff., 179 ff.); Tannenbaum (1962, insb. S. 247 ff.); Smith, Ari (1964). 230 Siehe dazu auch Wolfe (1959, S. 100). 231 Lösungsvorschläge in der angedeuteten Richtung einer Abgrenzung von Einflußzonen tauchen in der Literatur gelegentlich auf. Aber ist es Zufall, daß es naheliegt, sie mit Beispielen aus dem Familienleben plausibel zu machen? Vgl. z. B. Strauss (1963, S. 59 f.). 232 Die ältere Vorstellung des Vorgesetzten als Streitschlichter bei Konflikten der Untergebenen (vgl. z. B. Schmidt, Tannenbaum, 1960) ging von der jedenfalls überlegenen Macht des Vorgesetzten aus und beschränkte sich demgemäß auf die Ausarbeitung taktischer Empfehlungen für den Fall des Untergebenen-Konfliktes. Die zunehmende Balkanisierung von Organisationen und die Annäherung an einen Zustand, in dem nicht mehr gearbeitet, sondern nur noch intrigiert und gekämpft wird, bringt ganz andere Probleme in den Blick. 233 Siehe z. B. Dalton (1959); Sayre, Kaufman (1960, insb. S. 709 ff.); Burns (1961); Gournay (1964); Zald (1970); Bosetzky (1972); oder die (versteckt auf Machtprobleme hinweisende) Kritik der »negativen Koordination« in: Mayntz, Scharpf (1973); ferner Scharpf (1973, S. 47 ff.). 234 Banfield (1961). 235 Das Experiment von Milgram (1965) ist gerade als Ausnahme von dieser Regel berühmt geworden. <?page no="154"?> 155 Literatur Abramson, E., Cutler, H. A., Kautz, R. W., Mendelson, M. 1958: Social Power and Commitment: A Theoretical Statement, American Sociological Review 23, 15-22. Adams, J. Stacy, Romney, A. Kimball, 1959: A Functional Analysis of Authority, Psychological Review 66, 234-251, überarbeitet unter dem Titel The Determinants of Authority Interactions. In: Norman F. Washburne (Hrsg.), Decisions, Values and Groups, Bd. 2, Oxford 1962, 227-256. Andersen, Kenneth, Clevenger, Theodor Jr., 1963: A Summary of Experimental Research in Ethos. Speech Monographs 30, 59- 78, neu gedruckt in Kenneth K. Sereno, C. 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Darstellung von Stärke 75 Demokratie 89 Demokratisierung 106 ff., 121 Dialektik 43 Differenzierung, gesellschaftliche 69 f.; s. Ausdifferenzierung Differenzierung von Machtquellen-123 Dispositionsbegriffe 40 f.; s. Potentialbegriff doppelte Kontingenz 14 ff. Drohung 30 f.; s. Formulierung 37 f., 39; s. Sanktionen Duplikationsregel, Code als 41 f. Durchgriff durch Machtketten-48 E Eigentum 43 f., 51 f., 101 ff., 113 ff. Einfluß 79, 83 Entpersonalisierung 45 Entscheidung 32, 56 Entscheidungsbedarf, zunehmender 94 Entscheidungssequenzen des Machthabers 36 f. Erwartungen 40, 45, 60 f. Erwartungssteigerung 96 Erziehung als Machtausübung 103, 140 Anm. 107 Ethik als Machtbindung 91 Evolution 8, 11 ff., 22 f., 92 f. F Fatalismus 97 Fehlerkontrolle 91 <?page no="173"?> 174 Sachregister »Fließen« der Macht 37 Fluktuieren von Machtverhältnissen 61 förmliche / faktische Macht 116 force / violence 53 formale / informale Macht 49, 54 f., 125 Formulierung von Macht 35 f., 46; s. Zitierfähigkeit Forschungsfinanzierung 113 Führung 84 f. G Gehorsamsverweigerung 141 f. Anm. 117 Geld 43, 113 Generalisierung 39 f., 83 Generalisierung von Macht 39 ff., 76 f.; s. Universalismus Generalisierung von Motivation 83 ff. genetische Bedingungen / Kontrollbedingungen 76, 81, 114 f. Geschichte 17 Gesellschaft 8, 11 f., 101, 109; s.-bürgerliche Gesellschaft Gewalt 56; s. physische Glaubhaftigkeit der Motivation des Machthabers 59 f. H Handlung 27 f. Handlungsketten; s. Ketten Hierarchie 51 f., 55 f. Hierarchie als Substitut für Messung 10 höchste Prinzipien 55 f. human relations 111, 114 I Ineffektivität der Macht 83 f. Inflation / Deflation 87 ff. informale Macht 41, 45 f., 113; s.-Untergebene Information des Machthabers 51 Informationsverarbeitungsprobleme 53 f. Interdependenzen, Machtsteigerung durch 60 f., 93 f., 111 f. Interesse 119 Anm. 43 J Juridifizierung von Macht 26, 28, 47, 94 ff.; s. Rechtsstaat K Kalkulationserleichterungen 53 f. Kapital 103; s. Eigentum, Geld Karrieren 104 ff. Katalysator, Macht als 12 f., 39; s.-Autokatalyse Kausalität, der Macht 1 f., 11 f. Ketten von Entscheidungen 36 ff., 47 ff., 119 Kommunikation 8 f. Kommunikation, Entlastung durch Erwartungen 44 Kommunikationsmedien, symbolisch generalisierte 7 ff. konditionale Programmierung 56, 125 f. Konflikt 13, 61 Konjunkturempfindlichkeit der Organisationsmacht 116 f. Konservativ / progressiv 67 f. Konsistenz des Machtverhaltens 37, 60 f. <?page no="174"?> Sachregister 175 Kontingenz des Macht-Code 68 Kontingenz, doppelte 14 ff. Kontingenz, von Einfluß 21 f., 87 Kontingenzerfahrung 88 Kontingenzregulierung durch Organisation 110 f. Konvertibilität der Kommunikationsmedien 112 ff. Krisentechnik 97 f. L Lebenswelt 79f.; s. Realitätskonstruktionen Legitimität 65, 78 lineare Sequenzen als Reproduktionserfordernis 95 Logik 43, 51 f.; s. Code M Macht und Recht 53 f., 57 ff., 66, 74, 106 ff.; s. Juridifizierung, Recht/ Unrecht Machtketten; s. Ketten Machtpotential 33 ff. Messung von Macht 16 f. Metakommunikation über Macht 34 f., 46 Mißbrauch von Macht 91 f. Mitbestimmung; s. Partizipation Möglichkeit / Wirklichkeit 96 f; s.-Potentialbegriff Möglichkeitsüberschuß 33 f., 37 Monopol der Entscheidung über Gewalt 75 f. Moral und Revolution 150 Anm.-193 Moralisierung der Code-Symbole 66 Motivation des Machthabers 29, 59 Motivation durch Kommunikationsmedien 14 f. Motive, Zuschreibung von 28 f., 63 N Neben-Codes 50 f. Negation 13 f., 30 f., 41, 43, 52, 63 f. Nichtentscheidung, Macht der 94 Nichtnegierbarkeiten 64 f. O Opportunismus 66 f., 96 f. Opportunismus im Machteinsatz 37 Organisation 46 f., 73, 98, 110 ff. P Partizipation 64 f., 108, 120 ff. Partnerselektion 62 Perfektion 64 f. permissive leadership 119, 153 Anm.-218 Personalbeurteilung 118 Personalhoheit als Machtquelle 116 ff. physische Gewalt 16, 63, 69 ff. Politik 102 f.; s.-Ausdifferenzierung Politisierbarkeit von Macht 103 ff. Potentialbegriff der Macht 33 ff., 40 f.; s.-Möglichkeit / Wirklichkeit Priester, Macht der 103 <?page no="175"?> 176 Sachregister Problematisierung des Code 63 ff.; s. Risiko progressiv / konservativ 67 f. Provokation 34, 77 f., 134 Anm. 47, 135 Anm. 58, 144 Anm. 142 R Rationalität 89 Realitätskonstruktionen 13; s.-Lebenswelt Recht; s. Juridifizierung Recht / Unrecht 43, 52; s.-Schematismus, Zweit-Codierung Rechtsstaat 58, 106 ff. Reflexivität 48 f.; s. Ketten Regulierung von Gewalt 75 Relationierung kontingenter Relationen 111 f. Reproduktion von Selektionsleistungen 15 Reputation 50, 84 f. Revolution 76, 92, 102 reziproke Machtverhältnisse 49 f., 120 ff. Risiko 40, 91 ff.; s.-Problematisierung, Provokation rules of evasion 54 f. S Sanktionen, negative und positive 31 f., 103 Sanktionsvermeidung 31 Schematismus 20 Schematismus, binärer 25, 52 ff., 106; s. Code Schichtung 105 Schrift 13 f. Selbstbefriedigungsverbote 72 Selektivität, doppelte 15 ff., 30 f. Sicherheiten (real assets) 71, 73; s.-physische Gewalt Souveränität 64, 91 f. Spezifikation 41 f., 51 Spieltheoretische Modelle 7 f. Sprache 13, 41, 83 Steigerbarkeit von Macht 39 f. Stelle 111 Steuerungshierarchie 65 f. Substitute für Messung 17 f. Summenkonstanzprinzip 61 f., 121 symbiotische Mechanismen 71 ff. Symbolbildung, Doppelstufigkeit der 45 Symbolisierung 40 Symbolisierung von Stärke 60, 77 Synchronisation, Kontrolle von 95 T Tauschmodelle 7 f. Technik 58, 80 f. Technisierung der Macht 88 f., 124 f. Temporalisierung der Gewalt 75; s.-Zeit Themen, Konsistenzsicherung durch 37, 60 Themenunabhängigkeit der Macht 45 Themenwechsel 46 f. Theorie und Code der Macht 62 f. <?page no="176"?> Sachregister 177 U Universalismus 41 f., 51, 55 ff. Unsicherheit 16, 39 Untergebene, Macht von 44, 49, 119 ff. Untergebene, Machtverhältnisse zwischen 124 Unwahrscheinlichkeit von Selektionsübertragungen 21 f.; s.-Evolution V Verantwortungsentlastung 63 Vermeidungsalternativen 30, 42, 59, 74 f. Vertrag 106 Vertrag über Machtgebrauch 17 f. Vollbeschäftigung 117 W Wahrscheinlichkeit von Ereignissen 19 f. Wahrscheinlichkeiten / Unwahrscheinlichkeiten, evolutionäre 93 Wille 28 f., 56 Z Zeit 75, 93 ff.; s.-Temporalisierung Zitierfähigkeit der Machtsymbole 56; s. Formulierung Zufallsunabhängigkeit 93 Zugänglichkeit der Macht 57 Zugänglichkeit des Rechts 106 Zurechnung der Macht 23 f., 62 f. Zurechnung, internal / external 27 f. Zwang 16, 78; s. physische Gewalt Zweit-Codierungen 43 f. <?page no="177"?> : Weiterlesen Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Niklas Luhmann Vertrauen 4. Auflage 2000, 140 Seiten, broschiert ISBN 978-3-8252-2185-0 UTB Vertrauen im weitesten Sinne eines Zutrauens zu eigenen Erwartungen ist ein elementarer Tatbestand des sozialen Lebens. Von Vertrauen spricht man im täglichen Leben meist in moralischem Sinne. Dem gegenüber analysiert Luhmann Funktion, Bedingungen und Taktiken des Vertrauens sozialwissenschaftlich. Vor allem wird dabei angestrebt, den Bereich der rationalen Handlungen nach Möglichkeit zu erweitern. Das kann erreicht werden, wenn man in der Lage ist, durch persönliches Vertrauen oder Vertrauen in das Funktionieren gesellschaftlicher Systeme sich auf höhere Risiken einzulassen. Niklas Luhmann unternimmt es also in diesem schon klassisch gewordenen Buch, den in der Alltagssprache und der traditionellen ethischen Vorstellungswelt vielfach besetzten Begriff des Vertrauens im Rahmen theoretischer Soziologie zu erörtern und das in einer so anschaulichen und anregenden Weise, dass das Buch seit Langem breite Beachtung gefunden hat - weit über den Kreis der Fachsoziologen hinaus. <?page no="178"?> Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Detlef Krause Luhmann-Lexikon Eine Einführung in das Gesamtwerk von Niklas Luhmann 4., neu bearb. u. erw. Aufl. 2005, 326 Seiten 32 s/ w Abb., broschiert ISBN 978-3-8252-2184-3 Das vorliegende Buch soll einen Gesamteindruck des Luhmann’schen Werks vermitteln. Es geht darum, einen in sich geschlossenen Überblick zur gesamten Gedankenwelt Luhmanns zu vermitteln, zu seinen begrifflichen Werkzeugen sowie zu dem, was mit diesen Werkzeugen alles an Einsichten erzeugt wird. Dieses Buch versteht sich als ein Wegweiser durch die gegenwärtig wohl reichhaltigste, eigenwilligste und anregendste Landschaft eines Denkens, das sich überlieferten Mustern entzieht. : Weiterlesen