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Verlagswirtschaft

Ökonomische, rechtliche und organisatorische Grundlagen. Unter Mitwirkung von Hans Huck und Matthias Ulmer

0424
2014
978-3-8385-3814-3
978-3-8252-3814-8
UTB 

Wulf D. von Lucius stellt alle Aufgabenbereiche und Tätigkeitsfelder im Buch- und Zeitschriftenverlag vor. Grundlagen, Funktionen und Zusammenspiel von Programmarbeit, Herstellung und Kalkulation, Werbung, Vertrieb, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit werden unter betriebs- und marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erklärt. Gesonderte Kapitel behandeln innerbetriebliche Organisation und Projektmanagement, Zeitschriften und Anzeigengeschäft, rechtliche Grundlagen sowie die institutionellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Verlagsarbeit. Einen besonderen Schwerpunkt in der 3. Auflage bildet der Bereich >Elektronisches Publizieren<, der mit Matthias Ulmer und Hans Huck von zwei ausgewiesenen Experten als Gastautoren erarbeitet wurde. Mit vielen Abbildungen, Diagrammen und tabellarischen Übersichten.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich <?page no="2"?> Wulf D. von Lucius Verlagswirtschaft Ökonomische, rechtliche und organisatorische Grundlagen Unter Mitwirkung von Hans Huck und Matthias Ulmer 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und UVK Lucius · München <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage: UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2004 2. Auflage: UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2008 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart unter Verwendung eines Diagramms (Produktlebenszyklus) entnommen aus: M. Sander, Marketing-Management, Stuttgart 2004 (Lucius & Lucius) und eines Fotos von © Getty Images. Druck undBindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB Nr. 2652 ISBN 978-3-8252-3814-8 <?page no="4"?> 5 Vorwort zur 3. Auflage Mit dieser neuen Auflage vollzieht die »Verlagswirtschaft« den Schritt vom Ein-Autoren-Buch zum Mehrautorenbuch. Mit dem Eintritt von Hans Huck und Matthias Ulmer, zwei in Theorie und Praxis bewährten Verlagsfachleuten, erfolgt zugleich die Beteiligung der jüngeren Generation, die dann in der vierten Auflage - sie möge notwendig werden! - die volle Verantwortung für dieses Lehrbuch übernehmen werden. Ich freue mich sehr, diese fachkundigen und auch in der akademischen Ausbildung engagierten Kollegen für mein Buch gewonnen zu haben. Die neu hinzugekommenen Autoren Hans Huck und Matthias Ulmer haben das Kapitel Digitale Produkte vollständig neu konzipiert, es wird angesichts der rasanten Entwicklung in diesem Bereich wieder nur eine Momentaufnahme sein können, während der Stoff der anderen Kapitel einigermaßen wohlgereift ist und weiterhin die Praxis der Gutenberg-Welt beschreibt, in der fast alle Verlage auch heute noch mehr als 90% ihrer Umsätze und meist den ganzen Gewinn erzielen. Zugleich aber sind beide Bereiche, Print und Digital, sehr eng verwoben. Dennoch ist die Darstellung der digitalen Produkte, Märkte und Arbeitsweisen ganz im Kapitel 6 konzentriert, und es wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auch darauf verzichtet, Querverweise zu setzen: die erforderliche Vielzahl wäre verwirrend. Vielen Lesern kann daher empfohlen werden, das Kapitel 6 besonders intensiv zu studieren, ganz unabhängig von den Bezügen in die anderen. Alle Kapitel wurden sorgfältig aktualisiert und an vielen Stellen ergänzt. Dabei haben mich sachkundige Kollegen unterstützt und ebenso das Büro des Verlegerausschusses im Börsenverein. Ihnen allen sei dafür herzlich gedankt. So wird das Buch hoffentlich weiterhin Studierenden und Einsteigern in die Verlagspraxis nützlich sein. Stuttgart, September 2013 Wulf D. v. Lucius <?page no="5"?> 6 Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Dieses Buch unternimmt es, eine betriebswirtschaftliche, also konzeptionelle Betrachtungsweise des Wirtschaftsunternehmens Verlag mit den Erfahrungen der Verlagspraxis zu verbinden, also Theorie in reduzierter Form auf die Fakten und Entscheidungsvariablen im Verlag anzuwenden, ohne dass ein Wust von Einzelinformationen und Details damit verbunden ist. Ziel ist es, Berufsanfängern - insbesondere solchen, die in Führungspositionen streben, wie z.B. Lektoratsvolontären - und Studierenden verschiedener Fachrichtungen wie Buchwissenschaft, Kommunikationswissenschaft u.a. einen Orientierungsrahmen für das Tätigkeitsfeld Verlag zu geben. Was dieses Buch ausdrücklich nicht will: Rezepte und fertige Lösungen anbieten. Vielmehr sollen die Erörterungen konkreter Fragen der Praxis immer auf die Vielfalt möglicher Lösungen hinführen, also Problembewusstsein erzeugen und Entscheidungsalternativen bewusst machen. Die Leserinnen und Leser sollen ein Gefühl dafür bekommen, dass unternehmerische Entscheidungen und ebenso solche auf der operativen Ebene in den Abteilungen darin bestehen, aus der Vielfalt möglicher Lösungen die für dieses Unternehmen, diesen Zeitpunkt und dieses Problem bestgeeignete Variante herauszufinden und zugleich verstehen, dass diese »richtige« Lösung zu einem anderen Zeitpunkt die falsche (geworden) sein kann. Unternehmerisches Handeln, ob auf Führungsebene oder in den Abteilungen, steht unter dem Zeichen der Kontingenz - alles könnte auch anders sein oder anders gemacht werden. Notwendig ist also eine ständige Überprüfung der Fakten, d.h. der Voraussetzungen und Wahrscheinlichkeitsabwägungen, die den bislang getroffenen Entscheidungen zugrunde liegen; diese stehen von vornherein unter der Notwendigkeit späterer Revisionen. Ein Unternehmen zu betreiben erfordert diesen permanenten Prozess der schöpferischen Zerstörung. Der Verfasser ist von seiner akademischen Ausbildung her Wirtschaftswissenschaftler und als wissenschaftlicher Verleger praktisch tätig. Diese Arbeitsrichtung wird sicher an manchen Stellen deutlich werden, obwohl immer versucht wird, ein möglichst breites Spektrum der unterschiedlichsten Verlagstypen im Blick zu haben. Dafür war die jahrzehntelange ehrenamtliche Tätigkeit in nationalen und internationalen Branchenverbänden sicher nützlich: Sie hat den Blick geweitet und in zahllosen Gesprächen und Gremien die Kenntnis der Branche insgesamt bereichert, ebenso die langjährige Tätigkeit als Lehrbeauftragter für das Fach Verlagswirtschaft an der Universität Hohenheim. <?page no="6"?> 7 Aus dem Vorwort zur 1. Auflage An so mancher Stelle habe ich persönliche Urteile bewusst zugespitzt und auch Ironie nicht unterdrückt. Man missverstehe das nicht als überheblich derart, dass dies definitive Folgerungen seien, sondern vielmehr als - hoffentlich erfrischende - Einladung zu kritischem Widerspruch und eigenem Urteil der Leserinnen und Leser. Des Weiteren wird oft der Darstellung eher einfacher Verfahrensweisen der Vorzug gegeben vor den ausgefeilteren Methoden, die vielleicht ›moderner‹ scheinen könnten. Das hat einen doppelten Grund: zum einen den didaktischen, dass nämlich einfache Modelle leichter den Zugang zur Kernproblematik verschaffen, und zum anderen, dass solche einfachen Verfahren in kleineren Unternehmen nach wie vor die geeignetsten und üblichen sind. Eine Vorbemerkung liegt mir schließlich noch sehr am Herzen: Aufgrund der Thematik dieses Buches und der gewählten Darstellungsform dominiert im Nachfolgenden ganz das Ökonomische. So könnte der Eindruck entstehen, die Verlegerei oder zumindest das, was ich darunter verstehe, sei etwas zahlenhaft Trockenes, der Verlagsalltag primär von rationalem Abwägen bestimmt. Das ist gewiss nicht der Fall; es gibt wohl kaum einen Verleger, der nicht davon überzeugt ist, dass er einen der schönsten Berufe überhaupt ausübt, der eine so starke Entfaltung persönlichen Temperaments und individueller Vorlieben ermöglicht, wie kaum ein anderer. Im Verlag spielen Menschen und Ideen, intellektueller ja künstlerischer Gestaltungswille, metaökonomische Zielsetzungen und viel Risikofreude - die ja ein Korrelat der Freiheit ist - die entscheidende Rolle. Die Verlegerei ist etwas durchaus Personenbezogenes, Emotionales; daraus rührt die tiefe Befriedigung derer, die in diesem Beruf arbeiten. Gerade weil dies so ist, ist die Verführbarkeit der Verlagsmenschen zum Unvernünftigen besonders groß; sie bedürfen also des Korrektivs durch das rationale, ökonomische Kalkül. Dieses ist nicht Leitstern der Verlagsarbeit, aber deren unverzichtbarer Begleiter. Zu unterscheiden ist also zwischen der Rangfolge und der Reihenfolge metaökonomischer und ökonomischer Zielsetzungen: Wie stark man auch die Ersteren im Rang nach vorn setzen mag - die Reihenfolge erfordert das Umgekehrte: Wenn die ökonomische Unternehmensführung scheitert, erübrigt sich das Nachdenken über alle anderen Ziele von selbst. Mit anderen Worten: Ohne ökonomischen Erfolg kann dauerhaft auch keiner auf geistigem Gebiet erreicht werden, also bei dem, was uns bewegt und motiviert. So also sollte diese nüchterne Fibel der Verlagsökonomik verstanden werden. Gewidmet ist dieses Buch meiner Frau Akka, der klugen und tatkräftigen Gefährtin auch im Berufsleben. Stuttgart, im Juli 2005 Wulf. D. v. Lucius <?page no="8"?> 9 Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.-- Märkte und Rahmendaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 1.1- »Books are different« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 1.2- Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 1.2.1 Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.2 2 Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.2 3 Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG - Schranken des Urheberrechts . . . 26 1.2.4 Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.2 5 Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.2.6 Preisbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.2 7 Presserecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.2.8 Brancheninterne Wettbewerbsregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1.3- Statistische Daten des Buchmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 1.3.1 Strukturzahlen des Verlagswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.3 2 Titelproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.3 3 Vertriebswege/ Konzentration im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.3.4 Tendenzen im Freizeitverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.3 5 Außenhandel/ Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1.4- Markttendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 1.4.1 Medienkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.4 2 Konzentrationsbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.4 3 Strukturelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.4.4 Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1.4 5 Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1.4.6 Wachsende Bedeutung von Vertrieb und Marketing . . . . . . . . . . . . . . 68 1.4 7 Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.- Planung, Organisation und Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .71 2.1- Programm und Programmplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .71 2.1.1 Programmplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.1 2 Programmstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.1 3 Projektentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2.1.4 Ökonomische Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 <?page no="9"?> 10 Inhaltsverzeichnis 2.2- Verlagstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 2.2.1 Buch- und Zeitschriftenverlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.2 2 Autorenverlage und Lektoratsverlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.2 3 Themenverlage und Zielgruppenverlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.2.4 Original- und Lizenzverlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.2 5 Kommissionsverlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.3- Organisation im Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 2.3.1 Begriffe und Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.3 2 Aufbauorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.4- Lektorat und Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 2.5- Outsourcing und Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2.5.1 Funktionsausgliederung/ Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2.5 2 Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.6- Finanzen, Rechnungslegung, Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2.6.1 Besonderheiten der Verlagsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2.6 2 Kosten- und Ertragsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.6 3 Plan-Ist-Vergleich und Vorjahresvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.6.4 Kennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.6 5 Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.- Herstellung, Kosten und Kalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3.1 Technische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3.2- Buchgestaltung und Buchtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.3- Ablauforganisation der Produkterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.3.1 Texterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.3 2 Organisatorische Konsequenzen in den Herstellungsabteilungen . . . . 139 3.3 3 Bildverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3.4- Woraus ein Buchpreis besteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3.5- Honorare und Zuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.5.1- Absatzhonorar und Pauschalhonorar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.5 2 Entfall von Honorar, Zuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 <?page no="10"?> 11 Inhaltsverzeichnis 3.5 3 Honoraranpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3.5.4 Pauschalhonorare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5 5 Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.6- Kalkulation und Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.6.1 Unsicherheit der Kalkulationsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.6 2 Kalkulationsschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.6 3 Zuordnung der Gemeinkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.7- Auflagenbemessung und Laufzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.7.1 Fixkosten und variable Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.7 2 Bemessung der Druckauflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.7 3 Digitaldruck und Printing on Demand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3.7.4 Deckungsauflagenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.7 5 Deckungsbeitragsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.7.6 Planungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.- Marketing, Werbung und Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.-1- Marketing als zentrale Aufgabe des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . 177 4.2- Distributionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.2.1 Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.2 2 Absatzkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.2 3 Pull- und Push-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.2.4 Das Sortiment: Titelverfügbarkeit und Warenpräsenz . . . . . . . . . . . . 190 4.2 5 Verlagsauslieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.2.6 Barsortiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4.2 7 Warenbezugswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.3- Kontrahierungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.3.1 Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.3 2 Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4.4- Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.4.1 Ziele der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.4 2 Der Werbeplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.4 3 Zeitliche Planung der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.4.4 Das Werbebudget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.4 5 Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4.4.6 Rezensionen und Freistücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4.4 7 Informationsquellen für die Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 <?page no="11"?> 12 Inhaltsverzeichnis 4.4.8 Das Internet als Werbemedium und Vertriebskanal . . . . . . . . . . . . . 223 4.4.9 Verlagsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4.4.10 Key Account Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4.4.11 Messen und Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 4.4.12 Public Relations, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . 231 4.5- Vertriebliche Statistiken und Kennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5.- Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5.1- Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5.1.1 Situation am Zeitschriftenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5.1 2 Steuerungskompetenz des Verlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5.1 3 Optimierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5.1.4 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5.1 5 Erlösquelle Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5.1.6 Zeitschriftentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.1 7 Zusatzleistungen als weitere Erlösquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5.2 Produkterstellung im Zeitschriftenverlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.2.1 Redaktionen/ Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.2 2 Organisation der Arbeitsabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5.3 Das Anzeigengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5.3 2 Mediadaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 5.3 3 Auflagen und Auflagenkontrolle. Werbeträgeranalysen . . . . . . . . . . . 275 5.3.4 Anzeigenverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5.4- Zeitschriftenvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 5.4.1 Absatzkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 5.4 2 Abonnentenadressen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5.4 3 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 5.5- Loseblattwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 6. Digitale Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.1 Besonderheiten Digitaler Produkte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.1.1 Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.1 2 Informationsverhalten, Leseverhalten, Nutzerverhalten . . . . . . . . . . . 301 <?page no="12"?> 13 Inhaltsverzeichnis 6.1 3 Gestaltung, Typografie, Inhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 6.1.4 Medienneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 6.2 Digitale Produktformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 6.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 6.2 2 Produktformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6.3 2 Content-basierte Erlösmodelle und Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . 333 6.3 3 Digitale Produkte in der Bibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 6.4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 6.4 2 Der (Buch-)Käufer und die aktuelle Marktentwicklung . . . . . . . . . . . . 344 6.4 3 Der Handel mit digitalen Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 6.4.4 Marketing für digitale Produkte - eine Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . 357 6.4 5 Die Zukunft des Handels im digitalen Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 7.- Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 7.1- Verhältnis Urheber/ Verwerter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 7.2- Verlagsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 7.3- Vertragsnormen und Normverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 7.4- Werkvertrag/ Bestellvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 7.5- Wesentliche Regelungen in Verlagsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 7.6- Honorar und Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 7.7- Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 7.7.1 Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 7.7 2 Persönlichkeitsrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 7.8 Lizenzverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 <?page no="13"?> 14 Inhaltsverzeichnis 7.9 Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 7.9.1 Bildrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 7.9 2 Zitatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 7.10 Vertragsverletzungen, Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 7.11 Wichtige Institutionen und Organisationen im Urheberrecht . . . 401 7.11.1 Internationaler Rechtsschutz für geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . 401 7.11.2 Verwertungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 7.11.3 Deutsche Nationalbibliothek / Pflichtstückablieferung . . . . . . . . . . . 405 Nützliche Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 <?page no="14"?> 15 Abkürzungsverzeichnis ALPSP Association of Learned and Professional Publishers AMF Arbeitskreis Mediainformation Fachzeitschriften B2B Business to Business B2C Business to Consumer BAG Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft BDZV Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. BLDSC British Library Document Supply Centre CI Corporate Identity CRM Customer Relations Management DB Deckungsbeitrag DOI Digital Object Identifier DRM Digital Rights Management (Systeme) DTP Desktop Publishing FEP Federation of European Publishers GfK Gesellschaft für Konsumforschung GK Gemeinkosten GuV Gewinn- und Verlustrechnung GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HGB Handelsgesetzbuch HK Herstellkosten IPR Intellectual Property Rights ISBN International Standard Book Number ISSN International Standard Serial Number IVU Internationale Verleger Union (= IPA International Publishers Association) IVW Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. LAE Leseranalyse Entscheidungsträger LAN Local Area Network LP Ladenpreis NA Neuauflage NE Neuerscheinung OA Open Access ONIX Online Information Exchange (Format) PMG Presse Monitor Gesellschaft <?page no="15"?> 16 Abkürzungsverzeichnis PoD Printing/ Publishing on Demand RBÜ Revidierte Berner Übereinkunft RWS Recht/ Wirtschaft/ Steuern stm scientific technical medical publishers TRIPS Agreement on Trade-related Aspects of International Property Rights UrhG Urheberrechtsgesetz UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. VlB Verzeichnis lieferbarer Bücher (als Datenbank im Internet: www.buchhandel.de) VS Verband deutscher Schriftsteller in der IG-Medien/ ver.di WIPO World Intellectual Property Organization WTO World Trade Organization XML Extensible Mark-up language ZAW Zentralausschuss der Werbewirtschaft <?page no="16"?> 17 1.-- Märkte und Rahmendaten 1.1- »Books are different« »Bücher von heute sind morgen Taten« (Heinrich Mann) »Books are different« war der Leitsatz eines englischen Gerichtsurteils und ist bei allen Büchermenschen mit Freude als von außen kommende Bestätigung ihres eigenen Selbstverständnisses begrüßt und angenommen worden; zumal, wie schon im Vorwort angesprochen, Verleger - und Buchhändler ebenso -, dazu neigen, ihr Geschäft und ihre Produkte als etwas ganz Besonderes anzusehen. Und das zu Recht, insoweit sie die in den Büchern und Zeitschriften transportierten Inhalte und deren kulturelle und gesamtgesellschaftliche Funktion im Blick haben. Das ist gut so; jeder Berufsstand soll eine eigene Ethik und ein damit verbundenes Verantwortungsgefühl für seine Produkte, seine Kunden, seine Lieferanten und seine Mitarbeiter entwickeln. Wenn eine »books are different«-Philosophie dazu führte, dass in allen diesen vier Bereichen im Verlagswesen besonders hohe Standards gelten, wäre das überaus erfreulich: Kein Unternehmen und schon gar kein Verlag sollte eine reine Gewinnerzeugungsmaschine sein. So formuliert in diesem Sinn der Börsenverein des deutschen Buchhandels in einem Grundsatzpapier: »Bücher bewegen Ideen. Sie sind notwendig für die Entwicklung unserer Gesellschaft und deren Ideale. Wir unterstützen diese Entwicklung, indem wir für die freie Verbreitung des geschriebenen Wortes und für den deutschen Buchmarkt eintreten. … Das Buch- und Verlagswesen sind unverzichtbare Elemente neuzeitlicher Kultur geworden, sie pflegen die authentische geistige Leistung des Urhebers und machen sie für jedermann zugänglich. Wesentliche Eigenschaften dieses Prozesses der Kulturbewahrung und -verbreitung genießen deshalb den Schutz nationalen und auch grenzüberschreitenden Rechts. Wenn es gesellschaftlicher Konsens ist, dass Kultur zum menschlichen Gelingen gehört und besonderer politischer Sorgfalt und Obhut bedarf, so ist es sinnvoll, auch im politischen Umgang mit dem Buch- und Verlagswesen diese Sorgfalt und Obhut walten zu lassen«. <?page no="17"?> 1. Märkte und Rahmendaten 18 Ebenso fühlen sich der Berufsverband und alle verantwortungsbewussten Verleger ihrerseits zu einem aktiven Engagement für kulturelle Vielfalt und Meinungsfreiheit aufgerufen. Um diese zu realisieren, hat der Börsenverein als weitere Hauptverantwortung formuliert »die Bewahrung unserer inhaltlichen, politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit«. Dieses Ziel führt direkt auf den Verlag als Wirtschaftsunternehmen hin: Der begrüßenswerte, ja notwendige Enthusiasmus für den Inhalt, das »Eigentliche« der Bücher, sollte nicht zu einem unternehmerischen blinden Fleck hinsichtlich ihres Warencharakters und der damit verbundenen kaufmännischen und finanziellen Erfordernisse führen. Das wäre dann nämlich keine besonders hochstehende Berufsauffassung, sondern schlicht mangelnde Professionalität. Autoren suchen Verleger primär nicht als Gesprächspartner über Inhalte oder intellektuelle Sparringpartner, sondern als Dienstleister auf den Gebieten, für die sie selbst nicht kompetent sind: Produktion, Finanzierung, Werbung, Vertrieb, Rechtewahrnehmung, Öffentlichkeitsarbeit. Ob einer ein guter Verleger ist, entscheidet sich nicht bei klugen Kamingesprächen mit dem Autor, sondern an seinem Können und seiner Effizienz auf den genannten Gebieten. Es ist daher kein Zufall, dass alle wirklich großen Verleger, ob Johann Friedrich Cotta, Ernst Rowohlt, Siegfried Unseld oder Heinz Friedrich, um nur einige zu nennen, kluge Kaufleute und oft geradezu begnadete Marketingmenschen gewesen sind und keine Besorgnis hatten, dadurch ihre intellektuellen Fähigkeiten und ihr kulturelles Engagement zu verdunkeln. Ganz im Gegenteil: Nur Verleger, die sich diesen nüchternen Aufgaben, die ja zugleich auch rechtliche Pflichten aus dem Verlagsvertrag sind, verantwortungsbewusst stellen, sind nützliche Partner für ihre Autoren - schwärmerischer Idealismus, der in ökonomischen Desastern endet, schadet auch den Autoren! Die Kulturwelt aber mag dieses Zurücktreten des Verlages in seinen eigentlichen Aufgabenbereich weniger. Dazu hat der Verleger Jürgen Horbach im Börsenblatt (22/ 05) gesagt: »Verlage tun alles, was unliterarisch, aber zur Beförderung des Werkes eines Autors vernünftig ist. Je besser ein Verlag tut, was seine Aufgabe ist, nämlich Titel auszuwählen, Bücher herzustellen und dann nach seinen Möglichkeiten zu vermarkten, desto argwöhnischer wird er aber von Journalisten und manchmal auch von einem intellektuellen Publikum betrachtet. Literatur und Marketing sind vielen auch im einundzwanzigsten Jahrhundert unversöhnliche Gegensätze.« Man sollte auch nicht verkennen, dass viele Bücher ja auch mehr einen Werkzeugcharakter haben und insofern nicht allzu überheblich von seinen Produk- <?page no="18"?> 19 1.1 »Books are different« ten denken: Ist jedes Kochbuch eine größere Leistung als eine gutgemachte Pfanne oder eine gedruckte Programmanleitung höherwertig als das Programm selbst? Viele Verlagsprodukte sind nach ihrem intellektuellen Gehalt und ihrem Nutzwert für den Käufer eher anderen Waren gleich und mitnichten turmhoch darüber. Nun könnte man in einer solch nüchternen Betrachtungsweise die Gefahr vermuten, dass damit die kulturpolitisch begründeten Privilegien, die Bücher und Zeitschriften genießen, insbesondere die Preisbindung, der Vorzugssteuersatz bei der Mehrwertsteuer und die Sondertarife der Post, in Frage gestellt werden könnten. Das ist m.E. nicht der Fall, weil ja sehr viele Bücher und Zeitschriften ganz unstreitig eine sehr wichtige Rolle für politische Meinungsbildung sowie im Kultur- und Bildungsbereich spielen. Da es bekanntlich nicht möglich ist, eine operationale Trennungslinie zwischen kulturell wertvollen, förderungswürdigen Literaturprodukten und »sonstigen« zu ziehen, muss es bei der Gesamtförderung bleiben. Es ist ja auch nicht so, dass der Gesetzgeber so blind wäre, nicht zu erkennen, wie viele armselige Produkte ohne höheren Anspruch bis hin zu purem Schrott in den Buchhandlungen liegen: Er hat sich aber aus gutem Grund entschlossen, das Förderungswürdige in den Vordergrund seiner Entscheidungen zu stellen. Man erinnert sich da an den schönen Satz Plinius d.J.: »Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht irgendeinen Nutzen brächte«. Man sollte im Bewusstsein dieser Klarsichtigkeit der Politik also die sog. »Privilegien« eher damit begründen, dass sie ohnehin nicht den Verlagen und dem Buchhandel, sondern den Käufern zugute kommen. Eine nüchterne Selbsteinschätzung verschafft uns viel eher Glaubwürdigkeit. Nicht durch hochfahrendes Gerede, sondern nur durch Substanz können wir die Öffentlichkeit überzeugen. Sorgen wir also dafür, dass das Substanzielle in unseren Programmen überwiegt und nicht Schnickschnack und Peinlichkeiten mit einem Zuckerguss von kulturellem Sendungsbewusstsein. Viel eher ist es angemessen und wirkungsvoll, das Unternehmen zu einer anschaulichen Geschichte seiner Veröffentlichungen und Autoren gerinnen zu lassen und ihm so ein unverwechselbares Image zu geben. Dazu eignet sich keine Branche so gut wie die Verlage, soweit sie in Bescheidenheit akzeptieren, dass nicht eigentlich sie selbst, sondern ihre Autoren ihr Bild prägen. Die eigene Bedeutung entsteht vielleicht erst mit der ein oder auch zwei Autorengenerationen überdauernden Präsenz und Wirksamkeit eines Verlags. Bertolt Brecht hat die viel beschworene Doppelnatur in der berühmt gewordenen Formel von »der geheiligten Ware Buch« auf den Punkt gebracht - wahrscheinlich konnte das ein Marxist eben viel besser als Kapitalisten, die <?page no="19"?> 1. Märkte und Rahmendaten 20 sich in Rechtfertigungszwang sehen und daher ein dekoratives Kulturmäntelchen umhängen. Die gelungene Balance - Inhalt und Ökonomie - macht das Besondere des Verlegerberufs aus. Gerade im Akzeptieren dieser Doppelnatur liegt daher die Voraussetzung für erfolgreiche Verlagsarbeit, und der Verleger kommt nicht darum herum, dass er in der Beziehung Autor/ Markt der vermittelnde Kaufmann ist. Diesen kaufmännisch geschulten Blick, das dazugehörige Wissen muss nicht nur der Verleger selbst haben, sondern ebenso seine wichtigen Mitarbeiter in allen Bereichen, insbesondere auch im Lektorat: Ökonomie ist gewiss nicht alles, aber alles intellektuelle Bemühen, aller programmatische Ehrgeiz ist auf die Dauer nichts ohne Ökonomie. Nur indem deren Gesetze verinnerlicht und beachtet werden, kann der gesellschaftliche und kulturelle Auftrag wirksam verwirklicht werden. Joseph Caspar Witsch, der ehemalige Verleger des Kiepenheuer & Witsch Verlags, hat vor vielen Jahren die immer wieder kritisch betrachtete Frage der Kommerzialisierung der Literatur, geprägt von persönlichen Erfahrungen aus Nazi- und DDR-Diktatur und der daraus resultierenden staatlichen Gängelung der Literatur, sehr plastisch und eindringlich formuliert und dabei das Element des freien Marktes als Voraussetzung einer freien Literatur sehr schön herausgearbeitet: »Die Kommerzialisierung der Literatur ist die notwendige Bedingung ihrer Freiheit. Nur wenn Literatur frei gehandelt wird, so wie Kühlschränke, Autos, Pfeffer und Salz gehandelt werden, bleibt sie frei. In dem Augenblick, in dem sie aus einem Gegenstand des Geschäfts verwandelt wird in ein Objekt der Fürsorge des Staats, verliert sie ihre Unabhängigkeit und mit ihrer Unabhängigkeit Wahrheit und Schönheit. ... Wenn jedoch der Staat, als ein Instrument totaler Macht, die Literatur in seine krallenbewehrte Hand nimmt, dann tritt nicht mehr das freie Wort, das große Bild, die große menschliche Affektion in der Literatur in Erscheinung, sondern der sozialistische oder nationalistische oder ein anderer, gleichwie benannter zweckgebundener dialektischer Realismus. Die Literatur und die ganze Welt der Bücher, alles Gedruckte hat dann nur noch einen einzigen Zweck: den großen Mäzenaten zu feiern und zu preisen, den Menschen aber zu drillen und ihm die Lüge als Wahrheit glaubhaft zu machen. In einer Gesellschaft, in der Literatur frei gehandelt werden kann, und in der sie frei von Zensur, Bevormundung und Anweisung ist, also frei ist von vorgegebenen Zwecken, wachsen unsere Bäume nicht in den Himmel. Die Kommerzialisierung der Literatur erlaubt Literatur nur in dem Maße, in dem eine freie und unabhängige, eine sachverständige und kenntnisreiche Kritik tätig und wirksam ist, ja geradezu gepflegt und gehegt wird.« <?page no="20"?> 21 1.1 »Books are different« Überzeugender kann man kaum die Bedeutung von Ökonomie und Marktverfassung für ein freiheitliches Publikationswesen und damit eine freiheitliche Gesellschaft darlegen: Nicht auf die Gesinnung des Einzelnen - egal ob Verleger oder Autor - kommt es an, sondern auf eine »Verfassung der Freiheit« (F.-A.-v. Hayek). Ökonomisch orientiertes Handeln muss zudem nicht kaltherzige Gewinnmaximierung bedeuten - dazu sind die metaökonomischen Zielsetzungen der meisten Verleger viel zu stark. Zudem bedeutet kurzfristiges Maximieren ja auch bei weitem nicht ein langfristiges Optimum. Auf dieses viele Perioden übergreifende Optimum aber muss es jedem weitsichtigen Unternehmer ankommen - vielleicht haben deshalb nicht wenige inhabergeführte Unternehmen eine mehrere Generationen überdauernde Lebenskraft. Um eine weitgehend unbeeinflusste, wettbewerbsorientierte Freiheit im Verlagswesen zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber die Verlage u.a. mit dem Privileg der »Tendenzbetriebe« versehen, demgemäß die Mitbestimmung in solchen Betrieben stärkeren Beschränkungen unterworfen ist als sonst in der Wirtschaft: Alle Regelungen, die der Eigenart des Tendenzbetriebs entgegenstehen, sind nicht anwendbar. Der möglichst freie Wettbewerb auf dem Markt der Ideen, d.h. einer vielfältigen, nicht zentral gesteuerten Kommunikation in der Gesellschaft, erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Jede davon muss durch Gesetz und politisches Handeln dauerhaft gesichert werden. Nur so kann das komplexe System der Interaktion auf den verschiedenen Ebenen für Literatur, Politik, Wissenschaft und Unterricht wirksam werden. Wettbewerb als komplexes System Wettbewerb der Individuen der Ideen der Unternehmen der Medien ökonomischer Raum der Nationen der politischen Systeme Die Interaktion der einzelnen Bereiche muss jeweils in sich und zwischen den verschiedenen Ebenen als freier Verkehr ohne Kontrahierungszwang einer Seite gedacht werden: Wenn die zwei mittleren, den ökonomischen Regeln unterworfenen Ebenen gut funktionieren, dann wird auch der Wettbewerb der Nationen und der politischen Systeme und andererseits der unter den frei- <?page no="21"?> 1. Märkte und Rahmendaten 22 en Individuen wirksam. Es sei am Rande angemerkt, dass diese Forderung nach einer Wettbewerbsorientierung im Kultur- und Bildungsbereich natürlich nicht bedeuten kann, dass der Staat sich ganz heraushalten und auf entsprechende Subventionen verzichten sollte: Aber auch diese müssen so verteilt werden, dass der Grundsatz eines prinzipiell staatsunabhängigen kulturellen Wettbewerbs erhalten bleibt, staatliche Unterstützung also nicht etwa »Wohlverhalten« belohnt. Wichtiger als alle Subventionen ist der einer freiheitlichen Gesellschaftsidee verpflichtete, stabile Rechtsrahmen. Laien denken beim Stichwort Wettbewerb in der Regel nur an den der Unternehmen und ihrer Produkte um Käufer. Das ist aber nur ein Aspekt: Wettbewerb findet auch in anderen Bereichen statt, und der Erfolg eines Unternehmens (oder seine Niederlagen) auf diesen Gebieten sind nicht minder bedeutungsvoll für seinen Erfolg. Diesen Sachverhalt fasst nachstehende Abbildung zusammen - es sind also fünf Wettbewerbsbereiche, in denen ein Unternehmen oder auch eine ganze Branche sich erfolgreich positionieren müssen. Bedrohung durch Substitutionsprodukte 3 Bedrohung durch neue Konkurrenten 2 Verhandlungsmacht der Abnehmer 4 Verhandlungsstärke der Lieferanten Wettbewerb in der Branche 1 5 (z. Zt. eher gering) (durch Konzentration im Verlagsbereich steigend) (starke Konkurrenz der Freizeitprodukte) s. Kap. 1���� (im P����bereich kaum, im Digitalbereich stark) s. Kap. 6 (stark steigend) s. Kap. 2 (Handelskonzentration) Abb. 1.1: Der Verlag im Einfluss verschiedener Marktkräfte (verändert nach Porter u. Nieschlag) <?page no="22"?> 23 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen 1.2- Rechtliche Rahmenbedingungen Alles wirtschaftliche Handeln bedarf einer Absicherung durch eine Rechtsordnung, die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln planbar macht. Erst mit einer soliden Planungssicherheit hinsichtlich des Rechtsrahmens ist langfristig vorausschauendes Handeln und in die Zukunft gerichtetes Investieren möglich. Die Risiken der Produkte im Markt, das eigentliche unternehmerische Risiko, bleiben davon ganz unberührt. In diesem Wechselspiel von stabilem Rechtsrahmen, der ein wettbewerbsorientiertes unternehmerisches Handeln sichert, und der Ungewissheit der Ergebnisse der individuellen Entscheidungen kann man das Wesen der Marktwirtschaft sehen: der Staat soll den Rahmen garantieren, aber so wenig wie möglich direkt regulierend eingreifen. Dieser generelle Rechtsrahmen ist viel wichtiger als einzelne gesetzgeberische Regelungen wie MWSt.-Privileg, Preisbindung u.a., ohne dass damit die hohe Bedeutung der Letzteren in Frage gestellt werden soll. Zunächst unterstehen Verlage den gesetzlichen Regelungen, die für alle Unternehmen gelten, also z.B. dem BGB, HGB, GmbH-Gesetz, den Steuergesetzen, dem Kartell- und Wettbewerbsrecht, dem Strafgesetzbuch u.s.w. Von allen generellen Regelungen soll und kann in diesem Abschnitt nicht gehandelt werden; vielmehr werden in keineswegs erschöpfender Auswahl einige Aspekte unserer Rechtsordnung kurz skizziert, die in besonderer Weise für Verlage bedeutungsvoll oder spezifisch für sie geschaffen sind. 1.2.1 Grundgesetz Wie für alle Medienunternehmen und kulturell tätigen Institutionen hat das Grundgesetz auch für die Verlage eine unmittelbare, existenzielle Bedeutung, die weit über die für sonstige Wirtschaftszweige hinausgeht. Dabei geht es insbesondere um nachfolgende Artikel: Artikel 1 [Menschenwürde; Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt] (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. <?page no="23"?> 1. Märkte und Rahmendaten 24 (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Artikel 2 [Allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheit der Person; Recht auf Leben] (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Artikel 3 [Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigung von Männern und Frauen; Diskriminierungsverbote] (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Artikel 4 [Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit] (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. ... Artikel 5 [Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft] (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. <?page no="24"?> 25 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen ... Artikel 14 [Eigentum, Erbrecht und Enteignung] (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. ... Artikel 18 [Verwirkung von Grundrechten] Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen. Von diesen ausgewählten Artikeln des Grundgesetzes nehmen Artikel 5 und 18 direkt Bezug auf die Tätigkeit von Verlagen (von der Tagespresse bis zum wissenschaftlichen Spezialwerk und sogar digitalen Veröffentlichungsformen). Die Artikel 1 und 2 wirken sich in vielfältiger Weise auf die Rechtsprechung und ggf. Gesetzgebung im Zusammenhang mit Verlagsprodukten aus. Artikel 14 ist die Basis für die Entschädigungsansprüche der Inhaber von Urheberrechten, insoweit ihnen durch die sog. »Schranken des Urheberrechts« Teile ihrer Eigentumsrechte genommen werden (s. S.- 26 ff.). Auch setzt Art. 14 strenge Anforderungen an solche enteignungsgleichen Schrankenregelungen und fordert »gerechte« Abwägung der Eigentümerinteressen gegenüber denen der Allgemeinheit (s. folg. Kap. 1.2.3). Schließlich setzt Artikel 18 klare Grenzen für die Meinungs- und Pressefreiheit. <?page no="25"?> 1. Märkte und Rahmendaten 26 Zwischen den genannten Grundrechten bestehen z.T. erhebliche Konflikte: So kann etwa das Recht der Pressefreiheit (Art. 5/ 1) mit der Würde des Menschen (Art. 1/ 1) und der persönlichen Ehre (Art. 5/ 2) in Widerspruch geraten. Beispiele dafür werden in Kapitel 7 gebracht. Ebenso stehen dem Recht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit (Art. 5/ 1) Grenzen bereits in Art. 5/ 2 (Jugendschutz) entgegen. Viele weitere Einschränkungen folgen aus den in 1.2.4 genannten Bestimmungen des Strafgesetzbuches. Zahlreiche weitere Konflikte könnten aufgezeigt werden. Autoren, Redakteure, Verlage stehen also ständig in der Gefahr, durch Überdehnung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Berichterstattung selbst Rechtsbrecher und damit strafbedroht und ggf. schadensersatzpflichtig zu werden. Zahllose Prozesse (Caroline-Urteil, Esra-Prozess) sind Beispiele dafür (s.-a.-Kap.-7). 1.2.2 Kunstfreiheit Ein weiteres Problemfeld für Grundrechtsausübung ergibt sich aus der Kunstfreiheit (Art. 5/ 3); so hat fast ein Jahrhundert lang die »Verbreitung pornografischer Schriften« (§ 184 StGB) eine große Rolle bei Strafverfolgung von Büchern gespielt - immer galt es dabei den Kunstvorbehalt gegen die Strafvorschrift abzuwägen. Schon lange vor dem Grundgesetz hat aber die Kunst oftmals überraschende Siege errungen, so etwa im berühmten Berliner Reigen- Prozess (1922), bei dem ein Verbot des damals als anstößig geltenden Stückes von Arthur Schnitzler vom Gericht abgelehnt wurde - übrigens 18 Jahre nach dessen Buchveröffentlichung. Ähnlich war lange Jahre der »Ulysses« von James Joyce in den USA wegen Anstößigkeit verboten. Zahllose andere Bühnenstücke und Bücher mussten diesen Weg gehen - meist schon nach wenigen Jahren rückblickend unbegreiflich. 1.2.3 Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG - Schranken des Urheberrechts Das Urheberrecht wird in Kapitel 7 ausführlich dargestellt. Es ist für Autoren wie Verlage als Eigentumsrecht mit allen daraus ableitbaren Verfügungs- und Nutzungsrechten die wirtschaftliche Basis ihrer Existenz. Es soll hier daher auf einen besonderen Aspekt der Grundrechte eingegangen werden: Das Konzept der den Grundrechten innewohnenden (»immanenten«) Schranken aus dem Aspekt der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums. <?page no="26"?> 27 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen Aus dem Gemeinwohlvorbehalt des Abs. 2 und dem Recht des Staates auf Enteignungshandlungen gemäß Abs. 3 ergeben sich für den Verlagsbereich schwer wiegende, branchenspezifische Konsequenzen: Mit dem Gemeinwohlvorbehalt hat der Gesetzgeber verschiedene, in letzter Zeit gravierend vermehrte Eingriffe begründet, nämlich durch die Schaffung von Schrankenregelungen (z.B. für Fotokopieren, Entleihen, Dokumentenversand, digitale Nutzung zu Unterrichtszwecken u.a.), durch die Verfügungs- und Verbotsrechte der Rechteinhaber insoweit beschränkt werden. Davon ist im Kapitel 7 (S.-344 ff.) näher die Rede. Sicher ist zuzugestehen, dass gerade die geistigen Schöpfungen im Prinzip »der Menschheit« gehören, ihr nützlich und unterhaltend sein sollen. Die entscheidende Bedeutung intellektueller Schöpfungen für die Gesellschaft führt unabweislich und richtigerweise zu hohen Anforderungen des Gemeinwesens an ihre Qualität und Verfügbarkeit. Aber im Blick auf die wohl begründeten Ansprüche der Urheber auf angemessene Vergütung für alle Nutzungen ihrer geistigen Schöpfungen ist der immer größer werdende Umfang dieser Enteignungseingriffe, ihre immer stärkere negative Einwirkung auf die Primärverwertung höchst problematisch. Mittlerweile bedeuten die durchweg völlig unzureichenden Entschädigungen, etwa bei der Reprografiegebühr oder den ersten Vorschlägen für die Entgelte betreffend Nutzungen nach §-52a (s. S.-371) für Urheber und Verwerter eine Quasi-Enteignung in nicht mehr vertretbarem Maße. Für die Nutzungen aus dieser neuen Regel ist auch nach mehr als neun Jahren nicht ein Cent an die Rechteinhaber geflossen! Das Gleiche gilt für weitere Schrankenregelungen (§52b). Desweiteren ist die Reprographiegebühr - trotz gesetzlicher Verpflichtung zur Anpassung! - seit über 25 Jahren unverändert, also durch die Geldentwertung dramatisch ausgehöhlt. Der Staat tut sich deshalb besonders schwer, angemessene Entschädigungen festzusetzen, weil er als Unterhaltsträger der Bildungseinrichtungen auch der Hauptzahlungsverpflichtete ist: ein offenbar fatales Wechselspiel der Berufung auf den Gemeinwohlvorbehalt und der fiskalisch orientierten Knauserigkeit bei den nach Art. 14/ 3 GG und den darauf fußenden Regelungen des UrhG geschuldeten Entgelten. Zudem berühren die neueren Schrankenregelungen z.B. des § 52a/ b mittlerweile zentrale Bereiche der Verwertung und beeinträchtigen die normale Rechteverwertung gravierend. Leider übersieht der Gesetzgeber dabei sehr kurzsichtig den engen Zusammenhang zwischen Qualität der Inhalte und den aus ihrer Nutzung anfallenden Erträgen: Qualitätsinformation kann nicht umsonst erstellt und vermittelt werden. Die fortschreitende Austrocknung dieser Erträge durch unzureichend <?page no="27"?> 1. Märkte und Rahmendaten 28 dotierte gesetzliche Zwangslizenzen bedeutet eine Gefährdung des entscheidenden Produktionsfaktors Kreativität in modernen Wissensgesellschaften. 1.2.4 Strafgesetzbuch Eine ganze Reihe von Bestimmungen des StGB bezieht sich explizit auf die Verlage. Sie werden nachstehend unkommentiert auszugsweise zitiert. § 74d. Einziehung von Schriften und Unbrauchbarmachung. (1) Schriften (§ 11 Abs. 3), die einen solchen Inhalt haben, daß jede vorsätzliche Verbreitung in Kenntnis ihres Inhalts den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen würde, werden eingezogen, wenn mindestens ein Stück durch eine rechtswidrige Tat verbreitet oder zur Verbreitung bestimmt worden ist. Zugleich wird angeordnet, daß die zur Herstellung der Schriften gebrauchten oder bestimmten Vorrichtungen, wie Platten, Formen, Drucksätze, Druckstöcke, Negative oder Matrizen, unbrauchbar gemacht werden. (2) Die Einziehung erstreckt sich nur auf die Stücke, die sich im Besitz der bei ihrer Verbreitung oder deren Vorbereitung mitwirkenden Personen befinden oder öffentlich ausgelegt oder beim Verbreiten durch Versenden noch nicht dem Empfänger ausgehändigt worden sind. ... § 90. Verunglimpfung des Bundespräsidenten. (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn nicht die Voraussetzungen des § 188 erfüllt sind. (3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Tat eine Verleumdung (§ 187) ist oder wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt. § 90a. Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole § 90b. Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen <?page no="28"?> 29 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen § 92b. Einziehung. Ist eine Straftat nach diesem Abschnitt begangen worden, so können 1. Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, und 2. Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 80a, 86, 86a, 90 bis 90b bezieht, eingezogen werden. § 95. Offenbaren von Staatsgeheimnissen § 97. Preisgabe von Staatsgeheimnissen. (1) Wer ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wird, an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch fahrlässig die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 103. Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten § 109g. Sicherheitsgefährdendes Abbilden. (1) Wer von einem Wehrmittel, einer militärischen Einrichtung oder Anlage oder einem militärischen Vorgang eine Abbildung oder Beschreibung anfertigt oder eine solche Abbildung oder Beschreibung an einen anderen gelangen läßt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 111. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten. (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft. (2) Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Die Strafe darf nicht schwerer sein als die, die für den Fall angedroht ist, daß die Aufforderung Erfolg hat (Absatz 1); § 49 Abs. 1 Nr. 2 ist anzuwenden. § 130. Volksverhetzung. (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. <?page no="29"?> 1. Märkte und Rahmendaten 30 (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, a) verbreitet, b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder 2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk verbreitet. (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. § 131. Gewaltdarstellung. (1) Wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, 1. verbreitet, 2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, 3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder 4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine Darbietung des in Absatz 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk verbreitet. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. <?page no="30"?> 31 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen § 184. Verbreitung pornographischer Schriften. (1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3) 1. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht, 2. an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, 3. im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die der Kunde nicht zu betreten pflegt, im Versandhandel oder in gewerblichen Leihbüchereien oder Lesezirkeln einem anderen anbietet oder überläßt, 3a. im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewährung des Gebrauchs, ausgenommen in Ladengeschäften, die Personen unter achtzehn Jahren nicht zugänglich sind und von ihnen nicht eingesehen werden können, einem anderen anbietet oder überläßt, 4. im Wege des Versandhandels einzuführen unternimmt, ... 9. auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Ausland unter Verstoß gegen die dort geltenden Strafvorschriften zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen oder eine solche Verwendung zu ermöglichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. ... (5) Wer es unternimmt, sich oder einem Dritten den Besitz von pornographischen Schriften (§ 11 Abs. 3) zu verschaffen, die den sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, wird, wenn die Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt. Insbesondere die Bestimmungen der §§ 130, 131 und 184 haben hohe praktische Bedeutung für Verlage - vom literarischen Edelunternehmen bis hin zur yellow press. Das gilt auch für die §§-185ff. (Beleidigung, Verleumdung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener u.a.),die erhebliche praktische Bedeutung für die Verlagsarbeit - nicht nur in der yellow press haben. Auch hier entsteht oft ein Konflikt zwischen Freiheit der Berichterstattung oder der Kunstfreiheit auf der einen und den Persönlichkeitsrechten Dritter auf der anderen Seite. Beispielhaft sind dafür als besonders wichtig für die Verlagsarbeit die nachfolgenden Bestimmungen, insbesondere auch die besonders vertrackten Bestimmungen der §§ 192/ 193. <?page no="31"?> 1. Märkte und Rahmendaten 32 § 185. Beleidigung § 186. Üble Nachrede § 187. Verleumdung § 188. Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens § 189. Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener § 192. Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises. Der Beweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache schließt die Bestrafung nach §- 185 nicht aus, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. § 193. Wahrnehmung berechtigter Interessen. Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Die Frage, was diese Vielzahl rechtlicher Bestimmungen in einer Darstellung der Verlagswirtschaft zu suchen hat, ist leicht beantwortet: abgesehen von den persönlichen Konsequenzen für Autoren, Redakteure, Verleger folgen auch für die Unternehmen selbst u.-U. schwer wiegende wirtschaftliche Konsequenzen, die es vorausschauend zu vermeiden gilt. Auf bestimmte Aspekte diesbezüglich, insbesondere die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wird in Kapitel-7 eingegangen. Eine schlichte Berufung auf die Grundrechte nach Art. 5 GG reicht also nicht aus. Es bedarf der sorgsamen Abwägung der potenziell entgegenstehenden Rechte oder Strafbestimmungen. Dazu bedarf es häufig anwaltlichen Rats, der - vorweg eingeholt - viel Ärger und Kosten ersparen kann. <?page no="32"?> 33 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen 1.2.5 Wettbewerbsrecht Die Bestimmungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) haben gerade in einer so kleinteilig organisierten Branche wie dem Verlagswesen erhebliche Bedeutung. Die Fusionskontrolle ist einsichtigerweise für den politisch sensiblen Medienbereich besonders wichtig, um marktbeherrschende Positionen und damit Meinungsmonopole zu verhindern. Jede Firmenübernahme wird nach diesen Kriterien geprüft und dann entweder genehmigt oder untersagt. Während in der sonstigen Wirtschaft ein Grenzwert von 500 Mio DM/ 250 Mio € gemeinsamer Umsatz als Kriterium gilt (neben 20% gemeinsamem Marktanteil) ist für diesen Wert im Pressebereich, der auch die Buchverlage umfasst, nach §- 38/ 3 das Zwanzigfache der tatsächlichen Umsätze anzusetzen, d.h. die Schwelle liegt für Verlage bereits bei 12.5 Mio €. Angesichts der Kleinheit und Spezialisierung der meisten Verlage wird hier also bei schon viel geringeren Umsätzen eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten (Teil)Markt vermutet. Seit Jahren wird um eine Heraufsetzung dieses Werts insbesondere seitens der Zeitungsverlage heftig gekämpft. Die geforderte Heraufsetzung der Umsatzgrenze auf 50 Mio € ist aber gerade wieder vom Bundestag verworfen worden. Grundsätzlich wird man die Ansetzung niedrigerer Umsatzschwellen, als sie etwa für Stahlproduzenten oder Lebensmittelketten gelten, durchaus billigen können, fragwürdig bleibt aber der extrem niedrige Ansatz für den Medienbereich. Unübersehbar ist, dass sich damit die Verkaufschancen für Verlage deutlich ungünstiger darstellen. Das hat schon bei manchem Verlagsverkauf gravierende Probleme bereitet. Der erste Teil des GWB behandelt die Kartellvereinbarungen, die grundsätzlich verboten sind (§-1). Wichtig sind für alle Branchen folgende Ausnahmen: § 2 Normen- und Typenkartelle, Konditionenkartelle. (1) Vereinbarungen und Beschlüsse, die lediglich die einheitliche Anwendung von Normen oder Typen zum Gegenstand haben, können vom Verbot des § 1 freigestellt werden. (2) Vereinbarungen und Beschlüsse, die die einheitliche Anwendung allgemeiner Geschäfts-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen einschließlich der Skonti zum Gegenstand haben, können vom Verbot des § 1 freigestellt werden, soweit die Regelungen sich nicht auf Preise oder Preisbestandteile beziehen. <?page no="33"?> 1. Märkte und Rahmendaten 34 § 3 Spezialisierungskartelle. Vereinbarungen und Beschlüsse, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch Spezialisierung zum Gegenstand haben, können vom Verbot des § 1 freigestellt werden, wenn die Wettbewerbsbeschränkung nicht zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt. § 4 Mittelstandskartelle. (1) Vereinbarungen und Beschlüsse, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch eine andere als die in § 3 bezeichnete Art der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, können vom Verbot des § 1 freigestellt werden, wenn 1. dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und 2. die Vereinbarung oder der Beschluß dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern. Diese Ausnahmen sind für das mittelstandsorientierte Verlagswesen wichtig, so konnten z. B. die Verhaltensgrundsätze im Buchhandel, die Wettbewerbsregeln und die Verkehrsordnung, die Regelungen für vereinfachte Remission u. a. auf dieser Basis genehmigt werden. Auch sieht die Novellierung zum Pressefusionsrecht erleichternde Regelungen - allerdings unter dem Vorbehalt einer Vorabgenehmigung durch das Kartellamt - vor bei Vertrieb, Druck und Anzeigen. Die Kooperationen dürfen aber nicht die Redaktionen einbeziehen (Gefahr einer »Fusion durch die Hintertür«). Ziel des GWB bleibt unverändert die Erhaltung der Vielfalt der Presse- und Verlagslandschaft. 1.2.6 Preisbindung Von besonderer Bedeutung war die Ausnahme des §- 15 GWB für die Preisbindung von Druckerzeugnissen, auf der basierend das privatrechtlich organisierte System der Preisbindungsreverse entwickelt wurde, durch das sich die Abnehmer (eventuell mehrstufig) gegenüber den Verlagen zur Einhaltung der von diesen festgesetzten Preise verpflichteten. Durchsetzungsinstrumente waren Liefersperren und Konventionalstrafen. Dieses Reverssystem wurde aus europarechtlichen Gründen für den Buchbereich durch das Preisbindungsgesetz ersetzt (s. u.). Das Reverssystem ist jetzt nur noch für die Verlage erforderlich, die ihre Zeitschriftenpreise weiterhin binden möchten. Dazu bestimmt der neu gefasste §-15 GWB: <?page no="34"?> 35 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen § 15 Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften. (1) § 14 gilt nicht, soweit ein Unternehmen, das Zeitungen oder Zeitschriften herstellt, die Abnehmer dieser Erzeugnisse rechtlich oder wirtschaftlich bindet, bei der Weiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinbaren oder ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zur Weiterveräußerung an den letzten Verbraucher aufzuerlegen. Zu Zeitungen und Zeitschriften zählen auch Produkte, die Zeitungen oder Zeitschriften reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen sind, sowie kombinierte Produkte, bei denen eine Zeitung oder Zeitschrift im Vordergrund steht. (2) Vereinbarungen der in Absatz 1 bezeichneten Art sind, soweit sie Preise und Preisbestandteile betreffen, schriftlich abzufassen. Es genügt, wenn die Beteiligten Urkunden unterzeichnen, die auf eine Preisliste oder auf Preismitteilungen Bezug nehmen. § 126 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung. (3) Das Bundeskartellamt kann von Amts wegen oder auf Antrag eines gebundenen Abnehmers die Preisbindung für unwirksam erklären und die Anwendung einer neuen, gleichartigen Preisbindung verbieten, wenn 1. die Preisbindung mißbräuchlich gehandhabt wird oder 2. die Preisbindung oder ihre Verbindung mit anderen Wettbewerbsbeschränkungen geeignet ist, die gebundenen Waren zu verteuern oder ein Sinken ihrer Preise zu verhindern oder ihre Erzeugung oder ihren Absatz zu beschränken. Der jetzige §-15 GWB genehmigt auf privatrechtlicher Reversbasis nur noch die Preisbindung für Zeitschriften. Tatsächlich machen sehr viele Verlage davon keinen Gebrauch, d.h. viele Zeitschriften haben heute nur noch empfohlene Preise. Für Bücher gilt nun das Gesetz über die Preisbindung für Bücher (Buchpreisbindungsgesetz - BuchPrG vom 14.6.2002 in der veränderten Fassung vom 14. Juli 2006). Seitdem gibt es für Bücher - anders als weiterhin bei Zeitschriften - kein Wahlrecht des Verlags mehr, ob er seine Erzeugnisse der Preisbindung unterwerfen will oder nicht: Er muss es. Damit wurde das komplizierte und teure Revers- und Überwachungssystem, das die Verlage selbst finanzieren mussten, weitgehend obsolet. Es gilt derzeit als herrschende Meinung, dass die Preisbindung auch für digitale Versionen von Büchern oder e-only-Publikationen gilt. Wegen der Kürze, Klarheit und eindrücklichen Begründung in §-1 sei dieses Gesetz hier in den wesentlichen Paragrafen wiedergegeben: <?page no="35"?> 1. Märkte und Rahmendaten 36 § 1 Zweck des Gesetzes Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert. § 2 Anwendungsbereich (1) Bücher im Sinne dieses Gesetzes sind auch 1. Musiknoten, 2. kartographische Produkte, 3. Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind sowie 4. kombinierte Objekte, bei denen eines der genannten Erzeugnisse die Hauptsache bildet. (2) Fremdsprachige Bücher fallen nur dann unter dieses Gesetz, wenn sie überwiegend für den Absatz in Deutschland bestimmt sind. (3) Letztabnehmer im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Bücher zu anderen Zwecken als dem Weiterverkauf erwirbt. § 3 Preisbindung Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten. Dies gilt nicht für den Verkauf gebrauchter Bücher. § 4 Grenzüberschreitende Verkäufe (1) Die Preisbindung gilt nicht für grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes. (2) Der nach § 5 festgesetzte Endpreis ist auf grenzüberschreitende Verkäufe von Büchern innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes anzuwenden, wenn sich aus objektiven Umständen ergibt, dass die betreffenden Bücher allein zum Zwecke ihrer Wiedereinfuhr ausgeführt worden sind, um dieses Gesetz zu umgehen. <?page no="36"?> 37 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen § 5 Preisfestsetzung (1) Wer Bücher verlegt oder importiert, ist verpflichtet, einen Preis einschließlich Umsatzsteuer (Endpreis) für die Ausgabe eines Buches für den Verkauf an Letztabnehmer festzusetzen und in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für Änderungen des Endpreises. (2) Wer Bücher importiert, darf zur Festsetzung des Endpreises den vom Verleger des Verlagsstaates für Deutschland empfohlenen Letztabnehmerpreis einschließlich der in Deutschland jeweils geltenden Mehrwertsteuer nicht unterschreiten. Hat der Verleger keinen Preis für Deutschland empfohlen, so darf der Importeur zur Festsetzung des Endpreises den für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Nettopreis des Verlegers für Endabnehmer zuzüglich der in Deutschland jeweils geltenden Mehrwertsteuer nicht unterschreiten. (3) Wer als Importeur Bücher in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu einem von den üblichen Einkaufspreisen im Einkaufsstaat abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, kann den gemäß Absatz 2 festzulegenden Endpreis in dem Verhältnis herabsetzen, wie es dem Verhältnis des erzielten Handelsvorteils zu den üblichen Einkaufspreisen im Einkaufsstaat entspricht; dabei gelten branchentypische Mengennachlässe und entsprechende Verkaufskonditionen als Bestandteile der üblichen Einkaufspreise. (4) Verleger oder Importeure können folgende Endpreise festsetzen: 1. Serienpreise, 2. Mengenpreise, 3. Subskriptionspreise, 4. Sonderpreise für Institutionen, die bei der Herausgabe einzelner bestimmter Verlagswerke vertraglich in einer für das Zustandekommen des Werkes ausschlaggebenden Weise mitgewirkt haben, 5. Sonderpreise für Abonnenten einer Zeitschrift beim Bezug eines Buches, das die Redaktion dieser Zeitschrift verfasst oder herausgegeben hat und 6. Teilzahlungszuschläge. (5) Die Festsetzung unterschiedlicher Endpreise für einen bestimmten Titel durch einen Verleger oder Importeur oder deren Lizenznehmer ist zulässig, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist. § 6 Vertrieb (s. Kap. 4.3.2) § 7 Ausnahmen (Abs. (1) bis (3) handeln von Ausnahmen für Nachlässe an Verlagsmitarbeiter, für Mängelexemplare, an wissenschaftliche Bibliotheken und im Schulbuchgeschäft) ... <?page no="37"?> 1. Märkte und Rahmendaten 38 (4) Der Letztverkäufer verletzt seine Pflicht nach § 3 nicht, wenn er anlässlich des Verkaufs eines Buches 1. Waren von geringem Wert oder Waren, die im Hinblick auf den Wert des gekauften Buches wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallen, abgibt, 2. geringwertige Kosten der Letztabnehmer für den Besuch der Verkaufsstelle übernimmt, 3. Versand- oder besondere Beschaffungskosten übernimmt oder 4. andere handelsübliche Nebenleistungen erbringt. § 8 Dauer der Preisbindung (1) Verleger und Importeure sind berechtigt, durch Veröffentlichung in geeigneter Weise die Preisbindung für Buchausgaben aufzuheben, deren erstes Erscheinen länger als achtzehn Monate zurück liegt. (2) Bei Büchern, die in einem Abstand von weniger als 18 Monaten wiederkehrend erscheinen oder deren Inhalt mit dem Erreichen eines bestimmten Datums oder Ereignisses erheblich an Wert verliert, ist eine Beendigung der Preisbindung durch den Verleger oder Importeur ohne Beachtung der Frist gemäß Absatz 1 nach Ablauf eines angemessenen Zeitraums seit Erscheinen möglich. (§ 9 Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche § 10 Bucheinsicht) Kommentierende Informationen bietet das vom Börsenverein herausgegebene »Glossar zur Buchpreisbindung« (Stand Okt. 2006). Erfreulich ist, dass die politische Erwünschtheit der Preisbindung im § 1 ausdrücklich begründet wird und darüber hinaus ihre Notwendigkeit auch außerhalb Deutschlands von nahezu allen europäischen Parlamenten sowie dem Straßburger Parlament mehrfach bestätigt worden ist. Dennoch gibt es immer wieder von streng liberalen Ordnungspolitikern (z.B. in der Brüsseler Wettbewerbskommission) oder auch Konsumentenverbänden Kritik an diesem Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit. Zugleich gibt es die Tendenz einer aus der Branche kommenden Erosion durch immer mehr Sonderausgaben sowie das »Vorbild« einiger Länder, die bewusst die Preisbindung abgeschafft haben wie z.B. England und Schweden, wo allerdings die Durchschnittspreise für Bücher nach Aufhebung deutlich stiegen - nur ca. 100 umkämpfte Bestseller verzeichneten (z.-T. drastische) Preissenkungen. <?page no="38"?> 39 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen 1.2.7 Presserecht Obwohl der Bund eine Rahmengesetzgebungskompetenz für die Regelung der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse hat, hat er bis heute davon keinen Gebrauch gemacht. So wird dieses Rechtsgebiet durch die weitgehend übereinstimmenden Landespressegesetze geregelt, die z.T. anderweitig schon existierende Rechte, insbesondere das der Pressefreiheit bekräftigen. Allerdings gibt es bei einigen in der Praxis wichtigen Regelungen (dem Gegendarstellungsrecht, den Fristen und den einstweiligen Verfügungen) nennenswerte Unterschiede in den Landespressegesetzen, die je nach Sitz des Verlags sich unterschiedlich auswirken. Diese können hier nicht dargestellt werden. Vielmehr werden nachstehend einige zentrale Regelungen des Presserechts in Auflistung bzw. auszugsweise anhand des PresseG/ BW (Baden-Württemberg) genannt. Diese Regelungen beziehen sich nicht nur auf die Presse i.e.S. als periodische Druckwerke, sondern auf alle Publikationen, also auch Bücher (s.-§-7). § 1 Freiheit der Presse (1) Die Presse ist frei. Sie dient der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. (2) Die Freiheit der Presse unterliegt nur den Beschränkungen, die durch das Grundgesetz unmittelbar und in seinem Rahmen durch dieses Gesetz zugelassen sind. (3) Sondermaßnahmen jeder Art, die die Pressefreiheit beeinträchtigen, sind verboten. (4) Berufsorganisationen der Presse mit Zwangsmitgliedschaft und eine mit hoheitlicher Gewalt ausgestattete Standesgerichtsbarkeit der Presse sind unzulässig. (5) Gesetzen, die für jedermann gelten, ist auch die Presse unterworfen. § 2 Zulassungsfreiheit Die Pressetätigkeit einschließlich der Errichtung eines Verlagsunternehmens oder eines sonstigen Betriebes des Pressegewerbes darf von irgendeiner Zulassung nicht abhängig gemacht werden. § 3 Öffentliche Aufgabe der Presse Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt. <?page no="39"?> 1. Märkte und Rahmendaten 40 § 4 Informationsrecht der Presse (1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. (2) Auskünfte können verweigert werden, soweit 1. hierdurch die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder 2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder 3. ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder 4. ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet. ... § 7 Begriffsbestimmungen (1) Druckwerke im Sinne dieses Gesetzes sind alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung bestimmten Schriften, besprochenen Tonträgern, bildlichen Darstellungen mit und ohne Schrift, Bildträger und Musikalien mit Text oder Erläuterungen. *) ... (4) Periodische Druckwerke sind Zeitungen, Zeitschriften und andere in ständiger, wenn auch unregelmäßiger Folge und im Abstand von nicht mehr als sechs Monaten erscheinende Druckwerke. § 8 Impressum (1) Auf jedem im Geltungsbereich dieses Gesetzes erscheinenden Druckwerk müssen Name oder Firma und Anschrift des Druckers und des Verlegers, beim Selbstverlag des Verfassers oder des Herausgebers, genannt sein. (2) Auf den periodischen Druckwerken sind ferner Name und Anschrift des verantwortlichen Redakteurs anzugeben. Sind mehrere Redakteure verantwortlich, so muß das Impressum die in Satz 1 geforderten Angaben für jeden von ihnen enthalten. Hierbei ist kenntlich zu machen, für welchen Teil oder sachlichen Bereich des Druckwerks jeder einzelne verantwortlich ist. Für den Anzeigenteil ist ein Verantwortlicher zu benennen; für diesen gelten die Vorschriften über den verantwortlichen Redakteur entsprechend. ... *) eigenartigerweise nennt das PresseG/ BW bis heute keine digitalen Formen! <?page no="40"?> 41 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen § 10 Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen Hat der Verleger eines periodischen Druckwerks oder der Verantwortliche (§-8 Abs. 2 Satz 4) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so hat er diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort »Anzeige« zu bezeichnen. § 11 Gegendarstellungsanspruch (1) Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist. Die Verpflichtung erstreckt sich auf alle Nebenausgaben des Druckwerks, in denen die Tatsachenbehauptung erschienen ist. (2) Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung besteht nicht, wenn die betroffene Person oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung hat, wenn die Gegendarstellung ihrem Umfang nach nicht angemessen ist oder bei Anzeigen, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen. Überschreitet die Gegendarstellung nicht den Umfang des beanstandeten Textes, so gilt sie als angemessen. Die Gegendarstellung muß sich auf tatsächliche Angaben beschränken und darf keinen strafbaren Inhalt haben. ... (3) Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden; sie darf nicht in der Form eines Leserbriefs erscheinen. ... § 13 Anordnung der Beschlagnahme (1) Die Beschlagnahme eines Druckwerks kann nur der Richter anordnen. (2) Die Beschlagnahme darf nur angeordnet werden, wenn 1. dringende Gründe für die Annahme vorliegen, daß das Druckwerk eingezogen oder seine Einziehung vorbehalten (§ 74 b Abs. 2 StGB) wird und 2. in den Fällen, in denen die Einziehung einen Antrag oder eine Ermächtigung voraussetzt, dringende Gründe für die Annahme vorliegen, daß der Antrag gestellt oder die Ermächtigung erteilt wird. <?page no="41"?> 1. Märkte und Rahmendaten 42 (3) Die Beschlagnahme darf nicht angeordnet werden, wenn 1. der mit ihr verfolgte und erreichbare Rechtsschutz offensichtlich geringer wiegt als ein durch die Beschlagnahme gefährdetes öffentliches Interesse an unverzögerter Unterrichtung durch das Druckwerk oder 2. ohne weiteres feststeht, daß die nachteiligen Folgen der Beschlagnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen. § 14 Umfang der Beschlagnahme (1) Die Anordnung der Beschlagnahme erfaßt nur die Stücke eines Druckwerks, die sich im Besitz des Verfassers, Verlegers, Herausgebers, Redakteurs, Druckers, Händlers oder anderer bei der Herstellung, Veröffentlichung oder Verbreitung mitwirkenden Personen befinden, sowie die öffentlich ausgelegten oder öffentlich angebotenen oder sonst zur Verbreitung oder Vervielfältigung bestimmten Druckstücke; die Beschlagnahme kann in der Anordnung noch weiter beschränkt werden. Die Beschlagnahme kann auf Druckformen, Platten und Matrizen oder entsprechende, den gedanklichen Inhalt der Veröffentlichung tragende Vervielfältigungsmittel ausgedehnt werden. ... § 15 Verbreitungsverbot für beschlagnahmte Druckwerke Während der Dauer einer Beschlagnahme ist die Verbreitung des von ihr betroffenen Druckwerks oder der Wiederabdruck des die Beschlagnahme veranlassenden Teiles dieses Druckwerks verboten. ... § 17 Entschädigung für fehlerhafte Beschlagnahme (1) War die Beschlagnahme unzulässig oder erweist sich ihre Anordnung als offensichtlich ungerechtfertigt, so ist dem durch die Beschlagnahme unmittelbar Betroffenen auf Antrag eine angemessene Entschädigung in Geld zu gewähren. Dies gilt auch, wenn die Beschlagnahmeanordnung fortbesteht, obwohl sie nach § 16 Abs. 1 aufzuheben war. ... § 20 Strafrechtliche Verantwortung (1) Die Verantwortlichkeit für Straftaten, die mittels eines Druckwerkes begangen werden, bestimmt sich nach den allgemeinen Strafgesetzen. <?page no="42"?> 43 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen (2) Ist mittels eines Druckwerkes eine rechtswidrige Tat begangen worden, die einen Straftatbestand verwirklicht, so wird, soweit er nicht wegen dieser Handlung schon nach Absatz 1 als Täter oder Teilnehmer strafbar ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 vollen Tagessätzen bestraft 1. bei periodischen Druckwerken der verantwortliche Redakteur, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig seine Verpflichtung verletzt hat, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten, 2. bei sonstigen Druckwerken der Verleger, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig seine Aufsichtspflicht verletzt hat und die rechtswidrige Tat hierauf beruht. § 23 Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot (1) Redakteure, Journalisten, Verleger, Herausgeber, Drucker und andere, die bei der Herstellung oder Veröffentlichung eines periodischen Druckwerks berufsmäßig mitgewirkt haben, können über die Person des Verfassers, des Einsenders oder des Gewährsmanns einer Veröffentlichung dieses Druckwerks sowie über die ihnen anvertrauten, dieser Veröffentlichung zugrundeliegenden Tatsachen das Zeugnis verweigern. (2) Das Zeugnis darf nicht verweigert werden 1. bei einer Veröffentlichung strafbaren Inhalts ... 1.2.8 Brancheninterne Wettbewerbsregeln In vielen Branchen gibt es das Bedürfnis, über die rechtlich zwingenden Regeln gemäß Gesetz oder Rechtsprechung hinaus Verhaltensgrundsätze für den ordnungsgemäßen und fairen Geschäftsverkehr festzulegen. Das Bedürfnis dafür ist in einem mehrstufigen Verband wie dem Börsenverein, der alle drei Stufen der Branche (Hersteller, Zwischenhandel, Einzelhandel) umfasst einsichtigerweise besonders stark. In vielen Jahrzehnten haben sich daraus drei Regelwerke entwickelt: • Verkehrsordnung für den Buchhandel • Wettbewerbsregeln des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels • Verhaltensgrundsätze des Buchhandels (»Spartenpapier«). Diese Regelungen sind immer wieder entsprechend den Entwicklungen der Branche ergänzt und revidiert worden. <?page no="43"?> 1. Märkte und Rahmendaten 44 In aller Kürze nachstehend die entscheidenden Regelungsbereiche der drei Papiere nach gegenwärtigem Stand: Die Verkehrsordnung gilt grundsätzlich subsidiär zu den Lieferbedingungen der Verlage, diese haben also im Zweifel den Vorrang. Am Beginn werden Funktionsbeschreibungen der drei Branchen und weiterer Begriffe gegeben (§1), in §2 wird die Bekanntmachungspflicht geregelt. Sehr bedeutsam sind die Bestimmungen über die Bezugsbedingungen (§3), insbesondere Rabattierung, Importpreise, Preisänderungen, Rückgabe (Remissionen) und Subskriptionspreise. §4 regelt nachträgliche Änderungen der Bezugsbedingungen durch die Verlage. In §5 wird im Einzelnen geregelt, wie Bestellungen zu behandeln sind (z.B. Lieferhindernisse, Fortsetzungen, Angaben auf den Rechnungen, Eigentumsvorbehalt u.a.). §6 behandelt detailliert das heikle Gebiet der Remissionen, §7 das Zeitschriftengeschäft, §8 die Fortsetzungswerke, §9 Neuerscheinungen und unverlangte Sendungen. Weitere Paragraphen behandeln die Sendungen (Packstücke), beschädigte und fehlerhafte Werke, Sendungen unter Vorbehalt, Parallelausgaben für Nebenmärkte, Versandwege, Versandkosten, Haftung für Sendungen, Abmahnungen und einstweilige Verfügungen, Beschlagnahmen und Rechnungsstellung. Es sind also viele Sachverhalte geregelt, die im buchhändlerischen Alltag von erheblicher Bedeutung sind und oft Anlass zu Reibereien werden können. Da hilft die Verkehrsordnung sehr für klare Entscheidungen. Die Wettbewerbsregeln betreffen nicht Einzelheiten im Geschäftsverkehr, die die Verkehrsordnung regelt, sondern Grundsatzfragen im Wettbewerb, weil ja auch Verlage (als Direktversender oder Inhaber von Buchhandlungen) mit dem Sortiment in Konkurrenz stehen. Ziff. I. behandelt Vertrieb von preisgebundenen Verlagserzeugnissen, Ziff. II. den Verkauf von Remissionsexemplaren). Sehr wichtig im Wettbewerb sind auch die (i.d.R. preisgünstigeren) Parallelausgaben (III.). Grundsätze werden auch für die Werbung, insbesondere bei reduzierten Preisen, aufgestellt (V.), als unlauter das Abwerben von Abonnenten festgestellt (VI.); ebenso als unlauter gelten Schaufenster- oder Regalmieten seitens des Buchhandels (VII.) sowie das »Anzapfen«, d.h. das Fordern von Geschenken anlässlich von Jubiläen, Umbauten etc. (VIII.). Am grundsätzlichsten sind die Verhaltensgrundsätze des Buchhandels von 1985, das sog. Spartenpapier, in dem Grundsätze für ein förderliches Miteinander der Sparten i.S. einer Sicherung der Buchhandels- und Verlagsstruktur insgesamt formuliert wurden. Es versteht sich als »Orientierungshilfe für das Verhalten gegenüber den Partnern der jeweils anderen Sparten«. Dazu heißt es: »Alle Sparten des Buchhandels sollen ihre Tätigkeit so gestalten, dass Wettbe- <?page no="44"?> 45 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts werb möglich ist, erhalten und gefördert wird.« Diese doppelte Orientierung an kulturellen bzw. ökonomischen Aufgaben bedeutet einen stetigen inneren Konflikt. Die Einflussmöglichkeiten des dreistufigen Verbandes sind aus rechtlichen ebenso wie aus faktischen Gründen recht begrenzt. So sollen u. a. die Verlage in ihrer Konditionenpolitik die kleineren Buchhandlungen nicht unbillig benachteiligen, der Zwischenbuchhandel sich als »zweiseitiges Dienstleistungsunternehmen für Sortiment und Verlag« verstehen, das Sortiment schließlich im Interesse der Literaturvielfalt eine möglichst breite Lagerhaltung (auch für Erzeugnisse kleinerer Verlage) anstreben. 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts Der deutsche Buchmarkt (einschließlich der buchverlagsnahen Fachzeitschriften) ist ein gesamtwirtschaftlich gesehen kleiner Bereich. Der Gesamtumsatz von rd. 9,5 Mrd. € im Jahr 2012 ist ein Bruchteil dessen, was einer der großen Lebensmitteldiscounter umsetzt und deutlich weniger als der addierte Gewinn der deutschen Automobilindustrie. Hinzu kommt eine notorische Ertragsschwäche der meist relativ kleinen Verlagsunternehmen - Umsatzrenditen von mehr als 5% gelten schon als hoch befriedigend, was in den Augen internationaler Verlagskonzerne absolut inakzeptabel wäre. Das Verlagswesen in Deutschland hat also ein insgesamt bescheidenes Volumen, ist trotz unverkennbarer Konzentrationstendenzen gekennzeichnet von Kleinteiligkeit (allein der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat ca. 1.800 Verlagsmitglieder, dazu kommen viele weitere nicht dem Verband angehörende) und chronischer Ertragsschwäche. Viele Verlage sind eher wie Handwerksbetriebe einzuschätzen mit 5 bis 50 Mitarbeitern und einer relativ schwach ausgeprägten inneren Gliederung. 1.3.1 Strukturzahlen des Verlagswesens Da statistische Daten oft erst mit einiger Verzögerung zur Verfügung stehen, werden nachstehend neben aktuellen Zahlen auch einige Kennzahlen aus der Umsatzsteuerstatistik früherer Jahre gebracht, deren strukturelle Aussagen ungeachtet jährlicher Veränderungen aber durchaus valide sind. Die Tabelle zeigt einen deutlichen Rückgang der Zahl der Unternehmen in allen Größen und zugleich einen weiteren Anstieg des Umsatzanteils der drei obersten Größenklassen um 10% auf nunmehr 85%. Umgekehrt sieht es von unten her aus: Selbst wenn man nur die drei Größenklassen oberhalb <?page no="45"?> 1. Märkte und Rahmendaten 46 100.000- € Jahresumsatz zusammenfasst, weil darunter liegende Verlage ja kaum »Vollerwerbsbetriebe«, sondern eher Liebhaberbeschäftigungen sein werden, erreichen 919 Verlage mit Umsätzen zwischen 100.000 und 1 Mio-€ einen Umsatzanteil von 3,4%, während sie 41% der Verlagsunternehmen repräsentieren. Der hohen Zersplitterung der Verlage in kleine und kleinste Unternehmen steht also eine hohe Konzentration der Umsätze auf die mittleren und großen Verlage gegenüber - eine Entwicklung, die auch weiterhin voranschreitet: Dennoch finden stetig Neugründungen statt, die ökonomische Eintrittsschwelle zu einer Verlagsgründung ist eben recht niedrig, wenige Zehntausend Euro reichen zum Start. Aufschlussreich für die Kleinteiligkeit der Buchbranche ist der Vergleich der Mitgliederzahlen der drei großen Verlegerverbände. Es haben: Börsenverein des Deutschen Buchhandels ca. 1813 Verlagsmitglieder* Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) 209 Verlagsmitglieder Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) keine Angabe (wohl unter 100) * Es sind also bei Weitem nicht alle von der Umsatzsteuerstatistik erfassten Verlage (siehe vorige Tabelle) auch Mitglieder des Börsenvereins. Quelle: Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 Umsatzgrößenklasse in € Zahl der Untern. 2005 Umsatz im Jahr 2005 Anteil in % Zahl der Untern. 2011 Umsatz im Jahr 2011 in Ts. € Anteil in % 17.500 - 50.000 578 18.534 0,2 528 16.916 0,2 50.000 - 100.000 424 30.255 0,3 378 27.498 0,3 100.000 - 250.000 580 94.347 0,9 459 73.282 0,8 250.000 - 500.000 363 131.723 1,2 259 90.983 1,0 500.000 - 1 Mio 264 189.077 1,8 201 141.937 1,6 1 Mio - 2 Mio 205 301.964 2,8 146 206.664 2,3 2 Mio - 5 Mio 185 577.846 5,4 119 366.286 4,1 5 Mio - 10 Mio 73 517.307 4,8 67 468.991 5,2 10 Mio - 25 Mio 76 1.156.430 10,8 47 757.672 8,5 25 Mio - 50 Mio 36 1.253.859 11,7 18 594.995 6,7 50 Mio und mehr 28 6.435.141 60,1 21 6.200.253 69,3 Insgesamt 2.812 10.706.482 100,0 2.243 8.945.475 100 Quelle: Umsatzsteuerstatistik 2005 - 2011 (Stat. Bundesamt) <?page no="46"?> 47 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts Alle drei Verbände repräsentieren je ein Umsatzvolumen von gut 10-12 Mrd.-€. Aus den jeweiligen Mitgliedszahlen folgt, dass der Durchschnittsumsatz der Mitgliedsfirmen dieser drei Verbände sehr unterschiedlich ist. Auch die Sachprobleme sind recht verschiedener Natur, so dass die drei Verbände ein relativ eigenständiges Leben führen. Zwischen dem Börsenverein und dem VDZ gibt es im Bereich Fachzeitschriften eine Kooperation »Deutsche Fachpresse«, da viele Zeitschriftenverlage nur im Börsenverein Mitglieder sind, die großen Fachzeitschriftenverlage aber teils nur im VDZ. Die regionale Verteilung weist zwei absolut führende Verlagszentren auf, München und Berlin. In diesen beiden Städten erscheinen knapp 20% aller Titel, in den acht größten Verlagsstädten insgesamt 36%. Die vier Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen vereinigen auf sich zwei Drittel der Buchverlage; nach Verlagsstädten ist im Jahr 2012 die Reihenfolge der führenden 8 Orte folgende: Rang Ort Titelzahl (Erstaufl.) Verlage* 1 Berlin 8.009 188 2 München 7.620 136 3 Stuttgart 3.426 88 4 Hamburg 4.177 87 5 Köln 2.746 65 6 Frankfurt a.M. 2.399 74 7 Wiesbaden 1.226 24 8 Münster, Westf. 1.042 24 * nur Verbandsmitglieder Quelle: Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 <?page no="47"?> 1. Märkte und Rahmendaten 48 1.3.2 Titelproduktion in Deutschland Titelproduktion 1960-2011 Jahr Neuerscheinungen* 1960 22.524 1970 47.096 1980 67.176 1990 61.015 2000 82.936 2005 89.869 2010 95.838 2011 96.273 2012 91.100 Quelle: Deutsche Nationalbibliographie; VLB 2012 * Erstauflagen und Neuauflagen Die Titel der PoD-Produktion sind auf Grund der Möglichkeit von print oder digitaler Ablieferung der Pflichtexemplare an die Deutsche Nationalbibliothek z. Z. nur in geringen Teilen erfasst. Buch und Buchhandel in Zahlen 2012 Die Zahl der neu erscheinenden Titel betrug vor 50 Jahren weniger als ein Viertel der heutigen! Der langjährige Anstieg der Titelzahlen bedeutet angesichts seit Jahren stagnierender Gesamtumsätze im Buchhandel ein erhebliches wirtschaftliches Problem: sinkende Verkaufszahlen pro Titel bei unveränderten Durchschnittspreisen deuten auf eine Renditeverschlechterung hin. Die Vielfalt der deutschen Verlagswelt hat eine kulturell höchst erwünschte Konsequenz, die aber ökonomisch sowohl für die Verlage wie auch den vertreibenden Buchhandel eine große Bürde bedeutet: Deutschland hat, gerechnet auf seine Einwohnerzahl, eine ganz außerordentlich hohe Zahl von Neuerscheinungen/ Neuauflagen und liegt mit durchschnittlich rd. 90.000 p.a. relativ deutlich vor USA, Russland, Frankreich, China - übertroffen nur von Großbritannien. Diese Titel teilen sich nach Wissensbereichen wie folgt auf: <?page no="48"?> 49 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts Diese Aufgliederung nach den Gruppen der Deutschen Nationalbibliographie gibt die Anteile nach Titeln wieder. Die übliche Warengruppengliederung im Buchhandel, aus der sich Umsatzrelationen ableiten lassen (Abb. 1.3 auf der folgenden Seite), lässt sich damit nicht abgleichen, weil dort fachliche Zuordnung und Gruppierung nach Buchtyp (Taschenbuch, Fortsetzungen) vermischt sind. Insgesamt haben die Fach- und Wissenschaftsverlage einen erheblichen Anteil an den Erstauflagen. Ca. 40% aller Mitgliedsverlage des Börsenvereins sind diesem Bereich zuzuordnen sowie wohl mehr als die Hälfte aller Verlagsmitarbeiter. Letzteres liegt sicher wesentlich daran, dass in diesen Verlagen auch viele Zeitschriften betreut werden. Die Prozentanteile der Titelproduktion dürfen nicht auf die Umsatzanteile der gleichen Warengruppe übertragen werden: hochpreisige Titelgruppen, wie etwa die Wissenschafts- und Fachbücher haben einen deutlich höheren Umsatzanteil als in der Titelstatistik. Belletristik 18,6% Deutsche Literatur 14,1% Kinder- und Jugendliteratur 9,8% Recht 4,6% Medizin, Gesundheit 4,6% Theologie, Christentum 4,1% Schulbücher 3,7% Erziehung, Schul- und Bildungswesen 3,7% Management 3,6% Sozialwissenschaften, Soziologie 3,4% Wirtschaft 3,2% Psychologie 2,6% Übrige Sachgebiete 23,9% Titelproduktion (Erstauflagen) nach Sachgruppen 2012 Abb. 1.2: Titelproduktion (Erstauflagen) nach Sachgruppen 2012 Quelle: Deutsche Nationalbibliografie, VLB 2012 Berechnungen: Börsenverein des Deutschen Buchhandels <?page no="49"?> 1. Märkte und Rahmendaten 50 Die Buchpreise haben sich eindeutig unterproportional zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten bewegt. Seit Jahren sinken sie sogar bzw. sie stagnieren. Ladenpreisentwicklung von 1990 bis 2013 * 1990 11,92 € 2008 14,79 € 1995 14,17 € 2009 14,66 € 2000 15,12 € 2010 14,55 € 2005 15,01 € 2011 14,45 € 2006 14,86 € 2012 14,55 € 2007 15,08 € 2013 14,85 € * Ermittelt auf der Grundlage der Ladenpreise aller durch KNV verkauften Bücher Quelle: Koch Neff Volckmar Die Entwicklung der Buchpreise, insbesondere im allgemeinen Sortiment (Belletristik, Sachbuch, Taschenbücher), liegt also weit unter der der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Im Jahr 2012 lag das Preisniveau unter dem von 2000. In 20 Jahren sind die Preise um ca. 22% gestiegen, die Lebenshaltungskosten aber um mehr als 130%. Bücher haben sich relativ sehr stark verbilligt. Die GfK ermittelt sogar einen Durchschnittswert für 2011 von unter 10.- €. Sortimentsbuchhandel (ohne E- Commerce) 4.598 Mio € 48,3% Warenhäuser 159 Mio € 1,7% Internetbuchhandel 1.567 Mio. € 16,5% Versandbuchhandel 249 Mio € 2,6% Verlage direkt 1.848 Mio € 19,4% Buchgemeinschaften 173 Mio € 1,8% Sonstige Verkaufsstellen 927 Mio € 9,7% Geschätzte Umsätze buchhändlerischer Betriebe zu Endverbraucherpreisen 2012 Abb. 1.3 Geschätzte Umsätze buchhändlerischer Betriebe zu Endverbraucherpreisen 2012 Quelle: Börsenverein des Deutschen Buchhandels, 2013 Umsatz 2012: 9.520 Mio. € <?page no="50"?> 51 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts Diese günstige Entwicklung des Durchschnittspreises liegt nicht zuletzt an der hohen Taschenbuchproduktion: Es werden jährlich rund 4.000 Titel veröffentlicht, wozu eine sehr beträchtliche Backlist tritt. 1.3.3 Vertriebswege/ Konzentration im Handel (s. a. Kap. 4.2.4) Die Gewichtung der Vertriebswege hat in letzter Zeit deutliche Veränderungen erfahren: durch Großversender im Internet (amazon u.a.) oder im klassischen Kataloggeschäft (Weltbild) ist der Umsatzanteil des Sortiments sinkend, noch stärker sinkt der der kleineren und mittelgroßen selbständigen Sortimente (s.- Abb. 1.6 auf S. 63). Das Gesamtvolumen des stationären Buchhandels wird auf 6 Mrd. Euro geschätzt (s. Abb. 1.3, S.-50). Die 10 größten Buchhandelsfiliatelisten Name, Sitz, -Verbreitungsgebiet Umsatz in Mio. € 2011 (brutto) Filialatlas 2013 Städte Filialen Fläche (in Tm²) Thalia, Hamburg/ Hagen (D/ A/ CH) (1015) -Deutschland 775 164 232 204 DBH, München (D/ A/ CH) (720) -Deutschland Vollbuchhandel k.A. 52 83 91 -Deutschland Schmalformate k.A. 193 265 44 Mayersche, Aachen - Nordrhein-Westfalen 175 36 45 61 Osiander, Tübingen - Baden-Württ./ Rh.-Pfalz 53 20 27 18 Pustet, Regensburg - Bayern 35 8 10 9 Witwer, Stuttgart - Großraum Stuttgart 31 3 6 6 Heymann, Hamburg - Großraum Hamburg 30 6 16 9 Rupprecht, Vohenstrauß - Bayern 29 26 27 13 Decius, Hannover - Niedersachsen 28 9 12 7 Lehmanns Media, Köln - überregional* (69) k.A. 4 4 8 * Lehmann unterhält neben diesen größeren Buchhandlungen mit Allgemeinsortiment noch über 30 medizinische Fachbuchhandlungen Quelle: Buchreport Filialatlas Nov. 2012 <?page no="51"?> 1. Märkte und Rahmendaten 52 Die sieben bundesrepublikanischen Buchhandelsketten dieser Liste erzielen einen Gesamtumsatz 2,26 Milliarden €, das ist fast ein Viertel des Branchenumsatzes. Das Umsatzwachstum der Buchhandelsgruppen ist aber seit 2011 in Stagnation übergegangen, als deren Konsequenz erfolgen deutliche Flächenreduzierungen und Filialschließungen. Die Warenpräsenz der Bücher insgesamt in den 1a-Innenstadtlagen und den großen Einkaufszentren ist durch die planvolle Positionierungsstrategie der Filialisten deutlich gestiegen - inwieweit die Beratungsqualität der kleineren Sortimente überlegen ist oder nicht, sei dahingestellt. Die Abhängigkeit der Verlage vom Vertrieb im Ladengeschäft ist in verschiedenen Produktbereichen sehr unterschiedlich: Fachzeitschriften- und Loseblattverlage haben oft einen sehr hohen Anteil von Direktvertrieb und Buchhandelsanteile von z. T. weniger als 10%. Für diese Verlage, die ohnehin nur mit ca. einem Zehntel der existierenden Buchhandlungen im Geschäftsverkehr stehen, sind die Veränderungen in der Sortimentslandschaft weniger wichtig als für Publikumsverlage mit unterhaltender Literatur oder Sachbüchern, bei denen die Warenpräsenz im Laden eine entscheidende Rolle spielt. Für diese Verlage machen sich etwaiges restriktives Einkaufsverhalten der Filialisten oder mangelnde Dispositionsfähigkeit kleiner unter Existenznot stehender Sortimenter gravierend bemerklich. Längerfristig wird neben der Konzentration der Umsätze auf die Filialisten die Entwicklung der digitalen Märkte entscheidend für die Entwicklung im Sortiment sein: sowohl die des Internet als Bestellweg für Endkunden für physische Produkte, wie - mittlerweile Jahr für Jahr ansteigend - die der Märkte für digitale Inhalte im Netz. Insoweit diese gedruckte Bücher und Zeitschriften substitutieren, ergibt sich eine weitere Schwächung des Vertriebswegs stationärer Buchhandel - eine Entwicklung, die den Interessen vieler Verlage entgegenliefe (s. Kap. 6.4.3). Der Umsatzanteil des Sortiments ist über längere Sicht stetig in kleinen Schritten gesunken, der des Versandbuchhandels und des Internethandels der Verlage deutlich gestiegen. Eine weitere Verschiebung der Umsätze findet des Weiteren innerhalb des Buchhandels statt: Auch wenn das überproportionale Wachstum der Ketten beendet scheint, geht doch das sehr starke Wachstum des Internet-Buchhandels zu Lasten der Ladensortimente. Also nicht nur im Verlagsbereich, auch im vertreibenden Buchhandel ist eine deutliche Konzentration zu beobachten (s.a. Kap. 1.4.2). Diese Ballung von Nachfrage-/ Einkaufsmacht ist insbesondere für die kleineren Verlage ein Problem: vom faktischen delisting, d.h. der Nichtaufnahme ihrer Produktion bis zur Tendenz steigender Rabattforderungen. <?page no="52"?> 53 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts Die Kleinen haben es schwer: im Buchhandel, im Verlag und damit letztendlich auch die »kleinen«, d.h. noch wenig bekannten Autoren. Selbst im Fach- und Wissenschaftsbereich haben mehr als 2/ 3 der Verlage einen Umsatz von weniger als 1 Million €. Diese sind oft das Markteintrittstor für neue Autoren. Wenn diesen aber die Vermarktungschancen vielfach wegbrechen wegen des normierten Einkaufsverhaltens der großen Ketten, der von den Barsortimenten geschnürten »Standardpakete« und der Einkaufszurückhaltung der unter schweren ökonomischen Druck geratenen kleinen, unabhängigen Sortimenter, entsteht ein offensichtliches Problem: Die Vielfalt des Angebots, bisher in Deutschland noch vorbildlich, gerät in Gefahr. Auch im Vergleich der Warengruppen gibt es nennenswerte Verschiebungen: Das Taschenbuch hat zu Lasten der Normalausgaben in dieser Kategorie deutlichen Zuwachs zu verzeichnen, die Taschenbuchproduktion lag 2011 bei 10.354 Erstauflage-Titeln, also deutlich unter den 13.200 Titeln fünf Jahre zuvor. Eine neueste negative Entwicklung zeichnet sich beim Taschenbuch aber ab, weil die teils sehr niedrigpreisigen e-book-Angebote eine benutzerfreundliche Alternative zum Taschenbuch darstellen. Fachbuch/ Schulbuch sind nahezu stabil. Zeitschriften werden aber zu sehr großen Teilen (sowohl bei den Publikumswie den Fach- und wissenschaftlichen Zeitschriften) nicht über das Sortiment verkauft und haben, noch wichtiger, z.T. sehr hohe Exportanteile, die hier nicht erfasst werden. 1.3.4 Tendenzen im Freizeitverhalten Eine entscheidende Rolle für die Buchbranche spielen die von ihr oft als wenig verheißungsvoll angesehenen Perspektiven in der Medienkonkurrenz und dem generellen Freizeitverhalten. Aber immer noch gilt »Bücher lesen« als hochrangige Freizeitbeschäftigung (Rang 8 noch vor dem »Zeitschriften lesen«). Immerhin belegen Zeitungen, Bücher und Zeitschriften alle drei einen Rang unter den 11 beliebtesten Freizeitbeschäftigungen und rangieren noch vor dem Hörfunk: <?page no="53"?> 1. Märkte und Rahmendaten 54 0% 100 Fernsehen Mit Freunden zusammen sein Zeit mit Kindern/ Enkeln verbringen Musik hören Gut essen gehen Tageszeitung lesen Internet nutzen PC nutzen Auto fahren Zeitschriften lesen Bücher lesen Radio hören Shoppen/ Bummeln/ Einkaufen Partys feiern Rad fahren Schwimmen DVD anschauen Gartenarbeit, Pflanzen pflegen Kneipen, Lokale besuchen Arbeiten für meinen Beruf erledigen Computer-/ Videospiele spielen Im Verein aktiv sein Discotheken, Clubs besuchen Wellness-Angebote nutzen Sich beruflich fortbilden Sportveranstaltungen besuchen Wandern Ins Kino gehen Heimwerken, Do it yourself besonders gern gern weniger gern überhaupt nicht 47,6 44,9 6,6 44,6 46,6 5,2 3,5 37,9 27,7 6,9 27,4 34,1 49,4 10,2 6,3 30,7 48,0 12,8 8,6 29,8 42,1 19,6 8,5 29,2 31,4 8,3 31,2 25,1 32,4 10,5 31,9 22,9 38,4 16,0 22,7 21,8 53,8 20,8 3,7 20,0 34,2 26,6 19,2 19,7 52,8 20,8 6,7 19,6 36,5 27,8 16,1 18,0 33,0 23,7 25,3 16,7 39,9 19,7 23,7 16,2 41,7 18,4 23,7 15,7 39,7 20,6 24,0 15,7 25,4 16,9 41,9 14,9 33,0 25,8 26,4 11,8 29,5 14,9 43,9 11,0 17,2 14,3 57,5 10,5 18,8 13,8 56,9 10,1 14,4 15,7 59,9 9,8 24,9 13,6 51,7 9,7 27,7 16,0 46,6 9,7 22,2 17,9 50,2 9,6 29,8 24,3 36,4 8,8 31,9 25,0 34,3 8,7 26,7 22,9 41,6 Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahre Quelle: BuBiZ und VA 2012 / b4p Abb. 1.4: Beliebtheit von Freizeitbeschäftigungen 2012 (Angaben in Prozent) <?page no="54"?> 55 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts Leseverhalten (Stand 2006) (Angaben in Prozent) täglich / mehrmals in der Woche etwa einmal pro Woche / alle 14 Tage ungefähr einmal im Monat / seltener Geschlecht Frauen 46 19 35 Männer 29 18 53 Alter 14-19 Jahre 45 15 40 20-29 Jahre 36 19 45 30-39 Jahre 34 20 46 40-49 Jahre 38 19 43 50-59 Jahre 37 19 44 60-69 Jahre 38 20 42 70 Jahre und älter 41 14 45 Schulbildung Volks-/ Hauptschule 26 16 58 Mittelschule 39 21 40 Abitur/ Studium 60 20 20 Haushaltsnettoeinkommen Bis 1.000 EUR 34 15 51 1.000-1.500 EUR 35 16 49 1.500-2.000 EUR 34 18 48 2.000-2.500 EUR 37 19 44 2.500-3.500 EUR 39 21 40 3.500 EUR und mehr 47 20 33 Berufstätigkeit Schüler, Student 58 16 26 Vollzeit berufstätig 30 20 50 Teilzeit berufstätig 46 19 35 Ohne Berufstätigkeit 41 17 42 Rentner/ Ruhestand 40 17 43 Wohnortgröße unter 5.000 Einwohner 34 18 48 5.000-20.000 Einwohner 36 19 45 20.000-100.000 Einwohner 38 18 44 100.000 Einwohner und mehr 42 19 39 Gesamtdurchschnitt 38 18 44 Lesebeispiel: 46% der Frauen nutzen täglich Bücher Quelle: Allensbacher Markt-Analyse Werbeträger-Analyse 2006 Auch im Zeitvergleich über die Jahre hat sich bislang Lesen und dabei auch Bücherlesen nahezu unverändert gehalten: Wenn man »besonders gern« und »gern« zusammenfasst, ist diese Gruppe gegen 1995 sogar leicht gestiegen und die Prozentzahl der Nichtleser von 17,1 auf 16,0 gefallen. Der Buchmarkt darf also insgesamt als einigermaßen stabil eingeschätzt werden. Dabei legt die <?page no="55"?> 1. Märkte und Rahmendaten 56 Untersuchung aus Allensbach eindrückliche, wenn auch nicht überraschende, soziografische Unterschiede hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bildung und Einkommen dar. Ein weiteres positives Faktum ist die heute viel bewusstere Selbsteinordnung der Konsumenten in Lebensstile und deren Auffächerung sowie patch-workartige Rekombinationsmöglichkeiten. Daraus ergeben sich ganz neue Ansprachemöglichkeiten für recht spezifische Zielgruppen, die viele Chancen für eine marktgerechte Programmpolitik bieten. Eine Andeutung über die (noch viel weitergehend denkbare) Auffächerung der Konsumenteninteressen gibt die nachfolgende Abbildung mit den bekannten Eurostyles: Abb. 1.5: Datenkranz zur Entwicklung der Eurostyles (aus P.-Hammann, B. Erichson, Marktforschung, 4. Aufl. 2000) <?page no="56"?> 57 1.3 Statistische Daten des Buchmarkts 1.3.5 Außenhandel/ Lizenzen Ein letzter statistischer Blick sei auf den Außenhandel der Verlage geworfen: Grundsätzlich steht es hier in der Buchbranche wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen auch: Beim Export physischer Produkte erzielte Deutschland einen erheblichen Exportüberschuss (der allerdings in den letzten Jahren nicht mehr gewachsen ist), während bei den Lizenzen ein deutliches Defizit besteht. Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland mit Gegenständen des Buchhandels 1995-2011 (in Mio. EUR) Einfuhr Ausfuhr 1995 617 1.539 2005 992 2.374 2010 1.081 2.043 2012 1.056 2.077 Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 Wenn man den Export in die beiden deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und die Schweiz ausklammert, nimmt sich der Außenhandel mit deutschen Büchern und Zeitschriften eher dürftig aus, und das noch stärker, wenn man den hohen Exportanteil englischsprachiger Bücher und Zeitschriften aus deutschen Wissenschaftsverlagen in das nicht deutschsprachige Ausland in Rechnung stellt: Deutschsprachige Bücher und Zeitschriften haben im nicht deutschsprachigen Ausland einen schweren Stand, der sich eher noch weiter verschlechtert, wie die sinkenden Exportzahlen der letzten Jahre zeigen. Bei den Lizenzen fällt die völlige Asymmetrie von Einkauf und Verkauf ins Auge: Zwei Drittel der ins Deutsche übersetzten Bücher stammen aus dem Englischen, nennenswerte Anteile haben darüber hinaus nur die westeuropäischen Sprachen. Insgesamt ist der Anteil der »sonstigen Sprachen« auf rund ein Drittel aller Übersetzungen gestiegen, es gibt also weiterhin Vielfalt. Im Jahr 2012 erschienen in Deutschland 6.855 Übersetzungen aus fremden Sprachen, damit deutlich weniger als im Vorjahr (8.000). Aufschlussreich ist der Anteil der übersetzten literarischen Werke: aus dem Englischen mit fast 75%, aus dem Französischen 6,5%, um nur zwei zu nennen. Insgesamt bedeuten rund 12.000 Übersetzungen einen Anteil von etwa 13% an der jährlichen Titelproduktion. <?page no="57"?> 1. Märkte und Rahmendaten 58 Die 10 wichtigsten Sprachen für Übersetzungen (alle Sachgruppen) ins Deutsche 1996/ 2006/ 2012 Rang 1996 % 2006 % 2012 % 1 Englisch 74,4 Englisch 65,6 Englisch 67,6 2 Französisch 9,1 Französisch 10,0 Französisch 10,2 3 Italienisch 2,7 Italienisch 2,8 Japanisch 5,8 4 Niederländisch 2,6 Niederländisch 2,8 Italienisch 2,7 5 Spanisch 1,5 Schwedisch 2,4 Schwedisch 2,3 6 Russisch 1,5 Spanisch 1,8 Spanisch 1,5 7 Schwedisch 1,2 Russisch 1,5 Niederländisch 1,8 8 Latein 1,1 Norwegisch 0,9 Russisch 1,0 9 Dänisch 0,7 Japanisch 0,9 Norwegisch 0,7 10 Polnisch 0,6 übrige Sprachen 11,3 Dänisch 0,7 Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 Geradezu umgekehrt ist die Rangfolge beim Lizenzverkauf durch deutsche Verlage: Hier dominieren Asien und die kleineren Länder als Lizenzeinkäufer mit bemerkenswerten Verschiebungen in den letzten fünfzehn Jahren. Die großen Länder des Westens verlieren deutlich an Bedeutung. Der rasche Wechsel der Rangplätze der Länder ist eindrucksvoll. Die 10 wichtigsten Sprachen für die Lizenzvergabe ins Ausland 1994/ 2006/ 2010 Rang 2008 2010 2012 1 Polnisch Chinesisch Chinesisch 2 Russisch Spanisch Englisch 3 Tschechisch Polnisch Spanisch 4 Chinesisch Tschechisch Tschechisch 5 Englisch Französisch Italienisch 6 Koreanisch Niederländisch Polnisch 7 Italienisch Italienisch Russisch 8 Spanisch Russisch Französisch 9 Ungarisch Englisch Koreanisch 10 Französisch Koreanisch Niederländisch Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 <?page no="58"?> 59 1.4 Markttendenzen 1.4- Markttendenzen Der Begriff Tendenz weist in die Zukunft, er scheint also etwas mit Prophetie zu tun zu haben oder mindestens mit dem Raunen der Gurus über »Megatrends«. Das vielleicht prominenteste Beispiel für eine solche völlig falsche, bei ihrer Verkündung aber je nach Temperament frenetisch oder panisch aufgenommene Vorhersage war Marshall McLuhans Prognose vom Tod des Buches (1962). Derartigen Tendenzbeschreibungen soll in diesem Abschnitt nicht nachgegangen werden, vielmehr geht es um einen sehr knappen Überblick über die Tendenzen in den letzten zwei Jahrzehnten und allenfalls behutsame Vermutungen über deren Extrapolation für die nächsten Jahre. 1.4.1 Medienkonkurrenz Die Vielfalt des Medienangebots ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen, nicht nur in der Titelzahl von Büchern und Zeitschriften, sondern auch in der Zahl der Hörfunkfrequenzen, der Fernsehkanäle, der Offline-Produkte (Videokassetten, DVDs usw.), ganz besonders des Internet sowie dem performativen Angebot in Konzerten, Theatern, Stadtevents u.s.w. Wäre nicht das Freizeitbudget in den letzten 30 Jahren ebenfalls um mehr als 50% gestiegen, wäre die Konkurrenz der Anbieter um den Medienkonsumenten noch viel härter und total vom Verdrängungswettbewerb geprägt. Dabei geht es stets um einen doppelten Wettbewerb: • Konkurrenz um das Medienbudget in € • Konkurrenz um das Zeitbudget Während Ersteres durch Preispolitik der Anbieter und wachsende Einkommen noch Spielräume gewährt, ist das Zeitbudget viel rigider und schwerer zu beeinflussen. Die (wachsende) Zeit, die viele Verbraucher für Sport (modisch gesprochen »outdoor activities«), Reisen, Kneipengehen u.s.w. verbrauchen, fehlt denselben Verbrauchern für den Medienkonsum. Mehr Geld ausgeben ist oft nicht das Problem, sondern vielmehr die nicht vermehrbare Zeit. Dieses Ringen der Anbieter um die deutlich gewachsene Gesamt-Zeit der Mediennutzer wird in den letzten Jahren durch das Internet intensiviert, das sowohl dem Fernsehen wie der Lesezeit gedruckter Medien zusetzt. Es hat mittlerweile hinsichtlich der Nutzungszeit Bücher und Zeitschriften/ Zeitungen deutlich überflügelt, besonders ausgeprägt bei den jüngeren Nutzern. Die- <?page no="59"?> 1. Märkte und Rahmendaten 60 sen Medienpräferenzen müssen die Verlage mit digitalen Ausgaben, insbesondere für mobile Endgeräte, gerecht werden. Ein wichtiges Stichwort muss in diesem Zusammenhang aber auch bedacht werden: Es gibt nicht nur die Medienkonkurrenz, sondern auch das Phänomen der Medienkomplementarität, d.h. dass die Mehrnutzung neuer Medienformen auch positive Auswirkungen auf die alten Medien haben kann: So hat die Schallplatte nicht den Konzertbetrieb zerstört, sondern dieser hat seither damals überhaupt nicht erahnbare Höhenflüge getan. Ähnlich war es bei den »neuen« Medien Film (vs. Theater) oder Fernsehen (vs. Film). Insgesamt ist der Medienkonsum in den letzten 100 Jahren derart explodiert, dass die Medien insgesamt zu einer gesamtwirtschaftlich hoch bedeutsamen Branche herangewachsen sind. Unter solchen Aspekten ist die Medienkonkurrenz dann wieder gelassener zu betrachten. 1.4.2 Konzentrationsbewegungen Wie im vorangegangenen Abschnitt statistisch belegt, beobachten wir ganz analog zu der Entwicklung in der Gesamtwirtschaft auch bei Verlagen und Buchhandlungen eine starke Konzentration, die insbesondere im Handelsbereich eine dramatische Entwicklung nimmt. Daher noch einmal zwei komprimierte Übersichten: Mitglieder des Börsenvereins 1993 2013 Herstellender Buchhandel 2.092 1.813 Verbreitender Buchhandel 4.236 3.440 Zwischenbuchhandel 77 68 Quelle: Buch und Buchhandel in Zahlen 1994 und 2013 Die Zahl der Verlage ist in 20 Jahren um über 13% gesunken, die der Buchhandlungen sogar um fast 19%. Die weit voranschreitende Umsatzkonzentration im Verlagsbereich wird in der Tabelle auf Seite 61 aufgezeigt. Das wachsende Gewicht der Großverlage auf der einen und der mehrere 100-Mio € an Umsätzen auf sich vereinenden großen Buchhandelsketten auf der anderen Seite hat den Markt enorm verändert. Zunächst ein Blick auf die umsatzstärksten Verlage, an deren Rangfolge sich in den letzten Jahren kaum etwas geändert hat. ? ? ? <?page no="60"?> 61 1.4 Markttendenzen Anteil der Buchverlage mit mehr als 10 Mio €* Umsatz am Gesamtumsatz mit Büchern 1994 2005 2011 Firmen % Firmen % Firmen % 94 68 140 83 86 84,5 * Vor der EURO-Umstellung liegt die Größenklassengrenze etwas höher, nämlich bei 25,0 Mio DM (= 12,5 Mio €) Quelle: Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 Die Zahl der umsatzstarken Firmen hat also durch Fusionen und Aufkäufe deutlich zugenommen, der Anteil, der auf die kleineren Umsatzklassen entfällt, ist krass von 46% auf 14% abgesunken. Diese 14% verteilten sich auf etwa 95% der existierenden Firmen. Selbst wenn man die »Verlage« mit Umsätzen unter 100.000 € ausklammert, weil es sich dabei wohl kaum um Wirtschaftsbetriebe handelt, sind es immer noch 1.500 Verlage gewesen, die ca.-13% des Gesamtkuchens unter sich aufteilen mussten. Der Anteil der Kleinstverlage liegt insgesamt im 1%-Bereich, obwohl nicht wenige von ihnen inhaltlich sehr innovativ und somit sehr wichtig sind. Diese Zahlen weisen auf gewaltige Strukturunterschiede im Verlagswesen hin: vom Liebhaber-Nebenbetrieb über handwerksähnlich betriebene Mittelstandsunternehmen bis hin zu marktstarken hochprofessionell geführten (Konzern-)Unternehmen mit vielen 100 Mio Umsatz. <?page no="61"?> 1. Märkte und Rahmendaten 62 Die 20 größten deutschen Verlage Umsatz 2012 Umsatz 2011 Mio € ±% Mio € (Rang) 1 Springer Sciene+Business 476,1 (-0,2) 477 (1) 2 Klett-Gruppe* 445 (-3,0) 457,1 (2) 3 F. Cornelsen Bildungsgruppe 419 (-2,3) 429 (3) 4 Random House 344 (+8,2) 318 (4) 5 Westermann Verlagsgruppe* 265,7 (+2,0) 260,5 (5) 6 Wolters Kluwer Deutschland 220 (+2,3) 215 (6) 7 Haufe Gruppe 218,2 (+5,7) 206,5 (7) 8 Weka Holding 186,9 (+8,0) 173 (8) 9 C.H.Beck* 140 (+1,4) 138 (10) 10 Thieme 136 (+1,5) 134 (11) 11 Deutscher Fachverlag 120 (-2,7) 123,3 (12) 12 Verlagsgruppe Rentrop 108 (-3,6) 112 (13) 13 Wiley-VCH 107,1 (+2,4) 104,6 (14) 14 Mair Dumont 105 +1,9 103 (n.v.) 15 Vogel Business Media 100 ±0 100 (15) 16 Bastei Lübbe 78,9 (+4,1) 75,8 (16) 17 S. Fischer 72,2 (-1,6) 73,4 (17) 18 Rowohlt 70,0 (-3,4) 72,5 (18) 19 Deutscher Taschenbuch Verlag 64,0 (+3,2) 62,0 (21) 20 Landwirtschaftsverlag 62,8 (+0,8) 62,3 (20) *geschätzte Umsätze Quelle: Buchreport Magazin April 2013 Viele dieser Verlage verzeichnen (außer durch Zukäufe) seit Jahren kein nennenswertes Wachstum mehr, nicht wenige sogar Rückgänge, also ähnlich den mittleren und kleinen. Bemerkenswert ist die seit Jahren weitgehend stabile <?page no="62"?> 63 1.4 Markttendenzen Rangfolge unter den größten Verlagen. Das ist angesichts des stagnierenden Gesamtmarktes durchaus plausibel. Fast die Hälfte des Umsatzes der 100 größten Verlage stammt aus den Wissenschafts- und Fachverlagen, ein gutes Drittel von den Publikumsverlagen. Wie klein im internationalen Vergleich die deutschen Verlage sind, zeigt die folgende Tabelle: Top 10 international, 2011 Umsatz in Mrd. $ 1 - Pearson (GB) 8,41 2 - Reed Elsevier (GB/ NL/ USA) 5,69 3 - Thomson Reuters (CAN) 5,43 4 - Wolters Kluwer (NL) 4,36 5 ↑ Hachette Livre (F) 2,65 6 ↑ Grupo Planeta (ES) 2,30 7 - McGraw-Hill Education (USA) 2,29 8 ↓ Random House (D) 2,27 9 ↑ Holtzbrinck (D) 1,95 10 - Scholastic (USA) 1,91 Quelle: Publishers Weekly (publishersweekly.com) 16% 35% 47% 2% Zusammenstellung der addierten Umsätze der 100 größten Verlage 16% Bildungsverlage 35% Publikumsverlage, Belletristik, Sachbuch / Ratgeber 47% Fachinformation und Wissenschaft 2% Sonstige Abb.: 1.6 Quelle: Buchreport Magazin April 2013 <?page no="63"?> 1. Märkte und Rahmendaten 64 Diese Großkonzerne weisen in den letzten Jahren starke Umsatzzuwächse aus, nicht zuletzt durch Zukäufe und Fusionen. Weltweit sind die Verlage gegenüber allen anderen kulturellen Bereichen der umsatzstärkste und zugleich am wenigsten subventionierte Bereich. Die statistischen Daten zu den großen Buchhandelsfilialistenwurden bereits auf S. 51 genannt. Die Zahl der Filialen hat ihren Expansions-Höhepunkt hinter sich - auch bei Thalia, wenn man den Zuwachs durch die Kaufhof-Filialen bedenkt. Es werden aber eher kleinere Läden aufgegeben, allerdings auch die Flächen der z.T. sehr großen Läden deutlich reduziert. Es ist bereits von einer »Flächenschmelze« (so Buchreport im Nov. 2012) die Rede. Schließlich ist - gestärkt durch die Möglichkeiten des Internet - der Versandbuchhandel stetig überproportional auf jetzt 17% gewachsen, diese Tendenz wird sich wohl fortsetzen. Die Großformen im Handel einschließlich der ebenfalls auf 1,6 Mrd. angewachsenen Umsätze der Großversender wie amazon und Weltbild konzentrieren sich zunehmend auf auflagenstarke Titel aus größeren Verlagen, der kleine Spezialverlag - egal ob in der Belletristik oder Wissenschaft - wird von ihnen kaum noch wahrgenommen oder betreut. Der kleinere Sortimenter als Einzeleinkäufer, durch die Konkurrenz der Großen ohnehin unter Ertragsdruck, kann die entstandene Lücke in der Vermittlungskette nicht auffüllen, zumal dann nicht, wenn es sich aus Kostengründen stark auf die diversen »Standardpakete« des Zwischenbuchhandels stützt (s. Kap. 4.2.6). 1.4.3 Strukturelle Veränderungen Mit der Tendenz zu größeren Unternehmenseinheiten im Verlagswesen ist eine wichtige sozioökonomische Veränderung festzustellen: Der Inhaberverleger und das Familienunternehmen sind heute ungleich weniger das Leitparadigma im Verlagswesen als noch vor drei Jahrzehnten. Sehr viele Firmen haben aus den verschiedensten Gründen in den letzten Jahren aufgegeben, wurden fusioniert oder verkauft. Viele der mittelständischen Unternehmen (nicht nur im Verlag) werden verkauft, weil sich eine Unternehmensnachfolge in der Familie nicht finden lässt und eine Familieneigentümerschaft unter permanentem Fremdmanagement berechtigterweise die Frage aufkommen lässt, ob es nicht besser wäre, das im Unternehmen gebundene Familienvermögen durch Verkauf zu heben und damit die behindernden Bindungen vieler an einem Gesamtvermögen Beteiligter aufzulösen, d.h. die einzelnen Gesellschafter auszuzahlen. Während in früheren Zeiten eine Fami- <?page no="64"?> 65 1.4 Markttendenzen lie einerseits sehr solidarisch hinter »der Firma« stand und daher nicht selten Druck auf die Erben ausgeübt wurde, dass doch einer die Unternehmensnachfolge antreten möge, ist dies heute nicht mehr denkbar, weil es heute kein Unternehmen über Jahrzehnte aushalten würde, von einem nicht voll engagierten und in jeder Hinsicht professionell arbeitenden Inhaber geleitet zu werden. Das war in früheren Zeiten anders: Ein gut fundierter Verlag konnte auch einmal eine Generation »überleben«, die den Verlag mit wenig Energie und wenig Durchsetzungskraft im Konkurrenzfeld leitete. Dann konnte ja nach 30 Jahren ein tüchtiger weiterer Erbe die Zügel in die Hand nehmen und das Unternehmen wieder voranbringen. Heute wäre ein solches Unternehmen nach spätestens 10 oder 15 Jahren am Ende. Die heute ungleich stärkere, auf den verschiedenen Führungsebenen hoch professionalisierte Konkurrenz im Verlagsbereich (wie in allen anderen Branchen auch) würde das Bemühen, einen Erben zur Unternehmensübernahme zu drängen, zum verhängnisvollen Hasardspiel machen. Somit dominieren heute in den meisten Verlagen angestellte Verlagsleiter bzw. Geschäftsführerteams. Deren Professionalität wird in vielen Fällen höher sein als die eines Inhaberunternehmers, aber ihre Verweildauer im Unternehmen auch kürzer. Da jeder neue Manager mit neuen Ideen und Prioritäten antritt, kommt eine viel größere Unstetigkeit in die Verlagsführung und die Verlagspolitik als zuvor. Der neu Eintretende kündigt Verlagsverträge, tauscht Mitarbeiter aus, verändert die Marketingstrategie etc. Manche Verlage werden ähnlich den Großbanken je nach Tagesmode neu stromlinienförmig umgebaut, traurige Beispiele belegen dies eindrücklich. Dies verstärkt sich noch, wenn die Verlagsleitung ein Management-Team ohne starke Leitfigur ist: Die permanent erforderlichen Abstimmungsprozesse in einem solchen Team gleich starker Personen erfordern immer wieder Verfahren des »do ut des«, d.h. Konsens verunklart Konzeptionelles. Konsistenz und Verlässlichkeit sinken, die Programmpolitik verarmt zum ergebnisorientierten Halbjahresprogramm. Diese Anmerkungen sollen nicht als traditionsverliebter Klagegesang verstanden werden, sondern als Erinnerung daran, dass es gilt, die Vorzüge der neuen Professionalität mit den Vorzügen des alten Inhaberverlags möglichst zu verbinden. Stetigkeit ist langfristig oft viel rentabler als kurzatmige Ergebnisorientierung. Familienunternehmen haben Zeit, darin liegt ihr großer Vorteil für die Partner, insbesondere die Autoren, die von den metaökonomischen Zielsetzungen eines Inhaberverlegers in der Regel sehr profitieren. <?page no="65"?> 1. Märkte und Rahmendaten 66 1.4.4 Beschleunigung Neben den kürzeren Rhythmus der Verlagspolitik in einer managergesteuerten Struktur tritt das, was heute gern als »Schnelllebigkeit des Marktes« bezeichnet wird. Diese Schnelllebigkeit hat verschiedene Aspekte, der wichtigste ist gewiss die tatsächliche oder zum Teil vielleicht auch nur vermeintliche schnellere Veralterung des Wissens und die raschen Wechsel in den Lebensstilen und Interessen der Verbraucher. Ungleich stärker als in früheren Perioden wird das Neueste für weitaus wichtiger als das Alte gehalten. Dies hat für die Verlagspolitik gravierende Konsequenzen: Einerseits entstehen rascher als früher neue Themenfelder, die verlegerisch neue Chancen bieten, andererseits verkürzt sich die Laufzeit von Auflagen stetig, weil das Kaufverhalten der Nutzer entsprechend ist und vice versa. Noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnten Verlage wie Vandenhoeck & Ruprecht oder Mohr Siebeck Werke aus der Frühzeit ihres Unternehmens, also dem 18. und frühen 19. Jh. original ab Lager liefern. Diese Bücher befanden sich also zum Teil schon über 200 Jahre am Lager! Es liegt auf der Hand, dass die Lagerkosten dafür ein Vielfaches dessen waren, was die häufig nicht einmal nennenswert angehobenen Preise nach so langer Zeit noch erbrachten. Es war aber so etwas wie Selbstverständnis (um das Wort »Ethos« zu vermeiden) der Verleger, ein solches Buch, zumal wenn es sich um einen wichtigen Text handelte, verfügbar zu halten. Die wachsende Bedeutung von Lagerkosten, Zinskosten und der scharfe Blick der Controller in den Verlagen der Gegenwart schiebt einem solchem langfristigen Vorhalten wissenschaftlicher Literatur einen harten Riegel vor: Laufzeiten, Kapitalkosten, Logistikkosten etc. werden genau durchgerechnet, die Kapitalbindung wird bewusst reduziert, d.h. die Drucklose sinken und Titel werden, wenn sie eine gewisse Untergröße von Verkäufen erreicht haben, relativ schnell vom Markt genommen. Dies findet bedauerlicherweise auch auf der Vertriebsebene, d.h. dem Sortiment statt: Das Vorhalten von Neuerscheinungen oder steady sellern in der Buchhandlung (also am point of sale) wird immer mehr reduziert, auch hier geht es um ein Absenken der Kapitalbindung, die ein erheblicher Kostenfaktor ist. Im Bereich der allgemeinen Literatur werden Titel, die sich nicht sofort befriedigend verkaufen, mittlerweile nach einem Vierteljahr vom Sortiment remittiert - bei solchem Verhalten des Handels ist ein langfristiges Vorhalten von Titeln im Verlag natürlich nicht mehr machbar. Wenn ein Buch aber nicht mehr für den potenziellen Käufer einsehbar ist, sinken die Verkaufschancen natürlich weiterhin, und so beschleunigt sich die Spirale der Kurzfristigkeit, <?page no="66"?> 67 1.4 Markttendenzen die in der Denkweise der Verlage bedauerlicherweise begonnen hat, noch durch die gewandelte Situation in den Buchhandlungen. Was man Schnelllebigkeit des Marktes nennt, könnte man ja auch mangelnde Geduld und mangelndes Durchhaltevermögen der Anbieter nennen. Es ist nicht so leicht, hier zwischen berechtigter Anpassung und übertriebenem Eifer zu unterscheiden. Tatsache ist: Die Laufzeiten der Titel sind dramatisch gesunken. Nochmals sei betont, dass in dieser Schilderung keineswegs ein Nachruf gesehen werden sollte, sondern es ist die Beschreibung einer grundlegenden Veränderung im Markt, wobei nicht verschwiegen werden soll, dass das Wort Beschleunigung, das sonst vielleicht auch attraktiv klingen kann, in diesem Zusammenhang wohl eher skeptisch betrachtet werden muss. 1.4.5 Internationalisierung Die ungleich bessere Kenntnis fremder Sprachen und Länder bei breiten Bevölkerungsschichten führt zu einer vor 20 Jahren gar nicht für möglich gehaltenen Akzeptanz von Literatur in Originalausgaben. Kaum eine Bahnhofs- oder Großstadtbuchhandlung, die nicht mittlerweile viele Regalmeter englischen Originalausgaben - nicht nur im Taschenbuch - widmet. Auch weitere europäische Sprachen sind oft vertreten. Ähnliches ist im Bereich Kunstbuch zu beobachten. Am allerstärksten betrifft die Internationalisierung und das Vordringen primär englischer Originalliteratur aber die Wissenschaften (s.u.). In vielen Wissenschaftsgebieten erscheinen in deutschen Verlagen immer mehr Publikationen in englischer Sprache, und zwar primär auf Wunsch der Autoren, die sich damit eine stärkere Verbreitung ihrer Forschungen im Ausland versprechen. Viele wissenschaftliche Zeitschriften, insbesondere im stm-Bereich (scientific, medical, technical), publizieren mittlerweile nur noch ausschließlich in englischer Sprache, und nehmen, auch wenn sie in einem in Deutschland ansässigen Verlag erscheinen, von deutschen Autoren keine deutschsprachigen Beiträge mehr an. Das geht parallel mit der fatalen Tatsache, dass deutschsprachige Artikel in internationalen Literaturdatenbanken nur unzureichend berücksichtigt und daher auch weniger genutzt und zitiert werden als englischsprachige. Forschungsergebnisse aus Deutschland in deutscher Sprache werden also weniger wahrgenommen, das Englische ist - insbesondere in den biomedizinischen Fächern - zur fast unverzichtbaren Voraussetzung für Wahrnehmung geworden. Das ist ein schwer wiegender Wettbewerbsnachteil für deutsche Autoren, die statt ihrer Muttersprache ein mehr oder weniger dürres »international congress english« benutzen müssen, und <?page no="67"?> 1. Märkte und Rahmendaten 68 ebenso für die Verlage: Denn es genügt natürlich nicht, eine Monografie oder eine Zeitschrift in englischer Sprache zu veröffentlichen, sondern es bedarf zur Erreichung des Ziels einer besseren internationalen Verbreitung dann auch des entsprechenden internationalen Vertriebsapparats mit Vertriebsbüros oder effizienten Kooperationspartnern in allen Erdteilen. Hierin liegt ein entscheidender Wettbewerbsnachteil spezifisch für mittelständische Verlage, die dies naturgemäß nicht oder nur in sehr viel geringerem Umfang leisten können als international agierende Großverlage. Es mag sein, dass zukünftig - gegenwärtig ist eher das Gegenteil der Fall - Publikationen bzw. Vertriebsaktivitäten im Internet für die mittelgroßen und kleineren wissenschaftlichen Verlage wieder ein Aufrücken ermöglichen, aber man darf nicht übersehen, dass auch Internetpublikationen eines effizienten Marketings bedürfen (s. Kap. 6). Besonders auffallend ist schließlich in den letzten 15 Jahren das Vordringen englischer Originallehrbücher - kein Wunder, nachdem an vielen Universitäten mittlerweile auch Vorlesungen und Übungen in Englisch abgehalten werden, für die dann konsequenterweise englischsprachige Originalwerke, insbesondere aus den USA, obligatorisch zugrunde gelegt werden. Solche Bücher sieht man heute in den größeren akademischen Buchhandlungen schon im Stapel zum Verkauf stehen. Beide Entwicklungen wirken tendenziell gegen das mittelständische nationale Verlagswesen, und das nicht nur in Deutschland. Die mittelgroßen und kleineren Sprachräume sehen sich einem partiellen Verdrängungswettbewerb mit englischsprachigen Produkten ausgesetzt, wie man es ja noch viel gravierender in der Musik- und Filmwirtschaft beobachten kann. 1.4.6 Wachsende Bedeutung von Vertrieb und Marketing Wie in praktisch allen Branchen moderner Volkswirtschaften ist auch im Verlagsbereich eine deutliche Gewichtsverschiebung zwischen Produktion und Marketing/ Vertrieb zu beobachten: Während in früheren Zeiten - Perioden der Knappheit an Rohstoffen und an fähigen, gut ausgebildeten Fachkräften - die Produktion von Gütern das Hauptproblem und damit jener Bereich war, in dem Unternehmen die entscheidende Leistung im Wettbewerb zu erbringen hatten, wogegen der Absatz nützlicher und qualitätvoller Waren das kleinere Problem war, so hat sich heute dieses Verhältnis umgekehrt: Rohstoffbeschaffung und technische Herstellungsverfahren sind quasi ubiquitär verfügbar, die Herstellung eines Buches ist ein eher einfacher Vorgang, für den man nicht <?page no="68"?> 69 1.4 Markttendenzen unbedingt einen Verlag braucht. Das eigentliche Problem liegt heute auch in der Buchbranche im Verkauf - hier spielt sich in einer Gesellschaft des Warenüberflusses der eigentliche Wettbewerb ab, und zwar nicht nur zwischen austauschbaren Buchtiteln, sondern auch mit allen anderen Gütern am Markt, zumindest was den Markt des allgemeinen Konsums und der Freizeitaktivitäten betrifft. Konsequenterweise sind in einem Verlag heute sehr viel mehr Personen mit all den Tätigkeiten befasst, die nach der Fertigstellung eines Buches anfallen (Werbung, key account Management, Vertreter, Kundenbuchhaltung, Lager, Versand, Kongresse, Messen, Rechteverwaltung u.s.w.) als Personen in der Planungs- und Produktionsphase (insbesondere Lektorat und Herstellung). Diese Gewichtsverschiebung hat natürlich unverkennbare Konsequenzen auf die Programmgestaltung, worauf in Kapitel 2 und 4 noch zurückzukommen ist. Die intellektuell geprägte Inhaltsorientierung der klassischen Verlage weicht mithin in vielen Bereichen einer marktgesteuerten Versorgungsorientierung an Käuferbedürfnissen. Schon vor Jahrzehnten haben sich aber anspruchsvolle Verleger gefragt, ob denn diese Käuferpräferenzen einfach da sind und eben so bedient werden müssen, oder ob nicht das Neue, Unerwartete neue Käuferwünsche erzeugt. Also doch eine Priorität für ein von innen, nicht von vermeintlich vorgegebenen Marktkräften gesteuertes Programm? Da bedarf es grundsätzlicher Entscheidungen, die jeder Verlag, jeder Programmverantwortliche für sich treffen muss. Davon ist im nächsten Kapitel die Rede. Eine weitere Verstärkung im personellen Bereich des Marketing erfordern die sozialen Medien: Kaum ein Verlag kann heute auf Präsenz bei twitter, facebook o.ä. verzichten, Webauftritt und Suchmaschinen-Marketing sind unverzichtbare Bereiche geworden, die qualifiziertes Personal erfordern. Das bedeutet eine weitere Kostensteigerung im Bereich Marketing. 1.4.7 Digitalisierung Der entscheidendste Strukturwandel findet für Verlage wie Buchhandlungen aber durch die Digitalisierung der Produkte und Vertriebswege statt: Neue Wettbewerber, insbesondere internationale Milliardenkonzerne wie Goggle, Apple, Amazon und Microsoft schaffen hier neue Strukturen und ziehen sehr viele Umsätze an sich oder gefährden die Margen durch extremen Druck auf die Konditionen. Diese Entwicklung hat seit 2010 enorm an Dynamik gewonnen, eine etablierte neue Marktstruktur ist noch nicht zu erkennen. Mit Sicherheit werden viele, besonders kleinere Marktteilnehmer aufgeben (müs- <?page no="69"?> 1. Märkte und Rahmendaten 70 sen). Was bei der Produktgestaltung derzeit möglich und realistisch ist, wird in Kapitel 6 ausführlich behandelt. Derzeit sind die Umsatzanteile der e-books zwar stark im Wachsen, aber bei vielen Verlagen noch unter 2%. Demgegenüber liegt der Anteil von e-Zeitschriften sehr hoch - allerdings i.d.R. als Hybridprodukt, also gekoppelt an das Abonnement der gedruckten Zeitschrift. Hier ist dann eine prozentuale Aufgliederung des Gesamterlöses in Digital und Print mehr oder weniger willkürlich; es ist eben ein Produkt, das die Bibliotheken auch in beiden Formen beziehen wollen. Weiteres hierzu findet sich ebenfalls in Kapitel 6. <?page no="70"?> 71 2.- Planung, Organisation und Controlling 2.1- Programm und Programmplanung 2.1.1 Programmplanung »Ich denke den Verlag« Siegfried Unseld Jedes Unternehmen hat ein Produktprogramm, ein Automobilbauer ebenso wie eine Schuhfabrik oder ein Chemieunternehmen, und eben auch jeder Verlag. Das Programm ist eigentlich das Unternehmen, das sonst nur eine leere Hülle wäre. Ansehen und Bekanntheitsgrad, die Marktposition des Unternehmens - alles beruht auf seinem Programm, dessen inhaltlicher Konsistenz, Qualität und Markteignung. Allein aus dem Programm können Erträge generiert werden, es ist Existenzquelle. Bevor in diesem Abschnitt von den praktischen Aspekten der Planung gesprochen wird, erscheint es nützlich, die Grenzen, die aller Planung angesichts von Unsicherheit gesetzt sind, anzusprechen. Das Wort Programm suggeriert etwas Planmäßiges, die Idee einer strategischen Vorgehensweise. Tatsächlich aber ist das Programm der meisten Unternehmen, und also auch sehr vieler Verlage, zu nicht unerheblichen Teilen von lange zurückliegenden Entscheidungen, also Historie einerseits und Zufällen andererseits bestimmt. Das schöne, stolze Wort von Siegfried Unseld, das diesem Kapitel als Motto voransteht, ist also eher als Leitstern denn als Wirklichkeitsbeschreibung zu verstehen. Der Gedanke einer rationalen ex ante Programmplanung ist wegen der hohen Unsicherheit über die späteren tatsächlichen Erfolge bestimmter Produkte am Markt schon im Prinzip fragwürdig - allzu rigides Planen macht blind und unflexibel für unverhoffte Chancen, es mindert also nicht selten Gewinnchancen. Friedrich August v. Hayek hat das in seinem Buch »Die Verfassung der Freiheit« auf den Punkt gebracht: »Freiheit ist wesentlich, um Raum für das Unvorhersehbare und Unvoraussagbare zu lassen [...]. Weil jeder Einzelne so wenig weiß, und insbesondere, weil wir selten wissen, wer von uns etwas am besten weiß, vertrauen wir darauf, dass die unabhängigen und wettbewerblichen Bemühungen Vieler die Dinge hervorbringen, die wir wünschen werden, wenn wir sie sehen«. <?page no="71"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 72 Kein aufrichtiger Verleger wird leugnen, dass bombensicher scheinende Erfolgstitel und Programmerweiterungen kläglich scheiterten und dass zögerlich-lustlos angenommene Werke immer wieder unverhoffte, manchmal sehr große, das Unternehmensschicksal für Jahre prägende Erfolge und Weichenstellungen für die Programmarbeit wurden. Es ist also bei der Programmplanung eine gewisse Bescheidenheit bezüglich der Prognosesicherheit für neue Produkte sehr angebracht; das Prinzip der Offenheit, das Zulassen so genannter Bauchentscheidungen ist geradezu ein Merkmal erfolgreicher Unternehmer. Auch ist zu beachten, dass Programm- und Projektentwicklung i.d.R. nicht völlig Neues schafft, sondern ein evolutiver Prozess ist, der auf dem Vorhandenen aufbaut. In diesem Erfahrungsvorsprung etablierter Verlage liegt ein großer Wettbewerbsvorteil derselben und macht sie gegenüber potentiellen Autoren attraktiv. Wäre alles planbar, könnte ja jeder durchschnittlich Begabte mit Konsequenz und einem Tischrechner einen erfolgreichen Verlag führen. Schon Denis Diderot formulierte im Jahr 1767 eine Risikoregel, nach der von zehn Büchern eines richtigen Erfolg bringt, vier gerade die Kosten decken, fünf erzeugen Verluste. Auch wenn es etwas glimpflicher zugehen mag - klar ist, dass starke Titel viele schwache mittragen müssen. Viel wichtiger als der Risikograd einzelner Titel ist bei der Programmplanung der Aspekt der Qualität und inneren Kohärenz des Gesamtprogramms. A. Beyer und P. Carl haben das prägnant formuliert: »Medienprodukte sind auch Vertrauensprodukte. Das impliziert, dass der Rezipient die Qualität des Produktes [beim Kauf ] nicht ohne weiteres beurteilen kann ...«. Das Vertrauen des Käufers bezieht sich oft stark auf den Verlag, und es darf nicht enttäuscht werden. Programm gestalten, heißt nicht nur Projekte erdenken und anregen, sondern viel häufiger noch: nein sagen. Nein sagen zu qualitativ ungeeigneten Angeboten, aber auch zu solchen, die keinen Ertrag versprechen und zugleich keinen so besonderen Rang haben, dass man Verluste bewusst in Kauf nehmen will. Es ist auch nötig, nein zu sagen zu Projekten, die gut und Ertrag versprechend erscheinen, aber thematisch oder im Blick auf die vom Verlag angesprochenen Zielgruppen nicht passen, also getreu der Einsicht C. A. Sainte- Beuves: »Wenn Du Erfolg haben willst, begrenze Dich«. In solchen Fällen ist es ebenso ein Gebot kaufmännischer Klugheit wie auch der Fairness gegenüber dem anbietenden Autor, »nein« zu sagen. Jeder Programmverantwortliche wird in seiner Tätigkeit insgesamt viel öfter nein sagen müssen als ja. Dennoch kann es bei aller Skepsis gegenüber zu großen Erwartungen an langfristigere strategische Planungen sehr sinnvoll sein, sich über alternative grundsätzliche <?page no="72"?> 73 2.1 Programm und Programmplanung Vorgehensweisen Klarheit zu verschaffen und zu entscheiden, welcher davon man folgen will. Strategische Optionen im Konkurrenzfeld • Eigenständiges Programmkonzept (Innovation) • Ausweich-/ Nischenstrategie (Spezialverlage) • Nachahmerstrategie (Mass Market) • Marktführerstrategie (Großverlage) • Kooperationsstrategie (in div. Bereichen und Größenklassen möglich) Bei allen vorstehenden Optionen kommt es für den Verlag insbesondere darauf an, im Qualitätswettbewerb eine positive Kundenwahrnehmung zu erreichen - diese ist heutzutage wichtiger als eine objektive, reine Qualität des Produkts. Beide stehen zwar in enger Wechselbeziehung, sind aber eben keineswegs identisch. Die schlechteste Variante - leider durchaus nicht selten zu beobachten - ist eine, die man als »Karaoke-Strategie« bezeichnen könnte: Ein Verlag macht die (in der Regel schlechtere) Kopie des Marktführers, den er meist schon aus Gründen der Unternehmensgröße und damit verbundenen Marktstärke nicht erreichen kann, anstatt ein eigenes Profil, eine eigene Position (und sei es in der Nische) aufzubauen. Programmarbeit verläuft eben nicht nach einem Raster oder Blaupausenentwurf, den es umzusetzen gilt, sondern eher nach dem Muster eines Dominospiels, bei dem immer wieder Passendes zu schon Vorhandenem hinzugefügt wird, und es ist nicht wichtig, ob dieses Passende aus eigenen Plänen oder aus externen Angeboten stammt - sei es freihändig von Autoren oder durch Zukauf von Programmteilen. Alle Programmarbeit zielt auf Innovation. Voraussetzung ist dafür Innovationsfähigkeit (des Unternehmens, der Abteilungen und einzelner Leistungsträger), tatsächliche Innovationsbereitschaft und -tätigkeit. Erst im Zusammenwirken der drei Komponenten kann sich der Innovationserfolg, das Ziel aller Maßnahmen, einstellen. In vielen Fällen, besonders bei Fachverlagen, haben sich Programmbeiräte aus externen Experten als wertvoll erwiesen. Das kann auch in Form von Zielgruppenworkshops geschehen. In manchen Verlagen werden heute Kunstfigu- <?page no="73"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 74 ren erdacht, die die Zielgruppen repräsentieren, etwa eine Krankenschwester Petra. Alle Programmideen werden dann immer der Testfrage unterworfen: »Wird das Petra gefallen? « 2.1.2 Programmstruktur Das Wort Programm als Bündelung vieler unterschiedlicher Produkte steht inhaltlich ganz nahe dem des Portfolios, also dem Mischungsbündel eines Wertpapierdepots. Jedes gute Portfolio wird im Blick auf unterschiedliche Risikoklassen gewichtet: Wagnispapiere mit hohen Gewinn- (und Verlust! )-Chancen und relativ sichere Rentenpapiere. Kein Portfolio-Manager setzt alles auf eine Karte, ein Marktsegment. Das Risiko wäre viel zu groß. Vielmehr geht es um Risikoausgleich durch gezielte Differenzierung - so soll auch ein Verlagsprogramm gestaltet sein. Wie diese Risikogewichtung im Verlagsbereich geschieht, hängt von den verfügbaren finanziellen Mitteln ebenso wie vom Temperament und Sicherheitsstreben des Investors ab. Ungeachtet aller intellektuellen, politischen, sozialen oder sonstigen Ambitionen, die ein Verleger hat und haben muss, darf dieser Portfolio-Ansatz nicht missachtet werden. Ein ausgereiftes Verlagsprogramm braucht also Longseller oder Periodika (Zeitschriften), die ihm Jahr für Jahr einen Grundumsatz einigermaßen zuverlässig garantieren, und es sollte möglichst mehr als nur ein Marktsegment und eine Zielgruppe bedienen; denn kämen diese in eine Krise, wäre dies auch eine des Verlags. Zum anderen braucht jedes Produktprogramm auch Innovation. Dabei heißt Innovation keineswegs, ständig völlig Neues zu erfinden, sondern auch stetige Fortentwicklung, Anpassung und Optimierung des vorhandenen Programms. Innovation ist nicht ein plötzlicher Blitz, sondern ein stetig wärmendes Feuer. Viele Unternehmensbewertungen stellen heute primär auf die neuesten und die zukünftigen Produkte ab, die Pharmaindustrie ist dafür vielleicht das anschaulichste Beispiel: Auch die besten, umsatzstärksten Artikel, die so genannten Blockbuster, verblassen irgendwann, neue umsatzstarke Produkte müssen bis dahin herangereift sein. Genauso ist es auch im Verlag. Eugen Schmalenbach, einer der Väter der modernen Betriebswirtschaftslehre, meinte dazu schon vor über 75 Jahren: Nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft bestimmt den Wert einer Sache. Sicherheitsbedürfnis und Planbarkeit einerseits, Risikobereitschaft und Innovation andererseits sind also die entscheidenden Vektoren eines Programms: des gegenwärtigen als Ergebnis früherer und des zukünftigen als Ergebnis der <?page no="74"?> 75 2.1 Programm und Programmplanung jetzigen Entscheidungen. Betrachten wir zwei grundsätzlich verschiedene hypothetische Verlage: Umsatzanteil Verlag A Verlag B Backlist 70% 30% p.a. Neuerscheinungen 30% 70% Welcher der beiden Verlage ist besser geführt und hat mittelfristig die höheren Erträge? Die Frage lässt sich überhaupt nicht beantworten, weil die Interpretation dieser Umsatzrelationen ja ganz konträr erfolgen kann: Verlag A könnte ein saturierter, ideenlos geführter Verlag sein, umgekehrt könnte B eine erfolglose Verlagspolitik dahingehend betreiben, dass ihm der Aufbau einer dauerhaften Backlist nur unzureichend gelingt. Wenden wir die Argumentation ins Positive, so kann A z.B. ein wissenschaftlicher oder Fachverlag mit erfolgreich im Markt verankertem Programm sein, bei dem 30% Neuerscheinungsanteil am Umsatz schon ausreichen können, um ein gutes Umsatzwachstum zu erzielen. Bei ihm sind 70% Backlist (zu der ja vom Programm her gesehen auch die Zeitschriften gehören, obwohl sie jedes Jahr neu produziert werden müssen) ganz in Ordnung. Nur am Rande hingewiesen sei auf den Unterschied, ob diese Nova/ Backlist-Relation sich auf Titel (Produkte) oder auf Umsätze bezieht. Das ist nämlich ein großer Unterschied: Während im belletristischen Verlag die Nova meist einen überproportionalen Umsatz gegenüber ihrer Anzahl generieren, ist es im Schulbuch- oder Wissenschaftsverlag genau umgekehrt: Dort erbringen die erst nach Jahren durchgesetzten, voll entfalteten Titel der Backlist i.d.R. überproportionale Umsatzanteile. Verlag B ist vielleicht ein typischer belletristischer Verlag, bei dem selbst erfolgreiche Titel kaum mehr als zwei »Seasons« schaffen, der also gnadenlos zu ständiger, sehr risikobehafteter Neuproduktion verurteilt ist. Für ihn wäre ein Absacken der Nova-Rate auf 50% ein Indiz für ein wenig erfolgreiches Jahresprogramm. Umgekehrt müsste sich ein Fachverlag, dessen Backlist-Anteil unter 50% sinkt, fragen lassen, ob er die richtigen Titel herausbringt. Programmplanung ist also ein höchst komplexer Vorgang, für den sich keine bequemen Rezepte formulieren lassen. Was das Inhaltliche angeht, kann dies sowieso nicht Lehrbuchstoff sein; verwiesen sei aber auf Kapitel 4 zum Marketing, wo Überlegungen dazu auftauchen, ebenso auf die nachfolgenden Abschnitte. <?page no="75"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 76 Erwähnt sei noch ein weiteres Definitionsproblem beim Begriff Backlist: Sind veränderte Neuauflagen Backlist, weil inhaltlich ja schon in den Vorjahren vorhanden? Hier wird u.U. das Lektorat anders zuordnen als der Kaufmann, für den »neu« alles in diesem Jahr Produzierte ist, Backlist also nur der Verkauf vom in den Vorjahren produzierten und finanzierten Lager. Unter cash-flow- und Liquiditätsaspekten hat also die Frage Backlist/ Nova eine durchaus andere Bedeutung als bei der Inhaltsanalyse eines Verlagsprogramms. Programmplanung darf nicht nur konzeptionell-inhaltlich betrachtet werden, sondern muss weitere Parameter berücksichtigen, die teils unternehmensintern und damit mittelfristig gestaltbar (wie z.B. die Kapazität der Abteilungen), teils aber auch extern gegeben sind, wie z.B. die generelle oder bereichsspezifische Marktsituation. In ein Herbstprogramm sollte z.B. ein belletristischer Verlag nicht zehn Bestseller hineinpacken - es würde eine starke programminterne Kannibalisierung eintreten. Ähnliche Überlegungen stellt ein Fachverleger bezüglich des Rhythmus von Neuauflagen an: Zu lange Abstände sind wegen mangelnder Aktualität ebenso problematisch wie eine zu kurzatmige Auflagenfolge, die den Verbraucher verärgert und den Verdacht rein kommerzieller Motivation weckt. Parameter der Programmplanung • inhaltliche • kapazitätsbezogene • finanzielle • zeitliche • marktgegebene Gelungene Programmplanung muss also eine Balance sehr unterschiedlicher Elemente erreichen: den Auftritt am Markt, der stark novageprägt ist, die Finanzierbarkeit der Neuerscheinungen, die vom Mittelrückfluss aus dem Verkauf schon bezahlter Vorräte abhängt, die Kapazitäten der verschiedenen Abteilungen in einer Periode und die Aufnahmefähigkeit des Marktes. <?page no="76"?> 77 2.1 Programm und Programmplanung 2.1.3 Projektentwicklung Das Programm besteht aus den einzelnen Titeln bzw. Reihen oder Programmsegmenten; die Projektentwicklung bezieht sich auf diese. Ziel muss es sein, in allen Programmbereichen regelmäßig neue Titel zu planen. Dafür verantwortlich sind Verlagsleitung und Lektorat. Sie sind, gemeinsam mit dem Marketing, die Träger der »creative role of publishers«, die sich sowohl auf die Ideen zu Projekten als auch insbesondere auf deren Ausfeilung und Ausrichtung auf Markteignung der Titel richtet. In vielen Büchern - solchen der schönen Literatur ebenso wie in wissenschaftlichen - steckt (oft unsichtbar) ein sehr hoher kreativer Beitrag des Verlags, gerade darin liegt ein wichtiger Teil seiner Existenzberechtigung und Attraktionskraft für die Autoren. Angesichts des oft mehrjährigen Zeitbedarfs bis zur Realisierung eines Buchprojekts und der oft nicht exakt vorausplanbaren Zeitpunkte der Manuskriptfertigstellung muss ein Verlag eine große Anzahl von Projekten in Planung haben, unter Vertrag nehmen und z.T. bereits daran arbeiten. Was in einem Industrieunternehmen der Auftragsbestand ist, d.h. die Gewissheit künftiger Umsätze, ist für einen Verlag der Projektbestand, allerdings mit sehr viel unsicherer Prognose, welche Umsätze daraus resultieren werden. Zwischen dem Verlagsprogramm, das ein Verlag für das übernächste Jahr plant und dem, das in dem Jahr dann tatsächlich herauskommt, gibt es nicht selten erhebliche Abweichungen. Verlagsplanung wird also i.d.R. mit einer gewissen »Überlast« - ähnlich den theoretisch meist überbuchten Flügen - betrieben werden müssen, um ein ausreichend großes tatsächliches Programm für die nächste Periode zu haben. Wie bei der Programmplanung hat die Projektentwicklung inhaltliche, marktbezogene Aspekte einerseits und andererseits notwendigerweise einen geplanten zeitlichen Aspekt, aus dem die Finanzplanung folgt. Insoweit Verlage die Bücher zu wesentlichen Teilen auch inhaltlich selbst produzieren (z.B. Schulbuch- oder Ratgeberverlage), ist das straffer planbar als bei hoher Abhängigkeit von Autoren, zumal bei solchen, für die ein etwaiges Honorar keine wesentliche Motivation bedeutet (z.B. Wissenschaftler), die also eine ganz andere Prioritätenfolge ihrer Verpflichtungen haben als der Verlag, der dringlich auf das Manuskript wartet. Eine nervenzerrende Belastung werden säumige Autoren bei Viel-Autorenprojekten, bei denen u.U. viele auf den Letzten warten müssen. Alle Sorgfalt beim Projektmanagement und aller persönlicher Einsatz des Lektorats stoßen da oft an ihre Grenzen. Ungeachtet aller Planungsunsicherheit hinsichtlich Zeitplan und Markterfolg sind Planungsinstrumente unerlässlich. Dazu zählt insbesondere: <?page no="77"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 78 Das Projektexposé. Es wird vom Lektorat in Zusammenarbeit mit dem Autor erstellt und umfasst einen Gliederungsentwurf und eine textliche Darstellung von Konzeption und Zielsetzung. Weitere Bestandteile sind ein Zeit- und Kostenplan (für Herstellung ebenso wie für Werbung) und eine zumindest rudimentär durch Konkurrenzanalyse erarbeitete »Marktforschung«, d.h. Anlistung direkt konkurrierender Titel mit Kurzcharakteristik und, darauf fußend, den/ die sogenannte USP (unique selling proposition), also die Darstellung des spezifischen Nutzens, der kaufentscheidend sein soll. Dies sollte sowohl für den Handel (Vertreterarbeit) wie für den Endkunden (Werbung) plausibel sein. Das Projektexposé durchläuft in der Regel die Verlags- oder Programmkonferenz (bestehend i.d.R. aus Verlagsleitung, Lektorat, Marketing/ Werbeleiter, Hersteller, evtl. auch Vertretern) und führt nach Zustimmung zur Projektfreigabe und zum Vertragsabschluss. Boston-Matrix Unabhängig von der Plausibilität und Wirtschaftlichkeit des Einzelprojekts werden Programmentscheidungen häufig auch unter übergeordneten Aspekten einer strategischen mittelfristigen Planung getroffen. Das heißt, es werden nicht selten Einzeltitel trotz vermuteter Rentabilität verworfen, weil sie nicht (oder nicht mehr) ins strategische Profil passen. Für viele Verlage sind dabei die Parameter »Marktanteil« des Verlags am betreffenden Teilmarkt und Marktdynamik, also Wachstumschancen dieses Teilmarkts entscheidend. Hoch Marktdynamik Zukunftsmärkte Risikotitel 1 Stars 2 Niedrig Arme Hunde 3 Standardtitel 4 Marktanteil Niedrig Hoch Abb. 2.1: Die Teilmärkte gemäß der Boston-Matrix <?page no="78"?> 79 2.1 Programm und Programmplanung Diese Matrixanalyse kann auf Einzeltitel ebenso wie auf Programmsegmente angewendet werden. Unübersehbar ist ein Kernproblem solch schematisierter strategischer Programmarbeit: Es besteht die Gefahr, dass sich sehr viele Verlage aufgrund einer aktuellen öffentlichen Stimmung auf dasselbe Gebiet als »Zukunftsmarkt« richten, sich also in härteste Konkurrenz begeben. Mittlere und kleinere Firmen müssen kritisch prüfen, ob sie dort wirklich Erfolge erzielen können angesichts begrenzter finanzieller Mittel und geringerer Durchschlagkraft ihres Vertriebsapparats. Statt wie Lemminge den aktuellen Trends nachzulaufen, kann es für solche Verlage viel sinnvoller und Erfolg versprechender sein, ihr »proprium«, das Ureigene und Unverwechselbare zu schärfen und sich dort zu betätigen, wo die großen Akteure gerade das Feld räumen. Also Nischenpolitik statt Powerplay am großen Markt, das einen mittleren Verlag sehr teuer zu stehen kommen kann. Es ist auch eine ganz falsche Vorstellung, dass man im sogenannten »Arme Hunde«-Bereich nicht durchaus solide und dauerhafte Erträge erwirtschaften könnte. Es gibt daher durchaus Verlage, die bei grundsätzlicher thematischer Eignung einen Titel ohne solche strategischen Ausschlusskriterien ins Programm aufnehmen, wenn die Plankalkulation Vollkostendeckung verspricht. Die Entscheidung für Konsequenz oder Pragmatismus muss jeder Verantwortliche für sich treffen - die Richtigkeit hunderter solcher Entscheidungen erweist sich erst nach Jahren; auch sorgfältigste Planungsinstrumente können Unsicherheit allenfalls reduzieren, keinesfalls beseitigen. In ungünstigen Konstellationen kann ein konsequentes Entscheiden nach der Boston-Matrix sogar die Risiken erhöhen: Wer sich ganz auf (vermutete) künftige Wachstumsmärkte (Feld 1) konzentriert, hat, wenn sich die Grundannahme nicht bestätigen sollte, große Probleme. Das war z.B. bei manchem Verlag im Internet-Hype der Fall (s. Kap.- 6). Der Gedanke der Risikostreuung im Programm-Portfolio (s. oben) sollte immer mitbedacht werden. Es ist eine alte Generalstäblerweisheit, dass konsequentes Fortdenken einer falschen Grundannahme höchste Risiken zeitigt. In Feld 2 (Stars) hineinzuplanen, ist kaum möglich: Solche Titel entstehen einfach. Sorgsame Planung sollte insbesondere das Feld 4 nicht vernachlässigen, also auf eine starke Stellung in definierten Teilmärkten hinarbeiten. Nicht zuletzt der Aspekt der Werbe- und Vertriebskosten spricht sehr in diese Richtung. <?page no="79"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 80 2.1.4 Ökonomische Planung (s. a. Kap. 2.6.2) »Die Zukunft bleibt unbekannt (anders wäre sie nicht als Zukunft erkennbar), aber das Unbekanntsein der Zukunft ist zugleich die wichtigste Ressource des Entscheidens.« Niklas Luhmann Zunächst ein paar Grundbegriffe der Planung. Diese wird auch als »gestaltendes Denken für die Zukunft« bezeichnet, um Führungsentscheidungen auf der Basis antizipierter bzw. angestrebter Entwicklungen eine reale Grundlage zu geben. Kosiol spricht vom Planen als »im Kern prospektivem Denkhandeln«, Wild von Planung als »systematisch-methodischem Prozess der Erkenntnis und Lösung von Zukunftsproblemen«. Kein Unternehmen kann ohne Planung seine Zukunft sichern oder gestalten. Alle inhaltliche Planung mündet in Kosten und Erträgen und damit einer Finanzplanung. Jeder Plan sollte folgende Elemente aufweisen: • Problemstellung • prognostizierte Wirkungen / Absätze / Kosten • Verfügbare Ressourcen (Kapazitäten, Personal, Liquidität u.a.) • Einzelmaßnahmen und deren Kombination • Planungsträger und Planverantwortliche • zeitliche Bedingungen und Termine • Prämissen und Daten • Angaben über Schnittstellen zu anderen Plänen (nach M. Schweitzer, Allgemeine BWL Bd. 2 9. A. 2005) Bei der Planung der Ziele ist vorab Folgendes zu klären: • welche Zielvorstellungen überhaupt verfolgt werden sollen • welche Unterziele zur Erreichung der Oberziele notwendig sind • welche positiven Beziehungen oder Konflikte zwischen einzelnen Zielen bestehen • welchen sachlichen oder zeitlichen Vorrang einzelne Ziele haben sollen/ müssen (Etappenschritte) • für welche Dauer Ziele gelten sollen. (nach M. Schweitzer, ebda.) Zudem ist es wichtig, dass realistische Ziele festgelegt werden, die auch eine Bandbreite zulassen. Reine Punktlandungen sind schwer zu erreichen. <?page no="80"?> 81 2.1 Programm und Programmplanung In die Planung müssen externe Daten (allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, Entwicklung des eigenen Markts, gesetzliche Neuerungen u.s.w.) ebenso eingehen wie interne Daten (Mitarbeiter, Änderungen im Workflow oder Vertriebssystem u.s.w.). Erst dann gewinnt der Plan Realitätsgehalt i.S. Friedrich Schillers »leicht wohnen beieinander die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen«. Genau deshalb ist Planung so unverzichtbar. Jedes Unternehmen hat die Verpflichtung, seinen Finanziers, also sowohl den Banken wie den Gesellschaftern, anhand von Planzahlen plausibel zu machen, dass deren Geld nicht nur sicher, sondern auch angemessen ertragbringend investiert ist, d.h. Verzinsung und Rückzahlung als gesichert gelten dürfen. Allein die Anforderungen von Basel II an die Kreditgeber machen ein Bankgespräch wegen Krediten ganz illusorisch ohne eine Mehrjahresplanung. Zwei Jahre im Voraus lassen sich halbwegs realistisch einschätzen, darüber hinaus handelt es sich eher um Skizzen; aber mit der Vorlage dieser Skizzen gehen immerhin die Geschäftsführer ein »commitment« ein insofern als dies als Zielvorstellung gilt, an der sie gemessen werden. Planungsehrgeiz kann sich auf vielerlei richten: auf Umsätze/ Expansion, auf Gewinne, auf Senkung der Mittelbindung u.a. Planung kann sich aber auch auf Modernisierung der internen Abläufe richten, was kurzfristig Mehrkosten, langfristig aber Kostenersparnisse bedeutet. Allein dieser Aspekt zeigt, dass mehrjährige Planung zwingend ist, weil sonst geplante kurzfristige Ertragsverschlechterungen, mit denen künftige Effizienzsteigerungen vorfinanziert werden, nicht überzeugen könnten: Es muss der positive, stärkere Effekt in den Folgeperioden sichtbar werden. Die Königszahl allen Planens ist die berühmte »bottom line«, die letzte Zeile der Zahlenkolonne, die den Gewinn aufzeigt (s. Kap. 2.6.2) - zumal heute, wo Umsatzexpansion angesichts der generellen Marktlage für viele Verlage kaum realistisch ist. Mittel- und langfristig dienen alle anderen Unternehmensziele wie Marktposition, Produktqualität, Modernisierung, Innovation, Personalentwicklung u.s.w. immer am Ende der Stärkung der Ertragskraft, die ihrerseits wieder die finanzielle Voraussetzung neuer Vorhaben ist. Die Basis einer konkreten Planung für ein Geschäftsjahr ist sowohl wegen der Kosten und der Liquidität eine Zusammenstellung, die alle Neuerscheinungen mit Kosten und Erlösen den Monaten zuordnet und Entsprechendes auch für die Backlist unternimmt, bei Letzterer weitestgehend auf die Saisonfigur der Erlöse bezogen. Dabei gibt es ein eher pauschales top-down-Verfahren, das mit Aggregatwerten arbeitet, oder das - sehr viel mühseligere - bottom-up- Verfahren, bei dem für jedes Objekt, egal ob Neuerscheinung oder Backlist- Titel, ein Jahresumsatz geschätzt wird und dieser dann nach Produktgruppen <?page no="81"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 82 (profit center) zwischensummiert und schließlich als Jahresplanumsatz aufaddiert wird. Wer mit guten finanziellen Polstern ohne Bankdarlehen arbeitet, kann hier gewiss etwas lässiger vorgehen als der, der seiner Bank eine plausible Jahresplanung vorlegen muss, zumal angesichts der verschärften Basel II-Regeln. Ist die Jahresplanung mehrmals hintereinander nicht erfüllt worden, stehen Probleme ins Haus. Andererseits kann sklavisches Bemühen um Planeinhaltung Kreativität und Dynamik ersticken und zu weniger Effizienz führen, als bei der Möglichkeit flexiblen Reagierens auf unerwartete Ereignisse. Unter Controllern gibt es aber auch den vorwurfsvollen Terminus einer »Planung ohne Ehrgeiz«. Wer Jahr für Jahr seinen Plan übererfüllt, gerät in den Verdacht, sich durch übervorsichtige Planung von Erfüllungsdruck freizuhalten. Hier sind Erwartungen und Verhaltensweisen in Einzelfirmen und Familienunternehmen sehr verschieden von denen, die in Konzernen gefordert werden. Die Ziele Expansion bzw. Sicherheit werden eben sehr unterschiedlich gewertet. (Im Detail wird die Jahresplanung in Abschnitt 2.6.2 behandelt, zur aus der Jahresplanung folgenden Liquiditätsplanung s. S.-122 f. sowie Kap.-3.7.6). 2.2- Verlagstypen Nicht nur nach Größe und Organisationsgrad können Verlagstypen unterschieden werden, wie nachstehende, keineswegs erschöpfende Beispiele zeigen. 2.2.1 Buch- und Zeitschriftenverlag Buch- und Zeitschriftengeschäft unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Davon ist ausführlich in den Kapiteln 3-5 die Rede. Von der Typologie her ist ein Zeitschriftenverlag mit der viel größeren Stabilität und daher Prognostizierbarkeit von Kosten und Erlösen sehr viel kaufmännischer akzentuiert: Die Vergleichbarkeit der Zahlen über Jahre erleichtert die Kostenkontrolle und Nachjustierung, nahezu alle Kostenarten sind in engen Erfahrungsspielräumen definiert, die interne Organisation (der Workflow) von gleichmäßiger Kapazitätsbelastung geprägt. Sehr anders das oft erratische Buchgeschäft. Aber auch dort gibt es Verlage mit erheblicher Kontinuität, ausgereiftem Programm und planbaren Kosten wie etwa Schulbuch-, Kalender- oder Adressbuchverlage. Solche Verlage sind, bei aller Notwendigkeit von Innovation und Produktfortentwicklung, von einer hohen Programmidentität über die Jahre geprägt. Im belletristischen und Sachbuchverlag dagegen gibt es (fast als Regel) enorme Pendelbewegungen: Nach einem bestsellergeprägten Jahr ein »normales« und <?page no="82"?> 83 2.2 Verlagstypen das kann leicht 50% des Vorjahresumsatzes bedeuten. Wer da in den guten Jahren nicht eiserne Kostendisziplin, insbesondere bei den Personalkosten, wahrt, gerät in gefährliche Wasser. Mehrere gute Jahre sind ungemein verführerisch, in allen Kostenbereichen anzuspecken - die Abmagerungskur danach ist überaus schmerzvoll und auch mit Restrukturierungskosten belastet. Kein Verlag sollte daher heute ohne eine mehrjährige Umsatz- und Kostenplanung wirtschaften. Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen Buch- und Zeitschriftenverlagen besteht auch hinsichtlich Kapitalbindung und Wertberichtigungsbedarf. Zeitschriftenverlage schlagen ihre Produktion ohne nennenswerte Liquiditätsbelastung sofort um, größere Lager existieren nicht. Die oft gewichtigste und meist auch risikobehaftetste Bilanzposition im Buchverlag dagegen sind die Lagerbestände: Sie binden Mittel und stehen unter der permanenten Gefahr der Nichtverkäuflichkeit mit der Konsequenz der Wertberichtigungen, die dessen Wareneinsatz hinzuzurechnen sind. Konsequenz: Ertragsbelastung (s. a. Abschnitt 2.6.1). Viele Verlage sind eine Mischung aus Zeitschriften- und Buchverlag. Diese Bereiche werden in aller Regel als Profitcenters geführt - Kosten und Erlöse sind in der Regel ziemlich klar zuzuordnen. Ein solches gemischtes Buch/ Zeitschriften-Programm kann sehr positive Wechselwirkungen bei der Autorengewinnung haben ebenso wie bei der Marktdurchdringung und eben auch - im Sinne des Portfolio-Aspekts - für Risiko und Finanzierung. Zeitschriften sind ein großer Stabilisierungsfaktor für einen Verlag. 2.2.2 Autorenverlage und Lektoratsverlage Eine sehr großer Unterschied in der Arbeitsweise besteht zwischen Verlagen, die weitestgehend von Autoren abhängig sind, die also ihre Produkte nur in beschränktem Umfang beeinflussen, in keinem Fall aber selbst erstellen können, und solchen Verlagen, die ihre Produkte auch inhaltlich weitgehend oder sogar nahezu vollständig (z.B. Ratgeberverlage, Schulbuchverlage, Wörterbuchverlage etc.) selbst erstellen. Planbarkeit, Qualitätskontrolle, konstanter Workflow sind himmelweit entfernt von den Verlagen der ersten Kategorie, die nach Vertragsabschluss weitestgehend das Qualitätsrisiko (s. Kap. 7) ebenso wie die Unwägbarkeiten der Terminplanung tragen müssen. So mancher Wissenschaftsverlag hat mehr als ein Jahrzehnt auf ein Manuskript warten müssen und wird am Ende mit schönen Erfolgen für seine Geduld belohnt. Und wie schwerwiegend ist es für einen Literaturverlag, wenn der geplante Spitzentitel <?page no="83"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 84 des Starautors wegen einer Schaffenskrise verschoben werden muss: Ein missratenes Verlagsjahr ist dann oft unausweichlich. So ergeben sich ganz verschiedene Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen in den Verlagen. • Hohe Autorenabhängigkeit Literarischer Verlag reiner Wissenschaftsverlag • Wenig bis mittlerer Lektoratseinfluss Prägend sind Einzeltitel • Hohe Autorenabhängigkeit, aber fokussierte Zielgruppenarbeit Wissenschafts- und Fachverlag • Mittlerer Lektoratseinfluss Prägend sind Themenfelder • Mittlere bis geringe Autorenabhängigkeit Ratgeberverlage, mittelgroße Fachzeitschriften Schulbuch • Autoren austauschbar oder mehr Rohstofflieferanten • Lektorate und Redaktionen gestalten und steuern Prägend ist der Produkttypus • Sehr geringe Autorenabhängigkeit Lexikon- und Wörterbuchverlage Große Fachzeitschriften • Verlag erstellt die Inhalte weitestgehend selbst in Lektoraten/ Redaktionen Prägend ist das (Groß-)Produkt 2.2.3 Themenverlage und Zielgruppenverlage In Fortführung des Vorstehenden kann man die Unterscheidung der Verlagsarbeit auch dahingehend treffen, ob ein Verlag Themenfelder bearbeitet (ein Wissenschaftsgebiet, einen Sachbuchbereich u.s.w.), oder ob er seine Programmarbeit gezielt nach Zielgruppen ausrichtet. In den letzten 25 Jahren hat letztere Programmorientierung sehr stark zugenommen. So wurden noch vor 30 Jahren von Medizinverlagen Projekte geplant wie etwa ein »Lehrbuch der Kinderheilkunde«, bei denen weder Autoren noch Verlag primär die Zielgruppen im Auge hatten, sondern vielmehr die Qualität des Inhalts. Was aber ist eigentlich die »Qualität des Inhalts«, wenn sie nicht im Blick auf eine Zielgruppe definiert wird? Die alte Marketingdevise »Qualität ist, was der Kunde will«, ist viel weniger zynisch als sie zunächst klingt. Sie verweist <?page no="84"?> 85 2.2 Verlagstypen nämlich auf die Bedürfnisse des Kunden und stellt die Selbstdarstellungswünsche von Autoren an die zweite Stelle. Ein »gutes« Lehrbuch ist eines, das mitnichten »alles« darstellt und das noch bis ins kleinste Detail, sondern ist heute selbstverständlich eines, das sich exakt an curricula und Prüfungsanforderungen orientiert. Das volle Wissen des Autors ist hier nicht gefragt, sondern seine Bereitschaft sich zurückzunehmen, für seine Leser zu schreiben, sich vom Lektorat (und vielleicht sogar Vertriebsleuten und Außendienstlern) raten und führen zu lassen. Diesbezüglich hat sich Verlagsarbeit enorm verändert und professionalisiert. Die gestaltende Rolle des Verlags, d.h. insbesondere der Lektorate, hat enorm an Gewicht gewonnen, ist unverzichtbare Voraussetzung für erfolgreiche Verlagsarbeit geworden. Eine Ausnahme bleibt die reine Wissenschaft: Qualifikationsschriften, Forschungsberichte, Tagungsbände kann der Verlag nur machen oder nicht: Er kann und darf inhaltlich nicht eingreifen, allenfalls formal polieren. Und er könnte es ungeachtet der sachlichen Unmöglichkeit auch aus finanziellen Gründen nicht: Das geringe Umsatzpotential solcher Bücher erlaubt nur einen minimalen overhead, ob bei Lektorat oder Werbung (s. a. Kap. 3). In großen Verlagen existieren heute intern - sowohl organisatorisch wie auch als profit center - mehrere »Verlage im Verlag«, jeweils für bestimmte Zielgruppen (s. a. S.- 95-ff.). So gibt es etwa in einem Medizinverlag mehrere - getrennt jeweils von einem Verlagsleiter geführte - Bereiche: Studenten/ Lehrbücher, Arzt/ Praxis, Krankenschwestern/ Fortbildung, Patientenliteratur, Zeitschriften, Wissenschaft. Das wären also sechs Teilverlage, die mit durchaus unterschiedlichen Konzeptionen, Autoren, Außendiensten, Vertriebspartnern, internen Kostenstrukturen u.s.w. für klar abgegrenzte Zielgruppenmärkte arbeiten. Das ist heute unabdingbare Grundlage erfolgreicher Verlagsarbeit im Fachbuchbereich, aber auch ganz anderen Gebieten, wie etwa Reiseführern, Auto/ Motor u.s.w. Mit der Zielgruppenarbeit gewinnt nicht nur das Lektorat an Bedeutung, sondern auch Marketing und Vertrieb: Buchideen entstehen nicht am Schreibtisch des Fachautors, sondern oft im Verlag, und es werden dann Autoren gesucht, die die Bereitschaft mitbringen müssen, gemäß den Verlagsvorgaben zu arbeiten. Dies können didaktische Konzepte für eine Buchreihe sein, strenge Umfangsvorgaben und Illustrationsanforderungen im Ratgeberbereich oder strengste Terminvorgaben etwa bei Büchern für neue EDV-Programme, wo wenige Wochen Vorsprung am Markt den Erfolg eines Titels entscheiden. Autoren sind in solchen Fällen in mancher Hinsicht eher weisungsgebundene externe Mitarbeiter denn frei schaltende Starschriftsteller oder Großordinarien, die schreiben, was und wann sie wollen. Auch für <?page no="85"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 86 Letztere wird und muss es Verlagspartner geben - es liegt auf der Hand, wie verschieden Verleger und Verlage für so unterschiedliche Zielsetzungen sind und sein müssen. 2.2.4 Original- und Lizenzverlage Viele Verlage veröffentlichen nur Originalpublikationen, für die sie die Rechte beim Urheber erworben haben, andere Verlage haben ergänzend auch Übersetzungen aus fremden Sprachen im Programm, bei literarischen und Wissenschaftsverlagen ist das die Regel. Schließlich gibt es Verlage, die sich ganz oder nahezu ausschließlich der Vermittlung ausländischer Literatur auf dem deutschsprachigen Markt widmen. Auch hieraus ergeben sich Unterschiede in der Verlagsarbeit: Wer viel übersetzen lässt, braucht sogenannte »scouts« (s. a. S.- 392), die die ausländische Szene gut kennen und laufend berichten, oder auch etablierte Beziehungen zu führenden Literaturagenten und einschlägigen Verlagen. Die Lektoratsarbeit bezieht sich dann nicht auf das Produkt selbst, sondern auf eine bestmögliche Umsetzung, also intensive Betreuung des beauftragten Übersetzers und eventuelle Adaptationen für den deutschen Markt (z. B. bei Medizinbüchern). Dabei ist es nicht so, dass der Rückgriff auf vorhandene Werke und das Wissen über den Erfolg der Originalausgabe von vornherein das Risiko der Verlagsarbeit kleiner macht: Hohe Lizenz- und Übersetzungskosten können schnell zu einer sehr engen Kalkulationsbasis führen, die notwendige Zeit bis zur »Entdeckung« des Buchs und zum Abschluss der Übersetzung birgt die Gefahren der Veraltung oder eines zwischenzeitlichen Interessenwandels auf dem Markt. Aber auch unabhängig davon: Es gibt viele übersetzte Werke, die auf dem deutschsprachigen Markt nicht annähernd den Erfolg der Originalausgabe wiederholen können, und umgekehrt solche, die im Ursprungsland nur mäßig erfolgreich und in der Übersetzung ganz große Erfolge sind. Eine besonders große Rolle spielen Lizenzen in der Literatur (s. Kap. 1.3.5) und bei den Kinderbüchern. 2.2.5 Kommissionsverlag Der Kommissionsverlag ist in aller Regel kein Verlagstyp, sondern ein spezifisches Geschäftsmodell. Hier ist der Verlag primär als Vertriebspartner des Kommissionsgebers (z.B. wissenschaftliche Institute, aber auch Privatpersonen) tätig. Die gesamte Produktion und deren Finanzierung obliegt dem Kommissionsgeber, der daher auch einen hohen Erlösanteil, oft 50% der <?page no="86"?> 87 2.2 Verlagstypen Nettoerlöse, abgerechnet bekommt. Ob diese jährlichen oder halbjährlichen Abrechnungen der Verkäufe ausreichen, um die direkten technischen und indirekten Kosten (z. B. Personalkosten) einzuspielen, ist also das Risiko des Kommissionsgebers. Die entsprechenden Warenbestände befinden sich zwar im Lager des Verlages, sie gehören aber dem Kommissionsgeber, d.h. sie gehen nicht als Vorräte in die Verlagsbilanz ein. Das Kommissionsverlagsmodell eignet sich einerseits für wirtschaftlich schwache Titel, die ein Verlag auf eigenes Risiko nicht verlegen würde, an deren Erscheinen aber der Kommissionsgeber als Institution oder Privatperson sehr interessiert ist. Hier geht der Kommissionsgeber i.d.R. davon aus, dass die ihm abgerechneten Erlöse nur zu einer Teildeckung seiner Aufwendungen führen werden. Andererseits gibt es aber auch marktstarke Objekte (z.B. wissenschaftliche Schriftenreihen und Zeitschriften), bei denen der Kommissionsgeber sich die Mühen der Vertriebsarbeit ersparen bzw. diese abgeben, aber seine guten Erträge behalten will. Solche Objekte werden nicht selten immer wieder einmal ausgeschrieben, um dem Kommissionsgeber einen optimalen Ertragsanteil zu sichern. Der Verlag ist an solchen Objekten interessiert, weil sie zum einen einen gewissen Deckungsbeitrag erbringen, insbesondere aber, weil es sich oft um sehr prestigeträchtige Titel, insbesondere im Zeitschriftenbereich, handelt, die auf das Image und das Verlagsprogramm positiv ausstrahlen. In manchen Fällen übernimmt der Verlag bei solchen Objekten auch die herstellungstechnische Betreuung und erhält dafür vor Erlösteilung eine Vorabvergütung. Ob die äußere Aufmachung dabei den Gestaltungsprinzipien des Kommissionsgebers folgt oder gemäß dem Erscheinungsbild des Verlags, wird unterschiedlich gehandhabt. Starke Kommissionsgeber mit eigener Corporate Identity verlangen oft deren Übernahme. Kernelement jedes Kommissionsverlagsvertrags ist aber immer die Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos (einschließlich der Erfolgschancen) auf den Kommissionsgeber. <?page no="87"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 88 2.3- Organisation im Verlag Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden - aber nicht einfacher. Albert Einstein 2.3.1 Begriffe und Konzepte Der Begriff der Organisation umfasst zwei zwar miteinander verzahnte, aber dennoch zu unterscheidende Aspekte: Die Aufbauorganisation befasst sich mit der Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen sowie der Koordination von Aufgaben und Aufgabenträgern. Das Ergebnis ist die formale Organisationsstruktur der Unternehmung. Man spricht vom institutionellen Organisationsbegriff. Ablauforganisation ist die raum-zeitliche Strukturierung von Prozessen, sie wird daher oft als tätigkeitsbezogen charakterisiert Organisation insgesamt kann als ein Regelsystem verstanden werden, das Aktionen zwischen definierten Akteuren steuert. Die zentralen Fragestellungen für die Gestaltung von Organisationen kann man wie folgt zusammenfassen: (1) Externe Systemabgrenzung (Ein- und Ausgliederung von Aufgaben): Welche Aufgaben soll eine Unternehmung selbst erfüllen, welche soll sie vom Markt beziehen? Welche Möglichkeiten bietet die Schaffung vertikaler und horizontaler Kooperationen? (2) Interne Strukturierung (Subsystembildung und Subsystemintegration): Wie soll das System in Subsysteme (z.B. Abteilungen oder Prozesse) zur effizienten Aufgabenerfüllung gegliedert werden? Wie kann das Zusammenwirken der arbeitsteiligen Einheiten und unterschiedlichen Prozesse sichergestellt werden? Welche Formen unterschiedlicher Subsysteme gibt es? (3) Systementwicklung: Wie entsteht und entwickelt sich das System Unternehmung und seine Organisation? Welches sind die Bedingungen für das langfristige Überleben? Wie kommt es zum Vergehen einer Unternehmung? In welchen Wechselwirkungen steht das System und seine Organisation zum Systemumfeld? Wie ist der Wandel der Organisation zu bewerkstelligen? (nach W. Krüger in: Allg. BWL, hrsg. v. Bea/ Dichtl/ Schweitzer, 8. A. [Stuttgart 2001]) <?page no="88"?> 89 2.3 Organisation im Verlag Diese Zusammenstellung weist eindrücklich auf eine sehr wichtige Grundtatsache hin: Organisation ist nie etwas Endgültiges, vielmehr ständig anpassungsbedürftig z.B. im Blick auf die sich verändernde Gewichtung von Arbeitsbereichen im Gesamtunternehmen, auf Veränderung der Unternehmensgröße, Veränderungen bei Leistungsbreite und Kosten externer Dienstleister u.v.a.m. Die Erstarrung von Organisationen führt zu wachsender Ineffizienz (Unwirtschaftlichkeit). Organisation bedarf stetiger Aufmerksamkeit und optimierender Nachführung, Organisationsveränderung ist ein Kern des »change management«. Grundsätzlich geht es bei der Organisation um die »präsituative Strukturregelung von Aktionsfeldern« (Krüger); es gilt die Vielfalt von Aufgaben arbeitsteilig so zu organisieren, dass optimale Effizienz erreicht wird. Angesichts der notwendigen komplexen Interaktionen in einem Verlag etwa zwischen Lektorat, Marketing, Herstellung u.s.w. ist ein einfaches sequentielles Arbeitsteilungsmodell wie das berühmte Ur-Modell Adam Smith’s zur Stecknadelherstellung gewiss nicht (mehr) zielführend. Organisation bezieht sich heute aber nicht nur auf Arbeitsplätze und Arbeitsgruppen bzw. auf Abteilungen, sondern in wachsender Bedeutung auch auf die Organisation der im Unternehmen vorhandenen und genutzten Daten. Das Stichwort heißt »Wissensmanagement«. Berater zeigen immer wieder auf, wie viel Wissen in einem Unternehmen eigentlich vorhanden ist, das aber nur isoliert und damit unzureichend genutzt wird. Entscheidend ist dafür ein anwendungsorientiert organisierter Pool digitalisierter Daten, der u. U. gestuft für bestimmte Mitarbeiter zugänglich ist. Eine Vereinheitlichung der Datenbasis (Adressen, Objekte u.s.w.) kann dabei große Effizienzreserven heben und ist also genauso eine Organisationsaufgabe. Am Anfang von Organisationsüberlegungen sollte wie oben angeführt das Tableau aller denkbaren Aufgaben stehen und die Entscheidung darüber, was im und was außerhalb des Verlags gemacht werden soll. Das nachfolgende Diagramm ist eine Checklist dafür und zugleich ein Lösungsvorschlag unter sehr vielen anderen denkbaren. In einem größeren Verlag werden viele Funktionen, die hier außerhalb des Kreises (= Verlag) stehen, interne Abteilungen sein, das ist z.B. eine Frage ausreichenden und regelmäßigen Arbeitsanfalls. Aber auch technische Veränderungen können zur Neuorganisation führen: So haben mittlerweile viele, auch kleinere, Verlage die Druckvorstufe in den Verlag geholt, weil durch die Desktop-Publishing-Verfahren sowohl externe Kosten gespart werden und zugleich die internen Kosten der Produkterstellung gesenkt werden können (s. a. Kap. 2.6). Bereiche wie Finanzierung, Per- <?page no="89"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 90 sonalwesen u.a. sind dabei noch nicht einmal im Diagramm erfasst, weil sie generelle unternehmerische Bereiche und nicht verlagsspezifisch sind. Aber auch dafür stellen sich die gleichen grundsätzlichen Fragen. Jedenfalls aber findet auch in den Verlagen statt, was weithin die Wirtschaft prägt: Der Bedarf nach immer qualifizierteren Mitarbeitern steige und damit die durchschnittliche Vergütungshöhe. Das hebt tendenziell die Personalkosten an - trotz outsourcing haben viele Verlage Mühe, die magische Marke von 25% Personalkosten auf den Umsatz nicht zu überschreiten. Man kann die Hauptaufgaben bzw. Funktionsbereiche auch wie folgt umreißen: Abb. 2.2: Der Verlag im Netzwerk von Dienstleistern, Lieferanten und Abnehmern <?page no="90"?> 91 2.3 Organisation im Verlag Kernaufgaben im Verlag Programmrichtlinien / Verlagsphilosophie zuständig: Geschäftsleitung, »der Verleger« Produktentwicklung zuständig: Lektoren, Verlagskonferenz, Teilbereichsleiter, Produktmanager Produkterstellung zuständig: Herstellung/ Lektoren (bzw. Projektteam) Vertrieb / Marketing zuständig: Vertriebs- und Marketingleiter (oft auch Geschäftsführer und Lektoren) Personal / Rechnungswesen / Erfolgskontrolle zuständig: kfm. Geschäftsführer, Controlling Die Zuordnung dieser Aufgabenbereiche an Abteilungen und Personen, die Definition der Befugnisse und Verantwortlichkeiten, ist Gegenstand der Aufbauorganisation. 2.3.2 Aufbauorganisation Die Aufbauorganisation entwickelt sich auf Basis der vorstehend skizzierten Arbeitsbereiche und differenziert sich mit wachsender Betriebsgröße. Während in einem 4-Mann-Betrieb eigentlich alle einen Überblick über die wesentlichen Aufgaben und auch die Fähigkeiten zu deren Erledigung haben müssen, ist das schon bei 20 Mitarbeitern anders und bei 200 noch einmal komplexer. Die Aufbauorganisation bildet sich ab im Organigramm, das die Arbeitsbereiche und die Funktionsebenen (von der Geschäftsleitung bis zum Sachbearbeiter) darstellt. Klassische Organigramme entsprechen in vielem der militärischen Organisation, aus der diese Strukturen herrühren - insbesondere auch die Unterscheidung von Stab und Linie. In der Linie stehen die Mitarbeiter in einer Weisungskette: Verlagsleitung  Abteilungsleiter  Gruppenleiter  Sachbearbeiter. Anders die Stabsmitarbeiter, die nur der Leitungsebene zuarbeiten, wie im Urmodell der Generalstab dem kommandierenden General. Ein relativ einfaches und vielfach übliches Organigramm eines Verlags im sogenannten Stabliniensystem, auch funktionale Organisation genannt, kann etwa wie folgt aussehen: <?page no="91"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 92 In diesem klassischen Modell ist die Verlagsleitung programmverantwortlich und disponiert über die abteilungsweise gegliederten Ressourcen des Unternehmens. Die Lektorinnen und Lektoren arbeiten nur zu, schlagen Projekte vor und betreuen sie bis zum Erscheinen, können aber keine Ergebnisverantwortung haben, da ihnen ja Entscheidungsbefugnisse über Herstellungskosten, Werbemitteleinsatz u.a. nicht zustehen. Natürlich werden bei der Projektannahme (s.-S.-78-f.) hierzu Vorentscheidungen getroffen (teils sind sie ja sogar Bestandteile des Autorenvertrags), aber der Lektor kann allenfalls argumentierend eingreifen, nicht wirksame Anweisungen geben. Es bedarf also stets ergänzender, informeller Informationsstrukturen und Abstimmungsvorgänge. So wird die Messung seiner Leistung in Projektakquisition und Projektumsetzung nur bedingt möglich sein. Daher haben viele Verlage sich mittlerweile für ein anderes Organisationsmodell entschieden, das dem Lektor Ergebnisverantwortung überträgt, ihn also in eine Linienfunktion mit Weisungsbefugnissen bringt (s.-S.-93). Zuvor aber noch einige Anmerkungen zum klassischen Stab-Linien-Modell: Die Zahl der Zellen, in denen ja auf der unteren Ebene in der Regel mehrere Sachbearbeiter tätig sind, zeigt, dass eine solche Struktur erst bei einer Größe ab vielleicht 60 MitarbeiterInnen möglich ist, darunter müssen Funktionen zusammengefasst und die zweite Ebene nicht nur dispositiv, sondern auch unmittelbar operativ tätig sein. Daher kommt es häufig vor, dass in einem Organigramm Namen auf zwei Ebenen auftauchen oder in zwei nebeneinander stehenden Kästen. So ist sehr oft einer der Geschäftsführer zugleich Leiter Personal/ Finanz und der IT-Leiter könnte zugleich Buchhaltungsleiter sein. Noch häufiger sind Werbungs- und Vertriebsleitung (oft inklusive Auslieferung) in Verlagsleitung Anzeigenleitung Herstellungsleitung Werbe/ Vertriebs leitung Finanzu.- Personalleitung Anzeigenverwaltung Außendienst Buchherstellung Zeitschr -Herstellung Werbung Vertrieb Auslieferung Außendienst Buchhaltung Personalabteilung T Lektorat(e) Verlagsleitung Anzeigenleitung Herstellungsleitung Werbe/ Vertriebs leitung Finanzu.- Personalleitung Anzeigenverwaltung Außendienst Buchherstellung Zeitschr -Herstellung Werbung Vertrieb Auslieferung Außendienst Buchhaltung Personalabteilung T Anzeigenverwaltung Außendienst Buchherstellung Zeitschr -Herstellung Werbung Vertrieb Auslieferung Außendienst Buchhaltung Personalabteilung T Lektorat(e) Abb.-2.3: Klassisches Stab-Linien-Organigramm <?page no="92"?> 93 2.3 Organisation im Verlag einer Person zusammengefasst. Das mag der reinen Lehre widersprechen - und dennoch hat auch dann das Organigramm seinen Sinn, weil es Arbeitsbereiche, insbesondere aber Verantwortlichkeiten definiert: Jeder weiß anhand des Organigramms, wer wofür zuständig ist, wer wem Weisungen erteilen kann, wer wem berichtet (unterstellt ist). Eiserne Regel bei einer derartigen Organisation ist: Weisungen können immer nur in direkter Linie gegeben werden. Also nicht von der Verlagsleitung direkt an einen Sachbearbeiter, sondern in der »Befehlskette« über Abteilungsleiter u.s.w. Auch kann ein Herstellungsleiter keine Anweisung an einen Werbeassistenten geben, ungeachtet zahlreicher unerlässlicher informeller Arbeits- und Informationsverzahnungen. Entscheidend ist also das Prinzip, dass die jeweils übergeordnete Ebene für alles verantwortlich ist, was unter ihr steht; das Überspringen von Ebenen oder die gefürchtete »Rückdelegation von Aufgaben« sind unbedingt zu vermeiden. So jedenfalls die »reine Lehre«. Nun zur Fortentwicklung von Organisationsmodellen im Verlag. Bei klar voneinander trennbaren Produktbereichen, die auch andere Vertriebsmethoden etc. nutzen, kann das Stablinien-Organigramm sich vervielfachen. Es handelt sich nun um eine divisionale Struktur. Oft bilden in einer solchen Struktur die Verlagsleitung (Geschäftsführer) mit den Leitern der Bereiche oder Abteilungen die sog. »erweiterte Geschäftsführung«, z.T. auch Verlagskonferenz genannt. Das lockert allzu hierarchische Strukturen. Man kann in einem solchen Fall davon sprechen, dass es hier drei Verlage im Verlag gibt, davon war schon im Kap. 2.2.1 die Rede. Nicht selten führen Verlagsleitung Programmbereich 1 Programmbereich 2 Programmbereich 3 Allg. Verwaltung Cheflektor 1 Cheflektor 2 Cheflektor 3 Zentrale Dienste Herstellung Werbung Vertrieb Herstellung Werbung Vertrieb Herstellung Werbung Vertrieb Herstellung Werbung Vertrieb Abb. 2.4: Organigramm einer Struktur nach Produktbereichen <?page no="93"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 94 solche Strukturen zur Aufspaltung in selbständige Unternehmen, womit dann die Budgetverantwortung der Bereichsleiter eine vollständige ist, sie werden verantwortliche Geschäftsführer, die Gesamtverlagsleitung wird zur Holding. So sind heute viele mittelgroße Verlagsgruppen organisiert, die großen Konzerne ohnehin (und das dann oft mehrstufig). In diesem Modell sind die im Urmodell nur als Stabsmitarbeiter der Verlagsleitung zuarbeitenden Lektoren zu ergebnisverantwortlichen Produktmanagern geworden und zwar egal, ob es sich um Verlagsabteilungen oder verselbständigte (Teil)Unternehmen handelt. Es liegt auf der Hand, dass solche Strukturen in starrer Anwendung zu sehr komplizierten, zeitraubenden und ineffizienten Abläufen führen können. Daher hat sich in der Praxis bei mittelgroßen Betrieben vielfach das sogenannte »Mehrliniensystem« durchgesetzt, bei dem es gerade zu den im Stabliniensystem zu meidenden Mehrfachunterstellungen kommt: Immer steht am Anfang solcher Organisationsmodelle die Entscheidung, ob das Unternehmen nach Funktionsbereichen (Produktion, Vertrieb, Finanzen u.a.) gegliedert sein soll oder nach Produktgruppen (Bücher, Zeitschriften, Dienstleistungen) oder nach Märkten (Buchhandel, Direktvertrieb, Corporate Publishing). Selbst Weltkonzerne sind hier immer wieder am Umorganisieren, so hat etwa Mercedes-Benz in den letzten 15 Jahren schon zweimal von Produktauf Funktionsorganisation umgegliedert und zurück. Zahlreiche Mutationen und Mischmodelle solcher Ansätze sind in der Realität anzutreffen, das anspruchsvollste Konzept ist wohl das der Matrix-Organisation. Hier erfolgt die eigentliche Gliederung des Gesamtunternehmens nach Produktgruppen, in der Regel mit Budgetverantwortung des betreffen- Bereich 1 Bereich 2 Bereich 3 Abb. 2.5: Mehrliniensystem <?page no="94"?> 95 2.3 Organisation im Verlag den Leiters, die Funktionsabteilungen sind quasi innerbetriebliche Dienstleister für die Produktbereiche: Geschäftsleitung Programmbereich Buch 1 Programmbereich Buch 2 Programmbereich Zeitschr. Allg. Verwaltung Verlagsleiter 1 Verlagsleiter 2 Leiter Zeitschriftenverlag Zentrale Dienste Herstellung Herst.-Leiter Werbung Werbeleiter Vertrieb Vertriebsleiter Abb. 2.6: Matrixorganisation Dass es in all diesen komplexeren Organisationsformen eines sehr feinen Regelwerkes bedarf, wer was anzuordnen, wer wen zu informieren und wer in Konfliktsituationen zu entscheiden hat, liegt auf der Hand. Das gilt auch für eine heute besonders propagierte Organisationsform, die sich aus der Matrixorganisation am besten entwickeln lässt: die der (temporären) Projektteams. Kapazitätsanforderungen können ja durchaus in den Bereichen schwanken, ebenso der Bedarf nach Spezialisten. Dann können Projektteams am ehesten als flexible Antwort auf solche Situationen gesehen werden, insbesondere auch für neuartige, erst zu strukturierende Aufgabenstellungen. Sie führen zu einem effektiveren Projektmanagement ohne nachdauernde Kosten und können so zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil führen. Projektteams haben heute in der Organisationstheorie ebenso wie in der Praxis einen hohen Stellenwert, der wohl noch deutlich wachsen wird. <?page no="95"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 96 Man spricht in der Organisationslehre neuerdings auch von einer Modularisierung der Organisation. Stichworte dazu sind: Objekt/ Aufgabenorientierung, Spezialisierung, Dezentrale Entscheidungskompetenz sowie Kosten- und Ergebnisverantwortung, überschaubare Größe (A. Braßler/ Chr. Greue). Die Leitung solcher Projektteams wird häufig dem betreffenden Lektor übertragen. Für solche Fälle mag man dann ein Diagramm akzeptieren, das W. Schickerling kürzlich (in Schickerling/ Menche, 2004) veröffentlicht hat und das ansonsten vielleicht doch allzu lektoratszentriert erscheint mit einer Verlagsleitung, die durch die punktierte Linie nun ihrerseits zur Stabstelle mutiert zu sein scheint. Aber auf der Ebene eines bereits entschiedenen Projekts, also in der Phase, wo ein Projektteam zur Realisierung zusammengestellt wird, hat dieses Schema durchaus heuristischen Wert: Damit ist der Übergang zum nächsten Abschnitt »Lektorat« erreicht, da die Aufgabenstellungen der anderen entscheidenden operativen verlagstypischen Abteilungen im Prozess der Produkterstellung, nämlich Herstellung, Werbung/ Vertrieb, sowie die zeitschriftenspezifischen Fragen in den Kapiteln 3 bis- 5 behandelt werden. Somit verbleibt im Rahmen dieses Kapitels nur die Tätigkeit des Lektorats, also des Beginns der Informationskette, die sich von der Idee bis zum Leser erstreckt. Agenten Lizenzgeber Autoren Gutachter Übersetzer Illustratoren Redakteure Lektorat Verlagsleitung Vertrieb Presse Marketing Grafiker Korrektoren Herstellung Abb. 2.7: Das Lektorat als Koordinator zahlreicher Funktionsbereiche <?page no="96"?> 97 2.4- Lektorat und Redaktion Die Tätigkeit des Lektors ist einerseits eine sehr alte, die die ganze Druck- und Verlagsgeschichte der Neuzeit begleitet - erwähnt sei nur die Tätigkeit des Erasmus von Rotterdam für Aldus Manutius in Venedig und Froben in Basel am Anfang des 16. Jh. oder die von Johann Gottfried Seume für Göschen in Leipzig am Ende des 18. Jh. Beide waren bezeichnenderweise auch selbst sehr tätige Schriftsteller. Das ist so geblieben bis ins 20. Jh., wo ein bedeutender Autor wie etwa Oskar Loerke als Lektor bei S. Fischer in Berlin tätig war. Diese Lektoren waren Teil der literarischen oder wissenschaftlichen Welt und in ihr auch schreibend tätig. Das gibt es auch noch heute, ist aber nicht mehr der Normalfall: Lektorate als Verlagsabteilungen mit fest angestellten Fachkräften sind im Grunde eine Entwicklung - insbesondere der zweiten Hälfte - des 20.-Jahrhunderts. Das gilt sowohl für Konsolidierung eines eigenen Berufsbildes als auch für berufsspezifische Aus- und Fortbildungseinrichtungen wie z.B. in der Akademie des Deutschen Buchhandels in München oder dem Mediacampus Frankfurt a. M.-Seckbach. Lektoren werden mit den unterschiedlichsten Aufgaben und Eigenschaften assoziiert: Perlenfischer, Programmarchitekten, Vermittler zwischen Autor und Markt, Seelentröster, Antreiber, strenge Kritiker, inhaltsverliebte Schöngeister, kühle Akquisiteure von Erfolgstiteln u.s.w. u.s.w. Die Tätigkeitsfelder im Lektorat sind also recht vielfältig und differenziert, es gibt entsprechend unterschiedliche Lektoratspositionen. Lektoratstypen • das akquirierende Lektorat (procuring editor) • das sichtende, bewertende Lektorat • das ordnende, korrigierende Lektorat (copy editor) • das schreibende Lektorat (Beispiele: Schulbuch, Reiseführer, Lexikonredakteure, d.h. Angestellte als Autoren) Es liegt auf der Hand, dass für diese sehr unterschiedlichen Tätigkeiten entsprechend unterschiedliche Fähigkeiten und Begabungen erforderlich sind: Da ist auf der einen Seite der beharrliche, auf Details und Genauigkeit bedachte Schreibtischarbeiter - auch Erasmus und Seume arbeiteten stark als Korrekto- <?page no="97"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 98 ren! - und auf der anderen Seite der Programm-Macher, der Extrovertiertheit, Sozialkompetenz, Neugier, Reiselust, Risikobewusstsein und kaufmännisches Verantwortungsgefühl in sich vereinen muss. Der Lektor ist in diesem Fall Berater des Verlegers, seine Expertise entscheidend für Annahme oder Ablehnung von Projekten, und er wird oft zum verantwortlichen Projektmanager nach innen und zugleich Repräsentant des Verlags für seinen Bereich nach außen. Solch ein Eigenschaftsprofil beschreibt im Grunde das, was man früher einen Verleger nannte, und in nahezu allen kleineren und mittleren Verlagen ist der Verleger auch heute noch selbst der procuring bzw. acquisition editor. Im Französischen und Italienischen heißt ja der Verleger überhaupt Éditeur bzw. Editore, was auf diese ursprüngliche Verbindung der Tätigkeiten in einer Person hinweist. Solche Lektoren verkörpern wie gesagt ganze Verlagsprogramme. Wechseln sie den Verlag - was in Deutschland eher selten, in den USA recht häufig geschieht - zieht mit ihnen in aller Regel ein erheblicher Teil der von ihnen gewonnenen und betreuten Autoren. Dieser Lektor war ja ihr Gesprächspartner, kaum der in der Chefsuite residierende Großverleger. »Verlegen ist ein Menschengeschäft«, sagt eine alte Verlegerweisheit, also ist es auch da fixiert, wo die persönlichen Kontakte am stärksten sind. Auch die Wissenschaftsverlage haben sehr lange Zeit weitestgehend vom externen Rat von Herausgebern und wichtigen Autoren gelebt, die ihnen ihre Schüler und hoffnungsvollen Kollegen empfahlen und auf neue wissenschaftliche Entwicklungen hinwiesen. Mit der wachsenden Spezialisierung der Wissenschaftler funktioniert dies nur noch eingeschränkt: Die Verlage benötigen (und haben seit Jahrzehnten) auch in den Wissenschaften eigenständige Programmplaner, die natürlich selbst aus den betreffenden Fachgebieten stammen müssen. Ein Altphilologe kann schwerlich ein Chemieprogramm konzipieren, wohl aber kann er nach Einarbeitungszeit u.U. als desktop editor auch außerhalb seines Fachgebiets tätig sein. Die Riege der desktop editors speist sich nicht unwesentlich aus den Geisteswissenschaften. Wie viel in einem Lektorat am Schreibtisch zu leisten sein kann und welch hohe Anforderungen auch an einen desktop editor zu stellen sind, zeigt sich an einer Wunschliste von Studenten, die aus einer Untersuchung an der Universität Duisburg 2002/ 3 resultierte. Viele Anforderungen in dieser Liste werden heute durch digitale Ergänzungen zu bewerkstelligen sein, insbesondere die Anforderungen gemäß Ziffer 5. <?page no="98"?> 99 2.4 Lektorat und Redaktion Studentische Anforderungen an Einführungslehrbücher 1. Textaufbau • separates Inhaltsverzeichnis für einzelne Kapitel/ am Kapitelanfang • Nicht zu lange Absätze • Hervorhebungen wichtiger Begriffe durch Fettdruck, Kapitälchen o.ä. • Binnengliederung des Kapitels • sprechende Überschriften 2. Veranschaulichung • Einsatz von Bildern, Schemata, Graphiken • illustrative Beispiele/ Texte • erklärende Beispiele/ Anwendungsbeispiele • Positionierung der Beispiele/ Schemata im Kapitel (am Anfang, in der Mitte, am Ende) • Einbindung der Beispiele in die Argumentation 3. Sprachliche Gestaltung • einfacher Satzbau • nicht zu viele Fachwörter • explizite Definitionen von Fachwörtern 4. Textanspruch • kompakt und auf das Nötigste reduziert • Aktualität/ Forschungsüberblick • detaillierte Darstellung 5. Ergänzungen, Hilfsmittel, Besonderheiten • spezifische Literaturangaben pro Kapitel • kommentierte Literaturangaben • Beispielanalysen • Querverweise zu anderen Kapiteln • Zusammenfassungen am (Teil-)Kapitelende • Marginalien • Übungsaufgaben ohne Lösungen/ Arbeitstexte • Übungsaufgaben mit Lösungen • Register • Glossar © Nina Hagen. 2004 Natürlich wäre es fatal (und ebenso teuer wie konfliktbeladen), sollten all diese Eigenschaften erst nachträglich in ein Manuskript eingearbeitet werden. Die wesentlichen Punkte dieser Anforderungsliste müssen also im Vorfeld mit dem Autor abgestimmt sein und Teil des Verlagsvertrags werden. Das gilt in noch viel stärkerem Maß für digital angereicherte Produkte, z.B. QR-Codes. <?page no="99"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 100 Jeder Lektor - in welcher Tätigkeitsausprägung auch immer er oder sie tätig ist - ist stark vernetzt mit allen Verlagsabteilungen und vielen externen Zuarbeitern, insoweit ist noch einmal auf die Grafik auf S.-90 hinzuweisen. Eine Sonderform des Lektors ist der schreibende Lektor bzw. Redakteur, der quasi als angestellter Urheber in die Textproduktion und nicht nur die Textoptimierung eingebunden ist. Wie in vorstehender Übersicht gezeigt, sind dafür typische Beispiele die Schulbuch-, Lexikon- und ein Teil der Ratgeberverlage. Dort entsteht der Inhalt im Verlag selbst. Ähnliches geschieht zumindest zu Teilen bei den Fachzeitschriften (s. Kap. 5), wo die Redakteure zumindest bestimmte Rubriken selbst schreiben (siehe hierzu auch die urheberrechtlichen Anmerkungen in Kap. 7,-S. 384). 2.5- Outsourcing und Kooperationen 2.5.1 Funktionsausgliederung/ Outsourcing Schon mehrfach wurde vorstehend die Frage »make or buy« angesprochen, also die Entscheidung, bestimmte Funktionen, die für den Prozess der Produkterstellung oder die Vermarktung unentbehrlich sind, selbst im Unternehmen anzusiedeln oder von außen zu beziehen. Diese Frage schließt natürlich auch die laufende Überprüfung dahingehend ein, ob bisher extern erledigte Aufgaben in das Unternehmen hineinverlagert, oder umgekehrt, bisher intern erledigte Dinge nach außen gegeben werden sollten. Für diesen Bereich hat sich der englische Begriff Outsourcing eingebürgert, ein Komposit aus outside resource using. Die Übersicht zeigt übliche Ausgliederungsfelder im Verlagswesen, z.T. auch aus dem sensiblen Bereich der Produkterstellung. Diese Differenzierung ist aktuell sehr bedeutsam für Entscheidungen über die Entwicklung von elektronischen Verlagsprodukten und deren Vermarktung. Derzeit gibt es ein rasant wachsendes Angebot von Dienstleistern für alle Phasen des E-Business und es muss wiederum streng analysiert werden: was können/ sollen/ wollen wir selbst machen bzw. was müssen/ sollten wir Dienstleistern überlassen? Für mittlere und kleine Verlage dürfte die Notwendigkeit des Outsourcing im E-Bereich hoch sein, weil die erforderlichen qualifizierten Arbeitsplätze für kleine Umsatzvolumina wirtschaftlich nicht tragbar sind. <?page no="100"?> 101 2.5 Outsourcing und Kooperationen Ausgliederung von Verlagsfunktionen organisatorische Funktionen Abwicklung von Routinevorgängen • Lagerhaltung / Versand • Fakturierung • Abonnementsverwaltung • Debitorenbuchhaltung • Finanzbuchhaltung • Adressverwaltung • Werbemittelversand • Telefonmarketing kreative Funktionen • Grafik-Design • Herstellung • Konzepte / Producer • Rechteeinkauf (Scouts) • Rechteverkauf (Agenten) • Texter / PR-Agenturen Je mehr ein Unternehmen ausgliedert, desto mehr kann es sich auf seine spezifische Stärken konzentrieren: Produktentwicklung, Absatzstrategien, Marktbeobachtung. Der Terminus »virtuelles Unternehmen« ist plakativ, aber eher irreführend: Das Wichtigste macht das Unternehmen weiterhin selbst bzw. steuert es nach eigenen Vorstellungen im Rahmen eines stabilen Netzwerks von Zulieferern. Diese Stabilität der eingekauften Leistungen kann in vielen Fällen durch detaillierte und langfristige Verträge abgesichert werden. In der Diskussion des »make or buy« werden immer wieder folgende grundsätzliche Überlegungen aufgeworfen: <?page no="101"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 102 Argumente pro: Argumente contra: Ausgliederung von Funktionen • Professionalisierung durch fremdes know-how • Nutzung der Erfolge Dritter • Kostenvorteile • Auffangen von Spitzenbelastungen • Steigerung des Qualitätsniveaus • Einsatz neuester Techniken ohne hohe eigene Investitionen • erhöhte Flexibilität • Freisetzung von Personal für andere im Haus verbleibende Tätigkeitsfelder • Risikostreuung • Verlangsamung vieler Abläufe • Koordinationsu. Informationsprobleme • Verlust von firmenspezifischen Leistungsvorteilen • Gefährdung sensibler Daten • Identitätsverlust nach außen • Motivationsverlust nach innen In einer Untersuchung des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger VDZ (2004) zum Outsourcing ergeben sich aufschlussreiche Aussagen zu den Beweggründen (in Auswahl): kleine Verlage < 5,5 Mio mittl. Verlage 5,5-100 Mio Große Verlage >100 Mio positive Argumente in % % % Verbesserte Prozesseffizienz u. -kontrolle 31 57 63 Höhere Leistungs- und Servicequalität 39 38 63 Zugang zu Spezialisten know how 62 75 50 Niedrigere erforderliche Kapitalinvest. 43 38 13 Verbesserte Kostenkontrolle 57 52 50 Reduzierung von Risiken 34 48 25 Kostenreduktion/ Skaleneffekte 82 76 100 Schaffung von Wettbewerbsvorteile 29 24 63 Konzentration auf Kernkompetenzen 69 81 100 <?page no="102"?> 103 2.5 Outsourcing und Kooperationen negative Argumente Wissensverlust 44 57 75 Verstärkte Abhängigkeit 52 81 50 Arbeitsrechtliche Probleme 15 14 13 Mangelnde interne Erfahrung 26 19 13 Von den Funktionsbereichen wurden besonders häufig ausgegliedert: IT- Leistungen, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Personalverwaltung, Ausbildung/ Training, Buchhaltung sowie Recht und Steuern, Forderungsmanagement. Im Vertriebsbereich sind es lt. dieser Studie Call Center, Kundenservice, Auftragsabwicklung, Logistik/ Transport, Adressdatenmanagement, Außendienst, Vertriebsmarktforschung. Weiteres erhebliches Outsourcing findet statt bei Redaktionsleistungen und im Anzeigenverkauf. Es sind also durchaus auch sensible Bereiche, was Image und Wettbewerbsposition angeht, die in den Zeitschriftenverlagen in erheblichem Umfang ausgegliedert werden. Es ist daher beeindruckend, dass bei den abgefragten Erfahrungen die positiven in fast allen Kategorien über 75%, oft sogar über 90% der Antworten betragen! Es liegt im Wesen einer immer arbeitsteiliger und spezialisierter werdenden Welt, dass - insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen - für viele hochspezialisierte Aufgaben dies Problem besonders gravierend wird. Offenbar aber gibt es gerade in kleineren Unternehmen eher Widerstände gegen Outsourcing: Nur 48% Unternehmen mit einem Umsatz unter 5,5 Mio.-€ haben in der Studie des VDZ bereits Outsourcing praktiziert, gegenüber 62% bei den größeren Verlagen. Verlage mit über 100 Mio. Umsatz machen lt. dieser Untersuchung sogar zu 75% Gebrauch von Outsourcing. Ähnliches gilt auch für die zusätzlich erfragte »Bereitschaft zum Outsourcing«. Sowohl die Frage, ob eine Spezialaufgabe (etwa bestimmte IT-Leistungen) überhaupt in solchem Umfang anfällt, dass eine Stelle oder gar Abteilung gerechtfertigt wäre, und zum zweiten, ob eine kleinere Firma attraktiv genug ist, um Spitzenkräfte zu gewinnen und ob sie diese bezahlen könnte, muss zunächst geklärt werden. Dabei sollte ja (im Gegensatz zu obigen Umfrageergebnissen) die Erwartung eher dahin gehen, dass kleinere und mittlere Unternehmen einen größeren Outsourcing-Grad haben sollten als große: Outsourcing kann, weil Leistungen in relativ kleinen Einheiten bezogen werden können, sehr viel wirtschaftlicher sein, zudem bietet ein Spezialdienstleister höhere Leistungssicherheit als wenn der einzige Experte im Verlag krank wird oder kündigt. Des Weiteren ist der Spezialdienstleister ja eine lernende Ein- <?page no="103"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 104 heit, weil er viele Unternehmen, oft aus der gleichen Branche betreut. Mit Hilfe deren unterschiedlicher Anforderungen und Erfahrungen verbessert der externe Dienstleister seine Angebote, von denen jeder Mandant dann profitiert. Ein typisches Beispiel dafür sind branchenspezifische Programmanbieter. Aber auch bei Rechtsberatung, Personalentwicklung u.v.a.m. gibt es zwingende Gründe für kleinere Unternehmen, diese Dienste extern zu beziehen, erst größere Unternehmen können überhaupt erwägen, sie ins Haus zu nehmen. Besonders der Aspekt der Kapazitätsauslastung spricht oft für den externen Dienstleister: Große Auslieferungsspitzen z.B. bewältigt eine externe Verlagsauslieferung viel leichter angesichts der Mischung ihrer Kommittenten, dazu kommt ein viel höherer Mechanisierungsgrad, als ihn die Einzelauslieferung eines mittleren Verlags je erreichen könnte. Es gibt noch weitere Einwände gegen das Outsourcing, die häufig vorgebracht werden: • Termine werden nicht eingehalten • Qualität stimmt nicht • spezifische Vorgaben werden nicht umgesetzt • Budgets werden überschritten Da muss sich mancher selbstkritisch fragen, ob diese Probleme nicht zu guten Teilen auch bei interner Leistungserbringung auftreten und ob sie nicht oft viel einfacher gegenüber externen Dienstleistern angemahnt, mit Schadenersatzforderungen belegt und danach weitgehend verlässlich beseitigt werden können? Wer aber glaubt, dass nur, wenn er es selbst macht, Qualität, Termine, Projektvorgaben und Kosten garantiert seien, der soll es getrost tun, aber er sollte nicht versäumen, erstens hin und wieder zu schauen, ob auch wirklich alles so fabelhaft gelaufen ist, und zum zweiten, wie es denn mit den Kosten aussieht. Die Leser und Leserinnen sind aufgefordert, noch einmal die Abbildung auf S.-90 sorgfältig anzusehen: Jede der dort genannten Funktionen ist zu überprüfen auf »make or buy? «. Natürlich sind neben den Kosten- und Sicherheitsaspekten auch qualitative zu beachten, und es ist einleuchtend, dass im Wettbewerb entscheidende Funktionen, insbesondere natürlich die Programmarbeit, schwerlich ausgelagert werden können. Je neutraler aber eine Funktion ist, wie etwa Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, Werbemittelmassenversand u. Ä., desto <?page no="104"?> 105 2.5 Outsourcing und Kooperationen eher kann Outsourcing erwogen werden. Auch ist die Grundtendenz in der Wirtschaft heute gegenüber dem Outsourcing sehr positiv, beispielhaft dafür die dramatisch reduzierte Produktionstiefe der Automobilindustrie, die z.T. fast nur noch als Entwurfs- und Montageunternehmen gesehen werden können, während die Komponenten wie Kolben, Pumpen, Räder, Armaturenbretter, Getriebe, Hydraulik, Bremssysteme u.s.w. von Zulieferern kommen. Das hätte vor 40 Jahren niemand für möglich gehalten. Tendenziell gilt das auch für das Verlagswesen: Externe Lektoren, producer, Typografen, PR-Agenturen, Pressebüros, Vertriebsfirmen vermehren sich laufend, von den bereits weithin ausgegliederten Funktionen ganz zu schweigen, wie IT-Leistungen, Buchhaltung, Lager/ Logistik u.a. Auch Lizenzierung kann als eine Art Outsourcing verstanden werden: der Verlag hat keine Vertriebskraft für Taschenbücher oder im Ausland oder für digitale Derivate. Dann überträgt er per Lizenz diese Verwertungen an Dritte und nimmt durch die Lizenz an den Erträgen teil ohne jedes Investitionsrisiko. Ausgliederungen vereinfachen viele Abläufe, Zwischenstufen im Verlag entfallen, die Gemeinkosten werden entlastet. Gelungene Ausgliederung von Funktionen kann also folgende Ziele erreichen: • Steigerung der organisatorischen Flexibilität • bessere Ressourcennutzung • Senkung der Erbringungskosten • Steigerung der Qualität • permanente Teilhabe an technischen Fortschritten ohne eigene Investitionen So betrachtet ist das noch immer vielerorts mit Zurückhaltung, ja Skepsis gesehene Outsourcing als Möglichkeit zu sehen, dem eigenen Unternehmen Wettbewerbs- (und nicht nur reine Kosten-)Vorteile zu verschaffen. Die Verfügbarkeit schneller Internetverbindungen erleichtert heute die direkte Anbindung ausgegliederter Dienstleistungen sehr und ist damit ein weiterer positiver Anstoß für entsprechende Überlegungen. <?page no="105"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 106 2.5.2 Kooperationen Ein erheblicher Teil der Zielsetzungen des Outsourcing lässt sich auch durch Kooperationen erreichen, also derart, dass verschiedene Marktteilnehmer, z.T. durchaus auch solche, die im Wettbewerb untereinander stehen, bestimmte Arbeitsfelder zusammenlegen und gemeinsam durchführen. Kooperationen können auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Das kann sich auf den Außendienst beziehen, ebenso auf Messepräsenzen, Materialeinkauf, Vertrieb u.a.. Kooperationen sind möglich für einzelne Aktionen wie Betreuung von Kongressen und Buchausstellungen bis hin zu langfristigen Vereinbarungen etwa über einen gemeinsamen Außendienst. Die rechtliche Basis können dabei einfache gegenseitige Dienstleisterverträge sein, aber auch BGB-Gesellschaften (der typischen Rechtsform für Arbeitsgemeinschaften) bis hin zu verselbstständigten GmbHs. Für solche Formen der Kooperation wird oft der englische Terminus joint venture gebraucht. Anhand definierter Leistungskriterien erhält derjenige Partner, der die Leistung bei sich organisiert und finanziert, eine Kostenprovision und oft auch laufende Abschläge auf die operativen Kosten, damit auch deren Finanzierung von vornherein eine gemeinsame Angelegenheit ist. Die Steuerung des Projekts muss dann auf Treffen der beteiligten Verleger bzw deren zuständigen Abteilungsleitern erfolgen, im Falle der Gründung einer gemeinsamen Firma mit genossenschaftsähnlichen Zielsetzungen in der Gesellschafterversammlung. Kooperationen haben nach Meinung vieler Berater und Mittelstandsexperten noch ein großes Potential, zumal der Druck von der Kosten- und Marktseite so manchen tendenziell eigenbrötlerischen Mittelständler in diese Richtung drängen wird: Nicht zuletzt der von stagnierenden Märkten ausgehende Druck einer Konzentration auf la g Orga isatio d o trol i g 0 2 .2 op ra li T i l g d O g t c K p i l d d d M , l h di i We b de t i i f d l g d g d ü o i f hi d Eb t ttfi d D ch a d ßendi b i f M p ial k f V ieb K p ati i g h f k i B g K g d g i u gf i ige V i g b i g i ß i i t i B i d i i f h g g i ig Di l i g BGB G ll ft (d pi h ht f fü it ei t ) bi i lb ä d G H ü F d K tio i d ft l he T i t v t uc t A h d fi t L t rit i d i P d d L t b i i i t d fi i t i K t p i i f h f ä f i ti K d it h d Fi i g i i g mein ame Angelegenheit ist Die S euerung des Pr jekts muss dann f r ff n der betei igten Ver eger bz deren zuständigen Ab i ungs e t rn rfolgen m Fa l der Gründung einer gemeinsam n Firma mit genoss nschaftsähnlich n iel etzungen in der Gesellschaft r ersamm ung Koop ration n hab n nach Meinung vieler Berater und Mit els andse p r n noch in groß s P ntial zuma der Druck on der Kosten und Markts it so manchen ndenzi l genbröt erischen Mittel tändler in diese Richtung drängen w rd: Nicht z tzt Horizontale Kooperation Vertikale Kooperation Laterale Kooperation Verlag Verlag Verlag Verlag Handel Branchenfremder Kooperationspartner Ab 2 8 V hi K i B R 2006 Abb. 2.8: Verschiedene Kooperationstypen (aus B. Renner 2006) <?page no="106"?> 107 2.5 Outsourcing und Kooperationen die Kernkompetenzen steigert die Bedeutung von Netzwerken und Allianzen. Mit der Verselbstständigung kooperativer Aktivitäten in GmbHs, die eigene Geschäftsführer und eigenes Personal haben, wird die Grenze von Outsourcing und Kooperation fließend. Als konstitutiv für den Gedanken der Kooperation wird man dabei einen gewissen genossenschaftlichen Impetus ansehen dürfen: Mehrere Firmen betreiben gemeinsam eine Aktivität, die sie allein so nicht oder zumindest nicht so kostengünstig betreiben könnten. Ziel ist nicht Gewinnmaximierung auf der Ebene der kooperativen Aktivität, sondern maximaler Nutzen für die Mitgliedsfirmen. Zudem erlaubt die Form einer Kooperation eine gezieltere Auswahl der beteiligten Partner, wodurch Störfaktoren, z.B. durch allzu große Differenzen in Unternehmensphilosophie und -größe ausgeschlossen werden können. Solche Kooperationen unterliegen der Wettbewerbskontrolle (s.-Kap.-1.2.5), sind aber unter dem Aspekt der Mittelstandsförderung in aller Regel genehmigungsfähig. Abb. 2.9: Umschlaggestaltung und Vortitel der Verlagskooperation UTB Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB 2652 <?page no="107"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 108 Ein anschauliches Beispiel für eine solche Kooperation strukturähnlicher Verlage ist die UTB (Uni Taschenbücher GmbH), in der auch das vorliegende Buch erscheint. Die UTB wurde 1971 gestartet als gemeinsame Taschenbuchreihe von 12 wissenschaftlichen Verlagen und ist bis heute - nun für Hochschullehrbücher generell - erfolgreich tätig. Ein Regelwerk im Gesellschaftsvertrag sowie fallweise Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und Richtlinien der Geschäftsführung sorgen für eine straffe Koordinierung von Terminen und Abläufen, für eine Programmauswahl nach gemeinsam beschlossenen und in Programmkonferenzen abgestimmten Kriterien. Zentrale Aufgabe der UTB ist der gemeinsame Vertrieb, um so einen Vertriebsapparat zu schaffen, der schlagkräftig genug ist, um am Markt Gewicht zu haben. Das ist heute angesichts der Konzentrationstendenzen im Buchmarkt, gerade auch auf der Handelsseite nötiger denn je. Ein differenziertes Kostenumlagesystem nach verschiedenen Parametern (Kostentreibern) stellt ein Budget von rd. €-0,8 Mio p. a. zur Verfügung, aus dem die gemeinsame Werbung, der gemeinsame Außendienst und der gemeinsame Verkauf (Mischfaktur und gemischte Staffelrabatte für Titel aller Verlage) finanziert werden. Voll in der Verantwortung der einzelnen Verlage bleibt die Produktion (nach gewissen Richtlinien zur Gestaltung) und die Finanzierung der Titel. Jeder Verlag ist Eigentümer »seiner« UTB-Titel und erhält die darauf entfallenden Erlöse monatlich ausbezahlt. Selbstverständlich sind auch die einzelnen Verlage weiterhin Partner der Autoren und schließen auf eigenen Namen die Verlagsverträge ab. Bei aller Fluktuation von Mitgliedern aus den verschiedensten Gründen: auch 40 Jahre nach der Gründung ist dieses relativ umfassende Kooperationskonzept unverändert tragfähig, immer wieder angepasst und erweitert in der Arbeitsweise, den diversen Reihen und bestimmten Buchtypen. Es umfasst derzeit 15 Mitgliedsverlage, davon sind (z.T. mit Änderung der Firmierung) neun Gründungsmitglieder bis heute dabei. Lieferbar sind über 1.000 Titel, seit Gründung wurden rd. 3.000 Titel publiziert. <?page no="108"?> 109 2.6- Finanzen, Rechnungslegung, Controlling 2.6.1 Besonderheiten der Verlagsbilanz Die Bilanz stellt das Vermögen (Aktiva) den Schulden (Passiva) gegenüber. Ihr Zweck liegt in der Information der (Eigen-)Kapitalgeber, der Gläubiger (Banken, Lieferanten), der Steuerbehörden sowie - bei Kapitalgesellschaften - der Öffentlichkeit. Aus dieser Vielfalt der Adressaten ergibt sich mancher Interessengegensatz, zumal es viele unterschiedliche Bewertungsbzw. Bilanzierungsmethoden gibt, insbesondere hinsichtlich der Vermögenswerte. Bilanzen sind also gestaltbar, sie geben zwar zu Teilen exakte Werte (z. B. Kontenstände, Festkapital u.s.w.), in wesentlichen Positionen (Vorräte, Wertberichtigungen, Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungen u.a.) aber nur Einschätzungen. Die Bilanz soll auch einen Eindruck von der Liquidität und einer angemessenen Fristigkeit der Finanzierung im Blick auf die Fristigkeit der Aktivposten geben. Zugleich sind die hinter den Bilanzzahlen stehenden Bewertungsverfahren entscheidend für die Höhe des ausgewiesenen Periodenergebnisses, weil etwaige Erhöhungen und Verminderungen von Bilanzpositionen in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen. Diese ist also keineswegs nur von den unmittelbaren Bewegungszahlen der Periode, also Erlösen und Kosten, geprägt. All dies ist allgemeines kaufmännisches Grundwissen und kann im Rahmen dieses Buches nicht dargestellt werden. Der Zusammenhang von Bilanz und Erfolgsrechnung kann aber mit folgender Darstellung einprägsam gezeigt werden: . c g 7 Bilanz im weiteren Sinne (Vermögenslage) Handelsrechtlicher Jahresabschluss Zeitraumbezogene Gegenüberstellung der Aufwendungen bzw. Erträge eines Geschäftsjahrs nach Kuhnle, Bilanzen (2004) h Bilanz im engeren Sinne: Stichtagsbezogene Gegenüberstellung der Vermögensgegenstände und Schulden GuV (Ertragslage): Abb. 2.10: Bestandteile der Jahresrechnungslegung <?page no="109"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 110 Angesprochen werden nun nachstehend einige Besonderheiten der typischen Verlagsbilanz, ausgehend von einer extrem vereinfachten Modellbilanz. Der weiteren Vereinfachung halber sei dieser Verlag Mieter; er hat also keine Immobilien und auch keine technische Abteilung, die Auslieferung ist an einen Dienstleister vergeben, es gibt somit kein nennenswertes Anlagevermögen und dazugehörige Abschreibungen. Zahlreiche dieser Positionen sind ohne verlagsspezifische Aussagekraft, sie sind Bestandteil jeder Bilanz; die Bilanzrelationen insoweit hier nicht zu diskutieren. Mit Grauraster unterlegt sind diejenigen Positionen, in denen Spezifika des Verlagsgeschäfts verborgen sind. Diese sollen nun kurz betrachtet werden. Dabei fußt die Darstellung auf den klassischen HGB-Regelungen, die Aktiva € Passiva € A. Anlagevermögen A. Eigenkapital I Immaterielle Vermögens- 40.000,00 I Gezeichnetes Kapital 75.000,00 gegenstände II Gewinnvortrag 14.000,00 II Sachanlagen 15.000,00 III Jahresüberschuss 65.000,00 (Betriebsu. Gesch.Ausst.) 154.000,00 III Finanzanlagen 18.000,00 Beteiligungen B. Rückstellungen 73.000,00 1. Steuerrückstellung 45.000,00 2. Sonst. Rückstellungen 18.000,00 B. Umlaufvermögen 63.000,00 I 1. Vorräte C. Verbindlichkeiten unfertige Erzeugnisse 16.000,00 1. gegenüber Kreditinst. 149.000,00 2. Fertige Erzeugnisse 365.000,00 2. erhaltene Anzahlungen 16.000,00 3. Geleistete Anzahlungen 65.000,00 3. Verbindlichkeiten aus 446.000,00 Lieferungen u. Leistung. 238.000,00 4. Sonstige Verbindlichk. II Forderungen u. sonst. — gegenüber Gesellsch. 293.000,00 Vermögensgegenstände 1. Forderungen aus 280.000,00 — aus Steuern 25 000,00 Lieferungen u. Leistg. 732.000,00 2. Sonst. Vermögensgeg. 15.000,00 295.000,00 D. Rechnungsabgrenz. Posten 31.000,00 III Kassenbestand Guthaben bei Kreditinst. 135.000,00 949.000,00 949.000,00 Bilanz XYZ-Verlag zum 31.12.2012 Abb. 2.11: Struktur einer Bilanz <?page no="110"?> 111 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling für kleinere Unternehmen im Prinzip auch weiterhin sinnvoll und anwendbar bleiben. Auf die Problematik der Bewertung auf Aktiv- und Passivseite nach US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) oder IAS (International Accounting Standards)-Bilanzierungsregeln (»Standards«) kann hier nicht eingegangen werden - sie sind relevant nur für börsennotierte Großverlage. Immaterielle Vermögensgegenstände. Immaterielle Vermögensgegenstände sind mitnichten Fantasiegebilde, sondern handfeste ökonomische Werte. Hierunter sind z.B. erworbene Rechte, etwa aus Übernahmen von Verlagsprogrammen zu aktivieren, insoweit der Zugang nicht als Herstellungskosten erworbener Vorräte unter B.I zu aktivieren ist. Ebenso werden hier aufgeführt sogenannte Belieferungsrechte, die erworben werden als Abonnentenstamm einer übernommenen Zeitschrift oder eines anderen Fortsetzungswerks. Da alte Abonnenten im Zeitverlauf verloren gehen, die selbst eingeworbenen neuen Abonnenten aber nicht aktiviert werden dürfen (Aktivierungsverbot des HGB für selbst geschaffene Geschäftswerte) muss die Position Belieferungsrechte planmäßig abgeschrieben werden (üblich 5, max. 10 Jahre). Erworbene Geschäftswerte dürfen im Prinzip nicht abgeschrieben werden, das Interesse eines Erwerbers von Einzelobjekten oder (Teil-)Programmen geht daher immer dahin, den Kaufpreis so weit als möglich dem Warenlager, das sich durch Abverkauf oder Teilwertberichtigung mindert, oder den Belieferungsrechten zuzuordnen. Sonst schleppt der Erwerber dauerhaft Aktiva mit, die nicht ertragssteuermindernd und damit steuersparend schrittweise abnehmen. Vorräte. Die Vorräte sind in sehr vielen Verlagsbilanzen die größte Position, ihre Veränderung bestimmt wesentlich das Jahresergebnis. Die Spannweite der Vorratsquote an der Bilanzsumme ist allerdings nach Verlagstyp sehr schwankend: So weist etwa die Ravensburger AG im Abschluss 2006 7% Warenlager aus, während viele wissenschaftliche Verlage bis zu 40% erreichen. Natürlich wird diese Quote auch durch das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein sonstiger Positionen beeinflusst, so hat die Ravensburger AG ein Mehrfaches des Werts des Warenlagers als Grundstücke im Anlagevermögen. Bilanzrelationen zu interpretieren erfordert also genaues Hinschauen. Die Vorräte wachsen durch die im laufenden Jahr neu produzierten Bücher, insoweit diese nicht bereits in derselben Rechnungsperiode verkauft worden sind, und sie vermindern sich um diejenigen Bücher aus vorangegangenen Perioden, die vom Lager verkauft wurden. Vorräte sind noch nicht verkaufte Bücher. Wächst das Lager, sind also (wertmäßig) mehr Bücher ans Lager gegangen als aus ihm abgeflossen sind. Das ist für ein, allenfalls zwei Jahre ein akzeptabler Zustand, insoweit der Verlag tatsächlich expandiert. Über längere Zeit aber ist ein wachsendes <?page no="111"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 112 Lager höchstes Alarmsignal: Offenbar werden Bücher produziert, die sich zu langsam (oder vielleicht nie) verkaufen und zugleich die Liquidität belasten, denn nicht verkaufte Ware bindet Finanzmittel. Das kann ein beachtlicher realer Wert für die Zukunft sein, besonders bei backliststarken Verlagen wie z.B. Wissenschaftsverlagen. Der Wert der Vorratsbestände kann aber andererseits bei unkritischer Fortschreibung der Originalherstellkosten ein unversehens überhöhter, nach dem vom HGB geforderten Vorsichtsprinzip also unzulässiger Wertansatz sein. Zweierlei ist dabei von großer Bedeutung: Zum einen sollten die Vorräte wie gesagt aus Finanzierungsgründen eher niedrig gehalten werden (dem steht aber die Losgrößenproblematik der Herstellungskosten entgegen, s. Kap. 3). Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Vorräte zu Scheinwerten entarten, denn nicht verkäufliche Bücher sind nichts wert, egal wie viel ihre Produktion einst gekostet hat. Die ursprünglichen Herstellungskosten, eventuell erhöht um einige Prozent Fertigungsgemeinkostenzuschlag, die häufig von der Finanzverwaltung gefordert werden und also eine Aktivierung eigener Leistungen bedeuten, sind der höchstzulässige Wertansatz (Anschaffungswertprinzip nach § 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB). Die Bewertungsprinzipien lassen sich wie folgt zusammenfassen - die Darstellung weist auf die doppelte Auswirkung von Bewertungen auf die Bilanz einerseits und die GuV andererseits hin. 40 2. Planung Organisat on u d Controlli g ka an e b un i s er s u g i i n se s b , a h m GB f V si t p i ls l i W a t i Zwe erlei ist da ei e gesag au Finanzie ungsgr nden eher niedrig geh l en werd n (dem steht aber d e Losgrößenproblema ik der H rstellungskosten entgegen (s.Kap 3 Zum nd en bes eh di G ahr, dass d e r ä e zu hein er ten n r n, nn ni ht erkäu che ü he sin ni h s rt, eg ie i ihr odu ion ei st gek s t a . Die u sp ü g ichen He t llung kos en, m g er g ng g m h g, g i an g u o k ie g ig n L i t g n d d d h ch ige W h ff swe i § 252 Ab 1 Z f 4 GB). Die Bewer ung p inzi ien asse l ung weis auf die dopp lte Au wi ku g von Bewertungen u die Bi lanz einerse und die G+V anderersei s hin. (aus Kuhnle, Bilanzen 2004) ggf Bewertungsprinzipien Finanzlage (ANHANG) Ertragslage (GuV- R ECHNUNG) Vermögenslage (BILANZ) Stichtagsprinzip Vollständigkeitsprinzip Wirtschaftlichkeitsprinzip Prinzip der Willkürfreiheit Prinzip der Bilanzwahrheit Prinzip der Einzelbewertung Prinzip der Bilanzkontinuität Prinzip der Bewertungsstetigkeit Vorsichts- und Imparitätsprinzip Prinzip der Unternehmensfortführung Abb. 2.12: Bewertungsprinzipien <?page no="112"?> 113 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling Das unverzichtbare, handelsrechtlich auch gebotene Korrektiv sind daher ggf. die (Teil-)Wertberichtigungen. Bei der Ermittlung des tatsächlichen Werts seiner Vorräte muss der Verleger entsprechend der unzureichenden Gängigkeit (= Verkäuflichkeit) Abschläge auf die ursprünglichen Herstellungskosten machen: die Wertberichtigung. Diese kann zwischen 20 und 95% liegen, danach erfolgt die Vollabschreibung. Das heißt, diese Bücher sind dann zwar physisch noch im Lager vorhanden, in der Bilanz aber mit 0 € angesetzt. Insoweit doch noch Verkäufe erfolgen, geschieht dies aus einer »stillen Reserve«, der Erlös wird voll ertragswirksam, da ja keine Lagerentnahme mehr gegengerechnet werden kann. Letzterer Aspekt weist darauf hin, dass allzu übertriebene Teilwertberichtigungen insoweit nichts bringen, als in der Folgeperiode umso höhere Erträge anfallen. Grundprinzip der Vorratsbewertung muss daher ein konsistentes, stetiges Verhalten sein: Alle abrupten Veränderungen im Abschreibungsverhalten sind nur für eine Periode wirksam und bringen im Folgejahr eine Gegenbewegung in die Bilanz und die GuV. Für die Teilwertberichtigung gibt es verschiedene Verfahren, von denen die zwei wichtigsten kurz skizziert seien: zunächst die Bewertung jedes einzelnen Titels gemäß der Höhe der noch am Lager befindlichen Exemplare im Verhältnis zum jährlichen Abfluss. Ist die Zahl der Exemplare am Lager deutlich höher als der zu erwartende Abfluss in den zwei folgenden Jahren, ist in aller Regel eine Wertberichtigung angezeigt: Der tatsächliche Abverkauf der überschießenden Bestände ist zu unsicher, als dass diese zu Originalherstellungskosten bewertet bleiben dürfen. Manche Verlage bewerten bei der Einzeltitelbewertung einfach nur noch die Exemplare, die realistischerweise noch verkauft werden können, andere nutzen das Verfahren des prozentualen Abschlags. Beispiel Einzeltitelbewertung in Prozentabschlägen Ex. am Lager lt. Inventur Verkauf p.a. orig. HK/ Ex. Teilwert Abschlag Lagerwert Titel A 1.726 580 6,35 40% 6.576,- Titel B 364 20 8,13 95% 148,- Titel C usw. 942 850 3,60 0% 3.391,- Ein solche Bewertung kann mit einem entsprechenden Programm automatisch erstellt werden, das Parameter für die Abschläge entsprechend der Relation Restbestand : Verkauf im Geschäftsjahr enthält. Eine manuelle Korrektur <?page no="113"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 114 ist dabei allerdings stets angezeigt, da bei reiner Automatik bestimmte Sondersituationen unberücksichtigt bleiben würden. Eine andere Bewertungsmethode ist die nach Jahrgängen mit steigenden Wertberichtigungen: Beispiel Jahrgangsbewertung Titel aus dem lfg. Jahrgang 20 % Abschlag Titel aus dem Vorjahr 50 % Abschlag Titel aus dem Vorvorjahr 80 % Abschlag Titel aus dem davor liegenden Jahr 95 % Abschlag ältere Titel nur noch mit Pauschalansatz bewertet Das Pauschalwertverfahren erscheint eher geeignet für Verlage mit Büchern von kurzen Lebenszyklen, weniger für Verlage, die mehrperiodig verkäufliche Fachbücher herausbringen und für 2-3 Perioden in einem Zug produzieren. Neben der Einzeltitelbewertung ist auch der durchschnittliche Wertberichtigungsbedarf bzw. der für Themen-/ Produkt-Gruppen sehr aussagekräftig. Dafür ein Beispiel: Effektive Vorratsbewertung nach Produktgruppen Prod.Gr. Abschreibung Wert incl. 6% Fest GK per 31.12.06 in % in % Brutto Netto Differenz 2006 2005 Inventur 06 1 26.449,76 1.625,64 24.824,12 94 50 1.723,18 2 179.363,05 75.711,50 103.651,55 58 40 80.254,19 3 271.373,11 135.807,88 135.565,23 50 36 143.956,35 4 764.668,96 534.979,25 229.689,71 30 20 567.078,01 5 24.958,56 9.785,34 15.173,22 61 99 10.372,46 6 4.887,37 4.887,37 0,00 0 0 5.180,61 7 4.249,52 4.249,52 0,00 0 0 4.504,49 Ges. 1.276.517,61 767.046,50 509.471,11 40 29 813.069,29 Der Verlag hat seinen Gesamttitelbestand in sieben Produktgruppen aufgeteilt, deren Wertberichtigungsbedarf sehr unterschiedlich ist, er schwankt zwischen 94% und 0%. Bei den Warengruppen mit hohen Lagerwerten schwankt er (erfreulicherweise) nur zwischen 58% und 30%. Insgesamt hat der Verlag sein Lager um 40% wertberichtigen müssen: Er hat gut eine halbe Million Euro Herstellkosten abgeschrieben, d.h. vergeblich aufgewendet. Angesichts <?page no="114"?> 115 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling der schon mehrfach erwähnten Unsicherheit über die Absatzchancen neuer Titel ist dieser Wert aber eher auf der günstigen Seite zu sehen, so mancher Verlag hat eine Gesamtwertberichtigung von über 80% auf sein Lager. Der in obiger Tabelle hinzugerechnete Verlagsgemeinkostenzuschlag beruht auf Forderungen der Finanzbehörden: auf die technischen Herstellkosten ist ein Zuschlag für die verlagsinternen Herstellungsleistungen bis zur Fertigstellung des Buches hinzuzurechnen, er liegt oft bei 5%, in diesem Beispiel bei 6%. Diese Forderung der Finanzbehörden steht in einem Widerspruch zum generell existierenden Verbot der Aktivierung eigener Leistungen. Mehr als den Wareneinsatz für 2 Jahre wird man wie gesagt selten aktivieren dürfen. Bei Verlagen mit großen Titelzahlen und langen Lagerzeiten wird man zudem die Bewertung nach 6, 8 oder spätestens 10 Jahren abbrechen und für das gesamte Altlager einen Pauschalansatz machen, der je nach dem Umsatzwert der Verkäufe aus dem Altlager anzusetzen ist. Es sei darauf hingewiesen, dass solche Abschreibungssätze durchaus nicht zwingend bedeuten, dass ein Titel Verlust gebracht hat: Wenn ein Titel 30.000 Auflage hatte, von denen 28.600 verkauft werden konnten, ist die Abschreibung von 80% auf die wie Blei liegenden 1.400 noch im Lager befindlichen Exemplare kein existenzielles Problem. Ärgerlich schon, aber kaum zu vermeiden, denn wer will (auch bei Aufteilung auf mehrere Drucklose) schon auf weniger als 5% genau die Verkäuflichkeit prognostizieren? Einen Gewinn für diesen Titel sollte es bei einer solchen Situation jedenfalls dennoch geben. Da der Lagerwert wie erwähnt sehr entscheidend für das Jahresergebnis ist, entsteht ein Zielkonflikt: Gegenüber Banken und Gesellschaftern wäre ein relativ hoher (optimistischer) Ansatz der Teilwerte angenehm, steuerliche Aspekte und kaufmännische Sorgfaltspflichten sprechen aber für möglichst hohe Abschläge (die die Finanzverwaltung dann gerne wieder in Frage stellt). Gerade kleinere Personengesellschaften, d.h. der typische Verleger, neigen zu einer Lagerbewertung unter steuerlichen Gesichtspunkten oder nach Bankerwartungen. Beides ist nicht anzuraten: die nüchterne, realistische Einschätzung des Verkaufspotenzials eines Titels sollte Basis des Lagerwerts sein. Exkurs Wareneinsatz: In der Gewinn- und Verlustrechnung wird der Rohertrag ermittelt, indem von den Erlösen der Wareneinsatz (technische Herstellkosten und Honorare) abgezogen wird (s. Verlagsplanungsschema auf S.-120). Der Wareneinsatz einer Rechnungsperiode ist die Differenz der angefallenen Herstellkosten minus Lagerzuwachs bzw. plus Lagerminderung. Denn: ist der Lagerwert gestiegen, sind die betreffenden Herstellkosten nicht der laufenden Rechnungsperiode zuzurechnen, sondern für künftige Verkäufe »ans Lager <?page no="115"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 116 genommen« und umgekehrt. Lagerzuwächse »verbessern« also den Periodenertrag, Lagerminderungen reduzieren ihn. Eine gesunde GuV weist Erträge auch bei sinkenden Lagerwerten aus; höchste Vorsicht ist geboten, wenn zahlenmäßig Lagerzuwachs und Gewinn in etwa gleich groß sind oder gar der Lagerzuwachs höher als der Gewinn. Das kann für eine Rechnungsperiode berechtigte Ursachen haben - auf die Dauer ist es der sichere Weg in den Abgrund. Für die Beurteilung einer Verlagsbilanz heißt die Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit der Bewertung? Ist die Gesamtabschreibungsquote auf das Lager gesunken oder gestiegen? Ist sie gar trotz sinkender Umsätze gesunken? Sinkende Umsätze müssen ja eigentlich zu erhöhter Lagerabschreibung führen. Wer hier nicht genau hinschaut, führt sich selbst und seine Geldgeber hinters Licht. Bewertungsrisiken gibt es nicht nur bei den Fertigwaren: Weitere Bewertungsrisiken liegen in den unfertigen Erzeugnissen und zwar insbesondere bei zunächst nicht in die Herstellkosten der 1. Auflage voll verrechneten Druckvorstufekosten (s. Kap. 3). Es sei die Kalkulationsauflage eines Werkes 15.000 Exemplare, gedruckt werden aber zunächst nur 7.500. Das heißt, es müssen 50% der Druckvorstufenkosten außerhalb des Warenlagers aktiviert bleiben, soll dieser Aufwandsanteil nicht sofort ertragsmindernd unter den Tisch fallen. Seien die Druckvorstufekosten 25.000 €, dann werden 12.500 €-als noch nicht verrechnete Herstellkosten »geparkt«. Es entsteht das sogenannte virtuelle Lager. Wenn es später nicht zum zweiten Druck kommt oder dieser nur 4.000 Exemplare statt 7.500 beträgt, entsteht ein Ausbuchungsbedarf von 12.500 bzw. 6.666 €. Das wird oft (Bilanzkosmetik in schlechten Zeiten) hinausgezögert: eine große Gefahr, wenn sich das kumuliert. Analoges gilt für die Vorauszahlungen an Autoren, Agenten und Lizenzverlage. Auch bei diesen Positionen ist jährlich zu prüfen: Sind diese Positionen noch werthaltig? In der Regel besteht für nicht durch Verkäufe amortisierte Vorauszahlungen keine Rückzahlungsverpflichtung oder Verrechnungsmöglichkeit, also entsteht ein Wertberichtigungsbedarf. Beispiel: Die Lizenzvorauszahlung für den vermeintlichen Mega-Seller »Die Überirdischen kommen« betrug 500.000 $, der Verlag rechnete mit 250.000 verkauften Exemplaren. Verkauft wurden nur 65.000 Exemplare, daneben fielen Garantiezahlungen von insgesamt 95.000 $ (für Taschenbuch- und Buchclubrechte) an. Nicht erwirtschaftet wurden also 500.000 - 130.000 - 95.000 = 275.000 $. Es müssten also rückblickend $ 6,20/ Ex. einkalkuliert werden - ein Unding. Die Stückkostenkalkulation muss bleiben wie geplant, aber 275.000 $ (2 $ × 185.000 nicht verkaufte Exemplare, vermindert um die er- <?page no="116"?> 117 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling haltenen Garantiezahlungen) sind ertragswirksam auszubuchen - eine bittere Pille, aber Prestigesucht und Risikofreude kosten nun mal Geld. Hier ziemlich viel, das kann einen Verlag ruinieren, zumindest einen Geschäftsführerposten kosten. Ein Unterlassen oder Hinausschieben dieser Wertberichtigung ist sehr fragwürdig und u.U. sogar strafrechtlich zu würdigen. Gemäß dem Imparitätsprinzip sind dabei alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, auch insoweit sie erst in der Zukunft anfallen bzw. realisiert werden, zu berücksichtigen. Obige Wertberichtigung ist also nicht erst durchzuführen, wenn nach den 65.000 Exemplaren gar nichts mehr läuft, sondern bereits dann, wenn erkennbar wird, dass das ursprüngliche Absatzziel keinesfalls mehr zu erreichen ist. Das folgt aus der Pflicht kaufmännischer Sorgfalt, zu der eine zutreffende Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens gehört. Betrachten wir nun noch die drei markierten Positionen auf der Passivseite der Musterbilanz. Sonstige Rückstellungen. Rückstellungen werden gebildet für Aufwendungen, Verluste oder Verbindlichkeiten, deren Entstehung und Höhe zwar ungewiss ist, die aber wirtschaftlich in die Abschlussperiode (bzw. frühere Perioden) gehören. Das können Rückstellungen für Provisionen, Prozesskosten u.s.w. sein. Verlagsspezifisch ist die Rückstellung für Remittenden. Im Gesamtbuchhandel gibt es den singulären Handelsbrauch, dass der Händler in bestimmtem Umfang (je nach Geschäftsbedingungen) unverkaufte Ware zur Gutschrift zurückgeben kann. Die Begrenzung des Rücksendevolumens in Geschäftsbedingungen scheitert in der Praxis sehr häufig daran, dass der Sortimenter dem Vertreter erklärt, er bestelle überhaupt nichts, solange nicht die unverkauften Bücher der letzten Saison zurückgenommen würden. Zudem glauben die Barsortimente ohnehin ein uneingeschränktes Rücksenderecht zu besitzen, so dass tatsächlich - je nach Verlagstypus - zwischen 5% und 20% Rücksendungen vorkommen (in den USA sind es bei Paperbacks sogar rd. 50%). Die Verkäufe eines Jahres muss der Verlag also (Vorsichtsprinzip! ) insoweit durch eine Rückstellung ertragmindernd vorweg korrigieren. Das sind oft hohe Beträge, zumal in Bestsellerjahren. In diesen sind sie sogar besonders notwendig, da schon mancher schöne Verkauf im Weihnachtsgeschäft im ersten Quartal des Folgejahres als Remittenden wieder im Verlagslager war. Basis der Rückstellung ist i.d.R. eine Erhebung, wie hoch die effektive Rücksendungs-/ Gutschriftsquote im Vorjahr war. Während diese Quote bei Fachverlagen relativ stabil ist, kann sie im Bestsellergeschäft sehr stark schwanken, dann muss die Rückstellung anhand der tatsächlichen Rücksendungen im ersten Quartal des Folgejahrs <?page no="117"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 118 gebildet werden. Hier wird deutlich der Unterschied zwischen dem, was die Vertriebsleute als »Hineinverkauf«, d.h. in den Handel, und als »Abverkauf«, d.h. vom Handel an den Endkunden, bezeichnen. Die Differenz hängt als Remittendenlawine am Hang - physisch wird sie z.T. durch die »unkörperliche Remission« vermieden, buchhalterisch geht sie aber voll ins Ergebnis ein. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Insoweit es um echte Lieferanten geht, hat diese Position nichts Besonderes gegenüber allen anderen Wirtschaftszweigen. Eine Besonderheit erhält sie aber durch die »Lieferanten« Autoren. Die Autorenhonorare für ein Kalenderjahr werden i.d.R. im ersten Quartal des Folgejahres abgerechnet durch sogenannte selbst erstellte Rechnungen: der Empfänger einer Leistung erstellt die Rechnung, die der Leistungserbringer eigentlich ihm schicken müsste. Der Autor kann das aber nicht, denn ihm fehlen die Daten; dies kann nur vom Leistungsempfänger Verlag gemacht werden. Der Gesamthonorarbetrag beläuft sich in den meisten Buchverlagen zwischen 10 und 15% vom Umsatz. Dieser hohe Betrag muss also noch vor Erstellung der Bilanz als Rückstellung eingebucht werden für das Vorjahr - nur so wird der tatsächliche Waren- und Leistungseinsatz der Periode ermittelt und damit der zutreffende Rohertrag. Bei sehr stabilen Strukturen und Umsatzwerten ist das Ergebnis ähnlich, wenn man die laufenden Zahlungen zugrunde legt. Bei stark schwankendem Geschäft wie in der Belletristik und negativer oder positiver Umsatzveränderung kann der Unterschied aber beträchtlich sein. Die Rückstellung sollte also auf jeden Fall gebildet werden. Rechnungsabgrenzungsposten. Auch diese Position ist Routine, hat aber bei Zeitschriftenverlagen eine besondere Komponente dadurch, dass hier etwaige Lieferrückstände eines Zeitschriftenjahrgangs zu passivieren sind, denn der Umsatz wurde mit der Jahresrechnung bereits getätigt, aber die Kosten sind noch nicht angefallen. Um eine periodengerechte Gewinnermittlung zu erzielen, erscheint es m.E. angebracht, den quotalen Umsatz zu passivieren, nicht nur die noch anfallenden Kosten. <?page no="118"?> 119 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling Ermittlung der Rechnungsabgrenzung Zeitschriften Jahresvolumen nicht geliefert fakturierter Umsatz passive Abgr. Zeitschrift A 12 Hefte p.a. 1 126.430,- 10 536,- Zeitschrift B 6 Hefte p.a. 2 43.680,- 14 560,- Solche Lieferrückstände sind besonders typisch für wissenschaftliche, rein autorenabhängige Zeitschriften, aber die Ausnahme bei den sonstigen Zeitschriften. Das gleiche Problem ergibt sich bei mehrbändigen Werken, die schon voll vorausbezahlt (Subskriptionspreis), aber bislang nur z.T. geliefert wurden. 2.6.2 Kosten- und Ertragsplanung »Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen. Wer immer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.« Philip Rosenthal Die Rechnungslegung in Bilanz und GuV ist die Betrachtung der Vergangenheit mit leichten Erwartungskorrekturen, wie im vorstehenden Abschnitt beschrieben. Wichtiger als die Vergangenheit sind aber das laufende Geschäft und die Zukunftsperspektiven, denn die Vergangenheit kann man nicht mehr beeinflussen und ändern, sondern nur Gegenwart und Zukunft. Die laufende Beobachtung der Gegenwart wird im Abschnitt 2.6.5 »Controlling« skizziert, in diesem Abschnitt geht es um die Planung der Zukunft. Keine Zukunftsplanung kann Sicherheit verschaffen, so sorgfältig sie auch erstellt sein mag. Immer sollte man sich den warnenden Satz von Friedrich Dürrenmatt vor Augen halten: »Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.« Das darf man nicht als Plädoyer gegen Planung verstehen, sondern als eines gegen blinde und unflexible Plangläubigkeit. Auch (bzw. gerade! ) der penibelste Plan kann falsch sein - darauf muss sich jeder Entscheider im Hinterkopf einstellen, um dann rasch reagieren zu können. Nachstehend ein einfaches Modell für eine Unternehmensplanung, die strukturell genauso aufgebaut ist wie eine Gewinn- und Verlustrechnung: <?page no="119"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 120 Mehrjahresplanung Abc-Verlag Ist 2010 % Plan 2011 % 2012 % 2013 % in Ts. Euro Bucherlöse 2.407 58,0 2.780 61,8 2.700 61,4 2.900 61,8 Zeitschr. Vertriebserlöse 1.038 25,0 1.021 22,7 1.000 22,7 1.100 23,5 Zeitschr. Anzeigenerlöse 563 13,6 580 12,9 570 13,0 570 12,1 Lizenzerlöse 149 3,6 130 3,0 160 3,6 140 3,0 sonstige Erlöse 65 1,6 50 1,1 50 1,1 50 1,1 Summe Erlöse 4.222 101,8 4.561 101,5 4.480 101,8 4.760 101,5 ./ . Autoren Anteil 75 1,8 65 1,5 80 1,8 70 1,5 ./ . Lizenzen Netto-Erlös 4.147 100% 4.494 100,0 4.400 100,0 4.690 100,0 Techn. HK (nach Skonti) 1.315 31,7 1.403 31,2 1.400 31,8 1.500 32,0 ./ . Bestandsveränderungen + 114 2,7 - 100 2,2 0 0 - ./ . Honorare 614 14,8 669 14,9 650 14,8 690 14,7 Wareneinsatz 2.043 49,3 1.972 43,9 2.050 46,6 2.190 46,7 Rohertrag (DB I) 2.104 50,7 2.524 56,1 2.350 53,4 2.500 53,3 Personal 867 20,9 931 20,7 910 20,7 940 20,0 Raumkosten 66 1,6 66 1,5 66 1,5 70 1,5 IT Kosten 37 0,9 40 0,9 40 0,9 50 1,1 Auslieferung 315 7,6 342 7,6 330 7,5 350 7,5 Werbung/ Messen 257 6,2 292 6,5 270 6,1 320 6,8 Provisionen 141 3,4 168 3,7 150 3,4 175 3,7 Kommunikation 37 0,9 40 0,9 40 0,9 45 1,0 sonst. Kosten x 261 6,3 274 6,1 265 6,0 280 6,0 Summe Kosten 1.981 47,8 2.153 47,9 2.071 47,1 2.230 47,5 Warenergebnis (DB II) 62 1,5 371 8,2 279 6,3 270 5,8 Beteiligungserträge 98 2,4 75 1,7 75 1,7 90 1,9 Betriebsergebnis 160 3,9 446 9,9 354 8,0 350 7,7 Zinserträge 16 0,4 16 0,4 12 0,3 12 0,2 Zinsaufwand° 123 3,0 130 2,9 135 3,1 140 3,0 Geschäftsergebnis (vor Steuern) 53 0,5 332 7,4 231 5,2 232 4,9 x Der Vereinfachung halber werden in diesem Beispiel alle weiteren Kosten in dieser Position zusammengefasst wie etwa Abschreibungen, Kfz, Versicherung, Beiträge u.s.w.) ° einschließlich Zinsen auf Gesellschafterdarlehen Bestandserhöhungen mindern den Wareneinsatz, werden daher mit Minuszeichen angegeben, + bedeutet also Bestandsminderung. Für die weiter in der Zukunft liegenden Jahre 08 und 09 wird keine Prognose zu etwaigen Lagerveränderungen in die Planung eingegeben. Zu dieser Mehrjahresplanung ein ganz kurzer Kommentar: Das Jahr 2010 war ausgesprochen schlecht, der Verlag hat knapp einen Verlust vermieden. Der Rohertrag ist mit 50,7% der Erlöse unzureichend, entsprechend mager <?page no="120"?> 121 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling fällt das Warenergebnis mit 1,5% vom Nettoerlös aus. Ohne Beteiligungserträge wäre der Verlag 2010 in die roten Zahlen geraten: Das ausgewiesene Geschäftsergebnis ist geringer als die Beteiligungserträge - ein sehr unbefriedigender Zustand. Für 2011 wird ein deutlich besseres Ergebnis geplant, das primär auf der umgekehrten Lagerveränderung beruht: 2010 sinkendes Lager, 2011 Lagerzuwachs; diese Differenz allein bedingt gegenüber dem Vorjahr eine positive Ertragsdifferenz von 214.000 €, die allerdings zu zwei Dritteln durch den Anstieg der technischen Herstellkosten und der Honorare wieder aufgezehrt wird: im Saldo sinkt der Wareneinsatz nur um 71.000 €. Aufgrund der erwarteten sehr viel besseren Umsätze (+ 365) tritt dennoch insgesamt eine beträchtliche Verbesserung des Rohertrags ein, nämlich um 420.000 €. Der Beitrag von Umsatzwachstum schlägt in aller Regel mit etwa der Hälfte auf den Rohertrag durch, hier also mit ca. 200.000 €. Bei einer geplanten Kostensteigerung von insgesamt 172.000 € ergibt sich eine Verbesserung des Warenergebnisses um 309.000 €, also akzeptable 8,2%, und ein Geschäftsergebnis von 7,4% vom Umsatz vor Steuern. Die Planung für 2012 ist verhalten, der Umsatzanstieg Buch in 2011 beruhte auf einer besonderes starken Neuerscheinung, die für 2012 nicht in Sicht ist. Obwohl für 2013 wieder mit einem deutlicheren Umsatzanstieg gerechnet wird (+ 6,6%), stagniert das erwartete Geschäftsergebnis, weil in diversen Positionen mit steigenden Kosten gerechnet wird. Die Umsatzsteigerung für 2013 um fast 300.000 € und die entsprechende Verbesserung des Rohertrages führen folglich zu keiner Verbesserung des Ergebnisses. Die Planung zeigt damit auf, dass weiterhin - trotz steigender Umsätze - straffe Kostendisziplin walten muss. Zudem sollten Bemühungen einsetzen, den technischen Wareneinsatz zu reduzieren: Betrüge er nur 31,5% statt der geplanten 32,0%, würden allein hierdurch Rohertrag und Geschäftsergebnis (ceteris paribus) um 33.000-€ verbessert auf 265.000- € (5,7% vom Umsatz). Es sei dabei daran erinnert, dass man den Wareneinsatz als relative Zahl in Prozenten auch durch mutigere Ladenpreiskalkulation senken kann, nicht etwa nur durch das Drücken des Preises bei den Lieferanten. Das Beispiel zeigt insgesamt, dass Planung nicht immer ein »besser und besser« bedeutet, sondern dass Planung realistische Zukunftseinschätzung heißt und z.B. hier im Jahr 2011 ein starker Bestseller eingeplant ist, der sich im Folgejahr nicht wiederholen lässt. Andererseits wurde im Jahr 2011 in Personal investiert, wobei der Effekt dieser Investition sich erst 2013 im Zeitschriftenbereich niederschlagen soll. Es sei abschließend betont, wie wichtig es ist, die Spalte der Prozent-Relationen vom Umsatz zu beachten: Hier zeigen sich <?page no="121"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 122 gerade bei erheblichen Umsatzschwankungen die tatsächlichen Leistungen bei Kostenkontrolle und -steuerung bzw. die zu erwartenden Gefahren für die Ertragslage. Eine beliebte, aber verrufene Planungstechnik die des hockey-stick. Diese hockeyschlägerähnliche Kurve zeigt nichts anderes, als dass die Gewinne schon in den letzten Jahren rückläufig waren und das Tal noch vor einem liegt. Die ferne Zukunft aber wird wunderbar sein. Wenn solche Prognosen Jahr für Jahr nach rechts auf der Abszisse wandern, gibt es wohl grundsätzliche Probleme! Wie auch immer: besser überhaupt eine Planung (die man ja abklopfen und hinterfragen kann) als gar keine oder eine naive Fortschreibung des Vorjahres (alle Positionen + 3,5%). In einem Verlag mit verschiedenen Programmbereichen, etwa Sachbuch, Fachbuch, Zeitschriften oder Belletristik und Jugendbuch wird die Planung sinnvollerweise für diese Bereiche separat bis zum DB II geführt, da die unterschiedlichen Entwicklungen der einzelnen Bereiche ja sonst nicht sichtbar würden, also auch nicht, dass es sich dabei um verschiedene profit center handelt. Erst hinter dem DB II werden dann die sogenannten allgemeinen Kosten zusammengestellt und durchgerechnet bis zum Gesamtergebnis des Gesamtverlags. Neben der Jahresplanung ist auch eine auf Monate bezogene Liquiditätsplanung ratsam: der Saldo von Zahlungseingängen und Zahlungsausgängen belastet bzw. verbessert die eigenen Liquiditätsvorsätze oder er führt (bei knap- Jahr Gewinn 09 1 4 10 11 12 13 15 Abb. 2.13: Häufiger Verlauf einer Gewinnprognosekurve <?page no="122"?> 123 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling per eigener Liquidität) zur schwankenden Inanspruchnahme von Kreditlinien im Kontokorrent. Das ist teuer - zudem sind Banken heute wenig geneigt, Kreditlinien bedarfsweise kurzfristig zu erhöhen. In den Finanzplan sind also die in den nächsten Perioden (Monaten oder Wochen) erwarteten Zahlungsein- und -ausgänge zu erfassen. Optimistisch geschönte Zahlen wären hier besonders fatal - Liquiditätsengpässe können selbst an sich erfolgreiche Firmen gefährden. Das gilt z. B. in Expansionsphasen, bei denen im Buchverlag immer auf Vorrat produziert werden muss (=Mittelbindung), während die Erlöse (= Mittelrückfluss) erst schrittweise in folgenden Perioden anfallen und auch die aus Verkäufen entstandenen Forderungen erst über weitere Wochen und Monate zu Zahlungseingängen werden! Ein einfaches Schema für einen solchen Liquiditätsplan (nach Drukarczyk, Finanzierung 9.A. 2003) sei hier gezeigt: Grundstruktur eines Finanzplans Planungsintervalle Einbzw. Auszahlungen 1 2 3 4 … 1 Anfangsbestand an Zahlungsmitteln (Überschuss/ Fehlbetrag) Einzahlungen aus ... ... ... 2 Summe Einzahlungen Auszahlungen für ... ... ... 3 Summe Auszahlungen Endbestand an Zahlungsmitteln 1+2-3 4 (Überschuss/ Fehlbetrag) 5 Nicht genutzte Kredite (Kontokorrentkredite, sonstige Kreditlinien) <?page no="123"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 124 2.6.3 Plan-Ist-Vergleich und Vorjahresvergleich In kleinen Unternehmen wird in der Regel zunächst ein Vergleich zu den Werten der entsprechenden Vorjahresperioden gezogen: also wie war Mai 12 gegenüber Mai 11 bzw. wie waren die Monate 1-5/ 12 im Vergleich zu 1-5/ 11. Diese Frage kann für alle Positionszeilen der GuV (s. S.-120) gestellt werden und verschafft gewisse Einsichten, ggf. auch Beruhigung, wenn es deutlich besser geht oder zumindest nicht schlechter als im Vorjahr. Eine viel größere Bedeutung hat aber unstreitig der Soll(-Plan)-Ist-Vergleich: Sind nämlich z.B. Umsatzsteigerungen von 8% geplant, aber bisher nur 3% realisiert, muss Ursachenanalyse betrieben werden - ist es nur eine zeitliche Verschiebung (wichtige Neuerscheinungen verzögert), oder gibt es tiefere Ursachen? Jede Planabweichung im Erlös- oder Kostenbereich hat sofort Auswirkungen auf den Finanz-/ Liquiditätsplan, der entsprechend zu revidieren ist. Spätestens zur Jahresmitte, oft noch einmal im Oktober, wird eine »Hochrechnung« gemacht, die alle bereits stattgefundenen bzw. nun nach neuerer Erkenntnis zu erwartenden Planabweichungen berücksichtigt. Immerhin sind seit Planaufstellung am Ende des Vorjahres dann schon 8 bis 12 Monate vergangen. Die Hochrechnung ist also ein Herantasten an das nun realistische Ergebnis des Jahres und zugleich realistischere Plangrundlage für die Folgejahre, die im Licht dieser tatsächlichen Entwicklung ggf. umzuplanen sind. Als Beispiel einer solchen Plan-Ist-Analyse sei eine Musterrechnung aus der Publikation »Controlling im Fachzeitschriftenverlag« (2000) gegeben, weil das Zeitschriftengeschäft eine viel höhere Planbarkeit hat (s. Tabelle S.-125 sowie S.-246 ff.) Je nach Programmstruktur muss ein Schema für einen aussagekräftigen Soll/ Ist-Vergleich erarbeitet werden, der sich - das ist sehr wichtig - nicht nur auf die Zahlen aus der Finanzbuchhaltung stützt. Gerade die Zahlen zum Mengengerüst (Zahl der Abonnenten, Anzeigenseiten, Einzelverkäufe) erbringen wesentliche Erkenntnisse: Der Soll-Ist-Vergleich soll also sowohl buchhalterische wie auch statistische Zahlen erfassen. <?page no="124"?> 125 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling Plan/ Ist-Vergleich für eine Zeitschrift Mengen in Stück Werte in € Plan 1. Qu. Ist 1. Qu. Abweichung in % bei Planpreis Abozugänge 500 300 -200 - 40,0 Abokündigungen 150 130 -20 -13,3 Abostand 4.500 4.320 -180 - 4,0 Anzahl Hefte/ 160 Seiten 3 3 0 0,0 Anzeigenseiten 200 180 -20 -10,0 Redakt. Seiten 280 300 20 7,1 Summe Seiten 480 480 0 0,0 Verk. Ex. Abo-Vertrieb 13.100 12.500 -600 - 4,6 Verk. Ex. Einzelverkauf 5.000 4.000 -1.000 -20,0 Aboerlöse 163.750 150.000 -13.750 -8,4 Erlöse Einzelverkauf 62.500 50.000 -12.500 -20,0 Anzeigenerlöse 800.000 684.000 -116.000 -14,5 4000,00 je Seite 1.026.250 884.000 -142.250 -13,9 Herstellung fix 192.000 190.000 -2.000 -1,0 400,00 je Seite variabel 27.150 23.100 -4.050 -14,9 1,50 je Heft Honorare 22.400 30.000 7.600 33,9 80,00 je Seite Vertrieb 19.650 18.750 -900 -4,6 1,50 je Heft Provisionen 80.000 68.400 -11.600 -14,5 10% v. Anzeigenerl. Werbung 75.000 75.000 0 0,0 150,00 Plan CPO 416.200 402.250 -10.950 -2,6 610.050 478.750 -131.300 -21,5 Interne Verrechnung Redaktion 42.000 34.000 -8.000 -19,0 150,00 je red. Seite Marketing 25.000 30.000 5.000 20,0 33% v. Fremdwbg. Anzeigenverkauf 20.000 25.000 5.000 25,0 100,00 je Anz.-Seite 87.000 89.000 2.000 2,3 Deckungsbeitrag I 523.050 389.750 -133.300 -25,5 2.6.4 Kennziffern Ergänzend zur Kontrolle des laufenden Geschäftsganges anhand des monatlichen Soll/ Ist oder Vorjahr/ Ist-Vergleich ist es nützlich, die Geschäftsentwicklung anhand von Kennziffern zu verfolgen, bei denen verschiedene Daten zueinander in Beziehung gesetzt werden; es handelt sich also bei den meisten Kennziffern um Verhältniszahlen. Neben diesen gibt es die Gliederungs- und die Index-Zahlen. Solche Kennziffern werden nicht durchgehend monatlich zu erheben sein, sie geben aber wichtige Hinweise für Kosten-, Liquiditäts- und <?page no="125"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 126 Marktentwicklungen, sind also wichtige Instrumentarien eines betrieblichen Frühwarnsystems, weil dadurch Probleme rechtzeitig erkannt werden können. Bei den Kennzahlen unterscheidet man die deskriptiven Zahlen (Unternehmenswerte, Vergleichsgrößen) von den normativen Kenngrößen (Vorgaben, benchmarks), d.h. Kennzahlen sollen nicht nur retrospektiv-analytisch eingesetzt werden, sondern als zukunftsorientierte Steuerungsgrößen. Nachfolgend seien einige besonders häufig benutzte Kennziffern genannt. Diese können entweder für den Gesamtverlag, aber auch für Produktgruppen ermittelt werden. Dabei wird dann die unterschiedliche Mittelbindung, Personalproduktivität u.a. in den Bereichen deutlich und insbesondere deren Verschiebungen im Mehrjahresvergleich (oder in kürzeren Intervallen) in günstiger oder ungünstiger Richtung. Dann ist zu prüfen, wie hierauf zu reagieren ist. Wareneinsatz durchschnittlicher Lagerbestand Vorräte Umsatzerlöse Ø Warenforderungen Umsatzerlöse Auslieferungskosten Exemplarmenge Anzahl der Reklamationen Kundenanzahl Remissionsexemplare ausgelieferte Exemplare Kosten einer Werbeaktion Anzahl Rückläufer Anzahl der Reaktionen Anzahl der Werbeadressaten Kosten einer Werbeaktion Anz. gewonnener (Einzel-)Aufträge Zahl der neugewonnenen Kunden Zahl der verlorenen Kunden Umschlagshäufigkeit = Vorratsbindung = X 100 Debitorenziel = X 360 Ø Auslieferungskosten pro Ex. = Reklamationsquote = X 100 Remissionsquote in % = X 100 cost per interest (cpi) = Rücklaufquote = X 100 (einfacher) cost per interest (cps) Kundenfluktuation X 100 = = <?page no="126"?> 127 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling Je nach Art oder Zielsetzung des Unternehmens ist festzulegen, welche Kennziffern als aussagekräftig angesehen werden. Insbesondere aber ist wichtig, die Veränderung der Werte nicht nur hausintern zu verfolgen, sondern einen laufenden Vergleich zu ziehen mit vergleichbaren Ziffern aus der eigenen Branche oder der allgemeinen Wirtschaft. Quellen dazu sind die Fachpresse, die Wirtschaftsteile großer Tageszeitungen, Betriebsvergleiche. Aus solchen Quellen müssen »benchmarks« herausgefiltert werden, d.h. Werte, die als guter Standard gelten dürfen. Beispielsweise der pro Kopf-Umsatz bei vergleichbaren Verlagen - er liegt im Branchendurchschnitt bei etwa €-250.000,-, schwankt aber je nach Struktur sehr stark. Dafür kommen insbesondere Kennziffern von Leistungsführern aus der Branche in Frage, in anderen Bereichen auch branchenübergreifende Kennziffern, z.B. aus Betriebsvergleichen. Zahl der neu onnenen Kunden Anzeigenseiten Gesamtseiten Personalkosten Ø Mitarbeiterzahl Gesamtleistung Ø Mitarbeiterzahl Betriebsergebnis Ø Mitarbeiterzahl Personalkosten Umsatz Jahresüberschuss Eigenkapital Jahresüberschuss Umsatzerlöse bilanzierter Lagerwert Σ aller Lagerex. zu Umlaufvermögen ./ . Vorräte kurzfristige Verbindlichkeiten eigener Marktanteil Marktanteil des Marktführers = X 100 Personalkosten pro Kopf = Anzeigenquote Gesamtleistung pro Kopf = Betriebsergebnis pro Kopf = Personalkosten in % v. Umsatz = X 100 Eigenkapitalrentabilität = X 100 Umsatzrentabilität = X 100 Lagerabschreibung in % = Liquidität I (quick ratio) = X 100 Relativer Marktanteil = X 100 Orig.Herstellkosten <?page no="127"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 128 Bei deren Interpretation ist zu bedenken, dass sie Vergangenheits- (allenfalls Gegenwarts-)Werte darstellen. Bei starken Veränderungen ist auch die Konsistenz der Datenerhebung zu überprüfen, ehe vorschnelle Schlussfolgerungen getroffen und Maßnahmen entschieden werden. Kennziffern sind ein Hilfsmittel, aber nicht per se zur Steuerung des Unternehmens geeignet. Immer aber lohnt die Analyse: Warum hat sich Wert X so oder so verändert? Schließlich gibt es ganz hausspezifische Kennziffern, die verfolgt werden sollten: • Rhythmus der Auflagenfolge bei Standardwerken • Veränderung des Seitenvolumens bei Periodika • Volumen nichtaktivierter Vorleistungen auf künftige Produkte (z. B. Digitalisierung) • Entwicklung des Abschreibungsbedarfs bei Honorar- und Lizenzvorauszahlungen (s. S.-110). 2.6.5 Controlling Der Begriff Controlling ruft schnell das ungute Gefühl eines permanenten Beobachtseins und allfälliger Sanktionen hervor. Daher sind Controller sehr bestrebt, den positiven zukunftsbezogenen Sinn ihres Handelns herauszustellen. Das Unternehmen soll als »lernendes System« begriffen werden. Controlling-Konzept nach Hahn (1996) Informationelle Sicherung bzw. Sicherstellung ergebnisorientierter Unternehmensführung Gestaltung und Unterstützung der Unternehmensplanung, -kontrolle Ergebnisoptimierung unter Beachtung der Liquiditätssicherung Gestaltung und Nutzung des Rechnungswesens als Dokumentationsrechnung und der primär ergebnisorientierten Informationserstellung und -erstattung Controlling bedeutet in diesem Sinn die Bereitstellung aktueller (Zahlen-)- Informationen, die die im operativen Tagesgeschäft Stehenden sich nur schwer beschaffen könnten: Ihnen fehlen instrumentelle Kenntnisse ebenso wie ein übergreifender Blick auf das Unternehmen und schließlich auch die notwendige Zeit. Controlling ist also als Dienstleistung einer Stabsstelle für die Ergebnisverantwortlichen im Unternehmen anzusehen. Controlling ist eine permanente Tätigkeit, gegebenenfalls mit situationsbezogen wechselnden Schwerpunkten neben der laufenden Berichterstattung. <?page no="128"?> 129 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling Insoweit es auf Benchmarking zielt, können folgende Funtionen unterschieden werden: Funktionen Erläuterung Zielsetzungsfunktion • Identifizierung der Leistungslücke im Vergleich zum Leistungsführer Erkenntnisfunktion • Ermittlung der Ursachen für die Leistungslücke und der jeweiligen Anpassungsbereiche Implementierungsfunktion • Entwurf und Umsetzung von Aktionsprogrammen zur Erreichung der aus der Leistungslücke abgeleiteten Ziele • Aufbrechen ineffizienter Strukturen durch erprobte Lösungen Quelle: U. Vanini, Controlling (2009) In der IHK-Prüfungsordnung der IHK Stuttgart werden die Aufgaben eines Controllers wie folgt genannt: Aufgaben des Controlling 1. Entwicklung und Einsatz von Controlling-Systemen zur Planung, Steuerung und Kontrolle des betrieblichen Leistungsprozesses 2. Mitwirkung bei der Unternehmensplanung, laufende Kontrolle der Planungsziele und Überprüfung der wichtigsten Prozess- und Steuerungsgrößen. 3. Aufbau des Berichtswesens, ständige Berichterstattung und Koordination des Informationsmanagements 4. Entwickeln von Problemlösungen und Einleiten vorausschauender Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlentwicklungen 5. Laufende Beratung der Unternehmensleitung 6. Vermittlung der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Controlling an die Mitarbeiter des Unternehmens Die Ziffer 6 weist hin auf die sehr wichtige Funktion der Einbindung der Mitarbeiter in die Ziele des Controlling, die ja letztlich der Verwirklichung der eigentlichen Unternehmensziele dienen sollen. Controller brauchen folglich auch Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Mitarbeiterführung und Personalentwicklung. Sie müssen beitragen zur Stärkung der sogenannten human resources, also des Leistungspotenzials der Mitarbeiter. Langfristig bedeutet die Klarheit darüber, ob gesetzte Ziele verfehlt, erreicht oder übererfüllt wurden, auch eine Quelle der Zufriedenheit für die Mitarbeiter. Dazu soll Controlling verhelfen. <?page no="129"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 130 Wie komplex die Interpretation von Veränderungen ist, sei anhand der folgenden drei Diagramme verdeutlicht. Um welche Kostenposition es dabei geht, ist unerheblich, es geht um die Methodik der Deutung. Die gleichen Ausgangsdaten (Säulen im Diagramm) werden durch Kurvenverläufe über mehrere Perioden dargestellt und somit „interpretiert“. Solche Versuche, aus Einzeldaten Entwicklungslinien herauszulesen, sind unverzichtbar - aber die Vielfalt der Möglichkeiten mahnt zu kritischer Überprüfung, welche Variante denn wahrscheinlich ist. Anderenfalls kann eine falsche Deutung der Daten zu falschen, ja schädlichen Maßnahmen führen. Abb. 2.14: Interpretationsvarianten für Datenschwankungen im Zeitlauf <?page no="130"?> 131 2.6 Finanzen, Rechnungslegung, Controlling Wenig Erklärungswert bietet die Durchschnittsbildung über 12 Geschäftsjahre (ansteigende Linie). Sehr interessant demgegenüber die Interpretation eines Struktursprungs, nämlich von 9.4% in den Jahren 93-98 auf 10.7% in den Jahren 99-04. Die elegante Kurve der gleitenden Durchschnitte zeigt kaum mehr als die Säulen selbst, nur Ausreißer nach oben oder unten werden gemildert. Die gängigste Interpretation ist eventuell die der errechneten Geraden, die eine schwach, aber doch merklich steigende Tendenz zeigt. Es ist Aufgabe des Controlling zusammen mit den operativ Verantwortlichen diejenige Deutung herauszufiltern, die den größten Erklärungswert hat. Das können die Darstellungsverfahren selbst, wie gesagt, nicht leisten. Ein Bereich zwischen Controlling und strategischer Planung kann in der sogenannten SWOT-Analyse gesehen werden: S trength W eakness O pportunities T hreats Aus dieser Analyse folgt die Entwicklung von Unternehmensstrategien und deren Umsetzung. Auch das Erkennen der »frühen Signale« als Anzeichen von Fehlentwicklungen und eventuellen Unternehmenskrisen fällt in den Aufgabenbereich des Controlling. Solche frühen Signale können aus allen Bereichen kommen, etwa der Entwicklung der Finanzdaten, des Absatzes, der Personalleistung und -kosten, der Rendite, den Konkurrenten, Zinskosten, Veränderung der Abnehmerstruktur u.s.w. Controlling muss faktisch auch dort stattfinden, wo es keinen Controller gibt - in kleineren Unternehmen also z.B. durch ein Zusammenwirken von Geschäftsführung, Buchhaltungs- und (evtl.) Vertriebsleitung: Auf keine der in der Übersicht auf S.-129 erwähnten Tätigkeiten des Controlling (Informationsbereitstellung, entsprechende Maßnahmeeinleitung) kann ein Unternehmen verzichten und auf Dauer erfolgreich arbeiten und sei es in der pragmatischen Form einer periodischen Abarbeitung von Checklisten. <?page no="131"?> 2. Planung, Organisation und Controlling 132 Alle vorstehend genannten Verfahren wie Benchmarking, Kennziffernvergleich etc. sind als iterativer / rückgekoppelter Prozess zu verstehen, nicht als einmalige Aktivität. Nur in der periodischen Wiederholung können diese Verfahren ihre Wirksamkeit entfalten und Entwicklungstendenzen erkennbar machen. Abb. 2.15: Planung und Kontrolle als iterativer Prozess (Quelle: A. Hausmann 2005) <?page no="132"?> 133 3.- Herstellung, Kosten und Kalkulation 3.1- Technische Grundlagen In einer Darstellung anderer Wirtschaftszweige würde dieses Kapitel heißen »Produktion, Kosten und Kalkulation«. Verlage produzieren aber in aller Regel nicht selbst - wenn ihnen technische Betriebe gehören, werden diese gesondert geführt und in der Kostenrechnung des Verlags als Fremdbetrieb betrachtet. Verlage organisieren lediglich die Produktherstellung, sie stehen damit zwischen dem Handel, der Fremdware einkauft, und dem Produktionsbetrieb, der sie herstellt. Für die Abteilung, die die Organisation und Steuerung der Produktion leistet, hat sich seit über 100 Jahren der Begriff »Herstellung« eingebürgert, obwohl im wörtlichen Sinne nichts hergestellt wird. Grundsätzlich ist zwischen der Druckvorstufe, d.h. allem was geschieht, bis die druckfähigen Unterlagen bzw. Dateien an die Druckerei gehen, und der externen Produktion danach zu unterscheiden. Nur in der ersten der beiden Phasen ist der Verlag tätig. Daher hat im Rahmen der ökonomischen Analyse des Herstellungsprozesses eine Darstellung der technischen Grundlagen dieser zweiten Stufe keinen Platz. Historische Verfahren wie Bleisatz und Hochdruck brauchen ohnehin nicht erörtert zu werden. Von praktischer Bedeutung im Verlag sind heute nur der Offsetdruck und der Digitaldruck, wobei jeweils Bogen- und Rollendruck zu unterscheiden sind. Auch für sie soll auf eine Darstellung der technischen Verfahrensweisen verzichtet werden, dafür gibt es ausgezeichnete andere Werke wie etwa die von Blana oder Mundhenke. Unter ökonomischer Perspektive ist primär der jeweilige Einsatzbereich der vorgenannten Verfahren wichtig. Auflagenhöhe geeignetes Druckverfahren (1) bis 300 Ex. Digitaldruck (2) 300-600 Ex. Direkt-Offsetdruck (opti copy) (3) 600-2000/ 3000 Ex. Bogenoffset (4) ab ca. 3000 Rollenoffset Die vorstehende Tabelle gibt natürlich nur Anhaltspunkte, es gibt immer wieder Anbieter, die etwa im Digitaldruck heute schon in Bereich (2) eindringen, und zwischen den Bereichen (3) und (4) wogt ein heftiger Preiswettbewerb, <?page no="133"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 134 den der Verlag nutzen sollte. Es ist überhaupt grundsätzlich ratsam, für jeden Auftrag mindestens zwei Angebote bei Druckereien einzuholen, die für das betreffende Objekt grundsätzlich geeignet erscheinen. Der Aufwand ist heute mit einem geeigneten Standardformular und e-mail bzw. Fax denkbar gering, die Kostendifferenzen aber oft (z. B. je nach aktuellem Auslastungsgrad der Druckerei) sehr beträchtlich. Ob ein Verlag umgekehrt im Rahmen von Jahresabschlüssen mit versprochenen Volumina und Festpreistabellen arbeiten soll, wie es oft empfohlen wird, erscheint mir zweifelhaft, insbesondere wenn der Verlag mit einer Vielzahl von Formaten und sehr unterschiedlichen Auflagen arbeitet. Natürlich sind neben den reinen Kostenaspekten die für das jeweilige Verfahren gegebenen technischen Einschränkungen zu bedenken: So stehen beim Rollenoffset - und auch beim Digitaldruck - sehr viel weniger Papiersorten zur Auswahl, wer dort kleine Mengen von nur wenigen tausend Exemplaren beauftragt, kann keine eigenen Papierwünsche durchsetzen, sondern muss nehmen, was verfügbar ist. Auch stößt die Rolle bei hohen Anforderungen an Halbton-Abbildungen bald an Grenzen (die Raster müssen auch anders gewählt werden, daher ist eine frühzeitige Entscheidung für das Druckverfahren wichtig). Schließlich gibt es bei der Rolle neben den Papiersorten und -gewichten auch enge Formatgrenzen: die meisten Betriebe bieten nur bis 15,0 × 21,5 cm an, einige wenige bis 17 × 24 cm. Darüber bleibt die Buchherstellung eine Domäne des Bogenoffsets. Anders ist das bei hochauflagigen Zeitschriften (s. Kap. 5). Buchproduktion im Tiefdruck ist sehr selten geworden und kommt nur bei hochauflagigen Bildbänden in Betracht. Während ein Verlag früher für ein Buch mit zahlreichen Betrieben zusammenarbeitete z. B. Setzerei, Reproanstalt, Druckerei, Papierlieferant, Buchbinderei - was einen erheblichen Organisationsaufwand bedeutete - schrumpft diese Zahl der technischen Partner heute beträchtlich (s. a. Kap. 3.3), und es sollte stets geprüft werden, ob sie nicht noch weiter reduziert werden kann. Das Prinzip »alles aus einer Hand« spart viel overhead (Dispositionsaufwand) im Verlag, minimiert beim digitalen workflow den Aufwand der Datenverwaltung und ebenso Unstimmigkeiten betreffend Qualität (wie sie früher etwa zwischen Reproanstalt, Papierlieferant und Drucker nicht selten auftraten), verringert Transportkosten und beschleunigt die Produktion. Im Idealfall braucht ein Verlag bei konsequenter DTP-Organisation nur den Autor (und den Grafiker für den Umschlag) und einen technischen Betrieb, der die druckfähigen Daten oder die Postscript/ PDF-Dateien empfängt, auf die Druckplatte belichtet, auf von ihm besorgtes Papier druckt und bindet: ein Auftrag, ein <?page no="134"?> 135 3.2 Buchgestaltung und Buchtypen Ansprechpartner, eine Rechnung, eine Ablieferung - man kann so erstaunlich viel internen Aufwand sparen und qualitative sowie terminliche Risiken im Produktionsprozess minimieren (s. a. S.-139) Je eingespielter die Beziehung des Verlages zu seinen Lieferanten ist, desto weniger braucht er sich um produktionstechnische Details zu kümmern. Der an langfristiger Beziehung interessierte technische Betrieb wird seinen Verleger laufend über seine Neuentwicklungen informieren und damit zur Optimierung des Produktionsprozesses beitragen - etwas überspitzt gesagt: ein Verleger braucht wirklich nicht auf die Drupa oder die SYSTEMS zu gehen. In diesen Dingen soll und kann er sich auf seine Partner verlassen, wenn er die richtigen gewählt hat. Verliebtheit in technische Details und Neuerungen ist im Verlag in der Regel fehl am Platz. So wie der Verlag seinem Autor vertraut und ihm nur bedingt hineinredet, so muss er es auch mit den technischen Betrieben halten; es gibt Schnittmengen der Aktivitäten (bezüglich der Autoren deutlich größere), aber jeder sollte sein Geschäft betreiben. Das lässt sich mit folgendem Diagramm veranschaulichen: Dass es jenseits der Produktion für den Verlag genug Aufgaben und Pflichten gibt, davon handeln die anderen Kapitel dieses Buches. 3.2- Buchgestaltung und Buchtypen Schon beim ersten Projektgespräch mit dem Autor - bzw. der Ideenfindung im Lektorat - sollte eine Vorstellung nicht nur über die Zielgruppe, sondern daraus folgend über das physische Produkt, seine Gestaltung und Anmutung und damit die Kosten und die geeigneten Produktionsverfahren entwickelt werden. Es ist überaus misslich, wenn aus einem Taschenbuchprojekt plötzlich ein großformatiges Hardcover werden muss, weil man Anforderungen bezüglich Abbildungen oder Tabellen nicht bedacht hat oder umgekehrt, wenn zu spät erkannt wird, dass mit der abgelieferten Textmenge und Abbildungszahl die vom Verlag gedachte, mit dem Autor aber gar nicht erörterte Buchgestalt nicht verwirklicht werden kann. Autor Verlag Techn. Betriebe Abb. 3.1: Aktionsbereiche mit geteilter Verantwortung <?page no="135"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 136 Das Produkt Buch ist dabei stets von der Zielgruppe her zu denken. So wird ein Buch »Internationale Rechnungslegung« als kartonierter Band mittleren Formats zwar für Studenten attraktiv sein, für Wirtschaftsprüfer aber einfach von der Anmutung her weniger. Selbst bei völlig identischem Inhalt erwarten Letztere eher ein dickes, großformatiges fest gebundenes Buch: Die Buchgestalt signalisiert bestimmten Nutzergruppen »das ist für mich«. Verbreitet ist das Schielen auf zwei Gruppen, es misslingt meist. Der Verlag muss sich bei jedem Projekt bzw. in ganzen Programmsegmenten für eine Hauptzielgruppe entscheiden - aus dieser Entscheidung folgt diejenige für die passende Buchgestalt. Das betrifft Format und Einband ebenso wie Typografie und Papier. Während ein Fachverlag im Blick auf studentenfreundliche Preise leicht 3.000 Anschläge/ Seite in einer nur bedingt lesefreundlichen Typografie in ein kartoniertes 200 Seiten-Buch im Format 15,0 × 21,5 cm presst (Rückenstärke bei 80g Papier 10 mm), macht ein Literaturverlag aus einer mittellangen Erzählung mit 1.500 Anschlägen/ Seite durch eine Typenwahl, die eher an ein Großdruckbuch erinnert, ebenfalls ein 200 Seiten-Buch, aber mit festem Einband, eventuell sogar mit teurem Leinenbezug, und erreicht durch ein 1,8faches 90 g-Papier eine Rückenstärke von 20 mm. Beide Bände mögen die gleiche Auflage von 3.000 Exemplaren haben und € 19,90 kosten. Der Student erhält dafür die doppelte Textmenge und den von ihm erstrebten Nutzwert (Bestehen der Prüfung), der Romanleser das Gefühl, ein »richtig schönes Buch« in der Hand zu halten. Dafür zahlt er pro tausend Anschläge ohne zu murren das Doppelte des Studenten (dieser aber murrt vielleicht dennoch ob des vermeintlich hohen Preises! ). Die Parameter, aus einer gegebenen Textmenge und einer ebenfalls gegebenen Anzahl von Abbildungen entweder ein bescheidenes Taschenbuch oder einen pompösen Bildband zu machen, liegen auf der Hand - von der Produktidee und Zielgruppe her ist zu entscheiden, welche Lösung jeweils die erfolgversprechende ist. Die Entscheidung darüber entsteht im Gespräch zwischen Autor, Lektor, Herstellung und Marketing. Wo es an diesem Gespräch fehlt, erhält ein Buch oft nicht seine optimale Gestalt und vermag dann auch nicht sein eigentliches Marktpotential auszuschöpfen. 3.3- Ablauforganisation der Produkterstellung 3.3.1 Texterfassung Die klassische Verlagsarbeit war bis vor etwa 15 Jahren normalerweise weitgehend sequentiell angelegt: ein Schritt folgte auf den anderen. <?page no="136"?> 137 3.3 Ablauforganisation der Produkterstellung Drehscheibe des ganzen Prozesses nach vorn in die technischen Betriebe und zurück zum Autor war die Herstellungsabteilung. Durch das digitale Manuskript in Verbindung mit den Möglichkeiten des Datentransfers per e-mail oder anderer leistungsfähigerer Systeme, wie sie insbesondere bei Bilddateien erforderlich werden, sind ganz andere, iterative/ vernetzte Abläufe entstanden, man spricht seitdem vom neuen workflow. Dann erhält der Autor schon bei Vertragsabschluss Datenformate, es werden Dateien zwischen Autor und Verlag fortlaufend im Prozess der Manuskripterstellung ausgetauscht (Abb. 3.2) und wenn nötig bereits in Teilmengen formatiert, so dass die endgültige »Manuskript«abgabe nur noch eine Dateiübermittlung (sehr selten direkt an die Druckerei) ist. Der Autor ist vielfach in der Druckvorstufe eingebunden, ein Kontakt mit dem technischen Betrieb bleibt die Ausnahme. Oft liegt nun die Koordinationsfunktion mehr beim Lektorat, dem Hersteller assistierend zugeordnet sind. Der Herstellungsprozess kann dadurch oft sehr beschleunigt werden, das Zusammenwirken von Autorenvorstellungen Vertrag mit Autor Latenzphase Ablieferung des Papier-Manuskripts Herstellungsvorbereitung im Verlag (Lektorat, Satzbetrieb Reproanstalt Korrekturgänge Registererstellung Druckerei Produktion Der klassische Herstellungsablauf Verlagssphäre Externe technische Produktion Satzentwicklung, Abbildungsvorbereitun g) Abb. 3.2: Sequentieller Ablauf der klassischen Herstellung <?page no="137"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 138 und Lektoratsexpertise schon während der Manuskripterstellung führt zu wesentlich verfeinerten Ergebnissen, z. B. didaktisch sehr viel besser durchstrukturierten Lehrbüchern oder viel stimmiger illustrierten Werken und bringt dazu unter Umständen erhebliche Kostenersparnisse. Voraussetzung ist Kompatibilität der technischen Umgebung aller Beteiligten. Wenn z. B. der Autor mit PC und WORD arbeitet, der Verlag aber mit Mac und QuarkXPress, müssen frühzeitig Verabredungen getroffen und Probedateien ausgetauscht werden. Besonders anspruchsvoll wird es, wenn ein Autor TeX-Dateien abliefert (z. B. wegen des Formelsatzes). Diese Einbeziehung der herstellungstechnischen Aspekte in die Phase der Manuskripterstellung ist die grundlegend neue Entwicklung. Auch heute gibt es noch Autoren, die es einfach nicht schaffen, in vorgegebenen Datenformaten zu arbeiten, aber es werden Jahr zu Jahr weniger. Die meisten Autoren empfinden die neue Arbeitsorganisation durchaus nicht als Belastung oder gar Aufhalsung zusätzlicher Arbeit, sondern als Vorteil auch für sich selbst. Viele Verlage zahlen dem Autor für Zusatzleistungen wie Seitenformatierung eine Vergütung unabhängig vom Honorar und sparen dennoch beträchtliche Kosten. Das Setzen nach Papiermanuskript ist zur Ausnahme geworden, am ehesten wird es noch bei nur mäßig überarbeiteten Neuauflagen und Vielautoren-Werken angewendet. Auch von alten Werken, die vor der digitalen Wende erschienen sind (oder falls der Autor seine Datei verloren hat), lassen sich heute per Scanner und entsprechender Software gute und weitestge- Autor Lektorat/ Herstellung PDF Der neue workflow Druckerei In Aus nahme fällen PDF Verlagssphäre Internet Technische Produktion Abb. 3.3: Mehrfach rückgekoppelter Herstellungsprozess in der digitalen Druckvorstufe <?page no="138"?> 139 3.3 Ablauforganisation der Produkterstellung hend fehlerfreie Dateien zur Weiterbearbeitung produzieren. Die Texterfassung im technischen Betrieb ist also heute fast schon obsolet (s. a. Kap.-5.2.2.2). Entscheidend für ein fehlerfreies und damit wirklich kostenreduzierendes Arbeiten im digitalen workflow sind klar definierte, sorgfältig abgestimmte Datenformate und entsprechende Kontrollen durchgängig über die ganze Kette vom Autor an. Die Vielzahl von Varianten und »Dialekten« in der Datenverarbeitung macht das oft zu einem wahren Hindernisrennen. Eine Standardisierung über alle technischen Betriebe hin wird einem durchschnittlichen Verlag nicht gelingen, dazu fehlt ihm die Macht. Er muss nolens volens mit unterschiedlichen Anforderungen leben, wenn er sich nicht - was aus anderen Gründen wieder sehr problematisch wäre - auf einen einzigen Druckbetrieb als Lieferanten konzentrieren will. Hier ist für die Zukunft eine weitreichende Standardisierung zu erhoffen. 3.3.2 Organisatorische Konsequenzen in den Herstellungsabteilungen Die klassischen Herstellungsabteilungen sind daher in vielen Verlagen geschrumpft, z.T. mit den Lektoraten zu Projektteams verschmolzen, viele Hersteller zu Lektoratsassistenten geworden, die viel mit Gestaltung, insbesondere Text- und Bildverarbeitungssystemen, aber mit der Auftragsvergabe an die technischen Betriebe nur noch wenig zu tun haben. Das geschieht dann durch »Einkäufer«, die die Aufträge bündeln, zeitlich koordinieren und optimieren. Im Zuge dieser organisatorischen Bündelung der Auftragsvergabe besteht eine Tendenz zur Reduzierung von Formatvarianten, Papiersorten, Ausstattungsalternativen, die zu erheblichen Kostensenkungen führen können. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte »gang production«, bei der in der Druckerei alle Formate nicht nur eines, sondern vieler Verlage auf bestimmte (monatliche) Termine zusammengefasst werden, was besonders im Bereich der Kleinauflagen, wo bislang die Zurüstkosten eine große Rolle spielten, sehr vorteilhaft ist. Bei allen Produktionen, in denen es nicht auf ganz spezifische Anforderungen (etwa höchste Farbdruckqualität, hohe Papiergewichte, Sonderformate) ankommt, sind solche Standardisierungen und Bündelungen im Einkauf sehr ratsam - die oben genannte Zentralisierung der Auftragsvergabe ist dafür sehr hilfreich. Viele Druckereien bieten heute via Internet tools zur Auftragsverwaltung etc. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Transaktionskosten zu bedenken: jede Informationsbeschaffung erfordert Zeitaufwand, d.h. Kosten. Stabile, vertrauensvolle Beziehungen zu relativ wenigen Lieferanten können <?page no="139"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 140 erhebliche Transaktionskosten sparen - die Jagd nach dem absolut günstigsten Angebot kann also u.U. sehr teuer sein. Feste Lieferantenbeziehungen und entsprechende Abwicklungsroutinen sind oft ebenso wichtig wie der nackte Angebotspreis und zudem qualitätssichernd. Hierzu gehört auch die Situation von Kostenkonflikten: die Senkung einer Kostenart kann zu Steigerungen einer anderen Kostenart führen, daher ist letztlich der sog. Total Cost Approach entscheidend. Er ist bei allen Beschaffungsmaßnahmen zu beachten. 3.3.3 Bildverarbeitung Lange waren die Bereiche Text und Bild bei der Buchherstellung streng getrennt: Der Satz erfolgte vom Papiermanuskript in der Setzerei, die Abbildungsvorlagen wurden meist im Verlag bzw. von Grafikern überarbeitet (Ausschnitte festlegen, Beschriftung, Neuzeichnung) und dann in einer Reproanstalt klischiert bzw. verfilmt. Auch der Übergang vom Hochdruck zum Offset hatte an dieser Zweigleisigkeit der Druckvorlagenerstellung, bei der Text und Bild erst im Umbruch durch manuelle Arbeit am Satz- oder Montagetisch zusammenfanden, nichts grundsätzlich geändert. Sowohl der organisatorische Aufwand für diese Zweispurigkeit in der Verlagsherstellung wie auch die anfallenden Kosten waren erheblich. Einen grundlegenden Wandel und große Kostenersparnisse bedeutet nun die digitale Bildverarbeitung. So werden heute die in wissenschaftlichen Arbeiten üblichen Diagramme und Kurven selbst mit WORD in guter Qualität erzeugt und können im Bedarfsfall ohne großen Aufwand im Verlag verfeinert und vereinheitlicht werden. So wie der technische Zeichner in den Architekturbüros verschwunden ist, ist es auch der Allerweltsgrafiker, der diese Diagramme zeichnet und Abbildungen beschriftet. Aber auch Halbtonabbildungen (Fotos) werden heute als Datei unmittelbar in die Textdateien eingebunden - ein Mausclick statt zeitraubender Manipulationen. Die Möglichkeiten der Bildverarbeitung am Bildschirm in Bildbearbeitungsbzw. Layoutprogrammen wie QuarkXPress oder InDesign ersparen zudem die früher oft angefallene Mehrfachreproduktion, falls die Abbildungsgröße nicht richtig gewählt worden war. Eine optimale Bild/ Textzuordnung lässt sich heute direkt per Zoom-Funktion oder Ausschnittbearbeitung erreichen. Somit sind die Kosten für Illustrationen - ob Strich, Halbton oder vierfarbig - generell nach der ersten großen Kostensenkungsstufe beim Übergang auf Filme statt Zinkklischees in den 60er/ 70er-Jahren nun noch einmal deutlich gesenkt worden. Das hat die positive Folge, dass die früher oft erforderliche <?page no="140"?> 141 3.4 Woraus ein Buchpreis besteht Sparsamkeit in der Illustration von Sach- und Fachbüchern kaum noch notwendig ist und so die ästhetische wie didaktische Qualität dieser Bücher sehr gestiegen ist. Somit können nach heutigen Verfahren hergestellte Bücher bei kaum erhöhten Herstellkosten (und damit auch Ladenpreisen) sehr viel reichhaltiger und qualitätvoller illustriert werden als früher und damit den hohen Erwartungen der Käufer in einer in allen Bereichen visuell geprägten Welt entsprechen. Das gilt immer mehr auch für farbige Illustrationen. Einen wesentlichen Kostenfaktor stellen aber in wachsendem Maße die Honorare oder Abdrucklizenzen für die Abbildungen dar, insoweit sie nicht als Selbstillustrationen des Autors zur Verfügung stehen. Letzteres ist in der Wissenschaft und beim Fachbuch sehr oft der Fall, bei Sachbüchern viel weniger. Aufgrund der teils enormen Honorare bzw. Vorlagekosten, die von Fotografen, Bildagenturen oder Museen gefordert werden, wird oft die geschilderte Kostenersparnis überkompensiert: mittlerweile gibt es Kunstbuchproduktionen, bei denen die Bildhonorare der größte Kostenfaktor überhaupt sind (s. Kap.-7.9.1). Dennoch: In der hochgradigen Integration von Text- und Bildverarbeitung, der kostengünstigen Möglichkeit, verlagsinterne Bilddatenbanken aufzubauen, liegt ein fundamentaler Wandel im Produktionsprozess, der sowohl Kosten erspart (besonders im Verlag selbst) als auch die Qualität verbessert. Es ist überaus lohnend, alle Möglichkeiten dieser Verfahren auszuschöpfen, wie das in hohem Maße z. B. bei Fachzeitschriften (s. Kap.-5) der Fall ist. Auch hier wird der Autor von Anfang an eingebunden, Standards werden abgesprochen und z.T. wird auch verlagsseitig die entsprechende Software zur Verfügung gestellt. 3.4- Woraus ein Buchpreis besteht Laien (auch Autoren! ) zucken oft zusammen, wenn sie erfahren, dass in dem Preis eines Buches in der Regel nur 1/ 7 - 1/ 12 »Warenwert« enthalten ist, also diejenigen Kostenanteile, die für die technische Herstellung des Buches aufzuwenden sind. Dieser Anteil der technischen Herstellungskosten ist in den letzten 20 Jahren deutlich gesunken, und zwar in allen Printmedien - von der Tageszeitung bis zum wissenschaftlichen Buch. Die Ursachen wurden im vorangegangenen Abschnitt dargestellt. Alles andere sind sonstige Kostenelemente, die meist unterschätzt werden. Der Käufer hat auch heute noch die frühindustrielle Anschauung, dass der Preis einer Ware von ihrem Materialwert herrühre, über die »geronnene Zeit«, die darüber hinaus im Produkt steckt, wird viel weniger nachgedacht. Wenn man es richtig bedenkt, gibt es ja eigentlich überhaupt keinen Materialwert: Auch eine Tonne Stahl hat ihren <?page no="141"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 142 Preis aufgrund der Arbeitszeit, die die Bergleute für die Gewinnung von Erz und Steinkohle, für Transport u.s.w. aufwenden mussten, das Gleiche gilt für die Kosten der Hochöfen, des Walzwerks: alles ist aufsummierte Arbeitszeit. Das Erz im Berg kostet nichts, auch nicht der Rohdiamant im tiefen Schacht. Es kostet aber sehr viel, sie herauszuholen und zu bearbeiten, d. h. marktfähig zu machen. So ist es auch bei den Büchern: der Materialwert (auch er wie gesagt eigentlich Arbeitswert) ist nicht werthaltiger als all die Arbeit, die vor der Buchproduktion in Verlagsleitung, Lektorat usw. aufgewandt werden muss, oder diejenige, die während der Herstellung notwendig ist, und insbesondere all die Arbeit, die nach Fertigstellung des Buches aufgewendet werden muss für Werbung, Vertrieb, Logistik, Rechnungswesen, Rechteverwaltung u.ä. Etwas akzentuiert könnte man sagen: Bücher machen ist nicht so schwer (zumal, wenn man gute technische Betriebe hat). Die eigentliche Arbeit liegt in der Vorphase, d.h. in der Entwicklung und nicht-materiellen Umsetzung der Produktion und - noch stärker - in der Arbeit, die zu leisten ist, nachdem das Buch erschienen ist. Deutlich mehr Menschen in einem Verlag beschäftigen sich mit all den Funktionen, die nötig sind, um das erschienene Buch zu vermarkten, als es herzustellen. Deshalb hat sich der Anteil der Vertriebs- und Werbekosten in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Dass die Kostenstrukturen in den Verlagen höchst unterschiedlich sind, bedarf keiner ausholenden Erklärung - das hängt z.B. schon vom Grad der Funktionsaus- oder -eingliederungen ab, ob also z.B. ein Verlag eine Satzabteilung im Hause hat, ob er selbst ausliefert u.s.w. Rationale Entscheidungen vorausgesetzt, sollte es aber insgesamt keine allzu großen Differenzen zwischen »make or buy« geben (s. a. Kap. 2.9), nur die Prozentanteile der Kostenarten sind dann unterschiedlich. Es kommt bei den zwei nachfolgenden hypothetischen Beispielen auch gar nicht darauf an, welche Zahlenwerte dort stehen, sondern darauf, die Elemente des Buchpreises und ihr unterschiedliches Gewicht zu verdeutlichen. Insbesondere auch, dass vom Ladenpreis, den der Kunde in der Buchhandlung bezahlt, im Verlag nur 56,5% (wissenschaftliches Buch) bzw. 45% (Roman) ankommen. Das links stehende Diagramm zeigt ein wissenschaftliches Werk, das rechts stehende einen Roman eines im Ausland bereits erfolgreichen Autors, der aber hier im Markt erst noch mit überdurchschnittlichen Werbeaufwand durchgesetzt werden muss. Die Ladenpreise seien z.B. €-89,bzw. €-32,-, aber der Vergleichbarkeit halber werden alle Kostenpositionen in Prozent angegeben. In den Säulen stehen jeweils die prozentualen Werte bezogen auf den Ladenpreis, bzw. außen daneben die auf den Verlagserlös bezogenen. <?page no="142"?> 143 3.4 Woraus ein Buchpreis besteht 37 % 6,543 48,5 % 17,7 % 10 % 6,543 6,3 % 3,6 % 7,4 % 4,2 % 12 % 26,7 % 4,5 % 10 % 4,0 % 8,9 % 29,9 % 16,9 % 13,5 % 30 % 34,5 % 19,5 % 10,4 % 23 % 4,2 % 2,3 % *) 0,6 % 1,4 % *) Wiss. Buch % vom Ladenpreis Roman Buchhandelsrabatt (MWSt. 6,543 % i. H.) Autorenhonorar (10 bzw. 12% v. LP ohne MWSt.) Auslieferung (Sondereinzel Kosten (Vertrieb) Verlagsgemeinkosten (insbes. Personalkosten für Lektorat, Herstellung, Vertrieb, Raumu. Zinskosten, Versich. ) Herstellkosten Wagnis/ Gewinn Werbekosten 100% Verlagserlös *) Rundungsdiff. im Zehntel-Bereich % Verlags erlös % Laden preis % Laden preis % Verlags erlös Buchhaltung, Rechte etc., Abb. 3.4: Kostenstruktur verschiedener Buchtypen in Prozent des Ladenpreises bzw. des Verlagserlöses <?page no="143"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 144 Natürlich machen die einzelnen Kosten einen wesentlich höheren Prozent- Anteil bezogen auf den Verlagsumsatz aus als auf den Ladenpreis - das verdeutlicht zugleich die fatalen Folgen von Erhöhungen der Handelsspanne. Desweiteren spiegelt diese hypothetische Einzeltitelkalkulation nicht in allem die Relationen in der Gewinn- und Verlustrechnung des einzelnen Verlags, in die noch andere Elemente einfließen, z.B. Lizenzerlöse. Betont ist darauf hinzuweisen, dass dieses (ohnehin fiktive) Beispiel nur eine Momentaufnahme für einen Titel oder eine Produktgruppe darstellt. In der Praxis sind die aufgeführten Kostenanteile ständig in Bewegung - teils durch externe Kräfte, insbesondere aber auch aufgrund aktiven Kostenmanagements im Verlag, das auf die Senkung jeglicher Kostenposition hinarbeitet, sei es zur Kompensation anderer unvermeidlicher Kostensteigerungen oder zur Gewinnverbesserung. Zu den stetigen Kostensteigerungen zählt insbesondere der Bereich der Personalkosten und zwar nicht primär wegen tariflicher Anhebungen, sondern aus strukturellen Gründen: in den Verlagen sind immer mehr hoch qualifizierte, oft mit Hochschulabschluss ausgestattete Mitarbeiter tätig, während einfachere Tätigkeiten durch komplexe IT-Organisation oder out-sourcing immer mehr verschwinden. Dadurch steigen die Kosten pro Mitarbeiter signifikant. Auch die fortwährende Qualifizierung des vorhandenen Personals führt zu erheblichen Kosten, die in dieser Art vor 20 oder 30 Jahren überhaupt nicht anfielen. Insoweit einigermaßen stabile Kostenstrukturen im Verlag, bzw. für einzelne Produkttypen existieren, bietet sich als erstes Näherungsverfahren eine Preisermittlung mittels der sogenannten Multiplikatorkalkulation an, also Herstellkosten / Expl. xy. Dieser Multiplikator wäre entsprechend dem vorstehenden Diagramm bei dem wissenschaftlichen Buch 5.1, beim Roman 9.6. Die Schnellumfrage des Börsenvereins ergab für die letzten Jahre nachfolgende durchschnittliche Kostenrelationen über alle Verlagstypen und Größenklassen, einschließlich der Zeitschriften. Anteil der Kostenarten am Gesamterlös in Prozent Herstellkosten Personalkosten Honorare Werbung Auslieferung EDV- Kosten Vertreterprovisionen Kosten für freie Mitarbeiter 2002 29,5 22,4 7,0 5,5 6,6 1,2 1,8 0,5 2006 25,0 22,9 7,6 7,0 6,4 1,4 1,6 0,6 2012 24,8 22,8 11,3 6,4 5,7 1,6 1,2 0,8 (Quelle: Börsenverein, Schnellumfrage 2002-2013) <?page no="144"?> 145 3.5 Honorare und Zuschüsse Deutlich gesunken sind in den letzten 10 Jahren die Herstellkosten und die Vertreterprovisionen, deutlich angestiegen die Honorare und die Werbungskosten. Die tatsächlichen Kosten liegen je nach Fachrichtung und Unternehmensgröße unterschiedlich, so sind bei großen Verlagen die Personal- und Herstellkosten in Prozent etwas niedriger als der Durchschnitt, während die Werbekosten dort tendenziell höher liegen. Zu beachten ist, dass es zwischen den beiden größten Kostenbereichen, Herstellungskosten und Personalkosten starke Substitutionsbewegungen geben kann: Hat ein Verlag die Druckvorstufe voll ins Haus (Lektorat, Redaktion, DTP) hineingenommen, steigen die Personalkosten, während die (Fremd-)Herstellungskosten sinken. In geringerem Maß gilt das auch für den Bereich Auslieferung. Ungeachtet solcher Sondereffekte gilt aber als Faustregel: bedenklich ist, wenn Herstellkosten und Honorar zusammen über 45% liegen. Davon sind sie in dieser Erhebung allerdings weit entfernt. Interessant ist noch der außerordentlich geringe Kostenanteil für freie Mitarbeiter: er liegt bei 0,8%. 3.5- Honorare und Zuschüsse 3.5.1- Absatzhonorar und Pauschalhonorar (s.-a. Kap. 7.6) Im heutigen Verlagswesen ist die Honorierung von Autoren weitestgehend selbstverständlich, und zwar ganz überwiegend in Form der prozentualen Erfolgsbeteiligung, die natürlich auch eine Misserfolgsbeteiligung ist: verkauft sich ein Buch mit 3000er Auflage und einem Preis von €- 32,- (netto 29,90) nur in 1.200 Exemplaren, hat der Autor nur ein Gesamthonorar (bei 10%) von €-3.588,statt erhoffter 8.970,-. Die gleiche schmerzliche Einbuße, nur in absolut wesentlich höheren Beträgen, erleidet der Verlag. Diese Honorierung ist also fair und angemessen, wenn der Autor das Buch aus eigenem Antrieb verfasste und der Verlag das Risiko einzugehen bereit war. Absatzhonorare werden i.d.R. einmal jährlich, z.T. auch halbjährlich, abgerechnet. Meist nach Kalenderjahr, manche Verlage haben die elegante Lösung jeweils 12 Monate nach dem Ersterscheinungsmonat abzurechnen: Das führt zu sehr viel gleichmäßigerem Arbeitsanfall in der Honorarabteilung und vermeidet zum zweiten die starke Liquiditätsbelastung, wenn alle Honorare zum selben Zeitpunkt fällig werden. Anders bei einer Auftragsarbeit, etwa einer Übersetzung: hier erhält der Urheber i.d.R. eine Honorargarantie, im obigen Beispiel vielleicht €-5.000 plus eventuell einer kleinen Erfolgsbeteiligung oberhalb der kalkulierten 3.000 Exemplare. <?page no="145"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 146 Ob Fest- oder Pauschalhonorar oder Mischformen aus beiden: immer geht es um eine angemessene Verteilung von Chancen und Risiken - ob bei dieser Abwägung der gesetzliche Anspruch auf »angemessenes Honorar« nützlich ist, darf dahingestellt bleiben. Als moralischen Anspruch wird ihn niemand bestreiten, wie er aber inhaltlich/ materiell zu ermitteln ist, ist eine andere Frage. Als Basis für ein prozentuales Erfolgshonorar kommen zwei Werte in Betracht: der Ladenpreis (i.d.R. ohne MWSt.) oder der Verlagserlös, d.h. der um den Händlerrabatt reduzierte Ladenpreis; dann spricht man vom Nettohonorar. Natürlich muss, wenn das letztere Verfahren zum gleichen Ergebnis führen soll wie das erste, der Prozent-Satz höher liegen. Wie viel höher, hängt vom zu erwartenden Durchschnittsrabatt ab. So entsprechen: vom Nettopreis bei 35 % Rabatt 40 % Rabatt 45 % Rabatt 10 % vom Ladenpreis 15,4 % 16,7 % 18,2 % 8 % vom Ladenpreis 12,3 % 13,3 % 14,6 % 5% vom Ladenpreis 7,7 % 8,3 % 9,1 % Stabile Rabattstrukturen vorausgesetzt, steht sich also ein Autor gleich, egal welche Honorierungsform gewählt wird, soweit die Umrechnung des gewollten Brutto-Honorars bei gegebenem Durchschnittsrabatt sachgerecht erfolgt. Der Autor profitiert bei sinkendem Durchschnittsrabatt bzw. erleidet Einbußen mit steigendem Rabatt, aber gerade darin kann man eine Verfeinerung der Erfolgsbeteiligung sehen, denn was der Verleger als Rabatt gewähren muss, kommt ja bei ihm nicht als Zahlungsstrom an, aus dem allein er das Honorar bezahlen kann. Bei Digitalprodukten kommt praktisch nur die Honorierung nach dem Verlagsnetto-Erlös in Betracht, da bei vielen Lizenzierungen ein Einzelpreis nicht vorliegt. Hier müssen angemessene Aufteilungsschlüssel angewendet werden. Ob für Digitalprodukte die gleichen (ggf. umgerechneten) Nettohonorarsätze gelten oder etwa erhöhte, wird von den Verlagen unterschiedlich gehandhabt. 3.5.2 Entfall von Honorar, Zuschüsse Der Normalfall der Erfolgsbeteiligung hat zwei Gegenpole: einerseits das Null- Honorar, das dann üblich ist, wenn das Verkaufspotential des Titels sehr gering ist, der Autor aber den starken Wunsch der Veröffentlichung hat. Hier tritt der Verlag quasi nur als Dienstleister auf, erhofft sich keinen Gewinn und <?page no="146"?> 147 3.5 Honorare und Zuschüsse kann daher auch nichts mit dem Autor teilen. Eine Fortführung dessen ist der Druckkostenzuschuss des Autors: Sein Wunsch nach Publikation ist so stark, dass er sogar eine eindeutig zu erwartende Lücke zwischen Erlösen des Titels und anfallenden Kosten aus eigenen Mitteln zu decken bereit ist. Insoweit Zuschüsse von Dritter Seite (DFG, VG Wort, Stiftungen, Unternehmen etc.) kommen, gibt es in der Regel formalisierte Vergaberichtlinien und Berechnungsschemata, die die berücksichtigungsfähigen Kosten klar (und in der Regel einschränkend) definieren. In beiden Fällen sind Vertrauen und Transparenz wichtig (s. Kap.-7.1): Der Verlag sollte die Kalkulation offen mit dem Autor erörtern und die Notwendigkeit des Null-Honorars bzw. des Zuschusses darlegen. Es empfiehlt sich dabei, eine Schwelle zu vereinbaren, ab der der Autor dann doch Honorar erhält oder eine schrittweise Rückzahlung des Zuschusses. Auf diese Weise bleibt kein Raum für den Verdacht, der Verlag verdiene ja in Wirklichkeit doch und beteilige den Autor nicht. Häufig heißt es daher in entsprechenden Verträgen: »Der Autor erhält kein Honorar für die ersten xxx Exemplare. Danach beträgt seine Beteiligung y % vom Ladenpreis« (bzw. »... danach erhält er eine Rückzahlung von z für jedes darüber hinaus verkaufte Exemplar«). Eine umgekehrte Form des Zuschusses ist es, wenn der Verlag dem Autor über das Erfolgshonorar hinaus Beträge zahlt, etwa für die Beschaffung von Abbildungsvorlagen oder die Lieferung druckfähiger PDF-Dateien. Im Grunde geht es in diesen Fällen um Fremdkosten, die bei anderen Werken an Satzstudios oder Bildagenturen zu zahlen gewesen wären. Nicht selten treten solche Autorenleistungen heute an die Stelle eines eigentlich erforderlichen Druckkostenzuschusses bzw. senken den Zuschussbedarf erheblich. 3.5.3 Honoraranpassung Eine stufenweise Anpassung des Honorars an den Verkaufserfolg ist ebenfalls üblich bei verkaufsstarken Büchern (s. a. Kap. 7). So sieht etwa der zwischen dem VS und Börsenverein ausgehandelte Vertrag folgendes als Normalfall vor: Das Honorar für die verschiedenen Arten von Ausgaben beträgt für ...-Ausgaben ... Prozent vom Preis gemäß Absatz 1. Es erhöht sich nach dem Absatz des Werkes Von ... bis ... Exemplaren auf ... %; Von ... bis ... Exemplaren auf ... %; Von ... bis ... Exemplaren auf ... %. <?page no="147"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 148 Eine sinnvolle Variante einer solchen gestaffelten Erfolgsbeteiligung kann es sein, dem Autor den erhöhten Prozentsatz zuzugestehen, »solange der jährliche Absatz des Werkes mehr als xxx Exemplare im Jahr beträgt.« Eine solche Regelung ist insbesondere im wissenschaftlichen Verlag sinnvoll, wo mit einer bearbeiteten Neuauflage ja wieder volle Produktionskosten anfallen (anders als beim reinen Nachdruck) und daher zunächst keine positive Differenz da ist, aus der das erhöhte Honorar bezahlt werden könnte. Das Honorar müsste daher wieder beim Eingangs-Prozentsatz beginnen. Diese Regelung verhindert einen Konflikt zwischen Autor und Verlag über die Notwendigkeit einer Neuauflage, zumindest soweit es die Honorarkonsequenzen betrifft. Zur Honoraranpassung zählt auch die Beteiligung von Übersetzern (seltener auch Grafikern und Fotografen), die zunächst pauschal honoriert wurden ab xxx Exemplaren. 3.5.4 Pauschalhonorare Das Pauschalhonorar wird häufig als verwerflicher »buy out« des Autors durch den Verlag negativ beurteilt. Aber ist es nicht zunächst einmal selbstverständlich und angemessen, einem Auftragnehmer ein festes Entgelt zu zahlen und ihn nicht vom Erfolg eines Werkes abhängig zu machen, das er gar nicht hauptverantwortlich trägt oder initiiert hat? Sehr häufig erhalten Urheber, Grafiker usw. durch die Pauschalhonorierung wesentlich mehr als derjenige Autor, der absatzabhängig entgolten wird, und das sogar schon bei Erscheinen (oder in Teilbeträgen noch früher) des Werkes. Für den Verlag erhöht sich das Risiko des Fixkostenanteils aufgrund der gezahlten Pauschalhonorare stark. Man sollte also sine ira et studio das Pauschalhonorar beurteilen. Es hat seine gute Berechtigung überall da, wo der Verlag einen Auftrag erteilt, z.B. auch bei Sammelwerken mit einer hohen Zahl von Autoren (oft hunderten), wo schon abrechnungstechnisch und wegen der Winzigbeträge bei jährlicher Auszahlung nur die Pauschalierung in Betracht kommt. Bezugsgröße für die Pauschalierung können z. B. sein: • ein Prozentsatz (z.B. 6% des Ladenpreises), aber fällig seitenanteilig für die Gesamtauflage bei Erscheinen • eine Zeile (es ist genau zu definieren mit wie vielen Anschlägen) • eine Druckseite oder ein Druckbogen <?page no="148"?> 149 3.6 Kalkulation und Preisfindung • eine Abbildung (evtl. gestaffelt nach Größe und Schwierigkeitsgrad) • eine umfangsunabhängige Pauschale pro Beitrag oder das ganze Buch. Welche Bemessungsgröße (auch weitere sind denkbar) die geeignetste ist, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Pauschalhonorare sind grundsätzlich nicht rückzahlbar und nicht verrechenbar mit anderen Projekten. 3.5.5 Vorauszahlungen Vorauszahlungen haben dort ihren Platz, wo ein Verlag einen Autor oder Übersetzungsrechte unbedingt an sich ziehen will, also eine Garantiezahlung als Köder verwendet. Mittlerweile haben sich im Literatur- und Sachbuchbereich z.T. außerordentlich hohe Vorauszahlungen eingebürgert, bis hin zu Millionengarantien für noch nicht geschriebene Werke, für die es nur ein mehr oder weniger aussagekräftiges kurzes Exposé gibt. Dass darin sehr hohe Risiken für die betreffenden Verlage liegen, ist offenbar; die Fälle sind zahlreich, in denen Hunderttausende durch solche Garantiezahlungen verloren gingen, weil die tatsächlichen späteren Verkäufe sie bei den üblichen Prozent-Sätzen bei weitem nicht erwirtschaften konnten - auch nicht unter Berücksichtigung des Weiterverkaufs von Nebenrechten wie Taschenbuch-, Buchclub- oder Fernsehrechten (s. Kap.- 2.6.1). Vorauszahlungen bedeuten immer eine Liquiditätsbelastung und erhöhtes Risiko. Ihre Höhe entspringt dem Kräfteverhältnis von Anbieter und Nachfrager: Der Anbieter Erfolgsautor erhält sehr hohe Vorauszahlungen (Verkäufermarkt), der Anbieter Lyrikautor überhaupt keine (Käufermarkt). Das macht im Prinzip Sinn - ob ein Verlag bei exzessiven Summen mitbieten will, ist seine eigene Entscheidung. Wie manchmal sonst auch im Leben, muss man hin und wieder »nein« sagen können. Ein in Vertragsfreiheit lebender Unternehmer wirkt als sich selbst bemitleidender Jammerer nicht so recht glaubwürdig (ironische Randbemerkung: ist es nicht schön zu sehen, wie der unbedachte Konkurrent sich richtig in die Verluste hineinreitet? ). 3.6- Kalkulation und Preisfindung 3.6.1 Unsicherheit der Kalkulationsgrundlagen Alles unternehmerische Handeln geschieht unter den Restriktionen von unvollkommener Information und Unsicherheit. Die Streubreite der nur nach Wahrscheinlichkeiten einschätzbaren Zukunftsereignisse muss durch (laufend wiederhol- <?page no="149"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 150 te) Kontrollrechnungen eingegrenzt werden, grundsätzlich beseitigt werden kann sie nie. Insofern ist der lateinische Wortstamm »calculus« in seiner Doppeldeutigkeit sehr instruktiv: der Begriff bedeutet die Steine auf dem Spielbrett (bezeichnet also das Element von Ungewissheit und Risiko) und zugleich die Steine auf dem Rechenbrett (also das Element exakten Zählens und der Rechenoperationen). Ziel der Kalkulation ist einerseits die möglichst zutreffende Erfassung bzw. Zuordnung angefallener Kosten auf ein Produkt, d.h. im Verlag auf die Titel, andererseits eine sinnvolle Preisfestsetzung, die bestmöglich absichern soll, dass die angefallenen bzw. später noch anfallenden Kosten durch die Verkaufserlöse auch wieder eingespielt werden. Woher rührt die Unsicherheit in der Kalkulation? Primär darauf, dass sie zu Teilen erst zukünftig anfallende Kosten und Ereignisse wie die in die Amortisationsrechnung eingehenden zukünftigen Erlöse zugrundelegen muss. Dieser Zukunftsvektor der Kalkulation lässt sich wie folgt in der Serie erforderlicher und üblicherweise auch durchgeführter Kalkulationen skizzieren: Zeitpunkt Zweck Verlässlichkeit der zugrundegelegten Daten 1. Vorkalkulation vor Vertragsabschluss Überprüfung der Machbarkeit alle nur geschätzt 1) 2. Vorkalkulation bei Manuskriptabgabe evtl. im Herstellungsprozess weitere Überprüfung ob Annahme der 1. Vorkalkulation noch realistisch Umfang und derzeitiger Preisstand einigermaßen genau 3. Vorkalkulation kurz vor Erscheinen endgültige Festlegung des Preises Umfang und alle Kosten der Herstellung nahezu definitiv 2) Schlusskalkulation nach Fertigstellung Ermittlung der effek iven Stückkosten (für Lagerbewertung) alle Kosten definitiv. Erträge immer noch weitgehend unbekannt Nachkalkulation periodisch nach 12/ 24/ 36 Monaten Überprüfung des tatsächlichen Erfolgs/ Ertrags des Titels (Gesamtrechte) tatsächliche Erträge (anstelle erwarteter) werden den angefallenen Kosten gegenübergestellt. Schrittweise schält sich der Gesamterfolg heraus 1) aufgrund des oft großen Zeitabstands bis zur Manuskriptfertigstellung oft nur grob ermittelt 2) in Verlagen mit langer Vorankündigungsfrist (z. B. Halbjahresprogramm) eher zu spät für die Preisfestlegung wachsende Sicherheit der Daten werte für Kosten, Erlöse und Neben- Abb. 3.5: Kalkulation als wiederholter Prozess bei wachsender Sicherheit der Daten <?page no="150"?> 151 3.6 Kalkulation und Preisfindung Dass die erste Vorkalkulation überhaupt nur Schätzwerte enthält, also in höchstem Maße mit Unsicherheit behaftet ist, bedarf keiner weiteren Vertiefung: Vor Vertragsabschluss ist der Umfang ebenso unsicher wie spätere kostenrelevante Erschwernisse, ebenso die Kosten zum Zeitpunkt der Abgabe des Manuskripts, die tatsächlichen Marktbedingungen beim Erscheinen (zwischenzeitlich erschienene Konkurrenzwerke, allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, Entwicklung des Renommees des Autors) usw. usw. Dennoch ist diese erste Vorkalkulation unverzichtbar im Sinne einer Machbarkeitsstudie. Zu diesem Zeitpunkt besteht zudem noch eine weitgehende Gestaltbarkeit des Projekts und der Kosten im Sinne des »target costing«, d.h. einer Zielkostenrechnung, die von den erwarteten Marktgegebenheiten ausgeht und die Kosten diesen, d.h. den erzielbaren Marktpreisen, anpasst. Die zweite Vorkalkulation basiert auf wesentlich genaueren Daten, das Manuskript liegt jetzt vor. Dennoch bleiben Varianten des Umfangs (je nach Typografie), unvorhersehbare Korrekturkosten und immer noch die Unsicherheit der Marktentwicklung. Im Idealfall weicht die dritte Vorkalkulation (einige Monate oder Wochen vor dem Erscheinen) nur geringfügig von der vorangegangenen ab, das gleiche ist für die Schlusskalkulation zu wünschen, da der festgesetzte Preis nur noch schwer zu revidieren ist. Erwähnt sei, dass es bestimmte Fälle gibt (besonders im Sachbuch- und Reiseführerbereich), bei denen absolut starre Vorgaben existieren, etwa 80 Druckseiten, 50 farbige Abbildungen, Pauschalhonorar für jeden Band. Dann ist die Vorkalkulation vor Vertragsabschluss praktisch identisch mit der dritten Vorkalkulation (und möglichst auch der Schlusskalkulation). Die meisten Verlage haben aber keine solche Serienfabrikation, die aus der Zusammenarbeit von Lohnschreibern und straff führendem Lektorat entsteht, sondern (Gott sei Dank) eigensinnige Autoren, die am Anfang nicht wissen, was das Ergebnis ihrer Arbeit sein wird: Sowohl bei der Literatur wie in der Wissenschaft ist ein solches Prokrustesbett für die Autoren nicht akzeptabel. Aber auch die Schlusskalkulation enthält, was die anfallenden Erlöse angeht, noch weitestgehende Unsicherheit, ein von ihr ausgewiesener Gewinn beruht auf der Annahme, die produzierten Stücke würden auch verkauft werden und der angesetzte Verlagserlös pro Stück sei zutreffend. Muss zu erhöhten Rabatten verkauft oder gar ein Teil der Auflage verramscht werden, verbleibt trotz vollen Verkaufs dennoch ein Minus, weil der prognostizierte Stückerlös nicht erreicht wurde. <?page no="151"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 152 So fällt der Nachkalkulation, die i.d.R. mehrfach erfolgen wird, die entscheidende Funktion zu, um den tatsächlichen ökonomischen Erfolg eines Titels zu ermitteln. Durch sie wird offenbar, ob die Annahmen der vorangegangenen Kalkulationen tatsächlich eingetroffen sind. Die Nachkalkulation erfolgt immer auf Gesamtkosten- und Gesamterlösbasis, also inklusive von Nachauflagen, aber auch den (manchmal nicht unerheblichen) Nebenrechtserlösen. Die Nachkalkulation lebt ganz im Reich der Fakten - deren Abweichung von den davor liegenden Erwartungen (und Hoffnungen) ist überaus lehrreich (für künftige Planungen), aber nicht immer erfreulich. Man kann die verschiedenen Phasen der Kalkulation auch funktionell wie folgt gliedern: 1. Prämissenkontrolle (1. Vorkalkulation), 2. Projektkontrolle (weitere Vorkalkulationen bis zur Schlusskalkulation) 3. Ergebniskontrolle (Nachkalkulationen). Das Bewusstsein für die Vorläufigkeit und die Unsicherheiten in einer Buchkalkulation, die Erwartungen basierend auf zurückliegenden sowie über zukünftige Rechnungsperioden enthält, ist sehr wichtig, nicht zuletzt deshalb, weil es die Notwendigkeit aufzeigt, Polster in die Preiskalkulation einzubauen, um auch bei nicht vollem Eintreffen der Absatzerwartungen ohne Verlust abzuschließen. Alles Kalkulieren nützt nichts, wenn die zugrundegelegten Erwartungswerte unzutreffend sind. 3.6.2 Kalkulationsschemata Je nach Unternehmensgröße, Produktvielfalt und anderen Faktoren gibt es sehr unterschiedliche Kalkulationsverfahren: ganz vereinfachte pauschale und sehr differenzierte. Dabei ist die Einzelerfassung der angefallenen Fremdkosten in der Regel unproblematisch, sie ergibt sich bei zutreffender Kontierung der Eingangsrechnungen und der üblichen Verbuchung auf titelbezogenen Kostenträgerkonten auf einen Blick aus der Buchhaltung. Viel schwieriger ist eine verursachungsgerechte Zuordnung der intern anfallenden Kosten, auch Gemeinkosten genannt. Viele Verlage begnügen sich mit einem einfachen » Gemeinkostenaufschlag«, wobei es nicht entscheidend ist, ob dieser tatsächlich als »Aufschlag« auf die Herstellkosten oder als kalkulierter Anteil des Erlöses dargestellt wird (s. dazu Kap. 3.6.3). <?page no="152"?> 153 3.6 Kalkulation und Preisfindung Wie auch immer diese Umschlüsselung der Gemeinkosten auf die Produkte kalkulatorisch erfolgen mag, entscheidend ist: Die Summe der für die diversen Produkte tatsächlich verdienten Gemeinkosten muss den Gesamtgemeinkosten der Rechnungsperiode entsprechen. Ist das nicht der Fall, tritt ein Verlust ein und damit die Notwendigkeit für die kommenden Rechnungsperioden, die Verrechnung der Gemeinkosten in ihrer Höhe und Aufteilung neu festzulegen. Eine falsche Gemeinkostenzuordnung führt zu falschen Produktpreisen und damit vermutlich zu unzureichender Ausschöpfung der Marktchancen. Erfahrungsgemäß werden die ohnehin schwächeren Produkte (C-Titel) unzureichend belastet. Dieser Zusammenhang von • Stückkalkulation • Auflagenkalkulation • Planungsrechnung (s.-Kap.-3.7.6) ist von großer Bedeutung. Ist die Stückkalkulation zutreffend und die angenommene zeitliche Verteilung des Abverkaufs über mehrere Rechnungsperioden ebenfalls, entsteht eine tragfähige Planungsrechnung, in die die Erlöse und Kosten periodengerecht eingehen (s. Kap. 2.6.2). <?page no="153"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 154 Nachstehend ein Beispiel aus der Praxis für eine Einfachst-Titelkalkulation für ein Buch von 3.300 Druckauflage, 3.000 Verkaufsauflage. auf Stückbasis auf Gesamtbetragsbasis (für Gesamtverkauf in mehreren Perioden) Satzkonvertierung 2 250,- Umschlag (Grafiker) 600,- Druck/ Papier/ Einband 8.900,- 11 750,- Ladenpreis 24,90 ./ . Rabatt (38%) 9,46 15,44 ./ . 7% MWSt. 1,01 Verlagserlös 14,43 Erlös (3.000 Ex.) 43 290,- ./ . Herstellkosten 3,92* 11 750,- ./ . Honorar (10% abzgl. Mwst) 2,33 6.990,- Rohertrag 8,18 Rohertrag 24 550,- ./ . Sondereinzelk. Vertr. (7,9 % v. Erlös) 1,14 SEK 3.420,- DB II 7,04 DB II 21.130,- ./ . GK Verlag (42%) v. Erl. 6,06 GK Verlag 18.182,- »Gewinn« (Überschuß) 0,98 2.948,- (7%) v. Erl. * Für die Kalkulation müssen die Freiexemplare (Zuschuss) ausgeklammert werden, da sie ja keinen Ertrag bringen. Die kalkulatorischen Stückkosten betragen also 11.750 : 3.000 = 3,92, obwohl die technischen Stückkosten auf die Vollauflage nur 3,56 betragen. Divisor muss also immer die geplante Verkaufsauflage, nicht die Gesamtauflage sein. Wesentlich verfeinert und zugleich für die Abwägung alternativer Auflagenhöhen angelegt ist folgendes Kalkulationsschema: <?page no="154"?> 155 3.6 Kalkulation und Preisfindung l u ti n nd P sfi du 23 Ladenpreiskalkulation Titel ................................................................................................ Autor(en) / Hrsg. ................................................................................................ Seitenumfang 192 Lektor/ in ................................................ Format 14 x 21 Hersteller/ in ............................................ Papier Offset 90 gr Übersetzung........................................... Einband kt Satz ........................................................ Bindung Klebebindung Korrektorat ............................................. Beigabe/ Sonderausstattung ohne CD Druck Titelgruppe 35560 Ersch.-Termin......................................... ISBN 3-446-22664-8 Vormerker .............................................. Projektnr. 14238 A B C Ladenpreis € 19,90 € 19,90 € 19,90 Auflage 2.000 2.500 3.000 davon Freiexemplare 150 150 150 Rabattsatz in % 42,50 42,50 42,50 Nettopreis € 10,69 € 10,69 € 10,64 [69] Fixe Herstel kosten gesamt € 2.265,00 € 2.277,00 € 2.289,00 Variable Herstellko./ Expl. € 1,80 € 1,60 € 1,47 Honorarsatz NE incl KSV in % 15,75 15,75 15,75 Honorarpauschale € 0,00 € 0,00 € 0,00 Honorarsatz NLP incl KSV in % 0,00 0,00 0,00 Mehrwertsteuer in % 7,00 7,00 7,00 Vertriebskosten in % 14,50 14,50 14,50 Werbekosten in % 7,00 7,00 7,00 Fachvlg.-Gemeinkosten in % 25,00 25,00 25,00 DB II in % vom NP 10,00 10,00 10,00 Umsatz € 21.387,85 € 26.734 , 81 € 32.081,7 - Vertriebskosten € 3.101,24 € 3.876,55 € 4.651,86 - Werbekosten € 1.497,15 € 1.871,44 € 2.245,72 - Herstel kosten € 6.135,00 € 6.517,00 € 6.919,50 - Honorarkosten € 3.368,59 € 4.210,73 € 5.052,88 - sonstige Kosten € 0,00 € 0,00 € 0,00 + sonstige Erlöse € 0,00 € 0,00 € 0,00 = Deckungsbeitrag € 7.285,88 € 10.259,10 € 13.211,81 % Deckungsspanne € 34,07. € 38,37 € 41,18 - Gemeinkosten € 5.346,96 € 6.683,70 € 8.020,44 = DB II € 1.938,91 € 3.575,39 € 5.191,37 DB II in % 9,07 13,37 16,18 Herstellkosten je Buch € 3,07 € 2,61 € 2,31 Multiplikator 6,49 7,63 8,63 Mindestladenpreis € 9,10 € 7,73 € 6,84 Deckungsauflage 914 971 1.031 Soll-Ladenpreis € 20,57 € 17,48 € 15,47 Herstellkosten in % vom Umsatz 28,68 24,38 21,57 <?page no="155"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 156 4 K p te 3 r t ung st n VORKALKULATION Autor: .............................. Titel: .............................. Umfang: 192 Seiten Format: 12,5x20,5 cm Ausstattung: gebunden m. SU Auflage: ........................... Hersteller: ........................... Lektor: ........................... Staffelhonorar: 7,00 Prozent bis 6.000 9,00 Prozent ab 6.001 10,00 Prozent ab 10.001 Kalkulation 1 Kalkulation 2 Quote: 6.000 8.000 Ladenpreis: 19,90 19,90 Nettopreis: 9,86 9,86 Verkaufsauflage: 5.610 7.480 Freiexemplare: 390 520 Kosten zur Berechnung Fixe Herstellkosten: 8.908,00 8.908,00 Var. Herstellkosten: 1,12 1,07 Berechnungen: Umsatz: 55.297,82 73.730,43 ./ . Vertriebskosten: 8.294,67 11.059,56 ./ . Werbekosten: 4.976,80 6.635,74 ./ . Herstel kosten: 15.628,00 17.468,00 ./ . Honorarkosten: 7.303,49 10.288,49 ./ . sonstige Kosten Deckungsbeitrag 19.094,86 28.278,64 % Deckungsspanne: 34,53 38,35 ./ . Gemeinkosten: 16.589,35 22.119,13 Rohgewinn: 2.505,51 6.159,51 Gewinnspanne in % 4,53 8,35 Herstellkosten je Buch: 2,79 2,34 Nebenr. / sonst. Erlöse: 0,00 0,00 Rohgewinn zzgl. NR: 2.505,51 6.159,51 Erstellt am 16.03.12 <?page no="156"?> 157 3.6 Kalkulation und Preisfindung Für die Kosten/ Ladenpreiskalkulation gibt es eine Vielzahl von Standardprogrammen für den PC. Wer noch höhere Ansprüche hat, muss sich sein Kalkulationsprogramm maßgeschneidert erstellen (lassen). Zu unterscheiden von der Kalkulation ist die Preisfestsetzung. Die Kalkulation zeigt nur eine Preisuntergrenze für eine Vollkostendeckung bei realistischer (vorsichtiger) Verkaufserwartung auf. Wird der am Markt akzeptierte Preis höher eingeschätzt, sollte die Preisfestsetzung in diese Richtung geschehen. Umgekehrt kann die Kalkulation auch erweisen, dass das Projekt so nicht machbar ist. Dann muss die Kalkulation rückwärts, nämlich vom maximal erreichbaren Preis her aufgebaut werden und die Kosten entsprechend variiert (s.-target costing S.-151). 3.6.3 Zuordnung der Gemeinkosten In der Realität fallen für die einzelnen Titel sehr unterschiedliche Gemeinkosten an, es gibt arbeitsintensive, werbekostenintensive u.s.w. Eine unzutreffende Verteilung der Gemeinkosten nach Standard-Prozentzuschlägen auf die Produkte führt zur Gefahr falscher Preisfestsetzungen: Bei pauschalem einheitlichen Gemeinkostensatz für alle Titel werden die erfolgreichen Titel in der Regel zu hoch belastet, d.h. sie verdienen Gemeinkosten der umsatzschwachen Titel mit, da viele Kosten nicht umsatzproportional anfallen. Es ist daher ratsam, die pauschalierte Einheitsumlage so klein wie möglich zu halten, indem alle zurechenbaren Kosten aus dem sog. Gemeinkostenbereich wenigstens durch differenzierte Umlageschlüssel für verschiedene Kostenarten titel- oder zumindest titelgruppenspezifisch erfasst und zugeordnet werden. So wird z. B. in einem Verlag, der Bücher und Zeitschriften produziert, die Gemeinkostenbelastung in diesen beiden Bereichen durchaus unterschiedlich sein: von der Intensität der Betreuung im Produktionsprozess, über die Werbekosten und Sondereinzelkosten des Vertriebs bis zu den Kommunikationskosten (einschließlich Internetauftritt). Diese Kostendifferenzierung muss erfasst und in der Kalkulation abgebildet werden. So bietet es sich an (zumindest für größere Objekte), durch Stundenaufschriebe die aufgewandte Zeit in Lektorat und Herstellung auf das betreffende Objekt zu erfassen und diesem zu belasten, so wie etwa Wirtschaftsprüfer durch solche Aufschriebe den Aufwand pro Mandant erfassen. Einfacher ist es, wenn <?page no="157"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 158 bestimmte Mitarbeiter oder Gruppen voll auf ein Projekt oder eine Titelgruppe verrechnet werden können, weil sie nur für diese tätig sind. Umgekehrt hat es sich in vielen Verlagen durchgesetzt, für jeden Titel einen pauschalen Grundkostenbetrag anzusetzen (etwa zwischen €-2.000,- und €-4.000,-), um auch »kleine« Titel angemessen mit für jeden Titel ungeachtet seines Umsatzvolumens anfallenden Kosten (etwa für Verlagsverzeichnis, VlB, Ausstellungen, Rezensionen und Messen) zu belasten (s. Kalkulationsbeispiel S.-162 f.). Das führt zur Eingruppierung aller Titel nach dem ABC-Schema: A-Titel, d.h. Titel mit hohem Verkaufspotential dürfen hohe Kostenbelastungen erfordern (z.B. in Lektorat und Herstellungsbetreuung), die aber auch titelspezifisch erfasst und verrechnet werden müssen, B-Titel (mittleres Potential) nur eingeschränkt und C-Titel nur ein unverzichtbares Minimum. Bei Letzteren steckt der größte Teil des vertretbaren Gemeinkostenaufwands in der genannten Pauschale, weitere direkt zurechenbare Kosten können hier nur in ganz geringem Umfang akzeptiert werden. So erweist sich ein differenziertes Kostenerfassungs- und Kalkulationsschema als sehr nützliches Instrument zur Steuerung des Prozesses der Produkterstellung und damit der Gemeinkostensteuerung und Preisfindung. Das gilt in ganz besonderem Maß für Produkte, die ausgehend von einer gemeinsamen inhaltlichen Basis sowohl als Printprodukt, wie digital angeboten werden. Die direkte Zuordnung der zusätzlichen Kosten für die digitale Aufbereitung, die oft hausintern anfallen, müssen den beiden zwar verkuppelten, aber dennoch getrennt angebotenen Produkten zugeordnet werden. Gleiche Sorgfalt muss auf die Aufschlüsselung der sonstigen Kosten angewendet werden. Die Problematik lässt sich grafisch wie folgt darstellen: <?page no="158"?> 159 3.6 Kalkulation und Preisfindung Ziel muss es sein, durch geeignete Kostenerfassung einem Titel (oder einer Produktgruppe) die anteiligen Kosten so genau wie möglich direkt zuzuordnen. Am deutlichsten ist das in Verlagen mit verschiedenen Zweigen, bei denen bis zu den Raumkosten (nach effektiv genutztem m² Büroraum), dem Außendienst, den Kommunikationskosten alles verursachungsgerecht zugeordnet werden kann; damit wird die Restumlage (z.B. für Verlagsleitung, zentrale Dienste wie IT- und Personalabteilung) relativ niedrig. Obwohl kein logisch zwingender Zusammenhang zwischen Kostenkalkulation und Preisfestlegung besteht, werden beide sehr oft dennoch als Einheit behandelt. Das macht auch insofern Sinn, als die Kostenkalkulation die Preisuntergrenze bei realistisch eingeschätzten Absatzmengen aufzeigt, davon war schon oben die Rede. Erzwingt der Markt Preise unter dem von den Kosten Gesamtkosten Einzelkosten direkte Zurechnung Prozesskostenkalkulation „Rest“ Gemeinkosten Gemeinkosten „klassische“ Schlüsselung lmi lmn quasi-dir. Zurechnung Schlüsselung Kalkulationsobjekt (= Buch) lmi = leistungsmengeninduzierte lmn = leistungsmengenneutrale Kostenkalkulation (verändert nach Sibbel/ Hartmann 2005) Ermittlung der Produktkosten geteilt durch Kalkulationsauflage Stückkosten/ Exemplar Abb. 3.6: Ermittlung der Produktkosten vermittels Umlageschlüsseln <?page no="159"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 160 her erforderlichen, durch die Kalkulation aufgezeigten Niveau, gibt es nur drei Auswege: target costing, Mischkalkulation mit (hoffentlich ausreichend vorhandenen) ertragsstarken Titeln oder Aufgabe dieses Produkttyps. Kalkulationen sind nicht dazu da, das Verlagsprogramm zu gestalten, aber sie sollen Warnlichter sein und das Bewusstsein schärfen für die tatsächliche Lage. Sehenden Auges eine Unterkalkulation eines Buches - aus welchen Gründen auch immer - in Kauf zu nehmen, ist ehrenwert. Es unwissend zu tun, ist ein Symptom mangelnder Professionalität, und die wird in der Wettbewerbswirtschaft in der Regel schnell bestraft. 3.7- Auflagenbemessung und Laufzeiten 3.7.1 Fixkosten und variable Kosten Die nachstehenden zwei Diagramme muss jeder programmverantwortliche Verlagsmitarbeiter als Basis aller Entscheidungen verinnerlicht haben: • Pro Exemplar sinken die fixen Stückkosten stark, die variablen Stückkosten wesentlich geringer. • Pro Auflage steigen die Gesamtkosten mit jedem zusätzlich produzierten Exemplar Im nachfolgenden Beispiel sind vereinfachungshalber die variablen Stückkosten linear angesetzt, also ohne die Kostendegression, die sich auch in diesem Bereich pro Stück mit wachsenden Losgrößen in der Praxis ergibt. Die Degression der gesamten Stückkosten ist also in Wirklichkeit noch ausgeprägter als in dieser schematischen Darstellung. Die resultierenden Preise sind mit gewissen Auf- und Abrundungen auf marktübliche Preise mit Faktor 7 gerechnet, also dem mittleren Wert aus den %-Relationen des Kostenstrukturdiagramms auf S.-143. <?page no="160"?> 161 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten A. Die Gesamtkosten Auflage in 1000 Exemplaren Gesamtkosten in € auflagenfixe Kosten in € auflagenvariable Kosten in € Relation fixe : variable Kosten 2 13.000 10.000 3.000 333 % 4 16.000 10.000 6.000 166 % 6 19.000 10.000 9.000 111 % 8 22.000 10.000 12.000 83 % 10 25.000 10.000 15.000 67 % 12 28.000 10.000 18.000 56 % B. Die Stückkosten Auflage in1000 Exemplaren auflagenfixe Kosten/ Ex. in € auflagenvariable Kosten/ Ex. in € Gesamtkosten pro Ex. in € Ladenpreis 2 5,00 1,50 6,50 45,00 4 2,50 1,50 4,00 28,90 6 1,66 1,50 3,16 24,00 10 1,00 1,50 2,50 18,00 12 0,83 1,50 2,33 16,80 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 2 4 6 8 10 12 Auflage in 1000 Exemplaren Kosten in 1000 € fixe Auflagekosten gesamte Auflagekosten Abb. 3.7: Verlauf der Gesamtkosten <?page no="161"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 162 Die Kurvenverläufe zeigen: je höher die auflagenfixen Kosten (weitgehend die Kosten der Druckvorstufe), desto nachhaltiger wirken sich Erhöhungen der Druck- (bzw Kalkulations-)Auflage stückkostensenkend aus Dieses noch gar nicht besonders extreme Beispiel zeigt, wie groß die Verführung zur sog. »Flucht in die Auflage« bei nennenswertem Fixkostensockel ist. Die Verdoppelung der Auflage ermöglicht eine Senkung des Ladenpreises von € 45,auf € 28,90. Auch wenn letzter Preis eher als »marktgerecht« eingeschätzt werden sollte die entscheidende Frage ist, ob damit eine doppelt so hohe Anzahl von Exemplaren verkauft werden kann. Diese Frage ist bei demand-pull-Büchern sicher anders zu beantworten als bei push-Büchern (s.-Kap. 4.2.3.). Das Vordringen von DTP-Techniken reduziert wegen des geringeren Fixkostenanteils diese Gefahr, beseitigt sie aber nicht. Vielmehr ist es dann notwendig, zur Deckung der in den Verlag z.T. hereingewanderten Druckvorstufekosten eine zusätzliche interne Pauschale hinzuzurechnen. Das sei exemplifiziert an einer Variante der vorstehenden Modellrechnung für die drei untersten Auflagengrößen bei DTP-Verfahren, das zu reduzierten auflagefixen externen Kosten von nur noch € 3.000,führt. Dazu werden nun € 2.500,für ie Kurvenver äufe zeige : e ö er ie auflagenf xe Kosten (we tgehe e Kos en e Vo druckst fe esto nachha ti er irken sic Erhöhun er D uck (bzw Kalkulat ns )Auf age tüc kostensenke ieses n ch gar ch besonde s ex re e eispi l ze g wie gr die ü rung zur sog. „ uch n d e Auflage ei nennen r em ix osten el s . D e oppe u g er A f age e m glic t ne Senkung es npreis von € 4 ,auf € 8,90. Auch enn l tz r reis eh r a s „mar 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 Gesamtkosten/ Ex. in € auflagenfixe Kosten/ Ex. in € auflagenvariable Kosten/ Ex. in € Gesamtkosten�/ Ex. in € Auflage in Exemplaren 2 000 4.000 6.000 10.000 12..000 16.000 Abb. 3.8: Verlauf der Stückkostenkurve <?page no="162"?> 163 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten die erhöhten internen Kosten hinzugeschlagen, es ergeben sich also insgesamt €-5.500,- Fixkosten. Auflage Gesamtkosten Ges.Kosten / Ex. auflagenfixe Kosten/ Ex. aufl.-variable Kosten/ Ex. Ladenpreis 2000 8.500 4,25 2,75 1,50 29,80 4000 11.500 2,88 1,38 1,50 21,- 6000 14.500 2,42 -,92 1,50 17,- ohne den internen GK-Pauschalaufschlag zu den Fixkosten hätte sich ergeben: 2000 6.000 3.- 1,50 1,50 22,- 4000 9.000 2,25 -,75 1,50 16,- 6000 12.000 2.- -,50 1,50 14,- Die Preise wären in der unteren Variante zu niedrig angesetzt worden, weil die Verschiebung von externen zu internen Fixkosten nicht berücksichtigt wäre. 3.7.2 Bemessung der Druckauflagen Zwischen der Kalkulationsauflage und der Losgröße der technischen Produktion besteht kein zwingender Zusammenhang, weswegen i.d.R. in Verlagsverträgen zwar eine Planauflage genannt wird, der Verlag sich aber vorbehält, diese in einem Zug oder in mehreren Teilmengen (Losen) zu produzieren. Dann ist der Fixkostenbetrag auf diese Lose quotal umzulegen. Gefährlich wird dieses »Verschieben« angefallener Fixkosten auf spätere Produktionslose aber dann, wenn dies über Jahre geschieht und die Wahrscheinlichkeit solcher Nachdrucke immer geringer wird (s. S.-115 f.). Das Problem der Auflagenbemessung zwischen der Scylla hoher Stückkosten bei geringer Losgröße und der Charybdis hoher Lager-, Zins- (und am Ende gar Makulierungs-)Kosten bei großen Losen ist diffizil zu rechnen, aber als Denkansatz unverzichtbar. Das sei an einem einfachen Beispiel kurz verdeutlicht. Kalkulatorische Gesamtauflage (Planauflage): 6000 Exemplare Verkauf 1. Jahr 2000 Ex.; 2 Folgejahre je 1000 Ex., 4 Folgejahre je 500 Welche Variante, oder noch eine andere, die vorteilhafteste im Blick auf die Gesamtkosten ist, muss anhand der jeweiligen Stückkosten für die verschiedenen Lose in den unterschiedlichen Druckverfahren, sowie der Lager- und <?page no="163"?> 164 Zinskosten und des erwarteten Absatzverlaufes entschieden werden (s. a. Digitaldruck Kap. 3.7.3). Für die Bemessung einer Auflage (Losgröße) sind also folgende Faktoren wesentlich: • Degression der Stückkostenkurve • zeitliche Verteilung des vermutlichen Absatzes über mehrere Perioden • Unsicherheit über die überhaupt erzielbare Absatzmenge • tatsächliche Zins- und Lagerkosten für die noch nicht verkauften produzierten Stücke 2 3 4 5 6 7 1 1000 2000 3000 4000 Auflage (Lagerbest.) Jahr Variante B 1. Druck 3000 Offset, 2. Druck 1500 Offset, danach Jahresbedarf in Losen von 500 Ex. 2 3 4 5 6 7 1 1000 2000 3000 4000 Auflage (Lagerbest.) Jahr Variante A Digitaldruck in Losen von 500 Ex. 1. Druck 4500 Offset, danach Abb. 3.9: Alternativen der Aufteilung einer Planauflage in Losgrößen <?page no="164"?> 165 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten Je stärker die variable Stückkostenkurve geneigt ist und je gleichmäßiger und sicherer der zu erwartende Verkauf, desto eher sind höhere Losgrößen sinnvoll. Ein Beispiel sind z.B. eingeführte akademische Lehrbücher, deren Absatz einigermaßen stabil ist, deren Verkaufsmengen pro Jahr aber zu gering sind, um damit marktgerechte Stückkosten zu erreichen. Anders ist das bei gut gehenden Schulbüchern, bei denen ein Jahresbedarf schon sehr kostengünstige Drucklose ermöglicht. Diese Argumente für höhere Drucklose verstärken sich, wenn mit Eigen- und nicht mit Fremdmitteln finanziert wird, also nur ein kalkulatorischer Zins und nicht etwa sehr hohe Fremdzinsen anzusetzen sind. Generelle Rezepte gibt es nicht, die Entscheidung muss je nach konkreten Fakten (und Erwartungen! ) erfolgen. Auch bei der Auflagenbemessung gilt: hohe Risikofreude (d.h. hohe Druckauflage) bringt im Erfolgsfall höhere Gewinne, aber erhöht umgekehrt das Verlustrisiko beträchtlich. Tendenziell haben die Entwicklungen in der Drucktechnik (mit sehr gesunkenen Zurüstkosten) dazu geführt, dass heute kleinere Auflagen als früher zu günstigen Stückkosten gefertigt werden können. So ist es den Verlagen möglich geworden, bei einigermaßen stabilem Preisniveau die Druckauflagen in den letzten Jahren deutlich zurückzunehmen und damit den Entwicklungen am Markt Rechnung zu tragen. Es bleibt aber die schon erwähnte eiserne Notwendigkeit, dass die angefallenen Fixkosten mit der Gesamtmenge der verkauften Exemplare (egal in wie viel Teilmengen sie hergestellt wurden) wieder verdient werden. Einen weiteren Schritt in Richtung kleinerer Drucklose eröffnet der Digitaldruck. 3.7.3 Digitaldruck und Printing on Demand Bei der Diskussion sinnvoller Losgrößen spielt seit einigen Jahren die Möglichkeit des digitalen Druckes eine wichtige Rolle. Der Digitaldruck erlaubt, weil es keines Druckträgers bedarf und somit fixe Vorbereitungs- und Rüstkosten weitestgehend entfallen, vielmehr der »Druck« für jedes Exemplar über elektrostatisch aufgeladene Druckzylinder mit Toner(Pulver) vom Server, auf dem der Text liegt, direkt auf das Papier erfolgt, einigermaßen kostengünstige Herstellung von sehr kleinen Auflagenlosen bis hinunter zu einem einzigen Exemplar. Letzteres wäre das echte printing on demand: die Bestellung geht ein und das Buch wird hergestellt. Diese Vision eines Verlags ohne jede Lagerhaltung und ohne entsprechende Kosten und Risiken (s. S.-111 f.) ist mittlerweile mit Blick auf die Stückkosten bei permanenter Losgröße 1 in den Hintergrund <?page no="165"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 166 getreten zugunsten der Propagierung des Drucks sehr kleiner Lose und damit einer Lagerhaltung der betreffenden Titel in kleinen Mengen. Die noch vorhandenen Restriktionen beim Digitaldruck hinsichtlich Papierauswahl, angebotenen Formaten und Einbandarten sowie -materialien seien hier unerörtert, zumal es hier in letzter Zeit erhebliche Fortschritte gegeben hat. So bieten einige Druckereien bereits Hardcover im vollautomatischen Digitaldruck an. Die eigentliche Fragestellung in diesem Buch gilt ja den ökonomischen, also besonders den Kostenfragen. Hierzu nachstehend die Modellrechnung eines Digitaldruckanbieters. Auflage Offsetdruck: 2000 Stück Auflage Digitaldruck 4 Auflagen mit je 500 Stück Fall 1: Auflage wird voll verkauft Offsetdruck Digitaldruck Auflage 2000 Ex. Auflage 500 Ex. Herstellung 6.115 € 2.106-€ Lagerhaltung 1.012-€ 107-€ Kapitalbindung 917-€ 116-€ Schwund (2,5%) 357-€ 21-€ Gesamtkosten 8.401-€ 2.350 € × 4 = 9.400-€ Stückpreis 4,20-€ 4,70-€ Fall 2: Auflagenziel wird nicht erreicht Annahme: Es können nur 1.500 Exemplare verkauft werden. Von der 2000er Offsetauflage müssen 500 Stück makuliert werden (kostenneutral). Im BOD-Verfahren werden bedarfsgerecht 3 × 500 Stück produziert. Offsetdruck Digitaldruck Auflage 2000 Ex. Auflage 500 Ex. Gesamtkosten 8.401-€ 2.350-€ × 3 = 7.050-€ Stückpreis 5,60-€ 4,70-€ (Beispiel von »inprint« 2004) Das Diagramm auf S.- 164 trifft voll auch auf dieses Beispiel zu. Bei vollem Verkauf der Auflage ist der klassische Offsetdruck eindeutig günstiger, eventuell noch stärker als in der Musterkalkulation, wenn der Verkauf zügig erfolgt, also Zins- und Lagerkosten noch geringer sind als dort angesetzt. <?page no="166"?> 167 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten Es darf auch nicht übersehen werden, dass eine kurzatmige Nachdruckpolitik ihrerseits Dispositions- und Verwaltungskosten auslöst, die Gesamtrechnung muss also auch die alternativen Gemeinkosten, die bei den beiden Verfahren anfallen, einbeziehen. Der Werbeslogan der Digitaldrucker »lieber volle Kassen als volle Lager« greift daher doch etwas zu kurz - im wörtlichsten Sinne: es bedarf dann doch einer Bewertung über einen längeren Zeitraum. Wer nur noch nach kurzfristigen Liquiditätsgesichtspunkten entscheiden muss, steht offenbar mit dem Rücken an der Wand und muss mittelfristig bessere Ertragschancen opfern. Das heißt: die Kasse ist dann deshalb nicht voll, weil zu teuer produziert wurde. Abgesehen von Werken mit von vornherein minimalem Absatzpotential (<-300 Ex.) erscheint es daher eine sinnvolle Alternative, die bewusst vorsichtig anzusetzende Grundauflage (in obigem Beispiel vielleicht 1.200-1.500 Exemplare) konventionell herzustellen und dann Auflageaufstockungen in Losen von etwa 200 bis 300 Exemplaren vorzunehmen. Das würde die Kosten optimieren, allerdings wären die Gestaltungsgrenzen und damit Veränderungen im Erscheinungsbild im Digitaldruck nach Verkauf der Grundauflage hinzunehmen. Es wäre im nachstehenden Beispiel durchaus denkbar, dass eine kostenoptimierende Auflage nur 2.500 Exemplare betragen hätte. Das unterstreicht noch einmal, dass der zeitliche Verlauf des Verkaufs ganz entscheidend für die Kostenoptimierung ist - und gerade dieser zeitliche Verlauf des Absatzes ist zum Zeitpunkt, bei dem der Druckauftrag erteilt werden muss, schwer abzuschätzen. Es ist also auch eine Sache stärker oder schwächer ausgeprägten Vorsichtsverhaltens, wie knapp die Grundauflage angesetzt wird, d.h. wie früh schon mit den kleinen stückkostenmäßig ungünstigeren Auflagenaufstockungen im Digitaldruck begonnen wird. Jedenfalls erfordert eine solche zweigleisige Strategie eine entsprechende Gestaltung des digitalen Workflow, die Schnittstellen der beiden Druckformen müssen definiert werden. Auch diese Prozessstrukturierung löst Kosten aus. Eine aussagekräftige Vergleichskalkulation beider Verfahren bzw. eine optimierende Anwendung beider im Zeitverlauf ist also eine recht komplexe Aufgabe und muss weit über eine Einfach-Rechnung wie oben hinausgehen. Das ist die Perspektive des Verlags. Ganz andere Gesichtspunkte gelten z. B. für Autoren, die im Selbstverlag von vornherein nur sehr kleine Stückzahlen produzieren wollen, oder für vergriffene Werke, bei denen ein regulärer Nachdruck nicht mehr lohnt. Ein ganz anderes Argument für den Digitaldruck ergibt sich, wenn der Inhalt des Werkes laufend aktualisiert werden soll, etwa das Stammwerk eines <?page no="167"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 168 Loseblattwerkes. Erfolgt dessen Neudruck im Digitalverfahren von der tagesaktuellen Datenbasis auf dem Verlagsserver, können die erheblichen handling- Kosten des Nachlegens von Fortsetzungslieferungen ins Grundwerk erspart werden. Eine weitere Anwendung von Digitaldruck durch Verlage kann z.B. die Herstellung einer geringen Vorauflage (sog. Leseexemplare für den Buchhandel und Literaturkritik) anhand eines noch nicht ganz druckreifen Datenbestandes sein. Eine weitere Stufe von Printing on Demand im Sinne eines Publishing on Demand wäre eine online-Anbietung von Inhalten, die dezentral, ggf. auf dem Drucker in einer Buchhandlung oder des Endkunden, ausgedruckt würde (sog. »verteiltes Drucken«). Das ist aber wohl eher eine Anwendung im fachlichen Bereich, für Publikumsbücher erscheint sie derzeit wenig marktgerecht (s. a. Kap. 6). Unstreitig wird aber, auch durch das zu erwartende Sinken der Stückkosten beim Digitaldruck, der Anteil dieses Verfahrens am Gesamtmarkt deutlich steigen. Der Marktführer für Digitaldruckanlagen, Xerox, hat das »reife« Marktvolumen kürzlich auf ca. 18 Mrd. Dollar jährlich geschätzt. Diese Tendenz verstärkt sich noch durch das Hineinwachsen der Office-Printer, die einen Bruchteil der großen Anlagen kosten, in diesen Anwendungsbereich. Bei der Herstellung von Werbemitteln im mittleren Auflagenbereich ist diese Verschiebung bereits voll im Gang. 2 3 4 5 6 7 1 250 500 1000 Auflage Jahr ? Evtl. Digitaldruck Verkäufe 1. Jahr 700 2. Jahr 800 3. Jahr 600 4. Jahr 500___ 2.600 5. Jahr 350 6. Jahr 250___ 3.200 Ex. Abb.-3.10: Typischer Verlauf einer Absatzkurve bei Fachbüchern <?page no="168"?> 169 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten 3.7.4 Deckungsauflagenrechnung Eng verknüpft mit der Festlegung der Drucklose ist der Aspekt der Mittelbindung in den produzierten Exemplaren. Bei Knappheit liquider Mittel wird man die Drucklose eher niedrig ansetzen, auch um den Preis höherer Stückkosten. Man kann es auch so formulieren: bei gegebenem »Investitions«volumen ins Warenlager können bei knapperer Ansetzung der Losgrößen mehr Titel finanziert, d.h. mit gegebenen Mitteln mehr Umsatz erzielt werden. Ob nun der höhere Umsatz mit aufgrund der erhöhten Stückkosten niedrigerem Ertrag/ Exemplar der höheren Ertragskraft/ Exemplar von (im Blick auf die Produktionskosten) optimal angesetzten Losgrößen, die mehr Mittel binden, vorzuziehen ist, ist eben im Voraus ganz schwer abzuschätzen. Es bleibt eine unternehmerische Entscheidung unter Unsicherheit, bei der eine »Gegenprobe«, ob vielleicht die andere Entscheidung einen höheren Gesamtertrag gebracht hätte, immer nur ein Nachtarocken anhand nun vollständiger Information bleibt. Allenfalls kann man aus solchem Nachrechnen das eigene Gefühl für Absatzeinschätzungen verbessern. Ein entscheidendes Kriterium ist dabei, wie schon gesagt, der zeitliche Absatzverlauf. Es genügt nicht, nur die Gesamtauflage zu betrachten, wie das meist in den Kalkulationen geschieht, sondern den vermuteten Absatz in mehreren Perioden. Die beiden nachstehenden unterschiedlichen Absatzverläufe führen zu entsprechend unterschiedlichen Drucklosen: A B Periode 1 4.000 800 Periode 2 600 1.200 Periode 3 300 1.500 Periode 4 150 1.500 5.000 5.000 Buch A könnte z. B. ein Roman mit rasch ausblühendem Potential sein, Buch B ein Fachbuch, das eine Phase der Markteinführung benötigt, um sein volles Potential - dieses dann dauerhaft - zu entfalten. Titel A wird man in einem Los produzieren, bei B sind zwei Drucklose erwägenswert (s.o.). Dieser Aspekt von Mittelbindung bzw. Mittelrückfluss wird in einfacher Weise durch die Ermittlung der Deckungsauflagen dargestellt. Deckungsauflage 1 bedeutet die Zahl von Exemplaren, die verkauft sein muss, um die <?page no="169"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 170 angefallenen Fremdkosten wieder einzuspielen, er verdeutlicht die anfallende Liquiditätsbelastung. Die Deckungsauflage 2 ermittelt die Zahl von Exemplaren, bei der die Gesamtkosten (also einschließlich der Verlagsgemeinkosten) gedeckt sind. Durch die Ermittlung der Deckungsauflagen fließt also der temporale Aspekt in die Kalkulation ein: die ermittelte Zahl zu verkaufender Exemplare macht mit Nachdruck deutlich, wie notwendig es ist, sich zu vergegenwärtigen, ob diese Exemplare innerhalb sinnvoller Frist überhaupt verkauft werden können. Dazu ein einfaches Rechenbeispiel: Herstellkosten insgesamt € 12.600,- Druckauflage 3.100 Verkaufsauflage 2.900 HK/ Ex. der Verkaufsaufl. 4,34 A B Ladenpreis 28,90 26,90 ./ . 38% Rabatt 10,98 10,22 Netto 17,92 16,78 ./ . 7% Netto 1,17 1,10 Verlagserlös 16,75 15,58 Honorar (10% v. Ladenpreis ohne MWSt.) 2,70 2,51 Herstellkosten 4,34 4,34 Sondereinzelkosten Vertrieb (7,5% vom Erlös) 1,26 1,17 Dem Verlag fließen mithin bei Ladenpreis A nach Abzug der durchlaufenden Posten Honorar (2,70) und SEK (1,26) pro Exemplar €-12,79 zu, bei Ladenpreis B €-11,90 (15,58 ./ . 2,51 ./ . 1,17). Die 1. Deckungsauflage bei Preis A beträgt: € 12.600,- : 12,73 = 990 Exemplare. Mit dem Verkauf von 990 Exemplaren (also 1/ 3 der Auflage) sind die Herstellkosten gedeckt (bei Preis B € 12.600,- : 15,58 ./ . 2,70 ./ . 1,17 bei 1.059 Exemplaren). Es seien die Verlagsgemeinkosten 44% vom Verlagserlös, d.h. 0,44 × 16,75 = €-7,37/ Exemplar, bei der Verkaufsauflage von 2.900 Exemplaren also €-21.373,- (die Gemeinkosten auf die Druckauflage bezogen, da die Freistücke keine Erlöse erzielen). <?page no="170"?> 171 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten Deckungsauflage 2 also (€- 12.600,- + €- 21.373,-) : 12,73 = 2.669 Exemplare (bei Preis B ergibt sich (€- 12.600,- + €- 19.880,-) : 11,71 = 2.774 Exemplare). Bei Verkauf der Gesamtauflage sind in unserem Beispiel A also die Gesamtkosten gedeckt und mit dem Erlös von 231 Exemplaren = € 2.940 ein kleiner Gewinn entstanden. Dabei wird der Vereinfachung halber vernachlässigt, dass ein (i.d.R. kleinerer) Teil der Verlagsgemeinkosten pro rata temporis anfällt, also etwas zuviel Kosten schon verrechnet wurden. Es handelt sich also um eine gerade noch auskömmliche Kalkulation mit etwas Puffer für einen die Absatzerwartungen nicht voll erreichenden tatsächlichen Verkauf. Beim Preis von €-26,90 fallen nur noch € 1.450,- (für 124 Exemplare) an - eindeutig zu wenig. Der Vergleich macht aber auch deutlich, dass € 3,- Preisdifferenz den Verlagsgewinn relativ bescheiden verbessern: die Differenz beträgt 2.940 ./ . 1.450 = 1.490. D.h. von dem Mehrumsatz im Buchhandel von 2.900 x 3.- = €-8.700,verbleiben nur 17% dem Verlag zur Ergebnisverbesserung - der Rest verschwindet durch Proportionalisierung in diversen Kostenbereichen, allerdings auch zu nennenswertem Teil zugunsten der Verlagsgemeinkosten. In der Literatur finden sich durchaus unterschiedliche Definitionen der Deckungspunkte, je nachdem, was aus dem zunächst angefallenen Verlagserlös herausgerechnet wird (so unterscheidet z. B. Bramann drei und mehr verschiedene Deckungspunkte). Wenn man den Hauptzweck der Ermittlung von Deckungspunkten aber in der Bestimmung des Mittelrückflusses sieht, scheinen mir die hier verwendeten Definitionen und zwei Deckungspunkte die Bedürfnisse der Praxis ausreichend abzudecken. Die Berechnung der Deckungspunkte entspricht dem Begriff der breakeven-Analyse, also derjenigen verkauften Menge, bei der die Gewinnschwelle erreicht wird. <?page no="171"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 172 Sehr vereinfacht lässt sich das wie folgt darstellen: Was in solch vereinfachten Rechnungen unberücksichtigt bleibt, ist der Zeitfaktor, also auch die Zins- und Lagerkosten. Diese müssen eben im Pauschalansatz der Gemeinkosten enthalten sein. Insoweit Grundpauschalen pro Titel angesetzt werden, ist der Gemeinkostensatz entsprechend zu reduzieren mit der Konsequenz, dass »kleine« Titel teurer und umsatzstarke Titel günstiger kalkuliert werden. Auf jeden Fall geben die Deckungsauflagen einen Hinweis auf die Zeitkomponenten des Absatzes; insbesondere sollte das Erreichen der Deckungsauflage 1 möglichst nicht 12 Monate überschreiten - im Idealfall wäre dieser Punkt bereits durch die Vorbestellungen bei Erscheinen erreicht. 3.7.5 Deckungsbeitragsrechnung Obwohl im Wortlaut ähnlich klingend wie Deckungsauflagenrechnung handelt es sich um etwas völlig anderes: Die Deckungsbeitragsrechnung ermittelt denjenigen Betrag, den ein Produkt über die ihm direkt zurechenbaren Kosten € Menge A X Erlöse Kosten Verlustzone Gewinnzone X = Punkt der Vollkostendeckung (2. Deckungspunkt) A = Hier sind schon die allermeisten Kosten angefallen, aber noch kein Erlös (Erscheinungstag eines Buches) Abb. 3.11: Der break-even-Punkt (Gewinnschwelle) <?page no="172"?> 173 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten - also die Kosten, die unmittelbar durch seine Produktion und sein Vorhandensein anfallen - hinaus erwirtschaftet. Dieser Überschuss trägt dann zur Deckung des allgemeinen Kostensockels bei. Es ist also sinnvoll, Titel mit positivem Deckungsbeitrag 2 ins Programm aufzunehmen, auch wenn sie keine kalkulatorische Vollkostendeckung versprechen: der Gesamtertrag verbessert sich. Das gilt aber nur, solange sich der Fixkostensockel des Unternehmens durch diese zusätzlichen Titel nicht erhöht, also z.B. aufgrund von Lagerreserven keine zusätzlichen Lagerkosten entstehen. Wäre das der Fall, müsste die gesamte Rechnung revidiert werden und ggf. die Entscheidung für die Zukunft anders ausfallen. Dazu ein sehr einfaches Beispiel: Solange die vorhandenen Kapazitäten im Lektorat, in der Herstellung und im Vertrieb ausreichen, noch weitere Titel zu betreuen, ist deren Produktion, positiven Deckungsbeitrag vorausgesetzt, sinnvoll. Sobald aber auf einer oder allen Ebenen zusätzliches Personal erforderlich wird (»sprungfixe Kosten«), muss das bewährte Vollkostendenken wieder greifen, denn nun fallen ja wieder entsprechende Kosten neu an, die in der ersten Situation (keine Vollauslastung der Kapazitäten) ohnehin schon gegeben waren. Hat z.B. das Lektorat noch Kapazitäten, die Herstellungsabteilung aber nicht, tritt das Problem des Flaschenhals-Managements auf: An welcher Stelle treten mit einem Titelzuwachs personelle Engpässe auf? Die Deckungsbeitragsrechnung ist also ein wichtiges, aber auch mit großer Vorsicht (und dauernder Nachkontrolle) zu handhabendes Instrument der Produktplanung. Falsch - d.h. zu weitreichend - angewandt, führt sie wegen der Existenz sprungfixer Kosten zur Kostenunterdeckung. Doppelte Vorsicht ist zumal deshalb geboten, weil die Ertragsrechnung für ein zukünftiges Produkt (wie in Kap. 3.6.1 ausführlich behandelt) ein Bündel von Erwartungswerten ist: Wenn schon in dieser Phase keine Vollkostendeckung, sondern nur ein (unterproportionaler) Deckungsbeitrag zu erwarten steht, ist besonders kritische Abwägung geboten! 3.7.6 Planungsrechnung (s. a. Kap. 2.6.2) Weil es wegen der verbalen Nähe der Begriffe Deckungsauflagen bzw. Deckungsbeitrag verführerisch ist, zwischen beiden eine direkte Beziehung zu sehen, ist auf den fundamentalen Unterschied zwischen der Titelbetrachtung über den gesamten Lebenszyklus der Auflage bei der Ermittlung von Deckungsauflagen und der Ermittlung der Deckungsbeiträge einer Rechnungsperiode für deren Gewinn- und Verlustrechnung deutlich hinzuweisen: Der <?page no="173"?> 3. Herstellung, Kosten und Kalkulation 174 Jahresumsatz eines Verlags entsteht aus einer zeitlich über viele Zeitschichten verteilten Produktion: Dem Verkauf von Titeln, die in Vorperioden produziert wurden, dem periodenidentischen Verkauf (z. B. Zeitschriftenabonnements) und andererseits Titeln, deren Potential weit in zukünftige Perioden hineinreicht, deren Produktionskosten aber in diese Rechnungsperiode fallen, sowie solche, für die im Kalenderjahr nur Vorlaufkosten anfallen, die aber erst später erscheinen und Umsätze erzeugen. Der Gesamtertrag eines Buches verteilt sich nahezu immer auf mehrere Rechnungsperioden. Schematisch lässt sich das so darstellen: Der Jahreserlös im Warenbereich entspricht der Summe der schraffierten Flächen, die ihrerseits jeweils Hunderte von Titeln bedeuten können. Das verdeutlicht die Komplexität einer rechnerisch schlüssigen Überführung von Einzeltitelbetrachtung in die periodische Rechnungslegung. Ein Verlag hat eine hochkomplexe Mischung von Produkten sehr unterschiedlicher Laufzeit, er steht also zwischen zwei betriebswirtschaftlichen Extremen: der Molkerei (Rohmilch heute rein, morgen raus) und der Waldwirtschaft (heute pflanzen, in 100 Jahren ernten). Zu unterscheiden sind also die Auswirkungen der Ergebnisse der einzelnen Titel in einer Rechnungsperiode von dem möglichen Gesamterfolg des Titels in mehreren Rechnungsperioden. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist eine Longseller zukünftige Longseller backlist, die ausverkauft wird periodenidentische Titel (z.B. Zeitschriften und Eintagsfliegen) Nova aus Vorperioden mit noch anwachsendem Potential Rechnungsperiode (G u V) Abb. 3.12: Der Umsatzbeitrag von Titeln in verschiedenen Lebensphasen zum Periodenumsatz <?page no="174"?> 175 3.7 Auflagenbemessung und Laufzeiten Zusammenführung aller in einer Periode angefallenen Kosten und Erträge, also ein willkürlicher Zeitausschnitt aus dem Gesamtgeschehen, vorgegeben durch handelsrechtliche und steuerliche Vorschriften. Welche Gefahren entstehen, wenn man diesen Zeitausschnitt zum wichtigsten Maßstab von Entscheidungen macht, die über viele Perioden wirken, dafür gibt ein Blick in die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen überreiche Hinweise: langfristige Ertragschancen, zukünftige Synergien werden dann untergewichtet gegenüber dem kurzfristigen Erfolg, der »bottom line« der Periodenrechnung. Etwas überspitzt: während der konservative Inhaber-Unternehmer die bottom-line eher knapp halten wird, um Steuern in die Zukunft zu verlagern, drängen Banken (wenn man sie braucht) und falsche Tantiememodelle (für Geschäftsführer und Bereichsverantwortliche) zu möglichst hohem Ausweis des Deckungsbeitrag II einer Periode als häufigster Bezugsgröße zur Messung der Ertragskraft. Zu Leichtsinn verführende Konzepte, die zur Aufblähung und Schönung der Periodenergebnisse führen, wie Ebitda, d.h. Gewinn vor Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen, tun dann das Ihre. Es werden luftige positive Bilder gemalt, deren mangelnde Tragfähigkeit sich rasch erweist: Mehrere »positive« Ebitdas in Folge, die in Wahrheit Verluste und Liquiditätsverzehr bedeuten, weil dieser Überschuss nicht zur Deckung der weiteren, bislang ausgeklammerten Position reicht, rächen sich bitter. Mittelfristig ist Vollkostendeckung durch nichts zu ersetzen. Da hilft keine Deckungsbeitragsrechnung und keine noch so elegant erdachten neuen Ertragskennziffern! Die Deckungsbeitragsrechnung ist wertvoll bei nicht ausgelasteten Kapazitäten, also wenn die Hereinnahme weiterer Titel keine Kostensteigerung im Fixkostenbereich auslöst; als langfristige Leitlinie führt sie unweigerlich in die Verlustzone. Gerade im Verlagswesen muss man Zeit haben - die gewährt die langfristige Denkweise von Inhabern in viel stärkerem Maß. Alle Planungsrechnungen müssen auf Einzeltitel-, auf Produktgruppen- und auf Unternehmensbasis auf das Ziel der Vollkostendeckung hin ausgerichtet sein: Argumentative Brillanz (z.B. warum die Zinskosten nicht in die Beurteilung des Periodenantrags einfließen sollten) kann nie kaufmännische Solidität ersetzen, es sei denn in rein zukunftsorientierten Börsenprospekten: vestigia terrent. <?page no="176"?> 177 4. Marketing, Werbung und Vertrieb »Die Zerstreuung eines Buches durch die Welt ist ein fast ebenso schwieriges und wichtiges Werk als die Verfassung desselben.« F. Schiller an J. F. Cotta 4.-1 Marketing als zentrale Aufgabe des Unternehmens Der Begriff »Marketing« wird in der Praxis häufig in einer verengten Bedeutung benutzt und gleichgesetzt mit Werbung und Vertrieb. Was aber meint der Marketing-Begriff eigentlich? Nehmen wir eine gängige Definition aus der betriebswirtschaftlichen Lehrbuchliteratur, so finden wir Es ist offensichtlich, dass eine so umfassende Zielsetzung nicht in einer einzelnen Abteilung des Verlages erarbeitet werden kann, sondern dass das Marketingkonzept alle Abteilungen durchdringen muss von der Produktplanung über die Produktionsorganisation bis zu Vertrieb, Werbung, Personalpolitik usw. Die Aufgaben von Marketing in diesem eigentlichen, umfassenden Sinn können also nur von der so genannten »Verlagskonferenz« erfüllt werden, in der die Leiter aller Abteilungen zusammen mit der Geschäftsleitung über Programm, geeignetes Produktdesign, Preisfindung, Absatzkanäle, Werbemaßnahmen usw. entscheiden. Somit ist die Organisationsstruktur (s. Kap. 2.3) sehr wesentlich für eine effiziente und kostengünstige Leistungserbringung unter Wahrung des integralen Marketingansatzes. Nur die integrierte Betrachtung dieser Komponenten, also echtes Marketing, kann zu dauerhaften Erfolgen führen. Marketing ist letztlich zielorientierte Unternehmenspolitik überhaupt. Ein Beispiel: Was nützt einem Verlag ein überaus Erfolg versprechender Titel, wenn er das entsprechende Marktsegment, die spezifische Zielgruppe mit seiner Vertriebspolitik, seinen gewohnten Absatzkanälen nicht erreichen kann? Die Erschließung neuer Marktbereiche ist ein sehr kostspieliger, langfristiger Prozess - mit Euphorie und plötzlicher Geschäftigkeit ist da nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren: nicht nur Geld, sondern auch Glaubwürdigkeit und Ansehen nach außen und viel Mitarbeitermotivation nach innen. So kann ein auf wissenschaftliche Literatur spezialisierter Verlag eben nicht so leicht Praktikerliteratur im gleichen Themenfeld erfolgreich vermarkten. Marketing ist systematisch geplante marktorientierte Unternehmenspolitik <?page no="177"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 178 Eine sinnvolle Einsicht in diese Grundgegebenheiten vermittelt folgendes Diagramm: Jeder Verlag muss sich dieser Marktbegrenzungen bzw. seiner eigenen (beschränkten) Marktkompetenz bewusst sein. Für jedes Unternehmen gibt es • räumliche • zeitliche • sachliche Marktbegrenzungen, die entweder auf der eigenen Seite oder der der Nachfrager liegen können. Sie zu durchbrechen, ist eine arbeits- und kostenintensive Sache mit großen Risiken. Das vorstehende Diagramm darf dabei nicht als Darstellung des Gesamtmarktes »Buch« gesehen werden, da auf diesem kein Verlag tätig ist, sondern nur auf Teilmärkten. Für jede Marktanalyse ist jeweils nur dieser Teilmarkt relevant. Dessen maximales Volumen ist im Diagramm der äußere Kreis. Was auf dem Schulbuchmarkt geschieht, ist für einen Reiseführerverlag ganz irretatsächliches Marktvolumen Marktpotential Der Verlag in seinem Marktumfeld b a Markt anteil Die Pfeile zeigen die beiden möglichen Marktausweitungen die Erschließung neuer Kundenschichten oder Marktfelder (a) oder den Verdrängungswettbewerb (b) Abb. 4.1: Markt und Marktanteil <?page no="178"?> 179 4.1 Marketing als zentrale Aufgabe des Unternehmens levant usw. Ohne eine solche sachliche Eingrenzung des Marktbegriffs wäre es ja auch praktisch unmöglich, das Hauptziel aller Werbearbeit zu erreichen: Sichtbarkeit (visibility) für das Unternehmen und die einzelnen Produkte. Nicht nur kartellrechtlich ist dabei eine praxisnahe Definition des jeweilig relevanten Marktes schwierig. Selbst innerhalb eines Themenfeldes, z.B. »Wirtschaft«, gibt es sehr unterschiedliche Märkte, auf die dieses Diagramm sinnvoll bezogen werden kann: z.B. den akademischen Markt der Wirtschaftswissenschaften und den Markt der Praxisbücher für die Wirtschaft. In der Regel sind dafür ganz unterschiedliche Verlage tätig, denn Produkte, Zielgruppenansprache und Vertriebsstrukturen müssen den spezifischen Teilmarktgegebenheiten entsprechen und sorgfältig darauf abgestimmt sein! Das obige Diagramm verdeutlicht zugleich die beiden möglichen Wege von Wachstum eines Unternehmens: Die Wachstumsstrategie a vergrößert durch Produktinnovation oder Erschließung neuer Käuferschichten das Marktvolumen. Das wird oft einem einzelnen Unternehmen nur bedingt möglich sein - eher geht es hier um generelle Marktentwicklungen, von denen einzelne Verlage aber überproportional profitieren können. Die Wachstumsstrategie b ist die einer Erhöhung des Marktanteils durch Verdrängungswettbewerb (z. B. entsprechende Preispolitik, aggressive Werbe- und Vertriebsmethoden u.a.) oder durch Aufkauf von Konkurrenzunternehmen. Letzteres prägt die Verlagslandschaft der letzten Jahre sehr deutlich. Marketing hat also viel mit Produktinnovation, mit langfristiger Unternehmensplanung im Blick auf die vermutliche Entwicklung der - vom Unternehmen derzeit bearbeiteten und eventueller künftiger - Märkte zu tun: Unterschiedliche Wachstumsraten von Marktsegmenten, veränderte Distributionsstrukturen, zu erwartende Änderungen der Nutzerbedürfnisse sind zentrale Herausforderungen für das Marketing - die so genannte »Marketing- Mitarbeiterin« in der Vertriebsabteilung wird allein nicht bewältigen können, was Dauerauftrag für das Gesamtunternehmen ist. Eine schlüssige Marketingkonzeption für ein Unternehmen erfordert eigentlich empirische Marktforschung mit Methoden der entsprechenden Institute. Das ist für Bücher weitestgehend unmöglich, da das Umsatzvolumen einzelner Titel viel zu klein ist, um die hohen Marktforschungskosten zu rechtfertigen. Es bleiben dem Verleger daher i.d.R. nur der (oft gar nicht so schlechte) Analogieschluss aus Erfahrungen mit ähnlichen Objekten und die leider nicht entbehrliche Intuition. Mögliche Wachstumsstrategien können etwas differenzierter als im vorangegangenen Diagramm dargestellt werden, nämlich als Produktinnovation <?page no="179"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 180 (Strategie 3) oder Erschließung neuer Marktsegmente (Strategie 2) oder als Kombination beider (Strategie 4) konzipiert werden: Märkte Produkte neu 2 4 derzeit 1 3 derzeit neu Produkte Zielgruppen Welche der Strategien dabei sinnvoll bzw. für das spezifische Unternehmen machbar ist, muss sorgfältig geprüft werden. Es kann sein, dass die Erschließung neuer Marktbereiche viel zu teuer ist im Vergleich zur Entwicklung neuer Produkte. Ebenso gut kann es umgekehrt sein - es gibt keine allgemein gültigen Regeln hierfür. Dieses Diagramm wurde bereits in Kap. 2.1 herangezogen. Die Begeisterung für Feld 4 - oft von Betriebsberatern beredt unterstützt - mit hoher Dynamik sollte nicht den Blick dafür versperren, dass selbst im einem schrumpfenden Markt ein einzelnes Unternehmen wachsen kann. Nachhaltigkeit und Qualitätsorientierung und der richtige Marketing-Mix können so erstaunliche Ergebnisse zeitigen - gerade im langfristig angelegten Verlagsbereich, wo kurzfristige Kraftakte i.d.R. wenig bringen. Das gilt in besonderem Maß für kleinere Unternehmen, deren geringes Eigenkapital hohe Risiken und Vorleistungen, wie neue Märkte sie erfordern, nicht erlaubt. Eine gängige Strukturierung der Aufgaben des Marketing bietet das Diagramm auf der folgenden Seite. Abb. 4.2: Die Produktmatrix <?page no="180"?> 181 4.1 Marketing als zentrale Aufgabe des Unternehmens Das Ausschöpfen aller Instrumente dieser vier Säulen bezeichnet man auch als Marketing-Mix. In ihm sind sowohl langfristige (strategische) Aspekte (Produktpolitik, Absatzpolitik) als auch kurzfristige (taktische) Aspekte wie etwa Preispolitik, Werbung, Lieferfristen enthalten. Die erste Säule ist im Verlag operativ weitgehend in Lektorat (Kapitel 2) und Herstellung (Kapitel 3) angesiedelt, während die anderen drei Säulen üblicherweise zum Bereich Vertrieb und Werbung gehören. Sie sind der Gegenstand dieses Kapitels. Beim Begriff des Nutzens (Säule 1) geht es nicht nur um den reinen Gebrauchsnutzen (Informationswert) eines Buches, sondern im umfassenderen Sinn auch (und oft überwiegend) um ästhetische Komponenten, Lust- oder Prestigegewinn aus dem Erwerb. Voraussetzung für gelingendes Marketing ist also eine demgemäße Produktkonzeption und -gestaltung. Das bedeutet, bei der Marketingpolitik muss auf allen Tätigkeitsebenen der Adressat der Maßnahme im Vordergrund stehen. Es geht um Antworten auf die Fragen »Wer ist anzusprechen? «, »Mit welchen Argumenten soll er wozu überzeugt werden? «. Distributionspolitik Kontrahierungspolitik Kommunikationspolitik Produktpolitik - Qualität - Funktion - Design - Sortiment Marketinginstrumente - Absatzkanal - T ransportmittel - Lagerhaltung - Preis - Rabatte - Zahlungs- und Lieferbedingungen - Werbung - Verkaufsförderung - Public Relations Nutzen (beim Kunden) Verfügbarkeit (im Handel) Gegenleistung (seitens des Han dels) Information (für Kunden und Handel) zielt auf: wird behandelt in Kap. 2 u. 3 Kap. 4.2 Kap 4.3 Kap 4.4 Abb. 4.3: Die vier Säulen des Marketingkonzepts <?page no="181"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 182 Zudem geht es nicht nur um den (End-)Kunden, Marketingstrategien können auch ganz andere indirekte Wege gehen (siehe Abb. 4.4). Handelswerbung braucht andere Instrumente und Argumente als Endverbraucherwerbung. Letztere wird aber nur volle Wirksamkeit entfalten, wenn die Händlerwerbung erfolgreich und mit zeitlichem Vorlauf durchgeführt wurde. Andernfalls wird Bedarf geweckt, der mangels Warenpräsenz am point of sale nicht gedeckt werden kann. Analoges lässt sich auch für die Produktpolitik sagen. Stets sind die Marketinginstrumente so zu differenzieren und zeitlich zu koordinieren, dass die Zielfelder erreicht werden. Es wird viel von der Notwendigkeit der Markenbildung im Verlag geredet. Im strengen Sinn wird es im Buchbereich nur sehr wenige Marken geben wie etwa Langenscheidt, Brockhaus oder Duden, auch Gräfe & Unzer oder dtv wird man dazu zählen. Einzelne starke Titel machen noch keine Marke. Zu einer solchen gehören nach Hillebrecht: • Markenkern: verlegerische Idee und Inhalte • Markengestaltung: Produktpalette, Preisstrategie und Distribution • Markenkommunikation: Bekanntheit und Image der Marke • Markenakzeptanz: Gradmesser, wie die Marke im Handel und von Endkunden wahrgenommen wird. Zielfelder des Marketing Kundengerichtete Strategien Absatzmittlergerichtete Strategien Konkurrenzgerichtete Strategien Abb. 4.4 Adressaten der Marketingaktivitäten <?page no="182"?> 183 4.1 Marketing als zentrale Aufgabe des Unternehmens Ein derart geschlossener und stimmiger Auftritt ist vielen Verlagen gar nicht möglich, es bedarf dazu auch einer gewissen Mindestgröße. Zudem kann eine Marke auch nicht vom Hersteller allein »gemacht« werden; eine wesentliche Rolle spielt die Wahrnehmung der Käufer. Insofern spricht man auch vom »emergenten Charakter« einer Marke. Eine Marke bedeutet ein Vorstellungsbild in den Köpfen der Konsumenten - das kann u.U. auf klar abgegrenzten Teilmärkten auch kleineren Unternehmen gelingen. Wie begrenzt die Ergebnisse eines Bemühens, den Verlag als Marke zu etablieren, oft sind, zeigt eindrucksvoll eine von B. Renner durchgeführte Erhebung im Kinderbuchmarkt, wo sich Verlage besonders in Richtung Markenbildung anstrengen: Ranking Ergebnisse der Endkundenbefragung Prozent 1 Produktqualität 85,0 2 Thema 82,7 3 Character/ Hauptfigur 72,5 4 Empfehlung von Bekannten 45,8 5 Gestaltung Umschlag 40,5 6 Empfehlung im Buchhandel 36,8 7 Preis 33,0 8 Preise/ Auszeichnungen 27,6 9 Illustrator 27,4 10 »Gütesiegel« 27,0 11 Autor 17,0 12 Verlag 6,5 Ranking der kaufrelevanten Kriterien für Endkunden (aus B. Renner) In vollem Gegensatz steht dazu das Ergebnis der Händlerbefragung in derselben Untersuchung. Hier ergab sich folgende Reihenfolge auf den ersten Plätzen: 1 Vertreterbesuch 2 Covergestaltung Autor / literarische Qualität 3 Character 4 Verlag Rezensionen Das unterstreicht eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Werbeansprache in der Endkundenwerbung bzw. Handels-/ Vertriebswerbung sein muss. Die Verknüpfung beider Bereiche ergibt sich dadurch, dass die Kunden an erster Stelle <?page no="183"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 184 als Informationsquelle mit großem Abstand die Buchhandlung (sowohl die Beratung wie die Auslagen), danach die Büchereien und Buchbesprechungen nennen. Mit kleinen Abweichungen wird diese Reihenfolge auch in anderen Erhebungen bestätigt. Am ehesten werden noch viele Fach- und Wissenschaftsverlage diesen Kriterien gerecht, die aber den Begriff der »Marke« für sich nicht explizit in Anspruch nehmen, sondern sich einfach als Qualitätsadresse mit konsquentem Corporate Design in einem klar definierten Marktsegment sehen. Gerade im Fachbuchbereich können Reihen eine Vorstufe der Markenbildung bedeuten. Neben der Stärkung der Vertriebskraft erbringt der gelungene Aufbau einer Marke auch Spielräume in der Preis- und eventuell auch Konditionenpolitik, da dem Handel bzw. den Endkäufern das Produkt weniger austauschbar erscheint bzw. ist. 4.2- Distributionspolitik 4.2.1 Logistik Die Distribution umfasst alle Stufen der Bewegungen des Produkts Buch von der Druckerei bis zum Kunden. Aufgrund zahlreicher Alternativen ergibt sich eine Vielzahl möglicher (und zu guten Teilen auch parallel genutzter) logistischer Wege. Es obliegt der Bestandskontrolle und Lagerdisposition, für stets ausreichende Bestände zu sorgen, z. B. aus dem Außenlager Teilbestände abzurufen, rechtzeitig Nachbinde- oder Nachdruckaufträge zu veranlassen, damit die Verlagsauslieferung - egal, ob sie vom Verlag selbst oder von einem fremden Dienstleister betrieben wird - stets lieferfähig bleibt. Hier liegt eine Dispositions- und Kontrollaufgabe des Vertriebs in Zusammenarbeit mit der Herstellung. Ziel dieser Dispositionen ist, die Lagerkosten zu minimieren und das Lagerrisiko möglichst klein zu halten. Nicht in der Entscheidung des Verlages liegen die nachfolgenden logistischen Wege, er kann sie aber mit seiner Vertriebspolitik mitgestalten. Das gilt auch für die Wahl der Frachtführer unterhalb der Trennlinie (s. Kap. 4.2.5). 4.2.2 Absatzkanäle Welche der im folgenden Diagramm aufgezeigten Wege ein Verlag nutzen will, ist eine geschäftspolitische Entscheidung von größter Tragweite. So kann ein Verlag durch geeignete Konditionspolitik (s. Kap. 4.3.2) versuchen, nicht allzu <?page no="184"?> 185 4.2 Distributionspolitik viele Bestellungen über das Barsortiment laufen zu lassen oder eine Grundsatzentscheidung bezüglich Direktlieferung treffen. So gibt es viele Verlage, die diese grundsätzlich ablehnen und Direktbestellungen entweder nicht annehmen oder über Buchhandlungen ausführen. Andere Verlage haben ein erhebliches Direktgeschäft (z.B. im Rechts- und Steuerbereich mit Loseblattwerken u.a.) und pflegen dies gezielt. Sie haben also im Grund eine verlagseigene Versandbuchhandlung - egal, ob diese organisatorisch abgetrennt oder integriert in die Vertriebsabteilung betrieben wird. Das Thema Direktvertrieb ist oft kontrovers diskutiert worden. Natürlich gibt es keinen Anspruch des Sortiments darauf, dass der Verlag nicht direkt verkauft - der manchmal gebrauchte Ausdruck, ein Verlag verkaufe »hinter dem Rücken des Sortiments«, ist mehr emotional als zutreffend: in der Regel spielen diese Verlage mit offenen Karten und halten sich auch an notwendige Regeln der fairen Gleichbehandlung des Sortiments. So wäre es wettbewerblich zu beanstanden, wenn Verlage aufgrund ihrer internen Kenntnis Mailings für Titel machen, die dem Sortiment noch gar nicht bekannt sind. Umgekehrt kann überhaupt nichts Anstößiges darin gesehen werden, wenn ein Verlag ein Vierteljahr nach Erscheinen eine gezielte Direktwerbung durchführt - das Sortiment hatte bis dahin ausreichend Zeit, dies bei seinen fachspezifischen Kunden zu tun. Halbfertiglager Druckerei Endkunden Außenlager Lager der Verlagsauslieferung Barsortiment Sortiment Entscheidungsraum des Bestellers Entscheidungsraum des Verlags Abb. 4.5: Logistikstrukturen im Buchhandel <?page no="185"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 186 Leider sehen sich viele Verlage, die lieber via Sortiment liefern würden, in letzter Zeit aufgrund unzureichender Aktivitäten dieser Seite immer stärker auf eigene Werbeanstrengungen verwiesen. Dass sie diese dann aus der bei der Direktlieferung entfallenden Spanne finanzieren, ist nicht nur verständlich, sondern betriebswirtschaftlich unabdingbar. Auffallend ist jedenfalls, dass in zwei besonders umsatzstarken, auf die Berufspraxis ausgerichteten Fachgebieten, nämlich Medizin und RWS (Recht, Wirtschaft, Steuern) Buchhandelsketten existieren, die Verlagen gehören (Lehmanns, Schweitzer, Sack). Ähnliches gibt es bei Architektur und Bauwesen. Offensichtlich findet eine Marktveränderung in Spezialbereichen statt, das allgemeine Sortiment verliert Marktanteile in diesen Gebieten. Das liegt zu guten Teilen sicher daran, dass die Direktwerbung und der Direktvertrieb Zielgruppen erreichen, die das Sortiment mit seiner Arbeitsweise bzw. mit vertretbarem Aufwand gar nicht erreichen kann (z.B. aufgrund spezifischer Verhaltensweisen bestimmter Kundengruppen). Häufig ist es dabei so, dass die initialen Vertriebsbemühungen des Verlags den Markt so öffnen, dass auch das Sortiment daraus nachfolgend Vorteile erzielt. Man sollte daher die Frage des Direktvertriebs der Verlage nicht nur unter dem Aspekt der Substitution und gegenseitigen Konkurrenz, sondern auch dem der förderlichen Komplementarität betrachten. Ähnlich umstritten wie der Direktvertrieb sind auch nichtbuchhändlerische Absatzmittler, wie Gartencenter, Apotheken u.ä. Auch hier steht für den Verlag die Frage im Vordergrund, ob diese nichtbuchhändlerischen Vertriebsformen etwa Kunden erreichen, die der Sortimentsbuchhandel nicht erreicht. Ist das der Fall, gibt es keinen Grund für Substitutionsbefürchtungen. Der Verlag muss ja sowohl aus wirtschaftlichen Gründen wie in Erfüllung der Pflichten aus dem Verlagsvertrag die Absatzkanäle so kombinieren, dass ein Absatzmaximum erzielt wird. Kunden, die das Sortiment nicht erreichen kann, können ihm nicht »verloren« gehen. Mit der Wahl der Absatzkanäle, deren sich ein Verlag bedienen möchte, und mit deren Rangeinschätzung in der Vertriebsarbeit, werden zugleich Entscheidungen gefällt, die Produkte, Preise, Inhalte wesentlich beeinflussen. Wenn ein Verlag konsequent auf Direktvertrieb (sei es durch Mailings oder durch Vertreter) setzt, so funktioniert das i.d.R. nur ab gewissen Mindestpreisen für das einzelne Produkt. Ein Steuerfachverlag oder selbstständige spezialisierte Versandbuchhändler können, entsprechende Preisgrößenordnungen vorausgesetzt, auf diese Weise erfolgreich arbeiten. Die großen Loseblattverleger praktizieren dies, wie erwähnt, seit Jahrzehnten. Ein belletristischer Verlag kann es nicht, weil er keine Zielgruppe hat außer der amorphen Gruppe »Alle Leser«. <?page no="186"?> 187 4.2 Distributionspolitik Große, soziografisch oder berufsfeldmäßig nicht abgrenzbare Zielgruppen sind also mitnichten von vornherein ein Segen für den Verlag, viel eher sind das klar abgrenzbare und damit auch erreichbare Käufergruppen. Ein immer wichtigerer Absatzkanal wird der Internetverkauf als Sonderform des Direktvertriebs. Auch wenn der Verlag diese Form nicht anstrebt, sei es, um seine guten Sortimentskunden nicht zu beeinträchtigen oder weil er aus Kostengründen eigentlich keinen Direktvertrieb will: das Kundenverhalten der intensiven Internet-Nutzer zwingt ihn dazu. Er muss auf seiner Internetseite nicht nur gute, eventuell werblich aufgemachte Produktbeschreibungen haben, sondern auch einen e-shop; ansonsten gehen ihm schnell Kaufimpulse verloren, die auch anderswo nicht mehr ankommen (s.a. Kap. 4.4.8). Das allgemeine Publikum kann nur über geeignete Absatzkanäle erreicht werden, und da steht der Buchhandel mit weitem Vorsprung an erster Stelle. Jedes Verlagsprogramm braucht die dazu passende Distributionsstruktur. Für die meisten Verlage ist und bleibt der wichtigste Absatzkanal der durch das Sortiment. Allerdings bahnen sich hier durch die Bestellmöglichkeiten im Internet gravierende Veränderungen an und zwar primär aufgrund veränderter Käufergewohnheiten (s. Kap. 4.4.8). Die richtige Mischung und Gewichtung zu finden, ist zentrale Aufgabe der Vertriebsabteilung, ebenso die laufende Kontaktpflege durch Besuche, Telefonate und strukturierte regelmäßige Informationen der wichtigen Partner (s. Kap. 4.4.10 Key Account Management). 4.2.3 Pull- und Push-Marketing Die wichtige Rolle des Vertriebspartners Sortimentsbuchhandel lässt sich gut mittels der Unterscheidung von Pull-Marketing und Push-Marketing darstellen (aus E. Heinold, Bücher und Büchermacher, 5. A. 2001, S.-41), s.-folg. S. Beim Pull-Marketing bearbeitet der Verlag die definierte Zielgruppe, die sodann mit einem konkreten Kaufwunsch zum Händler kommt: Der Kunde »zieht« die Ware. Bei dieser Vertriebssituation sind am ehesten Direktvertrieb des Verlags oder eine starke Rolle von Versandhändlern zu realisieren, weil der Kunde ja den konkreten Kaufwunsch bereits (durch Werbung) hat. Wie dieser nun in den alternativen Vertriebsformen erfüllt wird, ist einerseits eine Kosten- und Effizienzfrage, andererseits eine der langfristigen Vertriebspolitik, die jedes Unternehmen gemäß seiner spezifischen Situation entscheiden und in regelmäßigen Abständen überprüfen und nachjustieren muss. So müssen angesichts der deutlich schwächer werdenden Dienstleistungen vieler Sortimenter im Besorgungsgeschäft (z. B. für ältere Langsamläufer im wissenschaft- <?page no="187"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 188 lichen Buchbereich) die Verlage nolens volens hilfsweise eine Infrastruktur der Direktbelieferung aufbauen, auch wenn sie es lieber nicht täten. Die schematischen »Nichtvorhanden«-Meldungen vieler Buchhändler an Kunden nach einem flüchtigen Blick in die Barsortimentskataloge sind doppelt bedenklich, denn der Kunde, der dann doch herausbekommt, dass es diese Bücher (es sind viele hunderttausend Titel) sehr wohl noch gibt, verliert das Vertrauen in die Kompetenz seines Buchhändlers, und der fortlaufend mit solchen Fällen konfrontierte Verleger fragt sich seinerseits, ob seine bisherige bewusste Ent- 1. Buchhandel 2. Sonstiger Handel Verlag 1. Buchhandel 2. Sonstiger Handel 1. Käufer 2. Leser Verlag 1. Käufer 2. Leser >pull< >push< Hersteller Absatzmittler Verbraucher Hersteller Absatzmittler Verbraucher Verlag 1. Käufer 2. Leser >pull< 1. Buchhandel 2. Sonstiger Handel >push< Hersteller Absatzmittler Verbraucher 1. >Pull-Marketing < 2. >Push-Marketing < 3. >Pushand Pull-Marketing< Abb. 4.6: Die drei Marketingkonzepte <?page no="188"?> 189 4.2 Distributionspolitik haltsamkeit im Direktgeschäft, aber auch seine Rabattpolitik noch richtig ist, mit der er ja Dienstleistungen des Handelspartners, die über ein reines Durchreichen der Ware hinausgehen, zu finanzieren gedenkt. Versuche mit sog. »Depotbuchhandlungen«, die für höhere Rabatte eine erhöhte Bevorratung bieten sollten, haben weithin nicht funktioniert. Hier liegt ein schwieriges Aufgabenfeld für Fachverleger und Fachbuchhändler. Reines Pull-Marketing mit einer tendenziellen Entbehrlichkeit von stationären Händlern ist aber nur in seltenen Fällen, wie den oben erwähnten Loseblattverlagen, denkbar. Interessanterweise haben aber die meisten Direktvertreiber in den letzten Jahren bewusst Kontakte zum Sortiment geknüpft, wohl in der Erkenntnis, dass dort Absatzchancen liegen, die wiederum dem Direktmarketing kaum zugänglich sind. Multi-Channel-Strategien sind in der Regel also sinnvoll. Umgekehrt verhält es sich beim Push-Marketing: Hier werden die Bücher in den Handel »hineinverkauft«, die Sichtbarkeit des Verlages tritt u.U. zurück hinter der »Marke« des Händlers. Dieser Verlust ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die so erzeugte Warenpräsenz am Point of Sale tatsächlich Spontankäufe bei den Sortimentskunden auslöst bzw. durch das Beratungsgespräch des Sortimenters Bücher an den Kunden gebracht werden. Push-Marketing erfordert aggressivere Vertriebsmethoden und hohen Kostenaufwand (Vertreter, aufwändige Vorschauen, Key Account Management, s. Kap. 4.4.10 u.a.). Das Teuerste kann aber eine aggressive Rabattpolitik sein: Die Verlage sehen sich - zumal im Bereich austauschbarer Unterhaltungsliteratur oder Ratgeberbücher - gedrängt, mit hohen (überhöhten) Rabatten Einkaufsdispositionen zu erreichen, d.h. Warenpräsenz zu erkaufen. Rabattpolitik wird so zum integralen Bestandteil der Vertriebspolitik. Sehr deutlich erweist sich an diesem Beispiel die Interdependenz der Instrumente des Marketing-Mix für ein bestimmtes Verlagsprogramm. Diese unterschiedliche Bedeutung von Pullbzw. Push- Marketing lässt sich auch an den Termini »Muss-Lesen« (professionell) und »Muße-Lesen« (Freizeit, Unterhaltung) verdeutlichen. Der Muss-Leser des Schul-, Fachbuchs- oder des wissenschaftlichen Verlags ist ganz anders erreichbar als der diffuse »Interessent« der Publikumsverlage. In der Realität herrscht die dritte Variante vor: das »Pull-and Push-Marketing«. D.h. der Verlag bewirbt sowohl den Endkunden, um Kaufentschlüsse auszulösen, als auch den Handel, um für Warenpräsenz zu sorgen. Ärgerlich verlorenes Geld ist es, wenn der teuer beworbene Kunde im Ladengeschäft das gewünschte Buch nicht vorfindet: Im nicht streng professionellen Bereich verdampft da so mancher Kaufimpuls schnell, es wird etwas anderes (meist leider <?page no="189"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 190 von der Konkurrenz) erworben. Sinnvolle Werbe- und Vertriebsarbeit stimmt also Endkunden- und Händlerwerbung sorgfältig aufeinander ab, so dass der Kunde die Ware vorfindet, die der Sortimenter vorerst im Vertrauen auf wirkungsvolle Werbemaßnahmen des Verlags bei den Endkunden disponiert hat. Wie nun das Verhältnis der Budgets für Käuferwerbung und Händlerwerbung konkret ist, hängt wiederum ganz vom Programm ab. Neben den Budgets selbst ist die zeitliche Feinplanung der Maßnahmen von Bedeutung: Ebenso frustrierend wie Ware im Sortiment ohne Käufer (weil die Endkundenwerbung zeitlich falsch geplant wurde) ist der Käufer im Laden ohne Verfügbarkeit seines Buches. In beiden Fällen entstehen erhebliche Effizienzverluste. 4.2.4 Das Sortiment: Titelverfügbarkeit und Warenpräsenz Viele Bücher sind auf Spontankäufe des Kunden angewiesen, weil der Klappentext verlockend klingt oder die Illustrationen gefallen. Das erfordert, dass der Kunde das Buch im Sortiment ansehen kann. Das Sortiment ist daher trotz aller Verschiebungen unter den Absatzkanälen (s. Kap. 1.3.3) der nach wie vor wichtigste Partner der Verlage, im Bereich der Publikumsverlage der Partner schlechthin, weil hier die Warenpräsentation und Warenverfügbarkeit am wichtigsten sind. In diesem Segment ist die Rolle des Handels stärker denn je (s. Kap. 1.4.6). Der Buchhandel hat - zumindest in den größeren oder spezialisierten Läden - zielstrebig die Tendenz zu Erlebniswelten verwirklicht, die Kunden anzieht, bindet und zum Kauf »verführt«; darin also ganz analog zu generellen Tendenzen im Einzelhandel. Man spricht bereits auch im Buchhandel von einer Markenbildung, die u.U. viel stärker sein kann als die entsprechenden Anstrengungen der Verlage. So werden z. T. in Anzeigen des Buchhandels in der lokalen Presse die Verlage gar nicht erwähnt, sondern nur Autor und Titel, obwohl der Verlag einen großen Teil der Insertionskosten zahlt. Ein wichtiger Grund für das Vordringen von Großformen bzw. Filialisierung im Handel ist die Notwendigkeit von 1a-Lagen, auf die kapitalstarke Unternehmen besser gerüstet sind und flexibler reagieren können. Der Buchhandel ist in den wichtigen Einkaufszentren und Passagen sehr gut vertreten und folgt stadträumlichen Entwicklungen. Für die Verlage ist daher die generelle Tendenz des Buchhandels, die Lagerhaltung von Titeln zu verkürzen, sehr nachteilig - mittlerweile erfolgt die Rücksendung von Neuerscheinungen z. T. schon nach einem Vierteljahr. Durch die damit deutlich verkürzte Sichtbarkeit von Titeln im Handel werden deren Verkaufschancen natürlich beeinträchtigt. Dieses pragmatische <?page no="190"?> 191 4.2 Distributionspolitik Verhalten des Sortiments hat sich mit dem Siegeszug der elektronischen Warenwirtschaftssysteme an den Kassenterminals sehr verstärkt, etwa 90% der Sortimente arbeiten damit. So können zielgerichtet nur noch Präsenzbände der wichtigen Titel nachbestellt werden, so genannte »Langsamdreher« fallen aus der Nachdisposition heraus, weil sie durch das Warenwirtschaftssystem identifiziert werden können. Das spüren die Verlage sowohl bei der Erstdisposition wie im Nachbezug. So sehr die Raumprobleme und die Kapitalbindung im Lager dieses Verhalten des Sortiments verständlich machen - das Ergebnis sind nicht verkaufte Bücher, und das trifft alle: Autoren, Leser, Verlage und Buchhändler. Etwaiges Ventil kann entweder das Besorgungsgeschäft oder der Internethandel sein. Beide Varianten setzen aber voraus, dass der Kunde weiß, was er kaufen möchte - beim Internetbezug kann er immerhin nach Themenstichwörtern eine Mehrzahl von Alternativen prüfen, ansonsten muss er den genauen Titelwunsch mitbringen. Verloren gehen bei reduzierter Lagerhaltung aber die Erlöse aus Spontankäufen, und das sind im Publikumsbereich sehr viele. Dem suchen viele Verlage durch intensivierte Vertreterarbeit (s. Kap. 4.4.9) und Key Account Management (s. Kap. 4.4.10) entgegenzusteuern. Instrumente zu einer verbesserten Lagerdisposition des Buchhandels können u.a. sein: längerfristige Zahlungsziele (Valuta) und eine entgegenkommende Remissionspolitik. Aber auch im Fachbuch spielen die Sortimente, nicht zuletzt durch gezielte Anbietung an freiberufliche und gewerbliche Kunden sowie deren Betreuung im Fortsetzungs- und Zeitschriftenbereich eine unverzichtbare Rolle. Ähnliches gilt für das Lehrbuchgeschäft, obwohl hier in letzter Zeit eine Hinwendung der Studierenden zum Internetkauf (nicht zuletzt wegen des dort integrierten Gebrauchtbuchverkaufs) unverkennbar ist. Gemäß einer GfK-Studie aus dem Jahr 2006 werden bereits 31 Mio Bücher im Internet gebraucht geordert gegenüber 49 Mio neuen! In den USA rechnet man tendenziell mit 25% gebrauchter Bücher am Gesamtbuchmarkt. Die durch das Internet ermöglichte überregionale Professionalisierung des Gebrauchtbuchmarkts ist für die Verlage sehr negativ spürbar. Das Preisbewusstsein der Kunden wird sicher weiter wachsen, der Anteil des lokalen Sortimentsbuchhandels gegenüber dem Internetvertrieb sinken. <?page no="191"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 192 4.2.5 Verlagsauslieferung Wichtig und gar nicht einfach zu lösen ist die Frage der Lagerhaltung beim Verlag. Jedes Buch löst (berechnet nach kg oder Palettenplätzen) jeden Monat Lagerkosten aus. Auch Druckereien berechnen seit Jahren das dort verbliebene Fertig- oder Halbfabrikatlager. Hinzu kommen die Kapitalkosten für die schon bezahlten Herstellungsrechnungen. Der Verlag muss in dem Widerstreit sinkender Stückkosten bei wachsender Losgröße der Produktion und laufenden Lager- und Zinskosten für noch nicht abverkaufte Produkte die optimale Losgröße ermitteln (siehe dazu Kap. 3.7.2). Diese Ermittlung beruht natürlich auf Annahmen über den vermutlichen Absatzverlauf und ist daher mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken verbunden. Aufgrund technischer Fortschritte in den Druckereien sind die Rüstkosten pro Drucklos deutlich gesunken, so dass heute oft die Kostendifferenz zwischen 2 × 3.000 Auflage und 1 × 6.000 nicht mehr allzu groß ist, und daher die genannten anderen Kosten oft für mehrere kleinere Drucklose sprechen. Viele Verlage streben eine Bevorratung für max. 12 Monate an, teils auch für deutlich weniger. Andererseits müssen Spitzenbedarfe (Weihnachtsgeschäft, Olympiabuch, Schulanfang) unbedingt erfüllt werden können, da eine sehr kurzfristige Disposition von Nachdrucken oft nicht möglich ist - z.B. im November, wenn alle Publikumsverlage ihre Spitzentitel nachdrucken wollen. Dann kommt es durch die Notwendigkeit von Nacht- und Feiertagsschichten wieder zu erhöhten Stückkosten, die bei frühzeitiger Disposition hätten vermieden werden können. Aber gerade hier gilt die alte Weisheit: Hinterher ist man immer klüger. Jedenfalls lohnt es sich sehr, Drucklose und Absatzverläufe sorgfältig zu planen bzw. zu analysieren. Diese Kostenplanung der Lagerhaltung wird besonders augenfällig, wenn der Verlag - wie das heute weithin die Regel ist - diesen Bereich samt Logistik und weiteren Dienstleistungen einer Verlagsauslieferung überträgt. Mittlerweile darf man davon ausgehen, dass etwa 90% der Verlagsumsätze (nicht der Verlage) über Verlagsauslieferungen erfolgen. Anliegen jeder Verlagsauslieferung ist Schnelligkeit, Präzision und Kosteneffizienz. Ob dies besser in einer verlagseigenen Abteilung oder einer fremden Auslieferung erreicht werden kann, muss sowohl nach qualitativen wie auch kostenmäßigen Aspekten durchleuchtet werden (s. a. Kap. 2.5 Outsourcing). Zu Letzteren gehören insbesondere auch Unternehmensgröße und Saisonfiguren der Auslieferungsvolumina. Haben diese sehr starke Spitzen, wird eine eigene Auslieferung schnell unwirtschaftlich (Leerkapazitäten in den schwachen Monaten). Größere Verlagsauslieferungen (gut ein Dutzend in Deutschland) <?page no="192"?> 193 4.2 Distributionspolitik vertreten je zwischen 60 und 200 Verlage. VVA-Arvato verfügt über 150.000 Palettenplätze, bei KNV gehen täglich im Durchschnitt 20.000 Packstücke hinaus. Die zwölf größten Verlagsauslieferungen haben (Stand 2006) über 1.150 Verlagskunden. Diese Zahlen vermitteln einen Eindruck von dem hohen Grad an Bündelung, Effektivität und logistischem know-how, das die Verlagsauslieferungen bieten. Auch kann der viel höhere Mechanisierungsgrad einer professionellen Verlagsauslieferung und deren groß angelegte IT-Abteilung viele Kosten- und Servicevorteile bieten. In der Regel ist es heute so, dass nur sehr kleine und sehr große Verlage selbst ausliefern - die überwiegende Zahl der Verlage aber durch Dienstleister. Der scharfe Wettbewerb unter diesen hat die Auslieferungsgebühren in den letzten Jahren deutlich sinken lassen. Die vorstehende Übersicht zeigt die wesentlichen Arbeitsbereiche, die Verlagsauslieferungen anbieten. Dabei werden für manchen Verlag eine ganze Reihe nicht anfallen, z.B. wenn er keine Periodika hat oder die Fakturierung bei sich im Haus erledigt. Andererseits können weitere Dinge von der Auslieferung erledigt werden wie z.B. die Honorarabrechung. Grundfunktionen Bestellabwicklung Adressverwaltung Debitorenmanagement Lagerhaltung Versand Reporting/ Statistiken dazu fallweise als Zusatzfunktionen Handelsservice Novitäten Sendungsbündelung Parkmodelle Subskriptionsabwicklung Provisionsabrechnung Aboservice Abo-Betreuung Einzelheftversand Prämienabwicklung Direktmarketing Direktversand Call Center e-Shop Bonitätsprüfung Inkasso (Kreditkarten u.a.) Abb. 4.7: Typische Leistungsbereiche von Verlagsauslieferungen <?page no="193"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 194 Eine neuere Entwicklung ist bei den Verlagsauslieferungen die (zielgruppen-orientierte) Faktur- und Versandstückbündelung (s. u.) Das ist ein kostensenkender Service für das Sortiment, den ein selbstausliefernder Verlag nicht erbringen kann. Ein Kostentreiber in der Verlagsauslieferung und spiegelbildlich für die Bezieher ist die Frequenz und das Volumen der Sendungen. Ziel muss eine möglichst hohe Bündelung sein. Die Warenbezugskosten für das Sortiment verbessern sich bei erhöhter Bündelung pro Sendung ebenso wie die Kostenstruktur in der Verlagsauslieferung. Aber wie kann diese Bündelung erreicht werden? Ein kleinerer Verlag mit Titeln mittlerer Gängigkeit kann hier wenig gestalten - er erhält überwiegend Einzelbestellungen. Auch eine gesenkte Auslieferungsfrequenz bringt meist wenig, da die Bestellungen des zweiten Tags in der Regel von anderen Bestellern als denen des ersten Tages kommen - es entsteht kaum ein Bündelungseffekt. Auch so genannte »Parkmodelle«, bei denen ein Besteller den Verlag anweist, seine Bestellungen in einer Restantendatei zu parken, bis ein bestimmter Lieferwert erreicht ist, brachten keinen durchschlagenden Erfolg und haben zudem den Nachteil, dass die Sortimentskunden länger auf ihr Buch warten müssen. Viele Verlage bündeln aber bei den Nova - oft gibt es dafür nur einen Termin im Monat bis hin zu Halbjahresterminen für Erstauslieferungen, so dass wenigstens insofern ein Bündelungseffekt entsteht. Publikumsverlage gehen hier weiter und bündeln oft das ganze Frühjahrs- oder Herbstprogramm in ein oder zwei Auslieferungen, während Wissenschaftsverlage auf solche Verfahren verzichten und ihre Nova z.T. bei Verfügbarkeit der Tagesauslieferung beimischen. Auf jeden Fall bringt die Bündelung pro Bestellzeile und pro Sendung wichtige kostenrelevante Maßzahlen, die z.B. für die Gebühren der Verlagsauslieferungen eine große Bedeutung haben, aber (oft leider unbeachtet) ebenso die Kosten der selbst ausliefernden Verlage beeinflussen. Bezüglich einer höheren Bündelung pro Bestellzeile des Sortiments lässt sich in der Regel wenig erreichen - der Verlag müsste dann im Grunde ein anderes, auf höherauflagige Werke konzentriertes Programm machen. Der Köder der Staffelrabatte ist nur begrenzt wirksam: Die Liquiditäts- und Lagerprobleme im Sortiment sind viel bestimmender für dessen Bestellverhalten. Einen Ausweg, den derzeit viele Verlage mit ihren Auslieferern diskutieren bzw. erproben, ist Mischfaktur und entsprechende gemischte Sendungen mehrerer Verlage, die bei demselben Auslieferer sind. Sicher bedarf es dazu einiger Voraussetzungen: Programm- und damit Kundenstruktur sollten einigermaßen übereinstimmen, weil sonst ja wieder keine erhöhte Bündelung entsteht. <?page no="194"?> 195 4.2 Distributionspolitik Zudem müssen Zahlungsziele und Skontierung (ja oder nein) einheitlich gehandhabt werden - wie sollte der Kunde sonst zahlen? Gleiches gilt für den zentralisierten Zahlungsverkehr über die BAG und deren Bedingungen. Die individuellen Rabattstrukturen können die Verlage durchaus beibehalten, wodurch allerdings die Mischfaktur sehr unterschiedliche Rabatte in den Zeilen haben wird. Viele Verlagsauslieferungen bieten eine Debitorenausfallgarantie, die natürlich dann einen Kostenfaktor in der Provision darstellt, manche Auslieferungen haben dieses Verfahren sogar obligatorisch. Ob sich das für den Verlag rechnet, sei dahingestellt. Jedenfalls ist eine gute Debitorenverwaltung samt Mahnwesen neben der rein logistischen Leistung eine entscheidende Dienstleistung jeder Verlagsauslieferung. Dazu kommen dann noch die standardisierten oder für den einzelnen Verlag maßgeschneiderten Vertriebsstatistiken und sonstige IT-Leistungen bis hin zur Honorar- oder Vertreterabrechnung. In den letzten Jahren bemühen sich die Verlagsauslieferungen angesichts tendenziell sinkender Mengen in der physischen Distribution auch als Dienstleister für Digitalprodukte aufzutreten, indem sie die Transformation in verschiedene Datenformate nach Anforderungen der Kunden sowie - ganz analog zum bisherigen Geschäft - auch die gesamte Abrechnung (Debitorengeschäft) übernehmen (s. Kap. 6.4.3.2). Ein schematisches Modell der Fa. Brockhaus/ Commission veranschaulicht diese differenzierte Dienstleistung jeweils gemäß den datamäßigen Erfordernissen der Vertriebspartner: Abb. 4.8: Schematisches Modell der Fa. Brockhaus/ Commission für Digitalvertrieb <?page no="195"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 196 4.2.6 Barsortiment Die wirksamste und in der Praxis wichtigste Bündelung wird durch die Barsortimente, den Großhandel für Bücher, erzielt. Die beiden führenden Häuser mit zusammen über 80% Marktanteil sind Koch Neff Volckmar (KNV) in Stuttgart und Köln sowie Libri (Georg Lingenbrink) in Hamburg und Bad Hersfeld. Die Barsortimente bestellen eine relativ hohe Stückzahl (Bedarf für mehrere Wochen für ihre vielen Kunden) beim Verlag und liefern dem Sortiment täglich Pakete mit Büchern aus vielen Verlagen. Sehr positiv auf die damit erzielbare Bündelung hat sich in den letzten zehn Jahren die Politik der Barsortimente ausgewirkt, die Zahl der geführten Titel deutlich zu erhöhen, also auch relative Langsamläufer zu führen. Die Firma KNV führt mittlerweile ca. rd. 1 Mio Titel, darunter auch viele ausländische. Die Motivation dazu kommt aus dem Bestreben, dem Sortimentskunden (insbesondere gerade dem kleineren) auch für speziellere Titel diesen Bezugsweg zu eröffnen und damit die Kundenbindung zu verstärken und die Umsätze für das Barsortiment zu erhöhen. Der Barsortimentsdienst funktioniert vorzüglich, um die »Über-Nacht- Belieferung« beneidet uns die ganze Welt. Sie garantiert, dass der Buchhändler früh bei Ladenöffnung das entsprechende Paket mit den Bestellungen des Vortags (bis zu einer bestimmten Stunde am späten Nachmittag) vorfindet. Diese Leistungen sind allerdings nicht billig: Sie kosten den Verlag in der Regel eine um 15% erhöhte Handelsspanne, den so genannten Funktionsrabatt, allerdings bezogen auf den Basisrabatt des Verlags. Ist dieser z.B. 25%, beträgt der Barsortimentsrabatt normalerweise 40%, wobei es in beide Richtungen Abweichungen (Verhandlungsspielräume) gibt. Beträgt nun der effektive Durchschnittsrabatt dieses Verlags gegenüber dem Sortiment 33%, so sind die Mehrkosten der Barsortimentslieferungen für den Verlag nur noch 7%, denen die vorgenannten Kostenvorteile, die ja auch für den Verlag bestehen, gegenzurechnen sind. Dennoch gibt es bei vielen Verlagen immer wieder Unzufriedenheit und Kritik an den Barsortimentern, zum einen, weil diese in oft massiver Weise das 15%-Dogma einfordern - zum Teil neuerdings sogar darüber hinausgehen - und zum zweiten unverhohlen und expressis verbis auf der Seite der Sortimenter stehen, wenn es um Konditionsgerangel zwischen diesen und den Verlagen geht. Die Sortimenter sind allerdings auch als Kunden des Barsortiments verständlicherweise deren Hauptanliegen. Viele Verlage gewähren heute nolens volens den Barsortimentern Rabatte von 50% (und mehr), was z.T. <?page no="196"?> 197 4.2 Distributionspolitik eher der Reflex einer verhängnisvollen eigenen Rabattpolitik ist. Die Barsortimente sind also mitnichten ein »neutraler« Mittler, so gern sie diese Rolle auch für sich beanspruchen möchten. Diese naturgemäße Sortimentsgeneigtheit des Zwischenbuchhandels führt besonders zu der konfliktträchtigen Konsequenz, dass die Barsortimente höhere Rabatte als die Verlagsgrundrabatte an die Sortimente weitergeben. Große Kunden erhalten deutlich höhere Rabatte (aufgebessert noch durch Skonti und Boni), dadurch treten die Barsortimente mit ihren Konditionen in Konkurrenz zu den Verlagen. Am krassesten zeigt sich das bei bedeutenden Buchhandelsketten, die z.T. ihren gesamten Zentraleinkauf über Barsortimente abwickeln. Da fragt sich dann doch mancher Verlag, ob das 15%-Dogma nicht in Wahrheit eine zu hohe Spanne definiert, die den Barsortimentern dieses Wettbewerbsverhalten ermöglicht, und dies bei Renditen der Zwischenbuchhandelsfirmen, die oft ersichtlich über denen vieler Verlage liegen. Eine neuere Entwicklung sind die »Standardpakete«, die die Barsortimente für gängige Titel zusammenstellen (Warengruppenpakete »fit für die Zukunft«, bzw. Warengruppenabonnements bei KNV bzw. ANABEL Programm bei Libri). Sie ersparen damit insbesondere den kleineren Buchhandlungen, an die sich diese Angebote primär richten, erhebliche Dispositionskosten. Die breite Datenbasis der Barsortimente ermöglicht dabei die Zusammenstellung relativ risikoloser Bündel für bestimmte Buchhandelstypen bzw. Themenbereiche. Zwei mögliche negative Effekte sind aber unübersehbar: zum einen eine Standardisierung des Angebots in kleineren Buchhandlungen (anstelle von Profilierung gegen die Filialen der Großketten) und damit verbunden eine noch geringere Chance kleinerer Verlage, mit ihren individuellen Titeln im Handel präsent zu sein. Ein vertriebspolitisches Problem entsteht durch die Barsortimentslieferungen auch dahingehend, dass der Verlag noch stärker den Kontakt zu seinen Kunden verliert. 4.2.7 Warenbezugswege Ein weiterer Aspekt der Distribution sind die Transportmittel. In Deutschlands Buchhandel gibt es die Besonderheit eines sehr verlässlichen, kostengünstigen brancheneigenen Logistiksystems, nämlich die Bücherwagen der Barsortimente KNV und Libri. Zusammen mit den eigenen Barsortimentlieferungen werden auch die so genannten «Verlegerbeischlüsse«, also Pakete der Verlagsauslieferungen zum Buchhandel gebracht. Für die Abholung dieser Sendungen bei der <?page no="197"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 198 Verlagsauslieferung werden Abholgebühren berechnet. Wer die Kosten der eigentlichen Sendung trägt, hängt von entsprechenden Konditionen ab, die zwischen einem Verlag und seinem Sortimentkunden vereinbart wurden. Manche Verlage (insbesondere die Publikumsverlage) beliefern das Sortiment portofrei, andere (so viele Wissenschaftsverlage) berechnen dem Bezieher das Porto. Es ist selbstverständlich, dass die Bestimmung des Frachtführers durch denjenigen erfolgt, der diese Kosten tragen muss. Das Sortiment gibt also bei Variante zwei mit der Bestellung (oder generell) eine Versandanweisung. 4.3- Kontrahierungspolitik 4.3.1 Preispolitik Preispolitik richtet sich an den Endkunden. Bei einem richtig gewählten Preis erzielt der Verlag eine gute Absatzmenge und zugleich zumindest vollkostendeckende Stückerlöse. Der tatsächlich festgelegte Ladenpreis muss sich aber an den Marktgegebenheiten, dem Konkurrenzumfeld orientieren. Kann ein die Vollkosten deckender Preis (unter der ohnehin optimistischen Annahme eines Verkaufs aller Stücke) nicht festgelegt werden, liegt ein Planungsfehler vor; wurden Preisspielräume über den Kostenpreis hinaus nicht realisiert, eine Fehlentscheidung zu Lasten des Gewinns. Wer die Preis-Absatzkurve für seine Produkte im Vorhinein wüsste, könnte immer den Optimalpunkt erreichen, er hätte in der Sprache der Alchimisten den Stein der Weisen gefunden, d.h. das Geheimnis des Goldmachens. Kein Verleger aber kennt die Preis-/ Absatzkurve seiner Produkte wirklich, er geht nur von erfahrungsgestützten Vermutungen aus. Oft wird er den Preis zu niedrig, hin und wieder auch zu hoch ansetzen. Das Problem wird besonders dadurch komplex, dass der Käufermarkt nicht homogen ist, sondern die Nutzerpräferenzen der einzelnen Kunden durchaus unterschiedlich sind, aber zur gleichen Zeit ja nur ein Preis gelten kann - nicht nur wegen der zwingenden Vorschriften des Preisbindungsgesetzes. Dazu ein Beispiel: Zum Preis A werden X Exemplare verkauft, der Umsatzwert ist die entsprechende Fläche, beim Preis B wird die höhere Menge Y verkauft, aber ein geringerer Gesamterlös erzielt. Welcher Preis (unter Berücksichtigung der zusätzlichen Produktions- und Distributionskosten) der vorteilhaftere ist, kann im voraus immer nur abgeschätzt werden, da gesicherte Informationen über die tatsächlich mehr verkaufte Menge nicht vorliegen. Im obigen Beispiel wäre also der niedrigere Preis ein Fehlschlag. Es liegt an der Art des Marktsegments (z.B. Fachbuch mit Muss-Bedarf oder Taschenbuch <?page no="198"?> 199 4.3 Kontrahierungspolitik mit Muße-Bedarf ), ob eine aggressive Niedrigpreispolitik sinnvoll ist oder nicht. Bei einem Formularhandbuch für Notare lässt sich der Markt durch Kampfpreise nur wenig erweitern, allenfalls der Konkurrenz ein Marktanteil abnehmen - umgekehrt sieht es beim Taschenbuch-Krimi aus, der in hohem Maße austauschbar ist. Fachverlage neigen daher in der Regel eher zu einer (defensiven) Hochpreispolitik und verzichten auf etwaigen Mehrverkauf bei niedrigeren Preisen, weil der Gesamtumsatz dadurch eben sogar sinken kann, während Publikumsverlage oft nicht umhin können, aggressive Niedrigpreise einzusetzen, was erhebliche Risiken mit sich bringt, aber im Erfolgsfall auch hohe Gewinne. A Preis Absatz B y x Menge Abb. 4.9: Absatz- und Umsatzalternativen bei unterschiedlichen Preisen 1 2 3 Preis Absatz Taschenbuch wissenschaftliche Monografie Abb. 4.10: Unterschiedliche Preis- und Absatzkurven <?page no="199"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 200 Je flacher die Preis-Absatzkurve, d.h. je stärker die Reaktion der Käufer auf Preisvariationen, desto sinnvoller ist eine Niedrigpreispolitik, und umgekehrt bei einer steilen Preis-Absatzkurve eine Preissenkung wenig wirkungsvoll. Bei diesen hypothetischen Verläufen (Abb. 4.10) würde die Halbierung des Taschenbuchpreises den Absatz verfünffachen. Das wäre gewiss lohnend. Bei der wissenschaftlichen Monografie würde selbst ein gedrittelter Preis den Absatz nicht einmal verdoppeln, sondern nur den Umsatz reduzieren. Man spricht von der unterschiedlichen Preiselastizität der Nachfrage. Will ich also lieber weniger Käufer zu einem »guten Preis« (aus Verkäufersicht) bedienen oder möglichst viele zu einem guten Preis aus Käufersicht? Das sind strategische Grundsatzentscheidungen, die von der Produktplanung an im Zentrum des Marketing stehen. Im Muss-Markt kann hier wie gesagt anders verfahren werden (insbesondere, wenn es sich um quasi-Monopolprodukte handelt) als im Muße-Markt, wo ein Roman nicht nur mit 500 anderen, sondern auch Illustrierten, Tonkassetten und u.U. sogar mit anderen Freizeitaktivitäten (Kino, TV, Ausgehen, Sport usw.) im Wettbewerb steht, also Preise ganz anderer Produktgruppen Berücksichtigung finden müssen. Ein wichtiges preispolitisches Instrument, das allerdings für Bücher durch das Preisbindungsgesetz erheblich eingeschränkt wird, sind Sonderpreise wie etwa Subskriptionspreise (seien es terminbegrenzte Vorbestellpreise oder Vorzugspreise für Fortsetzungsbezieher von Reihen), durch die entweder eine frühzeitige Bestellung (Finanzierungsvorteil für den Verlag) oder eine langfristige Bestellbasis erzeugt werden sollen. Nicht mehr zulässig sind Vorzugspreise für Studenten (früher per »Hörerschein« 20%). Einen begrenzten Ausweg aus der im Diagramm dargestellten Problematik bietet die Preisdifferenzierung. Man unterscheidet die Produktdifferenzierung (Halbleder (P2)-, Leinen (P1)- und Paperback (P3)-Ausgabe), durch die bei kaufkraftstarken, prestigeorientierten Käufergruppen die Konsumentenrente durch gehobene Ausstattungsvarianten abgeschöpft wird. Das geschieht oft nicht gleichzeitig, sondern als temporale Preisdifferenzierung, bei der die verschiedenen Ausgaben nacheinander auf den Markt kommen (etwa die Taschenbuchausgabe nach einem Jahr). Eine geringere Rolle spielt (zumal bei gesetzlicher Preisbindung) die regionale Preisdifferenzierung, die aber international (Third World Editions der angelsächsischen Verlage) vielfach genutzt wird. Die nachfolgende Abbildung stellt die Effekte der Preisdifferenzierung in vereinfachter Form anschaulich dar: <?page no="200"?> 201 4.3 Kontrahierungspolitik Diese Verfahrensweise wird auch als Skimming (Abschöpfungs-)-Strategie bezeichnet und auch bei Digitalprodukten angewendet. Unabhängig von diesen preispolitischen Strategien ist der Verlag jederzeit berechtigt, einen Preis anzuheben oder herabzusetzen bzw. nach 18 Monaten zur Preisempfehlung überzugehen. Ersteres ist bei Langsamläufern notwendig, um Inflationseffekte und den realen Erlös stabil zu halten. Die Herabsetzung geschieht oft durch »Verramschen«, d.h. den Verkauf durch dafür spezialisierte Firmen, die Auflagenreste aufkaufen. Zu Taschenbuch- und Buchclubausgaben, die meist nicht im eigenen Verlag, sondern bei anderen Unternehmen erscheinen, siehe Kapitel 7.3. 4.3.2 Konditionenpolitik Neben die kundenorientierte Preispolitik tritt als Marketinginstrument die den Handel betreffende Rabattpolitik bzw. umfassender die Konditionenpolitik, die auch Zahlungsziele, Rückgabemöglichkeiten, Kreditpolitik usw. umfasst. Der Verlag muss Konditionen festlegen, die in dem von ihm bearbeiteten Marktsegment konkurrenzfähig sind. Das können im Bereich wissenschaftlicher Zeitschriften Rabatte von 15% und oft noch deutlich weniger sein, im Bereich der allgemeinen Literatur und der Sachbücher kann der faktische Mindestrabatt leicht über 40% liegen. Die tatsächliche Spannweite der gewährten Rabatte ist sehr hoch. Von 50% für Vertreteraufträge bei Publikumsverlagen kann sie hinuntergehen bis zu 5% für Spezialwerke, die bei einem Ladenpreis von €-1.000,immer noch €-50,zusätzliche Erlöse Nicht ausgeschöpfte Erlöschancen 1 P 2 P 1 P 3 P Preis Preis Absatz Absatz Einheitspreis Preisdifferenzierung Abb. 4.11: Erlösoptimierung durch Preisdifferenzierung <?page no="201"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 202 bedeuten -, also voll kostendeckend für das Sortiment für eine reine Bestellabwicklung sind. Auch innerhalb eines Verlags bestehen oft verschiedene Rabattschemata nebeneinander: so für bestimmte Produktgruppen im Buchbereich oder gesonderte (niedrigere) Rabatte im Zeitschriftenbereich usw. Entscheidend für die Gewährung hoher Rabatte ist die (oft irrige) Vermutung, man könne damit mehr verkaufen, d.h. einen erhöhten »Einsatz« des Sortimenters für hoch rabattierte Titel erkaufen. Bei allen Demand- Pull-Titeln ist das ein falscher Ansatzpunkt, weshalb die Rabatte bei wissenschaftlichen und Fachverlagen deutlich niedriger sind als bei Publikumsverlagen mit der viel größeren Austauschbarkeit der Titel und ihren niedrigeren Preisen. Wie in allen Branchen erhalten auch im Buchhandel große Kunden höhere Rabatte (und bessere Nebenbedingungen) als kleinere oder gar Gelegenheitskunden, die Titel des betreffenden Verlags überhaupt nicht am Lager führen, sondern nur fallweise Kundenbestellungen abwickeln. In diesen Fällen ist eine reduzierte Rabattierung sowohl angemessen als auch kostendeckend. In der Praxis kennt man Staffelrabatte (auch diese begünstigen größere Kunden) oder Festrabatte, auch Jahresrabatte genannt. Die Staffelrabatte können sich entweder auf jeweils einen Titel beziehen. Dafür ist das bekannteste Beispiel die Jahrzehnte alte sog. »Springer-Staffel«, die im Fachverlag z.T. noch heute angewandt wird: 1 Ex. 25% 2-4 Ex. 30% ab 5 Ex. 35%. Natürlich können sowohl die Mengenwie die Rabattsprünge auch abweichend festgelegt werden. Daneben gibt es auch die sog. »gemischte Staffel«, die entweder für Bände einer Reihe oder eines Programmbereichs oder aber auch für alle Titel eines Verlags gelten kann; sie kann z.B. so aussehen: 1-4 Exemplare gemischt 25% 5-10 Exemplare gemischt 30% 11-15 Exemplare gemischt 33% 16-24 Exemplare gemischt 35% ab 25 Exemplare gemischt 37,5% <?page no="202"?> 203 4.3 Kontrahierungspolitik Eine andere Staffelungsmöglichkeit ergibt sich bei der Bezugsgröße Umsatz und einem Jahresfestrabatt. Im Beispiel sei dieser 35%, dann kann ergänzend etwa Folgendes vereinbart werden: Ab folgenden Umsatzklassen erhöht sich der Rabatt: ab € 2.500,- 36% 30 Tage Ziel ab € 5.000,- 37% 60 Tage Ziel ab € 7.500,- 38% 60 Tage Ziel ab € 10.000,- 39% 60 Tage Ziel ab € 17.500,- 40% 60 Tage Ziel Diese Rabatte kommen bei einem Mindestbestellwert von € 150,brutto zum Tragen. Liegt der Bestellwert darunter, erhält der Kunde den Grundrabatt von 25%. Das ist ein Beispiel eines kleineren Verlages, bei größeren sind die Umsatzschwellen natürlich um ein Vielfaches höher anzusetzen, denn honoriert werden soll ja eine besondere Leistung. Deshalb müssen die Schwellenwerte auch immer wieder überprüft werden. Normalerweise wird der Gesamtumsatz zugrunde gelegt, abzgl. Remissionen des vorangegangenen Kalenderjahres. Der Vertriebsleiter bzw. Außendienstmitarbeiter legt mit dem Kunden diesen Rabatt fest. Bei Nichterreichen der Umsatzgrenze findet eine Neueinstufung statt. Voraussetzung für diese Vorzugskonditionen ist ein intensiver Kontakt zwischen Buchhandlung und Verlag sowie die Zusammenarbeit mit dem Außendienst. Die Bereitschaft, gemeinsame Marketingaktionen (z.B. Sonderfenster) durchzuführen, wird ebenfalls erwartet. Ein Vorzugskunde führt das Verlagsprogramm in seinen angebotenen Fachbereichen in der Tiefe und in der Breite. Der Vorteil solcher Vereinbarungen ist ihre Flexibilität, sie »atmen« mit der Volumenentwicklung der Kundenbeziehung. Weitere handelsspannenrelevante Konditionen sind die Partie 11/ 10 oder gar 7/ 6, die eine starke Erhöhung des Rabatts bedeuten (also bei einem Grundrabatt von 40% bei 11/ 10 auf 45,5%, bei 7/ 6 gar auf 48,6%! ). Immer noch gibt es auch den »Reiserabatt«, durch den der Sortimenter zu frühzeitiger und reichlicher Bestellung beim Vertreterbesuch veranlasst werden soll. Alternativ dazu können verlängerte Zahlungsziele für Vertreter- oder Semesterbestellungen angeboten werden. <?page no="203"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 204 Unvermeidlich führt jede Rabattstaffelung - egal ob bestellmengen- oder umsatzbezogen - zu einer Begünstigung der größeren Kunden. Höhere Rabattierung und insgesamt bessere Konditionen bei größeren Bestell- und Jahresumsatzvolumina sind ein Faktum im Wirtschaftsleben, haben aber einen unguten Konzentrationseffekt. Er bewirkt tendenziell ein schrumpfendes Netz der Points of Sale (oder der »geistigen Tankstellen«, wie es in der kulturpolitisch getönten Branchendiskussion oft bezeichnet wird) und damit verringerte Kundenkontakte und am Ende eine auf die Verlage zurückschlagende Einkaufsmacht der Großfirmen, die in Rabattverhandlungen dann am längeren Hebel sitzen. Sowohl die langfristigen Aspekte einer optimalen Verbreitung durch viele Buchhandlungen als auch dieser Aspekt des Machtzuwachses in der Handelsstufe sollte die Verlage behutsam mit dem Instrument der Rabattspreizung (einschließlich der Nebenkonditionen wie Zahlungsziel, Boni, Skonti, Versandkosten) umgehen lassen. Damit wird der Verlag dann auch §-6 des Preisbindungsgesetzes gerecht, wo es heißt: § 6 Vertrieb (1) Verlage müssen bei der Festsetzung ihrer Verkaufspreise und sonstigen Verkaufskonditionen gegenüber Händlern den von kleineren Buchhandlungen erbrachten Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern sowie ihren buchhändlerischen Service angemessen berücksichtigen. Sie dürfen ihre Rabatte nicht allein an dem mit einem Händler erzielten Umsatz ausrichten. (2) Verlage dürfen branchenfremde Händler nicht zu niedrigeren Preisen oder günstigeren Konditionen beliefern als den Buchhandel. (3) Verlage dürfen für Zwischenbuchhändler keine höheren Preise oder schlechtere Konditionen festsetzen als für Letztverkäufer, die sie direkt beliefern. »Eigentlich« müssten gerade die kleineren Firmen für Einzelbestellungen exotischer Titel höhere Rabatte bekommen, aber das ist in der Wirklichkeit utopisch. Übermäßige Spreizung könnte zudem vom Bundeskartellamt u.U. im Rahmen der Wettbewerbskontrolle beanstandet werden. Eine unglückliche Regelung im Gesetz bezüglich der Rabatte ist die gesetzliche Meistbegünstigungsklausel (§ 6/ 3) für die Barsortimente. Warum diese stets den Höchstrabatt irgendeiner Buchhandelsfirma erhalten sollen, die durch eigene Werbetätigkeit und Vertreterarbeit hohen Aufwand im Interesse des Verlags betreibt, der durch hohe Rabatte bezahlt werden muss, bleibt unerfindlich und ein wettbewerbsrechtliches Ärgernis. <?page no="204"?> 205 4.3 Kontrahierungspolitik Eines wird in den oft hitzig geführten Rabattdiskussionen zwischen Verlagen und Sortimentern immer wieder gern übersehen: Niemand lebt von Prozenten, sondern jeder von Geld. So oft es schon gesagt wurde, es kann nicht nachdrücklich genug wiederholt werden: 25% von €-48,- (= €-12,-) sind mehr als 40% von €-12,80 (=-€-5,12). Es ist vielleicht kein Zufall, dass es im Durchschnitt dem mittelgroßen Spezialsortiment (wissenschaftlicher Buchhandel) besser geht als dem doch so viel »besser« rabattierten allgemeinen Sortiment. Ob eine Handelsspanne kostendeckend ist oder nicht, lässt sich nicht an Durchschnittswerten für ein Geschäftsjahr ersehen, sondern nur anhand der Kostenanalyse pro Geschäftsvorfall (Einkauf, Lagerkosten, Abwicklungs- und Buchhaltungskosten). Auch erscheint es z.B. angemessen, dass die Kosten für 1a-Geschäftslagen von jenen Lieferanten durch höhere Rabatte finanziert werden, die diese benötigen, nicht aber von denen, die davon (nahezu) nichts haben. Darüber hinaus ist die pauschale Rabattdiskussion ohne Beachtung aller weiteren Umstände wie der Gewährung von Skonti, Jahresboni, Werbekostenzuschüsse etc. unfruchtbar und erscheint manchmal wie Schaukämpfe mit erheblichem Emotionscharakter. Der Verlag muss sich den Marktgegebenheiten stellen, aber er kann - je selbstbewusster er sein Programm bezüglich einer Nichtaustauschbarkeit seiner Titel sieht - durchaus überhöhte Konditionsforderungen abwehren. Die seitens des Sortiments (und besonders auch der Barsortimente) hin und wieder vorgebrachte Androhung des Delisting, d.h. die Produkte des Verlages (oder Teile davon) nicht mehr zu führen, falls bestimmte Konditionsforderungen nicht erfüllt werden, geht oft ins Leere. Je weniger austauschbar die Titel sind, desto weniger kann diese Drohung ohne Schaden für die eigene Leistungsfähigkeit der Händler realisiert werden. Es sind also Sachlichkeit, Realitätssinn und partnerschaftliche Fairness gefordert, wenn es um Rabatte und deren vergleichende Bewertung geht. Viel wichtiger als der nackte Rabatt kann z.B. die Rücknahmepolitik des Verlages sein: Ist er hier großzügig, entfallen für den Sortimenter entsprechende Wertminderungen und daraus resultierende Einbußen der Handelsspanne für nichtverkauftes Lager. In einem solchen Fall ist daher ein geringerer Rabatt angemessen, weil damit eine - wesentliche - Kostenposition im Handel entfällt, die durch den Rabatt abgedeckt werden soll. Konditionen können nur als Bündel bewertet und verhandelt werden, Fixiertheit auf irgendwelche isolierten Zahlenwerte führt in die Irre. Ein besonders heikler Punkt, zumal für Publikumsverlage, sind die von großen Buchhandlungen, insbesondere den Ketten, geforderten Werbekosten- <?page no="205"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 206 zuschüsse (WKZ). Diese bedeuten praktisch das »Eintrittsgeld« für Vorzugsplätze, Schaufenster und sonstigen besonderen Einsatz. Durch Werbekostenzuschüsse steigt für den Buchhändler der Deckungsbeitrag, der des Verlages wird reduziert. Auch diese Elemente sind bei der Gesamtbewertung der Konditionenpolitik von Bedeutung. 4.4- Kommunikationspolitik 4.4.1 Ziele der Werbung Hauptgegenstand der Kommunikationspolitik eines Verlages ist die Werbung, die meist in einer gesonderten Abteilung durchgeführt wird. Als Ziel der Werbung lassen sich vier Hauptziele benennen: • Bewerbung neuer Produkte (Novitäten) • Schaffung neuer Märkte (Erschließung neuer Kunden) • Absatzausweitung (im vorgegebenen Markt, d.h. Verdrängungswettbewerb) • Erfolgssicherung (für Longseller wie Zeitschriften, Loseblattwerke, Lehrbücher und Ähnliches) Gestaltung und Inhalt der Kommunikationspolitik, insbesondere die der Werbemaßnahmen, sind dabei eng gebunden an Art und Charakter der Produkte: die entscheidende Leistung der Kommunikationspolitik muss es sein, die Produkteigenschaften in adäquater Weise zu vermitteln. Der Auftritt und Werbestil eines Verlags muss zu seinen Produkten passen. Das wird im Begriff der »integrierten Kommunikation« beschrieben, durch die eine bessere Wiedererkennung der Botschaften beim Kunden und (durch die Vermeidung von Widersprüchen) eine Erhöhung der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz aller Kommunikationsmaßnahmen erreicht wird. Werbung macht kaufmännisch nur Sinn, wenn die Kosten in einem finanzierbaren Rahmen bleiben. Ob dieser auf den Einzeltitel, eine Reihe, einen Programmbereich oder den Gesamtverlag bezogen ist, ist eine geschäftspolitische Entscheidung. Bei großen Umsatzvolumina wird man eher titel- oder produktgruppenspezifisch rechnen können als bei kleineren (umsatzschwächeren) Titeln. Eine falsche Vorstellung ist jedenfalls »viel hilft viel« oder auch durch hohen Werbeaufwand lahmende Titel in Schwung zu bringen. Das funktioniert fast nie. Kostenbewusste Werbearbeit beschränkt die Kosten durch Fokussierung und Schwerpunktbildung. Gerade bei der Frage der Wer- <?page no="206"?> 207 bebudgets gibt es heiße Kämpfe in der Verlagskonferenz, bei der die Lektoren ihre (vermuteten) Spitzentitel mit hohen Etats beworben sehen wollen. Eine alte (ironisch gemeinte) Regel lautet: War ein Buch erfolgreich, liegt es am Autor (oder Lektor), war es erfolglos, liegt es an der unzureichenden Werbung. Dennoch: Immer muss der realistisch zu erwartende Erfolg mit den Kosten der Werbemaßnahme im Verhältnis stehen. Übereifer und Aktionismus kosten viel Geld, das meist verpufft. Oft ist der Anlass für vergebliche Werbeaufwendungen eher die Eitelkeit des Autors, der unbedingt in bestimmten Zeitschriften Anzeigen seines Buches sehen will oder sonstige teure Aktionen fordert, die seinem Ego wohl tun. Da hilft nur eines: kühlen Sinnes das zur Verfügung stehende Budget vorrechnen und damit die Grenzen des Machbaren aufzeigen (s. Kap. 4.4.4). 4.4.2 Der Werbeplan »Ich weiß, dass die Hälfte meiner Werbeaufwendungen rausgeschmissenes Geld ist, aber leider nicht welche Hälfte.« Henry Ford Unverzichtbares Instrument zur Steuerung der Werbekosten und der Optimierung der mit ihnen erreichbaren Effekte ist der Werbeplan. Er besteht aus einem Maßnahmenteil und dem aus der Jahres- und Programmplanung abgeleiteten Werbebudget, das sowohl die Novitätenwerbung (in der Regel der größte Posten) wie die themenorientierte (Zielgruppen-)Werbung unter Einbeziehung der noch Erfolg versprechenden Backlisttitel umfasst. Ziel der Erstwerbung ist es dabei, möglichst eine Initialzündung für einen länger anhaltenden Erfolg zu setzen, der dann nur noch einer beschränkten Nachwerbung bedarf (s. a. Abb. 4.15). Der sachliche Teil des Werbeplans beantwortet die Fragen • Was soll beworben werden? • Wer soll beworben werden? • Wie soll geworben werden? • Wann soll die Werbung laufen? Auf die Fragen des Was und Wie soll hier nicht vertiefend eingegangen werden, dies ergibt sich aus den anstehenden Nova, den dazu passenden Backlist-Titeln 4.4 Kommunikationspolitik <?page no="207"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 208 sowie dem »Stil« des Verlags, modisch gesprochen seiner Corporate Identity. Sehr ratsam allerdings ist es - besonders bei Fach- und wissenschaftlichen Verlagen - den Autor in die Werbekonzeption einzubeziehen, damit die Werbeaussage sachlich auch wirklich korrekt ist. Zudem stellen Fachautoren zur Frage 2 (»Wer soll beworben werden? «) oft gute eigene Adressen zur Verfügung oder geben nützliche Hinweise zu Adressbeständen (z.B. Fachgesellschaften u.ä.). Die Frage des »WER? « ist sehr kostenbestimmend. Zu groß geschnittene Zielgruppen haben hohe Streuverluste, zu kleine führen zu mangelnder Ausschöpfung des Marktpotenzials und falsch ausgewählte Gruppen eventuell gar zum Totalverlust der Werbekosten. Hilfreich ist dabei, sich mehrdimensionale Räume vorzustellen. Grafisch lassen sich nur dreidimensionale Modelle darstellen, in Gedanken lässt sich aber auch in höherdimensionalen Räumen arbeiten. Was im Einzelfall die Parameter, also die Kategorien auf den Achsen sind, muss jeweils überlegt werden. So könnte etwa anstelle der Familiengröße die Einwohnerzahl des Wohnortes stehen usw. Jedenfalls führt eine solche planvolle Zielgruppenfokussierung zu kostengünstigeren Lösungen als aktionistische Großmaßnahmen. 25.000 50.000+ 25.000 50.000 Höhe des Jahreseinkommens Fam engröße 4+ 2 3 1 Bildungsniveau des Haushaltsvorstands Hochschule Abitur Realschule Hauptschule Abb. 4.12: Räumliche Darstellung der Differenzierung von Zielgruppen nach drei Kategorien <?page no="208"?> 209 4.4 Kommunikationspolitik Zur Backlistwerbung sei nur gesagt: Es ist ein Fehler, einen offenbar im Markt nicht angenommenen Titel nachträglich durch verstärkte Werbung retten zu wollen, Stichwort »Sorgenkinder bewerben«. Das misslingt fast immer und bedeutet, dass neues (Werbe-)Geld dem schon verlorenen (Produktions-)Geld hinterhergeworfen wird. Bewerben soll man primär seine Stärken: die Spitzen-Nova und die Bestseller in der Backlist. Aus dem heruntergebrochenem Gesamtbudget Werbung entsteht ein titelbezogenes Budget, auf dem der konkrete Werbeplan aufbaut. Hierbei ist die so genannte A/ B/ C-Analyse praktisch unerlässlich: Sie sortiert die Titel in drei Kategorien: Generell ist eine »Politik der Spitzentitel« (B. Renner) zu beobachten: die Verlage konzentrieren ihre Werbe- und Vertriebsarbeit immer mehr auf wenige Titel. So kann auch ein größerer Literaturverlag nicht mehr als vier oder fünf Spitzentitel bewerben, mit der Folge, dass für »Midlist-Titel« nur bescheidene Budgets übrig bleiben. Dass dadurch das Risiko der Verlage sich sehr erhöht und der abpuffernde Effekt der »Midlist« geringer wird, ist eine unerfreuliche Konsequenz. Besonders im wissenschaftlichen Verlag, aber auch in vielen anderen Bereichen ist leider die Gruppe C zahlenmäßig die größte, während die Gruppe A den höchsten Umsatz- und in der Regel auch den höchsten Gewinnbeitrag leistet. Dennoch sollte man die Gruppe C nicht von vornherein als abschaffungswürdig ansehen, solange sie (und das ist das unverzichtbare Minimum) noch je einzeln oder im Verbund einer Reihe positive Deckungsbeiträge erbringt (siehe dazu Kap.-3.7.5). Wem es gelingt, die Gemeinkosten ebenso wie die Werbekosten für C-Titel straff zu steuern, der kann mit diesen gutes Geld verdienen. Im Wissenschaftsbereich gibt es sogar Verlage, die überhaupt nur A: sehr wichtig / hohes Potenzial (= hoher Werbeaufwand möglich und notwendig) B: Durchschnittstitel (= durchschnittliches Werbebudget) C: marginaler Titel mit geringem Potenzial (= nur Grundwerbung) <?page no="209"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 210 C-Titel produzieren (dann oft mit Druckkostenzuschüssen) und damit solide Renditen erwirtschaften. Oft entsteht mit diesen Titeln zudem eine hohe Autorenbindung, und durch weitere Titel, die dann den Kategorien A oder B angehören, fallen später (indirekt) gute Erträge an. Auf jeden Fall können C-Titel eine wertvolle Programmabrundung bedeuten, die die Kompetenz des Verlags in einem bestimmten Gebiet signalisiert und verstärkt. Kein Unternehmen - in keiner Branche - kann nur A-Titel produzieren, zumal das Produkt und die Konkurrenzlage bei Vertragsabschluss noch unbekannt, zumindest mit Unsicherheit behaftet sind. Delikat bleibt allemal, wie man mit dieser kühlen Eingruppierung von Büchern intern gegenüber den Lektoren und extern gegenüber Autoren und Handel umgeht - hier sind Behutsamkeit und Taktgefühl sehr gefragt. Gemacht werden muss es aber auf jeden Fall. Wie wenig Werbevolumen pro Titel sich bei solchen Budgetierungen ergibt, zeigt die Aufstellung am Beginn von Kapitel 4.4.4. 4.4.3 Zeitliche Planung der Werbung Auf die Frage des »WANN? « gibt es viele Antworten bzw. Bezugspunkte: • vor oder bei Erscheinen? • wie lange und wie oft bei Longsellern? • saison- und ereignisbezogene Werbezeitpunkte Die erste Frage beantworten Publikumsverlage ganz anders als Fachverlage: Sie wollen möglichst viele Vorbestellungen bei Erscheinen, zumal die Verfügbarkeit von Neuerscheinungen im Sortiment - oft flankiert von gleichzeitiger Publikumswerbung - entscheidend ist. Anders dagegen der wissenschaftliche Verlag: Viele seiner Käufer wollen das Buch erst einmal in der Hand haben und entscheiden dann über den Kauf. Zu frühzeitige Werbung würde hier also verpuffen. Der wissenschaftliche Verlag denkt und handelt in viel längeren Zeiträumen, als dass es um einige Wochen werblichen Vorlauf ginge. Er wirbt für Bücher, die es wirklich gibt. Werbezeitpunkte können auch durch exogene Anstöße bestimmt werden, wie etwa beim Tod Johannes Paul II. und der folgenden Wahl des neuen Papstes: Das hat hunderttausende von Büchern in wenigen Wochen an die Kunden gebracht, massiv unterstützt durch die entsprechende, natürlich nicht im <?page no="210"?> 211 4.4 Kommunikationspolitik vorhinein budgetierte Werbung. Solch ein exogener Anstoß zu erheblichen, ursprünglich nicht vorgesehenen Werbeaufwendungen kann auch der unverhoffte Einstieg eines Titels in die Bestsellerlisten oder die Präsentation in einer Fernsehsendung sein - auf solche Ereignisse reagiert jeder Verlag mit verstärkter Werbung, getreu der Devise »Bewerbe Deine Stärken«. Die entsprechenden Zusatzkosten über das geplante Werbebudget hinaus sind in solchen Fällen natürlich unproblematisch. Eine nicht generell zu beantwortende Frage ist die der Werbung für Longseller. Viele davon brauchen nur noch wenig Werbung, dennoch sollten die Begriffe Erinnerungs- und Erhaltungswerbung (z.B. bei Serien und Zeitschriften) immer bedacht werden. Außerdem sind Star-Titel (Longseller) oft ein guter Aufhänger für Werbeaktionen eines Programmbereichs und dessen Nova. Jedes Buch hat einen Lebenszyklus, der bei der Frage »wann (noch) werben? « zu beachten ist -allgemeingültige Antworten gibt es nicht. So kann z.B. bei einem Longseller ein unversehens auftauchendes Konkurrenzprodukt auch in einer späten Phase des Produktzyklus zu erneuter Werbung zwingen. Umsatz Gewinn Zeit Verlust Einführungsphase Wachstumsphase Reifephase Sättigungsphase Degenerationsphase Umsatz Gewinn Abb. 4.13: Produktlebenszyklus (aus Sander 2004) <?page no="211"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 212 Vorstehendes Diagramm ist nicht untypisch für ein Fach- oder Lehrbuch, bei dem die beiden ersten Phasen vielleicht je drei Jahre dauern und die Reifephase in glücklichen Fällen bei guter Produktpflege (durch laufende Neuauflagen) auch 20 Jahre und mehr. Die stärksten Werbeaufwendungen fallen dabei in die Phasen 1 und 2, in den folgenden geht es nur noch um Erhaltungswerbung, d.h. ein möglichst weites Hinausschieben der letzten Phase. Ganz anders etwa ein Unterhaltungsroman, dessen Produktlebenszyklus innerhalb von nur 12 Monaten alle Phasen durchläuft (in denen das Lehrbuch noch am Anfang seiner Einführungsphase steht). Die Bewerbung eines Titels kann sich auch auf verschiedene Beteiligte erstrecken, den Verlag und später seine Lizenznehmer. Es gibt Fälle, in denen eine sehr erfolgreiche Lizenzausgabe sich noch einmal positiv auf den Verkauf der Originalausgabe auswirkt. Ebenso kann ein exogenes Ereignis (s. o.) eine Originalauflage wieder aufblühen lassen, so war es z.B. bei den meisten der Papst-Titel. Aus solch unterschiedlichen (erwarteten) Verkaufszyklen ergeben sich Fragen für den zeitlichen Einsatz der Werbung, die in nachfolgender Abbildung veranschaulicht werden: Exemplare Zeit Lebenszyklus eines Unterhaltungsromans Taschenbuch-Lizenzausgabe Werbephase Verlag Werbephase TB Verlag Abb. 4.14: Unterschiedliche Produktlebenszyklen <?page no="212"?> 213 4.4 Kommunikationspolitik Bei beiden Vorgehensweisen werden 13 Schaltungen (oder Mailings) durchgeführt. Bei der ersten Variante (sehr dichte zeitliche Folge der Maßnahmen) wird ein sehr hoher Erinnerungswert aufgebaut, der dann rasch absinkt. Bei der alternativen Verteilung der Maßnahmen auf ein Jahr (statt weniger Wochen) wird zwar kein so hoher Erinnerungswert aufgebaut - er hält aber länger vor - die »Dauerbewerbung« hält das Produkt im Bewusstsein der Käufer. Die erste Strategie mag sinnvoll sein etwa bei einem Olympiabuch oder für einen Kalender, die langfristig angelegte für literarische Werke mit hohem Longseller-Potenzial oder auch wissenschaftliche Lehrbücher oder Fachliteratur. Das Diagramm zeigt jedenfalls die Alternativen werblichen Verhaltens, die für bestimmte Produkte gut, für andere weniger geeignet sind. Schließlich muss bei der Bemessung von Werbebudgets das ökonomische Grundgesetz des sinkenden Grenzertrags beachtet werden: Bei steigendem Aufwand steigt der Mehrertrag (= Grenzertrag) unterproportional. Verdoppel- 10 20 30 40 50 60 70 10 20 30 40 50 52 0 Wochen Erinnerung in % Strategie I Strategie II Be eid n orgeh ns isen we en 1 chalt nge der Mail ng ) d g ü d r a a ( i he a ahm n) ird ein s hr h he Erinn rungsw rt aufgebaut der dann r sch absink . Bei der alternativen Verteilung der Maßn men auf ei Jahr ( tatt weniger chen) ird w r k in s ho er Er n er n s e t a ge a r l d D b b “ l P B sei der äufer D e rste Strategie mag innv ll sein etwa e nem Ol mpiabuch oder für einen Ka ender, die langfrist g angelegte für literari c m l o i r au i ic Abb. 4.15: Werbeerinnerung bei unterschiedlicher zeitlicher Verteilung des Werbebudgets (nach Zielske 1950, aus Sander 2004) <?page no="213"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 214 ter Werbeeinsatz erbringt eben in der Regel nicht verdoppelten Umsatz! Dies verdeutlich nachstehendes Diagramm: Es muss also einigermaßen realistisch abgeschätzt werden - verlässliches Wissen hierüber gibt es ja nicht - ob eine weitere Werbemaßnahme noch ausreichende Zusatzerträge bringen wird. 4.4.4 Das Werbebudget Alle Werbung muss finanzierbar sein, und zwar aus den durch sie erzeugten (Mehr)Umsätzen. Wie klein die Spielräume dabei sind, erweist nachstehende Aufstellung. Ein nennenswertes Werbebudget kann also nur bei sehr umsatzstarken Einzeltiteln oder durch geeignete Bündelung thematisch passender mittlerer Titel erreicht werden (s. a. A/ B/ C-Analyse S. 209). Schließlich besteht für neue Titel insoweit ein Verfügungspolster, als die noch gut verkäuflichen Titel der Backlist mit geringeren Kosten beworben werden. Ein Werbekostenanteil von 7% für den Gesamtverlag ermöglicht also bei ausreichenden Backlist-Verkäufen für die neuen Titel wesentlich höhere Aufwendungen, als die Budgetplanung mit dem Durchschnittssatz erlaubt. Das Schwierigste bleibt aber die Abschätzung, ob ein vergrößertes Budget entsprechende Mehrverkäufe Marktanteil Werbeaufwand maximaler Marktanteil Marktanteil bei + 50 % Werbung Ausgangsmarktanteil minimaler Marktanteil Aufrechterhaltungswerbung + 50 % Werbung Abb. 4.16: Sinkender Grenzertrag wachsenden Werbeaufwands Quelle: Berndt 1996, S.-280 <?page no="214"?> 215 4.4 Kommunikationspolitik erzeugt. Wäre das immer der Fall, bedürfte es ja keiner Begrenzungen der Werbekosten. Ausgehend von einem branchenüblichen Richtwert von 5 - 7% vom Umsatz für die Werbekosten ergeben sich z. B.: Buch mit 3.000 Auflage, LP € 24,- (Nettoverlagserlös 13,-, darauf 6%) 2.340,- € ___________________________________________________________ Buch mit 80.000 Auflage, LP € 19,90 56.000,- € (7%) (netto 10,-) ___________________________________________________________ Dem stehen folgende beispielhafte Werbekosten gegenüber 1 Spalte (70,5 mm breit) in der ZEIT kostet sw 13.520,- € 4c 22.815,- € 1 Seite im Spiegel kostet sw 58.973,- € 4c dto. Die FAZ bietet (Vorzugs)mm-Preise für Kulturanzeigen an, die in den Rubriken sehr unterschiedlich sind: €- 6,30/ mm im Feuilleton, ansonsten €- 14,30/ mm, wieder andere für den Kunstmarkt. ___________________________________________________________ 1 Mailing kostet mindestens -,80 €/ Ex. (Prod.K. -,20, Porto InfoPost -,30, Adress- und Handling-Kosten ca. -,30) 5000 Werbebriefe also 4.000,- € ___________________________________________________________ Teilnahme Buchmesse Frankfurt/ M. 1 Messestand mittl. Größere ca. 12.000,- € (mit Stand-, Hotel-, Personalkosten) Schon diese punktuelle Aufstellung zeigt, dass ohne die Finanzierungskraft einer gängigen, nur noch begrenzt zu bewerbenden Backlist für einen mittleren Einzeltitel nur unzureichend geworben werden könnte - d.h. nur wenige Tausend Euro stünden zur Verfügung. <?page no="215"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 216 Nach Festlegung des Werbebudgets ist über folgende Grundsatzfragen zu entscheiden: • Werbemittelgestaltung • Medienauswahl / Platzierung innerhalb des Mediums • »Werbedruck« / Belegungshäufigkeit • Timing der Medienbelegungen / Mailings (s. Kap. 4.4.3) Der Werbeplan muss sodann Entscheidungen über die einzusetzenden Werbemethoden treffen: Die wichtigsten Werbemöglichen im Buchverlag sind folgende: Werbemittel Flugblätter Themenprospekt Zielgruppenprospekt NE-Ankündigungen Verlagsverzeichnis Plakate/ Dekomaterial für Buchhandlungen Anzeigen in Presse in Fachzeitschriften in Messekatalogen in Kongressunterlagen Buchausstellungen und Messen Internet Funk und Fernsehen Werbewände und -säulen Eventmarketing (Lesenächte, Publikumsdiskussionen, Veranstaltungen auf Messen und in Bibliotheken) Kundenclubs (insbesondere auch im Internet) Die letzteren Möglichkeiten kommen für Buch- und Fachzeitschriften-Verlage nur sehr begrenzt in Betracht. Da das Werbebudget eigentlich immer als zu knapp empfunden wird, sei hier an die vier klassischen Kostensenkungsmethoden erinnert: Weglassen, <?page no="216"?> 217 4.4 Kommunikationspolitik Umfang reduzieren, Frequenz reduzieren, Qualität reduzieren. Schon mancher war überrascht, wieviel mit diesen Methoden ohne spürbare Negativwirkungen beim Absatz erreicht werden konnte. Angesichts der Vielzahl der werblichen Möglichkeiten gilt es zunächst im Inter-Media-Vergleich zu entscheiden, welcher Medien man sich überhaupt bedienen will. Danach gilt es durch Intramedienvergleich sich für spezifische Trägermedien (Zeitschriften, Sender etc.) nach Kosten- und Effizienzgesichtspunkten zu entscheiden. 4.4.5 Werbemittel Bei der Werbemittelerstellung sind inhaltliche wie gestalterische Elemente von Bedeutung, die die folgende Übersicht (nach Sander 2004) aufzeigt: Gestalterisch Inhaltlich Typografische Aspekte Sprachliche Aspekte Verwendung von Farben Anzeigengröße bzw. Spotlänge Platzierungsaspekte bei Anzeigen oder Spots Verwendung von Musik bzw. akustischen Signalen Verwendung von Bildern, Grafiken, Illustrationen Verwendung rationaler Argumentation Verwendung von Humor Neuartigkeit der Werbemittelgestaltung Einbezug erotischer Elemente Verwendung furchtinduzierender Elemente Einbezug prestigeorientierter Elemente Bei der Konzeption von Werbemitteln ist eine Übereinstimmung von beworbenem Produkt, Werbeaussage und Werbemittelgestaltung wichtig. Man sollte für ein Fachbuch nicht wie für einen Kriminalroman oder eine Zahnpasta werben: Bild und Inhalt, Farbigkeit und Typografie müssen »seriös« in dem Sinn sein, dass sie das Produkt glaubhaft und richtig kommunizieren. Gewiss ist dabei heute, in einer allgemein laut und bunt gewordenen Umwelt, mehr erlaubt (und in manchen Fällen vielleicht auch erforderlich) als man das noch vor wenigen Jahren für möglich bzw. stilvoll gehalten hätte. Heute ist ein Vierfarbprospekt für juristische Lehrbücher mit hübschen Studentinnen als Aufhänger durchaus normal. Auch das bestgestaltete Werbmittel bleibt wirkungslos, wenn es falsch gestreut wird. Ohne zuvor festgelegten Streuplan sollte überhaupt kein Werbe- <?page no="217"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 218 mittel hergestellt werden - wer je gesehen hat, wie irgendwann im Jahr das Werbemittellager verschämt (am besten in der Urlaubszeit, wenn es nur wenige bemerken) ausgeräumt wird und die Hunderttausende nicht eingesetzter Flugblätter im Großcontainer verschwinden sieht, der weiß, worum es geht. Noch teurer als nicht verwendete Werbemittel sind aber falsch eingesetzte, weil nun noch die Beilage- oder Portokosten hinzukommen. Allzu oft werden Belegungspläne für Prospekte ohne exakte Kenntnis des Themenprofils von Zeitschriften und deren Abonnentenstruktur erstellt, nur weil der Titel so passend klingt. Die Beilage für Schwesternlehrbücher in einer Ärztezeitschrift ist aber völlig sinnlos, auch wenn der verbindende Begriff »Kinderheilkunde« heißt. Gerade hier ist die Erfahrung und der Rat der Autoren überaus wertvoll und kann vor vielen nutzlosen Aufwendungen bewahren. Entsprechendes gilt für den Prospektversand: Schlecht, insbesondere zu groß und zu unscharf definierte Zielgruppen anzuschreiben, bedeutet viel verlorenes Werbegeld. Richtige Auswahl des Trägermediums für Anzeigenwerbung bzw. der Adresskollektion bei Prospektversand sind das A und O kosteneffizienter Werbung. Unbedingt vermeiden sollte man Werbung, die erfolgt, »damit etwas gemacht wurde«, oder manchmal auch solche, zu der ehrgeizige Autoren aus reinem Prestigebedürfnis (»Das Buch des Kollegen A wurde dort auch ...«) drängen. Daher ist die Werbeerfolgskontrolle von großer Bedeutung. Sie ist bei der Direktwerbung im Prinzip griffiger (Rücklauf- und Bestellquoten) als bei der Anzeigenwerbung oder gar der Bewertung einer aufwändigen Messepräsenz. Dennoch müssen natürlich auch Werbeanzeigenkampagnen zeitnahe spürbare Absatzwirkungen auslösen. Andernfalls ist von einer Wirkungslosigkeit der Maßnahme auszugehen. Ein oft sinnvolles Instrument der Werbeerfolgskontrolle sind regionale Maßnahmen mit entsprechend überprüften Regionalabsatzstatistiken. Große Verlage testen ihre geplanten großen Maßnahmen oft durch entsprechendes Vorgehen. Ein weiteres gelegentlich anzuwendendes Mittel ist die, allerdings kostenintensive, Endkundenbefragung, deren Ergebnisse nur dann aussagekräftig sein werden, wenn sie mit professionellen Methoden durchgeführt wird. Budget und Umfang der Endverbraucherwerbung haben einen großen Einfluss auf die Dispositionsbereitschaft des Handels. Sehr häufig werden daher im Börsenblatt (und anderen Buchhandelszeitschriften wie Buchreport oder Buchmarkt) Anzeigen geschaltet, die betont den Werbeetat und konkrete Werbemaßnahmen in den Massenmedien oder einen aktuellen Anlass herausstreichen. <?page no="218"?> 219 4.4 Kommunikationspolitik Abb. 4.17: Handelsorientierte Verlagsanzeige aus Börsenblatt 21/ 2005 (25. Mai) <?page no="219"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 220 Eine wichtige werbliche (Wechsel-)Wirkung kann bei sog. »Medienverbundtiteln« entstehen, also zwischen Buch, Hörbuch, Fernsehspiel oder Film. Die dabei z. T. vorhandenen »Character« verbreitern die Handelsbasis (Puppen, Stofftiere, Spiel etc.), was insbesondere im Kinderbuchmarkt eine erhebliche Rolle spielen kann. Man spricht vom Merchandising solcher Zusatzprodukte. 4.4.6 Rezensionen und Freistücke Im weiteren Sinne gehören zu den Werbemaßnahmen auch die Rezensionen. Hier gilt einmal das »Viel hilft viel«: Je mehr Rezensionen erscheinen, desto besser. Auch kritische Rezensionen beleben den Absatz eines Buches oft spürbar. Durch gute Medienauswahl, stetige Kontaktpflege mit den Rezensionsorganen und Rezensenten kann viel für ein Buch erreicht werden. Hierbei, wie auch den anderen Werbemaßnahmen, sollte (zumindest im Fachverlag) der Autor mit seinen Erfahrungen und Beziehungen einbezogen werden, denn niemand kennt den Markt für ein Fachbuch so gut wie der Autor. Je mehr er bereit ist oder dafür gewonnen werden kann, an der Bekanntmachung seines Buches aktiv mitzuwirken, desto Erfolg versprechender wird die Werbung. Bei vielen Büchern, nicht nur Fachbüchern im engeren Sinne, ist auch der Versand von Dedikationsexemplaren an sogenannte Multiplikatoren, d.h. Meinungsbildner in dem betreffenden Bereich - egal ob das ein Kreisjägermeister, ein Ordinarius oder ein Gymnasiallehrer ist - von sehr großer Bedeutung. Wiederum ist zumeist der Autor derjenige, der am sachkundigsten Adressen zur Verfügung stellen oder zumindest gezielte Hinweise geben kann. Der Versand von Dedikationsexemplaren ist vermutlich die kostengünstigste Werbemaßnahme, die es überhaupt gibt: Bei einem Buch mit Ladenpreis €-38,mögen die Herstellkosten €-5,50 betragen. Zum Brieftarif von € 2,20 (bis 1000 g) verschickt, verbunden vielleicht mit einem persönlichen Brief des Autors oder Verlegers, kostet jede Aussendung (ohne Handling) €- 7,70; 100 Dedikationsexemplare also ca. €- 800,-. Dafür kann man nur eine ziemlich bescheidene Anzeige in einer mittelgroßen Zeitschrift schalten. Was wird wohl wirksamer sein? Von vergleichbarer Bedeutung sind die Leseexemplare, die das Sortiment und Feuilletonredakteure vorab (mit strenger Sperrfrist bis zum Erscheinen) erhalten - seien es Probekapitel oder schon das vollständige Buch. Die Leseexemplare sollen Empfehlungen der Sortimenter anregen und möglichst frühzeitige Rezensionen ermöglichen. Diese relativ wenigen, manchmal noch unkorrigierten, Vorabexemplare werden heute häufig im Digitaldruck produziert. <?page no="220"?> 221 4.4 Kommunikationspolitik 4.4.7 Informationsquellen für die Werbung Unentbehrliche Hilfsmittel für die Werbeplanung sind einerseits Verzeichnisse von Werbeträgern - für den Zeitschriftenbereich insbesondere »Der Stamm- Leitfaden durch Presse und Werbung«, der praktisch alle in Deutschland erscheinenden Zeitschriften (bis hin zu Kommunal- und Anzeigenblättern) erfasst -, mit voller Redaktions- und Verlagsanschrift, einer durchdachten thematischen Klassifikation, die die Auswahl geeigneter Zeitschriften sehr erleichtert, sowie detaillierten Angaben zu Erscheinungsweise, Satzspiegeln und Anzeigenpreisen (auch als Datenbank zu beziehen). Für die Direktwerbung per Post sind es die Verzeichnisse der Adressbuchverlage - wie etwa Schober -, die nach Fachrichtungen und Größenklassen sowie Postleiträumen sortiert Anschriften von Unternehmen, Organisationen, Ämtern und Berufsgruppen (von Bodenlegern bis zu Akupunkteuren) bieten und als Aufkleber oder Dateien verkaufen. Die Tausenderpreise sind dabei recht unterschiedlich, bei kleinen Adresszahlen insbesondere durch Mindestpreise pro Lieferung nicht unbeträchtlich. In aller Regel aber wird der Kauf dieser Adressen aus zweierlei Gründen kostengünstiger sein als der Aufbau und die aufwändige Pflege eigener Adressbestände, die nicht mindestens viermal im Jahr benutzt werden. Bei geringerer Nutzungsfrequenz entstehen zu viele Rückläufer, also unnötige Kosten, von den vorgenannten laufenden Kosten der Adresspflege abgesehen. Einen sehr wertvollen Adressbestand haben Verlage in ihren Zeitschriftenbzw. Loseblattabonnenten, deren Interessen aus dem Zeitschriftentitel einigermaßen erschlossen werden können. Heute verkaufen Verlage häufig auch untereinander diese Adressen - viele haben die früher sehr gehegten Konkurrenzängste diesbezüglich abgelegt. Bei größeren Mailings wird dabei häufig eine Testwerbung bei einer Teilzielgruppe von wenigen Tausend Empfängern vorgenommen. Je nach der erreichten Rücklaufquote wird dann das komplette Mailing versendet oder das Werbemittel in Text und Gestaltung verändert und ein zweiter Testlauf unternommen. Was eine befriedigende Rücklaufquote ist, hängt nicht nur am Prozentwert von den Aussendungen - 1,5 bis 2% gelten schon als sehr guter Wert -, sondern insbesondere am durchschnittlichen Bestellwert. Eine allgemeine werbliche Erfahrungsregel sagt, dass eine einmalige Maßnahme (egal ob Anzeige oder Mailing) nur begrenzte Erfolge erreichen kann, dass es also zur wirksamen Marktdurchdringung einer zeitlich gut gestaffelten Mehrzahl von Werbeaktionen bedarf (s. dazu Abb. S.- 213). Dadurch wird Werbung oft wirklich teuer. <?page no="221"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 222 Beispielseite aus Schober, Firmenadrtessen nach Branchen/ Privatadressen <?page no="222"?> 223 4.4 Kommunikationspolitik 4.4.8 Das Internet als Werbemedium und Vertriebskanal Als mittlerweile selbstverständliches, insbesondere im Fachbuchbereich höchst effizientes Kommunikationsinstrument bietet sich das Internet an: Verlage stellen ihre Programme vollständig und aussagekräftig dar. Dazu gehört die Präsentation aller Titel mit Umschlag, Inhaltsverzeichnis, Kurztext und vielfach auch Leseproben. Bei Zeitschriften werden die Inhaltsverzeichnisse der neuen Hefte (etwa drei Jahrgänge) ins Internet gestellt, dazu auf jeden Fall die Abstracts zu jedem Beitrag. Manche Verlage bieten auch ausgewählte Volltexte oder Leseproben oder den Serviceteil der Zeitschrift (Kongressvorschau, Kurzberichte etc.) kostenlos an (s. a. Kap. 6) oder periodische elektronische Kundenzeitschriften (so z.B. Rowohlt und Kiepenheuer & Witsch). Neben einer übersichtlichen Grafik, guten Funktionalitäten und kurzen Ladezeiten sind zwei Dinge ganz wichtig: Laufende Aktualisierung und eine Bestellkomponente (»Warenkorb«). Letztere kann an die Verlagsadresse gerichtet sein mit Angabe der gewünschten Lieferbuchhandlung, falls der Verlag nicht bewusst Direktbestellungen abwickeln möchte, oder durch einen Link zum VlB (Verzeichnis lieferbarer Bücher) (»buchhandel.de«) mit seiner Bestellkomponente, Beispiel aus Stamm, Leitfaden durch Presse und Werbung; hier: Liste der Apothekerzeitschriften <?page no="223"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 224 bei der der Besteller mehrere Buchhandelsfirmen in seiner Nähe zur Auswahl angeboten bekommt. Eine ganz wichtige Erkenntnis ist die Effizienz des Internet für den long tail, das heißt den langen Rattenschwanz älterer Produkte, von denen es im Verlag i.d.R. sehr viele gibt und die in großem Umfang im Barsortiment und Sortiment nicht mehr gepflegt werden (s. Kap. 4.2.4), d.h. längst keinen Regalplatz mehr haben. Der long tail ist dadurch charakterisiert, dass es um sehr viele Artikel in recht kleinen Stückzahlen geht: das Internet bietet via e-commerce das ideale Instrument, diese Lücke zu schließen und so auch Wünsche der Kunden nach entlegenen Dingen zu befriedigen. Diese Absatzpotentiale gilt es gezielt zu nutzen. Ratsam sind auch interaktive Elemente, so dass z.B. der Kunde Kommentare etc. direkt absetzen kann. Die auch bei kleineren Verlagen heute in die Zehntausende gehenden Besucher der Homepage pro Monat beweisen die überragende Bedeutung dieses Informationsmittels. Dennoch kann ein Verlag auf absehbare Zeit nicht auf die klassischen gedruckten Werbemittel vom Flugblatt bis zum Gesamtkatalog verzichten. Viele elektronische Bestellungen beruhen auf gedruckter Information und umgekehrt, beide Bereiche sind ineinander verschränkt. Das Internet und die Pflege der Homepage bedeuten also zunächst zusätzliche Werbekosten, wenn keine entschiedene Hinwendung zum direkten e-Commerce geschieht, der Verlag das Internet also als einen weiteren Vertriebskanal in eigener Regie nutzt. Die Möglichkeiten dazu sind sehr verschieden, bei fokussierten Fachverlagen natürlich ungleich höher als im Publikumsverlag, obwohl in diesem Bereich die social media wie z.B. (Corporate)Blogs, twitter, facebook u.a. neue Ansatzpunkte der Unternehmenskommunikation bieten. Ein Stichwort für diese Aktivitäten ist das sog. virale Marketing. Viele Verlage beschäftigen sich mittlerweile intensiv mit diesen Instrumenten, die aber einen hohen Zeitbedarf und damit Kosten erfordern. Sie dienen sowohl der Kundenkommunikation wie der Marktforschung. Das online-Marketing gewinnt immer größere Bedeutung. Stichworte dazu sind Suchmaschinenoptimierung (häufig auch von zweifelhaften Dienstleistern angeboten), affiliate Marketing in Kooperation mit Partnerunternehmen sowie das schon seit langem weitverbreitete e-Mail-Marketing. Neben der eigenen Homepage-Pflege ist es auch wichtig, dass ein Verlag die Verzeichnung seiner Titel auf anderen Internetseiten regelmäßig überprüft und aktualisiert. Manche dieser Seiten bieten mittlerweile (per Zugangscode) die Möglichkeit der direkten Datenpflege, z.B. bei Preisänderungen oder verändertem Lieferstatus. Entsprechendes gilt für Links. <?page no="224"?> 225 4.4 Kommunikationspolitik Ein erhebliches organisatorisches und damit kostenmäßiges Problem ist die Vielzahl derartiger Internetadressen, die sich alle mit hohen Benutzerzahlen schmücken und oft wie »das« Fachportal aufzutreten versuchen. Hier ist Vorsicht und vernünftige Begrenzung anzuraten, ganz besonders bei den Betreibern, die Titelgebühren fordern. Da kann sich einer mit Gutgläubigen schnell eine hübsche Geldmaschine basteln, zumal wenn die Verlage nicht kritisch Qualitäten, insbesondere der tatsächlichen Abrufe ihrer Titel überprüfen. Eigentlich müssten ein guter eigener Internetauftritt zusammen mit dem VlB (buchhandel.de) und den entsprechenden Barsortimenten, eventuell kombiniert mit Google, ausreichen. Die Datenpflege in zu vielen Internetseiten ist arbeitsaufwändig - ein wunderschöner Anwendungsfall für Gemeinkosten- Wertanalyse! Deutlich einfacher und komfortabler sollte die Datenpflege jedoch geworden sein, seit ONIX zum Standardformat für die Datenübermittlung geworden ist. Erwähnt sei auch die Möglichkeit, Newsletter an gespeicherte, eventuell themenorientierte Empfänger per e-Mail zu schicken. Das erfordert erhebliche Vorarbeit, ist danach aber sehr kostengünstig und effizient. 4.4.9 Verlagsvertreter Ein klassisches Kommunikationsinstrument ist der Außendienst. Ob dies durch provisionsentgoltene freie Handelsvertreter oder durch auf der Gehaltsliste stehende Außendienstmitarbeiter geschieht, ist je nach Zielsetzung und betrieblichen Gegebenheiten zu entscheiden. Eindeutig gibt es eine Tendenz weg von den Provisionsvertretern hin zu den angestellten Außendienstmitarbeitern. Dies beruht nicht zuletzt auf einer Verschiebung der Aufgaben. Heute soll ein Außendienstmitarbeiter nicht wie die alten wortmächtigen Vertreter wuchtig »hineinverkaufen«, wozu ein umsatzbezogenes Provisionsmodell natürlich bestens passt, sondern heute legen viele Verlage den Schwerpunkt auf Information (auch Rückmeldungen), die Absprache von Sonderaktionen etc. Diese angestellten Vertriebsmitarbeiter/ innen sind dann oft Monate gar nicht auf Reise, sondern kontaktieren ihre wichtigsten Kunden zwischendurch per Telefon. Während freie Verlagsvertreter von einer Provision (in der Regel zwischen 5 und 7% des Umsatzes), oft ergänzt durch eine monatliche Kostenpauschale, also weitest gehend erfolgsabhängig, bezahlt werden, hat der angestellte Vertreter sein Gehalt plus Spesen und Dienstwagen, unter Umständen ergänzt durch eine kleine Erfolgsprovision (ca. 1%), falls er überhaupt stark verkaufsorientiert arbeiten soll. Heute wird oft gerade ein großer Vorteil des ange- <?page no="225"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 226 stellten Verlagsvertreters darin gesehen, dass er nicht massiv »hineinverkaufen« muss. Für freie Handelsvertreter gilt meist Gebietsschutz, d.h. alle Umsätze mit Besuchskunden werden provisioniert, nicht nur die Reiseaufträge. Kleinere Verlage sind bei beiden Modellen darauf angewiesen, sich den/ die Vertreter mit anderen Verlagen zu teilen. Beim Provisionsmodell ist das unproblematisch, beim Angestelltenmodell muss das Gehalt plus Nebenkosten per (Umsatz-)Schlüssel unter den beteiligten Verlagen umgelegt werden. Solche Gemeinschaftsvertretungen setzen natürlich stets voraus, dass eine gewisse Gleichgestimmheit der Verlagsprofile vorliegt. Nur dann kann eine schlüssige gemeinsame Liste der zu besuchenden Firmen festgelegt werden, die ja Grundlage aller Vertreterarbeit ist. Sehr divergente Verlagsprogramme sprechen ganz unterschiedliche Sortimentstypen an. Die meisten Fach- und Wissenschaftsverlage haben laufenden Kontakt mit allenfalls 300 Sortimentsfirmen, mit denen sie 80-90% ihres Umsatzes machen. Alle anderen sind aus wirtschaftlichen Gründen keine Besuchsfirmen. Bei einem Publikumsverlag sind es oft mehr als 1.500 zu besuchende Firmen. Dann bedarf es vieler Vertreter in zehn oder mehr festgelegten Gebieten. Die Zahl der Vertreter geht bei Publikumsverlagen heute bis zu 30 Personen. Einige Verlage haben mittlerweile auch in Deutschland begonnen, Außendienstmitarbeiter im Hochschulbereich einzusetzen, die dann im Sinn eines Demand-Pull-Marketing versuchen, Dozentenempfehlungen zu bewirken. Im Idealfall müssten diese Gebiete ausgewogen nach Umsätzen bzw. Reisedistanzen sein. Das Beispiel (Abb. 4.18) macht deutlich, dass dies keineswegs immer so ist, sondern zum Teil kurios geschnittene Gebietsgrenzen aus irgendwelchen historischen oder persönlichen Gründen vorliegen. Das kann auch sehr davon abhängen, ob bestimmte Vertreter dies nur als Nebentätigkeit ausüben. Ein wissenschaftlicher Verlag hat vielleicht nur zwei Außendienstleute, von denen jeder ca. 150 Firmen betreut. Zu diesen Gebieten kommen Österreich und die Schweiz noch hinzu. Die dortigen Vertreter sind aber häufig Angestellte der betreffenden Verlagsauslieferungen oder Kommissionäre. Die Vertreterarbeit erfolgt dabei nicht nach gusto im freien Raum. Vielmehr werden die Besuchskunden, die Besuchsfrequenz, die Tourenplanung, die Kundenpriorisierung von der Vertriebsleitung, eventuell gemeinsam mit den Vertretern, erarbeitet. Die Rückmeldungen und Erfahrungen des Außendienstes führen dann zu laufenden Anpassungen, z.B. der Aufnahme neuer Besuchskunden und der Streichung marginal gewordener. <?page no="226"?> 227 4.4 Kommunikationspolitik Ob angestellt oder nicht: Für alle Vertreter, Vertriebsleute und Programmverantwortlichen ist die in der Regel zweimal im Jahr stattfindende Vertreterkonferenz ein zentrales Ereignis, das bis zu drei Tagen intensivster Arbeit bedeutet. Die Lektoren stellen die Titel inhaltlich und mit ihren Marktchancen vor, die sehr verkaufsrelevanten Umschläge werden begutachtet (und daraufhin oftmals noch verändert), die Preisansetzungen diskutiert und besondere Werbeaktionen, vor allem die, welche eine Mitwirkung des Sortiments erfordern, erörtert. Die Programmkonferenzen sind intern das zentrale Marketingforum und das Briefing für die Vertreter. Die Vertreter müssen mit aussagekräftigen Präsentationsmaterialien (Andrucke der Umschläge, Probekapitel, Informationen über die Autoren und die geplanten Werbeaktionen) ins Sortiment gehen - nur so können sie die sogenannte unique selling proposition (usp) eines Titels, seine Einmaligkeit im Wettbewerbsumfeld, überzeugend darlegen. Die Erfassung der Aufträge geschieht per Laptop (Notebook) und wird regelmäßig nach nochmaliger Durchsicht an die Vertriebsabteilung des Verlages übermittelt. Unerfreulicher, aber regelmäßiger Bestandteil des Vertreterbesuchs sind die Remissionswünsche des Sortiments, die oft mit der Bereitschaft, überhaupt zu bestellen, verbunden werden. Der Buchhandel ist wohl die einzige Branche, in der (faktisch) ein nahezu unbegrenztes Rückgaberecht existiert, egal, welche Remissionsquoten (theoretisch) in den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen stehen. Wichtig für die Vertriebsarbeit im Verlag sind schließlich die Vertreterberichte, die über die allgemeine Stimmungslage, spezielle Urteile über den Verlag und das aktuelle Programm, über Kritik oder Begeisterung für einzelne Titel, aber auch etwaige Zahlungsprobleme, Umbauten oder Personalverän- Abb. 4.18: Beispiel einer Aufteilung der Bundesrepublik in Vertretergebiete <?page no="227"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 228 derungen berichten. All diese Fakten sind wichtig für die Vertriebsleitung, die sich bei gelegentlichen persönlichen Sortimentsbesuchen nicht annähernd ein so detailliertes Bild verschaffen könnte. Ein weiterer Vertretertyp sei noch erwähnt: der Endkunden-/ Haustür-Vertreter. Diese sind meist entweder selbständig oder als Angestellte spezieller Direktvertriebsunternehmen tätig, seltener als Angestellte der Verlage. Besonders wichtig ist diese Art des Vertreterverkaufs für teure Großobjekte wie Lexika und Fortsetzungswerke (z.T. auch für Fachkunden wie Ärzte, Steuerberater, Anwälte etc.). Solche Objekte werden oft zu mehr als 50% (bis zu 100%) auf diesem Weg verkauft. 4.4.10 Key Account Management Schon zu Beginn dieses Kapitels war davon die Rede, dass heutzutage mehr denn je der Markt zur entscheidenden Orientierungsgröße der Unternehmen wird, und das heißt: der Kunde wird in den Mittelpunkt gerückt; dauerhaft gebundene, umsatzstarke Kunden werden als wesentlicher Teil des Unternehmenswerts gesehen. Angesichts des sich auch im Buchbereich sehr verschärfenden Wettbewerbs, der damit verbundenen immer höheren Vertriebskosten und der steigenden Ansprüche aufgrund einer stetig voranschreitenden Konzentration der immer mächtigeren (Groß-)Kunden (auch jenseits des Buchhandels d.h. bei den sog. institutional sales), findet eine besondere Hinwendung zu diesen Schlüsselkunden (Key Accounts) statt. Key Account ist geradezu zu einem Schlagwort im Marketing geworden. Es handelt sich in erster Linie um die umsatzstärksten Kunden wie Buchhandelsketten mit Zentraleinkauf, »Platzhirsche«, Marktführer in Teilbereichen wie Medizin oder RSW. Nach einer bekannten Faustregel werden mit den Key Accounts, die maximal 20% der Kunden sind, 80% der Umsätze getätigt. Es gibt aber auch weitere relevante Kriterien für diese Kunden, z.B. besonders hohe Deckungsbeiträge, die mit ihnen erzielt werden, oder eine Leitbildfunktion, etwa einer renommierten literarischen Buchhandlung in einer Großstadt, obwohl die Firma umsatzmäßig nur einen mittleren Wert erreicht. Hier kann dann das Ansehen des Kunden auf die eigenen Produkte ausstrahlen (Transferwirkung des Kundenimage). Auch das Zukunftspotential eines (neuen) Kunden kann zur Einstufung als Key -Account führen. Da für die meisten Verlage das Sortiment der Mittler zum Kunden ist, ist die Motivierung des Handels zu besonderem Einsatz, das Erreichen von Sympathie für das Verlagsprogramm von besonderer Bedeu- <?page no="228"?> 229 4.4 Kommunikationspolitik tung. Key Account Manager sind nicht nur Verkäufer, sondern in allen Belangen Kundenbetreuer und Motivatoren. Es geht um eine Optimierung der Zusammenarbeit mit den Kunden, das wird auch als Customer Relationship- Management bezeichnet: • Steigerung der Kundenzufriedenheit • bessere Berücksichtigung von Kundenwünschen • Aufbau einer Vorzugsposition des Lieferanten • ständige Zusammenarbeit bei besonderen Aktionen • weitestgehendes Listing der eigenen Produkte bei den Key Accounts • langfristige gegenseitige Bindung All dies soll der Sicherung bzw. der Ausweitung der Umsätze dienen und die eigene Aktionsfähigkeit absichern i.S. der Marketingweisheit, dass nicht der Kauf eines Produkts, sondern der Wiederkauf entscheidendes Ziel ist. Das gilt im Verlag dann eher für sein Programm als für einzelne Titel. Je austauschbarer die Produkte, desto entscheidender ist diese gezielte Arbeit mit dem Handel, um Warenpräsenz und Beratungsleistung zu optimieren. Gerade deshalb darf sich Key Account Management nicht nur auf die wenigen Großkunden beziehen, vielmehr sollte es bewusst als Instrument des Erhalts einer ausgewogenen Kundenstruktur angesehen werden. In diesem erweiterten Sinn spricht man generell von Customer Relation Management (CRM), das heute stark von IT Technik und den damit gewonnenen Informationen gestützt wird (Computer aided marketing). Diese Funktionen werden mittlerweile auch als externe Dienstleistungen angeboten (z.B. Burda Ciscom). Key Account Management erfordert viel mehr Zeit als Routinebetreuung, ist also kostenaufwendig, nicht zuletzt, weil dafür besonders qualifizierte Vertriebsmitarbeiter benötigt werden. In mittleren Verlagen ist es eine Teilfunktion des Außendienstes, d.h. dieser nimmt eine bewusste Fokussierung auf die Schlüsselkunden vor, in einem Teil des Jahres auch vom Schreibtisch aus. Es ist dabei wichtig, dass dadurch die anderen (Normal)Kunden nicht vernachlässigt werden. 4.4.11 Messen und Ausstellungen Messen und Buchausstellungen, z.B. im Zusammenhang mit Fachkongressen oder als weihnachtliche »Bücherschauen«, bewirken eine hohe Besucherfrequenz in einem definierten Zeitraum von wenigen Tagen, allenfalls einigen Wochen. Sie bieten Verlagen die Möglichkeit, ihr Programm so zu präsen- <?page no="229"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 230 tieren, wie sie es möchten, z.B. in der Mischung von Backlist und aktuellen Neuerscheinungen, d.h. unabhängig von den Dispositionsentscheidungen und der Präsentation des Sortiments. Sie sind ein wichtiges, aber leider auch sehr kostenaufwändiges Element der Werbe- und Vertriebsarbeit. Schon mittelgroße Fachverlage haben dafür spezielle Mitarbeiter, die einerseits laufend die einschlägigen Veranstaltungstermine (Fachkongresse, Fortbildungsveranstaltungen, Spezialmessen usw.) recherchieren, Standflächen buchen oder ausstellende Buchhandlungen kontaktieren, Displaymaterial bereitstellen bzw. in Auftrag geben, Exponatlisten aufstellen, den Versand (auch der Werbemittel und Probehefte der Zeitschriften) und ebenso den Rücklauf der unverkauften sowie die Abrechnung der verkauften Stücke organisieren. Da geht es um Hunderte von Veranstaltungen pro Jahr. Oft wird bei solchen Veranstaltungen enttäuschend wenig verkauft, weil sich die Besucher der Stände Notizen machen und über ihren heimischen Buchhändler bestellen. Das ist die Hauptursache, warum Buchhändler immer weniger bereit sind, Bücherstände bei Kongressen zu organisieren, obwohl sie erhöhte Rabatte und teils zusätzlich noch nennenswerte Titelgebühren dafür erhalten. Aber der Verlag muss sich bei solchen Gelegenheiten sichtbar machen, auch wenn die unmittelbar messbare (Umsatz)Wirkung minimal ist. Einen eigenen Stand mit eigenem Personal zu organisieren, kommt für kleinere Verlage nur in Ausnahmefällen in Betracht, größere Verlage belegen viele Veranstaltungen im Jahr und haben dafür eine ganze Abteilung, deren Mitarbeiter dann auch Standdienste - oft mit teuren Überstunden- und Wochenendaufschlägen - leisten. Hinzu kommen die Fahrt- und Übernachtungskosten, so dass insgesamt die mit der Standbetreuung verbundenen Kosten meist weitaus höher sind als die Standkosten selbst. Zu diesen zählen ggf. auch die für einen maßgeschneiderten Messestand, der sinnvollerweise in modularer Form konzipiert wird, so dass er in unterschiedlicher Größe und bei unterschiedlichen räumlichen Vorgaben eingesetzt werden kann. Bei großen Industriekongressen können andererseits durchaus sechsstellige Umsätze erzielt werden, dann ist der ganze Aufwand auch kostendeckend, zum Teil sogar ertragbringend. Meist aber übersteigen die Kosten solcher Messen die Erträge deutlich - diese Differenz muss dann als Werbekosten gerechnet werden. Die Beteiligung an Messen muss jedenfalls den gleichen Kosten/ Nutzen-Erwägungen unterliegen wie jede andere Werbemaßnahme. Bei Messen unterscheidet man zwischen Fachmessen, die nur für das Fachpublikum zugänglich sind, und Publikums / Verbraucher-Messen, die jedermann besuchen kann und bei denen meist auch ein Verkauf am Stand stattfindet. <?page no="230"?> 231 4.4 Kommunikationspolitik Es hängt ganz von der Programmstruktur eines Verlages ab, ob für ihn Publikumsmessen oder zum Teil hochspezialisierte Fachveranstaltungen Erfolg versprechender sind. Viele Fachmessen öffnen sich zu bestimmten Stunden oder Tagen auch dem Publikum. Solch eine Mischform stellt z.B. die Frankfurter Buchmesse dar, die größte Buchmesse der Welt mit (2004) 6.600 Ausstellern aus 102 Ländern. Reine Publikumsbuchmessen sind dagegen Genf oder Paris. International agierende Verlage müssen auch im Ausland stattfindende Buchmessen berücksichtigen; deren Zahl ist in den letzten zwanzig Jahren rasant gewachsen und beträgt mittlerweile über einhundert. Eine Messe mit Publikumszugang ohne Buchverkauf ist problematisch, nicht zuletzt weil ein erhebliches Spontankaufpotenzial verpufft: Manches, was vor Ort gekauft worden wäre, ist am nächsten Tag vergessen. Kunden sind nicht besonders geduldig. 4.4.12 Public Relations, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Zur Kommunikationspolitik und damit zum Marketing-Mix gehört auch der Bereich der Public Relations (PR). Er umfasst nach Definition der deutschen PR-Gesellschaft den stetigen Aufbau und die Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit, also ein bewusstes und professionelles Bemühen, die Zielsetzungen eines Unternehmens an die Medien und damit die Öffentlichkeit zu vermitteln und ein entsprechendes positives Image für Produkte und Verhaltensweisen des Unternehmens zu erzeugen. Eine andere Definition (N. A. Besson) spricht vom »Management von Beziehungen zwischen Organisationen und ihren relevanten Teilöffentlichkeiten.« Es geht um Information, Profilierung, Motivation und die Erzeugung von Dialog. Das können mit eigenen professionellen PR-Mitarbeitern nur Verlage ab einer bestimmten Größe. Für erfolgreiche PR-Arbeit ist es entscheidend, die Spielregeln und Verfahrensweisen der Medien zu kennen und zu respektieren, z.B. keinesfalls Druck aufzubauen oder nur Erfolgsmeldungen »herauszutrompeten«. Angesichts der enorm gewachsenen Bedeutung dieses Arbeitsfeldes haben heute aber oft schon auch kleinere Verlage eine Presseabteilung (eventuell nur in Teilzeit). Gerade aufgrund der Akzeptanzprobleme für das Programm kleinerer Verlage im »standardisierten« Handel ist die PRbzw. Pressearbeit heute von so entscheidender Bedeutung. In der Tagesarbeit geht es um die Pressekontakte zu Feuilleton-, Wirtschafts- und Wissenschaftsredakteuren. Vertrauenbildende Maßnahmen können die Aufmerksamkeit der Redakteure für die Titel eines Verlages dabei durchaus positiv beeinflussen. Wo die Unternehmensgröße für eine solche selbstständige Abteilung oder Stelle nicht ausreicht, <?page no="231"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 232 muss diese Funktion entweder vom Verlagsleiter oder den verantwortlichen Lektoren übernommen werden bzw. einer der zahlreichen freien PR-Agenturen übertragen werden. Jedenfalls sollte diesem Aspekt gebührende Aufmerksamkeit über die übliche Werbetätigkeit hinaus gewidmet werden. Das setzt natürlich auch die Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel voraus. Kürzlich gaben 70-Prozent der Verlage in einer Befragung an, eine eigene PR- Abteilung zu besitzen! Eine spezielle Form der PR ist die Product Publicity, z.B. für eine wichtige Neuerscheinung, sie dient der Absatzförderung, darf aber nicht zur Werbung entarten. Product Publicity zielt darauf, dass Dritte, die Medien und andere Multiplikatoren die betreffenden Produktbotschaften verbreiten. Ein übergeordnetes Konzept ist dann das der integrierten Kommunikation, bei der Werbung, PR, Sponsoring als ein Informationsfluß aus nicht unterscheidbaren Quellen wahrgenommen wird. Auch die PR-Arbeit erfordert Erfolgskontrolle und daraus folgende Verbesserungen; die z. B. (nach B. Renner) in folgenden Maßnahmen bestehen kann: • Prüfen der Rücklaufquote (Versand der Vorschauen, Rezensionsexemplare, Messe-Bestellungen) • Nachfassaktionen • Statistiken (Versand der Vorschauen, Rezensionsexemplare, Messe-Bestellungen) • Sammlungen von so genannten Clippings (Ausschnittdienst, Pressespiegel) • Befragung • Pressereise • Gespräche mit Journalisten • Datenpflege der Empfängerlisten PR-Arbeit ist durchaus im Zusammenhang mit dem Bemühen um ein eindeutiges, positives Erscheinungsbild des Unternehmens (nicht nur im optischen Sinn bei Produkten und Werbemitteln) zu sehen, also dem Corporate Identity-Konzept (CI). Das Unternehmen soll quasi als Persönlichkeit in Verhalten, Erscheinungsbild und Kommunikation - bei großen Firmen durchaus auch nach innen - konsistent, glaubwürdig und sympathiegewinnend dargestellt werden. Das setzt die Entwicklung eines eigenen Leitbilds, einer sog. Unternehmensphilosophie (auch »mission statement« genannt) voraus. PR und CI eines Unternehmens erfordern daher nicht nur gute Fachleute, sondern ein intensives Mitwirken der Verlagsleitung. <?page no="232"?> 233 4.5 Vertriebliche Statistiken und Kennziffern Zielgruppen nach außen sind nicht nur die Endkunden, sondern ebenso die Lieferanten (im Verlag also die Autoren), der Handel, Meinungsbildner, Fachgesellschaften und eventuell auch die Banken. Für alle diese Gruppen sind die Zielgrößen der CI-Arbeit wie Glaubwürdigkeit, Qualitätsanmutung, Sympathie, Verlässlichkeit usw. von großer Bedeutung. Für so verschiedene Adressaten sind teils auch verschiedene Botschaften und Medien notwendig. Die Methode der Wahl ist dafür nicht einseitige Information, sondern das Bemühen um Dialog. Unerlässlich ist eine langfristig angelegte, kontinuierliche CI-Tätigkeit. Instrumente sind Pressemitteilungen bis hin zu den fragwürdigen »infomercials«, also bezahlten, aber redaktionell aufgemachten Texten, individuelle (Hintergrund-)Gespräche und Präsentationen sowie Pressekonferenzen (z.B. zu wichtigen Buchpremieren). CI- Arbeit kann also sehr direkte ökonomische Effekte auslösen. 4.5- Vertriebliche Statistiken und Kennziffern Unverzichtbar für jeden Unternehmer und alle verantwortlichen Mitarbeiter sind aktuelle Daten und Zahlen zum betrieblichen Geschehen (s. a. Kap. 2.6.3 - 2.6.5). Sie dienen der rechtzeitigen Reaktion (z.B. Warnbestand nach unten erreicht: Bindequote oder Nachdruck? ), der Vorplanung (z.B. Autor muss jetzt wegen Neuauflage angesprochen werden), der Finanzdisposition (Tagesgelder anlegen oder abrufen), der Revision von Konditionen (z.B. Durchschnittsrabatt steigt stetig, Remissionsquote wächst), dem Benchmarking (Konkurrenz hat mehr Titel auf Sellerlisten oder sehr viel mehr Punkte im Amazon score) u.v.a.m. Das Stichwort heißt: Vertriebscontrolling. Es müssen Ziele formuliert, ihre Erreichung nachgeprüft und ein entsprechendes Berichtswesen aufgebaut werden. Es muss festgelegt werden, in welcher Frequenz und welcher Aufbereitung sowie Verdichtung solche Informationen auf den verschiedenen betrieblichen Organisationsebenen zur Verfügung stehen sollen, ebenso, welche Mitarbeiter bzw. Bildschirmarbeitsplätze keinen Zugang zu sensiblen Daten außerhalb des eigenen Arbeitsbereichs haben sollen. Eine sorgfältige Planung der Zugangshierarchien und der zuverlässigen Software dafür sind unerlässlich. Corporate Identity Unternehmenskommunikation Unternehmenspersönlichkeit (”Philosophie”) U h nterne mense e u g il rsch in n sb d Unter hmensne verhalten Abb. 4.19: Das Corporate Identity-Konzept <?page no="233"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 234 Die Geschäftsleitung wird in der Regel seltener (z.B. monatlich) Daten wünschen und brauchen als der betreffende Sachbearbeiter, der viele Daten täglich benötigt. Das gravierendere Problem ist angesichts der voll entfalteten IT-Struktur in allen Betriebsgrößen nicht Informationsmangel, sondern Überinformation bzw. mangelnde Aufbereitung und Verdichtung. Man sollte Informationen nur wahrnehmen, wenn daraus handlungsrelevante Erkenntnisse resultieren. Das lustlose Lesen von meterlangen detaillierten Absatzstatistiken ist pure Zeitverschwendung. Ein bedeutender, sehr energischer Kollege, Inhaber eines sehr großen Verlags, sagte einmal abends beim Wein ganz gelassen zu mir: »Eigentlich sollte man seine Absatzlisten nur quartalsweise lesen. Machen kann man ja sowieso nichts.« Der das sagte, war gewiss kein lahmer Defätist, allerdings auch kein Publikumsverleger; man sollte sich seinen Gedanken aber in der Weise zu eigen machen, dass man nutzlose Information vermeidet, insbesondere als Routine, und seine Zeit besser mit produktiver Arbeit nutzt: Disziplin bei der Informationsaufnahme setzt viel produktive Zeit frei. Soviel zum Grundsätzlichen. Doch nun einige konkrete Beispiele, die im Zusammenhang dieses Kapitels alle den Vertrieb betreffen (zu sonstigen Kennziffern s. Kap. 2.6.4). Zentrales Informationsmittel sind die Absatz/ Umsatzstatistiken, die kumulierte Werte und vorjahresperiodengerechte Vergleichszahlen enthalten sollten. Viele Verlage haben auch mehrere Vorperioden in der Statistik, was diese aber unübersichtlicher und dicker werden lässt. Eine pragmatische Einfachstatistik könnte wie die auf S. 235 aussehen. Diese Statistik informiert über die monatlichen Verkäufe und die Vorjahresvergleichszahlen, den Freistückverbrauch, Lagerzugänge, die Umsatzwerte und Durchschnittsrabatte. Das wird oft ausreichen. Eine verfeinerte Variante hiervon stellt die Statistik auf den Seiten 236/ 237 dar. Diese Statistik enthält z.B. taggenau den Erscheinungstermin, interne Codes, sowie die technischen Herstellkosten pro Exemplar. Das ermöglicht eine rasche Hochrechnung der durch die verkauften Stücke bereits eingespielten Herstellkosten (s. Kap. 3.7.4 Deckungsauflagen). Aussagekräftig ist des weiteren die Entwicklung der Durchschnittsrabatte, die bei einem dauerhaften Trend in die Kalkulationsschemata übernommen werden müssen. Schließlich weist die verfeinerte Statistik auch ein gesondertes Remittentenlager aus, was Anstoß zu gezielten Verkaufsbemühungen um diese (leicht beschädigten) Stücke führen sollte. Nicht ins Remittentenlager gehören diejenigen vom Buchhandel zurückgesandten Exemplare, die mängelfrei sind und wieder ins Hauptlager gehen. <?page no="234"?> 235 4.5 Vertriebliche Statistiken und Kennziffern Z-TITEL ABS. ABS: ABS. FREI-J REM. ZUGANG END AC- UMSATZ DRAB. GUTSCH- RESTUMSATZ ISBN PREIS AUFL. MONAT JAHR VJAHR BST. BST. MONAT M.°) SCHRIFT O.MWST. JAHR VGL.VJ. GES. FREI-G UMS JAHR DRAB.J. GES.UMSATZ *) S-Plus, learning by doing 0 3 4- 3 0 0 77 0 0,00 ,0 0,00 0,00 0049-4 28,00 1/ 97 4- 160 244 65,95 15,9 2.619,43 Nachh.Marketing-M. 18 18 0 4 0 760 738 0 313,06 36,1 0,00 313,06 0188-1 29,00 1/ 03 0 18 4 313,06 35,8 313,06 Standortmarke ing 15 106 57 1 0 0 1032 0 212,96 38,3 0,00 212,96 0125-3 24,50 1/ 00 57 446 8 1.487,89 38,6 6.314,81 Von der Theorie 0 0 3- 0 0 0 54 0 0,00 ,0 0,00 0,00 0084-2 53,00 1/ 98 3- 88 230 0,00 ,0 2.743,28 Soziol. f soz.Berufe 3 16 79 0 0 0 912 0 16,65 40,0 0,00 16,65 4500-5 9,90 1/ 94 79 606 0 88,81 40,0 3.488,17 Produktivität 5.A. 27 333 91 49 0 0 2548 0 387,72 38,6 0,00 387,72 0222-5 24,90 5/ 02 91 424 52 4.780,67 38,3 6.113,23 °) Durchschnittsrabatt *) das ist der Gesamtumsatz seit Erscheinen - auf einen Bl i ck kann so der Gesamterlös den Kosten laut Schlusskalkulation gegenübergestellt werden. <?page no="235"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 236 Titeltext Verkauf Drab Vlg./ Titel-Nr. ISBN Titelstatus Zeitraum Absatz Umsatz in % Krause, Der Bestseller N Monat 1.227 8.997,73 47,66 Jahr 3.374 25.420,37 46,14 LP: 14,90 Ersch.-Datum: 30.01.03 Vorjahrvgl. 34.980 261 507,80 46,70 HWS: 28 Vorjahr 51.149 382 256,80 46,79 PG: 00020 TG: 20002 TK: 2,73 Seit Ersch. 54.523 407.677,17 46,39 Müller, Die Neuerscheinung N Monat 1.497 11.299,23 45,76 Jahr 23.421 176.099,34 46,31 LP: 14,90 Ersch.-Datum: 06.02.04 Vorjahrvgl. 0 0,00 0,00 HWS: 28 Vorjahr 0 0,00 0,00 PG: 00020 TG: 20002 Seit Ersch. 23.421 176.099,34 46,31 Weber, Lahme Ente N Monat -3 -19,66 40,01 Jahr -36 -229,17 41,00 LP: 12,90 Ersch.-Datum: 22.08.03 Vorjahrvgl. 0 0,00 0,00 HWS: 28 Vorjahr 651 4 262,25 46,54 PG: 00020 TG: 20002 TK: 3,20 Seit Ersch. 615 4.033,08 45,67 Werner, Es war einmal N Monat 1 8,70 33,03 Jahr 1 8,70 33,03 LP: 13,90 Ersch.-Datum: 05.02.96 Vorjahrvgl. 0 0,00 0,00 HWS: 28 Vorjahr 28 189,21 47,98 PG: 00020 TG: 20002 TK: 2,67 Seit Ersch. 7.636 52.539,06 44,63 <?page no="236"?> 237 4.5 Vertriebliche Statistiken und Kennziffern Gutschriften Frei- Sonderverkauf Lagerbestände Absatz Umsatz Expl. Absatz Umsatz -118 -913,30 -2 0 0,00 Verk 1.541 Verf 1.508 -530 -4.059,41 12 0 0,00 Anti 0 Res 0 -19 -147,89 529 0 0,00 Kom 5 Dispo 0 -735 -5.129,84 738 0 0,00 Rem -10 WAZ 0 -1.265 -9.189,25 750 0 0,00 Sperr 0 GSA 56.551 -9 -72,69 2 0 0,00 Verk 5.144 Verf 4.972 -9 -72,69 456 0 0,00 Anti 0 Res 0 0 0,00 0 0 0,00 Kom 20 Dispo 0 0 0,00 0 0 0,00 Rem -40 WAZ 0 -9 -72,69 456 0 0,00 Sperr 0 GSA 30.570 -5 34,13 0 0 0,00 Verk 2.122 Verf 2.122 -44 -286,08 1 0 0,00 Anti 0 Res 0 0 0,00 0 0 0,00 Kom 0 Dispo -4 -23,51 206 0 0,00 Rem -8 WAZ 0 -48 -309,59 207 0 0,00 Sperr 0 GSA 2.948 0 0,00 0 0 0,00 Verk 255 Verf 255 0 0,00 0 0 0,00 Anti 0 Res 0 0 0,00 0 0 0,00 Kom 0 Dispo 0 0,00 2 0 0,00 Rem 0 WAZ 0 -1.105 -7.600,81 874 0 0,00 Sperr 0 GSA 11.415 <?page no="237"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 238 Weitere nützliche Statistiken sind z.B.: Verhältnis von Neuauflagen zu Neuerscheinungen Jahr Zahl der lieferbaren Titel Neuauflagen Neuerscheinungen Anteile in % und Verhältnis NA zu NE 2008 782 59 66 47,2 : 52,8 2009 765 50 92 35,2 : 64,8 2010 757 49 121 28,8 : 71,2 2011 818 78 117 40,0 : 60,0 Das entsprechende Verhältnis sollte auch für die Umsätze ermittelt werden. Auftragseingang Direkt-, Reiseaufträge, Privatbestellungen Jahr Buchhandel Barsortiment Privat Gesamt +/ - % 2008 12.742 1.402 3.695 17.839 + 5,3 2009 14.002 1.054 3.321 18.377 + 3,0 2010 13.866 1.029 4.868 19 763 + 7,5 2011 12.907 1.036 4.230 18.173 - 8,0 Prozentuales Verhältnis von Barsortiments- und Sortimentsumsatz im Inland 2008 2009 2010 2011 Sortiment 41,1 45,1 46,3 45,1 Barsortiment 58,9 54,9 53,7 54,9 <?page no="238"?> 239 4.5 Vertriebliche Statistiken und Kennziffern Buchhandelskunden Jahr Gesamtkundenzahl Kunden ab Jahresumsatz DM/ € 500,- Anteil in % 2001 2.902 616 21,2 2002 2.638 589 22,3 2003 2.521 567 22,4 2004 2.351 533 22,6 2005 2.191 501 22,8 2006 2.122 517 24,3 2007 1.986 525 26,4 2008 2.001 485 24,2 2009 1.915 480 25,1 2010 1.843 354 19,2 2011 1.714 354 20,7 Gesamtdurchschnittsrabatte Jahr % 2001 40,1 2002 39,8 2003 40,2 2004 40,2 2005 40,6 2006 40,1 2007 40,1 2008 40,2 2009 40,15 2010 40,3 2011 40,3 Remittenden (Wert und Menge) Jahr Wert EUR Menge / Expl. % vom Umsatz 2008 415.307 20.364 5,1 2009 421.831 21.452 4,9 2010 278.577 25.059 6,0 2011 270.384 23.967 5,7 <?page no="239"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 240 So manches Firmenspezifische, aber auch manche generelle Entwicklung lassen sich anschaulich aus solchen Zahlen ersehen: Einigermaßen stabiler Durchschnittsrabatt (bei ebenfalls in etwa stabilem Barsortiments-Anteil), ein gesundes Verhältnis von Neuproduktion (insgesamt fast ein Viertel des Titelbestands), ein guter Backlist-Wert der Neuauflagen und stabile Remittendenquote können aus obigen Beispielswerten erschlossen werden. Aber auch dauerhaft Negatives ist zu beobachten: Die Zahl der Buchhandelskunden ist in 10 Jahren um 40%(! ) gesunken, die der Kunden ab dem sehr bescheidenen Jahresumsatz von mehr als €-500,gleichermaßen. Nur ein Fünftel aller Kunden erreicht diesen Wert. Bei einer guten Datenstruktur (relationale Datenbank) lassen sich sehr aussagekräftige Sondererhebungen zu Produktgruppen, zu regional oder nach dreistelligen Postleitzahlen aufgegliederten Verkäufen, zu Umsätzen mit bestimmten Kunden (auch als Ranglisten) usw. erstellen, ebenso Titelhitlisten nach Absatz oder Umsatz und anderes mehr. Neben diesen vertriebsbezogenen Zahlen treten die buchhalterisch/ finanztechnischen Kennziffern, die in Kapitel 2.6.4 angesprochen werden. Externe Daten liefern die Bestsellerlisten, die es in vielfältigster Form auf z.T. sehr verschieden erhobener Datenbasis gibt: für Literatur, Sachbuch, Taschenbuch, Hörbücher, aber auch für Wirtschaftsbücher etc. Eine vergleichbare Information für kleine, fachlich eingegrenzte Themenbereiche liefern auch die Punktzahlen bei Amazon. Diese Listen sind gleicherweise gefürchtet und erhofft: Wer hier aufsteigt, erhält weiteren Rückenwind (Lemmingeffekt), wer absteigt, den trifft es nächste Woche noch härter. In den push-Märkten können Bestsellerlisten das Schicksal von Titeln entscheiden - sie sind mitnichten nur ein neutrales Protokoll. Die Repräsentativität der Erhebungen ist dabei recht unterschiedlich, am verlässlichsten sind sicher diejenigen, die direkt aus den Kassenterminals einer repräsentativ zusammengestellten Stichprobe von Händlern gezogen werden. Neben der Rangposition sind Verweildauer und die Auf- und Abwärtsbewegungen von großer Bedeutung, ebenso wie viele Titel ein Verlag auf der Liste hat. Der Laie schaut meist nur auf die ersten 10 oder 20 Positionen, der Buchhändler und Vertriebsmann im Verlag mindestens bis zum 50. Platz. Natürlich wird die Stellung eines Titels auf den Listen auch stark von exogenen Ereignissen geprägt, einer Weltmeisterschaft, einem Kinostart, einem Nobelpreis, einem Auftritt in einer Talkshow u.s.w. Die Bestsellerlisten sind zugleich ein Spiegel des sich laufend verkürzenden Lebenszyklus von Titeln: Der Aufstieg und das Herausfallen aus der Liste vollziehen <?page no="240"?> 241 4.5 Vertriebliche Statistiken und Kennziffern sich oft in wenigen Monaten - das Allerneueste verdrängt das gestern Neueste. Im Grunde wären kumulierte Jahreslisten aussagekräftiger - aber der Käufer und daher das Einkaufsverhalten des Sortiments kleben an der Wochenliste. Die Bestsellerlisten erfassen, wie ihr Name schon sagt, nur das oberste, verkaufsstärkste Absatzsegment und dies nur in wenigen Buchkategorien. In der Buchhandelsfachpresse werden sehr viel längere Bestsellerlisten veröffentlicht als etwa im Spiegel, mit 50 Rangstufen und mehr, zudem differenzierter in den Warengruppen. Auch die Barsortimente führen Bestsellerlisten, in denen dann auch die »ewigen« Bestseller wie etwa der Duden aufscheinen. Die gewohnten Bestsellerlisten sind Nova-orientiert. Daher haben - insbesondere für die Publikumsverlage - die Erhebungen von Media Control eine große Bedeutung erlangt, die u.a. Handelspanelforschung für die Bereiche Buch, Musik, Spiele, Video/ DVD betreibt. Gegen zu zahlende Teilnehmergebühren erhalten die Verlage valide, ganz aktuelle Daten nicht nur zu ihren eigenen Titeln, sondern auch der entsprechenden Werke im gleichen Marktsegment. In dieser Möglichkeit des direkten Konkurrenzvergleichs liegt der hohe Informationswert der Daten für die Marktanalyse der Verlage. Seit August 2011 ermittelt Media Control auch e-book charts. Interessanterweise stimmt die Rangfolge der e-books weitgehend mit der für gedruckte Bücher überein. Dem Handelspanel-Buch von Media Control GfK International liegt eine breite und solide Datenbasis zugrunde, wobei es das Bargeschäft der drei Vertriebswege, Sortimentsbuchhandel, Warenhauskonzerne sowie Internetanbieter abdeckt. Basis der Auswertungen/ Marktanalysen sind die Abverkaufsdaten der an der Stichprobe teilnehmenden Händler (insgesamt fast 3.000 Abverkaufsstellen, gegliedert nach Umsatzgrößenklassen und Gebieten). Media Control deckt damit rund 80% des Buchhandels ab. Die Daten werden täglich über entsprechende Schnittstellen aus den Kassen-/ Warenwirtschafts- Systemen an die Großrechner von Media Control GfK übertragen, anonymisiert und unter hohem Anspruch des Datenschutzes weiter verarbeitet. Die elektronische Datenübertragung beinhaltet neben weiteren Informationen das Abverkaufsdatum, EAN-/ ISBN-Code, Verkaufsmenge, Verkaufspreis sowie ein Buchungskennzeichen (Bar/ Rechnung). Erfasst werden also wirklich abverkaufte, nicht in den Buchhandel zunächst nur hineinverkaufte Stücke, wie sie die Verkaufsstatistik des Verlags ausweist. Seit einiger Zeit gibt es dieses Handelspanel auch für digitale Verlagsprodukte. Um die Qualität der von den Panelteilnehmern eingehenden Daten zu überprüfen, führt Media Control GfK INTERNATIONAL eine umfassende <?page no="241"?> 4. Marketing, Werbung und Vertrieb 242 Qualitätskontrolle durch: Die eingehenden Daten zu den Abverkäufen werden u.a. auf die Komponenten »Preis« und »Menge« hin untersucht. Plausibilitätsprüfungen werden durch spezielle Computerprogramme durchgeführt. Im Bereich des Sortimentsbuchhandels liegt eine Quotenstichprobe vor, auf deren Grundlage die Hochrechnung in diesem Vertriebsweg durchgeführt wird. Die Quotenstichprobe versucht die Repräsentativität der Stichprobe dadurch zu sichern, dass sie eine beschränkte Zahl von Strukturmerkmalen vorgibt - im Sortimentsbuchhandel sind dies beispielsweise Umsatzgrößenklassen und Gebiete. Mit den Media Control-Marktforschungsdaten wird ein viel breiterer Überblick über die Konkurrenzsituation erreicht als etwa vermittels der Bestsellerlisten. Das hat allerdings auch seinen Preis. Neben den numerisch orientierten Bestsellerlisten gibt es Bestenlisten, die meist von den anspruchsvollen Redakteuren überregionaler Tageszeitungen oder von Sendeanstalten zusammengestellt werden. Eine weitere Orientierung entsteht durch die Auswahllisten für Preise wie den Deutschen Jugendbuchpreis oder den Deutschen Buchpreis, die vom Verband organisiert werden. Die umfassende Auswahlliste, die selektierte short-list und schließlich die preisgekrönten Bücher geben den Käufern wichtige Hinweise und Kaufanstöße. So bedeutet der Deutsche Buchpreis praktisch immer über 100.000 zusätzlich verkaufte Exemplare. <?page no="242"?> 243 5. Zeitschriften 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick Zeitschriften unterscheiden sich nicht nur medientheoretisch und in der praktischen Nutzung in zahlreichen Aspekten von Büchern, sondern sehr stark auch in ökonomischer Hinsicht. So insbesondere durch ihre Periodizität: Nahezu jede Zeitschrift ist auf Dauer hin geplant, erfolgreiche Zeitschriften existieren viele Jahrzehnte, im Wissenschaftsbereich nicht wenige nun schon deutlich über 100 Jahre. Nur in ganz seltenen Fällen werden kurzlebige Zeitschriften für bestimmte Ereignisse (Weltmeisterschaft, Fernsehserie) herausgebracht. Daraus ergeben sich im Gegensatz zu Büchern, bei denen Longseller allenfalls 10 bis 20% des Verlagsumsatzes ausmachen, eine ganze Reihe von Konsequenzen. Der andere wichtige Unterschied liegt in der Rolle der Anzeigenerlöse, die bei Büchern in der Regel keine Bedeutung haben. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich ganz auf jene Zeitschriftentypen, die einen eher fachlichen Bezug haben. Große Publikumszeitschriften, Wochenblätter oder gar Zeitungen unterliegen sehr eigenen Marktgesetzen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die nicht Gegenstand dieses Buches sind. (s. a. Kap. 5.1.6). Die Darstellung beschränkt sich des Weiteren auf die Zeitschrift als Druckerzeugnis, die Digitalprodukte im Zeitschriftenbereich werden in Kap. 6 behandelt. Diese getrennte Darstellung eines heute eng verzahnten Hybridproduktes dient der Vereinfachung der Darstellung; immer aber muss eine etwaige Digitalvariante sowohl konzeptionell wie wirtschaftlich mitgedacht werden. Bei Fachzeitschriften liegt die Anbietung von Print-online-Kombinationen mittlerweile bei über 90%. 5.1.1 Situation am Zeitschriftenmarkt Ganz generell - und das in Deutschland ebenso wie in Amerika und anderswo - sind zwei für die Ertragskraft von Zeitschriften ungünstige Tendenzen zu beobachten: Die Zahl der Titel nimmt zu, die Auflagen pro Titel sinken und der Anteil der Werbeeinnahmen sinkt. Verschärfend hinzu kommt für kleinere und mittlere Zeitschriften eine Tendenz der Inserenten, sich auf die größten und daher vermuteterweise erfolgreichsten Werbeträger zu konzentrieren. In der Konsequenz ist zu beobachten, dass sehr ertragsstarken Marktführern eine <?page no="243"?> 5. Zeitschriften 244 Vielzahl kleinerer, sich unterdurchschnittlich entwickelnder Objekte gegenüber steht. Im Fachzeitschriftenbereich besteht nach Jahren sinkender Anzeigenerlöse jetzt eine leichte Aufwärtstendenz, aber die Gesamt-Erlöse liegen immer noch unter denen von 2001, wie die kürzlich veröffentlichte Grafik der »Deutschen Fachpresse« verdeutlicht. Fachzeitschriften-Umsätze in Mio. Euro Mittlerweile sind Vertriebserlöse und Anzeigenerlöse bei den Fachzeitschriften praktisch gleich groß - das drückt auf die Ertragskraft (s. u. Kap. 5.1.5), da Anzeigenerlöse i.d.R. einen höheren Deckungsbeitrag erzielen als Vertriebserlöse: Die Produktionskosten für Anzeigenseiten sind relativ niedrig im Vergleich zum Anzeigenerlös/ Seite. Jahresauflage deutscher Fachzeitschriften in Mio. Exemplaren Jahr 2008 2010 2012 Veränderung 2012/ 2008 Verbreitete Auflage 525 488 476 minus 9% Davon verkauft 45% 46% 46% — Quelle: Fachpresse Statistik 2012 der Deutschen Fachpresse 1.987 1.887 1.797 1.781 1.838 1.913 1.988 2.016 1.796 1.802 1.792 1.779 1.074 966 877 865 902 956 1.016 1.031 852 856 875 858 847 863 865 863 878 892 900 911 866 859 836 832 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 i i Insgesamt -0,7% -2,0% -0,5% Veränderung gegenüber 2011 Jahr Anzeigen Vertrieb Abb 5.1: Entwicklung der Erlöse bei Fachzeitschriften (Jahrbuch der Deutschen Fachpresse 2013) <?page no="244"?> 245 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick Die verbreitete Auflage ist zuletzt gesunken, der Anteil der verkauften Hefte ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Titelanzahl deutscher Fachzeitschriften Jahr 2001 2005 2010 2012 Veränderung 2012/ 2008 Gesamt 3.646 3.687 3.829 3.757 minus 6% Quelle: Fachgruppe Fachzeitschriften Statistik 2013 Die Zahl der Fachzeitschriften liegt seit Jahren zwischen 3.650 und 3.800 Titeln, während die Zahl der Publikumszeitschriften (derzeit 1,500) seit Jahren leicht steigt. D. h. es werden immer wieder neue Titel gestartet, und deren Zahl liegt höher als die der eingestellten Titel. Ein deutliches Anzeichen des härteren Wettbewerbs ist die Zahl der »relaunches«, also mehr oder weniger kompletter Neugestaltungen von Zeitschriften. Die Gesamtzahl der Zeitschriften in Deutschland ist sehr viel höher als in vorstehender Tabelle ausgewiesen, die ja nur Fachzeitschriften erfasst: So weist das viel genutzte Banger’sche Zeitschriftenverzeichnis rund 9.000 Titel aus, die Deutsche Bibliothek in Frankfurt verzeichnet derzeit einen jährlichen Zugang von 47.000 Zeitschriften als Pflichtstücke deutscher Verlage. Daraus folgt eine außerordentliche Differenzierung der wirtschaftlichen Eckdaten, der Arbeitsabläufe usw. bei den diversen Objekten. Dennoch wird in diesem Kapitel versucht, gewisse weithin gültige Sachverhalte kurz zu umreißen. Ganz neue Perspektiven ergeben sich gerade im Zeitschriftenbereich durch elektronische Publikationsformen. Diese Thematik wird in Kapitel- 6 insgesamt abgehandelt, das Kapitel-5 beschränkt sich ganz auf die klassischen Printversionen und deren Abwicklung. 5.1.2 Steuerungskompetenz des Verlags Während Bücher weitgehend autorenbestimmt sind, also dem Verlag nur in begrenztem Umfang Einwirkungsmöglichkeiten bieten, ist das bei Zeitschriften grundsätzlich anders: Da an einer Zeitschrift viele Autoren beteiligt sind, hat der Einzelne nicht die Möglichkeit, das Produkt bestimmend zu gestalten. Ein schlechter oder einige sehr gute Artikel bestimmen nicht das Urteil der Nutzer über eine Zeitschrift, sondern deren dauerhafte (nachhaltige) Qualität, der Gebrauchsnutzen und die besondere Fokussierung im Vergleich zu Kon- <?page no="245"?> 5. Zeitschriften 246 kurrenzobjekten. Diese Gesamtheit »Zeitschrift« unterliegt den Entscheidungen des Verlags bzw. der von ihm beauftragten Redakteure oder Herausgeber. Die Verlage haben diese Möglichkeit schon immer genutzt, aber in den letzten Jahrzehnten ist die Chance, von Seiten des Verlags die Zeitschriften gemäß den Nutzerwünschen beeinflussen zu können, noch stärker ins Bewusstsein gerückt im Sinne echten Marketingdenkens. Dies lässt sich besonders im Bereich der Fachzeitschriften beobachten: Viele, gerade oft die angesehensten Fachzeitschriften, waren stark von universitär angebundenen Experten geprägt mit langen Beiträgen auf akademischem Niveau und in entsprechender Sprache. Während Autoren in der Regel an ihre Fachkollegen denken und deren vermutliches Urteil ihr Schreiben bestimmt, denken Verlag und Redakteure an den Leser. Hier hat ein Umdenken im Sinne einer Steigerung des Nutzwerts in der Praxis eingesetzt: Kürzere Artikel, bessere Veranschaulichung in Grafiken, farbige Abbildungen, Editorials, Praxisberichte etc. haben den Charakter vieler Fachzeitschriften grundlegend verändert, damit die Akzeptanz bei den Abonnenten gestärkt und so die Chancen der Anzeigenakquisition verbessert (s.- Kap. 5.3). Eine Zeitschrift ermöglicht dieses nachführende Steuern eines Objekts aufgrund ihrer Langlebigkeit. Das Bestreben um die Etablierung von Marken ist im Zeitschriftenbereich besonders deutlich zu beobachten und im Hinblick auf deren langjährige Existenz (im Gegensatz zu den meisten Büchern) auch naheliegend. Dabei spielt sowohl für Leser wie für Anzeigenkunden die Titelmarke eine größere Rolle als die Verlagsmarke. Experten sehen noch große Handlungsreserven bezüglich der Markenführung bei Fachmedien (so eine Studie der Deutschen Fachpresse, Sommer 2006). 5.1.3 Optimierungsfähigkeit Während ein Buch nach seinem Erscheinen einfach da ist, sich im Markt bewähren muss und (das ist die Regel) auch nach guten Erfolgen in ein oder zwei Jahren wieder von dort verschwindet, ist es für Zeitschriften typisch, dass sie sich in einem jahrelangen Durchsetzungsprozess im Markt etablieren und dann dort im Erfolgsfall sehr lange verbleiben. Sowohl der Durchsetzungsprozess wie auch die Dauerphase beruhen auf den Anpassungsmöglichkeiten von Zeitschriften. Durch Markt- und insbesondere Konkurrenzbeobachtung, durch Leserumfragen und Kontakt zu den Anzeigenkunden können Zeitschriften laufend den gegebenen bzw. veränderten Kundenwünschen angepasst werden - darauf beruht ihre Chance zur Langlebigkeit. <?page no="246"?> 247 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick Im nachstehenden Kasten sind einige solcher Anpassungsparameter und Aktionsmöglichkeiten eines Verlags bei Zeitschriften aufgelistet. Zeitschriften gestalten • Relaunch (d.h. inhaltliche und/ oder grafische Neukonzeption) • Schaffung neuer Rubriken und Servicefunktionen • Zielgruppenbindung durch Kooperation mit Fachgesellschaften (redaktionelle Sonderteile) • Auslandsausgaben • Themen- oder Sonderhefte • Umstellung auf englische Sprache • Niveau (Zielgruppe) ändern • Zeitschriftentitel ändern (unter Beibehaltung des Abonnentenstamms) • Umfang oder Frequenz erhöhen oder senken • Zusammenlegen zweier Titel (oft durch Aufkauf ) • Aufspalten in selbstständige Titel • Digitalisieren All diese Möglichkeiten werden im Zeitschriftenverlag immer wieder überprüft und entweder in stetigen kleinen Schritten oder großen Maßnahmen wie Relaunch, Zusammenlegung oder Aufspaltung umgesetzt. So wird einer »Alterung« einer Zeitschrift und ihrer schrittweisen Entfernung von den (gewandelten) Leserinteressen aktiv entgegengewirkt. Kontinuierlich sollten in diese Richtung auch Herausgebergremien und Beiräte wirken. Gesteigerte Anforderungen werden diesbezüglich auch an die Redakteure gestellt, die nicht nur für die Alltagsroutine, sondern auch die Fortentwicklung des Objekts gemäß den Anforderungen der Zielgruppe verantwortlich sind und zwar sowohl der redaktionellen Aufbereitung wie der Inhalte in Niveau und Themenspektrum. Dafür bedarf es einer engen Zusammenarbeit der Redaktion mit der Anzeigenabteilung und dem Vertrieb sowie laufender Überlegungen zu etwaigen Zusatzprodukten (s. Kap. 5.1.7). Etwas über den Terminus »gestalten« hinaus geht der Verkauf unbefriedigender Titel bzw. der Ankauf von solchen, aus denen man etwas machen zu können hofft. Ein solches Handeln von Zeitschriftenobjekten ist gang und gäbe, jeder relevante Zeitschriftenverlag kauft immer wieder Objekte an und gibt andere, deren Zielgruppe nicht zur sonstigen Verlagsarbeit passen oder deren Ertrag nicht befriedigen, ab. Jeder Erwerber geht davon aus, dass die Zeitschrift zu ihm passt und er mehr daraus machen kann als der Vorbesitzer. <?page no="247"?> 5. Zeitschriften 248 Nachstehend ein konkretes Beispiel für eine solche Mehrjahresanalyse, die ebenso als Planrechnung geführt werden kann: Das XX-Journal Erlöse in € % % % Zeitschriften Abo 890.844 33,46 898.810 25,65 893.336 28,96 Anzeigen 1.624.439 61,02 2.432.554 69,42 2.031.830 65,88 Portoerlöse 86.633 3,25 82.275 2,35 100.259 3,25 Sondererlöse 33.288 1,25 101.397 2,89 64.780 2,10 Lizenzhonorar 42.676 1,60 12.152 0,35 15.339 0,50 Bruttoerlös 2.677.881 100,58 3.527.189 100,65 3.105.544 100,69 ./ . Skonti 15.569 0,58 22.948 0,65 21.226 0,69 Nettoerlöse 2.662.312 100,00 3.504.241 100,00 3.084.318 100,00 Techn. Herstellkosten (HK) (inkl. Festhon.) Satz und Druck 368.333 13,84 550.921 15,72 500.056 16,21 Repro 25.421 0,95 43.211 1,23 65.183 2,11 ./ . Liefer. Skonti 10.922 0,41 16.811 0,48 11.668 0,38 HK der verk. Produkte 382.832 14,38 577.321 16,47 553.572 17,95 Honorare 89.298 3,35 120.337 3,43 91.941 2,98 Schriftleitung 4.886 0,18 7.608 0,22 11.228 0,36 Nebenkosten 6.866 0,26 5.000 0,14 15.913 0,52 GuV 2011 / 2012 / 2013 1-12/ 2013 1-12/ 2012 1-12/ 2011 <?page no="248"?> 249 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick Wareneinsatz 483.881 18,18 710.265 20,27 672.654 21,81 Deckungsbeitrag (DB 1) 2.178.431 81,82 2.793.976 79,73 2.411.664 78,19 Personalkosten 834.817 31,36 936.620 26,73 768.804 24,93 Raumkosten 24.499 0,92 25.791 0,74 23.402 0,76 Auslieferung 65.909 2,48 110.516 3,15 127.963 4,15 Werbung 67.082 2,52 128.929 3,68 103.402 3,35 Vertrieb/ Messen 42.452 1,59 60.613 1,73 58.611 1,90 Aboverwaltung 44.390 1,67 49.348 1,41 43.656 1,42 Provisionen Anzeigen 238.603 8,96 334.577 9,55 325.300 10,55 Provisionen Abo 15.495 0,58 4.984 1 0,14 1.932 0,06 Lizenzen 16.550 0,62 21.691 0,62 15.339 0,50 Presse/ Marktforschung/ Direkt 412 0,02 0,00 2,329 0,08 Freistückversand 44.616 1,68 0,00 344 0,01 Kommunikation / Internet / EDV 19.162 0,72 26.727 0,76 24.193 0,78 Fotokopien / Bürobedarf 7.279 0,27 8.612 0,25 7.134 0,23 Sonstige Kosten 11.840 0,44 15.172 o,43 14.700 0,48 Reisen / Bewirtung 38.639 1,45 64.236 1,83 56.576 1,83 Operative Kosten 1.471.745 55,28 1.787.816 51,02 1.573.684 51,02 Deckungsbeitrag Il 706.686 26,54 1.006.160 28,71 837.979 27,17 <?page no="249"?> 5. Zeitschriften 250 Aus dieser dreijährigen Übersicht einer Zeitschrift lassen sich einige charakteristische Sachverhalte aufzeigen. Das Sinken der Anzeigenerlöse von 2011 auf 2013 um rund 400.000 Euro hat voll auf den Nettoerlös durchgeschlagen. Da bei den technischen Herstellkosten in diesen zwei Jahren eine Einsparung von 170.000 Euro erreicht werden konnte, ist der Rohertrag deutlich weniger gesunken als die Erlöse. Da auch die operativen Kosten gesenkt werden konnten, steht am Ende einer Erlösminderung von 14% ein Sinken des Rohertrags um weniger als einen Prozentpunkt gegenüber, der gute Wert von mehr als 25% DB II konnte nahezu gehalten werden. Dass dennoch absolut deutlich weniger Geld verdient wurde (./ . 18%), bleibt eine betrübliche, aber unabweisliche Tatsache. Die reaktive Anpassungsleistung des Verlages auf die ungünstige Entwicklung ist aber durchaus zu würdigen. Die Optimierung einer Zeitschrift ist eine permanente, unverzichtbare Aufgabe. Konsequenterweise ist die laufende Kosten/ Ertragskontrolle (Abweichungsanalyse gegenüber Vorjahr und Plan für das laufende Jahr) bei Zeitschriften ungleich besser durchzuführen als bei Büchern: Man vergleicht ja die Werte der laufenden -Periode mit denen der Vorperiode(n) am gleichen Objekt und kann so - auch unterjährig - aussagekräftige Zahlenvergleiche zu Vorjahresbzw. Planabweichungen anstellen. Bei Büchern hat das in der Regel sehr viel weniger Sinn: Der Vorjahresvergleich müsste ja unter Zugrundelegung des produktspezifischen Lebenszyklus am Markt erfolgen, während der titelweise Vergleich von Plan-Ist-Zahlen bei Neuerscheinungen nur die Abweichung von Erwartungen (manchmal gar Illusionen) aufzeigt, woraus sich wenig konkrete Maßnahmen ableiten lassen. Eine gescheiterte Hoffnung ist eben eine solche und sonst nichts. Ganz anders beim Dauerobjekt Zeitschrift: Hier werden Abweichungen vom Ist des Vorjahres zum Ansatzpunkt möglichst rasch greifender Gegenmaßnahmen im kontinuierlichen Geschehen. Solch eine Mehrjahres-Vergleichsrechnung einer Zeitschrift kann etwa aussehen wie auf S.- 248/ 249 dargestellt. Das Schema ist formal nicht unähnlich einer Buchkalkulation, hat aber, wie dargelegt, andere praktische Bedeutung. Die Kostenstruktur im Zeitschriftenverlag ist in verschiedenen Aspekten sehr unterschiedlich gegenüber dem Buchverlag: die Personalkosten pro Ts. Umsatz sind deutlich höher, dazu treten z.B. noch externe Redaktionskosten. Andererseits sind die Rabatte sehr viel niedriger, im z.T. stark dominierenden Direktvertrieb Null. Die Durchschnittsrabatte im Zeitschriftenverlag liegen in vielen Häusern nur bei ca. 10%. Als Konsequenz der höheren Stetigkeit und Planbarkeit von Zeitschriftenerlösen folgt: Je größer der Zeitschriftenanteil eines Verlages, desto eher kann <?page no="250"?> 251 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick dieser mit verlässlichen Gesamtplanzahlen die Folgeperioden planen. Zur Verlässlichkeit können dabei auch durchaus stetig sinkende Abonnentenzahlen (z.B. rückläufige Zahl aktiver Architekturbüros) oder strukturelle Effekte bei den Anzeigen (Konzentration bei den inserierenden Firmen, hohes oder stagnierendes Innovationstempo einer Branche) zählen. Gerade die oben geschilderte vielfältige Reaktionsmöglichkeit des Verlags muss solche Entwicklungen, anders als beim gescheiterten Roman, noch lange nicht zu Verlustquellen werden lassen. Es gibt viele Zeitschriften, die mit deutlich geschrumpftem Abonnentenstand unverändert hohe Deckungsbeiträge ausweisen, weil beim Kostenmanagement, der Umfangssteuerung und der Preispolitik die richtigen Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Zum Ausgleich für die sinkenden Erlöse sowohl aus den Abonnements wie den Anzeigen entwickeln viele Zeitschriftenverlage neue Geschäftsfelder (siehe Kap. 5.1.7). 5.1.4 Finanzierung Jedes neue Buchprojekt wird entwickelt auf Basis von Einschätzungen und Erwartungen, nur selten lassen sich einigermaßen verlässliche Verkaufszahlen prognostizieren. Demgegenüber ist der neue Jahrgang einer Zeitschrift von ungleich höherer Sicherheit der Planzahlen geprägt, für die oft einfach eine Fortschreibung der Vorjahreswerte mit Trendanpassung ausreicht, ggf. unter Berücksichtigung zu erwartender Einmalereignisse. Während daher jedes neue Buch eine - oft sehr erhebliche - risikobehaftete Vorleistung des Verlages erfordert, die erst schrittweise durch die Verkäufe wieder eingespielt wird, ist eine etablierte Abonnementszeitschrift bereits zu Jahresbeginn nach Bezahlung der Jahresrechnungen voll finanziert (bis hin zum Gewinn). Etwas überspitzt hat man daher davon gesprochen, dass ein Zeitschriftenverlag im ersten Halbjahr eine Bank sei. Auf jeden Fall verfügt er über eine sehr gute Liquidität, deren Abflüsse durch jedes erscheinende Heft und die laufend anfallenden Redaktionskosten gut planbar sind. Daher streben viele Fachverlage einen nennenswerten Umsatzanteil von Zeitschriften an, der die Finanzplanung wesentlich komfortabler werden lässt als im Buchbereich, der immer pro Objekt und pro Jahr planen muss und das bei großer Unsicherheit - man hat daher schon vom ›Schrotflintenprinzip‹ im Buchverlag gesprochen: viele Kugeln, wenigstens einige Treffer. Sehr anders ist die Situation bei der Gründung von Zeitschriften und der meist mehrjährigen Phase bis zur Erreichung des Break Even (Deckungs- <?page no="251"?> 5. Zeitschriften 252 punkt). In dieser Phase fallen volle Produktions- und Redaktionskosten an, ohne dass schon ausreichende Erlöse vorhanden sein können: Sowohl der Subskribentenbestand als auch der Kreis fester Anzeigenkunden müssen erst mit erheblichen Kosten aufgebaut werden, beide sind in den letzten Jahren durchaus »flüchtiger« geworden. Was im Buchbereich sich zumeist innerhalb eines Zeitraums von 12 bis 18 Monaten abspielt, dass nämlich (im positiven Fall) dann alle Kosten eingespielt und ein Gewinn erzielt wurde, geschieht bei Zeitschriften in aller Regel erst nach drei bis fünf Jahren, hält dann aber lange an. Entsprechend werden bei Verlagsverkäufen oft die Altrechte an vergriffenen oder marginal gewordenen Büchern nur gering bewertet, dagegen eine ertragbringende Zeitschrift mit einem finanztechnischen Multiplikator (ähnlich einer Immobilie) bewertet. Ein stabiler Abonnentenstand ist ein wertvolles Wirtschaftsgut, das erfreulicherweise, da selbst erarbeitet, in der Bilanz nicht aktiviert werden darf oder gar muss. Der Kurzatmigkeit des Buchgeschäfts mit ständig neuen Einsätzen im Roulette der jährlichen Neuerscheinungen steht die lange Dauer des Zeitschriftengeschäftes kontrastreich gegenüber. Es ist daher kein Zufall, dass Zeitschriftenverleger i.d.R. in viel höherem Maße planende Kaufleute sein können als Buchverleger, die immer wieder mit hochgradiger Ungewissheit konfrontiert sind, die sich bei manchen durch emotionales Engagement z. B. für einen schwierigen Autor noch steigert. 5.1.5 Erlösquelle Anzeigen (s. a. Kap. 5.3) Während Bücher meist nur aus den Verkaufserlösen finanziert werden können, kommt bei Zeitschriften eine wichtige zweite Erlösquelle hinzu - die Anzeigen. Zeitschriftenverlage arbeiten somit gleichzeitig in zwei Märkten, die je eigenen Gesetzen und Anforderungen unterliegen. A. Bayer/ P. Carl formulieren das anschaulich wie folgt: »Aufgrund ihrer Finanzierung agieren Medienunternehmen in zwei ganz verschiedenen Märkten: Einerseits ist der Rezipient und andererseits die werbetreibende Wirtschaft als Nachfrager zu befriedigen. Dieser Dualismus führt nicht nur zu doppelten Planungssystemen, sondern kann auch Zielkonflikte erzeugen. Dies ist dann der Fall, wenn Bedürfnisse und Wünsche der Rezipienten an das Medienunternehmen nicht den Vorstellungen und Wünschen der werbetreibenden Wirtschaft an das Medienunternehmen entsprechen.« Der Erlösanteil der Anzeigen schwankt stark je nach Zeitschriftentyp, von 0% bei streng geisteswissenschaftlichen Zeitschriften bis zu 100%. Das veran- <?page no="252"?> 253 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick schaulicht die bewusst vereinfachende Grafik, die keine Definition etwa einer Fachzeitschrift anhand der Quote der Anzeigenerlöse suggerieren will - es geht nur um eine Tendenzaussage, von der einzelne Objekte sehr stark abweichen können. Aus dieser unterschiedlichen Gewichtung ergeben sich entsprechend sehr unterschiedliche Zeitschriftentypen: Nur auf Abonnementserlöse angewiesene Spezialzeitschriften mit Auflagen zwischen 150 und ca. 5.000, dahinter Fachzeitschriften und Special Interest-Zeitschriften - Letztere wenden sich nicht an die Berufspraxis, sondern an private Interessenten - mit Anzeigenanteilen zwischen ca. 10 und 60% und am Ende der Skala die CC-Zeitschriften (=- Controlled Circulation Journals), bei denen der Verlag für die Streuung und die für die Anzeigenkunden relevanten Empfänger sorgt und diese im besten Fall auch voll erreicht. Diese optimale Zielgruppenabdeckung kann nur durch die kostenlose Abgabe der Abonnements erreicht werden, d.h. die Erreichung der Leser muss zu 100% aus Anzeigenerlösen finanziert werden. Dieser Zeitschriftentyp ist allerdings deutlich rückläufig, einige Verlage haben ihn ganz aufgegeben bzw. eine Umwandlung in Abonnentenzeitschriften vorgenommen. Zu den Vertriebserlösen aus Abonnements treten die Erlöse aus Einzelheftverkäufen (bei manchen Zeitschriften höher als erstere) sowie (z. B. bei medizinischen Fachzeitschriften) Sonderdruckverkäufe, die in die Tausende gehen Anzeigenerlöse Vertriebserlöse 100 % 0 % Wiss. Zeitschriften Fach- und Publikumszeitschriften Anzeigenblätter Abb. 5.2: Unterschiedliche Erlösanteile bei verschiedenen Zeitschriftentypen <?page no="253"?> 5. Zeitschriften 254 können. Neben diesen drei Quellen der Vertriebserlöse treten bei bestimmten Zeitschriften, sogenannte Page-Charges, d.h. Kostenbeiträge der Autoren, oft auch in Form von Zuzahlungen für Farbabbildungen sowie seit einigen Jahren eventuell Erlöse aus digitalen Lizenzen, die an Datenbankbetreiber gegeben wurden (s. Kap. 6.4.4). Eine Zeitschrift hat umso größere Chancen auf gute Anzeigenaufträge, je mehr der Inhalt im Sinne der Inserenten ist (z. B. rasche und positive Berichterstattung über technische Neuerungen) und insoweit der Verlag durch Leseranalysen (s. S. 274.) den hohen Nutzwert und eine entsprechende Marktdurchdringung insbesondere bei den so genannten »Entscheidern« nachweisen kann. Die Bedeutung der Anzeigen für den Unterhalt von Redaktionen zeigt folgende Übersicht, bei der zeilenweise das Volumen der Anzeigenerlöse geringer wird: Zeitschriftentyp Käufer Auflage Anzeigenteil Redaktionsaufwand im Verlag Publ kumszeitschriften Private hoch hoch sehr hoch Special Interest Private mittel mittel bis hoch sehr hoch Fachzeitschriften überwiegend Unternehmen klein bis mittel mittel bis 100% i.d.R. mittel bis hoch Wissensch. Zeitschriften überwiegend Bibliotheken sehr klein bis mittel klein i.d.R. klein (author driven) Auch dieses Schema zeigt nur Tendenzen auf - es gibt sehr wohl hoch wissenschaftliche Zeitschriften mit hohem Redaktionsaufwand und umgekehrt mit geringem redaktionellem Einsatz betriebene Fachzeitschriften. Auch gibt es Experten, die die Special Interest Zeitschriften nicht als eigenständigen Typ sehen, sondern den Publikumszeitschriften zuordnen. Je nach verlagsinterner Redaktionsleistung schwankt der Anteil der (Fremd) Honorare an den Gesamtredaktionskosten in den diversen Fachgebieten zwischen 20% und nahezu 45%. Diese Werte spiegeln das Gewicht nichtredaktioneller Beiträge. Viele rein wissenschaftliche Zeitschriften zahlen allerdings keine Autorenhonorare, und es gibt dort meist auch nur sehr geringe, meist pauschal entgoltene Redaktionskosten. Der unauflösliche Zusammenhang von redaktionellem Teil und Anzeigenaufkommen hat natürlich zwei Seiten: Zum einen ist er ein stetiger Antrieb, das Objekt zu optimieren, zum anderen aber besteht die Gefahr - wie auf S.- 262, 268 näher angesprochen -, abhängig zu werden von wichtigen In- <?page no="254"?> 255 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick serenten, also Hofberichterstattung und redaktionell daherkommende, in Wahrheit aber interessengesteuerte Artikel zu drucken. Hier ist verlegerische und journalistische Redlichkeit und Ethik gefragt, die eine klare Trennung von redaktionellem Inhalt, gekennzeichneten Beiträgen von Interessenten und Anzeigenteil fordert. Eine Stütze, sich auch tatsächlich gegen laufend vorhandene Versuchungen doch »ethisch« zu verhalten, liegt gewiss in der Erkenntnis, dass eine Zeitschrift, die erst einmal als käuflich entlarvt ist, ihre Reputation schnell verliert und damit à la longue auch für die Inserenten weniger attraktiv wird. Im gut marktwirtschaftlichen Sinn steuert der Markt in diesem Konflikt in die richtige Richtung. Ganz anders ist die Situation bei Zeitschriften, die bewusst und ersichtlich z. B. als Industrieplattform konzipiert sind, in denen z.B. neue Methoden und Instrumente vorstellen. Das kann nicht »neutral« geschehen. Entscheidend bleibt, dass der Leser darüber Klarheit hat, mit welcher Art von Berichterstattung er es zu tun hat (s.-a. S.-259). Die Anzeigenerlöse zeichnen sich wie schon erwähnt durch besonders hohe Deckungsbeiträge aus: Ihre Produktionskosten sind - auch unter Einbeziehung der Akquisitionskosten - günstiger als die einer redaktionellen Seite (Einzelheiten zum Anzeigengeschäft finden sich in Kap. 5.3). 5.1.6 Zeitschriftentypen Die Bandbreite verschiedener Zeitschriftentypen ist sehr groß. So unterscheidet z.B. die Pressestatistik folgende Gruppen: • Politische Wochenblätter • Konfessionelle Zeitschriften • Publikumszeitschriften • Fachzeitschriften mit überwiegend wissenschaftlichem Inhalt • Andere Fachzeitschriften • Kundenzeitschriften • Amtliche Blätter • Kommunale Blätter • Sonstige Zeitschriften Weitere Zeitschriftentypen sind zu nennen: Anzeigenblätter, Mitarbeiterzeitschriften, Verbands- und Vereinszeitschriften. Wo Verlage für Unternehmen im Bereich der Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften tätig sind, spricht man neuerdings von Corporate Publishing. <?page no="255"?> 5. Zeitschriften 256 Der VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) unterscheidet lediglich drei Gruppen: • Fachzeitschriften • Konfessionelle Zeitschriften • Publikumszeitschriften In beiden Aufzählungen fehlt eigenartigerweise die von der Titelzahl ebenso wie vom wirtschaftlichen Volumen her bedeutende Gruppe der Special Interest-Zeitschriften, in denen thematisch fokussiert, mit teils erheblichem fachlichem Anspruch Themen behandelt werden, die persönliche (nicht berufliche) Interessengebiete von Lesern ansprechen, etwa Segeln, Campen, Hobbywerken, Waffensammeln, Garten u.s.w. Diese Zeitschriften stehen in Stil und Anspruchsniveau zwischen Fachbzw. Publikumszeitschriften. Sie können in ihrer internen Organisation nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und dem Anteil der Anzeigen als eng verwandt mit den Fachzeitschriften angesehen werden, die Schwerpunkt dieses Kapitels sind. Von der Marktseite her wird man sie eher bei den Publikumszeitschriften anzusiedeln haben. Eine für die Positionierung einer Zeitschrift nützliche Veranschaulichung ist die nachstehende. Betriebswirtschaftlich werden Zeitschriften ganz unabhängig von ihren Inhalten nach dem Anteil der Anzeigenerlöse (s. S.- 253) und der Existenz bzw. Nichtexistenz einer vom Verlag finanzierten Vollredaktion unterschieden. Beide Kriterien treffen nur für den kleineren Teil der gut 6.000 Zeitschriften laut © Karl-Heinz Wimmer, RANGE GmbH Abb. 5.3: Zwei unterschiedliche Bereiche der Verlagsbranche <?page no="256"?> 257 5.1 Besonderheiten von Zeitschriften im Überblick Banger-Verzeichnis und für einen noch viel kleineren der über 40.000 Titel laut Deutscher Bibliothek zu. Der Zusammenhang von nennenswerten Anzeigenerlösen und Vollredaktion ist offensichtlich: Abgesehen von wenigen sehr teuren internationalen Organen kann kaum eine Wissenschaftszeitschrift die Kosten einer Vollredaktion tragen, wenn sie nicht erhebliche Anzeigenerlöse erzielt. (s. Kap. 5.3). Die weit überwiegende Zahl von Zeitschriften sind »graue Mäuse« aus äußerlicher, ökonomischer Sicht. Auf den Inhalt gesehen sind viele dieser »grauen Mäuse« Riesen, ungleich bedeutungsvoller als farbenfrohe Journale, die auf gute Anmutung bedacht sind. Wie auch immer: Die meisten Zeitschriften sind bestimmt durch überwiegend Text, wenig Abbildungen, keine Farbe, kleine bis kleinste Auflagen, lebensfähig nur durch den nicht von finanziellen Interessen gesteuerten Einsatzwillen von Herausgebern und Autoren - oft sind sie ein Kommunikationsorgan kleiner, nahezu geschlossener Zirkel, ob in der Wissenschaft oder anderen Lebensbereichen. Das jährliche Umsatzvolumen vieler solcher Objekte übersteigt oft kaum 10.000 Euro, die Deckungsbeiträge sind minimal. Viele dieser Zeitschriften erscheinen gar nicht in Verlagen - wo doch, handelt es sich quasi um eine Serviceleistung des Verlags im Interesse der Themenabrundung oder Autorenpflege. Sie dienen also allenfalls indirekt der Gewinnerzielung. In der Regel ist das Abonnement für eine Zeitspanne (halb- oder ganzjährig) fixiert und wird so im voraus berechnet. Man unterscheidet zwischen Abonnements, die jährlich vom Kunden erneuert werden, und solchen, die zur Fortsetzung bis auf Widerruf gelten - das kann bei institutionellen Beziehern ein Zeitraum von vielen Jahrzehnten sein. Die effektive durchschnittliche Lebenszeit der Abonnements ist Maß für deren Wert. Man unterscheidet das rollierende Abonnement (Eintritt jederzeit möglich) bei publikumsnahen Zeitschriften von der bandweisen Subskription bei Fach- und wissenschaftlichen Zeitschriften. Bei Fachzeitschriften gibt es z. T. ebenfalls das rollierende Abonnement, das im Verwaltungsaufwand natürlich diffiziler ist. 5.1.7 Zusatzleistungen als weitere Erlösquellen Zunehmend bieten Zeitschriften zusätzliche Leistungen für ihre Abonnenten an, mit denen sie einerseits die Abonnentenbindung festigen und andererseits Zusatzerlöse erlangen wollen. Das geht von preisgünstigen Readerbänden oder retrospektiven CD-ROM-Ausgaben, die wichtige Aufsätze der Zeitschrift zusammenfassen, über Reisevermittlung (sei es zu Kongressen oder themenbe- <?page no="257"?> 5. Zeitschriften 258 zogenen Ereignissen im Special-Interest-Bereich) bis zum bevorzugten, nicht unbedingt kostenlosen Zugriff auf Volltexte in der Datenbank des Verlags, der Beantwortung oder Weiterleitung von Leseranfragen (Interessentenkarten), Lieferantennachweise, Literaturdienste etc. Ein weiteres Feld ist Direktmarketing für verlagseigene oder sonstige Produkte. Hier hat das Internet neue, vielfältige Möglichkeiten eröffnet, in dem sowohl Ergänzungen des Printprodukts (vertiefende Informationen, Dokumentarchiv, Diskussionsforen u.ä .) wie auch evtl. Parallelprodukte (Digitalversion zum Zusatzpreis) angeboten werden können (s. a. Kap. 6). Weitere Instrumente sind ergänzende Newsletter, die wiederum als Anzeigenwerbeträger dienen können. Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit elektronischer Newsletter und Profildienste, die z.T. mehr dem Ziel der Kundenbindung durch Zusatznutzen dienen als der direkten Generierung von Zusatzerlösen. Schließlich entspringt dem Know-how der Fachredaktionen das Zusatzgeschäft mit Fachseminaren, oft unter dem Label der Zeitschrift, so dass deren Bekanntheitsgrad gestützt bzw. gesteigert wird. Die Redakteure der betreffenden Zeitschriften können dabei aktuelle Themen auswählen und aus dem Autorenstamm der Zeitschrift kompetente Referenten gewinnen. Das -Seminargeschäft hat bei vielen (Fach-)Zeitschriftenverlagen einen erheblichen Umfang angenommen. Ein weiterer Zusatzbereich kann das sog. Corporate Publishing sein, bei dem der Verlag sein Knowhow als Dienstleister für Wirtschaftsunternehmen nutzt, etwa für die Konzeption und Herstellung aufwendiger Kundenzeitschriften u.ä. Auch hier entwickeln sich digitale Produktformen. Die Dauerhaftigkeit der Zeitschrift und ihres Nutzens ermöglicht die Ausschöpfung dieses Potenzials in einem derart erweiterten Angebotsmix. Nach diesem kurzen Überblick über einige Strukturverschiedenheiten zwischen Zeitschriften und Büchern aus verlagswirtschaftlicher Sicht (die medientheoretischen Aspekte können hier nicht behandelt werden) sollen in den nachfolgenden Abschnitten einige ökonomische Aspekte ausführlicher dargestellt werden. <?page no="258"?> 259 5 2 Produkterstellung im Zeitschriftenverlag 5.2- Produkterstellung im Zeitschriftenverlag 5.2.1 Redaktionen/ Herausgeber Wie schon vorstehend in Kap. 5.1.1 dargestellt, sind Zeitschriften mit einer eigenen Redaktion in hohem Maße auch inhaltlich, insbesondere in ihrer Mischung und thematischen Fokussierung der Beiträge ein Ergebnis der Tätigkeit im Verlag (ggf. im Zusammenwirken mit externen Herausgebern). Gemäß einer redaktionellen bzw. fachlichen Zielvorgabe sind Beiträge einzuwerben, zu begutachten, zu redigieren und zu Heften zu komponieren. Das erfordert eine deutlich andere Arbeitsweise als bei der Produktion von Büchern. Herausgeber und Redaktion müssen, soweit sie nicht bestimmte Beiträge selbst schreiben, geeignete, möglichst im Fach bereits bekannte Autoren ansprechen, zur Einreichung von Arbeiten ermutigen, Beiträge zu bestimmten Themen beauftragen und laufend Qualitätskontrolle betreiben. Diese erfolgt bei wissenschaftlichen Zeitschriften durch zweifache anonyme Begutachtung durch Experten (sog. Peer Review), in allen anderen Fällen in der Regel weniger formalisiert durch Herausgeber bzw. Redaktion. Oft wird die Zielsetzung einer Zeitschrift auch in der Zeitschrift selbst abgedruckt, um potenziellen Lesern ebenso wie potenziellen Autoren zu verdeutlichen, was die Zeitschrift sein und bieten will und was nicht. Dafür ein Beispiel (Zeitschrift für Soziologie): Die Zeitschrift veröffentlicht Beiträge aus allen Bereichen der Soziologie und ihren Randgebieten einschließlich methodologischer und forschungstechnischer Arbeiten, Beiträge, die sowohl einen theoretischen als auch einen empirischen Bezug aufweisen, werden besonders begrüßt. Kritische Kommentare (maximal 3 Druckseiten) zu einzelnen in der Zeitschrift erschienenen Beiträgen sind erwünscht und können zusammen mit Erwiderungen der betroffenen Autoren abgedruckt werden. Die Annahme zugegangener Manuskripte bleibt vorbehalten. Jede Zeitschrift muss bestrebt sein, zu einer Qualitätsadresse zu werden. Je anspruchsvoller eine Zeitschrift bei der Auswahl der Arbeiten ist, desto höher ist ihr Ansehen bei den Autoren und Lesern. Es bildet sich eine Art von Pyramide heraus, bei der es einige Spitzenzeitschriften gibt, ein Mittelfeld und die Junk-Journals, die den Rest veröffentlichen - unveröffentlicht bleibt wenig. Hochrangige Zeitschriften erreichen leicht Ablehnungsquoten von 70 bis 80 Prozent und mehr und verlangen von den Autoren mindestens eine Umarbeitung sowie Geduld: Die Spitzenzeitschriften haben oft längere Wartezeiten, bis eine Arbeit für ein Heft eingeteilt wird - Junk-Journals schleusen alles ein. <?page no="259"?> 5. Zeitschriften 260 Für die Publikumspresse gibt es zur Überwachung berufsethischer Verhaltensregeln (Sorgfalt, Beachtung von Persönlichkeitsrechten der Dargestellten, Fairness) den Deutschen Presserat, dessen Träger der BDVZ, der VDZ, der Deutsche Journalistenverband und die IG Medien sind. An ihn können Beschwerden gerichtet werden, er erteilt Rügen oder Missbilligungen oder unternimmt Vermittlungen. Die Redaktion muss also für einen stets ausreichenden Bestand von Manuskripten sorgen, weil es eine Vielzahl von Manuskripten in verschiedenen Bearbeitungsstadien gibt, die ständig nachverfolgt werden müssen. Manuskriptzustände • eingereichte Erstfassung • im Zustand der Begutachtung • Rückgabe an Autor zur Überarbeitung • überarbeitete Fassung (ggf. zweiter Review-Prozess) • eingeteilt ins Heft • Korrekturlauf • Druck bzw. digitale Veröffentlichung Neben die Fremdbeiträge externer Autoren treten bei vielen Zeitschriften die hausintern erstellten Beiträge der Redaktion. Eine dritte Textart sind in der Regel auch (zum Leidwesen der Buchautoren) die Rezensionen. Die beiden letzteren Inhaltsgruppen können teils als disponible Messung zur Erreichung der vorgegebenen Heftumfänge benutzt werden. Die Verwaltung von oft mehreren hundert Manuskripten in den verschiedenen vorgenannten Aggregatzuständen erfordert Sorgfalt und Initiative. Sie geschieht heute in Form einer Datenbank (früher aufwändig in einer Art mehrspaltigem Hauptbuch oder Karteiform). Zur Frage der ausreichenden Rechteübertragung seitens der Autoren s. S. 377f. Jede Zeitschrift sollte einen gewissen Puffer, das heißt einen Vorrat bereits angenommener, druckreifer Arbeiten haben, um flexibel die Hefte einteilen zu können. Es ist fatal, wenn man auf eine verschleppte Korrektur warten muss und dadurch das Heft verspätet erscheint. Hat man Vorrat, wird der säumige Autor ans Ende der Schlange gestellt, und eine andere Arbeit gelangt ins Heft. Es sollte also das Badewannenprinzip gelten, d.h. Zugang und Abfluss sollten sich grob entsprechen, Schwankungen fängt der Sicherheitsbestand auf. Wird der Zustrom dauerhaft größer als das bisherige Abflussvolumen, würde die Publikationsfrist aufgrund der entsprechenden Warteschlange steigen. <?page no="260"?> 261 5 2 Produkterstellung im Zeitschriftenverlag Dagegen gibt es zwei Möglichkeiten der Abhilfe: entweder Reduzierung des Zustroms, d.h. Verschärfung der Annahmekriterien, oder Vergrößerung des Volumens der Zeitschrift durch mehr Hefte oder größere Heftumfänge. Wenn Letzteres mit angemessenen Preisanpassungen möglich ist, verstärkt sich die Ertragskraft der Zeitschrift. Die andere Politik, eine weitere Anhebung des Niveaus, wirkt kurzfristig nicht in dieser Weise, kann es langfristig aber u. U. noch stärker. Natürlich gibt es viele Zeitschriften, insbesondere im Publikumsbereich, bei denen eine Anhebung des Niveaus kontraproduktiv wäre: Es ist stets an die Zielgruppe zu denken. Eine ganz andere Arbeitsplanung ist erforderlich, wenn die Hefte einer Zeitschrift nicht nach dem Zufluss-/ Abfluss-Prinzip bunt gemischt zusammengestellt werden, sondern vielmehr thematisch komponierte Hefte generell oder zu bestimmten Anlässen entstehen sollen. Viele Zeitschriften verfahren auch im Wechsel: Ein Teil der Hefte ist thematisch gestreut, einige thematisch fokussiert, sei es als Themenheft oder zumindest als gekennzeichnetes Schwerpunktheft, der Rest zufallsgemischt. Für Themenhefte sind natürlich viel längere Vorlauffristen erforderlich, z.T. werden heftweise besondere (Gast-)Herausgeber dazu beauftragt. Im Grundsatz aber leben Zeitschriften vom Prinzip des vielfältig gefüllten Fruchtkorbs: Möglichst in jedem Heft sollte jeder Leser etwas finden, das ihn interessiert. Eine wesentliche Redaktionsleistung sind auch die diversen Rubriken, die oft in besonderem Maße Lesernutzen schaffen: Editorials zu aktuellen Themen, Diskussionsforen, Interviews, Kurzberichte, Personalia, Veranstaltungskalender, Zeitschriftenschau und Buchrezensionen u.a. All diese Rubriken erfordern intensive, laufende Recherchearbeit, verursachen also erhebliche Kosten. Sie können aber für viele ein Hauptargument dafür sein, eine Zeitschrift zu abonnieren. Abb. 5.4: Badewannenmetapher: eine Zeitschrift braucht immer einen disponiblen Bestand an Beiträgen. <?page no="261"?> 5. Zeitschriften 262 Insgesamt versuchen moderne Zeitschriften mehr zu bieten als nur die periodische Lieferung gedruckter Information. Das heißt, die Zeitschriften werden zu Produkten, die mehr leisten als nur Autoren- und Prozessmanagement, vielmehr sollen unter der »Adresse« der Zeitschrift viele (manchmal wird kühn sogar gesagt »alle«) Nutzerbedürfnisse befriedigt werden. Stichworte zu dieser Ausweitung der Zielsetzung von Zeitschriften sind z.B. • Moderieren von Kommunikationsprozessen (Community Organizing) • »Beratungsjournalismus« (Nutzwert fürs praktische Handeln steigern) • Qualitätssteigerung der redaktionellen Leistung (Auslese-, Bewertungs- und Filterfunktion) • Expertenwissen für Experten • Informationen managen Größere Fachverlage verarbeiten im Jahr Hunderttausende von Leserdienstkarten und beantworten weitere Hunderttausende Leseranfragen. Diese Kontakte verstärken einsichtigerweise die Kundenbindung und bedeuten gleichzeitig ein enormes Potenzial für Direktmarketing. Redaktionen kosten also viel Geld. Sie sind daher nur möglich ab einem bestimmten minimalen Umsatzvolumen, das deutlich über 200.000 Euro pro Objekt liegt. Darunter muss mit Teilzeitredakteuren, free lancern oder ehrenamtlichen Herausgebern gearbeitet werden, die diese Funktion z.B. als Wissenschaftler aus ganz anderen Gründen als dem Gelderwerb zu übernehmen bereit sind. Wie groß die Redaktion sein kann und wie hoch die Zahl der zu veröffentlichenden Seiten, hängt oft vom Anzeigenvolumen ab - Redaktion und Anzeigenabteilung stehen daher in engstem Kontakt, nicht nur wegen der gezielten Ansprache von Anzeigenkunden für Themenschwerpunkte bestimmter Hefte. Angesichts dieses engen wirtschaftlichen Zusammenhangs von Anzeigengeschäft und redaktioneller Arbeit sei noch einmal darauf hingewiesen, dass (intern gesetzte oder extern vorgegebene) ethische Regeln zur sauberen Trennung beider Bereiche existieren sollten: Es muss klar sein, wer einen Beitrag verantwortet, ob er aus der Industrie stammt oder gar reine Produktinformation darstellt (dafür gibt es korrekterweise besondere Rubriken). Klare Trennung dieser Textarten ist also unbedingt geboten, auch wenn es manche Inserenten gerne anders hätten. <?page no="262"?> 263 5 2 Produkterstellung im Zeitschriftenverlag Größere Redaktionen bestehen aus dem Chefredakteur, weiteren Redakteuren (evtl. einem Bildredakteur) und sonstigem Personal, sie haben dann meist Tausende von Seiten im Jahr zu betreuen und zu erheblichen Teilen selbst zu verfassen. Schließlich ist noch die Steuerung der Heftbzw. Jahrgangsumfänge anzusprechen, für die Herausgeber bzw. Redaktionen verantwortlich sind: Bei anzeigenintensiven Zeitschriften werden die Umfänge laufend in einer kostenrechnerisch vorgegebenen Proportion zum tatsächlichen Anzeigenvolumen gesteuert. Bei anzeigenarmen oder anzeigenlosen Zeitschriften muss der Bandumfang im Voraus festgelegt werden, da ja über die Abonnementserlöse hinaus keine Einkunftsquellen zur Verfügung stehen - jeder Mehrumfang geht damit zu Lasten des Verlags. 5.2.2 Organisation der Arbeitsabläufe Für den technischen Ablauf der Produkterstellung gilt im Zeitschriftenbereich noch viel konsequenter, was über die tief greifenden Wandlungen des »Workflow« im Abschnitt über Buchherstellung (s. Kap.-3.3) gesagt wurde. Gerade weil Zeitschriften stärker als Bücher organisatorisch und inhaltlich im Verlag gesteuert werden, ist hier viel leichter ein streng definierter Arbeitsablauf möglich. Dateiformate, Verarbeitungsprogramme, Schnittstellen vom Autor über Redaktion bis zur Druckerei etc. lassen sich gestalten. Viele Verlage haben mittlerweile, z.T. basierend auf verfügbaren Softwarelösungen wie etwa Manuscript Central (von Scholar One in den USA), hauseigene Redaktions- und Herstellungssysteme eingerichtet, durch die der Publikationsprozess deutlich beschleunigt wird: Über solche Plattformen eingereichte Manuskripte brauchen nur noch wenige Wochen bis zur Publikation. Solche Systeme verwalten Manuskripteingang, das Reviewsystem, die Redaktionsaktivitäten, Korrekturgänge bis zur Publikation in Papierform oder digital und bei Bedarf auch den gesamten Anzeigenbereich. Hier spricht man von CAAS (Computer Aided Advertising Systems). Die Akzeptanz bei Fachautoren ist dabei sehr hoch, d.h. das Manuskript kommt per e-mail, geht auf demselben Weg zu den Gutachtern bzw. wird in der Redaktion bearbeitet, Bilder werden eingestellt, Überschriften eingebaut u.s.w. Die ALPSP hat in einer Umfrage festgestellt, dass mit der Etablierung solcher Systeme der Manuskripteingang sich spürbar verstärkte: d. h. der positive Effekt solcher Systeme beschränkt sich also nicht auf Kostenersparnisse und Beschleunigung. <?page no="263"?> 5. Zeitschriften 264 Wie beim Buch obliegt es dem Verlag zu entscheiden, ob er die Druckvorstufe ins Haus nehmen oder der Druckerei überlassen will. Die Mehrzahl der Zeitschriftenverlage hat sich für die Inhouse-Lösung entschieden und übermittelt fertig umbrochene Seiten zur Plattenbelichtung in die Druckerei. Die Umstellung und Beschleunigung der Arbeitsabläufe hat zu einer enormen Beschleunigung auch im zweiten Bereich einer Zeitschrift, nämlich bei den Anzeigen, geführt: Hatten früher viele Zeitschriften Anzeigenschluss zehn Tage vor Erscheinungstermin des Heftes, ist das weithin analog zum redaktionellen Teil auf bis zu drei Tage geschrumpft, weil ja beim jetzigen Verfahren bis zur Absendung der Komplettdatei der redaktionelle Teil und der Anzeigenteil verändert und verschoben werden können; bis zu diesem Zeitpunkt kann gekürzt und erweitert werden. Die Positionierung von Anzeigen, das Layout, die gleichmäßige Auslastung und die Wahrnehmung kurzfristig möglicher zusätzlicher Anzeigenerlöse werden so optimiert. Damit dies effizient geschieht, ist der Anzeigenbereich möglichst voll in den Workflow zu integrieren, es bedarf also auch hier einer sorgfältigen Abstimmung von Datenstandards etc. Darauf weist der Arbeitskreis Mediainformationen Fachzeitschriften (AMF) in seinen »Hinweisen zur Bearbeitung von Anzeigenaufträgen« hin (s.- nachstehenden Kasten und S.-273). Digitale Übermittlung von Druckunterlagen (nach AMF) Um die Produktionsabläufe zu optimieren und Produktionszeiträume zu verkürzen, setzt sich das Drucken »computer to plate« durch. Dieses Verfahren macht es notwendig, dass alle Druckunterlagen in digitaler Form vorliegen. Kostengünstig ist, die Druckunterlagen gleich digital als Dateien an die Druckerei zu übermitteln. Wegen der unterschiedlichen technischen Ausstattungen ist es sinnvoll, die Bedingungen dafür in einem Merkblatt »Elektronisch übermittelte Druckunterlagen« aufzuführen. Das Merkblatt kann als Ergänzung zur Anzeigenpreisliste und zur Auftragsbestätigung mitgegeben werden. Ein Muster findet sich in der AMF-Schriftenreihe Band 1 »AMF-Standard für Media-Informationen« der Deutschen Fachpresse. Detailspezifikationen müssen von Verlag und Druckerei erarbeitet werden und zwar möglichst so, dass den Kunden keine Erschwernisse in ihrer Arbeit zugemutet werden. In nicht wenigen Verlagen ist der Workflow in den letzten zehn Jahren mehrfach verändert worden mit allen Kosteneffekten und Risiken dieser Umstellungen, und ein Ende dieser Veränderungsprozesse ist noch nicht abzusehen. <?page no="264"?> 265 5 2 Produkterstellung im Zeitschriftenverlag Zu den neuen Arbeitsabläufen gehört auch die Entscheidung für eine ausgabenneutrale/ medienneutrale Datenaufbereitung, konkret also, ob die Dateien per XML (Xtended Markup Language) und ähnlichen Verfahren so aufbereitet werden sollen, dass sie auch andere Nutzungsformen ermöglichen als nur die Ausbelichtung für das gedruckte Produkt. Eine wesentliche Rolle spielt sodann im Informationsfluss zwischen Verlag, Bibliotheken und anderen Partnern die Anwendung von ONIX. Das ist gerade bei Zeitschriften von großer Bedeutung, die heute schon in großer Anzahl fakultativ auch online verfügbar gemacht werden oder als kumulierte Datenbank auf CD-ROM. Das Wesentliche am XML-Konzept ist, dass damit die Inhalte einer (Text-)Datenbank in klar definierten Strukturen beschrieben werden können, d.h. Überschriftenränge, Textarten etc. klar kodiert werden. Diese zusätzlichen Bearbeitungsgänge verursachen erhebliche Kosten. Es müssen also konkrete Anwendungsmöglichkeiten vorliegen oder solche in absehbarer Zukunft geplant sein, um die Kosten zu rechtfertigen. Eine XML- Überarbeitung »auf Vorrat«, nur um modern oder für alles gewappnet zu sein, sollte gut bedacht werden, zumal es hier viele Varianten gibt und schnell weitere Anforderungen auftauchen wie Anfügung von Metadaten, Links oder Semantic Tagging. Es ist nicht zu verkennen, dass hier kleinere Verlage, die nicht über das entsprechende Know-how verfügen und angesichts des finanziellen Rahmens auch entsprechende Stellen nicht schaffen können, ins Hintertreffen geraten können. Der Ausweg ist dann der Rückgriff auf externe Kräfte mit entsprechendem finanziellem Mehraufwand, dafür aber ohne Fixkosten mit der Gefahr mangelnder Auslastung. Die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Verlage wird hier harten Bewährungstests unterzogen werden. Jedenfalls führt der neue Workflow zu Kostenreduktion im technischen Bereich und zu Zeitgewinn. Angesichts des zusätzlichen harten Wettbewerbs in der Druckindustrie haben alle Zeitschriftenverlage auch über diese Effekte hinaus ihren Wareneinsatz in den letzten Jahren deutlich reduzieren können und somit die aufgrund von Abonnenten- und Anzeigenrückgang eigentlich bedrohliche Tendenz der Ertragsentwicklung wenigstens teilweise kompensieren können. Ohne diese technische Revolution der letzten zehn Jahre sähe es in vielen Zeitschriftenverlagen sehr schlecht aus. Sonstige Aspekte der Produkterstellung im Zeitschriftenbereich sind weitgehend analog zu denen in der Buchherstellung zu sehen, daher wird hier auf Kapitel 3 verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden. <?page no="265"?> 5. Zeitschriften 266 5.3- Das Anzeigengeschäft 5.3.1 Grundlagen Die grundsätzliche wirtschaftliche Bedeutung des Anzeigengeschäfts wurde schon mehrfach angesprochen. Ein wichtiger Aspekt aus Nutzerperspektive ist noch hinzuzufügen: Auch Anzeigen sind (nützliche) Informationen Es wäre ganz verfehlt, sie nur als finanziell erfreulich (weil die ansonsten viel höheren Abonnementspreise senkend) anzusehen oder gar aus Lesersicht als ärgerliche Belastung oder Belästigung. Anzeigen machen mit neuen Produkten bekannt, senken, insoweit erfolgreich und damit für die Inserenten stückzahlsteigernd, die Kosten der beworbenen Produkte und verschaffen dem Nutzer bessere Informationen über Neuentwicklungen, Preise und Bezugsquellen. Zugleich entlasten sie die Käufer zu Teilen beim zu bezahlenden Preis für die Zeitschrift. Jeder - ob privat oder beruflich - braucht ständig Informationen, die in Anzeigenform zu ihm gelangen. Also: Daher hat der Zentralverband der Werbewirtschaft (ZAW) sehr berechtigt vor einiger Zeit das folgende Werbemotiv lanciert: Anzeigen senken den Verkaufspreis (der nun nur einen Teil der Gesamtkosten abdecken muss) erhöhen • das Informationsangebot (Volumen und Vielfalt) • den finanziellen Spielraum für die Redaktion (Qualitätssteigerung) Abb. 5.5: Der doppelt positive Einfluss der Anzeigen für den Leser <?page no="266"?> 267 5.3 Das Anzeigengeschäft Abb. 5.6: Werbung für Werbung <?page no="267"?> 5. Zeitschriften 268 Im fachlichen Bereich sind Anzeigen eine geradezu unentbehrliche Information. Von manchen Zeitschriften, wie etwa dem Börsenblatt des Deutschen Buchhandels, wird gesagt, sie würden primär wegen der Anzeigen gehalten und gelesen. Ob das nun überspitzt ist oder nicht, auf jeden Fall machen solche Aussagen deutlich, dass Anzeigen oft hohen Informationswert besitzen. Ohne Anzeigenerlöse könnten viele Redaktionen nicht im bisherigen Umfang arbeiten, d.h. der Inhalt der Zeitschriften würde an Qualität verlieren, ggf. auch der redaktionelle Inhalt stark reduziert. Die Tageszeitungen sind dafür in den letzten Jahren ein betrübliches Beispiel. Bei hochauflagigen Zeitschriften gibt es Fälle, wo die Vertriebserlöse gerade mal das Papier finanzieren - alles andere muss von den Anzeigenerlösen gedeckt werden, d.h. der Leser verliert viel, wenn es keine Anzeigen gibt. Ein kritischer Aspekt der hohen Bedeutung des Anzeigenaufkommens ist die daraus mögliche Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit. Artikel werden abgemildert oder gar nicht gedruckt, um große Inserenten nicht zu verärgern. Tatsächlich hat es seitens wichtiger Anzeigenkunden auch schon manches Mal »Strafaktionen« mit Reduktion oder gar völligem Stopp von Anzeigen gegeben. Das setzt die »Schere im Kopf« in der Redaktion u.U. in Bewegung. Das Stichwort dazu heißt »Innere Pressefreiheit«, also die Wahrung der Autonomie des Inhalts. Allerdings gibt es in milderer Form Ähnliches auch in Bezug auf Leser, insbesondere Abonnenten. Ganz frei von ökonomischen Einflüssen kann eben eine Zeitschrift nicht sein. Wegen der hohen Bedeutung der Anzeigenerlöse betreiben Zeitschriftenverlage eine permanente, sorgfältige Konkurrenzbeobachtung: Die Hefte der wichtigsten Wettbewerber werden auf Zahl und Art der Anzeigen hin analysiert, es wird geprüft, welche Kunden etwa in anderen Objekten Anzeigen schalten, nicht aber im eigenen oder gar abgewandert sind. Hieraus ergeben sich dann direkte Anstöße für die Anzeigenakquisition, aber auch indirekte für eine Überprüfung und verbesserte Fokussierung der Zeitschrift im Inhaltlichen, bessere Präsentierung bei bestimmten Anlässen etc. Ein Absinken des eigenen Anzeigenaufkommens gegenüber der Konkurrenz, d.h. ein schrumpfender Anteil am Anzeigenmarkt des betreffenden Spezialbereichs ist stets ein Alarmsignal. Tendenziell entwickelt sich der Anteil der verschiedenen Medien wie folgt: er Anteil des Fernsehens liegt (ganz leicht steigend) bei rd. 40%, und zwar sowohl in Deutschland wie auch weltweit. Der Anteil der Internet-Werbeerlöse ist seit 2007 um mehr als 70% angestiegen auf derzeit rd. 24%. In diesem Mehrjahresvergleich haben die stärksten Einbußen an Anzeigenerlösen die Zeitschriften hinnehmen müssen: um nahezu 30% - darin sind aber auch alle <?page no="268"?> 269 5.3 Das Anzeigengeschäft Publikumszeitschriften enthalten. Dennoch ist im internationalen Vergleich der Zeitschriften-Anzeigenerlös in Deutschland deutlich höher als im Durchschnitt (ca. 12% gegen 8,5% weltweit). Es steht nicht zu erwarten, dass sich eine Trendwende derart einstellt, dass sich der Anteil der Printmedien an den gesamten Werbeeinnahmen wieder erholt. Das bedeutet aber nicht, dass nicht einzelne Objekte steigende Erlöse erzielen können, d.h. durch Verdrängungswettbewerb innerhalb dieses Segments. Eine interessante Konsequenz aus dieser Situation im Printbereich ist, dass einige große Häuser (z.B. die A. Springer AG) große und noch durchaus ertragbringende Objekte verkaufen und mit diesen Erlösen gezielt noch stärker ins Digitalgeschäft einsteigen. In den letzten Jahren gingen die Anzeigenerlöse bei allen Druckerzeugnissen zurück - bei den Tageszeitungen und Pubblikumszeitschriften wegen des verstärkten Abwanderns der Werbeetats ins Internet, bei den Fachzeitschriften wegen des Konjunktureinbruchs. Dadurch hat sich auf breiter Front die Ertragslage der Printmedien deutlich verschlechtert. Aufschlussreich ist schließlich die unterschiedliche Bedeutung der Anzeigenerlöse in verschiedenen Fachgebieten (nach Deutsche Fachpresse in Zahlen 2003). Die strukturelle Aussage ist auch weiterhin zutreffend. Themenfeld Anzeigenerlöse Vertriebserlöse Industrie Handel (Dienstleistung) Medizin (Gesundheit) RWS Handwerk Andere Ohne Schwerpunkt 76% 68% 72% 11% 55% 21% 48% 24% 32% 27% 89% 44% 79% 52% Rundungsdifferenzen nicht korrigiert Dabei ist ein hoher Anteil von Anzeigenerlösen durchaus zweischneidig zu beurteilen: Er ist in guten Jahren sehr positiv, wegen des schon erwähnten wesentlich höheren Deckungsbeitrag II gegenüber den Vertriebserlösen. Dem steht aber negativ die viel höhere Konjunkturanfälligkeit der Anzeigenerlöse gegenüber. Fallweise ist bei den Objekten zu differenzieren zwischen Produktanzeigen und Stellenanzeigen. Bestimmte Zeitschriften haben sich auf dem <?page no="269"?> 5. Zeitschriften 270 letzteren Markt eine dominante Stellung erarbeitet; allerdings sind Stellenanzeigen noch konjunkturanfälliger als die sonstigen. In schlechten Jahren schauen die anzeigenintensiven Blätter neidvoll auf die mit einem hohen Anteil von Vertriebserlösen, die wesentlich stabiler sind und leichter durch Abonnementspreissteigerungen abgestützt werden können. 5.3.2 Mediadaten So wie um die Abonnenten muss sich der Verlag auch um die Inserenten bemühen, er muss sie kontaktieren, informieren, umwerben. Das geschieht in der einfachsten Form durch die Insertionsunterlagen, auch Media-Informationen genannt. Aussagen zum Werbeträger Media-Informationen unterrichten über: • Titel (und dessen Zielsetzung) • Auflagen • Zielgruppen • Regionale Verbreitung • Reichweitenanalyse Kosten u. technische Angaben • Formate • Erscheinungsweise/ -termine • Heftthemen • Preise • Technische Einzelheiten (Farbe, Beschnitt, Beilagen, Beikleber, Einhefter usw.) • Rabatte/ Malstaffeln für Mehrfachschaltung Üblicherweise werden diese Informationen als A5 quer (evtl. gefaltete Doppelkarten) gestaltet. Jeder Zeitschriftenverlag schickt diese Informationen auf Verlangen zu bzw. stellt sie in seine Homepage ein. Solch eine Karte kann etwa wie folgt aussehen (Beispiel Zeitschrift Buchreport): <?page no="270"?> 271 5.3 Das Anzeigengeschäft Abb. 5.7: Beispiel einer Seite mit Mediadaten für Anzeigenkunden <?page no="271"?> 5. Zeitschriften 272 Hinzu kommen Werbemöglichkeiten wie eingeklebte CD’s, Probenbeutel, Postkarten, Aufklebefolien sowie die nachstehend dargestellten Sonderformen. Weitere Beispiele dieser Art sind der sog. Altarfalz, eingeklebte Hologramme, Post-its u. a. Die kompletten Detailinformationen für eine Zeitschrift umfassen nicht selten ein Heft von 16 Seiten mit technischen Daten für die Dateianlieferung: von Terminplan, Formaten und Preisen, Konditionen und Anzeigenkombinationen mit anderen einschlägigen Zeitschriften des Verlags über die Charakterisierung der Zeitschrift, Titelporträt nach AMF-Schema und Auflagen- und Verbreitungsanalyse (IVW-kontrolliert, s.u.) bis hin zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Also alles, was der Inserent wissen sollte. Immer mehr werden heute Mediadaten als PdF im Internet bereitgestellt und abgerufen. Jedenfalls sind Mediadaten - ob gedruckt oder online bereitgestellt - sehr viel mehr als nur Preislisten! Da auch im Anzeigenbereich mittlerweile ein digitaler Workflow zum Standard geworden ist, enthalten die Media-Unterlagen auch hierzu wichtige Informationen. Dafür ein Beispiel aus den Anzeigenbedingungen des Hanser-Verlags: Abb. 5.8: Besondere Gestaltungsformen für Zeitschriftenanzeigen <?page no="272"?> 273 5.3 Das Anzeigengeschäft Nur bei Beachtung solcher Angaben kann schnell und in garantierter Qualität gearbeitet werden. Neben der Bereitstellung digitaler Anzeigenvorlagen spielen mittlerweile auch Systeme der online-Buchung von Anzeigen in Zeitschriften eine Rolle. Dafür hat der VDZ das Online-Business System OBS entwickelt. Über die Aufstellung von unverzichtbaren Mediainformationen auf S. 273 hinaus nennt die AMF (Anzeigenmarketing Fachzeitschriften innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachpresse) als weitere Leistungseckdaten einer Zeitschrift diverse Informationen, die einen am Kundennutzen orientierten Anzeigenverkauf unterstützen. Dabei handelt es sich teils um spezifisch für das Objekt erhobene Primärdaten als auch sekundärstatistisches Material: • Mediadaten nach den AMF-Standards • Auflagenzahlen und Auflagenentwicklungen • Empfänger-/ Leser-Strukturanalysen • Untersuchungen über Nutzung, Leseort, Lesezeit usw. • Zielgruppenuntersuchungen • Reichweiten, Kontaktverteilung, Kontakte • Tausenderpreise, Tausend-Leser-Preise • Media-Gemeinschafts-Analysen • Copytests (Leserverhalten) • Marktstudien, Markt- und Konkurrenzbeobachtung (Share of Voice) • Intermediale Vergleiche (z.B. Kostenvergleich Beilage mit Mailings) • Key-Account-Untersuchungen und Service-Studien 1 Zeitschriftenformat DIN A4; 210 x 297 mm (Breite x Höhe) Satzspiegel 175 x 250 mm (Breite x Höhe) 4 Spalten à 41 mm Beite 2 Druck- und Offsetdruck, Klebebindung oder Rückenstich Bindeverfahren 3 Datenübermittlung FTP: Zugangsdaten auf Anfrage E-Mail: sabine.hahn@hanser.de 4 Datenformate Bevorzugtes Dateiformat: Highend PDF - erstellt mit Adobe Distiller, Einstellung PDF/ X-3: 2002 (Kompatibel zu Acrobat 4, PDF 1.3; mit eingebetteten Schriften, Bildern etc.). Bitte unbedingt Transparenzreduzierung anwenden! Alternative Dateiformate: QuarkXpress, Photoshop, Freehand, Illustrator, InDesign. Alle verwendeten Schriften, Bilder, Grafiken, Logos usw. müssen auf dem Datenträger abgespeichert sein! Bei Anzeigen mit Beschnitt bitte 3 mm Beschnittzugabe an jeder Seite berücksichtigen. 5 Farben Druck nach ISO 12647-2 PSO; ISOcoated_V2; Fogra39L Sonderfarben (z.B. HKS, Pantone) nach Absprache möglich. Bitte beachten Sie die aus der ISO 12647-2 für Bilderdruckpapier vorgegebenen Druckzuwächse. 6 Proof Bitte legen Sie zu jeder Anzeige, die belichtet werden soll, einen verbindlichen Farbausdruck. Bei 4c-Anzeigen benötigen wir einen Proof/ Andruck mit Medien-Kontrollstreifen. Farbausdrucke aus Farbkopierern oder Farbdruckern sind nicht farbverbindlich. 7 Datenarchivierung Alle Druckunterlagen werden längstens bis zu 3 Monaten nach Auftragsabwicklung aufbewahrt. 8 Gewährleistung Die für uns tätigen Druckereien können nur das belichten, was auf Ihren gelieferten Datenträgern vorhanden ist. Für Abweichungen in Texten, Abbildungen, Schriften und Farben können wir keine Haftung übernehmen. 9 Kontakt Sabine Hahn (Anzeigendisposition) sabine.hahn@hanser.de Tel.: +49 89 99830-211 · Fax: +49 89 99830-623 Abb. 5.9: Informationen für Anzeigenkunden betr. Anforderungen an digitale Daten <?page no="273"?> 5. Zeitschriften 274 Eine Leser-Strukturanalyse kann z.B. nachfolgende Daten erfragen: Leser-Strukturanalyse (Stichprobenverfahren / Befragung durch neutrales Institut) • typische Fragen Wie oft in der Hand? • Wie viele Nr. des letzten Quartals gelesen? • Lesehäufigkeit (-zeit) • Doppelleser (mit anderen Zeitschriften) • Dauer der Leserschaft (Abo-Dauer) • Was gefällt Ihnen an X? • Was gefällt Ihnen nicht? • persönlich Alter, Bildung, Berufsbildung, berufl. Position / Funktion • Betrieb Alter, Größe Alle diese Daten, insbesondere auch die soziodemografischen der beiden letzten Zeilen, sollen die potenziellen Inserenten dazu veranlassen, das angebotene Objekt alternativen Möglichkeiten vorzuziehen, d.h. sie sollen die besondere Positionierung der Zeitschrift im Lesermarkt und die daraus resultierenden positiven Leistungsmerkmale des angebotenen Objekts unterstreichen. Stichworte dazu sind u.a. Kontaktqualität und Leser-Blatt-Bindung. Zu Einzelheiten siehe »Die Anzeigenpraxis in Fachzeitschriften« (AMF Schriftenreihe Bd. 4, 2. A. 2000). Die Darstellung in dieser Publikation hat Relevanz auch über den bezeichneten Bereich der Fachzeitschriften hinaus. Die großen Umfrageinstitute bieten ebenfalls solche Strukturanalysen und Copy-Tests an, wodurch fachliche Kompetenz der Vorgehensweise gesichert erscheint. Ergänzend zur Schaltung von Anzeigen bieten viele Zeitschriften auch die Möglichkeit von Beiheftern oder Beilagen an, bei denen der Inserent die betreffenden Seiten nach vorgegebenen Maßen selbst herstellt und anliefert. Hierfür werden dann besondere Tarife aufgestellt (ebenso für Einkleber wie CD-Roms, Parfümproben etc. s.a. S.-247). Hierzu gibt es besondere Tarife der Post, seit 2005 nur noch für Beilagen über 2 mm Dicke. Schließlich gibt es in größeren Verlagen mit mehreren Objekten in einem Fachgebiet z. T. die Option mehrere dieser Zeitschriften gleichzeitig zu belegen. Damit erhöht sich zu eher günstigen Mehrkosten die Reichweite der Anzeige. <?page no="274"?> 275 5.3 Das Anzeigengeschäft 5.3.3 Auflagen und Auflagenkontrolle. Werbeträgeranalysen Eine zentrale Information für den Inserenten ist die Auflage, die in enger Korrelation zum Anzeigenpreis zu sehen ist: Zunächst interessiert den Kunden der Tausenderpreis und die Sicherheit, dass er die richtige Zielgruppe und keine viel zu große (mit entsprechend hohen Streuverlusten) und damit zu teure erreicht. Die wichtigste Angabe für den Inserenten ist aber sicher die klare Aussage der Zeitschrift über die erreichbare Zielgruppe: Was nützt ein günstiger Tausenderpreis, wenn damit ein riesiger Streuverlust verbunden ist? Da kann die scheinbar im Tausenderpreis wesentlich teurere Schaltung in einem Spezialorgan viel wirtschaftlicher sein. In diesem Argumentationsfeld arbeitet der Anzeigenverkäufer. Jedenfalls ist die Auflage einer Zeitschrift ein zentraler Orientierungspunkt. Der Auflagenbegriff ist vielfältig, man kennt die • gedruckte Auflage • verbreitete Auflage • verkaufte Auflage • abonnierte Auflage Von oben nach unten handelt es sich um immer kleinere Zahlen: die verbreitete Auflage ist kleiner als die gedruckte, die verkaufte wegen der Freistücke (s.- Tabelle S. 244) beträchtlich kleiner als die verbreitete. Schließlich gibt es die Überzeugung, dass Abonnements als Ausdruck einer dauerhaften Bindung an diesen Werbeträger ein wichtiges Indiz für dessen Qualität sind, also Abonnentenzahlen mehr Gewicht haben als der Einzelheftverkauf. Der Verlag versucht in Leseranalysen darüber hinaus die Leserfrequenz, also die Leser pro Ausgabe zu erheben, eine Zahl, die wiederum einen Multiplikatorwert für die zu erwartende Werbewirkung bedeutet. Weil die Aussagen über Auflagen und Streuung entscheidend für eine Anzeigenschaltung und eine zutreffende Kosteneinschätzung seitens des Inserenten sind, stellen sie eine wesentliche Vertragsgrundlage dar. Die Angabe falscher (überhöhter) Auflagen ist unredlich und führt zu Schadensersatzansprüchen der Inserenten. Die Verlage haben daher eine Kontrollorganisation, die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) als Unterorganisation des ZAW (Zentralausschluss der Werbewirtschaft), und ein Gütesiegel geschaffen. <?page no="275"?> 5. Zeitschriften 276 Dieses bürgt für die Richtigkeit der Angaben in den Mediaunterlagen. Nur Firmen, die sich den laufenden Meldepflichten auf vorgegebenen Formularen und fallweisen Kontrollen auf Grund von Zufallsstichproben stellen, dürfen dieses Sigel in ihren Mediaunterlagen und der Zeitschrift selbst führen. Die meisten mittel- und hochauflagigen Zeitschriften sind beteiligt, bei kleineren, anzeigenarmen Zeitschriften ist es nicht von Bedeutung. Der IVW-Auflagenkontrolle sind über 1200 Verlage mit rund 3.400 Objekten angeschlossen. Für Fachzeitschriften führt das IVW über die eigentliche Auflagenkontrolle hinaus anhand von Verlagsmeldungen Stichproben betreffend die Richtigkeit der vom Verlag angegebenen Empfänger-Daten durch. Dies ist für die Inserenten ebenfalls von großer Bedeutung. Eine ganze Reihe von Marktforschungsinstituten bietet weitere Leser- und Werbeträgeranalysen sowie Copytests an, die bei publikumsnahen Zeitschriften eine wichtige Rolle spielen, aber auch in manchem Fachbereich wie etwa die LA-MED für medizinische Fachzeitschriften oder die LAE (Leseranalyse Entscheidungträger in Wirtschaft und Verwaltung), die von der Gesellschaft Werbeagenturen und einzelnen Verlagen erarbeitet wird. Insgesamt gibt es für verschiedene Branchen bzw. Bereiche ca. 15 solcher Leseranalysen für Fachzeitschriften. Der Rangwert einer Zeitschrift in solchen Untersuchungen ist von erheblichem Einfluss auf die Insertionsentscheidungen der Kunden; die neue Liste ist jedes Jahr daher sowohl erhofft wie gefürchtet, ähnlich den Bestsellerlisten in der Belletristik. Die LA-MED hat neuerdings grafische Darstellungen verwendet, um unterschiedliche Zeitschriftentypen zu charakterisieren: Abb. 5.10: Qualitative Merkmale in grafischer Darstellung <?page no="276"?> 277 5.3 Das Anzeigengeschäft Nachstehend noch einige der bekannteren Instrumente der Werbeträgerforschung: • Auflagenkontrolle der Anzeigenblätter (ADA) • Leseranalysen (z.B. LAMed) • ZAW-Rahmenschema für Werbeträger-Analysen • Die Media-Analyse (MA) • Die Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE) • Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA) • Verbraucher-Analyse (VA) Eine weitere Initiative des ZAW ist der Werberat, der für Lauterkeit und ethische Standards in der Werbung sorgen soll. Zu seinen Hauptzielsetzungen gehören • Konsumentenschutz • verantwortungsbewußte Werbung (z.B. Frauenfragen) • Schutz gegen unlauteren Wettbewerb Durch die Aktivitäten des Werberates im Sinne einer freiwilligen Selbstkontrolle sollen Selbstverantwortung und Vertrauen der Öffentlichkeit gestärkt und ein direktes staatliches Eingreifen präventiv verhindert werden. Gerade Letzteres könnte sehr verhängnisvoll werden, da man auch Anzeigen als Teil der Informations- und Pressefreiheit ansehen muss und daher zensurartiges staatliches Eingreifen möglichst vermieden werden sollte. 5.3.4 Anzeigenverkauf Natürlich ist es mit Media-Informationen allein nicht getan - das hieße ja warten, bis zufällig ein Insertionskunde auftaucht und die Unterlagen anfordert. Unentbehrlich ist die laufende Ansprache der Anzeigenkunden durch • Mailings und Anzeigen (in anderen Organen) (mit Hinweisen auf Themenhefte, erhöhte Auflagen aus bestimmten Anlässen, Termine, Sonderaktionen mit gesenkten Insertionspreisen etc.) • Telefon-Kontakt und Anzeigenverkauf (besonders gegenüber regelmäßigen Inserenten) • Anzeigenvertreter Für Letztere gilt im Prinzip dasselbe wie für die Vertreter der Buchverlage: Es gibt angestellte Anzeigenvertreter und freie Vertreter. Welche Lösung die jeweils <?page no="277"?> 5. Zeitschriften 278 passende ist, hängt vom Objekt (bzw. einem im Verlag vorhandenen Objektbündel) und auch der Größe des Verlags ab. Gute Anzeigenvertreter verschaffen in ihren Gesprächsberichten auch Informationen über Markttendenzen und Kundenwünsche, sie sind daher wichtige Gesprächspartner der Redakteure. Anzeigenmarketing und Anzeigenverwaltung (Fakturierung, Rabatte, Gutschriften, Nachbelastungen etc., Vertreterabrechnungen, Buchunterlagenverwaltung) sind heute komplexe, sehr stark IT-gestützte Vorgänge, die dank dieser Möglichkeiten zwar deutlich kostengünstiger als zuvor bewerkstelligt werden können, aber nach wie vor wesentliche Kostenfaktoren darstellen. Anzeigenverkauf bzw. -verwaltung basieren auf speziellen ausgefeilten Softwarelösungen, seien sie maßgeschneidert für einen Verlag entwickelt oder als Standardsoftware (ggf. mit Anpassungen) verfügbar. Verkaufssteuerung, Betreuung der Anzeigenkunden und Ablauforganisation der Auftragsabwicklung werden durch solche Systeme besorgt. Die Qualität dieser Leistungen ist gegenüber den Inserenten ein wichtiges Element im Wettbewerb. Neben den vorgenannten verlagseigenen Aktivitäten gibt es im Anzeigenbereich als wichtige Mittler die Agenturen, die entweder fallweise Anzeigen in eine Zeitschrift einbringen (als Agentur des Anzeigenkunden) oder auch im Auftrag des Verlags bestimmte Objekte exklusiv betreuen, also als Anzeigenakquisiteur ähnlich dem verlagseigenen Anzeigenvertreter agieren. Die Agenturen erhalten Provisionen - oft von beiden Seiten. Diese Kosten müssen sich durch höhere Effizienz beim Verkauf bzw. Kostenersparnisse in den Anzeigenbzw. Werbeabteilungen rechtfertigen. Die Agentur ist ein typisches, schon sehr lange existierendes Beispiel für Outsourcing. Wesentliche Voraussetzungen eines Anzeigenauftrags sind neben Kosten/ Auflage u.a. • Erscheinungstermin • etwaiger Themenschwerpunkt oder anlassbezogenes Erscheinen (Kongress, Messe) • Platzierung im Heft (z.B. Textanschluss, ggf. an einer bestimmten Stelle) Sie sind ggf. wesentliche Vertragsgrundlage - bei verspätetem Erscheinen oder Nichtbeachtung der Platzierungsvorschrift kann u.U. die Zahlung verweigert werden. Hier geht es um sorgfältige Weitergabe von Informationen durch den Anzeigenverkäufer an die Anzeigenverwaltung. Auch Farbvorschriften und Druckqualität sind wesentliche Vertragsbestandteile, Mängel können hier zu Minderungsansprüchen des Auftraggebers führen. <?page no="278"?> 279 5.4 Zeitschriftenvertrieb Um einen geordneten Ablauf sicherzustellen, geben daher die Verlage einerseits Anzeigenschlusstermine an oder sagen andererseits oft ausdrücklich keine bestimmte Platzierung zu. 5.4- Zeitschriftenvertrieb 5.4.1 Absatzkanäle Die Absatzkanäle für Zeitschriften sind vielfältiger als die für Bücher und die Gewichte je nach Zeitschriftentyp durchaus anders verteilt: • Buchhandel • Kiosk (vorgeschaltet Pressegrosso) • Bahnhofsbuchhandel • Internationale Zeitschriftenagenturen • Direktvertrieb ab Verlag • Sonderformen (z.B. Mitgliedsstücke für wissenschaftliche Gesellschaften oder Berufsvereinigungen) Das Pressegrosso bedient über 120.000 Kunden, davon sind 22.000 Zeitungskunden, rund 97.000 Vollkunden. Zu der unterschiedlichen Gewichtung dieser Vertriebswege ist Folgendes zu sagen: Viele Buchhandlungen befassen sich nicht mit dem Zeitschriftenvertrieb, insoweit er an Rechnungskunden geht, sondern allenfalls mit dem Verkauf publikumsnaher Zeitschriften. Das hat einerseits zu einer hohen Konzentration des Zeitschriftengeschäfts auf die (wenigen) Buchhandlungen geführt, die sich damit befassen. Viele von ihnen sind daher überregional tätig. Zum zweiten ist der Anteil der Direktlieferungen der Verlage an die Endkunden/ Abonnenten viel höher als im Buchgeschäft. Auch die Sonderformen der Mitgliedsabonnements sind in aller Regel dem Direktvertrieb zuzuordnen (s.-Abb.-5.11). Das Abonnementgeschäft ermöglicht durch die sich wiederholenden Geschäftsvorfälle einen hohen Automatisierungsgrad, alles ist IT-basiert. Hierfür gibt es am Markt ausgefeilte Software für Adressmanagement, Wechselversand, Leserdienstabwicklung, Adressanalyse, Protooptimierung, Zielgruppenanalyse und das Customer Relationship Management sowie Komponenten für E-Commerce. Sowohl im Abonnentenbereich wie bei den Anzeigen kann ergiebiges Data-Mining (s. Kap. 6.4.8) betrieben werden. <?page no="279"?> 5. Zeitschriften 280 Es ist noch einmal zu betonen, welch hohen wirtschaftlichen Wert gut gepflegte Adressbestände darstellen: nicht nur als Basis der Abonnementsabwicklung (s.- Kap. 5.4.2). Wenn die Adressen personalisiert mit aussagekräftigen Qualifizierungsmerkmalen angereichert werden, sind sie eine wichtige Basis für weitere Aktivitäten im Sinne von Cross-Selling, z.B. für Buchverkäufe, Seminarveranstaltungen des Verlags u.ä. Im Zeitschriftengeschäft jenseits der Publikums- und Special-Interest- Zeitschriften bedarf es keiner Warenpräsenz, keines Point of Sale, sondern der Markt ist völlig vom Demand Pull-Prinzip bestimmt. Damit tritt die Kosteneffizienz des Vertriebskanals ganz in den Vordergrund. Solche Kostenvorteile Kunden Verlag Pressegrosso Zeitschriftenagentur Kiosk Buchhandel Post Postzeitungsdienst andere Versender Abb. 5.11: Vertriebswege für Zeitschriften Zeitschriftentitel Bibliotheken in aller Welt Zeitschriftenagentur Ve rla g 1 Ve rla g 2 Ve rla g… 1000 Abb. 5.12: Bündelungseffekt durch internationale Zeitschriftenagenturen <?page no="280"?> 281 5.4 Zeitschriftenvertrieb lassen sich besonders deutlich an den Internationalen Zeitschriftenagenturen verdeutlichen, die Hunderttausende von Bibliotheken beliefern und das bei sehr niedrigen Funktionsrabatten (bis hinunter zu 5% oder auch 0%). Die Zeitschriftenagenturen haben also eine ähnliche Bündelungsfunktion wie die Barsortimente im Buchbereich: Sie reduzieren die Zahl der Geschäftsvorfälle sowohl für Lieferanten wie für Kunden, womit die Einzelkosten des Vertriebs deutlich verringert werden. Wie erwähnt, geschieht dies im Zeitschriftenbereich zu wesentlich niedrigeren Rabatten als beim Buch. Eine andere Form des Zwischenhandels liegt beim Pressegrosso vor: Nur durch diese regionalen Vertriebsmonopolisten können Kioske erreicht werden. Verlage, die Zeitschriften veröffentlichen, die diese Verkaufsstellen brauchen (besonders bei Special Interest-Zeitschriften), müssen also mit diesen Grosso-Firmen zusammenarbeiten und deren Geschäftsbedingungen akzeptieren - Alternativen gibt es ja nicht. Das Pressegrosso wird deshalb von den Wettbewerbshütern im Bundeskartellamt immer wieder kritisch hinterfragt - im Grundsatz aber bleibt diese Organisationsform trotz des eigentlich wettbewerbswidrigen Gebietsmonopols wohl unverzichtbar, nicht zuletzt im Hinblick auf die komplexen Vorgänge der Rücknahme nicht verkaufter Hefte und der Gutschriftenabwicklung. Angesichts von Remissionsquoten von effektiv mengenmäßig über 30% und wertmäßig über 40% ist das ein arbeitsintensives Gebiet. Typische Regelungen beim Pressegrosso sind: Kernbedingungen im Pressegrosso • volles Remissionsrecht (effektiv mengenmäßig bei 25%) • Ganzremission, Titelleistenremission, körperlose Remission • Das Sortiment umfasst i.d.R. 1800-2000 Titel (Zeitungen und Zeitschriften, auch ausländische Titel), z.T. auch Taschenbücher • Weitergegebene Einzelhandelsspanne zwischen 18 und 20,3% • Kaum Lagerhaltung Eine sehr wichtige Rolle spielen für den Zeitschriftenvertrieb die postalischen Vorzugstarife der Versandarten Postvertriebsstück oder Streifbandzeitung. Für deren Inanspruchnahme gibt es detaillierte Vorschriften, die einzuhalten sind, um in den Genuss dieser gesellschaftsbzw. kulturpolitisch motivierten Vorteile zu kommen. Der Bereich Pressedistribution der Deutschen Post setzt dabei sehr differenzierte Tarife fest. Kriterien sind: <?page no="281"?> 5. Zeitschriften 282 Preiskomponenten im Post-Pressevertrieb • Erscheinungsweise (Tagestitel/ Wochentitel/ Monatstitel) • Werbeexemplare • Beilagen • Gewicht Der Tarif gliedert sich in • Grundentgelt pro Jahr / Titel • Stückpreis pro Versand Hinzu kommen Zusatzentgelte für Abholung, »next-day service«, Sonntagszustellung, Überschreitungen von Höchstmaßen und -gewichten u.a.m. Eine sorgfältige Einhaltung der Vorschriften und ggf. eine Optimierung der Zeitschriftenhefte hinsichtlich Gewicht, ein Verzicht auf unnötige Extras, kann erhebliche Kosten sparen: die Versandkosten sind eine nicht unerhebliche Position bei höherauflagigen Zeitschriften. Für eine niedrigauflagige und zugleich hochpreisige wissenschaftliche Zeitschrift hat das wesentlich geringere Bedeutung. Aus diesem Grund betreiben die Verlage hochauflagiger Zeitschriften bzw. die von ihnen beauftragten Dienstleister Adressanalyse, Doublettencheck und Portooptimierung (z.B. durch Bündelung der Versandstücke nach Postleitzahlen). Die Rolle von IT beim Vertrieb ist nicht zuletzt deshalb hoch. 5.4.2 Abonnentenadressen Jeder bekannte Kunde stellt für ein Unternehmen einen Wert dar, der gepflegt und genutzt werden sollte. Daher treiben die Verlage einen hohen und wachsenden Aufwand für gutes eigenes Adressmaterial auf Basis ihrer Abonnementsbestände, die bei sachgerechter Dateiorganisation unmittelbar für Werbezwecke zur Verfügung stehen können. Aus diesen Gründen wird in Zeitschriftenverlagen der Kundenrückgewinnung große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Abbestellungen werden analysiert, es wird versucht (ggf. z.B. durch Anfragen), die Ursachen zu klären und soweit möglich zu beheben. Das kann bis in redaktionelle Konzeptionen hineinführen. Zudem wird durch aktive Kundenbetreuung und eventuelle Zusatzleistungen die Kundenbindung weiter verbessert. Um den hohen Wert solcher Aktivitäten (und Kosten) richtig einzuschätzen, muss man nur in Erin- <?page no="282"?> 283 5.4 Zeitschriftenvertrieb nerung rufen, dass die Gewinnung eines neuen Abonnenten oft deutlich über €-100,kostet. Der Wert der Kundenadresse eines Zeitschriftenabonnenten geht aber viel weiter. Durch das Themenprofil der Zeitschrift ist (zumindest ein Teil vom) Interesseprofil des Kunden bekannt und kann für Werbezwecke, z. B. für einschlägige Bücher des Verlags, gezielt eingesetzt werden. Auch ein Weiterverkauf der Adressen oder ein Einbringen in eine Kooperation ist denkbar. Hier sind allerdings die in letzter Zeit verschärften Datenschutzregeln zu beachten. Aus einer reinen Abonnentenverwaltung muss also eine komplexe vernetzte Vertriebsdatenbank werden, die alle Adressen aller Objekte sowie sonstige Werbeadressen verwaltet und pflegt (Adressqualifizierung). Darüber hinaus bietet eine moderne Datenbankorganisation Möglichkeiten für Auswertungssysteme des Kundenverhaltens im sog. Consumer Relationship Management (CRM) und damit einen Ansatz für eigene Marktforschung sowie Werbeerfolgskontrolle. Die Qualität der Organisation und Nutzung der eigenen Daten kann somit zu wichtigen Wettbewerbsvorteilen führen und ist die Basis der Entwicklung eines nachhaltigen verlagseigenen online-Vertriebs bzw. neuer Geschäftschancen im Anzeigengeschäft. Auch aus dieser Perspektive hat ein nennenswerter Bestand an Zeitschriften für einen Verlag erhebliche Bedeutung und Vorteile. 5.4.3 Werbung Die Werbung für Zeitschriften unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der für Bücher, so dass auf Kapitel 4 verwiesen wird. Ein wichtiges Stichwort für die Zeitschriftenwerbung muss aber noch angesprochen werden: die Erhaltungswerbung. Aus den verschiedensten Gründen (Tod, Versetzung, Berufswechsel, höherer Qualifizierungsgrad, erlahmtes Interesse u.s.w.) werden Zeitschriftabonnements laufend abbestellt. Auch eine gut geführte, attraktive Zeitschrift mit Marktführerschaft erleidet laufend - quasi naturgesetzlich - solche Abonnentenverluste. Allein um den Abonnentenstand zu halten, muss eine Zeitschrift laufend (Erhaltungs-)Werbung betreiben. Ob diese Bemühungen sich primär an mögliche neue Kunden oder im Sinne von Kundenrückgewinnungsprogrammen an die Abbesteller richten bzw. eine Kombination beider Verfahren gewählt wird, soll hier nicht weiter erörtert werden. <?page no="283"?> 5. Zeitschriften 284 Eine Besonderheit der Zeitschriftenwerbung stellen auch die Prämien für Neuabonnenten (vom Fotoapparat bis zum Reisekoffer) dar. Sie werden als Köder geboten in der Hoffnung, dass die so gewonnenen Abonnenten eine lange Verweildauer haben werden - der wirtschaftliche Bewertungsfaktor der Abonnementsdauer wurde ja schon oben angesprochen. Mit der Prämie wird ein Teil des erreichbaren Deckungsbeitrags aus dem neuen Abonnement wieder geopfert (oft für mehr als ein Abonnementsjahr), um - im Blick auf die Inserenten - einen möglichst hohen Abonnentenstand zu erreichen bzw. zu halten. Je höher die vermutete Haltbarkeit solcher Neuabonnements ist, desto höher können und werden die (Fang-)Prämien ausgelobt. Um hier eine Eskalation zu vermeiden, enthalten die VDZ-Wettbewerbsregeln eine Prämienbegrenzung. Eine weitere spezifische Werbemaßnahme für Zeitschriften ist der laufende Versand von Probeheften auf Anforderung, ebenso die Auslage von Heften zur kostenlosen Mitnahme bei Kongressen, auf Flughäfen, in Hotelzimmern u.Ä. Die oben (S. 244) aufgezeigte große Differenz von gedruckter und bezahlter Auflage beruht zu großen Teilen auf solchen Probeexemplaren. Eine gezieltere Maßnahme ist der zeitlich befristete laufende Versand von Freistücken an potenzielle Abonnenten, seien es sog. »Entscheider« im Industriebereich, Mitglieder einschlägiger Vereine oder Gesellschaften (insbesondere fachlicher und wissenschaftlicher) oder soziografisch ausgelesene Zielgruppen (Hausbesitzer, Top-Verdiener etc.) Umgekehrt gibt es, allerdings mehr im publikumsnahen Bereich, auch das befristete Frei-Abonnement auf Anforderung - oft verbunden mit dem fragwürdigen automatischen Übergang in ein bezahltes Abonnement, wenn keine ausdrückliche Abbestellung erfolgt. Im weiteren Sinne zur Werbung gehört auch der Internet-Auftritt. Die Wirkungsanalyse Fachmedien 2006 ergab, dass eine intensive Wechselbeziehung zwischen Internet und der gedruckten Zeitschrift besteht: Lektüre von Fachzeitschriften führt zur vertieften Internet-Recherche und umgekehrt suchen Nutzer nach Internet visits weitere Informationen in Fachzeitschriften Das ist ein wichtiges Argument im Anzeigengeschäft. 5.5- Loseblattwerke Loseblattwerke stehen zwischen Buch und Zeitschrift: Sie sind Periodika, die aber sodann durch das Abheften der einzelnen Beiträge in die Rubriken wie Handbücher dauerhaft genutzt werden. Dieser Doppelnutzen hat über viele Jahrzehnte die Loseblattwerke zu besonders geschätzten Verlagsprodukten <?page no="284"?> 285 5.5 Loseblattwerke gemacht, die laufende und aktuelle Information mit der handbuchähnlichen Kumulation und der abschnittsweisen Austauschbarkeit von veralteten Texten verbinden. Dieser Doppelnutzen erlaubt relativ hohe Preise - Loseblattwerke sind in der Regel sehr ertragsstark. Vom Konzept her muss ein Loseblattwerk so gestaltet werden, dass klar getrennte Textmodule jeweils austauschbar sind, ohne den sonstigen Textbestand in Mitleidenschaft zu ziehen. Der Stoff muss also sehr systematisch (oft im dekadischen System) gegliedert werden, damit das Gesamtwerk weitestgehend von der Paginierung unabhängig nutzbar ist. Diese Strukturierung ist eine entscheidende Leistung der Loseblattredaktion. Darüber hinaus die planvolle laufende Aktualisierung durch neue Abschnitte, durch Austausch überholter Abschnitte und das Streichen obsoleter Inhalte, die nicht ersetzt werden. Dazu hat ein Kollege folgendes formuliert: »Loseblattwerke müssen, anders als gebundene Bücher, in ihrer formellen und inhaltlichen Ausgestaltung für die »Ewigkeit« geplant werden. Man muss sich schnell in ihnen zurecht finden. Auch müssen bei Werken mit potenziell schnell wachsenden Umfängen Vorkehrungen getroffen werden, um im Rahmen von Ergänzungslieferungen geschickt und flexibel mit Textergänzungen oder Textstreichungen umgehen zu können (z.B. bei Neuerscheinungen engmaschiges Randnummernsystem, um nicht ständig alle Verweise, etwa im Register, ändern zu müssen).« Die Strategie der Loseblattverleger ist dabei oft die, das Grundwerk, das oft mehrere Ordner und viele tausend Seiten umfasst, sehr preiswert anzubieten, quasi als Köder für neue Subskribenten. Verdient wird an den (relativ teuren) Ergänzungslieferungen. Die Gefahr existiert allerdings, dass bei sehr großen Preisdifferenzen der Kunde immer wieder das extrem verbilligte Grundwerk kauft, ohne die dazwischenliegenden Ergänzungslieferungen. Es gilt also eine ausgewogene Linie zu finden zwischen dem Preis des Grundwerks und der Ergänzungen. Daher gilt: je mehr Volumen ein Loseblattwerk pro Jahr hat, desto besser für den Verlag. Naheliegenderweise haben sich daher Loseblattwerke besonders in Gebieten mit hoher Änderungsrate etabliert, insbesondere im Recht und im Steuerbereich. Aber auch in Medizin, Technik bis hin zur Kunst wird dieses Instrument benutzt. Loseblattwerke erfordern, wie gesagt, hohen redaktionellen Aufwand: je höher der Anteil der verlagsintern geschaffenen bzw. zusammengetragenen Inhalte ist, desto planbarer werden Volumen und Lieferungsfrequenz. Loseblattwerke mit hohem Anteil an Texten außenstehender Autoren geraten dagegen <?page no="285"?> 5. Zeitschriften 286 oft in Schwierigkeiten. Noch von einem zweiten Gesichtspunkt aus steht das Loseblattwerk zwischen Büchern und Zeitschriften: Während Letztere schon zu guten Teilen vorfinanziert sind, andererseits bei Büchern eine erhebliche Vorleistung auf Risiko seitens des Verlags nötig ist, haben Loseblattwerke nur z.T. Vorauserlöse. Insoweit die Fakturierung wie üblich nicht für ein Kalenderjahr, sondern pro Lieferung an einen kostendeckenden Abonnentenstamm erfolgt, gibt es allenfalls kurzfristig Liquiditätsbelastungen: Loseblattwerke finanzieren sich im Prinzip selbst laufend und kurzfristig. Das vielleicht größte Problem der Loseblattwerke sind die Unbequemlichkeiten für den Nutzer: das »Nachlegen« der Lieferungen in die Ordner ist höchst unbeliebt, kann aber im Grunde nur von qualifiziertem Personal getan werden, es ist also auch kostspielig. Nicht selten scheitern sogar Akademiker beim Eingliedern in die Rubriken. Dennoch sind Loseblattwerke oft die ökonomischste Methode, sich fortlaufend über aktuellen Stand und Änderungen in einem Fachgebiet zu informieren. Hier bietet sich nun ein neuer, sachgerechter Ausweg an: Das Loseblattwerk wird statt als periodisches Papierprodukt den Abonnenten als Datenbank angeboten. Als Jahresabonnenten oder dokumentweise im Pay-per-View-Konzept können sie in die Datenbank hineinschauen, herunterladen oder ausdrucken (Einzelheiten dazu in Kapitel 6). Im Hintergrund überarbeitet die Redaktion laufend die alten Beiträge und stellt neue ein - das Loseblattwerk aktualisiert sich nun täglich und ist für den Nutzer ohne das mühselige Nachlegen immer auf dem neuesten Stand. Der - für die Verlage überaus kostspielige - Prozess dieser Umstellung ist in vollem Gang. Gerade Loseblattwerke sind von der digitalen Revolution besonders betroffen, nämlich als Existenzgefährdung der traditionellen Form, aber zugleich mit der Chance auf Basis eines hohen Bestands an Papiersubskribenten den Übergang in den Datenbankbetrieb zu bewältigen. In diesem Weg ins E-Publishing spielen Loseblattwerke eine Vorreiterrolle. <?page no="286"?> 287 6. Digitale Produkte H ans H uck und M attHias u lMer Die Digitalisierung verändert im Moment auf so vielfältige Weise die Mediennutzungsgewohnheiten, das Leseverhalten, die Produkte, die Produktionsprozesse, den Vertrieb, den Handel und die Anforderungen an die Mitarbeiter, dass eine Einarbeitung der Aspekte digitaler Produkte in die übrigen Kapitel des Lehrbuchs nicht sinnvoll erscheint. Sie werden hier gebündelt behandelt, auch wenn sie die Abschnitte zum Buch bzw. zur Zeitschrift betreffen. Im ersten Abschnitt soll deshalb gefragt werden, was die Digitalisierung eigentlich ist und was sie für Kunden, Produkte und Geschäftsmodelle bedeutet. Im zweiten Abschnitt werden die Eigenheiten der wichtigsten Produktformen wie DVD, Datenbank, App oder E-Book beschrieben und im dritten Abschnitt die Geschäftsmodelle, die sich aktuell für diese Produkte herausgebildet haben. Im vierten Abschnitt schließlich werden die besonderen Aspekte eines Marketings bzw. einer Distribution digitaler Produkte erläutert. 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick In diesem Abschnitt wollen wir zunächst ein genaueres Verständis dafür vermitteln, was Digitalisierung eigentlich ist und was sie rechtlich und gesellschaftlich bedeutet. Bevor wir uns dann den digitalen Produkten nähern, betrachten wir, was die Digitalisierung mit unseren Kunden, mit ihren Erwartungen und Gewohnheiten macht. Dann stellen wir die Frage, wie digitale Produkte aussehen können und nicht aussehen sollten. Schließlich präzisieren wir die Begriffe und Themen rund um die Zauberworte Multimedia und Crossmedia. 6.1.1 Digitalisierung 6.1.1.1 Digitalisierung technisch gesehen Bei der Digitalisierung werden analoge Daten in digitale umgewandelt. Dabei kann man vereinfacht sagen, dass Töne und Bilder in der Realität analog sind, also weiche Verläufe haben, während aus diesen weichen Verläufen bei der <?page no="287"?> 6. Digitale Produkte 288 Digitalisierung Raster mit Abstufungen werden, die gerade so fein angelegt sind, dass sie für das menschliche Ohr oder Auge nicht mehr wahrnehmbar sind. Die Umwandlung in ein Raster erlaubt es, die Darstellung in einen Zahlencode umzuwandeln, den binären Code, der aus Null und Eins, den beiden Werten des binären Zahlensystems, besteht. Man kann also Musik und Sprache digitalisieren, Filme und Fotos. Und da gedruckte Buchseiten auch Bilder sind, kann man auch Bücher digitalisieren (historische Buchbestände [Retrodigitalisierung], neuere Werke werden bereits digital erfasst). Diese digitalen Daten lassen sich sehr viel besser lagern, speichern und transportieren. Und sie lassen sich verarbeiten, was bedeutet, dass man mit den Informationen, die in digitalen Daten stecken etwas anfangen kann: Man kann sie als Steuerungsdaten für Prozesse benutzen, man kann sie aber auch filtern und kontrollieren, was beispielsweise Suchmaschinen, aber auch Abhör- und Überwachungseinrichtungen ermöglicht. 6.1.1.2 Digitalisierung philosophisch Dass der einfache technische Vorgang der Umwandlung in digitale Daten gewaltige Veränderungen bewirkt, das kann man in allen gesellschaftlichen Bereichen beobachten. Was aber ist es, das diese Veränderungen bewirkt, übertragen gesagt: was ist das Wesen der Digitalisierung? Was sind die zentralen Merkmale, auf die man all diese Veränderungen reduzieren kann? Aufhebung des Raumes: Ubiquität Zunächst hat die Digitalisierung bewirkt, dass die räumliche Dimension verschwindet. Die Überwindung von Distanzen war durch Telefon und Funk schon länger möglich. Erst die Umwandlung in digitale Daten ermöglicht aber den Transport von Bildern. Und erst durch die Umwandlung können diese Daten zu Steuerungsdaten werden. Wir haben heute über das Internet und die mobilen Geräte Zugriff auf alle Informationen, die im Internet angeboten werden, egal von welchem Ort. Wir sind damit auch überall erreichbar. Das bedeutet, dass wir auf die räumliche Distanz keine Rücksicht mehr nehmen müssen, solange kein »Medienbruch« stattfindet und wir plötzlich aus dem digitalen Kosmos wieder in den analogen, in die echte Welt, wechseln. Der Effekt lässt sich sehr schön am Beispiel der Adresse beschreiben: Wir hatten früher eine Postadresse, die uns mit Straße und Hausnummer klar an einem Punkt im Raum verortet hat, dem Heim, von dem aus man sich bewegt, <?page no="288"?> 289 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick das aber für die Postzustellung, den Freundeskreis, den Gerichtsvollzieher oder die Meldebehörde fast eine »wahre« Identität darstellte, weil ein Mensch ohne Heim, ein Wohnsitzloser kein vollwertiger Teilnehmer an der Gesellschaft war und jemand auf Reisen erst wieder da war, wenn er zu Hause war: Man musste erst wieder zu sich zurück kommen, um nicht fort zu sein. Mit dem Zugang zum Internet, mit der Mailadresse oder dem Social Media Account trennt sich die Person nie wieder von ihrem Zugang, sie nimmt ihn mit sich und wird mit ihm eins. Entsprechend akkreditiert man sich nicht mehr mit einer Postadresse, sondern mit einer Mailadresse als Identitätsnachweis. Wer nicht per Mail erreichbar ist, wer im Urlaub abschaltet, der wird wieder in den analogen Raum zurückgeworfen. Aufhebung des Materiellen Die Umwandlung der Dinge in Daten entmaterialisiert sie. Aus einem Buch, aus einem Gemälde, aus einer Schallplatte werden Dateien, die beinahe beliebig gelagert, verschickt und gesammelt werden können. Ein ganzer Brockhaus passt auf einen Daten-Stick, ganze Bibliotheken können auf Servern abgespeichert werden. Alle Bilder der Museen, alle Bücher aus den Bibliotheken und alle Dokumente aus den Archiven könnten in der Deutschen Digitalen Bibliothek für jedermann zugänglich sein. Tatsächlich findet nur etwas statt, was es schon immer gab: Auch ein Buch aus Papier ist nur Datenträger, die Information ist auf diesen Datenträger mit Druckerschwärze aufgetragen. Man kann diesen Datenträger recyclen, dabei geht aber die Information verloren. Mit dem Kopierer kann man die Information von einer Buchseite auf ein anderes Papier übertragen. Beim E-Book dagegen bekommt man die Information als Datei und kann sie auf den Datenträger, den E-Book-Reader laden und bei Bedarf auch wieder löschen. Bei der Entwicklung der Medien gibt es einen Zusammenhang von Haltbarkeit und Häufigkeit, der aus der Biologie bekannt ist: Je riskanter ein Medium ist, desto mehr Exemplare gibt es davon. Oder umgekehrt: Je häufiger eine Information existiert, desto weniger dauerhaft muss ihr Träger angelegt sein. Durch die unendliche Reproduzierbarkeit von Daten ist es heute unmöglich, dass eine Information verschwindet. Wer versucht eine falsche Information über sich im Netz zu löschen, der scheitert daran. Wenn man aber Daten nicht mehr löschen kann, weil sie so häufig sind, muss man sie dann überhaupt selbst aufbewahren? Statt Bücher zu sammeln, ist es folgerichtig nur den Zugriff auf E-Books im Netz zu verwalten. <?page no="289"?> 6. Digitale Produkte 290 Aufhebung der Zeit Die Entmaterialisierung hat also nicht - wie man eigentlich annehmen müsste - den Effekt, dass das entmaterialisierte Ding verschwindet. Vielmehr verliert das entmaterialisierte Ding gleichzeitig seine Vergänglichkeit. Und mit der Vergänglichkeit wird gleichzeitig die Zeit aufgehoben. Was geschrieben wird, wird unlöschbar für immer existieren. Ein digitales Vergessen kann es so lange nicht geben, solange es nicht in Softwareprogrammen mutwillig herbeigeführt wird. (Das ist ein Vorschlag, wie man den Datenschutzproblemen eines ewigen öffentlichen Gedächtnisses begegnen könnte. Ob das funktionieren würde ist aber auch ungewiss). Wo es kein Vergessen gibt, da ist paradoxerweise auch kein Platz für Warten. Was immer kommuniziert wird, muss sofort kommuniziert werden, in Echtzeit über Twitter, damit der Vortragende an der gegenüberliegenden Twitterwall die Meinungen über seinen Vortrag mitverfolgen kann. Und jede Mail wird mit der Erwartung der sofortigen Antwort verschickt. Wenn diese Antwort nachts um zwei Uhr abgeschickt wird, dann ist das nicht sonderbar, sondern normal. Wer räumlich immer erreichbar ist, weil er wegen seiner mobilen Geräte nie »weg« ist, der ist auch zeitlich immer erreichbar. 6.1.1.3 Digitalisierung rechtlich Anpassungen bei Urheberrecht und Datenschutz Die technischen Neuerungen der Digitalisierung führen auch juristisch zu Anpassungsbedarf. Für die Verlagswirtschaft zentral ist dabei das Urheberrecht. Hier wurden ganz neue Nutzungsformen entwickelt, die in den Verlagsverträgen, aber auch im Gesetz nicht vorgesehen waren. In mehreren Novellierungen des Urheberrechts und der europäischen Richtlinien dazu wurden Anpassungen vorgenommen. Die wichtigste Änderung dabei war die Lösung für »unbekannte Nutzungsarten«. Weil es logischerweise schwierig ist, die Rechte für etwas zu übertragen, das niemand kennt und von dem niemand weiß, wie es aussieht, war eine solche Übertragung bis dahin im Urhebergesetz nicht zulässig. Die Folge ist, dass mit der »Erfindung« digitaler Nutzungsarten wie E-Book-Download, Online-Nutzung oder Suchmaschinenindizierung plötzlich Nutzungen möglich waren, für die die Verlage keine Rechte hatten. Die Vertreter des »Alles immer und überall« hatten aber für Verzögerungen wegen rechtlicher Bedenken kein Verständnis. Während in einem jahrelangen, kostenintensiven Bemühen die Verlage von allen Urhebern aller lieferbaren und nicht mehr lieferbaren Werke nachträglich die Rechte für die digitalen <?page no="290"?> 291 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick Nutzungsarten einholten, begann Google in den USA mit Unterstützung der Bibliotheken eben diese Werke der Verlage einzuscannen, ohne rechtliche Bedenken zu berücksichtigen. Das Vorgehen rief sehr viel Kritik hervor, fand aber ebenso viele Bewunderer, die begrüßten, dass Google die Digitalisierung der Buchbestände in Angriff nimmt, ohne auf typisch europäische Art zunächst einmal alles zu bedenken, zu besprechen und rechtlich zu klären. In der Rückschau kann man einige Jahre später sagen, dass die Rechteeinholung der Verlage soweit möglich abgeschlossen ist und mehr und mehr Titel auf diese Weise rechtlich korrekt mit Zustimmung der Autoren digital angeboten werden, Google dagegen nach Ablehnung des Google Settlements vor einem New Yorker Gericht noch immer im Rechtsstreit um sein Vorgehen gefangen ist. Für einen Teil der Werke ist eine Rechteklärung nicht möglich gewesen, weil die Autoren oder ihre Rechtsnachfolger nicht auffindbar sind. Dabei sind diese Autoren nicht verschwunden, sondern ihre Spur verläuft sich. Diese Rechteinhaber könnten meist aufgespürt werden, wenn man entsprechend aufwändig recherchiert und geduldig forscht. Der Aufwand für die Suche steht aber in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag, der aus einer digitalen Nutzung des betroffenen Werkes zu erwarten ist. Betroffen sind davon vor allem die Werke, deren Autoren noch nicht siebzig Jahre tot sind und die aufgrund mangelnder Nachfrage seit vielen Jahren vergriffen sind. Man spricht hier vom »schwarzen Loch des Zwanzigsten Jahrhunderts« bzw. von »verwaisten« Werken. Das gilt insbesondere für Fachbücher oder Gebrauchsschriften, über die inhaltlich die Zeit hinweg gegangen ist. Das kommerzielle Interesse an einer Digitalisierung dieser Werke ist gering. Aus bibliothekarischer Sicht wäre aber eine digitale Verfügbarkeit auch bei diesen wünschenswert. Um diese verwaisten Werke einer bibliothekarischen Nutzung doch zugänglich zu machen haben Verleger-, Autoren- und Bibliotheksverbände gemeinsam Regelungen für einen vereinfachten Umgang mit verwaisten Werken entwickelt, die mit der 2013 erfolgten Novelle des Urheberrechts umgesetzt wurde. Die weitestgehenden Änderungen werden durch die Digitalisierung im Themenfeld Datenschutz notwendig. Das grenzenlose Speichern von Daten, das Auslesen und In-Bezug-Setzen zu anderen Daten ermöglicht große Fortschritte bei der Kundenfreundlichkeit, schafft aber auch neue Möglichkeiten des Missbrauchs. Bei Betreten einer Webseite kann die Seite für den Nutzer heute individuell an seine Interessen angepasst werden. Die Interessen werden statistisch aus seinen Daten und vorherigen Kauf- und Suchaktivitäten ermittelt (s. Kap. 6.4.1). So erhält er die Webseite in der passenden Sprache, abgestimmt auf sein Alter, seine Region, sein Kaufverhalten und das Verhal- <?page no="291"?> 6. Digitale Produkte 292 ten anderer Personen mit vergleichbaren Datenprofilen. In der analogen Welt möchte man nicht beim Betreten eines Kaufhauses an der Türe gleich von einem Verkäufer mit einer Kollektion von Dingen begrüßt werden, die den Einkäufen der Vergangenheit entsprechen. Man schätzt die Anonymität, weil man sich beobachtbar fühlt. Im Internet dagegen fühlt sich der Nutzer unbeobachtet und anonym, weshalb die individualisierten Webseiten auf ihn nicht bedrohlich wirken. Die Nutzer möchten deshalb gerne das Internet als Raum bewahren, in dem man anonym agieren und kommunizieren kann. Dies steht in krassem Widerspruch zu den tatsächlichen Aufzeichnungen jedes Schrittes, den ein Nutzer im Netz macht. Die Auswertung dieser fast lückenlosen Aufzeichnungen ist aus kommerziellen, sicherheitspolitischen und strafrechtlichen Gründen sehr attraktiv, aber auch sehr bedenklich. Der Ausgleich der berechtigten Interessen von Individuum und Gesellschaft muss erst noch gefunden werden. Änderungen im Verlagsvertrag Für die Verlage ergeben sich eine Reihe von Änderungen gegenüber den rechtlichen Gegebenheiten bei gedruckten Werken (s. a. Kapitel 7.5). So sollte zunächst der Verlagsvertrag nicht zwischen einem Hauptrecht für ein Buch und dem Nebenrecht für seine digitale Verwertung unterscheiden, sondern beides als Hauptrecht benennen. Damit muss die Honorierung des Autors für die gedruckte wie auch für alle digitalen Nutzungsarten formuliert werden, was angesichts von Erlösmodellen wie Online-Nutzung oder Mietmodellen nicht an irgend einem Ladenpreis ansetzen kann, sondern sich als Anteil an allen über die verschiedenen Nutzungsarten erzielbaren Erlösen berechnet. Die Rechteübertragung muss neben den digitalen Nutzungsarten auch die Nutzungsarten einschließen, die als Begleiterscheinung etwa zum E-Book-Verkauf oder zur Online-Nutzung notwendig sind: Indizieren durch Suchmaschinen, Anzeige von Snippets rund um Suchergebnisse, Nutzung für Volltextsuchen und -anzeigen zu Werbezwecken, Zwischenspeicherung in Datenbanken aus technischen Gründen usw. Die Verbände haben dankbarerweise in Musterverträgen Formulierungen für diese komplexen Rechteübertragungen erarbeitet. Aber auch Regelungen zu Autorenfreistücken oder zum Verramschen und Makulieren müssen in den Verlagsverträgen angepasst werden. Im Frühjahr 2014 wurde ein aktualisierter Normvertrag zwischen dem Verband der Schriftsteller und dem Börsenverein beschlossen, der die Änderungen durch die Digitalisierung berücksichtigt. <?page no="292"?> 293 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick Das gilt auch für Verträge mit Grafikern, Fotografen, Übersetzern. Solange keine schriftlichen Verträge mit ausdrücklicher Beschreibung der Rechteübertragung abgeschlossen werden, gilt in der Regel, dass die digitalen Rechte nicht übertragen sind und deshalb vom Verlag nicht genutzt werden können (Zweckübertragungstheorie). Neben den Verlagsverträgen ist es ratsam, auch einen Blick auf die anderen Verträge im Verlag zu werfen und sie auf ihren Anpassungsbedarf hin zu prüfen. So ist in den Gesellschaftsverträgen häufig der Unternehmenszweck auf Bücher und Zeitschriften ausgerichtet, sind die Befugnisse der Geschäftsführer nur bezüglich Bücher und Zeitschriften beschrieben, sind Arbeitsverträge für die digitalen Medien zu eng gefasst oder Vertreterverträge und Auslieferungsverträge unsauber, weil sie Exklusivvertretung für alle Produkte benennen, damit aber gerade die digitalen in der Regel nicht meinen. Rechtsempfinden der Nutzer Der oben beschriebene Anspruch, »Alles immer und überall« zu bekommen, entsteht ganz einfach aus der technischen Möglichkeit. Wenn es möglich ist und technisch ganz einfach, warum machen die das dann nicht? Und wenn die Verlage das nicht machen, dann machen wir es eben selbst. So steht der Nutzer zwischen illegalen Webseiten, die zeigen, was möglich ist, und einem legalen Angebot, das unter rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgaben notgezwungen anders aussieht. Insbesondere die First Mover und Early Adaptor haben sich über rechtliche Bedenken schnell hinweggesetzt. Ein Rechtsempfinden war zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeprägt mangels Wissen, mangels klarer Auslegung der Gesetze und auch mangels Abschreckung durch Rechtsverfolgung. Eine sehr gute Übersicht über die Einstellung Jugendlicher zu Urheberrecht und Piraterie im Internet bietet die Sinus-Jugendstudie U18, in der die Lebenswelten und Einstellungen Jugendlicher von 14 bis 17 Jahren untersucht wurden. Seit Ende 2012 kann man davon ausgehen, dass die Rechtslage in der großen Mehrheit der Fälle den Nutzern klar ist, in der Rechtsprechung eindeutig ist, in der Rechtsverfolgung dagegen unbefriedigend: Einer vollständigen Untätigkeit der öffentlichen Institutionen steht ein Wildwuchs an Abmahnpraktiken gegenüber. Immerhin haben diese erreicht, dass die größten Plattformen mit illegalen Inhalten unter Druck geraten sind und ihnen aus Politik und Kultur keine offenen Sympathien mehr zukommen. <?page no="293"?> 6. Digitale Produkte 294 Piraterie und Kulturflatrate Dennoch wird die Internet-Piraterie privater Nutzer für die Debatte um eine Reform des Urheberrechts instrumentalisiert: Es wird behauptet, dass es ein Recht der Gesellschaft auf die Inhalte im Netzt gebe, dass Kultur frei zu sein habe, und das Urheberrecht die eigentlich freien Inhalte künstlich für viele Jahre den Verwertern überlasse, um daran reich zu werden. Tatsache ist, dass das Grundgesetz kein Grundrecht auf Inhalte, gedruckt oder elektronisch, als Text oder Bild kennt. Und auch ein Recht auf Privatkopie wurde nicht deshalb im Urheberrecht eingeführt, weil der Nutzer ein Recht auf eine Privatkopie hat, sondern weil es für unrealistisch gehalten wurde, diese effektiv zu verhindern bzw. Einzellizenzierungen umzusetzen und man deshalb die Privatkopie mit einer Schranke in Verbindung mit einer Vergütung über die Verwertungsgesellschaften geregelt hat. Die große Zahl an illegalen Downloads und an Abmahnungen dafür wird auch als Begründung genommen, um eine Freigabe jeder nichtkommerziellen Kopie aus dem Internet oder von Datenträger zu Datenträger zu fordern. Die zu erwartenden Umsatzverluste von Verlagen und Autoren sollen durch eine zwangsweise erhobene Kulturflatrate ausgeglichen werden. Ein solches System wird zwar von einzelnen Politikern gefordert, es stehen dem aber nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber, es gibt auch Proteste von Seiten der Nutzer, Autoren und Verleger, die ein solches System aus guten Gründen ablehnen. Berücksichtigt man, wie jung der Bereich der digitalen Medien ist, dann ist es verständlich, dass viele Fragen ungeklärt sind und die Regelungen von vielen als unbefriedigend empfunden werden. Bevor aber grundlegende Eingriffe in das Rechtssystem vorgenommen werden, sollte man abwarten, bis die Marktakteure ihre Angebote aufgebaut, die Geschäftsmodelle und Prozesse auf die Nutzer und ihre Erwartungen ausgerichtet haben und sich ein stabiler Markt mit funktionierenden Regeln herausgebildet hat. Der Anpassungsbedarf des Gesetzes wird dann sehr viel kleiner erscheinen und die meisten heute geforderten Eingriffe werden überflüssig. Urheberrecht für Bildung Dennoch gibt es Punkte, die neben dem oben angesprochenen Punkt der verwaisten Werke im Gesetz geregelt werden müssen. Diese Punkte betreffen vor allem den Bereich öffentlicher Bibliotheken und Bildungseinrichtungen. Die Vorteile einer Nutzung digitaler Medien ist für Bibliotheken, Schulen und Hochschulen sofort ersichtlich. Die Angebote der Verlage für diese Einrich- <?page no="294"?> 295 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick tungen nehmen sehr schnell zu. Dennoch gibt es neben den Angeboten an modernen Schul- und Lehrmedien für den Unterricht einen Bedarf, Inhalte aus gedruckten Medien einzuscannen und digital zu nutzen. Dieser Bedarf entsteht da, wo die Digitalisierung älterer Werke oder von kleinen Teilen von Werken von Verlagen aus Kostengründen nicht vorgenommen wird, oder wo für die Nutzung kleiner Teile wie Abbildungen, Grafiken oder Tabellen aus rein praktischen Gründen keine einzelnen Nutzungsrechte eingeholt werden können. Hier müssen die Bildungseinrichtungen eine Möglichkeit haben, selbst aktiv zu werden, ohne dass dadurch ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand entsteht. Solange diese Aktivitäten die normalen Verlagsangebote nicht verdrängen, sondern nur dort zum Einsatz kommen, wo Lücken in den Verlagsangeboten bestehen, ist zwischen Autoren und Verlagen auf der einen, Bibliotheken und Bildungseinrichtungen auf der anderen Seite leicht ein Konsens möglich. Aktuell wird aber aus politischen Gründen versucht, die beiden im Gesetz für diese Ausnahme vorgesehenen Paragrafen §52a und §52b als Ersatz für die kommerziellen Angebote durchzusetzen, insbesondere um im Bildungsbereich die Budgets für Medien kürzen zu können. Damit wird einem nachhaltigen Angebot hochwertiger Bildungsmedien von Seiten der Bildungseinrichtungen die Existenzgrundlage entzogen. Nach Abschluss der Musterverfahren zu §52a und §52b wird eine verlässliche Grundlage für ein Angebot zur angemessenen und komfortablen Lizenzierung von Inhalten bestehen. Es steht zu vermuten, dass dann auch zügig verschiedene Angebote dazu auf den Markt kommen. Urheberrecht für Wissenschaft Ganz anders gelagert ist das Problem der wissenschaftlichen Zeitschriften. Ziel der Wissenschaft sollte es sein, aktuelle Erkenntnisse so schnell und so weit wie möglich zu verbreiten. Mit der Digitalisierung kommt man diesem Ideal so nahe wie nie zuvor. Entscheidend ist, dass die Finanzierung des wissenschaftlichen Informationswesens umorganisiert wird. Die Wertschöpfung wird heute von den Autoren und Gutachtern kostenlos erstellt, von den forschenden Institutionen durch Druckkostenzuschüsse und von den Bibliotheken durch Abogebühren finanziert. Diese Wertschöpfung muss so umfinanziert werden, dass die Abogebühren entfallen und dieser Finanzierungsanteil durch die forschenden Institutionen über eine Erhöhung der Publikationszuschüsse ausgeglichen wird. Im System entstehen damit zwar Finanzierungsverschiebungen, weil aktiv forschende und publizierende Hochschulen (oder Länder) einen größeren Anteil an der Finanzierung übernehmen, wenig forschende dagegen <?page no="295"?> 6. Digitale Produkte 296 deutlich von Kosten entlastet werden. Das ist aber lösbar, weil es einerseits einen wünschenswerten Beitrag zur Wissenschaftsförderung und Entwicklungspolitik darstellt, andererseits aber auch langfristig durch eine Justierung der Grundfinanzierung der Forschungseinrichtungen ausgeglichen werden kann. Warum aber kommt es nicht zu der skizzierten Lösung, warum brechen Konflikte auf, die unüberbrückbar erscheinen? Das Grundproblem liegt darin, dass es im aktuellen Wissenschaftssystem eben gerade nicht Ziel der Wissenschaft ist, so schnell und so weit wie möglich verbreitet zu werden. Vielmehr hängt die Karriere jedes einzelnen, die Vergabe von Forschungsgeldern und die Finanzierung der Stellen nahezu vollständig davon ab, wie viel ein Forscher wo veröffentlicht (Bibliometrie). Damit steht für ihn nicht die offene Verbreitung, sondern die Veröffentlichung in einem bestimmten Medium mit besonders hohem Impact im Vordergrund. Diese Medien erleben einen ungeheuren Ansturm an Publikationen, was die Umfänge, die Wartelisten und die Zahl der Ablehnungen in die Höhe schnellen lässt und die Zeitschriften in eine Position bringt, wo sie als wissenschaftliche Pflichtlektüre die Preise beliebig erhöhen können. Dagegen versuchen einzelne Wissenschaftler anzugehen, indem sie eine zwangsweise Publikation Open Access fordern. Die publizierenden Autoren folgen dem kaum, solange ihre Existenz weiterhin von bibliometrischen Größen abhängt. Eine Lösung dieses Konflikts wird nicht über das Urheberrecht, sondern nur über eine Abkehr der Forschungsförderung von den bibliometrischen Kriterien erfolgen. Erschöpfungstatbestand und Agency-Modell Zwei Besonderheiten digitaler Produkte sollen noch angesprochen werden. Das ist zunächst der Erschöpfungstatbestand. Das Urheberrecht legt fest, dass der Autor ein Anrecht auf angemessene Vergütung hat, solange sein Verwertungsrecht noch nicht erschöpft ist. Erschöpft wird es, sobald das Exemplar des Werkes einmal zum vollen Angebotspreis verkauft wurde. In der gedruckten Welt darf deshalb jeder ein Buch weiterverkaufen oder verschenken, wenn es einmal legal erworben wurde. Damit ist ein Gebrauchtbüchermarkt rechtlich möglich. Anders dagegen bei digitalen Produkten. Da hier nie das Produkt selbst weiterverkauft wird, sondern immer nur eine Kopie auf einem anderen Speichermedium erzeugt wird, ist - auch wenn das erste E-Book legal gekauft wurde, ein Weiterverkauf nicht möglich, da nicht das E-Book selbst, sondern immer eine neu erzeugte Kopie davon verkauft würde. Diese neu erzeugte Kopie ist aber weder vom Autor genehmigt worden, noch ist bei dieser eine Erschöpfung eingetreten, so dass ein Weiterverkauf ohne Genehmigung und ohne Honorierung des Autors nicht legal ist. <?page no="296"?> 297 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick Die Problematik knüpft an der oben beschriebenen Situation an, dass sich beim E-Book der Content vom Datenträger löst. Es wäre unproblematisch, wenn jemand eine Festplatte mit den von ihm erworbenen Songs an einen anderen weiterverkauft. Dabei wechselt der Besitzer der Songs, sie werden aber nicht dupliziert. Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stellt nun diese Sachlage in Frage. Der EuGH geht davon aus, dass die Erschöpfung auch bei digitalen Werken eintritt und der Eigentümer einer Datei diese weiterveräußern darf, solange er sicher stellt, dass damit keine Vervielfältigung einher geht. Die Thematik ist insbesondere bei Software wichtig. Sobald eine neue Version von Word erscheint, könnten die Nutzer ihre alte Word-Version verkaufen, was bislang nicht möglich ist. Sollte sich die Rechtsprechung des EuGH durchsetzen, dann wird auch bei E-Books und digitalen Musikdateien ein Gebrauchtmarkt entstehen. Bei Software liegen die Preise für die Anschaffung so hoch, die Aktualisierungen sind so wichtig, dass der Gebrauchtmarkt zwar durchaus zu Umsatzverlusten führen würde, diese aber nur ein begrenztes Volumen erreichen würden und insgesamt die Softwarebranche wegen der sehr hohen Gewinnmargen damit zurecht kommen müsste. Anders würde es bei E-Books, Musik und Filmen aussehen. Hier wäre davon auszugehen, dass kurze Zeit nach der Auslieferung einer Neuerscheinung die Umsätze mit E-Books stark unter dem Gebrauchtmarkt leiden würden. Wegen der sehr geringen Margen in diesen Branchen würde das den E-Book- Markt in seiner Gesamtheit in Frage stellen. Das können die Verlage umgehen, wenn E-Books nicht mehr verkauft, sondern nur noch vermietet werden (siehe 6.3.2). Die zweite Besonderheit ist das Agency-Modell. Auch hier geht es wieder um die Eigenheit digitaler Produkte, dass sie mit jedem Verkauf vervielfältigt werden. Man könnte zwar von einem E-Book auch 1000 Dateien auf einem Server erzeugen. Wenn aber eine davon verkauft werden soll, dann entsteht auf der Festplatte des Käufers ein Duplikat und die Datei auf dem Server des Verkäufers bleibt bestehen, es sei denn, sie wird später gelöscht. Dadurch kann der Verkauf eines E-Books über einen Zwischenhändler auch so aufgefasst werden, dass der Händler nicht Exemplare verkauft, sondern nur im Namen des Verlages einen Verkauf vermittelt und dafür eine Vermittlungsprovision erhält. Er ist also als Agent tätig, daher der Begriff Agency-Modell. Das hat eine Reihe von Konsequenzen bei der vertraglichen Abwicklung des Kaufes. Die wichtigste ist, dass der Verlag die Aufgabe hat, dem Agenten vorzugeben, <?page no="297"?> 6. Digitale Produkte 298 zu welchem Preis er das Produkt verkaufen soll. Faktisch entsteht damit eine Preisbindung, wenn der Verlag alle Agenten exakt mit den gleichen Verkaufskonditionen beauftragt. In den USA hat das zu Protesten von Amazon geführt, die E-Books weit unter ihrem eigenen Einkaufspreis an die Kunden weiterverkauft haben, um möglichst schnell Wettbewerber aus dem Markt zu verdrängen und das eigene geschlossene System durchzusetzen. Ein solcher Verkauf zu Dumping-Preisen gilt nach deutschem Recht als unzulässig. Für Amazon war er trotz Verlust bei jedem einzelnen Verkauf attraktiv, weil sie mit dem Verkauf der E-Book-Reader Kindle den Verlust ausgleichen konnten. Der Dumping-Verkauf in den USA hat sehr schnell zu einem monopolistischen Marktanteil von Amazon bei E-Books geführt. Nach Einführung des Agency-Modells mit einer faktischen Preisbindung durch die Verlage wurde das Preissystem von Amazon gestoppt, der Marktanteil von Amazon ging zurück und ein Wettbewerb zwischen Händlern war im Segment der E-Books plötzlich wieder möglich. Die amerikanische Kartellbehörde ebenso wie die europäische Kommission sind auf Veranlassung von Amazon gegen das Agency-Modell vorgegangen und haben die Verträge zwischen den wichtigsten Verlagsgruppen und Apple untersagt und für einen bestimmten Zeitraum den Abschluss ähnlicher Verträge verboten. Paradoxerweise schädigen die Wettbewerbsbehörden damit massiv den Wettbewerb bei E-Books und fördern die marktbeherrschende Stellung von Amazon 6.1.1.4 Die Rollen von Autor und Verlag Mit der Digitalisierung verschieben sich die angestammten Rollen von Autor und Verlag. Die digitalen Techniken ermöglichen den Autoren sehr viel leichter als in der Vergangenheit, ihre Werke selbst zu verlegen. Neu entstehende Selfpublishing-Plattformen bieten Handreichung und passende Oberflächen um Jedermann die Publikation seines Manuskripts zu ermöglichen. Darin eine Revolution zu sehen, wäre aber übertrieben. Um Verleger zu sein, muss man weder einen Eingangstest bestehen noch zu einer bestimmten Gruppierung gehören - man wird Verleger, indem man ein Werk verlegt. Die Leistungserstellung von Büchern erfolgt arbeitsteilig und sieht bestimmte Funktionen vor: Autor, Agent, Finanzier, Lektor, Hersteller, Verkäufer, Auslieferer, Pressereferent, Buchhändler und gegebenenfalls Zusteller. Diese Leistungserstellung kann vollständig in einer Hand liegen, sie kann sich aber auch auf einzelne wirtschaftlich selbständige Einheiten verteilen. Allgemein rechnet man dem <?page no="298"?> 299 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick Verlag die Funktionen Finanzierung, Lektorat, Herstellung, Verkauf zu. Wenn ein Autor für sein Werk die Finanzierung, das Lektorat und die Herstellung selbst organisiert, dann übernimmt er die Rolle des Verlegers. Er steht also nicht in Konkurrenz zum Verlagswesen, sondern er wird selbst Verleger und damit Teil des Verlagswesens. Dass Autoren aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Verlagsleistungen eigene Verlage gegründet haben, gab es schon immer, manchmal erfolgreich, meist eher nicht, ganz so wie es für alle Verlagsneugründungen gilt. Mit Sicherheit kann man aber heute eine Verschiebung erkennen. Bis vor Kurzem haben Verlage in vielen Warengruppen noch zunehmend Aufgaben der Autoren übernommen, inhaltlich und konzeptionell die Werke vorgegeben und von Autoren dann ausführen lassen, insbesondere dort, wo eine hohe grafische Gestaltung, eine starke Didaktisierung sowie eine durch Reihen vorgegebene einheitliche Gestaltung die Freiheiten der Autoren eingeschränkt hat. Das dreht sich nun um, und die Autoren übernehmen zunehmend Aufgaben der Verlage. Die wichtigste Änderung im Verhältnis von Autor und Verleger findet bei der Selektionsfunktion statt. Verlage üben eine wichtige Rolle bei der Qualitätssicherung der Inhalte aus, indem sie nicht nur Manuskripte korrigieren oder Autoren mit dem Schreiben von Texten beauftragen, wenn sie Lücken im Marktangebot erkennen, sondern indem sie als Filter fungieren und Inhalte nur dann auf den Markt bringen, wenn diese bestimmten Qualitätskriterien genügen. Autoren werden meist dann zu Selbstverlegern, wenn sie für ihre Texte keinen Verleger finden können. Damit weitet sich durch das Selfpublishing das Angebot an Inhalten insbesondere an der Stelle aus, an der Verlage kein kommerzielles Potential sehen. Der Markt wird überschwemmt mit Werken, deren Marktbedeutung zweifelhaft ist. Die Selektionsfunktion muss deshalb verstärkt vom Nutzer selbst übernommen werden. (Mehr dazu in Kapitel 6.1.2) 6.1.1.5 Gesellschaftliche Folgen Neben den vielen positiven Effekten, die die Digitalisierung bei der Erstellung, der Bereitstellung oder dem Zugriff auf Informationen für die Gesellschaft hat, gilt es auch negative Effekte zu berücksichtigen: Nur wer mit der neuen Technik umgehen kann, wer die Geräte zu bedienen weiß, wer sich die Geräte und Medien leisten kann, der profitiert von ihnen. Je stärker aber eine Gesellschaft diese neuen Technologien zum Standard macht, desto mehr werden die Menschen, die nicht in der Lage sind, sich auf die neuen Technologien einzustellen, aus der Gesellschaft ausgeschlossen. <?page no="299"?> 6. Digitale Produkte 300 Erkennbar sind solche Effekte schnell bei Fahrkartenautomaten oder Geldautomaten oder beim Kauf von Bahnkarten über das Internet. Die Benutzung der Angebote erfordert eine gewisse Routine im Umgang mit Technik, ein höheres Maß an Lesekompetenz, um mit den Anweisungen, den Menüführungen und den geforderten Eingaben umgehen zu können. Die Geräte haben Verkaufs- oder Servicepersonal ersetzt, das wesentlich besser in der Lage war, auf die Schwierigkeiten der Kunden individuell einzugehen. Drei Problemkreise lassen sich beschreiben: Alter, Bildung und Entwicklung. Die Schwierigkeiten alter Menschen im Umgang mit Technik beziehen sich meist auf körperliche Behinderungen wie nachlassende Sehstärke oder Feinmotorik. Hier steht eine wichtige Aufgabe an, die Technik für Menschen mit Behinderungen leichter nutzbar zu machen. Im Endergebnis wird die Nutzung von Medien oder das Abwickeln von Prozessen durch die Digitalisierung für ältere Menschen aber erheblich einfacher und auf ihre Anforderungen angepasster erfolgen können als in der Vergangenheit. Ebenfalls in den Problemkreis Alter gehört die Schwierigkeit älterer Menschen, sich auf neue Technologien einzulassen. Es ist anzunehmen, dass die immer schnelleren Innovationszyklen bei Informationstechnologien zukünftig auch dazu führen, dass es Menschen leichter fällt, sich auf neue Technologien einzustellen. Aktuell ist jedoch die Zahl der Menschen, die in ihrem Arbeitsleben oder in ihrer Ausbildung nicht mit Computer oder Internet umzugehen gelernt haben, und die auch später nicht in der Lage waren, sich darauf einzulassen, relativ groß. Das Thema Umschulung wird in der Zukunft auch in Verlagen große Bedeutung bekommen, wenn einerseits qualifizierte Mitarbeiter schwer zu finden sind, andererseits aber die schnellen Technologiewechsel zu häufigen Änderungen der Stellenbeschreibungen und zu laufend wechselnden Anforderungen an die Mitarbeiter führen werden. Damit ist auch schon der zweite Problemkreis angesprochen, die Bildung. Die Nutzung von Internet und digitalen Medien erfordert bestimmte Kompetenzen, die gelernt werden müssen. Dazu gehören neben der Lese- und Schreibfähigkeit insbesondere die Fähigkeit zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden und geeignete Suchstrategien zu entwickeln. Die Bedeutung dieser Kompetenzen wurde in der universitären Ausbildung erkannt. Kurse zur Informationskompetenz gehören heute zum Standardangebot der Hochschulen, auch wenn die Erarbeitung der Kursinhalte ebenso wie die Bereitstellung (und Finanzierung) qualifizierten Lehrpersonals dafür noch in den Anfängen steckt. Problematischer ist dagegen die Förderung der Informationskompetenz bei Schülern. Gerade an Haupt- und Realschulen, bei denen die Förderung der <?page no="300"?> 301 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick Informationskompetenz der Schüler besonders wichtig ist, weil sie oft im Elternhaus vernachlässigt wurde, lassen finanzielle Ausstattung, Kapazitäten des Lehrpersonals, Klassengrößen und unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen der Schüler die nötige Förderung der Informationskompetenz nicht zu. Dadurch wird die Digitalisierung zu einem Antreiber bei der Spaltung der Gesellschaft in die Gruppe derjenigen, die dabei sind, und die Gruppe derjenigen, die ausgeschlossen sind. Die gesellschaftlichen Folgekosten einer Bildungsvernachlässigung im Schulalter übersteigen um ein Vielfaches die Mehrkosten für eine angemessene Förderung der Informationskompetenz. Heiß diskutiert, dabei aber vermutlich am wenigsten erforscht, ist der dritte Problemkreis: Was bewirkt die Digitalisierung bei den Jüngsten, den Kleinkindern und Kindern? Das Mediennutzungsverhalten bei Kleinkindern wurde durch die Digitalisierung bereits stark verändert. Die Nutzung von YouTube am Computer, die Nutzung von Spielen und Filmen über das iPad oder der Ersatz von vorlesenden Eltern durch interaktive Apps haben Einfluss nicht nur auf Lern- und Sozialverhalten, sondern vermutlich auch auf die Gehirnentwicklung. Ob dieser Einfluss nur positiv zu sehen ist und Kinder so früh auf das Informationszeitalter vorbereitet werden, oder ob der Einfluss negativ ist und bestimmte Verhaltensweisen nicht mehr gelernt, bestimmte Fähigkeiten nicht erworben werden, das ist Gegenstand leidenschaftlicher Diskussionen. Wahrscheinlich ist, dass auch hier ein Sowohl-als-Auch gilt. Und problematisch ist, dass die Technologien noch viel zu jung sind, als dass man schon verlässliche Studienergebnisse über die Auswirkungen der neuen Technologien auf die Gehirnentwicklung und die Fähigkeiten junger Menschen haben könnte. Während die Einführung neuer Medikamente erst nach z.T. jahrzehntelanger Forschung und Erprobung möglicher Nebenwirkungen erfolgen darf, werden die neuen Technologien ohne jede Testphase direkt in den Unterricht übernommen. Das stößt bei dem Lehrpersonal vielfach auf Ablehnung und Kritik, wird aber von der Politik gefordert und finanziell massiv vorangetrieben. 6.1.2 Informationsverhalten, Leseverhalten, Nutzerverhalten Um Prognosen darüber abgeben zu können, ob eine bestimmte Zielgruppe oder eine bestimmte Warengruppe mehr oder weniger von Print auf Digital wechselt, müssen drei Faktoren unterschieden und untersucht werden: das Informationsverhalten, das Leseverhalten und das Nutzerverhalten. Informationsverhalten bezeichnet die Art, wie eine Person sich mit benötigten Informationen versorgt. Wird zunächst ein Freund gefragt, wird im <?page no="301"?> 6. Digitale Produkte 302 Internet recherchiert, wird eine Suchmaschine genutzt oder direkt eine Webseite angesteuert, wird ein Buch genutzt, eine Zeitschrift, oder geht man in eine Bibliothek? Ein einmal gelerntes Informationsverhalten ist ziemlich stabil und wird durch erfolgreiche Wiederholungen verstärkt. Es bedarf besonderer Gründe, um von einem erfolgreichen Verhalten auf ein neues zu wechseln. Leseverhalten beschreibt die Art, in der verschiedene textbasierte Medien genutzt werden. Werden Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften, E-Books oder Webseiten gelesen? Und wie werden sie genutzt, mehr linear oder konsultierend, zur Information oder zur Entspannung, selten oder häufig? Leseverhalten ist dabei der Teilbereich des gesamten Mediennutzungsverhaltens, der für die Verlagswirtschaft von besonderem Interesse ist. Mit zunehmender Multimedialität werden aber auch audiovisuelle Medien für die Verlagswirtschaft relevant und damit auch das entsprechende Mediennutzungsverhalten. Nutzerverhalten dagegen beschreibt die Art, in der die Medien genutzt werden: Erfolgt die Mediennutzung mehr am Arbeitsplatz oder mobil, in der Freizeit auf dem Sofa oder am Schreibtisch, im Bett, im Fahrzeug, eher alleine oder mit anderen gemeinsam, online oder offline? Die Beantwortung dieser Fragen ist wichtig, um entscheiden zu können, ob etwa der Wetterbericht für einen Ackerbauern in der Tageszeitung oder auf dem Handy, auf dem Computer oder dem Tablet oder per Fax am besten genutzt wird. Die Konzeption von Informationsangeboten muss immer bei diesen drei Themen ansetzen. 6.1.2.1 Informationsflut und Orientierung Arno Schmidt hat einmal darauf hingewiesen, dass ein verrückter Leser, der jede Woche zwei Bücher verschlingt und das von seinem 15. bis zu seinem 75. Lebensjahr, in seinem ganzen Leben doch nicht mehr als 6240 Bücher lesen könnte. Diese Zahl ist angesichts von aktuell etwa 1,2 Millionen Titeln im Verzeichnis lieferbarer deutschsprachiger Bücher schon gering. Nimmt man das Bemühen von Google, der Verlage oder der Bibliotheken auch die vergriffenen Bücher durch Digitalisierung wieder verfügbar zu machen noch hinzu, dann steigt die Zahl auf vielleicht 2,5 Millionen seit Gutenberg erschienene Bücher an. Und berücksichtigt man weiter, dass in den 60 aktiven Lesejahren jährlich rund 100.000 Bücher neu erscheinen, dann erhöht sich die Zahl auf insgesamt 8,5 Millionen Bücher, aus denen unser bedauernswerter Leser sich seine 6240 auswählen muss. Sollte er auch noch mehrsprachig sein und lesen wollen, dann erhöht sich diese Zahl um das Doppelte oder Dreifache. <?page no="302"?> 303 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick Auch zu Zeiten, in denen die Zahl der neu publizierten Titel deutlich niedriger lag als heute und die Digitalisierung noch nicht mit der unbegrenzten Verfügbarkeit lockte, musste ein Leser eine Auswahl treffen. Dafür haben sich zahlreiche Selektions- und Orientierungsmechanismen herausgebildet. Neben der Selektion durch den Autor und den Verleger, was überhaupt geschrieben und veröffentlicht werden soll (siehe Kapitel 6.1.1), erfolgt Selektion und Orientierung beispielsweise im Buchhandel, bei Bibliotheken, in den Medien und im Freundeskreis. Der Buchhändler hat die Aufgabe aus dem gesamten Angebot das auszuwählen, was er für seine Kunden wichtig, nützlich oder befriedigend findet. In der Vergangenheit bemaß sich die Qualität einer Buchhandlung meist an der absoluten Zahl der dort verfügbar gehaltenen Titel, die in Spitzenzeiten bis zu 150.000 betrugen. Im Vergleich zu den Datenbanken der Internet-Buchhandlungen ist auch diese Zahl gering. Damit verschob sich das Gewicht von der Breite des Angebots auf die Erschließung des Angebots, die Orientierung, die man einem Kunden bieten kann. Im Internet werden dafür verschiedene Tools genutzt, von der Kundenrezension über die Kundenempfehlung, das Tagging, verwandte Kaufentscheidungen oder Suchvorgänge, Leselisten etc. Der Sortimentsbuchhandel dagegen steht erst am Anfang, das Thema Orientierung für sich zu entdecken. Nicht »alle Bücher über Nacht beschaffen« ist der Wettbewerbsvorteil, sondern »genau das richtige Buch für jeden in jeder Situation«. Das erfordert eine hohe Kenntnis des Angebots, aber noch viel mehr eine genaue Kenntnis der Kunden und ihrer Bedürfnisse. Ebenso verändern sich für den Buchhändler damit die Warenbeschaffung, die Präsentation, der Flächenbedarf, die Abhängigkeit von Laufkundschaft und Standort, die Kundenbindung, die Anforderungen an die Ausbildung usw. Bei der Orientierung helfen dem Leser neben Verlagen und Buchhandlungen vor allem Freunde und Bekannte, deren Leseempfehlungen nach vielen Untersuchungen besonders hohe Relevanz haben. Dazu gehören auch Lehrer, Dozenten, Bibliothekare, deren Urteil aus Sicht des Lesers als objektiv und kompetent empfunden wird. Etwas geringer ist die Bedeutung von Rezensionen in den Tageszeitungen oder den Literatursendungen in Fernsehen oder Rundfunk. Wachsende Bedeutung bekommen Social Media wie Facebook oder Blogs und Foren. Die für den Erfolg eines Verlages früher entscheidende Fähigkeit ein Buch in möglichst alle Buchhandlungen und Medien zu bekommen, wird zunehmend abgelöst von der Fähigkeit, einem Buch Aufmerksamkeit in der relevanten Zielgruppe zu verschaffen. <?page no="303"?> 6. Digitale Produkte 304 6.1.2.2 Digital Natives Innovationen setzen sich nicht schlagartig in der ganzen Gesellschaft durch. Es gibt Personen, die bestimmte Innovationen sehr schnell aufgreifen, andere dagegen, die sich bestimmten Innovationen gegenüber besonders hartnäckig verweigern. Das Innovationsverhalten hängt von Alter, Einkommen, Bildungsgrad, Innovationsart, Moden und anderen Faktoren ab. Bei Medien geht man davon aus, dass ein Mediennutzungsverhalten in der Kindheit eingeübt wird und dann lange nachwirkt. Daraus folgerte man, dass auch erst die Generation, die von früher Kindheit an mit digitalen Medien aufgewachsen ist (digital native) diese vollumfänglich annimmt. So plausibel diese Annahme klingt, so sehr kann man auch daran zweifeln. Ausgerechnet E-Book-Reader und Tablets als E-Book-Lesegeräte setzen sich in den älteren Zielgruppen besonders schnell durch. Kleinkinder dagegen haben eine unverändert hohe Affinität zu gedruckten Büchern. Aussagen zu Digital Natives und ihrem Anderssein sollten deshalb vorsichtig betrachtet werden. Hier schwingt oft ein Pathos vom Anbruch eines Digitalen Zeitalters und dem Auftreten einer neuen Species mit, das auch verwendet wird, um anderen die Fähigkeit abzusprechen zum Thema Internet und Informationsgesellschaft mitdiskutieren zu können. 6.1.2.3 Mobilität Zunächst wurde das Thema mit mobilen Computern, den Laptops aktuell. Dabei ging es aber vor allem um den Zugang zum Internet (mobile web) von unterwegs. Mit der Verbreitung von Smartphones entstand die Anforderung Webseiten auf die eingeschränkte Nutzbarkeit der kleinen Bildschirme, begrenzten Tastaturen und geringen Ladegeschwindigkeiten anzupassen. Parallel dazu wurden vermehrt spezielle Angebote für mobile Geräte entwickelt, die insbesondere über App-Stores vertrieben wurden. Man kann Angebote für mobile Endgeräte in zwei Gruppen einteilen: Bei den einen ist das mobile Gerät ein Device, mit dem man auf ein größeres Angebot zugreift. Die Inhalte müssen dann so aufbereitet sein, dass sie auch auf den mobilen Geräten optimal genutzt werden können. Die zweite Gruppe besteht aus Inhalten, die ausschließlich für die mobilen Geräte gemacht wurden, Spiele, Software oder Spezialanwendungen für bestimmte Berufsgruppen. Entscheidend für die Entwicklung des Angebots bzw. seiner Nutzung sind die Geschwindigkeit der Datennetze und die technischen Fähigkeiten der Ge- <?page no="304"?> 305 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick räte. Beides entwickelt sich sehr schnell weiter, so dass wir noch am Anfang der Möglichkeiten mobiler Angebote stehen. Zusätzliche Bedeutung bekommen die Angebote durch die Veränderungen der Arbeitswelt. Größere Mobilität, verstärkte Heimarbeitsplätze und die Medienkonvergenz bieten viele Ansätze und Bedarfe für mobile Angebote. 6.1.2.4 Zahlungsbereitschaft Zur Refinanzierung eines kommerziellen Angebots gibt es grundsätzlich vier Varianten: Der Kunde bezahlt für die empfangene Leistung, der Autor zahlt für die Veröffentlichungsleistung, der Staat oder ein anderer Dritter übernimmt die Kosten der Veröffentlichung (Sponsoring) oder ein Anzeigenkunde finanziert indirekt mit seiner Anzeige das Angebot. Bei allen vier Fällen gelten unterschiedliche Mechanismen für die Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von Markt und Angebot. Hier soll nur der erste Fall betrachtet werden, bei dem der Kunde selbst zahlt. Die Zahlungsbereitschaft der Nutzer war bei Content-Angeboten im Internet von Anfang an sehr gering. Erst mit dem Aufkommen des iPad und des App-Stores sowie der Angebote von Musik, Video und E-Books auf verschiedenen Plattformen stieg die Zahlungsbereitschaft für Content. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die frühen Nutzer des Internets (nach Sinus) verstärkt aus Milieus kamen, die kommerzielle Nutzungen ablehnten. Je stärker die Internetnutzung und die Verbreitung mobiler Geräte die gesamte Gesellschaft in allen Milieus durchdringt, desto mehr steigt die Zahl der Nutzer, die für bequeme, schnelle und qualitativ hochwertige Angebote auch bezahlen. Dabei (siehe auch Kap. 6.1.3 Inhalt vs. Allokation) war in Printmedien das gedruckte Verfügbarmachen (Allokation) von im Kern redundanter Information eine Leistung, für die eine Zahlungsbereitschaft bestand: Es war kein Geheimnis, wie man einen Gugelhupf bäckt, man hatte aber niemanden zur Hand, der es einem sagen konnte, weshalb man ein Buch kaufte oder im Regal hatte. Heute schaut man im Internet nach und stößt auf tausende kostenlose Rezepte, weshalb sich das Bezahlen erübrigt. Ein Wert, der eine Zahlungsbereitschaft auslöst, entsteht erst dann, wenn es das Rezept einer bestimmten prominenten Person (Autor) sein soll, ein ganz besonderes Rezept, das sonst niemand bietet, oder eine besondere Aufbereitung in Text oder Bild. Je besser die Aufbereitung des Inhalts, je stärker die alltägliche Nutzung kommerzieller Internet-Angebote, je höher die Bereitschaft zur Zahlung über Kreditkarte, desto größer wird die Zahlungsbereitschaft der Nutzer sein. <?page no="305"?> 6. Digitale Produkte 306 6.1.2.5 Print oder digital? - Eine Prognose Ob das Internet die Zeitungen verdrängt und überflüssig macht, ob es das Ende der Fachzeitschrift bedeutet, ob mit dem E-Book die Bücher aussterben, ob das Ende der Buchhandlung, der Bibliothek, der Verlage gekommen ist, das ist in Diskussionen ein beliebtes Thema. Die sicherste Voraussage ist: Nein. Denn noch nie hat ein neues Medium ein altes vollständig verdrängt. Um aber in den Verlagen strategisch zu planen, muss man sich eine Arbeitshypothese für die Entwicklung der Medien und damit auch der Märkte und Umsätze bilden. Eine solche Arbeitshypothese oder Prognose für die Entwicklung muss zumindest nach Mediengattungen und Warengruppen unterscheiden. Und sie kann sich nur auf die Bedingungen in Deutschland beziehen. Zeitungen: Redundante Informationen, die auch im Netz zu finden sind, verlieren an Wert. Das Informationsverhalten sucht diese nicht mehr im gedruckten Medium. Dadurch ist die Zeitung auch nicht mehr Einstieg in die aktuelle Erst-Information. Dagegen gewinnen persönliche, subjektive Kommentare an Bedeutung. Kommentare sind authentisch, emotional aufgeladen und bieten Orientierung. Das notwendig hohe Niveau können nur wenige Redaktionen leisten, die Zahl der Zeitungen wird entsprechend stark abnehmen, die wenigen verbleibenden dagegen erheblich an Wert gewinnen. Sie werden hochwertige Anzeigenträger sein, auch wenn die Rubrikenanzeigen ins Netz abgewandert sind. Publikumszeitschriften: Die Stellung der Publikumszeitschriften scheint von den Veränderungen am wenigsten angegriffen zu sein. Sie bieten eine Mischung aus Unterhaltung, Beiläufigkeit und Push-Angebot, die das Internet weniger befriedigt. Gleichzeitig sind die Mediennutzungsgewohnheiten bei Publikumszeitschriften anscheinend wenig durch digitale Medien ersetzbar: Zug, Flugzeug, Strand, Wartezimmer usw. Eine starke Veränderung geht jedoch mit der Wechselbereitschaft der Kunden einher: Hefte werden immer weniger im Abonnement bezogen und verstärkt am Kiosk gekauft, wenn Bedarf ist. Das verändert die Kostenstrukturen erheblich, da die Abowerbung immer teurer wird und die Deckungsbeiträge am Kiosk gering sind. Das Wechselkaufverhalten wird auch dafür sorgen, dass die Verlage Titel schneller wieder aufgeben und durch neue ersetzen. Fachzeitschriften und Special Interest: Hier besteht eine starke Konkurrenz durch die digitalen Medien. Die Community-Bildung, die Interaktion zwischen den Lesern, die Bedeutung von Artikelarchiven und ergänzenden Datenbanken verschieben die Vorteile auf die digitale Seite. Solange das In- <?page no="306"?> 307 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick formationsangebot insgesamt groß genug ist, wird immer auch Bedarf für eine gedruckte Information bleiben und die Chance, die Online-Informationen durch ein hochwertiges Printprodukt mit Kommentarcharakter zu ergänzen. Bei kleineren Themen- und Interessengebieten wird die Zeitschrift vermutlich vom Online-Angebot verdrängt. Bücher: Hier muss wieder nach den verschiedenen Warengruppen differenziert werden: Belletristik: E-Books werden einen Marktanteil von 30% erreichen. Die Preisdifferenzierung wird relativ gering bleiben (in den USA dagegen aktuell sehr stark). Die Zahl der gedruckten Neuerscheinungen geht zurück, die Zahl der Eonly-Neuerscheinungen steigt deutlich an. Der Sortimentsbuchhandel zieht sich auf einen Kernbereich zurück, in dem sehr enge Kundenbindung, hohe Kaufbereitschaft, hohe Print-Affinität und geringe Preisempfindlichkeit bestehen. Kinder- und Jugendbuch: geringer Einfluss durch die Digitalisierung. Leseerfahrungen werden weiterhin auf Papier gesammelt. Die Buchproduktion wird ergänzt durch Apps. Die mehrmediale Vermarktung von Stoffen bekommt mehr Bedeutung, was Verlagen und Büchern eine Schlüsselstellung sichert. Reise: Kartografie und Reiseführer werden durch digitale mobile Angebote verdrängt. Reisebildbände werden erst später an neue Web-TV-Angebote (Home Entertainement) Marktanteile verlieren. Ratgeber: Sehr starke Verdrängung durch das Internet und durch Ausleihmodelle. Geringe Bedeutung von E-Book-Verkauf, daher eher große Preisspreizung. Ratgeber mit redundanter Information verschwinden. Dagegen werden verstärkt Ratgeber als Autorenbücher mit hoher Emotionalisierung veröffentlicht. Sachbuch: Starke Verdrängung durch E-Books bis über 50%. Hier wird langfristig die E-Book Vermietung mit Flatrates besondere Bedeutung bekommen. Geringe Spreizung der Preise von Buch und E-Book. Wissenschaft: Nahezu komplette Verdrängung von Print durch Digital. Es bleibt ein geringer Bedarf an gedruckten Büchern aus praktischen Erwägungen oder aus formellen Gründen (Festschrift, Qualifizierungsschrift), die aber hybrid, also gleichzeitig gedruckt und digital erscheinen. Fachbuch: Nahezu komplette Verdrängung von Print durch Digital, außer bei Werken, die im Arbeitsalltag eine Mediennutzung in gedruckter Form erforderlich machen. Lehrbuch: Die Werke werden sowohl digital als auch gedruckt erscheinen. Lehrbuch-Angebote werden die Inhalte differenzieren nach Arbeitsbüchern, <?page no="307"?> 6. Digitale Produkte 308 Online-Kursen, Vorlesungsbegleitung, Prüfungsvorbereitung etc. und jeden Teil in der optimalen Form anbieten. Der gedruckt erscheinende Teil des Lehrwerks wird aber immer auch digital (hybrid) angeboten, damit eine Nutzung über die Bibliothek oder unterwegs möglich ist. Die digitale Version wird ergänzend zur gedruckten gegen einen geringen Aufpreis angeboten. Schulbuch: ähnliche Differenzierung wie beim Lehrbuch. Allerdings werden die Medien stärker über die Unterrichtsgestaltung des Lehrers definiert. Das Ausbildungswerk wird primär an die Schule verkauft als umfassendes multmediales Angebot. Die Schüler erwerben ergänzende Arbeitsbücher. Langfristig werden Schulbücher durch Lernplattformen ergänzt oder ganz ersetzt. Die hier getroffenen Annahmen bilden zusammen eine von vielen möglichen Arbeitshypothesen, die anregen sollen, eigene Prognosen auszuarbeiten! 6.1.3 Gestaltung, Typografie, Inhalt 6.1.3.1 Inhalt/ Lektorat versus Allokation/ Marketing Wie bereits in Kapitel 6.1.2 (Print oder Digital) beschrieben, hat die Digitalisierung eine Verschiebung in der Wertschöpfung eines Verlages bewirkt. In den frühen Zeiten des Verlagswesens bestand die zentrale Wertschöpfung in der Produktion des Buches. Die Herstellungsabteilungen dominierten die Verlagsorganisation. Mit sinkenden Kosten der Produktion und steigender Titelzahl musste die Herstellung ihre Rolle an die Lektorate abgeben. Die durch Bestsellerlisten geförderte Redundanz bei Neuerscheinungen und die explodierende Zahl an lieferbaren Titeln machten die Präsenz am Point of Sale (POS in einer Buchhandlung oder einer anderen Verkaufsstelle) zum wichtigsten wertschöpfenden Bestandteil. Damit verlagerte sich die Gewichtung in den Verlagen, der Vertrieb übernahm die Führung anstelle des Lektorats. Durch die Digitalisierung verliert (siehe Kap. 6.1.1 Ubiquität) die räumliche Allokation weitgehend an Bedeutung, die Qualität des Inhalts und damit das Lektorat rücken wieder in den Mittelpunkt. Es ist absehbar, dass sich mit den Anforderungen an eine multimediale Produktion die Anforderungen an die Herstellungsabteilungen stark verändern und die Organisation der Verlage ganz neu geordnet werden muss. <?page no="308"?> 309 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick 6.1.3.2 Lesen und Verstehen bei digitalen Produkten Untersuchungen zum Leseverhalten bei digitalen Medien weisen darauf hin, dass es deutliche Unterschiede gegenüber dem Lesen bei gedruckten Medien gibt, die es für die Konzeption von Produkten zu beachten gilt. Lesen am Bildschirm erfolgt weniger konzentriert, sprunghafter, weniger linear als bei gedruckten Medien. Unklar ist, ob das dem Medium eigen ist oder ob es eine Lesegewohnheit ist, die bei dem bisherigen Angebot an Internetseiten gelernt wurde und mit zunehmender Nutzung von E-Books und E-Learning-Angeboten neu und anders gelernt werden kann. Die große Lernfähigkeit des Menschen lässt eher Zweiteres vermuten. In jedem Fall muss beachtet werden, dass Lernen ein konzentriertes Lesen erforderlich macht, und dieses kaum möglich ist, wenn neben, unter und über dem Text Banner blinken, Bilder ablenken und Textteaser die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Erstaunlicherweise sind Texte bei Online-Medien meist viel umfangreicher sowie schlechter bearbeitet und strukturiert als bei gedruckten Medien. Das liegt einerseits daran, dass mehr Text nicht mehr kostet, andererseits aber auch daran, dass Autoren im Digitalen geschwätzig werden. In Verbindung mit der geringeren Aufmerksamkeit sind diese größeren Textlängen bei digitalen Medien für die Informationsvermittlung problematisch. Auch das kann zu geringerer Zahlungbereitschaft führen. Große Unterschiede werden in Studien zwischen jüngeren und älteren Testpersonen auch beim Suchverhalten festgestellt. Bei jüngeren Nutzern ist das Suchverhalten weitgehend auf Google beschränkt, alternative Suchstrategien waren nie erforderlich und stehen dann bei Bedarf auch nicht zur Verfügung. Das stellt (siehe 6.1.1 Informationskompetenz) Anforderungen an die Lehrpläne von Schulen und Hochschulen. Gleichzeitig weist es aber auch Verlage darauf hin, dass sie ihre Produkte auffindbar machen müssen. Auch bei der Glaubwürdigkeit gibt es Differenzierungen zwischen digitalen und gedruckten Medien. Verständlicherweise besitzt das neuere Medium noch nicht die gleiche Glaubwürdigkeit. Ob allerdings die Glaubwürdigkeit eines Blogs im Internet geringer ist als etwa eine kostenlose Kundenzeitschrift ist fraglich. Vermutlich sind die Differenzierungen zwischen den verschiedenen Medien größer als zwischen gedruckten und digitalen (im Durchschnitt, falls man den bilden kann). Auffindbarkeit, Glaubwürdigkeit, Aufmerksamkeit und Informationsaufnahme lassen sich bei digitalen Medien durch Suchmaschienenoptimierung, typografische Gestaltung, Seitenaufbau, Webseitenlayout, Nutzerführung, <?page no="309"?> 6. Digitale Produkte 310 Usability, Textstrukturierung und Schreibstil deutlich beeinflussen. Die handwerklichen Grundregeln sind dabei noch lange nicht so ausgearbeitet und verbreitet wie bei gedruckten Medien. 6.1.3.3 Trennung von Content und Trägermedium Die Digitalisierung macht dem Nutzer erst die Trennung von Inhalt und Trägermedium bewusst (siehe Kap. 6.1 Aufhebung des Materiellen). Dass E-Books nicht viel preiswerter als gedruckte Bücher sind, obwohl sie doch nicht auf Papier gedruckt, gebunden und per Spedition verschickt werden, das ist vielen Lesern unverständlich. Schuld daran ist auch, dass die Verlage und Buchhändler lange die starke Preisdifferenzierung über die Materialkosten und nicht über den Aufwand zur Erstellung des Contents begründet haben. Damit ist auch verständlicher, warum bei illegalen Downloads oft argumentiert wird, man schade doch dem Autor nicht, da man ihm nichts physisch wegnehme. Es muss erst ganz neu gelernt werden, dass man mit dem Kaufpreis nicht einen Datenträger kauft, sondern dass man primär ein Nutzungsentgelt bezahlt für den Nutzen, den man aus dem gekauften Content ziehen kann. Zusätzlich enthält der Preis neben dem Nutzungsentgelt für Content auch noch einen Verpackungskostenbeitrag. Mit einer solchen Betrachtung wird der geringe Kostenunterschied zwischen E-Books und Büchern verständlicher. Und es wird auch klar, warum es unrichtig ist, zu behaupten, dass man E-Books nicht verleihen kann wie ein gedrucktes Buch: Denn man kann nie den Content verleihen, sondern immer nur den Content auf einem Trägermedium. Auch bei einem gedruckten Buch kann man nicht den Inhalt aus dem Buch einem Freund in sein leeres Buch rüberschieben, sondern nur den Inhalt mit dem Papier verleihen. Genau das wäre auch beim E-Book möglich, wenn man den Inhalt mit dem E-Book-Reader oder dem Tablet oder der Computerfestplatte verleihen würde. 6.1.3.4 Die Verfilmung von »Vom Winde verweht« Um aus einem gedruckten Buch ein E-Book zu machen, reicht es nicht das Buch einzuscannen, also zu digitalisieren. Das ist sicherlich ein erster, preiswerter und schneller Ansatz. Man muss sich aber klar machen, dass man damit nicht weit kommt. Das lässt sich vergleichen mit dem Verleger von »Vom Winde verweht«, der das Buch verfilmen will und dazu die Kamera auf das Buch richtet und das Buch Seite für Seite umblättert, bis zum Ende. Um aus <?page no="310"?> 311 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick dem Roman einen erfolgreichen Film zu machen, muss man sich vom Buch lösen, die Geschichte auf ihren Kern zurückführen, diesen dann filmgerecht in ein Drehbuch umarbeiten und das schließlich szenisch umsetzen. Auch der Roman stellt eine Art vor, wie der Kern der Geschichte so in Romanform umgesetzt werden kann, dass er dem Leseverhalten der Nutzer, aufgeteilt auf abendgerechte Leseabschnitten entgegenkommt. Im Buch können Dinge erzählt werden, die der Film nicht transportieren kann, ebenso umgekehrt. Gleiches gilt für die Differenzierung von Buch und E-Book, von Zeitschrift und E-Paper, von Zeitschrift und Webseite usw. Die Umwandlung des Contents eines Printmediums in den Content für ein digitales Medium erfordert eine Reduktion auf den Kerninhalt und anschließend eine Aufbereitung, die dem Lese- und Nutzungsverhalten des jeweiligen Mediums angemessen ist. Wenn jedes Medium eine ganz eigene Aufbereitung benötigt, wozu soll dann eine medienneutrale Datenhaltung gut sein? Das behandelt Kapitel 6.1.4. 6.1.3.5 Die digitalisierte Fachzeitschrift des 18. Jahrhunderts Am Beispiel einer Fachzeitschrift soll dargestellt werden, wie sich die Aufbereitung des Contents zwischen gedruckter Zeitschrift und Webseite unterscheidet. Die typischen Bestandteile einer heutigen Fachzeitschrift sind: Editorial, Aktuelle Nachrichten, Personalia, Kommentare, Kurzberichte, Fachartikel, Messeberichte, Produktneuheiten, Produktanzeigen, Rubrikenanzeigen, Stellenanzeigen, Leserbriefe, Buchbesprechungen, Termine. Wenn man die frühen Fachzeitschriften ab 1750 durchschaut, dann findet man dort genau diese Inhalte. Bewertet man dagegen, welche dieser Inhalte sich besser für eine Webseite und welche sich besser für eine gedruckte Zeitschrift eignen, dann kommt man ungefähr zu folgender Aufteilung: • Fachzeitschrift: Editorial, Kommentar, Fachartikel, Produktanzeige • Webseite: Aktuelle Nachrichten, Personalia, Kurzberichte, Messeberichte, Produktneuheiten, Rubrikenanzeigen, Stellenanzeigen, Leserbriefe, Buchbesprechungen, Termine. Um eine gedruckte Fachzeitschrift zukunftsfähig zu machen, muss man demnach das Konzept unter heutigen Mediennutzungsverhalten vollständig neu erfinden. Das bisherige Konzept, das sich in den letzten 250 Jahren praktisch kaum verändert hat, basierte insbesondere auf folgenden Grundbedingungen: freie Journalisten, zentrale Redaktion und Drucklegung zu einem bestimmten periodischen Zeitpunkt, kostengünstiger Druck in hoher Auflage, Distribution per Postzustellung ins Haus und einen durch Bildung und Freihandel aus- <?page no="311"?> 6. Digitale Produkte 312 reichend großen Bezieherkreis. Unter diesen Bedingungen war die gedruckte Zeitschrift im Abonnement die ideale Lösung. Heute sieht das anders aus: Die Möglichkeit von jedem Ort der Welt gleichzeitig mit anderen an zentralen Dokumenten zu arbeiten, die Einbindung der Leser in die Inhalteerstellung, die kontinuierlich mögliche Textveränderung bei Online-Medien, die fast vollständige Durchdringung der Bevölkerung mit Internetzugängen und die kostenlose weltweite Verbreitungsmöglichkeit in Echtzeit lassen einen zu einem ganz anderen Ergebnis für die ideale Angebotsform von Fachinformationen kommen als vor 250 Jahren. 6.1.4 Medienneutralität Da »medienneutral«, »crossmedial« und »multimedial« häufig durcheinandergeworfen werden, sollen die Begriffe kurz erläutert werden, bevor es um die Konsequenzen der Medienneutralität geht. 6.1.4.1 Multimedia Mit Multimedialität bezeichnet man die Zusammenfassung mehrerer Medien in einem Produkt, etwa die Verbindung von Text, Bild, Ton und Film. Ein E- Book wird dann multimedial, wenn neben dem Text und den digitalisierten Abbildungen auch Filme und / oder interaktive Grafiken, Animationen, Musik, Geräusche, Interviews eingebaut sind oder der Text zusätzlich auch noch gesprochen wird. Das Schlagwort Multimedia beschreibt so auf der Produktseite die höhere Leistungsfähigkeit oder Attraktivität für den Kunden. Auf Verlagsseite bedeutet es vor allem neue Herausforderungen: Technologien und Kenntnisse müssen angeeignet werden, um neben dem angestammten Textmedium auch audiovisuelle Medien kompetent produzieren zu können. Die Kosten dafür sind beträchtlich. Mit der Ausweitung der Medialität eines Mediums rücken auch die entsprechenden Branchen zusammen. Man bezeichnet das als Medienkonvergenz. Die Möglichkeit, technisch verschiedene Medien zu integrieren, löst die Erweiterung des Angebots der einzelnen Medienproduzenten, das Wildern im jeweils anderen Revier und damit die Auflösung der Grenzen zwischen den medienproduzierenden Branchen aus, was sowohl für die Produktion und ihre Organisation als auch für die Handelsorganisation und die Mediennutzung Folgen hat. <?page no="312"?> 313 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick 6.1.4.2 Crossmedia und Multichannel Mit crossmedial werden Vorgänge bezeichnet, die mehrere Medien umfassen. So kann eine Marketingkampagne in einem Printmedium oder im Radio oder auf Plakatwänden geführt werden, oder aber crossmedial in Printmedien und Rundfunk und Social Media und Plakatwänden etc. Die Anforderungen an crossmediale Kampagnen sind erheblich höher, auch die Produktions- und Schaltkosten, weil die Werbebotschaft in verschiedenen Technologien aufbereitet und für jedes ein entsprechendes Skript und eine Kampagnenplanung gemacht werden muss. Werden bestimmte Inhalte, etwa ein Roman, gleichzeitig als Buch, als enriched E-Book, als Spiel in Form einer App und begleitend als Fernsehserie u.a. publiziert, so spricht man vom Crossmedia Publishing. Das wird auch synonym mit Multichannel Publishing bezeichnet, was zeigt, dass die Begrifflichkeiten sehr unscharf sind und oft auch sehr oberflächlich und unreflektiert eingesetzt werden. Auch der Vertrieb eines Produkts kann crossmedial erfolgen, indem das Produkt etwa gleichzeitig auf verschiedenen Absatzkanälen in unterschiedlicher Medienform angeboten wird. Das wird als Multichannel Marketing bezeichnet, einem Begriff, der wiederum für viele unterschiedliche Prozesse verwendet wird und meist inhaltsleer ist. So war Multichannel das Schlagwort 2011 um zu beschreiben, dass eine Buchhandlung nicht nur an Laufkunden verkaufen will, sondern auch eine Strategie als Online-Versender hat. Da es aber seit der Erfindung des Buchhandels schon immer Händler gegeben hat, die Ladengeschäft, Rechnungsgeschäft mit Außendienst und Katalogversandhandel gemacht haben, ist auf Handelsseite mit Multichannel nichts Neues beschrieben. Das gilt genauso für die Absatzpolitik der Verlage. 6.1.4.3 Medienneutral Der Begriff Medienneutralität beschreibt die Eigenschaft eines digitalen Contents in einem Datenformat vorzuliegen, das eine unkomplizierte Publikation in mehreren Medien gleichzeitig ermöglicht. In der Praxis spielte der Begriff zunächst bei Zeitschriftenverlagen eine Rolle, die ihre Inhalte aus dem gedruckten Medium in der Folge auch auf der Webseite der Zeitschrift publizieren wollten. Im ersten Schritt wurde versucht, die Daten für eine Internetpublikation aus den Druckdaten zu erzeugen, was großen manuellen Aufwand bedeutete. <?page no="313"?> 6. Digitale Produkte 314 Die reine Lehre besagt, dass man Inhalte in einer unformatierten Form erstellen und archivieren soll, um sie erst bei der Konkretisierung in einer bestimmten medialen Form für diese anzupassen. Dafür wurden Redaktionssysteme entwickelt, die als Datenbanken die Organisation des Inhalts übernahmen (Content Management System). Relativ bald stellte sich heraus, dass ein pragmatischer Weg sinnvoller ist, der von der reinen Lehre weit abweicht: Inhalte werden für die Zeitschriften spezifisch aufbereitet und anschließend von spezieller Software aus den Druckdaten so ausgelesen, dass sie in ein Content Management System übernommen und daraus für jede Verwendung in Onlinemedien oder Mobile genutzt werden können. Eine echte Medienneutralität liegt nicht vor, weil die Inhalte spezifisch für das gedruckte Medium Zeitschrift erstellt wurden und dann eine davon abgeleitete Publikation in anderen Medien immer ein Kompromiss bleibt. Da die Lesegewohnheiten und Mediennutzungsgewohnheiten bei den verschiedenen Medien stark voneinander abweichen, wäre eine echte medienneutrale Aufbereitung des Inhalts zwar möglich, würde aber bedeuten, dass für kein Medium der Inhalt ideal dargestellt wird. Das gäbe höhere Kosten bei der Datenerstellung und gleichzeitig schlechtere Ergebnisse bei den Produkten. Es ist zweifelhaft, ob diese Mehrkosten bzw. schlechteren Ergebnisse durch eine Mehrfachverwertung in unterschiedlichen Medien überkompensiert werden können. Es wäre besser, wenn man statt von medienneutralen Daten von formatoffenen Daten sprechen würde. Das würde die Praxis besser beschreiben, in der es etwa darum geht, Bücher zeitgleich als E-Books neben den Druckdaten in den für E-Books gebräuchlichen Formaten (PDF, EPUB) bereitzustellen. 6.1.4.4 Medienneutraler Autor und medienneutrales Schreiben Formatoffene Daten können nur dann gewährleistet werden, wenn die Erzeugung der unterschiedlichen Formate auf einer Contentdatei aufsetzt, die bei der Erstellung der Inhalte sämtliche Spezialanforderungen der später gewünschten Formate bereits mit berücksichtigt. Dazu muss der Autor vom Verlag die notwendigen Informationen bekommen, bevor er mit dem Schreiben beginnt. Der Autor arbeitet in einer Formatvorlage, die etwa sicherstellt, dass eine Marginalie im gedruckten Text dann auch im E-Book, im EPUB-Format an der gewünschten Stelle im Text eingeschoben erscheint. Oder mit einem ganz eingängigen Beispiel beschrieben: Verweise im Buch dürfen sich nicht auf bestimmte Seitenzahlen beziehen, solange nicht sichergestellt ist, dass die Mar- <?page no="314"?> 315 6.1 Besonderheiten digitaler Produkte im Überblick kierung des Seitenwechsels des gedruckten Buches auch bei E-Books (EPUB) wiedergegeben wird. Auch Abbildungslegenden können nicht mehr mit den bislang üblichen Bezeichnungen »Gegenüberliegende Seite rechts oben« arbeiten, weil im EPUB-Format die Abbildungen in Reihe hintereinander platziert werden. Die Verlage müssen erhebliche Vorarbeit in die Formatvorlagen investieren, um später einen sauberen Workflow zu garantieren. Das funktioniert nur, wenn die Autoren bedingungslos mitarbeiten. Ansonsten ist eine Publikation ihres Werkes in allen marktgängigen Formaten nicht ohne Zusatzaufwand möglich. 6.1.4.5 Medienneutraler Workflow Der Aufbau des Arbeitsablaufs für ein Buch, das zeitgleich gedruckt und in den gängigen E-Book-Formaten erscheinen soll, erfordert eine weitgehende Umorganisation der bisherigen Arbeitsabläufe im Buchverlag. Die Investitionen für diese Umstellung und der Weiterbildungsbedarf bei den Mitarbeitern dafür sind groß. Dabei geht es wie beschrieben um die Erstellung der formatoffenen (oder medienneutralen) Daten. Weiter müssen diese Daten so bereitgestellt werden, dass sie von der digitalen Auslieferung an die Marktpartner distribuiert werden können. Den Metadaten (bisher Bibliographie genannt) muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um für jeden Marktpartner und jedes Format korrekte Angaben automatisch liefern zu können. Weiter muss das Angebot im Marketing so formuliert werden, dass es die Formatvielfalt berücksichtigt. Und schließlich muss im Management der Verkaufsdaten, im Einholen der Absatzdaten, im Bündeln in einer Verlagssoftware sowie im Reporting der Honorarabrechung für den Autor und der Umsatzstatistik für das Berichtswesen des Unternehmens die Vielzahl der Formate transparent zusammengeführt werden. Laut dem Stand von 2013 gibt es wenige Verlage, die einen medienneutralen Workflow bereits erarbeitet und eingeführt haben. Die Kosten und der Zeitaufwand dafür sind enorm. Man muss von Prozessen ausgehen, die mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen und dafür personelle Kapazitäten aller Abteilungen eines Verlages beanspruchen. Ohne diesen Workflow kann aber kein Verlag den Anforderungen der Digitalisierung langfristig gewachsen sein. <?page no="315"?> 6. Digitale Produkte 316 6.1.4.6 Medienneutraler Mitarbeiter Schon im Prozess der Erarbeitung eines medienneutralen Workflows zeigt sich, dass es viele Mitarbeiter gibt, die sich in der Phase der enormen Veränderungen des Verlagswesens auf ihr Gebiet fokussiert haben und gleichzeitig das Verstehen eines Gesamtzusammenhangs aufgegeben haben. Das ist aber notwendig, um den Workflow erfolgreich umzusetzen. Ein Lektor, ein Vertriebsmitarbeiter, eine Pressestelle oder auch eine Personalabteilung muss die technischen Zusammenhänge verstehen, um die Veränderungen mittragen zu können. Das erfordert eine Erweiterung der Stellenprofile aller Mitarbeiter im Buchverlag. Der Zeitschriftenverlag ist von den Veränderungen in etwas geringerem Maße betroffen, weil die kurzen Textformate und die zeitlich ganz andere Taktung der Arbeitsabläufe im Zeitschriftenverlag geringere Änderungen notwendig machen. 6.1.4.7 Personalplanung und Personalentwicklung Im Unternehmen sollte zunächst ein Klima der Offenheit für die Anforderungen der Digitalisierung, ein Klima der Neugier für die Marktentwicklung geschaffen werden. Dann sollten Projektgruppen, zusammengesetzt aus Mitarbeitern aller Abteilungen den Workflow erarbeiten und in ihren Abteilungen als Botschafter die Besonderheiten kommunizieren. Dabei muss der Fortbildungsbedarf für jede einzelne Stelle ermittelt werden und die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen von der Unternehmensleitung auch nachgehalten werden. Diese Maßnahmen müssen in ein größeres Ganzes integriert werden. Denn nicht jeder Mitarbeiter ist für die neuen Anforderungen bereit und will sich - je nach Alter und Lebenssituation - darauf einstellen. Man muss damit rechnen, dass Mitarbeiter »über« bleiben, die gerne in Nischen abseits der großen Veränderungsdynamik eingesetzt werden wollen. Erfreulicherweise wird man aber noch mehr Mitarbeiter erleben, die im Prozess der Neuerarbeitung des Workflows Fähigkeiten im Projektmanagement, in der Organisation und Kommunikation an den Tag legen, die dafür sprechen, dass man sie zukünftig auf einer neuen Position einsetzt. Beide Phänomene werden noch durch die allgemeine Alterung der Gesellschaft ergänzt: Die Altersstruktur vieler Verlage führt dazu, dass in den kommenden zehn Jahren mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in den Ruhestand gehen und durch neue Mitarbeiter ersetzt werden müssen. Das ist angesichts der neuen Stellenanforderungen eine Chance. <?page no="316"?> 317 6 2 Digitale Produktformen Gleichzeitig ist es aber ausgerechnet in einer Phase der großen Veränderungen ein Verlust an Tradition, an Fachwissen und Firmenwissen, was ein stabilisierender Faktor hätte sein können. Die Personalplanung muss also langfristig angelegt sein, muss den Mitarbeitern Perspektiven aufzeigen, die ihren neuen Fähigkeiten Platz bieten oder die ihrer Verunsicherung entgegen wirken. 6.2 Digitale Produktformen 6.2.1 Einführung Während in den 1990er und 2000er Jahren vorwiegend die Verlage in der Fach- und Sachinformation mit Online-Produkten und mit digitalen Produkten auf physischen Datenträgern (erst Diskette, dann CD-ROM oder DVD) auf den Markt traten, etablierten sich mit dem Auftreten der mobileren Hardware (Notebook, Personal Digital Assistant [der sog. PDA]) und insbesondere der ersten ernstzunehmenden E-Book-Reader (ab 2008 in den USA und ab 2009 auch im deutschsprachigen Markt) zum ersten Mal auch im Markt der Belletristik die ersten E-Books im sog. EPUB-Format 1 . Die zunehmende Verbreitung der internetfähigen Mobiltelefone (der sog. Smartphones) und insbesondere die sehr schnelle Marktdurchdringung der Tablet-PCs 2 hat diese Entwicklungen seit 2010 noch einmal erheblich beschleunigt. Die ersten Versuche, das mobile Lesen Anfang der 1990er Jahre mit dem Sony Data Discman (Wörterbücher und Lexika auf Mini-CD-ROM) und der ersten E-Reader Ende der 1990erbzw. am Anfang der 2000er-Jahre (u.a. mit dem Rocket E-Book, dem EveryBook Reader, die Reader von Gemstar etc.) [2], die das »digitale Lesen« auch im belletristischen Umfeld im deutschen Markt etablieren sollten, möchten wir an dieser Stelle nicht weiter beleuchten. Allen diesen Versuchen war auf Grund des damaligen Stands der Technik und der damit fehlenden Akzeptanz bei den Endkunden (sowohl hinsichtlich des Preises als auch der Leistung) kein nachhaltiger Markterfolg beschieden 3 . Mit »digitalen Büchern« hatten dabei insbesondere die Fachverlage über den Vertrieb der Druck-PDFs 4 ihrer Print-Produkte schon ab Ende der 1990er- Jahre begonnen. Das Lesegerät war dabei der PC des Endverbrauchers und die 1 Definition siehe auch http: / / idpf.org/ epub 2 Siehe dazu auch Zahlen des Bundesverbandes IT & Telekommunikation (BITKOM; www.bitkom.org) und des Bundesverbands Digitalwirtschaft (BVDW; www.bvdw.org) 3 Siehe hierzu auch http: / / www.gutenbergnews.org/ 20110716/ ebooks-1998-the-first-ebook-readers/ 4 Für eine Übersicht zu gängigen E-Book-Formaten siehe z.B. http: / / cme.at/ how-to/ ebook-formate/ <?page no="317"?> 6. Digitale Produkte 318 kostenlos verfügbar gemachte Lese-Software von Adobe® (der Adobe® Acrobat Reader). Zudem veröffentlichten die Fachverlage schon ab den 1990er Jahren auch ihre Fachzeitschriften im klassischen PDF-Format zum Lesen am Rechner. Ein spezielles E-Book-PDF-Format etablierte sich erst mit dem Aufkommen der o.g. mobilen Lesegeräte in den letzten Jahren 5 (s. auch Kap. 6.2.2.3). Ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung war dabei vor allem das sogenannte »B2B-Geschäft«, also das Geschäft zwischen Verlagen auf der einen und Unternehmen - insbesondere mit Bibliotheken und Institutionen - auf der anderen Seite. Die Nachfrage nach digitaler Fachinformation - insbesondere mit Blick auf den zeitlich und räumlich unbeschränkten Zugriff mehrerer gleichzeitiger Nutzer (wie bereits in Kapitel 6.1 ausgeführt) - veränderte das Einkaufsverhalten dieser Kunden. Entscheidend dabei war natürlich die zunehmende Etablierung und hohe Verfügbarkeit des Internets als Kommunikations- und Wissensaustausch-Plattform der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Damit wurden der Zugang zu Information über Online-Datenbanken und die digitale Umsetzungen von Büchern und Zeitschriften zu einer Selbstverständlichkeit. Der Bibliotheksmarkt wird von den Wissenschafts-Verlagen heute zu einem guten Teil »digital« über die Lizenzierung von thematisch zusammengestellten E-Book-Paketen bedient 6 . Dabei ist das PDF-Format vor allem im Bereich der wissenschaftlichen Literatur sowohl für die Darstellung der Inhalte (Text und Abbildungen), als auch mit Blick auf die Zitierfähigkeit durch die festen Seitenzahl-Zuordnungen derzeit das führende Format in diesem Bereich. Bezüglich des Gesamtmarktes hat sich inzwischen das EPUB-Format (s.- dazu Kap. 6.2.2.3) als führendes E-Book-Format durchgesetzt (82 % der E-Book-Veröffentlichungen erscheinen in diesem Format. Die Befragung ergab zudem, dass im Jahr 2012 über 50 % der deutschen Verlage E-Books in ihrem Programm hielten [4]. In diesem Kapitel sollen die für die Verlagswirtschaft heute und in der absehbaren Zukunft wesentlichen digitalen Geschäftsmodelle und Produktformen im Überblick vorgestellt werden. Der Fokus wird dabei auf E-Books, Apps und Online-Datenbanken liegen - sie bestimmen schon heute das Portfolio der digitalen Produkte der Verlage und werden in der Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen. Die Buchbranche insgesamt - wie auch die Zeitungs- und Zeitschriftenbranche, die wir in verschiedenen Aspekten immer wieder in unsere Betrach- 5 Siehe Kapitel 6.2.2 6 Siehe Kapitel 6.3.3 <?page no="318"?> 319 6 2 Digitale Produktformen tung einbeziehen werden 7 - befindet sich auch im Erscheinungsjahr dieser aktuellen Auflage in einer hochdynamischen Phase der Entwicklung. Die Digitalisierung hat nach der Sach- und Fachinformation inzwischen den Markt der Belletristik erreicht, der auch im Jahr 2011 nach Umsätzen den größten Bereich des Buchmarktes ausmachte 8 . Dies ist insbesondere auf die seit 2008 deutlich angewachsene Dynamik im Bereich der Entwicklung geeigneter und kostengünstiger Hardware - der sog. E-Book-Reader, Smartphones und Tablet-PCs - zurückzuführen. Mit der Weiterentwicklung und des damit einhergehenden Preisverfalls der sog. E-Ink-Reader 9 und der zum Teil preisaggressiven Marktentwicklungsstrategie von Amazon in den USA ab 2008 etablierten sich dort bereits früh starke Marktanteile des E-Books (aktuell bei ca. 20 % des Gesamtmarktes der Belletristik). Ab 2009 beginnt diese Entwicklung auch im deutschsprachigen Markt - getrieben von verschiedenen Anbietern, aber sehr schnell ab 2010, auch hier wesentlich von Amazon und seiner Kindle-Hardware-Familie geprägt. Laut GfK sind bis Ende 2011 ca.1,6 Mio. E-Book-Reader im deutschen Markt abgesetzt worden. 10 Bis heute dürfte sich diese Zahl in etwa verdoppelt haben. Hinzu kommen noch ca. 2 Mio. Tablet- PCs 11 und ca. 23,6 Mio. Smartphones 12 . Damit ergibt sich inzwischen eine so hohe Verbreitung von potenziellen Lesegeräten für digitale Inhalte, was diesen Markt für Verlage immer relevanter macht. Die technischen Möglichkeiten der jetzt bereits auf dem Markt erhältlichen Lesegeräte, also vor allem der Smartphones und Tablets, mit Einschränkungen auch der E-Reader, und die Erwartungshaltung der Kunden an die digitalen Produkte erfordern zum Teil hohe Investitionen der Verlage in die Aufbereitung, die Datenhaltung und die Prozesse in ihren Unternehmen. Hinzu kommt die Herausforderung durch die veränderte Produktkonzeption und die Akquise von ergänzenden Inhalten, die die »Inszenierung« der Information oder auch der Unterhaltung in Büchern nun mediengerecht ermöglicht (Audio, Bewegtbild etc.). Gleichzeitig ist der Markt der E-Books selbst starken Veränderungen durch die Strategien der großen internationalen Plattformen unterworfen. Sowohl Amazon, als auch Apple, Google, Kobo (eine ursprünglich kanadische E-Book-Plattform; seit 2012 im Besitz der Rakuten Inc. (Japan) und ande- 7 Siehe auch dazu die Anmerkungen in Kapitel 6.1.2 8 Siehe dazu auch Kapitel 6.1.2, Abschnitt »Print oder digital? - Eine Prognose« 9 Darstellung der Technologie siehe z.B. http: / / www.eink.com/ index.html 10 http: / / www.boersenblatt.net/ 522120/ 11 http: / / www.bitkom.org/ de/ presse/ 64050_70631.aspx 12 http: / / www.bitkom.org/ de/ presse/ 30739_72316.aspx <?page no="319"?> 6. Digitale Produkte 320 re haben den Massenmarkt »Belletristik« für sich entdeckt und bestimmen durch ihre Marktmacht und die Verknüpfung von Lesegerät, Lesesoftware und Download-Shop zu einem guten Teil das Geschäft in Deutschland und setzen die etablierten Buchhändler massiv unter Druck 13 . 6.2.2 Produktformen Zunächst ist festzuhalten, dass digitale Produkte sehr unterschiedlich konzipiert sein können, woran sich jeweils unterschiedliche Nutzererwartungen und -gewohnheiten sowie Vermarktungsstrategien knüpfen. Man kann unterscheiden: 1. Digitale Produkte als inhaltlich weitestgehend unverändertes Parallelangebot (u.a. das Fach- und Sachbuch als PDF [als reines Print-PDF oder als angepasstes E-Book-PDF], die E-Magazines bei Zeitschriften oder die Belletristik [soweit sie nur den Text der Print-Ausgabe enthalten]), 2. Ergänzungsprodukte zum (gedruckten) Kernprodukt (z.B. Buch plus Online-Zugang, Buch plus CD, Buch plus E-Book - als parallele Ausgabe des Textes oder auch mit ergänzenden Materialien [Musterdokumente, Aufgaben und Lösungen, Beispiele etc.]), 3. eigenständige Digitalprodukte (z.B. Online-Datenbanken in der Fachinformation oder die über die Smartphones etablierten »App«-Anwendungen zu einzelnen Themen). Neben den generellen Eigenschaften eines digitalen Produkts (wie permanente Verfügbarkeit, kontinuierliche Aktualisierbarkeit, Volltext-Durchsuchbarkeit etc.) 14 erlebt die Verlagsbranche mit der steigenden Bedeutung der Interaktion mit dem Nutzer die zunehmende Individualisierung der Produkte durch die Anreicherung mit Nutzer-Beiträgen (Kommentare, Links etc.) - dem sog. »User Generated Content«. Zudem steigt der Bedarf nach der einfachen Zusammenstellung von Inhalten aus unterschiedlichen Quellen zu neuen, individualisierten Content-Einheiten stetig an. Der zunehmende Eingang der Nutzerinteressen und die wachsende Bedeutung maßgeschneiderter Produkte hinsichtlich Umfang, Tiefe und spezifischer Interessenprofile stellt die betroffenen Verlage vor weitere Herausforderungen. Diese »Customized Information« eröffnet Perspektiven für völlig neue Geschäftsmodelle und eine bis dahin unbekannte Verzahnung mit den Kunden. 13 Siehe Kapitel 6.4 14 Siehe Kapitel 6.1 <?page no="320"?> 321 6 2 Digitale Produktformen In der Literatur findet man in jüngerer Zeit auch häufig den Begriff der »Curation« oder Kuratierung von Inhalten - also die Vorauswahl und Zusammenstellung von qualitativ hochwertigem Inhalt als die eigentliche zukünftige Aufgabe und Chance der Verlage. Das Produkt selbst entsteht dann durch die Auswahl des Kunden. Darin kann ein entscheidender Weg für die Zukunftssicherung der Verlage als Informationsanbieter gesehen werden. Insgesamt erfordert die digitale Revolution, dass die Verlage von der Produktentwicklung über die Angebotsform und die Abrechnungsmodalitäten alles ganz neu gestalten müssen: Der Schritt ins digitale Publizieren ist nicht eine Fortschreibung des Gewohnten mit modernen Mitteln, sondern es handelt sich wirklich um eine Revolution bzw. das Betreten einer ganz neuen Welt, die neue Marktchancen eröffnet, wenn die Unternehmensstrategie und die Preismodelle für diese neuen Märkte angepasst werden. Dabei werden reine Analogiemodelle aus der Gutenberg-Welt nicht ausreichen. 6.2.2.1 Die digitalen Produkte auf CD-ROMs und DVD-ROMs Bereits Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre begannen insbesondere die Anbieter von Fachinformation 15 (Schwerpunkt dabei im Bereich Medizin, Naturwissenschaft, Recht, Steuern, Technik, Wirtschaft) der zunehmenden Verbreitung des PC in der Berufswelt, aber auch im privaten Umfeld dahingehend Rechnung zu tragen, dass sie ihre etablierten Print-Produkte um Datenbank-Versionen ergänzten bzw. auch in Teilen ersetzten. Insbesondere die wissenschaftlichen Nachschlagewerke und Lose-Blatt-Sammlungen waren davon betroffen, also im wesentlichen die Bereiche, die schon immer ein sehr spezifisches Informationsbedürfnis befriedigten und deren Nutzen sich nicht durch das sequenzielle Lesen eines Textes ergab. Vielmehr ging es hier schon in der gedruckten Form um das schnelle Auffinden einer bestimmten Information. Diesem Bedürfnis konnte eine Datenbank-Anwendung deutlich besser und zunehmend auch näher an der Arbeits-Umgebung des Nutzers Rechnung tragen. Die ersten Produktionen wurden dabei von den Verlagen aus den Bereichen Recht und Medizin umgesetzt. Die Entwicklung von CD-ROM-Produkten ist dabei nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass das Internet in dieser Zeit lediglich in der wissenschaftlichen Gemeinschaft in seiner Bedeutung erkannt und bekannt war. Der private oder auch berufliche Informationssuchende war noch lange nicht in dieser Welt angekommen, und es standen bei Weitem auch nicht die In- 15 U.a. die Verlage C.H. Beck, Haufe, Thieme, Springer Fachmedien, Wolters Kluwer <?page no="321"?> 6. Digitale Produkte 322 formationsquellen zur Verfügung, die wir heute kennen. Weder die großen Zeitungs- und Zeitschriftenanbieter noch z.B. die Wikipedia waren in nennenswertem Umfang im Netz präsent. 16 In einem nächsten Schritt begannen dann auch die Verlage im Bereich der Sachinformation 17 (einbzw. mehrsprachige Wörterbücher, Lexika, Kinder- und Jugend-Sachbuch, schulbegleitendes Lernen etc.) mit den ersten digitalen Umsetzungen ihrer Produkte. Zur Mitte der 90er-Jahre erschienen von diesen Verlagen auch die ersten multimedialen 18 Computer-Anwendungen auf dem deutschsprachigen Markt. U.a. gehörten dabei das Standardwerk zur deutschen Rechtschreibung (Duden - Die deutsche Rechtschreibung) oder das Pendant im Bereich der zweisprachigen Wörterbücher (Langenscheidts Taschen-Wörterbuch dt.-engl./ engl.-dt.) als PC-, MAC- und Linux-Anwendung auf CD-ROM in dieser Zeit zu den bestverkäuflichen Software-Produkten im deutschsprachigen Raum. Für die multimedialen Lexika seien an dieser Stelle nur die Produkte von Brockhaus (ab 1995), Bertelsmann (1996) und Data Becker genannt. Die Marktführerschaft in dieser Zeit übernahm allerdings ein Branchenfremder: Microsoft brachte 1996 sein für den internationalen Markt entwickeltes Lexikon »Encarta« auf den Markt und machte es für die ersten Jahre nach Erscheinen zum führenden Nachschlagewerk in diesem Bereich. Erst im Wettbewerb mit dem Brockhaus Multimedial (ab 1998) und der an Inhalt stark wachsenden deutschsprachigen Wikipedia ab ca. 2002 veränderte sich dieser Markt erneut grundlegend und nachhaltig. Microsoft zog sich 2003 aus dem Markt zurück, Brockhaus stellte das marktführende (Bezahl-) Software-Produkt - aber der Siegeszug der Wikipedia war unaufhaltsam und das kostenlose Abrufen von lexikalischer Information ist bis heute eine der meistgenutzten Anwendungen im Internet. Dies ist nur ein Beispiel, wie stark in der digitalen Welt Produkte und Märkte zum Teil stark disruptiven 19 Veränderungen unterworfen sind. Wir kommen darauf noch in Kapitel 6.3 ausführlicher zu sprechen. 16 Interessant an dieser Stelle ist es, sich die Entwicklung der Artikelzahl z.B. der deutschsprachigen Wikipedia in Erinnerung zu rufen. Im Jahr 2001 stand diese gerade am Anfang - und umfasste auch in der englischen Version noch deutlich weniger als 100.000 Artikel commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Entwicklung_der_Artikelanzahlen_der_acht_größten_Wikipedias.png 17 U.a. die Verlage B.I. & Brockhaus AG, Cornelsen, Data Becker, Digital Publishing (Sprachen- Lernsoftware), Klett, Langenscheidt Verlagsgruppe, Ravensburger, Terzio, Tivola, Westermann, Wissen Media (Bertelsmann-Gruppe) 18 Multimedialität hier im Sinne der Definition in 6.1.4 19 Definition laut www.duden.de: (ein Gleichgewicht, ein System o Ä.) zerstörend <?page no="322"?> 323 6 2 Digitale Produktformen Die zunehmende Ausstattung der Produkte mit multimedialen Inhalten führte dann sehr bald zur Einführung der DVD-ROM als Trägermedium für digitale Verlagsprodukte. In dieser Zeit - in der auch der Markt der Computerspiele entstanden ist (und die vor der Verbreitung der Spiele-Konsolen auf CD-ROM bzw. DVD-ROM vertrieben wurden) - erweiterten die Verlage ihr Vertriebsnetz für ihre Produkte und suchten neben dem klassischen Buchhandel bzw. dem Direktgeschäft auch den Vertrieb über die ab Mitte der 90er Jahre neu entstehenden Flächenmärkte für Elektronik (u.a. Media Markt, Saturn oder Promarkt). So fanden sich in den Regalen dieser Märkte neben den Computerspielen zumindest eine Auswahl der Topseller im Bereich der verlegerischen Produkte - vor allem Lernsoftware (für Kinder und Fremdsprachen), Wörterbücher und Lexika. Für die dort vertretenen Verlage erschlossen sich damit auch neue Kundenbeziehungen zu einer Zielgruppe, die nicht oder nur selten in einer Buchhandlung zu finden war. Sehr früh engagierte sich der ab den 2000er-Jahren aufkommende Internethandel (allen voran auch in dieser Zeit schon Amazon) im Vertrieb der digitalen Verlagsprodukte. Durch die wachsende Verfügbarkeit breitbandiger Internetverbindungen in privaten Haushalten und die damit einhergehende Verbreitung von Software und digitalen Verlagsprodukten per Download ist die Bedeutung der CD- ROM bzw. DVD-ROM im Bereich der Verlagsprodukte sukzessive in den letzten Jahren zurückgegangen. Zum Teil - wie im Falle der Lexika - wurden die verlegerischen Angebote aber einfach auch durch attraktive Angebote (weil z.B. kostenlos, aber dennoch für den Nutzer von ausreichender Qualität) im Netz substituiert. Hinzu kommt eine Entwicklung im Bereich des Kauf- und Nutzungsverhaltens des Endverbrauchers, die nicht mehr im Kern den Besitz und damit die »feste Installation« eines Software-Produkts auf dem eigenen Rechner umfasst. Die Konsumenten bevorzugen im Bereich vieler verlegerischen Produkte - insbesondere dort wo der Aktualisierungsbedarf besonders hoch ist - vermehrt browserbasierte Anwendungen und Bezahlmodelle, die den einfachen und überall möglichen Zugang zu der aktuellen Information ermöglichen. Die zunehmende Bedeutung des Vertriebs der Inhalte über Apps und E- Books insbesondere im Bereich der Belletristik sind in diesem Sinne technologisch und bzgl. des Bezahlverfahrens eher wieder ein »Rückschritt« in die Welt der Installation auf dem - nun mobilen - Endgerät. Dies ist allerdings im Wesentlichen den Geschäftsmodellen und Kundenbindungsstrategien der international agierenden »Big Player« (u.a. Amazon, Apple, Google) geschuldet. Der Konsument soll durch die eingesetzten geschlossenen Bezahl- und Lese- Systeme (die App-Stores bzw. die E-Reading-Applikationen) im jeweiligen <?page no="323"?> 6. Digitale Produkte 324 »Geschäft« des Betreibers gehalten werden und seinen Bedarf an Information oder Unterhaltung nur noch über diesen einen Bezugsweg befriedigen. Auch darauf kommen wir in Kapitel 6.3 noch einmal zurück. 6.2.2.2 Online-Publikationen Unter dem Begriff Online-Publikation verstehen wir generell unkörperliche Publikationen (die also nicht auf physischen Datenträgern verbreitet werden). Dazu gehören damit Webseiten, Portale (Text, Bild, Video), Weblogs, Datenbanken und Wikis. Die Veränderungen durch die Digitalisierung datieren im Bereich der Fachinformation deutlich weiter zurück als bei den anderen Warengruppen des Buchmarktes. Das liegt bei der Fachinformation sicherlich an der Entstehung des Internets als Plattform für den Austausch von Wissen zwischen Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Einrichtungen in der ganzen Welt. Ausgehend von den eher technischen-naturwissenschaftlichen Bereichen haben sich die Online-Datenbanken auch in den Bereichen Recht, Wirtschaft, Steuern und Medizin etabliert. In beiden Bereichen kommen die Vorzüge der Digitalisierung einer professionellen Zielgruppe maximal entgegen - orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit, Vollständigkeit bzw. Umfang der Information, Volltext-Durchsuchbarkeit, Aktualität, direkte Integration der Information in die Arbeitsumgebung, Verbindung aus verschiedenen internen und externen Quellen und nicht zuletzt die Individualisierbarkeit der Information bzw. der Suche danach (Customized Information). Die reine Information entwickelt sich damit in einem beruflich interessierten Umfeld immer mehr zu einem umfassenden Dienstleistungspaket mit hohem Spezialisierungs- und Individualisierungs-Grad. Damit einhergehend haben sich bereits in den frühen 1990er Jahren sowohl die Verlage als auch die im Umfeld der Fachinformation tätigen Dienstleister (Handel und Bibliotheken) auf die neuen Möglichkeiten des Zugriffs auf und des Austausches von Informationen eingestellt. Diese Entwicklung ist Ende der 1990er Jahre auch in den privatwirtschaftlichen Unternehmen angekommen, die in dieser Zeit beginnen ihren Bedarf an verlässlicher und zitierfähiger Information nicht mehr über firmeneigene Bibliotheken, sondern über Internet- oder Intranet-Anwendungen der für sie jeweils relevanten Datenbanken zu decken. Dem wissenschaftlichen Arbeiten (insbesondere der Zitierfähigkeit) wurde dabei dadurch Rechnung getragen, dass man analog der ISBN bzw. ISSN in <?page no="324"?> 325 6 2 Digitale Produktformen der physischen Welt eine eindeutige Identifikation der digitalen Publikation eingeführt hat - den sogenannten Digital Content Identifier (DOI). Dadurch kann auch bei verschiedenen Fundstellen eines Textes im Netz immer die ursprüngliche Version bzw. Quelle zugeordnet werden. Die Preismodelle für diese Art der Publikation sind dabei so vielfältig wie die Anbieter und Fachgebiete selbst. Deshalb wollen wir an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Im Kapitel 6.3 werden wir im Rahmen der unterschiedlichen Geschäftsmodelle noch einmal darauf zurückkommen. Neben den wissenschaftlichen Monographien umfasst die Digitalisierung insbesondere den Fachzeitschriftenmarkt, der in den Unternehmen und Bibliotheken inzwischen zu annähernd 100 Prozent rein digital stattfindet. Die Effizienzsteigerung durch den Wegfall der zum Teil aufwändigen Pflege der physischen Periodika (Loseblatt, Zeitschriftenverteiler, Aktualisieren der Auslagen usw.) war hier der große Treiber. Nach dem bereits weitestgehend digital ablaufenden Bestellprozess schon für die Print-Produkte, dem so genannten »E-Procurement«, entstand damit eine komplett geschlossene Kette ohne Medienbruch zwischen Nutzer, Händler und Hersteller. Im Bereich der Fachinformation besteht auch der Bedarf, internationale Quellen zur Verfügung zu haben. Spezialisierte Handelsunternehmen (u.a. Swets Information Services GmbH, EBSCO, Schweitzer Fachinformation, Lehmanns Media) haben sich deshalb schon sehr früh darauf eingestellt, mit Verlagen und Aggregatoren insbesondere aus dem anglo-amerikanischen Raum zusammenzuarbeiten und den Recherchebedarf ihrer Zielgruppe möglichst weitgehend abzubilden. Waren es in den Anfängen der digitalen Fachinformation vor allem die Zeitschriften und Online-Datenbanken, die am Arbeitsplatz zu Recherchezwecken genutzt wurden, so setzten vor allem die Medizinverlage sehr früh auch auf die Verfügbarkeit ihrer Nachschlagewerke auf mobilen Endgeräten - nach dem Aufkommen des Laptops auch auf den so genannten »Personal Digital Assistants« als Vorläufer der Smartphones. Im Markt der Zeitungen und Zeitschriften ergab sich dabei zusätzlich die Herausforderung des sog. bipolaren Marktes, das heißt die Finanzierung zum einen über den Endkunden (Abonnement, Einzelverkauf ) und zum anderen über die Werbung (Anzeigen, Rubriken etc.) 20 . Dabei erhielten insbesondere die Zeitungen im Bereich der Rubriken-Anzeigen sehr früh starke Konkurrenz spezialisierter Portale (KFZ, Immobilien, Stellenmarkt) 21 . Aber auch im 20 Siehe dazu Kapitel 5.1.4 und 5.1.5 21 Siehe dazu Kapitel 6.1.2 <?page no="325"?> 6. Digitale Produkte 326 Kerngeschäft der Nachrichten wurde die Tageszeitung von den neu aufkommenden News-Portalen in den Wettbewerb gezwungen, die in der Regel rein werbefinanziert (also kostenlos für den Endnutzer - s. Kapitel 6.3) aufgetreten sind. Insbesondere die bereits gut positionierten Wochenmagazine und Publikumszeitschriften haben dabei ihr Produktangebot in das Kerngeschäft der Zeitungen ausgeweitet. Auf der Suche nach den »richtigen« Geschäftsmodellen ist der Zeitungsmarkt in den vergangenen Jahren insbesondere durch häufige Strategiewechsel gekennzeichnet: Reine Bezahlmodelle wurden von sog. Freemium-Modellen oder rein werbefinanzierten Modellen 22 abgelöst - und wieder zurück. Dies führte zusätzlich zur Abwanderung von Kunden zu alternativen Informationsmöglichkeiten. Auch der Weg der privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten ins Netz sorgt hier für weiteren Druck. Viele der Zeitungsverlage setzen dabei in den letzten Jahren auf die Wiedereinführung des Paid Content für ihre Inhalte über den »Umweg« der Apps (siehe dazu auch 6.2.2.4). Anders als im sogenannten ›»reien« Internet haben hier die Anbieter der Applikationen aus anderen Bereichen (Film, Spiele, Anwendungssoftware) von Anfang an Bezahlmodelle etabliert und damit die Zahlungsbereitschaft auch für die Inhalte dieser Verlage zumindest über diesen Vertriebsweg wieder belebt. 6.2.2.3 E-Books Unter einem E-Book wollen wir zuerst einmal eine Datei mit Text (ggf. auch erweitert um Bild, Grafiken etc.) verstehen, die als eigenes Produkt angeboten wird. Bei entsprechender Anreicherung dieser Inhalte mit Audio, Video oder Interaktivitäten spricht man auch von Enhanced E-Book oder Enriched E- Book. Da es sich dabei um die digitale Umsetzung (und Anreicherung) eines Buches handelt und das E-Book in diesem Sinne ein Buch-Substitut darstellt, wird es in den Ländern mit Buchpreisbindung auch von dieser abgedeckt - allerdings in Deutschland vom Steuergesetzgeber nicht mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz der Bücher (derzeit 7 %), sondern dem vollen Satz (derzeit 19 %) belegt. Nach dieser Definition waren die ersten E-Books schon spätestens zur Jahrtausendwende im Markt verfügbar, als einige Verlage begannen, die PDF-Dateien aus der Druckvorstufe einfach auch direkt als Produkt anzubieten. Auch hier waren die Fachverlage die Vorreiter und die Bibliotheken und Unterneh- 22 Siehe dazu Kapitel 6.3.2 <?page no="326"?> 327 6 2 Digitale Produktformen men die ersten Abnehmer. Konzeptionell können wir bei den E-Books vier Grundelemente unterscheiden: • die Grundstruktur (der eigentliche Text mit Fotos, Abbildungen, Marginalien, Fußnoten, Kästen, Featureseiten usw.), • die Zugriffsfunktion (der Zugriff auf den Inhalt per Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Register, Volltextsuche, Textverweise, Verlinkungen (intern, extern) etc.), • die Personalisierungsfunktion (die Möglichkeiten des Lesers, »sein« E- Book mit Markierungen, Anmerkungen, Lesezeichen etc. anzureichern), • die Interaktionsfunktion (der Austausch des Lesers mit anderen über Verlinkung einzelner Passagen in die Sozialen Medien oder die gemeinsame Kommentierung des Gelesenen). Damit ist auch klar, dass die technischen Anforderungen an die E-Books mit den o.g. zusätzlichen Funktionalitäten am Text bzw. über den Text und Abbildungen hinaus die Anforderung an die Herstellungsabteilungen in den Verlagen deutlich ansteigen lassen. Man kann derzeit im Bereich der E-Books verschiedene Formate unterscheiden. Einige der wichtigsten für Verlage sind im Folgenden kurz beschrieben (s. a. [27]). PDF (Portable Document Format) Dieses Format ermöglicht auch in seiner E-Book-Variante (gelegentlich auch als E-Book-PDF bezeichnet) das Originalerscheinungsbild der »gedruckten« Seite zu erhalten. Da dabei die Positionen der unterschiedlichen Seitenobjekte (Text, Grafiken, Bilder etc.) erhalten bleibt, kommt dieses Format insbesondere bei didaktisch anspruchsvollen Titeln zum Einsatz (in der Regel also beim Fach-, Sach- und Lehrbuch). Zusätzliche Informationen (Links, Nutzeranmerkungen etc.) können je nach Vorgaben des erstellenden Verlags mit dem Dokument abgespeichert werden. Bei der Umsetzung des Druck-PDF zum E-Book-PDF sind dann natürlich die Anforderungen der unterschiedlichen Lesegräte (insbesondere deren Bildschirmgrößen) zu berücksichtigen: Auflösung, Cover-Abbildungen, Schriftarten, Paginierung, Verlinkungen etc. Die Nutzung der PDF-E-Books erfolgt in der Regel über den Adobe Acrobat Reader bzw. über dessen Umsetzung in den für verschiedene mobile Endgeräte verfügbaren Reader-Applikationen (u.a. iBooks, Kindle, Bluefire u.v.a.m.). <?page no="327"?> 6. Digitale Produkte 328 EPUB Das Formt EPUB (kurz für Electronic Publishing) ist ein offener Standard für E-Books, der vom International Digital Publishing Forum (IDPF) 23 definiert und weiterentwickelt wird. Seit Oktober 2011 ist er in der Version EPUB 3.0 verfügbar. Er ermöglicht es, eine in einer Text-, Layoutbzw. Satzanwendung erzeugte Seite mit verbundenen Grafiken und Bildern als HTML wiederzugeben. Damit ist es möglich, dass sich der Zeilenbzw. Seitenumbruch »fließend« an die Größe des Displays des Lesegeräts und der gewählten Schriftgröße anpasst. Das Format ermöglicht damit die lesefreundliche Darstellung von Fließtexten (Belletristik) bzw. Texten mit einfacher Layout-Struktur im Sachbuch. Die Betrachtung erfolgt über eine spezielle Lesesoftware (wie z.B. Adobe Digital Editions) oder gerätespezifische Reader-Applikation (s. o.). EPUB ist das bevorzugte Format der E-Ink-Reader. Amazon Mobipocket (oder das »Kindle-Format«) Die Software »Mobipocket« war bereits im Jahr 2000 als E-Book-Format verfügbar und bot den damals gängigen Lesegeräten (Palm PDA, Smartphones unter Symbian bzw. Windows Mobile) einen Zugang zu elektronischen Büchern. Amazon übernahm 2005 die Entwicklerfirma und machte Mobipocket zur Basissoftware seines eigenen Kindle E-Book-Readers. Sie ist dem EPUB- Format in der Version 2.0 sehr ähnlich. Dateien in EPUB lassen sich deshalb auch relativ leicht (mit einem kostenlosen Werkzeug der Fa. Amazon) in das Kindle-Format überführen. Weitere Formate und zukünftige Entwicklungen Die weiteren Entwicklungen im Bereich der E-Book-Formate tragen den wachsenden technischen Möglichkeiten der Lesegeräte Rechnung. Dabei stützen sich sowohl EPUB 3.0 als auch iBooks (das E-Book-Format von Apple) und KF 8 (das Format für den Tablet PC »Kindle Fire« von Amazon) derzeit auf die Softwarekomponenten HTML 5 (Hyper Text Markup Language, Version 5) und CSS 3 (Cascading Style Sheet, Version 3). Diese sollen an dieser Stelle allerdings nicht weiter vertieft werden (s. a. [28]). Mit der zunehmenden Verbreitung der E-Books wird für die Verlagswirtschaft auch das Thema des Kopierschutzes relevant, um auf der einen Seite die illegale Verbreitung der digitalen Inhalte im Netz zu unterbinden und auf der anderen Seite die legale Nutzung nicht über die Maßen zu erschweren. Die Entwicklungen im Bereich der illegalen Tauschbörsen und Download- 23 Siehe auch www.idpf.org <?page no="328"?> 329 6 2 Digitale Produktformen Portale im Zuge der Digitalisierung in der Musikindustrie haben bei den Verlagen sehr früh das Bedürfnis nach angemessenem Schutz zur Wahrung der Urheberrechte bzw. Nutzungsrechte geweckt. Für E-Books wird dabei heute in der Regel ein sog. Digital Rights Management (DRM) eingesetzt. Dabei werden die E-Books beim Download durch einen Nutzer entweder mit einem individualisierten - also mit Daten des Nutzers versehenen - Wasserzeichen gekennzeichnet (der sog. »weiche Kopierschutz«). Dieses Wasserzeichen kann sichtbar oder unsichtbar hinterlegt sein. Es verhindert nicht die illegale Weitergabe des E-Books, lässt allerdings immer die Rückführung des E-Books auf den Erstbezieher zu und funktioniert damit durch den »sozialen Druck« auf den Weitergebenden. Dieses Verfahren wird deshalb gelegentlich auch als »Social DRM« bezeichnet. Viele Verlage setzen allerdings eine Variante des DRM ein, die technisch die Weitergabe eines E-Books verhindert und lediglich die Nutzung des E-Books durch den tatsächlichen Erwerber zulässt (für diesen dann allerdings auf unterschiedlichen Endgeräten). Als Standardverfahren ist derzeit dabei die Verschlüsselung mit dem Adobe Content Server im Einsatz, das allerdings für den Nutzer eine einmalige Registrierung bei Adobe Digital Editions notwendig macht. Darüber hinaus setzen größere E-Book-Plattformen (wie u.a. Amazon, Apple und Kobo) eigene Schutzmechanismen ein, die allerdings in der Regel dazu führen, dass die E-Books auch nur mit der jeweiligen Lesesoftware oder den jeweiligen Lesegeräten des Anbieters nutzbar sind. Eine Kompatibilität unter den Systemen ist nicht gegeben, so dass mit dem Kauf eines E-Books oder eines E-Readers gleich eine Entscheidung für den dauerhaften Bezug über diesen einen Anbieter getroffen werden muss 24 . Im Zeitungsbereich hat sich analog der Begriff E-Paper etabliert, der in der Regel nur für die direkte und weitgehend unbearbeitete digitale Umsetzung der gedruckten Zeitung verwendet wird, wie sie Ende der 1990er bzw. Anfang der 2000er Jahre von fast allen großen Zeitungsverlagen umgesetzt wurde. Das Lesen erfolgt dabei über den PC oder Tablet Computer. Im Zeitschriftenbereich etablierte sich der Begriff »E-Journal« oder »E-Magazine«. Auch hier imitierten die digitalen Versionen in den Anfangstagen das gedruckte Pendant. Mit der zunehmenden Anreicherung der Inhalte mit multimedialen Elementen, den wachsenden Anforderungen der werbetreibenden Wirtschaft eines jeweils attraktiven digitalen Werbeumfeldes und der veränderten Aufbereitung gehen die Verlage in diesem Bereich vermehrt zur Entwicklung von Apps über (s. unten). 24 Siehe dazu Kapitel 6.3.1 <?page no="329"?> 6. Digitale Produkte 330 6.2.2.4 Apps Mit der Einführung des iPhones der Fa. Apple wurde der Begriff der »App« einem breiten Publikum nahe gebracht. Mit App (kurz für »application«) werden Softwareanwendungen bezeichnet, die auf mobilen Endgeräten installiert werden können. Derzeit beherrschen dabei Apps für die Betriebssysteme iOS (Fa. Apple, Hardware: iPhone, iPad) und Android (Fa. Google, Hardware von verschiedenen Anbietern u.a. Samsung, htc, Sony, Hersteller von E-Ink- Readern uvm.) den Markt. Die Apps lassen sich prinzipiell in zwei Gruppen einteilen: die sog. Native Apps und die Web-Apps (s. a. [27]): • Native Apps zeichnen sich dabei dadurch aus, dass sie exakt auf das jeweilige Betriebssystem und dessen Möglichkeiten der Unterstützung der Anwendung zugeschnitten sind (wie z.B. Geolokalisierung, Geräteposition etc.). Die Software wird vollständig auf das mobile Endgerät geladen und dort installiert. Der Vertrieb der App läuft dabei in aller Regel nur über die beiden Betriebssystem-Anbieter und deren jeweiligen Shop (Apple App- Store bzw. Google Play) 25 . Dabei behält sich insbesondere Apple ein recht rigides Abnahmeverfahren vor, das zum einen die Qualität der über seinen App-Store vertriebenen Produkte in technischer Hinsicht sichern soll, zum anderen aber auch inhaltliche Vorgaben nach US-amerikanischem - und auch Apples eigenem - Rechtsverständnis überprüft. Damit wird ggf. die Freiheit der Publikationen zumindest praktisch eingeschränkt, indem der stärkste Vertriebspartner für diese Art von Produkten die Aufnahme in seinen Shop einfach mit Verweis auf die Geschäftsbedingungen ablehnen kann. • Web-Apps sind im Gegensatz dazu entweder reine Umsetzungen einer eigentlich webbasierten Anwendung für das mobile Endgerät oder aber Hybridanwendungen (eine Kombination aus Nativer App und Web-App). Im ersten Fall wird die Webseite über ein Icon (eine Verknüpfung) auf dem Endgerät aufgerufen. Bedienelemente des Browsers werden ausgeblendet bzw. ersetzt und der Nutzer hat das Gefühl, in einer völlig eigenständigen Anwendung und nicht im Internet zu sein. Im zweiten Fall werden Teile der Software auf dem Endgerät installiert, andere Teile aber erst zur Laufzeit aus dem Internet geladen (zum Beispiel die Teile der Anwendung, die einen hohen Aktualisierungsbedarf haben). Da der Vertrieb 25 Die Betriebssyteme von Blackberry (RIM) und Windows Mobile (Microsoft) spielen derzeit noch keine große Rolle. Symbian (Nokia / Microsoft) wird erwartbarerweise in der Zukunft von Windows Mobile abgelöst. <?page no="330"?> 331 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien dieser Anwendungen außerhalb der o.g. Shops stattfindet, hat hier der Anbieter die volle inhaltliche Produkthoheit und bindet sich auch technisch nicht an die Plattformen. Allerdings ist er damit auch beim Vertrieb auf sich selbst gestellt. Neben den Apps, die durch den Kauf eines Smartphones bereits standardmäßig zugänglich sind (Kalender-, Mail-, Browser-, Musik-Anwendungen o.ä.) finden sich in den entsprechenden Shops inzwischen über 1 Million solcher Anwendungen zu allen denkbaren Bereichen des täglichen Lebens. Der Schwerpunkt der Inhalte liegt dabei auf den Themen Spielen, Unterhaltung und Information. Aus der Verlagswirtschaft sind aktuell insbesondere die Ratgeber-Verlage vertreten, deren Inhalte sich ideal für die Umsetzung in einer App (und weniger in einem E-Book) anbieten. So finden sich von etablierten Verlagen Apps zu den Themen Kochen, Sprachen, Lernen allgemein, Reisen, Natur u.v.m. Im Bereich der klassischen Belletristik und dem Sachbuch haben sich dabei die sogenannten Lese-Apps 26 etabliert, die neben der reinen Lesesoftware für die E-Books (s. oben) auch gleich einen Download-Shop integriert haben. Der Bezug der E-Books erfolgt damit direkt aus der App heraus (diesen Weg nennt man auch In-App-Purchase). Die E-Books werden dabei in der jeweiligen App auf dem Gerät selbst bzw. in einer Cloud, die der jeweilige Anbieter dem Nutzer zur Verfügung stellt, gespeichert und sind dort auch als individuelle Bibliothek verwaltbar. Dadurch wird in diesem System die Weitergabe eines E-Books inhärent verhindert, so dass gesondertes DRM hier nicht mehr notwendig ist. 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien 6.3.1 Einführung In der klassischen Print-Welt der Verlagswirtschaft lassen sich im Grunde die Geschäftsmodelle auf drei Kernbereiche zurückführen: • Der Verlag produziert ein Produkt (für alle / viele) - in Vorfinanzierung - als Buch, Zeitschrift, Zeitung oder Loseblattsammlung und verkauft es an (möglichst viele) Interessenten. • Der Verlag produziert ein Produkt (für alle / viele) - finanziert aus Werbeeinnahmen (von Einem / Mehreren / Vielen) - als Buch, Zeitschrift etc. und verteilt es kostenlos an Interessenten. • Eine Mischform der beiden eben genannten Modelle. 26 Solche Apps bieten u.a. Amazon (Kindle), Apple (iBooks), Kobo, Thalia, Weltbild, txtr, ebooks.de an <?page no="331"?> 6. Digitale Produkte 332 In diesen Geschäftsmodellen wurden und werden erhebliche Anteile an der Wertschöpfung durch die physischen Eigenschaften des Produkts gebunden: Papier, Druck, Bindung, Lagerhaltung und Distribution. In der digitalen Welt lassen sich durch die hohe Verfügbarkeit der Inhalte und die Verknüpfung von Inhalt und Kommunikation vielfältige Geschäftsmodelle denken und auch umsetzen. Um diese Vielfalt etwas mit Struktur zu versehen wollen wir uns der Einteilung der Geschäftsmodelle nach dem »4C«- System bedienen 27 . Danach lassen sich die verschiedenen Modelle in die folgenden vier Felder einordnen: • Content • Connection • Commerce • Context Im Verlagsbereich spielt dabei weiterhin das Feld »Content« die größte Rolle. Wir wollen uns deshalb im Folgenden diesem Feld detaillierter widmen. Die Felder »Connection« (oder auch »Community«), »Context« (die Klassifikation und Systematisierung von im Internet verfügbaren Informationen) und »Commerce« (die Anbahnung, Umsetzung und Abwicklung von Transaktionen) gehen aber auch in der Verlagswirtschaft bereits in die Angebote der Unternehmen ein. Zu den Verlagsaufgaben im Bereich »Content« gehören dabei zum Beispiel die Erstellung, Sammlung, Selektion, Systematisierung, Zusammenstellung und Bereitstellung von Inhalten. In letzter Zeit wird für die Aufgaben jenseits der Erstellung der Inhalte in der Literatur auch gerne der Begriff »Curation« oder »Kuratierung« verwendet. In diesem Fall wird vom Verlag eine - klassische - »inhaltebezogene Leistung« erstellt und vermarktet. Beispiele hierfür sind die Online-Datenbanken der großen Fachverlage; u.a. C.H.Beck (beckonline.de), Wolters Kluwer (u.a. jurion.de), Haufe (diverse Portale). Die Erlösmodelle im Bereich der digitalen Produkte, die den o.g. jeweiligen Geschäftsmodellen hinterlegt sind, lassen sich in fünf Bereiche einteilen (s. a. [29]): • Reiner Bezahldienst oder Paid-Content-Angebot: Der Nutzer zahlt direkt für die Nutzung des Angebots. Das kann in Form des Einzelkaufs (z.B. E-Book, App, Einzelartikel), des Abonnements (z.B. B2B-orientierte In- 27 Nach Steinröder, Dr. M., Vertrieb und Pricing von E-Medien, Seminar an der Akademie des deutschen Buchhandels, 2010 <?page no="332"?> 333 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien formationsportale) oder der kommerziellen Ausleihe (Flat Fee, Online-Lesen etc.) erfolgen. • Freemium: Die Basisversion eines Angebots kann kostenlos genutzt werden, Zusatzfunktionen oder - inhalte sind kostenpflichtig (App, Online-Portale im Bereich Information und Wissen, B2B-orientierte Soziale Netzwerke). • Werbefinanzierte Angebote: Der Nutzer zahlt nicht für die Nutzung, sondern der Betreiber des Angebots finanziert sich ausschließlich über Werbung bzw. die Vermittlung von E- oder M-Commerce (alle reichweitenstarken Online-Portale, Suchmaschinen-Anbieter, B2C-orientierte Soziale Netzwerke, kostenloser Bereich der B2B-orientierten Sozialen Netzwerke). • Dual-Tail- oder Bipolare Angebote: Der Nutzer bezahlt für die Nutzung und es erfolgt eine zusätzliche Finanzierung über Werbung (E-Journals, E-Magazines, E-Paper). • Marketingorientierte Angebote: Das Angebot dient nur der Kundenbindung und wird vom Marketing-Budget des Anbieters getragen (z.B. die Webseiten der großen Konsumenten-Marken, die mit Inhalten u.a. auch von Verlagen angereichert werden [eine Form des digitalen Corporate Publishing, auch Content Marketing genannt]). Wir wollen uns im Folgenden einige Erlösmodelle in dem für die Verlagsbranche relevantesten Geschäftsmodell anschauen. 6.3.2 Content-basierte Erlösmodelle und Preisgestaltung Die in der Verlagswirtschaft relevanten Erlösmodelle lassen sich am besten anhand der wichtigsten Produktformen exemplarisch beschreiben. E-Books Diese Produktkategorie ist derzeit in ihrem Erlösmodell noch am nächsten an der klassischen Printwelt: Eine abgeschlossene Inhalteeinheit wird vom Anbieter mit einem (gebundenen) Ladenpreis versehen und über eine Downloadplattform angeboten. Die Preisgestaltung orientiert sich dabei an dem gebundenen Ladenpreis des entsprechenden Print-Produkts. Es hat sich hier im deutschsprachigen Raum bei den Verlagen etabliert, die E-Book-Ausgabe mit einem Preisabschlag von ca. 20-30 % gegenüber dem Print-Produkt zu versehen. Das gilt insbesondere dann, wenn das Print-Produkt in einer Hardcover- Variante vorliegt (also in der Regel die Ausgabe mit dem höchsten Ladenpreis). Bei Erscheinen der Taschenbuchausgabe wird dann das E-Book im Preis auf das Niveau des Taschenbuchpreises reduziert (bzw. etwa 10 % darunter). <?page no="333"?> 6. Digitale Produkte 334 Neu - zumindest als kommerzielles Vertriebsmodell - ist auch das Ausleihen von digitalen Büchern an andere Kunden der gleichen Vertriebsplattform für einen befristeten Zeitraum, wie es Amazon oder auch Kobo innerhalb ihres jeweiligen Kunden-Kosmos vorsehen und zum Teil in den USA schon umgesetzt haben. Aber auch das Ausleihen als zentrales Geschäftsmodell ist in Deutschland angekommen. Und damit ist nicht allein die digitale Ausleihe in Bibliotheken gemeint, die durch die Firma Divibib GmbH, ein Tochterunternehmen der ekz.bibliotheksservice GmbH (Reutlingen), bereits seit einigen Jahren bei inzwischen über 500 vorwiegend kommunalen Bibliotheken realisiert ist. Vielmehr handelt es sich um Plattformen wie skoobe.de (gegründet als Joint Venture der Verlagsgruppen Georg von Holtzbrinck und Random House sowie der Bertelsmann-Dienstleistungstochter arvato). Dieser Dienst startete im März 2012 im Kern mit E-Books aus den Gesellschafter-Verlagen - also mit einem eher eingeschränkten Angebot. Es steht allerdings auch anderen Verlagen offen. Dabei entrichtet der Endkunde einen monatlichen Fixbetrag von 9,99-Euro und kann bis zu fünf E-Books gleichzeitig ausleihen. Die Akzeptanz bei den Verlagen ist derzeit noch eher zögerlich, da in dem noch eher kleinen Markt der E-Books eine frühe Substitution des Verkaufs durch die Ausleihe befürchtet wird - und damit einhergehend eine Schmälerung der Erlöse pro E-Book. Anders als im belletristischen Markt in der Regel möglich versuchen die Fachverlage sich zum Teil dem direkten Preisvergleich zwischen Printprodukt und E-Book dadurch zu entziehen, indem das digitale Produkt auch in Teilen (der sogenannte »kapitelweise Verkauf«) über die Vertriebsplattformen angeboten wird. Der Bezug aller Einzelteile bzw. Kapitel eines Buches ist dabei in Summe in der Regel ca. 20 bis 30-Prozent teurer als der Kauf des kompletten Buchs. Apps Da sich Apps in der Regel qua Ausstattung (Text ergänzt um multimediale Elemente bzw. Funktionalitäten) unterscheiden, erfolgt die Preisstellung zumeist unabhängig von zu Grunde liegenden Print-Ausgaben. Hier ist eher zu berücksichtigen, in welchem Umfeld sich die Produkte der Verlage in den beiden führenden App-Stores (s.o .) bewegen. So zeigt die Preisstellung der angebotenen Apps in den beiden führenden App-Stores (Apples App-Store für iOS-Geräte und Google Play für Android- Geräte), dass sich hier Durchschnittspreise etablieren, die deutlich unter den Preisen für klassische E-Books und Buchanwendungen stehen, obwohl die <?page no="334"?> 335 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien Inhalte durchaus als im Wettbewerb stehend wahrgenommen werden. Dies sind unter anderen Apps für Nachrichtendienste bzw. Nachrichtenmagazine oder schulstoff-relevante Apps (wie etwa Vokabeltrainer bei Fremdsprachen oder Rechen-Trainings). In der Regel liegen hier die Preise zwischen 0,79-Euro und 4,99- Euro. Preise zwischen zwei und drei- Euro werden als »akzeptabel« eingeschätzt [13]. Verlage nehmen sich dieser Problematik derzeit noch eher zögerlich an. Sie blicken weniger auf die neuen Konkurrenzprodukte am noch jungen E-Book-Markt, sondern befürchten eher, dass zu niedrige Preise für E-Books bzw. Apps negativen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft des Konsumenten für Printprodukte haben. Erste Versuche sind dennoch sichtbar. Verlage gehen dazu über, ihre Inhalte kapitelweise in den App-Stores anzubieten oder bereits in der Konzeptionsphase den Inhaltsumfang gegenüber einem Buch-Projekt deutlich zu reduzieren, um Preise auf dem in den Stores vom Endverbraucher akzeptierten Niveau setzen zu können. Im Oktober 2011 hat zum Beispiel der Verlag Bastei-Lübbe seine App mit dem Titel »Apocalypsis« auf den Markt gebracht - als multimedialen Fortsetzungsroman (oder sogenannte Webnovel), dessen Prolog kostenlos war und von dem jedes weitere Kapitel zu einem Preis zwischen 1,49- Euro und 2,49-Euro (je nach multimedialer Ausstattung) einzeln verkauft wurde. Zum wirtschaftlichen Erfolg lässt sich leider keine Aussage finden - ein interessantes und wie oben bereits gesagt für den Bereich des Fachbuches nicht ganz neues Vertriebskonzept ist es dennoch. E-Journals, E-Magazine und E-Paper Auch in diesem Bereich - wie bei den E-Books - orientieren sich die Preise sowohl für den Einzelverkauf als auch für das Abonnement an den entsprechenden Preisen für das gedruckte Medium. Bei den E-Journals - also im Bereich der Fachinformation - werden dabei eher geringe bis keine Preisabschläge für die digitale Version einer Zeitschrift vorgenommen. Hier sind eher Kombi- Angebote aus Print- und Digital-Version üblich (sog. Hybrid-Abonnements), die dann zu einem Verkaufspreis angeboten werden, der deutlich (bis zu 30-%) unter der Summe der beiden Einzelpreise liegt. Allerdings gehen immer mehr Verlage in diesem Bereich dazu über, ihre digitalen Ausgaben über eine Online- Bibliothek dem Leser zugänglich zu machen und damit weder Einzelverkauf noch Abonnement preislich auszuweisen. Der Leser bezahlt stattdessen eine Zugangsgebühr (monatlich oder jährlich), deren Höhe sich nach der Anzahl der zur Nutzung freigeschalteten Zeitschriften richtet. <?page no="335"?> 6. Digitale Produkte 336 Die E-Magazine als digitale Umsetzung der gedruckten Publikumszeitschriften orientieren sich ebenfalls an den Preisen der gedruckten Ausgabe. Der Vertrieb erfolgt dabei über eine Lese-App, die dann mit einer oder mehreren Ausgaben der Zeitschrift »befüllt« werden kann. Die Preisstellung gegenüber dem Print-Produkt ist dabei in der Regel nur unwesentlich niedriger. Zum Beispiel kostet die Digital-Ausgabe des »Spiegel« im Jahresabonnement 3,80 €-pro Ausgabe gegen über 4,00 € im Print-Abonnement und 4,20 € im Einzelheftverkauf ). Das von den Zeitungsverlagen angebotene E-Paper als digitale Ausgabe der gedruckten Zeitung wird in der Regel nur im Abonnement angeboten. Die Preisstellung ist dabei für Kunden mit Print-Abonnement deutlich niedriger als für Nicht-Abonennten. So setzt zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung den monatlichen Bezugspreis für die E-Paper-Ausgabe für Print-Abonnenten auf 7,50 €, für Nicht- Abonnenten auf 19,99 € (bei einem Abo-Preis der Printausgabe von derzeit - je nach Wohnort - zwischen 46 € und 49 €). 6.3.3 Digitale Produkte in der Bibliothek Im gewissen Sinne stehen digitale Angebote für Bibliotheken zwischen dem vorherigen und dem folgenden Kapitel, da sie Content-basierte Erlösmodelle mit einem ganz eigenen Vertrieb sind. Die Digitalisierung spielt für Bibliotheken eine besondere Rolle: Einerseits erfüllt die Vision einer allgemeinen digitalen Bibliothek die Grundmotive der Digitalisierung (alles-immer-überall), andererseits stellt die Digitalisierung die Existenzfrage für die Bibliothekswelt. Die Vision von Google, dass alle gedruckten Bücher als Volltexte im Internet für jedermann von überall aus zugänglich sind, ist ein Traum, der die Menschen beschäftigt, seit es Bücher gibt. Wenn aber sämtliche Inhalte auf Servern abgelegt von jedermann und jedem Ort aus zugängig sind, wozu braucht man dann noch Bibliotheken? In diesem Kapitel soll auf beide Aspekte eingegangen und gezeigt werden, warum Bibliotheken auch in Zukunft für eine offene Gesellschaft herausragende Bedeutung haben. Dabei muss zwischen den beiden wichtigsten Bibliothekstypen unterschieden werden: der wissenschaftlichen (Hochschul- und Forschungsbibliothek) und der öffentlichen Bibliothek. <?page no="336"?> 337 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien 6.3.3.1 Wissenschaftliche Bibliotheken Wichtigste Aufgabe der wissenschaftlichen Bibliothek ist die Bereitstellung der benötigten Inhalte für Forschung und Lehre. Damit besteht die Sammlung einer Bibliothek auf der einen Seite aus einer großen, wissenschaftlichen Sammlung mit enormer Tiefe und damit einhergehender sehr geringer Nutzerzahl je Medieneinheit und auf der anderen Seite einer verhältnismäßig kleinen Lehrbuchsammlung mit hoher Nutzerzahl je Medieneinheit. Die Zahl der Nutzungen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen 28 . Die Öffnungszeiten der Bibliotheken wurden ausgeweitet, um eine intensivere Nutzung der Medien zu ermöglichen. Damit einher gehen steigende Personalkosten, um das Serviceangebot der Bibliothek teilweise rund um die Uhr aufrecht halten zu können. Wichtig für die Entwicklung der Bibliotheken sind auch die Änderungen im wissenschaftlichen Publizieren. Die Häufigkeit des Publizierens in bestimmten Zeitschriften ist zu einem entscheidenden Kriterium bei der Bewilligung von Forschungsgeldern, der Berufung auf Posten oder der Beurteilung für wissenschaftliche Effizienz geworden. Die Zahl der Publikationen ist dadurch deutlich angestiegen, das Bemühen, in den wenigen wichtigen Zeitschriften erscheinen zu können, ebenfalls. Das führte dazu, dass diese Zeitschriften wegen der großen Zahl eingereichter Artikel stark steigende Kosten hatten und diese in steigenden Abopreisen weitergaben, die Bibliotheken trotz stark steigender Preise aber keine Möglichkeit sahen, gerade diese strategisch wichtigen Zeitschriften abbestellen zu können. Die drastischen Preissteigerungen einer kleinen Zahl von Zeitschriften hat in der Bibliothekswelt für Verärgerung gesorgt. Eine Lösung der sogenannten Zeitschriftenkrise erhoffte man sich durch Open-Access-Publikationen, durch die das kommerzielle Publikationswesen durch ein kostenloses, öffentlich finanziertes entmachtet oder zumindest im Preisgebaren gebändigt werden sollte. Nach einer recht hitzigen Phase, in der Lobbyarbeit und Musterprozesse die gemeinsamen Anstrengungen zur Verbesserung der Informationsversorgung verdrängt hatten, besteht heute die Hoffnung, dass wieder die sachliche Arbeit im Vordergrund steht. Open-Access-Modelle haben keine Krise beseitigen können und keine Verlage entmachtet. Gleichwohl konnten sich die Verlage ihnen auch nicht verschließen, weshalb das Angebot von Open-Access-Ge- 28 Ausführliche Statistiken zur Bibliotheksnutzung bietet der Deutsche Bibliotheks Index BIX: www.bix-bibliotheksindex.de/ <?page no="337"?> 6. Digitale Produkte 338 schäftsmodellen zunehmend zum Normalfall eines wissenschaftlichen Verlags gehört. Auch im Bereich der Lehrbücher wurde von den Verlagen ein digitales Angebot entwickelt, das aber in den ersten Jahren aus Sicht der Bibliotheken unbefriedigend war. Statt verlagsübergreifenden, standardisierten Lösungen entwickelten die Verlage unter Umgehung des Sortimentsbuchhandels verlagseigene Angebote. Wenn der Verlag genug Gewicht (Marktanteile und Kataloggröße) hatte, dann konnte er so an den Universitäten sein eigenes Angebot platzieren, das oftmals noch nicht einmal im Bibliothekskatalog erschlossen war. Drei grundsätzliche Modelle haben sich mittlerweile bei der Beschaffung von E-Books für wissenschaftliche Bibliotheken herausgebildet: Paketverkauf, Pick and Choose und Patron Driven Acquisition (PDA). Beim Paketverkauf erwirbt die Bibliothek ein E-Book-Paket, ohne direkt Einfluss auf die Zusammensetzung des Pakets nehmen zu können. Ein Paket kann dann beispielweise die Publikationen eines Jahres aus dem Fachbereich Mathematik eines Verlages enthalten. Größe und Renommee des Verlages sollen der Bibliothek eine berechenbare Qualität und Menge an Publikationen garantieren, so dass der Wert des Paketes einschätzbar bleibt. Insbesondere in der Anfangsphase wurden die Pakete von den Bibliotheken gerne gekauft, vor allem wenn am Ende des Budgetjahres noch Gelder verfügbar waren. So konnte relativ schnell ein großer Bestand an E-Books aufgebaut werden, ohne sich Einzeltitel aus einer großen Zahl von Verlagen zusammen suchen zu müssen. Die Kritik, dass man bei Paketen neben einer Hand voll wichtiger Titel einen riesigen Beifang unbedeutender Publikationen mitkauft, kam dabei schon früh auf. Eine individuelle Zusammenstellung der Titel, ein Pick and Choose, ist die Alternative zu vorkonfektionierten Paketen. Dabei gibt es den Einzelverkauf ohne Einschränkungen, Mindestmengen oder auch Paketgrößen, die aber in der Zusammensetzung gewählt werden können. Das dritte Modell verschiebt die Einkaufsentscheidung auf den Bibliotheksbenutzer (engl.: Patron). Bei diesem Modell kann der Benutzer eine große Zahl von Titeln im Katalog einsehen und anblättern, wenn er das Buch ausleihen will, dann löst er damit selbst den Kaufvorgang für die Bibliothek aus. Die Preisgestaltung aller Modelle beinhaltet in der Regel eine nutzungsabhängige Komponente. Beim Kauf von E-Books wird aus der Zahl der Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität (FTE = Full Time Equivalent) eine Maßgröße, die die Höhe des Paket- oder Einzelkaufpreises bestimmt: Große Universitäten zahlen dabei das Mehrfache einer kleinen Uni- <?page no="338"?> 339 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien versität für das gleiche Paket oder E-Book. Bei der Lizenzierung von E-Books wird häufig auf die tatsächliche Nutzung abgestellt und über diese ein Preis gebildet. Für die Bibliotheken entscheidend ist, dass die Kosten für ein laufendes Jahr berechenbar bleiben, weil sonst Konflikte mit den Budgetierungsverfahren entstehen können. Für die Abrechnung hat sich der Counter-Standard 29 etabliert. Entscheidend für die Nutzung der E-Books durch die Bibliotheksbenutzer ist, dass die E-Books in den Bibliothekskatalog (OPAC = Online Public Access Catalogue) integriert werden. Die händische Titelaufnahme ist sehr arbeitsintensiv. Eine Integration größerer E-Book-Bestände muss deshalb automatisch erfolgen. Dafür müssen die Verlage die Metadaten der E-Books im Datenstandard Marc21 (MARC = Machine Readable Cataloging) liefern. Trotz eines inzwischen nicht mehr ganz neuen Geschäftsfelds sind aus Sicht der Bibliotheken dringend weitere Standardisierungen bei den Lizenzmodellen, vertraglichen Regelungen, Abrechnungsmodellen, Datenformaten, Metadaten und Angebotswegen notwendig. Der Versuch, zu solchen Standardisierungen zu kommen, scheiterte bislang am europäischen Kartellrecht, das gemeinsame Absprachen zur Standardisierung von Prozessen als unzulässige Eingriffe in den Wettbewerb interpretiert und damit allen Parteien unnötige Kosten verursacht. 6.3.3.2 Öffentliche Bibliotheken Mit dem Aufkommen von E-Books wurden für die öffentlichen Büchereien erste E-Book-Angebote zum Verleihen konzipiert. Wichtigster Anbieter im deutschsprachigen Raum war dabei die Divibib (Digitale virtuelle Bibliothek) mit ihrem Modell der Onleihe. Ab 2006 wurde aktiv bei den Verlagen für eine Beteiligung geworben und das System in ersten Bibliotheken integriert. Zunächst gab es viel Kritik, weil das Angebot an E-Books noch gering war und weil das Modell bewusst die Ausleihe bei gedruckten Büchern im Digitalen nachgebildet hatte. Die damit einhergehenden Einschränkungen (immer nur ein gleichzeitiger Ausleihvorgang, Rückgabe automatisch über DRM nach vierzehn Tagen) stießen oft auf Unverständnis. Um jedoch Verlage und Autoren für das Modell gewinnen zu können, setzte die Divibib bewusst auf gewohnte Prozesse. Inzwischen hat sich für den Bereich der öffentlichen Bibliotheken das Modell durchgesetzt. Rund 600 Bibliotheken, teilweise in Verbünden mehrerer Büchereien, bieten die Ausleihe von knapp 150.000 Werken, 29 Nähere Erläuterungen siehe http: / / www.projectcounter.org <?page no="339"?> 6. Digitale Produkte 340 E-Books, E-Journals, E-Papers auf einer Webseite an und verwenden dafür das von der Divibib betriebene Modell der Onleihe. Zwei Faktoren führten auf Verlagsseite zu steigender Skepsis und Kritik: Einerseits der Erfolg der Onleihe, deren Wachstumsraten deutlich über den Wachstumsraten der E-Book-Umsätze auf Verlagsseite zu sein scheinen und der den Bibliotheken ganz neue Nutzerkreise erschließt; andererseits der breit diskutierte Trend »Access statt Besitz«, nach dem in der Gesellschaft ein grundlegender Wandel weg vom Besitz hin zur bedarfsweisen Nutzung geht. Der Trend, so die Vermutung auf Verlagsseite, muss insbesondere bei E-Books dazu führen, dass Modelle eines kommerziellen E-Book-Verkaufs gegenüber Modellen eines fallweisen E-Book-Zugriffs an Bedeutung verlieren. In diesem Kontext mussten Verlage sich die Frage stellen, wie ein kommerzielles Mietangebot von E-Books gegen eine für Nutzer kostenlose Onleihe der Bibliotheken bestehen kann. Die Diskussion wurde weltweit geführt, das beschriebene Problem war überall gleich. Dabei kristallisierten sich drei Lösungen heraus: 1. Mit dem Kauf eines E-Books zum normalen E-Boo-Preis wird das Recht für eine begrenzte Zahl an Ausleihen erworben. Häufig findet man 26 Ausleihen, danach muss die Bibliothek das Werk bei weiterem Interesse neu erwerben. Damit soll die Abnutzung, die bei gedruckten Medien die Nutzungszahl limitiert und eine Ersatzbeschaffung notwendig macht, nachgebildet werden. 2. Der Preis für Bibliotheken beträgt das Dreifache des normalen E-Book Preises. Damit ist dann eine theoretisch unendliche Nutzungszahl und -dauer verbunden. 3. Die Abrechnung erfolgt nutzungsabhängig, je Ausleihe wird ein Betrag fällig, der an den Verlag gezahlt wird. Alle drei Lösungen werden aktuell von Verlagen umgesetzt. Es ist anzunehmen, dass sich langfristig ein Modell auf Basis der rein nutzungsabhängigen Abrechnung durchsetzen wird. Das Modell vermeidet die für Bibliotheksnutzer nicht nachvollziehbare Beschränkung der Zahl der parallelen Ausleihen, was insbesondere bei Bestsellern in der Zeit nach dem Erscheinen wichtig wäre. Ebenso vermeidet das rein nutzungsabhängige Modell das Problem von »Fehlkäufen«, also der Tatsache, dass ein Teil des Erwerbungsetats auf Werke entfällt, die praktisch nie ausgeliehen werden. Im nutzungsabhängigen Modell fallen Gebühren nur für tatsächliche Nutzung an. Eine Reihe von Konflikten ist vor einer endgültigen Lösung noch zu klären: Wie begegnet eine Bibliothek dem Problem, dass sie zum Jahresbeginn <?page no="340"?> 341 6.3 Geschäftsmodelle und Pricing-Strategien nicht weiß, wie hoch die durch die Nutzung verursachten Kosten bis zum Jahresende sind? Wie garantieren die Verlage eine dauerhafte Verfügbarkeit der E-Books, wie Bibliotheken sie durch den Aufbau der physischen Sammlungen gewohnt sind? Wie weit geht die Zahlungsbereitschaft der Kommunen, wenn das Angebot sich als Standard für die E-Book-Nutzung etablieren sollte? Welche Restriktionen wären zur Eindämmung der Nutzung durchsetzbar (limitierte Ausleihen, begrenztes Titelangebot, Begrenzung des Nutzerkreises)? Als Alternative zu einer mit den Rechteinhabern gemeinsam umgesetzten Lösung setzen manche auf Seiten der Bibliotheken noch auf Lobbyarbeit für eine Erweiterung der Bibliotheksschranke im Urhebergesetz. Die Bibliotheksschranke §27 UrhG erlaubt aktuell den Bibliotheken ein eingekauftes Buch ohne Genehmigung durch den Rechteinhaber zu verleihen. Dafür erfolgt an die Rechteinhaber eine Vergütung über die Verwertungsgesellschaften (Bibliothekstantieme). Da E-Books ihrem Charakter nach keine Sachen sind, sondern Dienstleistungen, ist die aktuelle Regelung der Bibliotheksschranke auf sie nicht anwendbar. Ob eine Strategie, die auf eine entsprechende Änderung des Urheberrechts abzielt und Änderungen vermutlich nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene erforderlich machen würde, in absehbarer Zeit zu einer sinnvollen Lösung führt, kann bezweifelt werden. 6.3.3.3 Zukunft der Bibliotheken Die Bibliotheken sind durch die Digitalisierung einem unbestreitbar großen Wandel ausgesetzt. Dieser betrifft aber insbesondere die Zurverfügungstellung der Werke. Auch wenn es technisch neue Wege der Zurverfügungstellung gibt, so ersetzen sie nicht die Bibliothek in ihrer Funktion als Informationsversorgung für bestimmte spezialisierte (wissenschaftliche und Hochschulbibliotheken) Nutzerkreise bzw. für einen regionalen Ausschnitt aus der Gesellschaft. Mit der steigenden Bedeutung von Information wächst auch die Bedeutung der Informationskompetenz. Diese zu vermitteln ist eine Aufgabe, die bislang auf allen Stufen des Bildungssystems vernachlässigt wurde und bei der den Bibliotheken besondere Bedeutung zukommt. Die faktische Verfügbarkeit nahezu sämtlicher Informationen über das Internet bedeutet eben nicht, dass die Nutzer diese Informationen auch haben. Sie könnten sie haben, wenn sie wüssten, welche sie benötigen, wo diese sind und wie sie diese finden. Oder wie Sascha Lobo (FAZ vom 2.10.2013) es ausdrückt: »Für die Zugänglichkeit spielt es kaum eine Rolle, ob eine Nadel im Tresor oder im Heuhaufen verborgen ist.« <?page no="341"?> 6. Digitale Produkte 342 Gerade in einer Periode der (gefühlten) Überversorgung mit Informationen scheint auch die Anziehungskraft der eher altmodischen Bestandteile einer Bibliothek zu steigen: Der Lesesaal und seine Stille wird trotz ubiquitärer Informationsverfügbarkeit immer stärker gesucht. Und auch die soziale Komponente der Bibliotheken, der menschliche Austausch, trägt die Bibliothek als wissenschaftliche oder kommunale Einrichtung weiterhin, unbehelligt von der Digitalisierung, eher noch durch diese und die Möglichkeiten von Social Media gestärkt. 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte 6.4.1 Einführung In Kapitel 4 haben wir uns bereits ausführlich mit den Themen Marketing und Vertrieb in der Verlagsbranche beschäftigt. In diesem Kapitel wollen wir nun auf einige Besonderheiten in diesem Bereich für die digitalen Produkte eingehen. Insbesondere soll hier der Fokus auf die Rolle des Buch- und des Zwischenhandels gelegt werden. Wenden wir uns dabei zunächst dem E-Book zu (s. Kapitel 6.2.2.3). In einer vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Auftrag gegebenen Studie aus dem Frühjahr 2011 wurden Buchhändler und Verleger zu ihrem Engagement in Sachen »E-Book« 30 im Jahr 2010 und zu ihren Plänen für die beiden Jahre danach befragt. Lediglich ein Drittel der befragten Buchhändler waren bereits im E-Book-Markt aktiv und vertrieben zumindest E-Books, wenn nicht sogar E-Reader. Von den übrigen zwei Dritteln der nicht aktiven Buchhändler gab etwa die Hälfte an, dass sie auch in der Zukunft keinerlei Aktivitäten in diesem Feld planten. Diese Zurückhaltung begründeten die Buchhändler vor allem mit dem im Jahr 2010 praktisch vollständigen Fehlen entsprechender Kundennachfrage. In der Tat bezifferte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) den Anteil der E-Books am deutschsprachigen Buchmarkt für Belletristik im Jahr 2010 mit ca. 0,5 Prozent. Dennoch zeigte sich damit eine fundamental diametrale Haltung des Handels gegenüber der Einstellung der befragten Verlage. In dieser Gruppe waren ebenfalls nur ein Drittel der Befragten mit E-Books auf dem Markt vertreten. Allerdings soll diese Quote nach den Plänen der Verlage bis Ende des Jahres 2012 auf ca. 80 Prozent steigen. 30 Den Begriff »E-Book« verwenden wir im Folgenden analog der Definition an anderer Stelle dieses Werks (siehe Kapitel 6.2.2.3) <?page no="342"?> 343 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte Eine Wiederholung dieser Befragung von Verlegern und Sortimentern im Frühjahr 2013 [4] zeigt ein deutlich verbessertes Bild im Sinne der Aussagen - vor allem bei den befragten Buchhändlern: • 2012 haben 53 Prozent der befragten Verlage E-Books vertrieben; • 2012 haben über 70 Prozent der Sortimenter E-Books und/ oder E-Reader vertrieben. Ein weiterer Aspekt für die zukünftige Rolle des Buchhandels im Geschäft mit den digitalen Büchern zeigt sich beim Blick über den großen Teich. In den USA errang der weltgrößte Buchhändler Amazon in den Jahren 2008 bis 2010 mittels einer aggressiven - für den Endkunden allerdings sehr transparenten und einfachen - Preispolitik innerhalb kürzester Zeit einen Marktanteil von ca. 70 bis 80 Prozent für die über den Kindle-Shop bezogenen E-Books [22]. Erst hohe Investitionen der Buchhandelskette Barnes & Noble sowie der Markteintritt von Apples iPad Ende 2009 haben die Monopolstellung von Amazon in den vergangenen zwei Jahren zumindest etwas reduziert. Verlässliche Zahlen sind dabei kaum zu bekommen. Derzeit gehen verschiedene Quellen davon aus, dass Amazon einen Marktanteil von ca. 60- Prozent hält, während Barnes & Noble ca. 20 Prozent und Apple ca. 10 Prozent auf sich vereinigen können [23]. Der Gesamtmarktanteil der E-Books in den USA im endverbraucherdominierten Belletristik-Markt betrug 2012 ca. 20 Prozent (über alle Warengruppen ca. 6,2 Prozent) [24]. Zurück nach Deutschland: Der Markt für E-Books wuchs 2012 laut GfK um ca. 100- Prozent und beläuft sich damit derzeit auf ca. 2,4 Prozent des gesamten Buchmarkts [4]. Die Anzahl der beim Endverbraucher verfügbaren E-Book-Reader unterschiedlicher Anbieter (mit dem Kindle von Amazon klar in der Marktführerschaft) wird auf über 2,5 bis über 3 Millionen Geräte geschätzt 31 . Insgesamt zeigt dieser Markt also eine Dynamik wie kein anderes Produktsegment der Buchhandelsbranche. Diese Dynamik wird derzeit allerdings nur von den großen deutschen Filialisten und wenigen mittelständischen Buchhändlern wahrgenommen und mitgestaltet. Die eigentlich treibenden Kräfte sind international agierende Großunternehmen aus den Bereichen Online-Buchhandel, Internet-Portal, Hardware und Mobilfunk. Die Digitalisierung in der Buchbranche hat also mit dem Aufkommen der E-Reader und Tablets und der digitalen Verfügbarkeit der Belletristik - und damit dem Eintritt der Digitalisierung in einen Massenmarkt - Wettbewerber des Buchhandels auf den Plan gerufen, die das Spiel der Kräfte völlig neu de- 31 Verschiedene Quellen divergieren zum Teil erheblich in den Zahlen; dies ist nach eigener Schätzung aus den Quellen ein plausibler Wert <?page no="343"?> 6. Digitale Produkte 344 finieren wollen - und das auch können. Sie haben das Produkt »Buch« innerhalb kürzester Zeit für sich entdeckt und für ihre jeweiligen Kunden nutzbar gemacht. Zudem führten sie in der Buchhandels-Branche bisher nicht übliche Geschäftsmodelle ein 32 , die generell die vollständige Einbindung des Kunden in einen eigenen »Lese-Kosmos« zum Ziel haben: das Lese-Gerät (E-Reader, Tablet, Smartphone), der E-Book-Shop und die Lese-Applikation (E-Reader- Software, App) aus einer Hand! Diese für die Buchbranche neuen, in der Musikindustrie oder in der Computerspiele-Industrie aber bereits etablierten Modelle sind dem Endkonsumenten vertraut und erhöhen den Wettbewerb um dessen Zeit und Geld. Erleben wir also durch die zunehmende Bedeutung der digitalen Bücher in den kommenden Jahren eine Lockerung der jahrhundertealten Bindung von Verlagen und Buchhandel? Und wer wird diesen neuen Buchmarkt auf der Handelsseite dann antreiben? Welche Auswirkungen haben die Lesegeräte und deren unterschiedliche Arten der Nutzung auf die Inhalte der digitalen Bücher, und wie werden sich diese im Wettbewerb mit den vielen anderen Applikationen auf einem Device des konsumierenden und immer mobiler werdenden Endkunden behaupten? Diese und weitere Herausforderungen soll das vorliegende Kapitel darstellen. Es wird die unterschiedlichen Rollen der Handel treibenden Unternehmen in der klassischen Buchbranche beschreiben: Buchhandel, Zwischenhandel, Verlag, Dienstleister. Es wird bereits zu beobachtende Veränderungen darstellen und einen Ausblick auf die kommenden Entwicklungen geben - für einen sich im deutschsprachigen Raum eben erst etablierenden Markt eine besondere Herausforderung. Das Einstellen auf die besondere Dynamik durch die Kopplung des Lese-, Kauf- und Konsumverhaltens an die Entwicklung der Hardware und die immer neuen Geschäftsmodelle ist dabei der gemeinsame Nenner für alle Kettenglieder der klassischen Wertschöpfung der Buchbranche. 6.4.2 Der (Buch-)Käufer und die aktuelle Marktentwicklung Der Leser im Zeitalter der Digitalisierung wurde an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben (siehe Kapitel 6.1). Was lässt sich nun speziell für den Handel mit Printbzw. Digital-Produkten ableiten? Schauen wir uns zunächst den klassischen Buchmarkt an - und erst einmal undifferenziert über alle Warengruppen. 32 Siehe Kapitel 6.3.2 <?page no="344"?> 345 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte Der jährlich erscheinende Berichtsband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zur wirtschaftlichen Lage der Buchbranche in Deutschland [1] stellte für das Jahr 2012 fest, dass der Anteil des Sortimentsbuchhandels am Gesamtumsatz der Branche von 9.520 Millionen-Euro (Endverbraucherpreise inkl. Mehrwertsteuer) immer noch 48,3 Prozent betrug. Zum Vergleich: 2007 belief er sich auf 53,6-Prozent. Bemerkenswert war allerdings, dass der Anteil des Versandbuchhandels, besonders vorangetrieben durch den weiter stark wachsenden Online-Buchhandel, inzwischen bei 19,1 Prozent lag (2007: 12,6 Prozent). Diese Steigerung um ca. 50 Prozent in nur fünf Jahren bestätigte die im gesamten Einzelhandel weiter zunehmende Bedeutung des E-Commerce [21]. Andere Schätzungen [6], die sich an den reinen Online-Umsätzen der größten deutschen Buchhandelsplattformen (Amazon, Weltbild, Thalia mit buch.de, buecher.de) orientierten, deuteten sogar auf einen noch höheren Anteil des Versandbuchhandels von bereits über 20 Prozent hin. Diese Diskrepanz ist im Wesentlichen durch die fehlenden Umsatzzahlen von Amazon im deutschsprachigen Markt bedingt. Damit ist eine exakte Angabe nicht möglich. Die quartalsweise erscheinenden Studien der »Arbeitsgemeinschaft Online Forschung«, einem Marktforschungsunternehmen der im Verband OVK organisierten Online-Vermarkter in Deutschland, belegen darüber hinaus, dass das Produkt »Buch« seit Jahren immer im Spitzenfeld der vom Konsumenten über das Internet recherchierten und gekauften Produkte rangiert. Die aktuellen Zahlen [3] weisen aus, dass 59,5 Prozent der befragten Internetnutzer nach Büchern recherchiert haben. Damit standen im Frühjahr 2012 Bücher an Platz 1 der recherchierten Produkte. Zudem ist nach diesen Erhebungen das Buch auch das am besten zu konvertierende Produkt im Online-Handel überhaupt: 71,6 Prozent der Recherchen nach einem Buch führen auch zu einem Kauf. Damit belegen Bücher auch hier den ersten Platz unter allen Produkten, noch vor z.-B. Damenbekleidung, Spielwaren oder Eintrittskarten für Kino und Theater etc. Das Buch ist also schon in seiner Printform das über den Online-Handel am besten verkäufliche Produkt. Was heißt das alles nun für den Markt der digitalen Produkte, deren generischer Bezugsweg das Internet bzw. ein Online-Shop ist - und wie wird die Entwicklung dieses Marktes eingeschätzt? Wir haben die Prognosen der generellen Marktentwicklung Print / Digital in Kapitel 6.1.2 aufgeführt. Vor diesem Hintergrund wäre für den Sortimentsbuchhandel ein Engagement hinsichtlich der digitalen Bücher existenzrelevant - zumindest in dem <?page no="345"?> 6. Digitale Produkte 346 Maße, wie er die sinkenden Umsätze mit Printprodukten nicht anderweitig kompensieren kann 33 . Derzeit wird speziell der stark wachsende Markt der E- Books in Deutschland allerdings von Marktteilnehmern bestimmt, die mit der Ausnahme von Amazon nicht aus dem klassischen Buchgeschäft kommen. 34 Sie alle versuchen, den Kunden mittels eigener E-Reader-, Smartphone- oder Tablet-Devices und darauf vorinstallierter Shops permanent, also vom Kauf bis zur Nutzung der E-Books, in ihrem »Kosmos« zu halten - bei Amazon im Kindle-System, bei Apple im iBook-Store und auch andere Anbieter haben eigene Geräte und Shops entwickelt. Daneben versuchen sich weitere Plattformen zu etablieren, die durch die schiere Menge ihrer Kunden und den im Vergleich zum physischen Buchvertrieb einfachen und kostengünstigen Vertrieb der digitalen Bücher Erfolge auf diesem Markt erwarten. Dies sind unter anderen die E-Book-Shops von Media Markt und Saturn, wie auch pageplace (http: / / www.pageplace.de), der E-Book- und E-Magazin-Shop der Deutschen Telekom. Bis auf die letztgenannten Plattformen zeichnen sich die neuen Wettbewerber der Buchhandelsbranche durch ihr internationales Agieren aus. Sie haben nationalen Playern insbesondere die Erfahrungen aus dem deutlich weiter entwickelten US-amerikanischen E-Book-Markt voraus. Offizielle Zahlen zu Marktanteilen der jeweiligen E-Book-Händler in Deutschland liegen derzeit nicht vor. Dies liegt zum einen an der fehlenden Veröffentlichung der Abverkaufszahlen dieser Unternehmen über alle Verlage hinweg und zum anderen an der momentanen Marktgröße, die sicherlich erst im Jahr 2012 über z.-B. Endkundenbefragungen erste wirklich hochrechenbare und damit verlässliche Angaben zulassen wird. Ein erster Indikator für den Stand Ende 2011 war eine Umfrage der Universität Hamburg [10], in der die Kauforte für E-Books im Jahr 2011 abgefragt wurden: Dabei nannten 40 Prozent der Befragten Amazon als Bezugsquelle, 17 Prozent Apple iTunes, 13 Prozent Thalia, 12 Prozent Weltbild und 8 Prozent Libri.de, den Online-Shop des Barsortiments G. Lingenbrinck. Durch das vor allem für den Kindle-Reader von Amazon und das iPad von Apple besonders erfolgreiche Weihnachtsgeschäft 2011/ 2012 kann man davon ausgehen, dass 33 Eine Alternative zur ertragreichen Bewirtschaftung der durch den Umsatzrückgang frei werdenden Flächen in der Buchhandlung ist die Aufnahme von zusätzlichen buchbzw. buchkundennahen physischen Produkten, der sogenannten Nonbooks, wie beispielsweise DVDs, Hörbücher, Papeterie, Schreibwaren oder allgemeine Geschenk- und Merchandising-Artikel. 34 Siehe 6.4.3.4 <?page no="346"?> 347 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte sich diese Zahlen in der ersten Hälfte des Jahres 2012 noch einmal deutlich zu Gunsten von Amazon und Apple verschoben haben. Für die Jahre 2013 ff. lassen sich hier weitere Veränderungen erwarten. Insbesondere das Gemeinschaftsprojekt »Tolino« (der Name eines E-Readers und der dazugehörigen Infrastruktur), zu dem sich die Buchhandels-Gruppen Thalia, Weltbild/ Hugendubel und der Bertelsmann Club mit der Deutschen Telekom im Frühjahr 2013 zusammengefunden haben, wird die o.g. Marktanteile sicherlich noch einmal in Bewegung bringen. Immerhin gibt es auf der Produktseite die für Hardcover und Taschenbücher schon seit über 40 Jahren regelmäßig erstellten Bestseller-Listen seit März 2012 auch für E-Books [26]. Sie können Handel und Endverbraucher Orientierung in diesem noch jungen Markt bieten. Bleibt der Sonderfall Google. Von 2010 bis 2012 hat Google E-Book-Stores in den USA, in Kanada und in Großbritannien eröffnet. Der Start in Deutschland ist nach längerer Zeit der Ankündigung im Juni 2012 erfolgt. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass die digitalen Bücher Google dazu veranlassten, sein eigentliches Geschäftskonzept der werbefinanzierten Suche (also Anbieter und Nachfrager in Kontakt zu bringen) um eine reale E-Commerce-Komponente zu erweitern. Dem Beispiel von Apple wollen und werden in der nahen Zukunft auch andere Hardware-Hersteller folgen. Neben Sony sind hier insbesondere die Firmen Samsung, Motorola (sicher dann nach der Übernahme einer großen Zahl an Patenten im Verbund mit Google), Acer und Nokia (im Verbund mit Microsoft nach erfolgter Übernahme 2013) zu nennen. Zum Teil gibt es entsprechende Angebote schon in den jeweiligen Kern-Vertriebsländern, sodass der Markteintritt auch in Deutschland erwartet werden kann. Für all diese Unternehmen mit ihrem Hintergrund in der Mobilfunk-Branche eröffnen E- Books (und zum Teil auch E-Magazines) einen weiteren attraktiven Entertainment-Kanal auf den mobilen Endgeräten. Diese Produkte dienen dann genauso wie Musik, Video/ Film, Spiele und die allgemeinen Applikationen (Apps) unter anderem der Bindung des Kunden an das jeweilige Device. 6.4.3 Der Handel mit digitalen Produkten 6.4.3.1 Die Verlage Im Zeitalter der Digitalisierung verändert sich die Beziehung zwischen Buchhandel und Verlagen. Im Bereich des Fachbuchs beispielsweise ist zum einen <?page no="347"?> 6. Digitale Produkte 348 schon seit den 1990er Jahren die Digitalisierung und zum anderen auch seit vielen Jahren der Direktvertrieb an Endkunden geübte Praxis. Durch das besondere Klientel der Fachinformation - die sogenannten B2B-Kunden 35 (also Geschäftskunden wie Bibliotheken, Unternehmen, Schulen etc.) - war schon länger für besondere Regeln der Zusammenarbeit zwischen Verlag und Buchhandlung gesorgt. Neben den spezialisierten Dienstleistern (u.a. Genios GmbH, Swets GmbH) sind mit den Buchhandlungen Schweitzer Sortiment (München), Facultas (Wien), der Sack-Buchhandels-Gruppe (Düsseldorf ) und mit Lehmanns Media (Köln) auch vier Player aus der Liste der Top 50 der größten Buchhandlungen im deutschsprachigen Raum auf dem Markt für Fachinformation vertreten [6], die als ihre Kernzielgruppen die Bibliotheken und Unternehmen sehen. Mit den aktuellen Lesegeräten (E-Reader, Tablets etc.) gewinnen nun auch die E-Books (vor allem im PDF-Format) im Fachinformationsbereich zunehmend an Bedeutung. In Deutschland war dabei unter anderem der Auftritt der ciando GmbH als dem ersten verlagsübergreifenden E-Book-Shop in Deutschland überhaupt bereits im Jahr 2001 bemerkenswert. Für die anderen Warengruppen (Belletristik, Sachbuch/ Ratgeber, Kinder-/ Jugendbuch usw.) und damit für etwa 80 Prozent des Umsatzes auf dem Buchmarkt (auf Basis der Zahlen 2010 [1]) sind die Entwicklungen durch die Digitalisierung allerdings zum Teil dramatisch. In der o.g. Studie des Börsenvereins zu E-Books [4] gehen die stationären Buchhändler für das Jahr 2015 von einem Marktanteil der E-Books an ihrem Gesamtumsatz von nur ca. 3,2 Prozent aus. Die Verlage hingegen erwarten für sich im Schnitt einen Umsatzanteil von ca. 16 Prozent. Dies zeigt schon die wachsende Diskrepanz zwischen Herstellern und angestammtem Vertriebsweg - und nicht zuletzt die schnell wachsende Bedeutung des Online-Handels und der spezialisierten E-Book- Vertriebsplattformen außerhalb des traditionellen Buchhandels (die nicht im Befragungs-Panel vertreten waren). Eine Studie der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCooper vom September 2010 [2] legte im Rahmen einer Expertenbefragung unter Verlagen und Dienstleistern den Schwerpunkt auf den Massenmarkt der belletristischen Literatur, die ca. 60 Prozent des Umsatzes der Buchbranche ausmacht und traditionell das Kerngeschäft des Buchhandels bildet. Die befragten Experten erwarteten für das Jahr 2015 allein in diesem Markt einen Umsatzanteil der E-Books von 6,3 Prozent bzw. ca. 350 Millionen-Euro. 35 B2B-Kunden als Kurzform für Business-to-Business-Kunden (also Geschäftskunden). <?page no="348"?> 349 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte Allerdings wird dieser Umsatzanteil nicht durch die aktuell sichtbaren E- Book-Umsetzungen zu erreichen sein. Derzeit handelt es sich ja im Wesentlichen um die einfache Konvertierung der Print-Produkte in E-Book-PDF oder EPUB-Formate. Das Nebeneinander der verschiedenen Inhalte auf diesen Ausgabegeräten (siehe oben) wird die Erwartung des Endkunden an die Darbietung der Inhalte deutlich erhöhen. Davon werden vor allem die Fach- und Sachinformationsverlage betroffen sein, für die diese multimedialen Elemente bzw. Darstellungen integraler Bestandteil ihres Geschäfts werden. Bei der belletristischen Literatur dagegen werden solche Elemente eher als Zusatznutzen eingeschätzt, die ggf. zur Produkt- und Preisdifferenzierung genutzt werden können. Für den Verlag ergibt sich zudem die Frage, wie er mit der veränderten Wertschöpfungskette umgeht. Generell lässt sich beobachten, dass die Digitalisierung die Aufmerksamkeit des Verlags deutlich stärker auf den Endkunden und den Direktvertrieb lenkt bzw. in der Zukunft lenken wird. Zum einen geschieht dies, weil die bisher etablierten Strukturen und Prozesse des vom Verlag fertigzustellenden Buches wegfallen. Sie waren im Wesentlichen durch das physische Produkt geprägt - von der Druckvorstufe über den Druck, die Bindung, Lagerhaltung und Auslieferung zur Warenpräsenz im Handel und schließlich bis hin zur Remissionsabwicklung. Zum anderen müssen vom Verlag bei der Entwicklung digitaler Produkte deutlich stärker als in der physischen Welt die unterschiedlichen Ausgabeformen, Lesegeräte und Kundenerwartungen mitgedacht werden. Die Verlage begreifen diese Veränderungen zum Teil auch als große Chance, die Wertschöpfungskette in Richtung Endkunde aus ihrer Sicht zu verkürzen und die aus logistischer Sicht - auf den ersten Blick - verzichtbaren Stufen Zwischenhandel und Buchhandel zu übergehen 36 . Allerdings muss damit auch eine Veränderung in den Verlagen einhergehen, da zumindest die belletristischen Verlage sowie die Anbieter von Sachinformationen auf diese neue Endkundennähe derzeit in der Regel nicht eingestellt sind. Es zeigt sich außerdem, dass es mit einfachen Download-Angeboten von E-Books für die Endverbraucher nicht getan ist. Um das Geschäft mit digitalen Büchern professionell, in der technischen und betriebswirtschaftlichen Abwicklung sicher und im Sinne des Endverbrauchers komfortabel zu betreiben, bedarf es nicht geringer Investitionen in eine Endkundenverwaltung, in ein 36 Dass dieses »Überflüssigwerden« in der kompletten Kette vom Autor zum Leser auch den Verlagen selbst droht (Stichwort: Self-publishing-Plattformen) wird an anderer Stelle aufgezeigt (siehe Kapitel 6.3). <?page no="349"?> 6. Digitale Produkte 350 geeignetes Shop-System mit Bestell- und Payment-Logistik, in eine spezielle Auslieferungslogistik (unter anderem zur Implementierung des endkundenspezifischen digitalen Rechtemanagements [DRM]) 37 , und nicht zuletzt in eine wettbewerbsfähige After-Sales-Serviceeinheit (Hotline, Endkundensupport). Diese Investitionen können die in Deutschland in der Regel eher kleinbis mittelständisch aufgestellten Verlage nicht leisten. Da der traditionelle Buchhandel aus den im vorangegangenen Abschnitt genannten Gründen als wichtigster Partner des Verlags an Bedeutung verliert, konzentrieren sich die Verlage derzeit auf die großen Plattformen für den E- Book-Vertrieb bzw. nutzen die Dienste von sogenannten E-Book-Aggregatoren, die die digitalen Angebote verschiedener Verlage bündeln und an Verkaufsplattformen vertreiben. Die Plattformen lassen sich dabei wiederum nach ihrem Geschäftsmodell einordnen in die Kategorien • Closed Shop: vollintegrierte Plattformen mit Bindung an einen Gerätehersteller oder ein Betriebssystem, reglementierter Zugang durch den Anbieter, z.-B. Apple iTunes, Kindle (Amazon), kobo books • Open Shop: offene Plattform, Beschränkung auf ein Betriebssystem, aber unterschiedliche Geräte, z.- B. Libri eBooks (Libri.de GmbH), meine ebooks (KNV GmbH) oder auch das Projekt »Tolino« (s. o.) • Verlagsübergreifende Plattformen: mehrere Verlage entwickeln gemeinsam Vertriebsplattformen und öffnen diese auch für weitere Anbieter, z.-B. skoobe, pubbles GmbH & Co. KG • Offene Plattformen mit einer Vielzahl von Anbietern für verschiedene Betriebssysteme und Geräte, z.-B. pageplace (Deutsche Telekom), ciando • Direktvertrieb: Plattform eines Verlags exklusiv für seine Kunden. Die Grenzen sind hier zum Teil fließend, da einige der Anbieter, die mit eher geschlossenen Systemen gestartet sind, inzwischen vor allem hinsichtlich der Endgeräte eine Öffnung vollzogen haben, um möglichst in allen technischen Konstellationen, die auf der Seite der Endverbraucher zum Einsatz kommen, verfügbar zu sein. 6.4.3.2 Der Zwischenhandel: Verlagsauslieferung - Barsortiment - Aggregator Die Rolle des Zwischenhandels in der Buchbranche wurde in den Kapiteln 4.2.5 und 4.2.6 ausführlich dargestellt. Im anbrechenden Zeitalter des digitalen Publizierens sehen sich auch die 37 Siehe Kapitel 6.2.2.3 <?page no="350"?> 351 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte Zwischenhändler neuen Herausforderungen gegenüber, die mit den Veränderungen auf Verlagsseite sowie bei den Buchhändlern und - beides bedingend - natürlich im Konsumentenverhalten einhergehen. Aufgrund der wachsenden Marktanteile der digitalen Bücher muss der Zwischenhandel, ganz banal, erst einmal mit geringeren Volumina bei der Bestellung und Auslieferung der physischen Produkte rechnen. Zusätzlich wächst durch die Konzentration auf Handels- und Verlagsseite der Druck auf die Kosten und damit auf die Marge des Zwischenhandels, der ja auch bei sinkenden Umsätzen mit Printprodukten weiter gezwungen sein wird, die komplette Infrastruktur aufrecht zu erhalten, ergo die Kosten auf weniger ausgelieferte Bestellungen zu verteilen - oder aber die Kosten zu senken. Zum anderen muss der Zwischenhandel natürlich in seinem eigenen Interesse dafür Sorge tragen, dass er als Auslieferung die Nachfrage der Verlage nach Dienstleistungen in der digitalen Distribution aufnimmt und sich auch in diesem neuen Geschäftsfeld als Partner der Verlage unverzichtbar macht. Als Barsortiment muss er die Rolle des »Aggregators« oder Großhändlers gegenüber dem Buchhandel aufrechterhalten. Dabei trifft der Zwischenhandel im Bereich der digitalen Distribution auf neue Wettbewerber, die entweder mit den E-Books ganz neu auf den Markt kommen oder aber mit einer Expertise aus dem digitalen Vertrieb anderer Branchen - z.-B. der Musikindustrie - nun die neuen Produkte der Buchindustrie als Ergänzung ihres angestammten Geschäfts verstehen. In den vergangenen drei Jahren haben sich die Verlagsauslieferungen auf dem Markt für digitale Distribution und angeschlossene Dienstleistungen etabliert. In unterschiedlichen Konstellationen, also entweder über spezialisierte Abteilungen des Unternehmens oder über eigenständige Tochterfirmen, bieten sie den Verlagen im Kern die folgenden Leistungen: • Digitale Distribution, also den Betrieb eines so genannten »Digital Warehouse«. Darin werden alle Prozesse bereitgehalten, um E-Book-Dateien (im Falle des Versands einer Master-Copy) oder E-Book-Download- Token (im Falle des sogenannten »Remote Digital Warehouse«) je nach Modell an Endkunden oder Shops auszuliefern. Zudem werden im Digital Warehouse die beschreibenden Metadaten (bibliographische Daten, Cover-Daten, Leseproben, Marketing-Materialien etc.) vorgehalten und an die angeschlossenen Vertriebsplattformen ausgeliefert. Hier erfolgt auch die Konsolidierung der Rückmeldungen der Plattformen über erfolgte Abverkäufe, die dann an den Verlag berichtet werden. Wenn vom Verlag gewünscht, werden die E-Books hier auch mit den entsprechenden DRM- <?page no="351"?> 6. Digitale Produkte 352 Schutzmechanismen versehen. Das bedeutet derzeit beim so genannten »harten Kopierschutz« die Verschlüsselung auf der Basis des Adobe Content Servers 4 bzw. der Software »Adobe Digital Edition«. 38 • Dokumentenaufbereitung und Datenkonvertierung, also die Konvertierung von (in der Regel) Print-PDF-Dateien in E-Books im PDF- oder EPUB-Format und Anreicherung der E-Books mit vom Verlag gelieferten multimedialen Elementen (Audio, Video etc.) mit entsprechender Qualitätssicherung. Dazu kommt die Konvertierung in die von den großen Plattformen wie Amazon und Apple gewünschten Sonderformate, die Erzeugung von Leseproben u.-v.-m. Mit diesen Dienstleistungen bewegt sich der Zwischenhandel aus der bis dato physischen Welt der Lagerhaltung und Auslieferung von Büchern in die digitale Produktwelt. Er kann auch hier auf Skaleneffekte setzen: Die einzelnen notwendigen Prozesse können vor dem Hintergrund der aktuell geringen Umsätze nur ökonomisch sinnvoll und effizient von einem Unternehmen aufgesetzt werden, das diese Dienstleistungen mehreren Verlagen anbietet. Auch hier vereinfacht der Zwischenhandel die Prozesse zwischen Verlag und Händler wesentlich. Eine Stufe weiter gehen die Aggregatoren, seien es etablierte Barsortimente oder neue Unternehmen wie unter anderen die Bookwire GmbH oder die KontorNewMedia GmbH. Diese schließen selbst Einkaufsverträge mit den Verlagen auf der einen Seite und Vertriebsverträge mit den Plattformen auf der anderen Seite. Zu den »Newcomern« im Zwischenhandel gehören auch Ceebo.de, eine Unternehmung der Media Control GmbH, oder die readbox publishing OHG, die sich mit ihren Plattformen und Dienstleistungen für die E-Book- Distribution an dem Modell der digitalen Verlagsauslieferung orientieren. Eine Sonderrolle nehmen Unternehmen wie die ciando GmbH oder auch die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, eine Wirtschaftstochter des Börsenvereins, mit der E-Book-Plattform libreka! ein. Sie betreiben neben ihrer Rolle als Großhändler auch noch Endverbraucher-Plattformen, treten also selbst als Letztverkäufer gegenüber dem Endverbraucher auf. Die Belieferung des klassischen Buchhandels mit E-Books - genauer gesagt: der Online-Shops der stationären Buchhändler - erfolgt dabei im Wesentlichen durch die beiden großen Barsortimente. Auch für den Buchhandel gilt, dass die Rechtslage beim Vertrieb von E-Books hohe Aufwände in Zeit und Rechtsberatung nach sich ziehen würden, wenn mit jedem Verlag ein eige- 38 Siehe Kapitel 6.2.2.3 zu DRM und Adobe Content Server 4. <?page no="352"?> 353 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte ner E-Book-Vertriebsvertrag abgeschlossen werden müsste. Deshalb greift der kleine und mittlere Buchhandel gern auf die Großhandelsfunktion des Aggregators oder der Barsortimente zurück. Zudem ermöglichen die Barsortimente dem Buchhandel auch den Bezug von E-Book-Readern und damit auch den Verkauf der Hardware in ihrer Buchhandlung. Auch hier gilt, dass das notwendige Know-How für die Beschaffung der Hardware und die Einrichtung eines auf die Buchhandlung zugeschnittenen Shops auf dem Reader - eine notwendige Maßnahme zur Bindung des Endkunden an den Verkäufer der Hardware und zur Sicherung der Nachbezüge von E-Books über das Gerät - für den einzelnen Buchhändler nicht zu leisten ist. 6.4.3.3 Der Buchhandel Mit den digitalen Produkten, egal ob als Datenbank, Onlineportal, E-Book oder als App, entstehen neben den etablierten und vom Endkunden gelernten Vertriebswegen (Direktvertrieb, Buchhandel Online-Handel) weitere Kanäle, über die der Endverbraucher die von Verlagen angebotenen Inhalte beziehen und nutzen kann. Der Buchmarkt in Deutschland ist trotz aller zu beobachtenden Konzentrationsprozesse auf den ersten Blick weiterhin sehr heterogen und eher mittelständisch geprägt. Im Jahr 2012 zählte der Börsenverein 3.440 Mitglieder aus dem verbreitenden Buchhandel. Das bedeutete einen Rückgang zum Vorjahr von 6,6% . Allerdings zeigte sich insbesondere bei der Verteilung der Umsätze eine deutliche Konzentration bei den Großen der Branche [1]. Mit der Konzentration im Buchhandel (siehe hierzu Kapitel 1.3.3) - verstärkt durch die von den Filialisten für 2013 bereits angekündigte Flächenbereinigung, also die Verkleinerung der aktuell noch vorhandenen Großflächen - wird zudem der Wettbewerb um die Listung, also die tatsächliche Verfügbarkeit der Titel eines Verlags bei einem Buchhändler, und um die Warenpräsentation im Ladengeschäft deutlich zunehmen. Bei den digitalen Produkten - vor allem E-Books und Apps - ist diese Abhängigkeit bereits heute gegeben. Zu bezweifeln ist, ob sich dies mit dem Wachstum des Marktes verändern wird. Nach allen zugänglichen Zahlen halten bei den E-Books derzeit fünf Plattformen ca. 90 Prozent des Umsatzes in diesem Bereich. Bei den Apps ist der Markt derzeit natürlich komplett durch die beiden Betriebssystem- und Anwendungsanbieter Google (Android; Google Play) und Apple (iOS; App-Store) dominiert. Zudem werden die Verlage sich darauf einstellen müssen, dass neue Vertriebsplattformen auf den Markt kommen, die keine Wurzeln im Handel mit <?page no="353"?> 6. Digitale Produkte 354 traditionellen Büchern haben. Diese bringen in ihrem Geschäftsgebaren die Usancen aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik, der Software- und Games-Branche und der Musikindustrie mit, wo die Konzentrationsprozesse schon sehr viel weiter fortgeschritten sind 39 . In Summe sind das alles Tendenzen, die die Bedeutung des Online-Handels und damit aller Maßnahmen zur bestmöglichen Auffindbarkeit von Produkten über Suchmaschinen und in Online-Shops steigern werden. Damit erhalten insbesondere belletristische Verlage aber auch eine große Chance, ein deutlicheres Augenmerk auf die Backlist (also Titel ab dem 2. Jahr ihres ersten Erscheinens auf dem Markt) zu legen, die im stationären Handel in der Regel immer mehr zurückgedrängt wird. Wie bereits beschrieben liegt der Marktanteil des stationären Sortiments im Buchmarkt aktuell bei ca. 50 Prozent. Er ist damit derzeit noch die wichtigste Vertriebsstrecke der Verlage für gedruckte Bücher. Die aus Sicht der Verlage allerdings eher zögerliche Bereitschaft des mittelständischen Buchhandels [4], sich des Themas »E-Book« anzunehmen, hat ihre Ursache auch darin, dass es in den vergangenen Jahren nur wenigen Buchhändlern gelungen ist, mit einem aktiv betriebenen Online-Shop - dem generischen Bezugsweg für digitale Produkte - überhaupt Erfahrungen zu sammeln. Das Gros der Buchhändler in Deutschland ist zwar mit einem Auftritt im Netz vertreten, setzt dabei allerdings seit Ende der 1990er Jahre mit Unterstützung der Barsortimente und der Wirtschaftstochter MVB GmbH des Börsenvereins auf sogenannte White- Label-Shop-Lösungen - also auf E-Commerce-Lösungen, die von den Anbietern standardisiert entwickelt werden und dann in ihrem »Look & Feel« an die jeweilige Buchhandlung angepasst werden. Diesen Weg gehen derzeit, nach den veröffentlichten Zahlen der Unternehmen KNV, Libri, Umbreit und der MVB, ca. 2.500 bis 3.000 Buchhandlungen. Der unbestreitbare Anfangsvorteil einer solchen Lösung, nämlich mit geringer Investition und minimalem Aufwand sehr schnell Bücher über das Internet anbieten zu können, führte allerdings in den meisten Fällen dazu, dass der Shop als für den Fortbestand des Unternehmens relevanter Vertriebsweg nicht oder nicht ausreichend akzeptiert wurde. Daher wurde er auch nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit bezüglich Kundenansprache, Kundenbindung, Beobachtung des Einkaufsverhaltens, aktiver Pflege der Sortiments-Schwerpunkte etc. betreut. Der Online-Shop war nur ein Shop für Bücher - aber eben nicht der Online-Auftritt der Buchhandlung mit allen Stärken des lokalen Buchhändlers, wie etwa mit regionalem Bezug, individueller Sortimentsgestaltung oder spezieller Kundenberatung [17]. 39 Siehe dazu auch 6.4.3.4 <?page no="354"?> 355 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte Diese damit versäumte Bindung des Kunden der stationären Buchhandlung an den Online-Shop schlägt nun bei der steigenden Bedeutung der digitalen Produkte umso heftiger zurück: Die Kunden sind in den vergangenen Jahren zuerst mit dem Bezug ihrer gedruckten Bücher abgewandert - und kommen natürlich ohne größere Anstrengungen seitens des stationären Buchhandels für den Kauf von digitalen Produkten nicht zurück, da sie ihrem lokalen Buchhändler generell die Kompetenz in einem rein online-basierten Geschäft nicht zutrauen. Hinzu kommt, dass viele Buchhändler den Verkauf der Hardware - also im Wesentlichen der E-Book-Reader - im Ladenlokal in den letzten drei Jahren kategorisch abgelehnt oder sich damit nur unzureichend auseinandergesetzt haben. Mit dieser Haltung wurde eine weitere Chance verpasst, sich gegenüber dem Endkunden im neuen Geschäftsfeld der E-Books zu positionieren. Eine Ausnahme bilden hier die Filialisten, deren Strategie ab Mitte 2010 ganz konkret in diese Richtung entwickelt wurde - wenn auch nicht mit der Geschwindigkeit, die notwendig gewesen wäre, um Amazon auch in diesem Feld Paroli zu bieten. Diese Situation hat sich 2012 zumindest vom Engagement und der Grundeinstellung her mittlerweile deutlich verbessert. Buchhändler schließen sich in ihren zum Teil bereits bestehenden Einkaufs- und Marketing-Verbünden zusammen, um sowohl das Thema E-Reader als auch die E-Books aktiver anzugehen und über einen gemeinsamen Einkauf die Kostennachteile gegenüber den Filialisten auszugleichen. Zudem werden die Angebote der Barsortimente und der MVB mittlerweile gut angenommen. Hoffnungen setzen viele Buchhändler auch in Projekte wie die so genannten »E-Book-Cards« der Firma epidu (http: / / www.ebookcards.de/ ). Mit dem Verkauf der physischen E-Book-Cards im Ladengeschäft, die über einen darauf abgedruckten Code den Download eines E-Books durch den Endkunden auf dessen Lesegerät ermöglichen, soll der Kunde auch im Laden offensiv auf das Angebot von E-Books hingewiesen werden. Dieses Projekt ist im Frühjahr 2012 in Kooperation mit dem Barsortiment Umbreit bei ausgewählten Buchhandlungen in die Pilotphase gegangen. Der nachhaltige Erfolg und sein Beitrag zur Positionierung des Buchhandels als kompetenter Anbieter von E- Books kann derzeit noch nicht beurteilt werden. 6.4.3.4 Die neuen Player Die Bedeutung des Online-Handels im deutschen Buchmarkt wurde bereits beschrieben. Bemerkenswert ist vor allem das ungebrochene Wachstum in die- <?page no="355"?> 6. Digitale Produkte 356 sem Bereich. Und das gilt nicht nur für das Produkt Buch. Der Bundesverband Versandhandel meldete für 2011, dass der Versandhandel insgesamt (also inklusive des Internethandels, der inzwischen 60 Prozent des Versandhandels ausmacht) mit 34 Milliarden-Euro auf einen Anteil von nun 8,2 Prozent am gesamten Einzelhandelsumsatz in Deutschland gestiegen ist. Gegenüber 2010 bedeutet das ein Wachstum von ca. 13 Prozent [21]. Damit zeigt sich, dass der Anteil des Versandhandels in der Buchbranche überproportional ausgeprägt ist, aber trotz des höheren Niveaus weiterhin vergleichbare Steigerungsraten aufweist (siehe Kapitel 3.2 bzw. [1]). Mit Markteintritt des ersten tatsächlich von einem breiteren Publikum wahrgenommenen E-Book-Readers, des Sony PRS-505 im März 2009, können wir in Deutschland vom Neustart des Geschäfts mit digitalen Büchern sprechen. Damit liegt der Startpunkt ca. zwei Jahre nach dem Launch des ersten Kindle E-Readers in den USA im Jahr 2007. In einer strategischen Partnerschaft mit der Libri.de GmbH wurden die Lesegeräte von Sony auch vom Start weg über den Buchhandel vertrieben. Der schleppende Beginn in Deutschland war - neben dem damaligen hohen Geräte-Preis von 299-Euro - im Wesentlichen durch das fehlende digitale Sortiment im Publikumsmarkt im deutschsprachigen Raum bedingt. Diese Verfügbarkeit ist insbesondere im Bereich der Bestseller erst im Verlauf des Jahres 2011 signifikant verbessert worden, sodass seit 2010 nach und nach die großen Online-Händler wie Weltbild, bücher.de, buch.de und natürlich Amazon (mit Start des deutschen Kindle-Shops im April 2011) in den Vertrieb von E-Books eingestiegen sind. Apples Start mit einem deutschsprachigen Programm für den iBook-Store ging einher mit dem Verkaufsstart des iPad in Deutschland im Frühjahr 2010. Der Markteintritt von Apple in den E-Book-Vertrieb hat dazu geführt, dass sich auch Apples Wettbewerber auf dem angestammten Feld Hardware und Software sowie - nach dem Erfolg des iPhones - auch die Anbieter von Smartphones für die digitalen Inhalte der Buchbranche zu interessieren begannen. In erster Linie Acer und Samsung, aber auch Nokia versuchten über im Markt agierende Großhändler wie die Barsortimente und die MVB-Tochter libreka! im Einkauf schnell an größere Mengen von E-Books zu gelangen, um nicht durch die komplexen Lizenzvertrags-Verhandlungen mit einzelnen Verlagen daran gehindert zu werden, bei der von Apple und dann Amazon aufgenommenen Geschwindigkeit der Marktbesetzung und -entwicklung zu viel Zeit zu verlieren. Der Mobilfunk- und Hardwarebranche traditionell nahe stehende E-Book-Aggregatoren wie txtr (Berlin) oder textunes (Berlin, jetzt zur Thalia- <?page no="356"?> 357 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte Gruppe gehörend) haben den Wettbewerb um die Aggregation und Belieferung dieser für die Buchbranche neuen Vertriebspartner zusätzlich belebt. Im Juni 2011 trat dann mit Kobo (mit der Plattform kobobooks.com) ein weiterer internationaler E-Book-Vertreiber mit Kerngeschäft in Kanada und in den USA in den deutschsprachigen Markt ein. Zeitgleich begannen auch die großen Mobilfunk-Netzbetreiber wie Vodafone (mit der Plattform Live! Mitte 2010) und die Deutsche Telekom (mit der Plattform »pageplace.de« im März 2011) dieses Geschäftspotenzial für sich zu entdecken. Im Dezember 2010 bzw. Frühjahr 2012 starteten mit Media Markt und Saturn die beiden großen Elektronikmarkt-Ketten in Deutschland ebenfalls den Vertrieb von E-Books. Dazwischen lag der Start der neben Media Markt und Saturn dritten Metro-Tochter, der Online-Plattform »redcoon« für Elektronik-Artikel. Die Erfahrung der letzten drei Jahre im sich bildenden E-Book-Markt für Belletristik lehrt, dass insbesondere die neuen Teilnehmer in der Buchbranche sich dadurch auszeichnen, ihre Geschäftsmodelle und Vertriebsstrategien innerhalb von sechs bis maximal zwölf Monaten zu ändern und an Nutzerbedürfnisse bzw. Wettbewerbsvorgaben anzupassen. 6.4.4 Marketing für digitale Produkte - eine Anmerkung Neben den in diesem Abschnitt bereits genannten Herausforderungen für Verlage im Vertrieb von digitalen Produkten, die im Kern noch auf dem klassischen Geschäftsmodell »Geld gegen Buch« basieren, müssen sich die Verlage aus vertrieblicher Sicht auch mit neuen Geschäftsmodellen und Anforderungen an das Marketing für E-Books und Apps auseinandersetzen. So ist z.- B. das Verfügbarmachen einer Leseprobe eines digitalen Buchs entweder als E-Book-Auszug (wie unter anderem im iBook-Store von Apple) oder als so genannte Widget-Applikation (wie z.- B. mit der Technik der Firma book2look oder »Blick-ins-Buch« [Search Inside The Book SITB] bei Amazon) eine Pflicht für Verlage. Sie wird ihnen von allen größeren Plattformen abverlangt bzw. es holen sich die Plattformen das Recht beim Verlag ein, diese selbst erstellen zu dürfen. Damit soll der Interessent vor dem Kauf einen Eindruck vom Inhalt erhalten. Zudem gleichen hiermit insbesondere die Online-Händler einen großen Nachteil gegenüber ihren stationären Wettbewerbern in gewissem Maße aus: die fehlende Möglichkeit zum »Stöbern« bzw. »Durchblättern« in der Buchhandlung. In beiden oligopolen Märkten - bei Print ggf. in mittlerer Zukunft, bei E-Book und Apps bereits heute - müssen sich Verlage für eine erfolgreiche <?page no="357"?> 6. Digitale Produkte 358 Marktbearbeitung von ihrem gewohnten Vorgehen verabschieden: Waren sie bisher in der Regel stark vertriebs- und bestsellergetrieben - mit allen Werkzeugen des so genannten »Push-Marketings« -, müssen sie in Zukunft ein deutlich höheres Augenmerk auf Handels- und Endkundenmarketing legen und mit »Pull-Marketing« gezielt Nachfrage erzeugen. Ein Großteil der Marketing-Kommunikation von Handel und Verlagen wird nicht zuletzt über eine intensive Ansprache der Zielgruppen in den neuen »Clubs« im Internet - den sozialen Medien - erfolgen. Neben der Kommunikation des Unternehmens mit seinen bestehenden oder potenziellen Kunden ist zudem die wachsende Bedeutung der Kunde-zu-Kunde-Kommunikation zu berücksichtigen, die sich bereits heute im Rezensions- und Empfehlungswesen und im Wachstum der Social-Reading-Plattformen manifestiert. Wenn man die aktuell agierenden Händler vergleicht, dann scheinen folgende Anforderungen an den Vertrieb erfolgskritisch zu sein [18]: • Biete digitale Produkte über entsprechende Applikationen (Reading Apps) für alle Endgeräte an (eInk, Android-Geräte, iOS-Geräte etc.). Noch besser: Wenn möglich, biete auch selbst alle Endgeräte an. • Ermögliche dem Endkunden eine Cloud-basierte Bibliothek seiner Einkäufe zum jederzeit möglichen Wechsel des verwendeten Endbzw. Lesegeräts. • Biete auf dem Endgerät und/ oder im Internet eine moderne Shop-Lösung zum Bezug der Produkte an. • Sorge durch Personalisierung, Empfehlungswesen, Social-Reading-Einbindung in die sozialen Netze und ein gutes Customer Relationship Management (CRM) für ein optimales Kundengefühl. Zusammengefasst: Tue als Händler alles, damit der Endkunde deinen einmal gewählten »Kosmos« nie wieder verlassen möchte! Dass die perfekte Umsetzung aktuell noch auf keiner Plattform wirklich realisiert ist, wird den Wettbewerb in den kommenden Jahren noch spannend halten. Die Ausgangspositionen von Apple und Amazon sind derzeit sicher die besten. Die offene Frage ist, wie sich Google mit seiner E-Book-Verkaufsplattform im deutschsprachigen Markt etablieren wird. 6.4.5 Die Zukunft des Handels im digitalen Zeitalter Für den Verbraucher, der nach maximalem Komfort bei der Nutzung von E- Books strebt, ist der Wettbewerb der unterschiedlichen Vertriebsplattformen derzeit sehr unübersichtlich. Für welche Hardware (E-Reader, Tablet, Smart- <?page no="358"?> 359 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte phone) zur Nutzung von E-Books soll er sich entscheiden? Wo findet er das beste und umfassendste Angebot an E-Books? Wer bietet ihm den besten Service? Da der Verkaufspreis in Deutschland aufgrund der Preisbindung (außer bei Importware) nach aktueller Rechtsprechung kein Differenzierungsmerkmal der Plattformen ist, sind die oben aufgeführten Fragen entscheidend für die Auswahl der E-Book-Bezugsquellen. Damit ist auch nachvollziehbar, dass die Entscheidung momentan eher durch die Wahl der Hardware bestimmt wird. Diesem neuen Phänomen muss sich die Buchbranche stellen: Mit der Digitalisierung hat sie sich stark den internationalen Technologiemärkten genähert - und damit auch deren Dynamik und Spielregeln. 40 Aktuell versuchen die E-Book-Vertreiber dieser Tatsache dadurch Rechnung zu tragen, dass sie mit dem Logo ihres jeweiligen Shops gebrandete sogenannte »Reading Apps« für alle relevanten Konstellationen von Hard- und Software anbieten. Somit kann der Kunde die E-Books, die er bei Amazon, Kobo, pageplace, Weltbild etc. gekauft hat, auch wirklich auf jedem der speziellen Lesegräte nutzen. Ob die starre Haltung von Apple dabei aufrecht zu erhalten sein wird - dass also der Bezug von E-Books immer nur über den iBook-Store oder den Apple App-Store laufen darf und »fremde« E-Books dort nicht gelesen werden können - bleibt abzuwarten. Auch Sony versucht inzwischen, den direkten Weg zum Leser zu beschreiten und betreibt - gestützt auf seine E-Reader-Hardware - eine eigene Vertriebsplattform (den Sony-Reader-Club). Ein weiterer Aspekt wird zudem das auch in Zukunft wachsende Angebot an digitalen Büchern sein. Ist derzeit die Belletristik als größte Warengruppe (nach Umsatz) im besonderen Fokus der Vertriebsplattformen, werden insbesondere das Sachbuch, die Ratgeber und das Kinder- und Jugendbuch vor größeren Umbrüchen in der Zukunft stehen. Das zeigt nicht zuletzt der Blick in die USA. Etwas unwägbarer ist hier die Entwicklung des Bereichs Schule und Lernen, dessen Entwicklung im Bereich der Digitalisierung ganz extrem abhängig ist von der Akzeptanz und den Anschaffungs-Budgets dieser dann neuen Produkte bei den Schulträgern und dem Lehrpersonal in den Bundesländern und den Kommunen. Und dies natürlich einhergehend mit der derzeit unbeantworteten Frage, wie und wann die zur Nutzung notwendigen Lesegeräte in den Schulalltag Einzug halten werden. Es ist bezüglich der Geschäftsmodelle davon auszugehen, dass neben die heute fast ausschließlich verwendeten Kaufmodelle bei E-Books die so genannten nutzungsbasierten Modelle (Ausleihe, kostenloses Lesen gegen Ak- 40 Siehe Kapitel 7.3. <?page no="359"?> 6. Digitale Produkte 360 zeptanz von Werbung in E-Books etc.) treten werden. Vieles spricht dafür, dass auch hier der Konsum und die Geschäftsmodelle der um die Aufmerksamkeit und das Budget des Endkunden konkurrierenden Anwendungen auf digitalen Lesegräten (Musik, Spiele, Video) zu weiteren, neuen Geschäfts- und Bezahlmodellen in der Buchbranche führen werden. Diese Entwicklung wird auch im Bereich der Fachinformation voranschreiten: Erste Modelle der sogenannten »Patron Driven Acquisition« (PDA), also der kundengesteuerte Erwerb von E-Books, werden von Verlagen bereits praktiziert. Die Bibliothek kann dadurch eine Vielzahl von Titeln in den Katalog aufnehmen, ohne zusätzliche Gebühren entrichten zu müssen. Kosten entstehen nur, wenn ein Kunde das Buch ausleihen möchte. In diesem Fall kann die Bibliothek das Buch gegen eine Gebühr kurzfristig leihen oder, bei größerer Nachfrage, kaufen. Einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Publikumsmarktes und zur einfachen Handhabung von E-Books für den Handel, aber insbesondere für den Endkunden könnten die Rechteinhaber (Verlage, Autoren) direkt leisten. Das wäre der Verzicht auf den heute überwiegend eingesetzten sogenannten »harten Kopierschutz« (»hartes DRM«). Wie bei allen technischen Schutzmechanismen führt er zu Mehraufwand bei allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette und im schlimmsten Fall zum »Versagen« des E-Books auf Nutzerseite: Er kann das gekaufte Buch nicht lesen. Wenige Verlage in Deutschland - allerdings auch namhafte - verzichten bereits auf diesen Schutzmechanismus und versuchen stattdessen, durch nutzerorientierte Preisstellung und attraktive Produkte dem immer wieder angeführten Argument für hartes DRM - der Piraterie - entgegenzutreten. Der Markt der E-Book-Vertreiber in der Zukunft: Die Experten [19] gehen davon aus, dass sich mittelfristig die »großen Drei« Google, Amazon und Apple ca. 60 bis 70-Prozent des Publikumsmarktes für E-Books sichern könnten. Der traditionell mittelständische Buchhandel muss dabei in seiner Breite schnellstens seine Grundhaltung gegenüber dem E-Commerce insgesamt und den Geschäftspotenzialen der E-Books im Speziellen ändern. Die aktuellen Zahlen des Börsenvereins für das Jahr 2012 [4] stimmen zumindest hoffnungsvoll. Die dafür notwendigen Technologien stehen zu vernünftigen ökonomischen Bedingungen zur Verfügung - entscheidend ist die innere Überzeugung und ggf. das Loslassen von tradierten und aus dem Ladengeschäft resultierenden Gewohnheiten und Arbeitsweisen. Das in Kapitel 6.4.2 beschriebene Projekt »Tolino«, das laut verschiedener Meldungen der Branchenpresse auch <?page no="360"?> 361 6.4. Der Vertrieb der digitalen Produkte für den mittelständischen Buchhandel geöffnet werden soll, wäre dabei sicher ein wichtiger Baustein. Der Weg des Einzelhändlers zum Multichannel Commerce [20] oder auch E(verywhere)-Commerce ist vorgezeichnet - der Konsument wird nur wegen des Produktes »Buch« auf in anderen Bereichen gelernte Verhaltensmuster beim Einkauf nicht verzichten. Und das E-Book befördert diese Entwicklung mit großer Sicherheit. Es bleibt also abzuwarten, ob und wie es den anderen Playern und nicht zuletzt dem traditionellen Buchhandel in der nahen Zukunft und darüber hinaus gelingt, diesen Markt von monopolistischen bzw. oligopolistischen Wettbewerbsstrukturen fern zu halten. Im Sinne des Wettbewerbs um Service- und Angebotsqualität aus Sicht des Endkunden und auch mit Blick auf die nachfrageorientierte und unparteiische Vermittlerrolle des Handels zwischen Autor bzw. Verlag und dem Endkunden wäre es der Branche in jedem Falle zu wünschen. <?page no="362"?> 363 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 7.1 Verhältnis Urheber/ Verwerter Das Recht eines Urhebers, in jeder Hinsicht über sein Werk zu verfügen (oder nicht zu verfügen und Verfügungen Dritter zu verhindern = Verbotsrechte), ist Inhalt des Urheberrechts. Das Urheberrecht wird heute als selbstverständliches Persönlichkeits- und Eigentumsrecht des Urhebers angesehen, basierend ebenso auf Grundrechtsgarantien wie denen der »Universal Declaration of Human Rights« der Vereinten Nationen. Das Urheberrecht im klassischen Sinn schützt alle persönlichen geistigen Schöpfungen, insbesondere: • Literarische Werke (einschließlich Wissenschaft) • Musikalische Werke • Darstellende Kunst (Tanz, Pantomime, Choreografie) • Werke der bildenden Kunst • Architektonische Schöpfungen • Kinematografische Werke (einschließlich Fernsehen, Video Games) • Fotografien • Computerprogramme In diesem Buch wird vom Urheberrecht nur in Bezug auf literarische Werke im weitesten Sinn und am Rande solche der bildenden Kunst und der Fotografie sowie der Computerprogramme gesprochen. Das Urheberrecht entsteht von selbst mit der Schaffung des Werks, nicht etwa erst mit dessen Veröffentlichung. Es bedarf auch keiner Registrierung wie etwa beim Patentrecht. Jede geistige Schöpfung ist als geistiges Eigentum (Intellectual Property Right [IPR])geschützt. Die Verfügungs- und Verbotsrechte des Urhebers allein können aber nicht dessen eigentliches Ziel, öffentliche Sichtbarkeit, bewirken: Jede intellektuelle Schöpfung bedarf, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden zu können, der Verwertung. Alle Verwertungsrechte liegen gemäß dem deutschen Urheberrechtsgesetz beim Urheber und können durch diesen selbst oder per Rechteübertragung (§ 31 UrhG) durch Dritte (Verwerter) wahrgenommen werden. Die Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte kann als einfaches oder ausschließliches Recht ausgestaltet werden (§ 31/ 1). Beim einfachen Recht kann der Urheber (z. B. ein Fotograf ) dasselbe Bild mehreren Nutzern übertragen, beim ausschließlichen Recht erhält es exklusiv ein Verwerter (regel- <?page no="363"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 364 mäßig z.B. der Verleger bei einem Buchmanuskript). Die Verwertungsrechte werden im Vierten Abschnitt des UrhG in den §§ 15-24 aufgezählt. Grundsätzlich stellt § 15/ 1 fest »Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten«. In Abs. 2 wird dasselbe für Formen der unkörperlichen Wiedergabe konstatiert. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechte: • Vervielfältigungsrecht (§ 16) • Verbreitungsrecht (§ 17) • Ausstellungsrecht (§ 18) • Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19) • Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a) • Senderecht (§ 20) • Europäische Satellitensendung (§ 20a) • Kabelweitersendung (§ 20b) • Wiedergabe durch Bild- und Tonträger (§ 21) • Funksendungen (§ 22) • Bearbeitungen und Umgestaltungen (§ 23) Jede dieser Verwertungen bedarf zwingend der Genehmigung durch den Urheber, die in der Regel mittels eines Vertrages (Verlagsvertrag, Sendevertrag, Aufführungsvertrag u.s.w.) erteilt wird. Mit der Schaffung des §19a sind die Verwertungen im Internet nun berücksichtigt. Sinn dieses Zwangs zur Lizenzierung ist der Schutz der Urheber. Zum einen wird so gewährleistet, dass der Urheber sich eine angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Verwertung seiner Schöpfungen sichern kann. Zum anderen kann er seine urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen durchsetzen und bspw. verhindern, dass sein Vertragspartner das Werk in einer Weise nutzt, die er ablehnt. Häufig werden weitere Verwertungsrechte im Rahmen des Vertrags über die intendierte Hauptnutzung (z.B. Publikation eines Buches) hinaus als Bündel mit übertragen. Der Autor kann aber entscheiden, ob er die Nutzungsrechte an seinem Werk zur Gänze oder nur zu Teilen, für die Dauer des Urheberrechts (in der EU mittlerweile generell 70 Jahre post mortem auctoris) oder nur eine bestimmte Frist, für die ganze Welt oder nur regional begrenzt (z.B. einen Sprachraum) übertragen will. Im Rahmen eines Verlagsvertrags wird es zwingend sein, dass der Urheber die Taschenbuch- und Buchclubrechte dem Verleger überträgt, da diesem sonst eine ertragsmäßig optimierte zeitliche Steuerung der diversen Nutzungen in Buchform verwehrt bliebe. Ob er auch die Film- und Senderechte mit überträgt, bleibt der Verhandlung zwischen <?page no="364"?> 365 7.1 Verhältnis Urheber/ Verwerter Urheber und Erstverwerter überlassen. Häufig wird zwischen buchnahen und buchferneren Rechten in der Weise unterschieden, dass die Anteilsquote des Urhebers an den Erträgnissen aus buchfernen Verwertungsformen höher ist als bei den buchnahen Verwertungsformen, die ja die Erträgnisse aus der Erstverwertungsform unmittelbar beeinträchtigen. Lässt sich ein Verwerter solche weiteren Rechte übertragen, ist er im Sinne von Treu und Glauben auch verpflichtet, sich aktiv um entsprechende Verwertungsmöglichkeiten zu bemühen, sei es durch ihn selbst oder durch Lizenzen an Dritte. Bleibt eine solche Verwertung innerhalb angemessener Frist aus, ist der Autor berechtigt, diese Rechte zurückzurufen. Das Gleiche gilt, wenn die Werknutzung eingestellt wurde, z.B. der Verleger bei einem vergriffenen Werk weder Nachdruck noch Neuauflage veranstaltet. Alle genannten Verwertungen erfolgen auf einzelvertraglicher Basis. Für Verwertungen, bei denen dies nicht möglich ist, werden Verwertungsgesellschaften tätig (s. Kap. 7.4). Dies gilt insbesondere für diejenigen Nutzungen, bei denen aufgrund einer Gemeinwohlorientierung durch die »Schranken des Urheberrechts« (6. Abschnitt UrhG, § 45-63a) dem Urheber die Befugnisse zur Untersagung einer Werknutzung durch Dritte genommen sind, d.h. bestimmten Nutzern von Gesetzes wegen gestattet ist, das Werk zu nutzen (gesetzliche Lizenz). Nicht immer ist der Autor der alleinige Inhaber von Rechten an einem Werk. So kann z.B. bei vom Verlag initiierten Werken, z.B. Handbüchern, Serien oder Zeitschriften, das Recht am Titel und der Reihe beim Verlag liegen - er ist dann sogenannter »Herr des Unternehmens«, innerhalb dessen die einzelnen Mitwirkenden, seien es Herausgeber oder Autoren, agieren. Der Austritt eines oder mehrerer von ihnen tangiert die Rechte des Verlags an Werk oder Reihe als solchem nicht. Dem Verlag gehört dann quasi eine Hülle, die aber markenrechtlich sehr bedeutungsvoll und ökonomisch wertvoll sein kann. Des Weiteren verfügt der Verlag wie ein eigenständiger Rechtsinhaber über all die Texte, die angestellte Mitarbeiter im Rahmen ihres Dienstvertrages geschaffen haben, z. B. als Schulbuch- oder Lexikonredakteure, Zeitschriftenredakteure u.s.w. In seltenen Fällen erhält ein Verlag auch Rechte durch Erbschaft. Zu den Fällen, in denen mehrere Urheber an einem Werk beteiligt sind und also nur zu Teilen verfügungsberechtigt sind, siehe S. 380 f. und Kap. 7.9.1 In den nachfolgenden Abschnitten werden die vorstehend umrissenen Regelungsnotwendigkeiten näher dargestellt, wobei allerdings eine vollständige Behandlung unmöglich ist. In diesem Kapitel geht es um die regelungsbedürftigen Sachverhalte, die in der Praxis besonders wichtig sind. Für Sonder- <?page no="365"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 366 fälle und Details muss auf spezielle juristische Werke zurückgegriffen werden. Daneben bietet der Börsenverein mit seiner Rechtsabteilung ein Instrument sehr kompetenter Auskünfte bei Rechtsproblemen der Mitgliedsverlage. Der Leiter dieser Abteilung ist zudem intensiv beteiligt an der Aushandlung von Verbandsvereinbarungen (s. Kap. 7.3) und der Interessenvertretung in den Verwertungsgesellschaften (s. Kap. 7.11.2). 7.2- Verlagsgesetz Das Verlagsgesetz (VerlG) ist eines der ältesten, seit seiner Verkündung im Jahre 1901 in nahezu allen zentralen Regelungen immer noch gültigen Gesetze. Ziel des Gesetzes ist primär, für alle diejenigen Fälle Vertragsinhalte zu fixieren, in denen - aus welchen Gründen auch immer - kein oder ein nur unvollständiger Verlagsvertrag geschlossen wurde. Auch heute gibt es immer noch Fälle, etwa bei der Publikation von Tagungsberichten, in denen kein Verlagsvertrag geschlossen wird: Konkludentes Verhalten der Partner und die Regelungen des Verlagsgesetzes bieten eine völlig ausreichende rechtliche Basis. Verlagsverträge zu schließen, ist immer dann wichtig, wenn die Vertragsschließenden von den Regelungen des Verlagsgesetzes abweichen möchten - das ist in aller Regel in zentralen Punkten der Fall. Die Regelungen des Verlagsgesetzes sind also weitestgehend abdingbar, d.h. es kann durch vertragliche Vereinbarung etwas Anderes bestimmt werden. Das Verlagsgesetz schafft einen Minimalrahmen gesetzlicher Regelungen mit dem Ziel von Rechtssicherheit insbesondere im Interesse der Urheber. Zunächst regelt das Verlagsgesetz in §§ 1 und 2 grundlegende Rechte und Pflichten: § 1 [Inhalt des Verlagsvertrags] Durch den Verlagsvertrag über ein Werk der Literatur oder der Tonkunst wird der Verfasser verpflichtet, dem Verleger das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene Rechnung zu überlassen. Der Verleger ist verpflichtet, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten. § 2 [Enthaltungspflicht und vorbehaltene Befugnisse des Verfassers] (1) Der Verfasser hat sich während der Dauer des Vertragsverhältnisses jeder Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes zu enthalten, die einem Dritten während der Dauer des Urheberrechts untersagt ist. (2) Dem Verfasser verbleibt jedoch die Befugnis zur Vervielfältigung und Verbreitung: <?page no="366"?> 367 7.2 Verlagsgesetz 1. für die Übersetzung in eine andere Sprache oder in eine andere Mundart; 2. für die Wiedergabe einer Erzählung in dramatischer Form oder eines Bühnenwerkes in der Form einer Erzählung; 3. für die Bearbeitung eines Werkes der Tonkunst, soweit sie nicht bloß ein Auszug oder eine Übertragung in eine andere Tonart oder Stimmlage ist; 4. für die Benutzung des Werkes zum Zwecke der mechanischen Wiedergabe für das Gehör; 5. für die Benutzung eines Schriftwerkes oder einer Abbildung zu einer bildlichen Darstellung, welche das Originalwerk seinem Inhalt nach im Wege der Kinematografie oder eines ihr ähnlichen Verfahrens wiedergibt. (3) Auch ist der Verfasser zur Vervielfältigung und Verbreitung in einer Gesamtausgabe befugt, wenn seit dem Ablaufe des Kalenderjahrs, in welchem das Werk erschienen ist, zwanzig Jahre verstrichen sind. Ein Abweichen von § 1 ist per Vertrag schwer vorstellbar - welchen Zweck sollte solch ein Verlagsvertrag denn sonst haben? Aber schon § 2 bringt Regelungen, die im Verlagsvertrag abweichend geregelt werden können - und aus Sicht des Verlages regelmäßig auch sollten. Für den Fall, dass es keine abweichenden Vereinbarungen gibt, trifft das Verlagsgesetz des Weiteren nachfolgende Regelungen (in Auswahl): • Der Verlag ist nur zu einer Auflage berechtigt, die im Zweifel nicht mehr als 1.000 Exemplare betragen darf (§ 5) • Regelungen der Manuskriptbeschaffenheit zu den Ablieferungsterminen (§§ 10 u. 11) • Art und Weise der Vervielfältigung und Verbreitung, nämlich in einer »zweckentsprechenden und üblichen Weise« (§§ 14-16) • keine Verpflichtung zu Neuauflagen (§ 17) • Kündigungsrecht des Verlages bei Wegfall des Vertragszwecks (§ 18) • Bestimmung des Ladenpreises durch den Verleger (§ 21) • Zahlung und Fälligkeit von Honoraren (§§ 22 und 23) • Zahl der Freiexemplare (je nach Auflage, aber minimal 5, maximal 15) • Rücktrittsrechte des Verlags wegen verspäteter Ablieferung (§ 30) oder nicht vertragsgemäßer Beschaffenheit (§ 31). Weil es eine ganze Reihe grundsätzlich sinnvoller Bestimmungen im Verlagsgesetz gibt, empfiehlt sich in vielen Fällen eine Bezugnahme auf dessen Regelungen im Verlagsvertrag für alle jene Sachverhalte, die nicht im Verlagsvertrag ausdrücklich anders geregelt wurden. <?page no="367"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 368 7.3- Vertragsnormen und Normverträge Zwischen den Einfachstregeln des Verlagsgesetzes und der unabsehbaren Vielfalt denkbarer vertraglicher Regelungen unter dem Regime der Vertragsfreiheit stehen freiwillige Vereinbarungen zwischen Autorenverbänden und Verlegerverbänden, die Empfehlungen aussprechen, wie ausgewogene und faire Verlagsverträge gestaltet werden sollten. Insbesondere geht es dabei um folgende Vereinbarungen: Zwischen dem Verband deutscher Schriftsteller in der Gewerkschaft ver.di und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels: • Normvertrag für den Abschluss von Verlagsverträgen (vorwiegend belletristischer Werke und Sachbücher) vom 19.10.78 in der Fassung vom 1.4.99 (Derzeit wird eine Neufassung verhandelt, die ab 2014 gilt, aber keine grundsätzlichen Veränderungen bringt). • Normvertrag für den Abschluss von Übersetzungsverträgen vom 11.5.92 (für Werke ähnlicher Art wie vorstehend). Zwischen dem Deutschen Hochschulverband und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels: • Vertragsnormen für wissenschaftliche Werke (Fassung 2000). Die Rechtsabteilung des Börsenvereins stellt die Texte auf Anforderung zur Verfügung (www.boersenverein.de). Diese Vereinbarungen sind Verbandsempfehlungen, die den Mitgliedern der Verbände nicht verbindlich auferlegt werden können. Die Verbände haben sich aber verpflichtet, auf die Anwendung - egal ob wörtlich oder sinngemäß - hinzuwirken. Dazu steht in der Präambel des Normvertrags: 1. Die Vertragschließenden haben den diesem Rahmenvertrag beiliegenden Normvertrag für den Abschluß von Verlagsverträgen vereinbart. Die Vertragschließenden verpflichten sich, darauf hinzuwirken, daß ihre Mitglieder nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund zu Lasten des Autors von diesem Normvertrag abweichen. 2. Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, daß einige Probleme sich einer generellen Regelung im Sinne eines Normvertrags entziehen. Dies gilt insbesondere für Options- und Konkurrenzausschlussklauseln einschließlich etwaiger Vergütungsregelungen, bei deren individueller Verein- <?page no="368"?> 369 7.3 Vertragsnormen und Normverträge barung die schwierigen rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen besonders sorgfältig zu prüfen sind. Den Vertragsnormen für wissenschaftliche Werke ist der nachfolgende, wesentlich ausführlichere und den guten Geist vertrauensvoller Kooperation zwischen Urheber und Verleger betonende Abschnitt vorangestellt. Die darin enthaltenen Erwägungen sind auch bei Vertragsabschlüssen über nichtwissenschaftliche Werke sehr hilfreich: I. Was Verfasser und Verleger regeln sollten 1. Grundsätzliches Der Deutsche Hochschulverband und die im Börsenverein des Deutschen Buchhandels vertretenen Verleger stimmen darin überein, dass Autoren, Herausgeber und Verleger eine konstruktive und kooperative Beziehung zur Grundlage ihrer Arbeit machen sollen - dies ist eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreiche Publikationen. Dieses gegenseitige Vertrauen ist besonders wichtig, weil es trotz der weitgehenden Übereinstimmung in der generellen Zielsetzung Interessengegensätze gibt, die es einvernehmlich zu lösen gilt. Richtschnur aller Vereinbarungen soll deshalb eine sachgerechte Zuordnung der Rechte und Pflichten sowie Verteilung von Kosten sein, ebenso eine angemessene erfolgsorientierte Beteiligung des Autors. Beide Partner sollen ihr bestes Können einbringen und dabei die Interessenlage der anderen Seite mitbedenken. Dabei gilt es, Kompromisse zu schließen zwischen erwünschten Optimallösungen und Kostengesichtspunkten, zwischen wissenschaftlichen Zielsetzungen und den Erfordernissen des Marktes. Je genauer und offener diese oft im Widerstreit liegenden Aspekte und die daraus folgenden möglichen Konflikte beim Vertragsabschluss durchdacht werden, desto effizienter und potentiell erfolgreicher wird die Publikationsarbeit werden. Dadurch können auch bei den häufig auftretenden, nicht vorhergesehenen nachträglichen Veränderungen im Projektcharakter oder Projektablauf weitgehend Konflikte vermieden werden. Eine klare und frühzeitige Festlegung von Verantwortlichkeiten ist besonders wichtig im elektronischen Bereich mit seiner viel engeren Verzahnung von Anforderungen der technischen Produktion mit den Grundkonzepten der Manuskripterstellung: Autoren, Herausgeber und Verleger müssen in einer früher so nicht bekannten Weise schon in der Planungsphase eng zusammenarbeiten. Angesichts der unterschiedlichen Erfordernisse bei den unterschiedlichen Publikationsformen vom Taschenbuch bis zum Loseblattwerk und zu hochspeziali- <?page no="369"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 370 sierten Monographien ist bei jedem Vertragsabschluss sorgfältig zu prüfen, ob die in den Musterverträgen niedergelegten Regelungen für die spezifischen Fälle angemessen sind oder inwieweit es spezieller ergänzender Vereinbarungen bedarf. Eine schematische Anwendung der Musterverträge wird nicht empfohlen; andererseits sollte man von den Musterverträgen nur in den Fällen abweichen, in denen es gewichtige sachliche Gründe gibt. 2. Typische Verträge zwischen Verfasser und Verleger Das Verlagsrecht geht davon aus, dass ein einzelner Verfasser ein Werk geschrieben hat und dieses dem Verleger zur Vervielfältigung und Verbreitung im Druck überlässt. Die Verlagspraxis muss aber auch mit anderen Situationen und Veröffentlichungsformen rechnen und hat entsprechend angepasste Vertragstypen für die dafür üblichen und notwendigen Rechtseinräumungen herausgebildet. In Teil II finden sich Vertragsmuster für diejenigen Vertragstypen, die im Bereich der Wissenschaft besonders häufig vorkommen. Die Vertragsmuster bemühen sich, der Gestaltung des Einzelfalles durch Formulierung von zahlreichen Alternativen Rechnung zu tragen. Um die Muster nicht allzu kompliziert zu gestalten, wird darauf verzichtet, die Vertragsschließenden in beiden Geschlechtsformen zu benennen. Es versteht sich von selbst, dass gegebenenfalls eine entsprechende Anpassung vorzunehmen ist. Was im Vertrag üblicherweise zu regeln ist, wird im Abschnitt 7.5 behandelt. Es ist festzustellen, dass die mit großer Sorgfalt und Sachkunde zwischen den beteiligten Verbänden verhandelten und als konkrete Muster ausgestalteten Normverträge zu erheblicher Rechtssicherheit für beide Seiten führen. Beide Normvertragswerke berücksichtigen in sachlicher und ausgewogener, ganz auf die Belange der Praxis bezogenen Weise alle relevanten und klärungsbedürftigen Sachverhalte. Jeder Verleger ist gut beraten, diese Verträge anzuwenden oder zumindest in ihrer Substanz zu verinnerlichen und in die eigenen Vertragstexte zu integrieren. Dass in bestimmten Fällen Modifikationen und Ergänzungen notwendig sind, ist selbstverständlich. Dabei sind auch spezielle Vertragsgestaltungen mit Illustratoren zu bedenken: je hochwertiger und konstitutiver die Illustrationen für ein Werk sind, desto sorgfältiger ist hier vorzugehen, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Online-Rechte. Dies gilt ebenso für Übersetzungsverträge. Gerade wegen der Vielfalt unterschiedlicher sachlicher Gegebenheiten und daraus folgend der sehr unterschiedlichen von den Vertragsparteien verfolgten Zwecke ist das Prinzip der Vertragsfreiheit von zentraler Bedeutung. <?page no="370"?> 371 7.3 Vertragsnormen und Normverträge Eine Fortschreibung von good-practice-Regeln steht dem Prinzip der Vertragsfreiheit dabei nicht grundsätzlich im Wege, solange in deren Rahmen ausreichend viele Optionen verbleiben, die alle als good practice gelten. Tarifähnliche enge Normierungen dagegen setzten einen »Norm«-Urheber voraus, der wohl eher in der Fantasie von Gewerkschaftsfunktionären als in der Wirklichkeit existiert. Im Jahre 2004 wurde zudem, ausgehend von den neuen Bestimmungen der Urheberrechtsnovellierung 2002, die den Anspruch der Autoren auf »angemessene Vergütung« (§ 32 UrhG) und dazu das Instrument »gemeinsamer Vergütungsregeln« (§ 36) geschaffen hat, eine erste solche Vergütungsregel zwischen dem Schriftstellerverband in der Gewerkschaft ver.di und einer Mehrzahl wichtiger Publikumsverlage abgeschlossen. Die wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung sind: • Geltungsbereich: belletristische Werke (§ 1) • Normalhonorar 10% vom Ladenpreis (ohne MWSt.) (§ 3/ 1) • eine Spanne nach unten (bis zu 8%) kann ausgeschöpft werden mit Blick auf (§-3/ 2) 1. Größe und Struktur des Verwerters 2. die mutmaßlich geringe Verkaufserwartung 3. das Vorliegen eines Erstlingswerkes 4. die beschränkte Möglichkeit der Rechteverwertung 5. den außergewöhnlichen Lektoratsaufwand 6. die Notwendigkeit umfangreicher Lizenzeinholung 7. den niedrigen Endverkaufspreis 8. genrespezifische Entstehungs- und Marktbedingungen. • nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen noch darunter (§ 3/ 3) • Staffelbeteiligung bei Taschenbuchausgaben im selben Verlag bis 20.000 Exemplare 5% ab 20.000 Exemplare 6% ab 40.000 Exemplaren 7% ab 100.000 Exemplaren 8% von Nettoladenverkaufspreis (§ 4) • Nebenrechtsanteil (§ 5) 60% bei buchfernen Nebenrechten 50% bei buchnahen Nebenrechten • im Regelfall eine Honorarvorschusszahlung (§ 6) <?page no="371"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 372 7.4- Werkvertrag/ Bestellvertrag Während der Verlagsvertrag eine gegenseitige Verpflichtung begründet - für den Autor die Lieferung des Manuskripts, für den Verlag die Pflicht zur Veröffentlichung - ist dies beim Werkvertrag, auch Bestellvertrag genannt, anders: Hier wird der Verfasser in eng gezogene Vorgaben seitens des Bestellers (Verlags) eingebunden, z.B. als Illustrator oder als Beiträger zu einer Enzyklopädie. Der Bestellvertrag enthält ausdrücklich keine Veröffentlichungspflicht des Bestellers, wenn das Gelieferte nach Einschätzung des Bestellers nicht den Erfordernissen oder Vorgaben entspricht, also z.B. nicht in den geplanten Kontext (Gesamtwerk) passt. Das Recht, das vom Urheber Gelieferte nicht zu verwerten, ist allerdings unbeschadet des Honoraranspruchs des Verfassers, insoweit dieser nicht völlig eindeutig von den Vorgaben abgewichen ist, d.h. ein aliud geliefert hat, das keine Vertragserfüllung seinerseits bedeutet. Nicht selten wird im Bestellvertrag bereits unterschieden zwischen dem Honorar bei Nutzung des gelieferten Manuskripts und einem (niedrigeren Ausfall-) Honorar bei Nichtnutzung durch den Besteller. Da alle Rechtsübertragungen und sonstigen Rechte und Pflichten bei einem Bestellvertrag ebenso bedeutsam sind wie bei einem Verlagsvertrag, ist es dringend geraten, auf die Formulierung von Bestellverträgen die gleiche Sorgfalt zu verwenden wie auf einen Verlagsvertrag, z.B. bezüglich Terminen, Übersetzungs- und anderer Nebenrechte. Bestellverträge sollten nur in wohlbegründeten Fällen zur Anwendung kommen. Der Normalfall bleibt auf jeden Fall der Verlagsvertrag. Ein typischer Bestellvertrag ist in der Regel der Übersetzungsvertrag. Mit der Schaffung eines eigenständigen deutschen Sprachwerks erwirbt der Übersetzer eigenständige Urheberrechte, deren Verwertung aber unauflöslich an das fremdsprachige Originalwerk geknüpft ist. Hieraus ergeben sich viele Probleme, insbesondere z.B. hinsichtlich eines angemessenen Anteils für den Übersetzer, nachdem sein garantiertes Festhonorar »verbraucht« ist (i.d.R. nach X-tausend verkauften Exemplaren). Der Rangwert von Original und Übersetzung stehen ebenso in Diskussion wie die Verhandlungsmacht der Beteiligten Die stärkste Kraft sind dabei in aller Regel die ausländischen Rechteinhaber bzw. deren Agenten. Deshalb bleibt nach Befriedigung von deren Ansprüchen nur ein sehr kleiner kalkulierbarer Rest, den die Übersetzer ab einer festgesetzten Absatzzahl als Prozent-Anteil erhalten können. <?page no="372"?> 373 7.5 Wesentliche Regelungen in Verlagsverträgen 7.5- Wesentliche Regelungen in Verlagsverträgen Je sorgfältiger und den jeweiligen Zielsetzungen der Parteien individuell angepasster ein Vertrag aufgesetzt wird, desto eher können für alle Beteiligten nachträglich auftretende Interpretationsfragen oder Konflikte ausgeschlossen werden. Gerade darin liegt die große Bedeutung der unter Kap. 7.3 behandelten Normverträge, weil in diesen nahezu alle denkbaren Sachverhalte angesprochen sind, deren inhaltliche, materielle Ausgestaltung im Einzelnen sodann der freien Vereinbarung unter den Vertragspartnern unterliegt, soweit es nicht z.B. Verbandsvereinbarungen über Normhonorare (gemeinsame Vergütungsregeln nach § 36 UrhG) gibt, die insoweit die Vertragsfreiheit einschränken. Geregelt werden sollten insbesondere: - Der Vertragsgegenstand sowohl hinsichtlich seiner Thematik, der Darstellungsform, des Anspruchsniveaus wie auch der gedachten Zielgruppen. Je klarer diese Definition des zu liefernden Manuskripts ist, desto geringer die Gefahr, dass der Verlag bei einem Manuskript, das seinen Vorstellungen nicht entspricht, dennoch zur Publikation gezwungen ist: Bei klarer Definition des vom Autor Geschuldeten ist der Nachweis einer etwaigen aliud-Lieferung, die den Verlag von der Publikationspflicht entbindet, wesentlich erleichtert. Es liegt auf der Hand, dass solche klaren Definitionen bei Fach- und wissenschaftlichen Büchern wesentlich leichter zu formulieren sind als bei anderen Textarten, etwa einem Roman. Von großer Bedeutung ist auch die Festlegung eines Ziel- oder Maximalumfangs, bei dessen Nichteinhaltung der Verlag vom Vertrag zurücktreten kann. Entsprechendes gilt auch die Festsetzung eines Ablieferungstermins. Dass in gegenseitigem Einvernehmen in der Praxis sehr häufig von den ursprünglichen Vertragsdaten abgerückt wird, ist bekannt. Was hilft denn in den meisten Fällen dem Verlag sein Rücktrittsrecht? Was er will, ist das Manuskript, und sei es verzögert und erheblich über das Limit angeschwollen. Solange es gut und marktgerecht ist, sind ja alle Abweichungen akzeptabel. - Umfang der Rechtseinräumung. Hier geht es zunächst um das Hauptrecht: Bezieht es sich auf Veröffentlichung in gedruckter Form, in elektronischer Form (on- oder off-line) oder auf beides? Für Letzteres hat die Rechtsabteilung des Börsenvereins eine sehr umfassende, in dieser Detailliertheit aber unverzichtbare Formulierung für die Rechteübertragungen ausgearbeitet, deren Benutzung sehr anzuraten ist (s. a. S.-292 f.). Weitere klärungsbedürftige Fragen <?page no="373"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 374 sind: Ist das Hauptrecht zeitlich und räumlich unbeschränkt übertragen, also für die Dauer des gesetzlichen Schutzes und die ganze Welt, oder gibt es eine kürzere Vertragslaufzeit oder räumliche Begrenzungen der Verwertung? Ebenso können auch sonstige Verwertungsgrenzen vereinbart werden: So kann ein korporativer Rechtsinhaber z.B. nur die Vertriebsrechte im Buchhandel vergeben, sich aber den Vertrieb an seine Mitglieder, z.B. einen kommunalen oder wissenschaftlichen Verein, selbst vorbehalten (s. a. Kap 2.2.5). Bei der Rechtsübertragung für gedruckte Formen empfiehlt sich die Aufzählung aller realistischen Verwertungsformen (Taschenbuch-, Sonder-, Buchclub-, Studienausgaben, Vorabdrucke etc.). Das Hauptrecht kann sich auch auf weitere Werkformen wie Hörbücher (als Kassette oder CD oder DVD) beziehen, aber auch auf Mikroformen, Blindenausgaben etc. Ganz wesentliches Element der Rechtseinräumung durch den Urheber ist auch, dass die übertragenen Rechte frei von Rechten Dritter sind, der Urheber den Verlag also insoweit von Ansprüchen Dritter frei stellt. Dem Verlag ist es ja meist nicht möglich zu erkennen, ob der Autor etwa die Zitatbefugnisse überschreitet, gar plagiiert oder die Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt (s. a. Kap. 7.7). Deshalb empfiehlt sich ein Vertragspassus etwa wie folgt: Der Autor versichert, dass sein Werk und das von ihm zur Verfügung zu stellende Bildmaterial nicht Rechte Dritter verletzt, dass er allein berechtigt ist, über das Werk zu verfügen und anderweitig keine solche Verfügung ganz oder teilweise vorgenommen hat oder vornehmen wird. Ergänzend ist bei Fachbüchern oft folgende weitere Regelung sinnvoll: Er ist, unbeschadet seiner Gesamtverantwortung für das Werk, berechtigt, Koautoren heranzuziehen, mit denen er geeignete interne Vereinbarungen trifft und insbesondere dafür sorgt, dass eine Rechteübertragung gemäß §x und xx dieses Vertrags erfolgt. - Umfang der Nebenrechtseinräumung. Üblicherweise werden in einem Verlagsvertrag für belletristische und Sachbücher folgende Rechte übertragen: <?page no="374"?> 375 7.5 Wesentliche Regelungen in Verlagsverträgen Verwertung als • Fremdsprachige Übersetzung Mundartausgabe • Lizenzierung von Taschenbuch-, Volks-, Sonder- und Buchclubausgaben • Vortrags-, Dramatisierungs- Funk-, Fernseh- und Verfilmungsrechte • Tonträgerrechte • Vertriebslizenzen • Recht der Vertonung Für jede Verwertungsbzw. Lizenzierungsart muss der Anteil von Verlag bzw. Verfasser an den erzielten Erlösen festgelegt werden. Er schwankt üblicherweise zwischen 50: 50 bei den buchnahen und 60-80% für den Verfasser bei buchfernen Rechten, die die ursprüngliche Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigen. Bei buchnahen Lizenzvergaben (etwa Taschenbuchrechten) muss der Anteil des Verlags natürlich höher bemessen werden, da diese den Absatz des Originalwerks unmittelbar und gravierend beeinflussen. Der Normvertrag sieht berechtigterweise ein Rückrufrecht des Verfassers vor, wenn der Verlag sich nicht oder nicht binnen angemessener Frist erfolgreich um entsprechende Werkverwertungen gekümmert hat. Fairer Grundsatz beim Umfang der Nebenrechtsübertragung sollte ohnehin stets sein: Der Verlag soll sich keine Rechte übertragen lassen, deren Verwertung entweder ohnehin nicht in Frage kommt oder deren Nutzung er nicht erfolgreich bewirken kann. So ist der Umfang der Rechteübertragung bei wissenschaftlichen und Fachbüchern in der Regel deutlich kleiner: Es fallen Dramatisierung, Vertonung, Verfilmung und die entsprechenden Aufführungs- und Senderechte selbstverständlich weg. Ein solches Verfahren entspricht auch dem, was die Zweckübertragungstheorie besagt: dass nämlich alle Rechte, die nicht ausdrücklich übertragen wurden und die nicht zur Erfüllung des Vertragszwecks notwendig sind, beim Urheber verbleiben. Allerdings kollidiert es gerade bei größeren Verlagen mit dem administrativen Bedürfnis, allen Verträgen einheitliche Vertragstexte als Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde zu legen, um im Falle von Lizenzanfragen leichter die Übersicht zu behalten. In die gleiche Richtung zielt die Regelung des § 31/ 4 UrhG , der 1965 eingeführt wurde: Nach ihm ist es rechtlich unzulässig, Rechteübertragungen für (technisch) noch unbekannte Nutzungsarten zu vereinbaren. Urheber sollen hierdurch davor geschützt werden, ohne angemessene Honorarvereinbarung <?page no="375"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 376 Rechte zu übertragen. Diese Schutzregel zugunsten der Autoren ist mit dem 2002 eingeführten § 32 (Recht auf angemessene Vergütung) nicht mehr notwendig. Seine Abschaffung ist daher für die nächste Urheberrechtsnovelle geplant. Das ist für die Praxis von großer Bedeutung, da (insbesondere bei einer Mehrzahl von Urhebern an einem Werk) der Nacherwerb von Nutzungsrechten sehr aufwändig war und daran oft für die Urheber sinnvolle, ertragbringende neue Nutzungen scheiterten. - Weitere Rechte und Pflichten. Je nach den Gegebenheiten ist es darüber hinaus wichtig, die Verantwortlichkeiten der Partner festzulegen für: • Korrekturlesen • Beschaffung von Abbildungen • rechtliche Freistellung von Ansprüchen Dritter • (wegen Urheberrechts- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen) • Registererstellung • etwaige Unterstützung der Werbung usw. Für diese und eventuelle andere Aufgaben muss festgelegt werden, wer dafür verantwortlich ist, sowie wer gegebenenfalls welche Kosten (z.B. für die Bildbeschaffung) trägt. Auch andere Dinge können für einen Vertrag so wichtig sein, dass sie ausdrücklich genannt werden: z.B. ein fester Terminplan in bestimmten Fällen, in denen ein Buch zu einem bestimmten Ereignis (Jubiläum, Kongress, Kulturereignis) vorliegen soll. Dann empfiehlt sich die Fixierung eines exakten Termins und / oder Ablaufplanes von der Manuskriptabgabe über die Korrekturläufe bis hin zur Fertigstellung und der Bereitstellung an einem bestimmten Ort oder eine Versandaktion an einem bestimmten Tag. - Der Herausgebervertrag. Da Funktion und Aufgaben von Herausgebern durchaus verschieden sind von denjenigen der Autoren des herausgegebenen Werks, wird sinnvollerweise auch ein gesonderter Herausgebervertrag abgeschlossen werden. Da der Herausgeber meist zugleich auch Autor ist, erhält er also oft zwei Verträge. Dem Herausgeber obliegen üblicherweise die Konzeption des Werkes, die Auswahl und Heranziehung der Beiträger sowie deren Lenkung und Kontrolle. Das sind oft sehr zeitaufwändige Aufgaben, die zu honorieren sind. Nicht selten erhalten Herausgeber - berechtigterweise - ein höheres Honorar als alle <?page no="376"?> 377 7.5 Wesentliche Regelungen in Verlagsverträgen Beiträger zusammen. Die Herausgabe größerer, mehrbändiger Werke zieht sich oft über viele Jahre hin und wird sowohl aus Gründen der Sicherheit als auch des Arbeitsaufwands auf mehrere Personen verteilt. Urheberrechte entstehen in der Person des Herausgebers nicht zwangsläufig. Seine Hauptleistung ist Koordination und Qualitätskontrolle, bei Büchern ebenso wie bei Zeitschriften. Daher endet die Zahlung von Herausgeberhonoraren idR. auch mit der Beendigung der aktiven herausgeberischen Tätigkeit. Hat ein Herausgeber ein Werk oder eine Zeitschrift selbst konzipiert und kommt damit zu einem Verlag, ist er in der Regel auch Inhaber der Titelrechte und »Herr des Unternehmens«. Der Herausgebervertrag ist also ein Vertrag sui generis, die Vertragsnormen für wissenschaftliche Werke enthalten dafür ein gutes Modell. - Vertragliche Vereinbarungen mit Zeitschriftenbeiträgern. Angesichts der Vielzahl von Autoren kommt ein ausführlicher Vertrag in der Regel nicht in Betracht. Dennoch ist es, nicht zuletzt im Blick auf den nichtexklusiven zusätzlichen Erwerb digitaler Rechte - sei es für Einzeldokumentverkauf oder digitale Volltextkumulationen - erforderlich, in kürzestmöglicher Form die Rechteübertragung und deren Umfang schriftlich festzuhalten. Dafür empfiehlt sich die Verwendung des zwischen dem Deutschen Hochschulverband und dem Börsenverein im Rahmen der Vertragsnormen ausgearbeiteten Reverses. 4. Revers für die Einräumung von Nutzungsrechten an Zeitschriftenbeiträgen 1. Zur Veröffentlichung meines von den Herausgebern angenommenen Beitrages (einschl. Abstracts) in der Zeitschrift ... räume ich dem Verlag hiermit räumlich und zeitlich unbeschränkt das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie zur unkörperlichen öffentlichen oder individuellen Übermittlung und Wiedergabe des Beitrages im Rahmen der Zeitschrift ein, und zwar für alle Druck- und Daten-trägerausgaben (z.B. Diskette, CD-ROM) sowie zur Online-Nutzung in und aus Speichermedien, insbesondere Datenbanken (einschließlich elektronischer Speicherung, Verfügbarmachung für die Öffentlichkeit zum individuellen Abruf, Bildschirmwiedergabe und Ausdruck beim Nutzer, auch im Wege von Internet). Das schließt zugehörige Bildvorlagen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen mit ein. Der Verlag ist zur Veröffentlichung des Beitrages innerhalb angemessener Frist verpflichtet. <?page no="377"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 378 2. Ferner räume ich dem Verlag hiermit räumlich und zeitlich unbeschränkt die Rech-te ein für Nachdrucke, Abstracts (auch in fremdsprachigen Fassungen und als Vorabdruck), Sonderausgaben im Rahmen der Zeitschrift, fotomechanische Vervielfältigungen einschließlich Fernkopien, Mikrokopie-, Mikrofiche- und Mikroformausgaben sowie Bild- und Tonträgerausgaben inklusive Hörkassetten und Audio-CDs. 3. Der Verlag ist befugt, hinsichtlich der Rechte gemäß Nrn. 1 und 2 Nutzungsverträge mit Dritten abzuschließen. Soweit einzelne dieser Rechte durch eine Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können, ermächtige ich hiermit den Verlag zum Abschluss von entsprechenden Verträgen mit der betreffenden Verwertungsgesellschaft. 4. Die Rechte gemäß Nrn. 1 und 2 werden eingeräumt als ausschließliche Rechte für die Dauer eines Jahres ab Veröffentlichung meines Beitrages, anschließend als einfache Rechte. Nach Ablauf des Jahres darf ich einfache Nutzungsrechte am Beitrag an Dritte vergeben, wobei ich vertraglich sicherstellen werde, dass die Erstveröffentlichung in der Zeitschrift als Quelle genannt wird. 5. Ich versichere, über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an meinem Beitrag gemäß Nrn. 1 und 2 einschließlich zugehöriger Bildvorlagen, Pläne, Karten, Ski-zzen und Tabellen verfügen zu dürfen. Rechte Dritter werden durch den Beitrag nicht verletzt. 6. Bei Veröffentlichung meines Beitrages im Druck erhalte ich je Druckseite ein Honorar in Höhe von ... Euro, ggf. zuzüglich Mehrwertsteuer. Auch erhalte ich gratis ... Sonderdrucke. Für eine Veröffentlichung des Beitrages auf Datenträger oder im Wege vergütungspflichtiger Online-Übermittlungen wird zu gegebener Zeit eine besondere Honorarvereinbarung getroffen. ..........................................., den .......................................................... (Verfasser) _________________________________ 1 Es empfiehlt sich, dass der Verlag bzw. der Herausgeber den Revers zusammen mit der Bestätigung der Annahme des Beitragsmanuskripts zur Veröffentlichung versendet. - Erscheint der Abschluss eines ausführlichen Verlagsvertrages erforderlich, so kommt dafür der Mustervertrag Nr. 3 in Betracht. Für den Herausgeber gilt das Muster Nr. 6. 2 Eine Beteiligung des Verfassers an Lizenzeinnahmen des Verlages aus der Vergabe von Nutzungsrechten an Dritte sollte in Betracht gezogen werden, wenn der voraussichtliche Kostenaufwand des Verlages im Verhältnis zu den von ihm erzielten Erlösen dies rechtfertigt. <?page no="378"?> 379 7.6 Honorar und Nebenleistungen 7.6- Honorar und Nebenleistungen (s.-a.-Kap. 3.5) Einer der wichtigsten Vertragsbestandteile ist das Honorar. Hier eröffnet sich eine große Vielfalt von Gestaltungsvarianten, je nach der spezifischen Interessenlage und den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Dazu eine Übersicht gängiger Formen der Honorierung: Honorarformen • negatives Honorar (Druckkostenzuschuss) • negatives Honorar mit Rückzahlung ab x-tem verkauften Exemplar • kein Honorar • kein Honorar bis x-hundert Exemplare, danach Honorar • einmaliges Festhonorar • Festhonorar für x-tausend Exemplare, danach Absatzhonorar • Vorschuss (evtl. in mehreren Stufen, z.B. bei Vertragsabschluss, bei Manuskriptablieferung und bei Erscheinen), verrechenbar mit dem Absatzhonorar • Staffelhonorar x% bis …ts. Expl. y% ab …ts. Expl. z% ab …ts. Expl. • Stufenhonorar: erhöhter %-Satz, solange das Werk über x-tausend verkaufte Exemplare pro Jahr erreicht. Die kalkulatorische Wirkung eines Festhonorars ist eine andere als bei der Erfolgsbeteiligung: Einerseits ist das Festhonorar den Herstellkosten zuzu-ordnen, es entsteht eine entsprechende Hebelwirkung bei der Kalkulation (s. Kap. 3). Bis zu einer gewissen Verkaufszahl ist das Festhonorar daher pro Exemplar teurer für den Verlag (Absatzrisiko). Bei Überschreiten einer bestimmten Verkaufszahl kann andererseits jedoch auch das Umgekehrte der Fall sein. Dann allerdings tritt u. U. der Nachbesserungsanspruch des Autors auf den Plan, damit dieser nicht unverhältnismäßig wenig von den Verkäu-fen profitiert (§ 32 UrhG [angemessene Vergütung] bzw. § 32a [weitere Beteili-gung des Urhebers bei auffälligem nachträglichen Missverhältnis von Er-trägen und Vorteilen aus der Nutzung des Werks]). Bezugsbasis für Honorare. Bei Festhonoraren handelt es sich entweder um einen Pauschalbetrag für das Werk oder um ein Honorar pro Bogen oder Seite, bei Zeitschriften z. T. auch pro Spalte oder Zeile. Letzteres spielt insbesondere eine große Rolle bei Zeitschriften und Sammelwerken. Festhonorare werden in der Regel bei Erscheinen bezahlt, erhöhen also die Liquiditätsbelastung und das Absatzrisiko des Verlags. <?page no="379"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 380 Anders bei den Erfolgshonoraren: Hier zahlt der Verlag nur (nachträglich) für die verkauften Exemplare, hat also keine Liquiditätsbelastung und insoweit auch kein Absatzrisiko, es sei denn, es wurde eine nennenswerte Vorauszahlung geleistet. In deren Höhe entstehen dann wieder Liquiditätsbelastung und Absatzrisiko. Aufgrund dieser unterschiedlichen kostenrechnerischen Wirkung (Zinseffekt) und des Risikofaktors (ein Teil der schon per Festhonorar bezahlten Exemplare könnten unverkauft bleiben) sind Festhonorare in aller Regel niedriger als die (potenzielle) Summe der Erfolgshonorare über mehrere Perioden. Bezugsbasis für Erfolgshonorare (Absatzhonorare) können sein Ladenpreis brutto Ladenpreis netto (exkl. MWSt.) Verlagserlös brutto Verlagserlös netto (exkl. MWSt.) Alle diese Verfahren sind in Ordnung und seriös, insoweit die angewandten Prozentsätze äquivalent sind (s. S. 146). Das üblichste Verfahren ist die Honorarbasis Ladenpreis netto, wobei Autoren, die mehrwertsteuerpflichtig sind oder werden, die Mehrwertsteuer zusätzlich ausbezahlt bekommen. Für viele Autoren ist das Honorar eine wichtige, für manche die einzige Einkommensquelle. Dann ist die Honorarhöhe entscheidend. Es gibt aber auch Autoren, die vorrangig andere Ziele haben: Sie möchten z. B. in einem bestimmten (prestigeträchtigen) Umfeld erscheinen, so dass also das Programmumfeld viel wichtiger ist als die Honorierung. Aber selbst wenn es um Honorarmaximierung geht, ist nicht immer das höchste Angebot in Prozenten das vorteilhafteste: Was nützt dem Autor ein Angebot von 12% bei einem Verlag mit geringer Vertriebskraft, der nur 1.800 Exemplare seines Buches verkauft, gegenüber einem vertriebsstarken Verlag, der zwar nur 10% Honorar bietet, aber leicht das Doppelte verkauft? Die folgende Übersicht zeigt mögliche Beweggründe für Autoren, eine Honorarmaximierung nicht in höchster Priorität zu sehen: • Programmumfeld und Marktstellung des Verlags • Ausstattung (oft sind Autoren zu einer Honorarherabsetzung bereit im Ausgleich für eine höherwertige Ausstattung, z.B. mit Farbabbildungen) • Ladenpreis (nicht selten verzichten Autoren auf Teile des Honorars, um einen von ihnen gewünschten Ladenpreis zu ermöglichen) • Autor wünscht besonders umfangreiche Lektorierung, Faktenrecherche, Bildbeschaffung u.Ä. • Autor wünscht sehr hohe Zahl von Freistücken anstelle eines Teils des Honorars <?page no="380"?> 381 7.6 Honorar und Nebenleistungen Mehrere Honorarberechtigte. Es gibt viele Fälle, in denen der Autor auch deshalb nicht das »Normal«honorar erreichen kann, weil weitere Urheber zu entgelten sind: insbesondere aktiv tätige Herausgeber, die das Werk konzipieren und redigieren oder die Bildagenturen oder künstlerische Grafiker und Illustratoren, die seit langem beharrlich auch ihrerseits erfolgsabhängige, d.h. prozentuale Beteiligung über eine Pauschalzahlung i. S. eines Werkvertrags hinaus verlangen. Diese Forderung ist insbesondere dann berechtigt, wenn ein Buch seinen Erfolg den Illustrationen verdankt, die möglicherweise auch flächenmäßig dominieren - in solchen Fällen kann der Text durchaus die Nebensache sein. Traditionelle Verlage und auch die Gewerkschaft ver.di verkennen dies häufig und haben eine gewisse - nicht selten eher unbeabsichtigte - Vorliebe für den Textautor als den »eigentlichen« Urheber. Hier muss oft der Verlag der faire Mittler sein, der sorgsam abwägt, wem ein wie großer Anteil am kalkulierbaren Gesamthonorar zusteht. Eine ähnliche Situation, in der der Verlag häufig als fairer Moderator gefragt ist, ist die Beteiligung eines neuen Bearbeiters an einem bereits vorhandenen Buch: Hier will berechtigterweise der Altautor weiterhin Erträge aus seiner Schöpfung ziehen, aber der neu Hinzugetretene, der ja stufenweise durch seine Bearbeitungen das Werk aktuell hält und den Dauererfolg sichert, ebenfalls seine Leistung angemessen honoriert sehen. Deswegen empfiehlt sich in der Regel ein Stufenmodell einer absinkenden Beteiligung, z.B. erhält der hinzugetretene Autor bei der ersten Bearbeitung 25%, bei der zweiten 50%, bei der dritten 75%, ab der vierten Bearbeitung das gesamte Honorar. Je nach Sachverhalt kann ein steilerer oder flacherer Verlauf der Beteiligungsquote über mehr als drei Bearbeitungsstufen ebenso angemessen sein. Es empfiehlt sich sehr, diese Regelungen rechtzeitig zu Lebzeiten des Autors zu treffen. Autoren sehen das in der Regel nüchtern, während Verhandlungen mit eher emotional reagierenden Erben schwierig sind und nicht selten scheitern. Nicht zuletzt deshalb, weil »Vaters Werk« zum Monument stilisiert wird, das durch Bearbeitung nur verlieren kann. Zudem wird von Erben oft verkannt, wie schnell ein unbearbeitetes Werk an Marktwert verliert, weswegen auch aus Sicht der längerfristigen Ertragsmaximierung für die Erben die Hereinnahme eines Bearbeiters sehr ratsam wäre. Freiexemplare. Im weiteren Sinn zählt zur Honorierung auch die Zahl der Autorenfreiexemplare. Mit der gemäß Verlagsgesetz maximal geschuldeten Zahl von 15 Freiexemplaren werden sich viele Autoren nicht zufrieden geben. Der Verlag ist oft gut beraten, hier großzügig zu sein, denn technisch kosten diese Exemplare sehr wenig. Auch ein Erlösausfall ist oft wenig wahrschein- <?page no="381"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 382 lich, ganz im Gegenteil sind die vom Autor gezielt verschenkten Exemplare oft von hohem Werbewert und stehen damit den vom Verlag verschickten Freiexemplaren (Dozenten- oder Rezensionsexemplare) sehr nahe. Wichtig ist nur, dass der Autor diese Exemplare nicht einfach weiterverkauft, was sich im Verlagsvertrag leicht festlegen lässt. Ist der Autor im Einzelfall ein wichtiger, gewerbsmäßiger Verkäufer seines Werks - z.B. im Rahmen seiner Veranstaltungen -, sollte er im Verlagsvertrag auf seine gesetzliche Pflicht zur Beachtung des gebundenen Ladenpreises hingewiesen werden, um den Buchhandel vor Dumpingkonkurrenz zu bewahren. Gesetzliche Honoraransprüche des Urhebers. Durch den im Jahr 2002 neu in das Urheberrechtsgesetz eingefügten §- 32 (Angemessene Vergütung) wird dem Autor ein einklagbarer Anspruch zugesprochen, der unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen besteht. § 32 Angemessene Vergütung. Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird. (2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§-36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist. (3) Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Urhebers von den Absätzen 1 und 2 abweicht, kann der Vertragspartner sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen. (4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1 Satz 3, soweit die Vergütung für die Nutzung seiner Werke tarifvertraglich bestimmt ist. <?page no="382"?> 383 7.6 Honorar und Nebenleistungen Für jeden seriösen Verleger steht außer Frage, dass er seine Autoren angemessen honorieren will und wegen des erheblichen Wettbewerbs um gute Autoren das auch muss. Insoweit ist also diese Vorschrift zunächst unproblematisch, gäbe es nicht die Unsicherheit darüber, ob ein Gericht das vereinbarte marktübliche Honorar auch als angemessen beurteilen wird. Es hängt also seit 2002 ein Damoklesschwert über den Verlagen wegen eventueller späterer Nachforderungen. Daher hatte der Börsenverein in den Anhörungen zu dieser neuen Regelung beharrlich darauf hingewiesen, dass der Begriff »marktüblich« in den Absatz (2) aufgenommen werden solle. Das ist nicht wörtlich geschehen, aber die Formulierung »üblicher- und redlicherweise« kann als praktisch gleichwertig angesehen werden. Worum es den Initiatoren dieser Regelung (insbesondere den in ver.di organisierten Autoren) wirklich ging, zeigt die Abfolge der Gedankenführung in Absatz 2: Es wird nicht, wie es dem Grundsatz der Vertragsfreiheit entsprochen hätte, an erster Stelle der Maßstab des Üblichen und Redlichen angesprochen, sondern neu konzipierte, tarifvertragsähnliche Kollektivregeln: diese sollen zum Leitparadigma von Urhebervergütungen werden. Eine erste Vergütungsregel besteht mittlerweile (s. S.-371); außerhalb von deren Geltungsbereich besteht weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheit mit der Gefahr u.U. erheblicher Nachforderungen, falls ein Gericht die Angemessenheit des vereinbarten Honorars verneinen sollte. Völlig unbestritten ist, dass § 32 nicht einen generellen Honoraranspruch konstituiert, sondern auch Null-Honorare und Zuschüsse üblich und redlich sein können - und das nicht nur im wissenschaftlichen Bereich. Der Absatz 4 des §-32 konstatiert, dass tarifvertraglich entgoltene angestellte Urheber, etwa ein Schulbuch- oder Lexikonredakteur, keinen Anspruch auf zusätzliche Vergütungen nach §-32/ 3 haben. Ein weiterer gesetzlicher Anspruch ergibt sich aus §- 32a UrhG (Weitere Beteiligung des Urhebers), einer Fortentwicklung des sogenannten Bestsellerparagrafen (früher §-36). § 32a Weitere Beteiligung des Urhebers. (1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung ge- <?page no="383"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 384 währt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich. (2) Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt. (3) Auf die Ansprüche nach den Absätzen (1) und (2) kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die Anwartschaft hierauf unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung; eine Verfügung über die Anwartschaft ist unwirksam. (4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1, soweit die Vergütung nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) oder tarifvertraglich bestimmt worden ist und ausdrücklich eine weitere angemessene Beteiligung für den Fall des Absatzes 1 vorsieht. § 32 a bestimmt also eine Nachbesserungspflicht des Verwerters, wenn der wirtschaftliche Erfolg des Werkes sehr viel größer ist als bei Vertragsabschluss erwartet. Er kann insbesondere bei Pauschalhonorierungen (buy-out-Verträgen) zum Tragen kommen - schwerlich bei prozentualen Erfolgshonoraren und wohl kaum je bei von vornherein gestaffelten Erfolgshonoraren. Die Regelung des §-32a bestand im Grunde schon seit Jahrzehnten, enthält in Absatz (2) neuerdings aber eine Durchgriffshaftung : Demgemäß haftet der deutsche Verleger im Zweifel für nichterhaltene Erlöse aus einer im Ausland gegebenen Pauschallizenz, wenn das Werk dort einen völlig unerwarteten Erfolg hatte. Verleger sollten deshalb versuchen, im Blick auf §-32a entsprechende Kautelen in ihre Lizenzverträge einzubauen. 7.7- Persönlichkeitsrechte 7.7.1 Urheberpersönlichkeitsrechte Neben den materiellen Verfügungsrechten, die das Urheberrechtsgesetz dem Urheber garantiert, und die ihm primär die Kontrolle über eine optimale wirtschaftliche Auswertung seiner Werke sichern sollen, garantiert das Gesetz darüber hinaus auch Persönlichkeitsrechte, im Englischen »moral rights« genannt. Der Grundgedanke dieses Konzepts ist, dass eine intellektuelle Schöpfung so eng mit der Persönlichkeit des Urhebers verbunden ist, dass er gegen missbräuchliche Nutzung und Entstellung geschützt werden muss. Dem dienen insbesondere die Vorschriften der §§-14 und 23 des Urheberrechtsgesetzes. <?page no="384"?> 385 7.7 Persönlichkeitsrechte § 14 Entstellung des Werkes. Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. § 23 Bearbeitungen und Umgestaltungen. Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden. Das strenge Bearbeitungs- und Änderungsverbot würde jegliche Lektoratsarbeit hinfällig machen bzw. für jede noch so kleine formale Änderung die ausdrückliche Zustimmung des Autors erfordern. Das wäre kontraproduktiv und auch für den Autor lästig. Es sollten daher im Verlagsvertrag Befugnisse des Verlags für formale Eingriffe festgehalten werden, ebenso für die Korrektur offensichtlicher Fehler. Ein neu entstandener Diskussionspunkt ist dabei, welche Rechtschreibung gewählt werden soll: Die neue Reformrechtsschreibung (mit allen ihren Ambivalenzen und Unklarheiten) oder die sogenannte »alte« Rechtschreibung. Nicht wenige Autoren bestehen auf letzterer, die meisten Verlage sind diesbezüglich nicht doktrinär und lassen beide Möglichkeiten zu. Bei Sammelwerken kann dies aber problematisch sein. Keine Wahlmöglichkeit haben die Kinder-, Jugend- und Schulbuchverleger, die sich mit ihren Produkten an Personen richten, die den Kriterien der Kultusminister unterworfen sind. Eingeschränkt wird das Bearbeitungsverbot durch §-24 Satz 1: § 24 Freie Benutzung. Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Das heißt z.B., dass ein Autor berechtigt ist, den »plot« einer Erzählung zur Basis eines eigenen Werkes zu machen. Das beruht nicht zuletzt darauf, dass das Urheberrecht ja keine Inhalte, sondern nur die konkrete Gestaltungsform schützt. Es können zehn Autoren je ein Lehrbuch der anorganischen Chemie oder der Mittelhochdeutschen Literatur schreiben und der fachliche Inhalt kann weitgehend der gleiche sein: geschützt ist nur das jeweilige konkrete Sprachwerk. Ob auch eine Stoffgliederung für sich schutzfähig ist, wird nach den Umständen des Falles zu beurteilen sein, ein Plagiatsvorwurf scheint diesbezüglich aber durchaus denkbar. <?page no="385"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 386 Viel bedeutsamer als die Frage kleiner formaler Änderungen ist die zwischen §- 23 und §- 24 liegende Frage der Überführung in andere Werkformen: Illustrierung eines belletristischen Werks, Hörspielfassung eines Romans, Vertonung von Gedichten, Animierung von Comics oder Inszenierung von Theaterstücken. All dies bedarf im Prinzip der Einwilligung des Urhebers - beispielhaft seien nur die zahlreichen gescheiterten Inszenierungen von Brecht- Werken genannt, die dem doktrinären Starrsinn der Brecht-Erben zum Opfer fielen, die z.T. in letzter Minute vor der Premiere die Aufführung per einstweiliger Verfügung untersagen ließen. Hier ist also für den Verlag, der ja in der Regel die Lizenzen erteilt, höchste Vorsicht geboten: Er muss das Zustimmungserfordernis der Rechteinhaber bedenken und diese gegebenenfalls in den Abschluss von Lizenzverträgen einbinden. Andernfalls könnte er Schadensersatzforderungen zweier Seiten gegen-überstehen: entweder seitens des Urhebers wegen Verstoßes gegen §-23 oder wegen fruchtloser Aufwendungen des Lizenznehmers aufgrund der nachträglichen Untersagung durch die Rechteinhaber. Als Bearbeitung untersagt sind auch Kürzungen, es sei denn, dass ein verbindlicher Umfang vertraglich festgelegt und dem Verlag (oder Herausgeber) ausdrücklich die Befugnis zur Ersatzvornahme der Kürzung eingeräumt wurde für den Fall, dass der Autor diese nicht selbst durchführt. Der Verlag ist der Partner des Urhebers nach außen und auf dem Markt. Auf seine Umsicht und Professionalität muss der Autor vertrauen dürfen. Deshalb ist die Verantwortung des Verlages für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Autors groß, und er muss deren Durchsetzung als Vertragspflicht erkennen, auch wenn er in bestimmten Fällen dessen Auffassung nicht teilen mag. Was eine einfache Selbstverständlichkeit zu sein scheint, ist ebenfalls Gegenstand des Persönlichkeitsrechts: die Nennung des Urhebers. §-13 UrhG bestimmt: § 13 Anerkennung der Urheberschaft. Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Der Autor kann also auch bestimmen, ob ein Pseudonym (nom de plume) oder Ähnliches gedruckt werden soll oder auch das Werk ohne Urhebernennung (anonym) erscheint. Ergänzend ist hier auf §§- 7 und 8 UrhG zu verweisen: <?page no="386"?> 387 7.7 Persönlichkeitsrechte § 7 Urheber. Urheber ist der Schöpfer des Werkes. § 8 Miturheber. (1) Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, ohne daß sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so sind sie Miturheber des Werkes. (2) Das Recht zur Veröffentlichung und zur Verwertung des Werkes steht den Miturhebern zur gesamten Hand zu; Änderungen des Werkes sind nur mit Einwilligung der Miturheber zulässig. Ein Miturheber darf jedoch seine Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung oder Änderung nicht wider Treu und Glauben verweigern. Jeder Miturheber ist berechtigt, Ansprüche aus Verletzungen des gemeinsamen Urheberrechts geltend zu machen; er kann jedoch nur Leistung an alle Miturheber verlangen. (3) Die Erträgnisse aus der Nutzung des Werkes gebühren den Miturhebern nach dem Umfang ihrer Mitwirkung an der Schöpfung des Werkes, wenn nichts anderes zwischen den Miturhebern vereinbart ist. (4) ein Miturheber kann auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten (§ 15) verzichten. Der Verzicht ist den anderen Miturhebern gegenüber zu erklären. Mit der Erklärung wächst der Anteil den anderen Miturhebern zu. Mit § 8 Abs. 2 ist ein besonders delikates Problem angesprochen, nämlich das von Miturhebern, die jeder für sich Urheberpersönlichkeitsrechte besitzen: ein weites Konfliktfeld, in dem der Verlag schnell zwischen die Fronten gerät. Es ist daher unbedingt ratsam, in solchen Fällen im Verlagsvertrag eine Regelung dahingehend aufzunehmen, dass die Miturheber einen von ihnen oder den Herausgeber ermächtigen, für die Gesamtheit der Urheber verbindliche Willenserklärungen abzugeben. Damit verlagert sich ein etwaiger Konflikt unter den Miturhebern in deren Verantwortlichkeit. Sie sind dann verpflichtet, dem Verlag gegenüber mit einer Entscheidung anzutreten, wie auch immer sie diese unter sich ausgefochten haben mögen. Nur so kann vermieden werden, dass z.B. widerstreitende letzte Korrekturen einem Imprimatur entgegenstehen. Nicht selten gibt es auch Konflikte um die Reihenfolge der Nennung von Autoren: alphabetisch oder nach Anteil an der Gesamtleistung? Alles Dinge, die möglichst rechtzeitig und klar geregelt sein sollten, damit nicht in einer weit fortgeschrittenen Arbeitsphase solche persönlichkeitsrechtlichen Fragen auftauchen. Nur am Rande sei darauf verwiesen, dass auch aus §-8 Abs. 3 in Verbindung mit §-32 (Angemessenes Honorar) erhebliche Streitigkeiten resultieren könnten, wobei dem Verlag oft die Einblicke fehlen, wie die wirklichen Verhältnisse und konkreten Leistungsbeiträge sind. <?page no="387"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 388 7.7.2 Persönlichkeitsrechte Dritter Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte Dritter ist ein überaus komplexes Rechtsgebiet, das hier nur angedeutet werden kann, obwohl es von großer ethischer Bedeutung und - wegen eventueller Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche - finanziell ein sehr risikoreiches Gebiet ist. Erinnert sei nur an das kürzliche Verbot des Romans »Esra« von Maxim Biller wegen der leicht durchschaubaren, teils sehr intimen Darstellungen von Personen aus seinem persönlichen Umfeld, die nach Auffassung des Gerichts berechtigte persönliche Interessen dieser Personen verletzten. Schon hier liegt ein Widerstreit von Kunstfreiheit und Schutz der persönlichen Sphäre vor - denn worüber kann ein Autor, wenn er nicht Science Fiction schreibt, denn schreiben wenn nicht auf Basis persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen? Fragwürdig erscheint auch das ganz aktuelle Caroline-Urteil, in dem die Veröffentlichung von Privatfotos der Prinzessin Caroline v. Hannover gegen hohe Bußgelder verboten wurde. Ein überzogener Schutz der behaupteten Intimsphäre - bei sich ansonsten permanent in die Öffentlichkeit drängenden Personen - führt praktisch zu einer Lähmung der Berichterstattung, zum Zwang einer Hofberichterstattung nach dem Gusto der Dargestellten, bedroht also die Pressefreiheit. Hier tut sich - zumal angesichts der Möglichkeit solcher »Prominenter« und ihrer Anwälte, sich beachtliche Nebeneinnahmen zu verschaffen, - ein höchst bedenklicher Weg auf. Entsprechend kontrovers und kritisch wurde das Urteil seinerzeit in der Presse erörtert. Wie auch immer: Auf jeden Fall müssen Verlage, zumal angesichts solcher Tendenzen in der aktuellen Rechtssprechung, höchst skrupulös und vorsichtig vorgehen. Ein per einstweiliger Verfügung angeordneter Vertriebsstopp mag zwar in der Hoffnung auf werbewirksame Presseöffentlichkeit manchem smarten Vertriebsmann gar nicht so unerwünscht erscheinen, solange Hoffnung auf nachheriges Obsiegen in der Sache besteht. Im Fall des Unterliegens aber wird es recht teuer: Vernichtung der Auflage (was bei der Yellow Press zwar ins Leere stößt, bei Büchern aber stark durchschlägt), damit Verlust weiterer Vorkosten, dazu die Anwaltsgebühren und die Schmerzensgeldzahlungen. Das sollten seriöse Verlage unbedingt vermeiden. Umgekehrt sollte keine duckmäuserische Geschmeidigkeit (Schere im Kopf ) um sich greifen aus Angst vor aggressiven Prominentenanwälten. Wichtig ist jedenfalls, dass der Verlag die Gefahren kennt und sie sodann mit fachjuristischem Rat abschätzt, wobei besonders schwierig ist, dass auch Tatsachenbehauptungen unter Umständen unzulässig sein können. Etwa einen Prominenten zu bezeichnen als »der mehrfach vorbestrafte notorische Trun- <?page no="388"?> 389 7.8 Lizenzverträge kenbold X«, birgt erhebliche Prozessrisiken, wie nachweisbar diese Tatsachen auch immer sein mögen. Das Wissen über Risiken diesbezüglich kann dem Verlag nur der Autor verschaffen - woher soll der Verleger etwa Maxim Billers Frauengeschichten kennen und deren Realität von deren fiktionaler Darstellung unterscheiden können? In den Normverträgen des Börsenvereins mit den VS (ver.di) ist daher sehr sinnvollerweise im §-1 Ziffer 4 Folgendes festgelegt: Der Autor ist verpflichtet, den Verlag schriftlich auf im Werk enthaltene Darstellungen von Personen oder Ereignissen hinzuweisen, mit denen das Risiko einer Persönlichkeitsrechtsverletzung verbunden ist. Wird der Autor wegen solcher Verletzungen in Anspruch genommen, sichert ihm der Verlag seine Unterstützung zu, wie auch der Autor bei der Abwehr solcher Ansprüche gegen den Verlag mitwirkt. Unterlässt der Autor diese Hinweise, macht er sich seinerseits gegenüber dem Verlag regresspflichtig. Solche Situationen können auch im Bereich von wissenschaftlichen und Fachbüchern entstehen, etwa beim Abdruck von Patientenbildern in medizinischen oder psychologischen Lehrbüchern u. Ä. In solchen Fällen muss der Verlag im eigenen Interesse den Autor ausdrücklich befragen, ob die Zustimmung der Dargestellten zur Veröffentlichung vorliegt. Eine Anonymisierung des Dargestellten (etwa durch Augenbalken) ist in vielen Fällen nicht möglich, ohne den Sinn der Abbildung in Frage zu stellen. Beim Erwerb von Abbildungsrechten von Bildagenturen darf der Verlag zu Recht davon ausgehen, dass diese Rechte gesichert sind. Solche persönlichkeitsrechtlichen Probleme gibt es auch in weiteren Fällen, so insbesondere bei Manuskripten und Korrespondenzen in (literarischen) Archiven, die auch dann, wenn der Nachlassgeber keine Sperrfrist gesetzt hat, in Bezug auf Dritte (Korrespondenzpartner oder abfällige Darstellung Dritter in solcher Korrespondenz) die Gefahr einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten in sich tragen. Sowohl aus Anstand als auch aus finanzieller Vorsicht sollte man sich dieser Fragen mit Sorgfalt annehmen. 7.8 Lizenzverträge Verlage schließen Lizenzverträge in zweierlei Richtungen: sie erwerben einerseits per Lizenzvertrag Rechte z.B. für deutschsprachige Ausgaben, für Taschenbuchausgaben oder für Teile eines Werkes, die durch das Zitatrecht nicht abgedeckt sind (insbesondere im Bildbereich). <?page no="389"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 390 Umgekehrt verkaufen Verlage Lizenzen für fremdsprachige Ausgaben, Taschenbuchausgaben, Buchclubrechte, Hörspielfassungen usw.; allerdings natürlich nur insoweit, als ihnen diese Rechte vom Urheber zur Nutzung durch Dritte (Lizenznehmer) übertragen worden sind. Lizenzen können ebenso wie Hauptverwertungsrechte exklusiv oder nichtexklusiv, zeitlich befristet oder für die Dauer des Urheberrechts und regional begrenzt oder weltweit vergeben werden. Auch kann sich eine Lizenzierung auf bestimmte Marktbereiche beschränken. Lizenzverträge ähneln sich für Einkauf und Verkauf von Rechten spiegelbildlich - viele Verlage haben ihre Lizenzverträge anhand der ihnen vorliegenden von Lizenzgebern wesentlich umgearbeitet und verbessert. Angesichts der Tücken internationaler Rechtsbeziehungen und der Durchsetzung von Ansprüchen im Ausland empfiehlt sich nicht nur eine sorgfältige Vertragsausarbeitung, sondern insbesondere eine kritische Auswahl der Lizenzpartner - es ist sehr schwer, gegen unseriöse Lizenznehmer z.B. in Übersee vorzugehen. Bei unbekannten Lizenznehmern empfiehlt es sich, Erkundigungen bzw. Referenzen einzuholen. Die Frankfurter Buchmesse und auch andere Buchmessen bieten gute Gelegenheiten, die potentiellen Lizenzpartner und ihr Programm vorab kennenzulernen und ihre Leistungsfähigkeit u. U. näher einzuschätzen: Es geht ja nicht nur um die Seriosität des Lizenznehmers, sondern auch um seine Effizienz: Es ist sehr ärgerlich, ein gutes Recht an einen marktschwachen Lizenznehmer zu verkaufen, der es nicht angemessen vermarkten kann. Dann fallen die Lizenzerlöse entsprechend mager aus, und auch der Autor ist geschädigt - er könnte eventuell sogar Schadensersatz fordern, wenn es beim Lizenzabschluss ganz offenbar an der notwendigen Sorgfalt seitens des Verlags gefehlt hat. Oft ist es auch ratsam, ein Einblicks- oder gar Zustimmungsrecht des lizenzierenden Verlags bzw. des betroffenen Autors in das Übersetzungsmanuskript vor der Drucklegung in den Vertrag aufzunehmen, um Qualitätsmängel, bis hin zu Entstellungen oder eigenwilligen Eingriffen des Übersetzers, von vornherein auszuschließen. Je entlegener die Sprache der Übersetzungsausgabe ist, desto schwieriger wird allerdings die Überprüfung. Bei unbekannten Verlagen in fernen Ländern empfiehlt sich oft eine (relativ hohe) Einmalpauschale, zumindest eine nennenswerte Vorauszahlung bei Vertragsabschluss. Dieses Geld ist dann wenigstens sicher, auch wenn das Buch unter Umständen nie erscheint. Es einzubehalten ist absolut korrekt i.S. eines Ausfall- oder Bindungsentgelts, denn der Rechtsinhaber konnte ja keine anderen Verwerter einschalten, solange der Lizenzvertrag besteht. <?page no="390"?> 391 7.8 Lizenzverträge Aus diesem Grund ist es auch notwendig, eine Frist festzulegen, innerhalb derer die Lizenzausgabe erscheinen muss und nach deren Verstreichen und fruchtloser Mahnung der Vertrag hinfällig wird. Eine umgekehrte Fristsetzung findet sich in den Lizenzverträgen für Taschenbuch- und Buchclubausgaben: Hier setzt der Verlag einen Termin, zu dem diese Ausgaben frühestens erscheinen dürfen, damit der Verkauf der Originalausgabe nicht vorzeitig beeinträchtig wird. Nicht ganz selten wird diese Frist (natürlich einvernehmlich) noch hinausgeschoben, um so eine Optimierung des Gesamterlöses zu erreichen (s. a. Kap. 4.3.1). Oft ist ein Verlag für ein- und dasselbe Werk Lizenznehmer und Lizenzgeber zugleich. Wichtigstes Beispiel sind ins Deutsche übersetzte Werke, für die der Verlag alle Buchrechte (manchmal auch weitere Rechte) erworben hat. Er ist dann Lizenzgeber für die deutschen Taschenbuch- und Buchclubrechte. Angesichts der heute besonders im Belletristikbereich für Spitzentitel sehr hohen Vorauszahlungen ist es für den Lizenz nehmenden deutschen Verlag wichtig, sehr rasch (nicht selten vor Erscheinen der fremdsprachigen Originalausgabe) Lizenzverträge für diese Rechte zu schließen. In diesen Verträgen werden häufig erhebliche Vorschüsse vereinbart, die zur teilweisen Refinanzierung der geleisteten Vorauszahlung dienen, also deren Finanzierung erleichtern und das Risiko des Misserfolgs des teuer eingekauften Titels deutlich mindern. Während im Belletristikbereich die berühmt-berüchtigten Rechteauktionen oft aufgrund eines nur sehr knappen Exposés abgehalten werden, gibt es abseits der Bestseller ein ganz normales vertrauensvolles Rechtegeschäft für bereits erschienene Bücher, sei es mit den Verlagen direkt oder mit internationalen Agenten. In Europa ist deren wichtigster Sitz Zürich. Nicht wenige Titel werden erst nach vielen Jahren ins Ausland verkauft, weil sich irgend jemand dafür begeistert und einen Verlag zum Erwerb motiviert hat. In diesen Fällen gibt es in der Regel keinen Poker um exzessive Garantien, verpflichtende Werbebudgets oder extrem kurze Laufzeiten der Verträge. Im Fachbuchbereich sind diese Auswüchse ohnehin weitgehend unbekannt. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt beim belletristischen Lizenzgeschäft der Kauf von Rechtebündeln: Wer einen starken Titel haben möchte, muss auch einige schwächere mit erwerben, die für sich nur schwer verkäuflich wären. Das wirkt sich dann sehr zugunsten dieser weniger marktstarken Autoren aus. Einen ganz neuen Stellenwert bekommen Lizenzvereinbarungen bei digitalen Produkten, bei denen anders als bei gedruckten Werken nicht der Erwerb, sondern das Zugangsrecht (mittels einer Lizenzvereinbarung) dominiert. Einmallizenzen stehen nahe dem Kauf, sehr viel üblicher sind aber jährliche <?page no="391"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 392 Lizenzen (s.a. Kap. 6). Solche Lizenzen werden mit Institutionen (insb. Bibliotheken) aber auch Vertriebspartnern (z.B. Zeitschriftenagenturen) abgeschlossen. Das Aushandeln solcher meist viele Objekte gleichzeitig umfassenden Lizenzen ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, für die größere Häuser Spezialisten einsetzen. Agenten und Scouts Im Lizenzgeschäft spielen Agenten eine bedeutsame Rolle. Die Tätigkeit literarischer Agenten ist im angelsächsischen Raum seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit: Sie verhandeln Rechte im Auftrag der Autoren gegenüber allen Verwertern oder im Auftrag von Verlagen gegenüber weiteren Verwertern (Film, TV u.a.). Der Agent ist ein professioneller Verhandlungspartner, was sinnvolle Vertragsabschlüsse erleichtern kann, aber seine Tätigkeit ist natürlich auf Erlösoptimierung gerichtet, d.h. für Verlage wird es idR teurer. Dort, wo sie sich selbst eines Agenten bedienen, wird ihr Erlös - trotz Agentenprovision - im Zweifelsfall eher höher. Agenten erhalten von ihren Auftraggebern Provisionen, die nach oben und unten um 10% vom Lizenzerlös pendeln, je nach Umfang und Bedeutung der verhandelten Rechte. Agenten achten sehr auf die intensive Nutzung der Rechte, verlangen deshalb in der Regel hohe Vorauszahlungen, die den Erwerber dazu zwingen sollen, diese mit allem Einsatz auch wieder hereinzuspielen. Wichtig ist die Funktion der Agenten auch hinsichtlich der Aufgabe, für den Rechteinhaber verlässliche, marktstarke Partner auszuwählen, was, wie im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, eine wichtige, aber gar nicht immer einfache Aufgabe ist. Mittlerweile hat sich die Tätigkeit literarischer Agenten auch in Deutschland verstärkt. Jüngere Autoren werden von ihnen geradezu umworben. Die Möglichkeit, einen unbekannten Autor mit minimalen Vorkosten auf Risiko zu publizieren, wird tendenziell durch die Zwischenschaltung der Agenten daher reduziert. Während Agenten den Verlagen aktiv Rechte anbieten, besteht die Rolle der Scouts (d.h. Kundschafter) darin, sich im Auftrag eines Rechte einkaufenden Verwerters nach interessanten neuen Autoren oder Trends umzutun. Den Scout könnte man also als einen externen acquisition editor bezeichnen, der in den wichtigen Ländern, etwa USA, Frankreich, Großbritannien, die »Szene« intensiv verfolgt und entsprechende Empfehlungen ausspricht. Aber kaum ein Verlag kann sich solche Scouts als feste Vollzeitmitarbeiter leisten. Deswegen geschieht dies oft in der Form freier Mitarbeit. Somit kann die Tätigkeit der Agenten und Scouts auch unter dem Gesichtspunkt »Outsourcing« gesehen werden. <?page no="392"?> 393 7.9 Einzelfragen Im wissenschaftlichen und Fachverlag sind diese Scouts meist ohne Auftrag handelnde Autoren oder Herausgeber, denen ein fremdsprachiges Werk in ihrem Fachgebiet aufgefallen ist. Diese Empfehlung ist in diesem Bereich sehr wichtig: Es dürfte mehr fachliche Übersetzungen aufgrund solcher Empfehlungen geben als aus verlagsinterner Lektoratsinitiative. So manchen schönen späteren Longseller hätte der Verlag selbst nie im Heuhaufen der Neuerscheinungen ausmachen können: Manches später höchst erfolgreiche Buch, das schon jahrelang existierte, aber in Deutschland bis dahin nie beachtet wurde, ist solchen Hinweisen zu verdanken. 7.9- Einzelfragen 7.9.1 Bildrechte In sehr vielen Werken - Sachbüchern, Reiseführern, Kunstbänden, Lehrwerken, wissenschaftlichen Büchern u.a. - sind Abbildungen nach fremden Vorlagen unverzichtbar. Hier sind diverse Rechte zu beachten: das des Grafikers oder Fotografen, aber auch die Rechte des Originalverlags und - besonders kompliziert und teuer - das behauptete Recht der Museen auf die Wiedergabe der in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände. Größere Museen erlösen erhebliche Beträge aus den entsprechenden Genehmigungen, die ärgerlicherweise oft auch noch mit der Verpflichtung der Benutzung von Vorlagen verbunden sind, die das Museum stellt und die zusätzlich berechnet werden. Bildintensiv arbeitende Verlage - größere Zeitschriften und Zeitungen sowieso - haben eigene Bildredakteure, die für Bildbeschaffung und Rechteeinholung verantwortlich sind. Neben die Rechte der Fotografen treten bei Werken der bildenden Kunst, die noch Urheberschaftsschutz genießen (also z.B. noch die gesamte »Klassische Moderne«), die Ansprüche der Künstler selbst, die durch besondere Gesellschaften, in Deutschland vornehmlich die VG Bild/ Kunst, vertreten werden. Die Tarife der VG Bild/ Kunst werden wie alle Tarife der Verwertungsgesellschaften veröffentlicht. Dafür das nachfolgende Beispiel: <?page no="393"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 394 Schwarzweiß Seitengröße bis Auflage bis Mindesttarif 1/ 8 1/ 4 1/ 2 1/ 1 2/ 1 3.000 26,00 33,00 41,00 51,00 63,00 5.000 34,00 43,00 53,00 66,00 83,00 7.500 40,00 50,00 63,00 78,00 98,00 10.000 44,00 55,00 69,00 86,00 107,00 15.000 48,00 60,00 75,00 94,00 117,00 20.000 52,00 65,00 81,00 102,00 127,00 30.000 58,00 73,00 91,00 113,00 142,00 50.000 68,00 85,00 106,00 133,00 166,00 80.000 83,00 104,00 130,00 162,00 203,00 je weitere 10.000 10,00 13,00 16,00 20,00 24,00 Alle Preise netto in € , zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer Farbe Seitengröße bis Auflage bis Mindest-tarif 1/ 8 1/ 4 1/ 2 1/ 1 2/ 1 3.000 39,00 49,00 61,00 76,00 95,00 5.000 54,00 68,00 85,00 106,00 133,00 7.500 76,00 95,00 119,00 148,00 186,00 10.000 88,00 110,00 138,00 172,00 215,00 15.000 96,00 120,00 150,00 188,00 234,00 20.000 104,00 130,00 163,00 203,00 254,00 30.000 116,00 145,00 181,00 227,00 283,00 50.000 150,00 187,00 234,00 292,00 365,00 80.000 183,00 228,00 285,00 357,00 446,00 je weitere 10.000 20,00 25,00 31,00 39,00 49,00 Alle Preise netto in € , zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer © VG Bild-Kunst Stand 2011 Abb. 7.1: Beispiel aus den Gebührentabellen der VG Bild/ Kunst für Bücher/ Broschüren <?page no="394"?> 395 7.9 Einzelfragen [AUSZUG aus den Informationen der VG Bild/ Kunst] II. Zuschläge - Nachlässe (gerechnet vom Grundhonorar) 1. Titelbebilderung oder Schutzumschlag Die Verwendung einer Illustration für den Titel oder Rücktitel bedingt einen Zuschlag von 200 % auf den Preis für die Verwendung im Innenteil. Die Verwendung einer Illustration für den Titel oder Rücktitel eines illustrierten Druckwerkes, in dem mindestens 10 Illustrationen solcher Urheber enthalten sind, deren Rechte die VG BILD-KUNST vertritt, bedingt einen Zuschlag von 100 % auf den Preis für die Verwendung im Innenteil. Bei Wiederverwendung einer Titelillustration im Innenteil wird ein Nachlass von 50 % eingeräumt. 2. Wissenschaftliche Werke Gebührenfrei sind Abbildungen, die im Sinne des § 51 UrhG Zitate in wissenschaftlichen Werken darstellen. Enthält ein wissenschaftliches Werk, das keine Monografie ist, auch Abbildungen, die keine Zitate i. S. § 51 Abs. 1 sind, so ist statt der Einzelabrechnung auch eine pauschale Abgeltung aller Abbildungen möglich. 3. Schulbücher Auf alle Schulbücher wird ein Nachlass von 25 % gewährt. 4. Originaltaschenbücher, Originalpaperbackausgaben und kleinformatige Bücher Bei Illustrationen in Originaltaschenbüchern oder Originalpaperbackausgaben, deren Breite 17 cm und deren Höhe 24 cm nicht überschreitet, und bei kleinformatigen Büchern (bis 12 × 17 cm) wird ein Nachlass von 25 % des auf Bücher anzuwendenden Tarifs gewährt. Dieser Nachlass erhöht sich auf 35 %, wenn das Buch mehr als 20 Abbildungen von Urhebern, deren Rechte die VG BILD- KUNST wahrnimmt, enthält. Die Berechnungsgrundlage ist die Auflage. III. Lizenzausgaben 1. Buchgemeinschaftslizenzen Bei Lizenzvergabe an Buchgemeinschaften mit Verpflichtung zur regelmäßigen Abnahme wird ein Nachlass von 50 % des auf Bücher anzuwendenden Tarifs gewährt. Die Berechnungsgrundlage ist die Lizenzauflage. <?page no="395"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 396 2. Taschenbuchlizenzen Bei Lizenzvergabe für Taschenbuchausgaben wird ein Nachlass von 60 % des auf Bücher anzuwendenden Tarifs gewährt. Die Berechnungsgrundlage ist die Taschenbuchauflage. Eine weitere Rabattierung nach II.4 entfällt. 3. Fremdsprachige Ausgaben - Auslandslizenzen Erscheint die Ausgabe innerhalb von 5 Jahren nach Erscheinen in der Bundesrepublik in Fremdsprachen, so können die einzelnen Ausgaben mit der deutschen Ausgabe als eine Gesamtauflage abgerechnet werden. Bei Nutzung nach Ablauf von 3 Jahren nach Genehmigung der deutschen Auflage wird der zum Zeitpunkt der Genehmigung der Auslandslizenz gültige Tarif angewendet. Die VG Bild/ Kunst berücksichtigt in ihren Tarifen bewusst die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Zeitschriften und Büchern und bietet den im Börsenverein organisierten Verlagen als besonderem Vertragspartner vergünstigte Tarife an. Darüber hinaus erhalten Schulbuchverlage 25% Nachlass. Weitere Tarife gibt es für Kalender, Einzeldrucke, Postkarten, Tonträgerhüllen, Datenbanken, Fernsehsendungen u.a. Besondere Aufschläge werden berechnet für Verwendung auf Einband oder Titelblatt. Wie wichtig die korrekte Rechteeinholung und -nennung ist, wird unterstrichen durch einen Zuschlag von 100%, wenn die Nennung des Urhebers unterbleibt oder nicht genehmigte Nachauflagen erfolgen (sog. Medienkontrollzuschlag). Ein permanenter Punkt der Unsicherheit ist, inwieweit ein Autor bzw. Verlag das Zitatrecht nach UrhG §-51(1) für Abbildungen in Anspruch nehmen kann, die ja jede für sich ein »Werk« darstellen (siehe dazu Ziff. 2/ 1 Tarif VG Bild / Kunst auf S. 363 und Kap. 7.9.2). Daraus ergibt sich zweierlei: zum einen die offensichtliche Vermutung, dass Zitate vorwiegend nur in wissenschaftlichen Werken in Betracht kommen, und zum zweiten, dass keine operationale Definition dafür angeboten wird, wann Fall a) bzw. b) vorliegt. Wissenschaftliche Verlage untereinander sind hier z.T. weiter gegangen und haben in der internationalen Gruppe stm ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Bildübernahmen i. S. von Zitaten in begrenztem Umfang von vornherein als gegenseitig genehmigt und gebührenfrei gelten, so dass es keiner diesbezüglichen Anfrage bedarf. Das spart viel Arbeit. Ein Quellenvermerk ist selbst-verständlich in allen Fällen erforderlich. Bei Unterzeichnung solcher Vereinbarungen muss der Verlag aber sorgfältig prüfen, ob er über diese Rechte überhaupt derart verfügen darf. <?page no="396"?> 397 7.9 Einzelfragen Wiederholt sei noch einmal (s. Kap. 7.6), dass die vom Verlag beauftragten oder eingekauften Bildautoren (Fotografen oder Zeichner) Urheber mit vollen Rechten sind, auch wenn sie oft pauschal entgolten werden. Ihnen stehen die gleichen gesetzlichen Ansprüche aus §§- 32 und 32a (s. S.- 382 f.) wie allen Urhebern zu und ebenso die Urheberpersönlichkeitsrechte. Auch sie haben Anspruch darauf, dass ihr Werk nicht entstellt wird, etwa durch willkürliche Bildbearbeitung (Ausschnitt, Kolorierung etc.). Wer in nennenswertem Umfang mit Abbildungen arbeitet, sollte diese Dinge sorgfältig beachten. 7.9.2 Zitatrecht Der § 51 UrhG bestimmt Folgendes: § 51 Zitate. Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang 1. einzelne Werke nach dem Erscheinen in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden, 2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden, 3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden. Alles Zitatrecht hängt also an der Voraussetzung des »durch den Zweck gebotenen Umfanges«. Die Ziffern 2 und 3 gestatten des Weiteren nur die Vervielfältigung usw. von »Stellen eines Werkes«, bei Musikwerken noch verschärft zu »einzelnen Stellen«. Eine Überschreitung der durch diese Kriterien bezeichneten Grenzen, die allerdings von der Rechtsprechung zum Teil über den reinen Wortlaut hinaus erweitert worden sind, führt zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen des Inhabers der Originalrechte. Einen Sonderfall stellt die Regelung der Ziffer 1 (sog. »Großzitat«) dar, demgemäß auch ganze Werke in ein »selbständiges, wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts« aufgenommen werden dürfen, also Bilder oder Gedichte, die ja beide stets ein Werk sind. Zur Problematik des Bildzitats führt der Kommentar zum Urheberrecht von Fromm/ Nordmann (9. Aufl. 1998, S.-405) aus: <?page no="397"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 398 Das Bildzitat ist gesetzlich nicht geregelt. Aus diesem Grund ist, obgleich seine Zulässigkeit nicht zweifelhaft ist, die rechtliche Behandlung unnötig schwierig. Es ist regelmäßig - Ausnahmen der Wiedergabe von Teilen von Bildern sind jedoch möglich - die Benutzung der gesamten Abbildung und wäre nach dem Wortlaut des § 51 nur als Großzitat nach Nr. 1 zulässig. … Zitierfähig im Rahmen eines Bildzitats sind nicht nur Lichtbilder und Lichtbildwerke (Fotos), sondern auch Werke der Bildenden Kunst, technische Zeichnungen, bildliche wissenschaftliche Darstellung usw. … Schließlich dürfen die Interessen des betroffenen Urhebers durch das Zitat nicht ernsthaft verletzt sein, was besagt, dass die Auswertungsmöglichkeiten des Werkschöpfers durch die zitatweise Wiedergabe nicht oder zumindest nicht erheblich geschmälert sein dürfen. … Ein Verlag darf also ohne Genehmigung keine Gedicht-Anthologie oder einen Kunstband mit noch urheberrechtlich geschützten Werken zusammenstellen, die für das allgemeine Publikum gedacht sind. Wohl aber darf ein Germanist in einem Band »Lyrische Strukturen im 20. Jh.« einzelne Gedichte in dem zur Veranschaulichung seiner Thesen erforderlichen Umfang aufnehmen. Analoges gilt für Werke der Bildenden Kunst. Ob nun aber ein Band »Druckgrafik des Bauhauses« wissenschaftlich ist und also nach §-51 Nr. 1 Bildzitate zulässig sind oder ob es sich nicht um ein wissenschaftliches Werk, sondern um eins für das Publikum handelt, wird oft nicht leicht zu entscheiden sein. Hier ist Sorgfalt geboten und gegebenenfalls rechtlicher Rat einzuholen. Entscheidend ist bei Berufung auf das Zitatrecht stets, dass das Zitat im Verhältnis zum Ganzen des zitierenden Werks eine untergeordnete Rolle spielt und nicht über den gebotenen Umfang hinausgeht. Das Zitat muss stets in einen neuen, eigenständigen Gesamtzusammenhang gestellt werden - eine kurze Vor- oder Nachbemerkung zu einem fremden Text reicht also in keinem Fall aus, um das Zitatrecht beanspruchen zu können. Bei starker Kürzung von Zitaten ist andererseits die Gefahr der unerlaubten Entstellung (§- 14 UrhG) zu bedenken - eine Änderung des Originaltextes scheidet ohnehin aus rechtlichen Gründen aus. Auf das Zitatrecht kann sich zudem nur berufen, wer eine Quellenangabe macht, ansonsten ist stets von einem Plagiat auszugehen. Dazu bestimmt §-63/ 1 UrhG: § 63 Quellenangabe. (1) Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 46 bis 48, 50, 51, 58, 59 und 61 vervielfältigt wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben. Das gleiche gilt in den Fällen des § 53 <?page no="398"?> 399 7.10 Vertragsverletzungen, Nichterfüllung Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 für die Vervielfältigung eines Datenbankwerkes. Bei der Vervielfältigung ganzer Sprachwerke oder ganzer Werke der Musik ist neben dem Urheber auch der Verlag anzugeben, in dem das Werk erschienen ist, und außerdem kenntlich zu machen, ob an dem Werk Kürzungen oder andere Änderungen vorgenommen worden sind. Die Verpflichtung zur Quellenangabe entfällt, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der genutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung Befugten anderweitig bekannt ist. 7.10- Vertragsverletzungen, Nichterfüllung Der Verlagsvertrag legt beiden Partnern die Erfüllung der im Vertrag festgelegten Pflichten auf. Diese Verpflichtungen werden indes später sehr häufig nicht beachtet. Dafür einige Beispiele: - Terminverzug. Der Autor liefert nicht zum vertraglichen Termin (§- 30 VerlG). Die meisten Verträge sehen dann eine Nachfrist von X Monaten vor. Danach kann der Verlag, wenn er von der Nachfristsetzung Gebrauch gemacht hat, vom Vertrag zurücktreten. Letzteres geschieht relativ selten. Meist will der Verlag ja das Manuskript und nicht die Aufhebung des Vertrages. Oft warten Verlage - stets vom Autor hingehalten und vertröstet - über Jahre. Nicht selten kommt dann ein sehr schönes, Erfolg versprechendes Manuskript. Geduld zahlt sich also oft aus, während rigide Fristsetzungen nur zur Vertragsaufhebung führen können. Dennoch gibt es viele Fälle, in denen Termineinhaltung ganz wichtig ist und Terminverzug zur Vertragsaufhebung führen muss. Beispiele sind ein Olympiabuch, das nur wenige Tage nach dem Ereignis am Markt sein muss oder ein Viel-autorenbuch, das nicht durch ein oder zwei säumige Autoren auf der Strecke bleiben darf. Hier bedarf es raschen und entschiedenen Handelns. Natürlich gibt es auch umgekehrt nach Annahme eines Manuskripts durch den Verlag (oft ungeschriebene) Terminverpflichtungen: §-15 Verlagsgesetz bestimmt: »Der Verleger hat mit der Vervielfältigung zu beginnen, sobald ihm das vollständige Werk zugegangen ist.« Verzögerungen im Erscheinen können u.U. zur Schadensersatzpflicht des Verlags oder zum Vertragsrücktritt durch den Autor führen. - Umfangsüberschreitung. Auch dies ist eine sehr häufig vorkommende Abweichung vom Verlagsvertrag. Üblicherweise enthält ein Verlagsvertrag eine Klausel, dass bei wesentlicher Umfangsabweichung der Verlag <?page no="399"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 400 vom Vertrag zurücktreten kann. Sehr oft tut der Verlag dies jedoch nicht, weil er erkennt, dass das vorgelegte Manuskript so richtig dimensioniert ist - sehr viele den ursprünglich vertraglich angepeilten Umfang weit überschreitende Bücher sind große Erfolge geworden. Weder Autor noch Verlag können eben bei Vertragsabschluss zuverlässig abschätzen, wo denn der richtige Umfang liegt. Strenge Einhaltung des Umfangs kann aber bei bestimmten Buchtypen entscheidend sein, z.B. bei einer Ratgeber-Reihe, in der alle Bände 64 Seiten haben müssen. - Fehlende Bestandteile. Oft ist vereinbart, dass der Autor auf eigene Kosten die Abbildungen besorgen muss. Nicht selten erweist sich dies als unmöglich oder unzumutbar teuer, was beide Vertragsschließende nicht vorhergesehen haben. Dann muss eine angemessene Vertragsanpassung erfolgen, wenn der Verlag das Werk doch machen will. Andernfalls wäre Vertragsaufhebung unausweichlich. - aliud-Lieferung. Das Manuskript entspricht nicht den Vereinbarungen hinsichtlich Darstellungsform (Vorgaben des Verlags für ein Reihenkonzept nicht beachtet), Anspruchsniveau (Darstellung auf akademischem Niveau statt für die Praxiszielgruppe) u.a. Hier kommt es häufig zur Vertragsauflösung, da der vom Verlag angestrebte Vertragszweck nicht erreicht werden kann. Ins Grundsätzliche gehende Überarbeitungen wird sich ein Autor selten zumuten, die »Ersatzvornahme« durch Dritte wäre nur bei Einverständnis des Autors möglich (s. a. Kap. 7.1.7). - Manuskriptmängel. Nicht selten erweisen sich Manuskripte als z.T. fehlerbehaftet, sei es in der Sache, im Stil oder in der Rechtschreibung. Wenn hier ein Grad erreicht ist, der die üblich zu erwartende Verlagslektorierung überschreitet, kann der Autor für wesentliche Nachbesserungsarbeiten zu einer (Teil-)Verrechnung mit seinem Honorar gezwungen sein - eine delikate, nur fallweise zu klärende Frage. Verweigert der Autor die Zustimmung zur Überarbeitung oder zu einer angemessenen Honorarherabsetzung zur Kompensation der von ihm verschuldeten Zusatzkosten, ist eine Vertragsaufhebung unabweislich: Es ist dem Verlag sowohl aus Ansehensals gegebenenfalls auch aus Haftungsgründen nicht zuzumuten, ein fehlerhaftes Manuskript auf den Markt zu bringen. Ratsam ist es deshalb auf jeden Fall, Anforderungen an ein auskorrigiertes, fehlerfreies, inhaltlich dem neuesten Stand entsprechendes Manuskript im Vertrag festzulegen. <?page no="400"?> 401 7.11 Wichtige Institutionen und Organisationen im Urheberrecht 7.11- Wichtige Institutionen und Organisationen im Urheberrecht 7.11.1 Internationaler Rechtsschutz für geistiges Eigentum Schon im 19. Jahrhundert wurde deutlich, dass ein ausreichender Rechtsschutz allein auf Basis nationaler Gesetze nicht möglich ist, es vielmehr internationaler (Gegenseitigkeits-)Verträge bedarf, um den Rechtsschutz für im eigenen Land geschaffene und erschienene Werke auch im Ausland zu gewährleisten. Mit der wachsenden Bedeutung intellektueller Schöpfungen für moderne Volkswirtschaften und jetzt noch verstärkt im Internetzeitalter ist dieser Aspekt in den letzten Jahrzehnten noch viel gewichtiger geworden. Die wichtigsten internationalen Abkommen sind in der nachfolgenden Übersicht genannt. Von ihnen ist die sog. Berner Übereinkunft von 1886 (vielfach revidiert) bahnbrechend gewesen: Sie garantiert ein besonders hohes Schutzniveau und ist mittlerweile, nachdem seit den 1970er Jahren auch die USA, Russland (damals Sowjetunion) und China beigetreten sind, zum wichtigsten Abkommen geworden. Das Welturheberrechtsabkommen, das u.a. die Verwendung des bekannten Copyright-Zeichens © regelt, hat an Bedeutung verloren, aber dieses Zeichen ist dennoch das Symbol für urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen geblieben und wird daher sinnvollerweise auch weiterhin in Impressa und Bildquellenangaben verwendet. Internationale Urheberrechtsabkommen: • Revidierte Berner Übereinkunft (WIPO, 1886/ 1971) • Welturheberrechtsabkommen (1952/ 1971) • WCT (World Copyright Treaty, 1996) • TRIPS (Trade related Intellectual Property 1994 (WTO) • Europäisches Recht (z.B. Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft, Datenbankrichtlinie u.a.) • Abkommen von Rom 1961 (Schutzrechte der ausübenden Künstler und Sendeunternehmen) Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, den Inhalt dieser Abkommen hier darzulegen und zu erörtern. Die Grundprinzipien der internationalen Verträge sind generell die Folgenden: <?page no="401"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 402 Inländerbehandlung Meistbegünstigung Anpassung der Schutzdauer (Bern: 70 Jahre p.m.a., TRIPS: 50 Jahre p.m.a.*) *) post mortem auctoris, d.h. ab Todesdatum (auf den Tag exakt - aber nicht nach UrhG: dort gilt immer das Jahresende) des Urhebers Auf zweierlei soll noch hingewiesen werden: Immer mehr wird das nationale Urheberrecht durch die Vorgaben der internationalen Verträge beeinflusst. Kein Land kann heute mehr autonom irgendwelche Urheberrechtsregeln aufstellen. Das gilt für die Länder der EU ganz besonders, und bisher in höchst positiv zu beurteilendem Maß. Die zuständigen Kommissionen in Brüssel haben ein entschiedenes Bewusstsein für die Notwendigkeit eines hohen Schutzniveaus, und es kann dem früher in diesen Dingen führenden Deutschland u.U. passieren, dass neuere Aufweichungen des strengen Rechtsschutzes (wie insbesondere die Zwangslizenzen nach §- 52a für den Bildungsbereich) nach europäischen Kriterien keinen Bestand haben werden. Neben die World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf als Verwalterin der internationalen Abkommen (insbesondere der Berner Übereinkunft) und die Brüsseler Behörden ist Mitte der 1990er Jahre, insbesondere auf Initiative der Vereinigten Staaten hin, die World Trade Organization (WTO) in Genf getreten, die mit den TRIPS-Abkommen die in der Praxis entscheidende Schlagkraft zur Durchsetzung (enforcement) von urheberrechtlichen Schutzansprüchen geschaffen hat. Nur durch die Durchsetzung erhalten ja gesetzliche Rechte ihren Wert. Durch das TRIPS-Abkommen wird eine aktive Durchsetzung der IPR-Schutzrechte verpflichtend für alle Staaten, die sich der Vorteile der anderen WTO-Verträge erfreuen wollen. Darauf zu verzichten, kann sich kein am Welthandel teilnehmender Staat erlauben. Alle Signatarstaaten des TRIPS-Abkommens müssen für eine wirksame Verfolgung der Verletzung von Urheber- und Markenrechten sorgen. WTO ist damit ein entscheidender Faktor im Schutz für urheberrechtliche Schöpfungen geworden. Als Verhandlungspartner und z.T. akkreditierte NGOs (Non Governmental Organizations) sind für die internationale Verlegerschaft zwei Verbände vorrangig tätig: die Internationale Verlegerunion (IVU) mit Sitz in Genf als Verband der Verlegerverbände aus 76 Ländern der freien Welt und die Federation of European Publishers (FEP) in Brüssel als Verband der Verlegerverbände aller EU- Mitgliedsländer. Hauptaktionsfelder der IVU sind: Förderung der Lesefähigkeit insbesondere in der Dritten Welt, ein freiheitliches, zensurfreies Verlagswesen weltweit sowie Stärkung des Urheberrechts und seine praktische Durchsetzung. <?page no="402"?> 403 7.11 Wichtige Institutionen und Organisationen im Urheberrecht 7.11.2 Verwertungsgesellschaften Aufgabe der Verwertungsgesellschaften ist es, individuell durch Autoren oder Verlage nicht wahrnehmbare Rechte kollektiv zu verwerten und die daraus erzielten Erträge gemäß den dazu aufgestellten Verteilungsplänen an die Berechtigten auszuschütten. Die wichtigsten Verwertungsgesellschaften für den Verlagsbereich in Deutschland sind die VG Wort, die die Rechte der Textautoren und der Verlage verwaltet (460.200 Autoren und 12.300 Verlage im Jahr 2012), sowie die VG Bild/ Kunst, die in gleicher Weise für den Bereich der Abbildungen tätig ist. Größte deutsche Verwertungsgesellschaft ist die GEMA, die Musikrechte verwaltet. Alle Verwertungsgesellschaften sind in doppelter Hinsicht aktiv: als Verwalter der Rechte von Urhebern und Verlagen sowohl mit Auszahlungen wie mit Rechnungsstellung an Verlage, insoweit diese fremde Rechte nutzen, die von der betreffenden VG vertreten werden. Rechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften ist das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWahrnG) vom 9.9.1965. Demge-mäß ist die Tätigkeit einer Verwertungsgesellschaft erlaubnispflichtig (§ 1). Die Erlaubnis wird von der Aufsichtsbehörde, dem Deutschen Patent- und Markenamt (§ 18), erteilt, das ständig über die Ordnungsmäßigkeit der Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften wacht. Dazu zählt der Wahrnehmungszwang (§ 6), nach dem eine Verwertungsgesellschaft auf Verlangen für jeden Berechtigten zu angemessenen Bedingungen tätig werden muss, also auch, wenn sich die Wahrnehmung wegen der Geringfügigkeit der Beträge aus wirtschaftlichen Gründen für die Gesellschaft nicht lohnt. Es müssen des Weiteren satzungsgemäße Kontrollorgane bestehen, und die Verteilung hat nach festen Regeln ohne Willkür zu erfolgen. Die Verwertungsgesellschaft hat des Weiteren Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen zu schaffen (s. u.). Analog zum Wahrnehmungszwang besteht ein Abschlusszwang (§ 11), d. h. die Verwertungsgesellschaften müssen jedermann die Nutzung der von ihnen verwalteten Rechte aus gesetzlichen Lizenzen zu angemessenen Bedingungen gestatten. Das geschieht häufig durch Gesamtverträge (§ 12), z. B. mit der Kultusministerkonferenz (über Fotokopien in Schulen und Hochschulen), mit den Sendeanstalten oder bei Geräteabgaben, etwa mit den Produzenten und Importeuren technischer Geräte (Fotokopierer, Scanner, Faxgeräte etc.). Ansonsten gelten die von der Verwertungsgesellschaft für jede Nutzungsart aufgestellten Tarife (§ 13). Dabei ist auf den Anteil der Werknutzung Rücksicht zu nehmen. <?page no="403"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 404 Das Gesamtaufkommen der VG Wort belief sich im Jahre 2012 auf insgesamt 115,4 Mio. €, von denen 11,1 Mio. (9,6 %) auf die Bibliothekstantieme (Entleihungen), 65,2 Mio. (56,5 %) auf Fotokopien und 21,7 Mio. (19%) auf Hörfunk/ Fernseh- und Kabelrechte entfielen. Rund 13 Mio. fallen als Erträge von ausländischen Verwertungsgesellschaften an, etwas über 0,7 Mio. für den Verleih (Lesezirkel, Videokassetten). Durch neu entstandene gesetzliche Lizenzen (Versand von Dokumenten, LAN-Nutzungen im Bildungsbereich nach §-52a) erweitert sich das Tätigkeitsgebiet, was umgekehrt eine Einschränkung der vertragsbasierten Lizenzvergabe durch die Rechteinhaber bedeuten kann. Generell sollen die Verwertungsgesellschaften ihr Handeln darauf ausrichten, ein ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen Urhebern und Verwertern herzustellen. Von den Gesamtaufkommen gehen etwas unter 8,8% Verwaltungskosten und 7,9% für Sozialeinrichtungen der VG Wort (Autorenversorgungswerk, Sozialfonds sowie Förderungs- und Beihilfe-Fonds Wissenschaft) ab. Der Rest, rund 100 Mio., gelangt in die jährliche Ausschüttung, die (Stand 2012) zu Quoten von 70: 30 zwischen Autoren und Verlagen erfolgt, im Bereich Wissenschaft zu 50: 50. Gesteuert wird die VG Wort durch die Mitgliederversammlung und den Verwaltungsrat. Beide bestehen aus sechs Berufsgruppen bzw. Kurien, die erhebliche Vetorechte haben, durch die eine einseitige Aushebelung von bestimmten Berechtigten verhindert werden soll. Berufsgruppe 1: Autoren und Übersetzer schöngeistiger und dramatischer Literatur Berufsgruppe 2: Journalisten, Autoren und Übersetzer von Sachliteratur Berufsgruppe 3: Autoren und Übersetzer von wissenschaftlicher und Fachliteratur Berufsgruppe 4: Verleger von schöngeistigen Werken und von Sachliteratur Berufsgruppe 5: Bühnenverleger Berufsgruppe 6: Verleger von wissenschaftlichen Werken und von Fachliteratur Alles geschieht unter der Rechtsaufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts, das im Zweifel Verwaltungsrats- oder Mitgliederbeschlüsse aufheben könnte, wenn sie contra legem oder eindeutig unangemessen wären. Für eine sachkundige Vorbereitung der Entscheidungen hat die VG Wort Arbeitsgremien wie eine Satzungskommission, eine Bewertungskommission (für Fragen der Verteilungspläne) und die Kommission Wissenschaft, die sich mit Sonderfragen der Berufsgruppen 3 und 6 befasst. Alle Gremien bestehen immer aus Vertretern sowohl der Urheber wie der Verwerter (Verlage). <?page no="404"?> 405 7.11 Wichtige Institutionen und Organisationen im Urheberrecht Die Verwertungsgesellschaften werden treuhänderisch aufgrund von Wahrnehmungsverträgen mit den Rechteinhabern tätig; aus diesen Verträgen beziehen sie ihre Aktivlegitimation bei Verhandlungen mit Gesetzgeber und Verbänden von Nutzern der betreffenden Rechte. Ein wichtiges vorbereitendes Arbeitsgebiet der Verwertungsgesellschaften, sowohl intern wie untereinander, ist die Feststellung des tatsächlichen Nutzungsumfanges, etwa wie hoch der Bildanteil an Fotokopien, der der VG Bild/ Kunst zufließen muss, oder der Wortanteil an Funk- oder TV-Sendungen ist, der nicht der GEMA, sondern der VG Wort zuzuweisen ist. Ebenso geht es bei solchen empirischen, periodisch durch Marktforschungsinstitute veranstalteten umfänglichen Stichprobenuntersuchungen um das Verhältnis Belletristik: Wissenschaft beim Fotokopieren, bei der Bibliothekstantieme usw. oder die Abschätzung des Kopierguts in Copy-shops, Instituten, Bibliotheken und Schulen auf den urheberrechtlich relevanten Anteil. Dies sind teure Maßnahmen, die aber im Interesse einer Ausschüttungsgerechtigkeit, wie sie das Wahrnehmungsgesetz verlangt, unerlässlich sind. Im Bereich der Intranetnutzungen an Hochschulen verweigern die Hochschulträger seit vielen Jahren jegliche Nutzungsinformationen und leisten trotz klarer gesetzlicher Verpflichtungen keinerlei Zahlungen. Da die Wahrnehmung von Rechten wie Reprografie, Senderechte, Dokumentenlieferung (insoweit verwertungsgesellschaftsberechtigt) heute generell nicht nur im Inland erfolgt, die Verwertungsgesellschaften aber weitgehend als nationale Monopolisten tätig sind, gibt es eine Vielzahl von Gegenseitigkeitsabkommen zwischen den jeweiligen nationalen Verwertungsgesellschaften. Entsprechend gehen erhebliche Zahlungsströme der VG Wort ins Ausland für inländische Nutzungen von Rechten ausländischer Rechtsinhaber. Umgekehrt fließen auch in Millionenhöhe Zahlungen aus dem Ausland an die VG Wort. Für viele Verlage bedeuten die Ausschüttungsbeträge der Verwertungsgesellschaften einen wesentlichen Beitrag zum Jahresgewinn. 7.11.3 Deutsche Nationalbibliothek / Pflichtstückablieferung Seit Jahrhunderten gibt es in Europa (und mittlerweile weltweit) Regelungen zur Pflichtstückablieferung von Druckwerken durch Verlage und sonstige Produzenten an die jeweilige Nationalbibliothek. In Deutschland ist dies die Deutsche Nationalbibliothek mit den Standorten Frankfurt a. M. und Leipzig. Die Gründungsinitiative an beiden Orten ging dabei vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels aus, 1912 in Leipzig und 1946 - aus politischen <?page no="405"?> 7. Rechtsschutz für geistiges Eigentum und Vertragspraxis 406 Gründen der Nachkriegszeit - in Frankfurt. 1990 wurden beide Bibliotheken zusammengeführt. Es blieb aber (mit weitestgehender Zustimmung der Verlage, die jahrzehntelang freiwillig in die DDR abgeliefert hatten) bei der Ablieferungspflicht von zwei Stücken, je einem für jeden Standort. Diese kostenlose Pflichtstückablieferung ist geregelt im Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek und den ergänzenden Verordnungen und Durchführungsbestimmungen (s. u.). Der Verlag erhält durch die von den Nationalbibliotheken erstellten Bibliographien, die weltweit verbreitet werden (heute insbesondere online) einen gewichtigen Gegenwert, ebenso durch die Sicherheit, dass seine Produkte im Notfall auch für ihn als last resort in den Beständen der Nationalbibliothek greifbar sind. Entsprechende Pflichtstückregelungen gibt es auch in den Bundesländern, so dass ein Verlag i.d.R. 4 bis 5 Pflichtstücke jedes Buches und jeder Zeitschrift abliefern muss. Neue Regelungen gibt es für digitale off-line (CD ROM) und online-Produkte. Bei Letzteren ist natürlich eine strenge Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten auf die »on the spot consultation« in den Räumen der Bibliothek unabdingbar. Digitale Pflichtstücke dürfen nicht durch diese Bibliotheken online verfügbar gemacht werden. Die Rechte und Pflichten der Deutschen Nationalbibliothek bzw. der ablieferungspflichtigen Verlage sind geregelt im »Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek« (DNBG) vom 22.6.2006 sowie der »Verordnung über die Pflichtablieferung von Medienwerken ...« (Pfl AV). Darin sind Fristen, Ablieferungsformen, etwaige Kostenzuschüsse, Einschränkungen der Ablieferungspflicht u.v.m. im Einzelnen geregelt ( s.-a. Kap. 3.5). <?page no="406"?> 407 Nützliche Adressen Akademie des Deutschen Buchhandels Literaturhaus München Salvatorplatz 1 80333 München Tel. 089/ 291953-0; Fax 291953-69 email: info@buchakademie.de Internet: www.buchakademie.de Arbeitsgemeinschaft rechts- und staatswissenschaftlicher Verlage e. V. Geschäftsstelle: Clemens Köhler c/ o Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH Im Weiher 10 69121 Heidelberg Tel. 06221/ 489-334; Fax 06221/ 489-470 Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen e. V. (avj) Geschäftsstelle Braubachstraße 16 60311 Frankfurt am Main Tel. 069/ 1306-248; Fax 069/ 1306-403 email: info.avj@boev.de Internet: www.avj-online.de Ausstellungs- und Messe-GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Frankfurter Buchmesse Postfach 10 01 16 60001 Frankfurt am Main Braubachstraße 16 60311 Frankfurt am Main Tel. 069/ 2102-0; Fax 069/ 2102-227 und -277 email: info@book-fair.com Internet: www.buchmesse.de Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Geschäftsstelle: Postfach 10 04 42 60004 Frankfurt am Main Braubachstraße 16 60311 Frankfurt am Main Tel. 069/ 1306-0; Fax 069/ 1306-201 email: info@boev.de Internet: www.boersenverein.de Wichtige Abteilungen: - Rechtsabteilung - Geschäftsstelle des Verlegerausschusses - Abteilung Kommunikation, PR und Marketing - Referat Marketing und Marktforschung Wichtige verlegerische Arbeitsgemeinschaften und -kreise: - Arbeitskreis elektronisches Publizieren (AKEP) - Arbeitskreis kleinerer unabhängiger Verlage (AkV) - Arbeitsgemeinschaft Publikums- und Sachbuchverlage (AGPUBl) - Arbeitsgemeinschaft Zeitschriftenverlage (AGZV) - Arbeitskreis Bild- und Kunstbuchverlage - Arbeitskreis Hörbuchverlage - Arbeitskreis Kalenderverlage - Arbeitskreis Ratgeberverlage - Arbeitsgruppe Taschenbuchverlage - Arbeitskreis Touristikverlage In den Bundesländern existieren Landesverbände, die ebenfalls als „Börsenverein“ firmieren und im Rahmen einer integrierten Gesamtorganisation tätig, aber rechtlich selbständig sind. <?page no="407"?> Nützliche Adressen 408 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. Geschäftsstelle: Markgrafenstr. 15 10969 Berlin Tel. 030/ 726298-0; Fax 030/ 726 298 299 email: bdzv@bdzv.de Internet: www.bdzv.de Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) Geschäftsstelle: Rochusstr. 10 53123 Bonn Tel. 0228/ 962103-0; Fax 0228/ 379014 Bundesverband Druck und Medien (bvdm) e. V. Geschäftsstelle: Postfach 1869 65008 Wiesbaden Biebricher Allee 79 65187 Wiesbaden Tel. 0611/ 803181; Fax 0611/ 803113 email: info@bvdm-online.de Internet: www.bvdm-online.de Verein Deutsche Fachpresse Geschäftsstelle Büro Frankfurt Braubachstraße 16 60311 Frankfurt am Main Tel. 069/ 1306-397; Fax: 069/ 1306-417 email: info@deutsche-fachpresse.de Internet: www.deutsche-fachpresse.de Deutsche Nationalbibliothek Adickesallee 1 60322 Frankfurt am Main Tel. 069/ 1525-0; Fax 069/ 1525-1010 email: info-f@d-nb.de Internet: www.d-nb.de Deutsche Nationalbibliothek Deutscher Platz 1 04103 Leipzig Tel. 0341/ 2271-0 email: info-l@d-nb.de Internet: www.d-nb.de Deutscher Musikverleger-Verband e. V. Friedrich-Wilhelm-Str. 31 53113 Bonn Tel. 0228/ 53970-0; Fax 0228/ 53970-70 email: info@dmv-online.com Internet: www.dmv-online.com/ Deutsches Bucharchiv München Salvatorplatz 1 80333 München Tel. 089/ 291951-0; Fax 089/ 291951-95 email: kontakt@bucharchiv.de Internet: www.bucharchiv.de/ Europäischer Verleger-Verband e. V. 31, rue Montoyer, box 8 B-1000 Bruxelles Tel. 0032/ 2/ 7701110; Fax 0032/ 2/ 7712071 email: info@fep-fee.eu Internet: www.fep-fee.eu Institut für Urheber- und Medienrecht Salvatorplatz 1 80333 München Tel. 089/ 291954-70; Fax 089/ 291954-80 email: info@urheberrecht.org Internet: www.urheberrecht.org International Association of STM publishers STM Secretariat Prins Willem Alexanderhof 5 2595 BE The Hague Postal address: POB 90407 2509 LK The Hague <?page no="408"?> Nützliche Adressen 409 The Netherlands Tel. 0031/ 70314 09 30; Fax 0031/ 70 314 09 40 email: info@stm-assoc.org Internet: www.stm-assoc.org Internationale ISBN-Agentur Geschäftsstelle: International ISBN-Agency c/ o EDITEUR 39-41 North Road London N7 9DP United Kingdom Tel / Fax 0044/ 0/ 2075036418 eMail: info@isbn-international.org Internet: isbn-international.org Internationale ISSN-Agentur Geschäftsstelle: ISSN International Centre 20, rue Bachaumont F-75002 Paris, France Tel. 0033/ 1/ 44 88 22 20; Fax 0033/ 1/ 40 26 32 43 email: issnic@issn.org Internet: www.issn.org Internationale Verleger-Union (IVU) 23, avenue de France CH-1202 Genf Tel. 0041/ 22/ 7041820; Fax 0041/ 22/ 7041821 email: secretariat@ipa-uie.org Internet: www.internationalpublishers.org mediacampus frankfurt die schulen des deutschen buchhandels Wilhelmshöher Straße 283 60389 Frankfurt am Main Tel. 069 947400-0; Fax 069/ 947400-50 email: info@mediacampus-frankfurt.de www.mediacampus-frankfurt.de Munzinger Archiv GmbH Albersfelder Str. 34 88213 Ravensburg Tel. 0751/ 76931-0; Fax 0751/ 652424 email: box@munzinger.de Internet: www.munzinger.de Nationale ISBN-Agentur c/ o MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH Braubachstraße 16 60311 Frankfurt am Main Tel. 069/ 1306-387; Fax 069/ 1306-258 email: isbn@mvb-online.de Internet: german-isbn.org Nationales ISSN-Zentrum für Deutschland Geschäftsstelle: Deutsche Nationalbibliothek Nationales ISSN-Zentrum für Deutschland Adickesallee 1 60322 Frankfurt am Main Tel. 069/ 1525-1481; Fax 069/ 15251414 email: issn@d-nb.de Internet: www.d-nb.de Preisbindungsbevollmächtigte des Sortiments Rechtsanwältin Birgit Menche Steinweg 8 60313 Frankfurt Tel. 069/ 977829-40; Fax 069/ 977829-42 email: mail@ra-menche.de Preisbindungstreuhänder der Verlage Rechtsanwalt und Notar Dieter Wallenfels Bahnhofstr. 67 65185 Wiesbaden Tel. 0611/ 449091; Fax 0611/ 48451 email: wiesbaden@fuhrmann-wallenfels.de Internet: www.fuhrmann-wallenfels.de <?page no="409"?> Nützliche Adressen 410 Schulen des Deutschen Buchhandels siehe mediacampus Stiftung Lesen Geschäftsstelle: Fischtorplatz 23 55116 Mainz Tel. 06131/ 28890-0; Fax 06131/ 230333 mail@stiftunglesen.de Internet: www.stiftunglesen.de VdS Bildungsmedien e. V. (ehemaliger Verband der Schulbuchverlage) Zeppelinallee 33 60325 Frankfurt am Main Tel. 069/ 703075; Fax 069/ 707901-69 email: verband@vds-bildungsmedien.de www.vds-bildungsmedien.de Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage e. V. Pariser Straße 47 10719 Berlin Tel. 030/ 86208161; Fax 030/ 86208157 email: info@ buehnenverl e ge r .de Internet: www.theatertexte.de/ inhalt/ verband Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. Geschäftsstelle: Markgrafenstr. 15 10969 Berlin Tel. 030/ 726298-0; Fax 030/ 726298-103 email: info@vdz.de Internet: www.vdz.de Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST Weberstr.61 53113 Bonn Tel. 0228/ 91534-0; Fax 0228/ 91534-39 email: info@bildkunst.de Internet: www.bildkunst.de Verwertungsgesellschaft WORT Untere Weidenstr. 5 81543 München Tel. 089/ 51412-0; Fax 089/ 51412-58 email: vgw@vgwort.de Internet: www.vgwort.de Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. Am Weidendamm 1A 10117 Berlin Tel. 030/ 590099-700; Fax 030/ 590099-722 email: zaw@zaw.de Internet: www.zaw.de <?page no="410"?> Nützliche Adressen 411 Hochschulinstitute und Ausbildungsgänge die medienakademie Hausvogteiplatz 3-4 10117 Berlin www.diemedienakademie.de Institut für Buchwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr. Ursula Rautenberg Katholischer Kirchenplatz 9 91054 Erlangen www.buchwiss.uni-erlangen.de Institut für Jugendbuchforschung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Prof. Dr. Hans-Heino Ewers Grüneburgplatz 1 60323 Frankfurt am Main www.uni-frankfurt.de/ fb10/ jubufo Universität Leipzig Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft Abteilung Buchwissenschaft und Buchwirtschaft Burgstraße 21 04109 Leipzig Tel. 0341/ 341-9735720; Fax: 0341/ 9735739 email: dsander@uni-leipzig.de Internet: www.kmw.uni-leipzig.de Studiengang Buchhandel/ Verlagswirtschaft der HTWK Leipzig Fachbereich Buch und Museum Prof. Dr. Ernst-Peter Biesalski Karl-Liebknecht-Str. 132 04277 Leipzig www.htwk-leipzig.de Institut für Buchwissenschaft Johannes Gutenberg-Universität Main Prof. Dr. Stephan Füssel Philosophicum Jakob-Welder-Weg 18 55128 Mainz Tel. 06131/ 39 22580; Fax 06131/ 39 25487 www.buchwissenschaft.uni-mainz.de Institut für deutsche Philologie, Studiengänge Buchwissenschaft Prof. Dr. Christine Haug Schellingstr. 3 RGB 80799 München Tel. 089 2180-2497; Fax: 089 2180-99-2395 email: christine.haug@germanistik.unimuenchen.de Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim FG Kommunikationswissenschaft und Journalistik Prof. Dr. Dr. habil. Claudia Mast Postanschrift: 70593 Stuttgart email: sekrkowi@uni-hohenheim.de https: / / media.uni-hohenheim.de <?page no="412"?> 413 Weiterführende Literatur Einen breiten Überblick über aktuell verfügbare Fachliteratur bietet: Buchhändlerische Fachliteratur. Hrsg. vom Sortimenter-Ausschuss des Börsenvereins. Frankfurt am Main, Börsenverein des Deutschen Buchhandels (erscheint jährlich) a) Fachzeitschriften Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (Frankfurt am Main und Leipzig) Herausgeber: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Das Börsenblatt ist das Verbandsorgan des Börsenvereins. Anschrift der Redaktion: Braubachstr. 16, 60311 Frankfurt Postfach 10 04 42, 60004 Frankfurt Tel. 069/ 1306-0, Fax 069/ 289986 eMail: boersenblatt@buchhaendler-vereinigung.de Internet: www.boersenblatt.net buchmarkt, Magazin für den Buchhandel Buchmarkt-Verlag K. Werner eMail: redaktion@buchmarkt.de, Internet: www.buchmarkt.de buchreport.magazin, Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG , Dortmund, eMail: post@harenberg.de, Internet: www.harenberg.de Langendorfs Dienst, Wirtschaftsinformation für die Buchbranche (täglicher e-mail Newsletter) Internet: www.langendorfs-dienst.de <?page no="413"?> Weiterführende Literatur 414 b) Nachschlagewerke Buch und Buchhandel in Zahlen 2013 Hrsg. vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, MVB Marketing- und Verlagsservice, Frankfurt a. M. 2013. ISBN 978-3-7657-3276-8 Adressbuch für den deutschsprachigen Buchhandel Das Adressbuch besteht aus drei Bänden (Verlage, Buchhandlungen und Organisationen), auch als CD ROM verfügbar. (Bezugsquelle: wie oben) Creifelds, Carl: Rechtswörterbuch 21. neubearb. Aufl. C.H. Beck. München 2014. ISBN 978-3-406-63871-8 ISBN 978-3-406-63872-5 (m. CD-ROM) Hiller, Helmut/ Füssel, Stefan: Wörterbuch des Buches 7. grundleg. überarb. Aufl. Klostermann. Frankfurt a.M. 2006 ISBN 978-3-465-03495-7 Rautenberg, Ursula (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Buches 2., verb. Aufl. Reclam. Stuttgart 2003. ISBN 978-3-15-010542-9 Praxiswörterbuch Verlagswesen und Buchhandel (Englisch) Langenscheidt. München 2007. ISBN 978-3-86117-272-7 Sjurts, Insa: Gabler Lexikon Medienwirtschaft. 2., aktualis. u. erw. Aufl. Gabler. Wiesbaden 2011. ISBN 978-3-8349-0140-8 Verlagslexikon. Hrsg. von Klaus-Wilhelm Bramann und Ralf Plenz. Frankfurt am Main, Bramann 2002. ISBN 978-3-934054-13-4 <?page no="414"?> Weiterführende Literatur 415 VLB - Verzeichnis Lieferbarer Bücher (als CD-ROM oder online). Das Standardwerk des Buchhandels verzeichnet rd. 1 Mio Titel aus über 16.000 Verlagen weitestgehend alle lieferbaren deutschsprachigen Publikationen sowie die fremdsprachigen Publikationen deutscher Verlage. Damit zeichnet sich das VLB gegenüber allen anderen Buchhandelsdatenbanken durch seine Vollständigkeit aus und ist ein von kommerziellen Interessen unabhängiges Informationssystem. www.buchhandel.de c) Einführungen Buchhandels-Kompendium, für Ausbildung und Praxis: Verband der Verlage und Buchhandlungen in Baden-Württemberg e.V., Stuttgart post@buchhandelsverband.de. www.buchhandelsverband.de Beyer, Andrea/ Carl, Petra, Einführung in die Medienökonomik. 3., überarb. Aufl. UVK Konstanz 2012. ISBN 978-3-8252-3846-9 Gantert, Klaus/ Hacker, Rupert: Bibliothekarisches Grundwissen 8., neu bearb. Aufl. De Gruyter Saur. München 2008 ISBN 978-3-598-11771-8 Heinold, Wolfgang E.: Bücher und Büchermacher. 6., bearb. Aufl. Bramann. Frankfurt a. M. 2009. ISBN 978-3-934054-25-7 Kipphan, Helmut (Hrsg.): Handbuch der Printmedien. mit CD-ROM. Springer. Berlin 2000. ISBN 978-3-540-66941-8 Plenz, Ralf (Hrsg.): Verlagshandbuch. Leitfaden für die Verlagspraxis. Loseblattwerk. Input. Hamburg 2010. ISBN 978-3-930961-16-0 <?page no="415"?> Weiterführende Literatur 416 Rautenberg, Ursula / Wetzel, Dirk: Buch. Grundlagen der Medienkommunikation, Band 11. Niemeyer. Tübingen 2001. ISBN 978-3-484-37111-8 Röhring, Hans-Helmut.: Wie ein Buch entsteht. Einführung in den modernen Buchverlag 9. Aufl. Primus. Darmstadt 2011 ISBN 978-3-89678-735-4 Schickerling, Michael / Menche, Birgit: Bücher machen. Ein Handbuch für Lektoren und Redakteure 3. akt. u. erw. Aufl. Bramann. Frankfurt a. M. 2012. ISBN 978-3-934054-52-3 Schütz, Erhard (Hrsg.): Das BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen 2. Aufl. Rowohlt. Reinbek bei Hamburg. 2005. ISBN 978-3-499-55672-2 d) Literatur zu einzelnen Kapiteln Zu Kapitel 2 Planung, Organisation und Controlling Wantzen, Stephan: Betriebswirtschaft für Verlagspraktiker. Jahresabschluss, Kalkulation, Erfolgssteuerung. Edition Buchhandel, Band 11. 2., bearb. Aufl. Bramann. Frankfurt 2008. ISBN 978-3-934054-34-9 Controlling im Fachzeitschriftenverlag. Erarbeitet von der Kommission Betriebswirtschaft der Deutschen Fachpresse. 2. Aufl. MVB Marketing- und Verlagsservice. Frankfurt 2000. ISBN 978-3-7657-2298-1 <?page no="416"?> Weiterführende Literatur 417 Ruf, Winfried: Das 3 × 3 Verfahren zur Entwicklung von Verlagsobjekten. In: Verlagshandbuch, hrsg. v. R. Plenz (s. dort). Zu Kapitel 3 Herstellung/ Ökonomik Blana, Hubert: Die Herstellung. Ein Handbuch für die Gestaltung, Technik und Kalkulation von Buch, Zeitschrift und Zeitung 5., vollständig überarb. und akt. Aufl. De Gruyter Saur. München 2009. ISBN 978-3-598-11597-4 Breyer-Mayländer, Thomas (u.a.): Wirtschaftsunternehmen Verlag. Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsverlage: Distribution, Marketing, Rechtsgrundlagen, Redaktion/ Lektorat. 4. überarb. Aufl. Bramann. Frankfurt a. Main 2010. ISBN 978-3-934054-37-0 Groothuis, Rainer: Wie kommen die Bücher auf die Erde? Über Verleger und Autoren, Hersteller, Verkäufer und Gestalter, die Kalkulation und den Ladenpreis, das schöne Buch und Artverwandtes. Nebst einer kleinen Warenkunde. Überarb. u. erw. Neuausg. DuMont. Köln 2007. ISBN 978-3-8321-8046-1 Reichle, Gregor: Produktmanagement von Fachmedien. Produktmarketing - Informationsmanagement - Projektmanagement. Edition Buchhandel, Band 12. Bramann. Frankfurt a. Main 2003. ISBN 978-3-934054-15-8 Schönstedt, Eduard: Der Buchverlag. Geschichte, Aufbau, Wirtschaftsprinzipien, Kalkulation und Marketing 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Metzler. Stuttgart 2010. ISBN 978-3-476-02258-5 <?page no="417"?> Weiterführende Literatur 418 Willberg, Hans Peter: Erste Hilfe in Typografie. Ratgeber für Gestaltung mit Schrift. Hermann Schmidt. Mainz 1999. ISBN 978-3-87439-474-1 Zu Kapitel 4 Marketing und Vertrieb Bez, Thomas/ Keiderling, Thomas: Der Zwischenbuchhandel Begriffe, Strukturen, Entwicklungslinien in Geschichte und Gegenwart. Hauswedell. Stuttgart 2010 ISBN 978-3-7762-0510-7 Fantapié Altobelli, Claudia / Hoffmann, Sascha: Grundlagen der Marktforschung UVK/ Lucius, Konstanz/ München 2011 ISBN 978-3-8252-3466-9 Breyer-Mayländer, Thomas: Online-Marketing für Buchprofis. Grundzüge des E-Commerce, Werbemedium Internet, Qualitätskriterien von Websites, Verlage und Buchhandlungen im Internet. Edition Buchhandel Bd. 14 Bramann. Frankfurt a. Main 2004. ISBN 978-3-934054-19-6 Deurer, Uli: Vertrieb und Werbung im modernen Buchverlag. Bramann. Frankfurt a. M. 2007. ISBN 978-3-934054-08-0 Franzen, Hans/ Wallenfels, Dieter/ Russ, Christian: Buchpreisbindungsgesetz. Die Preisbindung des Buchhandels. 6. überarb. Aufl. C.H. Beck. München 2012. ISBN 978-3-406-61190-2 Kotler, Philip (u.a.): Grundlagen des Marketing. 5. aktual. Aufl. Addison Wesley in Pearson Education Deutschland. 2010 ISBN 978-3-86894-014-5 <?page no="418"?> Weiterführende Literatur 419 Laumer, Ralf (Hrsg.): Bücher kommunizieren. Das PR Arbeitsbuch für Bibliotheken, Buchhandlungen und Verlage. 2. Aufl. V. Falkenberg. Bremen 2010 ISBN 978-3-937822-38-9 Laumer, Ralf (Hrsg.) Verlags-PR - ein Praxisleitfaden PR-Arbeit in Buchverlagen - Journalisten als Zielgruppe - Online- Kommunikation - Berufsbild Verlags-PR 2., bearb. Aufl. Bramann. Frankfurt a.M. 2008 ISBN 978-3-934054-32-5 Mast, Claudia: Unternehmenskommunikation 5. Aufl. UVK/ Lucius, Stuttgart (UTB) 2012 ISBN 978-3-8252-3825-4 Unger, Fritz u.a.: Mediaplanung Methodische Grundlagen und praktische Anwendungen 6. Aufl. Springer. Berlin 2013 ISBN 978-3-642-30656-3 Zu Kapitel 5 Zeitschriften Die Anzeigenpraxis in Fachzeitschriften. Ratgeber für die Anzeigen-Praxis in Fachverlagen.. Hrsg. v. Deutsche Fachpresse, 2. Aufl. AMF-Schriftenreihe Band 4. MVB Marketing- und Verlagsservice, Frankfurt a. M. 2000. ISN 978-3-7657-1791-8 Controlling im Fachzeitschriftenverlag. 2. Aufl. Buchhändler-Vereinigung. Frankfurt a. M. 2000. ISBN 978-3-7657-2298-1 <?page no="419"?> Weiterführende Literatur 420 Media- und Marketingbegriffe Fachzeitschriften. Hrsg. von Deutsche Fachpresse 2. Aufl. AMF-Schriftenreihe, Band 3. MVB Marketing- und Verlagsservice, Frankfurt a. M. 1993. ISBN 978-3-7657-1758-1 Stamm: Leitfaden durch Presse und Werbung. erscheint jährlich, in 2 Bänden sowie als CD-ROM. Stamm. Essen ISBN 978-3-87773-049-2 (66. Aufl., 2013) VDZ Vertriebslexikon VDZ Zeitschriften Akademie GmbH. Berlin 2011 ZAW: Werbung in Deutschland 2011 Edition ZAW. Bonn 2011 Zu Kapitel 6 Digitales Publizieren [1] Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hrsg.) (2013): Buch und Buchhandel in Zahlen 2012. MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, Frankfurt am Main [2] Dr. Müller C., Spiegel S., Ullrich, F. (2010): E-Books in Deutschland. Der Beginn einer neuen Gutenberg-Ära? PricewaterhouseCoopers, Düsseldorf [3] Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (2012): internet facts 2012-02. Frankfurt am Main, Mai 2012 [4] Hofmann J., Lippmann J., Oldendorf A. (2013): Von der Perspektive zur Relevanz - Das E-Book in Deutschland 2012; Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hrsg.), Frankfurt am Main [5] The Nielsen Company (2011): Nielsen Netratings. Hamburg [6] buchreport (3/ 2012): Die 50 größten Buchhandlungen 2011. Harenberg Kommunikation Verlags- und Medienbeteiligungsgesellschaft GmbH & Co. KG, Dortmund <?page no="420"?> Weiterführende Literatur 421 [7] buchreport (4/ 2012): Die 100 größten Verlage 2011. Harenberg Kommunikation Verlags- und Medienbeteiligungsgesellschaft GmbH & Co. KG, Dortmund [8] Heinrich M., Riethmüller H., Ulmer M. (2011): 2025 - eine schöne neue Welt? Szenarien für die Buchbranche der Zukunft. Buchtage, Berlin [9] Liehr K, Skipis A (2011): Ergebnisse Zukunftskonferenz 55 Thesen. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.,Frankfurt am Main [10] Clement M, Eggers F, Prostka T (2012) E-Books und E-Reader. Kauf und Nutzung. Universität Hamburg/ Reserach Center for Media & Communication, Hamburg [11] Gesetz über die Preisbindung für Bücher (2002) http: / / www.bmwi.de/ BMWi/ Redaktion/ PDF/ Gesetz/ buchpreisbindungsgesetz,property=pdf,bereic h=bmwi, sprache=de,rwb=true.pdf, 2002 [12] Value Notes Data Base Private Ltd. (2011) The Current Sate of Digital Content. Pahan, Pune (India) [13] E-Commerce-Magazin, Onlineausgabe (2012) http: / / www.e-commercemagazin.de/ ecm/ news/ zwei-bis-drei-euro-pro-app-sind-ok [14] von Lucius, W. D. (2014) Verlagswirtschaft 3. Aufl. UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und UVK Lucius · München [15] Ausschuss für den Zwischenbuchhandel im Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V (Hrsg.) (2010): ABC des Zwischenbuchhandels. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., Frankfurt am Main [16] Marktübersicht E-Publishing: Plattformen und Geschäftsmodelle für Verlage (2011). Kirchner + Robrecht GmbH Management consultants, Berlin/ Frankfurt/ München <?page no="421"?> Weiterführende Literatur 422 [17] Kohl, R. (2012): Am Ende muss es der Kunde wissen! Warum Offline und Online zusammengehören. Vortrag auf dem Publisher Forum, Berlin [18] Tamblyn, M. (2012): Kobo Takes eBooks Around the World. Vortrag auf dem Publisher Forum, Berlin [19] Eigene Befragung [20] Heinemann G (2011): Cross-Channel-Management. Interationserfordernisse im Multi-Channel-Handel (3. Aufl). Gabler Verlag/ Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden [21] Pressemitteilung zur Entwicklung des Interaktiven Handels 2011 (2012), Bundesverband des deutschen Versandhandels, Berlin http: / / www.bvh. info/ bvh/ aktuelles/ details/ artikel/ interaktiver-handel-2011-groessteumsatzsteigerung-seit-jahren-e-commerce-anteil-sprengt-die-2/ [22] Aussage zum Marktanteil E-Books von Amazon 2009/ 2010 http: / / www. spiegel.de/ netzwelt/ gadgets/ kindle-verkaufszahlen-amazon-verkuendet-ebuch-sieg-a-707505.html [23] Eigene Recherche/ Querschnitt durch Veröffentlichungen [24] Wischenbart R (2011): The Global eBook Market: Current Conditions & Futur Projections O’Reilly Media Inc.; aktualisiert im September 2013 [25] http: / / www.gfk.com/ group/ press_information/ press_releases/ 009571/ index. de.html6 [26] E-Book Bestsellerlisten des Börsenblatts in Kooperation mit Media Control http: / / www.boersenblatt.net/ 523556/ [27] S. Fedtke, L. Reinerth, (Hrsg) Erfolgreich Publizieren im Zeitalter des E-Books Springer Vieweg, 2012, XII, 260 S. 77 Abb., 19 in Farbe. ISBN 978-3-8348-2528-5 <?page no="422"?> Weiterführende Literatur 423 [28] Matrisch U., Welsch U., E.-Books konzipieren und produzieren Medien Edition Welsch, 2011 [29] Kirchner & Robrecht management consultants, Marktübersicht E-Publishing-Plattformen Frankfurt / Berlin, 2011 Zu Kapitel 7 Urheber- und Verlagsrecht Dreier, Thomas/ Schulze, Gernot: Urheberrechtsgesetz (UrhG), Kommentar. Urheberrechtsgesetz, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Kunsturhebergesetz. 4. Aufl. C.H. Beck. München 2013. ISBN 978-3-406-62747-7 Fechner, Frank: Medienrecht. Lehrbuch des gesamten Medienrechts unter besonderer Berücksichtigung von Presse, Rundfunk und Multimedia 14., überarb. u. erg. Aufl. UTB (Mohr Siebeck). Stuttgart 2013. ISBN 978-3-8252-3921-3 Fromm, Friedrich K./ Nordemann, Wilhelm: Urheberrecht. Kommentar zum Urheberrechtsgesetz, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Verlagsgesetz 10. überarb. u. erw. Aufl. Kohlhammer. Stuttgart 2008. ISBN 978-3-17-019771-8 Hardt, Petra Christine: Buying, Protecting and Selling Rights Bramann. Frankfurt a.M. 2008 ISBN 978-3-934054-33-2 Hillig, Hans-Peter (Hrsg.): Urheber- und Verlagsrecht (UrhR). (Gesetzestexte) 14. Aufl. dtv Taschenbücher Bd.5538 Beck-Texte C.H. Beck. München 2012. ISBN 978-3-423-05538-3 <?page no="423"?> Weiterführende Literatur 424 Owen, Lynette: Selling rights Taylor & Francis. Routledge E-Book ISBN 978-0-203-18467-7 (EPUB: ISBN 978-0-203-86366-4) Schulze, Gernot: Meine Rechte als Urheber. Urheber- und Verlagsrecht. dtv Taschenbücher Bd.5291 Beck-Rechtsberater 6., aktualis. Aufl. C.H. Beck. München 2009. ISBN 978-3-423-05291-7 Wegner, Konstantin/ Wallenfels, Dieter/ Kaboth, Daniel (u. a.): Recht im Verlag. 2. Aufl. C.H. Beck. München 2011. ISBN 978-3-406-58519-7 <?page no="424"?> 425 Register A Abbildungsrechte 389 A/ B/ C-Analyse 158, 209 ABC-Schema 158 Abdrucklizenz 141 Ablauforganisation 88, 136 Ablehnungsquote 259 Abmahnung Piraterie 293 Abonnement 257 Abonnentenadresse 282 Absatzhonorar 145, 380 Absatzkanäle 184 Absatzpolitik 181 Absatzstatistik 234 Regionalabsatzstatistik 218 Absatzverlauf 169 Abschlusszwang 403 Abschreibungsverhalten 113 Adressbestand 280 Adressmanagement 279 Agency Modell 296, 297 Agenten 392 Aggregatoren 325, 350 Aktiva 109 aliud 372, 400 Amazon 334, 343, 345, 346, 350, 352, 355, 356, 357, 358 AMF-Schema 272 Amortisationsrechnung 150 Änderungsverbot 385 Angebote 134 Angemessene Vergütung 376, 382 angestellter Urheber 100, 383 Annahmekriterium 261 Anthologie 398 Anzeigenagentur 278 Anzeigenakquisition 268 Anzeigenauftrag 278 Anzeigenerlös 244, 252 Anzeigengeschäft 266 Anzeigenkombination 272 Anzeigenkunde 246 Anzeigenschlusstermin 279 Anzeigenverkauf 277 App 330, 334 Apple 343, 358 App-Store 324, 330, 334, 353 Aufbauorganisation 88, 91 Auflage 163 Auflagenaufstockung 167 Auflagenbemessung 160, 163 Auflagenkalkulation 153 Auflagenkontrolle 275 Auftragsarbeit 145 Auftragseingang 238 Auftragsverwaltung 139 Ausgabegeräte 349 Ausgliederungen 105 Ausleihe 339 Außendienst 225 Außenhandel 57 Ausstellungen 229 Autorenhonorare 118 Autorenverlage 83 Autorenversorgungswerk 404 B B2B-Kunden 348 Backlist 75 Barnes & Noble 343 Barsortiment 196 Basisrabatt 196 <?page no="425"?> Register 426 Bastei-Lübbe 335 Bearbeiter 381 Bearbeitung 386 Beihefter 274 Beilagen 274 Belegungsplan 218 Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises 32 Belieferungsrechte 111 Belletristik-Markt 343 Benchmarking 129 Berner Übereinkunft 401 Beschlagnahme 41 Besorgungsgeschäft 187 Bestellvertrag 372 Bestsellerliste 240, 242 Besuchskunden 226 Bewertungsprinzipien 112 Bewertungsverfahren 109 Bezahlmodelle 326 Bezugsbasis für Honorare 379 Bibliometrie 296 Bibliothek 336 wissenschaftliche 337 Bibliotheken 294, 325, 334, 348 Bibliotheksschranke 341 Bibliothekstantieme 341 Bilanzierungsmethoden 109 Bildautor 397 Bildhonorar 141 Bildrecht 393 Bildung Urheberrecht 294 Bildungspolitik 294 Bildverarbeitung 140 bipolare Angebote 333 bipolarer Markt 325 books are different 17 Bookwire GmbH 352 Börsenverein des Deutschen Buchhandels 46, 342 Boston-Matrix 78 bottom-up-Verfahren 81 Branchenbetriebsvergleiche 127 break-even-Analyse 171 Brockhaus 322 Bruttohonorar 146 buch.de 345 Bücherlesen 55 Bücherstand 230 Buchgestaltung 135 Buchhandel E-Book 353 Buchhandelskette 52 Buchpreis 141 Buch- und Zeitschriftenverlag 82 buecher.de 345 Bündelung 194 Bündelung der Auftragsvergabe 139 Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger 46 C CAAS (Computer Aided Advertising Systems) 263 CC-Zeitschriften 253 CD-ROM 321 CD-ROM-Ausgabe 257 Ceebo.de 352 change management 89 ciando GmbH 352 Cloud 358 Commerce 332 Community 332 Computer-Spiele-Industrie 344 Connection 332 Content 332, 336 Content Management System 314 Content Marketing 333 Context 332 Controlling 128 copy editor 97 <?page no="426"?> Register 427 Copyright-Zeichen 401 Corporate Identity-Konzept (CI) 232 Corporate Publishing 255, 258 Counter-Standard 339 Crossmedia 313 Cross-Selling 280 Curation 332 Customer Relation Management (CRM) 229 Customized Information 320, 324 D Datenbanken 321 Datenformat 138 Datenorganisation 89 Datenpflege 225 Datenschutzregeln 283 Debitorenausfallgarantie 195 Deckungsauflagenrechnung 169 Deckungsbeitrag 209 Deckungsbeitragsrechnung 172 Deckungspunkte 171 Dedikationsexemplare 220 Delisting 205 Demand-Pull-Titel 202 Desktop-Publishing-Verfahren 89 Deutsche Digitale Bibliothek 289 Deutsche Nationalbibliographie 49 Deutsche Nationalbibliothek 405 Deutschen Telekom 346 Diagramme 140 Dienstleister 193 Digitaldruck 133, 134, 165 digitale Distribution 351 digitaler workflow 134 digitales Manuskript 137 digitales Rechtsmanagement (DRM) 350 Digitalisierung 287 Digital Natives 303 Digital Object Identifier 325 Digital Rights Management 329 Digital Warehouse 351 Direktbestellung 185 Direktvertrieb 185, 348 Direktvertriebsunternehmen 228 Direktwerbung 221 Dispositionskosten 167 disruptive Veränderungen 322 Distributionspolitik 184 Divibib GmbH 334, 339 divisionale Struktur 93 DOI 325 Download-Token 351 DRM 329, 350, 360 Druckauflage 163, 165 Druckkostenzuschuss 147 Druckverfahren 133 Druckvorstufe 133 Druckvorstufekosten 116, 265 DTP-Technik 134, 162 Durchschnittsrabatt 239 DVD-ROM 323 E Ebitda 175 E-Book 326, 333 E-Book-Aggregatoren 350 E-Book Ausleihe 333 E-Book-Cards 355 E-Book-Reader 317, 343, 355, 356 E-Books 338 E-Commerce 224, 345 Eigentumsgarantie 26 Einzelhandel 345 Einzeltitelbewertung 113 Einziehung von Schriften 28 E-Journal 329, 335 ekz.bibliotheksservice GmbH 334 E-Magazine 329, 336, 346 Empfänger-Strukturanalyse 274 Endgerät 325, 347, 350, 358 <?page no="427"?> Register 428 Endkunde 198 Endverbraucherwerbung 218 Enhanced E-Book 326 Enriched E-Book 326 Enteignungseingriff 27 Enthaltungspflicht 366 Entschädigung 27 E-Paper 329, 336 E-Procurement 325 EPUB (Electronic Publishing) 328 E-Publishing 286 E-Reader 317, 344 Erfolgsbeteiligung 145 Erfolgshonorar 380 Ergänzungslieferung 285 Ergebnisorientierung 65 Ergebnisverantwortung 92, 96 Erhaltungswerbung 283 Ersatzvornahme 386 Erschöpfungstatbestand digitale Medien 296 Erstauslieferungen 194 Ertragskraft 81 Ertragsplanung 119 Eurostyles 56 externe Dienstleister 104 F Fachinformation 348 Fachportal 225 Fachpressestatistik 253 Fachseminare 258 Fachzeitschrift 244, 254 Fachzeitschriftenmarkt 325 Facultas 348 Fertigungsgemeinkostenzuschlag 112, Filialunternehmen 63 Finanzplan 123 Fixkosten 160, 165 Förderungs- und Beihilfe-Fonds Wissenschaft 404 Formatgrenze 134 Fortsetzungsbezieher 200 Fotograf 393 Fotokopien 403 Frankfurter Buchmesse 231 Freemium 333 Freemium-Modelle 326 Freiexemplar 367, 381 Freiheit der Person 24 Freiheit der Presse 39 Freistücke 220 Freizeitbudget 59 Freizeitverhalten 53 Fremdmanagement 64 Fristsetzung 391 frühe Signale 131 Frühwarnsystems 126 FTE 338 full time equivalent 338 funktionale Organisation 91 Funktionsausgliederung 100 Funktionsrabatt 196 Fusionskontrolle 33 G gang production 139 Garantiezahlung 149 Gebietsschutz 226 Gebrauchtbuch 191 Gegendarstellungsanspruch 41 Gegenseitigkeitsabkommen 405 GEMA 403 Gemeinkosten 157 Gemeinkostenzuordnung 153 gemeinsame Vergütungsregeln 371, 382 Gemeinwohlvorbehalt 27 gemischte Staffel 202 Gesamterfolg 174 Gesamtkatalog 224 Geschäftsführung, erweiterte 93 Geschäftskunden 348 <?page no="428"?> Register 429 Gesellschaft für Konsumforschung 342 Gesellschaftsvertrag 108 Unternehmenszweck 293 gesetzliche Honoraransprüche 382 gesetzliche Lizenzen 403 gesetzliche Zwangslizenzen 27 Gewaltdarstellung 30 Gewinn- und Verlustrechnung 174 Glaubwürdigkeit 309 good practice-Regel 371 Google 334, 347, 358 Google Settlement 291 Grafiker 393 Großversender 64 Grundauflage 167 Grundgesetz 23 Grundwerk 285 H Halbtonabbildungen 140 Handelspanel-Buch 241 Handelsvertreter 225 Händlerwerbung 190 Hauptrecht 374 Herausgeber 259 Herausgebervertrag 376 Herr des Unternehmens 365, 377 Herstellung 133 Herstellungsablauf 137 Herstellungskosten 145 HGB-Regelungen 110 Holding 94 Homepage 224 Honorar 145ff., 379ff. Honoraranpassung 147 Honorargarantie 145 Honorarmaximierung 380 Honorierung digitale Nutzungsarten 292 Hörspielfassung 386 human resource 129 Hybrid-Abonnements 335 I Illustration 140, 381 Illustrierung 386 immaterielle Vermögensgegenstände 111 Impact Faktor 296 Impressum 40 In-App-Purchase 331 Informationskompetenz 300 Informationsrecht 40 Informationsverhalten 301 Inhaber-Unternehmer 175 Inhaberverleger 64 Innovation 74 Interessentenkarten 258 Inter-Media-Vergleich 217 Internationaler Rechtsschutz 401 Internationalisierung 67 Internet 223 Internetverkauf 187, 224 Intimsphäre 388 Intramedienvergleich 217 IVW 275 IVW-Auflagenkontrolle 276 J Jahresabschluss 134 Jahresfestrabatt 203 Jahresrechnung 251 Jahrgangsbewertung 114 Jahrgangsumfang 263 joint venture 106 K Kalkulation 147, 149 Kalkulationsschema 152 Kapazitätsauslastung 104 <?page no="429"?> Register 430 Kapitalbindung 66 Kartellvereinbarung 33 Käuferbedürfnisse 69 Käufergruppen 187 Käuferwerbung 190 Kaufimpuls 189 Kennziffern 125, 233 Kernkompetenzen 106 Key Account Management 189, 228 Kindle 343, 346, 350, 356 Kindle-Shop 343 Kobo 357 Kommerzialisierung der Literatur 20 Kommissionsverlag 86 Kommunikationspolitik 180, 206 Kompatibilität 138 Konditionenkartell 33 Konditionenpolitik 201 Konkurrenzbeobachtung 268 Kontaktqualität 274 KontorNewMedia GmbH 352 Kontrahierungspolitik 180, 198 Kontrollrechnung 150 Konzentration 52, 60 Kooperationen 106 Kopierschutz 328 Kostenarten 142 Kostenelement 141 Kostenerfassung 159 Kostenmanagement 251 Kostenplan 78 Kostenprovision 106 Kostenrelation 144 Kostenstruktur 142 Kostenumlagesystem 108 Kreditpolitik 201 Kulturflatrate 293 Kundenrückgewinnung 282 Kundenzahl 239 Kündigungsrecht 367 Kunstfreiheit 26 Kuratieren 332 Kuratierung 321 Kürzung 386 L Ladenpreisentwicklung 50 Lager 111 Lagerhaltung 192 Lagerkosten 172 Lagerzuwachs 116 Laufzeit 66 Lebensstil 66 Lehmanns Media 348 Lehrbücher 338 Lektor 96 Lektorat 97 Lese-App 331 Leseexemplar 220 Lesekompetenz 299 Leseprobe 357 Leseranalyse 275 Leseranfragen 258 Leserdienstkarte 262 Leser-Strukturanalyse 274 Leserumfragen 246 Leseverhalten 301, 308 libreka 352 Lieferantennachweis 258 Lieferrückstände 119 Links 224 Liquiditätsplanung 122 Literaturdatenbank 67 Lizenzen 57 Lizenzierung 105, 364 Lizenznehmer 390 Lizenzverlage 86 Lizenzvertrag 389 Lizenzvorauszahlung 116 Logistik 184 long tail 224 <?page no="430"?> Register 431 Loseblattwerke 168, 284, 321 Losgröße 163, 164, 169, 192 M make or buy 100, 101 Makulierung 163 Manuscript Central 263 Manuskriptmängel 400 Marc21 339 Marke 182 Marketing 177 Marketing-Mix 181, 189 Marketing/ Vertrieb 68 Marktbegrenzung 178 Marktkompetenz 178 Marktpotenzial 208 Markttendenz 59 Master-Copy 351 Matrix-Organisation 94 Media Control GmbH 241, 352 Mediadaten 270 Media-Informationen 270 Media Markt 346 Medienbruch 288 Medienbudget 59 Medienkomplementarität 60 Medienkonkurrenz 53, 59 Medienneutralität 312, 313 Mediennutzungsverhalten bei Kindern 301 Mehrjahresplanung 81, 120 Mehrliniensystem 94 Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit 24 Menschenwürde 23 Merchandising 220 Messen 229 Metadaten 265, 351 metaökonomische Zielsetzungen 21 Mindestbestellwert 203 Mischfaktur 108, 194 Mischkalkulation 160 Mitarbeitersuche 300 Mittelrückfluss 169 mittelständische Verlage 68 Mittelstandskartell 34 Miturheber 387 mobile web 304 Mobilfunk-Branche 347 Mobipocket 328 Multichannel 313 Multi-Channel-Strategien 189 Multimedia 312 Multiplikatorkalkulation 144 Museum 393 Musikindustrie 344 MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchandels GmbH 352 N Nachdrucken 192 Nachdruckpolitik 167 Nachfristsetzung 399 Nachkalkulation 152 Native Apps 330 Nebenrechte 149 Nebenrechtseinräumung 374 Nettohonorar 146 Neuauflagen 76 Newsletter 258 nichtbuchhändlerische Absatzmittler 186 Nischenpolitik 79 Normvertrag 368 Nova/ Backlist-Relation 75 Nutzerverhalten 301 Nutzungsarten, unbekannte 290 Nutzungsrecht 363 <?page no="431"?> Register 432 O Öffentlichkeitsarbeit 231 Office-Printer 168 Offsetdruck 133, 166 Onleihe 339 Online-Buchhandel 345 Online-Publikation 324 Online-Shops 354 Open Access 337 Organigramm 91 Organisation 88 Orientierung 303 Outsourcing 100 OVK 345 P Page-Charges 254 pageplace 346 Paketverkauf 338 Parkmodelle 194 Partie 203 Passiva 109 Patron Driven Acquisition 338 Pauschalhonorar 148 PDA 338 PDF (Portable Document Format) 327 Periodenergebnis 109 Personal Digital Assistant PDA 317 Personalentwicklung 316 Personalkosten 145 Personalplanung 316 Persönlichkeitsrechte 31, 388 Pick and Choose 338 Piraterie 293 Rechtsempfinden 293 Planauflage 163 Plan-Ist-Vergleich 124 Plan-Ist-Zahlen 250 Planrechnung 248 Planung 80 Planungsrechnung 173 Planzahlen 81, 251 pornographische Schriften 31 Portfolio 74 Portooptimierung 282 postalische Vorzugstarife 281 Postscript/ PDF-Datei 134 PR-Agenturen 232 Prämien für Neuabonnenten 284 Preis-/ Absatzkurve 198 Preisbindung 34 E-Books 297 Preisbindungsgesetz 34 Preisdifferenzierung 200, 310 Preisempfehlung 35 Preisentwicklung 50 Preisfestsetzung 37, 150, 157 Preispolitik 198 Preisuntergrenze 159 Pressefreiheit 24 Pressefreiheit, innere 268 Pressegrosso 281 Presserat, deutscher 260 Presserecht 39 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 231 printing on demand 165 Privatkopie Urheberrechtsschranke 294 Probehefte 284 procuring editor 97 Product Publicity 232 Produktinnovation 179 Produktionsprozess 134 Produktkosten 158 Produktlebenszyklus 211 Produktpolitik 181 Profit center 85 Prognosesicherheit 72 Programmbeirat 73 Programmplanung 71 <?page no="432"?> Register 433 Programmqualität 73 Programmstruktur 74 Projektablauf 369 Projektbestand 77 Projektentwicklung 77 Projektexposé 78 Projektmanagement 95 Projektmanager 98 Projektteam 95f., 139 Provision 278 Provisionsmodell 225 Prozessrisiko 389 Prozessstrukturierung 167 pubbles GmbH & Co. KG 350 Public Relations 231 Publikumszeitschrift 254 Pull-Marketing 187 Push-Marketing 187 Q Qualitätssicherung 299 Quellenangabe 398 R Rabattpolitik 189 Rabattspreizung 204 Rakuten, Inc. 357 readbox publishing ohg 352 Reading App 359 Rechnungsabgrenzung Zeitschriften 119 Rechtebündel 391 Rechteeinholung 396 Rechtemanagement 350 Rechteübertragung digitale Nutzungsarten 292 Rechtseinräumung 373 Rechtsrahmen 22 Rechtssicherheit 370 Redakteur 100 Redaktion 97, 259 Redaktionsleistung 254, 261 Redaktionssysteme 263, 314 Reiserabatt 203 Relaunch 247 Remote Digital Warehouse 351 Reprografiegebühr 27, 403 Rezension 220, 260 Rezensionsexemplar 382 Risikoklassen 74 Risikoregel 72 Risikostreuung 79 Rohertrag 120 Rollenoffset 134 Rubriken-Anzeigen 325 Rückgabemöglichkeit 201 Rückläufer 221 Rücklaufquote 221 Rücknahmepolitik 205 Rückrufrecht 375 Rückstellung für Remittenden 117 Rücktrittsrecht 367 S Sack-Buchhandels-Gruppe 348 Saturn 346 Schlusskalkulation 151 Schnelllebigkeit des Marktes 66 Schranken des Urheberrechts 24ff. Schulden 109 Schweitzer Sortiment 348 Schwerpunktheft 261 Scout 392 Search Inside The Book 357 Selektion 302 Selektionsfunktion 299 Selfpublishing 298, 299 SITB 357 Skimming 201 skoobe 334 Smartphone 304, 344 <?page no="433"?> Register 434 Social DRM 329 Social Media 224, 303 Software 352, 356, 359 Sonderdruckverkäufe 253 Sonderpreise 200 Sondertarife der Post 19 Sony 356 Sortimentsbuchhandel 190 Spartenpapier 44 Special Interest 254 Special Interest-Zeitschriften 256 Spezialdienstleister 103 sprungfixe Kosten 173 Stabliniensystem 91 Staffelbeteiligung 148, 371 Staffelrabatt 202 Standardisierung 139 Standardpakete 197 Statistiken 233 statistische Daten 45 Stellenanzeige 270 Strafgesetzbuch 28 Strafrechtliche Verantwortung 42 Strategische Optionen 73 Streuplan 217 Strukturwandel 69 Stückkalkulation 153 Stückkostenkurve 165 Subskriptionspreise 200 Suchmaschienenoptimierung 309 Suchverhalten 309 SWOT-Analyse 131 T target costing 160 Tarif 403 Taschenbuch 53 Tausenderpreis 221, 275 Teilmarkt 178 Teilverlage 85 Teilwertberichtigungen 113 Teilzeitredakteur 262 Tendenzbetrieb 21 Terminplan 376 Terminverzug 399 Testwerbung 221 Texterfassung 136 Textmenge 136 textunes 356 Thalia 345 Themenfelder 84 Themenheft 261 Tiefdruck 134 Titelmarke 246 Titelproduktion 47, 48 Tolino 347 top-down-Verfahren 81 Trägermedium 218, 310 Transaktionskosten 139 f. Transportmittel 197 TRIPS 402 txtr 356 U Übersetzung 58, 86 Übersetzungsvertrag 372 Umfangsüberschreitung 399 Umlageschlüssel 157 Umsatzstatistik 234 Umschlüsselung der Gemeinkosten 153 unbekannte Nutzungsart 375 unique selling proposition 227 Unsicherheit 149 Unternehmenspolitik 177 Urheber 363 Urheberpersönlichkeitsrecht 384 Urheberrecht 290, 363, 365 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz 403 UrhWahrnG 403 user generated content 320 UTB 108 <?page no="434"?> Register 435 V variable Kosten 160 VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) 256 Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) 46 Verbandsempfehlung 368 Verbotsrecht 363 Verdrängungswettbewerb 68, 179 Vergänglichkeit 290 Vergütungsregeln 371 Verkehrsordnung 44 Verlagsauslieferung 192 Verlagsbilanz 109 Verlagsgemeinkosten 170 Verlagsgemeinkostenzuschlag 115 Verlagsgesetz 366 Verlagskonferenz 93, 177 Verlagstypen 82 Verlagsvertrag digitale Nutzungsrechte 292 Verlagsvertreter 225 Verlegerbeischlüsse 197 Vermögen 109 Verramschen 201 Versandbuchhandel 345 Versandkosten 282 Verschlüsselung 352 verteiltes Drucken 168 Vertragsaufhebung 399 Vertragsfreiheit 373 Vertragsgegenstand 373 Vertragsnormen 368 Vertragsverletzung 399 Vertreterbericht 227 Vertreterkonferenz 227 Vertriebscontrolling 233 Vertriebserlös 244 Vertriebskanal 223 Vertriebswege 51 verwaiste Werke 291 Verwerter 363 Verwertungsformen 374 Verwertungsgesellschaft 403 Verwertungsmöglichkeit 365 VG Bild/ Kunst 393, 403 VG Wort 147, 403 virales Marketing 224 virtuelle Lager 116 Volksverhetzung 29 Vollabschreibung 113 Vorauflage 168 Vorauszahlung 116, 149, 390, 392 Vorjahresvergleich 124, 250 Vorkalkulation 151 Vorräte 111 Vorratsbewertung nach Produktgruppen 114 Vorschuss 391 Vorzugskonditionen 203 Vorzugssteuersatz 19 W Wachstumsstrategie 179 Wahrnehmungsgesetz 403 Ware Buch 19 Warenbezugskosten 194 Warenbezugswege 197 Wareneinsatz 115 Warengruppe 49 Warenpräsenz 52, 190 Warenwirtschaftssystem 191 Wasserzeichen 329 Web-Apps 330 Webnovel 335 Weltbild 345 Welturheberrechtsabkommen 401 Werbeadressen 221 Werbeansprache 183 Werbebudget 207 Werbeerfolgskontrolle 218 Werbekosten 142 <?page no="435"?> Register 436 Werbekostenzuschüsse 206 Werbemittel 217 Werbemittelbudget 214 Werbeplan 207 Werberat 277 Werbeträger 221 Werbeträgeranalyse 275 Werbezeitpunkt 210 Werbung 206 Werkvertrag 372 Wertberichtigungen 113 Wertschöpfung 308 Wertschöpfung der Buchbranche 344 Wettbewerb 21 Wettbewerbskontrolle 204 Wettbewerbsrecht 33 Wettbewerbsregeln 43, 44 White-Label-Shop 354 Wikipedia 322 WIPO 402 Wissenschaft Urheberrecht 295 Wissenschaftliche Zeitschrift 254 Wissenschaftsverlage 98 Wissensmanagement 89 Workflow 137, 263, 315 X XML (Xtended Markup Language) 265 Z Zahlungsbereitschaft 305 Zahlungsziel 201 Zeitbudget 59 Zeitschrift 67, 243 Zeitschriftenagentur 281 Zeitschriftenbeiträger 377 Zeitschriftenkrise sog. 337 Zeitschriftenmarkt 243 Zeitschriftentypen 255 Zeitschriftenverlage 103 Zeitschriftenvertrieb 279 Zeitungsmarkt 325 Zeugnisverweigerungsrecht 43 Ziele 80 Zielgruppe 187 Zielgruppenverlage 84 Zinskosten 172 Zitatrecht 396 Zukunftsmarkt 79 Zuschuss 145, 383 Zweckübertragungstheorie 375 Zwischenbuchhändler 204