eBooks

Social Web

0509
2016
978-3-8385-3933-1
UTB 
Anja Ebersbach
Richard Heigl
Markus Glaser

Wikis, Blogs, Social Networks und Microblogging haben sich zu wichtigen Publikations- und Kommunikationsmitteln entwickelt und führen zur Bildung von Gemeinschaften. Diese Entwicklung impliziert einen in den Massenmedien bisher nicht erreichten Grad an Partizipation und Demokratie. Ausgehend von der Geschichte des Social Webs werden zunächst dessen Erscheinungsformen vorgestellt, verglichen und eingeordnet. Darauf folgt eine Beschreibung der technischen Grundlagen sowie der auftretenden Gruppenprozesse und der gesellschaftlichen Bedeutung. In der dritten Auflage dieses Buches wurde die Geschichte des Social Webs fortgeschrieben, durch relevante Neuerungen ergänzt und alle Beispiele und Referenzen auf den neuesten Stand gebracht.

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 3065 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 2 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 3 Anja Ebersbach Markus Glaser, Richard Heigl Social Web 3., überarbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft GmbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 4 Anja Ebersbach, Markus Glaser und Dr. Richard Heigl betreiben in Regensburg ein Unternehmen zur Entwicklung von Wiki-Projekten. Online-Angebote, elektronische Ausgaben sowie zusätzliche Materialien zum Buch sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage 2008 2. Auflage 2011 3. Auflage 2016 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Titelfoto: iStock.com/ Studiovision Korrektorat: Daniel Rost, Neckargemünd Satz: Claudia Wild, Konstanz Druck: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Band-Nr. 3065 ISBN 978-3-8252-3933-6 (Print) ISBN 978-3-8463-3933-6 (EPUB) 5 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 4 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 5 Inhalt Vorwort 9 1 Einleitung 11 1.1 Perspektiven für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Social Web 11 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt 12 1.2.1 Vernetzte Computer als Kommunikationsmedien 13 1.2.2 Die ersten selbstverwalteten Computernetze 16 1.2.3 Kommerzialisierung und Professionalisierung 18 1.2.4 Web 2.0 - die Aneignung des Netzes 21 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung 24 1.3.1 Social Web und Web 2.0 24 1.3.2 Definition »Social Web« 30 2 Praxis des Social Webs 35 2.1 Einteilungskriterien 35 2.2 Wikis 37 2.2.1 Geschichte 39 2.2.2 Öffentliche Wikis 42 2.2.3 Funktionsweise 43 2.2.4 Komponenten 48 2.2.5 Anwendungsgebiete 49 2.2.6 Der Wiki-Effekt 50 2.2.7 Ein kleiner Kulturschock 54 2.2.8 Schattenseiten 55 2.2.9 Ein eigenes Wiki erstellen 58 2.3 Blogs 60 2.3.1 Geschichte 62 2.3.2 Einteilungskriterien 64 2.3.3 Beliebte Blogs 65 2.3.4 Funktionsweise 66 2.3.5 Komponenten eines Blogs 67 2.3.6 »Wie ich blogge! ? « 70 2.3.7 Die Blogosphäre 72 2.3.8 Zwischen Tagebuch und Graswurzel-Journalismus 74 6 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 6 Inhalt 2.3.9 Podcast 76 2.3.10 Schattenseiten 79 2.3.11 Einen eigenen Blog betreiben 80 2.4 Microblogs 82 2.4.1 Die Erfolgsgeschichte von Twitter 84 2.4.2 Twitterfunktionen 86 2.4.3 Twitter-Lingo 88 2.4.4 Wer twittert was? 89 2.4.5 Werkzeuge für Twitter 91 2.4.6 Ein eigenes Microblogsystem betreiben 93 2.5 Social Networks 94 2.5.1 Soziale Netzwerkforschung 96 2.5.2 Prominente Beispiele 98 2.5.3 Eigenschaften und Unterschiede 101 2.5.4 Mehr-Ebenen-Networking 109 2.5.5 Facebook - ein exemplarischer Sonderfall 110 2.5.6 Schattenseiten 113 2.5.7 Messaging 115 2.5.8 Ein eigenes Netzwerk erstellen 116 2.6 Social Sharing 118 2.6.1 Funktionsweise 120 2.6.2 Social Bookmarking 128 2.6.3 Mediale Inhalte 131 2.6.4 Produktbewertung 137 2.6.5 Eine eigene Sharing-Plattform? 139 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs 141 2.7.1 Tagging 141 2.7.2 Newsfeeds 148 2.7.3 Mashups 152 2.7.4 Funktionen, die die Community unterstützen 156 2.8 Die Technik des Social Webs 160 2.8.1 Grundlagen der Web-Anwendung 160 2.8.2 Benutzerfreundlichkeit durch Scripts und Ajax 162 2.8.3 Viele neue Schnittstellen 171 2.8.4 Verwendete Sprachen 178 2.8.5 Mikrodata 182 7 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 6 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 7 Inhalt 3 Theorie des Social Webs 185 3.1 Gruppenprozesse 185 3.1.1 Computervermittelte Kommunikation 185 3.1.2 Medienwahl 188 3.1.3 Online-Communitys 191 3.1.4 Das Individuum in der Gruppe 203 3.1.5 Dynamik der Kooperation 210 3.1.6 Kollektive Intelligenz 214 3.1.7 Das ewige Beta 215 3.1.8 Web Monitoring 221 3.1.9 Wie starte ich meine eigene Community? 224 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung 227 3.2.1 Was zieht das Individuum ins Social Web? 227 3.2.2 Die Gesellschaft im Ringen mit den neuen Medien und mit sich selbst 238 3.2.3 Neue Geschäfts- und Finanzierungmodelle 253 3.2.4 Eine webgerechte Rechtsordnung 260 3.2.5 Sicherung freien Wissens 267 3.2.6 Schutz persönlicher Daten 269 4 Ausblick 283 4.1 Herausforderungen der Technik 283 4.2 Gesellschaftliche Herausforderungen 286 4.3 Anforderungen 288 Anhang 293 Glossar 293 Literatur & Links 305 Besprochene Websites 305 Sekundärliteratur 311 Bildnachweis 328 Index 331 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 8 9 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 8 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 9 Vorwort Warum eine dritte Auflage? Ganz sicher deswegen, weil uns der Verlag mit großer Beharrlichkeit gebeten hat, das Buch zu aktualisieren. Was ja nur umgekehrt wieder zeigt, dass es immer noch eine Nachfrage und einen Orientierungsbedarf beim Thema Social Web gibt und eine neue Auflage rechtfertigt. Gerade für Menschen, die sich das Thema neu aneignen und die Debatten in den letzten zehn Jahren nicht verfolgen konnten, leistet dieses Überblicksbuch nach wie vor sehr gute Dienste. Als das Buch 2008 zum ersten Mal erschien, dachten viele Rezensenten und auch wir, dass es sich inhaltlich schnell überholen würde. Und selbstverständlich gibt es heute für viele Themenfelder, die 2008 noch »neu« waren, weitergehende Erfahrungen und eingehendere Studien. Doch die Grundlinien haben sich bis heute nicht verändert. Und so konnte »Social Web« trotz seiner begrenzten Auflage sogar zu einem kleinen Standardwerk werden. Uns freut es besonders, wenn Lehrerinnen und Lehrer, Schüler, aber auch der wissenschaftliche Nachwuchs auf unser Überblickswerk zurückgreifen, um ihre Hausarbeiten und Veranstaltungen zu gestalten. Das Buch hat aber auch jenseits der Bildungseinrichtungen ein Publikum gefunden. Das motiviert natürlich, das Buch noch einmal herauszubringen. Wir haben das Buch noch einmal durchgesehen, fortgeschrieben und aktualisiert. Und auch wenn wir gerade in den Schlusskapiteln vieles gründlich überarbeitet und nachgezogen haben, waren wir doch überrascht, dass sich die wesentlichen technologischen und sozialen Konzepte des Social Webs kaum verändert haben. Es gibt nach wie vor fünf Medientypen (Blog, Wiki, Social Network, Social Sharing, Microblogging). Und auch die gesellschaftlichen Konfliktlinien und Fragestellungen haben sich im Kern nicht verändert: Das Social Web ist nach wie vor ein Leitmedium einer sich tiefgreifend verändernden Gesellschaft, das von politischen, sozialen und kulturellen Kämpfen durchzogen ist, auch wenn sich die Beteiligten dessen nicht bewusst sind. Würde man das Buch heute komplett neu schreiben, gäbe es dennoch einige Akzentverschiebungen. • Wenn das Social Web seine Möglichkeiten für eine offene Gesellschaft entfalten soll, ist der Blick stärker auf die Bedingungen einer kollaborativen Kultur zu richten, die immer noch aussteht. Die Formen der Zusammenarbeit und des Umgangs miteinander sind für das gemeinsame Erarbeiten und Verteilen von 10 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 10 Vorwort Wissen zentral und werden vielfach blockiert. Diesen Zusammenhang müssen wir besser verstehen lernen. • Es wäre auch genauer nach den ökonomischen Bedingungen des Social Webs zu fragen. Gibt es so etwas wie eine Ökonomie des freien Wissens? Und wie würde sie aussehen? Wer hat Einfluss? Wer hat Zugriff? Die ökonomische Zukunft der digitalen Medien ist nicht nur ein Thema von Lobbyisten großer Player, sondern von Bedeutung für alle, die das Social Web als möglichst offenen medialen Raum erhalten wollen. • Nach dem NSA-Schock steht das Thema Datenschutz und Bürgerrechte ganz oben auf der digitalen Agenda. Das Social Web und die privaten Daten sind dem Zugriff von Geheimdiensten und Konzernen maßgeblich ausgesetzt. Wir werden diese Punkte vor allem im Ausblick ansprechen. Es sind Zukunftsfragen, die auch nicht in wenigen Jahren erledigt sind. So liegt nun eine entsprechend aktualisierte Neuauflage vor. Wir möchten an dieser Stelle den Leserinnen und Lesern, aber auch den Rezensenten für ihr Feedback und ihre Unterstützung danken. Wir danken aber auch nicht zuletzt unserem Lektor Rüdiger Steiner bei der UVK Verlagsgesellschaft, der Geduld bewahrt und unser Buchprojekt zum Glück nicht aufgegeben hat. Regensburg, April 2016 Anja Ebersbach, Markus Glaser, Richard Heigl 11 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 10 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 11 1 Einleitung 1.1 Perspektiven für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Social Web Worum geht es im Social Web? Eigentlich nicht um die Technik. Sie ist nur Bedingung. Im Mittelpunkt stehen die medial vermittelten Kooperationsformen, die kollektive Meinungsbildung und der kulturelle Austausch sozialer Gruppen. Das Verhalten im Netz ist eine spezifische Form sozialen Verhaltens mit Zusammenschlüssen und Abgrenzungen. Deshalb kann eine sinnvolle Analyse des Social Webs eigentlich nur sozialwissenschaftlich sein. Und dazu gehören natürlich auch die Ebenen des Kulturellen und des Politischen. Diese drei Ebenen müssen zusammengedacht werden. Schließlich ist das Social Web eng mit allen gesellschaftlichen Bereichen verzahnt: Es greift in die Arbeits- und Lebensweisen von Menschen ein, es gibt klare ökonomische Interessen, politische und rechtliche Implikationen, Auswirkungen auf die Erschließung von Inhalten für Bildung und Wissenschaft. Das Öffentliche und das Private, Fragen des Eigentums müssen neu bestimmt werden. Ganz generell erweitert das Social Web Horizonte der Nutzer und grenzt sie gleichzeitig wieder ein. Es ist ein Unterhaltungsmedium, das Spaß bereitet. Auf der privaten Ebene lernt man Menschen und Sichtweisen kennen, erlebt Erfolge und Enttäuschungen − auch Bedrohungen. Man erfährt sich als Teilhabender an einem Medium. Für Jugendliche, aber auch Ältere ist das Social Web längst Teil ihrer Sozialisation und Teil ihres kulturellen Austauschs. Dies alles unterstreicht, dass man sich dem Thema nur interdisziplinär nähern kann. Die Politologin, der Medienwissenschaftler oder der Sozialpsychologe sind hier verloren, wenn sie sich nur in den engen Grenzen ihrer Disziplinen bewegen. Die unendliche Vielfalt der Beziehungen von Individuen über das Internet lässt sich aber nur wissenschaftlich ordnen, wenn man eine konkrete, sinnvolle Fragestellung an den zu untersuchenden Gegenstand hat. Wir wollen in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die moderne Wissenschaft im Zeitalter der Aufklärung mit dem Programm antrat, den Menschen als gesellschaftliches Wesen zum selbstkritischen Subjekt seiner Geschichte zu machen. Mit diesem Auftrag in der Tasche will sie auf das Bewusstsein der Menschen wirken und ihnen ihre emanzipatorischen Perspektiven aufzeigen. Das heißt konkret: Wie können Menschen über das Web ihre gesellschaftlichen Verhältnisse, 12 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 12 ihre soziale Lage verändern oder auch nur besser erkennen? Was tun sie, bewusst oder unbewusst? Wo liegen Potenziale, wo Lernblockaden? Das ist ein anderes Programm als das einer rein anwendungsorientierten Wissenschaft. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Medien wie dem Social Web kann und muss mehr sein als der Erwerb eines weiteren Passierscheins auf dem persönlichen Karriereweg, möglicherweise in ein Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, Communitys aufzubauen, um diese oder die gewonnenen privaten Profile zu vermarkten. Eine in unserem Sinne gefasste Wissenschaft der Medien ist praxisorientiert, nicht nur, weil eine mediale Praxis ihren Gegenstand bildet, sondern weil sie diese Praxis analysiert und Theorien darüber ausarbeitet, die auf diese Praxis zurückwirken und sie verändern. Dies ist schon deshalb dringlich, weil der Umgang und die notwendigen Kulturtechniken für das Social Web erst noch von allen Beteiligten zu erlernen sind. Das sind hochgesteckte Ziele für ein Themengebiet, für das wir eine erste Einführung mit Lehrbuchcharakter vorlegen. Entsprechend können wir vieles nur andeuten. Und es ist uns bewusst, dass dieser Versuch, das Social Web etwas systematischer zu erfassen, oft Wirklichkeitsebenen auseinanderreißt, die eigentlich zusammengehören. Aber sollte es Sie zum Weiterdenken und Weiterarbeiten anregen - und sei es nur aus Widerspruch -, so haben wir unser Ziel erreicht. Eine Wissenschaft der Medien kann eine spannende, fundierte, aber auch notwendig kontroverse Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftlichen, dem »Sozialen«, in Gang setzen. Dazu muss sie ihren passiven Beobachterstandpunkt verlassen. Frei nach Brecht: Man kann die Welt nur erkennen, wenn man sie verändert. 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt Ab wann kann man eigentlich von einem »Social Web« sprechen? Die Begriffe »Social Software« und »Social Web« selbst gibt es erst seit vergleichsweise wenigen Jahren, aber die Entwicklung des Social Webs reicht bis in die Anfänge des Internets zurück. Neue Perspektiven in der Internetgeschichte. Seit ein paar Jahren rücken die politischen Aspekte der Netzentwicklung in den Vordergrund. Wurde uns bislang die Geschichte des Internets oft nur als Geschichte technischer Entwicklungen und ihrer Erfinder präsentiert, so arbeitet beispielsweise Grasmuck (2002) in 13 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 12 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 13 seiner Geschichte der freien Software den Kampf um Ordnungsmodelle und öffentliches Eigentum heraus. Der deutsche Wikipedia-Artikel zur Geschichte des Internets stellt den Konflikt zwischen basisorientierten Entwicklern und zentralistischen Tendenzen durch staatliche Kontrollorgane und Medienkonzerne dar (Wikipedia 2015) 1 . Umkämpfter sozialer Raum. Die beiden genannten Artikel sind erste Versuche, die Entwicklung des Internets in seinen historisch-gesellschaftlichen Kontext zu stellen und das Netz als umkämpften sozialen Raum zu begreifen. Die wissenschaftliche Forschung steht hier aber immer noch völlig am Anfang. Die Hervorhebung bisher unberücksichtigter Akteure und ihrer Intentionen ist dabei immer in Gefahr, alte Mythen durch neue Mythen zu ersetzen. Die 1970er-Jahre gelten beispielsweise als »wilde Phase« mit einer »Tauschökonomie für Software und Information«, einer »graswurzelbasierten Selbstorganisation«, »emergierende[n] Communities« und einem »Hacker-Geist, der jede Schließung, jede Beschränkung des Zugangs und des freien Informationsflusses zu umgehen weiß« (vgl. Grasmuck 2002: 180). Dieser Idealzustand wurde dann, folgt man dem eben genannten Wikipedia-Artikel, durch staatliche Eingriffe und vor allem durch die Kommerzialisierung des Internets in den 1990er-Jahren zerstört. Sehen wir uns diese Entwicklung etwas genauer an, auch wenn wir dazu nur wenige Einzelereignisse aus der Geschichte herausgreifen können. 1.2.1 Vernetzte Computer als Kommunikationsmedien Großrechner als Kooperations- und Kommunikationsinstrumente. Der erste Schritt auf dem Weg zum Social Web war eine veränderte Sichtweise auf den Computer. Computer dienten in den 1950er-Jahren ausschließlich als Rechenmaschinen des Militärs und der Wirtschaft. Doch in den 1960er-Jahren wurden Computer zunehmend auch als Kommunikationsmedium verstanden. Dieser bedeutende Schritt wird mit dem Psychologieprofessor Joseph Carl Robnett Licklider in Verbindung gebracht. Licklider, ein Pionier der Internetentwicklung, arbeitete ab 1957 beim Rüstungslieferanten BBN und hatte dort Erfahrungen mit einem Time-Sharing-System, einem ersten Mehrbenutzersystem für Großrechneranlagen, gesammelt. Damit konnten mehrere Teilnehmer über Terminals gleichzeitig einen Großrechner bedienen. Licklider nahm den Teamgeist unter den Nutzern des ersten Time-Sharing-Systems wahr und wies auf die Gemeinschaftsphänomene hin, die zum Teil durch den gemeinsamen Zugriff auf die Ressourcen des Systems aufkamen (vgl. Grasmuck 2002: 181). 14 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 14 W i k i W e b Timesharing- System E-Mail ARPANET Erste Mailbox / Bulle ng Board System USENET TCP/ IP ("Internet") I R C ( C h a t ) WWW (Web) Plato H a c k e r Request for Comments (RFC) SF-Lovers T h e W e l l C l e v e l a n d F r e e n e t Kommerzielle Onlinedienste N a p s t e r WikiWikiWeb „Pre-Web“ Web 1.0 1990 1957 2001 N e t w o r k s 2016 Twi er M y S p a c e Wikipedia Flickr Blogdienst Xanga Onlinegames (MMOG) Begriff "Web 2.0" del.icio.us B r o w s e r M o s a i c W e b r a d i o Facebook F o r e n s o w a r e I C Q I n s t a n t M e s s e n g e r RSS 1965 1978 1982 1996 2004 YouTube Ajax Wordpress Web 2.0 Social Web Mobile Web W e b l o g s Open Street Map Whats App V i r t u e l l e G e m e i n s c h a e n S h a r i n g M i c r o b l o g g i n g Wiki- Data T e c h n o l o g i e Abb. 1.1: Geschichte des Social Webs 15 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 14 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 15 Erste Communities. Wir sehen, dass schon mit der ersten Zusammenarbeit mehrerer Menschen an einem Rechner jene Phänomene auftraten, die wir heute im World Wide Web mit seinen vielen Servern beobachten können. Die Computerpioniere der 1960er-Jahre bildeten die ersten Onlinegemeinschaften (»Communitys«). Ein Beispiel für eine Online-Community dieser Periode ist PLATO. Das PLATO-System war in den frühen 1960er-Jahren auf dem Urbana Campus der University of Illinois für ein computerbasiertes Lernen entwickelt worden. Aber viele Leute nutzten das System lieber als unkompliziertes Kommunikationssystem (vgl. Woolley 1994) 2 . Das zeigt, dass sich auch die Pioniere der ersten Periode die Computertechnologie spielerisch aneigneten. E-Mail-Kommunikation. Die Erfindung der E-Mail 1965 unterstützte diesen Paradigmenwechsel. Die elektronische Post, ein asynchrones Kommunikationsmedium, war nicht nur viel schneller als die normale Post und billiger als ein Ferngespräch, in den E-Mails konnte man auch auf viele Formalitäten bei der Formulierung und bei der Gestaltung verzichten. Auch die ersten E-Mails wurden zunächst über Einzelrechner verschickt. Erstes Computernetzwerk. Als erstes landesweites Computernetzwerk entstand das ARPANET. Mit diesem wurde ein dezentrales Netzwerk geschaffen, über das die unterschiedlichen US-amerikanischen Universitäten, die für das Verteidigungsministerium forschten, verbunden sein sollten. Das dezentrale Konzept des über Telefonleitungen verbundenen ARPANETs war revolutionär. Im Jahr 1969 konnten die ersten vier Knoten des ARPANETs in Betrieb gehen. Anfang 1975 verfügte es bereits über 61 Knoten. Mailinglisten. Ende der 1970er-Jahre wurde dort die erste E-Mail-Diskussionsgruppe eingerichtet: die Liste SF-LOVERS war nicht zufälligerweise eine Science-Fiction-Liste. Mailinglisten wurden zusammen mit den Requests for Comments Abb. 1.2: IBM-Großrechneranlage IBM 704 16 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 16 (RFC) zum wichtigsten Mittel der offenen Kooperation der technischen Community. RFCs dienten der Entwicklung von Standards im Internet: Die Vorschläge wurden zur Diskussion gestellt. Schließlich ging 1978 die erste Mailbox in Betrieb. Eine Mailbox, im englischen Sprachbereich auch als Bulletin Board System (BBS) bekannt, ist ein meist privat betriebenes Rechnersystem, das per DFÜ zur Kommunikation und zum Datenaustausch genutzt werden kann. 1.2.2 Die ersten selbstverwalteten Computernetze Zentrale vs. dezentrale Organisation. Generell können wir feststellen, dass in den 1960er-Jahren ein technischer Diskurs über die Vor- und Nachteile zentraler und dezentraler Rechnerarchitekturen einsetzte. Mit dieser Debatte war die Frage verbunden, ob dezentrale und offene Organisationsmodelle generell zentralistischen Ansätzen überlegen sind - und ob, wie im Falle der RFCs, die Einbindung aller Nutzer in Entscheidungsprozesse nicht zu stabileren Ergebnissen führen würden. In den Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Betriebssystems Linux und Windows wird dieses Thema ebenso wieder aufgegriffen wie im Zeitalter des Social Webs bezüglich der Vorzüge einer von vielen Nutzern geschriebenen Wikipedia gegenüber einem redaktionell betreuten, gedruckten Lexikon. Zivile Nutzung durch Privatpersonen. Dieser Diskurs schloss auch eine Diskussion über alternative Nutzungspotenziale des Computers ein. Philosophierten in der Pionierzeit des Computers vor 1960 Einzelpersonen und kleine Kreise über das Verhältnis von Mensch und Computer, so erhielt diese Debatte in den radikalen 1960er-Jahren neue Impulse und überhaupt einmal eine soziale Trägerschicht, weil neue gesellschaftliche Gruppen, vor allem Studentinnen und Studenten, mit dem Medium Computer experimentierten und beispielsweise nach 1969 Zugriff auf das ARPANET erhielten. Hackerkultur. In diesem Zusammenhang wurde die Open-Source- und Free-Software-Hackerkultur bedeutsam, die in den 1960er-Jahren im akademischen Umfeld entstand. Ihr Anliegen: Der Kampf gegen die Bildung von Informationseliten (vgl. Raymond 1999) 3 . Das war damals ein verhältnismäßig kleiner und elitärer Kreis. Die ersten Hacker bildeten sich als eine Gruppe, die sich u. a. über die spielerische Verwendung der Technik formierte. Dabei entwickelte sich, wie Steven Levy schreibt, »ein neuer Way of Life, mit einer Philosophie, einer Ethik und einem Traum heraus« (vgl. Levy 1984) 4 . Diese Ethik wurde zunächst nicht formuliert, sondern entstand durch stille Übereinstimmung. Aber sie entsprach dem liberalen 17 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 16 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 17 Selbstverständnis vieler Akademiker und korrespondierte mit den sozialen Bewegungen gegen die atomare Bedrohung und gegen den Autoritarismus in der Gesellschaft. Levy fasste die Hackerethik 1984 so zusammen: 1. Access to computers - and anything which might teach you something about the way the world works - should be unlimited and total. 2. Always yield to the Hands-on Imperative! 3. All information should be free. 4. Mistrust authority - promote decentralization. 5. Hackers should be judged by their hacking, not bogus criteria such as degrees, age, race or position. 6. You can create art and beauty on a computer. 7. Computers can change your life for the better. Hier entstand eine neuartige, weltweit vernetzte Technik-Community mit einem eigenen Selbstverständnis und identitätsstiftenden kulturellen Codes: Das Jargon File, ein Wörterbuch der Hackerkultur, wurde 1975 zum ersten Mal im Netz publiziert. Die Hackerkultur entwickelte sich weiter und etablierte sich als Anwalt eines freien Zugangs zu Wissen über digitale Medien. Diese Kultur blieb allerdings immer eine Subkultur verhältnismäßig weniger avantgardistischer Technikakteure, die jedoch eine Öffentlichkeit schufen und eine bedeutende meinungsbildende Rolle in Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologien erlangen konnten. Erstes alternatives Netz. Ein weiterer Meilenstein in Richtung eines öffentlichen Netzes wurde 1979 das USENET als freie Alternative zum ARPANET. USENET funktionierte als internetweites schwarzes Brett. Die Kommunikation dort ist mit den heutigen Foren zu vergleichen. Im Prinzip konnte sich jeder Nutzer mit Postings an der Diskussion beteiligen und eigene Bereiche eröffnen. Besonders berüchtigt war die alt.*-Gruppe, in der sich alle möglichen und unmöglichen Interessengruppen zusammenfanden. Sozial bildete sich mit dem USENET ein öffentlicher Raum, in dem jeder zu jedem Thema lesen und schreiben konnte. Aktuell erlebt das USENET eine unerwartete Renaissance als unkontrollierte Tauschbörse für Musik und Videos. Geburtsstunde des technischen Internets. Auf technischer Ebene vollzogen sich Anfang der 1980er-Jahre zwei wichtige Durchbrüche. 1981 stellte IBM seinen Personalcomputer vor. Damit wurde der Zugang zum Netz räumlich unabhängig von den großen Rechenzentren. Ein Jahr später wurde das Internetprotokoll TCP/ IP zum Standard, als die Defence Communications Agency und die ARPA diese 18 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 18 beiden Protokolle implementierten. Mit der Implementierung wurde auch zum ersten Mal der Begriff »Internet« wirklich definiert. Von nun an bezeichnete man damit die Menge der verbundenen Netzwerke, die auf dem Protokoll TCP/ IP basieren. Separate Communities mit eigenen Computernetzwerken. Mitte der 1980er- Jahre entdeckten schließlich auch Menschen außerhalb der Hochschulen Computernetze als Medium. Im Jahr 1985 gründete Stewart Brand und Larry Brilliant das Whole Earth ’Lectronic Link (WELL) in San Francisco, eine der ältesten noch aktiven Online-Communitys im Internet. Über dieses Forum fanden dann auch die Gründer der Electronic Frontier Foundation zusammen, einer Organisation der Free-Speech-Bewegung. Dies ist neben den Hackern ein weiteres Beispiel für die enge Verzahnung von politischen Bewegungen mit progressiven Szenen in der Medienwelt. Howard Rheingold, ein frühes und sehr aktives Mitglied von The WELL, verarbeitete schließlich seine Erfahrungen in einem Buch mit dem sprechenden Titel »The Virtual Community« (1993). Freenets. Für Menschen außerhalb der Universitäten entstanden zudem eine Reihe sogenannter Freenets, mit denen man Zugang zum Internet erhielt. Das erste, das Cleveland Freenet, wurde 1986 von der Society for Public Access Computing (SoPAC) in Betrieb genommen. Das Cleveland Freenet war zunächst ein separates, lokales Netz mit 10 Modems, das sich erst nach einer Weile mit dem Internet verband. Ausgehend von diesem Beispiel entstanden weitere Freenets als Orte technischen Experimentierens, aber auch für Debatten und den täglichen Klatsch und Tratsch. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Ende der 1980er-Jahre mit dem Internet Relay Chat (IRC) von Jarkko Oikarinen ein synchrones Kommunikationsformat hinzukam, das in Konkurrenz zum Telefon trat und bis heute ein beliebtes Medium von Schülern und Studenten ist. 1.2.3 Kommerzialisierung und Professionalisierung Kommerzielle Dienste. Für unser heutiges Bild vom Internet war jedoch der Aufstieg der ersten Onlinedienstleister und hier vor allem der kommerziellen Onlinedienste, wie CompuServe, The SOURCE und AOL in den 1980er-Jahren prägender. Diese Unternehmen wandten sich zunächst nur an Großkunden, boten aber bald auch normalen PC-Besitzern Zugänge zu Computernetzwerken. Diese separaten Netze richteten Ende der 1980er-Jahre Gateways zum Internet ein, über die sie seither E-Mail und News austauschen können. 19 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 18 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 19 Außerdem wurde das Internet in den 1980er-Jahren international, so dass die Onlinedienstleister ein transnationales Medium zur Verfügung stellten, mit dem sich zukünftig eine global verteilte Produktion neu organisieren ließ. Das Internet wurde so zum zentralen Medium für die weltweite Güterproduktion und zum Transfer von Finanzdienstleistungen. Letzteres war, wie wir heute wissen, der Beginn einer neuen globalen hochtechnologischen Produktionsweise. Übergang zum marktgesteuerten Internet. Die radikale Veränderung der makropolitischen Rahmenbedingungen mit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus hatte ab 1989 auch Auswirkungen auf das Internet zur Folge. Während des Kalten Krieges entwickelte sich das Internet auf der Basis einer engen Verzahnung von Industrie, wissenschaftlichem Apparat und Politik. So war das ARPANET zweifellos ein Projekt eines tonangebenden Warfare States, der wirtschaftliches Wachstum über Rüstungsanstrengungen und Wissenschaftsförderung generierte. Im Jahr 1990 wurde das ARPANET abgeschaltet. Dies gilt heute als ein Wendepunkt in der Geschichte des Internets hin zur Kommerzialisierung des Netzes. Der Staat trat erkennbar als maßgeblicher Impulsgeber auch bei der Entwicklung des Netzes zurück. Die weitere Gestaltung wurde ab jetzt von der Initiative privater Unternehmen geprägt. Schließlich verhieß die »Informationsgesellschaft« neue wirtschaftliche Wachstumschancen und Renditen. Deshalb veränderte die Politik die Rahmenbedingungen hin zu einer marktgesteuerten Entwicklung. Die öffentliche Hand stellte nur noch die teure technische Infrastruktur bereit und bewarb diese mit dem Schlagwort des »Information Super-Highways«. Charakteristisch war hierfür die Initiative des späteren Vizepräsidenten der USA, Al Gore. Dieser hatte während seiner Amtszeit als Senator 1991 den »High Performance Computing Act« zur Förderung des Internets initiiert, was als wichtiger Schritt zur Verbreitung des Internets gilt. Im Ergebnis kam es zu einem euphorischen Run privater Unternehmen auf das Internet hin zur »New Economy«. Konzeption des Webs. Technisch eröffnete die Erfindung des WWW, ein über das Internet abrufbares Hypertextsystem, durch Tim Berners-Lee im Jahr 1989 neue Horizonte für die öffentliche Nutzung des Netzes. Die Idee einer dezentralen, netzartigen Speicherung des Wissens war eigentlich schon in den 1940er-Jahren entstanden. In seinem Essay »As we may think« beschrieb Vannevar Bush 5 (1945) ein System, das elektronisch an eine Bibliothek angeschlossen ist und dort enthaltene Bücher und Filme anzeigen sowie untereinander referenzieren konnte. Sein System Memex sollte es zudem jedem Benutzer erlauben, eigene »Spuren«, wir würden heute Links sagen, zu setzen. Schon damals war die massive Beteiligung aller Nutzer fest in das Konzept eingeplant. 20 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 20 1965 hatte dann Ted Nelson ein Hypertextsystem kreiert, das nichts »vergisst«: Xanadu. Er stellte sich darunter eine unbegrenzte Informationsdatenbank vor. Sämtliche Information der Welt sollte darin gespeichert werden. Der Gegensatz zwischen Autor und Leser sollte aufgehoben sein, weil die darin enthaltenen Dokumente simultan und kollektiv bearbeitet werden können. Auch war geplant, alle alten Versionen weiter zu erhalten, falls die Texte aktualisiert würden. Dabei sollte jedes »Stück Information« eine eigene Adresse erhalten, um die Linkstrukturen konsistent zu halten. Auch hier war die aktive Beteiligung aller Benutzer angedacht. Damit hatte Nelson nicht nur die Technologie des WWW vorweggenommen, sondern auch viele Elemente des Social Webs beschrieben. »Web 1.0« - Das Internet wird zum Massenmedium. Das Internet wurde mit dem WWW, das technisch gesehen als Dienst auf dem Internet aufsetzt, visuell spannender und weitete die Möglichkeit digitaler Publikationen. Die neuen grafischen Benutzeroberflächen der Browser ermöglichten es auch Computerlaien, das Internet zu nutzen. Der Webbrowser Mosaic eroberte ab 1993 das Internet im Sturm. Leider besaß dieser im Gegensatz zu seinem Vorläufer Nexus keine Editierfunktion. Nexus erlaubte das gleichzeitige Editieren und Verlinken mehrerer Seiten in verschiedenen Fenstern. Ohne diese Funktion konnten dann später nur noch technisch versierte Menschen Homepages erstellen. Dennoch stellten damals private Homepages einen Großteil des WWW. Sie enthielten sehr unterschiedliche Inhalte. Dominant waren: die Bereitstellung von spezifischem Wissen, private Fotoalben sowie kommentierte Linklisten. Darüber hinaus entstanden sogenannte Webringe, die auf befreundete Webseiten verlinkten. Zunehmend entdeckte die Wirtschaft das WWW als Kommunikationsmedium zwischen Standorten und Abteilungen. Das Internet wurde damit auch Teil des Vertriebs. Für Provider, Webdesigner und Nachrichtenanbieter boten sich neue Abb. 1.3: Skizze des Memex-Systems 21 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 20 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 21 Handlungsfelder und Internetseiten wurden zunehmend als Werbeträger entdeckt. So kam es zu einer verstärkten Professionalisierung, mit deren inhaltlichen Qualität und optischer Ästhetik private Homepages kaum mehr mithalten konnten. Sie wurden - mit wenigen Ausnahmen - in einen marginalen Bereich des WWW gedrängt, wo sie weiterhin ihre Subgruppen bildeten. 1.2.4 Web 2.0 - die Aneignung des Netzes Webradio, Wikis, Blogs und Foren. Die Aneignung des Netzes durch immer neue Nutzergruppen blieb an den technischen Fortschritt gebunden. Aus Sicht der Produzenten und Nutzer wurde das Internet allmählich multimedial. Die ersten regelmäßigen »Radiosendungen« im Netz waren die Audiodateien von Interviews mit Netzpionieren, die Carl Malamud ab 1993 unter dem Namen Internet Talk Radio ins Netz stellte. Überhaupt weiteten sich die Möglichkeiten für einfache Nutzer, das Netz mit Inhalten zu füllen. Ein großer Schritt in Richtung user-generated content waren Mitte der 1990er-Jahre die ersten Weblogs und Wards Wiki. Frühe webbasierte Foren, beispielsweise mit der Software UBB.classic betrieben, komplettieren das Bild. Instant Messaging und Online-Spiele. Ende der 1990er-Jahre erhielt das Internet zusätzliche populäre Funktionen: Ab 1996 stand der beliebte Instant Messenger ICQ des israelischen Start-up-Unternehmens Mirabilis zur Verfügung. Massive Multiplayer Online Games (MMOG) machten das Internet vor allem für Schülerinnen und Schüler zur beliebten Spielwiese. Die ältesten MMOGs entstanden Anfang der 1990er-Jahre als Online-Rollenspiele. Das Platzen der sogenannten Dotcom-Blase im März 2000, die erste Wirtschaftskrise der IT-Branche, hatte auf die steigende Nutzung des Internets zumindest keine Rückwirkungen. Vielmehr wurden neue Geschäftsmodelle und Angebote entwickelt. Das Web als Dokumentationsplattform. Mit neuen datenbankbasierten Applikationen und der Erweiterung der Bandbreiten wurde es möglich, immer größere Datenmengen über das WWW zur Verfügung zu stellen. Dies veränderte das Wesen des Internets insoweit, als nun das Netz zunehmend als Plattform wahrgenommen wurde, auf der man Inhalte hinterlegen konnte. Blogosphäre und Wikipedia. Der wachsende Anteil der von privaten Nutzern erstellten Inhalte schmälert die exklusive Stellung der etablierten Nachrichtenportale und Wissensdatenbanken. Im Zusammenhang mit der globalisierungskriti- 22 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 22 schen Bewegung wurden alternative und offene Medienprojekte wie »indymedia« gestartet. Vor allem die aufkommenden Blogs und die entstehende Blogosphäre eröffneten Hoffnungen auf einen Journalismus »von unten«. Weblogs wurden als neue Mitteilungsform populär. Gleichzeitig explodierte die Anzahl der Online-Communitys und ehrenamtlichen Beiträger. Mit Wikipedia startete 2001 das bislang wohl erfolgreichste Community-Projekt überhaupt. Die Bedeutung der Blogosphäre und des Wikipedia-Projekts für die Diskussion um die Möglichkeiten eines Netzes, das als offenes Kommunikations- und Dokumentationsmedium verfügbar wurde, kann nicht überschätzt werden. Mit Wikipedia besetzte zum ersten Mal ein nicht-kommerzielles Projekt einen absolut zentralen Kommunikationsknoten. Nach Google ist Wikipedia der zweite Rechercheort für Erstinformationen. Die Blogosphäre zeigte neue Möglichkeiten dezentraler Nachrichtenverbreitung. Mit dem Erfolg der Blogosphäre und dem Wikipedia-Projekt mussten sich nun auch die Öffentlichkeit, Organisationen, Staaten, Unternehmen und die etablierten Massenmedien mit den Steuerungsmodellen im neuen Web auseinandersetzen. Begriff »Social Software«. Im Zusammenhang mit Wikis und Weblogs fiel dann auch um 2002 zum ersten Mal der Begriff »Social Software« im Rahmen einer Tagung »Social Software Summit« des Internetexperten Clay Shirky (Himpsl 2007). Nun entstanden in kürzester Zeit die bekanntesten Vorreiter der Social Softwareanwendungen: Mit Flickr wurde im Jahr 2002 das öffentliche Sharing zu einer Massenveranstaltung. Der Anbieter del.icio.us wies mit seinem Social Tagging neue Wege in der kollektiven Verschlagwortung. Ab 2003 konnte man bei OpenBC (Open Business Club, heute Xing) und MySpace kostenlose Benutzerprofile mit Fotos, Videos, Blogs, Gruppen usw. einrichten und mit Facebook nahm 2004 ein weiteres großes Social Network seinen Anfang. Als große Player kamen Twitter 2006 und 2011 Google+ ins Spiel. Mobile Web. Wireless LAN und Bandbreitentechnologien wie UMTS oder LTE machten es Ende der 2000er-Jahre in bislang nie gekanntem Umfang möglich, über mobile Geräte (Laptops, Smartphones, Tablets) mit dem Internet und dem Web in ständiger Verbindung zu bleiben. Die zunehmende Erreichbarkeit des Internets erweitert die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer erheblich, beispielsweise was die Orientierung und Terminplanung betrifft. Die Wahrnehmung der Welt wird mit dem mobilen Web aber nicht nur erweitert, sondern gleichzeitig wieder eingeschränkt, weil etwa jedes Ereignis dokumentiert und geteilt, aber in dem Moment nur eingeschränkt erlebt werden kann. Der breiten Bevölkerung sind in jedem Fall mit dem mobilen Web mächtige Tools an die Hand gegeben. Und so 23 1.2 Geschichte des Internets als sozialer Treffpunkt www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 22 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 23 überrascht es nicht, dass das mobile Web seit wenigen Jahren das Web insgesamt formt. Einige wie die Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation Lila Tretikov (2014) 6 prognostizieren sogar ein Sterben klassischer Websites. In jedem Fall verlagert sich der Entwicklungsschwerpunkt, so dass auch klassische Social-Web-Anwendungen wie Wikipedia mit Hochdruck den Anforderungen des mobilen Webs und seiner Nutzer angepasst werden. Crowd. Unter den verschiedenen Online-Communities (Entwicklercommunities, Wikicommunities, Ratingcommunities) lassen sich seit einigen Jahren Gruppen identifizieren, die als »Crowds« beschrieben werden. Das Zusammentragen von Wissen wird als »Crowdsourcing« bezeichnet. Die Vorfinanzierung von Projekten wird über Crowdfunding- oder Crowdinvesting-Plattformen organisiert. Crowds schaffen bewusst über Arbeit oder finanzielle Beteiligung Werte. So öffnen sich völlig neue Möglichkeiten, über das Web nachfrageorientiert die Herstellung teurer Produkte und Dienstleistungen zu koordinieren und bereitzustellen. Crowds decken einen allgemeinen Bedarf und die Beteiligten unterstützen ein gemeinsames, meist auch gemeinnütziges Ziel, das sie meist emotional berührt, indem sie einen begrenzten persönlichen Beitrag leisten. Eine negative Entwicklung kennzeichnet dagegen der Begriff des Crowdworkings. Dieser beschreibt die Entstehung eines neuen Niedriglohnbereichs, in dem Menschen prekär Akkordarbeit für Unternehmen leisten. Eroberung des Öffentlichen. Was bleibt von dem oben skizzierten Bild eines früher freien Netzes, das heute durch die Kommerzialisierung und den Zugriff der öffentlichen Gewalt bedroht bzw. zerstört ist? Hier wird ein differenzierterer Blick nötig. So haben zwar große Bevölkerungsteile in den hochindustrialisierten Ländern Zugang zum Web. Sie erobern das Netz aber unter kommerzialisierten Bedingungen, die gleichzeitig die Möglichkeiten dieser Eroberung schufen. Auch bei der der oft vorgebrachten These der Rückeroberung einer Öffentlichkeit im Internet feststellen, dass die Öffentlichkeit des Netzes vielfach erst hergestellt werden muss. Die Entwicklung der Social Software und des Social Webs ist gegenwärtig nicht abzusehen, da sie sehr widersprüchlich verläuft. So sind Medienkonzerne an der Verknappung der Ware Wissen interessiert, was sich mit der Offenheit des Mediums Internet, die nun zur größten Kopiermaschine der Welt wurde, nicht verträgt. Dadurch entsteht gegenwärtig eine neue Konfliktlinie um Fragen des Urheberrechts, freier Software und geistigen Eigentums. Hier gibt es Selbstorganisationsprozesse, die auf die Verwertungsinteressen großer Konzerne antworten. Die File Sharing Communities und jüngst auch die Crowdfunding-Communities entwickeln über ihre große Anzahl an teilnehmenden Nutzern eine erste wirtschaftlich ernstzunehmende Gegenbewegung. 24 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 24 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung 1.3.1 Social Web und Web 2.0 Warum heißt dieses Buch eigentlich nicht »Web 2.0«? Eine sehr gute Frage, die wir uns auch schon wiederholt gestellt haben. Um es ganz kurz zu beantworten: Web 2.0 ist ein Begriff, der zwar häufig synonym mit dem Social Web benutzt wird, jedoch viel umfassender ist. Hier werden - je nach Blickwinkel - technische, ökonomische und rechtliche Aspekte mit einbezogen, die wir in diesem Buch nur behandeln, wenn sie unmittelbar mit unserem enger gefassten Thema, dem Social Web, zu tun haben. Zudem widerstrebt es uns ein wenig, einen derart kommerziell belegten und unscharfen Begriff für eine wissenschaftliche Publikationsform zu verwenden, auch wenn »Web 2.0« lange als ideenleitendes Schlagwort benutzt wurde. Um zu einer Einschätzung zu gelangen, ist es dennoch wichtig, zu wissen, wie der Begriff entstand und welche Implikationen mit ihm verbunden sind. Entstehung des Begriffs. Anders als es die Versionsnummer vermuten lässt, ist das Web 2.0 keine neue technische Ausführung des WWW, die man sich von irgendeiner Website herunterladen und installieren kann. Vielmehr spielt der Begriff auf eine gefühlte Veränderung des WWW während der letzten Jahre an. Er entstand während eines Brainstormings zwischen dem O’Reilly Verlag und MediaLive International. Der Vizepräsident von O’Reilly, Dale Dougherty, stellte dabei fest, dass das Internet durch das Zerplatzen der Dotcom-Blase 2000 nicht zusammengebrochen war, sondern heutzutage wichtiger denn je sei. Der seither festzustellende Wandel des WWW wurde mit einem starken Schlagwort belegt: »Web 2.0«. Man beschloss eine Konferenz zu organisieren, bei der genau dieses Thema Mittelpunkt sein sollte. Dass nicht nur das Management von O’Reilly die vielschichtigen Veränderungen im WWW spürte, zeigt die enthusiastische Aufnahme des Begriffs: Nach jener ersten Web-2.0-Konferenz im Jahre 2004 verbreitete sich der Ausdruck unaufhaltsam im Internet und wurde schnell zum Oberbegriff für alle möglichen Neuerungen im Web 7 . Die sieben Punkte von O’Reilly. Tim O’Reilly hatte sich ein Jahr nach der legendären Webkonferenz die Mühe gemacht, den Begriff in dem Artikel »What is the Web 2.0? « 7 zu präzisieren und nannte folgende Aspekte: 1. Web als Service-Plattform. Das WWW ist mittlerweile überall. Es ist daher nahe liegend, alltägliche Aufgaben ins Netz zu verlegen. Terminplanung, Projekt- 25 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 24 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 25 management und Text- oder Bildverarbeitung verlassen die Grenzen lokaler Desktopanwendungen und werden im Internet abgelegt und verwaltet. Steigende Kapazitäten in der Breitbandkommunikation und die neue Funktionalität moderner Webapplikationen machen dies möglich. Hier sind nur einige Beispiele von einer Fülle an neuen Webapplikationen: • Pixlr: Bildbearbeitungsprogramm, • Lino: Haftnotizzettel und Fotos teilen, • Doodle: Tool für Umfragen, • Google Drive/ Microsoft Office 365: Ein komplettes Office-Paket im Netz, • Dropbox: Cloud-Speicherdienst (auch »Filehosting«), • Trello: Tool für Projektmanagement und Workflows, • Tricider: Brainstorming- und Abstimmungsprozesse. Der Nutzer genießt durch diese WWW-Dienste einige Vorteile: • Programme müssen nicht mehr auf dem lokalen Rechner installiert und gepflegt werden. • Der User kann unabhängig vom Betriebssystem sämtliche Dienste nutzen. • Zudem kann er von überall auf seine persönlichen Daten, wie z. B. seine Fotos, Adressen oder Lesezeichen, zugreifen und sie bearbeiten. • Kooperative und kollaborative Arbeitsformen werden möglich. Abb. 1.4: Bildbearbeitung im WWW mit Fotor 26 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 26 Diesen Annehmlichkeiten steht natürlich die entscheidende Frage nach dem Datenschutz gegenüber, die erheblich an Bedeutung gewinnt, wenn persönliche und daher zu schützende Dateien zunehmend direkt im Web gespeichert werden. 2. Einbeziehung der kollektiven Intelligenz der Nutzer. Schlagworte wie Mitmach-Netz oder user-generated content fallen unter diesen Punkt. Es ist also nicht mehr der Betreiber, der die Inhalte seiner Website gestaltet, sondern der Nutzer selbst, der die jeweiligen Plattformen mit Bildern, Videos, Informationen und seinen Meinungen füllt. Selbst die Struktur einer Seite kann gemeinsam verändert werden. Durch einfache, benutzerfreundliche Oberflächen werden die Einstiegshürden so gering wie möglich gehalten, so dass die Nutzer fast ohne jegliche technische Vorkenntnisse aktiv an der Veränderung der Website mitwirken können. Ein beliebtes Beispiel ist die Enzyklopädie Wikipedia, auf der jeder Nutzer Wissen niederschreiben und ein anderer beliebiger User diesen Artikel ändern darf. Anders als vermutet, hat das Fehlen eines zentralen Redaktionsprozesses keine Qualitätseinbußen zur Folge. Vielmehr steigert die Teilhabe vieler Nutzer am Gesamtwerk den Wert der Anwendung und jeder Teilnehmer profitiert davon. 3. Daten stehen im Mittelpunkt der Anwendungen. Die Anwendungen stehen und fallen mit den Daten, die von Nutzern permanent generiert werden. Die Qualität und Quantität der Datenbestände spiegeln das Kapital der Webanwendungen wider. Die Inhalte sind damit wesentlich wichtiger als ihre Darstellung. Datenbestände wie das gesammelte Wissen von Wikipedia oder die Strukturen landesweiter sozialer Netze samt Adressen und Telefonnummern bei XING konnten bisher nur mit hohem Aufwand und viel Fleißarbeit gewonnen werden. Jetzt geht es darum, sie zu verbinden und zu nutzen. Dabei hat das Rennen um die wichtigsten Daten bereits begonnen, vor allem um geografische, persönliche, terminliche und produktspezifische. 4. Neue Formen der Softwareentwicklung. Software wird im Web 2.0 nicht mehr als Produkt ausgeliefert, sondern als Service. Denn ein Produkt aktuell zu halten, ist wesentlich schwieriger als einen Service, bei dem die Software zentral auf einem Server vorgehalten wird. Die aus der Softwareentwicklung traditionsgemäß gepflegte Versionsnummerierung und die Publikation von neuen Versionen einer Software alle paar Jahre gelten seit dem Web 2.0 als überflüssig und inkonsistent. Neue Versionen werden möglichst früh und möglichst oft im Betastadium veröffentlicht. 27 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 26 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 27 Der Entwickler profitiert davon: • Bei einem Millionenpublikum bekommt man selbst auf kleinste Veränderungen hin ein schnelles, aussagekräftiges Feedback. • Neue Praktiken können schnell ausprobiert und frische Ideen sofort umgesetzt werden. • Das Publikum, also diejenigen, die eine Software nutzen werden, weiß oft besser als die Entwickler, was verbessert werden soll. • Auch aus dem Verhalten, z. B. der Reihenfolge von Klicks, lassen sich Rückschlüsse ziehen. Im Social Web ist das Image des permanenten Beta so gut, dass es sogar dem Anwender gegenüber immer wieder als Qualitätsmerkmal und als Zeichen für eine besonders innovative Plattform dargestellt wird. Ganz nach dem Motto: »It’s not a bug, it’s a feature! « 5. »Leichtgewichtige« Programmiermodelle. Um die Daten einer breiten Menge zugänglich zu machen, werden »Lightweight Programming Models« implementiert. Das heißt, dass die Daten sehr einfach über eine HTTP- oder Web-Service-Schnittstelle bereitgestellt werden. Neue offene, flexible, leicht zu bedienende Schnittstellen, sogenannte APIs, ermöglichen den Zugriff auf die global gesammelten Daten, die auf den Servern großer Onlineunternehmen, wie z. B. eBay, abgespeichert und ständig aktualisiert werden. Verschiedenste digitale Daten lassen sich beliebig vermischen und in neue Formen bringen. So entstehen sogenannte Mashups, die Inhalte von verschiedenen Anwendungen des Internets zusammenbringen, z. B. Placeopedia, die die Funktionalitäten von Google Maps und Wikipedia vereinigt, so dass sämtliche Plätze der Welt mit Wikipedia-Einträgen angereichert werden können. Abb. 1.5: Logo mit »Beta« 28 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 28 6. Software, die auf vielen Geräten nutzbar wird. Nicht nur der PC kommt als Endgerät in Frage, sondern auch mobile oder sonstige Geräte. Damit wird ein altes Ziel von Webseiten wieder belebt. Sie sollen so gestaltet werden, dass die Darstellung auf verschiedenen Medien möglich ist. Mittlerweile ist es weder schwierig noch kostenintensiv, über Smartphones und Tablets ins Internet zu gelangen. Da diese Helfer zu unseren täglichen Begleitern geworden sind, liegt es nahe, die erwähnten Datenbestände auch mit solchen Geräten abzurufen. Ein Beispiel ist das Mobile Tagging mit zweidimensionalen Strichcodes, die an Gegenständen angebracht werden können und eine URL kodieren. Mit einem Fotohandy können diese gelesen und via mobilem Browser abgerufen werden. 7. Rich User Experience. Der letzte Aspekt bezieht sich noch einmal auf den ersten Punkt in O’Reillys Liste, geht dabei jedoch direkt auf die konkrete Bedienbarkeit der Software ein. Wenn der Desktop zum Webtop mutiert und kein Unterschied zwischen einer Applikation im Netz und einem lokal installierten Programm besteht, bedeutet dies, dass die Webapplikationen einen riesigen Sprung in Sachen Usability gemacht haben. Und in der Tat ist es auf einmal möglich Drag & Drop, ausgereifte Fenstertechniken und andere bequeme Funktionalitäten zu nutzen, die man bisher nur von der Desktopsoftware kennt. Der »Touch«-Screen erweiterte die Interaktionsformen. Eine Schlüsseltechnologie dabei ist Ajax (siehe Kapitel 2.8.2). Soweit also die sieben Punkte, die O’Reilly angeführt hat. Mittlerweile haben sich mindestens drei zusätzliche Aspekte herauskristallisiert, die immer wieder im Zusammenhang mit dem Web 2.0 auftauchen. Juristische Herausforderungen. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr stellt die Transparenz persönlicher Informationen im WWW dar. Da das Web 2.0 davon lebt, dass Nutzer ihre Vorlieben, Interessen und Meinungen gerne ins Web verlagern und offenlegen, hat jeder Zugriff darauf. Dies wirft ganz neue rechtliche Problemstellungen auf, die natürlich auf das reale Leben abfärben und damit auch dort nach der momentanen Gesetzeslage behandelt werden müssen. Leider ist die Rechtsprechung mit der neuen Technologie zum Teil überfordert, so dass wenig Rechtssicherheit besteht und manchmal skurrile Urteile gesprochen werden 1 . Es ist 1 Ein Beispiel für eine seltsame Urteilsbegründung: Im Jahr 2001 hatte libertad.de zu einer Online-Demo gegen die Lufthansa aufgerufen, um gegen deren Abschiebepraktiken zu protestieren. 2005 hat daraufhin eine Frankfurter Richterin den Betreiber der Domain zu einer Geldstrafe verurteilt, wobei sie die »Kraftentfaltung des Mausklicks« als »Zwangswirkung« bezeichnete und diesen mit Elektroschockern verglich (Libertad 2005) 8 . 29 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 28 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 29 anzunehmen, dass es noch Jahre dauern wird, bis der rechtspolitische Klärungsprozess tragfähige Ergebnisse bringt. Neue Geschäftsmodelle. Die Frage, wie man momentan mit Dienstleistungen im WWW Geld verdienen kann, ist nicht trivial: Die Basissoftware läuft zum großen Teil auf Open-Source-Technologie, die meisten Dienste werden kostenlos zur Verfügung gestellt und die Konkurrenz ist riesig. Keine guten Voraussetzungen also, um einen Mehrwert zu generieren. Doch es gibt durchaus Ideen, mit denen Unternehmen im Web 2.0 Profite machen, z. B. über Premiummitgliedschaften, Werbung oder Nischenprodukte (siehe Kapitel 3.2.3). 10. Eigene Web-2.0-Ästhetik. Mit dem Web 2.0 entwickelte sich ein ganz eigenes Look&Feel. Dieses ist sehr verspielt, farbenfroh und kennt im Prinzip keine strengen Gestaltungsregeln. Das zeigten schon die für das frühe Web 2.0 so typischen lustigen, vokalarmen, zum Teil lautmalerischen Titel an, die mit Punkten und Zahlen angereichert wurden - z. B. lib.rario.us, Voo2do und Qooxdoo (sprich »kuckst du«). Das Webdesign selbst zeichnete sich durch bunte, kontrastreiche Farben, Badges, Bänder, Schaltflächen, Farbverläufe, Schatten und Spiegeleffekte Abb. 1.6: Chocri besitzt das typische Web-2.0-Look&Feel und ist ein Beispiel für die neuen Geschäftsmodelle im Social Web. 30 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 30 aus. Zudem nahm man nicht mehr die ganze Breite des Browserfensters in Anspruch, sondern stellte die Inhalte in die Mitte, so dass die Seiten stärker an Din- A4-Seiten im Hochformat erinnern. Die Webseite »Web 2.0 Name Generator« nimmt die Ästhetik des neuen Webs ein wenig auf die Schippe und generiert per Mausklick typische Web-2.0-Namen. Aktuell erleben wir mit dem sogenannten Flat-Design, einem grafisch minimalistischen Gestaltungsstil, bereits eine neue Generation der Web 2.0-Ästhetik, die den Anforderungen des mobilen Webs besser entspricht. 1.3.2 Definition »Social Web« Ein Teilbereich des Web 2.0 ist das »Social Web«. 2 Der Begriff fokussiert auf die Bereiche des Web 2.0, bei denen es nicht um neue Formate oder Programmarchitekturen, sondern um die Unterstützung sozialer Strukturen und Interaktionen über das Netz geht. Einen Ausgangspunkt für eine Definition bietet Hippner (2006), der jedoch den Begriff »Social Software« verwendet. Dieser umfasst für ihn: • »webbasierte Anwendungen, • die für Menschen, • den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und die Kommunikation • in einem sozialen Kontext unterstützen.« Gegenstand sozialer Software sind also Programme oder dynamische Webseiten, die die Techniken des Internets als Trägermedium für sich nutzen. Es geht dabei nicht primär darum, Verbindungen zwischen Servern herzustellen oder Daten auszutauschen, sondern Menschen als Zielpublikum dabei zu helfen, bestimmte zwischenmenschliche Interaktionen auszuführen. Diese bewegen sich vor allem in den Bereichen Austausch von Informationen oder Wissen, Herstellung von Kontakten zu anderen Personen und Unterhaltung mit diesen über das Internet. Diese Interaktionen finden innerhalb eines definierbaren Netzwerks statt, sind also zielgerichtet und durch Regeln gebunden. Hippner ergänzt seine Beschreibung noch um eine Reihe »spezifischer Prinzipien«, die wir weiter unten diskutieren werden. Diese Definition ist in vielen Teilen auf das Social Web anwendbar. Jedoch sind hier Adaptionen nötig. Während Hippner von »webbasierten Anwendungen« spricht, nimmt er beispielsweise Instant Messaging mit auf, das nicht auf dem WWW aufsetzt. Wir plädieren dafür, das WWW als hartes Kriterium vorauszusetzen. Andere Plattformen benötigen jeweils eigene Software, während webbasierte 2 Der Begriff »Social Web« findet sich 1993 zum ersten Mal bei Howard Rheingold. 31 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 30 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 31 Anwendungen im von uns gebrauchten Sinn im Browser laufen und nicht von externen Komponenten abhängen. Damit ist auch eine Abgrenzung von vielen Online-3D-Infrastrukturen wie Second Life möglich. Auch erweiterte Techniken wie Java oder Flash werden wir in diesem Buch weitestgehend ausklammern, obwohl durch die fast flächendeckende Verbreitung der entsprechenden Plug-ins hier möglicherweise von einer Kerntechnik des WWW gesprochen werden könnte. Die Bereiche, in denen Anwendungen des Social Webs eingesetzt werden, sind zu erweitern und anzupassen. Neben dem Austausch von Informationen ist auch deren Erstellung von entscheidender Bedeutung. Wie wir in Kapitel 3.1.5 argumentieren werden, ist die elektronische Vernetzung eine entscheidende Voraussetzung für kollaborative Verfahren, die in vielen Bereichen des Social Webs eingesetzt werden, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Anders als bei der individuellen Inhaltserstellung kann dieser kreative Akt ohne die Plattformen im Netz nicht stattfinden. Wir sehen daher die Kollaboration als eine wesentliche Dimension der sozialen Interaktion im Netz an. Des Weiteren werden Beziehungen im Social Web nicht nur aufgebaut, sondern auch aufgefrischt oder gepflegt, wenn dies anderweitig nicht mehr so leicht möglich wäre. Festzustellen ist, dass gerade in sozialen Netzwerken die Rückbindung an realweltliche Gruppen enorm ist, ja diese sogar häufig vor einer Kontaktaufnahme im Social Web bestehen. Beziehungspflege scheint daher ein wesentliches Moment der Partizipation in diesem Bereich darzustellen. Der Begriff »sozial« ist im Englischen doppeldeutig und wird mit »gesellschaftlich« oder »gesellig« übersetzt. Er besitzt also sowohl eine gesellschaftliche als auch eine gemeinschaftliche Dimension. Während sich Mitglieder einer Gesellschaft dieser aus rationalen Gründen und Zwecküberlegungen anschließen, überwiegt bei der Gemeinschaft ein emotionales Moment. Beide können im Social Web gefunden werden. Dies gilt sowohl bei der Wahl der Plattformen, auf denen die Webnutzer partizipieren, als auch bei der Art der Teilnahme. Daher ist diesen unterschiedlichen Zielsetzungen in der Definition Rechnung zu tragen. Social Software zielt auf Programme und Anwendungen ab. So sprechen Koch und Richter (2009, S. 12) in ihrer Definition des Begriffes von »Anwendungssysteme[n], die unter Ausnutzung von Netzwerk- und Skaleneffekten, indirekte und direkte zwischenmenschliche Interaktion (Koexistenz, Kommunikationen, Koordination, Kooperation) auf breiter Basis ermöglichen und die Identitäten und Beziehungen ihrer Nutzer im Internet abbilden und unterstützen.« In der Unterscheidung sind unter Social Web auch die bereitgestellten Daten sowie das soziale Geflecht der Beteiligten untereinander subsumiert. Diese tragen ganz wesentlich zur Attraktivität der Plattformen und deren Nutzen für die Websurfer und somit deren Erfolg bei. Die bereitgestellten Daten bieten die Grundlage für einen kom- 32 1 Einleitung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 32 munikativen Austausch über die Plattform, der sonst nicht stattfinden würde. Social-Web-Anwendungen ohne zugehörige Community sind nicht denkbar, sie gehört als zwingende Voraussetzung dazu, um diesen Titel tragen zu können. Wir schlagen in der Konsequenz des Gesagten vor, »Social Web« wie folgt zu definieren. Das »Social Web« besteht aus: • (im Sinne des WWW) webbasierten Anwendungen, - die für Menschen - den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit - in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen, sowie • den Daten, die dabei entstehen und • den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen. Betrachtet man die Anwendungen des Social Webs, so kristallisieren sich einige Prinzipien heraus, die allen diesen Formen mehr oder weniger gemeinsam sind (vgl. Hippner 2006): • Im Mittelpunkt steht das Individuum bzw. die Gruppe. Funktionen der Kommunikation untereinander sind wesentlich für eine Social-Web-Anwendung. Fast alle Dienste sind personalisiert, so dass die Aktionen des Einzelnen nachvollziehbar werden. Das steht im Gegensatz zu Programmen oder herkömmlichen Webseiten, die quasi anonym genutzt werden. • Das Individuum integriert sich in die Gruppe. Einzelkämpfer, die auf Kosten der Community arbeiten, werden nicht gerne gesehen. Das ist auch verständlich. Viele Teilnehmer in Social-Web-Anwendungen stecken viel Energie in den Aufbau der Community, sie leisten dabei kostenlose Arbeit. Wer sich hier nicht integriert, stört diesen Aufbau. • Personen, Beziehungen, Inhalte und Bewertungen sollen sichtbar gemacht werden. Es herrscht eine große Transparenz hinsichtlich der Aktionen, Daten und Zusammenhänge in Social Webs. • Grundlage ist die Idee der Selbstorganisation. Es werden keine starren Verhaltensregeln oder Datenstrukturen vorgegeben. Die Community passt die Inhalte an ihre Bedürfnisse an und macht eine Plattform zu ihrem Medium. Dazu gehört auch, gewisse Verhaltensnormen herauszubilden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer »Demokratisierung« des Webs. • Es wird eine soziale Rückkopplung beispielsweise in Form von Social Ratings gegeben. Freiheit der Selbstorganisation wird dadurch in Bahnen gelenkt. Beiträge werden bewertet und können nach diesen Bewertungen geordnet werden. 33 1.3 Begriffsklärung und Abgrenzung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 32 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 33 Somit werden diejenigen belohnt, die Inhalte beisteuern, die eine bestimmte Community gerne sieht. • Der Fokus liegt weniger auf der einzelnen Information, sondern vielmehr auf der Struktur, die aus der Verknüpfung derselben erwächst. Erst, wenn die Beiträge verbunden und miteinander in Beziehung gesetzt werden, können die Inhalte ihre Stärke ausspielen. Es wird eine Art kollektives Wissen aufgebaut. Mit dieser Definition gewappnet, können wir uns im folgenden Abschnitt den konkreten Erscheinungsformen von Social-Web-Anwendungen widmen. www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 34 35 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 34 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 35 2 Praxis des Social Webs 2.1 Einteilungskriterien Die Fülle der Social-Web-Anwendungen ist schier unüberschaubar. Zu fast jedem erdenklichen Bereich des Lebens findet man mittlerweile eine passende Community im Netz. Dennoch kristallisieren sich - ihrem Aufbau nach - gewisse Prototypen heraus, nach denen die Plattformen einzuteilen sind: • Wikis fokussieren auf die kollaborative Erstellung von Texten. Ziel der Community ist es, Inhalte gemeinsam zu schreiben. Dabei steht die Sache im Mittelpunkt, der einzelne Autor ist kaum erkennbar. • Blogs sind persönlich gefärbte Journale. Sie werden meistens von Einzelpersonen geführt und haben häufig tagesaktuelle Themen zum Gegenstand. Die Gemeinschaft entsteht durch die Vernetzung der einzelnen Blogs. • Microblogging konzentriert sich, wie der Name sagt, auf besonders kurze Botschaften, die über eine zentrale Plattform ausgetauscht werden. Diese haben einen kommunikativen Charakter und in der Regel eine kurze Aktualitätsspanne. • Social-Network-Dienste dienen dem Aufbau und der Pflege von Beziehungsnetzwerken. Es gibt viele verschiedene Plattformen, die sich an spezifische Gruppen wie Studenten oder Geschäftsleute richten. • Social Sharing, gelegentlich auch als objektzentrierte Software tituliert, bezeichnet eine Gruppe von Anwendungen, die sich mit der Bereitstellung und dem Tausch von digitalen Inhalten beschäftigen. Das können beispielsweise Videos, Bilder oder Bookmarks sein. • Daneben gibt es Elemente, die auf vielen dieser Plattformen zu finden sind. Die Quervernetzung mit RSS ist ein Beispiel dafür. Diese lassen sich nicht einer der Formen zuordnen, sondern sind als Erweiterungen zu begreifen. Zunehmend nehmen die einzelnen Dienste auch Elemente anderer Bereiche mit auf, z. B. Blogs mit einer Social Network-Erweiterung. Wir sprechen hier von integrierten Plattformen. Neben der technischen Herangehensweise bietet es sich an, die Anwendungen des Social Webs nach ihrem Zweck zu bestimmen. In der Literatur zum Social Web findet man häufig Einteilung der Applikationen anhand von drei Kriterien. Hippner (2006) nennt diese Information, Beziehungen und Kommunikation. Es ist jedoch festzustellen, dass der letzte Punkt kein distinktives Merkmal einzelner Formen ist. Vielmehr sind in allen Anwendungen des Social Webs kommunikative 36 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 36 Funktionen enthalten und werden dort auch genutzt. Schmidt (2006a) spricht von Informationsmanagement, Beziehungsmanagement und Identitätsmanagement. Beziehungsmanagement und Identitätsmanagement bedingen sich gegenseitig, so dass wir diese als zwei Seiten einer Medaille begreifen. Betrachten wir die Bereiche, die in der Definition von »Social Web« zu finden sind: • Beim Informationsaustausch liegt der Schwerpunkt auf der Publikation und Verteilung von Objekten, die gewisse Informationen enthalten. Das können multimediale Dateien genauso wie subjektive Meinungen oder Erkenntnisse sein. • Der Beziehungsaufbau und deren Pflege fokussiert auf zwischenmenschliche Verbindungen. Es geht darum, andere Menschen kennen zu lernen, Informationen über sie zu gewinnen oder Bekanntschaften aus der realen Welt im Netz wiederzufinden. • Eine kollaborative Zusammenarbeit dient der Sammlung und Herstellung von neuem Wissen, Aussagen oder Erkenntnissen. Dabei gruppiert sich eine Reihe von Menschen um ein Thema, um dies gemeinsam zu bearbeiten und zu veröffentlichen • Kommunikation bezieht sich im hier verwendeten Sinn vor allem auf den Austausch von Mitteilungen zwischen zwei Personen. Dies kann beispielsweise über Messaging-Funktionen geschehen. In der Tendenz beziehen sich alle diese Kategorisierungen auf ein Dreieck, das auf die Entitäten Information/ Daten und Person sowie die Aktion der Übermittlung (Kommunikation) aufbaut 3 . Wie im vorherigen Kapitel schon erläutert, halten wir die Erstellung der Informationen in der Gruppe für ein wichtiges Element und plädieren dafür, aus drei Dimensionen vier zu machen, indem man die Kollaboration mit aufnimmt. Ein Nachteil an dieser Stelle ist der Verlust geometrischer Schönheit in der Darstellung. Zwischen den einzelnen Bereichen bestehen Wechselwirkungen. So ist eine Kollaboration ohne Kommunikation nur sehr schwer denkbar, gleiches gilt für die Beziehungspflege. Der Austausch von Informationen ist auch gegeben, wenn kollaborativ erstellte Werke im Netz zur Verfügung gestellt werden. Und der Tausch multimedialer Daten dient nicht selten der Beziehungspflege, beispielsweise bei Online-Fotoalben aus dem privaten Bereich. 3 Auch Koch/ Richter [2009] und Schmidt [2006a] arbeiten mit einem Dreiecksmodell um die Social-Web-Prototypen zu verorten, jedoch nutzen sie andere Dimensionen als Eckpunkte. 37 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 36 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 37 Wie bereits festgestellt, ist Kommunikation ein Thema, das in allen Anwendungen in mehr oder weniger intensiver Form zu finden ist. Wir vernachlässigen diese Dimension daher in der folgenden Übersicht und verbinden die restlichen Aspekte in Anlehnung an das aus der Literatur bekannte Dreiecksmodell. Ein ideales Medium, das alle drei Aufgaben erfüllt, wäre in der Mitte angesiedelt. Abb. 2.1 zeigt, wo die Autoren die genannten Typen von Social-Web-Anwendungen verorten würden. Sehen wir uns im folgenden Kapitel die einzelnen Typen im Detail an. 2.2 Wikis Stellen Sie sich vor, Sie browsen durch das Internet und finden auf einer Seite die Publikationsliste Ihrer Lieblingsautorin. Nur das neueste Buch ist nicht verzeichnet. Nun gibt es auf dieser Seite einen Knopf »bearbeiten«. Sie klicken ihn an, es öffnet sich ein Bearbeitungsfenster mit dem Quellcode der Seite, Sie fügen den neuen Titel ein und speichern die Eingabe ab. Der neue Titel ist sofort online. Abb. 2.1: Dreiecksmodell 38 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 38 Wenn Sie eine Internetseite finden, auf der man das machen kann, dann haben Sie es höchstwahrscheinlich mit einer Wiki-Seite zu tun. Selbstverständlich kann nun ein anderer Internetnutzer Ihren Beitrag erweitern, verändern oder rückgängig machen. So sind die Regeln. Doch diese Fähigkeit der Wiki-Software hat die Qualität des Mediums Internet tiefgreifend verändert. Und es wird schon bald keinen Arbeitsbereich mehr geben, der nicht in der einen oder anderen Form ein Wiki als Plattform nutzt - ob für die gemeinsame Wissenssammlung, zur Vorbereitung von Projekten oder zu Dokumentationszwecken. Was sind eigentlich Wikis? Im Mittelpunkt von Wiki-Projekten steht der gemeinsam erarbeitete Text. Ein Wiki ist eine webbasierte Software, die es allen Betrachtern einer Seite erlaubt, den Inhalt zu ändern, indem sie diese Seite online im Browser editieren. Damit ist das Wiki eine einfache und leicht zu bedienende Plattform für kooperatives Arbeiten an Texten und Hypertexten. Sowohl Wikis als auch Blogs arbeiten meistens mit einer vereinfachten Layoutsyntax, die das Erstellen von Inhalten nicht schwerer macht als das Schreiben von E-Mails. Für anspruchsvollere Nutzer stellen die meisten Systeme mittlerweile einen WYSI- WYG-Editor zur Verfügung. Das heißt, die eigentliche Revolution des Wiki-Ansatzes besteht im Berechtigungssystem. Alle Nutzer haben zunächst gleiche Bearbeitungsrechte. Diese Abb. 2.2: Beim Wiki steht die gemeinsame Arbeit an einer Artikelsammlung im Mittelpunkt. 39 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 38 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 39 können freilich eingeschränkt werden. Aber grundsätzlich ist der Vertrauensvorschuss bei Wiki-Projekten Grundlage jeder Kooperation. Es handelt sich um ein echtes Many-to-many-Medium. Alle Beteiligten arbeiten am gleichen Text. Der zufällige Leser sieht immer die aktuelle Fassung des Artikels. Damit es nicht zu einem größeren Chaos kommt, besitzen Wiki-Seiten eine Versionierung, über die alle Änderungen nachvollzogen werden können. Über spezielle Seiten kann man sehen, welche Seiten zuletzt oder sehr häufig bearbeitet wurden und somit einen Brennpunkt darstellen. Der Gemeinschaft kommt bei Wikis eine sehr große Bedeutung zu. Nur wenn sich die Teilnehmer kooperativ verhalten, kann ein Wiki funktionieren. Andererseits handelt es sich um ein tendenziell demokratisches Medium mit flachen Hierarchien, bei dem der Einzelne eine gewichtige Stimme hat. Merkmale: • Jeder Teilnehmer darf Inhalte editieren. • Beiträge können je nach Konfiguration des Wiki-Systems anonym oder nur mit Registrierung erfolgen. • Die Daten liegen nicht in strukturierter Form vor. • Die Strukturierung und Ordnung der Inhalte wird komplett den Nutzern übertragen. • Nutzer können neue Seiten anlegen und die Verweisstruktur verändern. • Die Vorgehensweise ist ergebnisorientiert und man sieht jeweils die neueste Fassung. • Der Benutzer rückt als Person in den Hintergrund. 2.2.1 Geschichte Das allererste Wiki. Dieses wurde unter dem Namen WikiWikiWeb bereits 1995 von Ward Cunningham entwickelt. Der Entwickler suchte aus Unzufriedenheit mit den gängigen Textverarbeitungsprogrammen nach einem neuen Dokumentationssystem, das stärker den Bedürfnissen eines Programmierers entspricht. Sein Ziel war die Erstellung einer möglichst einfachen Software, die es ermöglichen sollte, gemeinschaftlich an Softwarecodes zu arbeiten und diese sofort zu veröffentlichen. Das neue Programm sollte alle Bearbeitungsschritte automatisch dokumentieren, um Änderungen leichter nachvollziehen zu können. Ideengeber für Cunningham war der Shuttlebus vom Flughafen Honolulu zum Strand: der Wikiwiki Bus. »Wikiwiki« ist ein hawaiianisches Wort und bedeutet so viel wie »schnell« oder »sich beeilen«. Der Name steht für die Programmatik der Wiki-Software, schnell 40 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 40 Abb. 2.3: Startseite der chinesischen Wikipedia 41 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 40 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 41 und unkompliziert Inhalte zur Verfügung zu stellen. Am Ende ging der erste Wiki-Server ans Netz und ist bis heute in Betrieb. Seitdem wurden zahlreiche Weiterentwicklungen von Cunninghams erstem Wiki veröffentlicht, sogenannte Klone. Die meisten davon wurden unter eine Open-Source-Lizenz gestellt und sind kostenlos verfügbar. Prominente Vertreter sind MediaWiki, TWiki oder DokuWiki. Wikipedia. Nach Wards Wiki entstanden weitere Wiki-Communitys, z. B. das berühmte MeatballWiki, in dem sich die Autoren stark mit Online-Communitys an sich auseinandersetzen. Aber erst mit dem Erfolg der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia wurden Wikis einem breiteren Publikum bekannt. Bei Wikipedia wird das Wiki-Konzept eingesetzt, um enzyklopädisches Wissen kooperativ »von unten« erarbeiten und darstellen zu können. Allein in der deutschsprachigen Ausgabe wurden von Mai 2001 bis August 2015 über 1.838.000 Artikel gemeinsam erarbeitet. Flaggschiff der Wiki-Technologie bleibt jedoch die englische Ausgabe, für die bis August 2015 rund 5 Millionen Artikel geschrieben wurden. Weltweit existiert Wikipedia in rund 300 Sprachen. Corporate Wikis. Parallel dazu hat das Wiki eine - naturgemäß weniger sichtbare - Karriere in den Intranets größerer Firmen wie Motorola oder SAP gemacht, wo es vornehmlich als Projekt- und Wissensmanagement-Werkzeug verwendet wird. Gerade IT-Abteilungen verwenden Wikis in ihrer täglichen Arbeit. Die Entwicklung eigener Corporate oder Enterprise Wikis, die ihr Angebot an den organisatorischen und rechtlichen Bedürfnissen von Unternehmen ausrichten, läutete eine neue Phase ein. Eines der frühen Systeme, das auf diesen Zweck hin optimiert wurden, ist TWiki. Die kommerziellen Nachfolger sind häufig proprietäre Software, für die eine Lizenz bezahlt werden muss, wie z. B. für das australische Confluence-Wiki. Andere Verbreitungswege. Daneben gab es von der Öffentlichkeit unbemerkt weitere Verbreitungswege der Wiki-Software. So kennen beispielsweise viele Onlinespieler Wikis von Dokumentationen von Spielregeln und Spielstrategien. Auch andere Nutzergruppen, sogenannte Special-Interest-Gruppen, nutzen Wikis schon seit geraumer Zeit, um sich über Autos, Software, Fernsehserien, Bildung oder Städte auszutauschen. Als typisches Beispiel ist hier das »Game of Thrones«-Wiki zu nennen. Es nutzt den Dienst »Wikia«, der sich auf diese Zielgruppen spezialisiert hat. 42 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 42 2.2.2 Öffentliche Wikis Fragt man nach berühmten Wikis, so meint man hauptsächlich diejenigen im World Wide Web und nicht die »versteckten« Wikis in Unternehmen und Organisationen. Die hier angegebene Liste ist sehr subjektiv und auf keinen Fall erschöpfend. Es gibt eine Gruppe von Wikis, die von den Pionieren, von Wiki-Freaks und Philosophen betrieben wird. Ästhetisch sicher ein Blick in graue Vorzeiten, aber eben auch die am längsten existierende Wiki-Community: Wards Wiki. Das Urwiki ist immer noch online. Meatball-Wiki. Das englische Meatball-Wiki versteht sich als Plattform für Praktiker, die sich mit Online-Communitys beschäftigen. Gründer-Wiki. Das Gründer-Wiki ist ein deutsches Pendant zum Meatball-Wiki. Die Projekte der Wikimedia Foundation zielten von Beginn an auf eine große Leser- und Autorenschaft rund um den Globus und haben als Maxime, dass ihre Inhalte frei verfügbar sind. Insgesamt gibt es derzeit 16 Wikimedia-Projekte. Die Wikipedia ist nach wie vor das Bekannteste davon. Dabei geraten die nicht minder interessanten Schwesternprojekte gerne in den Hintergrund: Wikipedia. Größte jemals geschaffene Enzyklopädie. Das Open-Source-Projekt läuft rein auf der Basis von Spenden. Hier lohnt es sich auch einmal, hinter die Kulissen zu sehen, indem man beispielsweise die Diskussionsprozesse und Moderatorenwahlen beobachtet. Wikimedia Commons. Ein weiteres beachtenswertes Projekt der Wikimedia Foundation. Hier werden zentral freie Bilder, Videos, Musik und Texte für alle Wikimedia-Projekte aufbewahrt. Bilder, die dort zum Download angeboten werden, müssen gemeinfrei sein oder der GNU-FDL unterliegen. WikiData ist der Name einer frei bearbeitbaren Datenbank, die bestimmte Datentypen für Wikimedia-Projekte zur Verfügung stellt, z. B. Geburtsdaten oder sonstige allgemeingültige Daten, die in allen Artikeln der Wikimedia-Projekte verwendet werden können. Sie ermöglichen damit eine gewisse Vereinheitlichung sowie die Nutzung gezielter Abfragen, auch durch Maschinen. Wiktionary. Ziel dieses Projekts ist ein frei zugängliches, vollständiges und mehrsprachiges Wörterbuch sowie ein entsprechender Thesaurus in jeder Sprache. Seit 43 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 42 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 43 der Gründung 2002 wuchs die Anzahl der Einträge in die Wiktionarys international auf über 6,6 Millionen an. Wikivoyage. Projekt mit dem Ziel, einen vollständigen und aktuellen weltweiten Reiseführer zu entwickeln. Die rasante Ausbreitung der Wiki-Technologie geschieht über Themen-Wikis. Das Game of Thrones-Wiki wurde oben bereits genannt. Hier sind noch ein paar weitere deutschsprachige Beispiele: Wien Geschichte Wiki. Dieses Wiki ist eine georeferenzierte, historische Wissensplattform der Stadt Wien, die das Ziel verfolgt, historisches Wissen über Wien aus der Stadtverwaltung selbst mit jenem von Expertinnen und Experten zusammenzuführen. Es wurde vom Wiener Stadt- und Landesarchiv und der Wienbibliothek im Rathaus aufgebaut und 2014 zur Bearbeitung freigegeben. Zuvor wurden mehr als 27.000 Artikel (bzw. 31.000 Einträge) des sechsbändigen Werks »Historisches Lexikon Wien«, herausgegeben von Felix Czeike, in das Wiki migriert. ZUM Wiki. Offene Plattform für Lehrinhalte und Lernprozesse. Ein Wiki für Lehrerinnen, Lehrer und andere Menschen im Bildungsbereich. Memory Alpha. Freies, gemeinschaftliches Projekt zur Erstellung einer umfangreichen Enzyklopädie rund um Star Trek. Ein klassisches Beispiel für Wikis von Fangemeinden. Und zum Schluss hier ein Beispiel für die seltene Spezies der öffentlichen Firmenwikis: Classic Wiki hat die Oldtimer von Mercedes Benz als Thema. Akribisch listet und beschreibt Daimler seine alten Modelle in Wort, Bild und Video. Leider sind die Inhalte nicht frei verfügbar und auch die Möglichkeit der Mitarbeit ist stark eingeschränkt. Eine umfassende Liste von öffentlichen Mediawikis gibt es übrigens auf Wiki- Apiary. 2.2.3 Funktionsweise Wie arbeitet man mit einem Wiki? Wiki-Seiten unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht sofort von anderen Internetseiten. Meistens fallen sie durch ein einfaches Layout auf. 44 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 44 Man findet am Rand des Inhaltsbereichs einen Link »Bearbeiten« oder »Edit«. Sobald dieser geklickt wird, öffnet sich ein Bearbeitungsfenster. Zu sehen sind dann der eigentliche Text und verschiedene Steuerungszeichen, sogenannte Wiki- Tags. Mit ihnen lassen sich einfache Formatierungen vornehmen. Mit einem Knopf »Seite speichern« oder »Save page« werden Text und Wiki-Tags vom System in eine HTML-Seite interpretiert und online gestellt. Nehmen wir an, das Rezept für Fish and Chips soll im Wiki hinterlegt werden. Das Rezept soll auf eine eigene Seite. Wie geht man vor? Zunächst lohnt es sich zu prüfen, ob es bereits eine Seite »Fish and Chips« gibt, die man nur noch ergänzen muss. Alle Inhaltsseiten eines Wikis werden meist irgendwo über eine Spezialseite angezeigt. Muss eine neue Seite angelegt werden, legt man einfach von einer bereits bestehenden Wiki-Seite einen Link zu der noch nicht existierenden. Das heißt, man trägt an einer Stelle, die geeignet erscheint, einen Link auf die Seite »Fish and Chips« ein. Also wird eine Seite, z. B. »Englische Küche«, geöffnet und der Link dazugeschrieben. Das könnte so aussehen: [[Fish and Chips]]. Wenn man die Seite mit dem Eintrag abspeichert, wird die Aktualisierung sofort sichtbar. Der neue Link ist jetzt deutlich mit einem Fragezeichen oder als roter Link gekennzeichnet. Damit wird klar, dass diese Seite noch nicht existiert. Wenn man nun diesen Link, der »ins Leere« führt, aufruft, öffnet das System ein Bearbeitungsfenster für die neue Seite »Fish and Chips«. Hier kann nun der gewünschte Text eingetragen und abspeichert werden. Jetzt ist das Rezept online (vgl. Abb. 2.4). Abb. 2.4: Klassischer Aufbau einer Wiki-Seite 45 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 44 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 45 Der Reiz eines Wikis liegt darin, dass man mit wenigen Handgriffen Formatierungen vornehmen kann. So verwenden viele Wikis * (Sternchen) für Aufzählungszeichen oder ‹ (Hochkomma) für Fettungen und Kursivsetzungen. Wir haben hier einmal ein Beispiel für einen Eintrag im Bearbeitungsfenster: Je mehr Wert auf das Design gelegt wird, desto komplexer wird nun diese Syntax. Grundsätzlich kommen aber Wiki-Autoren mit einer Handvoll Formatierungsbefehlen aus. Und es ist motivierend, die Ergebnisse seiner Aktionen sofort zu sehen. Man benötigt kein großes Expertentum, um mit der Software zu arbeiten. Allerdings bewegt man sich im Unterschied zu Anwendungen wie Word bereits auf der Codeebene (vgl. Abb. 2.5). Und je nach Reifegrad des Wikis lassen sich hier auch komplexe Operationen realisieren. Für viele Wiki-Neulinge sind diese Handlungsspielräume verwirrend. Wir sind es heute gewohnt, dass uns die Software mit Eingabemasken lenkt, dass wir beispielsweise nicht einfach eine neue Seite anlegen oder ein Menü verändern können. Im Wiki ist genau diese Offenheit erwünscht. Diejenigen, die sich nicht mit Formatierungsbefehlen herumschlagen wollen, müssen trotzdem nicht verzweifeln, da mittlerweile fast jede moderne Wiki-Software mit einem WYSIWYG-Editor ausgestattet ist. Um sich im Wiki zurechtzufinden, gibt es in der Regel eine Seite, die letzte Änderungen anzeigt. So bleibt jeder informiert, was neu eingestellt oder verändert wurde. Ausgereiftere Wiki-Systeme ermöglichen es, private Beobachtungslisten Abb. 2.5: Bearbeitungsmodus im Rezepte-Wiki 46 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 46 zusammenzustellen, mit denen sich Seiten, für die sich der Bearbeiter verantwortlich fühlt, überprüfen lassen. So kann er schnell sehen, wenn ein anderer Autor etwas verändert hat. Jedes Wiki verfügt darüber hinaus über eine Versionierung, die es erlaubt, ältere Fassungen eines Artikels aus dem Speicher zu holen und wieder hochzuladen. So geht nichts verloren. Eine wichtige Rolle spielt bei dieser Form des kollaborativen Schreibens der Kontakt mit den anderen Autoren. Dies geschieht häufig über Diskussionsseiten. Das MediaWiki bietet für jede Seite eine eigene Diskussionsseite, auf der über Inhalt und Form des Textes debattiert werden kann oder auf der Änderungen begründet und dokumentiert werden. Anders als in Foren werden so Artikel und Diskussion scharf getrennt. Wie in keiner anderen Social Software erfordern Wikis eine Kommunikationskultur mitdenkender Menschen. Es kommt darauf an, zu verstehen, dass jeder Beiträger zumindest nach eigenem Verständnis sich viel Arbeit mit einem Text gemacht hat. Er oder sie identifiziert sich mit dem Gesagten und verleiht den eigenen Erfahrungen und Anschauungen Ausdruck. Das ist bei technischen Dokumentationen weniger dramatisch als bei der Beschreibung eines gesellschaftlichen Zusammenhangs, so gab es z. B. eine ellenlange Debatte in der deutschen Wikipedia, ob es sich bei dem Wiener Donauturm um einen Fernseh- oder Aussichtsturm handelt. Die Diskussionsseite kann mittlerweile ein Buch füllen. Es kann manchmal dazu kommen, dass sich zwei Autoren nicht einigen können. Im Extremfall kommt es zu einem Edit-War. Die Autoren machen dann jeweils die Änderungen des anderen rückgängig. Hier muss ein Moderator vermitteln. Bei Wikipedia werden Moderatoren demokratisch gewählt und erhalten erweiterte Rechte. So können sie eine Seite oder einen Benutzer sperren, um einen Konflikt zu beenden. Das sind aber Extremfälle. In der Regel sind die Wiki-Communitys klein und überschaubar. Die Mitglieder kennen sich oft schon eine Weile und die Projekte definieren ihre Zielsetzungen und erarbeiten Konventionen, wie Artikel aufgebaut sein sollen oder wie bei Streitigkeiten verfahren wird. Ähnlich der Netiquette, mit der allgemeingültige Verhaltensregeln im Internet beschrieben werden, gibt es auch eine Wikiquette, eine Sammlung von Regeln für das Verhalten der Leute miteinander. Die Wikiquette ist kein festgelegter Textkorpus, sondern variiert von Wiki zu Wiki. Üblich sind folgende Aussagen: • Keine persönlichen Angriffe. Sachlichkeit bei Diskussionen und Kritik. Kritik möglichst schonend vortragen. • Von den guten Absichten des Gegenübers ausgehen und respektvoller Umgang. Das heißt, Änderungen nicht ohne Begründung rückgängig zu machen und Dissens in der direkten Diskussion mit dem Gegenüber klären. • Freundlich bleiben. 47 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 46 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 47 • Anderen helfen, z. B. Neuankömmlinge begrüßen und unterstützen. Auf Anfragen antworten. • Ruhig bleiben. • Vergeben und vergessen. Das heißt, nach einer Auseinandersetzung Beleidigungen auch einmal vergessen, um Entschuldigung bitten und Konflikte nach angemessener Zeit begraben. Die Wikiquette ist vor allem in großen Projekten im WWW wichtig. In anderen Arbeitsumgebungen, bei der Dokumentation einer Software im Intranet einer Firma werden solche Regelungen weitaus weniger benötigt. Das Funktionieren eines Wiki-Projekts hat etwas mit technischem Verständnis zu tun, vor allem aber mit sozialen und redaktionellen Kompetenzen, die jedoch über ein Wiki-Projekt erworben werden können. Abb. 2.6: Administratorenwahl 48 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 48 2.2.4 Komponenten Alle Wiki-Systeme werden durch essenzielle Funktionen charakterisiert: Bearbeitungsmodus. Der allen zugängliche Edit-Button auf jeder Seite ist das auffallendste Merkmal eines Wikis. Er führt zu einem Formular, in dem der Quelltext einer Seite verändert und gespeichert werden kann. Dieser Text ist in den meisten Fällen kein HTML-, sondern Wiki-eigener Code, der Formatierung und Strukturierung der Seite für die Autoren vereinfachen soll. Manche Seiten (z. B. Startseiten) werden von der Bearbeitung ausgenommen. Interne Verlinkung. Alle Seiten können auf die Titel anderer Seiten verweisen. In den meisten Wikis werden interne Links mit einem Wiki-Wort erzeugt: Wörter werden mit großen Anfangsbuchstaben versehen und ohne Zwischenraum (Binnenversalie) aneinander gesetzt (CamelCase). Der CamelCase macht das Verlinken einfach, erschwert aber die Lesbarkeit eines Textes und erzeugt gelegentlich unbeabsichtigte Links. In Printmedien werden diese Wortbildungen sinnvollerweise mit einem Bindestrich versehen, so auch in diesem Buch. Deshalb werden auch alternative Methoden zu Kennzeichnung eines Verweises verwendet. Falls die entsprechende Seite zum Link innerhalb des Wikis noch nicht existiert, kann diese nach dem Speichern mit einem einfachen Mausklick auf den Link kreiert werden. History. Diese Funktion dokumentiert im Prinzip alle vorausgegangenen Versionen bzw. Veränderungen einer einzelnen Seite. Sie erlaubt es auch, eine alte Version wiederherzustellen (Rollback) und ist damit ein wirksames Mittel gegen unfreundliche Besucher, die eine Seite zerstören wollen. Viele Wiki-Klone bieten zudem eine »Diff«-Funktion, die Änderungen zwischen zwei Versionen einer Seite anzeigt. Weiterhin finden sich in den meisten Wiki-Systemen zusätzliche typische Komponenten: letzte Änderungen, ein Übungsfeld, Nutzerverwaltung und eine Suchfunktion. Recent Changes. Diese Seite gibt einen aktuellen Überblick über eine bestimmte Anzahl von kürzlich veränderten Wiki-Seiten oder über alle Veränderungen innerhalb eines vordefinierten Zeitraums. Sie wird automatisch produziert und kann von den Nutzern nicht geändert werden. Sandbox. Einsteiger wie erfahrene Nutzer können in einem »Sandkasten« den Umgang mit dem Wiki lernen und Lösungsmöglichkeiten ausprobieren, ohne eine 49 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 48 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 49 normale Seite benutzen zu müssen. Diese Testumgebung ist dabei nichts weiter als eine Wiki-Seite, die in regelmäßigen Abständen geleert wird. Suchfunktion. Die meisten Wikis bieten zudem eine klassische Volltext- oder Titelsuche für die Wiki-Seiten. Nutzerverwaltung. Während die ersten Wikis gänzlich ohne Anmeldung auskamen, muss man sich heute in vielen Systemen namentlich zu erkennen geben. Dafür und zur Absperrung interner Bereiche wird oft eine Userverwaltung angeboten. Die Nutzerverwaltung ist nur teilweise eine Zurücknahme der ursprünglichen Wiki-Idee. Eine radikale Offenheit und Anonymität verbietet sich in vielen Anwendungsbereichen. Es ist jedoch entscheidend, dass Einschränkungen auf ein absolutes Mindestmaß beschränkt bleiben. Neben den Standardfunktionen gibt es eine Vielzahl nützlicher Erweiterungen, die für die jeweiligen Wiki-Engines entwickelt wurden, z. B. Workflow- und Freigabemechanismen oder statistische Auswertungstools. 2.2.5 Anwendungsgebiete Wir haben bislang Wikis nur unter dem Aspekt eines kollektiv erstellten Lexikons behandelt. Sie können aber sehr vielfältig eingesetzt werden: Brainstorming. Nicht umsonst wird das Wiki häufig mit einem Zettelkasten verglichen. Hier können Ideen gesammelt, kommentiert und geordnet werden. Ideen werden von mehreren Teilnehmern zusammengetragen, aber nicht jeder muss alles noch einmal schreiben. Es wird nur ergänzt, was bisher fehlt. Das üblicherweise einfache Layout von Wikis unterstreicht den improvisierten Charakter dieser Anwendung. Wissensbasis. Eine häufige Anwendung ist die Erstellung von FAQ-Seiten, Problemlösungen oder Glossarien. Der Leser muss sich nicht mehr wie in Foren durch einen gesamten Thread klicken, sondern sieht gleich die Quintessenz einer möglicherweise langen Diskussion. Wenn er trotzdem noch einen Fehler findet, kann er ihn gleich beheben. Damit wird ein Artikel (im Idealfall) immer besser. Der erfolgreiche Betrieb einer Wissensbasis erfordert im besonderen Maße eine aktive Trägergruppe, die sich um die Inhalte und das Wachstum des Wikis kümmern (»Wiki-Gärtner«). 50 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 50 Dokumentation. Als Dokumentationstool sind Wikis ebenfalls sehr beliebt, da sie durch das leichte Erstellen neuer Seiten, eine interne Verlinkung und die Suche einige Strukturierungsmechanismen bereitstellen, um das Wissen zu ordnen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Aspekt der leichten Aktualisierbarkeit. Damit können auch Inhalte, etwa eines Betriebs-, Mitarbeiter- oder Qualitätshandbuchs, immer auf dem neuesten Stand gehalten werden, und das zudem von den Personen, die gleichzeitig die Nutznießer der Informationen sind. Projektmanagement. Wikis ersetzen keine professionellen Projektmanagementsysteme. Es hat aber viele Vorteile, wenn Mitarbeiter eines Teams Tipps zur Arbeitsorganisation oder Informationen zu einem bestimmten Projekt in einem Wiki sammeln, statt sie per E-Mail an alle Kollegen zu schicken. Sie sparen damit Zeit bei der täglichen E-Mail-Bearbeitung, haben eine Anlaufstelle für die Suche nach einer bestimmten Information und können sichergehen, dass diese Wissensbasis immer auf dem aktuellen Stand ist. Auch in der Planung von Projekten kann das Werkzeug helfen. So kann die Agenda eines Treffens bereits im Vorfeld von allen Teilnehmern erarbeitet und der Verlauf des Meetings sofort als Protokoll im Wiki festgehalten werden. E-Learning. In vielen Schulen (im deutschsprachigen Raum vor allem in der Schweiz und Österreich) werden Wikis als Lernplattform eingesetzt, um den Schülern nicht nur das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten zu ermöglichen, sondern auch den Umgang mit dem Internet spielerisch zu erlernen (vgl. Ebersbach/ Glaser 2007). 2.2.6 Der Wiki-Effekt Die Faszination von Wikis beruht nicht zuletzt auf den (Groß-)Gruppenphänomenen, die bei prominenten Wiki-Projekten wie der Wikipedia zu beobachten sind: • Die Webseite wird von Mitgliedern der Community zunehmend regelmäßig aufgerufen. • Die Einstiegshürde, selbst etwas inhaltlich beizutragen, wird überwunden. • Es besteht die Bereitschaft, diese Inhalte gegebenenfalls zu diskutieren und Feedback zu geben. Die Kommunikation zwischen den Mitgliedern steigt quantitativ und qualitativ. • Es besteht die Bereitschaft, im Webprojekt aktiv zur Strukturierung, zur Gestaltung und zur Qualitätssicherung beizutragen. 51 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 50 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 51 • Die Kooperation kann und soll in einem weiteren Schritt sogar kollaborative Formen annehmen: Die Nutzer identifizieren sich mit dem Projekt. • Es entstehen Vertrauensverhältnisse. Man kann also mit einer gewissen Berechtigung von einem Wiki-Effekt, der vergleichbar mit dem Crowdsourcing ist, sprechen. Das Ergebnis ist ein sich selbst tragender Gruppenprozess mit einer hohen Selbstmobilisierung der Nutzer. Dieser Dynamik ist aber nicht auf Wikis beschränkt. Der Wiki-Effekt unterscheidet sich jedoch durch seinen Gegenstand und die dazugehörigen Arbeitsweisen. Kollaboratives Schreiben. Das gemeinsame, zeitversetzte Verfassen eines gemeinsamen Textes ist eine intellektuell anspruchsvolle Aufgabe, weil ein Themengebiet nicht nur im eigenen Kopf geordnet und formuliert werden muss, sondern auch das Ordnungssystem und die Aussage eines Koautors bewertet und gegebenenfalls eingearbeitet werden muss. In den meisten Fällen schreiben auch in Wikis nur wenige Autoren an einem Text und es bildet sich ein Hauptautor heraus, der aufgrund seiner Kompetenz oder seines Engagements die inhaltliche Strukturierung organisiert. Treffen jedoch zwei oder mehrere Autoren mit unterschiedlichen Aussageabsichten zusammen, wird das Projekt eines gemeinsamen Textes notwendigerweise konfliktreich. So gibt es in der Wikipedia ideologisch umkämpfte Einträge zu Hitler, Homöopathie, globaler Erwärmung, Astrologie oder Islam. Weshalb das Wikipedia-Projekt eine Konvention erarbeitet hat, die Artikel möglichst ideologisch neutral zu schreiben und mehrere Sichtweisen zuzulassen: der Neutral Point of View (NPOV). Die komplexe Aufgabe, an einem gemeinsamen Text mitzuwirken, ist ein wikispezifischer, wichtiger Motivationsfaktor. Vor allem wenn einem Autor ein Thema unter den Nägeln brennt. Öffentliches Schreiben. Dass das Schreiben von Artikeln und die Diskussion der Inhalte »unter Beobachtung« in einem öffentlichen Raum geschehen, gibt einem Wiki-Projekt eine besondere Dynamik. Dadurch werden Wikis, wie auch Foren oder Blogs, oft von Selbstdarstellern als Bühne missbraucht, aber in der Tendenz fördert die Öffentlichkeit des Gesamtprozesses eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Diskussion, weil sich langfristig nur durchsetzen kann, wer die Ordnungsregeln des etablierten Diskurssystems beachtet. Und dieses Diskurssystem beruht heute auf einem wissenschaftlich-aufgeklärten Verweis- und Belegsystem, hinter dem ältere Begründungsmuster zurücktreten müssen. Wiki spezifisch ist, dass in den von Wikis geschaffenen öffentlichen Räumen die Beachtung und Durchsetzung des Diskurssystems vollständig auf alle Community-Mitglieder übertragen wurde. In einem System, in dem alle weitgehend über gleiche Editierrechte verfügen, kann 52 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 52 die Verantwortung für den Gesamtprozess nicht mehr auf wenige Maintainer abgeschoben werden. Autor-Leser-Interaktion. Nun bleibt auch ein qualitativ guter Beitrag mit Belegen und Argumenten in Wiki-Systemen editierbar. Diese Funktion, die vor allem die Aktualisierbarkeit der Beiträge sichern soll, macht es umgekehrt notwendig, dass Texte von Mitgliedern einer Wiki-Community »bewacht« werden müssen. Zwar lassen sich die eingestellten Texte über die Artikel-Versionierung immer wieder herstellen, aber die Texte sind nicht sicher. Lässt man Formen des Vandalismus einmal unberücksichtigt, gibt es ständig Veränderungen von Mitgliedern im System, die den bisherigen Diskussionsprozess zum einen möglicherweise nicht nachvollzogen haben oder aufgrund anderer Erfahrungen eine inhaltliche Umgestaltung für notwendig halten. Das Bewachen und Verteidigen von Inhalten durch die »Inhaber« zieht eine intensive Autor-Leser-Interaktion nach sich. Das kann im Vorfeld schon dazu führen, dass die Texte für eine bestimmte Leserschaft zurechtgemacht werden - von einer ansprechenden und nachvollziehbaren Aufmachung bis hin zur Selbstzensur (»Schere im Kopf«). Es gilt aber auch, Mut zu haben und Hemmungen zu überwinden, um aktiv werden zu können. Diese permanente Spannungssituation hat den Vorteil, dass auch bereits bestehende Texte von den Autoren selbst auch immer wieder geprüft und gelesen werden. Das bedeutet, die spannende Arbeit des Autors ist mit der Publikation der ersten Fassung noch nicht beendet, sondern wird fortgeführt. Dies kann einem Wiki-Projekt eine langfristige Dynamik sichern. Mitgliedschaft in einer Online-Community. Teilnehmer werden erst zu Mitgliedern, wenn Verhalten und Handlungen von den anderen Mitgliedern bestätigt werden. Dies kann durch inhaltliche Beiträge oder technischen Support geschehen. Wikispezifisch ist jedoch, dass nicht zuletzt durch Moderationstätigkeit und inhaltlich strukturelle Arbeit (den roten Faden finden helfen, Artikel ordnen, kürzen, Inhaltsverzeichnisse und Kategoriesysteme erstellen) Meriten verdient werden können. Dies ist die Voraussetzung dafür, um beispielsweise die Position eines Moderators oder Administrators einnehmen zu können. Einarbeiten in das System. Für die Veröffentlichung in einem Wiki sind gar keine oder wenige Grundkenntnisse der Wiki-Syntax erforderlich. Doch diese eröffnet sehr große Gestaltungsmöglichkeiten. Für Menschen, die sich für die Gestaltung von Webseiten interessieren, bieten Wikis ein anregendes und interessantes Experimentierfeld. Ist man ein wenig eingearbeitet, steigt auch der Spaßfaktor. Man kann das Medium als Ganzes, das heißt auch von seiner technischen Seite her erfahren. Dass die Ergebnisse der eigenen Arbeit sofort sichtbar sind, mobilisiert. 53 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 52 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 53 Herstellung eines Arbeitsklimas. In Wiki-Projekten ist es Aufgabe der ganzen Community, die Mitarbeit attraktiv zu machen und eine Atmosphäre der Toleranz zu schaffen, in der sich Autoren wohlfühlen. Neue Benutzer werden im Idealfall und im Geiste der Wikiquette begrüßt, ermutigt und mit reichhaltigem, positivem Feedback versorgt. Gerade bei Wiki-Projekten gilt es, eine Kommunikationskultur zu erlernen, in der gegenseitiger Respekt und die Integration widersprüchlicher Meinungen einen hohen Stellenwert haben, in der aber auch Kritikfähigkeit gefragt ist. Identifikation. Die mögliche Intensität der Interaktionen, die Aufwände für Recherche, Ordnung und Gestaltung und das sichtbare Ergebnis führen bei aktiven Mitgliedern der Community zu einer Identifikation mit dem Gesamtprojekt. Die Qualität dieser Identifikationsprozesse kann in einem Wiki-Projekt ein anderes Niveau erreichen als in anderen Social-Web-Applikationen. Der Unterschied wird deutlich, wenn man sich die Community eines Social Bookmarking Systems oder eines Online Social Networks vorstellt. Auch hier kann es zu intensiven Kontakten der Gruppenmitglieder kommen, aber es ist ein Unterschied, ob man die Zielsetzung und Inhalte einer Online-Enzyklopädie mitgestalten kann und mitzutragen hat oder ob man ein vorstrukturiertes System mit einer klaren Zieldefinition mit Inhalten füllt. So gab die Verteidigung des Wikipedia-Projekts gegen die Kritik von außen nicht nur Impulse für die Binnenidentifikation, sondern beförderte auch die Anstrengungen, die Qualität der Inhalte aktiv zu verbessern. »Reife« Wikis. Der Umgang mit bereits bestehenden Systemen wirft neue Fragen auf. Wie werden diese Systeme inhaltlich und personell erneuert? Neueinsteiger sind mit einem »fertigen« System konfrontiert, das nicht mehr den Reiz hat, etwas Neues aufzubauen. Erfahrene Wikibetreiber möchten die erarbeiteten Standards nicht immer wieder neu diskutieren, sondern setzen diese voraus. Sie bewachen also nicht nur einzelne Seiten, sondern das Projekt. Weiter geht es um Archivierung von Zwischenständen und Fragen der Neustrukturierung. In der Welt des WWW ist eine inhaltliche Ausdifferenzierung zu beobachten: Stadt- und Regionalwikis, Wikis von Fangemeinden oder zu Fachthemen. Dieses Wachstums- und Ausweichstrategien lösen jedoch nicht die Probleme der bestehenden reifen Wikis. Auch wird dem Wikipedia-Projekt eine gewisse Pionierrolle zufallen. 54 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 54 2.2.7 Ein kleiner Kulturschock Ein ganz anderer Wiki-Effekt ergab sich nicht innerhalb der Communitys, sondern außerhalb. Kein anderes Social-Software-Projekt hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit, Bewunderung und Kritik erfahren wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Das große Interesse an der Wikipedia lässt sich nicht allein damit erklären, dass scheinbar aus dem Nichts innerhalb weniger Jahre die größte Enzyklopädie der Welt entstand. Aufsehen erregte vor allem, wie sie entstand: In der Wikipedia kann nicht nur jeder Benutzer eigene Artikel erstellen, sondern auch fremde Lexikoneinträge frei bearbeiten. Diese unkonventionelle Eigenschaft der Wiki-Software, die ein grundsätzliches Vertrauen in die anderen Nutzer voraussetzt, hatte erhebliche Konsequenzen. Im Falle der Wikipedia war sie der Reiz, der zum Motor des Projektes wurde. Dass trotz dieser uneingeschränkten Offenheit über freie Kooperationen ein wertvolles Nachschlagewerk entstand, führte bei vielen Beobachtern zu Irritationen: Die gängigen Annahmen über die begrenzten Fähigkeiten selbstorganisierter großer Gruppen waren angesichts des Erfolgs der Wikipedia infrage gestellt. So hatten nur die wenigsten erwartet, dass die Qualität der Wikipedia-Beiträge trotz aller Mängel und vieler Ausreißer überdurchschnittlich gut ausfallen würde. Ebenso hatte kaum jemand erwartet, dass sich eine so große Zahl an Menschen an das mühsame Geschäft machen, das elektronisch vorhandene Wissen neu zu verkarten und im erheblichen Maß zu erweitern. Noch dazu formulierte die Wikipedia-Community ehrgeizige Ziele: Qualitätssicherung, Quellenkritik, klare Argumentationsmuster und Abgrenzung von Meinung und Kommentar vom enzyklopädischen Schreiben wurden zu zentralen Diskussionsgegenständen der Wikipedia-Autoren. Angesichts des Beispiels Wikipedia standen nun mit einem Mal nicht nur die gängigen zentralistischen Verfahren von Wissensgewinnung, Beurteilung und Verteilung auf dem Prüfstand, vielmehr wurden wieder sehr grundsätzliche Fragen nach alternativen Arbeitsweisen, nach Kontrolle und nach Wahrheit gestellt. Die Etablierung der Social Software »Wiki« provozierte so wie keine andere Fragen nach dem gesellschaftlichen Ganzen (vgl. Ebersbach et al. 2008). Überhaupt bedeutete die Einführung der Wiki-Technologie bereits ein mediengeschichtliches Ereignis. Im Kampf um Aufmerksamkeit und Deutungsmacht im massenmedialen Großsystem Internet hatten bis dahin die etablierten Institutionen und Unternehmen alle wichtigen Knoten- und Verteilerpunkte besetzt. Deren Position wurde unter anderem durch Wikipedia erschüttert. Mit der Wiki-Technologie an sich erweiterten sich zudem die Möglichkeiten des Mediums Internet erheblich. Noch nie war es so einfach, im Internet vom Leser zum Autor zu werden. Für viele wurde das Internet erstmals zu einem gestaltbaren Medium, zu einem 55 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 54 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 55 Lernort. Die zukünftige Entwicklung bleibt sicher abzuwarten, aber die Netzentwicklung hat durch die Wiki-Technologie eine qualitative Veränderung erfahren. Und hier gilt es gleich zu unterscheiden: Wikipedia ist nicht Wiki. Wikipedia ist ein Projekt, das mit einer bestimmten Wiki-Software betrieben wird. Allerdings wurde über Wikipedia die Wiki-Software populär. Die Möglichkeiten dieser Software werden aber erst nach und nach erkannt. Dabei verdecken die Debatten um Wikipedia, dass sehr viele Wiki-Projekte gar nicht zum Laufen kommen und dass Wikis nicht nur als Lexikon benutzt werden können sondern oder schon lange in Betrieben für normale Dokumentationen benutzt werden, ohne Grundsatzdiskussionen auszulösen. 2.2.8 Schattenseiten Die Eigenschaften von Wikis können auch erhebliche Probleme bereiten und haben auch vielfach Kritik hervorgerufen. Edit-Wars und Vandalismus. Produktiven Gruppenprozessen stehen immer auch destruktive Praktiken entgegen. Gerade bei öffentlichen Projekten wie der Wikipedia gibt es sogenannte »Vandalen«, die Texte mit Wörtern entstellen oder Passagen löschen. Bekannt geworden sind auch verschiedene Fälle von Politikern und PR-Beratern, die versuchen, einen Kandidaten oder ihr Produkt in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Eine andere Erscheinung sind die schon erwähnten Edit-Wars, also Rededuelle zweier Autoren, die dann jeweils ihre Fassung eines Textes immer wieder hochladen. »Trolls« rufen in langen, überflüssigen oder provokativen Beiträgen bewusst Flame Wars hervor. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich diese Praktiken im Verhältnis zum Gesamtprojekt in Grenzen halten. Bei Intranet-Wikis spielt Vandalismus eine zu vernachlässigende Rolle. Interesselosigkeit und mangelnde Motivation. Tatsache ist, dass viele Wiki-Projekte nicht genügend Mitarbeiter motivieren können und nicht genügend Inhalt erstellen, um einen selbst tragenden Gruppenprozess zu initiieren. Das kann viele Ursachen haben. Wichtig ist sicher, dass eine Kerngruppe das Wiki-Projekt als Teil ihrer normalen Arbeit versteht und regelmäßig Inhalte einarbeitet und administriert. Oft wird der enorme Zeitaufwand bei der Etablierung einer Community unterschätzt. Eine moderierende Begleitung ist von großer Bedeutung. Und gerade hier fehlt es nicht selten am entsprechenden Know-how, an einer Strategie oder an der Unterstützung durch einen geeigneten Träger. Ebenso schwierig ist es, wenn 56 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 56 das Wiki nicht die Lösung für eine Herausforderung darstellt, nicht »mein Thema« ist oder unter den Beteiligten ein Delegationsdenken vorherrscht. Bei letzterem erschöpfen sich alle Energien in den Diskussionen, was »man« machen müsste und meint damit, was »die anderen« machen müssten. Um die Motivation zu erhalten, sind bei dieser tendenziell textlastigen Social Software die spielerischen Elemente von großer Bedeutung. Hier gilt es vor allem, Freiräume für verschiedene kreative, humorvolle und experimentelle Aneignungsformen des Mediums zu sichern. Qualität und ewiges Beta. Immer wieder in der Diskussion ist die Qualität von Wiki-Texten. Da kein einzelner Autor, sondern ein Autorenkollektiv verantwortlich zeichnet, ist die Einschätzung der Richtigkeit der Einträge für den Leser möglicherweise schwierig. Auch die Vollständigkeit der Beiträge lässt sich nicht einfach verifizieren. Der Qualitätsprozess basiert in erster Linie auf der Aufmerksamkeit der Nutzer (vgl. Hammwöhner 2007) 9 . Hier müssen oft begleitende Maßnahmen eingeleitet werden - fachliche Begutachtung, Kennzeichnung geprüfter Artikel. In der täglichen Praxis aber auch statistisch erweisen sich die Informationen eines Wikis als nicht weniger zuverlässig als die Informationen, die von einer zentralen Redaktion zusammengestellt und verteilt werden (Giles 2005, Günderoth/ Schönert 2007). Die Nutzer eines Wikis müssen sich bewusst sein, dass ein Wiki vor allem der Erstinformation dient. Probleme kann aber auch die Willkür von Administratoren bereiten. Diese tendieren dazu, die Einträge im Wiki überzubehüten. Sei es aus Zeitmangel oder einer gewissen Schließungstendenz heraus, werden Änderungen schnell rückgängig gemacht und immer wieder voreilig als nicht adäquat zurückgewiesen. Berichte über dieses Verhalten häufen sich zurzeit in der Wikipedia, sind aber auch aus anderen Projekten bekannt. Der Unmut darüber hat sich sogar schon in einer Protestseite manifestiert: Abb. 2.7: Die Stupidedia 57 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 56 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 57 Chaos und verlorene Information. Wertvolles Wissen einfach ins Wiki zu stellen genügt nicht. Damit die gesuchten Informationen auch gefunden werden können, müssen die jeweiligen Artikel verlinkt, kategorisiert und in ein - am besten - kollaborativ erstelltes Ordnungssystem eingefügt werden. Auf diesen essentiell wichtigen Bereich der Wiki-Gärtnerei wird häufig nicht allzu viel Mühe verwendet. Möglicherweise steht dann zwar alles fein säuberlich im Wiki, doch niemand weiß, was genau an welcher Stelle abgelegt wurde. Zwang zu Neutralität und Mittelmaß. Kooperatives Arbeiten beinhaltet Kompromisse. Dadurch werden pointierte Darstellungen oder individuelle Interpretationen oft abgeschwächt. Die Stärke, viele Gesichtspunkte berücksichtigen zu müssen, kann in Open-Editing-Systemen zur Schwäche werden. Besonders gefährlich wird es, wenn aus dem Zwang zur Neutralität Sachverhalte relativiert werden. Dies kann passieren, wenn bei einem Thema wie »Holocaust« die Aussagen der Leugner gleichberechtigt neben den wissenschaftlichen Befunden stehen. Der Zwang zur Neutralität und zum Kompromiss ist allerdings beim Großprojekt Wikipedia besonders ausgeprägt. Die zentrale Position der Wikipedia ermöglicht keine Interpretationen jenseits des gesellschaftlichen Konsenses. Jeder Internetbenutzer kann auf dieses Medium zugreifen. Das ist anders bei Projekten wie Conservapedia, eine Plattform des US-amerikanischen Neokonservativismus, die sich aufgrund ihrer geringen Bedeutung eine geschlossenere Interpretationslinie erlauben kann. Für eine wissenschaftliche Bewertung muss daher die soziale Zusammensetzung der Communitys, ihre Sozialisation und Ordnungsvorstellung in Betracht gezogen werden, auch wenn diese sich neutral und unpolitisch geben. Autorenschaft und Urheberrechte. Die Aufgabe des Autorenprinzips führt zu weiteren Fragen: Wer ist bei kooperativ geschriebenen Inhalten rechtlich verantwortlich? Wem gehört der Text? Wenn jemand viel beiträgt, könnte er ein Copyright geltend machen. Um Konflikte zu vermeiden, stellen die offenen Wiki-Projekte die Texte unter eine Lizenz, die GNU Free Documentation Licence. Das bedeutet, der Text darf von jedem kopiert und für andere Zwecke benutzt werden. Voraussetzung dafür ist, den Ursprungstext über einen Link zur Verfügung zu stellen. 58 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 58 2.2.9 Ein eigenes Wiki erstellen Das Betreiben eines Wikis lohnt sich auch schon in kleinen Gruppen. So wurde z. B. dieses Buch zu großen Teilen von den drei Autoren in einem Wiki verfasst. Die Frage nach einem eigenen Wiki ist daher naheliegend. Installation auf eigenem Server oder Webspace. Wer technisch ein bisschen versiert ist, wird keine Probleme haben, ein geeignetes Wiki-System auf dem eigenen Server oder auf dem Server des Providers zu installieren. Zur Auswahl stehen eine Reihe von interessanten Open-Source-Produkten, die sich in ihren Eigenheiten jedoch sehr stark unterscheiden: Mediawiki ist die stabile, recht komfortable und leicht zu installierende Software, auf der die Wikipedia basiert. BlueSpice ist eine freie Mediawiki-Distribution, die Wert auf Benutzerfreundlichkeit legt und für den Einsatz in Unternehmen spezialisiert ist. DokuWiki. Diese Software ist für die Dokumentation von Projekten bewusst einfach und übersichtlich gestaltet. TWiki ist das wohl älteste Wiki für den Unternehmenseinsatz. Es besteht aus der Programmiersprache Perl und bietet daher viele Schnittstellen für Tüftler. Im Jahr 2008 spaltete sich ein Großteil der TWiki-Entwickler-Community ab und entwickelt ihre Version als Foswiki weiter Confluence ist ein an sich kostenpflichtiges Wiki mit Herz für Open-Source- Communities. Es ist im Unternehmensumfeld weit verbreitet und zeichnet sich unter anderem durch die Abgrenzung von Artikeln in verschiedene Bereiche (»Spaces«) aus. Wer Entscheidungshilfe bei der Suche nach der geeigneten Software braucht, bekommt bei WikiMatrix eine erste Vergleichsübersicht. Gehostete Lösungen. Ganz ohne die Tücken der Installation und Pflege des Wikis funktioniert das Wiki-Hosting. Mit wenigen Klicks kann hier das eigene Wiki bestellt und meistens in wenigen Minuten in Betrieb genommen werden. Einige Wikis können gratis geordert werden, für besondere zusätzliche Funktionalitäten fällt jedoch oft eine monatliche Gebühr an. So erlaubt z. B. Wikia das kostenlose Hosting von Wikis. Das von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales gegründete Unternehmen finanziert sich über Werbung. 59 2.2 Wikis www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 58 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 59 Nutzung einer Wiki-Extension. Die Wiki-Software wird sich nicht nur als Einzelsystem durchsetzen, sondern auch in Kombination mit anderen bereits bekannten Anwendungen. Die Verknüpfung von Wikis mit anderer Software ist schon deshalb sinnvoll, weil viele Anforderungen von einem Wiki allein nicht bewerkstelligt werden können. Daher gibt es mittlerweile Wiki-Extensions für die Integration von Wikis in Content-Management-Systemen wie Joomla! oder Drupal. Wikis werden auch kombiniert mit Blogs. Oder sie sind Teil einer Groupware mit Adressverwaltung und Kalender. Übungsfragen 1. Wikipedia als Beispiel: - Suchen Sie auf www.wikipedia.de nach dem Artikel »Sacco und Vanzetti«. - Gehen Sie auf die Diskussionsseite zum Artikel. Was stellen Sie fest? - Klicken Sie auf »Letzte Änderungen« und rufen Sie einen neu bearbeiteten Artikel auf. - Suchen Sie die Auflistung der verschiedenen Versionen des Beitrags. Was wurde verändert? 2. Welche weiteren Anwendungsgebiete für ein Wiki fallen Ihnen ein? 3. Was könnten im Wiki Maßnahmen zur Qualitätssicherung sein? 4. Was unterscheidet das Wiki von einem klassischen Content-Management-System? 5. Welche Use Cases könnten für das Semantic Wiki prädestiniert sein? Literatur Lih, Andrew (2009): The Wikipedia Revolution: How a Bunch of Nobodies Created the World’s Greatest Encyclopedia. Hyperion, New York. Dieses sehr flüssig zu lesende Buch veranschaulicht die Entwicklung der Wikipedia anhand vieler kleiner Anekdoten. Sozusagen ein Blick hinter die Kulissen. Mayer Florian Leander (2013): Erfolgsfaktoren von Social Media: Wie »funktionieren« Wikis? Eine vergleichende Analyse kollaborativer Kommunikationssysteme im Internet, in Organisationen und in Gruppen. Reihe: Studien zur Organisationskommunikation, Band 4. LIT-Verlag, Berlin/ Münster. Eine kommunikationswissenschaftliche Doktorarbeit, die wichtige Rahmenbedingungen für die Einführung von Wikis innerhalb von Organisationen beleuchtet. 60 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 60 Pflaum, Wätzold (2012): Die Wiki-Revolution: Absturz und Neustart der westlichen Demokratie. Rotbuch, Berlin. Ein Blick über den Tellerrand: Ausgehend vom Wiki-Gedanken überträgt der Autor die Wiki-Prinzipien auf andere Bereiche der Gesellschaft. Pscheida, Daniela (2013): Das Wikipedia-Universum: Wie das Internet unsere Wissenskultur verändert. Transcript, Bielefeld. Eine ausgiebige 500 Seiten starke Doktorarbeit über die Auswirkungen von Internet-Plattformen wie die Wikipedia auf die Wissenskultur. 2.3 Blogs Weblogs (kurz: Blogs) sind auf WWW-Seiten geführte öffentliche Tagebücher. Daher kommt auch ihr Name: Log (Tagebuch, Fahrtenbuch, Protokoll) im WWW (Web). Inhaltlich ergreifen darin Autorinnen und Autoren das Wort, die mit kurzen Texten auf Inhalte im Netz verweisen oder persönliche Erfahrungen verarbeiten. Man könnte sagen, Weblogs sind autobiografische Dokumentationen in chronologischer Form. Die Erzählsituation ist meist die eines Ich-Erzählers. Damit greift das Weblog auf literarische Genres, wie z. B. auf die politischen Pamphlete des 18. Jahrhunderts oder den in Tagebuchform geschriebenen Roman, zurück. Wie ihre Vorläufer sind sie immer bewusst subjektiv gehalten, kommentierend, vorläufig und mit tagesaktuellen Bezügen. Weblogs übertragen aber ihre literarischen Vorläufer nicht einfach in ein digitales Massenmedium. So werden gerne multimediale Elemente wie Videos, Tonaufnahmen oder Bilder eingebunden. Vor allem ändert sich aber dank der technischen Möglichkeiten von Content-Management-Systemen die chronologische Reihenfolge: Der aktuelle Eintrag steht ganz oben. Das hat nicht nur den Effekt, dass die Leser sofort die neuesten Einträge sehen können. Die veränderte Erzählrichtung führt auch zur Abwertung älterer Beiträge. Ein Vergleich mit der bürgerlichen privaten Tagebuchkultur liegt nahe und greift insoweit, als Weblogs selbstreflexive Prozesse unterstützen können. Allerdings richtet sich das laute Nachdenken im WWW, anders als bei Tagebüchern, die wirklich nur mit Blick auf die private Verwendung geschrieben werden, sofort an ein potenzielles Massenpublikum. Auch die Erschließung anderer Weblogs, etwa über Trackback- und Pingbacksysteme, und die Vernetzung zu einer »Blogosphäre« ist eine grundlegende Neuerung. 61 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 60 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 61 Softwaretechnisch ist ein Weblog eine Anwendung im Internet, die eine Liste mit Artikeln ausgibt. Die Beiträge sind über URLs einzeln adressierbar und bieten in der Regel die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Bloggen gehört heute in den USA, in Frankreich und Großbritannien schon fast zum Alltag. Hierzulande war es bis vor kurzem noch ein Randgruppenhobby. Dabei entwickeln sich Blogs zu einem alternativen Informations- und Unterhaltungssystem. Die Blogsuchmaschine Technorati erfasste im Januar 2008 schon 112 Millionen Blogs und entschied 2009 auf Grund des großen Wachstums nur noch englischsprachige Blogs zu erfassen. Leider existieren keine exakten Informationen darüber, wie viele Weblogs und Corporate Blogs derzeit aktiv sind. Merkmale: • Chronologisch umgekehrte Reihenfolge, • ein Autor bzw. wenige Autoren und viele Kommentatoren (Schreiben können in einem Blog meistens nur berechtigte Personen, wohingegen die Kommentarfunktion allen Besuchern offen steht), • kurze Texte (Weblogs sind ein geeignetes Genre für kürzere Texte), • hohe Aktualität der Beiträge, Abb. 2.8: Durch die Vernetzung mehrerer Blogs entsteht die Dynamik der Blogosphäre. 62 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 62 • Authentizität durch Subjektivität (Weblogs belegen nicht nur über Verweise auf die Quellen, sondern berufen sich auch auf die Autorität der persönlichen Erfahrung), • leichte Bedienbarkeit und • schnelle Verbreitung durch Vernetzung. 2.3.1 Geschichte Die Frühformen der Blogs. Das Auftreten des ersten Blogs ist schwer bestimmbar. Höchstwahrscheinlich muss man Anfang der 1990er-Jahre als Beginn ansetzen. Die Urblogs waren einfache, manuell codierte Webseiten, die von ihren Betreibern regelmäßig aktualisiert wurden (das heißt, es gab noch keine eigene Blogsoftware) und Links zu anderen interessanten Homepages enthielten. Damit fungierten sie als interessenspezifische Filter für die beginnende Informationsflut. Die Erfinder der Begriffe Weblogs und Blogs. Der Begriff Weblog wird erstmalig von Jørn Bager 1997 gebraucht. Der Programmierer und Philosoph ist Betreiber des Weblogs Robot Wisdom. Er bezeichnet damit eine »Webpage where a Weblogger ›logs‹ all the other Webpages she finds interesting«. Die erste Definition bezeichnet also einen sogenannten Linking Blog (siehe unten); für eine andere Aussprache »we_blog« plädierte Peter Merholz in seinem Blog. Damit war die Kurzform »Blog« geboren und zudem eine Unterscheidung zu den nach wie vor existierenden Weblogs als Logeinträge getroffen. Blogpioniere. Mitte der 1990er-Jahre kamen die ersten tagebuch- oder journalartigen Weblogs auf. Pioniere des Bloggens, von denen einige heute noch existieren: • Dave Winer (scripting.com) • Steve Bogart (nowthis.com) • Cameron Barret (camworld.org) Abgrenzung von anderen Communitys und erste Blogsoftware. 1999 wird zu einem wichtigen Datum für die Webloghistorie: Zum einen veröffentlichte der Blogger Barrett den Artikel »Anatomy of a Weblog« (Barett 1999) 10 , in dem er versuchte, den Blog als eigene Form zu definieren und damit von anderen Communitys, z. B. von Diskussionsformen, abzugrenzen. Zum anderen wurde in diesem Jahr die ersten sogenannten Weblog-Publishing-Systeme - eine Art Mini- CMS - wie Blogger, Pitas und Manila veröffentlicht, die den Betrieb eines Blogs stark automatisierten und damit ein besonders einfaches Publizieren von Einträgen 63 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 62 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 63 ermöglichten. Ab nun waren keinerlei HTML-Kenntnisse mehr nötig: Ein Internetzugang und ein Webbrowser genügten. Dass sowohl die Software als auch das Hosting von Blogs in den meisten Fällen kostenlos war, machte die Plattform besonders attraktiv. Explosionsartige Verbreitung. Durch die technischen Möglichkeiten explodierte die Anzahl von Blogs. Waren es im Frühjahr 1999 noch genau 23, so verzeichnete Eatonweb, ein Metablog der Blogs sammelte, nun täglich neue Blogs. Ebenso kamen neue Softwarelösungen und Hoster dazu. In dieser Zeit etablierte sich auch die Kommentarfunktion. Waren es zuvor mehr Linksammlungen, wurden Blogs nun verstärkt als »Onlinetagebücher« genutzt, eine Verwendung, die als die Hauptnutzung der Blogs im Gedächtnis der Medien hängen blieb - obwohl Tagebücher gerade nicht öffentlicher, sondern privater Natur sind. Journalismus und politische Meinungsbildung. Ein weiterer Sprung im Wachstum der Weblog-Community trat in der Folge des Anschlags vom 11. September 2001 ein. Schlagartig wuchs die Community um ein Vielfaches. Tausende von Bloggern berichteten, kommentierten und lieferten Hintergrundinformationen. Das Genre des Warblogs war geboren, das sich in den folgenden Jahren besonders während und nach Katastrophen wie dem Tsunami im Dezember 2006 oder dem Irakkrieg 2003 weiterentwickelte. Die etablierten Medien konnten mit der Geschwindigkeit und der Authentizität der bloggenden Augenzeugen nicht Schritt halten und nutzten sie zum Teil selbst als Quellen. Auch die Politik entdeckte die Blogs als PR-Mittel: Im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2004 verhalfen sie dem Demokraten Howard Dean zu großer Popularität und Spendengeldern in Millionenhöhe. Mittlerweile besitzt jeder US-amerikanische Politiker ein Abb. 2.9: Der allererste Blogeintrag auf Camworld 64 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 64 eigenes Weblog. Im Präsidentschaftswahlkampf von Barak Obama 2008 und während der iranischen Protestbewegung 2009 wurde schließlich der Online-Dienst Twitter weltbekannt und etablierte ein neues Format: das Microblogging. Corporate Blogging. Natürlich hielten Blogs auch in das Businessumfeld Einzug. Corporate Blogs dienen dabei in erster Linie dem Marketing und der PR nach innen und außen. Sie können aber auch für ein kollektives Newspublishing verwendet werden und somit die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander oder mit den Kunden erweitern. Ähnlich einem Wiki bedürfen Blogs als wirkliche Medien »von unten« einer entsprechenden Firmenkultur. Mit der entsprechenden Unterstützung der Unternehmensleitung können sie diese aber auch fördern. Zum Corporate Blogging gehören auch Versuche einzelner Firmen populäre Blogs einfach aufzukaufen. 2.3.2 Einteilungskriterien Es gibt so viele unterschiedliche Blogs, dass ein einziges Einteilungskriterium dieser Vielzahl nicht gerecht werden würde. Daher möchten wir eine ausführliche Kategorisierung aus einem Wikipedia-Artikel zum Thema Blog aufgreifen und diese ein wenig ergänzen (Wikipedia 2007e) 11 . Diese Einteilung war in der Diskussion des Artikels hochumstritten. Auch die folgende Kategorisierung umfasst nicht die gesamte Vielfalt der Weblogs und hat ihre Schwächen, aber wir stellen sie gern zur Diskussion: Nach Inhalten: • »Tagebücher« sind sehr persönlich gehaltene Blogs (oft mit einem Passwort geschützt). • Zeitungsblogs werden von Printmedien betrieben. • Watchblogs hinterfragen kritisch, was auf anderen Webseiten oder in anderen Medien kommuniziert wird. • Warblogs berichten aus Krisengebieten. • Eventblogs verfolgen ein bestimmtes Ereignis, z. B. eine Bundestagswahl. • Hobbyblogs beschäftigen sich mit einem Hobby, z. B. Stricken. • Infoblogs informieren themenspezifisch. • Scienceblogs informieren in den jeweiligen Fachbereichen über wissenschaftliche Studien und neue Erkenntnisse, berichten über Fachtagungen usw. 65 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 64 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 65 Nach den eingestellten Medien: • Textblogs sind meist für Nachrichten oder Newsportale im Einsatz. Es werden täglich die neuesten Nachrichten über ein spezielles Thema publiziert. • Filter und Linksammlungen gelten als die ursprünglichste Form des Weblogs. • Fotoblogs werden häufig im privaten Bereich für ganze Fotoserien verwendet. Einsatz aber auch im kommerziellen Bereich. • Videoblogs: Videofilme, die in verschiedenen Abständen aktualisiert werden. • Audioblogs werden in der Regel mit kurzen Audiobeiträgen befüllt. Die Grenzen zum Podcast sind fließend. Nach dem Betreiber: • Corporate Blogs werden innerhalb von Unternehmen genutzt. • Edublogs dienen z. B. in Schulen als Lerntagebücher. • Private Blogs konzentrieren sich sehr stark auf die Meinungen und Ansichten einer Person, die häufig ein Pseudonym angenommen hat. Nach dem genutzten Gerät: • Moblogs werden von einem mobilen Telekommunikationsgerät aus, wie z. B. einem PDA oder einem Handy, betrieben. Suchmaschinen und Metablogs: • Sie durchsuchen Weblogs nach eingegebenen Suchbegriffen und zeigen zum Teil die neuesten Einträge angemeldeter Blogs auf ihrer Startseite an (Twingly, Technorati, Icerocket usw.). 2.3.3 Beliebte Blogs Die Freiheit, im eigenen Blog publizieren zu können, bedeutet noch nicht, dass dieser auch von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Aus den verschiedensten Gründen genießen einige Weblogs mehr Aufmerksamkeit als andere. Hier ist eine Auswahl der beliebtesten deutschen Blogs: Bildblog. Ist nicht eine Onlineversion der Bild-Zeitung. Ganz im Gegenteil: Hier werden die Irrtümer und Peinlichkeiten dieser beliebten Tageszeitung zusammengetragen. Seit kurzen versteht sich Bildblog auch als Watchblog für andere (Print-) Medien. Huffington Post. Hierbei handelt es sich um eine Online-Zeitung, die verschiedene Autorenmodelle miteinander kombiniert. So gibt es eine Anzahl selbst verfasster 66 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 66 Artikel, aber auch Verlinkungen zu anderen Nachrichtenquellen sowie Inhalte von freien Journalisten und Bloggern, die diese zum großen Teil ohne Bezahlung zur Verfügung stellen. Urlaubsguru. Ein sogenannter »Schnäppchenblog«. Die Anbieter filtern günstige Flüge, Hotels oder Reisen aus dem Web und bieten sie in ihrem Blog an. Der Postillion. Ein Autorenteam veröffentlicht täglich satirische Beiträge im Format und Stil von Nachrichtenagenturmeldungen und »seriösen« Zeitungsartikeln. Netzpolitik. Nach eigenen Angaben ein »Blog und eine politische Plattform für Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter«. Nimmt kritisch Stellung zu allen Fragestellungen der digitalen Welt und wurde dafür bereits mit angesehenen Preisen z. B. von »Reportern ohne Grenzen« bedacht. Fefes Blog. Das meinungsstarke Weblog des deutschen IT-Sicherheitsexperten Felix »Fefe« von Leitner. Von Leitner kommentiert dort Tagespolitik aber auch Software-Sicherheitsprobleme. Fefes Blog hat in der IT-Techniker-Szene einen gewissen Kult-Status. Für weitere interessante deutsche Blogs gibt es eine Art Hitliste der beliebtesten Weblogs: deutscheblogcharts.de. 2.3.4 Funktionsweise Kommen wir zur praktischen Arbeit mit einem Weblog. Wie oben schon erwähnt, haben gerade die geringen Einstiegshürden zu Aufstieg dieser Technologie beigetragen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der einfachen Bedienbarkeit: Ein Blogger öffnet im Browser seinen Blog und meldet sich an. Er kann seinen Beitrag nun in einem Formular eingeben und abspeichern. Gleichzeitig werden damit mehrere »unsichtbare« Aktionen angestoßen: • Das Weblogsystem erstellt eine dauerhafte Website, die von nun an entweder in der Liste der aktuellen Artikel oder im Archiv zu finden ist. • Der Blog erstellt von dem neuen Eintrag einen RSS-Feed, der von Newsreadern oder anderen Programmen abgeholt werden kann. • Es wird ein Ping an einen oder mehrere Ping-Server gesendet, die die Meldung, dass eine Aktualisierung stattgefunden hat, z. B. an Suchmaschinen weitergibt. Diese wiederum indizieren die neuen Beiträge des Blogs und können damit sehr schnell auf die aktuelle Information verweisen. 67 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 66 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 67 Auf dem Weblog selbst kann der Artikel sofort nach der Speicherung gelesen und von den anderen Usern kommentiert werden. Wenn der Autor nachträglich etwas an seinem Beitrag ändern möchte, werden die entfernten Passagen aus Gründen der Nachvollziehbarkeit durchgestrichen. 2.3.5 Komponenten eines Blogs Ein Blogbetreiber kann aus einer Vielzahl von verschiedenen Blog-Softwaresystemen auswählen. Diese unterscheiden sich bezüglich ihres grundlegenden Look&- Feels und ihren Funktionalitäten (s. u.). Die folgenden technischen Elemente sind jedoch für alle Weblogs mehr oder weniger typisch. Einträge. Die Einträge (auch Postings, kurz Posts genannt) sind die Hauptbestandteile aller Weblogs. Sie werden über einen Editor, also ein kleines integriertes Textverarbeitungsprogramm erstellt, abgespeichert und in umgekehrt chronologischer Reihenfolge angezeigt. Beim Veröffentlichen versieht die Software den Artikel automatisch mit einer Datierung. Ältere Beiträge werden zum Teil auf weiteren Seiten angezeigt oder in Archiven aufgelistet. Permanentlinks/ Permalinks. Jeder Eintrag, bei manchen Weblogsystemen auch jeder Kommentar besitzt eine eindeutige und sich nicht verändernde Adresse (URL). So können andere Nutzer direkt einzelne Texte anstatt des gesamten Weblogs verlinken. Diese Permanentlinks werden dann genutzt, wenn man einen einzelnen Artikel aus einem RSS-Feed heraus aufruft. Der Permalink erscheint entweder unter oder über dem Text und ist fest mit dem Beitrag verknüpft, das heißt, er bleibt auch nach einer Textveränderung oder der Archivierung bestehen. Lediglich mit der Löschung des Artikels verschwindet er. Archiv. Damit die älteren Beiträge auch weiterhin gefunden werden können, werden sie im Archiv verstaut, das häufig chronologisch nach Jahreszahlen und Monaten geordnet im Menü angezeigt wird. Kommentare. Bei vielen Weblogs ist es möglich, eine eigene Meinung zu einem Eintrag zu veröffentlichen. Ein solcher Kommentar wird dann auf der gleichen Seite wie der Eintrag selbst oder als Pop-up angezeigt. Die Eingabe des Kommentars erfolgt über ein Formular am Ende eines Weblogeintrags und muss häufig obligatorisch durch weitere Angaben, wie z. B. Name oder E-Mail-Adresse des Kommentators, ergänzt werden. Die Kommentare sind fest mit dem ursprüngli- 68 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 68 chen Beitrag verbunden und entwickeln oft eine Eigendynamik, die vom Betreiber des Blogs beobachtet werden sollte. Allzu häufig entstehen heftige Diskussionen, die den guten Geschmack überschreiten und zur Not gelöscht werden müssen. Trackback/ Pingback. Trackback ist eine Funktion, die Reaktionen auf einen Eintrag anzeigt, die nicht im eigenen Blog selbst sichtbar sind, wenn der Artikel auf einer anderen Website kommentiert wird. So wird z. B. vermerkt, wenn in einem anderen Blog auf einen Beitrag des eigenen Blogs Bezug genommen wird, indem dieser verlinkt wurde. Dies setzt voraus, dass die genutzte Weblogsoftware mit einer automatischen Trackback-Erkennung ausgestattet ist. Die Trackback-Meldungen werden meistens am Ende eines Eintrags angezeigt und beinhalten den Namens des verlinkenden Blogs, seine URL und einen Auszug des Bezug nehmenden Textes. Ping. Ein Ping ist ein Sendesignal, das dazu dient, festzustellen, ob eine IP (Internetadresse in Zahlenform) aktiv im Netz erreichbar ist. Die Senderadresse eines Pings wird dabei mitgeliefert. Weblogs liefern meist mehr als nur Ping mit ihrer Adresse, es werden auch Titel, URL (Adresszeile im Browsereingabefeld) und einen Textauszug aus dem Beitrag ausgeliefert. Dadurch werden neue Beiträge in Blogsuchmaschinen und Katalogen publik gemacht. Tagging. Dies ist eine sehr freie Möglichkeit, die Beiträge zu ordnen. Dem jeweiligen Artikel werden einfach Stichworte zugewiesen. Aus diesen Stichworten werden Übersichten innerhalb des Weblogs, z. B. in Form von Tag Clouds, gebildet. (siehe Kapitel 2.7.1) Kategorien. Neben der freien Vergabe von Schlagwörtern können die jeweiligen Artikel bereits vorgegebenen Kategorien zugeordnet werden. Die Kategorien tauchen dann meistens in einer der Menüleisten auf und können von den Usern ausgewählt werden. Feed. Ein Feed enthält die Inhalte eines Weblogs in vereinheitlichter Form. Ein Feed kann mittels Feedreader von einem interessierten Leser abonniert werden. Mit dem Feedreader kann der Leser erkennen, dass es im abonnierten Weblog neue Beiträge gibt. Diese Beiträge können auch im Feedreader gelesen werden. Es gibt verschiedene Feeddienste; der Bekannteste ist Feedburner und gehört inzwischen zu Google. Blogroll. Eine Blogroll ist ein mittlerweile sehr weit verbreitetes Blogfeature. Es handelt sich dabei um eine für den Leser öffentliche Linksammlung, die auf andere 69 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 68 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 69 Abb. 2.10: Eine typische Weblogstartseite auf der Basis von Wordpress 70 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 70 vom Blogbetreiber häufig besuchte Blogs verweist. Diese Linkliste ist auf dem Weblog - meistens am Rand - sichtbar platziert und hat gleich mehrere Funktionen: Sie gibt dem Leser Empfehlungen für andere Websites, die ihn interessieren könnten, lässt Rückschlüsse über die Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit des Bloggers zu und erlaubt dem Blogger einen schnellen Zugriff auf seine Favoriten. Außer der manuellen Pflege einer Linkliste gibt es einige Onlinedienste für Weblogbetreiber, die das Führen und Verwalten der Blogrolls vereinfachen und ihr Einbinden in die Weblogs ermöglichen. 2.3.6 »Wie ich blogge! ? « Zur Thematik der Weblogs hat die Umfrage »Wie ich blogge? ! « von Jan Schmidt von der Forschungsstelle »Neue Kommunikationsmedien« (FONK) der Universität Bamberg interessante empirische Ergebnisse für die deutsche Blogosphäre erbracht. An der Umfrage, die unter Weblogautoren und -lesern im Oktober 2005 durchgeführt wurde, nahmen 5246 Personen teil. Da die Erhebungseinheit durch Selbstrekrutierung der Teilnehmer zustande kam, erheben die Autoren keinen Anspruch auf Repräsentativität. Obwohl die Studie nun bereits über zehn Jahre alt ist, zeigen kleinere Untersuchungen (wie z. B. die Bloggerumfrage 2015 »So bloggt Deutschland« (Rankseller 2015)), dass sich die Ergebnisse nicht großartig verändert haben. Für den Blog »politik-digital« fasste Jan Schmidt die Erkenntnisse der Studie kurz zusammen (Schmidt 2006b) 12 : Fast ausgeglichenes Geschlechterverhältnis unter Bloggern. 84 Prozent der Befragten waren aktive Blogger, 3 Prozent ehemalige Weblogautoren sowie 13 Prozent, die Weblogs lediglich lasen. Die meisten Blogger betrieben ihr Weblog zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht länger als ein halbes Jahr. Das soziodemografische Profil der Weblogautoren entspricht in etwa dem typischen Nutzer neuer Internettechnologien: Sie sind zwischen 0 und 30 Jahren alt, haben eine hohen Bildungsstand und befinden sich oft noch in der Ausbildung. Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist jedoch das vergleichsweise ausgeglichene Geschlechterverhältnis von etwa 54 Prozent Männern zu 46 Prozent Frauen. Im Teenager-Alter sind die weiblichen Blogger gegenüber den Männern sogar mit 66 zu 34 Prozent deutlich in der Überzahl. Als Motivation für das Bloggen wurden hauptsächlich Spaß, Freude am Schreiben, aber auch das Festhalten von Ideen und Erlebnissen für sich selbst genannt. Diese Gründe tauchten bei mehr als 60 Prozent aller 71 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 70 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 71 Befragten auf. Etwa die Hälfte führte als Beweggrund allerdings explizit an, mit anderen kommunizieren zu wollen. Formen und Inhalte. Durch die individuelle Gestaltung des eigenen Weblogs und die Auswahl von Themen zur Veröffentlichung drückt sich die Persönlichkeit des Bloggers aus. Die Mehrheit der Weblogautoren schreibt über Episoden und Erlebnisse aus ihrem Privatleben (75 Prozent) bzw. zu Themen wie Arbeitswelt, Schule und Studium (58 Prozent). Oft werden die eigenen Bilder und Fotos (64 Prozent) oder Verweise auf »Fundstücke« im Internet (58 Prozent) eingefügt. Etwa 40 Prozent äußern auch Meinungen zu politischen, beruflichen und ausbildungsbezogenen Themen. Neuere multimediale Formate wie Filmdateien (5 Prozent) oder Podcasts (3 Prozent) werden bislang jedoch nur von einer Minderheit der Blogger eingesetzt. Etwa drei Viertel der Befragten aktualisieren zumindest mehrmals die Woche ihren Weblog, elf Prozent veröffentlichen sogar mehrmals am Tag neue Beiträge. Die persönliche Authentizität drücken 70 Prozent der Blogger durch Hinweise auf ihre wirkliche Identität aus. Nur 30 Prozent bloggen anonym oder unter einem Pseudonym. Weblogs als Werkzeug des Informationsmanagements. Über die Lektüre von Weblogs gelangt man an Informationen, die in dieser Form nicht in anderen Medien verfügbar sind (59 Prozent aller Befragten geben an, dass dies einer der Aspekte ist, die sie von Weblogs erwarten). Diese Leistung wird durch zwei Merkmale weblogbasierter Kommunikation unterstützt: Einerseits können durch die hochgradig vernetzte Struktur der Blogosphäre bestimmte Nachrichten und Themen an Aufmerksamkeit gewinnen, die sich quasi epidemisch verbreiten. Andererseits sind sie als Ausdruck von interpersonaler Kommunikation zu verstehen und helfen dem Einzelnen, über Ereignisse und Meinungen aus dem eigenen sozialen Netzwerk auf dem Laufenden zu bleiben. Die Informationsfilterung geschieht dabei augenscheinlich in eher kleinen Zirkeln: Nur 20 Prozent geben an, mehr als 20 Weblogs regelmäßig zu verfolgen, während 40 Prozent fünf Weblogs oder weniger lesen. Weblogs stärken soziale Beziehungen. Über Verweise auf andere Quellen, durch Kommentare zu Beiträgen und durch die Blogrolls setzen Weblogautoren nicht nur hypertextuelle Links, sondern knüpfen und bestärken auch soziale Beziehungen unterschiedlicher Intensität. Je länger ein Weblog geführt wird, desto umfangreicher sind in der Regel auch diese sozialen Netzwerke: Autoren, deren Weblog älter als ein halbes Jahr ist, erhalten z. B. verhältnismäßig öfter und mehr Kommentare auf ihre Beiträge. Sie haben auch mehr Weblogs in ihrer Blogroll, die vor allem Ausdruck der eigenen regelmäßigen Lektüre (85 Prozent) oder freundschaftlicher 72 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 72 Beziehungen (60 Prozent) zu den verlinkten Autoren ist. Erschwert wird das Knüpfen von sozialen Beziehungen dadurch, dass Leser eines Weblogs zunächst für den Autoren nicht oder nur sehr eingeschränkt sichtbar sind, solange sie »Lurker« bleiben und keine Kommentare hinterlassen. 41 Prozent der Befragten können dementsprechend nicht einschätzen, wie viele und welche Personen ihren Weblog lesen. Eine Strategie, um zumindest einen ungefähren Eindruck vom Leserkreis zu bekommen, ist die Analyse der eigenen Server Log Files oder von Zugriffsstatistiken - das machen 66 Prozent der befragten Blogger zumindest gelegentlich. 2.3.7 Die Blogosphäre Die Blogosphäre bezeichnet die Masse aller Weblogs und ihrer Verbindungen. Von einer einzigen Blogosphäre zu sprechen, ist eigentlich nicht richtig, vielmehr gibt es viele Communitys, die locker untereinander vernetzt sind. Gerade diese Struktur ist der Grund dafür, dass sich Informationen bisweilen schnell verbreiten. Technische und soziale Vernetzung. Die Blogtools kommunizieren automatisch mit zentralen Diensten. Jede gängige Blogsoftware benachrichtigt die Verzeichnisse von Weblogs.com oder Blo.gs, die somit stets über Listen frisch aktualisierter Weblogs verfügen. Diese Aufstellungen dienen wiederum Blogsuchmaschinen wie Twingly oder Icerocket als Anstoß für eine inhaltliche Indizierung. Anders als bei herkömmlichen Websuchdiensten wie Google oder Yahoo dauert es somit nur noch Minuten, bis ein neuer Beitrag erfasst wird. Ein wichtiger Faktor ist die Vernetzung der Blogs untereinander: Trackbacks linken auf andere Blogs, die sich thematisch auf den aktuellen Eintrag beziehen. Somit weiß der Blogautor, wenn sein Beitrag von anderen Blogs aufgegriffen wurde. Der Leser kann aber auch einfach die Kommentarfunktion auf dem jeweiligen Blog selbst nutzen. Abgerundet wird der Funktionsumfang durch RSS. Damit lassen sich Inhalte von Blogs und Newsportalen bequem in den eigenen Newsreader transferieren. In der Blogosphäre werden zudem diverse Aktionen durchgeführt, die u. a. dem Informationsaustausch dienen. Auch der Bekanntheitsgrad eines Blogs kann mit solchen Veranstaltungen gesteigert werden. Bekannte Blogaktionen sind: • Stöckchen werfen. Es handelt sich dabei in der Regel um einen Fragebogen zu einem Thema. Irgendjemand fängt damit an, entwickelt den Fragebogen und beantwortet ihn auf seinem Blog. Dann »wirft« er das Stöckchen ein paar anderen Leuten zu, indem er ein Link auf sie setzt und sie dazu auffordert, den Fragebogen ebenfalls zu beantworten. 73 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 72 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 73 • Blogparade. Ein Blogger gibt ein bestimmtes Thema vor und verschiedene Blogautoren verfassen Artikel dazu, die dann im »veranstaltenden« Blog zusammengetragen werden. Bei manchen Blogparaden findet eine Prämierung des besten Artikels statt. Unter Seiten wie blog-paraden.blogspot.de/ werden diese Veranstaltungen angekündigt. • Blogtouren. Bei einer Blogtour ist ein Blogger zu einem Thema zu Gast bei anderen Bloggern. Er reist sozusagen von Blog zu Blog, schreibt dort Artikel oder wird von den anderen Bloggern interviewt. Zusammengenommen entsteht aus diesen technischen und sozialen Komponenten ein einzigartiges dynamisches Informationsgeflecht, welches die Lücke zwischen Kommunikation und Publikation füllt (vgl. Sixtus 2005) 13 . Aufmerksamkeitsökonomie. Ein vollständiger Überblick über alle Blogs ist kaum möglich. Jeder User hat einige bestimmte Blogs, bei denen er sich regelmäßig informiert und gegebenenfalls »mitarbeitet«. Das Interesse an den Blogs verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig über die Blogosphäre, sondern konzentriert sich im Wesentlichen auf einige Weblogs, deren Autoren A-Blogger oder A-Lister genannt werden. Diese haben mehr als tausend Besucher pro Tag und übernehmen für ihre Leser und viele andere Blogger eine Art Orientierungsfunktion. Entgegen der Graswurzelidee des Bloggens haben sich somit neue Strukturen der Meinungsmacher herausgebildet. Steht eine Meldung einmal in einem der sogenannten A-List-Blogs, wird sie von Hunderttausenden gelesen − darunter sind oft genug Journalisten, die das Thema schließlich in ihre Medien tragen. Die Herausbildung von A-Bloggern, überwiegend Männer, ist ein spannendes Phänomen. Etablieren sich damit neue Gatekeeper, die maßgeblich entscheiden können, ob eine Meldung zum Thema der Blogosphäre wird? Und was lenkt das Interesse so vieler Leser auf spezielle Blogs? Die Popularität eines Blogs hängt zum einen an der Persönlichkeit des Bloggers. Von ihm wollen die Leser nicht nur Neues erfahren, wichtig ist auch sein intellektueller Zugriff, die Formulierungskunst und Ausdrucksweise, mit der ein Thema präsentiert wird. Das kann eine pointierte und witzige Darstellungsform sein. Die Ästhetik des Blogs hinsichtlich des Layouts spielt eine Rolle. Oder der Blog regt mit der Herstellung ungewöhnlicher Bezüge zum Nachdenken an. Der Blog entwickelt also einen unverkennbaren Charakter, der die Leserschaft anspricht. Weiter hängt die Popularität von den diskutierten Themen ab. Diese müssen in den aktuellen soziokulturellen Kontext passen und die Interessen der Leser treffen. Eventblogs, beispielsweise zu einer Bundestagswahl, genießen grundsätzlich nur eine kurzzeitige Aufmerksamkeit. Aber auch die Bedeutung anderer Weblogs ist 74 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 74 schon deshalb einem ständigen Wandel ausgesetzt, weil der Klärungsbedarf zu bestimmten Themen bei den Lesern zeitlich begrenzt ist. Hat man ein Thema durchdrungen, wendet man sich anderen zu. Weil Weblogs auch stark unterhaltende Funktion haben, kann es vorkommen, dass sich der Stil eines Bloggers abgreift und die Leser zu anderen Autoren wandern. Nachhaltige Aufmerksamkeit erfahren dadurch nur wenige Blogger, die sich auch selbst weiterentwickeln. Man kennt derartige Prozesse generell aus der Unterhaltungsbranche. Auch hier gibt es Kabarettisten und Entertainer, die nur kurzzeitig großen Zuspruch erfahren. Weblogs müssen, wenn sie langfristig populär bleiben wollen, schon kontinuierlich relevante Informationen über das soziale und kulturelle Umfeld der Leserschaft bereithalten, der Selbstvergewisserung oder Selbstorganisation dienen. Insofern bleibt es abzuwarten, ob die A-Blogger von heute ihre Gatekeeper-Position behaupten können oder einfach durch neue ersetzt werden. 2.3.8 Zwischen Tagebuch und Graswurzel-Journalismus Weblogs erlebten um 2004 einen Höhepunkt in der Aufmerksamkeit. Seither werden ihre Funktion und die Verlässlichkeit ihrer Informationen im Vergleich zu den etablierten Medien diskutiert. Dabei tritt in den Hintergrund, dass ein großer Teil der Blogs privaten Charakter hat. So findet man Liebesbriefe, die Berichte eines Pizza-Lieferanten und Kritik am Fernsehprogramm, Private Blogs scheinen von ganz banalen bis hin zu intellektuellen Inhalten alles abzudecken. Sie thematisieren damit, was andernorts − vielleicht sogar mit gutem Grund − nicht publiziert wird, weil es keinen Nachrichtenwert besitzt. Umgekehrt findet man aber auch in den traditionellen Medien jede Menge belanglose Klatsch- und Personality-Geschichten, hier allerdings eher über berühmte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Doch zurück zur Diskussion über die Rolle von Weblogs als Orte einer qualifizierten Gegenöffentlichkeit. Diese entzündete sich genau zu dem Zeitpunkt, an dem nicht mehr Qualität und Inhalt der Weblogs, sondern die der klassischen Massenmedien infrage gestellt wurden. Denn einige Weblogger verfolgen ambitionierte, informierende Ziele, so beispielsweise jene Berichterstatter, die, wie auch Hobbyfunker, Berichte aus Kriegs- und Katastrophengebieten liefern, die sonst nicht in die Öffentlichkeit kämen. Schon die Existenz der Weblogs resultiert zum Teil aus dem Umstand, dass die konkreten Einflussmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern auf Rundfunk und Fernsehen ausgesprochen begrenzt sind. Bei den kommerziellen Privatsendern ist eine demokratische Einflussnahme sogar völlig ausgeschlossen. Dies führte in der jüngsten Mediengeschichte immer wieder zur 75 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 74 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 75 Entwicklung von Alternativmedien wie Stadtteilzeitungen und Bürgerradios. Entsprechend gibt es heute zunehmend politische und journalistisch professionelle Regionalblogs und Online-Magazine. Beispiele sind Regensburg Digital, das Heddesheimblog, der Homberger Hingucker oder 16vor.de aus Trier. Ob Weblogs hier eine Lücke schließen, bleibt abzuwarten. Wie etabliert Weblogs jedoch heute schon sind, zeigt das Beispiel der Firma Kryptonite aus dem Jahr 2004, das mittlerweile fest zur Bloggeschichte gehört. Das US-amerikanische Unternehmen stellt besonders teure und vermeintlich sichere Fahrradschlösser her. Nun fand ein Kunde heraus, dass sich ein Bügelschloss mithilfe eines Plastikkugelschreibers öffnen ließ. Der Sachverhalt wurde in bikeforums.net gepostet und bald folgten Videos, die das Vorgehen demonstrierten. Nur eine Woche, nachdem das Video erstmals im Netz zu sehen war, hatten laut Schätzungen von Technorati 1,8 Millionen Nutzer von den unsicheren Schlössern Kenntnis. Die Firma Kryptonite versuchte das Problem zu ignorieren, unterschätzte aber die Bedeutung und Dynamik der Blogger. Als das Unternehmen schwieg und nicht auf E-Mails reagierte, brachte das die Internetgemeinde gegen sie auf. Erst als die klassischen Medien wie die New York Times, der Boston Globe oder die Nachrichtenagentur AP über den Fall berichteten, kündigte der Hersteller eine Rückrufaktion an. Der Umtausch der fehlerhaften Schlösser hat die Firma nach Berechnungen des US-Magazins Fortune 10 Millionen Dollar gekostet und einen erheblichen Imageschaden verursacht (Kirkpatrick 2005) 14 . Viele Unternehmen haben aus diesen und anderen Beispielen gelernt und reagieren auf die Kritik ihrer Produkte in den Blogs. Das Beispiel sagt einiges über die Wirkungsweise der Blogosphäre aus. Es ist ihr möglich, Themen zu setzen und die Gatekeeper-Mechanismen der traditionellen Medien zu umgehen, weil sie über die Masse der vernetzten Blogs und der Leser kaum kontrollierbar sind. Die Blogosphäre kann ihre Autoren kurzfristig mobilisieren. Auch wenn in diesem Fall die Information über ein Biker-Forum eingespeist wurde: Über die damit verbundenen Weblogs erreichte diese Nachricht und die Reaktion von Kryptonite massenwirksam genau jene Endkunden, die der Firma wichtig waren. Der Anspruch auf individuelle Selbstbestimmung, freie Zeiteinteilung und Themenwahl unterscheidet Weblogs von den traditionellen Massenmedien mit ihren festen Termin- und Themenplänen. Diese starren Organisationsstrukturen stehen dem fluiden Webblogformat entgegen. Aus demselben Grund stoßen Weblogs erst einmal an Grenzen. Ohne institutionelle Anbindung, ohne Büros, Archive und regelmäßiger Finanzierung sind der Professionalität und Qualität Grenzen gesetzt. Vielleicht gelingt es, über die Blogosphäre den fehlenden institutionellen Rahmen zu ersetzen. Über Korresponden- 76 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 76 ten verfügt die Blogosphäre genug und damit auch über Archive. Die Arbeitskosten verteilen sich auf viele Schultern. Vielleicht muss man aber auch einfach akzeptieren, dass ein Weblog ein eigenes Format mit Eigengesetzlichkeiten ist, und deshalb anders funktioniert als die klassischen Massenmedien. Gegenwärtig wird in der Blogosphäre auch um die Pressefreiheit gerungen. Immer wieder werden Blogs mit Unterlassungsklagen überzogen. Sofern diese erfolgreich sind, hat dies auch Rückwirkungen auf die Handlungsspielräume traditioneller Medien. In diesem Zusammenhang ist unter andrem Regensburg Digital bundesweit bekannt geworden. Hier haben die Unterlassungsklagen des Rüstungskonzerns Diehl und des Bistums Regensburg zu Solidaritätsaktionen in der Blogosphäre geführt und große Aufmerksamkeit in anderen Medien erlangt. 2.3.9 Podcast Wenn ein Weblog Audiodateien nicht nur als schmückende Beiwerke verwendet, sondern seine Botschaften hauptsächlich über diese verbreitet, nennt man ihn einen Podcast. Als eine Weiterentwicklung und hörbare Variante der Weblogs erscheinen Podcasts regelmäßig als kleine Sendungen im Netz, können von ihren Hörern abonniert und jederzeit und überall mit einem beliebigen MP3-Player gehört werden. Die Themen erstrecken sich von Radio-Talkshows über Universitätsvorlesungen bis hin Rezitationen von Gedichten. Der Begriff Podcast selbst ist ein Kofferwort, dass sich aus dem englischen »broadcast« (zu deutsch »senden«) und dem Namen iPod, dem beliebten MP3-Player der Firma Apple, zusammensetzt. 4 Geschichte. Schon früher gab es Audiodateien zum Herunterladen, doch erst durch die Verbesserung der technischen Bandbreiten und die Mischung verschiedener neuer Technologien erhielten sie einen neuen Namen und wurden erfolgreich. Der ehemalige MTV-Moderator und Dotcom-Millionär Adam Curry hatte zusammen mit dem RSS-Pionier und Programmierer Dave Winer die Idee, Audio- oder Videodateien mit einem RSS-Feed zu verbinden, so dass nicht nur Texte, sondern auch Audio- und Videodateien abonniert werden konnten. Im September 2004 wurde der erste Podcatcher iPodder veröffentlicht, mit dem die Hörer ihre Mediendateien automatisch herunterladen konnten. Dem folgten noch mehrere Podcastclients wie z. B. Nimic. Doch der richtige Podcast-Boom entstand 2005, als der bekannte Apple Audioplayer iTunes erstmals das Abonnieren von Podcasts 4 Diese Namensgebung bedeutet jedoch nicht, dass Podcasts nur auf besagtem Player abgespielt werden können. 77 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 76 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 77 unterstützte. Die Anzahl der Downloads stieg innerhalb weniger Monate um ca. 900 Prozent (vgl. Löser/ Peters 2007). Funktionsweise. Um einen Podcast herzustellen, ist ein wenig technisches Equipment notwendig, nämlich ein Mikrofon und ein Aufnahmegerät wie der Mini-Disc-Recorder. Podcasts werden meistens in den standardisierten Audioformaten MP3 oder AAC produziert, die die Hörer ohne Probleme auf der gängigen Audiosoftware abspielen können. Wenn ein Podcast aufgenommen wurde, wird er auf einen Computer übertragen, dort geschnitten, gegebenenfalls mit Musik und Soundeffekten ausgeschmückt und ins Netz gestellt. Von hier kann der Hörer den Podcast beziehen, indem er in seinem Podcatcher die gewünschten Podcasts angibt. Sobald ein Podcast via Podcatcher abonniert wurde, überprüft dieser in regelmäßigen Abständen, ob es neue Episoden des Podcasts gibt. Wenn das so ist, lädt er die Audiodatei automatisch herunter. Der Hörer kann den Podcast nun im Player auf seinem Rechner oder auf seinen MP3-Player übertragen und unterwegs hören. Bekannte Podcasts. Deutschland ist in Sachen Vielfalt und Qualität von Podcasts noch nicht so weit wie die USA, hat aber dennoch bereits einige interessante Projekte vorzuweisen. Hier ein paar Tipps zum Stöbern: Abb. 2.11: Der Podcatcher juice mit abonnierten Podcasts 78 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 78 • Radio Tatort. Eine Kriminalhörspielreihe, in der - analog zur Tatortreihe im Fernsehen - feste und regional verwurzelte Ermittlerteams Morde aufklären. • Das Literatur-Cafe. Podcast zu aktuellen Büchern. • Spreeblick. Die bereits oben bei den Blogs genannte Website hat ihr Programm erweitert und bietet auch Podcasts und Videopodcasts an. • podcast.de sammelt interessante deutsche (Video-)Podcasts, von der »Sendung mit der Maus« bis zum PM-Magazin. Was hört das Publikum? Die Studie »Podcasting in Deutschland - Bürgerfunk 2.0? «, erstellt von Alexander Knickmeier, untersucht neben dem Nutzungsverhalten der Podcast-Hörer vor allem die Produktionsbedingungen und Refinanzierungsmodelle der Podcast-Macher im Jahr 2014, ohne den Anspruch auf Repräsentativität zu erheben. Die 304 befragten Nutzer setzen sich aus 87,2 % Männern und 12,8 % Frauen zusammen, sind im Schnitt 34 Jahre alt und besitzen zu 45 % mindestens einen Bachelorabschluss. Das größte Interesse zeigen die Nutzer an den Podcast-Themen »Wissenschaft«, »Politik/ Gesellschaft« und »Technologie«. Die meisten User nutzen das Medium sehr intensiv: 78 Prozent hören mehr als 5 Podcasts in der Woche und 40 % sogar mehr als 10. Zeitlich bedeutet dies, dass über zwei Drittel der User mehr als fünf Stunden in der Woche Podcasts nutzen, wobei das Thema »Wissenschaft« besonders intensiv gehört wird. Erfolgsfaktoren. Obwohl sich der Podcast im Vergleich zu anderen sozialen Medien noch nicht so richtig aus seiner Nische befreien konnte, hat er viele Vorteile vorzuweisen (vgl. Löser/ Peters 2007): • Sowohl der Produzent als auch der Konsument von Podcasts haben nur wenige technische Hürden zu überwinden. • Die Produktion von Podcasts kostet zwar Zeit, aber verhältnismäßig wenig Geld. • Podcasts sind ein On-Demand-Medium. Die Hörer sind nicht von bestimmten Sendezeiten abhängig und können selbst entscheiden, wo und wann sie die Podcast-Episoden hören. • Die Inhalte der Podcasts sind sehr individuell. Während sich im Massenmedium Radio die Sendungen immer stärker angleichen, stellen Podcasts eine Gegenbewegung zum Mainstream dar. • Podcasts können mit Musik, Soundeffekten und Dialogen kreativer gestaltet werden als purer Text. Über den auditiven Sinn transportieren sie außerdem viel stärker Stimmungen, wie Zorn, Witz und Ironie. Die Persönlichkeit und die Stimme des Sprechers sind wichtige Bestandteile des Mediums. Leider werden 79 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 78 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 79 diese an sich positiven Effekte auch immer wieder von politischen und weltanschaulichen Randgruppen missbraucht. Mittlerweile haben auch viele traditionelle Medien das Podcasting entdeckt und nutzen es als weiteren Verbreitungskanal für ihre professionell hergestellten Inhalte als eine Form der Zweitverwertung, z. B. der Tagesschau-Podcast. Für den Nutzer ist diese Möglichkeit, interessante Radio- oder Fernsehsendungen jederzeit zur Verfügung zu haben, in jedem Fall eine Bereicherung. 2.3.10 Schattenseiten Kehren wir von den multimedialen Sonderformen zurück zu den allgemeinen Weblogs. Diese haben zum Teil mit nicht unerheblichen Problemen zu kämpfen. Haftung. Grundsätzlich haftet man natürlich für die eigenen Beiträge, die man in seinen Blog gestellt hat, doch wie ist es mit den Kommentaren, in denen andere eben auch ihre rechtswidrigen Äußerungen veröffentlichen können? Für diese Fälle gibt es noch keine einheitliche Rechtsprechung. Der Blogger hat zwar die Pflicht, die entsprechenden Fremdeinträge bei Kenntnisnahme zu entfernen, wie die Bedingungen für diese Kenntnisnahme beschaffen sein müssen, ist noch unklar. (siehe Kapitel 3.2.4) Gefährdung der Privatsphäre. Ein Charakteristikum des Blogs ist, dass der Betreiber seine Meinung zu den verschiedensten Themen öffentlich kundtut. Dadurch kann in manchen Fällen ein sehr genaues persönliches Profil des Autors gezeichnet werden. Es besteht die Gefahr, dass diese Informationen von Arbeitgebern in Bewerbungsbzw. Beförderungssituationen (aus)genutzt werden (vgl. Picot et. al. 2006). Durch die gewährten Einblicke in ihr Privatleben steigt darüber hinaus besonders für Bloggerinnen die Gefahr mit beleidigenden Anrufen und Briefen (Stalking) konfrontiert zu werden. Rufmord. Ein Medium zur freien Meinungsäußerung kann auch für gezielte Rufschädigung missbraucht werden. Die Tatsache, dass Blogs bei den Suchmaschinen sehr hoch gerankt werden, führt dazu, dass die diffamierenden Beiträge auch nicht im endlosen WWW untergehen, sondern oft sogar an prominenter Stelle rangieren und schnell gefunden werden. 80 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 80 Sinkende Qualität der Suchergebnisse. Eine weitere Konsequenz der Blogfülle und deren erfolgreichen Suchmaschinenrankings ist, dass man als Nutzer bei jeder Suche zunächst einmal mit Blogeinträgen konfrontiert wird. Diese können sehr gute Beiträge liefern oder zu den entsprechenden Seiten weiterverlinken, in den meisten Fällen ist man jedoch damit beschäftigt, sich durch eine Vielzahl kurzer, undifferenzierter Blogartikel zu einem bestimmten Thema zu kämpfen, bis man endlich an substanziellere Inhalte gelangt. Spam. Durch ihre technische Offenheit haben Blogs auch mit dem leidigen Spamming zu kämpfen. Hier kann zum Teil die Nutzung von sogenannten Captchas helfen. Dies sind Bilder mit einem fixen Hintergrund und zufällig generierten Zahlen- und Buchstabenkombination, die der sich registrierende User in ein dafür vorgesehenes Feld »abschreiben« muss, um sich damit als menschliches Wesen und nicht als spammendes Programm zu identifizieren. 2.3.11 Einen eigenen Blog betreiben Grundsätzlich gibt es vier technische Lösungen für das Betreiben eines Blogs: Eigenhändiges Erstellen eines Weblogs. Geht man von der einfachsten Definition eines Weblogs aus, nämlich dass es sich um eine regelmäßig aktualisierte Website handelt, deren neuesten Einträge immer ganz oben auftauchen, so ist dies natürlich ebenso mit einer einfachen HTML-Seite realisierbar. Die allerersten Blogger haben ihre Weblogs auch auf diese Art und Weise betrieben. Zwar muss man hierfür Vorkenntnisse in Sachen Webdesign besitzen und dazu bereit sein, auf einige Funktionalitäten, wie z. B. eine Kommentarfunktion, zu verzichten, aber machbar ist es auf alle Fälle. Installation auf eigenem Server oder Webspace. Komfortabler ist die Nutzung eines Weblogprogramms. Dieses kann eigenhändig installiert werden. Dazu muss man sich eine Blogsoftware besorgen bzw. aus dem Netz herunterladen - bei den meisten Programmen handelt es sich um Open-Source-Produkte - und diese dann auf dem eigenen Server oder auf dem Server des Providers installieren. Hier ist eine kleine Auswahl der bekanntesten Weblogprogramme: • WordPress ist der klare Marktführer mit Hunderten frei verfügbaren Templates und vielen Plug-ins. • LifeType. Mit einer Installation können mehrere Blogs verwaltet werden. Zudem verfügt die Software über einen ausgezeichneten Anti-Spam-Mechanismus. 81 2.3 Blogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 80 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 81 • Movable Type. Benutzerfreundliches Design und eine kompakte Zusammenstellung von Funktionen, relativ mühselige Installation. • Textpattern. Intuitive Markup-Sprache, vor allem für Tabellen und Listen, gute Vorschaufunktionalitäten. Gehostete Lösungen. Wer sich die Installation und Wartung des Blogs sparen möchte, kann aus einer Vielzahl von Weblog-Hostern auswählen. Man meldet sich auf der Homepage des Dienstleisters, z. B. Livejournal, Twoday.net oder Blogger. de, an und kann meistens innerhalb weniger Minuten auf seinen eigenen Blog zugreifen. Die meisten Blogs können gratis geordert werden, für besondere zusätzliche Funktionalitäten muss in vielen Fällen jedoch eine monatliche Gebühr gezahlt werden. Nutzung einer Blog-Extension. Oft soll ein Blog jedoch nicht alleine als sogenannte Stand-Alone-Lösung auftauchen, sondern mit einer bereits bestehenden Homepage oder Plattform verbunden werden. Für die gängigen Content-Management-Systeme, auf denen diese Seiten basieren, gibt es daher die Möglichkeit, sogenannte Plug-ins oder Extensions zu installieren. Diese kleinen Zusatzprogramme statten die Websites mit weiteren Funktionen, wie Wikis, Kalenderblättern oder eben Blogs, aus. So besitzt das CMS Joomla! beispielsweise eine Wordpress-Extension. Übungsfragen 1. Was sind die grundlegenden Unterschiede zwischen Wikis und Blogs? 2. Rufen Sie die Seite spree.com auf und suchen Sie folgende Blogbestandteile: - Permalink - Blogroll - Trackbacks - Kommentare 3. Durch welche Funktionen und Aktionen wird die Vernetzung der Blogosphäre vorangetrieben? 4. Der Werbefachmann Jean Remy von Matt bezeichnete Blogs »als Klowände des Internets«. Nehmen Sie zu dieser Aussage Stellung. 5. Was sind die Vorteile eines Podcasts gegenüber einer traditionellen Radiosendung? 82 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 82 Literatur Leider gibt es in der jüngsten Zeit keine nennenswerten Veröffentlichungen zu den Themen Weblogs und Podcasts. Die Empfehlungen der letzten Auflage bleiben daher als »non plus ultra« bestehen: Katzenbach, Christian (2008): Weblogs und ihre Öffentlichkeiten. Fischer, München. Die Magisterarbeit des Autors analysiert und strukturiert die Öffentlichkeitsformen, die in der Blogoshpäre entstanden sind, anhand von Ansätzen u. a. der Cultural Studies. Diemand, Vanessa, Mangold, Michael, Weibel, Peter (Hrsg.) (2007): Weblogs, Podcasting und Videojournalismus. Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen. Dpunkt, Heidelberg. Buntes Artikelsammelsurium von z.T. prominenten Bloggern, Wissenschaftlern und Journalisten. Schmidt, Jan (2006a): Weblogs. Eine kommunikationssoziologische Studie. UVK, Konstanz. Wissenschaftliche Arbeit, die die Praktiken des Bloggens anhand eines allgemeinen Analysemodells beschreibt. 2.4 Microblogs Als jüngstes Mitglied der Social-Software-Familie trat das Microblogging auf die Bühne. Die vergleichsweise simple Anwendung erlaubt es den Nutzern, kurze Textnachrichten auf einer Website zu veröffentlichen; Wegbereiter und bekanntester Anbieter ist Twitter (von engl. »Gezwitscher), dessen Textnachrichten auf 140 Zeichen beschränkt sind. Meldungen eines Microblogs werden von einer Gruppe von Freunden und Bekannten (den sogenannten Followern) gelesen und gegebenenfalls auf demselben Wege beantwortet. Ein engagierter Microblogger hat möglichst viele Menschen, die seinen Nachrichten »folgen« und gleichzeitig auch eine gewisse Anzahl an Nutzern, denen er selbst folgt. Auf diese Art und Weise bleibt er ständig und ohne Mühe auf dem neuesten Informationsstand. Merkmale: • Ultrakurze Textnachrichten (Twitters »140 Zeichen«) in chronologisch umgekehrter Reihenfolge, 83 2.4 Microblogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 82 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 83 • Abbildung von Erkenntnisprozessen: Der Fokus liegt auf tagesaktuellen Postings, die Inhalte sind expressiv, appellativ, koordinierend und verweisend, • Folgen und gefolgt werden, • Kommentieren und verbreiten externer Nachrichten an die eigenen Follower (Übernahmefunktion »retweet«) • Abonnieren und senden sind in speziellen »Channels« möglich, indem Schlagworte vergeben werden, • bestens für mobile Geräte geeignet, • und asynchrones Echtzeitmedium. Der Hype der letzten Jahre um Microblogging-Systeme ist heute schon wieder ein wenig abgeklungen. Die Technologie konsolidiert sich: Die Einsatzmöglichkeiten von Microblogs kristallisieren sich ebenso heraus, wie die Position der Technologie innerhalb des Social Webs. Wir betrachten heute Microblogging nicht mehr als Ableger eines Weblogs, sondern als eine eigene Kategorie. Dafür sprechen verschiedene Gründe: Neben der Verwendung als schnelles Informations- und Kommunikationsmedium verbindet Microblogging Eigenschaften von Social Bookmarks, Social Network, Chat Abb. 2.13: Durch Twitter wird eine lose aber kontinuierliche Verbindung zum Freundesbzw. Bekanntenkreis hergestellt. 84 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 84 und natürlich Blogs in einer eigenen Qualität. Dieses Medium rückt wie kein anderes im Web brandaktuelle Nachrichten in den Mittelpunkt. Ältere Nachrichten werden kaum angezeigt und auch von Suchmaschinen ignoriert. Microblogging wird oft mit Abonnementservices wie RSS verglichen. Tatsächlich lassen sich die neuesten Einträge von anderen Nutzern hervorragend verfolgen. Aber Microblogging erlaubt über die Kategoriefunktion eine neuartige Nutzungsweise. Gibt man einer Nachricht (Tweet) ein Schlagwort, so können andere Nutzer Nachrichten nach diesen Schlagworten durchsuchen und sich nur Tweets mit diesem Begriff anzeigen lassen. Dadurch wird es möglich, dass sich Nutzer auf ein bestimmtes Schlagwort (etwa für eine Konferenz) einigen. Sie schaffen damit einen eigenen, temporären Nachrichtenkanal, der nun nicht nur abonniert, sondern auch gezielt beschickt werden kann. Microblogging bietet so eine unkomplizierte Form, eine Art Gruppen-Instant-Messenger oder Gruppen-SMS zu etablieren. Obwohl es heute viele Microblog-Anbieter gibt (z. B. Tumblr, Google Buzz, Soup), hat sich Twitter als größter und prominentester Microblogging-Dienst durchgesetzt und wird gern als Synonym für das Microblogging per se verwendet. Insofern hat Twitter einen ähnlichen Stellenwert für die Durchsetzung einer neuen Technologie wie die Wikipedia und die Software MediaWiki für Wikis. Im Folgenden behandeln wir also Twitter trotz (und wegen) seiner Vorrangstellung als verallgemeinerbares Beispiel für Microblogging. 2.4.1 Die Erfolgsgeschichte von Twitter Entwicklung. Twitter wurde im Jahr 2006 als firmeninternes Forschungsprojekt genutzt. Die Firma Odeo aus San Francisco hatte damals die Anwendung entworfen, weil sie die von Mobiltelefonen bekannten Kurzmitteilungen (SMS) als Webdienst adaptieren wollten. Nach nur zwei Wochen Arbeit wurde der erste Prototyp im Unternehmen eingesetzt. Veröffentlichung. Angespornt durch den internen Erfolg der Anwendung stellten die Entwickler Twitter unter dem Firmendach von Obvious, einer Auslagerung von Odeo, der Allgemeinheit zur Verfügung. Da die Domain twitter.com zunächst belegt war, nutzte man zunächst Twttr.com und zog erst später auf die heutige Domain um. Im Jahr 2007 gewann Twitter den Medienpreis South by Southwest Web Award in der Kategorie »Blogs«. 5 Schon vor der Bekanntgabe des Gewinners war Twitter die Lieblingsanwendung auf dieser Konferenz. 5 Die Firma Odeo feierte diesen Erfolg natürlich auch im Internet (Twitter Blog 2007) 15 . 85 2.4 Microblogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 84 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 85 Abb. 2.14: Die typische Twitter-Statuseingabe mit der Timeline aller abonnierten Nachrichten 86 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 86 Nutzerexplosion. Die Mischung aus SMS, IRC und Bloggen traf offensichtlich genau den Nerv der Zeit: Die Anzahl der weltweiten Nutzer stieg bis März 2009 auf weltweit 7 Millionen Nutzer an. Diesem Ansturm konnte die Plattform zeitweise nicht Stand halten. Insbesondere bei internationalen Ereignissen wie z. B. dem Tod von Michael Jackson wurde Twitter so stark frequentiert, dass es vom Netz genommen werden musste. Um den Nutzern die Wartezeit zu versüßen, wurde eine kreative Fehlermeldung ausgegeben, der FailWhale (s. Abb. 2.15). Dieser hat mittlerweile Kultstatus erreicht. Geschäftsmodell. Seit 2007 ist Twitter eine eigenständige Firma, die zunächst hauptsächlich von Venture Kapital lebte und und mittlerweile ihre Einnahmen über »sponsored tweets«, also Werbung, und Monitoringfunktionen bezieht. 2.4.2 Twitterfunktionen Geht man auf die Seite von twitter.com so kann man sich bereits unangemeldet als anonymer Leser mit der Plattform auseinandersetzen. Zur Orientierung findet man hier einen Ticker mit den Top-Nachrichten, die durch einen Algorithmus zusammengestellt werden, einige prominente und beliebte Twitterer, deren öffentliches Profil man besuchen kann, und ein Suchfeld, über das man sich Nachrichten mit bestimmten thematischen Inhalten auflisten lassen kann. Interessanter wird es Abb. 2.15: Der FailWhale 87 2.4 Microblogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 86 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 87 natürlich, wenn man sich nach einer kurzen Anmeldeprozedur einen eigenen Account zugelegt hat. Tweet. Hat man sich also angemeldet, wird man mit einem nicht zu übersehenden Formularfeld und der Frage »What is happening? « konfrontiert. Ursprünglich hieß die Frage »What are you doing? « Da sich aber herauskristallisierte, dass Twitter in der Realität für alle möglichen Meldungen verwendet wird, wurde die Eingangsfrage schnell verallgemeinert. Der normale Tweet ist eine ungerichtete öffentliche Nachricht, die jeder lesen kann. Dabei muss sich eine Twitter-Nachricht generell auf 140 Zeichen beschränken. Diese Zahl lehnt sich an die maximale Zeichenlänge einer SMS von 160 an. 20 Zeichen sind für den Nutzernamen reserviert. Über »Tweet« wird die Nachricht in die Welt hinausgeschickt. Der Autor kann sie danach zwar nicht mehr ändern, jedoch jederzeit löschen. Kurz-URL-Dienst. Wenn man innerhalb eines Tweets einen Link zu einer Webadresse eingibt, ist es oft eine Kurz-URL nötig, um die begrenzte Zeichenzahl trotz langer URLs einhalten zu können. Twitter nutzt hier den Service von bit.ly. Damit beginnen alle verkürzten URLs mit http: / / bit.ly, gefolgt von einem Zahlen- und Buchstabencode. Klickt man auf diesen Link, so ist bei bit.ly die Original-Adresse hinterlegt, und man wird auf diese weitergeleitet. Es gibt neben bit.ly eine Reihe anderer Dienste, mit deren Hilfe Sie die URLs schon vorher schrumpfen können um für die übrige Meldung mehr Platz zu haben. Neben den sozialen Netzwerken hat vor allem das Microblogging diese Dienste bekannt und erfolgreich gemacht. Ab Sommer 2010 verfügt Twitter über einen eigenen Kurz-URL-Service. Friends und Followers. Allgemein werden in Microblogsystemen zwei Arten von Kontakten unterschieden: • Als Friends werden Personen bezeichnet, deren Beiträge man abonniert hat, • Follower sind Leser, die Beiträge eines Autors abonniert haben. Während im klassischen Blog nur die Beiträge des Accountbesitzers angezeigt werden, kann man im Microblog auch die neuesten Beiträge der Freunde des Accountbesitzers sehen. Um die Nachrichten von anderen Nutzern angezeigt zu bekommen, muss man diesen »folgen« also deren »follower« werden. Dass man den Beiträgen anderer Nutzer folgt, ist ein wesentliches Charakteristikum der Technologie. Jedoch sind die Beziehungen in Microblogs (im Gegensatz zu vielen sozialen Netzwerken) asymmetrisch, d. h. man muss sich nicht gegenseitig folgen, auch wenn das häufig vorkommt. 88 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 88 Profil. Wie auf sozialen Netzwerkseiten können User auf Twitter nach dem Anlegen des Accounts eine eigene Profilseite anlegen und diese in begrenztem Umfang mit persönlichen Informationen füllen. Neben Profilbild können Name, Ort, ein Link zu einer Webseite und eine Selbstbeschreibung in 140 Zeichen (natürlich! ) angegeben werden. Es besteht dabei (derzeit) weder die Verpflichtung, über den Nutzernamen hinaus Informationen von sich preis zu geben, noch wird die Richtigkeit der Angaben generell überprüft. Nur in Ausnahmen können insbesondere Personen des öffentlichen Interesses, die ein sogenanntes »impersonation problem« haben - d. h. jemand anderes schreibt auf Twitter unter ihrem Namen- einen »verified account« beantragen, der bestätigt, dass wirklich sie selbst twittern. Ein geprüftes Profil hat z. B. Barack Obama. 2.4.3 Twitter-Lingo Twitter verwendet ein paar spezifische Tags, um z. B. Begriffe als Schlagwörter zu kennzeichnen. Das Wichtigste finden Sie hier im Überblick: • @nutzername. Durch das aus den Chat-Räumen bekannte @-Zeichen wird eine Person direkt angesprochen. Dies ist allerdings nur eine soziale Konvention: die Nachricht kann dennoch von der gesamten Twitter-Community gelesen werden. • #thema. Das beliebteste Twittersymbol ist der Hashtag (#). Dieser wird innerhalb der Tweets direkt vor bedeutungstragende Begriffe gestellt und fungiert damit automatisch als Tag, über den Tweets, die thematisch zusammengehören, zuverlässig gefunden werden können z. B. #Weihnachten oder #Mobbing. Bei Veranstaltungen oder zur Gruppenkommunikation werden häufig offizielle Hashtags ausgegeben, damit die Teilnehmer über diesen »Kanal« kommunizieren können. Die Tags können frei vergeben werden und werden häufig auch als eine Art Kommentar verwendet. So gibt es beispielsweise #yesyesyes. • DM oder DT. Erst durch das Voranstellen eines »d«, z. B. »d nutzername«, wird der Tweet zu einer sogenannten Direct Message (DM), also einer persönlichen Information, die nur von »username« gelesen werden kann. Dies funktioniert jedoch nur, wenn der Empfänger dem Sender folgt. • RT or Retweet. Bei Twitter gibt es eine Konvention, die dem Weiterleiten von E-Mails entspricht. Die sogenannten Retweets sind Nachrichten, die ein Twitterer interessant findet und sie daher an seine Follower weitergeben will. Retweets beginnen mit Kürzel »RT@nutzername« gefolgt von der kopierten Nachricht. 89 2.4 Microblogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 88 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 89 Daneben hat sich ein gewisser Community-Jargon etabliert. Hier finden Sie eine kleine Kostprobe davon: • (Public) Time line. Jeder Nutzer von Twitter hat eine sogenannte Timeline (Zeitlinie), in der seine eigenen Tweets sowie die von den Leuten erscheinen, denen man folgt. • TweetUp. Ein richtiges Treffen von Twitterfans in der nicht-digitalen Welt. • Twitterati. Prominente Twitterer oder Twitteraccounts mit tausenden von Followern. • FollowFriday. Eine Art spielerisches Ritual, bei dem jeden Freitag Nutzer vorgeschlagen werden, denen man folgen sollte. • Fail Whale. Wenn Twitter abstürzt, sehen die Benutzer als Fehlermeldung eine mittlerweile bekannte Störungsmeldung: eine Zeichnung mit roten Vögeln, die einen Weißwal aus dem Ozean hieven. 2.4.4 Wer twittert was? Tiefergehende Studien zur Nutzung von Twitter bleiben Mangelware, aber es lassen sich durchaus einige Anwendungsfälle festhalten. Nachrichten unter Privatpersonen. Dies ist die bekannteste und verbreitetste Nutzungsweise. Vor allem die privaten Statusmeldungen (»Mein Kaffee ist kalt«) prägen die Rezeption des Microbloggings in der Öffentlichkeit erheblich mit. Für Privatpersonen ist Microblogging eine effektive Form den Kontakt zu Freunden aufrecht zu erhalten und ersetzt so vor allem die persönliche E-Mail. Denn über Twitter können halbprivate Informationen in Form eines kollektiven Smalltalks gleich an mehrere Personen weitergegeben werden. Viele private Beiträge sind unmotiviert, unsinnig oder einfach nicht informativ. Offenbar senkt das sehr persönliche Medium die Gesprächsbarrieren für Dialoge. Darüber hinaus findet man in Microblogs aber auch immer wieder Perlen: kreative, witzige und spielerische Tweets, die z. B. in Twitterlesungen ihre Würdigung erfahren. Doch nicht jeder twittert. Folgt man einer Nutzerbefragung aus dem Jahr 2009, so ist Twitter in Deutschland in der Hand einer klar umrissenen bildungsbürgerlichen Schicht: Zum Zeitpunkt der Umfrage twitterten vor allem junge Männer mit akademischen Abschluss, die in Städten leben (Pfeiffer 2009) 16 . Von den Befragten gaben 37 % an, zumindest im Nebenberuf einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen. Dabei arbeitete die Hälfte der Nutzer als Programmierer, im Marketing oder in den Medien. Über Twitter verfolgten diese aktuelle Entwicklungen oder nutzten 90 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 90 das Medium einfach zum Spaß. Nicht überraschend dominieren Beiträge zum Thema Web 2.0, gefolgt von Musik, Film, Literatur und Technik, Politik und Gesellschaft. Als Medium des kollektiven Smalltalks hat Twitter jedoch eine starke Konkurrenz: So bevorzugen heute Jugendliche in den USA die microblogartigen Funktionen von Facebook (ROXXO 2010) 17 . Breaking News. Durch die Anbindung an mobile Endgeräte wie Handys ist Twitter ein ideales Medium für die Verbreitung allgemein relevanter Nachrichten. Vor allem Augenzeugenberichte gelangen so schnell ins Internet. Als am 15. Januar 2009 ein Airbus A 320 im Hudson River erfolgreich notlanden konnte, wurde diese Nachricht zuerst über Twitter verbreitet. Der Nutzer jkrums schoss mit einer Digitalkamera eins der ersten Fotos und stellte dieses über Twitpic (s. u.) mit dem Kommentar »There is a plane in the Hudson. I’m on the ferry going to pick up the people. Crazy.« ins Web. Das Bild wurde seither von 600.000 Nutzern gesehen - ein Beispiel für die unglaubliche Verbreitungskraft des Mediums, die über die Weitergabefunktion (»retweet«) erreicht wird. Der Dienst Twitter wird zunehmend zu einer anerkannten Quelle für Real- Time-News in Krisensituationen. Auch von offizieller Seite: Das Los Angeles Fire Department verwendete den Service zur Informationsverbreitung während der Waldbrände in Südkalifornien 2007. Die klassischen Medien stellen sich längst auf diesen neuen Nachrichtendienst ein, gelangen über Twitter an Augenzeugen und geben die dort gefundenen Informationen mit Quellenangaben weiter. Politische Mobilisierung. Damit verwandt ist die Nutzung von Microblogdiensten als Quelle und Koordinationsinstrument politischer und sozialer Bewegungen. Bei der iranischen Protestbewegung von 2009 wurde Twitter erstmals zum landesweiten Kommunikationsmittel einer Oppositionsbewegung. Ein Jahr zuvor hielt das Wahlkampfteam von Barack Obama ihre Helfergruppen auf dem neuesten Stand. Fachinformationen. Der Austausch von Fachinformationen ist ein weiterer wichtiger Anwendungsfall. Oft im Zusammenhang mit Konferenzen (z. B. Barcamps). Twitter ist dort ein beliebtes Medium für Teilnehmer, aber auch für Interessierte, die nicht an der Veranstaltung teilnehmen können. Über Twitter werden laufende Veranstaltungen kommentiert, offene Fragen formuliert, Zusatzinformationen ausgetauscht und Stimmungsbilder gezeichnet. Hier öffnet sich ein zusätzlicher Kommunikationskanal über den sichtbar wird, wie das Publikum die Veranstaltung bewertet und verarbeitet. Nicht selten werden diese Prozesse an eigenen Twitter- 91 2.4 Microblogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 90 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 91 walls abgebildet, die beispielsweise große Podiumsveranstaltungen erheblich auflockern können. Social TV. Unter diesem Schlagwort wird die Nutzung sozialer Medien wie Facebook oder Twitter als interaktiver Rückkanal für das ansonsten sehr statische Medium Fernsehen zusammengefasst. So schimpfen, diskutieren, kommentieren z. B. hunderte von Zuschauern mittlerweile Sonntagabend den Tatort, indem sie sich auf Twitter unter einem bestimmten Hashtag treffen und »gemeinsam im Netz« fernsehen. Manche Fernsehsendungen haben diesen Trend bereits erkannt und laden die Zuschauer direkt ein, Tweets zu senden, die in der Sendung veröffentlicht werden. Kundenkommunikation. Vor allem Marketing und Vertrieb setzen große Hoffnungen in das Medium. Nicht ohne Grund. Im Jahr 2010 folgten 49 % der Twitter-Nutzer in den USA den Accounts von Marken und Unternehmen (Webster 2010) 18 . Manche Unternehmen setzen den Dienst auch sehr wirkungsvoll ein. Ein bekanntes Beispiel ist DellOutlet: Über Twitter bietet Dell Computer exklusive Sonderangebote und Restposten an. Auf diese Weise hat sich DellOutlet von 2007 bis 2010 einen Followerkreis von 1,5 Millionen aufgebaut und über den Twitter-Account Millionenumsätze generiert. 2.4.5 Werkzeuge für Twitter Twitter ist mit Absicht sehr einfach gehalten. Doch rund um das Microblogging-System scharen sich inzwischen eine Vielzahl von Drittanbietern, die Tools entwickeln um den Nutzern eine angenehmere Handhabung von Twitter ermöglichen oder Twitter mit zusätzlichen Funktionen bereichern. Ein paar der bemerkenswertesten dieser Dienste werden hier beschrieben. Falls Sie sich nicht auf diese Auswahl beschränken wollen, finden Sie auf www.oneforty.com noch viele weitere nützliche Twitter-Applikationen. Twitter Clients sind lokal installierte Programme, die über eine komfortable grafische Oberfläche das Bedienen von Twitter ohne Browser ermöglichen. Die Anzeige kann in mehrere Spalten unterteilt werden, die beispielsweise Twitter- Kontakte, selbst angelegte Gruppen oder Suchanfragen enthalten. In den meisten Programmen können auch mehrere Twitter-Accounts gleichzeitig über den Client verwaltet werden. Tweetdeck und Hootsuite sind hier die beliebtesten Anwendungen. 92 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 92 Bilder, Videos, Musik. Es gibt zahlreiche Dienste, um Tweets mit multimedialen Elementen anzureichern. Die Vorgehensweise ist dabei stets ähnlich: Bilder, Videos oder Musik werden auf der entsprechenden Website hinterlegt und dann über eine Twitternachricht mit direktem Link auf das Element beworben, so z. B. auf Twit- Pic, Vidly und Blip.fm. Networking. Um den Netzwerkeffekt zu erhöhen, gibt es Funktionen, die Twitterer andere Twitterer empfehlen lassen. Dies bietet u. a. die Möglichkeit interessante Leute oder Experten zu finden. Beispiele sind hier Tweetfind und Tweetranking. Monitoring. Möchte man einen Überblick über bestimmte Keywords behalten, kann man sich die Suchergebnisse regelmäßig per E-Mail zusenden lassen. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass man auf die gefundenen Tweets auch noch später zugreifen kann, wenn diese über die Twitter-Suche längst nicht mehr gefunden werden. SocialOomph und News.me sind hierfür bestens geeignet. Worüber andere auf Welt twittern, können Nutzer auf der Website Trendsmap sehen, Das System wertet Twitter-Feeds aus und stellt die Themen als Tagcloud auf Google Maps dar. Grafische Darstellung. Tweets und die dazugehörigen Metadaten lassen sich natürlich auch sehr schön grafisch auswerten. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten: • Tweetstat erstellt eine Zeitlinie der eigenen Tweets pro Monat sowie die persönliche Tweetdichte anhand von Wochentagen und Uhrzeit. Aus den eigenen Beiträgen wird eine Tweetcloud erstellt. • Twitterwalls. Auf der Website dieses Dienstes wird ein gehashtes Stichwort einfach eingegeben und alle Tweets mit diesem Schlagwort werden aufgelistet. Twitterwalls eignen sich z. B. für Messen oder Konferenzen. Hier kann die Seite mit einem Beamer auf eine Leinwand projiziert werden. • Geochirp. Hier werden Tweets auf der Google-Karte angezeigt. Eine Suche kann auf Leute oder Tweets im Umkreis eines Ortes eingeschränkt werden. • Twilk macht die Avatare der eigenen Twitter-Freunde oder Follower zum Hintergrund des eigenen Profils. Wer in den eigenen Tweets häufig genannt wird, wird an prominenterer Stelle platziert. Automatisierung. Die folgenden Dienste erleichtern den Umgang mit Twitter, indem sie Ihnen sehr viele mühsame kleine Aufgaben abnehmen: • Twitterfeed. RSS-Feeds werden z. B. bei einem neuen Blogpost automatisch auch getwittert. Zudem erhält man Statistiken über die veröffentlichten Feeds auf Twitter. 93 2.4 Microblogs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 92 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 93 • Tweepi. Mit Tweepi kann das eigene Konto aufgeräumt werden: so werden z. B. Spammer und inaktive Nutzer automatisch aussortiert. Wichtige Twitterer können über eine Safelist davor geschützt werden Widgets, Buttons und Feeds. Als letztes möchten wir eine Reihe kleiner Helfer vorstellen, die Sie z. B. auf Ihrer Website einbinden können um stets auf dem neuesten Stand zu sein oder um eine schnelle Verbindung zu Twitter herzustellen: • Twitter Counter ist ein Zähler, der anzeigt, wer die eigene Twitter-Seite besucht. Über den generierten Code kann der Zähler auf die Website eingebunden werden. Es wird auch gezeigt, wie oft ein Nutzer auf der eigenen Seite war. • Add this. Die Seite bietet eine überschaubare Anzahl an kostenlosen Social-Media-Buttons. Sobald man den eigenen Twitter-Namen eingegeben und auf go geklickt hat kann man den Code des gewünschten Buttons kopieren und auf die eigene Website einbinden. 2.4.6 Ein eigenes Microblogsystem betreiben Der Einsatz eines eigenen Microblogsystems lohnt sich häufig nur für eine Organisation, die ihre interne Kommunikation auf neue Füße stellen will. Web-Alternativen zu Twitter. Wer nur generell nach einer Alternative zu Twitter sucht, ist mit bereits etablierten Services wie Tumblr ganz gut beraten. Allerdings ist der Wechsel des Dienstes immer davon abhängig, ob der Freundeskreis mitzieht und ob man mit der Community im anderen Dienst etwas anfangen kann. Probieren Sie es aus. Der österreichische Service Soup könnte übrigens eine interessante Variante sein. Organisationskommunikation. Innerhalb von Unternehmen und Organisationen bietet sich Microblogging als sinnvolle Ergänzung des Intranets an, um aktuelle Nachrichten und Wissen zu verteilen. Firmenintern dient Microblogging der Aufgabenkoordination, unterstützt schnelle Problemlösungen, liefert Ereignisberichte, Ideen und Hinweise. Über die Kategorisierung können ganz gezielt Channels von Abteilungen und Arbeitsgruppen angesprochen werden. Das öffentliche Twitter ist dafür völlig ungeeignet, da alle Meldungen im gesamten Internet abrufbar sind. Hier gibt es mit Yammer und Communote Onlinedienste für abgeschlossene Microblogsysteme, für deren Nutzung man sich authentifizieren muss. 94 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 94 Alternativ kann man im eigenen Intranet einen Server mit einer eigenen Microblogsoftware einrichten. Das setzt jedoch eine gewisse technische Kompetenz voraus. Neben Communote ist mit pump.io und Storytlr auch freie Software verfügbar. Übungsfragen 1. Aus welchen Bestandteilen setzt sich ein Tweet zusammen? 2. Wie unterscheiden sich Hashtags bei Twitter in der Nutzungsweise von normalen Tags? 3. Diskutieren Sie die Ethik von Twitterwalls. Literatur O’Reilly, Tim/ Milstein, Sarah (2013): Das Twitter-Buch. O’Reilly, Köln. Tipps,Tricks und Unterhaltsames rund um Twitter. Mittlerweile in der dritten Auflage. Richter, Alexander/ Riemer Kai (2010): Berichten, Koordinieren, Probleme lösen mit Enterprise Microblogging: In: wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte, Heft 03/ 2010. 19 Interessante Studie zu Nutzungsszenarien von Microblogs speziell im Unternehmenskontext. Bilton, Nick (2013): Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat. Campus, Frankfurt/ Main. Das Buch erschien pünktlich zu Börsengang des Unternehmens. Alles zu den Intrigen und Machtkämpfen hinter den Kulissen. Spannend wie ein Krimi. 2.5 Social Networks Alle Anwendungen, die wir in diesem Buch betrachten, unterstützen konkret die Entstehung einer Online-Community. Meist gruppieren sich Leute um ein bestimmtes Thema oder man verfolgt ein gemeinsames Ziel. Neben diesen Content-Aggregatoren gibt es auch People-Aggregatoren (vgl. Szugat et al. 2006), bei denen der Mensch und seine Beziehungen noch stärker im Mittelpunkt stehen, quasi Mittel und Inhalt der Anwendung sind. Die Rede ist von sozialen Online- 95 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 94 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 95 netzwerken, auch zu finden unter dem Begriff Social-Network-Dienste (SND) oder Social Networks. Diese wurden eigens dazu geschaffen, Freundes- und Bekanntenkreise ebenso wie Geschäftspartner miteinander zu verbinden. Merkmale: • Es ist eine Registrierung erforderlich, • Profilseiten geben Auskunft über Interessen und Tätigkeiten, • Daten liegen hauptsächlich in strukturierter Form vor, • Beziehungen zu anderen Menschen werden dargestellt, • mit einem starken Bezug zu realen Sozialbindungen, • Bekanntschaften über die sprichwörtlichen »fünf Ecken« werden nachvollziehbar gemacht. Im Jahr 1997 kam Sixdegrees als erstes Social Networking Angebot auf den Markt, wurde aber bereits nach vier Jahren verkauft und stellte seinen Dienst im Jahre 2001 ein. Einer der Mitbegründer von Sixdegrees, Adam Seifer, erklärte in einem Blogbeitrag (Jardin 2006) 20 , dass man damals mit dieser Idee wohl zu früh dran Abb. 2.16: Die Repräsentation der eigenen Person je nach Beschaffenheit der jeweiligen Community ist die wichtigste Funktion in Social Networks. 96 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 96 war. Kurz danach gingen bereits die großen, erfolgreichen Netzwerke wie Tribe und LinkedIn an den Start und sammelten innerhalb kürzester Zeit Millionen von Mitgliedern. Der Entstehung der neuen sozialen Netzwerke liegt ein Schneeballsystem zugrunde: Ein Nutzer wird geworben und meldet sich an, erstellt ein Profil und lädt dann Freunde, Bekannte oder Geschäftspartner zur Teilnahme am Netzwerk ein. Wenn die Freunde wiederum ihre Freunde einladen, so werden diese für den ersten Nutzer Bekannte zweiten Grades, und deren Bekannte sind dann die Kontakte dritten Grades und so weiter. Auf diese Weise kommen schnell die Netzwerke mit Hunderten oder Tausenden von Kontakten zustande. Mit der Vermittlungsfunktion zwischen ihren vielen Nutzern ersetzen sie mittlerweile nicht nur die traditionellen Medien mit ihren Kleinanzeigen-Märkten, sondern auch Portale wie monster.de für den Stellenmarkt oder neu.de für Partnervermittlungen. 2.5.1 Soziale Netzwerkforschung Soziale Netzwerke waren bereits vor dem Web 2.0 und sogar schon vor der Erfindung des Internets von wissenschaftlichem Interesse. Zwei Ansätze, die für die Social Networks besonders relevant sind, möchten wir hier kurz vorstellen: das Kleine-Welt-Phänomen von Milgram und die starken/ schwachen Bindungen von Granovetter. Auf letzeren wird weiter unten (siehe Kapitel 3.1.3) noch einmal genauer eingegangen. Doch zunächst zu dem Sozialpsychologen Stanley Milgram. Dieser hatte 1967 in einem klassischen Experiment herausgefunden, dass jeder Mensch über durchschnittlich sechs Bekannte mit jedem anderen Menschen bekannt ist und nannte es das Small World Phenomenon (Milgram 1967) oder Kleine-Welt-Phänomen. 1998 verwendete der Soziologe Duncan Watts von der Columbia Universität zusammen mit Stephen Strogatz die Graphentheorie, um herauszufinden, wie das gesellschaftliche Universum organisiert sein müsste, wenn es wie eine »Kleine Welt« im Sinne Milgrams funktioniert. In einer Computersimulation gelang es ihnen, sechs Milliarden Punkte - die die Bevölkerung der Erde repräsentieren - so miteinander zu verbinden, dass man von jedem beliebigen Punkt über höchstens sechs Knotenpunkte zu jedem beliebigen anderen gelangen kann. 2003 bestätigten Dodds et al. mit einem Experiment die »Kleine-Welt«-Hypothese auch für das Internet. Dafür wurde der E-Mail-Verkehr von 60.000 Testpersonen aus 166 Ländern ausgewertet. Obwohl Kritiker einige schlagkräftige Argumente gegen die Übertragung dieser These auf die Weltbevölkerung anbringen konnten, wird die Hypothese gerade im Bereich der Social Networks gerne wieder aufgewärmt und als eine Art »urban legend« weitergeben. 97 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 96 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 97 Und in der Tat ist es so, dass man bei Onlinenetzwerken das Gefühl hat, genau dieses Phänomen zu beobachten: Nimmt man sich wahllos eine Person aus dem Netzwerk heraus, wird immer der direkteste Weg von einem selbst zu eben dieser Person angezeigt, der selten mehr als fünf Glieder umfasst. Daneben spielt aber auch die Qualität der Beziehungen eine Rolle. Ganz unzweifelhaft hat die wissenschaftliche Forschung bewiesen, dass jeder Mensch starke Bindungen zu einer beschränkten Anzahl von Menschen hat, die ihrerseits durch ein dichtes Beziehungsgeflecht miteinander verknüpft sind. Zusätzlich zu diesen weitgehend geschlossenen Gesellschaften gibt es auf schwachen Bindungen basierende Zufallsbekanntschaften. Für die Bildung von beruflich-orientierten Netzwerken sind dabei die »weak ties« (schwache Bindungen) extrem wichtig, da sie auf Informationsaustausch und ökonomische Chancen ausgerichtet sind (vgl. Granovetter 1973) 21 . Erst diese verwandeln das gesellschaftliche Universum in ein Global Village. Denn entscheidend ist dabei nicht die schwache Relation an sich, sondern die Überbrückung von »strukturellen Löchern« (Burt 1992) zwischen verschiedenen Teilnetzwerken, also die Verknüpfung dieser Teile über Relationen zu Abb. 2.17: Das »Kleine-Welt«-Phänomen 98 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 98 Akteuren, die untereinander unverbunden sind. Soziologisch gesehen wird damit das individuelle, das »soziale Kapital« erhöht. Als soziales Kapital bezeichnet Pierre Bourdieu (1983) alle aktuellen und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sein können. Dabei bezieht sich das soziale Kapital nicht auf die Personen an sich, sondern auf die Beziehungen zwischen ihnen (vgl. Bourdieu 1983). Während bei den »strong ties« das soziale Kapital höher ist, je enger die Beziehungen sind, steigt bei den »weak ties« - und damit für die Teilnehmer der Online Social Networks - das soziale Kapital, je mehr Kontakte ein Teilnehmer zu anderen Netzwerkteilnehmern besitzt, die untereinander nicht verbunden sind (vgl. Granovetter 1973) 6 . 2.5.2 Prominente Beispiele Mittlerweile haben sich einige sehr große marktführende Netzwerke herausgebildet, die viele Leser zumindest vom Namen her kennen. Normalerweise müsste man diese verschiedenen Communitys ganz klassisch z. B. nach Wellmans Kriterien wie Dichte, Abgrenzung, usw. kategorisieren (1997) 22 . Dazu fehlen aber noch umfassende empirische Untersuchungen, die eine repräsentative Menge an Daten liefern könnten. Wir bleiben somit bei der groben Einteilung in freundschaftlich und geschäftlich orientierte Netzwerke. Zu den privat-freundschaftlichen Netzwerken zählen z. B.: • Facebook. Im Jahr 2008 wurde Facebook zum populärsten Social Network der Welt. Hier halten über eine Milliarde offiziell registrierte Nutzer weltweit Kontakt zu Freunden, Kommilitonen und Kollegen. Mit unzähligen spielerischen Anwendungen hilft die Seite den Nutzern dabei, ihr Sozialleben zu organisieren. Facebook ist aber durch den Umgang mit sensiblen Daten auch das umstrittenste Social Network (siehe unten den Abschnitt 2.5.5) • Google+. Der Dienst gilt seit 2013 als zweitgrößtes soziales Netzwerk weltweit. Google+ ist mit anderen Google-Diensten wie der Google Suche, YouTube oder GMail eng verzahnt. Eine besonders beliebte Funktion des Networks ist Hangout, mit dem man sofort und kostenlos eine Videokonferenz durchführen kann. Im Jahr 2014 reduzierte Google sein Engagement und plante einen großen Umbau. Es war offen, ob der Dienst als Social Network weitergeführt wird. 6 Weitere theoretische Details zur Netzwerkforschung finden Sie in Kapitel 3.1. 99 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 98 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 99 • MySpace ist eine mehrsprachige Website, die es den Nutzern ermöglicht, kostenlose Benutzerprofile mit Fotos, Videos, Blogs, Gruppen usw. einzurichten. Der Schwerpunkt von MySpace liegt seit Gründung durch Tom Anderson im Jahre 2003 auf der Musik. Anderson nutzte seine Kontakte zu Künstlern und Bands und überzeugte sie davon, sich »ihren MySpace« einzurichten. Damit wurde es möglich, dass Bands und Fans miteinander in Kontakt treten konnten. Der ehemalige Marktführer MySpace verliert jedoch seit Jahren an Bedeutung. Ein Besitzerwechsel 2011 und ein Relaunch 2012 konnten den Abwärtstrend bislang nicht aufhalten. • habbo. In den Räumen dieses virtuellen Hotels treffen sich vor allem Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren. Die Benutzer erhalten eine virtuelle Figur und können damit verschiedene Räume des Hotels betreten, mit anderen chatten und online spielen. Ebenso ist es möglich, eigene Räume mit Möbeln auszustatten und Gegenstände zu tauschen. Die Teilnahme an habbo ist kostenlos. Premium-Features des Spiels, wie virtuelle Möbel oder Habbo Club Mitgliedschaften müssen gekauft werden. habbo ist vom Prinzip her vergleichbar mit der 3D-Online-Community Second Life und gehört mit 162 Millionen Accounts zu den großen globalen Netzwerken. • studiVZ. Die Zielgruppe dieser Plattform sind Studenten, Alumni und Abiturienten aus dem deutschsprachigen Raum. Der Sinn ist, Kommilitonen zu vernetzen, Informationen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Das Profil der Mitglieder enthält neben den Hobbys und Interessen auch den Namen der Hochschule und die besuchten Veranstaltungen. Gleichgesinnte können sich somit finden, eine Lerngruppe bilden und sogar geschlossene Diskussionsforen einrichten. In studiVZ sind über eine Million Mitglieder registriert. • Badoo ist ein Social Network für Datings. Gegründet 2006 ist das Network in 180 Ländern verbreitet und besonders beliebt in Lateinamerika, Spanien, Italien und Frankreich. Badoo finanziert sich über ein sogenanntes Freemium-Modell: Um Zusatzfuktionen zu nutzen, muss man eine Gebühr bezahlen. Zu den bekanntesten Businessnetzwerken zählen: • LinkedIn. Zahlreiche Manager und Geschäftsleute haben diese Plattformen als professionelles Werkzeug entdeckt. Sie nutzen sie, um an neue Aufträge zu kommen, informieren sich über Businesspartner oder finden neue Mitarbeiter. Die Plattform zählt weltweit über 270 Millionen Mitglieder. • Xing. Die europäische Version von LinkedIn und aktuell das erfolgreichste Social Network aus Deutschland. Auch hier geht es hauptsächlich um die Suche nach geschäftlichen Kontakten. Die Plattform profiliert sich aber auch zunehmend als Netzwerk zur Job- und Personalvermittlung (»Social Recruiting«). 100 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 100 Die Plattform ging 2003 unter dem Namen openBC online und zählt heute weltweit über 14 Millionen Mitglieder. Die Oberfläche gibt es in 16 verschiedenen Sprachen. Wer besondere Privilegien, sprich ein paar zusätzliche Funktionen des Programms, genießen möchte, kann sich wie bei Badoo für wenige Euro im Monat eine Premiummitgliedschaft erkaufen. Neben diesen in Deutschland bekannten Netzwerken gibt es zahlreiche Communities, die in anderen Ländern und Kulturkreisen heimisch sind. • Friendster ist auch ein kalifornisches Unternehmen, aber die Mitglieder dieser Community kommen zu 90 % aus Asien. • Qzone. Die 1998 gegründete Website ist eines der größten Internetportale Chinas. • hi5. Ein Social Network, das unter anderem in Indien, Portugal, Mongolei und Thailand seine Anhänger hat. • VK verbindet vor allem Menschen in Russland und anderen GUS Staaten. Es gibt einen kleinen, bemerkenswerten Außenseiter, den wir hier berücksichtigen wollen: • ASmallWorld. Während die gängigen Social Networks das Ziel haben, möglichst viele Mitglieder anzuwerben, möchte ASmallWorld ganz exklusiv bleiben. Nur von »trusted members« eingeladene Personen dürfen sich anmelden. Kurz gesagt: eine Plattform für die Reichen, Schönen und Berühmten, oder diejenigen, die es werden wollen. Innerhalb der Social Networks ist ein harter Wettbewerb um Nutzer und Kapital festzustellen. Diesen Wettbewerb überleben oft auch große Networks nicht (z. B. Orkut oder Wer kennt wen). In diesem Segment des Social Webs werden hohe Summen investiert und verspekuliert, weil die führenden Social Networks nicht nur einnahmeträchtige Kommunikationsdienste sind, sondern auch die Infrastruktur im Web maßgeblich mitgestalten - über zusätzliche Apps, Smartphones, Bezahlsysteme, Browsertechnologien, Software- und Clouddienste. Dabei versuchen die Betreiber von Social Networks immer wieder neue Nutzergruppen zu integrieren, die sich über die Zeit abtrennen, entlang der Trennlinien »Class«, »Age« und »Culture«. Neugründungen, vor allem viele selbsternannte Facebook-Alternativen, scheitern in der Regel an dem äußerst hohen Investitionsbedarf. 101 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 100 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 101 2.5.3 Eigenschaften und Unterschiede Obwohl sich bisher noch keine tragende wissenschaftliche Einteilung der verschiedenen Netzwerke finden lässt, variieren die oben genannten Plattformen zum Teil erheblich in der Realisierung der Grundfunktionen 7 und in ihrem Angebot an zusätzlichen Features. Es wird deutlich, dass auch hier die Unterschiede zwischen Business- und Freundschaftsnetzwerken eine entscheidende Rolle spielen. Zugang zum Netzwerk. Theoretisch gibt es mehrere Ansätze, wie die Aufnahme eines Mitglieds in einem Netzwerk gehandhabt werden kann. So kann dies über Empfehlung oder Einladung bereits registrierter Nutzer geschehen oder über spezielle Einladung des Betreibers des Netzwerks, z. B. für bestimmte Expertennetze. Die Anmeldung kann aber auch ganz uneingeschränkt über eine einfache Onlineregistrierung erfolgen. Diese wird dann lediglich über den E-Mail-Account des Anmeldenden verifiziert. Die meisten Netzwerke basieren auf letzterem Modell. Um große Mitgliederzahlen zu erreichen, sollen die Einstiegshürden so gering wie möglich gehalten werden. Da trotzdem sehr viele Nutzer von bereits registrierten Mitgliedern geworben werden, versucht man auch diesen Weg durch besondere Angebote, etwa bequeme Einladungsfunktionen, zu unterstützen. Die Nutzung der freundschaftlichen Netzwerke ist meistens kostenlos. Business Networks bewerben kostenpflichtige Premiummitgliedschaften, die besondere Privilegien bei der Nutzung von Funktionen (Suchfunktion) genießen. Bei Xing besitzt das Premiummitglied außerdem einen Wissensvorsprung, der nicht zu unterschätzen ist: Es sieht, wer in letzter Zeit sein Profil besucht hat und wie er dazu gekommen ist, beispielsweise über die Suche nach dem Namen. Der Besucher einer Seite hat hier im Unterschied zu anderen Angeboten keine Möglichkeit zu entscheiden, ob die anderen Netzwerkteilnehmer mitbekommen, dass man ihre Seite besucht hat oder nicht. Dass man anderen Netzwerkteilnehmern ungefragt ihre informationelle Selbstbestimmung abkaufen kann, ist eine neue Qualität in den Netzwerken. Eine entgegengesetzte Strategie fährt Stayfriends, ein Netzwerk für die Kontaktaufnahme mit ehemaligen Schulfreunden. Hier kann nur der Premiumkunde verhindern, dass das Gegenüber über den Profilbesuch informiert wird. Das Mitgliederprofil. Anhand des beim Anmelden auszufüllenden Mitgliederprofils kann der Nutzer wählen, wie er sich den anderen präsentieren will. Wir nennen es ganz bewusst »wählen«, weil die eingegebenen Daten von niemandem überprüft werden. Natürlich geben die Plattformen mit dem Formular schon ein jeweiliges 7 Eine alternative Einteilung der Grundfunktionen finden Sie bei Richter und Koch (2008) 23 . 102 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 102 Setting vor: Während bei Xing großer Wert auf Informationen zu Ausbildung, Karriere und Expertise gelegt wird, werden bei Netzwerken wie studiVZ eher private Angaben zu Lieblingsbüchern und -filmen, Interessen und Vereinsmitgliedschaften abgefragt. Dies würde beim beruflichen Networking von den Mitgliedern wahrscheinlich als zu starke Offenlegung der Privatsphäre interpretiert. In der ersten Phase der Social Networks gab es auch große Unterschiede bei der Sichtbarkeit der Daten: Während die Kontaktdaten in Freundschaftsnetzwerken in den Standardeinstellungen eher frei zugänglich waren und im Nachhinein eingeschränkt wurden, konnten die Daten in Businessnetzwerken schrittweise und sehr individuell freigegeben werden. Hier haben sich die meisten Freundschaftsnetzwerke den Businessnetzwerken etwas angenähert. So können in der Regel Personendaten nur von bestätigten Kontakten gesehen werden, sofern der betroffene Nutzer das nicht bewusst anders in seinem Profil einstellt. Abb. 2.18: Profilseite bei StudiVZ 103 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 102 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 103 Das gesamte Netzwerk profitiert daher davon, wenn die Mitglieder möglichst viel von sich preisgeben. So wird man beispielsweise in Facebook immer wieder aufgefordert, Informationen über sich oder andere Facebooknutzer zu vervollständigen. Zu den Profileingaben kann optional ein Foto hochgeladen werden. Wird kein eigenes Bild hochgeladen, erscheint ein Dummy, das den User stets daran erinnert, dass sein individuelles Foto noch fehlt. Der Charakter der hochgeladenen Fotos unterscheidet sich auch hier erheblich: Findet man auf Xing eher die seriösen Bewerbungsfotos, dürfen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Facebook wesentlich kreativer präsentieren. Im Fotoalbum können bei letzteren außerdem zusätzliche Bilder von Partys, Freunden und Bekannten, und was einem sonst so wichtig ist, angezeigt werden. Das Profilfoto spielt eine weitere wichtige Rolle. Es fungiert sehr oft als Icon, das heißt, es wird symbolisch mit dem Namen zusammen angezeigt, wenn jemand eine Nachricht schickt oder einen Beitrag im Forum liefert, so dass der Nutzer sofort sieht, um wen es sich handelt. Ausgereifte Suchfunktionen. Sein Profil in das Netzwerk zu stellen und dieses gelegentlich zu aktualisieren, böte selbstverständlich keinen Mehrwert gegenüber älteren Intranetportalen, die auch schon über diese Art der Mitgliederverwaltung verfügten. Der besondere Clou der sozialen Onlinenetzwerke liegt in ihrer ausgeklügelten Suche und den Funktionen zum Vernetzen und Verwalten der Kontakte. Die strukturierte Erfassung der personenbezogenen Daten über Formulare bietet eben genau den Vorteil, dass man im Netzwerk über eine erweiterte Suchfunktion speziell nach bestimmten Gesichtspunkten filtern kann. So kann man Personen suchen, die im selben Verein sind und die gleiche Musikgruppe mögen. Oft sind in sozialen Netzwerken mehrere Suchen implementiert: eine ganz einfache Suche, in der schnell anhand des Namens gesucht werden kann, und zusätzlich eine »erweiterte Suche« für verschiedene gezielte Anfragekombinationen, wie »suche nach allen Mitarbeitern in der Baubranche im Bundesland Hessen«. Xing bietet für Premiummitglieder eine Powersuche an, mit der auf die Statistiken des Programms zugegriffen werden kann. Hier können »Beruflicher Status« oder »Unternehmen vorher« eingetragen und gesucht werden. Um dann zu einer ausgewählten Person Kontakt aufzunehmen, genügen meist ein Mausklick und ein paar begleitende Worte. Kontakte differenzieren. Die Verknüpfungen zu anderen Mitgliedern werden auf den Plattformen unterschiedlich realisiert. Folgende Aspekte sind zu unterscheiden (vgl. Donath/ Boyd 2004): 104 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 104 • Wechselbzw. Einseitigkeit. Die Verbindungen, die innerhalb der Social Networks geknüpft werden, sind in der Regel wechselseitiger Natur, das heißt, dass beide Seiten eingewilligt haben müssen, wenn zwischen zwei Kontakten eine Verbindung angezeigt wird, was in einer Gruppe »gleichberechtigter« Personen anzuraten ist. Eine Verknüpfung, die nur in eine Richtung funktioniert, gibt es z. B. bei Facebook oder bei StumbleUpon. Hier stellt man eine Star- oder Fanbeziehung her, indem man bestimmte Seiten mit »gefällt mir« markiert oder Personen »folgt«, damit die einseitige emotionale Verbindung zu einer verehrten Person oder Einrichtung angezeigt werden kann, ohne dass diese bestätigt werden muss. • (Un)Sichtbarkeit. In vielen bekannten Netzwerken sind die Verknüpfungen standardmäßig öffentlich und dauerhaft für alle anderen Mitglieder zu sehen. Es können also nicht nach Belieben einige Kontakte versteckt werden. Es gibt bei manchen Angeboten die Einschränkung, dass nur die Verbindungen direkter Kontakte eingesehen oder die eigenen Kontakte insgesamt versteckt werden können (wie z. B. bei LinkedIn). • Beziehungsgrad. Generell sind die Verknüpfungen nicht nach Beziehungen unterschiedlicher Stärke unterteilt. Alle Vernetzungen sagen nur etwas über die gegenseitige Einwilligung als Kontakt aus, nicht jedoch etwas über die Intensität und die Inhalte der Bekanntschaft. Eine Ausnahme bot schon früh das Google-Netzwerk Orkut, bei dem man nach dem Freundschaftsgrad differenzieren konnte. Auch Facebook bietet diese Funktion verstärkt an. Hier kann man aus Facebookfreunden »engere Freunde« auswählen und schon länger gibt es dort die Möglichkeit, den Verwandtschaftsgrad zu einer anderen Person oder berufliche Zusammenhänge anzugeben. Diese Differenzierung wird ausgerechnet von Datenschützern sehr gewünscht, um intimere Daten von allgemeiner verfügbaren trennen zu können. Sie wird bei informelleren Netzwerken als wichtiger erachtet als bei formalen Netzwerken, bei denen allein die Tatsache zählt, ob ein Kontakt besteht oder nicht (vgl. Wildbit 2005) 24 . • Kontext. Normalerweise werden die Kontakte auch nicht in den Kontexten angezeigt, in denen sie stehen. So kann man den Kontakt zwar zur eigenen Organisation mit Tags, wie »Geschäftlich«, »Schulfreund« oder »Urlaub_2014« versehen, dieses Ordnungssystem ist jedoch für die anderen nicht einzusehen. Google+ hat als erstes das Sortieren nach Kontexten zum Prinzip gemacht. Dort kann man Personen nicht nur »taggen«, sondern zu frei wählbaren Kreisen hinzufügen. Kontakte pflegen. Wird ein Kontakt von der anderen Seite bestätigt, taucht er fortan in der Liste der eigenen Freunde oder Kontakte auf. Es gibt die Möglichkeit, denjenigen wieder zu entfernen. Diese Funktion des »Entfreundens« wird in der 105 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 104 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 105 Praxis eher selten - und wenn, dann eher bei den Freundschaftsnetzwerken - genutzt. Weitaus häufiger werden Mitglieder per Knopfdruck »ignoriert«, dies bedeutet, dass der andere keinen richtigen Freundesstatus erhält, ohne dass dieser darüber benachrichtigt wird. Und nicht wenige Netzwerke haben in den letzten Jahren zusätzliche Funktionen zur Abwehr von Stalkern entwickelt. Ein Kontakt sagt daher auch nichts über die Aktualität der Beziehung aus. In den Social Networks gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, mit seinen Kontakten zu kommunizieren: • Persönliche Nachrichten versenden. Die Möglichkeit, anderen Mitgliedern eine Nachricht zu schicken, wurde in manchen Netzwerken eingeschränkt. Bei Stayfriends können nur Premium-Mitglieder die empfangenen Nachrichten von ehemaligen Mitschülern auch lesen. • »Gruscheln«. In vielen Freundschaftsnetzwerken gibt es sogar noch andere kreative Arten der Kontaktaufnahme und -pflege. So kann man auf studiVZ ein anderes Mitglied »gruscheln« (wahrscheinlich von »grüßen« und »kuscheln«). Derjenige bekommt daraufhin lediglich per automatische E-Mail und auf seiner Seite mitgeteilt, wer ihn gegruschelt hat. Niemand kann den Begriff genau erklären, aber das scheint gerade zum Kultstatus der Funktion beizutragen. Eine ähnliche Funktion gibt es bei Facebook. Hier kann man einen anderen »anstupsen«. • Pinnwand/ Gästebuch. Zusätzlich zu den gezielten persönlichen Nachrichten sind grundsätzlich noch Funktionen wie die »Pinnwand« oder das Gästebuch erwähnenswert. Hier können andere Nutzer öffentlich Nachrichten auf der Seite eines Bekannten hinterlassen, was z. B. sehr gerne für Geburtstagsgrüße oder Danksagungen eingesetzt wird. • Statusmeldungen. Gästebücher und Pinnwand wurden aber in den letzten Jahren weitgehend von den Statusmeldungen verdrängt, bzw. die Funktionen verschmelzen. Diese funktionieren ähnlich wie Microblogging-Dienste: Man postet eine Meldung, die allen Kontakten in einer Art Timeline (ein Begriff aus Twitter, gemeint ist die zeitlich sortierte Anordnung untereinander) angezeigt wird. In den meisten Fällen werden dort Funktionen angeboten um direkt auf Abb. 2.20: Gruscheln bei StudiVZ 106 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 106 die Nachricht zu antworten oder über »Gefällt mir / Gefällt mir nicht«-Schalter seine Meinung dazu kundzutun. Indirekte Zusatzinformationen. Nicht nur über die entsprechenden Benutzerprofile und die aktiven Kommunikationsmöglichkeiten können die Netzwerkteilnehmer mehr über ihre Kontakte erfahren. Sehr viele Details werden beiläufig über Funktionen geliefert, die kleine aber wichtige Bestandteile der Social Networks geworden sind und meistens von ihren Nutzern individuell eingestellt werden können, z. B. der Newsfeed in Facebook, der die neuesten Aktivitäten der Facebookfreunde anzeigt. Die »nebensächliche« Aufmerksamkeit, die die besagten Informationen erfordern, bezeichnen Richter und Koch als Awareness (2008) 23 . Sie unterscheiden folgende zwei Awareness-Typen: • Netzwerk-Awareness. Darunter versteht man das Gewahrsein über die Aktivitäten und den (veränderten) Status seiner Netzwerkkontakte. Hierzu gehören sowohl die Meldung über neue Kontakte und veränderte Profilangaben als auch die automatische Erinnerung an die Geburtstage der Kontakte. Es hat sich herausgestellt, dass eine hohe Netzwerk-Awareness die Bindung der Nutzer an das Social Network und damit die Verweildauer auf der Plattform erhöht. • Kontext-Awareness. Das Besondere an Social Networks ist, dass man nicht nur seine unmittelbaren Bekanntschaften sieht - was mit einem einfachen Adressbuch auch zu bewerkstelligen wäre -, sondern auch die Bekanntschaften x-ten Grades einschließlich der gemeinsamen Kontakte. Wenn man z. B. das Profil eines unbekannten (also nicht bestätigten Kontaktes) betrachtet, wird z. B. durch die Visualisierung der Bekannten als »Brückenelemente« angezeigt, über wie viele und vor allem über welche Kontakte der andere zu erreichen wäre (siehe Abb. 2.21). Solche Funktionen fördern die Herstellung eines gemeinsamen Kontexts und tragen damit positiv zur Vertrauensbildung bei. Gruppenbildung. Obwohl es den Teilnehmern in sozialen Netzwerken hauptsächlich darum geht, wahrgenommen zu werden, braucht es zum Networking doch auch inhaltliche Anknüpfungspunkte. Diese zeigen sich in den großen Communitys durch das Herausbilden von Gruppen. Systematisiert man die unterschiedlichen Gemeinschaften, bietet sich folgende Einteilung an (vgl. Wildbit 2005) 24 : Abb. 2.21: Kontaktepfad bei Xing 107 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 106 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 107 • gemeinsame Interessen, z. B. Hobbys, berufliche Schwerpunkte, • gleiche Lebenssituation, betrifft bestimmte Lebensphasen, z. B. berufstätige Mütter, • ähnliche Erfahrungen, z. B. Suchtgruppen, • gleiche Altersstufe, z. B. Ü30-Gruppe, • gleiche Vergangenheit, z. B. Alumni bestimmter Schulen, Konferenzgruppen, • Erziehung, z. B. gleiche Universität, Schule und • Orte, z. B. gleicher Heimatort. Die Grenzen zwischen diesen Kategorien sind fließend. Jedes Mitglied hat generell die Möglichkeit, eine eigene Gruppe zu eröffnen. Die Gruppen sind meistens eigene kleine Plattformen, die über eine Mitgliederverwaltung, über Foren, Blogs und Umfragetools verfügen. In den lokalen Gruppen werden auch regelmäßige Stammtische und Veranstaltungen in der realen Welt angeboten. Viele Gruppen werden aus dem sogenannten »First Life« in das Netzwerk übertragen. So gibt es den Lions Club in Xing oder AIESEC im studiVZ. Abb. 2.22: Die Gruppe »Kritische Geschichte« auf Facebook 108 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 108 Man sieht: Bestehende Sozialstrukturen werden oft ganz bewusst im Social Web abgebildet. Besonders deutlich wird das beispielsweise bei einer exklusiven Gruppe mit dem Namen »Adel in Wirtschaft und Gesellschaft«, in die man nur auf persönliche Einladung mit entsprechendem Adelsnachweis aufgenommen werden kann. Eine solche Gruppe, die sich wie ein erratischer Block in eine offene Community setzt, erscheint uns heute überholt und deplatziert. Das hat nicht nur mit dem offenen Charakter der Social Networks zu tun. In ihrer Geschichte hat die bürgerliche Gesellschaft neben zahlreichen Ausschlussverfahren auch starke integrative Politikformen entwickelt. Betrachtet man den Vorgang funktional, so erklärt er sich als identitätsstiftende Selbstvergewisserung und Positionsbehauptung. Das Beispiel zeigt recht plastisch, dass Strategien, Habitus, kulturelle Ausdrucksformen und Denkweisen über das Social Web weitervermittelt werden - auch wenn das meist weniger deutlich sichtbar ist als bei diesem plakativen Beispiel. Vor diesem Hintergrund sind Online Social Networks auch als exklusive Medien zu verstehen, über die sich soziale Gruppen nicht nur gegenüber anderen Netzmitgliedern, sondern auch generell gegenüber Personen ohne Onlinezugang oder mit anderen Karrieren, Arbeits- und Lebensweisen abgrenzen. Mitgliederreputation. Angaben, die Rückschlüsse über die Reputation eines Mitglieds erlauben, sind wichtige Entscheidungshilfen, ob man mit einer bisher unbekannten Person digital in Kontakt treten soll oder nicht. Ein Anhaltspunkt ist nach wie vor die Anzahl der Kontakte ersten, zweiten und dritten Grades, da diese das soziale Kapital des Mitglieds präsentieren. Über die Aussagekraft dieser Angabe lässt sich natürlich streiten, wenn man bedenkt, wie einfach ein Bekanntenkreis über die Plattform erweitert werden kann. Ein kleines, feines Netzwerk von tatsächlich bestehenden, fruchtbaren Kontakten ist an sich positiver zu bewerten als eine Ansammlung von hunderten »Karteileichen«, mit denen möglicherweise noch nicht einmal ein Wort gewechselt wurde. Eine persönliche Beurteilung ist da schon wesentlich glaubwürdiger. Bei LinkedIn kann man anderen Mitgliedern Empfehlungen, also eine kurze Bewertung, Abb. 2.23: Individuelle Netzwerkstatistik bei Xing 109 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 108 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 109 schreiben. Bei Xing kann man ebenfalls Referenzen schreiben. Die Anzahl der Empfehlungen und die Referenzen werden natürlich im Profil angezeigt. Xing bietet noch eine individuellere Variante: Hier kann man Mitglieder untereinander vorstellen (»empfehlen«). Jede Plattform verfügt neben den genannten Grundfunktionen und Eigenschaften über eigene Features, wie z. B. Möglichkeiten der Terminplanung, Benachrichtigungsformen oder einer Liste für gemerkte Kontakte, auf die wir an dieser Stelle jedoch nicht näher eingehen können. 2.5.4 Mehr-Ebenen-Networking Als sehr junges Phänomen hat das Social-Networking den Nachteil, dass seine empirische Untersuchung noch in den Kinderschuhen steckt. Trotzdem gibt es kleinere Studien, die bereits interessante Einzelergebnisse über die Nutzung von Netzwerken liefern. So stellt Florian Renz (2007) in seiner Diplomarbeit fest, dass das Knüpfen von neuen Kontakten in Businessnetzwerken eher zweitrangig ist und die Xing-Mitglieder viel stärker bereits bekannte Kontakte pflegen und verwalten. Sowohl die Vorgehensweise beim Kontaktmanagement als auch die Einschätzung der eigenen Kontakte zeigen, dass der Faktor »Bekanntheit« das wichtigste Gütesiegel ist. Das nötige Vertrauen allein könne über die computervermittelte Kommunikation nur bedingt hergestellt werden. Wenn ein Xing-Anwender eine Person aus der realen Welt kennt, so ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass die Kontaktanfrage bestätigt wird. Ob der Kontakt auch geschäftliche Relevanz besitzt oder nicht, spielt dabei so gut wie keine Rolle. Das Online-Networking via Xing und die darüber organisierten »offline«-Treffen bzw. Stammtische von Ortsgruppen bilden für viele Nutzer die ideale Ergänzung zum traditionellen Networking. Diese Doppelung von Netzwerken in der realen Welt und in virtuellen Welten wird als »Mehr-Ebenen-Networking« bezeichnet. Offensichtlich ist eine Entwicklung zum Mehr-Ebenen-Networking zu beobachten, bei dem Wechselwirkungen zwischen traditionellen und den neuen Praktiken entstehen (vgl. Renz 2007). Auch in den privaten Netzwerken lässt sich dieser Trend nachvollziehen: Lenhart und Madden (2007) 25 stellten in einer Studie fest, dass die meisten Jugendlichen in Abb. 2.24: Empfehlung bei LinkedIn 110 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 110 MySpace bereits bestehende Beziehungen pflegen: 91 Prozent nutzen das Netzwerk, um Freunde zu kontaktieren, die sie oft treffen und 82 % um die Verbindung zu Bekannten zu halten, die sie selten sehen. 2.5.5 Facebook - ein exemplarischer Sonderfall Der Aufstieg von Facebook zum weltweit größten Social-Network-Anbieter ist ein interessantes Phänomen. Ähnlich der Online-Enzyklopädie Wikipedia nimmt Facebook eine gewisse Sonderrolle ein und dient zugleich als allgemeines Beispiel für Chancen wie Risiken von Social Networks. Grundsätzlich wird mit Facebook die Etablierung von Social Networks als Massenmedium verbunden - zumindest in Deutschland. Man kann sagen, Facebook gehört neben Wikipedia, Twitter, YouTube und Wordpress zu den »Big Five« des Social Webs. Das liegt nicht zuletzt an der Software selbst: • Der Fokus liegt auf kurzweiliger Unterhaltung und Kommunikation; ausgebaute Gruppenforen für vertiefte Debatten wie etwa bei Xing sind weniger prominent. • Layout und Design der Software sind trotz des wachsenden Funktionsumfangs außerordentlich übersichtlich und benutzerfreundlich. Die Benutzeroberfläche und die Software wurden stilbildend. • Facebook verbindet auf spezifische Weise Kommunikation, Netzwerk und Spiele. Inhaltlich stellt Facebook den microblogartigen Nachrichtendienst in den Mittelpunkt, über den sich die Nutzer über die Aktivitäten ihrer Facebook-Freunde informieren können. Dieser Nachrichtendienst ist funktional mit Twitter vergleichbar, aber zum Teil wesentlich komfortabler. • Über sogenannte »Social Plugins« (»soziale Erweiterungen«) wie der »Like«-Button oder die Facebook-Kommentarfunktion können externe Webseiten angebunden werden. Spezielle Facebook-Clients sind mittlerweile für verschiedene mobile Plattformen (z. B. Blackberry) verfügbar. So antwortet Facebook auf einen konkreten Kommunikationsbedarf der Nutzer. Über Facebook kann man sich schnell über Aktivitäten, Meinungen und Eindrücke von Facebook-Freunden informieren. Das vertieft besonders den Kontakt zu Freunden, die man außerhalb der virtuellen Welt eher selten sieht. Facebook ermöglicht kurzzeitige Abwechslung von Schule und Arbeit oder ist willkommen, wenn man allein zu Hause oder in einem Zug sitzt. Manche Unternehmen und Schulen sperren jedoch den Zugang zu Facebook, um die Ablenkung zu unterbinden. 111 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 110 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 111 Und so ist auch die Expansion von Facebook - das Momentum für den Erfolg der Plattform - von großer Bedeutung. In Deutschland war Facebook bis 2008 ein akademisch geprägtes Netzwerk für die Pflege überregionaler Kontakte im Ausland oder in anderen Städten. Nach der Facebook-Welle von 2009/ 2010 fanden sich immer mehr Bekannte und Freunde in Facebook. Facebook wurde zu einem zentralen und führenden Netzknotenpunkt. Aufgrund der spezifischen Schwerpunktbildung des Netzwerkes und der großen Nutzerzahl wird das Netzwerk auch zunehmend als PR-Plattform für Organisationen und Unternehmen (z. B. Buchverlage) interessant. Speziell Facebook geriet in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik, teilweise steht es aber auch stellvertretend für eine Auseinandersetzung mit Social Networks generell. • Nutzerdaten. Im Februar 2009 änderte Facebook die Nutzungsbedingungen. Das Unternehmen wollte damit rechtlich sicherstellen, die Daten von Mitgliedern zeitlich unbegrenzt auch nach Löschung bzw. Deaktivierung eines Nutzerkontos verwenden zu dürfen. Nach massiven Protesten von Nutzern, Daten- und Verbraucherschützern wurden die Nutzungsbedingungen wieder auf den alten Stand zurückgesetzt. Im April 2009 stellte Facebook dann modifizierte Nutzungsbedingungen zur Abstimmung. Darin wurde den Nutzern der Besitz Abb. 2.25: Die persönlichen Neuigkeiten auf einem Facebook-Account 112 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 112 ihrer Informationen zugesichert. Diese Regelung wurde dann von einer Mehrheit der Teilnehmer befürwortet. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, in denen Facebook immer wieder beabsichtigt, schleichend datenschutzrechtlich problematische Änderungen einzuführen und die Nutzercommunity versucht, diese wieder abzuwehren. Als Konsequenz wurde Facebook im Jahr 2011 der Negativpreis »Big Brother Award« als Datenkrake verliehen. • Überwachung und Data-Mining. Weiter machte Facebook Schlagzeilen, weil Nachrichtendienste und Polizei die Datenbanken von Facebook auswerten. So ist eine an Facebook beteiligte Risikokapitalfirma eine Gründung der CIA. Mitte 2009 wurde bekannt, dass die iranische Polizei Facebook-Profile benutzt, um bei Verhören den Freundeskreis von Regimegegnern und Demonstranten auszumachen und namentlich zu identifizieren. Der Whistleblower Edward Snowden berichtete 2013, dass sich der Geheimdienst NSA seit 2009 im Rahmen des Prism-Programms Zugriff auf Facebookdaten verschafft. Aber - wie gleich noch gezeigt wird - können nicht nur staatliche Stellen, sondern auch Privatpersonen die Daten der Plattform auslesen. • Personalisierte Werbung (Targeting). Im Oktober 2007 kündigte Facebook an, in allen vorhandenen Nutzerprofilen personalisierte Werbung zuzulassen. Dabei werden den interessierten Konzernen und Unternehmen persönliche Daten der Nutzer zur Verfügung gestellt. Neben Alter, Geschlecht, Hobbys, Wohnort, politischer Überzeugung, Lieblingsbüchern und Lieblingsfilmen umfassen die bereitgestellten Informationen auch den Bildungsstand und Hinweise auf persönliche Beziehungen. Diese hier nur beispielhaft genannten Vorgänge illustrieren die Problematik von Social Networks, vor allem, wenn sie als gewinnmaximierende Unternehmen verfasst sind. Auch wenn Facebook mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen experimentiert, finanziert es sich in erster Linie aus gezielter Werbung. Damit tendiert das Unternehmen ganz unvermeidlich dazu, immer wieder Datenschutzrichtlinien zu unterlaufen. Es steht in einem Wettbewerb mit anderen Datendienstanbietern wie Google. Daneben üben Staaten wieder vermehrt repressiven Druck auf die Kommunikationsdienste und ihre Nutzer aus. Gleichzeitig zeigt sich immer wieder die Abhängigkeit von den Nutzern. Diese können in kürzester Zeit über die Plattform Widerstand gegen Veränderungen der Geschäftsbedingungen organisieren. Zudem führen tiefgreifende Änderungen zur Abwanderung vieler Nutzer. Und es bildet sich auch ein wachsendes bürgerrechtliches Widerstandspotenzial gegen jede Form der Überwachung und der Weitergabe privater Nutzerdaten. 113 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 112 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 113 So sind die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Facebook notwendige gesellschaftliche Klärungs- und Lernprozesse im Umgang mit der Social Network-Technologie. 2.5.6 Schattenseiten Die European Network and Information Security Agency (ENISA) stellte bereits 2007 in einem Positionspapier ihre Bedenken bezüglich der Onlinenetzwerke dar (Hogben 2007) 26 . Diese seien wie eine digitale Cocktailparty, bei der man viele Leute trifft, ein bisschen über die Stränge schlagen und am nächsten Tag mit einem furchtbaren Kater aufwachen kann. Häufig seien sich die Nutzer nicht bewusst, wie groß das Publikum tatsächlich ist, vor dem sie dort Privates ausplaudern. Dies führt uns zu den negativen Seiten des Online-Networking: Ansammlung privater Daten. In der Tat liegt es in der Natur dieser Applikation, dass hier besonders viele Daten offengelegt werden. Um die einzelnen Identitäten samt ihrer Fotos mit ihren Kontaktdaten, Werdegang, Vorlieben und sozialen Beziehungen zusammenzubringen, braucht es hier noch nicht einmal komplexe Algorithmen oder raffinierte Mustererkenner. Dabei stellt der Nutzer selbst die größte Schwachstelle dar. Im sog. Facebook-Experiment meldete sich die IT-Sicherheitsfirma Sophos unter dem frei erfundenen Namen ›Freddi Staur‹ in Facebook an und erstellte ein Profil mit dem Foto eines kleinen, grünen Frosches und ein paar persönlichen Daten. Um zu erfahren, wie viele Mitglieder auf die Anfrage eines fremden Absenders antworten, sendete Sophos daraufhin Anfragen an 200 willkürlich ausgewählte Facebook-Nutzer. Die Ergebnisse zeigen, wie einfach es ist, in Social Networks an persönliche Daten zu gelangen (Sophos 2007) 27 : • 87 der 200 der kontaktierten Facebook-Nutzer antworteten auf die Anfrage. • Insgesamt ließen 41 Prozent der kontaktierten Mitglieder den Zugriff auf persönliche Informationen zu. • 84 Prozent gaben ihre vollständigen Geburtsdaten an. • 87 Prozent stellten detaillierte Informationen zu ihrer Ausbildung und ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung. • 78 Prozent gaben Auskunft über ihre aktuelle Adresse oder den derzeitigen Wohnort. • 23 Prozent gaben ihre Telefonnummer an. 114 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 114 Einen weiteren wichtigen Punkt stellt diesbezüglich die Firmenpolitik des Netzwerkbetreibers dar. Wenn dieser z. B. Daten großzügig an Unternehmen und Konzerne zu Werbezwecken weitergibt, sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Genaueres zu diesem Thema finden Sie in Kapitel 3.2.6. Ansammlung firmeninterner Daten. Doch nicht nur die privaten Daten sind in Gefahr. Anhand von umfangreichen Einträgen in die Businessvarianten der Social-Network-Dienste ist es möglich, Informationen über den Aufbau und die Struktur von Unternehmen im Allgemeinen und von Organigrammen und Mitarbeiterprofilen im Speziellen ohne großen Aufwand zu erstellen. »Contacts not friends«-Phänomen. Die Hemmschwelle für eine Kontaktaufnahme im Vergleich zur Realwelt ist stark abgeschwächt. Der Nutzer muss nur noch einen »Kontakt hinzufügen« Button drücken. Dies verleitet manche Nutzer dazu, möglichst viele Kontakte ergattern zu wollen, obwohl sie zum Teil keinerlei Bezug zu dem Gegenüber haben. Diese Haltung verwässert nicht nur deren eigenen Bekanntenkreis und bringt ihnen damit keinerlei Reputationsgewinn, sondern schwächt insgesamt Aussage und Sinn des Netzwerkes. Lurker und Stalker. Wie bei anderer Social Software gibt es natürlich auch bei Sozialen Onlinediensten Mitglieder, die sich nicht an die Regeln halten und damit das gesamte Netzwerk beschädigen. Harmlos, aber nicht besonders hilfreich sind die Lurker. Diese sind passive Nutznießer, also nur lesende Teilnehmer, die nicht viel von sich preisgeben. Stalking im Netzwerk ist dagegen eine ernstzunehmende Form der Belästigung. Hier nutzen Mitglieder die Plattform, um andere gegen ihren Willen zu »verfolgen«, indem sie sie ständig kontaktieren und ausspionieren. Falsche Identitäten. Jemand meldet sich mit falschen Angaben im Netzwerk an und nutzt seinen Account, um mit falscher Persönlichkeit Kontakte zu sammeln und Informationen auszuspionieren. Natürlich wird dies nicht gerne gesehen, denn die sozialen Netzwerke sind keine Rollenspiele, sondern darauf angewiesen, dass die Mitglieder authentisch sind. Bisher sind diesbezüglich noch nicht allzu große Probleme aufgetaucht, was wahrscheinlich daran liegt, dass die meisten Beziehungen - besonders in geschäftlichen Social Networks - einen starken Bezug zur Realität haben und Schummeleien schnell aufgedeckt werden können. Mobbing. In Online-Communitys treten immer wieder Fälle von digitalem Mobbing auf. Mitglieder werden mit der Verbreitung von demütigenden und rufschä- 115 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 114 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 115 digenden Aussagen terrorisiert. Ein tragisches Beispiel, das mit dem Selbstmord einer Nutzerin endete, wird bei Patalong (2007) 28 beschrieben. Hacking. Hacker versuchen auch in Social Networks im großen Maßstab Daten zu erbeuten. So wurden beispielsweise von einem russischen Hacker 2012 bei einem Angriff auf die Server von LinkedIn die Passwörter von 6,5 Millionen LinkedIn-Mitgliedern im Internet veröffentlicht. 2.5.7 Messaging Die schnelle Kommunikation innerhalb von Gruppen hat sich in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre als eine essentielle Nutzung von Social Networks herausgestellt. Dies ist nicht zuletzt der mobilen Wende geschuldet. Instant Messenger, die schon in den 1990ern in Gebrauch waren (z. B. ICQ seit 1996), gehören streng genommen nicht direkt in den Fokusbereich dieses Buches, da sie nicht über das WWW, sondern über andere Techniken des Internets miteinander kommunizieren. Wir sehen jedoch eine zunehmende Verschmelzung der Technologien. Insbesondere ist für mobile Nutzer der Unterschied, ob eine App über das WWW oder andere Wege das Netz benutzt, nicht mehr transparent. Neben der Geschwindigkeit der Kommunikation spielen weitere Faktoren eine Rolle bei der Renaissance dieser Dienste. Einerseits haben Instant Messenger eine Push-Funktion. In Kombination mit Handys, die die Nutzer gewissermaßen immer mit sich tragen, entsteht hier eine sehr hohe Erreichbarkeit, die mit SMS oder Telefonie vergleichbar ist. Andererseits spielt das Bedürfnis nach privater Kommunikation eine Rolle. So ist die Sichtbarkeit von Botschaften in Social Networks wie Facebook nicht immer transparent für den Nutzer und es muss davon ausgegangen werden, dass ein Beitrag den intendierten Leserkreis verlässt. Bei Messengern ist das umgekehrt, man geht davon aus, dass es sich um eine interne Kommunikation handelt. Ob dies in der Praxis tatsächlich der Fall ist, ist fraglich. Gerade im Bereich von sensiblen Kommunikationen hat sich daher eine weitere Form herausgebildet, die das Element der Flüchtigkeit wiedereinführt. Dienste wie SnapChat oder Slingshot machen eine Botschaft nur für wenige Sekunden sichtbar, dann wird sie gelöscht. Periscope und Meerkat erlauben nur Livestreaming von Videos ohne Speicher-Option. Jedoch sind diese Dienste mit Vorsicht zu genießen. Den Plattformen ist die Identität der Nutzer bekannt, einige werden zudem von den großen Playern betrieben: Slingshot ist mit Facebook assoziiert, Periscope mit Twitter. Es ist naheliegend, bei flüchtiger Kommunikation anzunehmen, dass hier auch unangemessene Inhalte versendet werden. Gerade das Stichwort »Sexting« ist 116 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 116 hier zu nennen, also das Versenden von erotischen Aufnahmen des eigenen Körpers. Jedoch zeigte eine Studie von Roesner, Gill und Tadayoshi (2014), dass nur 14.2 % der Befragten sexuelle Inhalte versenden. Die Mehrheit von 59.8 % nutzt es vorwiegend, um »stupid faces« zu verschicken. WhatsApp. Ein Pionier der zweiten Generation von Instant Messengers ist Whats- App, das zunächst als App für mobile Geräte verteilt wurde, seit Anfang 2015 ist es auch über das WWW erreichbar. Es erlaubt das Senden von Texten, Bildern, Videos und Standortinformationen an andere Personen oder Gruppen. WhatsApp war zeitweise der schnellst wachsende Dienst des Internets und hatte im September 2015 900 Millionen Nutzer. 2014 wurde es von Facebook übernommen. Facebook Messenger ist die Reaktion des Social Networks Facebook auf die Beliebtheit der Instant Messenger. Alle Facebook-Nutzer haben einen Messenger-Account. Der Messenger wurde mit einigem Nachdruck auf dem Markt platziert: In 2014 wurde die Facebook-App des Messengers ausgegliedert. Alle Nutzer, die den Messenger weiterhin nutzen wollten, mussten sich eine zweite App installieren. Durch die große Beliebtheit des Dienstes hatten die Nutzer quasi keine Wahl, als hier mitzuziehen, um am Puls der Freundesliste zu bleiben. SnapChat zeichnet sich dadurch aus, dass die vornehmlich audiovisuellen Botschaften, die über dieses Netzwerk geschickt werden, den Empfängern nur für maximal 10 Sekunden angezeigt werden. Dadurch soll die Privatsphäre des Nutzers besser gewahrt werden. Jedoch sind die gezeigten Bilder und Videos auf den mobilen Endgeräten relativ leicht rekonstruierbar. Google Hangouts hat mit seiner Video-Chat-Funktion Pionierarbeit geleistet. In sogenannten Hangouts können sich Nutzer zusammentun und, mit Kamera und Mikrofon ausgestattet, sich nicht nur hören, sondern auch sehen. 2.5.8 Ein eigenes Netzwerk erstellen Obwohl es sehr bequem ist, sich bei bereits bestehenden Netzwerken einzunisten und deren Dienste in Anspruch zu nehmen, sind viele Leute daran interessiert, ihr eigenes Netzwerk auf die Beine zu stellen. Auch beim Online-Networking gibt es die zwei gängigen technischen Optionen: Entweder man installiert sich selbstständig eine Software auf dem eigenen Server oder man nimmt die Dienste eines Hosters in Anspruch. 117 2.5 Social Networks www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 116 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 117 Für die erstere Lösung spricht die Tatsache, dass man damit die volle Kontrolle über die sensiblen Daten behält und auch keiner unnötigen Werbung ausgesetzt wird. Die angebotene Software reicht von einfachen kleinen Programmen bis hin zu größeren Paketen, die auch für größere Communitys geeignet sind. Die schnellste Variante ist sicherlich die Erweiterung der Software WordPress mit dem Modul BuddyPress. So lassen sich sehr schnell und günstig Gruppenfunktionen, Foren und soziale Profile erstellen. Für den größeren Einsatz - auch in Unternehmen - ist unter den Open- Source-Programmen ELGG die führende Lösung. Als weitere proprietäre Unternehmenslösungen sind Jive und Just.social sehr verbreitet. Als Onlinedienst ist unter anderen mixxt sehr beliebt. Mixxt wird gern zur Unterstützung von Konferenzen genutzt. Daneben bietet Mixxt Unternehmen die Möglichkeit, im Handumdrehen ein internes Social Network aufzubauen. Als Hoster ist auch noch das Unternehmen Ning zu empfehlen. Mit wenigen Klicks und kostenlos erhält man sein eigenes Netzwerk. Abb. 2.26: Hosting bei Ning 118 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 118 Übungsfragen 1. Nennen Sie weitere Soziale Netzwerke im Internet und beschreiben Sie die Zielgruppe! 2. Wie könnten firmeninterne Daten über ein Online Social Network wie z. B. Xing ohne technische Hilfsmittel in Erfahrung gebracht werden? 3. Welche Tipps für einen sicheren Umgang mit OSNs würden Sie einem Freund geben, der sich z. B. bei StudiVZ anmelden möchte? Literatur Anklam, Patti (2007): Net Work. A Practical Guide to Creating and Sustaining Networks at Work and in the World. Butterworth-Heinemann, Oxford. Anspruchsvolle Einführung sowohl in die gängigen Netzwerktheorien als auch -praktiken. Kneidinger, Bernadette (2010): Facebook und Co: Eine soziologische Analyse von Interaktionsformen in Online Social Networks. VS-Verlag, Wiesbaden. Soziologische Studie zur Facebook-Nutzung im deutschsprachigen Raum. 2.6 Social Sharing Wie wäre es, wenn man die eigene Linksammlung oder das eigene Fotoalbum statt auf dem heimischen Rechner direkt im Internet verwalten könnte? Man wäre ortsungebunden, hätte die Daten an jedem Rechner und (fast) jederzeit zur Verfügung. Klar, derartige Seiten existieren schon seit Ende der 1990er. Nun wurden diese Tools um die Möglichkeit erweitert, ausgewählten Mitteilnehmern die eigene Liste, die eigenen Fotos oder die eigenen Filme zur Verfügung zu stellen. Damit werden gemeinsame Wissensbasen über Linklisten geschaffen. Urlaubsfotos können unproblematisch ausgetauscht und zu einem gemeinsamen Album zusammengelegt werden. Das ist es, was grob unter Social Sharing zu verstehen ist. Dabei werden einige der geteilten Ressourcen der gesamten Öffentlichkeit verfügbar gemacht. Diese können dann von anderen mit Freitext beschrieben, mit Schlagworten versehen oder über ein Ratingsystem bewertet werden. Die Daten werden vom System ausgewertet und resultieren dann in unterschiedlichen Rangpositionen der einzelnen Einträge. Diese wiederum haben hohe Relevanz bei Toplisten, Suchanfragen oder individuellen Empfehlungen aufgrund des eigenen 119 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 118 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 119 Profils. So wird die Social-Sharing-Plattform zu einer maßgeschneiderten Informationsquelle für jeden einzelnen. Social-Sharing-Plattformen zählen zu den ältesten und auch zu den am weitesten verbreiteten Anwendungen des Social Webs. So existiert die Link-Plattform Delicious schon seit 2003 und das Videoportal YouTube seit 2005. Sie nutzen die Kraft der Community, indem viele Teilnehmer kleine Aktionen, wie beispielsweise ein Rating, ausführen, um den Wust an Informationen, die eingetragen werden, zu ordnen. Je nach Ausprägung wird dabei massenhaft eigenes Material zur Verfügung gestellt oder auch nur per Verweis zusammengetragen. Merkmale: • Personalisierung ist optional, • es werden Ressourcen zur Verfügung gestellt, • diese können geordnet und bewertet werden und • die Unterteilung in öffentliche und private Bereiche ist möglich. Abb. 2.27: Auf den Social Sharing-Plattformen werden diverse Ressourcen zur Verfügung gestellt. 120 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 120 2.6.1 Funktionsweise Zwei Aspekte sind es, die Plattformen des Social Sharing besonders attraktiv für die Community machen. Zum einen kann man Inhalte verfügbar machen und teilen. Zum anderen werden diese Inhalte gemeinsam geordnet und bewertet. Was wird geteilt? Teilen kann man im Prinzip alles, was in digitalisierbarer Form vorliegt. Hohe mediale Beachtung finden immer wieder Filesharing-Netzwerke und -Plattformen, bei denen alle Formen von Dateien ausgetauscht werden, insbesondere Software und Videofilme. Diese Filesharing-Netzwerke beruhen in der Regel auf eigenen Protokollen und Zugangsprogrammen, so dass sie hier nur am Rande erwähnt werden. Interessanter sind da schon Plattformen, auf denen Links in diese Netze, insbesondere zu eDonkey und Bittorrent, zu finden sind. Im Gegensatz zu anderen Tauschnetzen wie Gnutella sind diese Netze so gestrickt, dass man wissen muss, wo eine Datei liegt, um sie herunterladen zu können. Dies wird in URLs oder Torrent-Informationen festgehalten. Ressourcen müssen also nicht immer ganze Dateien sein, auch einfache Daten können geteilt werden. Zu den am häufigsten zur Verfügung gestellten Daten zählen: • Links. Bookmarksammlungen im Netz zu verwalten ist inzwischen sehr in Mode gekommen. • Fotos. Besonders bei gemeinsamen Unternehmungen, z. B. Gruppenreisen, ist es interessant, diese Bilder allen Teilnehmern zur Verfügung zu stellen. Für die breite Öffentlichkeit wird häufig künstlerisches oder emotionales Material geteilt. • Videos. Bewegte Bilder haben in letzter Zeit einen ziemlichen Zulauf. Häufig sind das mit Webcams aufgenommene Redebeiträge oder Mitschnitte aus Fernsehsendungen. Handys als Aufnahmegerät erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit. Daneben gibt es Sharing-Plattformen für alles Erdenkliche, angefangen von Musik über lustige E-Mails bis hin zu Lebenszielen. Auf einer zweiten Ebene werden Einschätzungen und Erfahrungen veröffentlicht, die mit bestimmten primären Elementen, wie z. B. einem hochgeladenen Video, gemacht wurden. Dazu zählen auch Produktbewertungen, bei denen selbstredend das beschriebene Objekt, das Produkt, nicht geteilt wird. Es werden jedoch Kaufempfehlungen oder -warnungen ausgesprochen, um andere an den eigenen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Um die genannten Materialien online zu teilen, gibt es verschiedene Wege. In der Regel werden die Daten auf den Server der Plattform übertragen, der dann die Verteilung übernimmt. 121 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 120 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 121 Dazu gibt es verschiedene Methoden: • Direktes Eintragen. Die Plattform stellt eine Maske zur Verfügung, in die direkt Texte, Links oder anderweitige Informationen eingetragen werden können. • Upload. Dateien, die auf dem eigenen Rechner vorliegen, können über verschiedene Kanäle, meistens aber auch mittels eines Webformulars auf den Server übertragen werden. • Per Link und Toolbar. Gerade beim Social Bookmarking gibt es Widgets, die man auf der eigenen Seite anbringen kann, um eine einfache Eintragung in ein Verzeichnis zu erleichtern. Große Plattformen stellen in der Regel auch Browsererweiterungen in Form von Toolbars zur Verfügung, die dem Surfer eine problemlose Notiz ermöglichen. • Direkteinspielung. Einige Videoportale (YouTube) bieten sogar die Möglichkeit, Material direkt mithilfe einer Webcam über den Browser einzuspielen. So entfällt die Notwendigkeit, die Daten auf dem eigenen Rechner zwischenzuspeichern. Nachdem die Daten übertragen wurden, muss nur noch festgelegt werden, wer darauf Zugriff haben darf. Dabei gibt es drei grundlegende Möglichkeiten: • Private Daten dürfen nur von demjenigen gesehen werden, der sie auch eingestellt hat. Sie dienen nur zu dem Zweck, den eigenen Arbeitsplatz oder Datenspeicher ins Netz zu verlagern. • Interne Daten werden einem ausgewählten Kreis von Menschen zur Verfügung gestellt. Das sind entweder alle Mitglieder der Plattform, Mitglieder auf einer speziellen Freundesliste oder aber direkt eingeladene Teilnehmer. • Öffentliche Daten dürfen von jedem gesehen werden. Hier spielen natürlich stärker als bei den anderen beiden Formen Aspekte des Datenschutzes und des Urheberrechts eine Rolle. Die Möglichkeit, Daten auch für sich privat zu behalten, spielt mit der Me-first-Motivation. Die Benutzer sollen zunächst an ihre eigenen Vorteile denken und die Sharing-Plattform als Webanwendung für sich selbst entdecken. Die Entstehung eines Bild- oder Linkarchivs wird so mehr oder weniger zum Nebenprodukt. Nicht alle Plattformen erlauben diese Option. Information Retrieval. Mit steigender Zahl von Inhalten sehen sich Sharing-Plattformen einem alten Problem der Informationswissenschaft gegenüber: Wie organisiert man die Daten, dass sie einfach wiedergefunden werden können? Ein ganzer Forschungsbereich, Information Retrieval, widmet sich der Lösung dieses Problems (vgl. Ferber 2003). Dabei sind zwei Messgrößen maßgeblich: Zum einen ist 122 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 122 die Frage, wie viele der relevanten Dokumente gefunden werden und wie viele im Dunklen bleiben. Diesen Wert nennt man Recall. Der zweite Faktor ist, wie viele Dokumente gefunden werden, die eigentlich nicht gewünscht sind und als »Datenmüll« liegen bleiben. Diesen Wert bezeichnet man als Precision. Ziel ist es, beide Werte möglichst hochzutreiben, so dass möglichst nur relevante Dokumente und davon alle gefunden werden. Das ist eine schwierige Aufgabe. Automatische Texterschließungen, statistische Verfahren, lernende Systeme oder Algorithmen, die wie bei Google den Kontext eines Dokuments mit einbeziehen: Alle haben ihre Tücken. Ein Trend im Social Web ist, wie könnte es anders sein, eine Erschließung der Daten über massive Kollaboration. Die beiden genannten Ziele des Information Retrieval können dabei mithilfe unterschiedlicher Mechanismen verbessert werden (vgl. Griesbaum 2007) 29 . Um die Quote der zu findenden Dokumente zu erhöhen (Recall), werden vor allem zwei Verfahren angewendet: • Kategorisierung. Jeder Eintrag wird einer oder mehreren Kategorien zugeordnet. Diese Kategorien sind in der Regel hierarchisch organisiert und können entweder vorgegeben sein oder - im Social Web eher üblich - auch von den Benutzern angelegt und eingeordnet werden. • Verschlagwortung (Tagging). Im Gegensatz zur Kategorisierung werden Schlagworte nicht hierarchisiert. Sie stehen vielmehr auf einer Ebene nebeneinander. Ein allgemeines Problem bei der kollaborativen Verschlagwortung ist, dass Benutzer keine Bibliothekare sind. Sie verwenden Polysemien, »Jaguar« als Tier oder Automarke, Synonyme, »Auto« oder »PKW« oder Flexionen, »Suchmaschine« oder »Suchmaschinen« (Griesbaum 2007) 29 . Dazu gibt es aber bereits Lösungsansätze, die in Kapitel 2.7.1 diskutiert werden. Hinsichtlich der Relevanz der gefundenen Treffer können Bewertungen hilfreich sein. Diese werden häufig in Form von Sternen oder Punkten angegeben, die einem Beitrag zugeordnet werden können. Aus allen abgegebenen Bewertungen wird ein Mittelwert gebildet, der dann als Maß für die Güte gilt. Bewertungen können sehr schnell eingetragen werden, quasi »im Vorbeisurfen«. Das verringert die Hürde der Beteiligung enorm. Beurteilungen dieser Art sind jedoch nur aussagekräftig, wenn sie von einer Reihe von Menschen abgegeben wurden. Ansonsten ist die Gefahr sehr groß, dass es sich um eine einzelne Erfahrung oder Einschätzung handelt. Diese sind an sich sicherlich sehr wertvoll, aber nur, wenn man die entsprechende Person oder deren Geschmack kennt und in einen Kontext setzen kann. Neben der gezielten Suche nach Inhalten gibt es - kennzeichnend für Hypertexte - noch das Stöbern, indem man einfach interessanten Links folgt, also das sogenannte »Browsen«. Diese Form der Informationssuche wird vor allem dann 123 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 122 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 123 genutzt, wenn man noch keine klare Vorstellung des Objekts hat, dem man gerade auf der Spur ist. Hierarchische Kataloge eignen sich gut für Browsing, weil sie die Information so strukturieren, dass man seine Vorstellungen sukzessive einschränken kann. Eine andere Variante sind Anordnungen der Beiträge nach Popularität oder Neuigkeit. Gerade die Beliebtheit ist ein Merkmal zur qualitativen Unterstützung von Surfverhalten. Diese wird oft rein aus dem Surfverhalten anderer Benutzer ermittelt. Sie ist daher schwach als Community Feature einzuordnen. Andere Rangfolgen können die nach der Bewertung sein. Es ist festzustellen, dass gute Bewertungen und Popularität beim Surfverhalten häufig Hand in Hand gehen. Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass Seiten, die mehr Sterne haben, in der Tendenz genau deshalb stärkeres Interesse wecken. Handelt es sich bei dem bereitgestellten Material um nichttextuelle Daten, so steht die automatische Erschließung immer noch vor einer großen Hürde. Während Texte mithilfe von Freitextsuchen und Text-Mining-Verfahren durchsucht werden können, sind Suchen in Bildbeständen selbst konzeptuell sehr schwer zu realisieren. Meist wird dabei wiederum auf textuelle Deskriptoren zurückgegriffen, die sozusagen von Hand erstellt werden müssen. Diese Erschließung ist sehr mühsam. Im Bereich des Social Sharing wird sie jedoch von der Community durchgeführt. Da es sich hierbei um eine Art Verschlagwortung handelt, liegen die Schwierigkeiten analog zu den oben erwähnten. Große Anstrengungen und auch Fortschritte werden im Bereich der Personen-Erkennung auf Bildern gemacht. Dienste wie Google Picasa stellen bereits entsprechende Anwendungen zur Verfügung. Die Plattformen. Aufgabe der Social-Sharing-Plattformen ist es zunächst einmal, die hochgeladenen Daten zugänglich zu machen. Das stellt einigermaßen hohe Ansprüche an die Ergonomie der Darstellung. Verschiedene Portale gehen dabei ganz unterschiedlich vor. Während das Fotoportal Flickr ähnlich wie Google nur ein einzelnes Suchfeld auf der Startseite darstellt und zur gezielten Suche einlädt, versucht MyVideo mit einer Fülle von Listen und Links den Besucher zum Browsen zu motivieren. Bei der Verwaltung der Inhalte im multimedialen Bereich unterscheidet Lessig (2006) 30 zwischen »echten« und »vorgeblichen« Sharing-Plattformen. Während man bei den echten das Material direkt herunterladen, weiterverarbeiten und wieder verbreiten kann (ein Anspruch, der aus der Open-Source-Bewegung kommt und gerade für die von Lessig propagierte Remix-Kultur essenziell ist), stellen die vorgeblichen die Inhalte zwar dar, erlauben aber keinen Download. Dieses Vorgehen ist vor allem bei Audio- und Video-Plattformen vorzufinden und wird technisch über Streamingverfahren abgesichert. Natürlich gibt es mithilfe 124 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 124 Abb. 2.28: Die Startseite von YouTube 125 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 124 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 125 sogenannter Streamripper Mittel und Wege, diese Beschränkung zu umgehen. Es wird jedoch suggeriert, dass die Speicherung der Videos auf dem eigenen Rechner nicht zulässig ist. Um möglichst viele Inhalte auf die Plattform zu bekommen, ist es auch nötig, das Bereitstellen der Daten einfach zu halten. Das geschieht meistens formularbasiert. Neben den eigentlichen Daten wird der Autor aufgefordert, auch Metainformationen wie erste Tags oder einen kurzen Beschreibungstext anzugeben. Zudem müssen Angaben über die Freigabe gemacht werden. Diese sind in der Standardeinstellung sehr freizügig, liegt es doch im Interesse der Plattform, die Daten möglichst allen Benutzern zur Verfügung zu stellen. Sieht man sich die Freigabeoptionen jedoch genauer an, so ist festzustellen, dass diese unter Umständen sehr detailliert sind. So listet YouTube neben der Sichtbarkeit auch die Erlaubnis, Kommentare zu schreiben oder Videoantworten zu verfassen, ferner die Möglichkeit, Videos in fremde Seiten einzubetten oder das Einverständnis, die Videos von anderen bewerten zu lassen (vgl. Abb. 2.29). Social Bookmarkings verwenden neben Formularen noch Links, die auf der eigenen Homepage angebracht werden können sowie die Integration in den Browser mittels einer Toolbar. Dadurch wird das Hinzufügen eines Links nicht aufwendiger als das Setzen eines eigenen Lesezeichens. Ein Autor, der Material auf einer Sharing-Plattform zur Verfügung stellt, erwartet auch ein gewisses Publikum. Es ist daher Aufgabe und auch geldwertes Ziel, Abb. 2.29: Individuelle Benutzereinstellungen bei YouTube 126 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 126 hohe Besucherzahlen zu haben. Sind diese darüber hinaus angemeldet, so dass man das Nutzerverhalten statistisch auswerten kann: umso besser. Viele Plattformen versuchen daher, Inhalte zu personalisieren. Bei einigen kommt man an die Inhalte nur ran, wenn man sich anmeldet. Über Kommentarfunktionen kann man sich mit anderen Fans eines Beitrags unterhalten. Dies alles dient dem Ziel, große Communitys zu erzeugen. Rollen. Die Beteiligung an Social-Sharing-Plattformen kann man in drei Rollen einteilen, die sich an der Funktionsweise orientieren. • Rezipienten suchen nach Inhalten und konsumieren diese. Dennoch leisten sie ihren Teil zur Ordnung der Beiträge, indem sie surfen. Dieses Verhalten wird protokolliert und daraus werden Beliebtheitslisten und ähnliche Auflistungen erstellt. Sie sorgen auch für die nötige Frequentierung einer Seite, die es wiederum für Produzenten attraktiv macht, Beiträge bereitzustellen. Eine Sonderform der Rezipienten sind diejenigen, die Inhalte einer Plattform wiederverwerten, indem sie sie beispielsweise in die eigene Homepage einbinden. • Bewerter beteiligen sich aktiv an der Organisation der Inhalte. Sie kategorisieren und kommentieren die Beiträge und sorgen so dafür, dass der Wust an Informationen, der sich in Sharing-Plattformen findet, halbwegs überschaubar bleibt. Bewerter stellen einen wesentlichen Teil der Community dar, sie interagieren miteinander über Foren und Kommentare. Das geschieht meistens personalisiert, so dass hier Identitäten mit eigenem Stil und Vorlieben erkennbar werden. • Produzenten stellen die wichtigste Ressource der Plattformen zur Verfügung, indem sie das Material selbst erstellen oder aber bereits vorhandenes Material einspielen. Sie tragen den größten Aufwand, bekommen aber auch die größte Reputation. Wie entsteht nun eine Community? Zunächst erscheint das Bereitstellen von Inhalten relativ unkommunikativ. Bilder, Links oder Videos werden auf die Plattform geladen und dort veröffentlicht. Andere Nutzer gelangen auf die Seite und rufen die Inhalte ab. Produzent und Rezipient müssen in kein persönliches Interaktionsverhältnis miteinander treten. Jedoch sind alle Inhalte und Kommentare personalisiert. Über einen Link kann man zur jeweiligen Benutzerseite gelangen und sich ein Bild von der betreffenden Person und ihren Interessen machen. Meistens gibt es dort die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme, so dass sich die einzelnen Akteure kennenlernen und vernetzen können. Auch bei den Kommentaren entsteht eine Kommunikation. Es gibt Dialoge zwischen Gruppen von Rezensenten. Man sieht sich auch an, was ein Bewerter 127 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 126 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 127 sonst noch kommentiert hat und reagiert eventuell darauf. So bilden sich »Communities of Interest«, also Menschen, die die gleichen Vorlieben teilen. Manche Produzenten haben eigene Fangemeinden, die selbstredend voll des Lobes für das entsprechende Werk sind. Am interessantesten erscheint den Autoren jedoch die Variante, direkt über den produzierten Content eine Kommunikation herzustellen. Gerade mediale Beiträge haben oft eine inhaltliche Aussage, auf die wiederum andere Beiträge reagieren. So wurden beispielsweise auf der Video-Plattform YouTube einige Ausschnitte des umstrittenen Films »Borat« von Sasha Baron Cohen veröffentlicht. Dieser Film wird gemeinhin als Satire auf die amerikanische Gesellschaft verstanden, setzte aber durch seine provokative Art neue Maßstäbe. In der Folge wurde eine Reihe von Antwortvideos auf der Plattform eingestellt, häufig von Gläubigen, die sich in ihrer Ehre verletzt fühlten (Newbirthanswers 2007) 31 . So entstand eine Art Dialog, die sich dem Rezipienten erschließt, indem er sukzessive Original und Antworten ansieht. YouTube unterstützt diese Art der Kommunikation durch eine Funktion, mit der ein Video direkt als Antwort auf ein anderes Video gekennzeichnet werden kann. Die Vielfältigkeit des geteilten Materials führt zu ganz unterschiedlichen Anwendungszwecken, Verhaltensformen und Schwierigkeiten, die wir für die einzelnen Formen gesondert darlegen wollen. Abb. 2.30: Simpler Video-Upload auf YouTube 128 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 128 2.6.2 Social Bookmarking Die meisten Internetnutzer kannten das Sammeln, Ordnen und Speichern von digitalen Lesezeichen bereits von den entsprechenden Funktionen in ihrem jeweiligen Browser, z. B. das Menü »Favoriten«. Das Prinzip stellt daher keine komplett neue Anwendung dar, sondern wird nun lediglich ins Web verlagert. Die Lesezeichen sind nun im WWW verfügbar, während auf die traditionellen Bookmark-Listen nur in dem jeweiligen Browser zugreifbar waren. Außerdem können die Sammlungen nun auch anderen Usern zugänglich gemacht werden. Der Pressesprecher von Mister Wong 8 , Christian Clawien, fasste die Vorteile dieses neuen Dienstes 2006 in einem Spiegel-Interview anschaulich zusammen: »Erstens: Ich kann meine Internet-Lesezeichen online verwalten. So habe ich überall Zugriff darauf - nicht nur vom Browser zu Hause oder am Arbeitsplatz. Außerdem kann ich sie nach meinen eigenen Schlagworten kategorisieren, den sogenannten Tags. Zweitens: Wenn das tausende Nutzer tun, entsteht eine Art menschliches Suchverzeichnis. Eine Linksammlung, die häufig viel größere Relevanz hat als die Ergebnislisten klassischer Suchmaschinen.« (Clawien, 2006) 32 Wie bei vielen Anwendungen im Social Web profitieren auch im Fall der Social Bookmarks alle Nutzer von der Tätigkeit aller anderen (vgl. Neuberger 2007). Wer eine URL im System hinterlegt, kann sofort sehen, wie viele andere Anwender dieselbe Seite vorgemerkt haben. Aus der aktuellen Bookmark-Hitparade lässt sich dann leicht erkennen, welche Sites gerade stark beachtet werden. Der eigentliche Trick der Social Bookmarks besteht aber darin, dass Benutzer ihre Bookmarks nicht nur zur Verfügung stellen, sondern dazu angehalten werden, ihre favorisierten Seiten zu beschreiben, sprich zu »taggen«. Dazu bedienen sie sich einer freien Verschlagwortung. Entstehung. Öffentliche Linklisten sind so alt wie das WWW selbst. In den Zeiten der ersten Homepages fand man im Netz reihenweise Seiten, die nur Adressen mit besonderen Schätzen des Internets zusammenstellten. Diese wurden häufig noch geordnet und mit Kommentaren versehen. Systematische Linkkatalogisierungen wurden beispielsweise vom Open Directory Project (gegründet 1998) und auf der kommerziellen Seite von Yahoo (gegründet 1994) betrieben. Hier war es schon möglich, Vorschläge für Verweise einzureichen, die jedoch redaktionell eingepflegt wurden (vgl. Hammond et al. 2005) 33 . 8 Mr. Wong ist ein ehemals sehr erfolgreicher Social-Bookmarking-Dienst, der 2013 eingestellt wurde. 129 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 128 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 129 Die Idee, private Bookmarks ins Netz zu stellen, wurde im Jahr 1996 von itList verwirklicht. Auf dem deutschen Sektor war Oneview Vorreiter, das 1998 ins Leben gerufen wurde. Die Linksammlung erhielt erheblichen Zuspruch und wurde bereits 2001 in 12 Sprachen angeboten. Der große Durchbruch für Social-Bookmarking-Plattformen begann jedoch erst Ende 2003, als der Programmierer Joshua Schachter die Website Delicious eröffnete 9 . Er war es auch, der den Begriff »Social Bookmarking« prägte. Ziel war es, der Allgemeinheit die Organisation von Webadressen zu erleichtern. Zuvor hatte er registriert, dass er nur schwer den Überblick über seine enorme Linksammlung behalten konnte. Er erschuf daher ein Programm, das es ermöglichte, Links mit sogenannten Tags zu verschlagworten, zentral im Web zu speichern und wiederzufinden. Delicious leistete somit Pionierarbeit im Bereich der Tagging-Technologie. Durch den Erfolg dieser Plattform getrieben, gründeten sich in den folgenden Jahren verschiedene weitere Plattformen, allen voran Furl 10 und StumbleUpon im Jahr 2004. Als deutsches Gegenstück zu Delicious wurde 2006 Mister Wong gegründet. Die Bedeutung der Muttersprache und Kulturunterschiede spielten dabei eine große Rolle. Man ging davon aus, dass die Deutschen über einen eigenen Geschmack und Humor verfügen und damit auch andere Links und andere Bewer- 9 Ehemals »del.icio.us«. Die URL war wohl der bekannteste URL-Hack. 10 Die Schnelllebigkeit des Webs zeigt sich einmal mehr: Furl hat 2009 den Dienst eingestellt. Abb. 2.31: Startseite von Delicious 130 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 130 tungen abgeben. Diese Annahme wurde durch den Erfolg der Website belegt: Sie wuchs enorm schnell. Allerdings leiden die Social-Bookmarking-Dienste unter der Konkurrenz von Facebook und Twitter, sodass Mister Wong 2013 den Betrieb einstellte und ein Modeportal wurde. Auch der deutsche Anbieter YiGG strich 2014 mangels Erfolg die Segel. Der Bedarf für qualifizierte Sammlungen von Quellen im Web bleibt aber erhalten und kann von Social Networks nicht abgelöst werden. Immer häufiger wird Social Bookmarking auch mit dem Begriff Social News in Verbindung gebracht. Auf solchen Plattformen werden Links auf aktuelle Meldungen aus Nachrichtenportalen angeordnet und über Aktualität und Klickraten sortiert. So entsteht eine Liste mit Schlagzeilen, die an das Interesse der Leserschaft angepasst ist. Mittels RSS-Feeds kann diese Liste wiederum abonniert und in andere Seiten eingebunden werden. Auch diese Idee ist nicht neu. So wurde beispielsweise die Seite Shortnews schon 1999 gegründet. Ein weiterer deutscher Anbieter ist der 2006 gegründete Social-News-Dienst webnews. Prominente Vertreter. Pioniere im Bereich Social Bookmarking waren unter anderen diese Seiten: • Delicious gilt als die erste große Social-Bookmarking-Plattform. Sie wurde 2005 von Yahoo übernommen. Die Bookmarks, die gesammelt werden, können öffentlich oder privat verwaltet werden. • StumbleUpon (dt. »darüberstolpern«) hat sich einen Namen mit einer kreativen Browserintegration gemacht. In einer Toolbar ist ein Button untergebracht, der eine zufällige Seite nach der Bestenliste von StumbleUpon anzeigt. Die Auswahl kann nach Kategorien eingegrenzt werden. »Stumblen« ist also ein netter Zeitvertreib für langweilige Büronachmittage. Auch Nachrichten können über Social Bookmarks sortiert und bewertet werden: • Digg zählt zu den Social-News-Seiten und hatte ursprünglich seinen Fokus auf Technologie und Wissenschaft, dehnt sein Programm aber mittlerweile deutlich aus. Auffällig an Digg ist sein Bewertungssystem. Es ist möglich eine Webseite über einen dort platzierten Link als positiv zu bewerten (»diggen«). Umgekehrt kann eine negative Bewertung über »bury« vergeben werden, das allerdings nur direkt auf der Seite. Im wissenschaftlichen Bereich ist das Sammeln und Ordnen von Quellen schon lange eine Disziplin. Diese wurde ins Netz übertragen: • CiteULike hat sich auf die Wissenschaft spezialisiert. Hier werden keine Links gesammelt, sondern Referenzen auf akademische Publikationen. Diese werden 131 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 130 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 131 zudem im BibTeX-Format zur Verfügung gestellt und können somit leicht in Zitationsprogramme importiert werden. Um der Flüchtigkeit des Netzes zu entgehen, werden Bookmarks gleich mit einem Archiv kombiniert: • Diigo bietet jedem Benutzer neben der Sammlung von Bookmarks auch einen Webspace, um die gemerkte Seite direkt auf dem Server zu speichern und auch dann noch abrufen zu können, wenn sich der aktuelle Inhalt der Seite bereits verändert hat. Schattenseiten. Neben den zahlreichen positiven Effekten, die Social-Bookmarking-Plattformen bieten, wirft die Technologie auch einige Schwierigkeiten auf: • Schlagwörter werden von »Jedermann« vergeben. Dabei fehlt oft eine Standardisierung, Plural- und Singularformen werden vermischt, Tags haben oft wenig Aussage (»cool«) oder sind mehrdeutig. Diese Problematik wird ausführlich in Kapitel 2.7.1 besprochen. • Wird eine kleine Seite in einer Link-Plattform stark empfohlen, kann es zum sogenannten »Digg-Effekt« kommen. Die Seite wird innerhalb kurzer Zeit sehr stark frequentiert und kann der Last nicht standhalten. Die Antwortzeiten verlangsamen sich zum Teil so stark, dass die Seite generell nicht mehr erreichbar ist. Die gewonnene Aufmerksamkeit dürfte diesen Nachteil jedoch wieder aufwiegen. • Wird eine Seite auf Linklisten hochgerankt, so erhöht sich auch die Sichtbarkeit in Suchmaschinen wie Google. Dies verführt natürlich dazu, die Plattformen als Katapult für die eigene Webseite zu verwenden. Zunehmend haben Social-Bookmarking-Seiten Probleme mit Spammern, die versuchen, ihr eigenes Suchmaschinenranking zu verbessern, indem sie massive Eintragungen oder Bewertungen mithilfe von Fake-Accounts erzeugen. 2.6.3 Mediale Inhalte Mit dem Aufkommen und der starken Verbreitung von Digitalkameras seit Ende der 1990er-Jahre ist es ein Leichtes, Fotos auf den Computer zu übertragen und im Internet bereit zu stellen. Seit Kameras auch in Mobiltelefone integriert werden und quasi allgegenwärtig sind, können Bilder in fast jeder Lebenssituation geschossen werden. Doch was macht man mit all den Fotos? Man muss sie ordnen, beschriften, einsortieren. Ein Fall für die Community! Auch andere Inhalte werden geteilt. Interessante Videos oder gute Musikstücke möchte man der Onlinegemeinde nicht 132 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 132 vorenthalten. Auf diesem Weg haben sich neue Formen der Verteilung von Information gebildet, seien es politische Ansagen oder virales Marketing. Entstehung. Der Tausch von - meist urheberrechtlich geschützten - Musikstücken erlebte seine computerisierte Renaissance mit der Entwicklung des MP3-Standards, der 1994 von der Fraunhofer Gesellschaft veröffentlicht wurde. Digitalisierte Musik war zuvor sehr speicherintensiv (ca. 10 MB pro Minute), was bei den Internetbandbreiten der 1990er-Jahre den Tausch teurer machte, als die Stücke zu kaufen. Mit MP3 reduzierte sich der Speicherbedarf dramatisch, eine Minute benötigt selbst bei guter Qualität nicht mehr als rund 1 MB. So entstanden Ende der 1990er vielfältige Seiten im Graubereich des Internets, wo MP3-Dateien zum Download angeboten wurden. Oft wurden nur Links zu privaten Webspaces gepostet, die jedoch wegen der unklaren rechtlichen Lage nicht lange Bestand hatten. 1999 trat Napster auf den Plan, ein Programm, mit dessen Hilfe Musikdateien direkt von der Festplatte der User getauscht werden konnten. Die massive Verbreitung von Musikstücken ist den großen Vertriebsgesellschaften nicht entgangen und so kam und kommt es seit Anfang des 21. Jahrhunderts immer wieder zu ausgiebigen Kampagnen, die versuchen, ein öffentliches Unrechtsbewusstsein zu schaffen. Große Audio-Sharing-Plattformen entstanden daher erst wieder im Zuge der Social-Sharing-Welle. Hier ist vor allem Last.fm zu nennen, ein Dienst, der 2002 als Internet Radio Station mit dynamischen Playlisten begann und sich strikt innerhalb des Urheberrechts bewegt. Fotos mit Freunden, vor allem den Beteiligten, ansehen ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Das dachte sich auch die Firma Ludicorp und entwickelte Flickr, das 2004 online ging (vgl. Vossen und Hagemann 2007). Die Plattform ist als eine von mehreren Tools für das Onlinespiel »Game Neverending« sozusagen als Nebenprodukt entstanden. Zuvor gab es bereits Orte im Netz, an denen man seine Fotos hinterlegen konnte, beispielsweise Yahoo Photos oder Webshots, die jedoch keine ausgeprägten Community Features wie Tagging enthielten. Diese haben mittlerweile nachgezogen und integrieren diese Möglichkeiten in ihre Dienste. Der massenhafte Austausch von Videos ist ein sehr junges Phänomen. Auch hier ist Technologie ein entscheidender Faktor. Erst mit der flächendeckenden Verbreitung von Breitband-Internetzugängen (z. B. DSL) kann eine Übertragungsrate erzielt werden, die Videos übers Netz mit einer akzeptablen Qualität ermöglicht. Zwar gab es schon im frühen Netz Seiten, die vor allem Spaßvideos veröffentlichten (Break.com), die mittlerweile entscheidenden Plattformen entstanden jedoch erst 2005. So z. B. der Pionier YouTube, der 2005 gegründet wurde und seitdem ein außergewöhnliches Wachstum verzeichnet hat. Die Zahlen sind beeindruckend: Bereits ein Jahr später wurden täglich 100 Millionen Videos bei YouTube 133 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 132 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 133 abgerufen und alle 24 Stunden kamen 65.000 Clips dazu. Im deutschen Bereich hatte sich MyVideo etabliert, das 2006 gegründet wurde. Seit YouTube mit einem eigenen Ableger in den deutschen Markt eingestiegen ist, verlieren diese jedoch wieder an Bedeutung. Neuere Entwicklungen sind die Verbindung von Onlineinhalten mit einem externen Medienplayer, wie es der Miro Player macht. Diese Variante verspricht deutlich bessere Bildqualität. YouTube Videos können auch direkt mit Fernsehgeräten abgerufen werden (Internetzugang vorausgesetzt), so dass die Grenze zwischen Internet und herkömmlichen Massenmedien zu verschwimmen beginnt. Funktionsweise. Mediale Inhalte unterliegen einer gewissen Aufmerksamkeitsökonomie. Die Zeit des Besuchers und die Anzahl der Klicks auf einen Clip oder ein Foto sind ein wesentlicher Faktor für die Zufriedenheit des Autors. So ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Beiträge darauf abzielen, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Das ist auch der Grund, warum sie im Social Web vornehmlich der Unterhaltung dienen, hier lassen sich leichter als in anderen Bereichen Besucher anziehen: • Humorvolle Inhalte sind vor allem im Bereich Video zu finden. Die Bandbreite reicht von selbst gemachten Musikclips über Parodien bis hin zu professionell gestalteten Werbevideos. • Ästhetik oder künstlerischer Ausdruck spielt in allen Bereichen eine große Rolle. Das Netz ist hier eine willkommene Öffentlichkeit, um die eigenen Werke zu präsentieren und sich als (Hobby-)Künstler zu profilieren. • Emotionale Inhalte wie Liebeserklärungen oder Lebensbeichten findet man insbesondere bei Videos. Diese werden teils aufwendig vorbereitet, teils gibt es spontane Beiträge, die per Webcam aufgenommen wurden. • Der persönliche Bezug spielt vor allem bei Fotoalben eine große Rolle. Partybilder oder Urlaubsfotos werden online verfügbar gemacht. Häufig werden diese jedoch nicht der gesamten Öffentlichkeit angeboten, sondern sind nur auf Einladung des Erstellers zu sehen. • Informative Beiträge finden sich zunehmend bei Videos. Die Bandbreite reicht von Screencasts, bei denen ein Computerprogramm erklärt wird, bis hin zu praktischen Anleitungen für den Hausgebrauch. • Moralische Graubereiche werden auch von medialen Inhalten abgedeckt. Dazu zählen erotische Inhalte genauso wie Katastrophenvoyeurismus. 134 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 134 Prominente Vertreter. Bildersammlungen im Netz ersetzen die heimische Diavorführung: • Flickr ist eine der ersten Photo Sharing Communities. Bilder können hochgeladen, getaggt und kommentiert werden. Auch die Zugriffsebene ist festlegbar. Daneben ist die Lizenz, unter der das Material veröffentlicht werden kann, frei wählbar. Flickr bietet spezielle Suchmöglichkeiten für Bilder, die unter Creative Commons lizensiert sind. Seit Sommer 2007 sind Benutzer aus Deutschland in der Suche eingeschränkt und können nicht mehr alle Optionen verwenden. Als Grund dafür werden Unklarheiten im Telemediengesetz vermutet. • Pinterest ist eine interessante Mischung aus Foto-Sharing- und Social-Bookmarking-Tool. Auf der vor allem bei Frauen beliebten Seite, können Benutzer Bilder hochladen, speichern, auf einer Pinnwand sortieren und verwalten. Ebenso können Quellen im Netz an die digitale Pinnwand gehängt werden. Die Community entsteht, indem man auch Quellen von anderen Benutzern bei sich »pinnt« und deren Publikationen folgen kann. Der Dienst richtet sich auch an Unternehmen, die dort Pinnwände als »virtuelle Schaufenster« einrichten können. • Mit dem Picasa Webalbum können Google-Nutzer ihre Fotos online speichern. Anders als bei Flickr sind die Bilder jedoch ausschließlich innerhalb von Google- Diensten nutzbar und stellt daher keine API für andere Anwendungen zur Verfügung. Die Software Picasa stellt Google den Nutzern als freies, offline verwendbares Bildverarbeitungstool zur Verfügung, über das die Webalben ebenfalls verwaltet werden können. • Webshots wurde bereits 1996 als Wallpaper-Dienst gegründet und avancierte 1999 zu einer Bildertauschbörse. Mittlerweile befinden sich über 500 Millionen Fotos auf der Webseite. Ähnlich wie Picasa bietet Webshots eine Bildbearbeitungssoftware, die es erlaubt, das Material direkt auf die Plattform zu laden. Audio Sharing wird meistens mit Webradios verbunden, um die Titel direkt und nacheinander anhören zu können: • last.fm fungiert als Webradio mit dynamischen Playlisten. Man startet mit einem Künstler und die Plattform stellt aufgrund bestehender Lieblingslisten eine Auswahl zusammen. Es besteht die Möglichkeit, einzelne Songs zu taggen oder von der eigenen Liste zu streichen. Die Inhalte werden von last.fm zur Verfügung gestellt. Künstler haben aber die Möglichkeit, eigenes Material einzupflegen und auch zum Download anzubieten. 135 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 134 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 135 Besonderer Renner unter den Social-Sharing-Anwendungen scheint das Teilen von Videos zu sein: • YouTube ist der Pionier des Video Sharings. Beiträge, die dort veröffentlicht werden, bekommen sogar Aufmerksamkeit in den traditionellen Medien. Vor der Wahl des demokratischen Präsidentschaftskandidaten für die US-Präsidentenwahl 2008 veranstaltete CNN mit YouTube eine Fragerunde, bei der die Beiträge per Video über die Plattform eingereicht werden konnten. Als technische Besonderheit erlaubt YouTube das direkte Einspielen von Videos über eine Webcam. • MyVideo ist ein in Deutschland verbreitetes Videoportal. Ursprünglich hatte es keine Zeitbegrenzung für Videos, so dass sehr schnell ganze Folgen von TV-Serien dort zu finden waren. Zwischenzeitlich wurde MyVideo vollständig von der ProSiebenSat.1-Gruppe aufgekauft. Die privaten Fernsehsender nutzen die Plattform, um dort ihre Sendungen und Serien zu veröffentlichen. Miro nutzt Videomaterial, das auf anderen Plattformen wie YouTube oder eigenen Videoblogs veröffentlicht wird. Mithilfe eines eigenen Players, den man auf dem Rechner installieren muss, und der Verbreitung der Videos über Peer-to-Peer-Technik erreicht der Dienst eine hohe Qualität. Abb. 2.32: Startseite von Last.fm 136 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 136 • Learn2use hat sich auf Screencasts spezialisiert. Der Dienst lädt seine Benutzer ein, eigene Anleitungen für Programme zu produzieren und mit anderen zu teilen. Für den Bildungs- und Fortbildungsbereich sind zwei Dienste für Präsentationen bemerkenswert: • SlideShare. Auf dieser Plattform lassen sich Präsentationen aus Powerpoint oder Impress sowie PDF-Dateien hochladen und mit Tags verschlagworten. Die Präsentationen können in Blogs oder Webseiten eingebunden werden. Besucher können die Präsentationen auch direkt herunterladen. • Prezi. Hier kann man Texte, Bilder, Videos, Tondateien, PDFs und Grafiken in beliebiger Reihenfolge ordnen, sliden und zoomen. Der innovative Zoomeffekt, mit dem man beim Abspielen der Präsentation schnell auf bestimmte Inhalte »fliegt« und »heranzieht«, ist das attraktive Alleinstellungsmerkmal dieses Onlinedienstes. Schattenseiten. Ein offensichtliches Problem bei der Bereitstellung von multimedialen Inhalten sind Urheberrechtsverletzungen. Möglicherweise einem fehlenden Unrechtsbewusstsein geschuldet, laden Benutzer immer wieder Material auf die Plattformen, für das sie keine Verbreitungsrechte besitzen. Beispiele dafür sind TV-Mitschnitte. So wurde YouTube Anfang 2007 von der Firma Viacom auf über 1 Milliarde Dollar verklagt und aufgefordert, rund 100.000 Videos von der Plattform zu nehmen. YouTube reagierte darauf mit einem Copyright-Filter, der geschütztes Material aufspüren und entfernen soll. Mehr zu dieser Problematik finden Sie in Kapitel 3.2.4. Schwierigkeiten bereitet auch diffamierendes Material, das darauf abzielt, eine Person in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Dies geschieht oft aus Rachegelüsten heraus und einige Seiten haben sich direkt darauf spezialisiert, so z. B. die Kategorie »Betrunkene dekorieren« auf der Plattform die-besten-100.de. Auch sind Fälle bekannt, in denen Schüler ihre Streiche im Netz veröffentlichen und somit die Autorität eines Lehrers dauerhaft beschädigen. Interessant ist, wie Media-Sharing-Plattformen mit Urheberrechten des bereitgestellten Materials umgehen. Während einige zumindest anbieten, das Material unter eine freie Lizenz wie Creative Commons zu stellen, verlangen andere weitreichende Rechte, die nicht weitergegeben werden. So räumt ein Autor bei You- Tube der Plattform »eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein (mit dem Recht der Unterlizenzierung) bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung« 137 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 136 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 137 ein, die jedoch nicht an die weiteren Rezipienten weitergegeben wird. Auffällig ist, dass die meisten Upload-Seiten die Künstler nicht explizit über die Rechtssituation aufklären. Zwar kann häufig die Sichtbarkeit des Materials eingestellt werden. Welche Rechte damit jedoch verbunden sind, muss sich der Nutzer mühsam aus den AGB und anderen Bestimmungen zusammensuchen. 2.6.4 Produktbewertung Gemeinsam Einkaufen ist in unserer Konsumgesellschaft ein beliebtes Freizeitvergnügen. Umso besser, wenn man dabei das Haus gar nicht mehr verlassen muss … Aber genug der Polemik. Gerade bei Geschäften im Netz, bei denen kein Fachverkäufer des Vertrauens verfügbar ist, ist es sehr hilfreich, wenn man sich die Erfahrungen mit einem Produkt oder einem Onlineshop teilen kann. Produktbewertungsseiten sind hier ein nützliches Medium. Geschichte. Die Idee des Direktvertriebs auf privater Basis ist nicht neu. So wird beispielsweise Tupperware seit den 1950er-Jahren auf »Tupperpartys« in privaten Haushalten vertrieben. Im Internet wurde der Empfehlungshandel vor allem durch die Plattformen Amazon (Buchhandel) und eBay (Auktionen) bekannt, die 1994 bzw. 1999 gegründet wurden. Amazon führte ein System ein, bei dem die Kunden ihre Bücher rezensieren und bewerten konnten. Bei eBay bewerten sich Käufer und Verkäufer bei jeder Transaktion gegenseitig. Während hier die Empfehlungssysteme noch ein Nebenkriegsschauplatz sind, um den Kunden eine Orientierung auf der jeweiligen Plattform zu bieten, entstanden um die Jahrtausendwende auch einige Seiten, die sich direkt der Produktbewertung gewidmet haben. Onlineshops können dort ihre Warenpalette anmelden, die von den Kunden mit Erfahrungsberichten versehen und bewertet werden. Beispiele sind Dooyoo und Ciao, beide wurden 1999 gegründet. Im Rahmen des Web 2.0 werden die Möglichkeiten immens erweitert. So erlaubt Spreadshirt (seit 2001) den Benutzern ihre eigenen T-Shirts zu entwerfen und über die Plattform zu vermarkten. Funktionsweise. Um Produkte bewerten zu können oder auch die Meinungen anderer zu lesen, muss das Produkt zunächst gefunden werden. Ein prominent platziertes Suchfeld ist daher eine wichtige Voraussetzung für Social-Commerce-Seiten. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, getaggte Produkte über Kataloge zu finden und so den Einkaufsbummel zu simulieren. Auf den Produktdetailseiten werden meist redaktionelle Inhalte zum Produkt ausgegeben. Daneben findet man die bisherigen Bewertungen. Diese sind in der Regel in zwei Bereiche 138 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 138 aufgeteilt. Einerseits gibt es eine quantifizierbare Punkteskala, auf der ein Bewerter quasi Noten vergeben kann. Zu dem Produkt wird dann der Durchschnitt aller Punkte angezeigt. Andererseits ist es möglich, mehr oder minder detaillierte Texte zu verfassen, um die eigenen Erfahrungen mit dem Produkt kundzutun. Bei holidaycheck.de, einer Seite zum Vergleich von Hotels, können Gäste auch eigene Bilder vom Hotel und seinen Einrichtungen hochladen, um die schönen Werbefotos mit realen Eindrücken zu ergänzen. Die Produkte selbst werden in den meisten Fällen redaktionell eingepflegt. Entweder werden dabei nur eigene Produkte angeboten oder Onlinehändler können ihren Shop anmelden und so ihre Waren auch über eine große Plattform verbreiten. Freie Produktplattformen, bei denen jeder einfache Benutzer Produkte eintragen kann, entstanden erst in den jüngsten Jahren. Eine weitere Variante ist, direkt über eine Webplattform eigene Produkte erstellen zu können und diese dann zu verkaufen, wie dies bei Spreadshirt der Fall ist. Neben der klassischen Produktbewertung gibt es noch eine weitere Variante des Empfehlungshandels, der maßgeblich von Amazon geprägt wurde. Über einfache Links wurde es ermöglicht, auf der eigenen Homepage Bücher anzubieten. Gelangt ein Käufer über diese Homepage zu Amazon, so bekommt der Homepagebetreiber Abb. 2.33: Die Startseite von Spreadshirt 139 2.6 Social Sharing www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 138 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 139 eine Provision. Er empfiehlt somit einige Produkte zum Kauf. Dieses System wurde von anderen Firmen übernommen. Vertreter. Vom großen Versandhandel bis hin zur innovativen Neugründung reicht das Spektrum beim Social Commerce: • Amazon ist der größte Internet-Versandhandel für Bücher und diverse andere Produkte. Ein oft zitiertes Feature der Seite ist ein automatisiertes Empfehlungssystem, bei dem aus dem Kaufverhalten anderer Benutzer abgeleitet wird, welche Bücher interessant für den Kunden sein könnten. Daneben hat Amazon ein personalisiertes Bewertungssystem und die Möglichkeit, Lieblingslisten zu erstellen. • Ciao und Dooyoo sind Produktbewertungsseiten. Onlineshops können sich hier registrieren und ihre Produkte in die zentrale Datenbank eintragen. Benutzer finden diese Produkte, bewerten sie und sehen Links zu den jeweiligen Shops, meist mit Preisangabe und Verfügbarkeit. • Spreadshirt macht es möglich, einen eigenen T-Shirt-Shop zu erstellen und auf Webseiten einzubinden. Man definiert die Motive und die Provisionen selbst, die Produktion und den Versand übernimmt Spreadshirt. Schattenseiten. Je größer die Sichtbarkeit eines Onlineshops oder dessen Produkte, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines guten Umsatzes. Schlechte Bewertungen sind dabei hinderlich, da das Produkt dann nicht in den Bestenlisten auftaucht. Deswegen ist ein Shopbetreiber daran interessiert, dass seine eigenen Angebote besonders gut und die der Konkurrenz eher schlecht bewertet werden. Da ist die Versuchung groß, die Daten zu manipulieren. Das ist natürlich besonders einfach, da Bewertungen von jedem Benutzer abgegeben werden können. Hier besteht eine gewisse Gefahr für die Community, denn wenn die Mitglieder merken, dass die Inhalte keine ehrlichen Bewertungen sind, sondern von anderen Interessen getrieben werden, verlassen sie die Gemeinschaft. 2.6.5 Eine eigene Sharing-Plattform? Um selbst beim Social Sharing dabei zu sein, gibt es verschiedene Wege. Es liegt nahe, sich eigene Software auf den Server zu holen. Hier seien Coppermine für Fotos und Scuttle für Bookmarks genannt. In diesen beiden Bereichen ist es vielleicht auch sinnvoll, sich für eine Gruppe eigene Datenbasen aufzubauen, sei es, um die Privatsphäre zu schützen, sei es, um das Intranet zu organisieren. Doch schon bei Videos stößt man im Eigenbau schnell an Grenzen, benötigen doch diese 140 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 140 Datenmengen eine entsprechend schnelle Netzverbindung und viel Platz auf der Festplatte. Noch schwieriger wird es, wenn - wie im Fall der Produkte und Suchmaschinen - auf fremden Inhalten aufgebaut wird. Diese müssen integriert werden, was in den meisten Fällen einiges technisches Know-how voraussetzt. Neben diesen Einschränkungen leben Sharing-Plattformen von einer großen Masse an Mitgliedern. Nur so machen Bewertungssysteme Sinn, nur so kann eine Bandbreite an Inhalten erreicht werden, die attraktiv genug sind, um mitzumachen. Daher ist der zweite Weg, sich einfach mit den eigenen Daten an bestehenden Netzwerken zu beteiligen, der viel leichtere. Auf (fast) allen Sharing-Plattformen gibt es die Möglichkeit, auch private Bereiche einzurichten und dort die Daten abzulegen. Nur wenn die Daten einem erhöhten Sicherheits- oder Privacy-Standard genügen müssen, ist es ratsam, sich selbst an einer Plattform zu versuchen, denn bei den öffentlichen Anwendungen gibt man die Informationen in fremde Hand und es ist nicht immer klar definiert, welche Rechte der Diensteanbieter an diesen Daten hat. Übungsfragen 1. Inwiefern können Sharing Plattformen als »Social« bezeichnet werden? Wo findet die Interaktion zwischen den Nutzern statt? 2. Wie werden Inhalte in Sharing Plattformen organisiert? Nennen Sie Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten. 3. Inwiefern können Bookmark-Dienste auch als Nachrichtenportale angesehen werden. Was ist der spezifische Nutzen, welche Probleme sehen Sie? 4. Was ist hinsichtlich der Nutzung von Bildern, die Sie von Flickr verwenden, zu beachten? Literatur Beißwenger, Achim (2010): YouTube und seine Kinder: Wie Online-Video, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. Nomos, Baden-Baden. Das Buch vermittelt Grundlagen zum Thema Social Media allgemein, speziell aber zu Online-Videos. Der lesenswerteste Teil sind jedoch die Case Studies, in denen der Herausgeber u. a. hochkarätige PR-Experten zu Wort kommen lässt. Lessig, Lawrence (2004): Free Culture. How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. Penguin, New York. 141 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 140 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 141 Lessig beschreibt hier den Stellenwert von Wiederverwendung und Remix-Techniken für die Kreativität und geht auf die Problematik der gängigen (angloamerikanischen) Rechtsprechung ein. 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs Im letzten Kapitel wurden die Basisanwendungen des Social Webs vorgestellt. Es gibt aber auch Konzepte und Methoden, die ebenso signifikant für das Social Web sind, sich aber keiner konkreten Applikation zuordnen lassen, sondern diese eher übergreifend bedienen oder ergänzen. So ist z. B. eine Tagcloud sowohl auf Weblog-Seiten als auch beim Social Bookmarking zu Hause, und Newsfeeds lassen sich von einem Wiki, aber auch von einem Podcast abonnieren. Dieser Unabhängigkeit tragen wir Rechnung, indem wir diesen Methoden ein eigenes Kapitel widmen. 2.7.1 Tagging Community-Webseiten bieten immer häufiger kollaborative Tagging-Systeme zur Auszeichnung ihrer Informationen an. Tagging bedeutet die intellektuelle Verschlagwortung und Interpretation des Materials, die durch eine gewaltig große Anzahl von Nutzern zu einer effektiveren Suche führt. Ein Nutzer trägt beispielsweise zum Tagging-System bei, indem er bei Delicious das Lesezeichen zu einem Tierschutzverein für Fischotter speichert und dabei Schlagworte wie »Tierschutz«, »Marder«, »Otter« oder »informativ«, sogenannte Tags, vergibt, unter denen die Homepage dann von ihm selbst und von anderen gefunden werden soll. Dabei können beliebig viele Schlagwörter ganz frei ohne zuvor festgelegte Regeln - es sei denn, dass die Tags durch ein Leerzeichen voneinander getrennt werden sollen - vergeben werden. Dies schließt allgemeine Kategorien wie »Rezept« und »Fußball«, aber auch beschreibende und subjektive Attribute wie »German« oder »cool« mit ein. Zusätzlich werden zur Unterstützung Tags vorgeschlagen, die andere für das Objekt bereits eingegeben haben. Darüber hinaus werden alle Tags, die man selbst in dem System benannt hat, angezeigt. Dies hat den Vorteil, dass man sein eigenes Ordnungssystem nicht aus den Augen verliert. Bei einer großen Anzahl von Nutzern ist es wahrscheinlich, dass sie sich auf sinnvolle und schlüssige Zuordnungen einigen, so dass sich also nach einiger Zeit ein Schlagwortsystem ergibt, das einen für Recherchezwecke brauchbaren Kernbestand an Begriffen enthält (vgl. Wikipedia 2007) 34 . Diese durch gemeinschaftliches Indexieren erstellten Sammlungen von Tags heißen auch Folksonomien. 142 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 142 Taxonomie versus Folksonomy. In Anfangszeiten des WWW nutzte man hauptsächlich Verzeichnisse oder Kataloge (Abb. 2.34), um sich im Netz zurechtzufinden. Zum einen waren sie intuitiv, wie man es aus dem Printbereich von den »Gelben Seiten« schon kannte, zum anderen waren die Websuchmaschinen noch nicht ausgereift. Die Einordnung von Webseiten in ein Verzeichnis geschieht anhand eines zuvor festgelegten hierarchischen Klassifikationsschemas, einer sogenannten Taxonomie. Eine Seite über Katzen würde danach der Kategorie »Tiere« und diese wiederum der Kategorie »Umwelt & Natur« zugeordnet werden. Der Nachteil dieser Verzeichnisse ist, dass auch ein hierarchisches Kategoriensystem ein subjektives Ordnungssystem darstellt, dem nicht jeder Nutzer folgen kann oder will. Schließlich kann man Gegenstände in verschiedene »Schubladen« legen. Eine Banane ist »Frucht« und »Obst«. Wo ist sie zuzuordnen? Und wo wird sie gesucht? Weitere Probleme bereitet auch noch, dass die Nutzer unterschiedliche Sozialisationen und Lernprozesse durchlaufen und damit auch in ihren Köpfen abweichende Assoziationssysteme entwickelt haben, mit denen sie sich erinnern und mit deren Hilfe sie suchen. Und sie verfügen über unterschiedliche Bildungsniveaus. Gehören Wale rein biologisch zu den Fischen oder zu den Säugetieren? Nun wissen viele, dass sie zu den Säugetieren gehören, würden aber vielleicht trotzdem in der Eile zuerst bei »Fischen« suchen, weil sie vielleicht »Meerestiere« meinen, was ihnen aber gerade nicht einfällt. Andere hören das mit den Säugetieren eben zum ersten Mal. Ein hierarchisches Kategoriensystem ist der Versuch, das vorhandene Wissen im Web und damit auch diese Assoziationssysteme zu normieren. Und deshalb orientieren sich hierarchische Kategoriesysteme an etablierten Standards und stützen sich auf wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse. Aber auch eine mit bester Absicht und bestem Wissen erstellte Taxonomie kann ihr Ziel verfehlen, weil sie nicht an den konkreten Erfahrungen und Bedürfnissen der Nutzer ansetzt. Das hat damit zu tun, dass eine Taxonomie aufgrund ihres normativen Charakters unterschiedliche Zugänge zu einem Thema nicht mehr darstellen kann und sie meist das Ordnungssystem einiger weniger, wenn auch gut informierter Leute ist. Taxonomien sind somit nicht nur von der Struktur her streng hierarchisch, sondern in gewisser Weise auch »von oben« vorgegeben. In unserem Beispiel ist eine ganze Redaktion beim Open Directory Project dmoz mit der ständigen Pflege der Taxonomie beschäftigt, was zum einen eine möglicherweise einseitige Darstellung bedeutet, auf der anderen Seite nicht unerhebliche Ressourcen frisst (vgl. Alby 2007). Mit der Optimierung der Suchmaschinen wurden die Verzeichnisse stark zurückgedrängt. Nachdem jedoch angesichts der wachsenden Informationsflut und Manipulationsmöglichkeiten auch Suchmaschinen zum Teil versagten, wuchs 143 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 142 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 143 der Bedarf an einer »intellektuellen« und zugleich statistischen Erschließung der Datenmengen, der sich letztendlich in dem Entstehen der Folksonomien niederschlug. Das erste Tagging-System wurde von Delicious im Jahre 2003 implementiert. Der Neologismus »Folksonomy« selbst tauchte erstmals 2004 auf einer Mailingliste von Thomas Vander Wal auf (Wal 2007) 35 . Es ist eine Wortneuschöpfung aus dem englischen »Folk« und »Taxonomy«. Diese soll ausdrücken, dass es bei diesem Konzept keine Experten gibt, die die Bedeutung und Ordnung der Dinge festlegen, sondern einen dezentralen, unkoordinierten, sozial-kumulativen Effekt, der jedoch letztendlich auch zu einem Ordnungssystem führt. Das Vokabular einer Folksonomy ist nicht kontrolliert, sondern entsteht aus frei gewählten Begriffen der Benutzer dieser Folksonomy. Diese ist nicht hierarchisch strukturiert. Da keines der Tags einem anderen übergeordnet ist, gibt es auch keinerlei Eltern-Kind-Beziehungen. Der einzige Zusammenhang, der zwischen den Tags besteht, sind die damit umschriebenen Objekte oder die Benutzer, von denen sie verwendet werden. Wenn Sie nochmals auf das Fischotterbeispiel (siehe oben) erinnern, sehen Sie, dass ein Tag viel mehr ausdrücken kann als ein normales Schlagwort, das sich meistens nur auf den Inhalt eines Gegenstands bezieht. Ein Tag kann, z. B. auch Metainformationen wie Besitzangaben oder Qualitätsäußerungen über einen Bookmark, einen Artikel usw. wiedergeben. Da eine Folksonomy die Gesamtheit aller Tags darstellt, die Abb. 2.34: Das Web-Verzeichnis von dmoz 144 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 144 Benutzer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingegeben haben, wächst sie durch die Nutzung des Tagging-Systems und verändert sich mit jeder Benutzereingabe. Vorteile und Nachteile von Folksonomien. Folksonomien haben im Vergleich zu Taxonomien viele Vorteile, die vor allem im Zusammenhang mit der gebotenen Freiheit stehen (vgl. Albrecht 2006) 36 : • Schnell und einfach. Folksonomien sind sehr einfach, was Zeit- und Arbeitsaufwand betrifft. Man kann Tags sofort beim Erzeugen des Objekts oder Inhalts hinzufügen. Damit wird es den Benutzern ermöglicht, ohne Training und Vorwissen sofort an dem System teilzuhaben. • Allumfassendes, dynamisches Vokabular. Folksonomien enthalten den Wortschatz von jedem einzelnen Anwender, ohne etwas auszulassen. Es gibt keine Autorität, die ein Vokabular vorschreibt. Damit können auch originelle Ideen, die sich außerhalb des Mainstreams befinden, Fuß fassen. Durch die zumeist große Zahl von Benutzern sollen Informationen und Zusammenhänge, die dem Einzelnen nicht aufgefallen sind, sichtbar gemacht werden. Dies bedeutet auch, dass eine Folksonomy die Weiterentwicklung des Anwendervokabulars widerspiegelt. Sie wächst quasi mit und reflektiert dabei die Terminologie, Genauigkeit und Wortwahl der Benutzer. • Skalierbar. Folksonomien skalieren beinahe ohne zusätzlichen Aufwand auf große Mengen von Daten. Sie können einfach erweitert und sich ändernden Voraussetzungen angepasst werden. • Zufall. Der Zufall spielt in Folksonomien eine wichtige Rolle. Die Benutzer einer Folksonomy werden dazu angeregt, von ihren Tags oder Objekten ausgehend nach weiteren Benutzern zu suchen, die ähnliche Interessen haben. So ist es über diese Verbindung möglich, Objekte von anderen Benutzern zu finden, die man bei einer einfachen Suche in einer Suchmaschine nie gefunden hätte. Gleichzeitig wird die Freiheit des Taggings aber auch von den Kritikern als Nachteil empfunden. Die größten Probleme sind dabei sprachlicher Natur: Die Tags werden in den meisten Systemen nicht mithilfe von Wörterbüchern nachbearbeitet, so dass sie wörtlich zu nehmen sind und keinerlei Toleranz zulassen (vgl. Albrecht 2006) 36 . Hierzu einige Beispiele: • Leerzeichen, mehrteilige Wörter. Viele bekannte Folksonomy-Systeme erlauben keine Leerzeichen in Tags, daher können zusammenhängende Begriffe nur dargestellt werden, indem sie zusammengeschrieben oder mit Trennzeichen (Unterstrich, Bindestrich, Plus usw.) verbunden werden. Diese Trennzeichen wirken aber bedeutungsunterscheidend und können eventuell dafür sorgen, dass Ressourcen nicht gefunden werden. 145 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 144 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 145 • Synonyme und Homonyme. Es gibt in Folksonomy-Systemen keine strukturierte Synonymkontrolle. Oft werden verschiedene Wörter für denselben Begriff verwendet. Viele Objekte werden auch gleichermaßen in Mehrzahl und Einzahl oder auch in verschiedenen Sprachen beschrieben. Wenn es dann auch noch das gleiche Wort für verschiedene Begriffe gibt, wie z. B. bei Bank, werden die Treffer für beide Begrifflichkeiten zurückgeliefert. Flickr hilft sich in diesem Fall mit der Methode des Clusterings, das heißt, die Bedeutung eines Begriffs wird durch die »benachbarten« Tags erfasst. • Subjektivität der Begriffe. Es kann durchaus vorkommen, dass mehrere Nutzer dieselbe Ressource aus unterschiedlichen Interessen oder Kenntnissen oder Aufgabenstellungen heraus taggen. Aufgrund dessen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Nutzer die exakt gleichen Tags wählen. Wahrscheinlich werden sie im Kern gleiche oder ähnliche Tags wählen, aber um diese Kerntags werden sie sehr persönlich gefärbte eingeben, die es ihnen selbst leichter machen, später den Inhalt wieder einzuschätzen. Der kollaborative Effekt geht bei diesen Tags allerdings verloren. • Rechtschreibfehler und Sonderzeichen. Auch Tags, die Rechtschreibfehler oder Sonderzeichen enthalten, sind in die Summe der nicht erkannten Tags einzurechnen. Dabei muss noch nicht einmal der Nutzer die Schuld dafür tragen: Durch die falsche Kodierung der deutschen Umlaute könnte der Tag z. B. unbrauchbar werden. Neben Problemen auf der sprachlichen Ebene müssen folgende Argumente als Minuspunkte gewertet werden: • Keine exakte Suche. Folksonomien sind nicht für gezielte Suchanfragen geeignet. Obwohl sie die Möglichkeit zum Suchen nach Tags und Benutzern bieten, eignen sich Folksonomien viel eher zum Browsen und Stöbern. Denn für ein ganz bestimmtes Ziel müsste man zunächst genau wissen, wie die anderen Benutzer diese Seiten getaggt haben. • Tagspamming. Das Taggen wird in den seltensten Fällen in irgendeiner Form kontrolliert. Damit ist es sehr anfällig für Manipulation. Man gibt einfach viele beliebte Tags an, wodurch ein Objekt höher gerankt und ständig gefunden wird - egal, ob die Tags nun passen oder nicht. Visualisierungen. Während es bei den Webverzeichnissen naheliegt, die Kategorien und Items ganz einfach z. B. anhand von Einrückungen oder Hierarchiebäumen visuell darzustellen, erfordert dies bei einer scheinbar chaotischen Ansammlung von Begriffen wesentlich mehr Kreativität. 146 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 146 Die bisher gängigste Methode sind die sogenannten Tagclouds, auf deutsch am besten mit »Wortwolken« übersetzt (siehe Abb. 2.35). Diese sind ein typisches visuelles Merkmal von Web-2.0-Anwendungen. Man versteht darunter eine Zusammenstellung von Tags, die einem Objekt verliehen wurden. Die Logik dahinter ist ziemlich intuitiv: Je häufiger ein Tag unter sämtlichen Schlagwörtern vorkommt, desto höher ist sein Gewicht für den gesamten Webauftritt. Fügt man dann sämtliche Tags als Links (meistens alphabetisch) in einer Liste zusammen, sieht man sofort, welche Schlagworte am häufigsten verwendet werden: Je höher die Gewichtung des Wortes, desto größer, dicker oder farbiger erscheint es in der »Wolke«. Einige Webseiten bieten ihren Nutzern gar kein Tagging-System an, verfügen aber über eine Tagcloud. In diesem Fall wird zur Erstellung der Tagclouds die Häufigkeit bestimmter Begriffe auf einer Homepage herangezogen oder die Termini und Gewichtungen werden intellektuell eingeben (z. B. Spiegel Online). Tagclouds geben auf diese Weise einen zusätzlichen Überblick über die Themengebiete. Sie sind als Ergänzung zur konventionellen Seitennavigation zu verstehen, ersetzen diese aber nicht. Einige der größeren Community-Plattformen, wie Flickr und Delicious, haben auch mit ausgefalleneren Methoden zur Darstellung der Tags experimentiert. Diese Art der Visualisierung hat sich jedoch bisher nicht durchgesetzt und wird eher in Nischenbereichen eingesetzt. Als Beispiel sehen Sie in Abb. 2.36 die MusicMap, die Beziehungen zwischen den gespeicherten Musikern und Stilrichtungen veranschaulichen kann. Die Nähe zwischen den Tags »Rachmaninoff« und »Vaughan Williams« zeigen die Nachbarschaftsverhältnisse auf. Das sehr beliebte Geo-Tagging ist eigentlich eine Sonderform des Taggens: Die jeweiligen Objekte werden mit geografischen Standortinformationen angereichert. In der Regel bestehen sie aus dem Breitengrad und dem Längengrad. Aber erst durch die Visualisierung anhand von Kartenmaterial wird der Clou dieser Taggingform sichtbar. Bilder, Daten und sogar Personen können nun sofort auf einer Landkarte geographisch verortet werden. Abb. 2.35: Die Wortwolke einer Koch-Community 147 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 146 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 147 Passend zu diesen Anwendungen gibt es bereits Kameras mit einer Geo-Tagger- Funktion, die zusammen mit einem Foto auch gleich die exakte Position abspeichern. Abb. 2.36: MusicMap mit Suchbegriff »Rachmaninoff« Abb. 2.37: Geo-Tagging bei Flickr: Hier können die Fotos den entsprechenden Orten zugeordnet werden. Je größer die Punkte, desto mehr Fotos wurden hinterlegt. 148 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 148 2.7.2 Newsfeeds Newsfeeds sind zu wichtigen Werkzeugen der Web-2.0-Nutzer geworden. Als technische Grundlage verwenden sie RSS, ein plattformunabhängiges, auf XML basierendes Format; es wurde entwickelt, um Nachrichten und andere Webinhalte auszutauschen. So ist es für den Anwender möglich, Webseiten schnell und effektiv auf Änderungen und aktuelle Inhalte zu prüfen, ohne diese mitsamt Grafiken und Bannern direkt besuchen zu müssen. Man kann Newsfeeds entweder selber beziehen oder seine eigenen Inhalte als Newsfeeds zur Verfügung stellen. Begriffswirrwarr. Obwohl das Konzept der Newsfeeds vergleichsweise simpel ist, bringt es eine Reihe von Fachbegriffen mit sich, die umgangssprachlich sehr gerne vertauscht werden. Daher hier eine kurze Begriffsklärung: • Newsfeeds sind ein simples Instrument, um sich über Neuigkeiten auf einer Webseite zu informieren. Ob eine Webseite einen Newsfeed anbietet, zeigen moderne Browser durch folgendes Symbol an. • RSS (Really Simple Syndication - dt.: wirklich einfaches Abonnement) oder Atom sind die gängigsten Formate für solche Feeds. • Es gibt diverse Newsreader (auch Aggregatoren genannt). Das sind Programme, mit denen man Feeds einer Webseite abruft und in denen man auch direkt die Neuigkeiten lesen kann - ohne die Webseite selbst im Browser aufzurufen. Aggregatoren geben einen Überblick über zahlreiche Newsfeeds; sie zeigen, welche Informationen Feeds enthalten, welche aktualisiert wurden und welche der Inhalte der Benutzer noch nicht gelesen hat. Oft erlauben sie es auch, Newsfeeds mit Benutzern zu teilen, die derselben Online-Community angehören. • Syndication. Der Fachausdruck für den regelmäßigen Austausch aktueller Informationen zwischen Websites heißt »Content Syndication« oder auf Deutsch »Syndikation«. • Channel sind die einzelnen Seiten, die in den Aggregatoren zusammengefasst werden. Newsfeeds abonnieren. Webseiten sind eigentlich das klassische Pull-Medium. Will man sich über die neuesten Meldungen einer Site informieren, muss man Abb. 2.38: Symbol für Newsfeeds 149 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 148 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 149 selbstständig regelmäßig auf die Site schauen. Unterstützend können dabei z. B. Newsletter wirken. Für den Anwender hat dies jedoch den Nachteil, dass er seine E-Mail-Adresse preisgeben muss, was viele angesichts des derzeitigen Datenaufkommens ungern tun. Zudem kennt das jeder aus Erfahrung: Je mehr Newsletter bestellt worden sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass diese noch tatsächlich gelesen werden. Eine Alternative sind die Newsfeeds, die auch zum Leser kommen, für die der Anwender jedoch keine persönlichen Daten hinterlassen muss. Die einfachste Möglichkeit einen Newsfeed zu abonnieren ist, diesen als dynamisches Lesezeichen in den Browser aufzunehmen. Will man z. B. die Telepolis-Seite speichern, kann man im Browser auf das orange RSS-Symbol gehen. Bei Firefox ist dieses direkt in der URL-Adressleiste, beim MS Internet Explorer in der Symbolleiste zu sehen. Zusammen mit dem Feed wird nun ein Dialog angezeigt, in dem man bestimmen kann, wo man den Feed einbinden will (Abb. 2.39). Geht man nach dem Abspeichern in einem passenden Ordner (im Beispiel »Nachrichten«) auf das Lesezeichen, kann man alle neuen Artikel auf Telepolis im Überblick sehen. Mit Klick auf einen Titel gelangt man sofort zum kompletten Artikel. Optional ist es möglich, sich alle Artikel in Tab anzeigen zu lassen. Die Inhalte der dynamischen Lesezeichen werden standardmäßig einmal in der Stunde aktualisiert. Abb. 2.39: Das Abonnieren mit dynamischem Lesezeichen 150 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 150 Nutzung verschiedener Newsreader. Eine wesentlich größere Bandbreite an Funktionalitäten bieten natürlich die eigens zu diesem Zwecke geschaffenen Newsreader. Es genügt, in diesem Programm die entsprechende URL anzugeben oder diese über den oben genannten Dialog automatisch eintragen zu lassen. Das ist insofern äußerst praktisch, als man sich keine Webadressen merken oder viele Lesezeichen oder Favoriten im Browser verwalten muss. Die abonnierten Newsfeeds werden automatisch aktualisiert und senden Signale, sobald es Neuigkeiten auf einer Webseite gibt. Es gibt mehrere Typen von Newsreadern: • Stand-Alone-Programme, wie z. B. die kostenlosen Programme Feedreader für Windows und Akregator für Linux • Online-Newsreader, die den Vorteil haben, dass man, wie bei jeder Webanwendung, von überall auf sie zugreifen kann. Gute Beispiele hierfür sind Feedly, Netvibes oder FeedsBundle (Abb. 2.40) • Browser und E-Mail-Programme mit Newsreaderfunktionalitäten. So unterstützen z. B. der Internet Explorer und Outlook, aber auch das E-Mail-Programm Thunderbird das Abonnieren und Anzeigen von Newsfeeds. Alle Newsreader sind ähnlich aufgebaut. Auf einer Seite sind die Channel angeordnet, die man in einer hierarchischen Ordnerstruktur ablegen kann. Wird ein Channel ausgewählt, zeigt der Reader auf der rechten Seite die einzelnen Titel an. Ob Abb. 2.40: Der Online-Newsreader FeedsBundle 151 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 150 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 151 dabei die Vollversion des Artikels oder einer Zusammenfassung erhalten oder lediglich die Überschrift bezogen wird, entscheidet der Anbieter der Feeds. Damit der Leser informiert wird, wenn es neue Newsfeeds gibt, kann er sich einen kleinen Meldebutton im Browser oder in der Statusleiste des Betriebssystems installieren. Einsatzgebiete von Newsfeeds. Die Anwendungsmöglichkeiten für Newsfeeds sind ebenso offensichtlich wie vielfältig. Immer wenn der Nutzer gerne über die aktuellen Änderungen von Inhalten einer Website informiert werden sollte und möchte, ist es sinnvoll, mit Newsfeeds zu arbeiten. • Nachrichten. Sie stellen den ursprünglichen Anwendungsbereich für Feeds dar. Und nach wie vor verzichtet keine ernstzunehmende Nachrichtenwebsite auf dieses Feature. Ein spezieller Vorteil ist, dass man über RSS nur den Nachrichtenkategorien folgen kann, die einen wirklich interessieren. • Blogs. Die meisten Blogs werden wegen ihres Aktualitätsbezugs geschätzt. Die Beiträge werden hauptsächlich über Feeds gestreut. Aber auch Diskussionen auf Foren, neue Bookmarks auf Mister Wong und Veränderungen in einem Wiki muss man sich mit dieser Technik nicht entgehen lassen. • Neue Kontakte. Netzwerke bieten Feeds für verschiedene Funktionalitäten an. So kann man sich z. B. als Premium-Mitglied bei XING informieren lassen, wenn andere Personen Interesse für das eigene Profil gezeigt haben. • Neue Angebote. Ob es um freie Jobs geht oder um neue Produkte bei eBay: Auch diese Rubriken lassen sich in vielen Fällen über RSS beobachten. Newsfeeds erstellen. Newsfeeds selbst anzubieten ist nicht schwer. Es geht schließlich nur darum, eine Datei in ein XML-Format umzuwandeln. Ohne Hilfsprogramme ist dieser Vorgang nicht wesentlich komplexer als die Erstellung einer HTML-Datei. Aber wozu die entsprechenden Tags eigenhändig eingeben, wenn es dafür praktische Helferlein gibt? Ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, schlagen wir folgende Möglichkeiten vor (vgl. Maurice 2007): • Newsfeeds per CMS oder Blog. Viele gängige Blog- oder CMS-Systeme, wie z. B. Joomla! , stellen die Inhalte automatisch als Feeds zur Verfügung oder bieten die passenden Extensions an. • Newsfeeds per Browser-Erweiterung. Auch in viele Browsern lässt sich nachträglich ein Feedconverter einbauen. Den übersetzten Text kann man dann auf seiner Festplatte oder direkt per FTP auf dem Webspace abspeichern. • Newsfeeds per Onlinedienste. Was wäre das Web 2.0, wenn es nicht auch hierfür einen Onlinedienst gäbe. Dapper ist hierfür ein prominentes Beispiel. • Editoren oder Skripts für Newsfeeds. Will man die RSS-Erstellung vollkommen in der Hand behalten, ist es möglich, die passenden Skripts bei einem Hoster 152 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 152 zu hinterlegen oder einen Editor, z. B. Softwaregarden, auf dem lokalen Rechner zu installieren. Um die Feeds dann verfügbar zu machen, ist es nötig, diese natürlich im Websitecode für die automatische Verarbeitung und direkt auf der Seite, etwa mit dem gängigen RSS-Button, bekannt machen. Außerdem lohnt es sich, die Website dann bei den großen Newsfeeds-Verzeichnissen (z. B. RSS-Verzeichnis.de) anzumelden. Im Allgemeinen ist zu sagen, dass die Nutzung von RSS hinter den Erwartungen zurückbleibt. 2.7.3 Mashups Der Begriff »Mashup« (von engl. mash: vermischen) kommt aus dem Musikgeschäft und bezeichnet die Erstellung eines Remix, einer Mischung aus bereits bestehenden Liedern, die neu miteinander kombiniert werden. Übertragen auf das Internet ist damit eine Applikation gemeint, auf der Informationen aus verschiedenen Webressourcen bzw. -Sites zusammengestellt und daraus ganz eigene Kreationen entwickelt werden. Es können sowohl Texte und Daten, aber auch Multimediaelemente oder interaktive Komponenten wie Flash in einer Art Collage neu kombiniert werden. Viele User nutzen Mashups für eine personalisierte Startseite, auf der sie alle Informationen zusammenstellen, die sie besonders interessieren. Sehr beliebt sind hierfür natürlich die populären Informationsquellen von Google, Amazon, eBay und Flickr. Sie alle stellen ihre »application programming interfaces« (APIs), also Schnittstellen zu ihren Daten, anderen Entwicklern zur Verfügung. Damit kann der User nun seine Amazon-Wunschliste, RSS-Feeds von Weblogs aus dem Bekanntenkreis, Verknüpfungen mit Flickr-Fotostrecken und aktuelle Meldungen vom Wetterdienst auf seiner Site kombinieren. Wer nicht programmieren kann, kann sich einfacher Onlineeditoren für Mashups bedienen, wie z. B. Netvibes, die die verschiedenen Infos kinderleicht über Formulare und Drag&Drop zusammenstellen lassen. Durch die Weiterverarbeitung und Verknüpfung der verschiedenen Daten können aber auch äußerst interessante Kreationen entstehen, die einen informationellen Mehrwert bieten oder durch eine wesentliche höhere Benutzerfreundlichkeit auffallen. Das Taggen stellt dabei häufig eine unabdingbare Vermittlerfunktion zwischen den verschiedenen Daten dar. Populäre Mashup-Formen. Ganz so chaotisch, wie sich der Begriff »Mashup« anhört, ist es in den meisten Fällen nicht. Oft weiß man als Nutzer gar nicht, dass 153 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 152 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 153 man es mit solchen Gemisch zu tun hat. Die meisten Mashups lassen sich in einer der folgenden »Schubladen« unterbringen (vgl. Merill 2006) 37 : • Mapping-Mashups. Mit zunehmenden Bandbreiten und Speicherkapazitäten werden große Mengen an Daten gesammelt, die in irgendeiner Form mit geografischen Standorten zusammenhängen. Diese Daten für das menschliche Auge visuell aufzubereiten liegt nahe. Die Einführung der Google Maps API kam daher mehr als gelegen. Es ermöglicht nun Webdesignern, alle erdenklichen Daten auf Landkarten abzubilden. So können z. B. kriminalstatistische Auswertungen mit Landkarten verbunden werden, um anzuzeigen, an welchem Ort bestimmte Straftaten besonders häufig verübt werden (z. B. auf der Website Chicago Crime). Als Alternative zu Google Maps steht auch anderes Kartenmaterial von Microsoft (Virtual Earth), Yahoo (Yahoo Maps) und die freie Variante OpenStreetMap zur Verfügung. Werden die verschiedenen Objekte nicht von Webdesignern selbst, sondern kollaborativ von der Community mit geografischen Infos versehen, nennt man das Geo-Tagging (s. o.). Abb. 2.41: Interaktiver Hurricane-Tracker auf mynews13.com 154 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 154 • Video- und Foto-Mashups. Die meisten Bild- und Video-Communitys reichern ihr Material mit vielen Metadaten an (Was ist auf dem Bild zu sehen? Wo wurde es aufgenommen? Wem gehört es? ) Damit werden also automatisch Daten mitgeliefert, die als Anknüpfungspunkte für andere Anwendungen fungieren. So könnte ein Mashup ein Gedicht oder einen Liedtext auf das Vokabular hin analysieren und diese dann mit den passenden Bildern aus von einer Foto-Sharing-Website schmücken. • Shopping-Mashups. E-Commerce-Plattformen haben schon lange vor der Entstehung des Begriffs selbst, Mashups verwendet. Da die heutigen Web-APIs noch nicht zur Verfügung standen, hat man andere Business-to-Business-Technologien oder das Screen Scraping (siehe unten) genutzt, um z. B. vergleichende Preislisten zu erstellen. Mit den komfortablen und ausgereiften Web-APIs von eBay oder Amazon ist es kein Problem mehr, die aktuellen Produktinformationen zusammenzufassen und in die eigene Website zu integrieren. Ciao! ist ein Beispiel für eine große deutsche Shopping-Community, die per APIs auf die verschiedenen Onlineshops zugreift, damit einen Preisvergleich ermöglicht und die Produkte zudem von ihren Nutzern bewerten lässt. • Nachrichten-Mashups. Auch diese Mashups gehören bereits der älteren Generation an. Hier nutzte und nutzt man hauptsächlich die RSS-Technologie dazu, um die aktuellen Nachrichten schnell und einfach in die eigene Website einzufügen mit dem Ziel, seine eigene, persönlich zugeschnittene Tageszeitung zu erstellen (siehe Abb. 2.42). Es gibt aber auch professionelle Seiten, die eine Art Presseschau liefern, indem sie Feeds etablierter Nachrichtendienste anzeigen, relevante Begriffe extrahieren und nach verwandten Nachrichten, Blogs und Diskussionsseiten suchen (z. B. Google News). Funktionsweise von Mashups. Ein Mashup ist erfolgreich, wenn seine drei Komponenten optimal miteinander verknüpft sind und gut zusammenarbeiten. Dabei handelt es sich um den Browser des Nutzers, die Mashup-Website und die Datenquellen. Als Datenquellen kommen folgende Möglichkeiten in Frage: • Zugriff auf Newsfeeds. Das Prinzip der Newsfeeds wurde oben (siehe Kapitel 2.7.2) schon im Detail erläutert. Hier kommen sie mit neuer Motivation noch einmal zum Zuge. Neben ihrer Funktion, Leser über neue Inhalte zu informieren, können sie auch dazu genutzt werden, die Informationen dynamisch zu bearbeiten. Dafür steht eine Reihe von Diensten zur Verfügung, die die Inhalte in regelmäßigen Abständen abrufen, filtern, sortieren, verarbeiten und schön aufbereiten. Und das alles vollkommen automatisiert. • Verwendung von Widgets. Widgets, auch Gadgets, Gimmicks, Flakes oder Minis genannt, sind kleine Applikationen bzw. Websites, die z. B. direkt in einer 155 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 154 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 155 personalisierbaren Startseite eingebunden werden können und meist genau eine bestimmte Funktion beinhalten. So gibt es Widgets, die einfach nur eine Uhr darstellen, andere übernehmen die Funktionen einer »vollwertigen« Anwendung wie RSS Feed/ Newsreader und Mail-Client (Abb. 2.43). Abb. 2.42: Fark dient als übergreifendes Nachrichtenportal. Abb. 2.43: Eines der vielen Widgets auf Pageflakes: ein Podcastplayer in iPod-Optik 156 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 156 • Web Scraping. Dieser Begriff bezeichnet die Technik zum Auslesen des Inhalts aus dem Quellcode einer Website. Dazu werden die Webseiten abgerufen, die relevanten Daten extrahiert und für eigene Zwecke weiterverarbeitet. Suchmaschinencrawler sind ein typisches Beispiel für das Web Scraping. Diese Technik ist nicht immer legal. Sie kann auch dazu missbraucht werden, um Inhalte gegen den Willen des Anbieters zu kopieren und auf einem eigenen Server anzubieten. • Zugriff über APIs. Die eleganteste Methode zum direkten Zugriff auf die begehrten Inhalte stellen die öffentlichen Programmierschnittstellen dar. Große Websites wie Amazon oder eBay haben ihre riesigen Datenbestände über APIs offengelegt, so dass Programmierer die Inhalte im XML-Format beziehen und genauso wie mit Feeds weiterverarbeiten und in der gewünschten Form präsentieren können (vgl. Kapitel 2.8.2). Um die verschiedenen Datenquellen dann auf einer Website zusammenzustellen, gibt es mittlerweile eine Menge interessanter Programme, sogenannter Mashup Maker, die diese Arbeit erleichtern. So kann man anhand des Onlinedienstes MakeThingsDoStuff die Informationen per Drag&Drop zusammenstellen. Für aufwendigere Webplattformen gibt es professionelle, kostenpflichtige Programme wie den Mash Maker von Intel. 2.7.4 Funktionen, die die Community unterstützen Die bisher in diesem Kapitel genannten Techniken tragen mit den Möglichkeiten, die sie sowohl im technischen als auch im sozialen Bereich eröffnen, entschieden zum Erfolg des Social Webs bei. Es gibt jedoch noch weitere kleine Funktionen, die das Entstehen von Communitys unterstützen können. Social Software als Add-on. Das Web 2.0 entstand nicht aus dem Nichts, sondern fügte sich in die bereits bestehende Techniklandschaft des WWW ein. Unternehmen und Organisationen hatten bereits in mehr oder weniger aufwendige Softwarelösungen investiert. Diese etablierten Websites sollen nun dem Trend folgen und ihr Angebote um vermeintlich »soziale Elemente« erweitern. Da man für den user-generated content ungern ein Parallelsystem aufbauen möchte, liegt der Gedanke nahe, dass das bestehende System, z. B. ein CMS wie Typo3, in Richtung Community »aufgebohrt« wird. Das heißt in vielen Fällen nichts anderes, als dass man hier und dort eine Wiki- oder Blogextension anbindet, das Ganze mit Tagclouds verziert und darauf wartet, dass sich die Nutzer eifrig auf die neuen »Mitmach«-Funktionen stürzen. Doch der Nutzer ist nicht dumm. Er fragt sich schnell: Geht es bei einem 157 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 156 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 157 Angebot wirklich um meine Interessen? Nur die Angebote, denen der User so etwas wie Authentizität unterstellt, werden tatsächlich als Community erfolgreich. Leider fehlt es gerade daran sehr häufig bei Unternehmen, die ihrer Website lediglich den Stempel »Web 2.0« aufdrücken wollen. Ein weiteres Problem stellen die Extensions selbst dar. Diese sind bezüglich ihres technischen Reifegrads nicht mit den Originalen vergleichbar. So bietet die Mediawiki-Extension für das Lernsystem Moodle bei weitem nicht die Funktionalitäten, die die komplette Mediawiki-Version ausmacht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man an den Gebrauch von Social-Software-Extensions sehr überlegt herangehen sollte. Die Extension sollte einen realen Nutzen für die User darstellen, sich thematisch gut in das ältere System einfügen und technisch die passenden Funktionen mitbringen. Bewertungs- und Anreizfunktionen. Hierunter versteht man die verschiedenen Möglichkeiten, anhand derer User bestimmte Objekte, Produkte, aber auch die Beiträge anderer beurteilen können. Diese Funktionen stellen ein soziales Anreizsystem dar, denn sie dienen als Grundlage eines Wettbewerbs um die beste Bewertung. Dabei gibt es verschiedene Modelle. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen automatisierten Systemen und intellektuell erstellten Bewertungen. Automatisch generierte Bestenlisten werden in der Regel nach einfachen statistischen Kriterien geordnet. Dazu zählen beispielsweise die Zahl der Abrufe von Inhalten sowie die Anzahl und Länge der Beiträge einer Person. Problematisch sind diese Auswertungen aus zweierlei Hinsicht: Zum einen ist es relativ leicht, die Ergebnisse zu manipulieren, wenn man den zugrunde liegenden Algorithmus kennt. Zum anderen kristallisiert sich häufig eine Kerngruppe heraus, die so intensiv arbeitet, dass es späteren Einsteigern fast nicht mehr möglich ist, in den Rang der Besten aufzuschließen. Dadurch verlieren die Systeme an Motivationskraft. Die Bewertung durch die Mitglieder der Community wird in der Regel nach qualitativen Gesichtspunkten vorgenommen und bezieht sich meist auf Beiträge und nicht auf Personen. Prominent sind hier Punktesysteme. Für einen Beitrag kann eine Art Note vergeben werden, die einer individuellen Bewertung der Qualität entspricht. Hier gibt es viele verschiedene Varianten, angefangen von »Diggs«, die nur »gut« und »schlecht« kennen (Abb. 2.44), bis hin zu Sternen, Karmapunkten oder ähnlichen Metaphern. Der Mittelwert aus den Beurteilungen wird jeweils zusammen mit dem Beitrag angezeigt. Dieser ist jedoch nur aussagekräftig, wenn sich schon eine hinreichend große Anzahl an Bewertern geäußert hat, gibt es doch bei individuellen Meinungen eine teilweise beachtliche Streuung. Daher ist es üblich, neben dem Punktwert auch die Anzahl der Bewerter mit anzugeben. Perfektioniert wurde dieses Bewertungssystem durch Facebook, dessen »Likes« mittlerweile Grundbestandteil einer digitalen Metaphorik geworden sind 158 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 158 (Abb. 2.45). Der Benutzer kann hierbei mit einem Klick auf einen ausgestreckten Daumen anzeigen, dass er einen Beitrag oder dessen Inhalt besonders wertschätzt. Das System hat kein negatives Votum, Missfallen wird durch das Nichtdrücken des Like-Knopfes ausgedrückt. Die so entstehende Ambiguität wird bewusst in Kauf genommen. Dadurch kommt es zu seltsamen Brüchen, etwa, dass viele Menschen den Tod einer prominenten Person »liken«, um ihre Betroffenheit zu signalisieren. Likes sind die Vorstufe zum Teilen. In beiden Fällen bewertet eine Person einen Beitrag, beispielsweise eine Webseite oder ein Bild, positiv. Beim Teilen wird der Beitrag zudem in den eigenen Freundeskreis eingespielt. So wird diesem mehr Aufmerksamkeit zuteil. Neben diesen immerhin noch quantifizierbaren Rankingverfahren werden auch rein qualitative Varianten verwendet. Dazu zählen Kommentare oder die Kennzeichnung eines Werks als besonders lesenswert, wie es in der Wikipedia praktiziert wird. Diese Auszeichnungen werden in der Regel von einem Team nach vorheriger Diskussion vergeben. Abb. 2.44: Nachrichten auf Digg Abb. 2.45: Likes auf Facebook 159 2.7 Weitere Konzepte des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 158 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 159 Who is online? Bei größeren Communitys wie Xing erfährt man lediglich, wie viele Leute gerade auf der Plattform sind, bei kleineren oft auch die Namen. Obwohl man die anderen nicht kennt und keine Kommunikation zwischen den Teilnehmern entsteht, trägt die Information, dass sich noch andere auf der gleichen Website tummeln, zum Gemeinschaftsgefühl bei. Besonders interessant ist diese Anzeige bei Communitys, die aktiv genug sind, dass häufig jemand angemeldet ist, andererseits aber in ihrer Mitgliederzahl so überschaubar, dass sich die angemeldeten Benutzer untereinander kennen. Statistiken. Wenn viele Leute gemeinsam, wenn auch unabhängig voneinander, an einem Ziel arbeiten, wie z. B. in der Wikipedia, ist es schön, wenn man auf quantitative Daten zugreifen kann, die den Fortschritt des Projektes dokumentieren. Oft genügt eine dynamische Anzeige der steigenden Artikel und Teilnehmerzahlen. Noch schöner ist es natürlich, die Daten grafisch aufzubereiten und nach Zeit zu ordnen, so dass das Wachstum einer Community direkt dargestellt werden kann. Auch eine Rangfolge der beliebtesten Artikel oder der fleißigsten Autoren kann motivierend auf die Beteiligung wirken. Umfragen/ Polls. Ob es sich um Stöckchen beim Bloggen oder eine typische Multiple-Choice-Umfrage zu kontroversen Tagesthemen handelt: Es steigert das Selbstwertgefühl, nach der eigenen Meinung gefragt zu werden. Wenn diese Meinung mit nur einem Klick abgegeben werden kann, dann ist die erste Hürde zum Mitmachen genommen. Übungsfragen 1. Nennen Sie die größten sprachlichen Probleme bei der Vergabe von Tags und illustrieren Sie diese durch Beispiele! 2. Welche technischen Möglichkeiten gibt es für den Empfang von Newsfeeds? 3. Welche Vorteile bieten Mashups ihren Erstellern? 4. Besuchen Sie die Homepage von Amazon und beschreiben Sie die verschiedenen Community-Elemente der Website! Literatur Kantel, Jörg (2007): RSS und Atom. kurz & gut. O’Reilly, Köln. Ein kleines Buch, in dem Jörg Kantel, alias »Schockwellenreiter« alles erklärt, was man zum Thema Newsfeeds wissen muss. 160 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 160 2.8 Die Technik des Social Webs Wie schon in der Einleitung erwähnt, soll die Technik in diesem Buch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen. Dennoch ist es ratsam, die wichtigsten technischen Konzepte des Social Webs zu kennen, da diese zum Teil nicht unerheblich zur Dynamik des Web 2.0 beigetragen haben. 2.8.1 Grundlagen der Web-Anwendung World Wide Web ist nicht gleich Internet. Oft wird das WWW - oder kurz: das Web - als Synonym für das Internet benutzt und umgekehrt. Dabei ist das WWW zwar sicherlich der bekannteste Dienst des Internets, aber eben nicht der einzige. Es nutzen auch E-Mail, WhatsApp und World of Warcraft das Internet als Basis, ohne Teil des WWW zu sein. Das WWW beruht auf drei Basisstandards: • Über die URL, die Sie in einen Browser eingeben oder die Sie über einen Link ansprechen, adressieren Sie eindeutig eine bestimmte Website. So rufen Sie z. B. mit der URL »http: / / www.ccc.de« die Homepage des Chaos Computer Clubs auf. • Anhand des HTTP-Protokolls werden die Webseiten und andere Daten wie Fotos, Grafiken, Töne und Videos dann aus dem World Wide Web zu Ihrem Rechner übertragen und im Webbrowser geladen. • Damit das WWW für alle Computertypen und -plattformen verständlich ist, besteht es aus einer Art Beschreibungssprache, nämlich HTML (Hypertext Markup Language), die der Browser übersetzt und darstellt. Über HTML können die einzelnen Seiten mit Verweisen, den Links, verbunden werden. Es entsteht ein sogenannter Hypertext, in dem man ohne großen Aufwand von Website zu Website springen und die Informationen und Anwendungen, die das WWW bietet, erkunden kann. Später wurden diese Konzepte durch weitere Standards (JavaScript, CSS oder HTTPS) angereichert, um dem Wunsch vieler Entwickler nach mehr Dynamik und Sicherheit für die jeweiligen Websites nachzukommen. Aber im Grunde funktioniert das Web in seinem Aufbau noch genauso wie zu seinen Anfängen. Client/ Server-Architektur. Alle in diesem Buch genannten Applikationen und Techniken des Social Webs, die bisher beschrieben wurden, also Blogs, Wikis usw., 161 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 160 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 161 »leben« im Netz, genau genommen im World Wide Web, und sind daher nach dem Client/ Server-Prinzip aufgebaut. Wenn Sie eine Webseite über den Browser aufrufen, arbeiten Sie auf einem Computer, der Client genannt wird. Er sendet über das Internet eine Anfrage an einen zweiten Computer, den Server, auf dem die Webseite gespeichert ist. Dort wird sie entgegengenommen und verarbeitet. Je nachdem, was angefordert wird, sendet der Server eine entsprechende Seite zurück an den Client. Das Ergebnis wird dort wieder im Browser angezeigt. Das war die Kurzform. Aber was genau passiert eigentlich auf dem Server? Wenn die Anfrage vom Webserver (z. B. Apache oder Internet Information Server) entgegengenommen wird, erkennt dieser anhand der Endung der angeforderten Dateien, ob diese direkt zurückgeschickt werden können, was bei einfachen HTML-Dateien der Fall ist (Endung «.html«), oder ob es sich um Programmierskripts mit Endungen wie «.php« oder «.py« (für PHPbzw. Python-Dateien) handelt, die gesondert ausgeführt und dann erst verschickt werden müssen. Die Ausführung wird von einem so genannten Interpreter vorgenommen. Dieser nimmt nun einige Prüfungen vor. Ist derjenige, der eine Anfrage stellt, angemeldet, und hat er die nötigen Rechte, die geforderte Seite zu sehen? Wenn das der Fall ist, wird die Seite aus den einzelnen Komponenten zusammengebaut. Zunächst werden gegebenenfalls Inhalte aus der Datenbank (häufig MySQL) geholt und an der richtigen Stelle in die HTML- Abb. 2.46: Eine vereinfachte Darstellung der Client-Server-Architektur 162 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 162 Vorlage, die als Datei vorliegt, eingebaut. Dann werden die Module aufgerufen, die zusätzliche Ausgaben produzieren. Das Skript platziert diese an den entsprechenden Positionen in der Vorlage. Ist die Seite aufgebaut, wird sie an den Webserver übergeben, der sie dann an den Client-Rechner verschickt. Der Server ist genau genommen ein Programm, z. B. Apache HTTP Server oder der Microsoft Internet Information Server (IIS). Das bedeutet, dass der Webserver nicht unbedingt auf einem physikalisch getrennten anderen Rechner laufen muss, sondern auch auf dem gleichen Computer wie der Browser. Dies ist dann der Fall, wenn Sie ein Wiki zu Testzwecken auf Ihrem PC installieren möchten. Dann müssen Sie die Serverumgebung auf Ihrem PC einrichten und greifen mit Ihrem Browser auf denselben Rechner zu. Was passiert dann auf dem Client? Der Client nimmt die Daten vom Server entgegen und kann sie entweder sofort im Browser anzeigen, wenn es sich um pures HTML handelt, oder er verarbeitet die Informationen auf dem Client, also Ihrem Rechner, weiter, falls noch clientseitige Skripts, wie z. B. JavaScript-Code, enthalten sind. Diese werden eingesetzt, um den Server zu entlasten und um die Bedienung der Seite im Browser angenehmer zu machen. Moderne Seiten machen weitreichenden Gebrauch von clientseitiger Programmierung, wobei die Programme zum Teil ausführliche Befugnisse haben. Bösartige Skripts können diese Möglichkeit dazu nutzen, Daten eines Nutzers auszuspähen oder dessen Berechtigungen zu übernehmen. Das Abschalten von JavaScript ist leider keine Alternative mehr, da moderne Webanwendungen ohne diese dynamischen Elemente nicht funktionieren. Die Sicherheit wird vielmehr durch schnelle Updates der Software und die browserseitige Beschränkung des Zugriffs auf fremde Daten hergestellt. 2.8.2 Benutzerfreundlichkeit durch Scripts und Ajax Werden im Zusammenhang mit dem Web 2.0 technische Aspekte diskutiert, darf Ajax nicht fehlen. Dabei handelt es sich nicht um ein neues Programm oder eine neue Programmiersprache, sondern lediglich um eine Kombination etablierter Webtechnologien. Der Schöpfer des Begriffs, der Webdesigner Jesse James Garret, hat mit dieser leicht zu merkenden Kurzform eines ansonsten umständlich langen Ausdrucks, nämlich »Asynchronous JavaScript And XML«, erheblich zu der Verbreitung des Konzepts beigetragen (2005) 38 . Zudem konnten in den letzten Jahren eine Reihe von Applikationen durch eine verbesserte Oberfläche und eine elegante ajaxbasierte Lösung das Interesse des Webpublikums auf sich ziehen und damit auch auf Ajax aufmerksam machen. Allen voran ist hier die Google-Suchleiste zu nennen, die schon während des Tippens Vorschläge zur Vervollständigung des 163 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 162 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 163 Suchbegriffs macht. Dieser Vorgang wäre ohne die Technologie nicht denkbar. Damit wären wir auch schon beim Thema: Woran erkennt man denn eigentlich eine Ajax-Applikation? Für den normalen User ist dies gar nicht so einfach, weil gerade die Unauffälligkeit der technischen Vorgänge das entscheidende Merkmal von Ajax ist. Im Grunde ist der Browser jedoch in ständigem Kontakt mit dem Server. Dies ebnet den Weg für komplexe clientseitige Programmierung, bei der die Nutzeraktionen an den Server gemeldet werden: • Rich Internet Applications. Damit ist die zunehmende Angleichung von Webapplikationen an Desktopprogramme gemeint. So können z. B. auf der Website von Google Docs Dokumente verfasst und formatiert werden. Wichtiger Bestandteil ist dabei ein unkomplizierter, tadellos funktionierender WYSIWYG 11 -Editor, der bei konventionellen Webapplikationen oft eine ewige Fehlerquelle darstellt. Zudem kann man in Google Docs genau wie in Microsoft Word Menüs auf- und zuklappen und ausgefeilte Dialogfenster nutzen. Es gibt auch ein Excel-Äquivalent (Abb. 2.47), mit dem ein durchaus sehenswertes 11 »What You See Is What You Get« bezeichnet Editoren, mit denen ein Text sofort in der richtigen Formatierung bearbeitet werden kann. Sie sehen also schon während der Eingabe, wie der Text in der Ansicht oder im Druck aussieht. Abb. 2.47: Die Tabellenkalkulation bei Google Docs 164 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 164 Tabellenkalkulationsprogramm realisiert wurde. Alle diese Dokumente können gleichzeitig von mehreren Nutzern bearbeitet werden und schaffen so die Möglichkeit ganz neuer Vorgehensweisen bei der gemeinsamen Texterstellung. Ohne Ajax wäre dies nicht denkbar. • Mehr Präzision der Nutzerinteraktion. Die Site reagiert sofort auf Ihre Eingaben, und zwar noch während Sie tippen. Typisches Beispiel hierfür ist Google Suggest. Sie beginnen mit der Eingabe des Suchbegriffs und Google schlägt Ihnen etliche Vervollständigungen vor, die nicht von Ihrem Browser aus Ihren älteren Angaben generiert, sondern vom Server aus einer Datenbank geholt werden. • Drag&Drop. Eine Errungenschaft der grafischen Benutzeroberfläche ist die Bedienung per Drag&Drop. Dies ist eine Arbeitstechnik, bei der Objekte direkt mit dem Mauszeiger angefasst, verschoben (»drag«) und in einem Zielbereich losgelassen (»drop«) werden können. Als wohl intuitivste Form der Interaktion mit einem gewöhnlichen PC hielt Drag&Drop rasch Einzug in viele Anwendungen (Abb. 2.47). In Webanwendungen war das Prinzip bisher nur schwer zu realisieren, was hauptsächlich an den unterschiedlichen Interpretationen der verschiedenen Browser lag. Für JavaScript gibt es mittlerweile eine Reihe von sehr guten Frameworks, die dem Entwickler von webbasierten Anwendungen fertig einsetzbare Lösungen zur Verfügung stellen, die ohne zusätzlichen Aufwand auf den gängigen Browsern funktionieren. Abb. 2.48: Google Suggest wird seinem Namen gerecht. 165 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 164 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 165 • Ajax-Ästhetik. Viele Leute bestreiten, dass Ajax einen großartigen Einfluss auf die visuelle Gestalt der Webseiten hat. Unseres Erachtens sieht man aber in zunehmenden Maße kleine sichtbare Veränderungen, die nicht nur auf die typische Ästhetik des Webdesigns in der derzeitigen Web-2.0-Phase zurückzuführen sind, sondern auf Ajax-Funktionalitäten basieren, z. B. Abdunklungseffekte, die den Hintergrund so gut verschwinden lassen, wenn Dialogfenster aufgerufen werden (siehe Abb. 2.50). Funktionsweise. Um das genaue Vorgehen von Ajax zu verstehen, werfen wir noch einmal einen Blick zurück auf die »herkömmlichen« Webseiten (Abb. 2.51). Diese sind von einer bestimmten Verfahrensweise geprägt, die jeder kennt, der schon länger mit dem Internet zu tun hat: Man ruft eine Seite auf, wartet, bis diese im Browser angezeigt wird, klickt auf den nächsten Link oder macht irgendwelche Eingaben, wartet, bis die neue Seite bzw. die Antwort geladen ist und so weiter und so fort. Techniker bezeichnen dieses Konzept als synchron: Während der Server die Anfrage des Clients bearbeitet, hält der Client normalerweise still und wartet auf die Antwort. Erst wenn die Antwort angekommen ist, arbeitet der Client weiter. Mittlerweile ist diese Vorgehensweise durch das beständige Wachstum der Bandbreiten für den User erträglich geworden, weil die Reaktionszeit des Abb. 2.49: Bei netvibes können die verschiedenen Elemente der Site mit Drag&Drop an eine andere Stelle verschoben werden. 166 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 166 Servers wesentlich schneller geworden ist. Das Prinzip ist dennoch das gleiche geblieben und unterscheidet eine Webanwendung damit grundlegend von einer Desktopanwendung. Ein Beispiel ist der abschließende Bestellvorgang bei Amazon: Erst geben Sie Ihre Nutzerdaten ein. Während der Eingabe erhalten Sie noch keine Rückmeldung. Erst wenn Sie auf den »Absenden«-Button gedrückt haben, überprüft der Server Ihre Eingaben und schickt Ihnen eine neue Seite zurück, die Ihnen entweder die Annahme der eingegebenen Daten signalisiert oder Sie ermahnt, fehlende Textfelder auszufüllen. Erst dann erfolgen die nächsten Schritte, bis Sie ganz zum Schluss den Kauf tatsächlich als vollzogen ansehen können. Mit Ajax gewinnt dieser Schlagabtausch mit dem Server an Geschwindigkeit und Dynamik. Hier geschieht die Interaktion zwischen Nutzer und Seite im Hintergrund durch einen permanenten Client-Server-Datenaustausch (Abb. 2.52). Der Seiteninhalt kann sich verändern, indem die relevanten Informationen häppchenweise nach Bedarf nachgeladen werden, ohne dass die Seite im Browser komplett neu aufgebaut werden muss. Das Ajax-Modell basiert dabei auf der Erweiterung des klassischen Modells durch einen permanenten Vermittler zwischen der Client- und der Serverseite, der sogenannten Ajax-Engine, ein Programm, das in Abb. 2.50: Abdunklungseffekt bei BlueSpice for MediaWiki 167 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 166 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 167 jedem neuen Browser bereits integriert ist. Diese beobachtet die Interaktionen der User, schickt bei Bedarf Anfragen an den Server, interpretiert die Antworten und passt die Seitendarstellung dementsprechend an. Die klassischen generellen HTTP-Anfragen werden dabei durch kleine HTTP-Anfragen der Engine ersetzt. So kann etwa ein Passwort sofort im Hintergrund geprüft werden: Die Ajax-Engine nimmt beim Eintippen das Passwort vom Eingabefeld entgegen und sendet es an ein Serverscript, also z. B. eine Python-Datei. Dieses fragt in der Datenbank nach, ob das Passwort falsch oder richtig ist. Die Antwort wird an die Engine zurückgeschickt, die dann für eine entsprechende Meldung auf der Seite sorgt, indem sie die Seitendarstellung über CSS und DOM verändert. Was ist DOM? Um Elemente auf einer Website ein- und ausschalten, erzeugen und löschen zu können, setzt JavaScript auf das Document Object Model (DOM). Mit diesem Modell können die Elemente einer Seite direkt angesprochen und die Struktur eine Webseite oder XML-Seite verändert werden. Dies geschieht so schnell, dass der Anwender das Gefühl hat, eine prompte Reaktion zu erhalten. Die Leistungsfähigkeit von Ajax wird noch dadurch erhöht, dass die Engine gleich mehrere Anfragen parallel bearbeiten kann, wenn der User weitere Angaben macht, Abb. 2.51: Dialog zwischen Server und Client bei einer klassischen Anwendung 168 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 168 die geprüft werden müssen. Zudem muss der Vorgang nicht notwendigerweise vom Nutzer initiiert werden - ein im Hintergrund laufendes Script kann Funktionen selbstständig aufrufen. Diese Unabhängigkeit von Userinteraktion, den Vorgängen auf der Webseite und den parallel ablaufenden Serverprozessen bezeichnet man als asynchron. Bestandteile von Ajax. Ajax ist eine geniale Kombination aus bereits bestehenden Technologien (vgl. Friedman 2008): • HTML und CSS, welche eine standardkonforme Seitenstruktur und Präsentation sicherstellen. • Asynchrone HTTP-Anfragen. Sie finden hinter den Kulissen statt, während die Besucher auf der Seite weiterlesen, ein Formular ausfüllen oder ähnliche Tätigkeiten durchführen. Ein spezieller Verarbeitungsmechanismus, genannt Callback-Funktion, liest die Serverantwort, sobald sie vorliegt. • JavaScript zur Manipulation des Document Object Models und zur dynamischen Darstellung der Inhalte. JavaScript dient auch als Schnittstelle zwischen einzelnen Komponenten. Das benötigte HTTP-Anfrageobjekt gehört (unter verschiedenen Namen) zur JavaScript-Bibliothek aller aktuellen Browser. Abb. 2.52: Serveranfragen mit Ajax 169 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 168 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 169 • DOM zur dynamischen Anzeige, Interaktion und Manipulation von Seitenstrukturen. • XML zum Nachladen, Austauschen und Ändern von lokal und extern gespeicherten Daten. Programmiertechnisch tritt der Ajax-Code als ganz normaler JavaScript-Code auf, indem er von den JavaScript-Tags eingeschlossen wird. Ajax kann von jedem modernen grafischen Browser (z. B. Internet Explorer ab Version 6, Firefox und Chrome) interpretiert werden. Auch dadurch wird deutlich, dass es sich bei Ajax um gewöhnliche JavaScript-Programmierung handelt, die durch zusätzliche Methoden erweitert wurde. Nachteile von Ajax. Obwohl mit Ajax unbestritten beeindruckende und nützliche Effekte möglich sind, gibt es dennoch berechtigte Kritik (vgl. Maurice 2007): • Deaktivierung von JavaScript. Wenn ein Browser kein JavaScript unterstützt oder es deaktiviert ist (je nach Untersuchung ist das bei bis zu 2 Prozent der Nutzer der Fall), sind all die schönen Ajax-Effekte nicht mehr sichtbar. Ebenfalls ist dies auch bei der automatischen Verarbeitung schwierig. Besonders Rich-Client-Anwendungen funktionieren ohne JavaScript nicht mehr. Um dies zu umgehen, müssen die Webdesigner dafür sorgen, dass die Seite trotzdem noch einigermaßen nutzbar ist. Dies ist z. B. mit <noscript>-Tags machbar, die Anweisungen einbinden, die ausgeführt werden, wenn JavaScript deaktiviert ist. • Die Verwendung der Vor- und Zurück-Schaltflächen. Wenn Sie im Webbrowser normalerweise auf die Schaltflächen für Vor und Zurück klicken, wird zum nächsten beziehungsweise vorherigen Eintrag in der Browser-History (Verlaufsliste, Chronik) gesprungen. Doch ohne neuen URL, die in Ajax-Anwendungen ja nicht erzeugt wird, gibt es auch keine Möglichkeit vor- oder zurückzuspringen. Einige JavaScript-Frameworks bieten mittlerweile Lösungen für dieses Problem. • Setzen von Bookmarks. Das Setzen von Bookmarks (Lesezeichen, Favoriten) stößt auf ein ähnliches Problem: Wird der Inhalt einer Seite dynamisch geändert, ändert sich dadurch nicht die URL. Damit kann kein Bookmark gesetzt werden. Mit viel Handarbeit kann man jedoch die URL mit Ankern ausstatten oder unsichtbare IFrames einbinden. Auch einige Ajax-Frameworks bieten die Möglichkeit, die einzelnen Zustände von Ajax-Webseiten zu erfassen. Allerdings ist das bei vielen Applikationen sowieso nicht sinnvoll. Bei Google Suggest ist es gar nicht wünschenswert, dass alle möglichen Suchanfragen gespeichert werden. • Polling. Die Ajax-Engine muss ständig beim Server nachfragen, um die aktuellen Daten zu erhalten. Dieser Vorgang wird Polling genannt und führt zu einer eindeutig höheren Auslastung des Webservers. 170 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 170 • Barrierefreiheit. Barrierefreiheit von Webseiten bedeutet, dass auch Menschen mit Behinderung diese bedienen können. Wenn Funktionen mit Ajax per Drag&Drop - auszuführen sind, sollten diese alternativ zur Maus auch mit der Tastatur zu bedienen sein. Außerdem haben manche Screenreader, die Sehbehinderten die Informationen einer Website vorlesen, Schwierigkeiten, mit ständig wechselnden Seiten umzugehen. • Benutzerfreundlichkeit. Bisher war stets von dem gestiegenen Maß an Benutzerfreundlichkeit die Rede, das durch Ajax erreicht werden kann. Umgekehrt wird aber auch oft angeführt, dass das unerwartete Verhalten der Webseite den User verwirren könnte. Dies ist sicherlich so, wenn die oben genannten Fälle auftreten und der Anwender auf einmal weder die Zurück-Schaltfläche bedienen noch Bookmarks für eine bestimmte Seite ablegen kann. Bezüglich der Angleichung an Desktopapplikationen ist jedoch anzunehmen, dass die Gewöhnung wesentlich kürzer und angenehmer sein wird, da die Erwartungskonformität mit bekannten Elementen aus diesem Bereich gegeben ist. In Word gibt es in diesem Sinn keinen Zurück-, sondern einen Rückgängig-Button mit eigenen Regeln, der in Rich-Client-Applikationen einprogrammiert werden muss. • Persistierung von Daten und Offline-Nutzung. Je ähnlicher die Webapplikationen herkömmlichen Programmen werden, desto größer wird auch der Wunsch nach einer Offline-Nutzung. Dazu müssen die bearbeiteten Daten auch clientseitig speicherbar sein. HTML5 legt hier mit dem Local Storage die Grundlagen. Dennoch sind bisher die wenigsten komplexen Webseiten in der Lage, ordentlich mit Netzausfällen umzugehen. Fazit. JavaScript hat sich in den letzten Jahren dank Ajax von einer kleinen Hilfssprache zu einer vollausgestatteten Programmiersprache gemausert. Die Komplexität der Programme, die dabei entstanden ist, und die Schwierigkeit, dieses komplexe Verhalten in unterschiedlichen Browsern gleich darzustellen, werden ein wenig gemildert durch Frameworks, die gängige Aufgaben vereinheitlichen und leicht programmierbar machen. Es ist sinnvoll, Ajax bei mehrseitigen Formularen, Umfragen, Tabellen und Datenverarbeitung, dynamischen Umgebungen oder Platzierung von Hinweisen einzusetzen, also überall dort, wo ganz klar ein Mehrwert für den User entsteht. Bei einfacheren Umsetzungen sind die traditionellen statischen Methoden vorzuziehen. 171 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 170 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 171 2.8.3 Viele neue Schnittstellen In Kapitel 2.7.3 wurde beschrieben, dass im Social Web verschiedene Datenquellen und Anwendungen in Mashups neu zusammengestellt werden. Die technische Grundlage für diese Kombinationen sind die vielen verschiedenen Protokolle, Formate und APIs, die den Webdesignern nun zur Verfügung stehen. Anhand dieser ist es ein Leichtes, die unterschiedlichsten Datenquellen anzuzapfen, automatisch oder manuell zu verarbeiten und zu rekombinieren. Selbst die hier beschriebenen technischen Konzepte werden in den meisten Fällen miteinander verbunden und lassen sich nicht klar voneinander abgrenzen. Obwohl sie hier also zu Definitionszwecken untereinander und getrennt dargestellt werden, sind die Grenzen zwischen den verschiedenen Techniken fließend. RSS und Atom. In früheren Kapiteln haben wir schon sehr viel zum Thema RSS aus der Anwendersicht geschrieben. Hier wollen wir kurz auf den rein technischen Aspekt dieses Formats eingehen. Doch zuvor in einer Zusammenfassung noch einmal die Anwendungsmöglichkeiten von RSS. • RSS ist keine ganz junge Technologie. Ursprünglich wurden RSS-Feeds von Nachrichtenseiten zur Verbreitung ihrer Meldungen verwendet. Das Format erlangte seine heutige Popularität vor allem durch den Einsatz in Blogs und Podcasts. • Ein Benutzer kann nun ein sogenanntes Aggregatorprogramm bzw. einen Feedreader oder Newsreader benutzen, um die für ihn wichtigsten Schlagzeilen und Kurzbeschreibungen automatisch herunterzuladen und die gesammelten Artikel geordnet anzeigen zu lassen. Hierfür benötigt der Aggregator lediglich einen Link auf den RSS-Feed (siehe Kapitel 2.7.2). Auch gängige E-Mail-Programme und Browser lassen sich in aktuellen Versionen als Feedreader verwenden. • Darüber hinaus kann man fremde RSS-Feeds auch in die eigene Webseite integrieren. Viele Content-Management-Systeme bieten derartige Funktionalitäten an. • Umgekehrt kann man die Informationen auf der eigenen Website als RSS anderen zur Verfügung stellen. • RSS-Feeds eignen sich auch zur automatischen Verarbeitung z. B. durch spezialisierte Suchmaschinen. Artikel können innerhalb eines RSS-Feeds durch einschlägige Dienste nach Quellen oder Stichworten gefiltert und zu einem neuen RSS-Feed zusammengesetzt werden. 172 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 172 Eigentlich ist RSS eine Familie von XML-basierten Dateiformaten. Die Abkürzung RSS hat aufgrund seiner speziellen Geschichte (siehe unten) in den verschiedenen technischen Spezifikationen eine unterschiedliche Bedeutung: • Rich Site Summary in den RSS-Versionen 0.9x • RDF Site Summary in den RSS-Versionen 0.9 und 1.0 • Really Simple Syndication in RSS 2.0 RSS speichert Artikel einer Website oder deren Kurzbeschreibungen und stellt diese in maschinenlesbarer Form bereit. Ein RSS-Feed oder Newsfeed besteht aus einer XML-Datei, welche den reinen strukturierten Inhalt - beispielsweise einer Nachrichtenseite - bereithält, aber in der Regel keinerlei Layout, keine Navigation oder sonstige Zusatzinformationen beinhaltet. Das Beispiel von Abb. 2.53 zeigt eine Newsfeedseite von Spiegel Online in der Quelltextansicht. Spiegel stellt nur die Schlagzeilen, d. h. lediglich die Überschriften, als Feeds zur Verfügung. Derjenige, der Feeds anbietet, hätte aber auch die Möglichkeit, zusätzlich Abstracts, also kurze Zusammenfassungen der Artikels mitzuliefern oder gar den vollständigen Text in einem sogenannten Vollquote. Diese Auswahl hängt meistens davon ab, wie viele Artikel angeboten werden und wie lang die Beiträge auf der jeweiligen Seite sind. So ist es nicht sinnvoll, seitenlange Artikel ständig als Vollquote zur Verfügung zu stellen, auch vor dem Hintergrund der Datenmengen, die dabei anfallen würden. Abb. 2.53: Newsfeed von Spiegel Online in der Quelltextanzeige 173 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 172 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 173 Man zählt RSS zu den ersten Anwendungsgebieten des semantischen Webs, da sie im Gegensatz zu HTML keine Information zur Formatierung, sondern nur eine Aussage über die Funktionen der Textteile enthalten (sollen). Auf unserer Beispielseite (Abb. 2.53) sehen Sie, dass es sich hierbei um RSS 0.91 handelt. Es gibt also mehrere Versionen von RSS, deren Versionsnummern zwar aufeinander aufbauen, die aber von verschiedenen Firmen bzw. Entwicklergruppen zum Teil unabhängig voneinander herausgegeben wurden. Hier sind die verschiedenen Syndizierungsformate und ihre Entstehung im Überblick (vgl. Kantel 2007): RSS 0.9x ist das älteste RSS-Format und wurde 1999 von dem My Netscape Network, einer individualisierbaren Nachrichtenseite von Netscape, veröffentlicht. Es wurde schon nach wenigen Wochen von 0.91 abgelöst. Dieses Format war lange Zeit das gebräuchlichste und wurde von Dave Winers 12 damaliger Firma UserLand integriert und weiterentwickelt. So führte Ende 2000 UserLand das Format 0.92 ein, das mit zahlreichen Erweiterungen versehen und nun nicht mehr auf 15 Einträge pro Channel beschränkt war. RSS 1.0 wurde parallel von einer unabhängigen Entwicklergruppe im Jahr 2000 erarbeitet und veröffentlicht. RSS steht hier für RDF Site Summary, basiert also auf RDF. Ziel dieses Forks war es, RSS so aufzubereiten, dass es den strengen Regeln des semantischen Netzes, also dem RDF- Standard, genügen sollte. RSS wurde dadurch komplexer und erhielt mehr Funktionalitäten. RSS 2.0 ist die Weiterentwicklung von UserLand. Es erweitert die älteren RSS-0.9x-Spezifikationen, macht aber keinen Gebrauch von RDF. Als Besonderheit konnte das neue Format nun auch für Podcasts und Videocasts verwendet werden. Die Version wird auch als Really Simple Syndication übersetzt. Atom. Streitereien innerhalb der RSS-Entwicklergemeinden, ungelöste Probleme sowie mangelnde Dokumentation haben dazu geführt, dass eine dritte Gruppe um Mark Pilgrim dieses ganz eigene Format eingeführt hat. Für Pilgrim waren die RSS-Formate zu unspezifisch, was sich in Inkompatibilitäten zwischen den Versionen und Ungenauigkeiten beim Datumsformat zeigte. Atom ist dagegen standardisiert, beruht auf einer eindeutigen Spezifikation und ist leicht zu implementieren. RSS und Atom sind nicht miteinander kompatibel, die beiden Formate können jedoch ineinander umgewandelt werden. Die meisten RSS-Feeds sind heute RSS 0.92/ 2.0 oder Atom. 12 Dave Winer gilt als zentraler Entwickler von RSS und ist einer der wichtigsten Gestalten der »Blogosphere«. Er wird von der deutschen Wikipedia als Nestor des Bloggens bezeichnet. 174 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 174 Web Services. Ein weiterer Aspekt der Web-2.0-Entwicklungen sind die Formate und Protokolle der sogenannten Web Services. Diese sind im engeren technischen Sinn die automatisierte Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Applikationen übers Internet. Es werden also nicht HTML-Seiten zu einem Webbrowser geschickt, die betrachtet werden können, sondern Programme tauschen Daten und starten auf entfernten Rechnern Funktionen (Abb. 2.54). Eines der wichtigen Schlagwörter hierbei heißt »Distributed Computing« oder »verteilte Anwendungen«. Es geht darum, Teile einer Anwendung auch auf anderen Rechnern laufen zu lassen. Dazu gibt es bereits erfolgreiche Ansätze; doch die zunehmende Verbreitung des Internets hat dazu geführt, dass nach neuen Möglichkeiten gesucht wurde, verteilte Anwendungen zu organisieren - am besten unter Verwendung von Internetprotokollen. Dabei propagiert O’Reilly das sogenannte Lightweight Programming, bei dem die Services nicht darauf angelegt sind, eine enge Verzahnung zwischen den Anwendungen herzustellen (ein Programm kennt die Interna des anderen Programms), sondern nur eine lose Kopplung bewirken (es sind nur speziell definierte Schnittstellen bekannt). Abb. 2.54: Funktionsweise von Web Services 175 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 174 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 175 Mithilfe von Web Services können einzelne Webapplikationen miteinander kommunizieren. Das Trägerprotokoll ist HTTP, denn dieses Protokoll ist bereits überall im Internet in irgendeiner Form implementiert. Als weitere Technik kommt XML (eXtensible Markup Language) zum Einsatz. Die Daten bei Web Services werden im XML-Format übergeben, denn es bietet eine standardisierte Möglichkeit, Daten zu speichern. Sie müssen sich das Vorgehen so vorstellen: Angenommen, Sie benötigen eine Information, z. B. die Übersetzung eines Satzes in eine andere Sprache. Als Konsument durchsuchen Sie also nun das Verzeichnis der Web Services, UDDI (Universal Description, Discovery and Integration), und wählen den gewünschten Dienst, etwa den Übersetzungsdienst BabelFish von Alta Vista, aus. Dieser ist über seinen URI (Uniform Resource Identifier) eindeutig ansprechbar. Sie lassen Ihre Website eine Nachricht an diesen Web Service schicken und rufen dort die gewünschte Funktion ab. Diese lässt sich dynamisch an Ihre Seite einbauen, so dass Sie den Dienst immer wieder in Anspruch nehmen können. Der Web Service antwortet auch (mehr oder weniger) prompt und schickt Ihnen das Ergebnis an Ihre Webapplikation zurück, die es dann weiterverarbeitet (Abb. 2.55). Das gängigste Protokoll, anhand dessen die Nachrichten hin und her geschickt werden, ist SOAP: • SOAP. Große Onlinedienste wie Google, Amazon, eBay sowie Hunderte kleinerer Dienstanbieter machen ihre Web Services im Format SOAP (Simple Object Access Protocol) zugänglich. Darüber wird die Kommunikation zwischen verteilten Applikationen und Objekten ermöglicht und standardisiert. SOAP ist ein XML-Datenformat und keineswegs simpel, ermöglicht aber eine recht genaue Beschreibung der transportierten Daten. Üblicherweise steht von Webservices eine Beschreibung in der XML-Sprache WSDL (Web Services Description Language) bereit, welche von SOAP-Clients verarbeitet werden kann. So erfahren die Skripts und deren Programmierer, welche Anfragen der Dienst erwartet und welche Funktionen und Objekte er anbietet und können sich gegebenenfalls darauf einstellen. • XML-RPC. Deutlich schlichter gestrickt ist XML-RPC (RPC steht für »Remote Procedure Call«), ein früher Ableger der SOAP-Entwicklung. Der Unterschied zu SOAP besteht im Wesentlichen in der Komplexität der übertragenen Daten und der Flexibilität der Kommunikation zwischen Client und Server selbst. Für SOAP und XML-RPC stehen in gängigen Programmiersprachen wie Java oder PHP leistungsfähige Module bereit, die dem Entwickler viel Arbeit beim Absetzen und Dechiffrieren der XML-Botschaften abnehmen. • REST. Ein Gegenentwurf zu diesen entfernten Funktionsaufrufen per SOAP oder XML-RPC ist REST (Representational State Transfer), das versucht, ganz 176 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 176 ohne Abstraktion auszukommen. Stattdessen arbeiten REST-Anwendungen mit gut strukturierten URLs und reizen die Fähigkeiten des HTTP-Protokolls aus. Web-APIs. Damit die Webanwendungen auf eine bestimmte Applikation überhaupt zugreifen können, müssen diese Web-APIs offenlegen. Dies sind Programmierschnittstellen zur Anwendungsprogrammierung, die anderen Programmen von einem System zur Verfügung gestellt werden, um einen Zugang zu diesem und den darauf abgelegten Daten zu ermöglichen. In der letzten Zeit haben Web-APIs zunehmend an Bedeutung gewonnen, weil viele berühmte Portale, z. B. eBay oder YouTube, ihre APIs ganz offen anbieten, wenn nicht sogar bewerben. Um diese APIs verwenden zu können, genügt es meistens, sich auf der Seite des Dienstes anzumelden und einen API-Schlüssel anzufordern. Durch die Öffnung dieser riesigen Web-Service-Wissensquellen stehen originellen Programmierideen Tür und Tor offen. Mittlerweile werden sogar Toolkits angeboten, die auch einem Amateurprogrammierer die Nutzung der APIs ermöglichen. Zum Beispiel genügen einige (vorgegebene) Zeilen Code, um eine Landkarte von Abb. 2.55: Das Social Web aus technischer Sicht 177 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 176 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 177 Google Maps in die eigene Webseite zu integrieren und mit eigenen Ebenen, so genannten Overlays, zu versehen. Hier ein paar besonders interessante APIs: • Amazon Web Services http: / / www.amazon.com/ webservices • Flickr-API http: / / www.flickr.com/ services/ api • YouTube-API http: / / www.youtube.com/ dev • eBay-API http: / / entwickler.ebay.de • Google-API (Abb. 2.56) http: / / www.google.com/ apis • Facebook’s Graph-API https: / / developers.facebook.com/ docs/ graph-api Neben Mashups sind Applikationen für soziale Netzwerke ein weit verbreitetes Einsatzgebiet. Im Unterschied zu den bisher genannten werden die Applikationen jedoch nicht auf dem eigenen Rechner, sondern direkt bei den Diensten wie Facebook oder Xing gehostet. Abb. 2.56: Eine Momentaufnahme der Google APIs 178 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 178 Die APIs, die bisher zur Verfügung gestellt werden, sind jeweils spezifisch auf die einzelnen Webdienste zugeschnitten und proprietär. Ein Programmierer, der verschiedene dieser APIs beispielsweise für ein Mashup einsetzen will, muss sich also mit unterschiedlichen Befehlen und Konventionen auseinandersetzen. 2.8.4 Verwendete Sprachen Die Architektur von Webanwendungen bringt es mit sich, dass die verschiedenen Bereiche auch separate Programmiersprachen und Standards verwenden. Klassisch sind die Sprachen, mit denen serverseitige Anwendungen erstellt werden. Zu diesen zählen Skriptsprachen wie PHP oder Perl, aber auch (noch) komplexere Sprachen wie Java oder C#. Da es sehr mühselig wäre, für Aktionen wie das Einblenden von Menüs jedes Mal beim Server anzufragen, werden diese Dinge direkt im Browser ausgeführt. Dieser verwendet dazu wiederum Skriptsprachen, vornehmlich JavaScript. Ebenso wird Flash eingesetzt, um grafische Effekte zu erzeugen und zunehmend auch, um funktionale Aufgaben zu übernehmen. Der optische Aufbau einer Webseite wird im Wesentlichen von CSS definiert und ein häufig gebrauchter Standard für die Übertragung und Beschreibung von Daten im Web ist XML: • CSS (Cascading Style Sheet). Die Trennung zwischen Form und Funktion ist ein wesentliches Prinzip in der Softwareentwicklung. Das wurde leider bei HTML nicht beachtet. Beschreibende Elemente wie die Kennzeichnung von Überschriften und formatierende Elemente wie Fettdruck stehen nebeneinander. Diese Unzulänglichkeit wird mit CSS behoben. Die Funktion eines Elements wird in HTML deklariert, das Aussehen wird über CSS definiert. Eine HTML- Seite kann dabei auch mehrere Stylesheets haben, um Inhalte beispielsweise auf einem Browser, einem Drucker und einem Handy ausgeben zu können. Eine Manipulation von Styles mithilfe von JavaScript erlaubt es, auf Benutzeraktionen zu reagieren, indem man Elemente ein- oder ausblendet oder deren Position verändert. • XML (eXtensible Markup Language). Auf einer sehr abstrakten Ebene definiert der XML-Standard Formalismen, um Daten zu beschreiben. Das soll in einer Art und Weise geschehen, dass diese sowohl von Computerprogrammen einfach gelesen als auch von Menschen verstanden werden können. Dies wird dadurch erreicht, dass man die Beschreibung in sogenannten Tags unterbringt, die einer strengen Syntax unterliegen. Die Tags bestehen aus einem spitzen Klammerpaar und einer freitextuellen Beschreibung, die menschenlesbar ist und deren Bedeutung dem Computer einprogrammiert wurde. So bezeichnet <title> aus dem RSS-Standard die Überschrift eines Artikels. Mit XML wird versucht, dem 179 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 178 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 179 syntaktischen Chaos, das sich durch die Vielzahl von Formalismen zum Datenaustausch ergibt, beizukommen. • JavaScript. Mit JavaScript kann man die eher beschränkten Möglichkeiten von HTML erweitern. Es handelt sich hierbei um eine clientseitige Programmiersprache. Das heißt, alles läuft im Browser ab und man muss keine besonderen Servervoraussetzungen erfüllen. Lange Zeit wurde JavaScript nur sehr vorsichtig eingesetzt, da man als Entwickler nicht sichergehen konnte, ob der Benutzer im Browser JavaScript aktiviert hat. Dank Ajax erlebt JavaScript jedoch gerade seinen zweiten Frühling. Anwendungen des Social Webs setzen die Sprache oft voraus. Sie wird nun dazu verwendet, in die Struktur der Seite einzugreifen. Eine HTML-Seite kann so während einer Sitzung grundlegend umgebaut und mit neuen Inhalten gefüllt werden. Dazu kann JavaScript auch die nötige Zwischenkommunikation mit dem Server übernehmen. • PHP. Die Sprache PHP ist eines der beliebtesten Werkzeuge zur Erstellung dynamischer Webinhalte für kleine und mittlere Websites. Der Name dieser 1995 von Rasmus Lerdorf unter der ursprünglichen Bezeichnung Personal Homepage Tools entwickelten Server-Skriptsprache steht inzwischen für das rekursive Akronym PHP: Hypertext Preprocessor. Die Sprache ist für viele verschiedene Plattformen wie Windows und etliche UNIX-Varianten verfügbar. Besonders verbreitet ist die Kombination aus dem Betriebssystem Linux, dem Webserver Apache, der freien Datenbank MySQL und der Programmiersprache PHP (manchmal auch Perl oder Python) - kurz einem LAMP-System. Das einfache Zusammenspiel mit der genannten Datenbank sowie ausgereifte Zeichenkettenverarbeitungsfunktionen haben wesentlich zum Erfolg der Sprache beigetragen. • Perl. Perl ist eine freie, plattformunabhängige, interpretierte Skriptsprache, die verschiedene nützliche Eigenschaften von C, den UNIX-Shell-Skriptsprachen sowie den Textprozessorsprachen sed und awk in sich vereint. Perl wurde 1987 von Larry Wall entwickelt, als er im Rahmen eines Programmierauftrags umfangreiche Datenbestände koordinieren musste, die auf Rechnern an beiden Küsten der USA verteilt waren. Heute wird Perl entweder für UNIX-Administrationsaufgaben oder für CGI-Skripts, die klassische Form der Web-Anwendung, verwendet. Die Perl-Mottos »Make easy things easy and hard things possible« geben einen Eindruck von der Vielseitigkeit, Praxisnähe und Leistungsfähigkeit dieses Werkzeugs. Die Abkürzung Perl steht eigentlich für Practical Extraction and Report Language, wird aber von Larry Wall und den anderen Perl-Hackern manchmal auch als Pathologically Eclectic Rubbish Lister (etwa: krankhaft wählerischer Auflister für jeden Mist) bezeichnet. Solcher Humor ist ein typisches Merkmal der Perl-Gemeinde, der auch die Sprache 180 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 180 selbst beeinflusst hat. So lässt sich anhand des Moduls Perligata Perl komplett in Latein schreiben. • Python. Benannt nach »Monty Python«, geht auf Guido van Rossum zurück, der damit eine leicht zu lernende, gut lesbare und leistungsfähige Sprache schaffen wollte. Sie gehört zu einer neuen Generation von höheren Programmiersprachen, die darauf angelegt sind, überflüssige syntaktische Restriktionen über Bord zu werfen und - auch für Nichttechniker - einen angenehmen Code zu erzeugen. Python gibt es schon seit 1991. • Node.js. Mit dieser Sprache kommt JavaScript auf den Server. Es beruht auf der auch in Google Chrome eingesetzten JavaScript Engine »V8«. Im Unterschied zu anderen Webservern arbeitet Node.js ereignisgesteuert und geht daher relativ ressourcenschonend mit großen Mengen von Anfragen um. Die Sprache wurde 2009 erstmalig veröffentlicht und wird seitdem von immer mehr großen Webseiten verwendet. Frameworks. Viele der genannten Sprachen verfügen über passende Frameworks. Diese enthalten standardisierte Muster, die immer wieder verwendet und erweitert werden können und auch sollen, und erleichtern so jedem Programmierer die Arbeit. Frameworks gibt es für beinahe alle möglichen Anwendungsgebiete, z. B. die Oberflächenprogrammierung und für viele verschiedenen Programmiersprachen. Eine moderne Lösung zur Erstellung von Webanwendungen ist der Einsatz eines spezialisierten Web-Frameworks. Frameworks erleichtern so den Umgang mit komplexeren Themen. Anstatt alles selbst programmieren zu müssen, verschaffen sie dem Entwickler einen Rahmen, in dem er auf einfache Art und Weise das Ziel seiner Anwendung umsetzen kann. Unter Framework wird damit faktisch eine Sammlung von Softwarekomponenten verstanden, welche letztlich eine Anwendungsarchitektur vorgeben. Aus den zahlreichen Sammlungen haben wir zwei herausgegriffen, die speziell für Web-2.0-Applikationen sehr gerne verwendet werden: • jQuery. Die freie JavaScript-Bibliothek wurde 2006 von John Resig konstituiert. Mittlerweile hat es sich zum Quasi-Standard für dynamische Webseiten entwickelt. jQuery stellt Methoden zur Veränderung des DOM zur Verfügung und sichert somit die Kompatibilität für verschiedene Browser. Es wird für seine Einfachheit und die Möglichkeit, HTML und JS klar zu trennen, geschätzt (Abb. 2.57). Die Bibliothek jQuery.ui stellt eine Reihe von grafischen Bedienelementen zur Verfügung, mit denen auch Rich-Client-Applikationen leicht umgesetzt werden können. Des Weiteren übernimmt das Framework die Kommunikation mit dem Server, so dass dynamische Inhalte nachgeladen werden können. Das alles lässt sich mit nur wenigen Zeilen Code umsetzen. 181 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 180 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 181 • Ruby on Rails. Das Web-Framework Ruby on Rails, das der Däne David Heinemeier Hansson im Jahr 2004 auf der Basis von Ruby entwickelte. Rails bildet eine Umgebung und stellt alle Hilfsmittel zur Entwicklung von geschäftskritischen, datenbankbasierten Webanwendungen. Die grundlegenden Ziele sind Einfachheit, Wiederverwendbarkeit, Erweiterbarkeit, Testbarkeit, Produktivität und Veränderbarkeit. Mit Rails können Webentwickler sehr schnell vollwertige, lauffähige Applikationen erstellen. So basiert beispielsweise das deutsche Angebot Qype.de darauf.Tim O’Reilly beschreibt die Programmierplattform folgendermaßen: »Ruby on Rails verringert die Barrieren für den Einstieg ins Programmieren. Gewaltige Webapplikationen, die bisher in Wochen oder Monaten programmiert wurden, können nun in wenigen Tagen entwickelt werden.« (Lange 2007) 39 . Abb. 2.57: Demo eines E-Mail-Programms, das mit den Bedienelementen von jQuery erstellt wurde 182 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 182 2.8.5 Mikrodata Wie bisher deutlich wurde, spielt sich beim Social Web eine Menge automatisch und im Verborgenen ab. Ein weiteres, ganz offensichtliches Beispiel für diese Tatsache liefert eine vergleichsweise unbekannte Technologie, nämlich die Mikrodata, die mit HTML5 zum offiziellen Webstandard geworden ist. Mit Mikrodata werden Dokumente, vor allem HTML-Dokumente, menschen- und maschinenlesbar durch zusätzliche Semantik ergänzt, ohne die Anzeige der Website zu verändern. Ein Mikrodatensatz besteht dabei lediglich aus Schreibregeln zur korrekten Präsentation von kleinen, versteckten Informationen, die von Browsern erkannt, extrahiert und weiterverwendet werden. Welche Arten von Informationen werden mithilfe der Mikrodata auf den Websites versteckt? Im Grunde kann man alles hinterlegen, da es sich erst mal nur um ein Format handelt. Zur Interpretation benötigt man definiertes Vokabular. Ein weit verbreitetes findet man unter schema.org. Die Spannweite dort ist sehr groß: Von Kontaktinformationen über die Ankündigung von Ereignissen bis hin zu Lebensläufen kann alles mit Mikrodaten aufbereitet werden. So kann man z. B. die Art der Beziehung kodieren: <section itemscope itemtype="http: / / schema.org/ Person"> <span itemprop="spouse">Martha Musterfrau</ span> </ section> Bisher kennt das Format - in diesem Fall »schema« - nur positive, unverfängliche Bezeichnungen. Allerdings braucht man sicherlich nicht lange zu warten, bis sich auch Kennzeichnungen wie »enemy« einbürgern. Für jeden Informationsbereich gibt es ein eigenes Vokabular. Schema.org nennt diese Beispiele als die am weitesten verbreiteten: • Kreative Werke • Eingebettete nicht-textuelle Objekte • Ereignis • Gesundheit und Medizin • Organisation • Person • Ort, Geschäft, Restaurant • Produkt, Angebot • Rezension, Bewertung • Aktion 183 2.8 Die Technik des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 182 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 183 Es ist unschwer zu erkennen, dass Schema.org hier einen Fokus auf den Kommerz im Internet legt. Ein älteres Vokabular findet sich in den Microformats. Einige beliebte sind: • hCalendar. Format zur Auszeichnung von Ereignissen in Kalendern • hCard. Format für die Vorstellung von Menschen, Unternehmen, Organisationen und Orten. Es überträgt den vCard-Standard in (X)HTML. Eine vCard ist eine elektronische Visitenkarte, die ein Benutzer direkt in sein Adressbuch importieren kann. • XFN (XHTML Friends Network). Ähnlich wie das FoaF (Friend of a Friend)- Format informieren diese Auszeichnungen die Suchmaschinen über soziale Beziehungen. So können Sie angeben, ob Sie eine Person bereits persönlich getroffen haben oder ob er ein Arbeitskollege, ein Freund oder ein Familienmitglied ist. Mikrodata ist ein weiterer Schritt in Richtung des Semantic Web. Als wesentliche Vorteile werden bessere Ergebnisse in den Suchmaschinen, leichterer Zugang zu Daten und schnellerer Export von Informationen genannt. Allerdings sind die negativen datenschutzrechtlichen Konsequenzen nicht zu unterschätzen. Wir werden uns diesem Thema weiter unten noch einmal widmen. Übungsfragen 1. Was ist das Neue an Ajax? 2. Wie entwickelte sich die Newsfeed-Technologie? 3. Gibt es essentielle Eigenschaften, die alle Web 2.0 Sprachen gemeinsam haben? 4. Nennen Sie Websites, für die eine Nutzung von Mikrodata sinnvoll wäre! Literatur Alby, Tom (2007): Web 2.0. Konzepte, Anwendungen, Technologien. 2. akt. Auflage. Hanser, München. Schöner Überblick über alle Themen des Web 2.0. Friedmann, Vitaly (2008): Praxisbuch Web 2.0. 2. Auflage. Galileo Computing, Bonn. Ein umfassendes Nachschlagewerk (komplett in Farbe! ) zum Thema Web 2.0-Technologien. Auf die grafischen und gestalterischen Elemente wird besonders ausführlich eingegangen. 184 2 Praxis des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 184 Müller, Peter (2015): Flexible Boxes. Eine Einführung in moderne Websites, Rheinwerk. Ein guter Einstieg für Praktiker, der die Techniken und Darstellungsformen des Social Webs nicht nur an Beispielen zeigt, sondern auch die Hintergründe entsprechend beleuchtet. 185 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 184 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 185 3 Theorie des Social Webs 3.1 Gruppenprozesse Wer sich mit dem Social Web beschäftigt, kommt an dem Begriff »Community« nicht vorbei. Alles dreht sich darum, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten, die auf die eine oder andere Art die gleichen Interessen teilen. Diese können inhaltlicher Natur sein, wie z. B. in Foren und Blogs, es kann aber auch darum gehen, ein gemeinsames Werk zu erschaffen, wie das bei der Wikipedia der Fall ist. In den meisten Fällen ist dabei auch Kommunikation und Interaktion gefragt. Hier tauchen viele Fragen auf. Was zeichnet eine Online-Community überhaupt aus? Schon hier differieren die Meinungen. Wie sehen Formen der Zusammenarbeit aus und wie entsteht dabei das »große Ganze«? Die Tatsache, dass viele Menschen einen Großteil ihrer Freizeit opfern, um im Social Web »dabei« zu sein, hinterfragt unser Verständnis von Arbeit. Was motiviert diese Menschen? Und wie sieht das Ergebnis aus? Ist es von ähnlicher Qualität wie die traditionell entstandenen Publikationen? Das folgende Kapitel widmet sich diesen Fragen mit dem Ziel, die Breite der Thematiken abzudecken. 3.1.1 Computervermittelte Kommunikation Das Medium der Interaktion zwischen den Teilnehmern im Social Web ist das Internet und damit der Computer. Dieser Bereich wird in der Fachwelt unter dem Stichwort »computervermittelte Kommunikation« beschrieben im Gegensatz zur realweltlichen »Face-to-Face«-Kommunikation. Es ist kein Geheimnis, dass die computervermittelte Kommunikation eigene Rahmenbedingungen schafft, die die Bandbreite der zwischenmenschlichen Ausdrucksweisen entscheidend einschränken. Traditionell wird mit dem Computer über die Tastatur, also auf textueller Basis kommuniziert. Wesentliche sprachliche Signale wie die Intonation oder Dynamik werden dabei fast vollständig ausgeblendet. Sprache ist an sich ein stark redundantes System, bei dem Information auf vielen unterschiedlichen Kanälen zwischen zwei Partnern ausgetauscht wird. Nimmt man nun einige dieser Kanäle weg, so kommt es zu unaufgelösten Ambiguitäten. Beispielsweise kann die Art, wie wir Sätze betonen, aus einer Aussage ein freundliches Scherzen oder eine grobe Beleidigung machen. Ohne Betonung ist der Satz mehrdeutig. In der Verschriftlichung werden solche Nuancen herausgefiltert und somit das Risiko von 186 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 186 Missverständnissen drastisch erhöht. Diese Problematik wird durch die Tatsache verschärft, dass Kommunikation per E-Mail, Chat oder Instant Messenger oft einen informellen Charakter hat. Gerade hier, im persönlichen Gespräch spielen Humor, Ironie und Vorannahmen über die Rezeption des Empfängers eine große Rolle. Fehlen die unmittelbaren Signale einer sich anbahnenden Änderung der Gesprächsatmosphäre, so kann eine computervermittelte Unterhaltung schnell in Ärgernis umschlagen. Um dieses emotionale Defizit zu umgehen, haben sich zahlreiche Konventionen herausgebildet. So wurde 1982 von Fahlman vorgeschlagen, eine Sequenz von Interpunktionszeichen als Marker für Ironie zu verwenden (Wikipedia 2015) 40. I propose that the following character sequence for joke markers: : -) Read it sideways. Actually, it is probably more economical to mark things that are NOT jokes, given current trends. For this, use : -( Das war die Geburtsstunde der sogenannten Emoticons. Mittlerweile kursieren dazu lange Listen von Zeichenfolgen, die alle erdenklichen Arten von Gefühlsausdrücken kennzeichnen sollen. Auch die Dynamik der Sprache ist in geschriebenen Texten darstellbar. So werden Ausdrücke, die in GROSSBUCHSTABEN stehen, generell als betont, mitunter als aggressiv verstanden. Für reine Betonungen wird empfohlen, mit _Unterstrichen_ oder *Sternen* zu arbeiten. Wie in allen Codesystemen sind diese Konventionen jedoch nur dann sinnvoll, wenn sie von beiden Kommunikationspartnern verstanden werden. Mittlerweile kann man jedoch unter regelmäßigen Computernutzern davon ausgehen, dass sie zumindest mit den gängigsten Codes vertraut sind. Ein Beleg dafür ist, dass ein Teil dieser Konventionen mittlerweile als Syntax für Formatierungen in den Anwendungen des Web 2.0 Einzug erhalten hat. Als Beispiel sei hier die Umsetzung von : -) in das Zeichen  genannt. Nonverbale Kommunikation. Aber nicht nur die sprachliche Bandbreite ist computervermittelt stark eingeengt. Der gesamte Bereich der parasprachlichen Informationen wird fast komplett ausgeblendet. Dazu gehören Gebärden, Mimik, körperliche Erscheinung usw. Diese Informationen werden in der Face-to-Face- Kommunikation dazu verwendet, das Gesagte einzuordnen, zu bewerten und einen Eindruck vom emotionalen Zustand des Gegenübers zu bekommen. Misoch (2006) teilt die nonverbale Kommunikation in die folgenden Bereiche ein: 187 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 186 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 187 • Taktilität. Hierunter fallen Körperberührungen aller Art. Diese Form der Kommunikation ist stark sozial reglementiert, setzt sie doch eine große körperliche Nähe voraus. • Proximetik. Die unmittelbare Distanz zwischen zwei Gesprächspartnern. Hall (1963) unterscheidet zwischen vier Zonen, die er nach dem Grad der Bekanntheit der Partner unterscheidet: »intimate« (0-45 cm), »casual-personal« (45- 122 cm), »social consultative« (122-300 cm) und »public« (ab 300 cm). • Körperhaltung. Drückt den emotionalen Zustand einer Person sowie den relativen Status im Gespräch aus. • Pathognomik. Dazu zählen vor allem Gestik und Mimik. Sie können bewusst eingesetzt werden, z. B. das Kopfnicken für Zustimmung, oder senden unbewusst Signale, z. B. das Zittern der Hände bei Nervosität. • Blick. Mit dem Blick wird einerseits Aufmerksamkeit signalisiert, andererseits spielt er eine große Rolle in der Gesprächsanbahnung und beim Sprecherwechsel in Dialogen. • Tonfall. Auch hier werden Emotionen transportiert. Aber auch Betonungen einzelner Wörter können über den Tonfall hergestellt werden. • Attribute. Hierunter versteht man Zeichen, die nichtsprachlich sind und sich außerhalb des Körpers befinden, beispielsweise Kleidung, Auto oder Möbel. Sie liefern Informationen über den sozialen Status und die Gruppenzugehörigkeit einer Person. Das Web 2.0 ist in vielen seiner Ausprägungsformen dabei, diese Beschränkungen teilweise zu überwinden. Mit der Übermittlung von Audiodaten (in Podcasts) wird Tonfall und Intonation mitgeliefert. Videos (bei Filmportalen) erweitern das Spektrum um Blick, Pathognomik und Attribute. Je nach Einstellung der Kamera wird hier auch die Körperhaltung in Teilen übertragen. Nähe kann unter Umständen simuliert werden, indem man die Distanz zur Kamera variiert. Dies hat jedoch bei weitem nicht die Signalwirkung echter körperlicher Nähe. Neben der direkten Übertragung nonverbaler Signale können diese auch über virtuelle Identitäten gesendet werden. Meistens benötigen die Teilnehmer einer Community eine Identifikation oder einen »Benutzer«, mit dem sie innerhalb der entsprechenden Seite agieren. Dieser kann kontinuierlich gepflegt und entwickelt werden und bekommt so eine eigene Identität (vgl. Kapitel 3.1.4). Diese kann wiederum von anderen Teilnehmern benutzt werden, um Rückschlüsse auf die Person zu ziehen. Oft werden diese Benutzer mit Avataren ausgestattet. Das sind bildliche Repräsentationen der Person. Dabei handelt es sich häufig aber nicht um einfache Fotos, sondern vielmehr um computergenerierte Bilder oder direkte Simulationen von Körpern, die vom Teilnehmer gesteuert werden können. Bestes 188 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 188 Beispiel dafür ist das Projekt »Second Life«, aber auch zahlreiche andere Online-Rollenspiele. Erste Simulationen von Proximität finden sich beispielsweise bei Facebook, wo eine Person »angestubst« werden kann. Der Mausklick wird so zur intimen Handlung erklärt. Zu Erwähnen ist aber auch, dass es Anwendungen am Rand des Social Webs gibt, die die zwischenmenschliche Interaktion bis auf einzelne Mausklicks reduzieren. Das gilt z. B. für die Bewertung von Beiträgen, die Zustimmung zu vergebenen Schlagwörtern beim Social Tagging oder die »Likes« für Nachrichten in Social Networks. 3.1.2 Medienwahl Die Fülle der Applikationen des Social Webs stellt den Nutzer vor eine entscheidende Herausforderung. Er muss entscheiden, auf welcher Plattform er seine Inhalte hinterlegt. Die Qual der Wahl ist ein für das Social Web charakteristisches Phänomen. Wird eine Idee getwittert oder als Präsentation auf Slideshare hinterlegt? Kommuniziert man über die Kommentarfunktion in Blogs oder den Activity Stream in Facebook? Veröffentlicht man ein Tutorial im Wiki oder bloggt man? Die Beispiele zeigen, dass die Auswahl keineswegs einfach oder selbstverständlich ist. Nutzer des Social Webs sind in der Regel auf verschiedenen Plattformen aktiv, eine permanente Reflexion über die Medienwahl ist die Folge. In Bezug auf Gruppen und deren interne Prozesse unterscheiden sich die Medien anhand einiger Eigenschaften, die in verschiedenen Theorien aufgearbeitet wurden. Social Presence Theory. Diese Theorie von Short et al. (1976) konstatiert, dass man Medien anhand des Grades medial vermittelter Präsenz unterscheiden kann. Biocca et al. (2001) bezeichnen diese als »the limited illusion of […] being together with other people«. Der Grad sozialer Präsenz wird als direkte Eigenschaft des Mediums gesehen. In der computervermittelten Kommunikation geht sie davon aus, dass die soziale Präsenz umso geringer ist, je textueller das Medium ist. Mittlerweile wird mit sozialer Präsenz auch die Art und Weise verbunden, in der sich Individuen im Netz darstellen. Sie zeigt, inwiefern der Einzelne bereit und fähig ist, in Kontakt mit der Community zu treten (Lowenthal, 2009). Kanalreduktionsmodell. Das Modell war lange Zeit die führende Theorie in der Forschung zur computervermittelten Kommunikation und vertritt eine technische Sicht. Je weniger unterschiedliche Kanäle (auditiv, visuell, haptisch, usw.) zur Verfügung stehen, desto ärmer wird die Kommunikation. Die Filtertheorie (Culnan 189 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 188 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 189 und Markus 1987) verfolgt dieses Konzept weiter und geht davon aus, dass eine Verringerung der Kanäle zu einer veränderten Wahrnehmung der Person führt, da man ihre sozialen Hintergründe nicht kennt. Durch diese Nivellierung können soziale Hemmungen, Kontrollen, Privilegien und Hürden abgebaut werden, was im positiven Sinne zu einer vermehrten Offenheit, im negativen Sinne jedoch auch zu größerer Feindseligkeit führen kann. Medienreichhaltigkeitstheorie. Hiernach unterscheiden sich Kommunikationsaufgaben hinsichtlich ihrer Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit (Daft und Lengel, 1984). Je höher diese ausfallen, desto weniger Vorausplanung ist möglich und desto mehr Koordination ist erforderlich. Reichwald et al. (1998) haben auf dieser Grundlage ein Medienhierarchiemodell entwickelt. Medien mit geringer Reichhaltigkeit sind nicht für Aufgaben mit hoher Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit geeignet. Faktoren, die die Reichhaltigkeit bestimmen, sind nach Daft und Lengel (1986): • Feed-back. Je schneller und mehr Rückmeldungen es gibt, desto reichhaltiger ist das Medium. • Vielfalt der übertragenen Zeichen. Je höher die Varietät ist, desto reichhaltiger ist das Medium. Diese ist selbstredend abhängig von den verfügbaren Kanälen. • Sprachliche Natürlichkeit bzw. Sprachvielfalt. Gesprochene Sprache ist reichhaltiger als geschriebene. • Persönlichkeitsausdruck misst das Ausmaß, in dem persönliches Befinden und Gefühle übermittelt werden können. Je besser das möglich ist, desto reichhaltiger ist das Medium. Media Naturalness Theory. Diese Theorie (Kock 2004) kann als Weiterentwicklung gesehen werden. Sie argumentiert evolutorisch, dass die Informationsverarbeitung in unserem Gehirn auf die Face-to-face-Kommunikation abgestimmt ist. Neuere Medien erfordern demnach einen erhöhten Verarbeitungsaufwand. Für komplexe Aufgaben ist es daher sinnvoll, Medien zu wählen, die in diesem Sinne »natürlicher« sind. Media Synchronicity Theory. Als Kritik und Erweiterung des vorgenannten Modells versteht sich die Media Synchronicity Theory (Dennis et al. 1998). Dennis versteht unter Mediensychnronizität »the extent to which a communication environment encourages to work together on the same activity, with the same information, at the same time; i. e., to have a shared focus«. 190 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 190 Zwei Arten von Kommunikationsprozessen sind dabei entscheidend: • Prozesse der Informationsübermittlung meint den »[z]eitökonomische[n] Transport von Informationen und deren Austausch zwischen den am kollaborativen Prozess beteiligten Gruppenmitgliedern« (Misoch 2006: 82). • Prozesse der Konvergenz beziehen sich auf die Zusammenführung, Verdichtung und Strukturierung von Informationen. Fünf Medieneigenschaften führen zu einer Wahrnehmung von Synchronizität: • Die Unmittelbarkeit des Feed-backs ermöglicht unmittelbare Reaktionen. • Unter Symbolvielfalt versteht man, »[w]ie vielfältig Inhalte ausgedrückt werden können«. (Misoch 2006: 82). Diese schließt sich dem Social Presence Ansatz an: ein Wegfall von Symbolen erschwert die Entstehung neuer Gruppen. • Mit Parallelität/ Gleichzeitigkeit beobachtet man die Anzahl der simultan zueinander möglichen Kommunikationen. • Überarbeitbarkeit bezeichnet die Möglichkeit der Korrektur vor dem Senden einer Nachricht. • Mit der Wiederverwendbarkeit stellt sich die Frage, ob ein Empfänger die Nachricht nochmal verschicken kann. Mit diesem Wissen über Medien bewusst oder unbewusst ausgestattet, macht sich der Nutzer von Anwendungen des Social Webs nun auf die Suche nach einer geeigneten Plattform. Aus welchen Gründen er diese Entscheidung trifft, ist Gegenstand der Medienwahltheorien, die zum ersten Mal von Höflich (1996) und Rudy (1996) thematisiert wurden. Theorie der rationalen Medienwahl. Hiernach basiert die Auswahl auf vernunftorientierten Überlegungen. Die Nutzer reflektieren die sozialere Präsenz, medialere Reichhaltigkeit oder die Fähigkeit des Mediums, sie bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Misoch (2006: 98) nennt als entscheidende Fragen des Individuums: • »Geeignetheit des Mediums für die anstehende Kommunikationsaufgabe […]; • Ob das Medium den für den Kommunikationsanlass erforderlichen Grad an sozialer Präsenz gewährleisten kann […]; • Und ob das Medium der Komplexität der Kommunikationsaufgabe angemessen ist […]. • Dazu kommen weitere rational begründete Überlegungen wie der Einbezug von Kosten- und Zeitfaktoren […].« Theorie der sozialen Medienwahl. Fulk (1993) und Schmitz (1987) gehen davon aus, dass weniger rationale, als vielmehr die Fragen nach dem »sozialen Zusammen- 191 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 190 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 191 hang […] sowie die […] normativen Erwartungen und Verhaltensweisen.« (Misoch 2006: 99) entscheidend sind. Zentrale Annahmen dieser Theorie sind: • Die Entscheidung ist von sozialen Einflüssen abhängig. • Subjektive Prozesse werden gegebenenfalls ex post als rational konstruiert. • Die wahrgenommenen Medieneigenschaften sind konstruiert und variieren von Individuum zu Individuum. • Persönliche Erfahrungen sind ebenfalls entscheidend. Theorie der symbolischen Medienwahl. Hiernach hat die Wahl des Mediums eine Symbolbedeutung (Misoch 2006: 105). Beispielsweise gilt in unserer Kultur ein Brief als intim und wertschätzend. Die Symbolik muss jedoch den Beteiligten Akteuren bekannt sein. Theorie der interpersonalen Medienwahl. Dieser Ansatz geht davon aus, dass das »Medienverhalten von Individuen immer in einem interpersonalen Kontext steht und immer in einem solchen zu interpretieren ist« (Misoch 2006: 109). Individuen berücksichtigen also bei ihrer Medienwahl die Vorlieben und das Medienverhalten der Kommunikationspartner und stellen sich darauf ein. Daneben gibt es noch den Aspekt der subjektiven Medienwahl. Die Einstellung des Individuums zu den Medien spielt hier eine zentrale Rolle. Sie ist zum Großteil biographisch begründet. Als Basis dient hier das Technologieakzeptanzmodell von Davis et al. (1989), das postuliert, dass sich das Verhältnis einer Person zu einer bestimmten Technik aus der subjektiven Einstellung der Person zu dieser Technik und der erwarteten Nützlichkeit des Einsatzes bestimmen lässt. Es ist davon auszugehen, dass bei der Wahl eines Mediums mehrere Faktoren eine Rolle spielen, die sich in den verschiedenen Theorien widerspiegeln. Richter und Warta (2007) sprechen im Social Web auch von einer Barriere der Medienwahl, mit der die Nutzer konfrontiert sind: Der »Korridor effektiver Kommunikation ist also durch eine sog. »Media Appropriateness« gekennzeichnet, d. h. das Zusammenpassen von Medium und Aufgabe. Zum ersten Mal verfügen neu auftauchende Medien nicht mehr über ein scharf konturiertes Alleinstellungsmerkmal.« (S. 10 f.) 3.1.3 Online-Communitys Wo regelmäßig kommuniziert wird, entstehen soziale Verbindungen, Netzwerke oder Communitys. Das ist auch dann der Fall, wenn es sich dabei um den Computer als Kommunikationsmedium handelt. Der Begriff »Community« findet im 192 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 192 Kontext der Publikationen zum Web 2.0 eine derart vielfältige Verwendung, dass er in diesem sprachpragmatischen Sinn nicht mehr mit wissenschaftlicher Schärfe zu fassen ist 13 . Es handelt sich jedoch in allen Fällen um ein Konzept, das die Beziehungen einer Gruppe von Menschen beschreibt, die sich um ein gemeinsames Ziel scharen. Medium des Austausches dieser Menschen ist die computervermittelte Kommunikation, im Social Web speziell das WWW. Um den Kern des Konzepts und seine Ausprägungen zu erfassen und einen Ansatz zur Erklärung und Bewertung der sozialen Prozesse zu finden, die innerhalb eines Zusammenschlusses von Menschen stattfinden, bietet sich ein Blick in die Soziologie an. Die nachfolgenden Ausführungen folgen dabei im Wesentlichen Schelske (2007). Gruppe. Nicht jede Ansammlung von Menschen kann als Gruppe bezeichnet werden. Individuen treffen beispielsweise in einem Zug oder einem Freizeitpark aufeinander, interagieren und haben sogar gemeinsame Ziele, ohne dass ein Zusammenhalt entsteht. Um von einer Gruppe zu sprechen, muss ein wesentlich intensiverer und kontinuierlicherer Prozess in Gang gesetzt worden sein. Schäfers (1999) definiert das wie folgt: »Eine soziale Gruppe umfasst eine bestimmte Zahl von Mitgliedern (Gruppenmitglieder), die zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles (Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozess stehen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit (Wir-Gefühl) entwickeln. Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist ein System gemeinsamer Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein gruppenspezifisches Rollendifferenzial erforderlich.« (S. 20 f.) Die einzelnen Merkmale einer sozialen Gruppe sind durchaus in Bereichen des Social Webs zu finden: • Die zeitliche Kontinuität kann aufgrund der jungen Geschichte des Social Webs nur begrenzt beurteilt werden. Einzelne Projekte (z. B. The WELL) haben jedoch schon mehr als zehn Jahre Bestand. Dabei kann zumindest bei einer Kerngruppe auch davon ausgegangen werden, dass diese einen großen Teil dieser Zeit am Projekt beteiligt waren. 13 Auch die Autoren sind vor dieser Unschärfe nicht gefeit: Mit Ausnahme dieses Abschnitts werden Begrifflichkeiten, die die Community beschreiben, synonym verwendet. 193 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 192 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 193 • Kommunikation und Interaktion innerhalb der Mitglieder der Gruppe ist im Social Web ein treibendes Moment. Zahlreiche Funktionen bieten die Möglichkeit eines Austausches über die Plattform. Meistens wird auch eine Anbindung an E-Mail oder Instant Messenger geschaffen und genutzt. • Eine Abgrenzung nach außen, bei der die Gruppenmitglieder wissen, wer dazu gehört, wird schon formal durch Mitgliedschaften und Benutzerpseudonyme geschaffen. Diese sind jedoch leicht zu bekommen und können daher nicht als Erfüllung des Kriteriums gelten. • In vielen Projekten ist die Herausbildung von Traditionen und Gewohnheiten zu beobachten, die zum Teil auch kodifiziert werden. Das Regelwerk von Wikipedia beispielsweise ist beachtlich. Nichteinhaltung wird sanktioniert, häufig durch Ausschluss oder Nichtbeachtung der Beiträge des Teilnehmers. • Eine Binnendifferenzierung der Aufgaben innerhalb der Gruppe ist vor allem bei komplexeren Formen der Zusammenarbeit wie beispielsweise der Kollaboration zu beobachten. • Ein gemeinsames Ziel, an dem sich die Mitglieder ausrichten, wird in der Regel funktional definiert: Bilder sammeln, Wissen zusammentragen oder Links organisieren. Daneben kann nach Interessen unterschieden werden oder nach sozialem Status (Studenten, Geschäftsleute usw.). Einzelne Kriterien können also durchaus für die Mitglieder einer Online-Plattform zutreffen. Die jedoch, die eine gewisse Intensität voraussetzen, sind in der Regel nur bei einem harten Kern der Mitglieder zu finden. Nimmt man schon alle registrierten Mitglieder einer Site, so wird schnell klar, dass die nötige persönliche Interaktion und emotionale Bindung nicht hergestellt werden kann. Es wird sogar bezweifelt, dass es bei Gefügen, die sich nur im Rahmen der computervermittelten Kommunikation bilden, überhaupt zu Gruppen kommen kann, da die nötige Intensität und Bandbreite der Kommunikation hier nicht gewährleistet ist. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Primär- und Sekundärgruppen, die schon 1933 von Cooley et al. getroffen wurde (Abb. 3.1). Sekundärgruppen zeichnen sich also durch eine deutlich schwächere Bindung der einzelnen Mitglieder aneinander aus. Schelske konstatiert, dass sich »[i]m Internet […] bei aktiver Teilnahme an einem Chat-Room, einer Mailingliste oder einer Newsgroup von einer Sekundärgruppe sprechen« lässt (S. 112). Dabei ist der häufig benutzte Begriff »virtuelle Gruppe« irreführend. Eine Gruppe ist immer real. Sie kann bestenfalls das Internet als Kommunikationsmedium verwenden. Die involvierten Bindungen, Wir-Gefühle und sozialen Beziehungen finden immer im Realen statt. 194 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 194 Thiedeke (2003) verfeinert die Unterscheidung von Gruppen, die das Internet zur Kommunikation benutzen. Er identifiziert drei Typen: • Einfache Interaktionssysteme entstehen durch die »zufällige Anwesenheit anderer Personen und durch spontane soziale Wechselwirkungen« (S. 7). Eine persönliche Kenntnis der Interaktionsteilnehmer ist nicht vonnöten. • Ad-hoc-Gruppen besitzen einen »diffusen, persönlichen Bezug der Mitglieder«, sind aber von »relativ kurzer Dauer« (S. 60), wohingegen • Soziale Gruppen meist auf einer Face-to-Face-Gruppe aufbauen und daher persönlich und dauerhaft sind. Im Social Web sind diese drei Typen durchaus erkennbar. Während die Einträge in Social Bookmarking-Systemen mehr oder weniger nebeneinanderstehen und nur durch gelegentlichen Austausch in Form von Kommentaren oder Bewertungen eine Interaktion der Mitglieder steht, passiert es bei Videoportalen schon, dass gezielt nach einem Mitglied gesucht wird, um dessen Werk zu bestaunen und das Merkmal Primärgruppe Sekundärgruppe Mitgliederzahl klein: 3-5 Personen groß: 20-30 Personen Interaktion persönliche Interaktion, Face to Face begrenzte, indirekte, persönliche Interaktion, ungleichmäßig nahe Funktion positives Gefühl der Zugehörigkeit als Individuum (emotional support) fachliches Interesse im Zusammenarbeiten als Funktionsträger (social support) Zusammenhalt affektiv-emotionale Bindung und relative Intimität unter den Beteiligten affektiv-neutrale Bindung; instrumentell, sachliche Bindung Ziele hohe Gemeinsamkeit partielle Gemeinsamkeit Zeitraum relativ lange Zeit relativ kurze Zeit Beispiel Familie, Kleingruppen Firma, Organisation, Arbeitsgruppe, Gemeinden, Stadtbezirke Abb. 3.1: Unterschiede von Primär- und Sekündärgruppen (nach Cooley et al. 1933) 195 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 194 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 195 auch kundzutun. Social Networks und kollaborative Seiten nutzen häufig den Brückenschlag ins reale Leben, um die Gruppe zu festigen. Für die Entstehung einer Gruppe reicht es nicht aus, dass sich die Mitglieder per Webformular und Aktivierungscode bei einer Plattform anmelden. Schelske (2007) identifiziert vier Problemfelder, die eine Gruppe meistern muss, um sich dauerhaft als solche zu etablieren: • Gruppengrenze. Im Netz ist es zunächst schwierig, eine für alle sichtbare Abgrenzung zwischen der Gruppe und der Außenwelt zu etablieren. Daher ist auch nicht leicht erkennbar, ob eine bestimmte Handlung einer Gruppe oder dem einzelnen Individuum zugerechnet werden kann. • Kontextbezogenheit und Selbststeuerung. Es muss ein auf die Gruppe abgestimmtes Regelsystem etabliert werden. Dabei ist auch zu klären, wie diese Regeln im Zweifelsfall durchgesetzt werden können. • Kontrolle der Mitgliedschaft. Auf welche Weise können Individuen Mitglieder einer Gruppe werden? Diese Entscheidung liegt im Social Web zumindest formal meistens bei den einzelnen Mitgliedern der Gruppe. Bedeutender ist jedoch die Frage der Wahrnehmung. Kann sich ein Benutzer mit seinen Beiträgen in eine Gruppe einbringen und wird er von dieser auch als Mitglied wahrgenommen? • Demokratische Meinungsbildung. Ist es möglich, Meinungen in der Gruppe zu bilden und auch gegenüber »Meinungsführern und Wissenseliten« (S. 115) durchzusetzen? Schelske ist hier skeptisch. Insgesamt ist zu sagen, dass der soziologische Begriff »Gruppe« zwar auf Teile der Mitglieder einer Social Web Plattform anzuwenden ist, jedoch sehr enge Kriterien an die Intensität der Bindung stellt und daher die Fülle der Benutzer, die Teil des sozialen Geflechts einer Seite sind, nicht abdecken kann. Weiter gefasste Konzepte, wie das der Community, können diesen Bereich mit subsumieren. Virtuelle Communitys. Menschen, die sich um eine Seite im Internet scharen, sich eine gewisse Zeit an diese binden und dort auch Spuren hinterlassen, werden als Community der Seite bezeichnet. Einer der ersten, der dieses Phänomen beschrieb, war Rheingold (1994): »Eine virtuelle Gemeinschaft ist eine Gruppe von Menschen, die miteinander kommunizieren, die sich zu einem gewissen Grad untereinander kennen, in gewissem Maß Wissen und Informationen teilen und sich bis zu einer gewissen Grenze als menschliche Wesen umeinander kümmern, sich treffen und in erster Linie über Computernetzwerke miteinander kommunizieren.« (S. 256) 196 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 196 Die geläufige Übersetzung des englischen Wortes »Community« als »Gemeinschaft« ist im soziologischen Sinn zumindest umstritten. Stegbauer (2001: 71) postuliert für den Begriff: • Eine gewisse Kommunikationsdichte zwischen den Mitgliedern muss vorhanden sein. Es reicht also nicht aus, einfach nebeneinander auf der gleichen Plattform zu arbeiten. • Die einzelnen Mitglieder müssen eine erkennbare Identität entwickelt haben. Anonyme Beiträge oder Einmalschreiber werden hier nicht zur Community gezählt. • Die Gemeinschaft kann das Verhalten der einzelnen Mitglieder beeinflussen. Dazu zählen Sanktionen ebenso wie gewisse Bindungen oder ein Image, das der Einzelne nicht verlieren möchte. • Eine Gemeinschaft hat Schließungstendenzen nach innen und außen. Sie grenzt sich also gegenüber der Umwelt ab und stellt Hürden für den Eintritt in die Gemeinschaft auf. Schelske weist darauf hin, dass der Begriff »Gemeinschaft« darüber hinaus eine emotionale Komponente besitzt: »Wenn zwar die virtuelle Community formale Kriterien einer Gemeinschaft vermissen lässt, so ist zumindest ihr emotional erfahrbarer Bereich an das angelehnt, was [Ferdinand] Tönnies als Gemeinschaft beschreibt.« Community bezeichnet also diejenigen Mitglieder einer Social-Web-Plattform, die sich nicht nur als Besucher auf einer Seite befinden, sondern aktiv mitgestalten. Sie müssen dabei individuell erkennbar sein und die Möglichkeit haben, miteinander zu kommunizieren. Dies unterscheidet Community-Plattformen von denen, die lediglich die Möglichkeit herstellen, für sich oder andere ohne Interaktion Material bereitzustellen, wie das beispielsweise bei Linklisten im anfänglichen WWW der Fall war. Allgemein wird The WELL (www.well.com) als eine der ersten Online-Communitys bezeichnet. Die Seite, deren Abkürzung für Whole Earth ’Lectronic Link steht, wurde 1985 ins Leben gerufen. Sie ist ähnlich einem Forum organisiert. Registrierte Mitglieder können sich in verschiedenen thematischen »conferences« treffen und dort über ihre Interessen diskutieren. The WELL dient als Inspirationsquelle für Rheingold und ist die Plattform, auf der die Gründungsmitglieder der Electronic Frontier Foundation (EFF) ihre Ideen entwickeln. Zielrichtung dieser Community ist in erster Linie, menschliche Beziehungen wie Freundschaft unter den Teilnehmern zu fördern. 197 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 196 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 197 Hagel und Armstrong (1997) entwickeln diese Idee weiter und postulieren ein »neue[s] Geschäftsmodell der virtuellen Communities« (S. 11). Sie gehen davon aus, dass sich in einer Community Menschen mit partiell ähnlichen Interessen finden und austauschen. An dieser Stelle kann man kommerziell einhaken und gezielt Werbung unterbringen bzw. Produkte verkaufen. Gerade in den neueren Erscheinungsformen des Webs 2.0 werden Communitys und ihre Werke häufig als Gegenmodell zu einer mehr und mehr auf künstliche Verknappung ausgerichteten kapitalistischen Verwertungsstrategie geistigen Eigentums wahrgenommen. Menschen beteiligen sich für Anerkennung, soziale Bindungen, ein »Wir-Gefühl« oder aus purem Interesse an der Sache und stellen ihr Wissen, ihre Werke oder ihre Einschätzungen einer allgemeinen Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung. Eben dieser (gefühlte) Altruismus ist eine wesentliche Bande virtueller Gemeinschaften. Soziale Netzwerke. Ein Mittel, um die sozialen Konstellationen im Social Web und auch innerhalb einer Community zu fassen, ist das Konzept der sozialen Netzwerke. Während Gruppen und Gemeinschaften sich durch eine starke Abgrenzung bzw. Selbstwahrnehmung und Enge wie differenzierte Beziehungen unter den Mitgliedern auszeichnen, bietet das soziale Netzwerk ein Instrumentarium, um auch Verbindungen, die nur lose strukturiert und weit weniger eng sind, zu beschreiben. »Charakteristisch für Netzwerke ist die relative Gleichrangigkeit und Autonomie der Akteure, die untereinander eher nonhierarchische Beziehungen eingehen und im Vertrauen miteinander kooperieren.« (Jansen 2003: 12, zit. n. Schelske 2007) Der Begriff des Netzwerks geht u. a. zurück auf Moreno (1934/ 1996). Er begreift zwischenmenschliche Beziehungen als emotionale Verbindungen (Kanten) zwischen Individuen (Knoten). Sie werden definiert nach Zeitumfang, emotionaler Intensität, Intimität (Vertrautheit) und Leistungen (Gegenseitigkeit), die die Personen innerhalb einer Beziehung austauschen. Das Geflecht dieser Verbindungen ähnelt im Diagramm einem Netz. Ein Vorteil dieser Sichtweise ist, dass sich die Netzwerke leicht formalisieren und damit auch analysieren lassen. Dabei wird häufig zwischen engen Beziehungen (strong ties) und schwachen Beziehungen (weak ties) unterschieden. Ganz wie der Name sagt, geht es dabei um die Intensität und Häufigkeit der Verbindung. Auf Granovetter (1973) 21 geht die These zurück, dass Individuen, die mittels strong ties verbunden sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit den gleichen Freundeskreis teilen (Abb. 3.2). Diese Mitglieder haben die Tendenz, sich in ihren Gedanken und Einstellungen einander sehr stark anzunähern. 198 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 198 Daher, so argumentiert Granovetter, sind weak ties für den Informationsfluss und die Innovation von entscheidender Bedeutung, da sie sozusagen die Verbindung zwischen einzelnen Gruppen herstellen. Wie bisher gezeigt wurde, ist anzunehmen, dass im Internet weak ties vorherrschen. Das bestätigt Stegbauer (2001: 91): »In internetbasierten Sozialräumen […] findet man lose Kontakte weit öfter als enge Beziehungen.« Aus diesem Grund wird die Granovetter’sche These dankbar aufgegriffen und als Argument für die Stärke von Social Software verwendet. Für die Bildung von beruflich-orientierten Netzwerken sind dabei die weak ties extrem wichtig, da sie auf Informationsaustausch und ökonomische Chancen ausgerichtet sind. Denn schwache Beziehungen stellen Brücken zu anderen Netzwerken dar. Dadurch gelangt das Individuum zu Informationen aus anderen Netzwerken, die großen Neuigkeitswert für das Individuum und damit auch für seine strong ties haben. Weak ties sind es also, die das gesellschaftliche Universum in ein Global Village verwandeln. Burt (1992) baut mit seinem Konzept der strukturellen Löcher (structural holes) auf Granovetters Theorie auf. Er fokussiert sich dabei nicht auf die Beziehungen in einem Netzwerk an sich, sondern auf deren Abwesenheit. Strukturelle Löcher kennzeichnen Netzwerke, die sich gar nicht oder nur wenig überlappen. Die Netzwerke untereinander sind wiederum gekennzeichnet von starken Bindungen. Dies führt dazu, dass der Informationsfluss zwischen den Netzwerken sehr gering ausfällt, jedoch das Gruppengefühl innerhalb eines Netzwerkes stark ausgeprägt ist. Abb. 3.2: Starke und schwache Bindungen (nach Granovetter 1973) 199 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 198 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 199 Werden diese Löcher nun anhand von schwachen Beziehungen eines Egos überwunden, so birgt dies Vorteile für das Ego. Einerseits erhält es Rückhalt und Sicherheit seitens der starken Beziehungen, gleichzeitig kann es neue Sichtweisen und Informationen in die Gruppe bringen, und somit das Gruppenpotential steigern. Die schwachen Verbindungen bringen ihm also einen Informationsvorsprung und führen gleichzeitig zu erhöhter Sichtbarkeit seiner Person. Im geschäftlichen Umfeld führt dies dazu, dass das Ego, als Verbindungsglied verschiedener Netzwerke, seinen Wert für das Unternehmen steigern kann. Im Gegensatz zu Granovetter betont Burt also vor allem die Position im Netzwerk, und weniger die Beziehungsstärke. Nun ist die strukturelle Ähnlichkeit des im Social Web verwendeten Kommunikationsmediums, des Internets, mit sozialen Netzen unverkennbar. Hier handelt es sich um eine netzartige Verbindung von Computern. Kann es also sein, dass die Architektur des Mediums auch die sozialen Strukturen der Teilnehmer prägt? Wellman meint: »Wenn ein Computernetzwerk Menschen verbindet, dann ist es ein soziales Netzwerk.« (1997: 1, Übersetzung: Schelske) 22 . Faßler geht noch weiter. Er postuliert, dass sich die Gesellschaft im Internet als Netzwerk sozialer Beziehungen inszeniert und fragt: »Gesellschaft folgt Medien? « Sollte ein soziales Netz tatsächlich auch und entscheidend vom Medium geprägt sein, so stellt sich die Frage nach der Qualität dieser Netzwerke. Wellman (1997) 22 nennt sechs Kriterien, die zur Beurteilung dienen können. • Dichte. Wie oft treten die Mitglieder untereinander in Kontakt? Je häufiger dies geschieht, desto dichter ist ein soziales Netzwerk. Im Social Web findet sich in Bezug auf dieses Kriterium die gesamte Bandbreite. Es ist jedoch fraglich, was als Kontakt zu werten ist. Während das direkte Senden von Nachrichten in Beziehungsnetzwerken unzweifelhaft in diese Kategorie fällt, ist das Setzen von Kommentaren in einem Blog unter Umständen als parallele Publikation zu verstehen. Noch unschärfer wird die Situation bei der sukzessiven Überarbeitung eines Wiki-Textes. • Abgrenzung. Bestehen viele Kontakte in andere Netzwerke bzw. ist es einfach, diese zu knüpfen? Das Internet wird generell als sehr offenes Netzwerk angesehen und offene Communitys im Social Web unterstützen die Vernetzung stark. Auf der anderen Seite der Skala stehen geschlossene Netzwerke, die eine (unter Umständen kostenpflichtige) Registrierung verlangen, um selbst in Erscheinung und mit anderen in Kontakt treten zu dürfen. • Reichweite. Diese bemisst sich an der Heterogenität der Teilnehmer an einem Netzwerk. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Social Web die Reichweite eines Netzwerks vergrößert. Hier ist kritisch anzumerken, dass bestimmte Mitglieder der Gesellschaft, die beispielsweise wenig technische Kenntnisse 200 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 200 haben oder (noch) an der Hürde der Verschriftlichung ihrer Gedanken kämpfen, eher ausals eingeschlossen werden. • Ausschließbarkeit. Ist eine Kontrolle darüber möglich, wer innerhalb einer Gruppe an der Kommunikation teilnehmen darf? In Netzen mit hoher Ausschließbarkeit ist es leicht möglich, auch private Interaktionen durchzuführen. Ein Beispiel sind Social-Network-Seiten wie StudiVZ oder Xing, bei denen man die volle Kontrolle darüber hat, welche Teilnehmer die Kontaktdaten einsehen und Kontakt aufnehmen dürfen. Auf dem anderen Ende der Skala befinden sich klassische Wikis, bei denen selbst die private Kommunikation über Benutzerseiten an sich öffentlich lesbar ist. Die Ausschließbarkeit im Social Web ist stark an die Registrierbzw. Loginpflicht eines Onlineangebots gebunden. • Soziale Kontrolle. Ist es für andere Mitglieder des Netzwerks möglich, das Verhalten und die sozialen Beziehungen anderer zu beeinflussen? Schelske (2007) schreibt: »Eine sehr niedrige, soziale Kontrolle kann soziale Netzwerke schwächen«, indem die Mitglieder sich befähigt fühlen, sich ungehemmt zu äußern oder durch »nonkonforme […] Verhaltensweisen« der Gruppe zu schaden. Kontrolle im Social Web wird meistens nicht durch starke technische Möglichkeiten ausgeübt, vielmehr ist es die soziale Sanktionierung, die die Teilnehmer dazu bewegt, sich konform zu verhalten. • Stärke der Bindungen. Diese Größe hat mehrere Dimensionen: soziale Nähe, Freiwilligkeit, Breite der Beziehungen und Kontakthäufigkeit. Je stärker die Bindungen, desto eher können Mitglieder eines Netzwerks auf emotionale Unterstützung hoffen. Die Dimension der Freiwilligkeit ist hier näher zu betrachten. Je dichter und abgeschlossener ein soziales Netzwerk ist, desto weniger freiwillig sind individuelle Kontakte. Das kommt daher, dass man auch in der Wahl der Kontakte durch die Bindungen und Substrukturen innerhalb der Community gebunden ist, wohingegen man in offenen Netzwerken nur auf die Personen zugehen muss, bei denen man das auch wirklich will. McAfee, der 2006 den Begriff »Enterprise 2.0« prägte, stellt die unterschiedlichen Level von Beziehungen als vier Ringe einer Zielscheibe dar (Enterprise 2.0 Bull’s Eye), die es Entscheidern ermöglichen soll, spezifische Ziele für die Bedürfnisse an Social Software des jeweiligen Unternehmens herauszukristallisieren. Der innerste Ring entspricht dem kleinen Kreis von starken, engen (beruflichen) Beziehungen eines Arbeiters. Der zweite Ring wiederum repräsentiert die schwachen Geschäftsbeziehungen einer Person, also beispielsweise all diejenigen, mit denen sie in einem früheren Projekt zusammengearbeitet hat. Der dritte Ring sind nun Leute, die einer Person entscheidenden Wissensvorsprung liefern könnten, wenn diese Person von ihnen wüsste. Genau hier liegt das Problem, es handelt 201 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 200 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 201 sich bei Ring drei nämlich um potentielle, und nicht wie in Ring eins und zwei um tatsächliche Bekanntschaften. Ring drei liegt zwar im Dunstkreis einer Person, jedoch sind die Kontakte nicht aktiviert worden, es gibt also keine Brücken, um diese »strukturellen Löcher« zu überwinden. Brücken zu bauen ist nicht so leicht, da hierzu einerseits eine gute Position im Netzwerk erforderlich ist und andererseits die Motivation Mitglied eines neuen Netzwerkes zu werden. Der vierte Ring kommt dann ins Spiel, wenn es sich um weltweite Wirtschaftsmechanismen dreht. Die Leute, die sich in diesem äußersten Ring befinden, werden von McAfee als »keiner« bezeichnet. McAfee beschreibt verschiedene Technologien, die die Schwächen der unterschiedlichen Ringe ausgleichen helfen sollen: • Der innerste Ring (starke Beziehungen) betrifft vor allem die Zusammenarbeit von Kollegen. Heutzutage wird in vielen Aufgabenbereichen kollaborativ gearbeitet. Das führt oft zu mehreren Versionen eines Dokuments oder doppelter Bearbeitung u. v. m. McAfee sieht hier das Wiki als das Werkzeug, das die besten Vorteile bringt, um kollaboratives Arbeiten und Wissensweitergabe sinnvoll und effektiv zu unterstützen. In einem zweiten Schritt ermöglichen Tools wie Wikis und Blogs zudem über die Autorenliste Wissensträger zu identifizieren und unterstützen somit den Prozess neue Kontakte aufzubauen. • Schwache Beziehungen, die dem zweiten Ring entsprechen, werden vor allem durch Social Software wie beispielsweise Facebook in ihrem Nutzen für ein Unternehmen gestärkt. Informationen erreichen so schnell, aktuell und einfach einen weiten Bekanntenkreis. Statusmeldungen liefern so z. B. Anknüpfungspunkte für den nächsten face-to-face small talk. • Was den dritten Ring von potentiellen Kontakten betrifft, wurde versucht »Brückenbauer« in ihrer Arbeit zu unterstützen. Entwickelte Technologien hierfür sind z. B. »White pages« (Seiten, die eine Art Steckbrief zu verschiedenen Personen darstellen), Dokumentenablage (Hinweise anhand der Ersteller, wo welche Beziehungen geknüpft wurden) oder auch automatisierte Verfahren, die die Aktivitäten einer Person auswerten und anhand der Ergebnisse Vorschläge machen, mit wem es sinnvoll sei einen Kontakt zu knüpfen. Neuere Technologien setzen jedoch verstärkt auf die Fähigkeiten von interagierenden, realen Menschen, d. h. Verbindungen entstehen, weil Menschen aus Fleisch und Blut sie für sinnvoll halten; u. a. Blogs unterstützen solche Prozesse, indem sie andere zu Mitarbeit und Austausch auffordern, und so Informationsträger sichtbar machen. • Der äußerste Ring sind Menschen weltweit, die sich eigentlich nicht kennen, aber durch das globale Wirtschaftssystem in Verbindung stehen. Sie interagieren produktiv in Märkten und generieren so wertvolle Informationen in Form von 202 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 202 Preisen. Prognosemärkte, wie z. B. »Google Prediction Markets« schaffen durch link- und tag-ähnliche Funktionen Vorteile für ganze Gruppen. Individuen arbeiten zusammen, waren jedoch Fremde und werden es auch bleiben. In einem vielbeachteten Experiment hat Milgram (1967) die These aufgestellt, dass jeder Mensch mit jedem anderen über eine sehr kurze Kette von Bekanntschaften verbunden ist (»Small World Phenomenon«, vgl. Kapitel 2.5.1). Für das Experiment verschickte Milgram ein Informationspaket an 60 zufällig ausgewählte Testpersonen in den USA. Diese sollten das Päckchen an eine vorher bestimmte Zielperson (ebenfalls aus den USA) weiterleiten. Dazu sollte eine »Zwischenperson« aus dem Bekanntenkreis ausgewählt werden, von der die Testpersonen annahmen, sie könnte der Zielperson näherstehen. Diese leiteten das Päckchen wiederum unter derselben Vorgabe weiter. Die Daten über die verschiedenen Stationen wurden festgehalten und ausgewertet. Tatsächlich ergab sich eine zufällige Pfadlänge von sechs Personen. Die Aussage ist sehr umstritten und bisher nicht endgültig bewiesen. In geschlossenen und somit kleineren Netzwerken hat sie aber eine gewisse Plausibilität. 2003 bestätigten Dodds et al. mit einem Experiment die »Kleine-Welt«-Hypothese auch für das Internet. Dafür wurde der E-Mail-Verkehr von 60.000 Testpersonen aus 166 Ländern ausgewertet. Dodds et al. fanden einen Median der notwendigen Schritte bei fünf bis sieben Kontaktpersonen. Auch wenn Kritiker aufgrund mangelnder Datenmengen bei der Erhebung Zweifel an der Übertragung dieser These auf die Weltbevölkerung anbringen konnten, wird die Hypothese gerade im Bereich der OSN gerne wieder aufgewärmt und als eine Art »urban legend« weitergegeben. Für Online Social Networks besitzt sie eine hohe Attraktivität, solche Beziehungsketten visuell darzustellen. Die Größe einer Community führt möglicherweise zu einer Verdichtung der Interaktionsmöglichkeiten. Dieser als Metcalfe’s Gesetz bekannte Zusammenhang wurde in Glider (1993) veröffentlicht. Das Metcalf‘sche Gesetz beschreibt nun zunächst auf einer rein technischen Basis, wie sich ein Kommunikationssystem allein auf Grund der Anzahl der Teilnehmer vergrößert, bzw. verdichtet. Der Nutzen eines Kommunikationssystems steigt demnach mit dem Quadrat der Teilnehmeranzahl. Auf soziale Netzwerke angewandt, bedeutet dies: je größer die Teilnehmeranzahl, desto mehr Interaktionen, desto größer der Nutzen. Denn mit der steigenden Zahl an Interaktionsmöglichkeiten entwickelt sich auch eine erhöhte Motivation, sich an der Community zu beteiligen und beizutragen. Hingegen könnte es sein, dass die Zahl der möglichen Kontakte, die eine Person betreuen kann, beschränkt ist. Darauf geht Dunbar (1993) mit seiner »Dunbar Zahl« ein. Diese beschreibt generell das Verhältnis von Gehirnaufbau bei Säugetieren zu ihrer Gruppengröße. Kontaktpflege bei Säugetieren geschieht durch Social 203 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 202 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 203 Grooming (gegenseitiges Lausen). Durch den hohen Zeitaufwand ist es schwer, damit Kontakt zu mehr als 50 Mitsäugetieren zu halten. Dunbar postuliert, dass der Mensch mit der Entwicklung der Sprache, und insbesondere von Klatsch und Tratsch, diese kognitive Grenze auf eine Gruppengröße von 150 Mitgliedern erhöht hat, zu denen ein Individuum eine soziale Beziehung unterhalten kann. Auch für die moderne Welt träfe diese Zahl zu, da auf Grund des Zeitaufwandes, der in die Investition in eine Beziehung aufgebracht werden muss, keine größere Anzahl an Kontakten möglich sei. Es stellt sich die Frage, inwiefern technische Kommunikationshilfen die Kontaktpflege einer Person weiter vereinfachen, und damit Einfluss auf Dunbars Zahl haben können. Sind virtuelle soziale Netzwerke also ebenfalls durch die Zahl 150 beschränkt und wie sind Kontakte zu werten, die über diese Zahl hinausgehen? Oder ist es gar so, dass Dunbars Zahl durchbrochen wird, weil technische Hilfsmittel die zwischenmenschliche Kommunikation vereinfachen und es ermöglichen eine weitaus größere Zahl an Kontakten zu pflegen? Ganz abgesehen davon ist zu bedenken, dass sich die Zahl auf den Berechnungen von Primatenhirnen bezieht. Inwiefern hat sich unser Gehirn also weiterentwickelt, ist also in der Lage eine weitaus größere Anzahl an Beziehungen zu handhaben? Zusammenfassend ist festzustellen, dass soziale Netzwerke ein durchaus probates Konzept sind, um einen Großteil der Beziehungen im Bereich des Social Webs zu fassen. Diese Netzwerke sind nicht ausschließlich an das Internet gebunden. Zahlreiche Veranstaltungen wie Blogger-Kongresse, Wiki-Stammtische und Fördervereine zeugen davon, dass sich die Mitglieder eines virtuellen Netzes auch im echten Leben miteinander ins Benehmen setzen und dort soziale Beziehungen knüpfen. Umgekehrt werden realweltliche Verbindungen durch Online-Communitys ergänzt und beständiger, wie am Beispiel von Social Networks (vgl. Kapitel 2.5.1) zu erkennen ist. 3.1.4 Das Individuum in der Gruppe Die Beschäftigung mit Gruppen und Communitys führt zwangsläufig zu der Frage, wer die Menschen sind, aus denen diese sozialen Konstrukte bestehen und was sie dazu treibt, sich an solchen zu beteiligen. Viele verbinden mit Computerfreaks vereinsamte und sozial verarmte Wesen, die meistens erst in den späteren Tagesstunden aufstehen, bis tief in die Nacht vor der Kiste sitzen, seltsame Dinge tun und als größten Feind das Tageslicht betrachten, weshalb man sie an ihrer kreidebleichen Hautfarbe erkennt. In Zeiten computervermittelter Kommunikation sehen die Dinge allerdings anders aus. Der Rechner wird als Vehikel benutzt, 204 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 204 um Bekanntschaften zu schließen. Ein besonderer Reiz am Netz scheint zu sein, dass es möglich ist, die wahre Identität zurückzustellen, teilweise auszublenden oder komplett zu verschleiern. »Unter Identität im modernen Sinne versteht man das Bewusstsein einer Person, sich von anderen Menschen zu unterscheiden (Individualität) sowie über die Zeit (Kontinuität) und über verschiedene Situationen (Konsistenz) hinweg im Kern dieselbe, durch bestimmte Merkmale ausgezeichnete Person zu bleiben.« (Erikson 1966: 107) Zu Identitätsmerkmalen gehören neben körperlicher Erscheinung auch Charakterzüge, Fähigkeiten, Werte, Ziele usw., die dazu dienen, dass sich eine Person als solche wahrnimmt. Viele dieser Merkmale werden unterbewusst ausgegeben bzw. sind wenig kontrollierbar. Das betrifft insbesondere diejenigen, die für eine schnelle Bewertung der Person bei ersten Kontakten als maßgeblich erachtet werden, z. B. Geschlecht oder Mimik. Durch die eingeschränkte kommunikative Bandbreite des Netzes ist es nun weitaus leichter als im Face-to-Face-Gespräch möglich, zu kontrollieren, welche Bestandteile der Identität an das Gegenüber weitergegeben werden (vgl. Misoch 2006: 115). Die so kommunizierten Identitäten werden als virtuelle Identitäten bezeichnet, die direkt über das Medium entworfen werden und nicht zwangsläufig dem realen Selbst entsprechen. Das kann so weit gehen, dass man in komplett andere Rollen schlüpft, z. B. einen Geschlechterwandel vollzieht. Allgemein wird diese Möglichkeit ambivalent beurteilt. So ist es einerseits auch für viele Menschen möglich, sich über die eine oder andere Schwäche in der Identität, die wohl ein jeder mit sich trägt, hinwegzusetzen. Somit bekommt ein jeder Akteur eine faire(re) Chance, seine wahren Stärken auszuspielen. Darüber hinaus ermöglicht »[d]ie virtuelle Identität in interaktiven Anwendungen […] Nutzern im Spiel mit für sie neuen Verhaltensweisen zu experimentieren« (Schelske 2007). Dieser spielerische Charakter, das Ausprobieren, hat sicherlich einen großen Anteil an der Faszination der Onlinekommunikation. Andererseits taucht das Problem des Betrugs auf. Misoch (2006) spricht davon, dass es zu einer »kommunikativen Verunsicherung beim Rezipienten« kommt, da der sein Gegenüber jetzt schlechter einschätzen kann, als das in der Face-to-Face-Situation der Fall ist. Virtuellen Identitäten im Web 2.0 kommt eine besondere Bedeutung zu. Obwohl sie nicht den Merkmalen der dahinterstehenden Person entsprechen müssen, ist doch der Aspekt der Kontinuität entscheidend für die in der Community so wichtige Reputation. Die virtuelle Identität manifestiert sich häufig mittels eines Benutzernamens oder, ausgereifter, über einen Avatar, der über längere Zeit hinweg 205 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 204 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 205 verwendet wird. Avatare sind grafische Repräsentanten einer virtuellen Identität. Sie wurden ursprünglich vor allem in Computerspielen benutzt. Wie Döring (2003: 400) und Misoch (2004: 202) darlegen, werden in dauerhaften Repräsentationen der Identität (hier: Homepages) vornehmlich authentische Darstellungen des Selbst veröffentlicht. Es ist anzunehmen, dass dies auch für virtuelle Identitäten in einer Community zutrifft, sind doch komplett andere Identitäten nur unter großem Aufwand über längere Zeit konsistent aufrechtzuerhalten. Anders verhält es sich mit Teilidentitäten. Das sind »[s]ubjektiv relevante Selbst-Aspekte« des Individuums, »die sich in ein Identitäts-Patchwork einfügen« (Döring 2003: 400). Oft haben Online-User mehrere Benutzer oder Avatare. Damit ist es möglich, Teilidentitäten zu kennzeichnen. So wird z. B. berufliches von privatem getrennt oder einfach die Möglichkeit genutzt, sich in verschiedenen Communitys (oder sogar in der gleichen) unterschiedlich darzustellen. Ein Phänomen virtueller Identitäten sind »Sockpuppets«. Wie Handpuppen stülpt sich ein und derselbe Akteur verschiedene Identitäten über. Im Unterschied zu Pseudonymen werden Sockpuppets dazu verwendet, eine komplett andere Person im gleichen Netz zu simulieren. Dies wird in der Praxis sehr ungern gesehen, da diese Identitäten häufig dazu genutzt werden, die eigene Position zu stärken. Virtuelle Identitäten manifestieren sich zunächst über den Benutzernamen, setzen also eine Anmeldung bei einer Social-Web-Plattform voraus. Durch einfaches Lesen oder das flüchtige anonyme Bearbeiten einer Seite entsteht noch keine Identität. Beispiele sind das Profil bei einer Social-Network-Seite oder die ID bei eBay. Die Wahl des Benutzernamens gibt gewisse, wenn auch schwache parasprachliche Informationen über den Besitzer preis. Weitergehende Möglichkeiten bieten sogenannte Avatare. Im Social Web bestehen Avatare häufig aus einem Bild, das mit dem Benutzernamen angezeigt wird. Interessant sind die virtuellen Stellvertreter dadurch, dass der reale Benutzer die volle Kontrolle über das Aussehen hat und sich so den Avatar nach seinen Wunschvorstellungen gestalten kann. Dass dieser visuelle Eindruck beim kommunikativen Gegenüber bestimmte Assoziationen erzeugt, liegt auf der Hand. Der Identität eines Teilnehmers kommt im Social Web eine wesentliche Rolle zu. Gerade bei der Bildung von Communitys ist es ja nötig, dass sich die verschiedenen Teilnehmer gegenseitig wiedererkennen. Daher ist die Entscheidung, wie eine Plattform mit virtuellen Identitäten umgeht, auch immer eine strategische. Social-Network-Plattformen wie StudiVZ bestehen darauf, dass sich die Teilnehmer mit echtem Namen registrieren, da hier eine Rückbindung auf das reale Leben stark erwünscht ist. Gerade die Business-Plattform Xing hat zum Ziel, Kontakte zwischen Geschäftsleuten herzustellen. Gefälschte Accounts werden relativ schnell gestrichen. Am anderen Ende der Skala liegen kollaborative Plattformen wie 206 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 206 Wikipedia, die die Einstiegshürden so gering wie möglich halten wollen und sogar anonyme Beteiligung zulassen. Hier steht das gemeinsame Werk im Vordergrund, nicht die sozialen Beziehungen. Dass diese jedoch das Projekt entscheidend tragen, kann man daran feststellen, dass fast alle regelmäßigen Autoren sich einen Benutzeraccount zulegen. Was treibt den Einzelnen überhaupt dazu an, im Social Web zu schreiben? In einer Untersuchung von Eimeren und Frees (2009) 41 über die Motivation von Internetnutzung im Vergleich zu anderen Medien stellt sich heraus, dass die meisten Benutzer ins Netz gehen, weil es ihnen Spaß macht (41 Prozent Medienanteil). Immerhin 33 Prozent Medienanteil hat das Netz als Informationsmedium, nur 9 Prozent Medienanteil hat das Netz als Ort der Entspannung. Motivation Medienanteil in % weil es mir Spaß macht 41 weil es mir hilft, mich im Alltag zurechtzufinden 34 weil ich mich informieren möchte 33 weil ich Denkanstöße bekomme 30 damit ich mitreden kann 23 weil ich mich dann nicht allein fühle 22 weil ich damit den Alltag vergessen möchte 21 weil es aus Gewohnheit dazu gehört 16 weil ich dabei entspannen kann 9 Abb. 3.3: Motivation der Online-Nutzung nach Eimeren und Frees 2009 41 Betrachtet man die Nutzungsweise, so sind Informationssuche und Kommunikation die wesentlichen Anwendungsfelder. So fanden Eimeren und Frees 2014 42 , dass 82 Prozent der Onlinenutzer Suchmaschinen und E-Mail mindestens wöchentlich nutzen. Das deckt sich auch mit den Anteilen der Nutzung von ausgewählten Social-Web-Angeboten, bei denen die Wikipedia und YouTube weit vorne liegen, aber soziale Netzwerke gegenüber einer Vorläuferstudie (Gscheidle und Fisch 2007) 43 enorm an Bedeutung gewonnen haben (Eimeren und Frees 2014) 42 : 207 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 206 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 207 Angebot Nutzung 2014 in % Wikipedia 76 Videoportale (z. B. YouTube) 64 private Netzwerke und Communitys 46 Fotosammlungen, Communitys 12 Weblogs 17 Twitter 9 Abb. 3.4: Genutzte Angebote des Web 2.0 (nach Eimeren und Frees 2014) 42 Anzumerken ist, dass die Nutzungshäufigkeit sozialer Netzwerke in 2014 zum ersten Mal gegenüber dem Vorjahr leicht zurückging (von 48 Prozent in 2013 auf 46 Prozent in 2014). Eimeren und Frees führen das auf eine stärkere Diversifizierung zurück, insbesondere die gestiegene Nutzung von Microblogs (Twitter) und Fotocommunitys (Instagram). In einer Studie von iProspect (2007) 44 wurde das Suchverhalten in Social Networks untersucht, wobei hier der Begriff sehr weit gefasst wurde, weil auch Verkaufsplattformen wie Amazon mitberücksichtigt wurden. Die Nutzer wählten als Gründe für eine Suche die Kategorien »Networking«, »Information über Produkte«, »Produkte kaufen« und »Unterhaltung«. Die genannten Untersuchungen unterscheiden leider nicht zwischen rezeptivem und partizipativem Verhalten. Bei der Frage nach Identitätsbildung muss aber letztlich das rezeptive Verhalten außen vor bleiben, manifestiert sich doch eine für andere greifbare Identität nur durch hinterlassene Spuren. In Selbstanalysen des Social Webs (z. B. Abhishek 2006) 45 werden immer wieder Gründe genannt, die sich grob in die folgenden Bereiche einteilen lassen: • Information und Einschätzungen. Benutzer trauen ihresgleichen mehr als offiziellen Produktseiten, wenn es um die Qualität und Erfahrungsberichte geht. Dabei kann es durchaus hilfreich für den Einzelnen sein, seine Erfahrungen zu teilen und auf diese Art Druck auf die Hersteller auszuüben. • Soziales Kapital und Anerkennung. Das Gehalt von Autoren im Social Web ist die Anerkennung. Man kann sich in der Community einen gewissen sozialen Status erarbeiten, indem man sich um das Projekt verdient macht. • Freunde finden. Im Social Web ist es relativ leicht, Gleichgesinnte in Bezug auf ein bestimmtes Thema zu finden. 208 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 208 • Politisches Engagement und Mitmachen. Die eigene Wirkmächtigkeit erleben. Im Social Web wird häufig ein Vertrauensvorschuss gewährt, indem man einfach Mitschreiben kann und der eigene Beitrag sofort online ist (im Unterschied zu Redaktionssystemen). Dieses Gefühl, ernst genommen zu werden und seiner Meinung Gehör verschaffen zu können, scheint ein wichtiger Motivationsfaktor zu sein. • Selbstdarstellung. Die Möglichkeit, virtuelle Identitäten zu schaffen, erzeugt auch neue Möglichkeiten, diese ins beste Licht zu rücken. Mehrere Autoren haben sich dem Thema analytisch genähert. Immer wieder wird dabei Maslows Bedürfnispyramide (1943) genannt, an deren Spitze soziale Beziehungen, soziale Anerkennung und Selbstverwirklichung stehen. Maslows Theorie wird häufig wegen ihrer hierarchischen Struktur kritisiert. So wurde wiederholt gezeigt, dass sich Menschen auch um soziale Beziehungen bemühen, wenn ihre Grundbedürfnisse wie Ernährung oder Sicherheit nicht erfüllt sind. Dennoch bieten die Bedürfnisbereiche, die Maslow verschlägt, ein gutes Gerüst für eine Analyse von Motivationsfaktoren. Lose an die Theorie gekoppelt, aber ohne hierarchische Abhängigkeiten macht Kollock (1999) drei Bereiche aus, die als Motivationsfaktoren für die Beteiligung gelten können: • Erwartete Gegenseitigkeit. Bringen sich Teilnehmer in die Gemeinschaft ein, so gehen sie in Vorleistung. Sie nehmen an, dass sich die restlichen Mitglieder ihrer »Schulden« bewusst werden und sich ebenfalls aktiv beteiligen. • Erhöhte Beachtung. Durch gute Beiträge erhöht sich die Reputation der Teilnehmer, sie werden im Netzwerk stärker wahrgenommen. • Gefühl der Wirksamkeit. Teilnehmer haben den Eindruck, in ihrer Umwelt etwas bewirken zu können. Zudem erwähnt Kollock Altruismus als Motiv, den er als das Bedürfnis, für andere etwas zu tun, begreift. Eine sehr detaillierte Analyse von Motivation und Hemmungen der Partizipation in Online-Communitys hat Bishop (2007) vorgelegt. Er kritisiert die Sichtweise, dass Motivation durch Bedürfnisse entsteht ebenso wie die, dass es rein um die Erreichung von (gesetzten) Zielen geht, und schlägt drei Prinzipien vor, die für das Handeln entscheidend sind: • Handlungen werden durch Wünsche bestimmt. Während Bedürfnisse gestillt werden müssen, können Wünsche unter Umständen erfüllt werden. Das Verhalten wird also nicht von Trieben bestimmt. Vielmehr lenken Wünsche die Handlungen. Sie lassen sich in fünf Bereiche einteilen: 209 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 208 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 209 - Soziales bezeichnet den Wunsch, Teil einer Gemeinschaft zu werden. Dieser Bereich führt dazu, dass sich Teilnehmer im Web mit anderen Benutzern über Botschaften austauschen. - Ordnung bedeutet, Dinge zu arrangieren, aber auch, Kontrolle zu übernehmen. Beobachtet man beispielsweise die Arbeit in einem Wiki, so ist festzustellen, dass ein gewisser Teil der User sich um Strukturen kümmert, Seiten zusammenfasst oder Rechtschreibfehler ausbessert. Aber auch Moderationstätigkeiten fallen in diesen Bereich. - Die eigene Existenz ist auch im computerisierten Zeitalter nicht zu vernachlässigen. Menschen müssen Essen und Trinken und richten nach Bishop auch ihr Onlineverhalten danach aus. - Rache ist der Wunsch, einem anderen Teilnehmer eine Aktion heimzuzahlen. Flame- und Edit-Wars sind häufig beobachtete Phänomene und es gibt Anzeichen, dass Online-User aggressiver sind als Mitglieder herkömmlicher Netzwerke (Wallace 2001). So fällt beispielsweise die Hartnäckigkeit auf, mit der eigentlich gesperrte Benutzer versuchen, wieder auf eine Plattform zu kommen, um weiter ihren Rachegelüsten nachkommen zu können. - Kreativität bezeichnet den Wunsch, neue Inhalte zu schaffen. Zahllose Wikis und Blogs mögen hierfür als Beispiel dienen. • Der Wunsch zu handeln wird durch Ziele, Pläne, Werte, Überzeugungen und Interessen begrenzt. Aus Wünschen werden Ziele und es werden Pläne entwickelt, diese zu erreichen. Stehen sie jedoch im Konflikt mit Werten, Überzeugungen oder Interessen, so kommt es zu einer kognitiven Dissonanz (Festinger 1953), die zu Vermeidungsreaktionen führt. Diese äußern sich entweder in einer Planänderung oder durch die Anpassung der Überzeugungen. Eine Konsequenz kann sein, dass die Teilnahme an einer Community nicht stattfindet. Es ist aber auch möglich, dass sich die Mitglieder eines Netzwerkes in ihren Zielen annähern. • Ein Akteur handelt auf der Basis der Wahrnehmung seiner Umwelt. Er wird seine Aufmerksamkeit auf die Bereiche lenken, die ihm bei der Umsetzung seiner Pläne behilflich sein können. Bishops Theorie liefert Anhaltspunkte dafür, wo man ansetzen sollte, wenn man Menschen zur Mitarbeit in Online-Communitys motivieren möchte. Er schlägt vor, auf der Ebene der Überzeugungen anzusetzen. Schafft man es, diese entsprechend zu verändern, so die These, nehmen Menschen teil, weil sie nach ihren Wünschen handeln, die nicht mehr von Überzeugungen und Werten blockiert werden. Aus der Teilhabe an Communities ergeben sich handfeste Vorteile. Bourdieu (1983) bezeichnet alle aktuellen und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe 210 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 210 am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sein können, als soziales Kapital. Dabei bezieht sich das soziale Kapital nicht auf die Personen an sich, sondern auf die Beziehungen zwischen ihnen. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist also eine entscheidende Ressource. Soziales Kapital ermöglicht es dem Individuum Ressourcen des gesellschaftlichen Lebens zu aktivieren und zu nutzen (z. B. Hilfeleistungen). Soziales Kapital ist also ein Schlüsselmerkmal von Gemeinschaften und kann durch Beziehungsarbeit vergrößert werden. Verknüpft man Bourdieus Begriff des sozialen Kapitals mit Granovetters Theorie der starken und schwachen Beziehungen, so kommt man zu folgendem Ergebnis: Bei den strong ties ist das soziale Kapital höher, je enger die Beziehungen sind. Bei den weak ties - und damit für die Teilnehmer der Online Social Networks - steigt hingegen das soziale Kapital, je mehr Kontakte ein Teilnehmer zu anderen Netzwerkteilnehmern besitzt, die untereinander nicht verbunden sind. Je weniger schwache Verbindungen vorhanden sind, desto isolierter ist das Individuum. 3.1.5 Dynamik der Kooperation User-generated content bedeutet, dass die Besucher einer Plattform zu ganz wesentlichen Teilen am Aufbau des Inhalts beteiligt sind. In der Konsequenz arbeiten oft viele Menschen, die sich nicht oder nur flüchtig kennen, an gemeinsamen Aussagen, Strukturen und Erscheinungsbildern. Dass dabei eine gewisse Koordination vonnöten ist, liegt auf der Hand. Dabei ist zwischen zwei Grundformen zu unterscheiden: • Me-First-Strategie. Jeder arbeitet an seinem Bereich mit der Zielsetzung, zunächst seine eigenen Inhalte zu organisieren. Vermittelt durch die Software der Plattform erfahren die einzelnen Beteiligten von der gegenseitigen Arbeit und profitieren davon. Bestes Beispiel dafür sind Social Bookmarks. • Kollaboration. Es wird an einem gemeinsamen Werk, z. B. einem Text, gearbeitet. Die User müssen sich absprechen und sich auch untereinander auf ein gemeinsames Grundverständnis über das Werk einigen. Ein prominenter Vertreter dieses Vorgehens sind Wikis. In beiden Fällen ergibt sich mehr oder weniger notwendigerweise eine viergliedrige Struktur von Rollen, die ein Teilnehmer einnehmen kann (vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2007: 19 ff.): • Der Leser nimmt rezeptiv an der Community teil, ohne eigene Informationen preiszugeben. Gerade bei offenen Plattformen ist das die am weitesten verbreitete Nutzung. Häufig liegt vor der Phase der Beteiligung eine gewisse Zeit der 211 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 210 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 211 Beobachtung, um mit den Gewohnheiten der Community vertraut zu werden. In vielen Fällen wird eine Plattform gar nicht als partizipativ wahrgenommen (vgl. Wikipedia). • Als Autor ist man aktiv an der Erstellung von Inhalten beteiligt. Dies kann beispielsweise in Form von Bewertungen, Eintragen von Bookmarks, Einstellen von medialen Inhalten oder der Textproduktion geschehen. Regelmäßige Autoren besitzen meist eine virtuelle Identität und arbeiten durch ihre Beiträge auch an ihrer sozialen Reputation. • Ein Moderator ist darum bemüht, inhaltlich wie sozial für einen reibungslosen Betrieb zu sorgen. So wird über Strukturen diskutiert, das Einhalten von Regeln forciert und das Verhalten anderer Nutzer im Sinne der Community beeinflusst. Moderatoren haben häufig erweiterte Rechte innerhalb der Plattform. Um in diese Position zu kommen, wird meistens ein überdurchschnittliches Engagement innerhalb der Community vorausgesetzt. • Der Betreiber einer Plattform bestimmt im Wesentlichen die technischen Voraussetzungen. Zudem hat er als rechtlich Verantwortlicher eine gewisse Verantwortung gegenüber den publizierten Inhalten, so dass ihm auch das Recht zukommt, die Rahmenbedingungen festzulegen. Als Faustregel für die statistische Verteilung der Rollen nennt Nielsen (2006) 46 die 90-9-1-Regel: 90 Prozent der Benutzer sind reine Leser, 9 Prozent beteiligen sich gelegentlich an der Erstellung von Inhalten, während nur 1 Prozent der Nutzer regelmäßig mitarbeitet. Diese Verteilung gilt in ihrer Reinform nur für öffentliche Plattformen. In Social Networks wird von jedem Nutzer gewissermaßen als Eintrittskarte gefordert, bestimmte Informationen über sich preiszugeben. Das Verhalten innerhalb der Community dürfte jedoch wiederum einer ähnlichen Verteilung folgen. Auch wenn die genaue Verteilung umstritten ist, gilt die Grundaussage, dass nur eine kleine Minderheit intensiv zur Erstellung der Inhalte beiträgt, als weitestgehend anerkannt. Bei der gemeinsamen Erstellung von Inhalten spielt das kollaborative Paradigma eine große Rolle. Der Begriff »Kollaboration« wird im Deutschen vor allem zur Beschreibung einer Zusammenarbeit mit dem Gegner verwendet. Diese Konnotation spielt jedoch im Zusammenhang mit Arbeitsformen des Social Webs keine Rolle. Dort wird mit Kollaboration eine besondere Form der Zusammenarbeit in Abgrenzung zur »Kooperation« beschrieben (Schmalz 2007) 47 : »Beim Organisationsprinzip ›Kooperation‹ wird ein gemeinsames Ziel bzw. eine gemeinsame Aufgabe in unterschiedlich gewichtete Teilaufgaben aufgetrennt, für die jeweils eine Person oder eine Gruppe von Personen verantwortlich ist. 212 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 212 […] Beim Organisationsprinzip ›Kollaboration‹ wird die Aufgabe im Gegensatz zum Organisationsprinzip ›Kooperation‹ nicht im Vorhinein arbeitsteilig aufgetrennt, sondern jeder trägt gleichermaßen mit seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten zur Lösung der Gesamt-Aufgabe bei, ohne dass voneinander unterschiedene Aufgabenbereiche und Pflichten explizit definiert würden.« Das Fehlen einer expliziten Arbeitsteilung in der Kollaboration setzt voraus, dass sich die Teilnehmer auf ein gemeinsames Grundverständnis und eine gemeinsame Zielsetzung einigen. Diese Verständigung ist in der Regel Teil des Prozesses. Dabei kommt es auch zu einer Verinnerlichung der gemeinsamen Ziele, es finden Lernprozesse bei den einzelnen Teilnehmern statt. Kollaboration kann also auch als Methode des konstruktivistischen Lernens verstanden werden. Sowohl Kuhlen (2006) als auch Schmalz (2007) 47 betonen die Rolle der Technik bei der Durchsetzung der kollaborativen Arbeitsform: »Kollaborative Prozesse sind ohne Rechnerunterstützung kaum mehr vorstellbar und setzen eine technische Kommunikationsinfrastruktur voraus. Die im kollaborativen Prozess benutzten oder neu erstellten Wissensstücke sind in der Regel hochgradig vernetzt, so dass Hypertext/ -media-Techniken zum Einsatz kommen. Dieses Zusammenspiel macht Telemediatisierung aus.« (Kuhlen 2006) Im Social Web gibt es Bereiche, in denen die Tendenz eines Paradigmenwechsels der Arbeitsformen erkennbar ist. Besonders deutlich wird dies bei Wikis, deren inhaltliche Erstellung gänzlich auf Kollaboration beruht. Zu differenzieren ist hierbei nach dem Gegenstand der Kollaboration. Bei Wikipedia kann man beispielsweise einerseits davon sprechen, dass die Artikel in Zusammenarbeit erstellt werden, andererseits kann die gesamte Enzyklopädie gemeint sein. Werden einzelne Informationseinheiten als Basis genommen, so sind Sharing-Plattformen und Social Networks wenig kollaborativ. Betrachtet man jedoch die gesamten Inhalte, können auch diese Formen mit in den Kanon aufgenommen werden, wird hier doch an einer gemeinsamen Materialsammlung oder Wissensbasis gearbeitet. Um das kollaborative Arbeiten zu ermöglichen, sind neben der Technik einige Dinge zu beachten. In Anlehnung an die Erfahrung aus Open-Space-Veranstaltungen nennt Heigl (vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2007: 28 ff.) die folgenden Kriterien: • Spielerisch Neues schaffen. Kollaboration muss Spaß machen. Nur so kann eine kreative Atmosphäre geschaffen werden, die Raum für Ideen lässt und die Hürden der Beteiligung möglichst niedrig hält. • Flache Hierarchien. Die Verantwortung für den gesamten Prozess, nicht nur für Teilbereiche, wird völlig auf diejenigen übertragen, die ihn ausführen sollen. 213 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 212 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 213 Diese werden weitestgehend in den Planungsprozess und in die Ablaufkontrolle eingebunden. Das verlangt von allen Beteiligten eine Bereitschaft für die Offenheit des Prozesses und auch die Übereinkunft, dass nicht nur die Risiken, sondern ebenso die Vorteile gleichmäßig verteilt werden. • Veränderungsdruck und komplexes Thema. Veränderungsdruck (als intrinsische Motivation) und der Wille, ein Problem lösen zu wollen, gilt für Raymond (1997) 48 als unabdingbarer Motor für den »Basar«. Arbeiten am eigenen Thema schafft Engagement. Selbstorganisationsprozesse bauen auf Verantwortung, die aus dem Interesse an der Sache entsteht. Außerdem fördert ein komplexes Thema, das eine intellektuelle Herausforderung darstellt, die Dynamik von Großgruppenprozessen. • Offener Zugang. Freiwilligkeit und offener Zugang sind eine unerlässliche Bedingung für Motivation in Selbstorganisationsprozessen. Die Diskussion wird von Beginn an aus einem vermeintlichen Experten- und Spezialistenkreis hinausgetragen. Das schafft Transparenz und Motivation. • Unterschiedlichkeit der Teilnehmer. Unterschiedliche Erfahrungshintergründe und Wissensbestände werden als Grundlage für kreative Prozesse und als Bereicherung verstanden und so wird jeder Nutzer zunächst als Experte anerkannt. • Möglichst freie Zeiteinteilung. Die Arbeit beginnt, wenn die Zeit reif dafür ist, und endet, wenn sie fertig ist. Sie muss sich weniger an festen Zeitvorgaben orientieren. Zeitdruck entsteht nur dadurch, dass Probleme weiter unbearbeitet sind. • Selbstbestimmtes Arbeiten. Menschen in Gruppenprozessen und Mitglieder von Communitys haben sehr unterschiedliche Strategien und ein ebenso unterschiedliches Verständnis von der eigenen Funktion innerhalb des Gesamtzusammenhangs. Trotz aller Freiheiten, die sich bei der Beteiligung im Social Web eröffnen, sind gewisse Regeln für die Zusammenarbeit vonnöten. Gerade unter den Beschränkungen der computervermittelten Kommunikation ist die Gefahr groß, dass Meinungsverschiedenheiten auch emotional eskalieren. Eine Etikette, die einige Grundregeln für eine konstruktive Zusammenarbeit festlegt, ist ein erster Schritt. Basierend auf der Netiquette hat sich beispielsweise für Wikis die Wikiquette (Wikipedia 2015c) 49 herausgebildet. Die Grundaussage unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von den Regeln zwischenmenschlicher Kommunikation: zuhören, den anderen verstehen, guten Willen voraussetzen. Darüber hinaus bilden sich im Verlauf der Gruppenbildung Regeln und Gebräuche (vgl. vorheriges Kapitel). Die relativ hohe Fluktuation gerade innerhalb von offenen Communitys macht es dabei unter Umständen nötig, auch diese Regeln zu kodifizieren. Meistens werden dazu eigene Artikel oder Postings eingerichtet, die wiederum von Mitgliedern der 214 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 214 Gruppe verändert werden können. Trotzdem stößt die Selbstorganisation hier auf Schwierigkeiten: Das Regelwerk der Wikipedia wird mittlerweile selbst von Administratoren als undurchschaubar bezeichnet. Umso wichtiger wird die Rolle der Moderatoren, die das Gruppenselbstverständnis verinnerlicht haben und bestrebt sind, »Quertreiber« in diesem Sinne zu beeinflussen. 3.1.6 Kollektive Intelligenz Wenn viele Ameisen, von denen man individuell behaupten kann, sie seien nicht mit allzu großer Vernunftgabe ausgestattet, es schaffen, gemeinsam so komplexe Bauwerke wie Ameisenhügel zu erstellen, dann spricht man von kollektiver Intelligenz. Der Begriff kollektive Intelligenz wird oft mit »Schwarmintelligenz« gleichgesetzt. Letzteres ist für Kruse (2009) aber »eine Form der Selbstorganisation, bei der relativ unintelligente einzelne Elemente sich über Regelwerke zu übergreifender Ordnungsbildung vereinen. […] Schwarmverhalten ist für sich genommen eben nur eine sehr einfache Stufe kollektiver Intelligenz.« Hofstadter (1979) spricht davon, dass der Ameisenstaat intelligent ist. Wie ist das nun, analog, wenn sich viele - Tausende - von menschlichen Individuen an einem gemeinsamen Werk beteiligen? Haben wir es dann mit einer Art »Superintelligenz« zu tun? Ein Phänomen scheint mittlerweile wissenschaftlich abgesichert zu sein. Bei seinem Versuch, die kollektive menschliche Dummheit zu beweisen, wertete Galton 1907 die Stimmen statistisch aus, die bei einem Wettbewerb zur Schätzung des Gewichts eines Ochsen abgegeben wurden. Entgegen seiner These musste er feststellen, dass der Mittelwert der abgegebenen Schätzungen um weniger als 1 Prozent von der tatsächlich festgestellten Größe abwich. Es scheint, als würde das statistische Mittel vieler Schätzungen bei Messgrößen weit genauer an der Realität liegen als jede Einzelschätzung. Galton nannte dieses Phänomen »vox populi«, es ist auch unter dem Stichwort »Intelligenz der Massen« bekannt. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen statistischen Effekt, der die individuellen Ungenauigkeiten bei Abschätzungen bereinigt. Die Bedingungen dafür, dass so eine Massenschätzung funktioniert, nennt Frey (zit. nach Hermann 2005) 50 : »Eine Gruppe muss möglichst heterogen aufgebaut sein«, sagt Dieter Frey. Denn hätten alle Mitglieder ähnliches Wissen und würden auf die gleiche Weise denken, entstünde ein »Group-Thinking-Phänomen«. Das Kollektiv würde Informationen auf Kosten des Ergebnisses schlicht ausblenden. »Homogenität in einer Gruppe gleicht einer Art Inzucht. Die Einzelnen tragen in solchen Fällen wenig zu einer Lösung bei.« 215 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 214 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 215 Wichtig ist jedoch, anzumerken, dass ein gewisses Grundverständnis der Materie innerhalb der Gruppe gegeben sein muss. Würden wir die Leserschaft unseres Buches nach der Position eines gesunkenen U-Boots fragen, so ist sehr wahrscheinlich, dass wir gemeinsam eine lange Suche vor uns hätten. Haben wir es jedoch mit Menschen zu tun, die sich mit der Materie intensiv auseinandergesetzt haben, so wird die »Intelligenz der Massen« greifen. Schwieriger wird es, wenn man versucht, eine Analogie für dieses Phänomen in der intellektuellen Auseinandersetzung um Themen, beispielsweise in der Wikipedia, zu finden. Lanier (2006) 51 kritisiert eine blinde Gläubigkeit in die Intelligenz der Massen: »In the last year or two the trend has been to remove the scent of people, so as to come as close as possible to simulating the appearance of content emerging out of the Web as if it were speaking to us as a supernatural oracle. This is where the use of the Internet crosses the line into delusion.« In seinem Essay »Digital Maoism« zeigt er auf, dass kollektive Entscheidungen auch zu problematischen Ergebnissen führen können, wenn die oben genannten Kriterien nicht erfüllt sind. Besonders schwierig ist in diesem Zusammenhang das Phänomen des Gruppendenkens. Dabei passen alle Personen ihre Einschätzung einer vermuteten Gruppenmeinung an, die als besonders konsensfähig gedacht wird. Alternativen werden so völlig ausgeblendet. McCauley (1998) nennt drei Bedingungen, unter denen sich Gruppendenken besonders leicht durchsetzt: • starke Persönlichkeiten, • Homogenität bezüglich sozialem Hintergrund und Ideologie und • Isolation der Gruppe von alternativen Informations- und Analysequellen. Auch hier ist der Tenor: Wenig Autoritäten und möglichst viel Diversität. Kollektive Intelligenz kann ihre Stärken nur ausspielen, wenn starke individuelle und auch kontroverse Meinungen in der Gruppe existieren. 3.1.7 Das ewige Beta Der Beta-Status ist im Computerbereich ursprünglich ein Begriff aus der traditionellen Softwareentwicklung. Er bezeichnet in der Regel Programme, bei denen die Entwicklung der Funktionalität abgeschlossen ist. Die Software wurde in diesem Zustand in der Regel bereits intern getestet und wird nun einer breiteren Gruppe an Testern, unter Umständen der gesamten Öffentlichkeit, zur Verfügung gestellt, 216 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 216 um die restlichen Bugs zu identifizieren. Diese können der Entwicklerfirma gemeldet werden und werden bis zur stabilen Version beseitigt. Ein Abschnitt über unfertige Software im Kapitel zu Gruppenprozessen? Dies erscheint ungewöhnlich. Jedoch ist die Art und Weise, wie Inhalte im Social Web produziert werden, eine direkte Folge der Organisation innerhalb von Communitys, der Offenheit und Hierarchiearmut, die in diesem Bereich vorherrscht und dazu dient, Teilnehmer an die Gemeinschaft zu binden. Wir halten es daher für gerechtfertigt, uns an dieser Stelle mit der Art und den Folgen der Inhaltserstellung in Social-Web-Anwendungen zu beschäftigen. Perfektion ist die Prämisse in traditionellen Publikationsorganen. Diese wurde zunächst auch auf das Internet übertragen: Seiten, die etwas auf sich halten, haben einen strikten Redaktionsprozess. In einem Content-Management-System wird klar festgelegt, welche Prüfstufen ein Artikel zu durchlaufen hat, bevor er veröffentlicht wird. In diesem Verfahren liegt jedoch eine klare Hürde, will man, dass sich möglichst viele Menschen an der Erstellung der Inhalte beteiligen. Diese Hürde wird im Social Web aufgehoben. Es ist im Gegenteil das Erfolgsrezept vieler Seiten, dass jeder Besucher mitmachen kann. Ein Beispiel: Das Vorgängerprojekt der Wikipedia, die Nupedia, kam mit einer rigiden Review-Politik gerade mal auf 24 Artikel. Der radikale Kurswechsel wird als ein wesentlicher Grund genannt, der zum Erfolg der Onlineenzyklopädie beitrug. Möglicherweise ist die Erfahrung, ernst genommen zu werden sowie die sofortige Wirksamkeit der eigenen Veränderungen eine wesentliche Motivationsquelle für die Beteiligung. Die Konsequenz dieser Offenheit ist eine sehr hohe Dynamik der Inhalte. Die Plattformen können schneller auf aktuelle Ereignisse reagieren oder neue Trends mit einbinden, als das in Printmedien der Fall sein kann. So diente beispielsweise die Seite Wikinews nach den Anschlägen von London 2005 als wesentliche Informationsquelle (vgl. Katzenbach 2007) 52 . Im Minutentakt wurden die Informationen aktualisiert, teilweise aus Internetcafés in der Umgebung. Bilder, die mit Fotohandys aufgenommen wurden, tauchten auf der Seite auf. Es war jedoch nicht immer erkennbar, wie authentisch die Beiträge waren. Nachrichtenportale mit traditionellem Hintergrund wie Spiegel Online reagieren darauf mit dem Format der Eilmeldung. Als solche gekennzeichnet, weiß der Leser, dass die Inhalte nur einem verkürzten redaktionellen Verfahren ausgesetzt waren. Im Social Web wird das Material nur ex post gepflegt durch eine Schar von Maintainern, die darauf achten, dass die Beiträge den Standards des Projekts entsprechen. Es ist jedoch häufig der Fall, dass nicht ganz klar ist, ob der aktuelle Stand der Dinge gerade der ist, der wirklich die Sicht der Community darstellt. Um das herauszufinden, gibt es die Möglichkeit, sich mit der History auseinanderzusetzen. Der Aufwand, der dazu jedoch betrieben werden muss, wird in den meisten Fällen 217 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 216 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 217 gescheut. Fehlinformationen in der Wikipedia haben gerade mit dem wachsenden Erfolg des Projekts immer wieder große mediale Aufmerksamkeit erregt. Einer der ersten Fälle war der Artikel über den Journalisten John Seigenthaler sen. (vgl. Wikipedia 2015) 53 . Ein Kollege hatte sich den Spaß erlaubt, Herrn Seigenthaler mit der Ermordung Kennedys in Verbindung zu bringen. Der Fehler wurde erst über vier Monate später entdeckt und korrigiert. Dieser Vorfall führte zu einer breiten Debatte über die Verlässlichkeit von Inhalten im Onlinelexikon und auch über die Gefahren von offen veränderbaren Inhalten. Wikipedia reagierte auf diesen und ähnliche Vorkommnisse mit der Einführung eines Sichtungssystems, das bei allen Seiten über Persönlichkeiten aktiv ist. In anderen Formen des Social Webs, bei denen die Interaktion stärker eingeschränkt ist, z. B. beim Tagging oder bei Bewertungen, verlässt man sich auf statistische Effekte. Jedoch taucht auch hier eine Problematik auf: Wenn zu wenige ihre Meinung abgeben, kann eine außergewöhnliche Ansicht dominieren. Ein Beispiel dafür sind die Buchbewertungsseiten von Amazon. Häufig hat nur ein einzelner Leser seine Rezension abgegeben, diese wird aber bei jeder Suche mit in der Trefferliste angezeigt. Inwiefern die individuelle Bewertung stichhaltig ist, wird an dieser Stelle nicht abgeprüft. Es ist daher nötig, ein Bewusstsein für den Grad der Verlässlichkeit von Informationen zu schaffen, der in Systemen mit massiven benutzergenerierten Inhalten herrscht. Diese Informationen müssen hinterfragt werden. Häufig ist nicht klar, ob die Menschen, die Beiträge liefern, auch wirklich die sind, die sie vorgeben, zu sein (vgl. Kapitel 3.1.4). So berichtete beispielsweise Salam Pax während des Irakkrieges 2003 auf seinem Weblog »Where is Raed? « aus Bagdad. Seine Identität und damit seine Glaubwürdigkeit wurden aber selbst in der Blogosphäre angezweifelt. Die Authentizität der Berichte konnte erst Monate nach dem Krieg zweifelsfrei nachgewiesen werden. Der Umgang mit derart unsicheren Informationen wurde bislang ausgebildeten Journalisten überlassen. Diese mussten entscheiden, ob sie einer Quelle vertrauten oder nicht. Durch die Plattformen des Social Webs wird diese Verantwortung dem »Endkunden«, also jedem einzelnen Leser übertragen. Der Umgang und die Einschätzung derartiger Informationen wollen gelernt sein. Im Verlauf des Wachstums einer Community kommt diese fast immer an einen Punkt, an dem durch die große Anzahl der Mitarbeiter zunächst eine Trivialisierung des Inhalts zu beobachten ist. Häufig ist den Autoren ihre Verantwortung gegenüber dem gemeinsamen Projekt nicht bewusst, der Spaßfaktor überwiegt. Soll das Projekt ernsthaft weitergeführt werden, ist eine Form der Qualitätskontrolle nötig. Ein Verfahren, das sich aufgrund der kollaborativen Struktur anbietet, ist Peer Review, das heißt, die Beteiligten bearbeiten nicht nur ihre eigenen Inhalte, sondern überarbeiten auch die Beiträge der anderen Mitglieder. Diese Korrektur- 218 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 218 form kann aber individuell sehr schmerzhaft sein, wenn nicht bestimmte Verhaltensregeln eingehalten werden. In Foren ist das Problem der Flame-Wars bekannt, bei dem sich zwei oder mehrere Beteiligte heftige Wortgefechte liefern, die bisweilen auch die Grenzen zur Beleidigung deutlich überschreiten. Etwas ruhiger, aber nicht minder störend sind Edit-Wars in Wikis, bei denen wechselseitig die Änderungen am Text wieder rückgängig gemacht werden. Leidtragende sind dann wiederum die unbeteiligten Leser, die - »ewig in der Beta« - nicht erkennen können, welches Ergebnis nun das anerkannte sein soll. Ein Problem in diesem Zusammenhang sind selbst ernannte Wächter des Guten, die es mit den Regeln der Community sehr genau nehmen oder es mit der Qualitätssicherung stark übertreiben. In der Wikipedia agieren nach Aussagen von Beteiligten einige Administratoren, die anonyme Edits (welche nach den Statuten erlaubt und sogar erwünscht sind) prinzipiell wieder zurücknehmen. Diese übertriebene Kritik rührt sicher auch von schlechten Erfahrungen her, hat aber zwei Konsequenzen: Es häufen sich Meldungen, dass an sich richtige Informationen zunächst nicht akzeptiert werden (vgl. Lanier 2006 51 , Dueck 2008). Gerade Einsteiger beginnen ihre Arbeit dann mit einem negativen Erlebnis und nur wenige haben die Ausdauer, sich gegen alte Hasen der Community durchzusetzen. Die Dynamik des Social Webs wird auf diese Weise etwas ausgebremst. Zweitens gewinnen die Projekte zunehmend an Ernst, so dass der Spaß, Dinge schnell zu tun, verloren geht. Das alles soll nicht von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Qualitätssicherung ablenken. Auch ist es nötig, dass die Community sich einer gewissen Verantwortung bewusst ist. Schreiben im Social Web heißt publizieren. Wenn etwas einmal im Netz ist, so kann es nur schwer wieder entfernt werden. Einträge in Blogs werden verlinkt und zitiert, Bilder in Social Networks oder Videos auf Filmportalen werden heruntergeladen und verschickt, Änderungen in Wikis sind in der History protokolliert. Dazu kommen fleißige Suchmaschinen, die Inhalte nicht nur in ihren Suchindex aufnehmen, sondern auch interne Caches, also Abbilder der Daten, erstellen. Auch Sammeldienste wie The Archive, die das komplette Netz in regelmäßigen Abständen intern speichern und somit Änderungen protokollieren, tun ein Übriges, dass der Grundsatz gilt: einmal im Netz, immer im Netz. Somit können unbedachte Äußerungen, besonders wenn sie über Dritte gemacht werden, langfristige Folgen haben: • Fehlende Rückbindung durch Experten führt zur Entstehung der Folk-Kulturen. Dabei besteht die Gefahr von Stereotypen und fehlender Hinterfragung des Geschriebenen. • Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob das Web nicht einfach mit Daten überflutet wird. Viele Blogeinträge, die zunächst hilfreich erscheinen, entpuppen sich als 219 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 218 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 219 erweiterte Linksammlung mit kaum zusätzlicher Information. Bewertungen, die nur von einer Person abgegeben werden, sind hochgradig subjektiv. Auch auf technischer Ebene ist die Tendenz zur Improvisation spürbar. Zwar unterliegt die Software des Social Webs üblicherweise den genannten Produktionszyklen. Mittlerweile zeichnet sich jedoch ein gewisser Paradigmenwechsel ab. Die Zeit, die ein Produkt benötigt, um auf den Markt zu kommen (time to market), wird immer wichtiger. Daher wird häufig die Technik des Rapid Prototyping verwendet. Neuerungen in den Scripts werden schnell online gestellt und in die bestehenden Webapplikationen integriert. »Beta« ist aber auch zum Modeattribut geworden, das Aktualität vermittelt. Viele Webdienste (z. B. Google Office) werden bei der Veröffentlichung als Beta-Versionen gekennzeichnet und bleiben das auch eine ganze Weile, obwohl sie schon von einer breiten Usergruppe eingesetzt werden. Die Kennzeichnung als Beta entlastet zudem die Entwickler in gewisser Weise, der Benutzer wurde ja gewarnt. Viel weiter geht der Ansatz, das Kernsystem über Programmierschnittstellen leicht erweiterbar zu gestalten. Im Prinzip kann an diesen Systemen jeder mitentwickeln, der über gewisse Programmierkenntnisse verfügt. So zeichnet sich in den letzten Jahren eine Kultur der Erweiterungen ab. Die Softwareentwicklung wird in gewisser Weise demokratisiert. Extension-Entwickler lösen kleinere und größere Probleme, die beim Einsatz der Software in einer bestimmten Umgebung (z. B. Intranet) oder für bestimmte Zwecke auftreten. Der positive Effekt ist, dass die Software nach den »echten« Wünschen der User entwickelt wird. Die Entwicklung ist somit kein zentral gesteuerter Prozess mehr. Per Extension kann sich jeder beteiligen, ohne die Stabilität des Kernprojekts zu gefährden. Bei vielen Anwendungen des Web 2.0 ist eine große Breite der verfügbaren Erweiterungen geradezu ein Qualitätsmerkmal, so z. B. bei der Blog-Software Wordpress, dem Wiki TWiki oder dem CMS Joomla! . Selbst die großen Plattformen wie Facebook oder Wikipedia lassen sich mittlerweile von jedermann über so genannte Applications (Apps) erweitern. Diese können auf die Daten der Nutzer zugreifen und sie für Ihre Dienste verwerten. Da viele der verbreiteten Webanwendungen unter der Softwarelizenz GPL stehen, werden auch die Erweiterungen unter dieser Lizenz veröffentlicht. Die Konsequenz ist, dass diese Programmteile frei verwendet und weiterentwickelt werden können. Die Frage, ob Erweiterungen zwingend mit der GNU-Lizenz versehen werden müssen, ist weiterhin offen. Gerade die Symbiose zwischen offenen und kommerziellen Angeboten gilt als Triebfeder für die Professionalisierung vieler Systeme. Ein Musterbeispiel dafür ist Joomla! . Im Sommer 2007 wurde jedoch eine Debatte über die Lizenzierungspolitik entfacht, die tendenziell in die Richtung ging, kommerzielle Lizenzen bei Erweiterungen nicht mehr zuzulassen. Mittler- 220 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 220 weile hat man sich darauf geeinigt, dass Erweiterungen unter der GPL stehen müssen, jedoch kostenpflichtig zum Download angeboten werden dürfen. Die freie Erweiterbarkeit von Anwendungen hat jedoch ihre Schattenseiten: Der Einsatz von Extensions gleicht häufig einem Glücksspiel. Viele Erweiterungen wurden für einen sehr spezifischen Zweck erstellt und können nicht ohne weiteres in anderen Kontexten eingesetzt werden. Die Programmierer haben häufig kein Interesse daran, ihre Erweiterungen soweit zu perfektionieren, dass sie den Status »Stabil« erreichen. So wird auf den Downloadseiten zwar für fast jedes Problem eine Lösung verkündet, die leidvolle Praxis der Autoren zeigt jedoch, dass in gefühlten zwei Dritteln 14 der Fälle noch eine händische Anpassung vonnöten ist. Die Entwickler-Communitys, die verständlicherweise an einer gewissen Qualität des Gesamtproduktes interessiert sind, reagieren darauf mit verschiedenen Methoden, die es auch unerfahrenen Nutzern ermöglichen, die Qualität einer Erweiterung einzuschätzen. Häufig findet man die Angabe eines Entwicklungsstatus. TYPO3 hat eine zentral gepflegte Bibliothek, in die nur geprüfte Extensions aufgenommen werden. Dennoch steht es jedem Entwickler frei, seine Zusatzprogramme auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen. Hier stellt sich die Frage, ob zum »ewigen Beta« nicht doch eine gewisse Kultur der Verantwortung gehört. Das Bewusstsein dafür, dass man der Öffentlichkeit nicht einfach alles »vor die Füße« wirft, ist vonnöten. Regeln für das Auftreten im öffentlichen Raum gibt es bereits. Eine Analogie soll dies verdeutlichen: Äußerungen, die an eine größere Gruppe gerichtet sind, z. B. in Form von Reden oder Vorträgen, werden vorbereitet. Man versucht, seine Ideen in Sätzen zu formulieren, argumentativ schlüssig zu sein und die Ideen gegebenenfalls medial zu unterstützen. Ebenso wichtig ist es, dass technische Dinge, aber auch Beiträge, die im Netz veröffentlicht werden, einen gewissen Stand der Reife haben, bevor sie »nach draußen« gegeben werden. Auch auf Webplattformen gilt es, diesen Grundsatz zu beachten. So hat beispielsweise die Wikipedia in 2014 ein lang nachgefragtes Feature, den Visuellen Editor, aktiviert. Jedoch war das Produkt noch nicht ausreichend getestet. Als es für alle neuen Nutzer zum Standard gemacht werden sollte, kam es zu heftigen Protesten in der Community. Daraufhin wurde das Feature zurück in den Beta-Status gesetzt. 14 Nach subjektiver Erfahrung des Autors. Abb. 3.5: Logo mit Beta-Label 221 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 220 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 221 3.1.8 Web Monitoring Mit steigender Sichtbarkeit des Social Webs und somit einer potentiell großen Reichweite der dort veröffentlichten Beiträge gewinnen Beobachtungs- und Analyseverfahren zunehmend an Bedeutung. Beispielsweise sind Firmen daran interessiert, einen guten Eindruck davon zu bekommen, wie ihre Produkte und das gesamte Image im Netz reflektiert wird. Damit ist eine frühe Erkennung von Schwierigkeiten möglich, etwa der Unzufriedenheit der Kunden mit einem bestimmten Produkt, und es kann schnell gegengesteuert werden. Diese Analysen werden unter dem Begriff »Web-Monitoring« geführt (vgl. Brauckmann 2010). Auch beim Einsatz von Web 2.0. Plattformen innerhalb von Organisationen gibt es starke Bestrebungen, die Inhalte zu messen und in Zahlen zu fassen. Firmen sind daran interessiert, herauszufinden, ob sich ihre Investition in neue Plattformen rechnet. Dazu werden in der Regel so genannte Key Performance Indicators (KPI) gemessen. Dies ist nicht einfach, denn die Zusammenhänge sind komplex. So sagt die Anzahl der Bearbeitungen eines Nutzers im Wiki relativ wenig aus. Die Frage ist, ob viele Korrekturen von Kommafehlern höher zu bewerten sind als wenige, dafür aber sehr ausführliche Bearbeitungen von Artikeln. Die Königsdiziplin in diesem Bereich ist die Bestimmung des Return On Investment Wertes (ROI). Dafür konnten bislang jedoch keine überzeugenden Erhebungen vorgelegt werden. Einige Autoren bezweifeln sogar, dass der ROI von Social Web Technologien überhaupt gemessen werden kann. Das Web-Monitoring basiert letztendlich auf Methoden, die im wissenschaftlichen Kontext entwickelt wurden, um die Phänome des Social Webs zu analysieren. Nach Plum (2010) teilen sich alle Analysemethoden grob in vier Phasen ein: • Datenerhebung. Zunächst müssen die Daten, die als Basis für eine weitere Auswertung dienen sollen, gesammelt werden. Das bedeutet, dass Datensammelprogramme, so genannte Crawler, durch das Netz streifen und Artikel und Beiträge herunterladen. Diese können sich beispielsweise an Stichworten und den zugehörigen Trefferlisten bei Google, Facebook und Co. orientieren, oder sie kennen bereits die Webadressen von für das auszuwertende Thema relevanten Hotspots. Man unterscheidet bei der Erhebung zwischen zwei grundsätzlichen Verfahren: Das Screening bezeichnet ein einmaliges Durchsuchen einer großen Datengesamtheit mit möglicherweise unbekannten Quellen, wohingegen das Monitoring regelmäßig zuvor festgelegte Quellen untersucht. • Aufbereitung. Die erhobenen Daten liegen nun in einem Rohformat vor (z. B. HTML). Nun müssen sie für die nächsten Schritte aufbereitet werden. So werden beispielsweise Spam und inhaltliche Doubletten gefiltert, es werden Meta- 222 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 222 daten wie Titel, Autor und Zeit ermittelt und nach Möglichkeit werden auch inhaltliche Tags extrahiert. • Analyse. Nun werden die Daten nach verschiedenen Verfahren ausgewertet. Näheres dazu finden Sie weiter unten in diesem Kapitel. • Präsentation. Zuletzt ist die Frage wichtig, wie die Ergebnisse der Analyse präsentiert werden. Gerade im Firmenumfeld ist eine ansprechende und schnell zu erfassende Darstellung von hoher Bedeutung. Bei automatisiertem Monitoring mithilfe von Software-Lösungen hat sich das Dashboard als zielführend herausgestellt. In diesem werden verschiedene Ergebnisdarstellungen in kleinen Bereichen, so genannten Widgets, ausgegeben. Der Nutzer kann nun auswählen, welche Informationen er sehen will und sich so seinen Infoscreen maßschneidern. Zentral für das Monitoring ist selbstredend die Analysephase. Hier wird zunächst danach unterschieden, was genau man herausfinden will. Plum nennt hier die folgenden Typen (S. 34): • Autoren- und Profiling-Analysen identifizieren Meinungsführer und Multiplikatoren. • Relevanz- und Quellen-Analysen suchen nach bedeutenden Orten für bestimmte Themen und analysieren deren Reichweite. • Buzz-Analysen klären die emotionale Beteiligung (Involvement) einer Zielgruppe an einem bestimmten Thema. • Tonalitätsanalysen werden genutzt, um das Stimmungsbild einer Zielgruppe zu eruieren. • Trend- und Issue-Analysen klären die Entwicklung von Themen und Märkten. Für diese Analysen werden im Wesentlichen Methoden verwendet, die aus der Online-Forschung bekannt sind. Hier ist generell zwischen quantitativen und qualitativen Verfahren zu unterscheiden. Während quantitative Verfahren in der Regel Kennzahlen automatisiert messen und damit vor allem Zahlen produzieren, die eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Fällen herstellen, trachten qualitative Verfahren danach, der Natur eines Phänomens auf die Schliche zu kommen und es zu beschreiben. Als quantitative Verfahren sind beispielsweise zu nennen: • Quantitative Inhaltsanalyse. Hier werden Texte anhand der Frequenz bestimmter Schlüsselworte in Kategorien eingeteilt. • Umfragen. Diese werden in Form von Multiple-Choice-Fragebögen durchgeführt. • Auswertung von Zugriffszahlen und Log-Dateien. Damit können u. a. Besuche oder Bearbeitungen von Inhalten im Netz ausgewertet werden. 223 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 222 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 223 Zu den qualitativen Erhebungsmethoden zählen: • Qualitative Inhaltsanalyse. Im Gegensatz zur quantitativen Inhaltsanalyse wird hier nicht auf vordefinierte Keywords geachtet, sondern der Text ganzheitlich betrachtet. • Nethnographie. Dabei wird das Verhalten von Gruppen und deren Mitgliedern beobachtet, teils auch, indem man als Forscher selbst teilnimmt. • Interviews. Hierbei werden die Mitglieder von Webcommunities direkt vom Forscher befragt. Daneben gibt es hybride Verfahren, bei denen beispielsweise die Stichprobe für eine qualitative Untersuchung mit quantitativen Verfahren vorselektiert wird. Die Datenmengen, die im Web erzeugt werden, sind immens. Im Jahr 2014 wurden jede Minute 72 Stunden Videos nach YouTube geladen, 216.000 neue Fotos bei Instagram veröffentlicht, 277.000 Tweets gesendet und unglaubliche 2.460.000 Interaktionen auf Facebook getätigt (Morrison 2014 54 ). Die Verarbeitung und Analyse dieser Datenmengen werden unter dem Stichwort »Big Data« behandelt (vgl. Dumbill 2012 55 ). Big Data ist charakterisiert durch drei Eigenschaften (im Englischen »drei V’s« 15 , vgl. Laney 2001 56 ): • Volumen (engl. Volume). Die schiere Menge der Daten, die anfallen, sprengt die Möglichkeiten herkömmlicher Technologien. So sind beispielsweise rationale Datenbanken oft nicht mehr in der Lage, diese Daten zu verarbeiten. Es werden parallelverarbeitende Architekturen zur Speicherung und zum Abruf dieser Daten verwendet. Die Verarbeitung folgt dem von Google eingeführten MapReduce-Ansatz (Dean/ Ghemawat 2004 57 ). Hierbei werden Datensätze aufgeteilt und an verschiedene Rechner gesendet (»Map«), um die Ergebnisse dann zusammenzuführen (»Reduce«). • Geschwindigkeit (engl. Velocity). Zusätzlich zum enormen Volumen besteht Big Data aus einem andauernden Strom dieser Daten. In vielen Fällen muss die Auswertung sehr schnell geschehen, beispielsweise innerhalb der Zeit, die ein Leser an einem Ort verbringt. Die Technik, um Datenströme zu verarbeiten, heißt »stream processing« und zeichnet sich durch die Möglichkeit der massiven Parallelisierung aus. • Verschiedenheit (engl. Variety). Im Social Web anfallende Daten sind selten so aufbereitet, dass sie einfach in ein Datenschema zu pressen sind. Häufig haben 15 Über die Anzahl der V’s, die notwendig sind, um Big Data zu charakterisieren, wird im Netz leidenschaftlich gestritten (z. B. Rijmenam 2014 58 ), der Aufrichtigkeit (Veracity), Variabilität, Visualisierung und Wert (Value) zusätzlich nennt. 224 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 224 wir es mit Texten oder Textfragmenten zu tun, die aus unterschiedlichen Quellen (z. B. Plattformen) kommen und die interpretiert werden müssen. Halbstrukturierte Datenbanken, NoSQL-Datenbanken, sind eine Möglichkeit, Daten zu speichern, die nicht exakt in das gleiche Schema passen. Die schnelle Auswertung großer Datenmengen spielt nicht nur im Social Web eine Rolle. So werden beispielsweise in wissenschaftlichen Experimenten am CERN oder bei den großen Teleskopen Big Data-Technologien angewendet. 3.1.9 Wie starte ich meine eigene Community? Communitys lassen sich nicht minutiös planen. Online-User denken weder an das Wohl der Community-Betreiber, noch denken sie überhaupt in Begriffen wie »Community«. Vieles läuft bei Communitys unterbewusst. Die Regeln sind verschlungen und schwer berechenbar. Vor allem für denjenigen, der damit im Internet Geld verdienen will. Communitys zu »säen« ist eigentlich eine kleine Kunst. Es bedarf eines »grünen Daumens« und einer geeigneten Umgebung. Und selbst dann müssen die User mitspielen. Wer den Aufbau einer Online-Community fein säuberlich plant, kann daher durchaus vom Misserfolg und fehlender Akzeptanz überrascht werden: Manches aufwendig erstelle Community-Angebot wird nämlich gar nicht oder nur kurz genutzt. Ebersbach et al. (2008) nennen ein paar elementare Grundregeln, die weiterhelfen. Social Software braucht in der Regel »Missionen«. Selbstorganisationsprozesse, bei denen die Teilnehmer ihr Geschick in die Hand nehmen und das Projekt von sich aus vorantreiben, werden vor allem dann eintreten, wenn das System in einen größeren Gesamtzusammenhang eingebunden ist. Das heißt, es muss helfen, drängende Probleme einer Gruppe zu lösen oder Medium eines zu gestaltenden Veränderungsprozesses sein. Dabei wird von den Beteiligten sehr viel verlangt: Diese müssen ihre Gedanken formulieren, selbstständig Ordnungssysteme entwickeln, Regeln erarbeiten und einhalten. Communitys werden deshalb nur genutzt, wenn sie einen Bedarf abdecken und ein ganz praktischer Nutzen für die User zu erkennen ist. Das kann eine Reduktion der täglichen Routinearbeit sein oder die Vereinfachung und Beschleunigung von Arbeitsabläufen, aber auch Anerkennung durch Kolleginnen und Kollegen bzw. ein kollaboratives Arbeitsklima. Die Größe macht den Unterschied. Planen Sie nicht gleich eine Wikipedia oder ein YouTube: Schätzen Sie realistisch die wahrscheinliche Größenordnung des Pro- 225 3.1 Gruppenprozesse www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 224 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 225 jekts ein. Es ist ein Unterschied, ob das System Medium eines Teams bzw. einer kleinen Gruppe oder einer Gruppe mit grob gesagt über 30 Mitgliedern ist. Bei Letzteren ist eine direkte Kommunikation aller mit allen nicht mehr möglich. Es bilden sich Kleingruppen, wie in einem weiterhin öffentlichen Raum - wie ein Wiener Kaffeehaus, wo man für sich bleibt, aber auch gesehen werden kann. Das bedeutet bei großen Projekten, dass die Kontrolle des Gesamtprojekts vom Einzelnen nicht mehr zu leisten ist und ein Fokus auf die gemeinsame Moderation gelegt werden sollte. Es heißt aber auch, dass bei einer Kleingruppe beispielsweise die Korrektur der Rechtschreibfehler aufgrund der geringen Teilnehmerzahl entfallen kann oder dass keine Moderatoren benötigt werden. Eine leere Plattform bleibt auch eine leere Plattform. Auch wenn ein System völlige Freiheiten gewährt, so sollten Sie ein paar Überlegungen in die Inhalte investieren, um eine gewisse Vorstrukturierung zu erreichen. Sie erleichtern den zukünftigen Community-Mitgliedern die Teilnahme erheblich, wenn erste Beiträge schon beispielhaft verfügbar sind. Soziale Plattformen zu »sähen« heißt, »Bilder« bereitzustellen, die zeigen, wie die Beiträge aussehen könnten, und ein erstes Ordnungssystem anzulegen, von dem aus weitergearbeitet werden kann. In geschlossenen Umgebungen können einführende Workshops zumindest wichtige Klärungsprozesse beschleunigen. »Meine« Plattform gibt es noch nicht. Egal für welche Art von Social Software Sie sich entscheiden: Die Systeme unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihrer Ausstattung und Erweiterbarkeit. Eine gute Möglichkeit ist, sich ein geeignetes Open-Source-System auf den eigenen Bedarf zuzuschneiden. Das ist leider oft eine Zeit-, Kompetenz- oder Finanzfrage und eigentlich nur ein Tipp für Organisationen. Man braucht jedoch nicht verzweifeln, denn es gilt auch … Keep it simple. Zu viele technische Features, Vorschriften und Kategorisierungen können die Kreativität abwürgen, die mit dem System entfaltet werden sollte. Eine gute Handhabbarkeit der Software ist letztlich wichtiger, als noch ein Feature mehr unter die Leute zu bringen. Let it grow. Im Social Web ist Vertrauen wichtig. Wer hier Kontrolle über den Prozess behalten will, wird ihn eher hemmen. Die Verantwortung für den Prozess liegt nun mal bei den Teilnehmern. Wikis, Blogs und Social Networks öffnen Freiräume, um die Arbeitsprozesse jenseits von starren Reglements sinnvoll selbst zu organisieren. Gruppenprozesse, die ein Mehr von den Mitarbeitern verlangen, weil sie konzeptionelle Arbeit übernehmen sollen, machen diese aber nur dann, 226 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 226 wenn sie eine klare Umsetzungsperspektive haben. Und: Wenn sie wirklich beteiligt sind und Kontrolle über den Prozess haben. Während diese Tipps sich mit der Planung im Vorfeld und der bereitgestellten Infrastruktur beschäftigen, haben sich Hagel und Armstrong (1997) auf eine zeitliche Abfolge konzentriert. Sie nennen vier Phasen, über die eine Community aufgebaut werden kann. Als McKinsey-Berater haben sie dabei einen dezidiert kommerziellen Fokus: • Locke Mitglieder an. Mittels interessanter Inhalte, attraktivem Inhalt und kostenfreiem Inhalt sollen Websurfer auf das Angebot aufmerksam gemacht werden. • Fördere die Beteiligung. Die Mitglieder sollen zum Erstellen von Inhalten angeregt werden. Eine Möglichkeit ist, mit gutem Beispiel voranzugehen und eigenes Material zu veröffentlichen. Man könnte auch »Gastredner« für das Forum gewinnen. • Baue Loyalität auf. Durch die Herstellung von Beziehungen der Teilnehmer untereinander und mit dem Organisator der Gemeinschaft werden die Mitglieder an die Plattform gebunden. • Fahre Profit ein. Die so aktivierte Community kann nun durch gezielte Werbung oder Gebühren für Sonderdienste als wertvolle Geldquelle dienen. Inwiefern dieses Modell so trägt, sei dahingestellt. In mindestens einem Fall ist ein Erfolgsprojekt bekannt: Die Community von Sales.com wurde nach diesem Rezept aufgebaut. Allerdings sind die Mitglieder von Communitys sehr sensibel. Wikipedia beispielsweise verzichtet sogar auf (sicherlich sehr lukrative) Werbeeinnahmen, um nicht in den Verdacht zu geraten, sich auf Kosten der Gemeinschaft zu bereichern. So warnen schon Paul und Runte (1999): »Community vor Commerce. Die Community soll das neue Zuhause Ihrer Kunden werden. Verspielen Sie Ihr Vertrauen nicht durch übertriebene Kommerzialisierung, insbesondere nicht vor dem Aufbau von kritischen Massen. Befragungen müssen immer eine offensichtliche Gegenleistung oder Kundennutzen mit sich bringen. Lassen Sie die Kunden den konkreten Nutzen spüren, den sie durch die Community haben! « (S. 61) Übungsfragen 1. Nennen Sie Gründe, die für multiple Identitäten im Netz sprechen. Warum kann das auch problematisch sein? 2. Häufig wird berichtet, dass Unterhaltungen im Netz leichter eskalieren als Face-To-Face-Kommunikationen. Was könnten Gründe dafür sein? 227 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 226 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 227 3. Warum beteiligen sich Menschen an Social Web-Projekten? 4. Man nimmt an, dass Communities sehr empfindlich sind, wenn der Eindruck entsteht, ausgenutzt zu werden. Ist dieser Eindruck gerechtfertigt? Literatur Döring, Nicola (2003): Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Hogrefe, Göttingen. Nicola Döring hat in einer beeindruckenden Publikation alle erdenklichen Aspekte der psychologischen Verfasstheit von Online-Communities beschrieben und damit einen Standard gesetzt. Schelske, Andreas (2007): Soziologie vernetzter Medien. Grundlagen computervermittelter Vergesellschaftung. Oldenbourg Verlag, München. Andreas Schelske gibt einen guten Überblick über die soziologische Forschung in Bezug auf das soziale Online-Leben. Beck, Klaus (2014): Soziologie der Online-Kommunikation (essentials). Springer VS, Wiesbaden. Ein kurzer und konziser Einstieg für Eilige. 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung 3.2.1 Was zieht das Individuum ins Social Web? Eine zentrale Frage für das Verständnis des Social Webs ist die nach den Triebkräften der explosionsartigen Ausbreitung dieser neuen Technologien und die Frage nach der anhaltend großen Akzeptanz bei den Nutzern. Was suchen und was finden die Nutzer in den neuen Medien? Was macht diese attraktiv? Wiederherstellung des Sozialen. Ein wichtiger Erklärungsansatz ergibt sich aus den Integrationskräften, die über das Social Web mobilisiert werden. Das Social Web hilft, die Isolationstendenzen in den fragmentierten Industriegesellschaften aufzuheben. So meint Trebor Scholz in einem Gespräch mit dem Titel »Toward a critique of the social web«: 228 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 228 »In the United States, many people are physically isolated due to urban sprawl, a culture of fear, overly controlling parental behaviour, a lost sense of place, and the nature of the job market, as well as widespread individualism. People move for new jobs and have extremely short vacations (an average of two weeks total in the United States). Therefore they simply don’t have enough time to meet former friends or neighbours. Real-life public spaces are not built to accommodate meaningful face to face encounters but instead serve as transitional zones of commerce.« (Scholz et al. 2007) 59 Auch die Gesellschaft in Europa ist sozial fragmentiert. Freundschaftsbeziehungen und familiären Bindungen lösen sich rasch auf. Patchwork-Familien und Singlehaushalte kennzeichnen einen Rückgang klassischer Familienstrukturen. Die fortlaufenden sozioökonomischen Umbrüche organisieren im rasanten Tempo auch die Alltagskultur aller Bevölkerungsteile um. Eine steigende Bildungs- und Arbeitsmigration aufgrund flexibilisierter Arbeitsmärkte trägt zusätzlich zur Isolation vieler Menschen bei. Unter diesen Bedingungen ist die Wiederherstellung und Aktualisierung zerstörter Beziehungen und Netzwerke von besonderer Bedeutung. So werden Freunde aus der Schule und dem Herkunftsort - nicht zuletzt über Social Networks (Facebook, Stayfriends) - gesucht und gefunden. Über das Social Web lassen sich aber auch viele neue Beziehungen aufbauen, ob nun an fremden Orten oder lokal. Das Netz bietet Fluchtpunkte, Spiel- und Kommunikationsmöglichkeiten. Da organisieren Studentinnen und Studenten, die am selben Ort und teilweise im selben Haus wohnen, über StudiVZ gemeinsame Feste. Und so werden Kommunikationsbarrieren und -hemmungen überwunden. Das Social Web hilft, bestehende Netzwerke zu ergänzen oder aus zu eng gewordenen auszubrechen. Gleichgesinnte Leute mit ähnlichen Interessenlagen finden zusammen, wenn lokal kein Ansprechpartner zu finden ist. Insofern ermöglicht das Social Web auch Ausbrüche aus einem wenig inspirierenden Umfeld. Ein sicherlich extremes aber auch kennzeichnendes Phänomen der letzten Jahre waren hier die sogenannten »Facebook-Partys«, die auf Facebook - versehentlich oder absichtlich - als »öffentlich« gekennzeichnet wurden und in kurzer Zeit für einen nicht mehr kontrollierbaren Massenauflauf sorgten. Die (Re)Etablierung eines soziokulturellen Netzes ist, wie wir gesehen haben, im Social Web sehr unterschiedlich organisiert. Aber normalerweise lassen sich die Kontakte zu neuen und alten Freunden fein skalieren. Beispielsweise bei der Kontaktaufnahme: Zunächst kann man die Aktionen der anderen beobachten. Es folgt ein Besuch der Benutzerseite. In manchen Systemen werden die Benutzer über die Besucher informiert. Dies hat den zusätzlichen Reiz, dass der Benutzer über den 229 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 228 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 229 Interessenten informiert wird und von sich aus aktiv werden kann. Bei näherer Bekanntschaft setzt man sich gegenseitig auf eine Kontaktliste, wickelt die weitere Kommunikation dann direkt über E-Mail, Foren, Chats oder Instant Messenger ab und organisiert ein wirkliches Treffen. Selbstinszenierungen. Die große Bereitschaft, sich bewusst mit seinem Profil ins Netz zu stellen, sich in Szene zu setzen, erklärt sich nicht allein mit der Neigung des Menschen zur Eitelkeit. Hier kommen auch Profilierungswünsche zum Ausdruck, die sich verstärken, weil die Menschen zueinander in Konkurrenz gesetzt werden. Nicht wenige Menschen stehen unter einem erheblichen Druck zur Selbstvermarktung. Über Social Networks hoffen viele vor allem jene notwendigen Kontakte in Beruf und Ausbildung zu knüpfen, die für die eigene Karriere und die Sicherung des sozialen Status notwendig werden. Man kann dies mit Pierre Bourdieu als Aufbau eines sozialen Kapitals bezeichnen (vgl. Bourdieu 1963). Vor dem gesellschaftlichen Hintergrund erscheint die große Bereitschaft vieler Menschen, sich selbst und ihre Arbeit ins Zentrum zu rücken, nicht besonders überraschend. In Businesskreisen informiert man sich heute bei zentralen Social Networks über Geschäftspartner und Bewerber. Gleichzeitig bietet das Social Web vielen Menschen die Möglichkeit, sich überhaupt einmal mit ihren Leistungen, Fähigkeiten und Interessen öffentlich darzustellen. Es entstehen Freiräume, Enklaven für verdrängte Interessen und ignorierte Potenziale von Individuen. Dabei lässt sich genau das Bild zeichnen, das man gerne von sich hätte. Das Social Web nutzen viele zur Bestimmung der eigenen Abb. 3.6: Ein bezeichnendes Titelblatt der Newsweek 230 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 230 Identität in einem Umfeld, das desintegriert, isoliert und Identitätsstiftung als Teil einer sozialen Praxis unmöglich macht. Das heißt, wir haben es in sehr unterschiedlicher Weise mit Kämpfen um Bedeutung und Anerkennung zu tun. Das ist wiederum Ausdruck gesellschaftlicher Mängel. Hier kann die Arbeit in einem Social-Software-Projekt Anerkennung verschaffen, die einem im Privat- oder Berufsleben versagt bleibt. Positives Feedback, schnelle Erfolge, Anerkennung und Beachtung wirken auch hier motivierend und können in Einzelfällen dazu führen, dass das Engagement in einem solchen Projekt geradezu zur Sucht wird. Wer sein Profil mit interessanten und guten Informationen aufwertet, wird höchstwahrscheinlich von anderen bemerkt und kann neue Kontakte knüpfen. Viele Social-Web-Applikationen haben dabei Motivationsverfahren integriert, die man auch von Rollenspielen kennt. Die Regeln sind im Gegensatz zu vielen Arbeits- und Lebensbereichen einfach, klar und transparent, erlauben aber eine große Variationsbreite komplexer Interaktionen und Strategien. Die individuellen Handlungsspielräume können grundsätzlich erweitert werden. Blogs, Wikiprojekte, Social Networks: Sie alle bieten den Nutzern Chancen, durch Leistung Meriten zu verdienen und Aufgaben übertragen zu bekommen. Die »Aufstiegsmöglichkeiten« hängen von der konkreten individuellen Handlung ab. Die Handlungsspielräume erweitern sich durch den Zuspruch der anderen (z. B. durch die Wahl zum Administrator). Bei Wikipedia erhält man erst ab einer bestimmten Anzahl von Edits Wahlrechte. Bei vielen kommerziellen Projekten sind die Handlungsspielräume an eine Gebühr oder an einen »Premium-Account« gebunden: Die volle Funktionalität einer Software ist dann nur gegen Bezahlung erhältlich. So setzen viele Social-Web-Applikationen durchaus auf den ganz klassischen bürgerlichen Leistungsvorstellungen auf. Je ungleicher die Aufstiegschancen in einer Gesellschaft verteilt sind, desto attraktiver werden diese als gerecht und klar empfundenen Werte. Unter Gleichen. Das Social Web enthält auch progressive, utopische Elemente. So schaffen sich die neuen sozialen Netzwerke ihre eigenen Kulturen. Die Freisetzung von Kreativität, die Verflachung von Hierarchien, die Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung scheinen hier schon realisiert zu sein. Die Videos auf YouTube, die Linksammlungen bei StumbleUpon oder Beiträge in der Wikipedia schaffen neue kulturelle Bezüge und liefern Themen, über die man ganz einfach weltweit sprechen kann. So wird es möglich, dass sich Jugendliche aus Kairo und Darmstadt in einem australischen Hostel Anknüpfungspunkte für unkomplizierte Gespräche zusammenfinden können. Dabei entsteht keineswegs eine einheitliche Weltkultur. Aber die Gespräche beziehen sich auf ein gemeinsames Projekt und schaffen eine neutrale gemeinsame Kommunikationsbasis. 231 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 230 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 231 Insofern gibt es im Social Web ein egalitäres Moment, weil es verspricht, dass man in ihm unabhängig von den sozialen Schubladen agieren kann. Das stimmt insoweit, als die Mitglieder in den verschiedenen Netzwerken erst einmal nur mit ihrer Leistung, Funktion und Rolle gefragt sind. In einer Online-Enzyklopädie geht es nicht um die persönliche Biografie, um die soziale Abkunft oder den Bildungsweg, sondern um die Qualität der Beiträge und die Kommunikationsfähigkeit. Bei You- Tube sind die Fähigkeiten als Videofilmer und Cutter vorrangig. Die sozialen und kulturellen Spaltungen scheinen aufgehoben. Die klassischen Diskriminierungen entlang »Race«, »Class«, »Gender« und »Age« spielen zunächst keine Rolle. Es werden gemeinsame kulturelle Codes entwickelt, eine eigene Sprache und eigene Auffassungen. Wir haben schon im Zusammenhang von Video-Sharing-Portalen auf die Entstehung einer eigenen Remixkultur hingewiesen. Angesprochen ist auch die Teilhabe am öffentlichen Leben und Wirken: Über das Social Web lässt sich theoretisch jeder beliebige Mensch treffen oder erreichen. Das Social Web bedient den Wunsch nach einer Teilhabe an den scheinbaren Erfolg-Storys der anderen. Zumindest die Illusion, hier Zugriff zu bekommen. Doch die neuen Medien bleiben Austragungsorte sozialer Kämpfe. Xing vermittelt zwischen verschiedenen Interessengruppen, doch insgesamt organisieren sich hier bestimmte soziale Schichten, die meist die »Prekarisierung« ihrer Verhältnisse verhindern oder überwinden möchten. Denn das Internet ist trotz seiner Öffnung weiterhin ein Elitemedium. So zeigt Trebor Scholz (2007) 59 die widersprüchliche Lage auf: »Even within economically developed countries there are large enclaves of the working poor, illegal immigrants, and also youth in rural areas who are the real access-have-less. What does the Web do for them? Any critique of the Social Web will sound like an elitist problem that they wished they had. On the other hand, talk of producers on the Social Web as elite users is absurd if you think of the 160 million people on the Chinese social networking site QQ or the 180 million users who have created a profile on MySpace. Most North American students are on Facebook and the South Korean social networking site Cyworld counts some 20 million contributors. On an international scale, social networking sites like Orkut took over Brazil and India. The age, gender, and language diversity online has changed for the better and the overwhelmingly high numbers of users speak for themselves.« Der spielerisch lernende Mensch. Motivierend ist natürlich auch die Faszination, die von der Technik und den Großgruppenphänomenen ausgeht. Zudem sind die Hilfsmittel praktisch. Such- und Bestellzeiten werden reduziert (Wikipedia, 232 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 232 Amazon, foursquare), neue Zugänge geschaffen (Antiquariate, usw.). Darüber hinaus wird verstärkt mit Ajax-Technologien gearbeitet, die den Benutzern eine Anwendungsfreundlichkeit ermöglichen, wie man sie sonst nur von lokaler Software kennt. Die Angebote des Social Webs machen Spaß und werden ausprobiert. Humor und ein spielerischer Umgang mit Technologie ist ein wichtiges Merkmal der Nutzer des Social Webs. Sie begreifen die neuen Möglichkeiten des WWW in erster Linie als Entertainment. Dieser Sachverhalt ist bei einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht zu vernachlässigen. Es besteht eine enge Verbindung zwischen Humor und Weltaneignung: Humor ist immer auch Kampf um Gewinnung einer Definitionshoheit, wie Verhältnisse gestaltet werden sollen. So hat Siegmund Freud aus psychologischer Sicht darauf aufmerksam gemacht, dass Humor auch mit einem Ringen um Überlegenheit zusammenhängt. Der Humor habe nicht nur etwas Befreiendes wie der Witz oder die Komik, sondern auch etwas »Großartiges und Erhebendes, welche Züge an den beiden anderen Arten des Lustgewinns aus intellektueller Tätigkeit nicht gefunden werden.« (Freud 1928/ 1982b: 278) Walter Benjamin, um nur einen weiteren Ansatz zu nennen, spricht in seinen »Thesen über den Begriff der Geschichte« von spirituellen Dingen, die als »Mut, Humor, List, Zuversicht und Unentwegtheit« im Kampf um die rohen und materiellen Dinge gegenwärtig seien (vgl. Benjamin 1974: 694). Hier zeichnet sich vielleicht ein vielversprechender Ansatz für eine Social-Web-Forschung ab. Zur Veranschaulichung könnte YouTube dienen: Dieser Videoblog ermöglicht die Konstituierung über Humor vermittelter Kulturen - nicht zuletzt Gegenkulturen. Von proletarisch-derb bis avantgardistisch und feinsinnig. YouTube ist nicht nur eine Bühne zur Selbstvermarktung, sondern auch Medium einer Gegenöffentlichkeit, die vor allem durch das permanente Hochladen urheberrechtlich geschützten Materials Gegenbewegungen zum herrschenden Private Property Regime dokumentiert und aktualisiert, gerade weil YouTube auf Drängen einiger Medienkonzerne gegen diese Verstöße immer wieder vorgeht. Die Philosophie des Social Webs enthält ein Gegenprogramm. Viele Dienstleistungen sind kostenlos - oft als Anreiz für die Nutzung einer neuen Plattform. Aber die Sharing-Philosophie enthält auch ein rebellisches Moment, dem Property Rights Regime etwas abgeluchst oder entgegengestellt zu haben. Viele Projekte, unter ihnen Wikimedia Commons, profilieren sich aus dieser Bewegung heraus ganz bewusst als Non-Profit-Unternehmungen zur Bereitstellung öffentlicher Güter. Das Social Web wird auch zum Magneten, weil dort gezielt das Erleben von Neuem organisiert wird. Es ist spannend, weil »etwas los ist«. Es kann etwas erlebt werden, das nicht bezahlbar ist, wenn beispielsweise Wikipedianerinnen und Wikipedianer eine Woche lang Abgeordnete des Bundestags fotografieren oder über das 233 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 232 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 233 Social Web Spiele und Veranstaltungen scheinbar aus dem Nichts organisiert werden. Social Bookmarking Tools wie Delicious führen zu außergewöhnlichen Seiten, Partnerschaftsnetzwerke zu neuen Bekanntschaften und in der Wikipedia kann man Autor eines Lexikonartikels werden. Dabei besteht der Reiz in der Beobachtung der Prozesse an sich: Die Seiten ändern sich, man erhält ständig persönliche Nachrichten, man kann anderen Menschen bei der Kommunikation oder bei ihren Aktivitäten zusehen. Es ist der user-generated content, der die jeweiligen Seiten attraktiv macht. Der hohe Grad der Aktualität verleitet dazu, Seiten immer wieder zu besuchen. Andererseits kann und soll man sich im Social Web aktiv beteiligen, soll selbst etwas wagen und ausprobieren. Diese Möglichkeit ist für die Dynamik und den Reiz des Webs wichtig. Technisch wird dies unterstützt über raffinierte, immer wieder neue Anwendungskombinationen. Social-Software-Applikationen funktionieren dabei oft wie regionale Tageszeitungen. Wichtig ist, dass man sich selbst darin wiederfindet, abgebildet ist oder etwas beigetragen hat, was andere wertschätzen oder brauchen. Als »Netizen« (ein Kofferwort für Internet-Citizen) beginnen die Menschen bewusst, Datenspuren zu hinterlassen. Auch wenn diese Spuren verwischt (mit Fantasienutzernamen) werden, können sie aber von der Community immer wieder entschlüsselt bzw. verstanden werden. Es ist der Beweis meiner Anwesenheit und Aktivität. Man schreibt sich sichtbar in die Netzgeschichte ein. Große Attraktivität gewinnt das Social Web als Medium für individuelle und kollektive Lernprozesse. Das Beispiel Wikipedia ist hier besonders einleuchtend: Die Autoren müssen sich intensiv mit dem Thema beschäftigen und kooperieren. Die Leser werden über die Hypertext-Verlinkung ständig auf neue Themen aufmerksam gemacht. Die Communitys in Social Bookmarkingtools wie Stumble- Upon oder in der Blogosphäre zeigen sich gegenseitig die Welt (Abb. 3.7). So wird die Neugierde bedient und Informationsflut gleichzeitig thematisch gefiltert. War es bisher das Problem von Internetbesuchern, dass sie oft nicht wussten, wie sie auf neue Seiten kommen, die sie interessieren, so etablieren die Social-Software-Plattformen völlig neue Einstiegspunkte in das WWW, die gleichzeitig noch den Reiz haben, dass man von Beginn an von anderen Netznutzern individuell oder zumindest im Rahmen einer bestimmten Rolle wahrgenommen werden kann. Die Lernprozesse enden auch nicht, denn tendenziell steigen die Qualitätsanforderungen an den Inhalt, wenn man für seine Beiträge im Social Web Beachtung und Anerkennung bekommen will. Und die Lerninhalte weisen oft eine erhebliche Komplexität auf. Das Social Web hat die Kombination verschiedener Elemente zum Gegenstand und fordert die Kombinationsgabe des Nutzers. Videouploads und Podcasts brauchen ein Konzept, Fertigkeiten bei Schnitt, Aufnahme und Vertonung. Das alles ist für das Individuum herausfordernd, zumal es als Ganzes 234 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 234 gefragt ist. Man wird auf verschiedenen Ebenen angesprochen, emotional, rational-analytisch, als Person mit Erfahrungen und Vorlieben. Mit der Anzahl der aktiv beteiligten Personen und mit ihrer Heterogenität steigt die Komplexität des Problems und damit auch die Dynamik des Prozesses. Die Lerninhalte haben selten mit dem Programm selbst zu tun. Die Funktionsweise ist nicht so wichtig wie die Kompetenzen, die sich in der Auseinandersetzung mit dem Medium aufbauen. Das Medium ist nur Ausgangs- und Zielpunkt der Motivation. Wichtig ist: Die Beteiligten müssen von der Sache auch irgendwie betroffen sein, sie müssen von ihr direkt angesprochen sein. Der Pädagoge Paolo Freire hat auf die Bedeutung der Praxis für das Lernen aufmerksam gemacht: »Menschen wachsen nicht im Schweigen, sondern im Wort, in der Arbeit, in der Aktion-Reflexion.« (Freire 1984: 71) Weil das Social Web das WWW um neue Möglichkeiten für eigenes Forschen und Experimentieren erweitert, schafft es neue Anreize. Außerdem sehen die Nutzer die Ergebnisse ihrer Handlungen sofort, wenn sie Inhalte uploaden oder formatieren. Und das Werk wirkt auf seinen Schöpfer zurück. Man lernt nicht nur passiv, sondern gerade durch die praktische Anwendung. Dabei bleibt der Aktionsraum überschaubar. Trotz der unüberschaubaren Vernetzung liefert die Welt im Social Web durch seine Fragmentierung kleine und überschaubare komplexe Welten, die man konkret beeinflussen kann. Dadurch werden Einstiegshürden gesenkt. Im Social Web kann man sich als schöpferisch handelnden und teilhabenden Menschen erfahren. Mit Blick auf entfremdete gesellschaftliche Verhältnisse wird dies zu einer zentralen Motivation. Der Mensch ist mit Fähigkeiten gefragt, die er anderswo nicht aktivieren oder ausleben kann. Abb. 3.7: Beispiel StumbleUpon: Typisch ist ein täglicher Blick auf Benachrichtigungen und Besucher des eigenen Profils. 235 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 234 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 235 Dokumentation des besonderen Moments. Das Social Web ermöglicht es auch in bislang unbekannter Weise, für das Subjekt besondere Momente mit anderen zu teilen. Hier ist z. B. das »Selfie« zu nennen. Selfies bezeichnen Bilder von sich und Freunden oder von sich selbst an einem besonderen Ort oder bei einem besonderen Ereignis, die über das Social Web publiziert werden. Aber auch die zahllosen Videoaufnahmen von musizierenden Kindern oder von besonderen sportlichen Leistungen zählen zu diesem Phänomen. Für Tweets, Blogbeiträge oder viele geteilte Inhalte gilt dasselbe: Im Social Web werden Ereignisse aus subjektiver Perspektive dokumentiert und für einen Moment festgehalten. Diese Nutzung des Webs hat für die Öffentlichkeit viele Vorteile. Neben privaten Inhalten verbreiten sich auch Aufnahmen von allgemeinem Interesse in Sekundenschnelle. Auch Verbrechen und Übergriffe werden über das Web dokumentiert. Für politische und kulturelle Bewegungen bieten sich hier völlig neue, direkte Vermittlungsmöglichkeiten. Mit dem Social Web kann potenziell jeder überall und von allem Zeuge werden. Die Öffentlichkeit im Social Web ist aber nur zum Teil der Adressat. Das Posten ist immer auch Teil einer Selbstfindung, einer bewussten oder unbewussten Inszenierung und der Aufbau von Reputation und Selbstdarstellung der Teilenden. Konkret soll der besondere Moment des Teilenden und sein Handeln immer mitdokumentiert, inszeniert, mitveröffentlicht und verewigt werden. In der Philosophie, Soziologie und Psychologie werden solche Vorgänge unter dem Begriff »Subjektkonstitution« gefasst. Konsequenterweise erscheinen die meisten Dokumente im Social Web auch nie in einem übergeordneten Kontext, sondern nur im Ordnungssystem »persönliches Profil«: in der persönlichen Chronik, im persönlichen Blog, in der persönlichen Timeline oder in der persönlichen Sammlung, ohne Reflexion, bestenfalls mit einem kurzen Kommentar, einer Meinung oder Stimmung. Kollaborative Sammlungen wie Wikis bilden hier eine der seltenen Ausnahmen, auf die hier leider nicht weiter eingegangen werden kann. Durch das gemeinsame Dokumentieren und Festhalten der eigenen Welt entsteht ein neues, gemeinsames Erfahrungsfeld, ein neues soziales Netz. Es werden Regeln, Stile und Konventionen entwickelt. Kurz: eine Kultur, deren Freiheit aber innerhalb der vorgegebenen Grenzen bleibt. Das Social Web schafft hier den Rahmen für eine neuartige »Selfie-Kultur«. Bei Selfies ist die Welt im Hintergrund und die Menschen daneben die nötige Kulisse, um ein subjektives Bild der Lebens- und Arbeitswelt des Fotografen zu zeichnen. Die Selfie-Kultur birgt viele utopische Momente, denn häufig wird gezeigt, dass man jenseits des Alltags genießt, über die Stränge schlägt, ausbricht, bewältigt. Es geht um das Zeigen, was man durchgestanden hat und vor allem, dass man einen einzigartigen Moment erlebt hat. Einzigartige Momente sind dann nicht selten 236 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 236 extreme, unkonventionelle und gefährliche Erlebnisse. So müssen amerikanische Nationalparks mittlerweile Besucher warnen, sich nicht neben freilebende Bären zu stellen, um sich mit ihnen abzulichten. Da aber das Social Web in bislang ungekannter Form Dokumentation mit kurzlebiger Kommunikation kombiniert, ist der Aufbau von Reputation über Selfies, Blogbeiträge oder Diskussionen permanent gefährdet. Die geposteten Inhalte sind meist nur kurzzeitig sichtbar und stehen in einem ständigen Wettbewerb um Aufmerksamkeit mit anderen Inhalten. Von daher nötigt das Social Web diejenigen, die darüber ihre Selbstdarstellung und ihr Netzwerk organisieren wollen, sich der Community oder dem Freundeskreis möglichst kontinuierlich mitzuteilen. Es geht im Zeitalter des Webs weniger um »Fünf Minuten Prominenz«, als vielmehr um die permanente Präsenz. Nicht ein Selfie, sondern viele Selfies, nicht ein geteilter Artikel oder ein Video, sondern nur viele erreichen die beabsichtigte Wirkung. Man könnte zugespitzt sagen, präsent ist weniger derjenige, der etwas Dauerhaftes schafft, sondern derjenige, von dem es heute wieder einen Beitrag gibt und sei es, wie bei den Bären im Nationalpark, der letzte. Dieser zumindest kurzzeitige dokumentarische Wert des Social Webs für den Einzelnen ist als Triebfeder nicht zu unterschätzen. Das Bewusstsein über den subjektiven Aspekt der im Social Web geposteten Inhalte ist für die Empfänger zunehmend wichtig, um diese einschätzen und einordnen zu können. Die psychologischen Wirkungen, die diese persönlichen Sammlungen auf Sammler und Rezipienten selbst haben, sind zwar bislang noch weitgehend unerforscht, aber von großer Bedeutung. Es deutet sich aber an, dass das Social Web die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstrategien der Nutzer systematisch umorganisiert. Gerade die Kombination von mobilen Geräten und Social Web beeinflusst die psychische Konstitution der Nutzer. Wird jeder Moment im Urlaub fotografiert und möglicherweise geteilt, so kann beispielsweise die Psychologin Linda Henkel von der Fairfield University in Connecticut (USA) in einer Studie 2013 zeigen 60 , erinnern sich fotografierende Museumsbesucher später schlechter an die ausgestellten Kunstwerke: Sie nehmen weniger Details wahr. Völlig aus dem Blickwinkel der Forschung und öffentlichen Debatte um das Social Web geraten aber die sozialen Bedingungen, die dieses Verhalten, sich und das Umfeld permanent dokumentieren zu wollen, provozieren. Die Dokumentation des Selbst und seiner Umwelt ist an sich kein neues Phänomen. Die massenhafte Erscheinung des Phänomens lässt sich aber nicht allein auf technische Möglichkeiten zurückführen, sondern verweist auf Handlungsmuster, die auf die soziokulturelle Lage der Gegenwart besonders gut antworten. So passt der Fokus auf das Individuum sehr gut in eine vom Neoliberalismus geprägte Welt. Das Dokumentieren im Social Web ist auch eine Form der »In-Wert-Setzung«. In Wert 237 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 236 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 237 gesetzt wird der einzelne, er erhält durch die von ihm gewählte Rahmung eine gewünschte Bedeutung. Besonders wichtig ist dabei, dass diese Handlung als möglichst freies, unkonventionelles Handeln dargestellt wird. Betont wird Selbstorganisation, Souveränität, nicht zuletzt Arbeitszeitsouveränität. Man zeigt, dass man sich Ziele setzt und diese auch erreicht. Die Mittelschicht zeigt z. B., dass ihre »Work-Life-Balance« stimmt und dass sie noch genug Spaß im Leben hat, oder dass sie etwas Wichtiges macht. Zwischen Ausbeutung und Selbstentfaltung. Im Ringen mit sich und ihrem soziokulturellen Umfeld bewegen sich die Individuen im Social Web nur selten auf neutralem Boden. Wikipedia ist eine der wenigen großen Non-Profit-Einrichtungen des Social Webs. Vor allem die populären und zentralen Plattformen stehen unter der Kontrolle multinationaler Webkonzerne und ihren Investoren, die erheblichen Einfluss auf die Entwicklungsrichtung des Social Webs nehmen. Von diesen werden keine emanzipatorischen Ziele verfolgt oder unterstützt. Die Tools werden in erster Linie entlang von Geschäftsinteressen entwickelt, um Nutzer zu halten und Einnahmen zu generieren. Die Freiheit der Nutzer in diesen Systemen richtet sich danach, inwieweit diese für den Betrieb nötig sind und von den Nutzern eingefordert werden. Die großen Konzerne bedienen sich der kulturellen Codes der Communitys. Sie knüpfen ästhetisch an die Popularkultur an. Auch die Softwareentwicklung verläuft entlang der Wünsche und Bedürfnisse des Publikums und der Nutzer. »It’s a trade-off-corporations get rich while users enjoy the pleasure of creation and sociality, gain friendships, share their life experiences, archive their memories, get jobs, find dates and contribute to the greater good.« (Trebor Scholz 2007) 59 . So werden die Menschen gleichzeitig benutzt und befähigt. Nun werden solche Beobachtungen oft als Beleg genommen, dass über das Social Web die Individuen lediglich manipuliert und ausgebeutet würden. Selbstverständlich versuchen Akteure aus Wirtschaft und Politik über die neuen Kommunikationsmittel Einfluss zu nehmen, sei es durch repressive Maßnahmen oder indem man das Web für simple Meinungsmache einsetzt. Der Vereinnahmung sind jedoch Grenzen gesetzt. Das Terrain im Social Web ist nie neutral, sondern wird von den Nutzern mitbestimmt. So entfesseln die Versuche der Einflussnahme durch Politik und Wirtschaft ständig neue Energien und provozieren Gegenstrategien. Zur kritischen Bewertung des Social Webs gehört aber auch die Erkenntnis, dass über das Social Web durchaus vermittelt wird, welche Erwartungen an den Einzelnen im globalen High-Tech-Kapitalismus gestellt werden: vor allem maximale Selbstmobilisierung, Eigeninitiative und Unternehmertum der eigenen Arbeitskraft, Eigenverantwortung für Verwertbarkeit, die sich an Gesundheit, Fitness und Bildung festmacht, deren Kosten und Risiken aber privatisiert werden. Die 238 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 238 schöpferischen Fähigkeiten des Menschen werden in Dienst genommen. Nicht nur in der analogen Welt, sondern auch in und mit dem Social Web verschwimmen die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Leben. Arbeit und Freizeit gehen nahtlos ineinander über. Ein Leistungsethos wird internalisiert (»immer online, immer präsent«). Diese Vermittlung geschieht im Social Web aber nicht von oben nach unten, sondern wird vor allem zwischen den Nutzern organisiert. Wie ist damit umzugehen? Das bleibt zu klären. Zumindest haben wir einen Ausgangspunkt gewonnen: Das Social Web stabilisiert die aktuellen Verhältnisse, kann aber auch gleichzeitig helfen, sie zu überwinden. Und genau das macht es attraktiv. 3.2.2 Die Gesellschaft im Ringen mit den neuen Medien und mit sich selbst Das Social Web ist »social«, weil in ihm die Menschen als dialektisch soziale und individuelle Wesen aktiv sind. Aber auch weil sie kollektiv agieren. Communities, Organisationen, staatliche und wirtschaftliche Akteure treffen unmittelbar aufeinander. Es ist ein bislang einzigartiger Ort, an der Gesellschaften sich selbst denken und artikulieren. Es ist ein permanent umkämpfter Raum, in dem Einfluss ständig genommen wird und der auf die kollektiven Akteure zurückwirkt. Politik. Die sozialen Medien krempeln die politische Landschaft um. Ob im Arabischen Frühling, im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf: Twitter, Facebook und Blogs dienen als zentrale Mobilisierungs- und Kommunikationsmedien politischer Bewegungen. Doch auch in »Ruhephasen« wird das Web zum zentralen Ort demokratischer Beteiligung und Kontrolle. Schon früh wurden Blogs in der öffentlichen Wahrnehmung mit einer politischen Dimension in Verbindung gebracht. Sie gelten als unabhängige Form der Berichterstattung, die, ohne von marktpolitischen Interessen geprägt zu sein und weitgehend unzensiert, von den großen Geschehnissen unserer Zeit berichten. Durch die starke Vernetzung werden dabei besonders glaubwürdige Blogs in den Fokus gerückt und erhalten eine enorme Aufmerksamkeit. Beiträge aus diesen werden wiederum in den Massenmedien aufgegriffen und dadurch in ihrer Wirkung potenziert. Mehrfach wurden Skandale von Bloggern und Podcastern aufgedeckt. Die politische Öffentlichkeit wird in Blogs greifbar. Je mehr Blogs sich eines Themas annehmen und darüber berichten, desto größer wird ihre meinungsbildende Funktion. Nachdem sich in der Blogosphäre stark aufeinander bezogen wird, entwickelt sich eine nachvollziehbare öffentliche Debatte. 239 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 238 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 239 Auch auf Social-Sharing-Plattformen veröffentlichtes Material wurde schon so manchem Politiker zum Verhängnis. So musste beispielsweise US-Senator George Allen seinen Hut nehmen, weil ihn ein Hobbyfilmer dabei aufgenommen hatte, wie er in einer vermeintlich unbeobachteten Pause bei einem Wahlkampfevent einen Schwarzen als »macaca« (Affe) ansprach. Dies ist nur ein Beispiel unter unzählig vielen, in der das Social Web als freier Kommunikations- und Dokumentationsraum demokratische Kontrolle und Mobilisierung ermöglicht. Ein sehr markantes Beispiel für die Kontrollfunktion ist WikiLeaks, eine Plattform, auf der anonym Dokumente (z. B. geheime Berichte) veröffentlicht werden können, die für die demokratische Meinungsbildung von Bedeutung sind. Ein immer wieder zitiertes Beispiel für die Mobilisierungsfunktion sind die Studentenproteste 2009, die von der Akademie der Bildenden Künste in Wien ausgehend innerhalb von einem Monat 98 europäische Hochschulen erfassten. Ihr Medium war der Webservice Ustream, über den u. a. Videos aus den Hörsälen übertragen und kommentiert werden konnten. Vor allem Blogs und Video-Podcasts werden auch von Berufspolitikern und politischen Organisationen als Medium genutzt, um die eigenen Thesen unters Volk zu bringen. Dies ist gerade im Wahlkampf der Fall, Vorreiter war hier Howard Dean bei den Präsidentschaftswahlen 2002 (vgl. Schmidt 2006a). Ein erster bekannter Podcast im deutschsprachigen Bereich war der von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Einmal die Woche wandte sie sich mit einer Videobotschaft an die Netzöffentlichkeit. Publikationen dieser Art dienen zwar der Verbreitung der eigenen Thesen und Vorschläge eines Politikers, die öffentliche Debatte bestimmen aber noch immer die klassischen Massenmedien, vor allem das Fernsehen. So konnte man beobachten, dass in der Griechenlandkrise 2015 die politischen Diskussionen im Social Web geführt wurden, die Mehrheitsmeinung in Deutschland aber noch über das Fernsehen organisiert wurde. Die Rollen der Medien werden zwar neu verteilt, dieser Umorganisationsprozess ist aber noch nicht an seinem Ende. Auch mit den Möglichkeiten, Formen und Funktionen wird nach wie vor experimentiert. So bemängelte beispielsweise Leggewie (2006) 61 , dass Blogs »eine eher monologische Form des Ausdrucks [sind]. So entsteht in den Blogs meist kein ›Thread‹, es erfolgt dort in der Regel keine Erarbeitung und Weiterentwicklung von Themen und Inhalten. […] Bei Wikis gibt es per se diesen dialogischen Akzent. Und Gemeinschaftsbildung ist hier nicht bloße Rhetorik.« 240 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 240 Wikis - und andere Lösungen zur Unterstützung kollaborativer Texterstellung wie beispielsweise die Software LiquidFeedback - dienen durch ihren Ansatz einer gemeinsamen Meinungsbildung und der Erarbeitung von Vorschlägen in anderer Weise als Blogs. Während Blogs in der Politik eher informieren und berichten, beziehungsweise Gedankenzusammenhänge darstellen, zielen Wikis eher auf Konsens und Kompromisslösungen oder auf eine neutralere Darstellung von Inhalten, die nicht nur einen kurzzeitigen Nachrichtenwert haben. Wikis sollen erarbeitetes Wissen längerfristig festhalten: 1. Öffentliche Dokumentationen von Pressure Groups. Hier finden sich Leute zusammen, um für ein ganz bestimmtes Ziel zu kämpfen. Das Thema wird - meistens von einer Gruppierung - vorgegeben. Im Netz werden dann Personen gesucht, die in diesem Bereich dasselbe Anliegen haben. Pressure Groups haben häufig das Ziel, eine Problematik erst bekannt zu machen. Dieses Verfahren wird im Wiki Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) eingesetzt. Hier kann man auch Plattformen wie die Lobbypedia einordnen, die Zusammenhänge von Lobbyismus und Politik transparent macht. 2. Befragung von Betroffenen. Politische Gruppierungen müssen häufig zu Themen Stellung beziehen, in denen sie keine explizite Expertise besitzen. Hier kann es hilfreich sein, die Öffentlichkeit in die Diskussion mit einzubeziehen. Die Partei »Bündnis ‹90/ Die Grünen« hatte etwa zur Bundestagswahl 2005 ein Wiki eingesetzt, um die Internet-Community an der Gestaltung des Teils »Digitale Gesellschaft« ihres Wahlprogramms zu beteiligen (vgl. Westermayer 2007) 62 . Diese Methode ist auch eine Möglichkeit, mit denjenigen Bürgern, die von einer bestimmten Entscheidung betroffen sind, direkt in Kontakt zu treten. So wurde beispielsweise in Regensburg 2013 der Kulturentwicklungsplan mit Hilfe eines Wikis weiterentwickelt. 3. Programmatisches Texten und interne Positionsbestimmung. Wikis eignen sich gut für die Entwicklung von Texten, die für die Veröffentlichung vorgesehen sind. Der Text wird ausschließlich in der Gruppe erstellt. Da programmatische Texte meistens einen konkreten Zweck in der Öffentlichkeit verfolgen, ist die zeitliche Begrenzung der Texterstellung von großer Bedeutung. Sie übt zudem einen gewissen Druck zur Einigung aus. Ein sehr frühes Beispiel für solch eine Vorgehensweise war im Jahr 2006 die Programmdiskussion »Digitale Demokratie« in wiki.LIBERAL. Erfolgreiche Modelle für die politische Arbeit mit Wikis finden sich bisher vornehmlich im Bereich von überschaubaren Gruppen. Zwar hat die große Politik einige Gehversuche in Richtung kollaborative Erstellung von Programmen gestartet, diese spielen jedoch keine entscheidende Rolle. Dennoch ist der Ansatz viel- 241 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 240 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 241 versprechend, wenn man eine offene und mehr oder minder gleichberechtigte Diskussion als Ziel verfolgt. Der Fokus der Debatte um die politischen Chancen und Risiken des Social Webs richtet sich seit ein paar Jahren auch immer wieder auf die Social Networks und Dienste wie Twitter oder YouTube. Die Möglichkeiten, über diese Plattformen Menschen schnell zu agitieren, zu mobilisieren und zu koordinieren, zeigten sich unter anderem 2009 bei den Protesten im Umfeld der iranischen Wahlen, aber auch im Zuge des Arabischen Frühlings 2011. Die Protestbewegungen nutzen diese Medien, um sich schnell und unabhängig zu informieren. Da die Dienste personalisiert sind, sind sie nicht so einfach manipulierbar, bergen aber auch große Gefahren, dass Polizei und Geheimdienste die Nutzer schneller identifizieren können. Die Geschwindigkeit der Kommunikation lenkt oft davon ab, dass diese Medien auch langfristige politische Bildungs- und Sozialisationseffekte haben. Positiv gesehen bleibt man über diese Medien so einfach wie noch nie mit dem aktuellen Geschehen und politischen Netzwerken verbunden und kann die Beiträge ganz einfach gezielt weitergeben und diskutieren. Betrachtet man die negativen Prozesse, sieht man immer wieder, wie sich Diskussionskreise (Followergruppen) ständig voneinander abgrenzen, isolieren und zu keiner produktiven Diskussion finden. Völlig unfruchtbar sind dann ständige Bekräftigungen von Positionen, nicht selten beleidigende Meinungs- und Gefühlsäußerungen und Bekenntnisse, die keine wirklichen Dialog- und Lernprozesse freisetzen. Dagegen bilden sich wieder neue Netzwerke, die diese destruktiven Kommunikationsformen nicht mehr akzeptieren. Und so bleibt das Social Web durch seine Offenheit und flachen Hierarchien mit der Erwartung der Schaffung eines demokratischen, partizipativen Mediums verbunden. Die ideale Sprechsituation, die Habermas (1981) beschreibt, also ein offener öffentlicher Diskussionsraum, an dem alle gleichberechtigt teilnehmen können, scheint mit dem Social Web näher gerückt. Auch wenn durch die konkreten Erfahrungen mit den sozialen Medien viele Aktivisten wie Evgeny Morozov (The Net Delusion, 2011) oder Jaron Lanier (Digital Maoism, 2006) skeptischer geworden sind. Weiterentwickelt werden auch die Vorstellungen der »Cyber-Utopisten«, die in der hierarchiearmen Grundstruktur des Social Webs ein Modell für die Organisation der Gesellschaft überhaupt sehen. Die Politisierung über das Web macht auch das Medium selbst zum Gegenstand der Politik. Netzpolitik interessierte in den 1980er- und 1990er-Jahren nur wenige Spezialisten. Die Hackerkultur thematisierte vorausschauend den Zusammenhang von Internet, Informationsfreiheit und Datenschutz. Im deutschsprachigen Raum sind hier unter anderem die Netzaktivisten padeluun und Rena Tangens bekannt geworden - nicht zuletzt durch die jährliche Verleihung des Big Brother Awards. 242 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 242 Über die Bloggerszene entwickelt sich seit 2002 ein breiterer netzpolitischer Diskussionszusammenhang. So sind etwa Markus Beckedahl (netzpolitik.org) oder der Journalist Mario Sixtus prominente Vertreter einer gesellschaftlichen Strömung, in der über alternative und demokratische Steuerungsmodelle im Web 2.0 nachgedacht wird. Mit dem kurzfristigen Auftreten der Piratenpartei 2006 wurde schließlich erkennbar, dass der freie Zugang zu Informationen über das Web auch politische Bewegungen initiieren kann. Und im Jahr 2009 demonstrierten in Berlin über 25.000 Menschen gegen die mit dem Grundgesetz unvereinbaren Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Die Mobilisierung für das Thema Internet erklärt sich unter anderem damit, dass es sich hier um einen Kulturraum handelt, der alle Schichten der Gesellschaft betrifft, weil sie täglich im Web arbeiten und kommunizieren. Mit der wachsenden IT-Industrie entstehen auch neue Klassenfraktionen, die streckenweise politisch an den Entwicklungen des Webs Anteil nehmen wollen. Zu diesen Zusammenhängen liegen bislang aber keine brauchbaren wissenschaftlichen Studien vor. Ebenso wenig über den kulturellen Wertekampf im Web und seine Rückbindung an die jeweiligen sozialen Milieus, Schichten und Klassen. Die anhaltende Politisierung über das Web zieht auch eine tiefgreifende Änderung in der Organisation von Staaten, Parteien, Verbänden oder Gewerkschaften nach sich. Der 2015 verstorbene Psychologe und Netz-Analytiker Peter Kruse machte auf der Blogger-Konferenz re: publica 2010 deutlich, dass die Veränderungen in Politik und Wirtschaft durch das Internet systembedingt seien und nur noch durch Abschaltung des gesamten Netzwerks zu stoppen sind. Schließlich habe sich mit dem Internet ein System mit hoher Eigendynamik etabliert. Diese erklärt Kruse mit den drei zentralen Faktoren zur Wirkungssteigerung in Netzwerken: • Zahl der Netzknoten und deren Verbindungen (hohe Koppelungsdichte), • Grad der Spontanaktivitäten der Knoten im Netz (starkes Grundrauschen), • Vorhandensein länger kreisender Erregungen (dynamische Engramme). Das Internet und speziell das Social Web übergeben die Gestaltung dieser Faktoren den Nutzern. Man erhält im Ergebnis ein Netzwerk, das sich mächtig entfaltet und in dem die Selbstaufschaukelung über Resonanz ein Basisprinzip darstellt. Das habe zur Konsequenz, so Kruse, dass Social Software und Web 2.0 ein Angriff auf die etablierten Regeln der Macht darstellen und diese ein grundlegendes Umdenken der Gesellschaft erzwingen. Es sei nur noch ganz schwer, über diese Medien mit ihrem schnellen Agenda Setting Kontrolle auszuüben. Und so ergäbe sich eine Verschiebung der Machtverhältnisse hin vom Anbieter zum Nachfrager. 243 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 242 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 243 Die eigentliche Veränderung, so Kruse, passiere gerade erst. Er konstatierte eine Erhöhung des Selbstbewusstseins der Gesellschaft und eine Repolitisierung jenseits der Parteien und Strukturen. Während Kruse und andere die Politik aufforderten, sich der neuen politischen Kultur zu stellen und die Demokratie zu erneuern, ist die Strategie vieler politischer Eliten und Verantwortungsträger, das Medium zu manipulieren oder die Koordination politischer und sozialer Bewegungen über das Web zu unterbinden. So schaltete beispielsweise die türkische Regierung 2014 Twitter und YouTube ab, um die demokratisch-liberale Oppositionsbewegung zu bremsen. In den bürgerlichen Demokratien verfolgen staatliche Einrichtungen subtilere, manipulativere Strategien, wie u. a. Eugen Morozov in The Net Delusion zeigte. Eine historische Zäsur für die Organisation von Demokratie im Web und des Webs selbst bedeutete die NSA-Affäre von 2013. Die Veröffentlichungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden enthüllten globale Überwachungs- und Spionageaktivitäten westlicher Geheimdienste in einem Ausmaß, das selbst die pessimistischsten Erwartungen übertraf. Damit wurde die politische Auseinandersetzung um den Schutz von Bürgerrechten im Internet auf eine völlig neue Stufe gehoben. Von der Überwachung betroffen ist nicht zuletzt auch das Social Web, das massenweise personen- und gruppenbezogene auswertbare Metadaten liefert, die mit anderen Datenquellen (Bankinformationen, Versicherungen, GPS-Lokalisierungen, Chats und Telefongesprächen) abgeglichen und zusammengeführt werden. Die NSA-Affäre machte für alle erkennbar, dass nicht nur autoritäre Regime das Internet nutzen, um politische Gegner zu überwachen und auszuschalten, sondern auch die sogenannten westlichen Demokratien. Dies hatte unvermeidlich negative Rückwirkungen auf die Nutzung des Webs und das Vertrauen in die Webdienste. Vor allem aber trägt dieser massive Angriff auf die Bürgerrechte zu einem Misstrauen gegenüber den staatlichen und politischen Einrichtungen bei, gegen die wiederum im Web mobilisiert wird. Wirtschaft. Spektakuläre Übernahmen, neue Geschäftsmodelle und Strategien wie die neuesten Aufkäufe von Facebook, die von Google initiierte Kooperation »OpenSocial« oder der anhaltende Erfolg des Appstores von Apple befeuern nach wie vor die Debatten über das Social Web und seine ökonomischen Möglichkeiten. Bei näherer Betrachtung unterscheidet sich die Haltung von Wirtschaftsunternehmen zum Social Web sehr stark von ihrer Stellung, ihrer Branche und Geschichte. • Große Medienkonzerne und die neuen Giganten der Webwelt liefern sich einen spektakulären Kampf um Monopolstellungen im Internet, um Werbemärkte, Verkaufsplattformen und Infrastrukturen. 244 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 244 • Für kleinere und mittlere Unternehmen ist das Social Web zunächst zentral, um auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen und überhaupt auf den Markt zu kommen. Hier hat sich unter dem Begriff Social Media ein neues Betätigungsfeld für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit eröffnet, um Interessenten und Kunden direkt zu erreichen. • Ein besonderes wirtschaftliches Konfliktfeld eröffnet sich für die klassischen Massenmedien und hier nicht zuletzt für die Printmedien, die von einem großen Angebot an kostenlosen und freien Informationsdiensten, Videoportalen oder Blogs wirtschaftlich bedrängt werden, während auch die neuen Anbieter von Inhalten im Web nach tragfähigen Finanzierungsmodellen suchen. Die letztlich unterschiedlichen Interessen und Geschäftsmodelle der wirtschaftlichen Akteure wirken sich auf die Entwicklung des Webs höchst widersprüchlich aus. So gibt es je nach Interessenlage entweder Verfechter eines möglichst frei zugänglichen Webs mit freien Inhalten (z. B. Google) oder Verfechter eines Webs mit ähnlichen Kontrollmechanismen und Verfahren des Eigentumsschutzes wie in der analogen Welt (z. B. die Musikwirtschaft). Jenseits des öffentlichen Webs beeinflusst das Social Web vor allem die interne Unternehmensorganisation. Bewährte Konzepte zur Benutzerführung werden schrittweise für Unternehmenssoftware übernommen, aber auch die Social-Web- Anwendungen selbst, Wikis, Blogs, Social Networks und Sharing haben ihren Weg in die Betriebe gefunden. Sie werden Teil der betrieblichen Kommunikation nach außen und innen und sind damit Themen für das Management. Vereinfacht könnte man sagen, dass alle Unternehmen über Social Web-Anwendungen versuchen Akteure und Gruppen zu integrieren, die für sie bislang nicht oder nur schwer erreichbar waren. Das verdeutlichen zwei praktische Anwendungsbereiche: Vertrieb, Marketing und PR. Unternehmen möchten für ihre potenziellen Kunden immer präsent sein. Über das Social Web erschließen sie sich Vertriebswege und Marketingmöglichkeiten. Ihr Fokus liegt in der gezielten PR-Arbeit in Foren, Blogs und Social Networks. Über Blogs, Tweets und Podcasts wird gezielt der Kontakt zu Kunden und Fans gesucht. Über die neuen Tools soll der Kunde den Eindruck gewinnen, dass dieses Unternehmen authentisch und kommunikationsbereit ist. Die Bedeutung für den Unternehmenserfolg ist so groß, dass Social Media- und Onlinemarketing heute zum festen Angebot einer jeden Marketingagentur gehören. Wobei die sozialen Medien oft eine offenere, diskussionsfreudigere Kommunikationsform fordern, als man das von klassischen Medien her gewohnt ist. Das bereitet Unternehmen immer wieder Schwierigkeiten. Doch hier zeichnet sich ein langsamer Wandel im Umgang mit Nutzern des Social Webs ab. Die Unterneh- 245 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 244 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 245 men müssen auf einen neuerlichen Strukturwandel der Öffentlichkeit reagieren: Der zunehmenden Bedeutung von Foren, Blogs, Wikis, Social Networks und Sharing-Plattformen für die Bewertung von Firmen und Produkten ist Rechnung zu tragen. Über das Web wird aber nicht nur der Kunde, sondern auch der Kritiker kontaktiert. Denn wichtig ist nicht nur, was Kunden über das Unternehmen und seine Produkte sagen (»Social Commerce«), sondern auch die Meinung derjenigen ist interessant, die sich für andere Produkte und Dienstleistungen entscheiden. Über ein spezielles Monitoring und »Issue Management« werden Hinweise über Produkte im Social Web gesucht, analysiert und bearbeitet, um frühzeitig auf Trends in der Meinungsbildung reagieren zu können. Die Kommunikation im Web wird wichtig für die Aufnahme von Ideen und Verbesserungsvorschlägen und für die langfristige Bindung von Fans und Kunden. Der kritische Kunde ist daher nicht mehr störend, sondern soll aktiv zur Verbesserung des Produkts beitragen. Auch scharfe Kritik kann über die neuen Kommunikationsplattformen besser aufgefangen und bearbeitet werden. Zudem lässt sich die Dokumentation von Produkten über offene Systeme oft besser organisieren (Handbücher für Software auf der Basis von Wikis usw.). Die Kommunikation zwischen Kunden und Anbietern erhält so eine neue Basis. Das berühmte Cluetrain Manifesto subsummiert dies in dem Satz: »Markets are conversations«. (Levine et al. 1999) 63 . Werden Kunden über das Web in die Bewerbung des Produkts und in die Strategieentwicklung eingebunden, verändert sich das Machtverhältnis zwischen Anbietern und Kunden: Für eine möglichst erfolgreiche Social Web-Strategie sind die Unternehmen gezwungen, mit ihren Kunden und ihren Fans ernsthafte Dialoge im Web zu organisieren, weil die Unternehmen ihre Webreputation nur über Empfehlungen und Unterstützung von Nutzern erreichen, wenn sich diese auch ernst genommen fühlen. Interne Kommunikation. In der betriebsinternen Öffentlichkeit haben Social- Web-Anwendungen ihren Platz als Dokumentationstools oder Nachrichtenportale gefunden. Social Software unterstützt die zentrale Kommunikation zwischen verteilten Unternehmenseinheiten. Unternehmenswissen wird in Wikis gesammelt und verteilt. Wikis sind Grundlage für Betriebs- und Qualitätshandbücher, unterstützen die Dokumentation und das Wissensmanagement. Blogs unterstützen die Projektarbeit und verteilen Wissens einfacher und zielgenauer als klassische Rundmails oder Betriebszeitschriften. Social Networks bieten Arbeitsräume für Teams, in denen sie Detailfragen besprechen und Dokumente teilen können. Besondere Aufmerksamkeit bekommen immer wieder CEO-Blogs. Hier brachte es vor allem der Blog des ehemaligen Siemens-Vorstandsvorsitzenden Klaus 246 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 246 Kleinfeld bis in die Schlagzeilen großer Zeitungen. Als Kleinfeld 2006 die Erhöhung der Vorstandsbezüge um durchschnittlich 30 Prozent ankündigte, revoltierten viele Mitarbeiter, die gerade starke Sparmaßnahmen und betriebsinterne Umstrukturierungen über sich ergehen lassen mussten. Sie brachten Seitenweise ihre Kritik in Kleinfelds Blog vor. Der Inhalt der Kommentare kursierte im Internet. Die Kommunikation zwischen Leitungsebene und Belegschaft, zwischen verschiedenen Abteilungen und Standorten kann, das zeigt das Beispiel, durch die flachen Hierarchien des Social Webs erheblich verkürzt werden. Für die operative Arbeit sind sie ausgesprochen hilfreiche Werkzeuge, die auch auf Akzeptanz bei der Belegschaft stoßen. Das Beispiel Kleinfeld zeigt auch, dass Social-Web-Applikationen besonders in »Krisen«-Zeiten, bei schnellen Umbrüchen und großem Kommunikationsaufkommen ihre Stärke ausspielen können. Dies kann für ein Unternehmen ausgesprochen produktiv sein, sofern die Personen in Leitungsfunktionen mit einem offenen System arbeiten können. Innerhalb der Unternehmen sind Social-Web-Anwendungen wichtig für die Produktivitätssteigerung, Qualitätssicherung und Integration verschiedener Unternehmenseinheiten. Das zentrale Ziel ist, die interne Kommunikation und die Selbstorganisation zu fördern, indem das Wissen des Unternehmens transparent und schnell zugänglich gemacht wird. Über Intranet-Anwendungen wird vor allem implizites Wissen sichtbar. Es lassen sich Projekte vorbereiten und koordinieren und bisherige Erfahrungen zusammentragen. Gleichzeitig ist der Einsatz von Social Web-Anwendungen auch ein Versuch, die zunehmende Informationsflut in Unternehmen wie im Web in den Griff zu bekommen. Die Unternehmen hoffen am Ende ihre Organisationskosten zu senken. Sie versuchen aber auch teilweise verkrustete Unternehmensstrukturen aufzubrechen, um auf kleinere und schneller agierende Konkurrenten reagieren zu können. Aber vor allem in großen Betrieben werden den Beschäftigten oft nur die Freiheitsrechte zugestanden, die der Verwirklichung des Unternehmensziels dienen. In kleineren Unternehmen und Startups findet man oft einen wesentlich hemdsärmeligeren Umgang mit sozialen Medien. Das hat mit den gewachsenen Strukturen und dem Umfeld des Unternehmens zu tun. Angesichts der Abhängigkeit von den sensiblen Aktienmärkten sind börsennotierte Unternehmen darauf bedacht, dass intern keine Kritik formuliert wird, die einen Analysten außerhalb erreichen könnte. Auch die Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes und des Standings der eigenen Abteilung führt angesichts der starken Konkurrenz um Budgets dazu, dass eine völlig offene Kommunikation blockiert ist. Das Offenlegen eigener Irrtümer und Fehlentwicklungen, um daraus zu lernen, wird oft noch immer »bestraft«. Und so ist das Beispiel des Blogs »Mini-Microsoft« nicht untypisch: Hier unterhielt ein Mitarbeiter der Software-Firma Microsoft bis 2014 einen beliebten Blog, der den 247 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 246 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 247 Betrieb kritisierte und gleichzeitig Verbesserungsvorschläge machte. Der Autor ist bis heute unbekannt und muss das wohl auch bleiben. Umgekehrt sieht man in Führungsetagen auch die Chancen offener Systeme, dass sich Mitarbeiter durch die aktive Mitarbeit in der internen Kommunikationswelt besser mit dem Unternehmen identifizieren können und das Unternehmen in jederlei Hinsicht besser verstehen. Für die Anwerbung und die Bindung von Mitarbeitern werden interne Social-Web-Anwendungen zunehmend bedeutsam. Denn nicht nur technische Branchen sehen sich mit einer neuen Generation von Mitarbeitern konfrontiert, die Social Web-Technologien und ihre Kommunikationsformen als Standard voraussetzen. Die hier anstehenden Veränderungen werden seitens des Managements unter dem Schlagwort »Digital Workplace« diskutiert. Social-Web-Projekte treffen also in der Sphäre der Wirtschaft auf sehr widersprüchliche Rahmenbedingungen. Der Widerspruch besteht zwischen offenem Kommunikationssystem und autoritär-hierarchischer Betriebsverfassung. Die dort aufeinandertreffenden, sehr unterschiedlichen Ordnungs- und Organisationsprinzipien hängen mit der unterschiedlichen sozialen Lage der Beteiligten zusammen (vgl. Heigl 2010) 64 . Dieser Widerspruch wird sich nie ganz auflösen. Nur eine Ausweitung des demokratischen Ordnungsprinzips auf das Businessumfeld würde das Konfliktpotenzial reduzieren. Bis dahin werden in der Sphäre der Wirtschaft vor allem die Nutzung der arbeitspraktischen Eigenschaften des Social Webs im Vordergrund stehen und seine kritisch-dialogischen Potenziale eingeschränkt beleiben. Bildung. Für das Bildungssystem und vor allem für die Schulen ist das Social Web längst zur großen Herausforderung geworden. Wie aktuelle Studien zeigen (z. B. DIVISI U-25 Studie 2014 65 ), ist Social Software Teil des Lebens- und Arbeitsalltags von Schülern, 98 Prozent der 14bis 24-Jährigen nutzten 2014 das Internet, während sich in der Gesamtbevölkerung noch 19 Prozent Offliner fanden (vgl. hierzu und zum Folgenden ebd.). Dabei wird kaum noch zwischen On- und Offline-Zeiten getrennt. Über das Smartphone ist man ständig verfügbar und kann ununterbrochen auf diverse Kommunikationsmöglichkeiten zugreifen. Ein Leben »ohne« ist für die meisten Jugendlichen nicht mehr vorstellbar. Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Dauer-Kommunikation mit Freunden die wichtigste Facette der Internet-Nutzung geworden. Dabei nutzen die Jugendlichen das Internet sehr unterschiedlich. Bildungsunterschiede spielen hier eine große Rolle. Die Art und Weise, wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Medien nutzen, unterscheidet sich deutlich entlang ihres formalen Bildungsniveaus. Schüleraufsätze, die komplett aus der Wikipedia kopiert werden (vgl. Weber 2007) und die Ablenkung der Aufmerksamkeit von Schülern durch die Messenger- 248 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 248 dienste wie WhatsApp rufen Erzieher wie Eltern auf den Plan. Der progressivere Teil versucht die neuen Dienste produktiv zu nutzen. Und mittlerweile regen viele Lehrpläne die Nutzung von Wikis, Blogs, Social Bookmarking usw. als E-Learning-Plattformen an, um zum einen den Lernenden einen medienkritischen Umgang mit dem Web 2.0 zu vermitteln und zum anderen die Potenziale, die diese Software zur Unterstützung eines konstruktivistischen Lernprozesses in sich bergen soll, zu nutzen. Lediglich im tertiären Bildungsbereich (Hochschulen und Erwachsenenbildung) ist die Integration von Social-Web-Anwendungen noch unterentwickelt, wenngleich sich bereits die ersten Scientific-Blogs und -Wikis durchgesetzt haben. Wichtige erste Impulse kamen wie so oft aus Österreich und der Schweiz, in denen schon seit 2008/ 2009 verstärkt Unterrichtsmaterial erarbeitet wird. Hier ist lediglich eine kleine Auswahl von Szenarien, die sich im Schulalltag bewährt haben: Wiki- oder Blogquest. In einem WebQuest sollen Schüler(innen) mithilfe von ausgewähltem Internetmaterial aktiv und eigenverantwortlich Aufgaben lösen. Bei Wiki- oder Blogquests handelt es sich um eine Weiterentwicklung dieser ursprünglichen WebQuest-Idee (vgl. Streiff 2004). Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Schüler gemeinsam an den Lösungen arbeiten und diese kollaborativ im Wiki oder im Blog zur Verfügung stellen. Ein Quest erfolgt in diesen Schritten (ebd.): • Das Thema und sein Hintergrund sind auf anschauliche Weise einzuführen. • Es ist eine darauf bezogene mach- und lösbare Aufgabe zu formulieren. • Es ist eine Anzahl von Quellen anzugeben, welche helfen, die Aufgabe zu lösen. Dabei handelt es sich um Hinweise auf Webseiten oder weitere Datenquellen, die benutzt werden können. • Die Lehrperson berät bei der Arbeit die Schüler und Schülerinnen und gibt Hinweise, wenn diese nicht mehr weiterwissen. • Die Lernenden suchen gemeinsam eine Lösung und verbessern die Lösungsvorschläge gegenseitig. • Die Lernenden erstellen zusammen Lernfragen. • Die Resultate der Arbeit werden von den Schülerinnen und Schülern im Wiki publiziert. • Die Fragen werden gelöst. Das Feedback funktioniert automatisch. Podcast im Fremdsprachenunterricht. Es liegt nahe, Podcasts als Hörmaterial für den Fremdsprachenunterricht zu nutzen (Klemm 2005) 66 . Dabei sind verschiedene Ansätze denkbar: • Podcasts als authentische Hörtexte. Podcasts können den sprachlichen Unterricht bereichern, wenn authentisches Material verwendet wird. Hier empfiehlt es sich, die Angebote großer Newsmedien wie das DocumentaryArchive von BBC zu nutzen. 249 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 248 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 249 • Podcasts für Lerner. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Podcasts, die speziell auf Fremdsprachenlernende zugeschnitten sind und mit Zusatzmaterialien angeboten werden. Diese Angebote eignen sich je nach Niveau hervorragend zur individuellen Förderung von leistungsschwächeren oder besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. • Hörverstehensübungen im Schulnetzwerk. Mit dem Tool Weload, einer Content-Package- und Webserver-Lösung für den USB-Stick, kann man im PC-Raum ein regelrechtes Sprachlabor eröffnen: Podcasts werden in die Content Packages eingebunden, durch einige erstellte Hörverstehensübungen ergänzt und im Schulnetz angeboten - so lassen sich ganze Unterrichtseinheiten erstellen. • Podcasts im Unterricht selbst publizieren. Podcasts können aber auch von den Schülerinnen und Schülern im Unterricht selbst erstellt werden. Dies hat den Vorteil, dass auch die Sprechfertigkeit in der Arbeit mit Podcasts geübt wird. E-Portfolio. Ein Trend in der Nutzung von Social Software ist die Pflege von E-Portfolios. Dies sind netzbasierte Sammelmappen, die von Schülern und Studierenden kreiert und befüllt werden. Ein E-Portfolio stellt dabei einen Materialkorpus von Aufsätzen, Referaten, Mindmaps, Lernberichten usw. dar, den die Lernenden im Verlauf eines Schuljahres, einer Veranstaltung oder auch während des gesamten Studiums erstellen. Diese können in Abhängigkeit von den Möglichkeiten und Zielen der Schule lokal vorgehalten oder in öffentlichen Webdiensten (Flickr, Slideshare, scribd) hinterlegt werden. In vielen Fällen können neben den Dozierenden auch andere Lernende eine Rückmeldung geben. Mit dem E-Portfolio wird das Abb. 3.8: Die Aufgabenstellung bei einem Wikiquest 250 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 250 Reflektieren und Präsentieren des Gelernten geübt. Zusätzlich wird der konstruktive und produktive Umgang mit den neuen Medien geschult. Oft hat der Lehrende mit größeren Herausforderungen zu kämpfen. Neben technischen, gestalterischen und auch rechtlichen Kenntnissen, die die neuen Medien erfordern, muss er sich auch in neue Lehrmethoden einarbeiten. Er wird vom reinen Wissensvermittler zum lediglich unterstützenden Coach. Dieser soll selbstorganisierte individuelle, aber auch kollektive Lernprozesse initiieren, moderieren und dabei auch noch Formen des informellen Lernens berücksichtigen. Die Einsatzmöglichkeiten von Social Web Anwendungen im Unterricht sind zahlreich: Von Fotogalerien über Lerntagebücher bis hin zu Prüfungsvorbereitung und Schülerzeitungen bieten sie vielfältige Möglichkeiten der Wissensvertiefung und der Projektarbeit in einer Umgebung, die zur Alltagswelt von Schülerinnen und Schüler gehört. Einen besonderen Reiz bringt es mit sich, im realen Netz zu arbeiten, um dort Beiträge einzustellen, Feedback zu geben und zu erhalten. Das berühmte Karlsruhe-Wiki geht z. B. auf ein Schulprojekt zurück. Das Arbeiten im öffentlichen Netz muss zu den Beteiligten passen, aber durch die Öffentlichkeit werden plötzlich wieder ganz klassische Lerninhalte (z. B. interpretieren, reflektieren, argumentieren in Blogs) aktuell, wenn Reputation aufgebaut und positives Feedback erreicht werden soll. Auch Lehrerinnen und Lehrer sehen zunehmend die Chancen und Notwendigkeiten der Integration von Social Web in den normalen Schulbetrieb. Allein die Ausstattung mit den entsprechenden personellen und finanziellen Kapazitäten bereiten oft unüberschreitbare Hindernisse. Eine zentrale Herausforderung für den Bildungsbereich bleibt jedoch die individuelle und soziale Persönlichkeitsentwicklung. Die aktive Beschäftigung mit Social Media erfordert neue Fertigkeiten, die in den Lehrplänen nicht vorgesehen sind. Der Internet-Vordenker Gunter Dueck verweist zu Recht darauf, dass die Digitalisierung in Gesellschaft und Bildungssystem neben dem Fachwissen von allen Menschen zusätzliche Fertigkeiten - »Metakompetenzen« - erfordert. Notwendig sei jetzt: »Lernen lernen, Verstehen lernen, Analysieren lernen, Erkennen lernen, Forschen lernen, Lehren lernen, Coachen lernen, Probleme und Konflikte lösen lernen, Menschen verstehen und lieben lernen, Verkaufen lernen, Managen lernen, Projektleiten lernen, Organisieren lernen, Führen lernen, Erziehen lernen, Menschen Entwickeln lernen, Motivieren lernen, Unternehmen lernen, Initiieren lernen, Wollen lernen, Kreieren lernen, Überzeugen lernen. Selbsterkenntnis« 16 16 Vgl. Frank, Elke/ Hübschen, Thorsten (2015): Out of Office - Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen, Redline Verlag, München, S. 231. 251 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 250 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 251 Einfaches Faktenwissen reiche in der digitalisierten Welt längst nicht mehr. Das werde zunehmend von Computern und dem Web bereitgestellt. Die für die digitalisierte Gesellschaft so wichtigen neuen Fähigkeiten würden in unserem Bildungssystem nicht gelehrt und gelernt, kritisiert Dueck 67 . Und er sieht darin einen Grund, warum die Schere in der Gesellschaft immer weiter auseinandergehe. Folgt man seinen Ausführungen, stehen nicht einfach neue Bildungsinhalte und Methoden auf der Agenda, sondern zugleich eine gesellschaftliche Verständigung über den künftigen Menschen in der digitalen Gesellschaft an sich. Kunst. Die neuen Medien und Formen der Zusammenarbeit bieten auch und gerade im künstlerischen Bereich viele Möglichkeiten. Hobbykünstler haben dies schon lange entdeckt und besonders im Social Sharing eingesetzt. So nutzen Bands Plattformen wie last.fm und myspace.com, um eigene Alben hochzuladen und einem Publikum zu präsentieren. Foto-Communitys werden zu virtuellen Galerien umfunktioniert und kunstvolle Videos tauchen immer wieder bei YouTube und Co. auf. Der Traum, auf diesem Weg als großer Künstler entdeckt zu werden, ist in einigen Fällen wahr geworden. Social Sharing wird also zum virtuellen Ausstellungsraum, um die eigenen Werke einem großen Publikum vorzuführen. Auch im professionellen Bereich ist das Social Web zum zentralen Medium geworden. So bewerben renommierte Entertainer und Künstler ihre Stücke und Videos, indem sie beispielsweise Ausschnitte aus Alben dort veröffentlichen. Firmen versuchen, das kreative Potenzial abzuschöpfen. Sie schreiben Wettbewerbe Abb. 3.9: »A Moment« von philinthecircle auf YouTube 252 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 252 aus, bei denen Werbespots für die eigenen Produkte von der Community gestaltet werden können. Aber sind im Social Web auch eigene Formen von Kunst zu finden? Die Literatur dazu ist nicht sehr üppig. Dennoch lassen sich zahlreiche Beispiele nennen. Künstler nutzen Videoportale, um Aktionen zu dokumentieren oder die Entstehung eines Werks selbst zum künstlerischen Gegenstand werden zu lassen. Phil Hansen bei YouTube als philinthecircle zum Star, indem er in seinen Videos kreative Formen der Erstellung von Gemälden dokumentiert. Er versucht dabei auch, eine Community mit einzubinden, beispielsweise bei »A Moment«, das aus verschriftlichten Aussagen seiner Zuseher über Momente besteht, die ihr Leben verändert haben (Abb. 3.9). Musikern bietet das Web u. a. die Möglichkeit, ohne große Kosten eigene oder nachgespielte Musikstücke aufzunehmen und zu publizieren. Dabei haben auffallend häufig Neubearbeitungen und sogenannte Covers über das Web plötzlich durchschlagenden Erfolg. Ein Beispiel unter vielen ist der Song Canon Rock des taiwanesischen Komponisten JerryC. Dieser wurde zu einer der vielen Internetberühmtheiten, nachdem ein anderer, der südkoreanische Gitarrist Jeong-Hyun Lim, 2005 eine Coverversion auf YouTube publizierte. Ein anderer, typischer Fall: Der Komponist Eric Whitacre wurde durch seine Arbeit mit virtuellen Chören bekannt. Für seine Stücke nahmen weltweit mehrere hundert Sängerinnen und Sänger ihre Stimme auf Videos auf, die anschließend zu einem Chor zusammengesetzt wurden. Schon früh wies der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig (2004) darauf hin, dass künstlerischer Ausdruck in der digitalen Welt häufig mit dem Rearrangieren oder, wie er es nennt, »remixen« von bestehenden Werken zu tun hat. Vorhandenes Film- oder Bildmaterial wird dabei neu zusammengestellt. Dadurch entsteht eine neue Bedeutung, oft mit satirischem oder politischem Hintergrund. Auf diese Art werden Sharing-Plattformen zu sich selbst reproduzierenden Gebilden. Auf ihnen findet man Material für Remix-Kunstwerke, die wiederum auf den Plattformen ausgestellt werden. Auch diese Art der Kunst ist vor allem im Bereich der Videos zu finden. Auf einer Metaebene entstehen Webseiten, die mit und in Anwendungen des Social Webs arbeiten. So stellt die Seite »Museum of Modern Betas« (MoMB) Screenshots von Seiten des Web 2.0 aus und dokumentiert somit die diesen Seiten eigene Ästhetik. Favcol berechnet aus den Bildern, die bei Flickr eingestellt wurden, die aktuelle Durchschnittsfarbe und richtet den eigenen Hintergrund danach aus. Der Mosaikkünstler »Space Invader« lud alle MySpace-Nutzer ein, ihn auf die Freundesliste zu setzen und so ein MySpace-Mosaik zu schaffen. 253 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 252 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 253 Neben den eigentlich künstlerischen Aktivitäten haben auch die traditionellen Häuser das Social Web für sich entdeckt. So werden im Museum of Modern Art in New York auch online erstellte Werke ausgestellt. Die Saatchi Galerie London hat 2006 eine Ausstellung eröffnet, in der die Öffentlichkeit als Kokurator fungierte. Dies mag ein Indiz dafür sein, dass die künstlerischen Ausdrucksformen des Social Web in manchen Bereichen eine gewisse Reife erreicht haben. Nicht zuletzt propagiert das Social Web eine eigene für die digitale Welt stilbildende, möglichst minimalistische Ästhetik. Während im alten Web Seriosität als Inbegriff einer guten Weboberfläche galt, ist es hier eine angenehme und klar strukturierte Ansicht. Die Oberflächen sind daher meist sehr einfach gehalten, mit einem zentralen Branding-Element im oberen Bildbereich. Der grafische Minimalismus im Social Web beinhaltet aber immer auch spielerische Elemente. Zeitweise zeichneten sternförmige »Aufkleber«, verspielte Knöpfe oder der starke Einsatz von Glas- und Spiegeleffekten das Design aus. Jahre später orientierten sich viele Anwendungen am sogenannten »Flat-Design« oder aktuell am »Semi-Flat-Design«. Doch auch diese sehr formalen und möglichst einfachen Konzepte setzen mit großflächigen Bildern oder Scroll-Mechanismen auf zusätzliche optische Reize, die den Nutzern Vergnügen und Spaß bereiten sollen. Designer sind also im Web 2.0 gefragter denn je, sie haben hier auch mehr Möglichkeiten, sich nach allen Regeln der Kunst auszutoben. 3.2.3 Neue Geschäfts- und Finanzierungmodelle Der kommerzielle Erfolg von YouTube und Co. beflügelt bis heute die Geschäftswelt. Vergessen sind die schmerzhaften Erfahrungen, die mit dem Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende gemacht wurden. Community-Seiten sprießen nach wie vor wie die Pilze aus dem Boden. Das Aal-Prinzip (»Andere arbeiten lassen«) ist zu verlockend. Dahinter steckt der alte Gedanke, mit vergleichsweise wenig Aufwand große Gewinne einfahren zu können. Nach einer ersten Phase der Euphorie haben sich über die Jahre vier neuartige Wirtschaftskonzepte herausgebildet, die typisch für das Social Web sind. Crowdsourcing. Die Wortneuschöpfung »Crowdsourcing« bezeichnet den Trend zur Teilauslagerung, das »Outsourcing« von Unternehmensaufgaben an eine Menge von Menschen, die diese Aufgaben in ihrer Freizeit lösen, in der Regel kostenlos. Das WWW dient dabei als Medium und Plattform für alle Prozesse zwischen Unternehmen und einem Heer von Freizeitarbeitern. Das Prinzip ist einfach: Man lässt den Nutzer für sich »schuften«. Und nirgends funktioniert dies so gut wie im 254 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 254 Web 2.0, wo der User noch nicht einmal das Gefühl hat, zu »arbeiten«. Er genießt die Dienste der kostenlosen Webapplikationen, muss dafür lediglich die jeweilige Website besuchen und mit seinen Daten füttern, was er freiwillig und gerne macht, um an den Communitys teilnehmen zu können. Dass mit diesem user-generated content zumindest einige Unternehmer enorme Gewinne einstreichen, wird nur am Rande wahrgenommen. Die User, die Inhalte generieren, werden dagegen lediglich mit Aufmerksamkeit, Bestätigung und Gemeinschaftsgefühl »bezahlt«. Nur in den wenigsten Fällen lassen die Webbetreiber ihre Nutzer am Gewinn teilhaben, wie z. B. bei blog.de (vgl. Alby 2007). Eine besondere Form des Crowdsourcings ist das »Crowdtesting«, bei dem eine möglichst große Zahl von Internetnutzern Apps, Webanwendungen oder andere Produkte testet, Feedback zu gefundenen Fehlern gibt und so die Akzeptanz und Bedienbarkeit verbessert. Eine andere Variante ist das bezahlte »Crowdworking«. Hierbei werden einfache Aufgaben, die nicht von Rechnern erledigt werden können, gegen Bezahlung an eine Community übertragen. Amazon bietet diese Variante direkt als Dienst an. Für jede Einzelaktion wird dem Mitglied der Community ein gewisser Betrag bezahlt, der Mindestpreis ist 0,005 Dollar. Als Anwendungsbeispiele nennt Amazon: • Bildverarbeitung wie das Taggen von Objekten • Datenbereinigung wie das Beseitigen von Duplikaten • Informationssammlung wie das Ausfüllen von Formularen • Datenverarbeitung wie die Transkription von Podcasts. Vor allem Crowdworking wird aufgrund der meist unfairen Bezahlung, knallharter Ausbeutung und hohem Leistungsdruck stark kritisiert. Erwähnt sei, dass auch Crowdsourcing seinen ideengeschichtlichen Ursprung in der Open-Source-Welt hat. So nutzen auch viele Open-Source-Unternehmen die kostenlose Arbeit von Entwicklern, Communities und Nutzergruppen. Im Unterschied zu den hier genannten Crowdsourcing-Modellen werden aber die Ergebnisse der Arbeit (Daten, Software u. a.) in der Regel frei zur Verfügung gestellt und können prinzipiell von jedem für andere Zwecke genutzt werden. Auch große gemeinnützige Projekte wie Wikipedia könnten ohne die Arbeit tausender ehrenamtlicher Autorinnen und Autoren nicht funktionieren. So ist die Bewertung von Crowdsourcing-Projekten vom konkreten Return für die Aktiven und die Gesellschaft abhängig. Long Tail. Eines der meist diskutierten Geschäftsmodelle im der Web 2.0 kommt ursprünglich aus der Statistik: der »Long Tail«. Wired-Editor Chris Andersen übertrug es das erste Mal auf das Onlinemarketing. Sein berühmter gleichnamiger 255 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 254 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 255 Artikel (Andersen 2004) 68 besagt, dass eine Vielzahl von kleinsten Nischen, welche Kunden aufgrund der Empfehlungen anderer Nutzer besser erforschen können als ein großes Angebot, insgesamt mehr Absatzvolumen ergeben, als dies bei den bestverkauften Waren der Fall ist. Wenn alle verkauften Produkte nach der Häufigkeit ihrer Nachfrage aufgetragen werden, so bilden die Topseller am linken Rand einen steilen Gipfel. Die schwächer nachgefragten Güter ergeben den Long Tail, im Deutschen mit »langer Schleppe« oder auch »Rattenschwanz« übersetzt (siehe Abb. 3.10). Die linke Seite dieser Kurve war ausschlaggebend, solange der Regalplatz beschränkt und jeder Ladenhüter für den Betreiber völlig unrentabel war. Ein Buchladen oder Elektronikmarkt musste sich aus ökonomischen Gründen auf die bestverkäuflichen Produkte konzentrieren. Amazon und andere Unternehmen haben jedoch Geschäftsmodelle entwickelt, diese Einschränkungen zu überwinden. Dank des »unbegrenzten Regalplatzes« kann dem Kunden eine immense Breite im Sortiment geboten werden. Damit wird der rechte Bereich der Kurve interessanter. Denn erstaunlicherweise finden tendenziell alle Produkte Abnehmer, während es offensichtlich immer schwieriger wird, ein echtes Massenprodukt zu erzeugen. Die Summe der verkauften Nischenprodukte macht damit einen wachsenden Teil des Kuchens aus. Social Commerce bezeichnet eine Form des Onlinehandels unter Einbeziehung von Internetnutzern. eBay, Appstore oder Spreadshirt sind nur drei Namen für Abb. 3.10: Die Long-Tail-Kurve 256 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 256 bekannte Verkaufsportale, die auf Social Commerce setzen. eBay verfolgt das Prinzip des großen Basars. Über den Appstore können Programmierer Erweiterungen für Appleprodukte feilbieten. Bei Spreadshirt gibt es individuell bedruckte T-Shirts. Die Dynamik von Gruppenprozessen (Produkt ersteigern, Massendownloads, Monetarisierung von Gruppenidentitäten) und Empfehlungsmarketing sind wesentliche Kennzeichen dieser Portale. Die aktive Beteiligung der Kunden und die persönliche Beziehung sowie die Kommunikation der Kunden untereinander stehen im Vordergrund. Die Kunden veröffentlichen ihre Einkaufslisten mit Lieblingsangeboten, geben über kleine Anwendungen direkte Kaufempfehlungen weiter oder kommentieren Produkte. Die Kunden haben auf Social-Commerce-Portalen Einfluss auf Produkte, Preise oder Design. Ein häufig auftretendes Merkmal des Social Commerce ist, dass die Internetnutzer ihre Produkte selbst gestalten und über Shopsysteme vertreiben können. Die Nutzer legen die Motive und die Art der Merchandisingartikel selbst fest. Die darüber hinaus notwendige Infrastruktur (Lagerhaltung, Produktion, Versand und Zahlungsabwicklung) übernimmt der Anbieter. Man kann sagen, es handelt sich hierbei um eine Form der individualisierten Massenfertigung. Die Betreiber eines Social Commerce-Portals verdienen an jedem Verkauf mit. Crowdfunding und Crowdinvesting (»Schwarmfinanzierung«). Durch die Erreichbarkeit großer Gruppen über das Social Web werden zunehmend auch Projekte finanziert. Auf speziellen Crowdfundingplattformen wie Startnext oder Kickstarter können Projekte (Bücher, Konzerte, CDs u. a. m.) vorgestellt werden. Zahlen genügend Internetnutzer in das Projekt ein, wird das Projekt umgesetzt und die vielen kleinen Finanziers erhalten das Endprodukt oder ein kleines Geschenk für ihre Beteiligung. Sollte das Projekt die nötige Unterstützung nicht erhalten, wird der eingezahlte Betrag rückerstattet. Die Crowdfunding-Plattformen finanzieren sich über eine prozentuale Beteiligung an den Einnahmen. Eine besondere Form ist das Crowdinvesting. Hier erhalten die Finanziers einen Anteil am Unternehmen oder werden an den Gewinnen beteiligt. Das bekannteste deutsche Beispiel für ein Crowdinvesting ist die Finanzierung des Films »Stromberg«, der 2011 die benötigte Summe von einer Million Euro innerhalb weniger Wochen einsammeln konnte. Zusammenfassend kann man Gemeinsamkeiten der für das Social Web so typischen Geschäftsmodelle erkennen: • Aktive Beteiligung von Internetnutzern, sowie intensive Kommunikation der Nutzer untereinander in Bewerbung und Verbesserung des Produkts • Kostenlose Leistungserbringung durch eine große Anzahl von Internutzern 257 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 256 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 257 • Erreichbarkeit einer großen Masse und Mobilisierung vieler Nutzer zu einem kleinen Beitrag als Voraussetzung • Raum für individuelle Gestaltung oder persönliches Commitment mit dem Produkt Die vier genannten Geschäftsmodelle bleiben unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen immer problematisch und widersprüchlich. Sie enthalten aber auch Möglichkeiten, die kapitalistische Verwertungslogik zu durchbrechen und bereiten den Boden für eine über das Web koordinierte Produktion, die sehr effizient auf die Bedürfnisse von Konsumenten reagieren kann. Angesichts des Social Webs stehen vor allem die klassischen Medien (Print, Radio, Fernsehen) vor großen Herausforderungen, wie sie zukünftig ihre Dienstleistungen finanzieren, wenn sie diese vermehrt über das Web anbieten müssen. Vereinzelt wird zwar diskutiert, dass Nachrichten, Wissenssammlung und Kommunikation öffentliche, gemeinnützige Aufgaben sind, die auch öffentlich über Gebühren, Steuern oder Stiftungen finanziert werden müssen, doch in der allgemeinen Debatte dominieren nach wie vor privatwirtschaftliche Ansätze. Auch die Social-Web-Plattformen selbst werden mit wenigen Ausnahmen bislang nur privatwirtschaftlich konzipiert. So bleiben den Medien im Web gegenwärtig nur fünf Einnahmequellen: Einnahmequelle Ausprägung im Web Verkauf pro Stück Micropayment, Pay per Click Werbung/ Anzeigen Bannerwerbung, Targeting, Affiliate Geld mit »Nebengeschäften« Partnerprogramme, Apps, Software as a Service, Shops, Verkauf von Daten, Freischalten von Schnittstellen, Beratung und Dienstleistungen Gebühren Freemium-Modelle: Zugang (Paywall), Premiummitgliedschaft, Zusatzfeatures und Zusatzdienstleistungen Spenden und Schenkungen Fördervereine, Stiftungen, Crowdfunding, Mäzenatentum Abb. 3.11: Einnahmequellen von Medien im Web 258 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 258 Die gebräuchlichsten Ansätze seien hier kurz erläutert: Micropayment und »Pay per Click«. Gerade im Online-Journalismus können sich Abonnements nicht durchsetzen. Generell ist es sehr schwer, im Web über Online-Inhalte Einnahmen zu erhalten, seien es nun Zeitungsartikel oder Musikstücke. Die Kunden kaufen nicht gern die Katze im Sack, der Verkaufsprozess ist zu langwierig oder auch noch gebührenpflichtig. Aus diesem Grund experimentieren verschiedene Anbieter mit Micropaymentsystemen. Micropayment bezeichnet ein Zahlungsverfahren mit geringen Summen, die beim Kauf digitaler Gütern wie Musikstücke und Zeitungsartikel anfallen. Interessant, aber nicht besonders ertragreich sind Anwendungen, die auf der »Thank You Economy« basieren. Die Nutzer können sich für spezifische Inhalte in Form einer kleinen Gabe bedanken, statt Anwender kompromisslos zu einer Zahlung zu zwingen. Dies funktioniert sehr komfortabel über den Dienst Flattr. Dort zahlt man monatlich einen selbst gewählten Betrag auf sein Konto ein. Wenn sich auf einer Webseite ein Flattr-Button befindet und man den Inhalt gut findet, klickt man den Flattr-Knopf, und überweist so einen Minibetrag an den Produzenten. Voraussetzung für die Rentabilität dieses Systems bleibt jedoch die Beteiligung vieler Anbieter und tausender Nutzer. Verbreiteter ist, dass nicht der Kunde, sondern ein Dritter den Medienanbieter nach einer »Stückzahl« vergütet. Am bekanntesten ist »Pay per Click« im Online-Marketing. Hier wird die Leistung pro Klick (Seitenaufruf ) und nicht pro Werbeeinblendung (Impression) oder pro Sale (Verkauf ) abgerechnet. Das weltweit erfolgreichste »Pay per Click«-Verfahren ist das Werbesystem AdWords von Google. Banner-Werbung und Targeting. Viele Benutzer einer Seite bedeuten viele Besucher, die auch die angezeigten Werbebanner sehen. Gerade die Kombination mit AdSense, dem zweiten Werbeprogramm von Google, das dem Homepagebetreiber pro Klick auf eine eingeblendete Werbung einen bestimmten Betrag verspricht, macht aus einer Community-Seite eine wichtige Einnahmequelle. Zudem geben die Benutzer bei der Anmeldung und auch durch ihr Verhalten auf der Seite Daten von sich preis, die für gezielte Werbung genutzt werden können, um die Klickraten zu erhöhen. Das zielgruppenorientierte Einblenden von Werbungen (»Targeting«) revolutioniert gegenwärtig den Werbemarkt. Jedoch ist festzustellen, dass Werbung auf der Seite nicht immer einen positiven Effekt hat. Die Community, deren Mitglieder sich meist freiwillig und mit einigem Aufwand beteiligen, reagiert sehr empfindlich auf den Eindruck, ausgenutzt zu 259 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 258 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 259 werden. So verlässt sich das offene Projekt Wikipedia lieber auf Spenden, anstatt den für sie sicherlich extrem lukrativen Werbemarkt zu betreten. Affiliate-Systeme. Ein im Web weitverbreiteter Ansatz zur Finanzierung webbasierter Medien ist die Einbindung von Affiliate-Systemen. Affiliate-Systeme sind internetbasierte Vertriebslösungen, bei der ein Anbieter seine Vertriebspartner erfolgsorientiert durch Provisionen vergütet. Der Affiliate hat eine Webpräsenz mit einer Nutzergruppe, die für den Anbieter interessant ist. Der Anbieter stellt dem Affiliate Werbemittel zur Verfügung, die dieser in seine Webseite oder in seine Dienste integriert. Die Vermittlung geschieht in der virtuellen Welt des WWW durch einen Link. Ein solcher Affiliate-Link enthält einen speziellen Code, der den Affiliate eindeutig beim Händler identifiziert. So erhält der Affiliate beispielsweise für jeden Klick eine Provision. Freemium. Auf vielen Plattformen gibt es mindestens zwei Zugänge: einer ist kostenlos und frei zugänglich, der andere ist reserviert für Premiummitglieder. Diese zahlen regelmäßig - täglich, monatlich oder jährlich - eine Gebühr, um bestimmte Zusatzleistungen in Anspruch zu nehmen. Bei Onlinemagazinen könnte dies der Zugriff auf alle redaktionellen Beiträge sein, wie z. B. bei der Computerwoche. In Social Networks genießt das Premiummitglied Extraoptionen, z. B. zusätzliche Suchfunktionen oder die Sichtbarkeit ansonsten versteckter Daten. So wird versucht, die Mitglieder erst mit einem freien Angebot und dann von der Bezahlvariante zu überzeugen. Für dieses Geschäftsmodell hat sich der Oberbegriff »Freemium« durchgesetzt. Freemium ist ein Kunstwort, bestehend aus »free« (gratis) und »premium«. Hinter all diesen Finanzierungsmodellen verbergen sich sehr aufwändige technologische und organisatorische Infrastrukturen, deren Aufbau nur mit großem Kapitalaufwand bewerkstelligt werden kann. So bildet sich im Web eine Hierarchie aus, an deren Spitze Unternehmen wie Google und Apple, aber auch einige mittelständische Unternehmen stehen, die über eine solche Infrastruktur verfügen und maßgeblich Entwicklungen und Konditionen vorgeben und dem großen Rest, der diese Infrastrukturen nicht aufbauen kann. Darüber hinaus ist die Konzentration der Machtverhältnisse auf wenige große Unternehmen auch dem Umstand geschuldet, dass fast alle Finanzierungsmodelle nur mit einer entsprechenden Reichweite, mit einer großen Besucher- oder Kundenzahl funktionieren, so dass die Finanzierungsfrage für die meisten Webprojekte bis heute nicht gelöst ist. 260 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 260 3.2.4 Eine webgerechte Rechtsordnung Durch die Existenz des Social Webs ist die Gesellschaft gefordert, ihre bisherigen Regelungen zum Urheberrecht, zur Meinungsfreiheit und zu Haftungsfragen neu zu definieren. Hunderte nationale Gesetze mit Sonderregelungen und Ausnahmen machen eine rechtssichere Nutzung dieses globalen Mediums undurchschaubar und unmöglich. Wenn der Vorteil der neuen webbasierten Medien darin besteht, Inhalte schnell zu veröffentlichen, zu kopieren und zu verändern, passen Rechtsordnungen, die für den Print oder Fernsehen entwickelt wurden, nicht mehr. Die Aushandlung neuer, fairer Deals zwischen Urhebern, Bearbeitern und Nutzern steht auf der Agenda. Die neuen Regelungen müssen dabei so einfach sein, dass der durchschnittliche Nutzer diese auch versteht und anwenden kann. Doch dieser Neuordnungsprozess wird langwierig. Eigentum und Copyright. Das Erstellen von Texten, Bildern, multimedialen Inhalten oder Software ist ein aufwendiger Prozess und stellt eine geistige Leistung dar, die im Allgemeinen als schützenswert erachtet wird. Der Verfasser genießt heute gewisse - zum Teil unveräußerliche - Rechte an seinem Werk, insbesondere was Veröffentlichung, Weitergabe und Veränderung des Materials betrifft. Diese Rechte haben zum Ziel, die Reputation eines Autors zu schützen, aber auch, Grundlagen für dessen materielles Auskommen zu schaffen. In der digitalen Welt ist es jedoch so einfach wie noch nie, Inhalte verlustfrei zu kopieren, weiterzugeben oder für eigene Werke zu verwenden. Während dies die Kreativität in ungeahntem Maß beflügelt, führt es auch zu einer gewissen Mitnahmekultur, in der davon ausgegangen wird, dass alles, was in digitaler Form vorliegt, auch umsonst zu haben ist. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis, das eine der größten Debatten um rechtliche Verhältnisse im Internet definiert, die um das geistige Eigentum. Dieses besteht an Werken, die das Resultat geistiger Arbeit sind, und wird in Form von Rechten festgehalten. Dabei wird das System des Eigentums an materiellen Gütern erweitert und eben auch auf diese immateriellen Güter angewandt. Rechte können also ganz oder teilweise weitergegeben oder verkauft werden. Es gibt jedoch einige Unterschiede zwischen materiellen und immateriellen Gütern (vgl. Goldhammer 2006): • Es liegt keine Rivalität vor. Wissen kann auch mehrfach genutzt werden, ohne dass eine Abnutzung entsteht, das gleiche gilt für künstlerische Stücke wie Musik. • Die Nutzenbewertung gestaltet sich schwierig, da »Informationsprodukte komplexe Güter sind, deren Qualität oft noch nicht einmal nach der Nutzung leicht zu bewerten ist.« (Goldhammer 2006: 81f ). 261 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 260 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 261 • Es bestehen externe Effekte, das heißt, Informationen betreffen unter Umständen Dritte, die weder Produzenten noch Konsumenten derselben sind. Goldhammer argumentiert daher, dass es sich bei Informationen der Natur nach um öffentliche Güter handelt. Besonders die Tatsache der Nichtrivalität führt zunehmend zu einem geänderten Verhältnis zum geistigen Eigentum. Hier sei beispielsweise auf die Debatte um Musiktauschbörsen verwiesen. Urheberrecht versus Copyright. Das Konzept des geistigen Eigentums entstand im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Buchdruck und unautorisierten Nachdrucken. Zum Schutz dieser Form von Eigentum stehen sich zwei Rechtstraditionen gegenüber. Während in der kontinentaleuropäischen Variante der Autorenschutz mit der »Betonung seiner Einmaligkeit, Subjektivität und Kreativität« (Kuhlen 2006: 323) im Vordergrund steht, fußt das angloamerikanische Copyright, wie der Name sagt, auf dem Recht zum (Nach)Druck von Büchern. Es bezieht sich also auf das Recht zur Verwertung eines Werkes unabhängig vom Autor. Allerdings ist festzuhalten, dass auch das Copyright als Gewohnheitsrecht dem Urheber eines Werkes zuerkannt wird. Die rechtliche Umsetzung des Schutzes des geistigen Eigentums wird in den verschiedenen Ländern jeweils unterschiedlich geregelt. Unter dem Dach der 1967 gegründeten World Intellectual Property Organisation (WIPO) wird versucht, diese Situation zu vereinheitlichen. Nicht jede Äußerung ist gleich ein schützenswertes Werk. Wichtig ist nach deutscher Rechtsprechung die sogenannte Schöpfungshöhe. Damit ist das Maß an Kreativität und Individualität gemeint, das ein Werk besitzt. Loewenheim (2006: 54) beschreibt vier Schutzvoraussetzungen des Werkbegriffs: • Es muss eine persönliche Schöpfung des Urhebers vorliegen. • Sie muss einen geistigen Gehalt haben. • Sie muss eine wahrnehmbare Formgestaltung aufweisen. • Es muss in ihr die Individualität des Urhebers zum Ausdruck kommen. Im angloamerikanischen Raum überwiegt die sogenannte »Sweat of the brow«-Tradition, die die Schutzwürdigkeit eines Werkes weniger von der geistigen Leistung als vielmehr vom Aufwand abhängig macht, der zur Erstellung nötig ist. Werke, die nicht urheberrechtlich geschützt sind, werden als gemeinfrei bezeichnet. Während das Urheberrecht mit der Vollendung des Werkes beginnt und ursprünglich unauslöschlich war, ist die Schutzzeit heute in der Regel auf 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers begrenzt. Danach fallen die Rechte am Werk in den öffentlichen Besitz. 262 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 262 Generell unterscheidet man bei geschützten Werten zwischen moralischen und Vermögensrechten. Die moralischen Rechte sind nach deutscher und den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsprechungen unveräußerbar. In diese Gruppe fällt: • Das Recht der Anerkennung der Urheberschaft: Der Autor eines Werkes hat ein Recht darauf, auch als solcher genannt zu werden. Er kann auch dagegen vorgehen, dass sich Dritte anmaßen, das Werk erstellt zu haben. • Verbot der Entstellung: Der Urheber kann Änderungen am Werk, die er nicht ausdrücklich genehmigt hat, verbieten. Das gilt insbesondere dann, wenn diese den ursprünglichen Sinn des Werkes verändern. Daneben bestehen Rechte, welche die Nutzung eines Werkes regeln und eine angemessene Vergütung sichern sollen. Zu diesen Verwertungsrechten zählen im Allgemeinen: • Vervielfältigungsrechte: Das Werk darf kopiert und mehrfach verwendet werden. • Verbreitungsrechte: Das Recht, zu bestimmen, ob und wie das Werk der Öffentlichkeit verfügbar gemacht wird. • Anpassungsrechte: Das Werk darf vom Rechteinhaber verändert werden. Diese sind veräußerbar, das heißt, ein Autor kann sie an andere Personen oder Institutionen, z. B. Verlage, abgeben und dafür gegebenenfalls eine Gegenleistung fordern. Dem Urheberrecht steht ein Interesse der Allgemeinheit gegenüber. Wissen wird als wichtiges Kapital der Menschheit angesehen. Ein Grundwiderspruch in der Debatte um das geistige Eigentum besteht darin, dass keines der geistigen Werke hätte entstehen können ohne die Vorarbeit vieler anderer Menschen. Ebenso ist es für die weitere Entwicklung des Wissens elementar, die aktuellen Erkenntnisse und Debatten verfügbar zu machen. Daher gibt es Grenzen, die einige der Rechte des Urhebers einschränken, unter anderem: • Zitat. Im Rahmen eines eigenen Werks ist es erlaubt, Teile eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu zitieren, solange das Zitat als solches kenntlich gemacht wird und das eigene Werk auch ohne das Zitat eigenständig ist. • Bildungssektor. Hier gelten gelockerte Bestimmungen für das Urheberrecht, solange die Nutzung von geschütztem Material in angemessenem Umfang stattfindet und Außenstehende keinen Zugang zum Material haben. • Freie Benutzung. Dient das geschützte Werk nur als Anregung für die eigene Schöpfung und verblassen die aus dem geschützten Werk übernommenen Charakteristika gegenüber dem eigenen Anteil, ist eine Verwendung des geschützten Werks erlaubt. 263 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 262 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 263 • Privater Gebrauch. Es ist vielfach erlaubt, zu privaten Zwecken eine Kopie eines Werks zu erstellen. Weitere Vervielfältigung und kommerzieller Gebrauch sind jedoch untersagt. Im amerikanischen Rechtssystem sind Ausnahmen vom Copyright unter dem Stichwort »fair use« zu finden. Dabei handelt es sich um ähnliche, wenn auch nicht gleiche Bedingungen, die die Nutzung urheberrechtlich geschützter Materialien erlauben. Gegenentwürfe: DRM, Pauschalierung und Copyleft. Der Widerspruch, der sich zwischen der Natur von Information als öffentlichem Gut und den Schutzinteressen der Urheber ergibt, hat je nach Interessensgruppe zu verschiedenen Reaktionen geführt. Seitens der Verwertungsindustrie wird (zum Teil) das Konzept der künstlichen Verknappung propagiert. Diese soll mit technischen Maßnahmen durchgesetzt werden, dem sogenannten Digital Rights Management oder DRM. Hierbei können einzelne Nutzungsarten - auch quantitativ - für einzelne Personen, die einen entsprechenden Obolus entrichtet haben, freigegeben werden. Alle anderen können das Werk nicht nutzen. Diese Lösung ist technisch nur sehr schwer zu realisieren und stößt auf wenig Gegenliebe am Markt. In der Musikbranche haben große Verwerter wie EMI und iTunes Abstand von DRM-Systemen genommen, dagegen verfolgt die Film- und Video-Industrie die Technologie weiter. Ein Konzept, dass sowohl die Entlohnung der Urheber vorsieht als auch die freie Verfügbarkeit von Informationen, ist die Pauschalierung. Dabei wird von allen Nutzern des Netzes oder bestimmter Dienste eine pauschale Gebühr erhoben, die dann wiederum anteilig an die Urheber der genutzten Werke vergeben wird. Ein Beispiel für diese Verwertungsstrategie in Deutschland ist die GEMA, die Aufführungsrechte für Musikstücke verwaltet. Copyleft nutzt die Rechte, die einem Urheber zustehen, um sicherzustellen, dass das Werk gemeinfrei ist und das auch bleibt. Die erste Lizenz dieser Art war die von Richard Stallman entwickelte GNU Public License (GPL) 76 , die sich in erster Linie an Softwareentwickler richtete. Der Autor räumt dabei dem Nutzer alle Rechte der Vervielfältigung, Verbreitung und Veränderung unter der Bedingung ein, dass der Name des ursprünglichen Autors genannt und alle abgeleiteten Werke wieder unter der GPL stehen (vgl. Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software 2005). Eine Abänderung der GPL ist die GNU Free Documentation License (GFDL), die das Prinzip erhält, jedoch für Textdokumente angepasst wurde. Die GPL entspricht jedoch nicht in allen Punkten den Bedürfnissen der Autoren. Viele wollen selbst bestimmen, ob abgeleitete Werke erlaubt sind oder 264 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 264 unter welcher Lizenz Derivate weitergegeben werden können. Die von Lawrence Lessig gegründete Creative Commons-Initiative (CC) erlaubt genau dies. Sie stellt es dem Autor frei, eine oder mehrere der folgenden Optionen auszuwählen: • BY: Namensnennung (verpflichtend) • NC: Kommerzielle Nutzung ist ausgeschlossen • ND: Das Werk darf nicht verändert werden • SA: Weitergabe unter gleichen Lizenzbedingungen Das jeweilige Kürzel, das in obiger Aufzählung am Anfang steht, wird dazu verwendet, die Art der Lizenz zu kennzeichnen. Sowohl die GPL als auch die CC-Lizenz sind auf das deutsche Recht angepasst worden. Die bisher geschilderte Problematik spitzt sich im Social Web an mehreren Stellen zu. Rechtlich geschütztes Material. Gerade in Social Sharing-Plattformen, wo User massenhaft multimediales Material hochladen, besteht die Gefahr, dass darunter auch urheberrechtlich geschütztes ist. Ähnliches gilt für Wikis und Texte. Das Material ist in der Regel leicht ausfindig gemacht, gerade bei Texten ist Google eine ungemein starke Waffe. Auch Wasserzeichen und ähnliche Mechanismen in multimedialen Inhalten erlauben einen leichten Nachweis von urheberrechtlich geschütztem Material. Erster Ansprechpartner ist in der Regel der Betreiber der Plattform, der nach dem Telemediengesetz verantwortlich für die Inhalte ist. Dieser hat die Pflicht, das geschützte Material unverzüglich vom Netz zu nehmen, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat. Ab einer gewissen Größe der Community bedeutet dies einen enormen Aufwand. Daher arbeiten Plattformen wie YouTube mit automatischen Copyright-Filtern (King 2007) 69 . Dabei muss jedoch ein Urheber sein Material bei YouTube anmelden. Nun wird jedes hochgeladene Video auf Verletzungen hin untersucht. Werden solche gefunden, so wird der Inhaber informiert und kann entscheiden, ob er die Verwendung des Materials zulässt oder verbietet. Auch die deutsche Plattform MyVideo setzt auf technische Lösungen (Krempl 2007) 70 . Kollaboration. Die andere Seite der Urheberschaft wird in der Kollaboration problematisiert (vgl. Kuhlen 2004). Zu Werken, die auf diese Art entstanden sind, haben oft hunderte von Autoren beigetragen, teils mit substanziellen Änderungen, teils mit der Korrektur von Rechtschreibfehlern. Allein die Festlegung, welche Beiträge eine ausreichende Schöpfungshöhe enthalten, würde sich als Geduldsprobe erweisen. Ist die rechtliche Lage nicht genau geregelt, so kann ein Autor auch das Recht auf Nichtentstellung geltend machen. Dadurch würde die kollaborative Erstellung von Werken ein Ding der Unmöglichkeit. In Wikis behilft man sich damit, dass alle Autoren mit dem Speichern ihr Werk in die GFDL überführen: 265 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 264 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 265 »Mit dem Speichern dieser Seite versichern Sie, dass Sie den Beitrag selbst verfasst haben bzw. dass er keine fremden Rechte verletzt, und willigen ein, ihn unter der Creative Commons Attribution/ Share-Alike Lizenz 3.0 und der GNU-Lizenz für freie Dokumentation zu veröffentlichen. […] « (Wikipedia, Bearbeitungsseite) Das Recht auf Nennung des Namens aller Autoren wird in diesen Systemen generell dadurch geregelt, dass jede Änderung namentlich in der Versionsgeschichte protokolliert wird. Bei Zitaten aus der Wikipedia ist es möglich, statt aller einzelnen Autoren nur die Organisation zu nennen (§ 8 UrhG). Die Anwendung einer Copyleft-Lizenz regelt auch die Verwendung von kollaborativ erstellten Werken durch Dritte. Solange diese die Quelle angeben, können sie die Texte weiterverwenden. Nach dem herkömmlichen Urheberrecht müsste jeder einzelne Autor sein Einverständnis geben. Damit wird klar, dass kollaborative Arbeitsweisen wesentlich auf die Lizenzierung der Texte unter einer Copyleft-Lizenz angewiesen sind. Remix. Lessig (et al. 2004) beschreibt eine neue Form kreativen Schaffens, das Remixen. Dazu werden bestehende Werke genommen und neu arrangiert, sei es durch Verfremdung, Collage oder das Einbetten in andere Kontexte. So wird beispielsweise Filmmaterial von Politikern so zusammengeschnitten, dass es scheint, als würden sie ein unterlegtes Lied intonieren und so eine politische Aussage machen. Gerade in den Social-Sharing-Netzwerken mit multimedialen Inhalten sind Werke dieser Art häufig zu finden. Um neue Aussagen zu schaffen, ist es oft nötig, bestimmte berühmte Werke zu zitieren oder einzubetten, da genau diese ja schon mit Bedeutung belegt sind und so vom Publikum verstanden werden können. Auch in diesem Zusammenhang sind freie Lizenzen (Copyleft) existenzsichernd, während es das traditionelle Urheberrecht Remix-Künstlern schwermacht. Problematische Inhalte. Wenn sich Benutzer im Social Web austoben, kann es schon mal passieren, dass sie bei der Formulierung über die Stränge schlagen. Im Allgemeinen herrscht ein für Schriftmedien eher flapsiger Ton im Netz. Das stößt jedoch an seine Grenzen, wenn dabei die Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt werden. Dazu zählen: • Beleidigungen sind Äußerungen oder Tätigkeiten, die darauf abzielen, die Missachtung einer Person auszudrücken und deren persönliche Ehre zu verletzen. • Schmähkritik ist eine Form der Kritik (beispielsweise eine Produktbeschreibung), die deutlich darauf abzielt, eine Person verächtlich zu machen und nicht mehr über die Sache selbst zu berichten. • Falsche Tatsachenbehauptungen sind gewissermaßen Lügen. Ob nun eine Äußerung zu den oben genannten Grenzüberschreitungen zu zählen ist, ist häufig im Ermessensspielraum der Gerichtsbarkeit. Dabei ist insbesondere 266 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 266 das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu beachten. Es ist also nicht so, dass alle unangenehmen Äußerungen einfach mit der Keule der Schmähkritik aus dem Web zu verbannen sind. Umgekehrt hat die Meinungsfreiheit ihre Grenzen, wenn es an die Würde der Mitmenschen geht. Selbstredend ist auch das Social Web nicht gefeit vor den oft beschworenen Gefahren des Internets. So werden auf YouTube regelmäßig rechtsextreme Videos oder Propagandamaterial aus dem Dritten Reich gefunden (vgl. Schenkel 2007) 71 . MySpace wappnet sich mit einer eigenen Datenbank gegen Pädophile, die im Netzwerk auf Opfersuche unterwegs sind (Spiegel online 2006) 72 . Hier sind die Betreiber schon im eigenen (Image)Interesse bestrebt, diese Inhalte erst gar nicht aufkommen zu lassen bzw. sie unverzüglich zu löschen. Die Problematik ist jedoch, dass in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Auffassungen und Rechtslagen im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit und (rechts)extremen Positionen herrschen. »Schon wenn die Server in Dänemark stehen, haben wir keine Handhabe mehr«, zitiert Die Zeit online (2007) 73 ungenannte Ermittler. Haftung und Pflichten. Bei der Vielzahl der in Social Webs beteiligten Akteure ist es schwierig, genau zu definieren, wer letztendlich für Rechtsverstöße zur Verantwortung gezogen werden kann. Erster Ansprechpartner ist der Betreiber einer Seite. Dabei gilt nach deutschem Recht das Herkunftslandprinzip. Während Webpublikationen bisher unter das Presserecht fielen, unterliegen sie seit dem 2007 dem Telemediengesetz. Dort sind unter anderem geregelt: • die Angaben zum Impressum, • die Bekämpfung von Spam, • die Haftung von Dienstebetreibern für gesetzeswidrige Inhalte, • der Datenschutz und die Pflicht zur Herausgabe von Daten. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass im Social Web der größte Teil der Inhalte nicht vom Betreiber der Seite, sondern von den Mitgliedern der Community bereitgestellt wird, stellen sich neue Fragen bezüglich der Haftung für fremde Inhalte. Gemäß einem Urteil des Hamburger Landgerichts vom April 2007 haften Betreiber von Blogs, Wikis, Foren usw. grundsätzlich nicht nur für eigene Beiträge, sondern auch für diejenigen ihrer Besucher. Der Gesetzgeber ist sich jedoch darüber im Klaren, dass eine generelle Überwachung aller Beiträge auf potenziell, gefährliche Inhalte nicht zumutbar ist. Vielmehr muss der Betreiber angemessen auf einen Rechtsverstoß hingewiesen werden. Dann hat er jedoch die Pflicht, diesen Beitrag unverzüglich zu löschen (Heidrich 2007) 74 . Diese Auffassung wurde in mehreren Urteilen der Landgerichte bzw. Oberlandesgerichte Düsseldorf, Berlin und München bestätigt. Die Lage ist jedoch uneinheitlich. So 267 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 266 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 267 vertritt beispielsweise das Landgericht Hamburg traditionell eine harte Linie (Heidrich 2007) 74 . Wurde auf einen Rechtsverstoß hingewiesen, so hat der Betreiber dafür zu sorgen, dass »kerngleiche« Beiträge nicht wieder auf der Plattform erscheinen. Wie das konkret funktionieren soll, bleibt offen (vgl. Ulbricht 2007) 75 . Diese Rechtsauffassung zur Haftung der Betreiber ist 2009 vom BGH bestätigt worden. Besondere Brisanz erhalten diese Urteile durch die in Deutschland gängige Praxis der Abmahnungen. Das ist ein außergerichtliches Mittel, mit dem ein Geschädigter den Verletzenden auffordern kann, dies zu unterlassen. Meistens wird diese Aufforderung mit der Forderung nach Zahlung einer bestimmten Summe verbunden. Immer wieder werden Betreiber von Social-Web-Plattformen wegen Rechtsverstößen ihrer Benutzer belangt. Dabei geht es in der Regel um Summen im vierstelligen Eurobereich, die - nicht nur - für private Blogger oft eine große Belastung darstellen. Hier stellt sich heraus, dass Betreiber von Social- Web-Plattformen häufig Privatpersonen oder zumindest publizistische Laien sind, die sich über die Tücken des Medienrechts nicht im Klaren sind. Solange hier nur unterschiedliche Rechtsprechungen vorliegen und keine klare gesetzliche Regelung werden die rechtlichen Auseinandersetzungen hier auch weitergehen. Rechtliche Unsicherheiten blockieren dabei vielfach die Entwicklung neuer Angebote im Social Web. 3.2.5 Sicherung freien Wissens Ein kritischer Punkt vieler Projekte ist der künftige Umgang mit freiem Wissen. Wikipedia, Wikimedia Commons und viele andere Plattformen stellen freies Wissen zur Verfügung und es gibt keine Privatperson und keine Einrichtung, die mittlerweile auf diese Ressourcen im Web verzichten können, ohne auf einen unproduktiveren Stand zurückgeworfen zu werden. Es gibt Communities und Initiativen, die deshalb freie Ressourcen im Web erhalten und ausbauen wollen. Viele Initiativen und Losungen sind dazu im Umlauf: OpenKnowledge, OpenData, OpenGovernment, OpenAccess, OpenEducation, OpenHardware, OpenContent, FreeMusic, FreeCulture, Commons u. a. m. Es wird diskutiert, ob diese Einzelgruppen bereits eine soziale Bewegung darstellen oder werden können (vgl. Baack 2012). Wir schlagen vor, dieses Phänomen vorerst unter dem Begriff »Libre Knowledge« (Freies Wissen) und »Libre-Knowlegde-Bewegungen« zusammenzufassen. Unter welchem Begriff auch immer, kommt diesen Initiativen eine wachsende Bedeutung zu. 268 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 268 Das Adjektiv »libre« verweist darauf, dass das damit beschriebene Wissen »frei« ist im Sinne von »die Freiheit haben«, unabhängig ob das Wissen auch kostenlos erhältlich (ein Bedeutung von »free«) oder nur zugänglich und bearbeitbar (»open«) ist. Alle Libre-Knowledge-Initiativen sind inspiriert durch den Erfolg der »commons-based peer production« (Yochai Benkler), einer »Allmendefertigung durch Gleichberechtigte«. Das bedeutet, Menschen arbeiten in großen Gruppen kollaborativ an öffentlichen digitalen Gütern und die Kollaborateure verstehen sich als Teil einer gemeinwohlorientierten Kulturbewegung, die nach dem Vorbild der freien Softwareentwicklung und der Wikipedia Wissen ohne Einschränkung verfügbar und gemeinsam nutzbar machen will. Für die Entwicklung freien Wissens werden die Grundsätze der freien Software übernommen und auf andere Gebiete (Medien, Kultur, Datenbanken, Archive usw.) übertragen. Demnach sollen alle Benutzer von Libre Knowledge die Freiheit haben, • das Werk für jedweden Zweck benutzen, • die Mechanismen dahinter zu studieren, um in der Lage zu sein, diese zu modifizieren und sie an ihre Bedürfnisse anzupassen, • das Werk zu verbessern und/ oder zu erweitern und das Ergebnis zu teilen. Eine Wissensquelle wird als »Libre Knowledge« gewertet, wenn ein Benutzer alle oben genannten Freiheiten hat. Zudem müssen alle Ressourcen, die diese Freiheiten erfüllen, unvermeidlich in einem Libre-Dateiformat (also nicht in einem proprietären Format) vorliegen und mit einer Libre-Software, wie sie von der Free Software Foundation definiert wurde, voll editierbar und installierbar sein. Diese relativ strikten Regelungen treffen bewusst keine Aussage über das Recht, Kopien zu verteilen und zu der Frage, ob Kopien kostenlos sein müssen. Solange die meisten Geschäftsmodelle auf dem Prinzip »Verkauf pro Stück« beruhen, überlässt die Libre -Knowledge-Definition diese Entscheidung erst einmal den Urhebern. Das ist eine Kompromisslinie, die jedoch den Grundkonflikt nicht zu lösen vermag. Denn jeder Beiträger erwirbt ab einer gewissen Schöpfungshöhe Urheberrechte an dem von ihm bearbeiteten Werk, weshalb mache kommerziellen Projekte die Mitarbeit einschränken, um die Kontrolle am Werk oder an Teilen des Werks nicht aus der Hand zu geben. Ein anderes Beispiel sind Plattformen wie Google oder Facebook. Auch wenn diese in den Suchergebnissen oder in der Timeline ausschließlich Libre-Knowledge-Inhalte anzeigen würden, verstoßen sie vielfach gegen Lizenzbestimmungen. Zwar verweisen diese zurecht darauf, dass sie diese Inhalte nur verlinken, dennoch kopieren sie dabei Teile oder das ganze Werk 269 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 268 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 269 zumindest zeitweilig auf ihre Server, um diese überhaupt anzeigen zu können, aber ohne die Nutzungsrechte dafür zu haben. Libre Knowledge funktioniert wie auch schon freie Software auf gesellschaftlichen Stillhalteabkommen zwischen Anbietern und Nutzern, da beide Seiten einen Vorteil von der Situation haben. Langfristig ist eine rechtlich saubere Lösung nur zu bekommen, wenn die zu vergütenden Dienstleistungen und Produkte und die Kopie des Werks voneinander unabhängige Elemente werden. Hier stehen wir aber noch ganz am Anfang der Entwicklung, obwohl die ersten Initiativen in Richtung Libre Knowledge bereits vor 20 Jahren starteten und die oben bereits genannten Creative-Commons-Lizenzen hervorbrachten. Nicht wenige Aktivistinnen und Aktivisten, aber auch namhafte Intellektuelle wie Yochai Benkler oder Jeremy Rifkin, sehen in den Libre-Knowledge-Bewegungen einen Ansatz zur Bändigung, wenn nicht Überwindung des kapitalistischen Systems, da Libre Knowledge eine Reaktion auf einen Systemwiderspruch ist. So gibt es innerhalb der kapitalistischen Logik den Zwang, alle freien und öffentlichen Güter zu privatisieren, zu verknappen und zu verwerten. Also auch Bildungsmaterialien oder Datenbanken. Auf der anderen Seite ist der freie Zugang zu Wissen nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine zwingende Voraussetzung für die Existenz freier Marktsubjekte. Nur mit dem entsprechenden Zugriff auf Wissen und freie Datenbanken sind Innovationen, Entwicklung und neue Unternehmungen zu gewährleisten. Durch die Tendenz der Begrenzung des freien Zugangs zu Wissen untergräbt das System seine eigenen Existenzgrundlagen. Doch es wird wie immer kein historischer Mechanismus sein, der die Geschichte lenkt, sondern die Menschen selbst werden entscheiden, welche Freiheiten sie für alle erhalten und ausbauen wollen. 3.2.6 Schutz persönlicher Daten Der zentrale Motor des Social Webs ist die direkte Beteiligung der Benutzer. Meistens sind die Beiträge personalisiert, es ist also zumindest in Bezug auf ein Pseudonym nachvollziehbar, wer was geschrieben hat. Und egal um welche Anwendung es sich handelt: Es geht durchaus um sensible Daten. Neben den Kontaktdaten, die häufig für die Teilnahme angegeben werden müssen, kann man aus den Beiträgen Informationen über Aufenthaltsorte, Interessen und Vorlieben, Kaufverhalten oder soziales Umfeld ableiten. Dass hier ein besonderes Augenmerk auf die Thematik des Datenschutzes gelegt werden sollte, liegt auf der Hand. Allgemein kreist die Debatte dabei um zwei Pole: Einerseits wird die Sicherung der Daten gegen unbefugten Zugriff unter dem Stichwort Datensicherheit thema- 270 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 270 tisiert. Daten werden als Eigentum angesehen, das einem Internetprovider anvertraut wird. Demnach ist es unter drei Aspekten zu schützen (vgl. Federrath/ Pfitzmann 2004): 1. Vertraulichkeit oder Schutz vor Diebstahl 2. Integrität oder Schutz vor Verfälschung 3. Verfügbarkeit oder Schutz vor Zerstörung Dazu gehören regelmäßige Backups genauso wie die Absicherung gegen Hackerangriffe. In diese Rubrik fällt beispielsweise die Gewährleistung, dass private Notizen über Personen, die bei einem Social Network eingetragen werden, diesen Personen nicht zugänglich gemacht werden. Spektakuläre Fälle, wie das Entwenden von Passwörtern bei MySpace (Golem 2006) 77 und StudiVZ (2007) 78 oder der Verkauf von 1,5 Millionen gehackten Facebook-Nutzerprofilen (McMillan 2010) 79 sorgen hier immer wieder für mediales Aufsehen. Da es sich aber bei der Prävention im Wesentlichen um technische Maßnahmen handelt, werden wir diesen Aspekt hier nicht weiter vertiefen. Andererseits geht es beim Datenschutz um den verantwortungsvollen Umgang mit Daten, die Benutzer preisgeben. Insbesondere müssen dabei ihre Persönlichkeits- und Freiheitsrechte gewahrt bleiben. Diesen Bereich werden wir im Folgenden näher beleuchten. Schutzbedürftige Daten. Zunächst fallen die Daten an, die bei Anmeldeprozeduren erhoben werden, also der echte Name, die E-Mail-Adresse, die Postadresse, Alter, gegebenenfalls Kontodaten usw. Je nach Konfiguration des Systems sind diese Angaben verpflichtend für die Registrierung und werden sogar verifiziert (z. B. per Passwortsendung an die E-Mail-Adresse). Häufig sind diese Daten zwar dem Betreiber bekannt, innerhalb der Community agiert ein Benutzer jedoch mit einem Pseudonym, um seine reale Identität zu verschleiern. Angaben zur Person werden von den Benutzern willentlich abgegeben, häufig ist es sogar nötig, explizit der Speicherung der Informationen zuzustimmen. Jeder Beitrag, der in einer Social-Software-Plattform abgegeben wird, ist als Äußerung einer Person wiederum eine Aussage über deren Eigenschaften. Diese Daten sind je nach Plattform unterschiedlich stark strukturiert, wie beispielsweise Angaben über bestätigte Kontakte bei Xing bis hin zu reinen freitextuellen Angaben wie Beiträgen in Foren oder Wikis. Die Bandbreite der Informationen ist dabei enorm und geht von zunächst harmlosen Dingen wie Hobbys bis hin zu persönlichen Problemen, die diskutiert werden. 271 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 270 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 271 Eine dritte Ebene der anfallenden Daten sind automatisch erstellte Profile, die in Server-Logfiles festgehalten werden. So speichert das »combined« Logformat des Webservers Apache • die angeforderte Seite, • die IP-Adresse, • den Remote Host (also den Namen des Rechners), • die Uhrzeit, den Status und die übertragene Datenmenge, • die Internetseite, von der ein Benutzer auf die angeforderte Seite gekommen ist (Referrer), und • die Produkt- und Versionsinformationen des verwendeten Browsers (User- Agent). Je nach System werden darüber hinaus noch andere Daten festgehalten, etwa alle Veränderungen an Texten bei Wikis oder Zeitpunkt der An- und Abmeldung bei Plattformen, die einen Login voraussetzen. Problematik. Diese Daten erscheinen auf den ersten Blick harmlos: Sie werden entweder freiwillig gegeben oder haben rein technische Inhalte. Je nach Kontext jedoch können selbst »harmlose« Informationen zu weitreichenden Schlüssen führen. So wurde dem Gründer des ehemaligen Mashups Plazes 17 , Petersen, sein eigener Dienst zum Verhängnis (Spiegel online 2007) 80 . Plazes veröffentlichte, von wo aus sich ein Nutzer gerade einloggt. Petersen sollte einen Vortrag auf der Next Web Conference 2007 in Amsterdam halten. Den sagte er mit der Begründung ab, seine kranke Tochter in Berlin besuchen zu müssen. Kurioserweise fand sich in seinem Profil jedoch als Ortsangabe Kopenhagen, was den Organisator der Konferenz zu einem sehr offenen Blog-Post veranlasste. Die Sache wurde letzten Endes aufgeklärt, zeigt aber, wie verfänglich selbst harmlose Daten sein können. Die Verbindung verschiedener Informationen, die unabhängig voneinander gegeben werden, ist der nächste Schritt zur Profilbildung. Nehmen wir als Beispiel ein soziales Selbsthilfenetzwerk, in dem die Teilnehmer anonym posten. Zusammen mit dem Beitrag wird die Uhrzeit festgehalten. Diese kann genutzt werden, um die Daten mit dem Server-Logfile abzugleichen, welches die IP-Adresse des Teilnehmers enthält. Diese wiederum ist bei einem Internetprovider registriert, der anhand seiner Aufzeichnungen feststellen kann, welchem Benutzer diese Adresse zum gegebenen Zeitpunkt zugewiesen wurde. Im nächsten Abschnitt wird anhand eines Beispiels erläutert, welche Auswirkungen die Verwendung desselben Pseudonyms in verschiedenen Foren haben kann. 17 Nokia kaufte 2008 Plazes, um die Technik in einen eigenen Dienst zu integrieren. 272 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 272 Eine weitergehende Auswertung wird mittlerweile maschinell vorgenommen. Gerade neuere Verfahren im Bereich Face Recognition, Data-Mining oder Text-Mining (s. u.) sind geeignet, auch hier verwertbare Informationen zu gewinnen. Webroboter können viel schneller und viel weitergehende Mengen an Daten erfassen. Diese werden unter anderem nach statistischen Kriterien verbunden. Text-Mining im Netz wird unter anderem dazu angewandt, die Reputation von Firmen auszuloten. Exkurs: Datenspeicherung. SorgenFrei aus Niedersachsen (Pseudonym geändert) hat eine - nicht ganz nette - Rezension zu einem Buch bei Amazon verfasst. Dadurch wird ein Käufer (Herr Neugier) auf ihn aufmerksam. Herr Neugier fragt sich, ob die Bewertung für ihn relevant ist. Dazu versucht er, ein Profil von Sorgen- Frei zu erstellen, um dessen Glaubwürdigkeit zu hinterfragen. Zunächst klickt er auf das Amazon-Profil. Das ist nicht sehr aussagekräftig, SorgenFrei hat nur dieses eine Buch und drei CDs rezensiert. Eine Lieblingsliste findet sich jedoch, die Ende des Jahres 2002 erstellt wurde. SorgenFrei ist also schon längere Zeit bei Amazon unterwegs. Die Liste beinhaltet vornehmlich ruhige Musik aus den 1990er-Jahren und diesem Jahrzehnt. Lassen sich hier Rückschlüsse auf das Alter ziehen? Sorgen- Frei bezeichnet sich unter »Qualifikationen« zudem als »Fiat-Fahrer«. Da SorgenFrei ein Pseudonym verwendet, das relativ distinktiv ist, versucht Herr Neugier eine Google-Suche. Zwei Treffer fallen ins Auge: Ein Mitglied bei eBay verwendet das gleiche Pseudonym und auch ein Beitrag in einem Allergie-Forum ist mit diesem Namen verbunden. Ein Blick in eBay ergibt, dass SorgenFrei dort rege kauft und verkauft. Ein Klick auf das SorgenFrei-Profil zeigt die Bewertungen, die durchweg positiv sind. Der letzte verkaufte Artikel ist noch abrufbar, es handelt sich um einen Kassettenspieler. Das ist jedoch weniger aufschlussreich als der Standort des Artikels, »S. in Niedersachsen«. Damit liegt nahe, dass es sich bei dem Verkäufer und dem Rezensenten um ein und dieselbe Person handelt. Ein Blick in die Wikipedia offenbart, dass S. eine relativ kleine Stadt (12.000 Einwohner) im Südwesten Niedersachsens ist. In den letzten Änderungen der Seite ist mehrmals das Pseudonym SorgenFrei vorhanden. Herr Neugier weiß nun, dass SorgenFrei diesen Namen in mehreren Communitys verwendet. Über SorgenFreis Benutzerseite, die nicht mit Inhalten gefüllt ist, lassen sich seine weiteren Beiträge herausfinden. SorgenFrei hat vornehmlich Seiten über Fußballspieler der unteren Ligen bearbeitet, ist also begeisterter Sportfan, wenn nicht aktiver Sportler. Es fällt zudem auf, dass SorgenFrei gelegentlich Änderungen an Seiten vornimmt, die gesellschaftliche Gruppen und Erscheinungen beschreiben. Ein weiterer Treffer bei Google führt zu einer Seite über Steve Jennings, einen Musiker. Hier erwartet Herr Neugier eine Überraschung. SorgenFreis Amazon-Pro- 273 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 272 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 273 fil wird im Bereich »Sites im Zusammenhang« aufgeführt, der Amazons API nutzt. Hier werden offensichtlich Bücher angezeigt, die sich SorgenFrei kürzlich angesehen oder gekauft hat. Ein Fehler im Programm, aber für Herrn Neugier sehr hilfreich: Unter anderem findet sich da auch ein Ernährungsbuch und eines über Allergien. Damit kann Herr Neugier sichergehen, dass es sich bei dem Autor im Allergieforum und SorgenFrei um ein und dieselbe Person handelt. Die letzten Einträge SorgenFreis in der Wikipedia verweisen auf eine Schule in Niedersachsen. Herr Neugier folgt dem Link zur Schule und stellt fest, dass die Homepage mit genau der Webapplikation gemacht wurde, die das von SorgenFrei rezensierte Buch beschreibt. Dies und die Artikel, die SorgenFrei bei Wikipedia bearbeitet hat und die nicht mit Fußball zusammenhängen, geben Herr Neugier Indizien darauf, dass SorgenFrei Lehrer an eben dieser Schule ist, möglicherweise für ein geisteswissenschaftliches Fach. Das Impressum offenbart, dass zwei Leute für die Seite verantwortlich sind. Einer ist Mathematik- und Physiklehrer, der andere, Max Muster, Lehrer für Biologie, Politik und Wirtschaft. Aufgrund des bisher erstellten Profils versucht Herr Neugier sein Glück mit letzterem. Er muss nur noch herausfinden, ob Muster in der zuvor gefundenen Stadt wohnt. Ein Versuch über telefonbuch.de schlägt fehl. Herr Neugier, der nun einen vollständigen Namen hat, versucht nochmals eine Google-Suche. Bereits beim ersten Treffer wird er fündig. Eine Seite hat zum Ziel, alle Menschen mit dem Namen Muster zusammenzuführen, sie wird von Max Muster betrieben. Er hat dort ein Profil hinterlegt, das nicht nur die gesuchte Verbindung zur kleinen niedersächsischen Stadt herstellt, sondern auch den Familienstammbaum mit weiteren Namen und zwei Bilder von Muster enthält. Ein nächster Google-Link teilt Musters Kandidatur für den Kreistag der Stadt mit und die Freunde-Suchmaschine Stayfriends weiß, dass er 1990 Abitur ebenfalls in Niedersachsen machte. Die ganze Recherche dauerte etwa eine Stunde. Herr Neugier ist zufrieden und hält die Rezension für glaubhaft. Klar ist aber auch, dass er, wäre er Schüler von Muster, nun genügend Informationen hätte, um einige unangenehme Schülerstreiche zu spielen. Privatsphäre. Warum ist es überhaupt wünschenswert, eine gewisse Privatsphäre zu erhalten? Das Konzept geht zurück auf Warren und Brandeis (1890) 81 , die »the right to be let alone« als wesentliches Element individueller Freiheit deklarieren. Bereits hier wird eine enge Verbindung zwischen technischer Entwicklung und dem Bedarf nach Datenschutz gezogen: »Instantaneous photographs and newspaper enterprise have invaded the sacred precincts of private and domestic life; and numerous mechanical devices threaten 274 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 274 to make good the prediction that »what is whispered in the closet shall be proclaimed from the house-tops.« For years there has been a feeling that the law must afford some remedy for the unauthorized circulation of portraits of private persons.« In Bezug auf das Sammeln von Daten wird Privatheit häufig mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden. Dieses Prinzip wurde 1983 durch das sogenannte Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts auf eine rechtliche Grundlage gestellt und gesteht jedem Bürger das Recht zu, über Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe von Daten, die ihn betreffen, selbst bestimmen zu können. Garstka weist darauf hin, dass »[d]as Wissen, dass Außenstehende jederzeit über Daten über das eigene verfügen können, […] auf das eigene Verhalten zurück [wirkt. So wird der Einzelne] von seinen grundrechtlich verbrieften Freiheitsrechten nicht mehr in dem Maße Gebrauch machen, wie ihm das die Verfassung garantiert.« (2003: 52) Es ist also festzustellen, dass sich eine fehlende Privatsphäre negativ auf das individuelle Gefühl der Freiheit auswirkt. Immer wieder trifft man jedoch auf Menschen, die behaupten, sie hätten nichts zu verbergen und deshalb keine Bedenken dabei, Datenspuren zu hinterlassen. Selbst ohne den Orwell’schen Überwachungsstaat zu zitieren, ist dem zu entgegnen, dass Menschen, die sich beobachtet fühlen, in der Tendenz stärker bemühen, mit ihrem Verhalten der allgemeinen Norm zu entsprechen. Wie schon in Kapitel 3.1.5 dargelegt, ist Diversität aber eine wesentliche Grundlage für die Entwicklungsfähigkeit und Innovationsfreude einer Gesellschaft. Kuhlen verbindet privacy mit dem »Recht auf informationelle Autonomie«, das er im Zusammenhang mit Datenschutz definiert als »die Fähigkeit, sich […] über die Konsequenzen von eingeschränkter oder selbst aufgegebener Privatheit sachkundig machen zu können. […] Ebenso die Fähigkeit, sich der Mittel vergewissern zu können, die es einem erlauben […] die eigene Privatheit zu schützen.« (2004: 189) Dieser Punkt ist vor dem Hintergrund einer Debatte wesentlich, die besonders in den USA geführt wird und zum Ziel hat, dass sich Bürger zwar per Verschlüsselung gegen gegenseitiges Aushorchen schützen können, dem Staat aber immer noch eine Hintertür offenbleibt, um die Daten zu sehen. Neue Risiken. Die neuen Möglichkeiten des Social Webs eröffnen auch neue Sicherheitsrisiken bezüglich des Datenschutzes. Hier sind vor allem drei Punkte zu nennen: 275 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 274 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 275 • Data-Mining. Das automatisierte Auswerten großer Datenmengen erlaubt es, in relativ kurzer Zeit viele Informationen zusammenzutragen. Nebenbei gewinnen die Bots und Spiders, wie die Programme genannt werden, die das Netz systematisch durchforsten, immer mehr an »Intelligenz«. Sie sind in der Lage, selbst aus Freitexten semantische Informationen abzuleiten und dadurch Querverbindungen herzustellen. Selbst wenn man über die Qualität der so gewonnenen Erkenntnisse streiten kann, können sie doch eine gute Basis für intellektuelle Weiterverarbeitung bieten. • Gesichtserkennung (Face Recognition). Auf dem Gebiet der Bilderkennung sind in den letzten Jahren enorme Fortschritte zu verzeichnen. So ist es mittlerweile nicht mehr schwer, Gesichter auf Bildern zu erkennen und auch zu identifizieren. Vor dem Hintergrund, dass sehr viele der in Social-Web-Applikationen hochgeladenen Bilder und Videos eine starke private Komponente besitzen und dort meistens nicht der Urheber zu sehen ist (der beispielsweise die Fotos gemacht hat), entzieht sich das Fotomaterial in der Tendenz der Kontrolle der Abgebildeten. Die Bildbearbeitungssoftware Picasa bringt diese Möglichkeit als Standard mit. Für das iPhone gab es 2010 eine Applikation »Recognizr«, mit der man per Kamera Gesichter aufnehmen und anhand von Profilen in Social Networks die zugehörigen Personen identifizieren lassen kann (Hoffmann 2010) 82 . In iPhoto, einem Programm zur Bildverwaltung für Mac OS X, und in vielen anderen Bildverwaltungsprogrammen gehört die Gesichtserkennung heute zum Standard. • Nachvollziehbarkeit. Während die klassische Recherche beinhaltet, dass viele Stellen angefragt werden müssen und häufig auch gewisse Hürden zu nehmen sind, um an private Daten heranzukommen (z. B. durch Auskunft bei Behörden), sind die Daten im Netz mehr oder minder frei verfügbar. Wenn sie nicht direkt offen zugänglich sind, reicht oft eine schnelle Anmeldung, um die gewünschten Informationen zu sehen. Daher ist es mittlerweile quasi für jedermann möglich, umfangreiche Recherchen durchzuführen. Leider wächst die Kompetenz im Umgang mit diesen Daten nicht in der gleichen Geschwindigkeit, so dass es häufig zu Fehlschlüssen kommt, die für die Betroffenen weitreichende Folgen, beispielsweise eine Ablehnung einer Bewerbung, haben können. Sag mir, wer deine Freunde sind. Gerade Social Networks bauen stark auf Beziehungen auf, die auch in Form von Kontaktlisten und ähnlichen Werkzeugen formalisiert und damit maschinenlesbar sind. Dabei werden von den Beteiligten auch massiv Aussagen über andere Teilnehmer getroffen. Das alte Sprichwort »Sag mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist« erhält somit eine ganz neue Dimension. 276 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 276 Nehmen wir als Beispiel die Business-Plattform Xing. Einer Personalabteilung steht es natürlich frei, auch dort über Sie zu recherchieren, bevor Sie eingestellt werden. Nachdem die Liste Ihrer Kontakte für jedes Mitglied offen einsehbar ist (darauf beruht der Gedanke von Xing), kann auch nachvollzogen werden, mit wem Sie Umgang pflegen. Sind das hohe Positionen in der Wirtschaft, so steigt Ihre Chance, eingestellt zu werden. Jeder kann angeben, dass Sie ein guter Bekannter von ihm sind. Vielleicht stimmt das aber gar nicht, Sie sehen die Verbindung nur als flüchtige Bekanntschaft oder schlimmer, wollen gar nicht mit dieser Person in Verbindung gebracht werden. Viele Plattformen, so auch Xing, gehen deshalb dazu über, Kontakte, die in dieser Form angegeben werden, auch vom Gegenüber bestätigen zu lassen. So gewinnt der Betroffene ein gewisses Maß an Kontrolle zurück. Dennoch warnt die Federal Trade Commission der USA (2006) 83 : »Social networking sites have added a new factor to the ›friends of friends‹ equation […] while the sites can increase your circle of friends, they also can increase your exposure to people who have less-than-friendly intentions.« Das Ganze eskaliert noch durch Dienste im Netz, die Identitäten aggregieren. Beispiele sind hier Personensuchen wie Yasni. Verschiedene Initiativen propagieren neue Standards, um Freundesnetzwerke auch außerhalb von Social Networks aufzubauen. So z. B. das Friend-of-a-Friend- Projekt (FOAF), das als Ziel ausgibt (FOAF 2004) 84 : »Using FOAF, you can help machines understand your home page, and through doing so, learn about the relationships that connect people, places and things described on the Web.« Das Mikroformat (siehe Kapitel 2.8.5) XFN will Links im Internet um ein Attribut erweitern, das Beziehungen darstellt: <a href="http: / / www.bob.name" rel="friend met colleague">… 277 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 276 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 277 Die Referenz weist dafür die folgenden Möglichkeiten aus (GMPG 2007) 85 : relationship category XFN values friendship (at most one): friend acquaintance contact physical: met Professional: co-worker colleague geographical (at most one): co-resident neighbor family (at most one): child parent sibling spouse kin romantic: muse crush date sweetheart identity: me Abb. 3.12: Neue Möglichkeiten von Freundesnetzwerken außerhalb des Social Webs (nach GMPG 2007) Sollte dieser Standard Anwendung finden, so werden ohne Kontrolle durch die Betroffenen sehr weitreichende Informationen über sie im Netz zu finden und durch Suchmaschinen wie spock.com leicht verfügbar sein. Auch wenn die zu vergebenden Werte durchweg nur positiv konnotiert sind, zielen sie zum Teil in sehr persönliche Bereiche der genannten Freunde, zumal diese Liste auch ausgeweitet werden kann. Bendrath (2007) 86 schreibt dazu in seinem Blog: »While this looks ok at first sight, I would want Alice to ask Bob before she does this, as he might not want everybody in the world to know that they are friends. It of course becomes more obvious if you consider Eve linking to Bob like this: href="http: / / www.bob.name" rel="affair" […]« Daten über andere beschreiben nicht nur Beziehungen. Multimediale Inhalte, allen voran Bilder, gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Auf vielen Fotos sind nicht nur einzelne Personen (die Uploader) zu sehen, sondern auch deren Freunde und Bekannte. In diesem Fall greift bisher keine Autorisierungsfunktion. Viele der Bilder bewegen sich im Spaß- und Partybereich. Dabei werden die Abgebildeten möglicherweise in Posen und Situationen gezeigt, von denen sie nicht möchten, dass diese an die Öffentlichkeit gelangen. Eine Studie von Hinduja und Patchin (2008) 87 zeigt, dass zwar nur 5,4 Prozent der jugendlichen MySpace-Benuzter Fotos von sich selbst in Badekleidung oder Unterwäsche veröffentlichen, aber die 278 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 278 dreifache Zahl, 15,5 Prozent, veröffentlichen Bilder von ihren Freunden in besagter Tracht. Mit den zunehmenden Möglichkeiten, Bilder auch mit Namen zu versehen (z. B. in StudiVZ), ist es nun auch möglich, sich alle - auch diffamierenden - Abbildungen einer Person anzeigen zu lassen. Neben der relativ harmlosen Variante, Informationen über Beziehungen zwischen Personen in Netz zu stellen, gibt es auch Formen, die durchaus justiziabel sind. Hogben (2007) 26 warnt vor sozialen und identitätsbezogenen Bedrohungen, von denen in diesem Zusammenhang zwei zu nennen sind: Stalking und Identitätsdiebstahl. Daneben ist auch der zunehmende Trend zur Rufschädigung zu nennen. Cyberstalking. Stalking bezeichnet die fortgesetzte Verfolgung, Belästigung oder Bedrohung einer anderen Person. Wenn dabei das Internet als bevorzugtes Medium verwendet wird, spricht man von Cyberstalking. Anwendungen des Social Webs bieten dafür eine besonders gute Grundlage, da hier eine Vielzahl persönlicher Informationen veröffentlicht ist. Das Phänomen ist nicht strikt geschlechtsspezifisch, meistens sind jedoch Frauen die Opfer solcher Aktivitäten. In einigen Fällen geht es soweit, dass physische Gewalt angedroht und auch ausgeführt wird. Das kann bis zum Tod des Opfers führen (vgl. Hinduja/ Patchin 2007 87 und Computerbetrug 2007 88 ). Besonders häufig werden junge Frauen zu Objekten der Begierde. Einen erschreckenden Fall schildert DonAlphonso in seinem Blog »blogbar.de« (2006) 89 : Eine Gruppe von bis zu 700 männlichen Mitgliedern einer Gruppe »für MÄNNER! « in StudiVZ hat es sich zur Aufgabe gemacht, aus den Bildern der weiblichen Teilnehmer des Social Networks ohne deren Wissen und Einwilligung eine Art monatliche Miss-Wahl zu veranstalten. Der Siegerin wurde dann die zweifelhafte Ehre zuteil, von den Mitgliedern der Gruppe gleichzeitig »gegruschelt« zu werden. »Gruscheln« ist ein Kunstwort, das sich an »kuscheln« anlehnt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form der Kontaktaufnahme innerhalb des Netzwerks, die besondere Zuneigung signalisieren soll. Man kann sich vorstellen, dass die Opfer über solche Aktionen wenig erfreut waren. Identitätsdiebstahl und -verwechslung. Die Hürden für die Erstellung eines Accounts im Social Web sind nicht sehr hoch. Nur selten wird die echte Identität eines Benutzers mit wirksamen Methoden verifiziert. Daher ist es einfach, sich auch als eine andere Person auszugeben. Das wird dann problematisch, wenn es diese andere Person wirklich gibt. Nicht immer ist in solchen Fällen Absicht zu unterstellen, vielleicht will sich ein User nur tarnen. Es wird aber von Vorkommnissen berichtet, bei denen eine Identität gezielt angenommen wurde, um die Reputation einer Person zu beschädigen (vgl. Meusers 2007) 90 . 279 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 278 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 279 Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang kann auftauchen, wenn mehrere reale Personen gleiche oder ähnliche Identitäten im Netz verwenden. Da viele Menschen, insbesondere Personalabteilungen, mittlerweile das Internet und vermehrt auch das Social Web verwenden, um sich ein Bild von Job-Aspiranten zu machen, kann das bei fehlendem Bewusstsein für diese Verwechslungsgefahr zu Schwierigkeiten führen. Rufschädigung. Eine Art Volkssport scheint mittlerweile die Variante zu werden, diffamierendes oder intimes Material über andere Menschen ins Netz zu stellen. Schüler machen sich beispielsweise einen Spaß daraus, Videos von Ausrastern ihrer Lehrer zu publizieren. Portale wie ex4you.de haben sich darauf spezialisiert, geschassten Liebhabern eine Plattform zu bieten, um Bilder ihrer Expartner - vorzugsweise unbekleidet - im Netz zur Verfügung zu stellen. Ein spektakulärer Fall, der auch ein moralisches Dilemma skizziert, ist ein Video, das den offensichtlich stark betrunkenen Schauspieler David Hasselhoff dabei zeigt, wie er versucht, einen Burger zu essen (Keith 2007) 91 . Pikanterweise wurde der Film von Hasselhoffs Tochter ins Netz gestellt, mit der Begründung, ihm damit einen Spiegel vorhalten zu wollen. Später wurde berichtet, dass Hasselhoff sogar selbst den Anstoß zur Veröffentlichung gegeben hat. Das Phänomen ist natürlich keineswegs neu. Bereits 1999 berichten Schmitz und König über Rachewebsites 92 . Dennoch hat die Verbreitung von Social Webs im Internet auch zu einer großen Reichweite von derartigen Verleumdungen geführt. Zu erwähnen ist noch, dass es mittlerweile verschiedene Angebote im Netz gibt, die gegen Entlohnung anbieten, unliebsame Daten aus dem Social Web zu löschen. Ob das in gewünschtem Maße gelingen kann, ist jedoch zu bezweifeln. Bewusstsein. Der wichtigste Schutz vor Missbrauch der eigenen Daten ist ein verantwortungsvoller Umgang mit persönlichen Informationen. Gross und Aquisti (2005) haben in einer immer noch aktuellen Studie untersucht, welche Daten in Facebook veröffentlicht werden. Fast alle Benutzer haben ein Bild von sich eingestellt und geben Auskunft über ihren Geburtstag. Die Angaben der persönlichen Interessen pendeln zwischen 60 und 70 Prozent mit Ausnahme politischer Einstellungen, die immerhin noch von der Hälfte aller Nutzer angegeben werden. Etwas weniger als die Hälfte der Benutzer äußern sich zu Adresse und Telefonnummer, also Daten, mit denen sie im echten Leben auch aufgespürt werden können. Dieses Bild wird durch verschiedene Studien in StudiVZ (Fritsch 2006) 93 und MySpace (Lenhart/ Madden 2007) 25 bestätigt. In der zweiten Studie wurde auch untersucht, welche Informationen - zumindest bei Teenagern - als besonders schützenswert 280 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 280 gelten. Dabei handelt es sich im Prinzip um Daten, die dazu führen, dass die betreffende Person auch im echten Leben leicht aufgefunden werden kann. In den meisten Social Networks ist es möglich, den Zugriff auf private Daten einzuschränken. Diese Einstellungen sind jedoch standardmäßig sehr freigiebig, so dass ein Eingriff vor dem Hintergrund des Schutzes der Daten angebracht erscheint. Laut Lenhart und Madden (2007) 25 schränken auch 66 Prozent der Facebook-Nutzer die Sichtbarkeit persönlicher Informationen ein. Diese Zahl erscheint auch heute noch optimistisch hoch. In einer Studie von Govani und Pashley (2005) 94 wird aufgelistet, in welchen Bereichen die Restriktionen erfolgen. Dabei erzielen Kontakt- und Profildaten mit etwas über 30 Prozent den höchsten Wert. Andere Angaben, z. B. Freunde oder belegte Kurse, sind bei mehr als 90 Prozent der User sichtbar. Die Studie gibt auch Anhaltspunkte über die Wirkung von Informationen über Datenschutz. Fünf Tage nach der Untersuchung hatten ungefähr 8 Prozent der Benutzer ihre Einstellungen geändert. Diese geringe Zahl deutet an, dass die Teilnehmer mit ihrer Datenschutzsituation im Großen und Ganzen zufrieden waren. Was kann man zum Schutz der Privatsphäre tun? Es ist trotz aller Gefahren für die Privatsphäre weder wünschenswert noch sinnvoll, sich dem Social Web komplett zu verweigern. Sichtbarkeit im Netz ist in manchen Bereichen mittlerweile essenziell. Darüber hinaus kann man die Datenspuren auch dazu nutzen, das eigene Profil so zu gestalten, dass es die eigene Reputation befördert. So sollte man gemäß dem alten Hackergrundsatz vorgehen: private Daten schützen, öffentliche nützen. Genauso wie man nicht im Pyjama aus dem Haus geht, sollte man im Netz nicht alles ausbreiten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Daten, die Ihr Schatten-Ich im Netz hinterlässt, erlaubt es aber ohne weiteres, sich auch guten Gewissens an Communitys zu beteiligen. Aus den Erkenntnissen dieses Kapitels lassen sich Handlungsanweisungen ableiten, die es potenziellen Datenspionen schwermachen. • Vorsichtig mit den eigenen Daten umgehen. Was nicht im Netz steht, kann nicht gefunden werden. Wie im obigen Fallbeispiel ersichtlich ist, reicht es selbst aus, nur kleine Informationsausschnitte zu besitzen, um damit weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen. Äußerungen im Social Web sind öffentlich und persistent. Sagen Sie dort nur Dinge, zu denen Sie auch stehen können. Besonders im Bereich Multimediainhalte ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Oberflächlich lustige Inhalte können auf lange Sicht auf Sie zurückfallen. • Folgen Sie dem Kant’schen Imperativ. Wenn Sie Daten über Dritte veröffentlichen, holen Sie deren Einverständnis ein. Auch hier gilt: Kleine Informationen können große Wirkung entfalten. Beachten Sie, dass hier gegebenenfalls sogar Persönlichkeitsrechte geltend gemacht werden können. 281 3.2 Gesellschaftliche Bedeutung www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 280 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 281 • Unterschiedliche Pseudonyme verwenden. Nutzen Sie die Möglichkeit, verschiedene Identitäten aufzubauen. Je sensibler die Inhalte, desto weniger sollte Ihr dortiges Ich mit den restlichen Identitäten in Verbindung gebracht werden können. • Pseudonyme möglichst wenig eindeutig wählen. Je eindeutiger ein Nickname ist, desto leichter kann er über Suchmaschinen identifiziert werden. Haben Sie umgekehrt einen Namen, der häufiger vorkommt, verwischen sich Ihre Spuren im Informationsrauschen des Netzes und sind schwerer mit ihm in Verbindung zu bringen. • Privacy-Settings nutzen. Achten Sie darauf, wer aus der Community welche Informationen über Sie sehen darf. Bauen Sie Vertrauen zu virtuellen Bekannten auf und geben Sie nicht auf Anhieb alles von sich preis. Häufig sind die Standardeinstellungen sehr freigiebig. Ein Blick in die Privacy-Settings ist auf alle Fälle lohnenswert. • Bewusstsein schärfen. Weisen Sie die Mitglieder Ihrer Community auf die möglichen Konsequenzen von zu großer Offenheit hin und bestehen Sie darauf, dass Sie Informationen, die über Sie selbst veröffentlicht werden, zuvor autorisieren können. Angesichts des ungebremsten Ausbaus staatlicher Überwachung im Web mögen solche Überlegungen zunächst in den Hintergrund rücken, doch zeigt genau die NSA-Affäre die Wichtigkeit, auch beim Datenschutz zu politischen und kulturellen Regelungen zu kommen, die zumindest Verfassungsrang haben, wenn nicht sogar in Einzelfragen völkerrechtliche Dimensionen annehmen sollten. Doch es beginnt im Kleinen, nämlich mit Debatten, Analysen und der Entwicklung geeigneter technischer Standards. Übungsfragen 1. Nennen Sie weitere Lehr-/ Lernszenarien bei denen der Einsatz von Social Software hilfreich sein kann. 2. Welche persönlichen Motivationsgründe gibt es, um sich an einem Netzwerk zu beteiligen? 3. Was versteht man unter »Crossmedia«? 4. Zeigen Sie, wie Blogs und Social Networks eine politische Dimension erreichen können. 5. Facebook, StudiVZ und XING versuchen immer wieder, die Erlaubnis von ihren Mitgliedern zu erhalten, ihre Kontaktdaten zu verwenden. Welches Geschäftsmodell steckt dahinter und wieso ist das problematisch? 282 3 Theorie des Social Webs www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 282 Literatur Benkler, Yochai (2006): The wealth of networks. How social production transforms markets and freedom. Yale University Press, New Haven Conn. u. a. In seinem vielbeachteten Buch stellt Benkler die Hypothese auf, dass eine Kultur, in der Informationen frei getauscht werden, sich als ökonomisch effizienter erweisen könnte als eine, in der Innovationen durch Patente und Urheberrecht erschwert werden. Goderbauer-Marchner, Gabriele/ Büsching, Thilo (2015): Social-Media-Content. UVK/ UTB, Konstanz. Umfassende Einführung in die Planung und Umsetzung erfolgreicher Content-Kampagnen im Social Media-Kontext. Ein hochwertiges Buch mit vielen Farbabbildungen und aktuellen Fallbeispielen. Grassmuck, Volker (2002): Freie Software. Zwischen Privat- und Gemeineigentum. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. Zum Thema Urheberrecht bietet Volker Grassmuck eine breit gefächerte und immer noch lesenswerte Einführung. Kuhlen, Rainer (2004): Informationsethik.UVK/ UTB, Konstanz. Rainer Kuhlen deckt in seinem Buch über Informationsethik viele der genannten Themen von theoretischer Seite her ab. Nuss, Sabine (2006): Copyright & Copyriot. Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus. Westfälisches Dampfboot, Münster. Eine nach wie vor grundlegende Studie zum Problemfeld geistiges Eigentum an den Beispielen Filesharing und freier Software. Solove, Daniel J. (2008): Understanding Privacy. Harvard University Press, Cambridge MA. Das englischsprachige Buch bietet eine Geschichte des Konzepts der Privatheit und entwickelt eine Theorie darüber, was Privatheit bedeutet. Zerfaß, Ansgar/ Pleil, Thomas (Hg.) (2015): Handbuch Online-PR. Strategische Kommunikation in Internet und Social Web. 2., überarb. u. erw. Auflage UVK, Konstanz. Eine sehr substanzielle Sammlung von Beiträgen zu Herausforderungen, Konzepten und Instrumenten der Online-Kommunikation. 283 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 282 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 283 4 Ausblick Wie geht es weiter mit dem Social Web? Tragfähige Prognosen über die künftigen Entwicklungen bleiben schwierig. Geht es nach dem US-amerikanischen Soziologen Jeremy Rifkin, befinden wir uns mitten in einer dritten industriellen Revolution, in dem das »Internet der Dinge«, regenerative Energien und Ressourcen, dezentrale Produktion über den 3D-Druck und kollaborative Gemeingüter zusammenwirken und den Kapitalismus zum Rückzug zwingen (Rifkin 2014). In diesem Szenario kommt dem Social Web die Rolle zu, die Kommunikation, den Austausch und das Speichern von Wissen und Daten mit öffentlichen Plattformen zu organisieren. Eine ökologische, demokratische und gemeinwohlorientierte Gesellschaft erscheint am Horizont. Und das Social Web mittendrin. Der Computerpionier und Gesellschaftskritiker Joseph Weizenbaum war für derartige Prognosen aufgeschlossen, verlangte aber von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehr Realismus: »Uns wurde ja immer versprochen, dass es besser sein wird. Das Komische an Computer Science und Informatik ist, dass es immer so viele Versprechungen gibt, wie schön die Zukunft sein wird. Und wir scheinen gerade nicht anzukommen. […] Wissenschaftler sollten realistischer sein, oder vielleicht sagen wir, bescheiden sein. So wie es die Naturwissenschaft vorher war. Ich weiß jetzt nicht, ob ›vorher‹ nun 50 Jahre oder 70 Jahre her ist. Auf jeden Fall war es früher die Aufgabe von Wissenschaftlern, zu beschreiben, was sie tatsächlich tun und den ganzen Verlauf zu dokumentieren, damit dieser wiederholt werden kann. Wie gesagt, heute sprechen wir in den Informationswissenschaften über die Dinge, die wir bald machen können.« (Ebersbach et al. 2003: 159 f.) Wir wollen daher zuerst einen kurzen Blick auf die technischen Herausforderungen der nahen Zukunft werfen, um dann im zweiten Schritt zu den anstehenden politischen und kulturellen Aufgaben zu kommen. 4.1 Herausforderungen der Technik Technologisch scheinen die wesentlichen Erfindungen des Social Webs erst einmal gemacht worden zu sein. Das Repertoire an Konzepten und eingesetzten Technologien wird seit zehn Jahren lediglich variiert. Natürlich gab es einzelne Weiterentwicklungen und ein großer Sprung in diesem Zeitraum war die steigende Bedeutung 284 4 Ausblick www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 284 mobiler Anwendungen für die Nutzung des Webs. Aber die Grundformen - Wikis, Blogs, Social Networks, Social Sharing und Microblogging - haben sich im Wesentlichen erhalten. Es wird weitere Entwicklungen geben und auch die Anwendungsgebiete sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft, aber gegenwärtig wenden sich die großen Akteure - Internetkonzerne wie Facebook, Google oder Twitter - anderen Aufgaben zu: Sie sichern sich Browsertechnologien, entwickeln Bezahlsysteme, eigene mobile Geräte, Cloud- und andere Technologieservices. Im Kampf um die strategische Positionierung im Web gehen die Investitionen aktuell in die Infrastruktur und weniger in die Weiterentwicklung des Webs als Medium. Big Data. Die Entwicklung der Technologien, die unter dem Schlagwort »Big Data« gefasst werden, könnte schon in naher Zukunft große Bedeutung für das Social Web bekommen. Big Data bedeutet zunächst nichts weiter als die schnellstmögliche Verarbeitung extrem großer Datenmengen. Hier haben die Suchmaschinen- und Chiptechnologien große Schritte gemacht. So können beispielsweise massenhaft Bewegungsdaten »just in time« ausgewertet werden. Hier startet IBM mit seinem Programm »Watson« ein künstliches Intelligenzsystem mit unglaublichen Fähigkeiten. Es ermöglicht das Durchsuchen riesiger unstrukturierter Datenbestände und Antwortzeiten in Sekundenbruchteilen. Die Beobachtung und Überwachung von Nutzerverhalten großer Gruppen im Web wird damit zum Kinderspiel. Zusätzlich werden diese Daten zu automatisierten Informationen zusammengesetzt. Schon heute werden Börsendaten in Sekundenbruchteilen von Computerprogrammen zu Zeitungsartikeln zusammengesetzt, ohne dass ein Redakteur darüber sehen muss oder auch nur erkennbar ist, dass kein Mensch, sondern eine Maschine den Text geschrieben hat. Diese Entwicklung schreitet rasant voran und könnte schon bald ein Projekt wie Wikipedia in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Die Entwicklung von Big-Data-Suchmaschinen ist soweit fortgeschritten, dass während der Eingabe von Suchbegriffen nicht nur erste Suchergebnisse ausgegeben werden, sondern die Suchmaschine Karten, Bilder, Texte, Metadaten und Produkte zu Überblicksartikeln zusammenstellen kann. Die Daten werden aus verschiedenen Quellen zusammengezogen. Die Suchmaschinen sind so konzipiert, dass sie möglichst selbstlernend sind und ihre Ergebnisse von sich aus optimieren. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Einerseits eröffnet sich ein nie dagewesener Zugriff auf Daten, andererseits wird die Zusammensetzung der Informationen zunehmend intransparent. Wenn dann noch maschinenproduzierte Texte dazukommen, wird es völlig undurchsichtig. Zudem könnten die wenigen Medien, in denen die Nutzer noch alle dasselbe sehen, wie in der Wikipedia, weiter in den 285 4.1 Herausforderungen der Technik www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 284 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 285 Hintergrund gedrängt werden. Es ergeben sich erhebliche kulturelle Herausforderungen. Bislang ist dies noch etwas Zukunftsmusik. Die Entwicklung der Technologie ist sehr teuer und anspruchsvoll. Sie erfordert zumindest im ersten Schritt sehr gut gepflegte Datenbestände und ein hohes Maß an Standardisierung in den Datenformaten. Doch wir könnten schon in wenigen Jahren sehr mit dem Thema Big Data und Social Web beschäftigt sein und nach Wegen suchen, wie Menschen kollaborativ diese Datenverarbeitungstechnologien in den Griff kriegen können. Infrastruktur. Der Ausbau der Infrastrukturen im Internet ist weiter ein großes und langfristiges Projekt. Betroffen sind nicht nur Strukturen für ein »Internet der Dinge«, in dem sich Maschinen direkt austauschen und koordinieren können, im Web und Medienbereich sind Knotenpunkte für die Sammlung, den Abgleich und die Standardisierung von Daten und freiem Wissen nötig. WikiData ist hier nur ein Projekt mit Zukunftscharakter. Auf der Plattform werden freie Daten für die Wikimediaprojekte gesammelt, die auch anderen Webplattformen zur Verfügung gestellt werden sollen. Weitere Plattformen für spezifische Wissens- und Anwendungsbereiche werden nötig. So z. B. ein Musikwiki, in dem nicht nur allgemeines Wissen über Musiker und Werke gefunden werden kann, sondern auch Metadaten, Bilddokumente, Musiknoten u. v. a.m. aus unterschiedlichen und verstreuten Quellen (Bibliotheken, Verwertungsgesellschaften, Archive, Verlage usw.) zusammengeführt und beispielsweise für neue mobile Anwendungen unter freien Lizenzen bereitgestellt werden. Der Aufbau solcher Wissens- und Technologieknoten ist aufwändig, würde aber sehr schnell vorangetrieben, sobald sich größere private oder öffentliche Akteure einzelner Branchen zusammenschließen. Teilweise versuchen Anbieter selbst zum Standard bei Plattformen oder Frameworks zu werden. Facebooks Anmeldeservice, der von fast allen größeren Webanbietern genutzt wird, ist ein Beispiel für solche Ansätze. Netzwerkarchitekturen verteilter Systeme. Dagegen gibt es immer wieder Anläufe, der Entwicklung von technologischen und kommerziellen Monopolen entgegenzuwirken. So hatten beispielsweise 2010 vier Informatikstudenten angekündigt, ein offenes, sicheres, freies und dezentrales soziales Netzwerk namens Diaspora zu entwickeln: »Wir glauben, dass sich Privatsphäre und Vernetzbarkeit nicht ausschließen müssen. Mit Diaspora übernehmen wir wieder die Kontrolle über unsere Daten, teilen sie mit anderen nach unseren eigenen Bedingungen und sichern unsere sozialen Verbindungen.« (Golem 2010) 95 286 4 Ausblick www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 286 Auch der bekannte Blogger Jörg Kantel (»Der Schockwellenreiter«) präsentierte 2010 die Vision eines Netzes, in dem Institutionen oder Netzkonsumenten ihre Quellensammlungen dezentral online stellen können. Die normalen Desktops würden dann zu Webservern, die sich über einfache Tools (Trackback, Pingback oder RSS) vernetzen. Dazu verwies er auf das mittlerweile eingestellte Projekt Google Wave, eine Kommunikationsplattform, die E-Mail, Instant-Messaging, Chat, Photos, Videos, Karten und Dokumente verband. In Google Wave sah er den Prototypen einer Peer-to-peer-Anwendung, weil Wave in andere Internetseiten eingebettet werden konnte und sich mit Anwendungen anderer Entwickler kombinieren ließ. Die dezentralen Netzwerktechnologien existieren also schon und könnten auch das Web nachhaltig verändern. Ein Trend, auf diesem Weg auch Selbstbestimmung zurückzugewinnen, liegt aber noch in ferner Zukunft. 4.2 Gesellschaftliche Herausforderungen Die Durchsetzung des Social Webs führte entscheidend zur Durchsetzung des ganzen Internets als Massenkommunikations- und Dokumentationsmedium. Wie noch nie zuvor werden Menschen in öffentliche Kommunikationsprozesse einbezogen und nutzen das Web als Arbeitsplattform. Entwicklung von Werten im Web. Das Social Web ist so in kurzer Zeit zum Leitmedium einer sich verändernden Gesellschaft geworden, über das sich Menschen nicht nur austauschen und koordinieren: Peter Kruse machte 2010 darauf aufmerksam, dass in den Netzen permanent Werte und Kulturen entwickelt werden, ohne dass die bestehenden Institutionen diese Dynamik wirklich wahrnähmen und produktiv in Richtung Beteiligung und Demokratie weiterentwickeln. Dabei verändere das Web die Selbstwahrnehmung und die Möglichkeiten der Beteiligung. Die Frage bleibe, wie man die kollektive Intelligenz am besten aktiviert. Wenn man so will, ist es das Medium, in dem die Gesellschaft schon heute öffentlich über ihre Situation und ihre Möglichkeiten nachdenkt. Die Internetnutzer beanspruchen diesen Raum und möchten die sich bietenden Möglichkeiten weitgehend uneingeschränkt nutzen. Der US-amerikanische Informatiker und Autor Jaron Lanier warnte 2014 vor den Konsequenzen, anlässlich seiner Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: 287 4.2 Gesellschaftliche Herausforderungen www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 286 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 287 »Künstler, die vom Urheberrecht profitierten, werden im neuen System ihr Recht verlieren. Arbeiter, die in einer Gewerkschaft organisiert waren, werden es nicht mehr sein. Fahrer, die bestimmte Lizenzen und Verträge hatten, müssen ohne sie auskommen. Und auch ganz normale Bürger, die ein Recht auf Datenschutz hatten, müssen sich der neuen Ordnung anpassen. Der Anspruch, dass alte Vorrechte über Bord geworfen werden müssen - etwa Datenschutz oder die Errungenschaften der Arbeiterbewegung -, um neuer technologischer Effizienz Platz zu machen, ist grotesk. Technologie-Idealisten betonen häufig, dass die alten Vorrechte unvollkommen, unfair und korrupt waren - was in vielen Fällen stimmt -, aber sie geben selten zu, dass die neue Situation eklatant weniger Rechte und ein erheblich größeres Maß an Ungerechtigkeit bietet. Allen Technologie-Schaffenden gebe ich zu bedenken: Wenn eine neue Effizienz von digitalem Networking auf der Zerstörung von Würde beruht, seid ihr nicht gut in eurem Fach. Ihr schummelt. Gute technologische Neuerungen müssen sowohl die Leistung als auch die Würde der Erbringer verbessern.« (Lanier 2014) 96 Lanier sieht die Lösung in der Formulierung eines neuen Humanismus. Veränderte Qualifikationsanforderungen. Ähnlich beurteilt der Webvordenker Dueck die Situation, wenn er 2011 darauf hinweist, dass mit den neuen Technologien - nicht nur Webtechnologien - die Hälfte aller Jobs überflüssig werden. Dies erfordert in seinen Augen eine neue Bildungsoffensive für alle und mit neuen Inhalten. Reines Fachwissen und Informationsvorsprung würden immer unbedeutender. Die Menschen der Zukunft müssten nichts mehr abarbeiten, sondern sich stetig wandelnde Prozesse steuern und Probleme lösen. Die im besten Sinne unternehmerische Persönlichkeit stehe immer stärker im Vordergrund. Um diese Entwicklung aktiv mitzugestalten, brauchen wir viele verschiedene Intelligenzen, die zusammengenommen eine »Professionelle Intelligenz« ausmachten. Die Überlegungen über eine neue Ethik, das Verhältnis des Menschen zur Technologie, über die Anforderungen an Qualifikationen setzen die Technologie zum Ausgangspunkt einer Veränderung, der die Menschen erst einmal passiv ausgesetzt sind. Und von Kruse über Lanier bis Dueck und Rifkin sind sich viele Vordenker darin einig, dass der technologische Fortschritt zu einer humaneren, demokratischeren und sozialeren Gesellschaft führen könnte. Gesellschaftliche Einbettung. Folgt man Weizenbaum, wäre dagegen ein Perspektivenwechsel nötig, mit dem zuerst gefragt wird, wie die Gesellschaft aussehen soll, in der eine Technologie wie das Social Web eingebettet ist. In den Worten von Joseph Weizenbaum: 288 4 Ausblick www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 288 »Das ganze Computerwesen oder ich würde sagen, jedes andere Instrument, ist nicht wertfrei. Der Wert einer Technologie, ob es nun etwas Neues ist oder nicht, wird von der Gesellschaft festgelegt, so dass in einer hochmilitarisierten Gesellschaft viele neue Technologien einen militärischen Wert erhalten. Sie werden militärisch genutzt, gefördert usw. In einer vernünftigen Gesellschaft - ich weiß nicht, ob es eine solche gibt oder nicht - würden wir vielleicht auch eine vernünftige Forschung haben. […] Die Technologie erbt die Werte der Gesellschaft, in die sie eingebettet ist.« (Joseph Weizenbaum 2003) Das Social Web birgt viele Ansätze für eine andere Gesellschaft, doch diese setzt sich nicht durch technischen Fortschritt oder durch Qualifikation des einzelnen durch. Dann werden Voraussetzung und Bedingung vertauscht. Man muss eine andere Gesellschaft zuerst denken, zusammen mit den Möglichkeiten der neuen Technologien. Die Technik und Nutzung der Medien ziehen dann nach. Dies wusste schon Bertolt Brecht, der in seiner Radiotheorie schrieb: Nicht das Radio ergreift die Massen, sondern die Massen ergreifen das Medium. Die Frage ist nur, was für eine Gesellschaft das Medium ergreift. 4.3 Anforderungen Kollaborative Kultur. Die prägende Form der Zusammenarbeit im Social Web ist die Kollaboration, das heißt die Arbeit an gemeinsamen Projekten ohne explizite Arbeitsteilung und hierarchische Strukturen. Großprojekte wie Wikipedia haben bewiesen, dass darin ein enormes Potenzial stecken kann. Die Welt im Netz und vor allem im Web ermöglicht kurzfristig völlig neue Kombinationen von Menschen und Gruppen. Diese Stärke ist zugleich die Schwäche. Kontinuierliches Arbeiten setzt viel Disziplin, soziale und kommunikative Fähigkeiten voraus, wenn z. B. Diskussionen mit Nutzern moderiert werden müssen, die sich untereinander kaum kennen und über das Web auch nur begrenzt über Foren und Chats kennenlernen können. Kollaborative Communities entwickeln daher immer auch ihre eigene Kultur, mit ihrer eigenen Sprache, mit ihren Codes, Themen, Zugriffen und Interpretationsmustern. Es entstehen Gruppenprozesse mit Einschluss- und Ausschlussmechanismen, wie in der nicht-digitalen Welt. Die Hackerkultur mit ihrer Ethik, ihren Dresscodes und ihrer spezifischen Sprache ist hier nur ein prominentes Beispiel unter vielen tausenden. 289 4.3 Anforderungen www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 288 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 289 Community-Projekte müssen Mindeststandards im Umgang miteinander und für ihre Arbeit entwickeln, wenn sie längerfristig existieren wollen und langfristige Ergebnisse mit Wirkungen über den eigenen Kulturraum hinaus produzieren möchten. So entwickelte sich bei Wikipedia ein großer Apparat mit Kontrollverfahren, Regeln für Quellenbelege, Archivierungen und was sonst noch nötig ist, um eine Onlineenzyklopädie betreiben zu können. Doch auch hier gibt es oft negative soziokulturelle Effekte. Außerhalb von Community-Projekten sind noch nicht einmal Mindeststandards formuliert oder durchgesetzt. Das beginnt in der normalen Kommunikation: Shitstorms, Beleidigungen, persönliche Angriffe, Mobbing sind allgegenwärtig und zerstören Kommunikationsräume und Kooperationsverhältnisse. Das Social Web ist auch im negativen Sinn ein Kampfplatz. Um diese Kämpfe produktiv zu wenden, müssen sich die Webnutzer weiterentwickeln. Gefragt sind mehr und mehr klassische Fähigkeiten, diskutieren, recherchieren, zusammenfassen, ein- und zuordnen können, Probleme und Konflikte lösen, moderieren können, Einschätzungskompetenz entwickeln, andere Kulturen, soziale Hintergründe und ihre Geschichte verstehen lernen. Aber auch Diskussionsräume gegen Zerstörung und Manipulation schützen lernen. Wir erleben das gegenwärtig in der Diskussion, wie mit der Manipulation der öffentlichen Meinung umgegangen werden soll, wie man mit PR-Manipulationen bei Wikipedia umgeht, wie man rassistische und fremdenfeindliche Gruppen in Facebook im Griff behält, was verlässliche Quellen sind, die man teilen kann, welche Beiträge ausgewogen und qualitativ hochwertig sind und welche nicht. Die Weböffentlichkeit vollzieht gerade nach, was in kleinen Communities bereits seit Jahren Thema ist. Sie tut das, um die Stärken des Webs, die offene Kommunikation und das schnelle themenzentrierte Arbeiten, zu erhalten. Ökonomie des freien Wissens. Für eine Welt aus offenen Webplattformen benötigen wir auch eine Vorstellung, wie die dazu nötigen Technologien finanziert, entwickelt und dauerhaft bereitgestellt werden können. Wir haben schon skizziert, dass viele Ideen dazu aus der Open-Source-Welt kommen. Analytiker wie Yochai Benkler sehen in den Produktionsweisen der Informationsökonomie, die auf kollektivem Lernen und Teilen von Wissen beruhen, die Chance auf eine neue Form der ökonomischen Produktion neben Märkten und zentraler Planwirtschaft. Ihre Hoffnung ist, dass Communities diese neue Form der ökonomischen Produktion entwickeln, weil sie ihre kollektiven Werke gegen die Verwertung und Vereinnahmung schützen wollen und müssen. Zwischenzeitlich werden aber wesentliche und strategisch zentrale Technologien und Infrastrukturen von großen börsennotierten Unternehmen entwickelt. Es gibt 290 4 Ausblick www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 290 daneben einige wenige nicht-kommerzielle Ausnahmen, wie die Wikimedia Foundation oder die Mozilla Foundation, die eine ebenfalls dauerhafte und kontinuierliche Entwicklung von Technologien und Services sicherstellen. Es wird mit neuen Zwischenformen experimentiert. Ein Beispiel ist das 2012 von Jimmy Wales gegründete Unternehmen TPO (»The People‘s Operator«), das sich als »Anbieter der Bürger«-Unternehmen versteht. Eine Mischung aus Mobilfunk-Dienst, einer Spendenplattform und einem Online-Netzwerk. Zehn Prozent der Vertragsgebühren werden bei »The People’s Operator« für wohltätige Zwecke gespendet und die Nutzer entscheiden, an wen gespendet wird. Die Hoffnung ist, so die Dominanz von rein gewinnorientierten Unternehmen wie Facebook, Google und Telefonanbietern zu brechen und eine technologische Alternative zu entwickeln. Wir erleben auf allen Ebenen einen Machtkampf um die Vorherrschaft im Web, und wie diese Entwicklung weitergeht ist offen. Die Promoter eines anderen Entwicklungsmodells hantieren aber gegenwärtig nur mit Teilantworten. Dort ist eine Bewegung für mehr Netzneutralität, woanders finden sich Gruppen, die über die Zukunft von Journalismus und Medien nachdenken, wieder andere möchten möglichst viel freies Wissen schaffen und arbeiten sich an Urheberrechten und Eigentumsfragen ab. Das Beispiel Libre Knowledge zeigt die Vieldimensionalität des Problems. Es reicht nicht nur freie Daten zu haben, wenn gleichzeitig die Trägersysteme und die Technologien dahinter proprietär sind. Denn so kann der Inhaber der Eigentumsrechte letztendlich immer bestimmen, was und wie publiziert wird. Als negatives Beispiel wird hier oft Apple zitiert, das sehr restriktiv ist, welche Inhalte in seinem App-Store angeboten werden können oder YouTube, das Inhalte löscht und Partnern Rechte entzieht. Auch die Mitarbeit an einer Plattform wie Wikimedia Commons ist für viele Beiträger frustrierend, wenn ihre Inhalte schon fast mutwillig gelöscht werden, weil ein Admin meint, die Publikation von Bildern aus Frankreich würde den US-amerikanischen Urheberrechten nicht entsprechen. Es bleibt die Aufgabe, die unterschiedlichen Antworten zu kombinieren und eine schlüssige Antwort für Finanzierungsmodelle zu finden. Schutz privater Daten. Zuletzt ist eine zentrale Gegenwartsfrage die nach dem Schutz privater Daten. Die NSA-Affäre hat hier das Bewusstsein in der Weböffentlichkeit radikal verändert. Das Misstrauen gegenüber staatlichen und kommerziellen Einrichtungen ist gestiegen. Nicht wenige fordern eine stärkere Kontrolle, wenn nicht gar die Auflösung staatlicher und privater Überwachungsorganisationen. Nun versuchen verschiedenen private Anbieter, dem Thema technologisch beizukommen, indem sie standardmäßig Verschlüsselungstechnologien integrie- 291 4.3 Anforderungen www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 290 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 291 ren. Sie sehen sich aber politischem Widerstand und Druck ausgesetzt, wenn Regierungen wie beispielsweise die Britische Regierung Cameron die Verschlüsselung für Geheimdienste rechtlich verbieten wollen. Weiter werden immer wieder Versuche gestartet, den Zugang zu Informationen aus kommerziellen oder politischen Gründen zu verschließen. So wurde beispielsweise 2010 die Internetseite WikiLeaks unter massiven politischen Druck gesetzt, als diese ein Video über einen Hubschrauberangriff von US-Soldaten auf Zivilisten im Irak publizierte (Spiegel Online 2010) 97 . Die weitere Entwicklung hier wird davon abhängen, wer sich in der öffentlichen Meinung langfristig durchsetzt, Kontrollen installieren und rechtlich fixieren kann. Wenn das Social Web »social« bleiben soll, Kollaboration und Selbstorganisation ermöglichen soll, so ist man letztlich immer mit der Demokratiefrage konfrontiert. Der Begriff der Demokratie bedeutet die gleichberechtigte Teilnahme aller an der Regelung der gemeinsamen Aufgaben, eine tendenzielle Identität von Regierenden und Regierten. Medien sind Vermittlungsinstanzen als Teil von Prozeduren, Handlungs- und Denkweisen, die das Bewusstsein und Denken erweitern und rückwirkend beeinflussen. »Mediendemokratie« ist nun ein Begriff, der entweder die Herrschaft über Medien oder durch Medien meinen kann. Beides hängt natürlich zusammen. Wenn Demokratie Herrschaft anders aufteilen soll, geht es zum einen um die gesellschaftliche Kontrolle der Medien und zum anderen um das Wissen über die Wirkungsweisen von Medien, also in diesem Sinne um Medienkompetenz, die sich mit jedem neuen Medium entwickeln muss. www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 292 293 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 292 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 293 Anhang Glossar A-Blogger Blogger mit sehr großen Zugriffszahlen auf ihren Blogs. Activity Stream Umgekehrt chronologische Auflistung von Interaktionen, die ein oder mehrere Benutzer auf einer Plattform tätigen. AdSense Werbeprogramm von Google, bei dem Werbeanzeigen gegen Entgelt auf eigenen Webseiten platziert werden. Die Auswahl der Anzeigen ist inhaltsbezogen und wird automatisch durch Google erzeugt. AdWords Gegenstück zu AdSense, bei dem die Werbetreibenden auf bestimmte Begriffe bieten um so höher in der Google Suche zu erscheinen Aggregator Programme, die RSS-Feeds herunterladen, verarbeiten und anzeigen. Ajax Technik, die es ermöglicht Teile eine Seite neu zu laden, ohne jedoch die ganze Seite nachgeladen werden muss. Dadurch verhalten sich viele Internetapplikationen wie lokale Anwendungen. Algorithmus Berechnungs- oder Auswertungsverfahren. Wird im Social-Web-Kontext oft verwendet, wenn es um komplexere Mechanismen geht, um Beiträge darzustellen oder zu bewerten. API (Application Programming Interface) Bezeichnet eine Programmierschnittstelle zur Anbindung von einem Softwaresystem an andere Programme. 294 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 294 Anhang App (Application) Kleines Programm, welches die à API einer Plattform nutzt, um darauf neue Funktionalitäten aufzubauen. Atom Bezeichnung für ein plattformunabhängiges Feedformat und ein Protokoll zum Ver- und Bearbeiten von Webinhalten Avatar Ein künstlicher Stellvertreter für eine Person in einer virtuellen Welt, wie etwa einem Computerspiel oder einem Chat. Barcamp Beliebte Konferenzform im Social-Web-Umfeld. Diese Konferenzen haben keine vorgegebene Agenda. Die Themen werden erst auf der Konferenz durch die Teilnehmer festgelegt. à Unkonferenz Blogroll Linkliste, die von einem Blog zu anderen führt. Blogosphäre Bezeichnung für die Gesamtheit aller Blogs und ihrer Verbindungen untereinander. CamelCase Besondere Schreibweise, um in Wikis einen Link zu setzen. Ein Wort beginnt mit einem Großbuchstaben und hat noch mindestens einen weiteren Großbuchstaben in der Mitte. Meistens werden mehrere Wörter einfach mit Großbuchstaben aneinander gesetzt, z. B. »WikiWort« oder »WasIstCamelCase«. CAPTCHA Ein Test zur Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine um sicherzustellen, dass bestimmte Dienste wie Foren oder Blogs nicht von Bots manipuliert werden, etwa durch Spam-Angriffe. Chat Medium für synchrone und asynchrone schriftliche Kommunikation mit einer oder mehreren Personen im Social Web. 295 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 294 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 295 Glossar CMS (Content Management System) Programme, mit denen gemeinsam Inhalte erstellt werden können. Neben TYPO3 und Joomla sind Wikis die bekanntesten Beispiele dafür. Community Mitglieder einer Plattform, die sich aktiv beteiligen und miteinander interagieren. Content Inhalte, die auf Social-Web-Plattformen bereitgestellt werden. Copyleft Lizenzmodell, das die freie Möglichkeit der Vervielfältigung, Verbreitung und Veränderung eines Werks garantiert, indem es diese Rechte nur einräumt, wenn bei der Weitergabe oder Modifikation die freie Lizenz erhalten bleibt Creative Commons Freie Lizenz, die die Nutzung eines Dokuments in verschiedenen Abstufungen regelt. Der Urheber hat die Option, die Nennung seines Namens vorzuschreiben, eine kommerzielle Nutzung zu erlauben und Veränderungen zu verbieten, unter Beibehaltung der Lizenz zu erlauben (»Share Alike«) oder generell genehmigen. Daher nicht zwangsläufig mit dem Copyleft-Prinzip konform. Crowd Bezeichnet im Social Web die große Masse an Menschen, die sich beteiligen. Crowdsourcing Auslagern von Arbeiten an die à Crowd. Crowdfunding Finanzierung von Projektvorhaben oder Firmenideen durch viele kleine Beträge, die durch die à Crowd bereitgestellt werden. CSS (Cascading Style Sheet) Mit CSS lassen sich Layout und Formatierungen eines Webangebots zentral und mit geringem Aufwand verwalten. 296 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 296 Anhang Cybermobbing Systematische Belästigung von Personen über die Plattformen des Social Webs. DOM (Document Object Model) Wird verwendet um Elemente auf Websites zu erzeugen, löschen und ein- und auszuschalten. Edit-War Zwei oder mehreren User löschen sich gegenseitig wiederholt ihre Beiträge. Feedreader Feedreader oder RSS-Reader, sind Programme, die Feeds einlesen und verarbeiten können. In den meisten Browsern und E-Mailclients sind bereits RSS-Reader integriert. Flame-War Ein Flame War bezeichnet eine beleidigend und unsachlich geführte hitzige Diskussion. Musterbeispiele sind dafür Diskussionen auf heise.de über Betriebssysteme. Folksonomy Neologismus aus »folk« und »taxonomy« und entspricht einer gemeinsamen, hierarchielosen Klassifizierung von Webinhalten, bekannt geworden durch del.ico.us. Follower Menschen, die sich über eine Social-Web-Plattform mit einem Teilnehmer verbunden haben und so über seine Aktivitäten und Beiträge informiert werden. Fork Aufspaltung einer Entwickler-Community eines Open Source Projekts in zwei Gruppen. Framework Sammlung von vorgefertigten Routinen und Funktionalitäten in einer Programmiersprache, die den Entwicklern als Grundlage dient, um komplexe Applikationen zu bauen. 297 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 296 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 297 Glossar GPL/ GNU (General Public License) Software-Lizenz, die das Copyleft-Prinzip begründet hat. Garantiert, dass Programme, die unter dieser Lizenz stehen, auch unter dieser Lizenz vervielfältigt, verbreitet und weitergegeben werden. Hashtag Schnelle Form von Tags. Sie werden erzeugt, indem einem Wort ein Hash (#) vorangestellt wird. Auf dieser Basis lassen sich Beiträge dann im à Activity Stream filtern. HTTP Protokoll zur Übertragung von Daten zwischen Webserver und Client. HTTPS Protokoll zur Verschlüsselung und Authentifizierung der Kommunikation zwischen Webserver und Browser im World Wide Web. Instant Messenger (IM) Programme die es ermöglichen in Echtzeit Nachrichten über ein Netzwerk zu verschicken und zu empfangen. Der bekannteste IM ist ICQ von der Firma Mirabilis. IRC (Internet Relay Chat) Steht für ein textbasiertes Chatsystem, in dem Benutzer entweder direkt oder über Channels miteinander reden. Kommentar Direkte Anmerkung zu einem Beitrag im Social Web. Lightweight Programming Models Einfach gehaltene Schnittstellen zwischen zwei Anwendungen. Like Ausdruck des Gefallens durch einen Klick auf einen entsprechenden Link. Der Like-Knopf wurde von Facebook populär gemacht. 298 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 298 Anhang Lurker Bezeichnung für passive, nur lesende Teilnehmer in Interneträumen. Mashup Vermischen von Webanwendungen, wie etwa das Einbinden von Google Maps-Karten oder YouTube-Videos in die eigene Website. Meme Konzept oder Idee, meist in Form eines Links, Bildes oder Texts, das sich schnell im Social Web verbreitet und häufig in Variationen nachgeahmt wird. MMOG (Massively Multplayer Online Game) Bezeichnet Internet-Spiele, die in einer andauernden Welt mit einer großen Anzahl an Spielern stattfinden. Newsreader à Aggregator NPOV (Neutral Point of View) Neutraler Standpunkt und einer der Grundsätze für das Schreiben von objektiven Artikeln in der Wikipedia. Open Edit Ein Text, den jeder verändern kann, so dass die Änderungen im Original erscheinen. Open Source Der Quelltext eines Programms ist frei verfügbar und darf von jedem verändert und weitergegeben werden. Permalink (auch Permanentlink) Eindeutiger Bezeichner, der die verlinkten Inhalte dauerhaft verfügbar macht, selbst wenn er nicht mehr leicht - wie z. B. über die Hauptseite eines Blogs - erreichbar ist. 299 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 298 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 299 Glossar Ping Computerprogramm zur Geschwindigkeitsüberprüfung zu einer bestimmten Adresse. Plugin Programm, dass die Funktionalität einer Software erweitert. Podcast Bezeichnet das Bereitstellen von Mediendateien, die mittels RSS abonniert werden können. Podcatcher Programme, die Podcast-Feeds abonnieren, speichern und anschliessend wiedergeben. Post Abgeschlossener Beitrag auf einer Plattform des Social Webs. Protokoll Sammlung von Regeln, die das Format und die Bedeutung von Zeichenfolgen bei der Kommunikation zwischen Computern festlegen. Recent Changes Seite eines Wikis, auf der die neuesten Änderungen aufgeführt werden. Remix Vorhandenes Film- oder Bildmaterial wird neu zusammengestellt, wodurch eine neue Bedeutung, oft mit satirischem oder politischem Hintergrund entsteht. Responsive Design Technische Gestaltung der Oberfläche einer Webseite so, dass sie auf Computerbildschirmen und auf mobilen Endgeräten gleichermaßen darstellbar und bedienbar ist. REST (Representational State Transfer) Programmierparadigman für den Austausch in verteilten Systemen. Wird oft als Alternative zu à SOAP verwendet. 300 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 300 Anhang Rollback Wiederherstellen einer alten Fassung einer Seite. RSS (Really Simple Syndication) Ermöglicht es Inhalte bzw. Änderungen einer Website in zusammengefasster Form als Feed zu abonnieren. Beispiele sind etwa Nachrichtenticker oder die Liste der Änderungen in einem Wiki. Ruby on Rails Webframework auf Basis von Ruby, mit dem datenbankbasierte Webanwendungen entwickelt werden können, wie etwa Qype.de. Sandbox Testseite im Wiki, auf der jeder den Umgang mit der Software lernen kann. Second Life MMOG, bei dem Spieler durch Figuren (Avatare) in einer künstlichen Welt miteinander Handel betreiben und interagieren können. Self Disclosure Das freiwillige Bereitstellen von sensiblen privaten Daten im Social Web. Sexting (aus Sex + Texting) Konversation über sexuelle Themen in abgeschlossenen Bereichen des Social Web, vornehmlich über mobile Geräte, zum Zweck der gegenseitigen Erregung. Screencasts Filme, bei denen Computerprogramme mittels gesprochener Hilfetexte und der Bildschirmausgabe erklärt werden. Semantisches Web Projekt des World Wide Web Consortium, das den Austausch von Informationen durch maschinenlesbare Dokumente erleichtern soll. Dabei werden u. a. maschinenlesbare Tags, Sematags verwendet. 301 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 300 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 301 Glossar Shitstorm Das massive Publizieren von kritischen, teils beleidigenden Äußerungen im Social Web nach einer Äußerung oder Aktion einer Person. Silver Surfer Bezeichnung für Internetnutzer, die älter als 50 Jahre sind und deswegen vermeintlich silbriges Haar haben. SOAP (Simple Object Access Protocol) Ermöglicht eine sehr genaue Beschreibung von Daten, die über einen Web Service transportiert werden. Social Bookmarking Online verfügbare Linksammlung, welche von anderen Nutzern mit Tags kategorisiert werden und damit ein von Menschen erzeugtes Suchverzeichnis ergeben. Die bekanntesten Plattformen für Social Bookmarking sind del.icio.us und Mister Wong. Start-up Junges Unternehmen mit innovativer Geschäftsidee und dem Ziel, schnell zu wachsen. Streaming Bezeichnet das andauernde Übertragen von Daten über ein Netzwerk wie etwa das Internet. Häufig werden Audio- und Videodaten übertragen, weshalb Streaming oftmals synonym mit Webradio bzw. Web-TV verwendet wird. Syndication (Syndizieren) Weitergabe von lizenzierten Inhalten an Kunden, die wiederum die Inhalte ihrerseits weiterverwenden. Ein Beispiel dafür ist die Übernahme von bezahlten Zeitungsartikeln in ein Intranet. Tag Cloud Eine Tag Cloud zeigt alle vergebenen Tags an, wobei die meistvergebenen Tags größer erscheinen und so die Relation untereinander angibt. 302 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 302 Anhang Tagging Beschreiben von Lesezeichen, Bildern oder auch Bloginhalten mit Schlagworten, sogenannten Tags. Die dadurch erstellten Sammlungen von Tags heißen auch à Folksonomien. Taxonomie Kategoriesystem, bei dem Webseiten in einer hierarchischen Struktur wie etwa bei den Gelben Seiten dargestellt werden. Die ersten Webkataloge waren Taxonomien, die aber durch optimierte Suchmaschinen zu Gunsten von Folksonomien verdrängt wurden. Toolbar Symbolleiste im Browserfenster, mit der spezifische Aktionen ausgeführt werden können. Trackback Funktion, über die Weblogs Informationen über Kommentare untereinander austauschen können. Troll Ein Troll werden Autoren bezeichnet, die keine sachlichen Reaktionen hervorrufen, sondern vor allem provozieren und reizen wollen. Unkonferenz à Barcamp Upload Das Einspielen von Dateien vom eigenen Rechner auf den Server einer Plattform. URI (Uniform Resource Identifier) Eindeutige Bezeichnung für Webressourcen. Usenet Ein einem schwarzen Brett ähnliches, öffentlich zugängliches Netzwerk für Diskussionsforen aller Art. Für die Teilnahme wird ein Newsreader gebraucht. User-generated content (nutzergenerierte Inhalte) 303 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 302 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 303 Glossar Inhalte die von privaten Nutzern ins Internet gestellt wurden. Beispiele dafür sind Wikipedia oder YouTube, aber auch Blogs. Virale Verbreitung Die schnelle Verbreitung eines Beitrags über das Social Web durch Teilen von Person zu Person. Virales Marketing Bezeichnet eine auf Mundpropaganda basierende Marketingform, welche über soziale Netzwerke geführt wird und mit minimalem finanziellem Aufwand für eine sehr große Produktverbreitung sorgt. Web Scraping Technik zum Auslesen des Inhalts aus dem Quellcode einer Website. Dazu werden die Webseiten abgerufen, die relevanten Daten extrahiert und für eigene Zwecke weiterverarbeitet. Web Service (Webdienst) Anwendung im Web, die es ermöglicht, dass andere Seiten über eine bestimmte Schnittstelle kommunizieren können. Widget Kleines Hilfsprogramm, welches kleinere Funktionen wie etwa das Anzeigen der Uhr übernimmt. WYSIWYG (What You See Is What You Get) Steht für Editoren, bei denen der Text im Bearbeitungsmodus so aussieht (What You See) wie später im fertigen Dokument oder im Ausdruck (Is What You Get). XFN. XHTML Friends Network Ermöglicht die Darstellung von Beziehung mit Links auf einer Website. So wird mit folgendem Link <a href="http: / / max.mustermann.de/ " rel="neighbour">Max Mustermann</ a>Max Mustermann als Nachbar klassifiziert. XML (eXtendable Markup Language) Standardsprache für maschinenlesbare Dokumente. www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 304 305 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 304 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 305 Literatur & Links Besprochene Websites Ein Verzeichnis aller Links finden Sie als Zusatzmaterial beim Aufrufen des Buches in www.utb-shop.de. 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A A-Blogger 73, 293 Abstracts 172 AdSense 293 AdWords 293 Affiliate 259 Aggregator 171, 293 Ajax 293 Anreizsystem 157 API 27, 134, 152, 171, 293 Applikation 28 ARPANET 15, 16, 19 Atom 173, 294 Aufmerksamkeitsökonomie 73 Autor-Leser-Interaktion 52 Avatar 187, 204, 294 B Backup 270 Barrierefreiheit 170 Beta 27, 215, 219 Bewerter 126 Big Data 284 Bildung 247 Blogosphäre 22, 72, 294 Blogparade 73 Blogroll 68, 294 Blogsuchmaschine 61 Blogtour 73 Breaking News 90 Browsing 123 Bugs 216 Bulletin Board System 16 C Cache 218 CamelCase 48, 294 Captcha 80 CAPTCHA 294 Channel 148 Chat 18 Client/ Server-Architektur 160 Clustering 145 CMS 62, 295 Communities of interest 127 Community 15, 35, 185, 191, 196 Content Package 249 Copyleft 263, 295 Copyright 136, 260 Corporate Blogs 64 Crawler 221 Creative Commons 134, 295 Crowd 23 Crowdfunding 256 Crowdsourcing 253 CSS 167, 178, 295 Cyberstalking 278 D Dashboard 222 Data-Mining 112, 275 Datensicherheit 269 DFÜ 16 Digital Rights Management 263 Diskussionsseiten 46 Distributed Computing 174 Document Object Model 167 DOM 167, 296 Dotcom-Blase 21, 24 332 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 332 Index Drag&Drop 164, 170 dynamische Webseiten 30 E Edit-War 46, 55, 218, 296 E-Learning-Plattform 248 Electronic Frontier Foundation 18 E-Mail 15, 18 Emoticons 186 Empfehlungshandel 137 Enterprise Wikis 41 E-Portfolio 249 Erweiterungen 219 Extensions 157 F Face-to-Face 204 falsche Identitäten 114 Feed 68 Feedreader 68, 171, 296 Filesharing 120 File Sharing Community 23 Flame-War 218, 296 Folksonomy 141, 143, 296 Follower 82 Forks 173 Frameworks 180 Freenets 18 G Gatekeeper 73 Geo-Tagging 146 Gesichtserkennung 275 GFDL 264 GNU 57, 219, 297 GPL 219, 297 Gruppe 192 H Hackerethik 17 Hackerkultur 16 Haftung 79, 266 High Performance Computing Act 19 History 48, 216 HTML 160 HTTP 160 HTTPS 297 I Identitätsdiebstahl 278 Identitätsverwechslung 278 Impersonation Problem 88 Information Retrieval 121 Instant Messenger 21 Instant Messenger (IM) 297 Interpreter 161 IRC 297 Isolationstendenzen 227 J Jargon File 17 Javascript 179 jQuery 180 K Kanalreduktionsmodell 188 Kategorien 122 Key Performance Indicators 221 Kollaboration 210, 211, 264, 288 kollaboratives Schreiben 51 kollektive Intelligenz 214 Kontaktlisten 275 Kunst 251 Kurz-URL 87 L LAMP-System 179 Libre Knowledge 267 Lightweight Programming 174 Lightweight Programming Models 27, 297 Likes 157 Linking Blog 62 Long Tail 254 333 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 332 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 333 Index Look&Feel 29 Lurker 72, 114, 298 M Mailbox 16 Many-to-many-Medium 39 Mapping-Mashups 153 Mashup 27, 152, 177, 298 Massive Multiplayer Online Games 21 Me-first-Motivation 121 Me-First-Strategie 210 Mehr-Ebenen-Networking 109 Memex 19 Metadaten 222 Microblogging 82 Micropayment 258 Mikroformat 182 MMOG 298 Mobbing 114 Mobile Tagging 28 Mobile Web 22 Monitoring 92, 221, 245 Motivation 55 N Nachrichten-Mashups 154 Nethnographie 223 Netiquette 46 Netizen 233 Netzpolitik 241 Neutral Point of View 51 Newsfeed 148 Newsreader 150, 298 NPOV 298 O On-Demand-Medium 78 Onlinedienste 18 Onlinetagebücher 63 Open Edit 298 Open Source 298 Open-Source-Technologie 29 P Pauschalierung 263 Pay per Click 258 Peer Review 217 Perl 58, 179 Permalink 67, 298 Personalcomputer 17 Pflichten 266 PHP 179 Ping 68, 299 Pingbacksysteme 60 PLATO 15 Podcast 76, 299 Podcatcher 76, 299 Politik 238 Polling 169 Pop-up 67 Posts 67 Precision 122 Premiummitgliedschaft 259 Privatsphäre 79, 273 Produzenten 126 Pull-Medium 148 Python 180 R Rapid Prototyping 219 Rating 119 Recall 122 Recent Changes 48, 299 Remix 299 Remix-Kultur 123, 252, 265 Remote Host 271 REST 175 Retweet 88 Rezipienten 126 RFC 16 Rich Internet Applications 163 ROI 221 Rollback 48, 300 RSS 35, 171, 300 334 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 334 Index Ruby on Rails 181, 300 Rufschädigung 79, 279 S Sandbox 48, 300 Scientific-Blogs 248 Screencast 136, 300 Screening 221 Screen Scraping 154 Second Life 300 Selbstinszenierung 229 Selfie 235 Semantisches Web 300 SF-LOVERS 15 Shopping-Mashups 154 Silver Surfer 301 SOAP 175, 301 Social Bookmarking 128, 301 Social Commerce 137, 245, 255 Social News 130 Social Plugins 110 Social Ratings 32 Social Sharing 118 Social-Sharing-Plattform 119 Social Software 22, 31 Social Tagging 188 Social TV 91 Sockpuppets 205 soziale Kämpfe 231 soziale Netzwerke 197 soziales Kapital 229 Spamming 80 Stalking 79, 114 Statistiken 159 Statusmeldung 89 Stöckchen werfen 72 Streaming 123, 301 Strong Ties 197 Sweat of the brow 261 Syndication (Syndizieren) 148, 301 T Tag Cloud 68, 146, 301 Tagging 68, 122, 129, 141, 217, 302 Targeting 112, 258 Taxonomie 142, 302 TCP/ IP 17 Telemediatisierung 212 Text-Mining-Verfahren 123 Ticker 86 Time-Sharing-System 13 Toolbar 121, 125 Toolkit 176 Trackback 60, 68, 72, 302 Troll 302 Tweet 84, 87 Twitter Clients 91 Twitterlesung 89 Twitterwall 91 U Umfragen 159 URI 175, 302 URL 28, 160 Usenet 17, 302 user-generated content 21, 26, 156, 210, 233, 302 V Vandalismus 55 Versionierung 46 Videoblog 65 virales Marketing 303 virtuelle Gemeinschaft 195 virtuelle Identitäten 204 Vollquote 172 W Warblog 64 Watchblog 64 weak ties 197 Web 2.0 24 Web-APIs 176 335 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 334 www.claudia-wild.de: [UTB_M]__Ebersbach__Social_Web(3)___[Druck_Grey]/ 29.03.2016/ Seite 335 Index Webcam 120 Weblogprogramm 80 Web-Monitoring 221 WebQuest 248 Webradio 134 Web Scraping 156, 303 Webserver 161 Web Service (Webdienst) 174, 303 Werbebanner 258 Who is online? 159 Whole Earth ’Lectronic Link (WELL) 18 Widgets 121, 154, 222, 303 Wiki-Klone 48 Wikipedia 22, 41, 46, 54 Wikiquette 46, 53, 213 Wiki-Tags 44 WikiWikiWeb 39 Wiki-Wort 48 Wirtschaft 243 WWW 19, 20, 24, 60, 192 WYSIWYG 163, 303 X Xanadu 20 XFN. XHTML Friends Network 303 XML 178, 303 XML-RPC 175 Klaus Beck Kommunikationswissenschaft 4., überarbeitete Auflage 2015, 266 Seiten 20 s/ w Abb., Broschur UTB 2964 ISBN 978-3-8252-4370-8 Andrea Beyer, Petra Carl Einführung in die Medienökonomie 3., überarbeitete Auflage 2012, 278 Seiten 80 s/ w Abb., Broschur UTB 2574 ISBN 978-3-8252-3846-9 Helena Bilandzic, Holger Schramm, Jörg Matthes Medienrezeptionsforschung 2014, 284 Seiten, Broschur UTB 4003 ISBN 978-3-8252-4003-5 Heinz Bonfadelli, Thomas N. 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Abb., Broschur UTB 4439 ISBN 978-3-8252-4439-2 Klicken + Blättern Leseproben und Inhaltsverzeichnisse unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.utb.de Weiterlesen bei utb.