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Medienrezeptionsforschung

0218
2015
978-3-8385-4003-0
978-3-8252-4003-5
UTB 
Helena Bilandzic
Matthes Jörg
Holger Schramm

Dieses Lehrbuch bietet einen kompakten und theoretisch fundierten Einstieg in die wichtigsten Ansätze der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung. Im Mittelpunkt steht das Individuum, das sich einem Medium zuwendet und es nutzt; die dabei ablaufenden kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Aspekte werden systematisiert und anhand von Beispielen dargestellt. Die Rezipientenaktivität wird in Kapiteln beleuchtet, in denen es um die Verarbeitung medialer Information, die Auswahl von Medien und Medieninhalten und die Rolle der Interaktivität für das Verarbeiten und Erleben von Medien geht. Ein weiteres wichtiges Feld sind die konkreten Formen des Rezeptionserlebens - etwa Emotionen und Stimmung, Präsenz und Transportation, Spannung und Interesse, Identifikation und parasoziale Interaktion, Realismus, Unterhaltungserleben sowie Prozesse der Verarbeitung persuasiver Kommunikation. Auch kulturelle und soziale Dimensionen der Rezeption werden skizziert. Das Lehrbuch setzt mit seiner klaren Struktur Akzente in der weitläufigen und verästelten Rezeptionsforschung und bietet Studierenden und interessierten Forscherinnen und Forschern einen guten Überblick.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 4003 <?page no="2"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 3 Helena Bilandzic Holger Schramm Jörg Matthes Medienrezeptionsforschung UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 4 Prof. Dr. Helena Bilandzic ist Professorin für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Rezeption und Wirkung an der Universität Augsburg. Prof. Dr. Holger Schramm ist Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation an der Universität Würzburg. Prof. Dr. Jörg Matthes ist Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Werbeforschung an der Universität Wien. Online-Angebote, elektronische Ausgaben sowie zusätzliche Materialien zum Buch sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Titelfoto: Shutterstock Druck: fgb freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Band-Nr. 4003 ISBN 978-3-8252-4003-5 <?page no="4"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 5 5 Inhalt Vorwort 9 1 Einführung 11 1.1 Medienrezeptionsforschung als Feld 11 1.2 Wichtige Begriffe 17 1.3 Neue Medienumgebungen, neue Rezeptionsweisen? 20 1.4 Die Auseinandersetzung mit dem Medieninhalt 24 1.5 Zusammenfassung 26 Zum Weiterlesen 27 2 Verarbeitung von Medieninhalten 29 2.1 Theoretische Grundlagen von kognitiven Prozessen bei der Medienrezeption 29 2.2 Informationsaufnahme: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit 32 2.3 Informationsverarbeitung: Speicherung und Abruf 37 2.4 Erinnerung, Abruf und Vergessen 45 2.5 Zusammenfassung 47 Zum Weiterlesen 48 3 Selektivität und Gratifikationen 49 3.1 Selektion bei der Medienrezeption 49 3.2 Nutzen- und Belohnungsansatz 51 3.3 Konsistenztheoretischer Ansatz 56 3.4 Zusammenfassung 60 Zum Weiterlesen 61 <?page no="5"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 6 6 Inhalt 4 Interaktivität 63 4.1 Interaktivität bei der Medienrezeption 63 4.2 Verständnisse von Interaktivität 65 4.3 Interaktivität im Rezeptionsprozess 70 4.4 Zusammenfassung 74 Zum Weiterlesen 76 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 77 5.1 Involvement 78 5.2 Resonanz und Selbstreferenzierung 86 5.3 Zusammenfassung 88 Zum Weiterlesen 89 6 Emotion und Stimmung 91 6.1 Grundlagen 91 6.2 Kategorien und Dimensionen von (Medien-)Emotionen 95 6.3 Empathie und Spannung 97 6.4 Emotionale Erregung 99 6.5 Regulation von Stimmungen und Emotionen 101 6.6 Einfluss von Emotionen auf die Verarbeitung von Medieninhalten 105 6.7 Zusammenfassung 108 Zum Weiterlesen 109 7 Narratives Erleben und Präsenz 111 7.1 Narratives Erleben 111 7.2 Präsenz 121 7.3 Zusammenfassung 126 Zum Weiterlesen 127 <?page no="6"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 7 7 Inhalt 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 129 8.1 Grundlagen der Wahrnehmung von Medienfiguren 129 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen mit Medienfiguren 131 8.3 Identifikation mit Medienfiguren 141 8.4. Sozialer Vergleich mit Medienfiguren 143 8.5 Zusammenfassung 145 Zum Weiterlesen 147 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 149 9.1 Realitätsbezug des Medienproduktes: Faktualität und Fiktionalität 150 9.2 Empfundener Realismus 154 9.3 Zusammenfassung 163 Zum Weiterlesen 164 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 165 10.1 Was ist Unterhaltung? 165 10.2 Unterhaltung als Erleben zwischen Überforderung und Langeweile 168 10.3 Unterhaltung trotz Überforderung und Belastung? 171 10.4 Unterhaltung als Metabzw. Makroemotion 173 10.5 Die Forschungsansätze zum Meaningful Entertainment 178 10.6 Zusammenfassung 180 Zum Weiterlesen 181 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 183 11.1 Grundbegriffe 183 11.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung 185 11.3 Urteilsbildung während oder nach der Rezeption 191 11.4 Abwehrverhalten bei der Medienrezeption 193 11.5 Zusammenfassung 199 Zum Weiterlesen 200 <?page no="7"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 8 8 Inhalt 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 201 12.1 Was sind mögliche soziale Dimensionen der Medienrezeption? 201 12.2 Soziale Konstellationen bei der Medienrezeption 203 12.3 Medienrezeption als Folge des sozialen Umfelds 209 12.4 Zusammenfassung 217 Zum Weiterlesen 218 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen der Medienrezeption 221 13.1 Medienrezeption als Kulturpraktik 222 13.2 Medienrezeption im interkulturellen Vergleich 231 13.3 Zusammenfassung 236 Zum Weiterlesen 238 Literatur 239 Index 279 <?page no="8"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 9 9 Vorwort Medienrezeption hat viele Gesichter: Ein Leser liest die Tageszeitung, eine Zuschauerin sieht fern, ein User nutzt das Internet und eine Hörerin hört sich eine Sendung im Radio an. Die Trivialität und Alltäglichkeit der Situation lädt zu einer Simplifizierung ein: Es hat den Anschein, als würden die Inhalte, so wie sie angeboten werden, von den Menschen auch genau so aufgenommen, vollständig und auf die Art und Weise, wie der Medieninhalt es nahelegt. Es scheint, als würden die Inhalte von jedem Menschen gleich verstanden und behalten. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Dass Menschen Medieninhalte nicht eins zu eins in ihrem Gedächtnis abbilden, dass sie manchen Aspekten Aufmerksamkeit schenken und anderen nicht, dass sie die Inhalte verschieden erleben und bewerten, begründet die Existenz der Medienrezeptionsforschung. Dieses Forschungsfeld untersucht die Prozesse, die während der Zuwendung zu einem Medium ablaufen; es betrachtet und systematisiert dabei die kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Aspekte, die zu unterschiedlichen Mustern in der Wahrnehmung, Interpretation und dem Erleben führen. Die Frage, wie Medieninhalte verarbeitet und erlebt werden, ist nicht nur akademisch und grundlagenwissenschaftlich interessant. Viele Bereiche der Kommunikations- und Medienpraxis können von den Erkenntnissen der Medienrezeptionsforschung profitieren: Im Journalismus ist es etwa hilfreich, die spezifischen Mechanismen der menschlichen Informationsverarbeitung sowie der Aufmerksamkeitslenkung zu kennen, um Nachrichten und Berichte zielgruppenadäquat zu gestalten. In der Werbung ist es wichtig, die emotionalen Reaktionen eines Publikums auf das Produkt und die Werbung zu antizipieren und zu wissen, wann Widerstände bei den Konsumenten zu erwarten sind. Bei der Produktion von Fernsehserien wird interessieren, dass Zuschauerinnen und Zuschauer langdauernde Beziehungen zu Figuren aufbauen und sich Programmloyalität unter anderem aus diesem Umstand erklärt. Dieses Lehrbuch wendet sich an BA- und MA-Studierende der Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie andere interessierte Studierende und Forscherinnen und Forscher. Da die Medienrezeptionsforschung ein relativ junges Forschungsfeld ist, übernimmt dieses Lehrbuch auch die Funktion, das Feld zu strukturieren und eine Orientierung in der weitläufigen Forschungslandschaft zu bieten. Das Lehrbuch ist in dreizehn Kapitel gegliedert, die die wichtigsten Themen der Medienrezeptionsforschung kompakt und für Einsteiger leicht verständlich darstellen. Die Kapitel sind jeweils Überblicke, die das Feld in seiner Entstehung, seinen Grundzügen sowie der aktuellen Forschung verorten. Zur weiteren Vertiefung sind ausgewählte Literaturhinweise mit Kommentaren angegeben. Übungsaufgaben bieten Wissens- und Transferfragen, die dem Leser und der Leserin zur Kontrolle beim Erkenntnisfortschritt dienen können. Um eine systematische Weiterrecherche zu <?page no="9"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 10 10 Vorwort unterstützen, stellen wir auf der Website www.utb.de/ shop eine thematisch sortierte Literaturliste bereit. Die Entstehung dieses Lehrbuches hat Rüdiger Steiner vom UVK-Verlag tatkräftig unterstützt. Wir danken ihm herzlich für seinen wertvollen Rat und seine Geduld. Unseren Probeleserinnen und -lesern, die das Projekt mit ihrer Expertise und ihrem Feedback weitergebracht haben, gilt ebenfalls besonderer Dank: Freya Sukalla, Prof. Dr. Susanne Kinnebrock und Christian Schwarzenegger. Constanze Küchler, Adina Mutter und Anna Wagner waren uns bei der formalen Bearbeitung der Kapitel eine große Hilfe. Wir widmen dieses Buch unseren Familien, die dieses Projekt mit Wohlwollen und Toleranz begleitet haben. Augsburg, Würzburg und Wien im Januar 2015 Helena Bilandzic Holger Schramm Jörg Matthes <?page no="10"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 11 11 1 Einführung Lernziele 1. Sie lernen die in der Medienrezeptionsforschung untersuchten Phänomene (Verarbeitung und Erleben) kennen. 2. Sie können die Medienrezeptionsforschung in der Kommunikationswissenschaft verorten und von anderen Traditionen der Forschung zu den Medienrezipierenden unterscheiden. 3. Sie verstehen die Charakteristika der Auseinandersetzung mit einer Medienbotschaft (subjektive Interpretation, Zeit, Intensität und Beschaffenheit). 1.1 Medienrezeptionsforschung als Feld 1.1.1 Reichweite der Medienrezeptionsforschung Es ist schwer, sich unsere heutige Welt ohne Medien vorzustellen: Das Angebot an traditionellen Massenmedien wie Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen ist ungeheuer vielfältig; das Internet sorgt dafür, dass Inhalte aus diesen traditionellen Massenmedien sowie von den Usern generierter Inhalt überall und jederzeit verfügbar sind. Die Medienrezeptionsforschung widmet sich der Frage, wie diese Medien und Medieninhalte von Menschen verarbeitet und erlebt werden. Definition: Medienrezeptionsforschung Die Medienrezeptionsforschung untersucht Verarbeitung und Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten. Die folgenden Fragestellungen sind typisch für die Rezeptionsforschung: • Was verstehen Zuschauerinnen und Zuschauer von einer durchschnittlichen Sendung der Tageschau? • Wann denken Zuschauerinnen und Zuschauer, dass Sendungen wie CSI der Realität entsprechen? • Warum haben Leserinnen und Leser Mitleid mit Harry Potter, der doch eindeutig nicht wirklich existiert? • Warum fühlen sich manche Menschen von Germany’s Next Top Model unterhalten, andere nicht? • Warum trauern Menschen, wenn eine beliebte Serienfigur in einer Serie stirbt? • Lesen Eltern Zeitungsartikel zur frühkindlichen Bildung anders als Nicht-Eltern? <?page no="11"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 12 1 Einführung 12 • Warum mögen nicht alle Männer Sportberichterstattung und warum nicht alle Frauen romantische Komödien? Derartige Fragestellungen kann man mit den zwei Prozessen, die wir oben bereits genannt haben, beschreiben: Verarbeitung und Erleben beziehen sich auf die kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Aktivität von Rezipierenden, die auf einen bestimmten Medientext gerichtet ist. Definition: Medientext Medientext wird hier umfassend gebraucht als medialer Inhalt mit seinen spezifischen formalen Merkmalen (etwa Fettdruck oder grafische Elemente in der Zeitung, Schnittfolge oder Animationen im Fernsehen), unabhängig davon, ob es sich um eine textliche, visuelle, auditive oder audio-visuelle Vorlage handelt. Definition: Rezipient und Rezipientin/ Rezipierende Rezipierende sind Personen, die aktuell einen Medientext verarbeiten, und ihn auf eine bestimmte Weise erleben. Verarbeitung bezeichnet die mentalen Vorgänge, die im Menschen ablaufen, wenn er oder sie sich einem Medientext widmet. Hier spielen Aufmerksamkeit, bestehendes Wissen, die interpretative Transformation und Speicherung medial vermittelter Informationen eine Rolle. Diese Fragen werden in Kapitel 2, Verarbeitung von Medieninhalten, behandelt und werden auch in den Kapiteln zum Erleben (s. u.) immer wieder thematisiert. Erleben beschreibt die Art und Weise, wie ein Medientext empfunden und interpretiert wird und welche Erlebnisse er den Rezipierenden ermöglicht. Dies ist der größte Bereich der Rezeptionsforschung und umfasst die meisten Kapitel in unserem Buch. In diesem Bereich besprechen wir, • wann Rezipierende Verbindungen zwischen sich und dem Medientext herstellen können (Kapitel 5: Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung), • wie Medientexte Emotionen ansprechen (Kapitel 6: Emotion und Stimmung), • wie Rezipierende sich in Medientexte vertiefen und die Vermittlung durch ein Medium ausblenden (Kapitel 7: Narratives Erleben und Präsenz), • wie Rezipierende Medienfiguren erleben (Kapitel 8: Wahrnehmung von Medienfiguren), • unter welchen Umständen Medientexte als realistisch empfunden werden, sogar dann, wenn sie fiktional sind (Kapitel 9: Realitätsbezug und empfundener Realismus), <?page no="12"?> 1.1 Medienrezeptionsforschung als Feld www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 13 13 • wie das Gefühl der Unterhaltung zustande kommt (Kapitel 10: Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen), • wie Menschen Medientexte verarbeiten, die sie von einer bestimmten Meinung überzeugen oder zu einem bestimmten Verhalten bewegen wollen (Kapitel 11: Verarbeitung persuasiver Kommunikation), und • wie soziale Dimensionen der Medienrezeption aussehen können (Kapitel 12: Soziale Dimensionen der Medienrezeption). Dem Verarbeiten und Erleben ist die Auswahl dessen vorgelagert, was rezipiert werden soll. Selektion bezeichnet die Auswahl eines Mediums oder einer Medienbotschaft. Ein Mensch kann etwa zwischen den verschiedenen Medientypen Fernsehen, Hörfunk, Zeitung und Internet auswählen; zwischen verschiedenen Medienprodukten (z. B. ARD und ZDF oder Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung), zwischen inhaltlichen Angeboten (in der Zeitung: Nachricht, Glosse, Kommentar; im Fernsehen: Nachricht, Film, Dokumentation) oder die Aufmerksamkeit auf verschiedene Informationen innerhalb eines konkreten Angebotes richten (vgl. Donsbach, 1989). Modelle, die Selektion und Gründe der Selektion darstellen, werden in Kapitel 3 (Selektivität und Gratifikationen) besprochen; Selektivität in digitalen, interaktiven, partizipativen Medienumgebungen wird auch Gegenstand von Kapitel 4 (Interaktivität) sein. Der Schwerpunkt dieses Lehrbuches liegt auf den psychischen Prozessen und dem subjektiven Erleben von Individuen, die wir als Basis für weitergehende Prozesse der Wirkung betrachten; im individuellen Erleben manifestieren sich jedoch auch kulturelle Aspekte, und das Erleben ist umgekehrt ebenfalls von diesen beeinflusst. Was es bedeutet, Kultur als Faktor und Bedingung der Rezeption einzubeziehen, werden wir in Kapitel 13 (Kulturelle und interkulturelle Dimensionen der Medienrezeption) besprechen. 1.1.2 Verortung in der Kommunikationswissenschaft Die Kommunikationswissenschaft gliedert sich klassisch nach den Elementen des Kommunikationsprozesses, die in einer eingängigen und vielzitierten Formulierung von Harold Lasswell (1948) zu finden sind: »who says what to whom in what channel with what effect«. Maletzke (1963, S. 35 f.) reduziert die Elemente auf folgende vier, die jeweils mit den großen Forschungsfeldern der Kommunikationswissenschaft verknüpft sind (vgl. Pürer, 2014, S. 109): 1. Der Bereich Sender untersucht Prozesse der Produktion und des Zustandekommens medialer Botschaften. Er findet sich in der Kommunikator- oder Journalismusforschung wieder (vgl. Maier, Stengel &-Marschall, 2010; Neuberger &-Kapern, 2013). <?page no="13"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 14 1 Einführung 14 2. Der Bereich Inhalt verweist auf die Medieninhaltsforschung, die die Aussagen selbst sowie Muster darin betrachtet, etwa zu Gewalt, Nachrichten oder sozialen Rollen (vgl. Bonfadelli, 2002; Maurer &-Reinemann, 2006). 3. Der Bereich Medium findet sich in Feldern wie etwa der Mediensystemforschung, Medienpolitik oder Medienökonomie wieder und untersucht Bedingungen, Struktur und Funktionsweisen von Mediensystemen (vgl. Beck, 2012; Puppis, 2010; Pürer &-Raabe, 2007; Stöber, 2013). 4. Der Bereich Empfänger schließlich fragt danach, was Rezipierende oder das Publikum mit den Inhalten machen. Hier ist die Erforschung von Nutzung, Rezeption und Wirkung verortet. Dies müssen wir freilich etwas näher betrachten, wollen wir Rezeption als Phänomen und als Forschungsgebiet von den anderen Optionen im Bereich Empfänger abgrenzen. Die Erforschung der Mediennutzung erfolgt zum einen theoretisch fundiert als Grundlagenforschung und zum anderen in einem angewandten, größtenteils kommerziellen Kontext. Mit einem Grundlageninteresse betrachtet man theoriegeleitet Nutzungsmuster von Rezipierenden, etwa ihre Medienrepertoires, crossmediale Nutzung, mobile Nutzung oder simultane und aufeinander bezogene Nutzung (in etwa abgedeckt von der strukturellen Perspektive bei Schweiger, 2007, S. 222 ff.). Zur Nutzungsforschung gehört auch die Einbindung von Medien in den Alltag, etwa in der Domestizierungsforschung (vgl. Hartmann, 2013; Röser &- Peil, 2012) oder die Erforschung von Mediengewohnheiten (vgl. Naab, 2013). Die Media- und Reichweitenforschung ist ein angewandtes Forschungsgebiet, das Daten zur Mediennutzung zum Zwecke der Planung und Vermarktung von Werbezeiten und -raum bereitstellt (Reichweitenforschung) und der Entwicklung und Optimierung von Medienprodukten dient (Mediaforschung) (vgl. Schweiger, 2007, S. 36 f.). Das Gebiet liefert wertvolle Basisdaten auch für die akademische Forschung (vgl. Frey-Vor, Siegert &-Stiehler, 2008; dazu auch Meyen, 2004). Die Wirkungsforschung erklärt individuelle und soziale Folgen von Massenkommunikation, z. B. Wissenszuwachs, Veränderung von Einstellungen, Einfluss auf Werte und Normen sowie Verhaltensänderungen (vgl. Bonfadelli &-Friemel, 2011; Bryant &- Oliver, 2009; Schenk, 2007). Dieses Gebiet ist mit der Medienrezeptionsforschung, wie wir sie in diesem Buch vertreten, verwandt. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass Lehrbücher der Wirkungsforschung auch Kapitel zur Rezeption enthalten (vgl. Bonfadelli &-Friemel, 2011; Schenk, 2007). Auch die wissenschaftliche Community fusioniert diese beiden Gebiete oft: Die Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft hat eine Fachgruppe Rezeptions- und Wirkungsforschung, die International Communication Association hat eine Fachgruppe für Mass Communication, in der Rezeption und Wirkung (von Massenmedien) gleichermaßen vertreten sind. Schließlich ist auch inhaltlich die Abgrenzung schwierig, weil viele Wirkungstheorien explizit Prozesse der Rezeption zur Erklärung der Wir- <?page no="14"?> 1.1 Medienrezeptionsforschung als Feld www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 15 15 kung miteinbeziehen- - es ist nachgerade Kennzeichen einer gereiften Wirkungsforschung, Rezeptionsprozesse zu berücksichtigen. Die Rezeptionsforschung hat sich im letzten Jahrzehnt jedoch als ein eigenständiges Forschungsgebiet herauskristallisiert, das sich nur den Phänomenen der Verarbeitung und des Erlebens widmet, ohne weitergehende Wirkungen zu betrachten. Dadurch wird ein Korpus von Wissen generiert, der mit einer Nebenbei-Betrachtung in der Wirkungsforschung nicht möglich wäre, aber durchaus wichtige Konsequenzen für diese beinhaltet. Es mag merkwürdig anmuten, dass so viele Forschungsgebiete einer Disziplin um die Nutzung kreisen. Von außen betrachtet, ist der Akt der Nutzung immer gleich: Jemand sitzt zum Beispiel vor dem Fernseher und sieht Nachrichten. Das ist die Situation, die die Rezeptionsforschung, Nutzungsforschung, Mediaforschung und Wirkungsforschung gleichermaßen interessiert. Der Blickwinkel ist jedoch entscheidend, um die Zugehörigkeit zu einem Forschungsfeld zu bestimmen: Man kann etwa einfach nur feststellen, dass die ARD um 20 Uhr eingeschaltet ist (wie man es in der Reichweitenforschung macht); man kann beobachten, dass die Zuschauerin parallel zur Tagesschau ihre Facebook-Seite aktualisiert (Nutzungsforschung); man kann herausfinden, dass die Zuschauerin keinen Bezug von den außenpolitischen Themen zu sich selbst herstellen kann (Rezeptionsforschung); schließlich kann man untersuchen, wie viele Themen aus der Sendung sich die Zuschauerin gemerkt hat (Wirkungsforschung). Ein und derselbe Akt-- und ganz unterschiedliche Blickwinkel darauf. Das ist die Eigenart der wissenschaftlichen Perspektive auf mediale Kommunikation: Hinter jeder Fragestellung steht eine bestimmte Perspektive, eine bestimmte Frage, ein Erkenntnisinteresse, das mit einem bestimmten Forschungsfeld assoziiert ist. Je nachdem, wie die wissenschaftliche Perspektive beschaffen ist, werden auch die Erkenntnis und die empirische Beobachtung anders ausfallen. Das erklärt, warum der Akt der Nutzung in den verschiedenen Feldern Mediaforschung, Nutzungsforschung und Rezeptionsforschung im Zentrum des Interesses steht-- und doch nicht zu den gleichen Erkenntnissen führt. Wie bereits dargestellt, liegen die Anfänge der Rezeptionsforschung noch nicht weit zurück. Am Anfang des 20.- Jahrhunderts, als sich die Kommunikationswissenschaft als eigenständige Disziplin zu behaupten begann, gab es nur vereinzelte Studien, die sich (ausschließlich) mit Rezeption beschäftigten. Beispiele dafür lassen sich in der Forschung von Lazarsfeld und Herzog (vgl. Herzog, 1941; Lazarsfeld, 1940) zum Radio finden (vgl. Kasten »Die Studie«). Erst in den 1970ern rückten Rezeptionsphänomene stärker in den Fokus der kommunikationswissenschaftlichen Community, als sich die Uses-and-Gratifications-Forschung (vgl. Kapitel 2) mit ihrer zentralen Frage nach dem Nutzen der Medien für das Publikum etablierte. Diese Richtung wurde abwechselnd als Gegenrichtung zur Wirkungsforschung (Paradigmenwechsel) (vgl. Blumler, 1979; Katz, Blumler &-Gurevitch, 1973) und als Teil davon behandelt (etwa in Lehrbüchern, vgl. Schenk, 2007), konnte aber noch kein eigenes Unterfeld der Rezeptionsforschung begründen. Dies änderte sich mit zwei Entwicklungen: Ab den <?page no="15"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 16 1 Einführung 16 1980er- und 1990er-Jahren erstarkte die psychologisch orientierte Richtung innerhalb der Kommunikationswissenschaft, die sich mit dem Erleben von Medien (z. B. verkörpert durch Dolf Zillmann mit seiner Forschung zur Stimmungsregulierung und zur Spannung, vgl. Zillmann, 1980, 1988) und der Informationsverarbeitung (z. B. verkörpert durch Annie Lang und ihre Kollegen, vgl. Lang, 2000) befasste. Rezeptionsforschung hat dementsprechend große Überlappungsbereiche mit der Medienpsychologie, da beide Gebiete sich mit dem Erleben und der Verarbeitung auseinandersetzen; die Rezeptionsforschung hat jedoch durch ihre zahlreichen interdisziplinären Einflüsse, die auch für die Kommunikationswissenschaft insgesamt charakteristisch sind, eine breitere Ausrichtung. Die zweite Entwicklung war die kulturelle Wende in der Kommunikationswissenschaft, die eine kritische und kulturorientierte Forschungsrichtung hervorbrachte, die sich dezidiert gegen den Gedanken mechanistischer Medienwirkungen wandte und sich aus kultureller Sicht mit Nutzung und Rezeption beschäftigte (vgl. z. B. Hall, 2007, orig. 1973). Beispielstudie Herta Herzog (1941). On borrowed experience. An analysis of listening to daytime sketches. Zeitschrift für Sozialforschung (Studies in Philosophy and Social Science), 9, 65-95. Verdienste: Herta Herzog arbeitete in einer Gruppe um Paul F. Lazarsfeld an einem Forschungsprogramm zum Radio in den USA, das Anfang des 20.- Jahrhunderts seinen Aufschwung als Unterhaltungs- und Bildungsmedium nahm (vgl. Lazarsfeld, 1940). Das Forschungsprogramm beschäftigte sich insbesondere mit dem Radiopublikum-- seinen Vorlieben und Gewohnheiten, seinem Umgang mit dem Medium und den Motivationen, Radio zu nutzen, sowie den Effekten, die Radioprogramme auf das Publikum haben. Herzogs Studie war eine der ersten, die sich den Motivationen widmete, die Menschen zur Nutzung populärer Medienprodukte veranlassen (neben der Studie von Lazarsfeld und Herzog zur erfolgreichen Radio-Rateshow Professor Quiz, vgl. Lazarsfeld, 1940, S. 64 ff.). Die Studie von Herzog wird als Vorläuferin der 20 Jahre später entstandenen Uses-and-Gratifications- Forschung gesehen. Ziele: Die Studie erforscht die Bedeutung von Radio-Seifenopern für regelmäßige Hörerinnen und untersucht, welche Motive zur Nutzung sie haben, und wie sie das Gehörte mit ihrem Alltag verbinden. Aufbau: 100 Frauen, die mindestens zwei Seifenopern regelmäßig verfolgen, wurden in einem persönlichen Interview befragt. Die Stichprobe wurde nach Alter und Einkommen variiert; die meisten waren Hausfrauen. <?page no="16"?> 1.2 Wichtige Begriffe www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 17 17 Methode: Die ersten 20 Interviews wurden offen geführt und dienten zur Entwicklung eines Fragebogens, mit dem die restlichen 80 Interviews dann durchgeführt wurden. Der Fragebogen deckte die Hörgewohnheiten, beliebte Themen und Sendungen ab, enthielt eine Motivliste für die Nutzung der Seifenopern und verglich die Beliebtheit von Radio im Vergleich zu Kino und Zeitschrift. Zudem wurde auch eine Reihe von Fragen zum Inhalt der Sendungen gestellt, etwa nach Ereignissen, die den Hörerinnen gut gefallen oder nicht gefallen haben, nach der Alltagsnähe und -relevanz. Neben den standardisierten Fragen konnten die Interviewer auch Kommentare der Befragten offen notieren. Ergebnisse: • Nur wenige Hörerinnen nutzen die Programme, weil sie nichts anderes zu tun hatten; vielmehr wird eine recht gezielte Nutzung deutlich, bei der die Frauen ihren Tagesablauf so gestalten, dass sie die Programme hören können. • Die Sendungen werden mit dem eigenen Leben verknüpft und entsprechend der eigenen Erfahrungen und Lebenssituation interpretiert. • Drei Arten von Gratifikationen, die die Hörerinnen für die Nutzung der Sendungen angeben, werden deutlich: 1. Die Sendungen bieten emotionale Erleichterung, indem sie ihren Hörerinnen eine Gelegenheit geben, Gefühle zu empfinden, die in ihrem Leben sonst keinen Platz haben, und ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen (vgl. »chance to cry«, S. 70). 2. Uminterpretation des eigenen Lebens: Die Sendungen erlauben es, andere Schicksale stellvertretend zu erleben und somit die eigenen Probleme zu vergessen, glückliche (fiktionale) Momente auszukosten und empfundene Unzulänglichkeiten des eigenen Lebens zu kompensieren. 3. Lebenspraktische Hilfe: Die Sendungen bieten ihren Hörerinnen Erklärungen und Ratschläge für alltägliche Vorgänge und Phänomene an und können die Welt weniger bedrohlich erscheinen lassen. 1.2 Wichtige Begriffe 1.2.1 Kommunikation Medienrezeptionsforschung setzt sich also mit der Verarbeitung und dem Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten auseinander. Die Rezeption ist in einen umfänglicheren Prozess der Kommunikation eingebunden-- was aber ist Kommunikation? Kommunikation ist nur in einem ganz technizistischen Sinne die Übertragung von Information (vgl. Sullivan, 2013, S. 3). Man kann durchaus erwarten, dass ein E-Mailprogramm alle eingespeisten Informationen vom Sender-Server zum Empfänger-Server überträgt. Bei Menschen, die auf der einen Seite Bedeutung in Botschaften <?page no="17"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 18 1 Einführung 18 packen und auf der anderen Seite Botschaften durch Bedeutung verstehen, kann man nicht von einer Übertragung sprechen: Es ist schließlich nicht gesagt, dass die intendierte Bedeutung auch wirklich beim Empfänger ankommt (in diesem Sinne also übertragen wird). Eine Sichtweise, die die Bedeutungen stärker in den Vordergrund stellt, ist hier angebrachter: Kommunikation wird als »Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen« (Maletzke, 1963, S. 18, kursiv im Orig.) gesehen. Stöber identifiziert drei Randbedingungen für Kommunikation zwischen Menschen, die die bedeutungsorientierte Sichtweise gut illustrieren (vgl. Stöber, 2008, S. 45 f; ähnlich auch Pürer, 2014, S. 66 f.): 1. Kommunikation ist intentional, das heißt, sie ist ein sinnvolles, mit einem subjektiven Sinn ausgeführtes Handeln-- es verfolgt also einen bestimmten Zweck; 2. Kommunikation ist reflexiv, also auf andere Menschen bezogen und ihre Reaktionen antizipierend; 3. Kommunikation ist vermittelt durch abstrakte Symbole, die auf Bedeutungskonventionen beruhen und in einer Sprachgemeinschaft gültigen Regeln folgen. Die Kommunikationswissenschaft setzt sich- - obwohl der Name es nahelegen würde-- nicht mit allen Formen der Kommunikation auseinander. Es geht meist um eine medienvermittelte Kommunikation, die die oben genannten Randbedingungen auf charakteristische Weise einschränkt. 1.2.2 Medien Wir sind so selbstverständlich von Medien umgeben und haben ihre Präsenz derart verinnerlicht, dass wir zu wissen scheinen, was der Begriff bedeutet. Was trivial erscheint, ist natürlich zu hinterfragen und verdient einen genauen und neugierigen Blick. Pürer (vgl. 2014, S. 68 f.) unterscheidet in Anlehnung an Harry Pross zwischen primären, sekundären und tertiären Medien: • Primäre Medien umfassen die menschliche Sprache sowie nicht-sprachliche Mittel der Kommunikation, die vom Menschen ausgehen, etwa Mimik, Gestik und Körperhaltung. Primäre Medien vermitteln Bedeutung zwischen Menschen, die miteinander in direktem Kontakt stehen und keiner technischen Übermittlung bedürfen. • Sekundäre Medien konservieren Bedeutung über den persönlichen Kontakt hinaus; sie erfordern eine technische Ausstattung auf Seiten des Kommunikators, nicht aber auf Seiten des Rezipienten-- Schrift und Druck sind Beispiele dafür. • Tertiäre Medien vermitteln Kommunikationsvorgänge, die sowohl beim Kommunikator als auch beim Rezipienten technischer Vermittlung bedürfen: Hierzu zählen elektronische und digitale Massenmedien, aber auch Mittel der Individualkommunikation wie etwa das Telefon oder E-Mail. <?page no="18"?> 1.2 Wichtige Begriffe www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 19 19 Die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich vorwiegend mit den Prozessen, in die tertiäre Medien involviert sind- - das schließt aber kommunikative Vermittlung durch Sprache und Schrift natürlich ein. Demnach sind auch in der Rezeptionsforschung vor allem die Prozesse relevant, die rund um das Rezipieren von Kommunikation erfolgen, welche durch tertiäre Medien vermittelt ist. Damit zusammen hängt der Vermittlungsmodus (vgl. Stöber, 2008, S. 40): Ein One-to-One-Vermittlungsmodus entspricht der typischen Situation in der Face-to- Face-Kommunikation (dem Gespräch von Angesicht zu Angesicht) oder auch dem Telefonat. Der One-to-Many-Modus ist die typische Situation in der Massenkommunikation (unten mehr dazu), in der z. B. professionelle Kommunikatoren einen Inhalt für viele Menschen produzieren. Schließlich ist der Modus Many-to-Many der typische Fall der vernetzten, partizipativen Kommunikation, bei der viele Menschen zu einem Inhalt (z. B. einem Wiki-Eintrag) beitragen, der wiederum einem größeren Personenkreis zugänglich ist. 1.2.3 Massenkommunikation Die klassische Massenkommunikation nimmt immer noch einen besonderen Stellenwert in der Kommunikationswissenschaft und der Rezeptionsforschung ein. Maletzke definiert Massenkommunikation als »jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft), durch technische Verbreitungsmittel (Medien), indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) an ein disperses Publikum […] vermittelt werden« (Maletzke, 1963, S. 32, kursiv im Orig.). Das disperse Publikum ist dabei eine interessante Konstruktion, die nötig wird, wenn man ein Publikum nicht über die physische Anwesenheit bei einem Ereignis definieren kann. Für Maletzke konstituiert sich das disperse Publikum durch die Zuwendung zu einem massenmedial vermittelten Inhalt. Wenn die Zuwendung beendet ist, ist auch das disperse Publikum nicht mehr existent. Insofern sind Publika »keine überdauernden sozialen Gebilde« (Maletzke, 1963, S. 28); ihre Mitglieder sind räumlich voneinander getrennt- - mit Ausnahme von Individuen, die in einer natürlichen Gruppe Medien nutzen (Familie, Freunde) (ebd.). Daran schließt sich die Frage an, was Publika eigentlich sind. Bei einem Präsenzpublikum ist es ganz einfach: Wer im Kinosaal oder im Theater während einer Aufführung sitzt, gehört zum Präsenzpublikum. Mit zunehmender räumlicher und zeitlicher Trennung und einer technischen Übertragung wird auch das Publikum weniger greifbar und abstrakter (vgl. Sullivan, 2013, S. 2 ff.). Daher spricht man vom Publikum als einer diskursiven Konstruktion (vgl. Bratich, 2005, S. 243), die empirisch, theoretisch oder politisch zustande kommt und keine greifbare Entsprechung in der Realität hat (vgl. Hartley, 1992, S. 105). Wie auch Maletzke betont, ist das Konzept <?page no="19"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 20 1 Einführung 20 des Publikums nicht als stabile Rolle zu verstehen, die jemand ständig innehat: Ein Mensch trägt sie nur in der spezifischen Mediensituation, nicht aber darüber hinaus; und nur unter der Bedingung, dass er oder sie sich einem Medium zuwendet-- das Publikumskonzept ist demnach situativ und kontingent (vgl. Sullivan, 2013, S. 6; Bratich, 2005). 1.3 Neue Medienumgebungen, neue Rezeptionsweisen? 1.3.1 Veränderungen in der heutigen Medienlandschaft Die technische Basis der heutigen Medienlandschaft ist die Digitalisierung, die Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe von Text, Bildern und Tönen in einem digitalen Code (vgl. Sullivan, 2013, S. 216); neben einer Effizienz in der Speicherung und Übertragung hatte diese Entwicklung auch den Vorteil, bestimmte Informationsformate (z. B. Text, audiovisuelle Produkte) von der vormals fest damit verknüpften technischen Plattform zu entkoppeln (z. B. Zeitung, Fernsehen) und auf vielen verschiedenen Endgeräten zugänglich zu machen (z. B. Computer, Mobiltelefon, Tablet) (ebd.). In der gegenwärtigen Medienlandschaft verschwimmen die Grenzen zwischen den Medien aus diesem Grunde. Die Medien konvergieren, sie nähern sich an, weil Inhalte, die ursprünglich von verschiedenen Massenmedien bereitgestellt wurden, nun auf einem Endgerät wiedergegeben werden können (vgl. ausführlich zur Konvergenz: Dwyer, 2010; Nightingale &-Dwyer, 2007). Zugleich ist Konvergenz nicht nur eine technische Vorgabe, sondern auch ein kultureller Prozess, den die Nutzer entscheidend mitprägen, wenn sie vernetzte Informationen ausschöpfen und andererseits auch selbst Inhalte produzieren und bereitstellen (vgl. Jenkins, 2006). Computer und Mobiltelefon ermöglichen den Zugang zum Internet und damit auch den Zugang zu den dort angebotenen Varianten der traditionellen Massenmedien Fernsehen, Hörfunk und Zeitung. Beim Internet kann man noch einmal unterscheiden nach den verschiedenen Diensten (z. B. Onlinenachrichten, Blogs, Wikis, Computerspiele, soziale Netzwerke, Streams, Podcasts). Auch wird Inhalt zunehmend nicht nur für ein Massenmedium produziert, sondern crossmedial über verschiedene Medien (und Dienste) hinweg. Dadurch rücken die tatsächliche technische Plattform in den Hintergrund und die Inhalte, die Erlebensweisen und die Praktiken in den Vordergrund (d. h., das, was die Rezipienten tun, vgl. Konzept des Kommunikationsmodus, Hasebrink, 2004). Fernsehen wird beispielsweise immer noch über konventionelle Fernsehgeräte empfangen; immer mehr Nutzer sehen jedoch auch auf ihrem Computer fern, über eine TV-Karte oder nutzen gezielt Sendungen, die sie auf den Webseiten der Fernsehsender vorfinden. Fernsehen bedeutet dann nicht, dass man den Fernseher anschaltet, sondern dass man den Dienst Fern- <?page no="20"?> 1.3 Neue Medienumgebungen, neue Rezeptionsweisen? www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 21 21 sehen in Anspruch nimmt, egal, ob über ein konventionelles Fernsehgerät, den Computer oder das Mobiltelefon. Es wäre allerdings falsch zu sagen, dass das technische Medium keine Rolle mehr spielt. Die Tätigkeit (z. B. das Sehen eines Fernsehprogramms oder Lesen eines Nachrichtenartikels) mag im Kern über Medien hinweg die gleiche sein; die technischen Möglichkeiten jedoch erlauben auch andere Nutzungsweisen (z. B. erlaubt ein Digitalrecorder zeitversetztes Fernsehen) und andere Erlebensweisen (z. B. ermöglicht ein großer Bildschirm ein intensiveres Vertiefen in einen Film als ein Smartphone-Display). Umgekehrt regen auch veränderte Nutzungsweisen die Entstehung neuer Angebote und technischer Möglichkeiten an (z. B. richten viele Fernsehsender wegen der Beliebtheit sozialer Netzwerke Angebote für die eigenen Produkte ein). Konvergenz hat auch zur Folge, dass sich die typische massenmediale Kommunikationssituation auflöst. Massenkommunikation und Individualkommunikation finden nun im gleichen Medium statt; die grundlegenden Akte des Konsums können deutlich stärker variieren als früher (vgl. Couldry, 2011, S. 219). Eine der Kernveränderungen, die die heutige Medienlandschaft erfahren hat, ist die unkomplizierte Möglichkeit für den nicht-professionell medienproduzierenden Menschen, eigene Inhalte ins Netz zu stellen und bestehende durch eigene Verknüpfungen zu vernetzen (vgl. Carpentier, 2011b; Engesser, 2013; Livingstone, 2012). Dies sorgt für eine Auflösung der traditionellen Rollen von Kommunikator und Rezipient, insbesondere durch die Aufhebung der Einseitigkeit und Linearität, die noch in Maletzkes (1963) Definition von Massenkommunikation zentral war. Die Implikationen für den Blick auf Information, Gemeinschaft und vor allem die Machtverhältnisse zwischen Laienproduzenten und professionellen Medienproduzenten, ja für Öffentlichkeit insgesamt, sind enorm- - von der Audience Autonomy als Kontrolle der Nutzer über den eigenen Medienkonsum (vgl. Napoli, 2011, S. 8 ff.) bis hin zu einer neuen, stärkeren, von unten geformten Öffentlichkeit (vgl. Carpentier, 2011a; Dahlgren, 2011). 1.3.2 Publikum und Als-Publikum-Agieren Die massenkommunikative Situation, in der viele Menschen mit den gleichen, zentral und professionell produzierten Inhalten erreicht werden können, wird also ergänzt von einer Situation, in der Inhalte dezentral produziert und unter Gleichgestellten verbreitet werden (vgl. Ridell, 2012, S. 19). Menschen können dabei zugleich Rezipienten und Produzenten sein. Dies hat dazu geführt, dass bisweilen das Publikum als tot proklamiert wurde (vgl. Bruns, 2008, S. 254), und andere Termini für Rollenbeschreibungen vorgeschlagen wurden, etwa Nutzer (user), oder Produser (als Wortneuschöpfung zwischen Producer und User, vgl. Bruns, 2008). Die neue Terminologie hat jedoch auch ihre Schwächen: Livingstone (2012) legt dar, dass User im Gegensatz zu Publikum keinen Bezug mehr zur sinngenerierenden Tätigkeit des Publikums hat: Lesen, Sehen und Hören von Text und Bildern muss im <?page no="21"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 22 1 Einführung 22 Gebrauch durch den Rezipienten in der Bedeutung entschlüsselt werden. Nutzen hingegen kann man auch Waschmaschinen, Bohrer und Autos- - hier steht keine sinngenerierende Tätigkeit im Vordergrund. Zudem, so Livingstone, wird das Publikum beim Ersatz durch User individualisiert, so dass die Gemeinsamkeit, der kollektive und öffentliche Charakter verloren gehen (vgl. Livingstone, 2012). Der Begriff des Publikums ist immer noch funktional und notwendig. Die Forderung, ihn zu ersetzen, ist von einer Überschätzung der Onlinemedien getragen: Zum einen tragen auch bei partizipativen Online-Medien längst nicht alle Menschen zur aktiven Contentproduktion bei-- die klassischen Publikumsaktivitäten Lesen, Sehen und Hören sind auch hier dominant (vgl. Carpentier, 2011b). Zum anderen sind nach wie vor die traditionellen Massenmedien ein wichtiger Bestandteil im Medienrepertoire von Menschen: Das Radio wird derzeit im Durchschnitt 199 Minuten pro Tag gehört (vgl. Rühle 2014) und das Fernsehen 221 Minuten pro Tag gesehen (vgl. Zubayr &-Gerhard, 2014). Auch die hybride Kategorie des Produser ist trotz einer oberflächlichen Plausibilität problematisch: Sie lässt die Unterschiede zwischen den beiden Tätigkeiten Nutzung und Produktion verschwimmen- - Tätigkeiten, die natürlich immer noch getrennt ablaufen und die sich fundamental voneinander unterscheiden. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma ist es, die Tätigkeit und nicht die Rolle zu betonen. Ein Mensch gehört nicht beständig zum Publikum, sondern nur dann, wenn er oder sie als Publikum agiert. Fiske (1992) hat lange vor der Existenz des Web 2.0 vorgeschlagen, Abstand vom Substantiv »Audience« zu nehmen und stattdessen das Verb »to audience« (als Publikum agieren) zu verwenden. Der Modus des Audiencing besteht demnach in der Auseinandersetzung mit bereits produzierten Materialien, eines kulturellen Produktes oder einer Medienrepräsentation; der Modus des Producing besteht darin, diese Materialien herzustellen (vgl. Ridell, 2012, S. 20). Ridell (2012) schlägt vor, die beiden Handlungsmodi Audiencing und Producing (definiert durch bestimmte typische Aktivitäten und je spezifische strukturelle Bedingungen) analytisch strikt voneinander zu trennen, aber im Kontext eines übergreifenden, medienbezogenen Handlungsprojektes zu sehen. So beginnt eine Beschäftigung mit Wikipedia oft mit der Absicht, Informationen über ein Thema nachzuschlagen (Audiencing); wenn ein Problem oder ein Fehler mit dem Inhalt entdeckt wird, kann ein Mensch motiviert werden, diesen Fehler durch eigene Hinzufügungen oder Korrekturen zu beseitigen (Producing). Ridell argumentiert nun dafür, diese Handlungen nicht als eine einzelne hybride Tätigkeit zu betrachten, sondern als eine Abfolge von aufeinander bezogenen, aber unterscheidbaren Handlungen in jeweils verschiedenen Handlungsmodi (vgl. Ridell, 2012, S. 23 f.). Ähnlich wie im Konzept des Audiencing hat auch bereits Maletzke (1963) die Tätigkeit in den Vordergrund gestellt: die Zuwendung zu einem massenmedial vermittelten Inhalt. Heute würde man den Akzent weniger auf die massenmediale Vermittlung legen, sondern eine mediale Vermittlung zur Bedingung machen: Jemand <?page no="22"?> 1.3 Neue Medienumgebungen, neue Rezeptionsweisen? www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 23 23 gehört dann zum Publikum, wenn er oder sie handelt wie ein Publikum (also produzierten Inhalt nutzt, wahrnimmt und interpretiert). In konvergenten Medienumgebungen ändert sich im Prinzip nichts an diesem Grundsatz; das technische (tertiäre) Medium mag heute variabel sein, aber die Vermittlungsmedien, die primären und sekundären Medien (Text, Bild, Ton), bleiben die gleichen und müssen vom Rezipienten auch als solche verarbeitet werden. Damit können wir auch den Gegenstand dieses Lehrbuches näher fassen und auf die Prozesse des Audiencing, des Als-Publikum-Agierens, eingrenzen. Bei uns geht es also nicht um den Modus der Produktion, sondern um den Modus der Rezeption. Auch wenn diese beiden Modi in der Realität häufig zusammen auftreten und sich in einem übergeordneten Handlungsprojekt (z. B. Wiki-Nutzung, vgl. Ridell, 2012) realisieren können, kann man diese Prozesse auf einer analytischen Ebene trennen, um sie im Detail zu durchleuchten und zu beschreiben. Wir behandeln die Mikroprozesse, die beim Audiencing über Medienplattformen hinweg im Prinzip ähnlich funktionieren: Verarbeiten von Sinn in Text und Bild, Aufmerksamkeit, Mitfühlen, Spannung erleben, Relevanz verspüren oder Medienpersonen wahrnehmen. Gegenstand der Medienrezeptionsforschung Medienrezeptionsforschung beschäftigt sich mit Phänomenen des Audiencing, des Als-Publikum-Agierens. Sie erklärt Prozesse der Verarbeitung und des Erlebens von medial vermittelten Inhalten in allen Medien, bei allen Themen und bei Texten jeder Genese (etwa professionelle oder Laienproduktion). Dabei wird unser Medienspektrum nicht auf Massenmedien, professionell produzierte Inhalte oder Inhalte von politisch-gesellschaftlicher oder zeitlicher Relevanz begrenzt sein (vgl. Einschränkung des Gegenstandsbereiches bei Schweiger, 2007, S. 17 f.). Der Wandel hin zur Networked Society und zur Medienkonvergenz verlangt von der Rezeptionsforschung auch Antworten auf andere Phänomene der medialen Rezeption, etwa zu virtuellen Welten, Avataren, Computerspielen, Musik, Film oder Internet-Diensten. Inhalte fließen zudem crossmedial und über Genres hinweg, so dass eine Isolation einzelner medial vermittelter Inhalte zuungunsten anderer nicht zielführend ist. Unter der Lupe: Reception =-Rezeption? Reception Studies im Englischen und der deutsche Begriff der Rezeptionsforschung klingen ähnlich, dahinter stehen allerdings ganz unterschiedliche Forschungstraditionen. Reception Studies ist der Name für eine ganze Reihe von Ansätzen, die sich mit der Auseinandersetzung von Publika mit Medientexten (wieder in einem umfassenden Sinne) widmen, aber in enger Verbindung mit dem Ansatz der Culwww.claudia-wild.de: <?page no="23"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 24 1 Einführung 24 tural Studies Interpretationen mit ethnographischen Methoden (d. h. kontextorientiert, kulturell eingebettet, kritisch) untersuchen (vgl. Livingstone, 1998, S. 237 f.) oder aber aus der Tradition der deutschen Rezeptionsästhetik aus der Literaturwissenschaft stammen (vgl. Sandvoss, 2011; ein umfassenderes, integratives Verständnis hingegen bei Staiger, 2005). In der eher amerikanisch geprägten quantitativen Rezeptionsforschung (an der sich dieses Lehrbuch auch vornehmlich orientiert) wird international der Begriff Reception für Rezeption so gut wie gar nicht verwendet. Das Gebiet wird am ehesten mit Media Processes oder Information Processing umschrieben und oft nur in Konjunktion mit der Wirkungsforschung behandelt (vgl. Nabi &-Oliver, 2009) oder aber als inhaltlich abgegrenzte Unterbereiche, etwa Unterhaltung (vgl. Bryant &-Vorderer, 2006), separat behandelt. 1.4 Die Auseinandersetzung mit dem Medieninhalt Die Rezeptionsforschung, wie oben in der Definition geschildert, verfolgt also die theoriefundierte Erklärung und Beschreibung von Prozessen der Verarbeitung und des Erlebens von Medien und medienvermittelten Inhalten. Man kann auch sagen, dass die Rezeptionsforschung sich mit der aktiven Auseinandersetzung des Rezipienten mit der Medienbotschaft befasst. Drei Aspekte charakterisieren diese Auseinandersetzung: die subjektive Interpretation, der zeitliche Ablauf sowie eine bestimmte Intensität und Beschaffenheit. Subjektive Interpretation der Medienbotschaft. Die Bedeutung eines Medientextes für einen Rezipienten kann nicht aus dem Text alleine abgeleitet werden. Erst die Rezipierenden konstruieren diese Bedeutung. Der Textgehalt wird nicht eins zu eins auf den Rezipienten übertragen; Menschen müssen Bedeutungen erst konstruieren. Früh und Schönbach bringen dieses Prinzip auf den Punkt, wenn sie schreiben, dass der Stimulus (also die Medienbotschaft) keine fixe Identität hat und erst einer Bedeutungszuweisung durch den Rezipienten bedarf (vgl. Früh &-Schönbach, 1982). Dies ist auch eine zentrale Annahme in kulturellen Ansätzen (vgl. Livingstone &- Das, 2013). Die zugeschriebenen Bedeutungen können nicht nur vom intendierten Bedeutungsgehalt des Textes abweichen, sondern auch bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausfallen. Regelmäßigkeiten trotz dieser prinzipiell individuellen Interpretationssituation werden ebenfalls angenommen und gesucht, aber nicht nur in sozialen Faktoren, sondern in individuellen Wissensbeständen, emotionalen Befindlichkeiten, Motivationen, persönlicher Relevanz ebenso wie in den inhaltlichen und strukturellen Charakteristika der Medienbotschaft. Gerade die Untersuchung von Charakteristika der Medienbotschaft bringen der Rezeptionsforschung (bzw. der Wirkungsforschung) oft den Vorwurf des Behaviorismus (vgl. Sandvoss, 2011), der Stimulus-Response- <?page no="24"?> 1.4 Die Auseinandersetzung mit dem Medieninhalt www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 25 25 Forschung oder der linearen Denkweise ein (vgl. Livingstone &- Das, 2013). Diese Vorwürfe beruhen allerdings auf einem veralteten Forschungsstand oder einer selektiven Rezeption der Medienwirkungsforschung; man kann das Stimulus-Response- Modell durchaus auch als Mythos begreifen, den es in der Wirkungsforschung nie tatsächlich gegeben hat (vgl. Brosius &-Esser, 1998). Gerade die Rezeptionsforschung geht von variierenden Interpretationen und Wahrnehmungen seitens der Rezipierenden aus; wenn es diese nicht gäbe, wäre auch die Rezeptionsforschung obsolet. Der Rezeptionsforschung geht es jedoch nicht um Idiosynkrasien (Eigenwilligkeiten von Einzelfällen), sondern darum, Muster und Regelmäßigkeiten zu entdecken. Diese Regelmäßigkeiten der Rezeption manifestieren sich in Zusammenhängen etwa mit den Merkmalen der Medienbotschaft oder aber Rezipientenmerkmalen (etwa der Persönlichkeit, den Lebensumständen, demografischen Merkmalen) bzw. dem komplexen Zusammenspiel von Botschafts- und Rezipientenmerkmalen. Zeit. Das zweite grundlegende Prinzip der Rezeption ist die Erkenntnis, dass alle Rezeptionsprozesse im engeren Sinne (also Verarbeiten und Erleben) einen Prozess darstellen, der während des Medienkontaktes und in der konkreten Situation, in der ein Medienkontakt stattfindet, abläuft. Die zeitliche Dimension hat in der Rezeptions- und Wirkungsforschung schon lange ihren festen Platz: So bezieht etwa das Dynamisch-Transaktionale Modell (vgl. Früh &-Schönbach, 2005) die sequentiellen und simultanen Abläufe von Rezeptions- und Wirkungsprozessen explizit in die theoretischen Erwägungen mit ein; auch aus anderen Perspektiven ist der zeitliche Ablauf relevant geworden (vgl. Suckfüll, Schramm &-Wünsch, 2011). In jedem Fall entwickeln sich Selektion, Verarbeitung und Erleben im Verlaufe einer Nutzungssituation weiter, sie sind nicht statisch. In speziellen Fällen ist nicht nur die Auseinandersetzung des Rezipierenden zeitlich variabel, sondern auch der Medientext selbst. Bei audiovisuellen oder auditiven Vorlagen etwa ändert sich der Stimulus selbst kontinuierlich. Die Verarbeitungserfahrung und das Erleben treten über die Zeit hinweg in einer bestimmten Situation auf- - das hat einige wichtige methodische Implikationen. So kann etwa die empfundene Relevanz einer Fernsehdokumentation an Stellen in der Sendung, in denen es um Frauen geht, für eine Zuschauerin besonders intensiv sein, an anderen Stellen aber weniger intensiv (dynamischer Prozess). Erhoben wird die Relevanz aber in einem Gesamturteil nach der Rezeption (statisches Urteil). Daher ist die Rezeption am besten in der Situation selbst zu erheben, idealerweise prozessbegleitend. Nicht immer ist das möglich, aber eine minimale Voraussetzung ist, dass der Stimulus recht kürzlich wahrgenommen wurde. Deshalb (und wegen der Suche nach Kausalität) ist in der Rezeptionsforschung oft ein experimentelles Setting zu finden. Je weiter entfernt die Erfahrung von der Erhebung, umso eher erfasst man Vorstellungen und Rationalisierungen der eigenen Erfahrung. Intensität und Beschaffenheit. Die dritte Beschreibungsebene stellt im Gegensatz zu den ersten beiden Kriterien kein konstantes Merkmal dar, das alle Auseinandersetzungen mit dem Medientext gleichermaßen charakterisiert. Vielmehr können die Kritewww.claudia-wild.de: <?page no="25"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 26 1 Einführung 26 rien Intensität und Beschaffenheit das konkrete Rezeptionserleben in Kombination beschreiben. Intensität bezeichnet dabei die Stärke des Erlebens und der Verarbeitung. Beispielsweise kann die Immersion in eine Geschichte in ihrer stärksten Ausprägung dazu führen, dass eine Person an einer Haltestelle ihren Bus verpasst, weil sie so vertieft ist, dass sie die Geräusche und Bewegungen aus der Umwelt ausblendet. In ihrer schwächsten Ausprägung versteht ein Leser zwar eine Geschichte, kann sich auf das Buch aber nicht einlassen. Beschaffenheit drückt diskrete innere Zustände aus (d. h. voneinander qualitativ unterschiedliche Zustände). Sie kann sich unterschiedlich äußern, etwa in Bezug zum eigenen Leben und Erfahrungen, in der Emotionalität, oder durch einen Bezug auf Personen im Medientext. Die zwei Kriterien Interpretation und Zeit stellen so etwas wie Vorbedingungen dar, den Akt der Mediennutzung als Rezeption zu betrachten: als einen Prozess, in dessen Verlauf die Interpretation der Medienbotschaft entscheidender ist als der objektiv feststellbare Gehalt und der mindestens während der Zeit abläuft, die jemand braucht, um sich mit dem Medientext auseinanderzusetzen. Das dritte Kriterium, die Intensität und Beschaffenheit, drückt das Streben aus, die Verarbeitungs- und Erlebensweisen zu klassifizieren und Ursachen wie auch Konsequenzen zu erklären. Dass also Medienrezeption Interpretation im Zeitverlauf darstellt, wird in der Rezeptionsforschung vorausgesetzt; die Kapitel dieses Lehrbuches behandeln dann theoretische Modelle und empirische Forschung zur Beschaffenheit und Intensität von Rezeptionserleben. 1.5 Zusammenfassung Die Medienrezeptionsforschung befasst sich mit der Verarbeitung und dem Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten. Auch in einer veränderten Medienlandschaft, in der einem Laien sowohl die Rezeption als auch die Produktion und Verbreitung von Medieninhalten möglich sind, kann und muss Audiencing (Als- Publikum-Agieren) theoretisch beschrieben und empirisch untersucht werden und ist zentraler Gegenstand der Rezeptionsforschung. Wir sehen die Rolle des Publikums demnach nicht als statisches, sondern als variables, situatives und handlungsabhängiges Merkmal: Wer als Publikum agiert, ist zu diesem Zeitpunkt Publikum. Dabei gibt es keine Einschränkung bei den Medien, Themen und oder der Genese (etwa professionelle oder Laienproduktion)-- wenn jemand als Publikum agiert, wird er ein Fall für die Rezeptionsforschung. Die Auseinandersetzung der Rezipierenden mit einem Medientext (Bezeichnung für den medialen Inhalt mit seinen spezifischen formalen Merkmalen, unabhängig davon, ob es sich um eine textliche, visuelle, auditive oder audio-visuelle Vorlage handelt) hat drei Merkmale: (1) Der Medientext wird vom Rezipierenden interpretiert; (2) Die Auseinandersetzung findet in einer bestimmten Situation über die Zeit hinweg statt, d. h. sie ist ein Prozess; (3) Die Auswww.claudia-wild.de: <?page no="26"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 27 27 Zum Weiterlesen einandersetzung mit dem Medientext kann durch die Intensität und Beschaffenheit beschrieben werden. Übungsaufgaben 1. Definieren und finden Sie Beispiele für die zentralen Konstrukte der Rezeptionsforschung Verarbeitung und Erleben. 2. Was ist am Konzept des Publikums problematisch? Inwiefern bringt die Fokussierung auf die Tätigkeit des Publikums (Audiencing) mehr Präzision? 3. Medienkonvergenz hat weitreichende Auswirkungen auf die Nutzung. Welche Auswirkungen kann Medienkonvergenz auf Intensität und Beschaffenheit der Rezeption haben? Zum Weiterlesen Bratich, J. Z. (2005). Amassing the multitude: Revisiting early audience studies. Communication Theory, 15(3), 242-265. Der Aufsatz präsentiert eine historische Betrachtung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Publika und liefert eine äußerst interessante kritische Analyse von Perspektiven, die hinter frühen Diskursen zum Publikum stecken-- empfehlenswert für eingefleischte empirisch-analytische Denker zur Erweiterung der Perspektive. Ridell, S. (2012). Mode of action perspective to engagements with social media: Articulating activities on the public platforms of Wikipedia and YouTube. In H. Bilandzic, G. Patriarche &-P. Traudt (Hrsg.), The social use of media. Cultural and social scientific perspectives on audience research (S. 19-35). Bristol: Intellect. Das Kapitel von Ridell stellt eine treffende und klarsichtige Analyse von Audiencing in neuen Medienumgebungen und kollaborativen Kontexten vor. Lazarsfeld, P. F. (1941). Remarks on administrative and critical communications research. Zeitschrift für Sozialforschung. Studies in Philosophy and Social Science, 9, 2-16. Dieser Essay ist ein einzigartiges Dokument der frühen Forschung zum Rezipienten, das die Spannung zwischen empirischer und kritischer Forschung aufgreift. <?page no="27"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 28 <?page no="28"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 29 29 2 Verarbeitung von Medieninhalten 1 Lernziele 1. Sie lernen die Grundlagen der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung kennen. 2. Sie verstehen, wie Medieninformationen abgespeichert, gelernt und abgerufen werden können. 3. Sie erlernen die Grundlagen für die Erklärung von verschiedenen Phänomenen bei der Rezeption von Medienbotschaften, wie die Erinnerung und das Verständnis von Nachrichten oder Spielfilmen. 2.1 Theoretische Grundlagen von kognitiven Prozessen bei-der-Medienrezeption Bei der Verarbeitung von Medienbotschaften, beispielsweise bei Nachrichten oder Spielfilmen, nehmen Rezipienten in der Regel eine aktive Rolle ein. Sie selektieren wichtige Informationen von unwichtigen, integrieren die Informationen in bestehende Wissensschätze, lernen neue Informationen, speichern diese ab und können sie-- unter bestimmten Bedingungen-- später wieder abrufen. Aktiv bedeutet dabei nicht zwangsläufig, dass sich die Rezipienten jedes einzelnen Schrittes bewusst sind und diese willentlich beeinflussen. Viele Prozesse laufen auch ganz automatisch ab, im Grunde wie auf Autopilot. Für das Verständnis dieser grundlegenden Prozesse ist es notwendig, dass wir uns in diesem Kapitel mit den kognitiven Grundlagen der Rezeptionsforschung beschäftigen. Darunter fällt die Beschreibung des menschlichen Denkens und Verstehens bei der Nutzung von unterhaltungs- oder informationsorientierten Medienangeboten und der damit verbundenen Prozesse wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung. Wir lernen in diesem Kapitel grundlegende Prozesse bei der Medienrezeption kennen. Viele der im Folgenden vorgestellten Konzepte und Modelle stammen aus der psychologischen Kognitionsforschung. Sie liefern einen wichtigen Hintergrund für die folgenden Kapitel in diesem Buch. 1 Das Kapitel beinhaltet Passagen des Kapitels »Kognition« von Jörg Matthes aus dem Buch »Handbuch Medienrezeption« (2014, hrsg. von Carsten Wünsch, Holger Schramm, Volker Gehrau und Helena Bilandzic), Nomos-Verlag. Wir danken Verlag und Autor für die Freigabe und die freundliche Kooperation. <?page no="29"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 30 2 Verarbeitung von Medieninhalten 30 Der kognitive Apparat des Menschen Ein Begriff, der in der Rezeptionsforschung eine sehr große Rolle spielt, ist Kognition. Unter Kognition versteht man vereinfacht die Gesamtheit der informationsverarbeitenden Prozesse und Strukturen eines intelligenten Systems (vgl. z. B. Kluwe, 2001; Wirth, 1997). Darunter fallen eine Reihe von Phänomenen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken, Problemlösen sowie Sprachverarbeitung und Sprachproduktion. All diese Eckpfeiler sind eng miteinander verbunden. Wir können uns den Begriff Kognition im Allgemeinen als einen Prozess vorstellen, der mehrere Stufen zwischen einem Reiz und einer dadurch verursachten Reaktion beschreibt. Bezogen auf die Medienrezeption erklärt die kognitive Perspektive, wie Menschen beim Umgang mit Medien Informationen wahrnehmen, sie aufnehmen, verarbeiten, abspeichern und wieder abrufen können. Definition: kognitive Prozesse Unter kognitiven Prozessen bei der Medienrezeption versteht man alle informationsverarbeitenden Vorgänge, die ab der Wahrnehmung eines Reizes bis zur dadurch verursachten Reaktion ablaufen. Darunter fallen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken, Problemlösen, Sprachverarbeitung und Sprachproduktion. Seit der sogenannten kognitiven Wende in den 1970er-Jahren wird der kognitive Apparat des Menschen in der psychologischen Grundlagenforschung vereinfacht in Analogie zu einem Computer beschrieben, der Informationen aufnehmen, verarbeiten und abspeichern kann und dessen Rechenleistung begrenzt ist (vgl. Neisser, 1974; Schank &-Abelson, 1977). Ausgangspunkt fast aller psychologischen Modelle des menschlichen kognitiven Apparates ist daher die Annahme, dass die Umgebung eines Organismus als interne Repräsentation abgebildet und gespeichert werden kann. Der kognitive Apparat wird dabei als ein informationsverarbeitendes System verstanden, das durch seine Sinnesorgane Informationen aufnimmt, sie in interne Repräsentationen umwandelt, sie verarbeitet, aber auch verändern und reproduzieren kann. Die Verarbeitung der wahrgenommenen Informationen- - beispielsweise einer Fernsehnachricht- - erfolgt dabei immer auf Basis der bisher gespeicherten Informationen bzw. des bisher vorliegenden Wissens oder der bestehenden Prädispositionen der Rezipienten. Schon auf Basis dieser vereinfachten Vorstellung wird deutlich, dass interne Repräsentationen kein simples Abbild der Umgebungsinformation darstellen. Dies hat mindestens zwei Gründe: • Erstens operiert der kognitive Apparat hoch selektiv. Dies liegt in erster Linie daran, dass unsere Ressourcen zur Informationsaufnahme und -verarbeitung limitiert sind, wie wir später noch ausführlicher sehen werden. Das bedeutet, nur ein <?page no="30"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 31 31 2.1 Kognitive Prozesse bei-der-Medienrezeption geringer Teil der auf uns einströmenden Informationen wird tatsächlich beachtet und weiter verarbeitet. • Zweitens hängen die Verarbeitung der einströmenden Informationen sowie die interne Repräsentation erheblich vom aktuellen Zustand des kognitiven Systems ab, also unserem Vorwissen, Einstellungen, Stimmungen, Emotionen oder unserer kognitiven Auslastung. Abb. 2.1 zeigt das Grundmodell des kognitiven Apparates nach Wickens et al. (2004), das sich in ähnlicher Form auch bei anderen Autoren wiederfinden lässt (vgl. Kluwe, 2001; Lang, 2000). Das Modell besteht aus mehreren grundlegenden Komponenten: (1) Dem sensorischen System, das für wenige hundert Millisekunden sensorisch verfügbare Informationen abbildet; (2) der Aktivierung dieser Informationen durch unsere Wahrnehmung; (3) dem Arbeitsgedächtnis, das die Informationen beinhaltet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bewusst sind; (4) dem Langzeitgedächtnis als permanentem Wissensspeicher sowie (5) der Reaktionsselektion und -ausführung. Das Schaubild zeigt einen idealtypischen Informationsverarbeitungsablauf. In einem ersten Schritt nimmt unser sensorischer Apparat auditive, visuelle, olfaktorische oder haptische Reize auf. Dieses sensorische System verfügt zwar über eine sehr hohe Kapazität, allerdings sind diese Reize nur sehr kurz verfügbar. Durch den Prozess der selektiven Aufmerksamkeit wird ein Teil dieser sensorischen Informationen für die weitere Verarbeitung ausgewählt. Nur dieser Teil gelangt dann in den Wahrnehmungsapparat. Die wahrgenommene Information kann mit dem Wissen aus dem Langzeitgedächtnis abgeglichen werden. Damit wird den eingehenden Informationen Sinn und Bedeutung verliehen. Langzeitgedächtnis Enkodierung Reaktionsselektion Aufmerksamkeitsressourcen Gedanken und Entscheidungsbildung Wahrnehmung Arbeitsgedächtnis Sensorisches System Reaktionsausführung Verarbeitung Reaktion Quelle: Wickens et al., 2004 Abb. 2.1: Grundmodell des kognitiven Apparates (vgl. Wickens et al., 2004) <?page no="31"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 32 2 Verarbeitung von Medieninhalten 32 Dies kann nun zu zwei unterschiedlichen Prozessen führen: Erstens können sowohl die eingehenden Informationen als auch Informationen aus dem Langzeitgedächtnis in das Arbeitsgedächtnis übertragen werden. Hier erfolgt nun eine Verarbeitung der Information in Form von Gedanken oder Entscheidungen. Am Ende dieses Prozesses steht die Reaktionsselektion bzw. die Reaktionsausführung. Zudem kann die Information im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Beispielsweise registrieren die Rezipienten beim Schauen eines Werbeblocks im Kino eine Vielzahl von Werbeinformationen. Ein Teil dieser Informationen gelangt in den Wahrnehmungsapparat, beispielsweise Informationen über den Geschmack eines neuen Softdrinks. Diese Information wird vor dem Hintergrund des bereits bestehenden Wissens über Softdrinks eingeordnet und im Gedächtnis abgespeichert. Für diesen Prozess können die Rezipienten je nach Situation und Schwierigkeit der Informationen geringe oder hohe Aufmerksamkeitsressourcen investieren. Schließlich gelangen die Rezipienten zu der Entscheidung, den Drink einmal zu probieren und setzen dies ggfs. später auch um. Zweitens kann eine direkte Reaktionsselektion und -ausführung erfolgen, ohne dass eine weitergehende Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis erfolgt. Dies wären automatische Reaktionen und Handlungen, über die Rezipienten nicht weiter nachdenken. Beispielsweise kann bei Werbebotschaften das Markenimage verbessert werden, ohne dass die Rezipienten dies bemerken und ohne dass sie kognitive Ressourcen investieren (vgl. z. B. Schemer, Matthes, Wirth &-Textor, 2008). Auch die sogenannte implizite Urteilsbildung, die wir später kennen lernen werden, beschreibt einen solchen Prozess. Zusammenfassend zeigt das Modell alle wichtigen Eckpunkte im Informationsverarbeitungsprozess, die wir im Folgenden etwas genauer unter die Lupe nehmen werden. Entscheidend an diesem einfachen Modell ist, dass die Prozesse nicht immer von links nach rechts ablaufen müssen. Der Prozess kann vielmehr an jedem Punkt des Modells gestartet werden. 2.2 Informationsaufnahme: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit Warum übersehen Rezipienten in einem Medienangebot bestimmte Einzelheiten, und warum fällt es den Rezipienten schwer, ihre Aufmerksamkeit mehreren Reizquellen gleichzeitig zu widmen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns mit zwei grundlegenden Phänomenen beschäftigen, die bei allen Rezeptionsphänomenen eine wichtige Rolle spielen: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. <?page no="32"?> 2.2 Informationsaufnahme: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 33 33 2.2.1 Wahrnehmung Wahrnehmung ist ein grundlegender und essentieller Prozess im menschlichen Organismus. Sie umfasst nicht nur haptische, visuelle, auditive, olfaktorische oder gustatorische Reize, sondern auch die Wahrnehmung des Körpers sowie die Wahrnehmung von Sprache und Zeit (vgl. für einen umfassenden Überblick Hagendorf, Krummenacher, Müller &- Schubert, 2011). Nicht all dies ist für die Rezeptionsforschung von Belang. Entscheidend ist an dieser Stelle die grundlegende Feststellung, dass Wahrnehmungsprozesse gegenüber bewussten, willentlichen Eingriffen weitgehend abgeschottet sind; sie verlaufen schnell und ermöglichen damit eine optimale Anpassung an die physikalische Umwelt. Demgegenüber sind Denkprozesse verhältnismäßig langsam und auch der bewussten Kontrolle zugänglich (vgl. Lang, 2000; Wirth, 1997). Zudem haben wir bereits weiter oben festgestellt, dass die menschliche Wahrnehmung nicht als ein Abbild der Umwelt im Sinne einer physikalisch korrekten Beschreibung verstanden werden kann. Menschen stehen nur eine begrenzte Anzahl von Sinnesorganen zur Verfügung. Das bedeutet, dass nicht alle physikalischen Reize für uns wahrnehmbar sind. Neben den Begrenzungen infolge der beschränkten Leistungsfähigkeit unserer Sinnesorgane gibt es noch einen anderen Grund, warum wir nicht alle Reize wahrnehmen können: die Aufmerksamkeit, mit der wir unsere Umgebung (wie beispielsweise Medienbotschaften) betrachten. 2.2.2 Aufmerksamkeit In der Regel werden zwei zentrale Funktionen von Aufmerksamkeit unterschieden (vgl. im Folgenden Wirth, 2001): Erstens die Selektion von relevanten Informationen aus einer Fülle von Reizen und zweitens der Abgleich von einströmenden Informationen mit bestehenden Wissensbeständen, damit wir aus einer Flut von Reizen Bedeutung generieren können. Aufmerksamkeit wird dabei meist als ein Wechselspiel zwischen dem willentlichen Lenken auf Umweltreize und dem unwillkürlichen Generieren von Aufmerksamkeit durch Umweltreize verstanden. Merksatz Die Wahrnehmung des Menschen verläuft in der Regel schnell und automatisch. Demgegenüber sind Denkprozesse verhältnismäßig langsam und der bewussten Kontrolle zugänglich. Man unterscheidet willkürliche und unwillkürliche Aufmerksamkeit. Die willkürliche Aufmerksamkeit (auch Top-down-Processing) ist durch das Vorwissen, die Erwartungen oder die Einstellungen der Rezipienten geprägt. Die unwillkürliche Aufmerksamkeit (auch Bottom-up-Processing) richtet sich nach den Eigenschaften der Medienstimuli. Sie wird auch als datengeleitete Informationsverarbeitung bezeichnet. <?page no="33"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 34 2 Verarbeitung von Medieninhalten 34 Willkürliche und unwillkürliche Aufmerksamkeit Beispielsweise können wir bei der Medienrezeption gezielt unsere Aufmerksamkeit auf eine Nachrichtenbotschaft lenken, die die vermittelten Informationen vor dem Hintergrund bestehender Wissensbestände einordnet und abspeichert (vgl. das Grundmodell des kognitiven Apparates in Abb. 2.1). Dies nennt man kontrollierte oder willkürliche Aufmerksamkeit (vgl. im Folgenden Wirth, 2001; siehe auch Kahneman, 1973; Neisser, 1974). Solche kontrollierten Aufmerksamkeitsprozesse sind uns bewusst und sie beanspruchen kognitive Kapazitäten. Allerdings können sie durch ständige Wiederholung automatisiert werden, so dass sie zu einem späteren Zeitpunkt schneller und mit geringerem kognitivem Aufwand ablaufen. Beispielsweise müssen sich Spieler von Computerspielen zu Beginn eines neuen Spiels stark auf die Schlüsselreize des Spiels konzentrieren. Nach entsprechender Übung ist dies nicht mehr notwendig, so dass die Spieler automatisch und ohne starke willentliche Anstrengung reagieren können. Oder wir werden zum Beispiel im Fernsehen mit Werbung konfrontiert, in der plötzlich für uns interessante Bilder gezeigt werden. Als Folge lenken wir-- gewissermaßen als Reaktion auf die Werbereize-- unsere Aufmerksamkeit auf den Inhalt der Werbung. Dies fällt unter die Rubrik unwillkürliche bzw. automatische Aufmerksamkeit. Unwillkürliche Aufmerksamkeitsprozesse sind uns zwar bewusst, sie verlaufen jedoch unkontrolliert und werden durch Umweltreize ausgelöst. Sie sind gewissermaßen von außen gesteuert. Das bedeutet: Unsere Aufmerksamkeit wird unwillkürlich geweckt durch auffällige Reize oder Objekte, beispielsweise Farben, Bewegungen oder Geräusche. Diese Reize erwecken unsere Aufmerksamkeit, ohne dass wir das bewusst steuern können. Willkürliche und unwillkürliche Aufmerksamkeit werden häufig auch als Top down und Bottom up bezeichnet. Das Top-down-Processing beschreibt jene Informationsverarbeitung, die durch das Vorwissen, die Erwartungen oder die Einstellungen der Rezipienten gesteuert wird. Das Bottom-up-Processing bezeichnet die datengeleitete Informationsverarbeitung, die sich nach dem Stimulus richtet. Zudem bestehen beim Menschen sogenannte latente Aufmerksamkeitsdispositionen, die aktiviert werden, wenn wir mit bestimmten Reizen konfrontiert werden. Interessieren wir uns beispielsweise aufgrund unserer persönlichen Situation generell stark für das Thema Kinderbetreuung, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass uns dieses Thema im Fernsehen auffällt, größer als bei geringem Interesse, selbst wenn wir das Geschehen auf dem Bildschirm nur nebenbei verfolgen. Wenn wir nun bei der unwillkürlichen Aufmerksamkeit den Reizen folgen, wie können wir dann aus der Flut von Informationen bei der Medienrezeption Sinnvolles von Unwichtigem unterscheiden? Zur Beantwortung dieser Frage wird in der Regel auf drei Mechanismen verwiesen (vgl. Wirth, 2001). • Zum Ersten gibt es beim Menschen latente Selektionsdispositionen, die in angeborenen Reflexen oder grundlegenden Bedürfnissen verankert sind. Beispielsweise ist <?page no="34"?> 2.2 Informationsaufnahme: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 35 35 davon auszugehen, dass Rezipienten bei Werbeplakaten ihre Blicke stärker auf Personen richten als auf Gegenstände. Auch sexuelle Reize lösen reflexartige Reaktionen aus, was die Aufmerksamkeit auf diese Reize lenkt. • Zweitens lösen überraschende oder potenziell bedrohliche Reize eine Orientierungsreaktion aus. Solche Reize können Normverletzungen, Regelbrüche oder auch akustische oder visuelle Pegelsprünge wie z. B. laute Schreie oder Lichtveränderungen sein. Als Folge werden sensorisch die Rezeptorschwellen gesenkt, was die Wahrnehmungsempfindlichkeit unseres Informationsverarbeitungssystems erhöht. Auch tritt eine Verlangsamung der Herzfrequenz für vier bis sechs Sekunden ein (vgl. Lang, 2000). Besonders intensive oder bedrohliche Reize lösen jedoch keine Orientierungsreaktion mehr aus, sondern eine Schreck- oder Abwehrreaktion. Denken wir beispielsweise an einen Horrorfilm, in dem eine ruhige, beschauliche Szene abrupt durch ein schreckliches Szenario unterbrochen wird. Nicht selten wenden wir hier-- zumindest zunächst-- die Augen ab. • Drittens lässt sich mit dem Priming-Paradigma erklären, warum inhaltsbezogene Reize unwillkürlich stark beachtet werden. Nach dem Priming-Paradigma erfahren solche Informationen unwillkürlich eine erhöhte Aufmerksamkeit, die kurz zuvor in verwandter Form dargeboten wurden und daher noch im Kurzzeitgedächtnis aktiviert sind. Priming ist ein Prozess, bei dem Informationen (der sogenannte Prime) bestimmte Wissenseinheiten im Gedächtnis des Rezipienten aktivieren. Durch die Aktivierung werden diese Wissenseinheiten in einen Zustand temporär leichter Verfügbarkeit versetzt. Wird der Rezipient dann mit weiterer Information konfrontiert, werden die soeben zugänglich gemachten Wissenseinheiten eher betrachtet, sie sind leichter zugänglich. Dies kann zur Folge haben, dass die zugänglich gemachten Wissenseinheiten eher für die Bewertung von neuen Informationen herangezogen werden. Beispielsweise haben Baumgartner und Wirth (2012) gezeigt, dass Rezipienten, die mit positiven Nachrichten konfrontiert werden, bei der darauf folgenden Nachrichtenrezeption auch eher positive Informationen verarbeiten, obwohl die darauf folgenden Nachrichten nichts mit der ursprünglichen Botschaft zu tun hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei den darauf folgenden Nachrichten positive Informationen wahrgenommen werden, wurde durch den ursprünglichen Beitrag erhöht. Allerdings ist das Priming kein reflexhafter, deterministischer Effekt, sondern hängt von gewissen Bedingungen ab: Grundsätzlich ist die Aktivierung und Benutzung der leichter zugänglichen Wissenseinheiten umso wahrscheinlicher, (1) je kürzer der Prime zeitlich zurückliegt, (2) je öfter der Prime auftritt und (3) je besser die aktivierte Wissenseinheit auf die folgende Umweltinformation anwendbar ist (vgl. Peter, 2002). <?page no="35"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 36 2 Verarbeitung von Medieninhalten 36 Definition: Priming Beim Priming werden Wissenseinheiten im Gedächtnis leichter zugänglich gemacht und daher mit höherer Wahrscheinlichkeit für die Bewertung von darauf folgenden Stimuli herangezogen. Sowohl für unwillkürliche als auch für kontrollierte Aufmerksamkeit gilt das Prinzip der Ressourcenallokation, das von Kahnemann (1973) vorgeschlagen wurde. Damit ist gemeint, dass Menschen nur eine begrenzte kognitive Energie haben, mit der sie sich Reizen widmen können (vgl. auch Lang, 2000). Unsere Kapazitäten zur Informationsverarbeitung sind limitiert. Je mehr Energie wir für eine Aufgabe einsetzen und je stärker wir uns darauf konzentrieren, desto weniger sind wir in der Lage, unsere Aufmerksamkeit auf andere, alternative Reize oder Aufgaben zu lenken. Wenn wir beispielswiese eine Zeitung lesen, um die neuesten Nachrichten zu verfolgen, wird es uns schwerfallen, dass wir uns parallel auf unsere Lieblingsmusik konzentrieren. Allerdings können Menschen ihre Aufmerksamkeitsressourcen auch auf verschiedene Quellen verteilen, vor allem wenn nur ein Kanal semantisch verarbeitet, das bedeutet, sinngemäß verstanden werden muss. Ressourcenbegrenzung und Ressourcenallokation Die Ressourcenbegrenzung erklärt eine Reihe von Phänomenen der Rezeptionsforschung. Beispielsweise untersuchen Studien, ob Humor in politischen Botschaften (z. B. in politischen Reden oder in einer Late Night Show) das Lernen von politischen Informationen erhöht oder verringert (vgl. Matthes, 2013). Aus der Humorforschung ist bekannt, dass das Verstehen von Humor kognitive Kapazitäten bindet. Wenn andere Menschen einen Witz erzählen, kommt es oft vor, dass man sich auf die Pointe konzentrieren muss, um den Witz zu verstehen. Die Studie von Young (2008) zeigt, dass Humor in politischen Botschaften dazu führen kann, dass die Rezipienten mehr kognitive Ressourcen auf das Verständnis des Humors lenken und daher weniger stark die Argumente prüfen und auch behalten können. Dies kann dazu führen, dass Humor die Überzeugungskraft von Botschaften erhöht, da er eine kritische Prüfung der Botschaft unterbindet. Die amerikanische Forscherin Lang hat viele Erkenntnisse zur Ressourcenbegrenzung aufgegriffen und summarisch in einem Modell, dem Limited Capacity Model of Motivated Mediated Message Processing, zusammengefasst und auf Medien angewandt (vgl. Lang, 2000, 2006). Das Modell geht wie auch andere Ansätze der kognitiven Psychologie davon aus, dass Menschen nur eine limitierte Kapazität für die Verarbeitung, Speicherung und den Abruf von Informationen zur Verfügung haben. Wir verwenden bei der Medienrezeption nur jeweils so viel Energie, wie nötig ist, um das Rezeptionsziel zu erreichen. Dabei können wir gezielt Ressourcen auf bestimmte <?page no="36"?> 2.3 Informationsverarbeitung: Speicherung und Abruf www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 37 37 Medienstimuli lenken (beispielsweise bei hohem persönlichem Interesse für eine Information), oder wir reagieren automatisch mit Ressourcenallokation auf mediale Reize (beispielsweise bei emotionalen oder potenziell bedrohlichen Inhalten). Wichtig an dem Modell ist, dass es die Ressourcenbegrenzung auf alle Stufen des Informationsverarbeitungsprozesses bezieht, also auf die Aufnahme, die Speicherung und den Abruf. Je mehr Energie auf einer Stufe verwendet wird, desto weniger ist für die anderen Stufen verfügbar. Und je geringer die insgesamt eingesetzten Ressourcen sind, desto eher kann es sein, dass die Ressourcen für einen der Prozesse nicht ausreichen. Das Modell unterscheidet ebenfalls in Anlehnung an psychologische Modelle zwei motivationale Systeme, ein Annährungs- und ein Vermeidungssystem. Die Idee ist, dass eines der beiden Systeme oder beide zusammen automatisch bei der Medienrezeption aktiviert werden. Sie bestimmen mit, wie viel Ressourcen bei der Rezeption bereitgestellt werden. Je mehr das Annährungssystem angesprochen wird, desto mehr Ressourcen werden auch bereitgestellt. Wird das Vermeidungssystem aktiviert, werden mehr Ressourcen dafür verwendet, Informationen aus dem Gedächtnis abzurufen, um auf die negative Information zu reagieren. Gleichzeitig werden negative Informationen abgespeichert, um sich auf zukünftige negative Situationen vorzubereiten. Mit dem Modell kann beispielsweise erklärt werden, warum reizarme Medienbotschaften besser verstanden und verarbeitet werden als hoch komplexe Inhalte. Auch Botschaften, die eine starke Orientierungsreaktion auslösen (z. B. Erotik in der Werbung) verbrauchen viele Ressourcen, wodurch weniger Energie für Speicherung und Abruf verwendet werden kann. 2.3 Informationsverarbeitung: Speicherung und Abruf Bisher haben wir erklärt, welche Informationen bei der Rezeption wahrgenommen werden bzw. worauf sich unsere Aufmerksamkeit richtet. Nun wenden wir uns der Frage zu, wie die wahrgenommenen Informationen abgespeichert und abgerufen werden können. 2.3.1 Gedächtnis als assoziatives Netzwerk Bereits weiter oben haben wir die Grundfunktionsweise unseres kognitiven Apparates kennengelernt. In der Kognitionspsychologie wird das Langzeitgedächtnis des Menschen als assoziatives Netzwerk verstanden (vgl. Higgins &-Brendl, 1995). Die Gedächtnisinhalte sind untereinander durch sogenannte Assoziationen (auch assoziative Bahnen genannt) verbunden. Wenn ein bestimmter Gedächtnisinhalt aufgerufen wird, nennen wir ihn aktiviert. Damit gelangt die Information vom Langzeitgedächtnis in den Arbeitsspeicher. Diese Aktivierung bezieht sich aber nicht nur auf diesen einen Inhalt, sondern kann sich in weiterer Folge zu verbundenen Inhalten ausbreiten. Dies nennt man Aktivierungsausbreitung. Je stärker dabei die Verbindung zwischen zwei <?page no="37"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 38 2 Verarbeitung von Medieninhalten 38 Gedächtnisinhalten ist, desto stärker werden sie jeweils mitaktiviert, sobald ein Inhalt aktiviert wurde. Beispielsweise aktiviert ein Nachrichtenbeitrag das Konzept Arbeitslosigkeit. Bei einigen Rezipienten ist der Begriff Arbeitslosigkeit im Gedächtnis mit dem Begriff neue Bundesländer vernetzt. Folglich wird der Begriff neue Bundesländer automatisch mitaktiviert. Die Aktivierung von Gedächtnisinhalten hängt von zwei Aspekten ab (vgl. Higgins &-Brendl, 1995; Peter, 2002): Zum einen von der Häufigkeit, mit der ein Inhalt in der Vergangenheit aktiviert wurde und zum anderen vom zeitlichen Abstand, mit dem der Inhalt zuletzt aufgerufen wurde. Je kürzer der Abstand, desto stärker die Aktivierung. Daraus folgt auch, dass die Inhalte umso stärker dauerhaft bzw. chronisch verfügbar sind, je häufiger sie aktiviert werden. Chronisch verfügbare Gedächtnisinhalte spielen dann bei der Urteils- und Einstellungsbildung eine vorgeordnete Rolle. Zudem unterscheidet man vereinfacht das semantische und das episodische Gedächtnis (vgl. Anderson, 2001; Renkl, 2009). Im semantischen Gedächtnis sind Informationen wie Wissen, Konzepte oder Definitionen abgespeichert. Beispielsweise das Wissen, wie eine Fernsehsendung aufgebaut ist und abläuft. Im episodischen Gedächtnis sind dagegen Erlebnisse oder Erfahrungen abgebildet, die aber nicht nur die eigene Person betreffen müssen. Beispielsweise können Rezipienten Informationen abrufen, welche Handlungen in einem Krimi vollzogen wurden oder was man selbst während der Rezeption gemacht hat. Neben dem semantischen und dem episodischen Gedächtnis unterscheidet man noch das metakognitive Gedächtnis, das Wissen über das Wissen (meist über eigene Personenmerkmale oder Vorgehensweisen) beinhaltet (ausführlicher vgl. Renkl, 2009). Merksatz Das semantische Gedächtnis beinhaltet Informationen wie Wissen, Konzepte oder Definitionen. Hingegen werden im episodischen Gedächtnis Erlebnisse oder Erfahrungen abgebildet. Das bedeutet zusammengefasst: Semantische oder episodische Wissenseinheiten werden im Gedächtnis abgespeichert und können bei ihrer Aktivierung automatisch verwandte Wissenseinheiten aktivieren. Manche Wissenseinheiten sind chronisch verfügbar und damit ist grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie aufgerufen werden. In der Kognitionsforschung gibt es eine Reihe von Vorstellungen, wie Gedächtnisinhalte organisiert und abgespeichert sind. Wichtige Konzepte und Ansätze sind dabei die Schema-Theorie, der Konnektionismus sowie mentale Modelle, die wir in den nächsten drei Abschnitten kennenlernen werden. <?page no="38"?> 2.3 Informationsverarbeitung: Speicherung und Abruf www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 39 39 2.3.2 Schemata Eine prominente These der Kognitionsforschung besagt, dass unser Wissen in Form von Schemata organisiert ist (vgl. im Folgenden Matthes, 2004). Der Begriff Schema bzw. Schemata (Mehrzahl) wurde von Bartlett (1932) in die psychologische Forschung eingeführt. Bartlett untersuchte die Erinnerungsleistung von Versuchspersonen bei der Reproduktion einer indianischen Volkssage. Dabei stellte er fest, dass die Versuchspersonen zahlreiche Einzelheiten wegließen und stattdessen die Sage gemäß ihrer eigenen Erwartungen modifizierten. Aus diesen Ergebnissen schloss Bartlett auf generische Wissensstrukturen, sogenannte Schemata, die für die Fehler in der Reproduktion verantwortlich sind. Vereinfacht ausgedrückt ist menschliches Wissen gemäß der Schema-Theorie ähnlich wie in einem Schubladensystem organisiert: Prinzipiell gibt es unendlich viele Schubladen, da es für jede Situation, Objekt etc. ein Schema gibt. Im Prozess der Informationsverarbeitung wird entweder eine Schublade geöffnet- - was wiederum zum Öffnen von verknüpften Schubladen führen kann-- oder alle Schubladen bleiben geschlossen, d. h. die Information wird nicht verstanden. In diesem Fall können auch neue Schubladen gebildet werden. Schemata sind also vorstrukturierte, relativ stabile Wissenspakete, die aktiviert oder nicht aktiviert werden. Wenn es sich um Handlungsabläufe handelt, nennt man diese Skripts (z. B. ein Skript für einen typischen Fernsehabend). Definition: Schemata Schemata sind strukturierte, relativ stabile Wissenskomplexe der Rezipienten. Sie umfassen Wissen über Ereignisse, Abläufe, Situationen und Objekte und sind untereinander durch ein Netz von Assoziationen verbunden. Schemata sind an zwei Stellen des Informationsverarbeitungsprozesses relevant (vgl. im Folgenden Rumelhart, 1980; Taylor &-Crocker, 1981): Trifft eine Information auf das Informationsverarbeitungssystem, wird zunächst das Schema identifiziert, welches am besten auf die einströmende Information passt. Diese Phase der Schema-Identifikation haben wir bereits als Bottom-up-Informationsverarbeitung kennengelernt. Welches Schema identifiziert wird, bestimmt, ob und wie diese Information verstanden und eingeordnet wird. Des Weiteren steuert ein einmal identifiziertes Schema die Verarbeitung der kommenden Information und auch die Aktivierung von verknüpften Schemata. Diese Phase entspricht der Top-down-Informationsverarbeitung und macht den eigentlichen Kernbereich der Schema-Theorie aus (vgl. Schwarz, 1985, S. 277 f.). Ferner weisen Schemata eine pyramidale Struktur auf und sind untereinander durch ein Netz von Assoziationen verbunden (vgl. Fiske &-Taylor, 1991; Rumelhart, 1980; Taylor &-Crocker, 1981). Dies wurde ebenso mit dem Netzwerkcharakter des menschlichen Gedächtnisses bereits beschrieben. <?page no="39"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 40 2 Verarbeitung von Medieninhalten 40 Beispiel Wie verstehen Sie folgenden Satz? »Glücklicherweise hatte er seinen Ausweis dabei und musste daher weniger bezahlen.« Wahrscheinlich haben Sie an die Mensa oder einen anderen Ort gedacht, bei dem Sie mit Ihrem Studentenausweis eine Ermäßigung bekommen. Vielleicht haben Sie aber auch an etwas anderes gedacht. In jedem Fall trifft zu, dass Sie den Satz nur verstehen konnten, wenn Sie ein passendes Schema aktiviert haben. Dies ist die Phase der Schema-Identifikation. Das aktivierte Schema bestimmt, wie Sie den Satz verstehen. Das heißt aber auch, dass Sie den Satz nicht verstehen können, wenn Sie kein passendes Schema aktivieren. Folgt auf diesen Satz ein zweiter Satz, werden Sie den zweiten Satz vor dem Hintergrund des aktivierten Schemas interpretieren. Dies entspricht der Phase der konzeptgesteuerten Informationsverarbeitung. Schema-theoretische Argumentationen finden sich bis heute in zahlreichen kommunikationswissenschaftlichen Forschungsfeldern, so in der Nachrichtenforschung, in der Forschung zu Genres und Gattungen, in der kognitiven Filmpsychologie, im dynamisch-transaktionalen Ansatz sowie auch in der Agenda-Setting-Forschung und in der kommunikationswissenschaftlichen Framing-Forschung. Besonders die einzelnen Funktionen von Schemata haben sich für die kommunikationswissenschaftliche Forschung als sehr relevant erwiesen. Diese werden wir im nächsten Abschnitt kennenlernen. Funktionen von Schemata Schemata haben drei eng verknüpfte Funktionen (Matthes, 2004): • Entlastungsfunktion, • Strukturierungsfunktion und • Ergänzungsfunktion. Erstens entlasten Schemata das Informationsverarbeitungssystem (Entlastungsfunktion), da durch den Rückgriff auf ein Schema nicht jeder Stimulus neu und umfassend verarbeitet werden muss. Rezipienten können so eine Fülle von massenmedial vermittelten Informationen aufnehmen, schnell verstehen und effizient einordnen (vgl. Brosius, 1991). Eine zweite Funktion von Schemata besteht in der Strukturierung von Erfahrungen. Dies nennt man die Strukturierungsfunktion. Wie bereits angeschnitten wurde, weisen einmal aktivierte Schemata den danach eintreffenden Informationen eine Bedeutung zu. Die neu eintreffenden Informationen werden in das Schema eingeordnet und damit auch gemäß dem bereits bestehenden Schema strukturiert (vgl. Taylor &-Crocker, 1981, S. 97). Mit anderen Worten, ein Schema ist gewissermaßen die Brille, durch die die Mediennutzer das aktuelle Geschehen ver- <?page no="40"?> 2.3 Informationsverarbeitung: Speicherung und Abruf www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 41 41 folgen-- sie strukturieren die Medieninformationen genauso, wie die bereits bestehenden Schemata strukturiert sind. Diese strukturierende Funktion ist die Basis für schema-induzierte Erinnerungsleistungen. Damit ist gemeint, dass die Informationen, die dem eigenen Schema entsprechen, einfacher und schneller erinnert werden als schema-irrelevante Informationen (vgl. Taylor &-Crocker, 1981). Schemata sind aber nicht nur für Erinnerungslücken verantwortlich, sondern auch für Ergänzungen. Personen fügen systematisch Informationen hinzu, die nicht Teil des ursprünglichen Stimulus sind. Minsky (1975) führt in diesem Zusammenhang den Begriff der Standardwerte (default options) ein. Ist beim Abgleich von Schema und Stimulus ein schema-konstituierendes Element nicht im Stimulus vorhanden, führt dies nicht notwendigerweise zum Misfit, sondern es werden Standardwerte eingesetzt, wie sie in ähnlichen Situationen vorkommen. Würde man beispielsweise einer Versuchsperson einen Arzt beschreiben und die Person anschließend bitten, die Beschreibung wiederzugeben, könnte es sein, dass die Versuchsperson einen weißen Kittel erwähnt, obwohl dieser nicht Teil der ursprünglichen Beschreibung war. Derartige Ergänzungen ermöglichen eine sinnvolle Kontextualisierung von Informationen. Dies ist die dritte Funktion von Schemata, die Ergänzungsfunktion. Diese drei Funktionen von Schemata erklären, wie die Rezipienten bei der Medienrezeption Wissen über Themen, Personen, Objekte oder Sachverhalte verarbeiten bzw. abspeichern (vgl. z. B. Conover &-Feldman, 1984; Miller, Wattenberg &-Malanchuk, 1986). Ist ein Schema vorhanden, kann die Information schnell und effizient eingeordnet und verarbeitet werden. Diese Argumentation findet sich beispielsweise in Forschungsarbeiten zur Nachrichtenrezeption: Schemata ermöglichen den Rezipienten, die Nachrichten in einen bedeutungsvollen Kontext zu stellen und damit schnell zu verstehen. Damit kann ein effektiver Umgang mit der Fülle von massenmedial vermittelten Informationen gewährleistet werden. Die Schema-Theorie kann darüber hinaus aufzeigen, wie ein Thema von den Rezipienten repräsentiert wird: als kognitives Schema. Ebenso kann beschrieben werden, welche Schemata die Rezipienten über Wahlkandidaten haben (vgl. Miller et al., 1986). Ähnlich argumentiert die Forschung zu Genres und Gattungen: Genre-, Sender- oder Sendungs-Schemata bestimmen, welche Merkmale ein Format aufweisen muss, um sinnvoll von den Rezipienten eingeordnet zu werden (vgl. Bilandzic, 1999; Fredin &-Tabaczynski, 1993; Gehrau, 2003). So beschreibt Bilandzic (1999) die selektive Fernsehnutzung als schema-geleiteten Prozess: Jedes Umschalten wird als neuerlicher Beginn eines Entscheidungsprozesses betrachtet, bei dem ein Genre-, Gattungs-, Themen- oder Sender-Schema aktiviert wird, was dann wiederum zu einer Bewertung des Gezeigten führt. Ist ein Schema für einen Stimulus vorhanden, wird dieser schneller verarbeitet, als wenn kein Schema vorhanden wäre (Bilandzic, 1999, S. 97). <?page no="41"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 42 2 Verarbeitung von Medieninhalten 42 Beispiel Stellen Sie sich vor, Sie sehen in einem Nachrichtenbeitrag zwei Politiker einen roten Teppich entlanggehen. Zudem sind viele Fotografen zugegen und es erklingt feierliche Musik. Sie erkennen sofort, dass es sich um einen Staatsbesuch handelt. Da Sie dies erkannt haben, und damit das Schema Staatsbesuch aktivieren, müssen Sie nicht mehr lange und ausführlich darüber nachdenken, warum ein roter Teppich ausgerollt ist, feierliche Musik erklingt und viele Fotografen anwesend sind. Das aktivierte Schema erleichtert Ihnen die Verarbeitung der gezeigten Information (Entlastungsfunktion). Darüber hinaus bestimmen Schemata, welche Medieninformationen wahrgenommen und erinnert werden (vgl. Coleman, 2003; Garramone, Steele &- Pinkleton, 1991). Hiermit kann man beispielsweise erklären, warum Personen bei der Rekonstruktion von Nachrichten systematische Lücken aufweisen. Es werden nur die Details wiedergegeben, die dem initiierten Schema entsprechen (vgl. Kasten mit Beispielstudie). Schließlich erklären Schemata aktive Bedeutungskonstruktionsprozesse der Rezipienten. Fragt man Rezipienten nach dem Inhalt der Medienberichterstattung, dann nennen bzw. ergänzen sie zum Teil Inhalte, die gar nicht in den Medienbeiträgen vorhanden waren. Am deutlichsten wurde diese Funktion im dynamisch-transaktionalen Ansatz herausgearbeitet (vgl. Früh, 1996). Bei der schematischen Informationsverarbeitung werden Verbindungen zwischen dem medialen Stimulus und dem bereits vorhandenen Schemata hergestellt. Beispielsweise konnte Früh (1996) zeigen, dass die kognitive Verarbeitung medialer Information stärker durch subjektive Schemata beeinflusst wird als durch die Medienstimuli. Beispielstudie Graber (1988). Processing the news: How people tame the information tide (2. Aufl.). New York: Longman Graber (1988) befragte in einer qualitativen Studie mehrfach 21 Personen zur politischen Medienberichterstattung und setzte die Aussagen der Personen mit den Medienberichten in Verbindung. Die Autorin konnte zeigen, dass die Panelteilnehmer nur einen geringen Teil der Medienberichterstattung behalten bzw. dass nur wenige Fakten wiedergegeben werden konnten. Graber führt dieses Ergebnis auf die schema-geleitete Informationsverarbeitung zurück: Es werden die Informationen aus der Medienberichterstattung in bereits bestehende Schemata integriert und damit kontextualisiert. Durch die schema-geleitete Informationsverarbeitung verlieren die Informationen ihre Detailhaftigkeit und werden vergleichsweise abstrakter repräsentiert. Zudem argumentiert Graber, dass Sche- <?page no="42"?> 2.3 Informationsverarbeitung: Speicherung und Abruf www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 43 43 mata es den Rezipienten erlauben, die Vielzahl von vermittelten Informationen sinnvoll zu verstehen und zu kontextualisieren, d. h., in bereits bestehende Schemata einzuordnen. Auch werden Informationen ergänzt, die nicht in den Nachrichten genannt werden, aber zu einem aktivierten Schema passen (z. B. die Motive von Politikern). Veränderung von Schemata Da Schemata relativ stabil sind, stellt sich die Frage, wie sie entstehen und wie sie sich verändern können. Rumelhart (1980) und Rumelhart &- Norman (1978) schlagen hierfür drei Prozesse vor: Anlagerung (accretion), Anpassung (tuning) und Neustrukturierung (restructuring). Accretion bezeichnet das sukzessive Ansammeln von Faktenwissen, z. B. beim Lernen von Telefonnummern oder Namen. Neue Informationen werden zu einem bereits bestehenden Schema hinzugefügt, ohne dass es zu strukturellen Veränderungen in der Wissensorganisation kommt. Wenn allerdings kein Schema für die neue Information herangezogen werden kann, dann ist Lernen durch Accretion nicht mehr effektiv. In diesem Fall muss entweder ein bereits bestehendes Schema modifiziert werden (tuning) oder es wird ein neues Schema gebildet (restructuring). Tuning kann auf drei verschiedene Arten erfolgen: Zum Ersten kann durch die mehrfache erfolgreiche Anwendung eines Schemas auf eine Situation das Schema stärker an die Gesamtpopulation der betroffenen Situationen angepasst werden. Zum Zweiten kann ein Schema auf neue Situationen oder Stimuli generalisiert werden, indem ein neuer Aspekt zu dem Schema hinzugefügt wird. Im Gegensatz zu dieser Art des Tunings kann zum Dritten auch die Anwendung eines Schemas wiederum nur auf ganz bestimmte Situationen beschränkt werden. Die letzte Form der Schema-Veränderung, das Restructuring, bezieht sich auf die Entstehung von neuen Schemata. Hierfür schlagen die Autoren wiederum zwei Prozesse vor: Patterned Recognition und Schema Induction. Zunächst kann durch Analogie-Lernen ein neues Schema aus einem bereits bestehenden entstehen (patterned recognition). Beim Prozess der Schema Induction wird hingegen ein neues Schema gebildet, wenn wiederholt eine vorher unbekannte Stimuluskonfiguration auftritt. Trotz der wichtigen Impulse der Schema-Theorie für die Rezeptionsforschung blieb Kritik nicht aus (vgl. Matthes, 2004). Kritisiert wird u. a., dass der Schema-Begriff zu schwammig ist, und für jegliche empirische Befunde herangezogen werden kann. Auch die Annahme, dass die Rezipienten für viele Nachrichten, Sendeformen, Personen, Genres, Werbegattungen etc. in ihrem mentalen Schubladensystem vorgefertigte, abrufbare Schemata bereithalten, zeichnet ein etwas zu einfaches Bild von Informationsverarbeitungsprozessen. Es gibt kein Element eines kognitiven Netzwerkes, das nur einem einzigen Schema angehören kann. Das kognitive Netzwerk ist plastischer und dynamischer aufzufassen, es ist ständig in Veränderung. <?page no="43"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 44 2 Verarbeitung von Medieninhalten 44 2.3.3 Konnektionistische Modelle Bei der Schema-Theorie geht es in erster Linie um die Aktivierung bzw. den Abruf eines vorher abgespeicherten Schemas: Ein Schema wird entweder aktiviert oder nicht aktiviert. Wird ein Schema gefunden, wird es in derselben Form abgerufen, in der es vorher abgespeichert wurde- - ähnlich einer Datei in einem Computer. Für viele Kognitionsforscher ist die Auffassung zu statisch, um menschliche Informationsverarbeitung adäquat zu beschreiben (vgl. Anderson, 1977; Smith, 1996; Wirth, 1997). Es ist unwahrscheinlich, dass ein Element eines kognitiven Netzwerkes nur einem einzigen Schema angehört. Das kognitive Netzwerk ist gemäß dieser Auffassung plastischer und dynamischer. Ausgangspunkt dieser sogenannten konnektionistischen Sichtweise ist der Versuch, auf der Grundlage von Computersimulationen Erkenntnisse über kognitive Prozesse zu erhalten. Kognitive Prozesse werden so modelliert, dass sie dem zugrunde liegenden biologischen Vorbild weitestgehend ähnlich sind. Es geht um eine neuronal inspirierte Modellbildung kognitiver Prozesse (vgl. Pospeschill, 2004, S. 17). Konnektionistische Modelle gehen von adaptiven informationsverarbeitenden Systemen aus, die sich aus einer Vielzahl von Verarbeitungseinheiten (units) zusammensetzen und Signale in Form von Aktivierungsmustern über gerichtete Verbindungen übertragen. Dies ist als eine grobe Analogie zum biologischen Nervensystem aufzufassen, bei dem Informationsverarbeitung durch einen Verbund von Nervenzellen realisiert wird. Vereinfacht ausgedrückt, werden Informationen als Aktivierungsmuster einzelner Einheiten repräsentiert. Diese Units sind in einem Netzwerk von Verbindungen miteinander verknüpft. Damit wird vom strukturellen Aspekt der Informationsverarbeitung Abstand genommen. Wissen wird nach dieser Auffassung nicht in Form von lokalen Symbolträgern wie Schemata gespeichert, sondern es entsteht gewissermaßen als Aktivierungsmuster einzelner neuronaler Elemente. Die Repräsentation von Wissen ist dabei distributiv, aktiv und sie kann sich über Aktivierungsmuster weiter verändern. Ein entscheidender Unterschied zur Schema-Theorie ist die massiv parallele, d. h. gleichzeitige, Aktivität vieler Units. Ferner verläuft die Informationsverarbeitung nicht nach dem Alles-oder- Nichts-Prinzip: Das Informationsverarbeitungssystem muss nicht entscheiden, ob dieses oder jenes Schema herangezogen wird. In einem konnektionistischen Netzwerk könnte man zwar so etwas wie ein Schema modellieren, wenn ein bestimmtes neuronales Muster mehrmals aktiviert und daher stabilisiert wird. Aus konnektionistischer Sicht wird ein Schema nicht mehr gespeichert, gelagert und abgerufen. Damit wird ein flexibleres Bild von Informationsverarbeitungsprozessen gezeichnet (Smith, 1996; Wirth, 1997). Zudem ist dieser Ansatz erklärungskräftiger, wenn es um das Lernen von neuen Informationen geht. <?page no="44"?> 2.4 Erinnerung, Abruf und Vergessen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 45 45 2.3.4 Mentale Modelle Einen weiteren prominenten Ansatz zur mentalen Repräsentation von Informationen bilden mentale Modelle. Mentale Modelle enthalten Vorstellungen über komplexere Teilbereiche der Realität, die sich aber nicht nur auf Strukturen beziehen können, sondern auch auf (komplexe) Prozesse (vgl. ausführlicher Wirth, 1997). Mentale Modelle beinhalten Realitätsbereiche, die aufgrund ihrer Komplexität relativ unanschaulich sind, beispielsweise Problemsituationen oder unsere Vorstellungen über die Funktionsweise von elektrischem Strom oder eines Autos. Im Vergleich zu den vorher erwähnten Repräsentationen können mentale Modelle vor allem Problemlöseverhalten erklären. Im Unterschied zu Schemata sind mentale Modelle zudem flexibel und leicht änderbar. Mit mentalen Modellen wird ein komplexer Prozess vor dem inneren Auge simuliert (z. B. die Vorstellung einer Wohnung). In der Rezeptionsforschung erklären mentale Modelle, wie Rezipienten Nachrichteninformationen oder beispielsweise auch zeitlich strukturierte Geschichten verstehen und repräsentieren. Sie können beispielsweise ein mentales Modell über diesen Text ausbilden-- den Text mit seiner Vielzahl an Informationen speichern sie zusammenfassend als Textrepräsentation ab. Dies nennt man ein mentales Modell. 2.4 Erinnerung, Abruf und Vergessen Das Erinnern beinhaltet den Abruf von gespeicherten Informationen aus dem Gedächtnis. Dabei wird das assoziative Netzwerk nach spezifischen Informationen abgesucht und diese werden reaktiviert. Mit Reaktivierung meinen wir die Übertragung ins Arbeitsgedächtnis. Wovon hängt die Erinnerung von Medienbotschaften nun ab? Hierfür gibt es eine Reihe von Befunden, aus denen wir im Folgenden die wichtigsten herausgreifen. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Inhalte besser erinnert werden können, die ausführlicher und tiefer verarbeitet wurden (Lang, 2000). Dazu gehören Prozesse wie Interpretieren von Informationen, Nachdenken bzw. Elaborieren über Informationen, das Wiederholen von Informationen, das eigene Generieren von Wissenseinheiten sowie das metakognitive Überwachen und Steuern des eigenen Wissenserwerbs (vgl. ausführlicher Renkl, 2009). Es spielt also eine entscheidende Rolle, wie gründlich und sorgfältig die Informationsaufnahme erfolgt ist. Bei der Medienrezeption ist es durchaus denkbar, dass Informationen weniger sorgfältig verarbeitet und aufgenommen werden (vgl. Lang, 2000). Beispielsweise widmen wir uns beim Medienkonsum den Inhalten nicht immer mit voller Aufmerksamkeit (z. B. Zeitunglesen beim Frühstück während das Radio läuft). Oder eine Botschaft benötigt mehr Ressourcen, als uns zur Verfügung stehen, z. B. bei einem Nachrichtenbeitrag über Steuerpolitik nach einem anstrengenden Arbeitstag. <?page no="45"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 46 2 Verarbeitung von Medieninhalten 46 Aus dem oben beschriebenen assoziativen Modell des menschlichen Gedächtnisses geht auch hervor, dass die Erinnerung an einen Gedächtnisinhalt stärker ist, je mehr assoziative Verbindungen zu diesem Inhalt bestehen, also je stärker der Inhalt mit anderen Inhalten vernetzt ist (vgl. Lang, 2000). Weiterhin hängt die Erinnerung von der Reihenfolge der Darbietung ab. Die Kognitionsforschung hat gezeigt, dass vor allem zuerst genannte und zuletzt genannte Informationen am besten erinnert werden. Dies nennt man auch Primacybzw. Recency-Effekt. Dies lässt sich vereinfacht dadurch erklären, dass zuletzt genannte Informationen noch im Arbeitsgedächtnis abrufbar sind und daher leicht erinnert werden können. Die zuerst genannten Informationen hatten dagegen die insgesamt längste Verarbeitungszeit und damit die besten Chancen, ins Langzeitgedächtnis zu gelangen (vgl. ausführlicher Pieters &-Bijmolt, 1997). In der Werbeforschung wurde beispielsweise nachgewiesen, dass Werbespots am Anfang und am Ende eines Blocks tatsächlich bessere Erinnerungschancen haben als die Spots, die in der Mitte ausgestrahlt werden (vgl. Pieters &-Bijmolt, 1997; Zhao, 1997). Merksatz Menschen erinnern sich besser an Medieninformationen, wenn die gezeigten Informationen bereits stark mit anderen Konzepten im Gedächtnis verknüpft sind, wenn die Informationen am Anfang oder am Ende einer Sequenz gezeigt wurden, wenn die Informationen mit Emotionen verknüpft sind und wenn die Informationsaufnahme gründlich und motiviert erfolgt ist. Auch können durch Medienbeiträge induzierte Emotionen die Erinnerungsleistung fördern. Studien zeigen, dass Emotionen die Verarbeitung und Abspeicherung einer Botschaft intensivieren können (vgl. Bradley, Angelini &- Lee, 2007). Dies spielt vor allem im Kontext emotionalisierter Nachrichten, Werbungen oder Kampagnen eine Rolle. Schließlich stellt sich die Frage, warum Menschen Informationen aus den Medien wieder vergessen und sie nicht mehr abrufen können. Obwohl es vorkommen kann, dass Informationen gewissermaßen gelöscht werden oder verfallen, ist es wahrscheinlicher, dass wir beim Vergessen nicht mehr auf eine gespeicherte Information zugreifen können, obwohl sie prinzipiell noch vorhanden ist. Vereinfacht kann man zwei Gründe ausmachen, warum Informationen aus den Medien vergessen werden. Erstens werden Informationen schwerer zugänglich, wenn sie über eine längere Zeit nicht mehr aufgerufen werden. Im assoziativen Netzwerk des Gedächtnisses wird die Suche nach diesen Informationen mit der Zeit schwieriger und daher ihre Aktivierung unwahrscheinlicher. Zweitens können zusätzlich aufgenommene Informationen den Zugriff auf die bereits gelernten Informationen behindern. Das kann passieren, wenn neue Informationen sehr ähnlich zu den bereits gespeicherten Informationen sind. <?page no="46"?> 2.5 Zusammenfassung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 47 47 2.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir die wichtigsten Grundkonzepte der menschlichen Informationsverarbeitung von der Informationsaufnahme über die Speicherung bis hin zum Abruf kennengelernt. Wir haben gesehen, dass die Wahrnehmung von Medieninformation zwar schnell und automatisch abläuft, die Aufmerksamkeit für Medienreize jedoch willkürlich und bewusst gesteuert oder unwillkürlich und den Medienreizen folgend ablaufen kann. Die Ressourcen, die wir für die Informationsaufnahme, die Speicherung und den Abruf von Medieninformationen aufbringen können, sind aber nicht unendlich, sondern begrenzt. Je mehr kognitive Ressourcen auf einer Stufe verwendet werden, desto weniger ist für die anderen Stufen verfügbar. Zudem kann es auch sein, dass die vom Rezipienten zur Verfügung gestellten Ressourcen nicht ausreichen, um den Medieninhalt zu verstehen (beispielsweise wenn man wenig Ressourcen für die Radionachrichten verwendet, diese dann aber auch nicht mehr richtig versteht). Gespeichert werden Medieninformationen im Langzeitgedächtnis, dass wir uns als assoziatives Netzwerk von Gedächtnisinhalten vorstellen können. Die Gedächtnisinhalte sind untereinander durch Assoziationen verknüpft. Bestehende Gedächtnisinhalte, die als Schema vorliegen können, steuern die Aufnahme, die Interpretation und Speicherung von neuen Informationen. Was den späteren Abruf der Informationen betrifft, so werden die Informationen leichter erinnert, die stark mit anderen Konzepten im Gedächtnis verknüpft sind, die in der Rezeptionssituation am Anfang oder am Ende gezeigt wurden, die mit Emotionen verknüpft sind, und diejenigen, bei denen die Informationsaufnahme gründlich und motiviert erfolgt ist. In der Medienrezeptionsforschung werden die hier vermittelten Kenntnisse aber nicht losgelöst von anderen Prozessen betrachtet. Vielmehr benötigen wir zum Verständnis der Medienrezeption einen umfassenden Blick auf das Zusammenspiel verschiedener Phänomene. Beispielsweise müssen neben den kognitiven Prozessen auch emotionale Vorgänge betrachtet werden, die keineswegs losgelöst von kognitiven Prozessen ablaufen. Dies ist beispielsweise in der Unterhaltungsforschung zentral. Auch sind die hier eingeführten Grundlagen ein wichtiges Fundament für zentrale Fragestellungen der Medienrezeptionsforschung wie die unterschiedliche Verarbeitung auditiver, visueller, textueller, audiovisueller oder interaktiver Stimuli. Ebenso bauen Forschungsarbeiten zu Einstellungen, Urteilen und Heuristiken sowie zu parasozialen Interaktionen auf den hier vermittelten Kenntnissen auf. Kognitive Prozesse wie Wissenserwerb sind oftmals die Grundlage für die Ausbildung oder Änderung von Einstellungen, wie sie beispielsweise in der Werbeforschung oder politischen Kommunikationsforschung untersucht werden. <?page no="47"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 48 2 Verarbeitung von Medieninhalten 48 Übungsaufgaben 1. Erklären Sie den Unterschied zwischen willkürlicher und unwillkürlicher Aufmerksamkeit. Wählen Sie ein Beispiel aus Ihrer täglichen Medienrezeption. 2. Stellen Sie sich vor, die Rezipienten werden stark mit Berichterstattung über das Thema Einwanderung konfrontiert. Erklären Sie an diesem Beispiel den Prozess des Primings. Was könnte Priming in diesem Kontext vorhersagen? 3. Erklären Sie mit Hilfe der Schema-Theorie, wie Menschen reagieren, wenn ihre Erwartungen bei einem Kinofilm in Bezug auf das Genre nicht erfüllt werden. Welche Konsequenzen hat das für die Verarbeitung und Aufnahme von Informationen während des Filmes? 4. Studien zeigen, dass in der Regel nur ein geringer Anteil der Fernsehnachrichten von den Rezipienten erinnert wird. Welche Erklärungen gibt es hierfür? Denken Sie dabei an die alltägliche Rezeptionssituation, die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses sowie an Aufmerksamkeitsprozesse. Zum Weiterlesen Lang, A. (2000). The limited capacity model of mediated message processing. Journal of Communication, 50(1), 46-70. Diesen Aufsatz kann man als Grundlagentext zur kognitiven Verarbeitung von Medieninhalten begreifen. Die Erkenntnisse und Befunde aus der Kognitionspsychologie werden für die Verarbeitung von Medienreizen aufbereitet und ausführlich erklärt. Wirth, W. (2001). Aufmerksamkeit im Internet: Ein Konzept- und Theorieüberblick aus psychologischer Perspektive mit Implikationen für die Kommunikationswissenschaft. In K. Beck &-W. Schweiger (Hrsg.), Attention Please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit (S. 69-89). München: Reinhard Fischer Verlag. Dieser Aufsatz schlägt eine Brücke zwischen der Beschäftigung mit Aufmerksamkeit in der psychologischen Forschung und der Rolle von Aufmerksamkeit bei der Medienrezeption. Insbesondere die Implikationen der psychologischen Grundlagentheorie für die kommunikationswissenschaftliche Forschung sind sehr lesenswert. <?page no="48"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 49 49 3 Selektivität und Gratifikationen Lernziele 1. Sie erlernen die Ebenen der Selektion beim Prozess der Medienrezeption. 2. Sie lernen die wichtigsten Motive kennen, warum Menschen sich Medien zuwenden. 3. Sie machen sich mit den zwei zentralen Ansätzen der Medienselektionsforschung vertraut, dem Nutzen- und Belohnungsansatz sowie dem konsistenztheoretischen Ansatz. 4. Sie erkennen die Unterschiede und Grenzen der beiden Ansätze. 3.1 Selektion bei der Medienrezeption Die Erforschung der Selektion von Medienangeboten markiert einen wichtigen Teilbereich der Rezeptionsforschung. Aus Sicht einer rezeptionsorientierten Selektionsforschung steht die übergeordnete Frage im Vordergrund, was die Menschen von Medienangeboten erwarten und wie sich diese Erwartungen in Nutzungsmuster übersetzen lassen (vgl. Hasebrink, 1995). Selektion wird verstanden als ein »Prozess, in dem Individuen aus den ihnen in ihrer Umwelt potenziell zur Verfügung stehenden Signalen mit Bedeutungsgehalt aufgrund von deren physischen oder inhaltlichen Merkmalen bestimmte Signale bewusst oder unbewusst auswählen oder vermeiden« (Donsbach, 1991, S. 28). Diese Definition von Selektion verdeutlicht zwei wichtige Aspekte: Erstens umfasst Selektion nicht nur die Auswahl, sondern auch die Vermeidung von Informationen. Zweitens kann Selektion bewusst oder unbewusst und habitualisiert erfolgen. Definition: Selektion Selektion meint die unbewusste oder bewusste Auswahl bzw. das unbewusste oder bewusste Vermeiden von Informationen oder Medienangeboten. Grundsätzlich geht man in der Selektionsforschung von einem recht breiten Selektionsbegriff aus. Man unterscheidet eine prä-, peri- und postrezeptive Phase (vgl. Donsbach, 1991; Hartmann, 2006). In der prärezeptiven Phase interessiert die selektive Zuwendung bzw. die Auswahl von Medienangeboten vor dem Beginn der Rezeption. Die perirezeptive Phase beschreibt die selektive Wahrnehmung und Auswahl von Medieninhalten während der Rezeption und die postrezeptive Phase umfasst die selektive Erinnerung an Medieninhalte (vgl. Hartmann, 2006). In diesem Kapitel beschäftigen wir uns hauptsächlich mit der prärezeptiven Phase, die den Kern der Selektionswww.claudia-wild.de: <?page no="49"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 50 3 Selektivität und Gratifikationen 50 forschung ausmacht. Die perirezeptive (d. h. die Informationsverarbeitung während der Rezeption) und die postrezeptive Phase (d. h. den Abruf von Rezeptionserlebnissen) haben wir bereits in Kapitel 2 umfassend diskutiert. Die prärezeptive Phase beschäftigt sich zwar nicht mit dem Prozess der Rezeption, allerdings bildet sie die Voraussetzung für alle weiteren Selektionsprozesse. Thematisiert wird die prärezeptive Phase in zwei verschiedenen Forschungsbereichen, die sich in Bezug auf ihre institutionelle Verortung und die angewandten Methoden stark unterscheiden. Auf der einen Seite beschäftigt sich die von Medienanbietern und der werbetreibenden Wirtschaft betriebene Publikums- und Mediaforschung mit der Beschreibung von Mediennutzung in Bezug auf Reichweite und Nutzungsdauer (vgl. dazu Kapitel 1). Ziel dieser Beschreibung ist es, auf Basis von Nutzungsdaten Werbeleistungen berechnen zu können und Zielgruppen optimal zu definieren und anzusprechen (vgl. Frey-Vor, Siegert &-Stiehler, 2008). Auf der anderen Seite geht die akademische Nutzungsforschung nicht nur der Beschreibung von Mediennutzung nach, sondern sie versucht auch, die Zuwendung zu Medienangeboten theoretisch zu erklären und vorherzusagen. Im Vordergrund stehen dabei die Bedürfnisse und Informationsverarbeitungsprozesse, die mit der Auswahl von Medien verbunden sind. In diesem Kapitel widmen wir uns ausschließlich der akademischen Nutzungsforschung. In der akademischen Nutzungsforschung wird Medienselektion definiert als ein »Entscheidungsprozess, der eine zumindest heuristische Durchdringung mindestens einer Medienzuwendungsoption impliziert, die gegen ein alternatives Verhalten (z. B. die Option nicht aufzurufen oder sich einer anderen Option zuzuwenden) ›geprüft‹ wird« (Hartmann, 2006, S. 20). In der Regel werden mehrere Selektionsentscheidungen unterschieden (vgl. Donsbach, 1989; Hartmann, 2006; Levy &-Windahl, 1985). Die erste Entscheidung betrifft die Frage, überhaupt am Kommunikationsprozess teilzunehmen oder nicht (z. B. möchte ich Nachrichten rezipieren oder nicht). Wird diese Entscheidung bejaht, so geht es im zweiten Schritt um die Auswahl eines Mediums aus einer Reihe von unterschiedlichen Medienangeboten (z. B. TV oder Zeitung). Die dritte Entscheidung betrifft die Auswahl von einzelnen Medienangeboten innerhalb eines Mediums, also beispielsweise die Auswahl einer Sendung oder eines Artikels. Schließlich umfasst die vierte Entscheidung die Auswahl und damit Verarbeitung einzelner Informationen innerhalb eines Medienangebotes. Vergegenwärtigt man sich diese vier Selektionsentscheidungen, so wird nachvollziehbar, warum zentrale Ansätze der Selektionsforschung von einer gewissen Zielgerichtetheit von Selektionsentscheidungen ausgehen. Die Zielgerichtetheit von Selektion bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Selektionsentscheidungen den Rezipienten bewusst sind, das heißt, dass sie sich im Klaren darüber sind, warum sie was selektieren und rezipieren. Diese Frage wird uns bei den zwei folgenden theoretischen Erklärungsmodellen, dem Nutzen- und Belohnungsansatz sowie dem konsistenztheoretischen Ansatz, noch stärker beschäftigen. <?page no="50"?> 3.2 Nutzen- und Belohnungsansatz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 51 51 Merksatz Medienselektion umfasst vier Entscheidungen der Rezipienten: Teilnahme am Massenkommunikationsprozess, Auswahl eines Mediums, Auswahl von Medienangeboten innerhalb des Mediums und Auswahl von Informationseinheiten innerhalb eines Medienangebotes. 3.2 Nutzen- und Belohnungsansatz Der Nutzen- und Belohnungsansatz (auch Uses-and-Gratifications-Ansatz, oder kurz UGA) geht vom Menschenbild eines aktiven Mediennutzers aus. Im Kern steht die Annahme, dass Menschen die Medienangebote auswählen, die ihre mit der Nutzung verbundenen Bedürfnisse am besten befriedigen können. Rezipienten werden nicht als reagierende, sondern als agierende bzw. zielgerichtet handelnde Nutzer verstanden, die sich selektiv den Medieninhalten zuwenden. Dabei werden fünf zentrale Annahmen getroffen (vgl. Katz, Blumler &-Gurevitch, 1974; vgl. ausführlicher Schweiger, 2007; Vorderer, 1996): • Erstens agieren Rezipienten bei der Auswahl von Medienangeboten zielgerichtet. Zielgerichtet bedeutet, dass die Mediennutzung funktional der Befriedigung von Bedürfnissen dient, wie beispielsweise dem Bedürfnis nach Information oder nach Unterhaltung. Selektionsentscheidungen geschehen daher nicht unreflektiert, sie sind vielmehr klar auf die gewünschten Gratifikationen hin ausgerichtet. Sie sind intentional. • Zweitens, und eng damit verbunden, liegt die Initiative zur Mediennutzung auf Seiten der Rezipienten, nicht auf Seiten des Medienangebotes. Dabei steht die Frage »Was machen die Menschen mit den Medien? « im Vordergrund und nicht: »Was machen die Medien mit den Menschen? « • Drittens stehen Medienangebote bei der Befriedigung von Bedürfnissen in Konkurrenz mit anderen Mitteln der Bedürfnisbefriedigung. Beispielsweise kann das Bedürfnis nach Information sowohl durch Zeitungsrezeption als auch durch interpersonelle Kommunikation gestillt werden. • Viertens sind den Rezipienten ihre Nutzungsmotive grundsätzlich bewusst, so dass wir in empirischen Studien direkt danach fragen können. Anders formuliert, Menschen sind in der Lage, Auskunft über ihre Motive zur Nutzung einzelner Medienangebote zu geben. Meist werden den Befragten in der empirischen Forschung Aussagen wie »Ich nutze, um mich-…« vorgelegt. • Fünftens vollzieht der Nutzen- und Belohnungsansatz explizit keine Bewertung der Motive, die von den Befragten angegeben werden. Es werden demnach nicht Motive niedriger Natur von Motiven höherer Natur unterschieden. Das bedeutet, Forscher nehmen keine Wertung vor, ob ein Motiv gut, erstrebenswert oder ideal ist. <?page no="51"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 52 3 Selektivität und Gratifikationen 52 Insgesamt versucht der Nutzen- und Belohnungsansatz überdauernde Motive der Mediennutzung in Bezug auf verschiedene Mediengattungen zu erarbeiten. Es geht daher nicht um die situative Variation von Motiven im Rezeptionsprozess, sondern vielmehr um zeitlich überdauernde Motivbündel, die allgemeine Erwartungen der Mediennutzer an Medieninhalte widerspiegeln. Daher wird in diesem Forschungsgebiet zumeist mit standardisierten Fragebögen gearbeitet, bei denen ausführliche Motivkataloge den Befragten vorgelegt werden. Mittlerweile findet sich in der Forschung eine ganze Reihe von Motivfragen, die sich entweder der medienübergreifenden Nutzung widmen oder einzelne Medien in den Blick nehmen bzw. die Motive zur Zuwendung verschiedener Medien miteinander vergleichen. Unter der Lupe: die Motiv-Skala von Gleich (1997) Gleich (1997) unterscheidet die Fernsehmotive »Information«, »Soziale Nützlichkeit«, »Ablenkung/ Geselligkeit«, »Spannung/ Unterhaltung« und »Interesse an TV- Personen«. Dem Autor geht es um den Zusammenhang zwischen den fünf genannten Fernsehmotiven und parasozialer Interaktion (vgl. Kapitel 8). Es zeigt sich, dass insbesondere die Erwartung, aus dem Fernsehen soziale Informationen zu beziehen, durch die man für das eigene Leben profitieren kann, und das Interesse an TV-Personen zur parasozialen Interaktion beitragen. Zur Befriedigung der TV- Motive sind TV-Personen direkt funktional, indem sie soziale Informationen vermitteln (z. B. angemessenes Verhalten in bestimmten Situationen), an denen sich die Zuschauer in selbstreferentieller Weise orientieren. Im Folgenden geben wir die Skala zur Erfassung von TV-Motiven wieder, die beispielhaft für die Forschungslogik des Nutzen- und Belohnungsansatzes ist. Auf den Einleitungstext »Ich sehe fern,-…« werden den Befragten die folgenden Aussagen, in der Forschungspraxis Items genannt, zur Zustimmung oder Ablehnung vorgelegt: 1. weil man über die neuesten Ereignisse und Entwicklungen sofort informiert wird. (Information) 2. weil man viel Neues/ Wissenswertes erfährt. (Information) 3. um mich zu informieren. (Information) 4. weil ich im Fernsehen aufregende Sendungen (z. B. Krimis o. ä.) anschauen kann. (Spannung/ Unterhaltung) 5. weil es amüsant, witzig und lustig ist. (Spannung/ Unterhaltung) 6. weil das Fernsehen einen so richtig fesseln kann. (Spannung/ Unterhaltung) 7. weil sonst niemand da ist, mit dem ich mich unterhalten oder etwas unternehmen kann. (Ablenkung/ Geselligkeit) 8. weil ich mich von meinen Problemen ablenken möchte. (Ablenkung/ Geselligkeit) 9. um nicht das Gefühl zu haben, alleine zu sein. (Ablenkung/ Geselligkeit) <?page no="52"?> 3.2 Nutzen- und Belohnungsansatz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 53 53 10. weil ich durch das Fernsehen erfahre, was einem vielleicht auch passieren könnte. (Soziale Nützlichkeit) 11. weil ich dadurch von anderen lernen kann. (Soziale Nützlichkeit) 12. weil das Fernsehen zeigt, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten kann/ soll. (Soziale Nützlichkeit) 13. weil ich bestimmte Personen im Fernsehen gerne sehe. (Interesse an TV-Personen) 14. um ganz bestimmte Personen (z. B. Moderatoren, Schauspieler, Sportler etc.) zu sehen, die ich gerne mag. (Interesse an TV-Personen) Diese Fragen werden mit statistischen Auswertungsverfahren wie der Faktorenanalyse zu übergeordneten Motivdimensionen gebündelt. In nahezu allen abgebildeten Skalen findet sich das Motiv der Information. Sehr häufig kommen die Motive Zeitvertreib, Gewohnheit, Entspannung und Geselligkeit vor. Weitere aufgeführte Motive sind Eskapismus, Soziale Nützlichkeit, Spannung/ Unterhaltung, aber auch Interesse an TV-Personen, Selbstfindung oder Erlebnissuche in der Vorstellungswelt (vgl. Gleich, 1997; Vorderer, 1996; Schweiger, 2007). Definition: Eskapismus Eskapismus beschreibt das Motiv der Rezipienten, durch den Konsum von Medien ihrer Alltagswelt, den in der Gesellschaft erfahrenen negativen Erlebnissen und Rollenerwartungen sowie eigenen Problemen zu entfliehen. Grob lassen sich Nutzungsmotive in die folgenden vier Gruppen einteilen (vgl. Bonfadelli, 2004): 1. Kognitive Bedürfnisse bezeichnen den Wunsch der Rezipienten nach Informationsgewinn und Orientierung. Sie zielen darauf ab, dass Rezipienten befähigt werden, ihre Umwelt zu verstehen, indem sie durch Mediennutzung ihr Wissen erweitern und ihre Selbsterfahrung ausbauen. In der Agenda-Setting-Forschung zum Beispiel meinen kognitive Motive die Orientierung in Bezug auf gesellschaftlich wichtige Themen, auf verschiedene Aspekte oder Facetten eines Themas und journalistische Bewertungen desselben (vgl. Matthes, 2006). 2. Affektive Bedürfnisse dienen der Stimmungskontrolle sowie der Entspannung, der Rekreation sowie der Suche nach aufregenden Erlebnissen, was zumeist durch die Rezeption von Unterhaltungsangeboten erreicht werden kann. Hierunter fällt auch eine mögliche Verdrängung der eigenen Lebensprobleme, was in der Literatur als Eskapismusthese diskutiert wird (vgl. Katz &-Foulkes, 1962; für eine Diskussion Vorderer, 1996). Die Eskapismusthese postuliert, dass Menschen sich deswww.claudia-wild.de: <?page no="53"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 54 3 Selektivität und Gratifikationen 54 halb Medien zuwenden, weil sie dadurch der Realität, in der sie leben, kognitiv und emotional entfliehen können. Dies wird ermöglicht, indem Medienangebote positive Emotionen erzeugen, stellvertretend für die reale Welt Sehnsüchte befriedigen (beispielsweise durch das Miterleben von Handlungen in einem Film) oder schlicht und ergreifend durch die Ablenkung von den eigenen Sorgen und Nöten. Anders formuliert, Medieninhalte bieten den Rezipienten interessante und aufregende Erfahrungen, an denen sie qua Rezeptionserleben teilhaben können. 3. Sozial-interaktive Bedürfnisse meinen den Wunsch von Menschen nach Geselligkeit und sozialem Kontakt. Im Kontext der Medienrezeption ist damit zum einen gemeint, dass Medien Anschlusskommunikation ermöglichen, womit Kontakt zu anderen Menschen hergestellt und aufrechterhalten werden kann. Zum anderen können sich Menschen mit Medienakteuren identifizieren bzw. mit ihnen parasozial interagieren (vgl. auch Kapitel 8). 4. Integrativ-habituelle Bedürfnisse meinen den Wunsch nach Geborgenheit, Stabilität und Sicherheit, der durch habituelle und ritualisierte Mediennutzung befriedigt werden kann, zum Beispiel durch das Sehen der Tagesschau jeden Abend um 20 Uhr. Merksatz Nutzungsmotive lassen sich in kognitive Bedürfnisse, affektive Bedürfnisse, sozialinteraktive Bedürfnisse und integrativ-habituelle Bedürfnisse einteilen. In der empirischen Forschung hängen die gefundenen Motivdimensionen stark von der jeweiligen Stichprobe, den formulierten Items und den mehr oder weniger explizierten theoretischen Vorstellungen der Forscherinnen und Forscher ab, so dass eine Gesamtschau auf alle bisher gefundenen Motive einen etwas beliebigen Eindruck macht. Dies liegt in erster Linie am explorativen Vorgehen der meisten Studien, in denen es eher darum geht, Motivdimensionen zu finden statt sie theoretisch vorherzusagen und zu testen (bzw. zu falsifizieren). Nichtsdestotrotz ermöglichen die gefundenen Dimensionen einen Einblick in das rationale Kalkül, das hinter der Mediennutzung steht. Auch gilt es mittlerweile als gut gesichert, dass die Nutzungsmotive mit sozialen und psychologischen Merkmalen der Rezipienten korrelieren, so dass man schon von stabilen Charakteristiken sprechen kann (vgl. Burst, 1999; Henning &-Vorderer, 2001; Rubin, 1984). Zudem lassen sich durch die Nutzungsmotive tatsächlich Präferenzen für bestimmte Inhalte vorhersagen (vgl. Gleich, 1997; Potts, Dedmon &-Halford, 1996; Trepte, Zapfe &-Sudhoff, 2001). Ob ein Motiv durch die Rezeption befriedigt wird, lässt sich freilich nicht vor der Rezeption vollständig klären. Gewissheit darüber besteht erst nach der Rezeption. Daher wird auch zwischen gesuchten Gratifikationen und erhaltenen Gratifikationen unterschieden (vgl. Palmgreen, 1984). Menschen hegen bestimmte Erwartungen an <?page no="54"?> 3.2 Nutzen- und Belohnungsansatz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 55 55 Medien oder Medieninhalte in Bezug auf die potenzielle Befriedigung ihrer gesuchten Bedürfnisse. Nach der Rezeption gleichen sie die erhaltenen Bedürfnisse mit diesen Erwartungen ab, was wiederum zukünftige Erwartungen beeinflusst. Die Differenz aus gesuchten und erhaltenen Gratifikationen bestimmt schlussendlich den Grad der Befriedigung der Bedürfnisse. Anders formuliert, das Publikum wählt diejenigen Inhalte aus, bei denen die Schere zwischen erwarteten und erhaltenen Gratifikationen am geringsten ausfällt (vgl. Eilders, 1999). Es handelt sich beim Nutzen- und Belohnungsansatz mitnichten um eine Theorie, sondern vielmehr um eine Forschungsperspektive, die auf motivationale Determinanten der Mediennutzung Wert legt. Der Ansatz ist auch nicht ohne Kritik geblieben. Es lassen sich mehrere zentrale Einwände unterscheiden (vgl. Schweiger, 2007): • Der Ansatz nimmt eine individuumszentrierte Sichtweise ein, indem er die Bedürfnisse aus Sicht einzelner Individuen beschreibt, die losgelöst von sozialen Kontexten betrachtet werden. Gemeinsame Mediennutzung oder Mediennutzung als Gruppenereignis wird im Ansatz weitestgehend vernachlässigt. Der Ansatz ist zudem weitestgehend deskriptiv ausgelegt. Das bedeutet, die Motive werden in den Studien beschrieben, aber kaum erklärt bzw. theoretisch vorhergesagt. Dies resultierte in einer großen Sammlung von Motivkatalogen, die aber theoretisch nicht sehr wertvoll sind. • Ganz zentral ist die Kritik, dass Mediennutzung nicht aus rationalen Überlegungen heraus erfolgen muss, sondern zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch unbewusst und wenig reflektiert erfolgen kann (vgl. Schönbach, 1997). Das bedeutet, Selektion kann ganz automatisch ablaufen, ohne dass sich Rezipienten dies vorher gezielt überlegen. Denken wir beispielsweise an das Hängenbleiben beim Zappen: Rezipienten bleiben auf einem Programm, ohne dass sie dies gezielt ausgewählt hätten und dies begründen könnten. • Damit verbunden wurde hinterfragt, ob Menschen tatsächlich Auskunft über ihre Motive geben können, bzw. ob sie überhaupt in der Lage und willens sind, sich selbst klar zu machen, warum sie einen bestimmten Medieninhalt nutzen. Legt man den Befragten wie in der Nutzungsforschung üblich viele Motive in einem Fragebogen vor, so besteht die Gefahr, Antworten zu generieren, die ohne diese Fragen gar nicht erzeugt worden wären. Damit würden Projektionen der Forscher auf das Publikum erfasst, nicht aber die Motive des Publikums. • Auch wird die subjektive Lebenssituation, insbesondere das zur Verfügung stehende Zeit- und Geldbudget im Nutzen- und Belohnungsansatz ausgeklammert. Dies ist aber für Selektionsentscheidungen geradezu zentral. • Schließlich nimmt der Ansatz nur Motive zur Zuwendung, nicht aber Motive zur Vermeidung in den Blick. Wie Fahr und Böcking (2005) argumentieren, sind Selektionsentscheidungen nicht notwendigerweise Signale für die Befriedigung von gewünschten Motiven. Sie können ebenso Resultat der Vermeidung unerwünschter Inhalte sein. Dies wird auch als Programmflucht bezeichnet. Daran wird deutwww.claudia-wild.de: <?page no="55"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 56 3 Selektivität und Gratifikationen 56 lich, dass der Ansatz nur einen Teilbereich des oben vorgestellten Selektionsbegriffes beschreiben kann. 3.3 Konsistenztheoretischer Ansatz Eine andere Perspektive nimmt der konsistenztheoretische Ansatz ein. Demnach interessieren sich Individuen eher für Informationen, die konsistent zu ihrem kognitiven System sind, und sie vermeiden Informationen, die dazu inkonsistent sind. Damit wird an dieser Stelle ein Kritikpunkt des Nutzen- und Belohnungsansatzes wieder aufgegriffen: Dieser erklärt ja gerade nicht, warum Menschen bestimmte Inhalte vermeiden, sondern er beschäftigt sich mit der zielgerichteten Auswahl von Informationen. Dies erklärt auch, warum beide Ansätze weitestgehend unverbunden nebeneinander stehen, »obwohl sie eigentlich zwei Seiten einer Münze bilden« (Schweiger, 2007, S. 99). Im konsistenztheoretischen Ansatz wird postuliert, dass Menschen bestrebt sind, die eigenen Kognitionen (also Gedanken, Meinungen und Wahrnehmungen) konsonant, d. h. widerspruchsfrei, zu organisieren. Die dahinterliegende Theorie ist die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1957). Der Grundgedanke der Theorie der kognitiven Dissonanz ist der folgende (vgl. Frey &-Gaska, 2001): Miteinander verbundene Kognitionen können in einem dissonanten oder einem konsonanten Verhältnis zueinander stehen. Hat beispielsweise ein Zuschauer die Kognitionen »Ich muss morgen früh aufstehen und muss deshalb bald schlafen gehen« und »Diese Nacht läuft ein spannender Film im Fernsehen«, so erzeugt dies Dissonanz, da beide Kognitionen unvereinbar sind. Hingegen stehen zwei Kognitionen in einer konsonanten Beziehung, wenn sie mit einander vereinbar sind, z. B. »Morgen früh kann ich ausschlafen« und »Diese Nacht läuft ein spannender Film im Fernsehen«. Wichtig ist dabei zu betonen, dass damit keine objektiven Unvereinbarkeiten gemeint sind, sondern subjektive. Ob eine Kognition mit einer anderen in einem konsonanten oder dissonanten Verhältnis steht, kann von Person zu Person und auch von Situation zu Situation variieren. Definition: kognitive Dissonanz Kognitive Dissonanz ist die Bezeichnung für einen als unangenehm erlebten Zustand, der durch zueinander im Widerspruch stehende Kognitionen ausgelöst wird. Prinzipiell sind Menschen bestrebt, kognitive Dissonanz zu vermeiden, bzw. wenn sie vorliegt, sie wieder abzubauen. Wenn Individuen Kognitionen haben, die sich widersprechen, also dissonant sind, so wird dies als unangenehm erlebt. Wie stark die Dissonanz vom Individuum erlebt wird, hängt ab von dem zahlenmäßigen Verhältnis der dissonanten zu den konsonanten <?page no="56"?> 3.3 Konsistenztheoretischer Ansatz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 57 57 Kognitionen und ihrer jeweiligen Wichtigkeit für das Individuum. Die Theorie der kognitiven Dissonanz ist aber nicht nur eine kognitive Theorie, sondern auch eine motivationale: Entsteht beim Individuum kognitive Dissonanz, so erzeugt dies die Motivation, die entstandene Dissonanz wieder zu reduzieren. Die Dissonanzreduktion kann dabei auf drei einzeln oder gleichzeitig ablaufende Arten erfolgen (vgl. auch Frey &-Gaska, 2001, S. 277): durch die Addition neuer konsonanter Informationen, durch die Subtraktion von dissonanten Kognitionen (Ignorieren, Vergessen, Verdrängen) und durch die Uminterpretation und Umstrukturierung von dissonanten Informationen. Was hat nun die Theorie der kognitiven Dissonanz mit der Medienrezeption zu tun? Die Grundidee ist, dass Menschen die Medien nutzen und die Inhalte selektieren, die konsonant zu ihren bestehenden Einstellungen und Meinungen sind. Durch die selektive Auswahl von Informationen wird eine möglicherweise bereits bestehende kognitive Dissonanz wieder abgebaut und neu entstehende Dissonanz quasi im Keim erstickt. Im Unterschied zum Nutzen- und Belohnungsansatz macht der konsistenztheoretische Ansatz jedoch keine Aussage darüber, dass die Auswahl bewusst erfolgen muss bzw. die Rezipienten sich dies bewusst vergegenwärtigen müssen. Folgerichtig werden in diesen Studien die Menschen nicht direkt gefragt, ob sie lieber die Informationen auswählen, die ihren Einstellungen entsprechen. Vielmehr wird meist in experimentellen Designs in einem ersten Schritt die Voreinstellung erhoben. In einem zweiten Schritt wird in einer Selektionsaufgabe beobachtet, ob die Rezipienten eher Inhalte auswählen (beispielsweise basierend auf Überschriften), die ihren Einstellungen entsprechen (vgl. Knobloch-Westerwick &-Meng, 2009). Die selektive Auswahl umfasst im konsistenztheoretischen Ansatz zwei Dinge: Zum einen fällt darunter die Auswahl von Inhalten der Massenkommunikation. Dies wird als Selective Exposure bezeichnet. Personen suchen Inhalte, die ihren Überzeugungen entsprechen, und sie vermeiden Inhalte, die ihren Überzeugungen entgegenstehen. Aus dieser Sicht ist es wahrscheinlicher, dass Menschen mit konservativen politischen Einstellungen keine Zeitungen lesen werden, die eine eher links gerichtete Blattausrichtung verfolgen. Die selektive Suche und das selektive Vermeiden von Inhalten sind umso stärker ausgeprägt, je höher die kognitive Dissonanz ist und umso unsicherer sich Personen in ihren ursprünglichen Überzeugungen sind (vgl. Schenk, 2007). Ist die kognitive Dissonanz aber extrem hoch, kann es nach Festinger (1957) zu einem genau umgekehrten Effekt kommen: Es werden dissonante Informationen sogar bevorzugt gesucht, um eine spätere Entscheidungsrevision vorzubereiten. Unter der Lupe: selektive Zuwendung bei der Zeitungslektüre Donsbach (1991) hat in einer breit angelegten Feldstudie die selektive Auswahl von Zeitungsartikeln untersucht. In einem ersten Schritt wurde eine Leserbefragung durchgeführt, die die Voreinstellungen der Leser zu verschiedenen politischen Themen ermittelte. In einem zweiten Schritt wurden diesen Lesern in einem <?page no="57"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 58 3 Selektivität und Gratifikationen 58 sogenannten Copy-Test verschiedene Zeitungsartikel aus der realen Berichterstattung von vier Zeitungen gezeigt. Die Leser sollten angeben, ob sie diese Artikel ganz gelesen, teilweise gelesen, nur die Überschrift gelesen oder nicht gelesen haben. Damit konnte herausgefunden werden, welchen Artikeln sich die Leser zugewendet haben. In einem dritten Schritt wurden nun diese Artikel inhaltsanalysiert, um den Einfluss von inhaltlichen und formalen Merkmalen zu bestimmen. Nun konnte ermittelt werden, welche Leser (mit welchen Voreinstellungen) welche Inhalte auswählen. Die Ergebnisse zeigen ein heterogenes Bild: Kam ein Politiker in einem positiven Kontext vor, dann wurde er von seinen Anhängern (Konsonanz) stärker beachtet als von seinen Gegnern (Dissonanz). Dies entspricht den Annahmen der Dissonanztheorie. Wurde hingegen der Politiker in einem negativem Licht dargestellt, so wurden die Artikel von seinen Anhängern genauso stark beachtet wie von seinen Gegnern. Aber auch die formale Aufbereitung der Artikel hatte einen wichtigen Einfluss: Die formale Betonung der Beiträge wie Schlagzeilengröße, Überschrift oder Bebilderung war für die Auswahl der Artikel noch entscheidender als die Konsonanz oder Dissonanz zwischen Lesermeinung und dargebotener Information. Der zweite Aspekt der selektiven Auswahl umfasst die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten. Die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten können wir uns folgendermaßen vorstellen: Rezipienten neigen dazu, die Medieninformationen in die Richtung ihrer Voreinstellung verzerrt zu interpretieren. Dieses Phänomen ist auch unter dem Namen Confirmation Bias (vgl. Fischer, Jonas, Frey &- Schulz-Hardt, 2005) bekannt, und wir kennen ähnliche Befunde ebenfalls schon von der Schema-Theorie (vgl. Kapitel 2). Die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten umfasst darüber hinaus auch die Beurteilung der Qualität von Informationen: Menschen neigen dazu, Informationen, die zu den eigenen Kognitionen inkonsistent sind, kritischer zu prüfen als konsistente Informationen (vgl. Fischer et al., 2005). Zusammengenommen schützen die beiden Selektionsschritte die Rezipienten gewissermaßen vor einem zu starken Medieneinfluss. Interessanterweise ging Festinger (1957) davon aus, dass die selektive Zuwendung zu Informationen ausschließlich beim Vorhandensein von kognitiver Dissonanz erfolgt. Ohne Dissonanz, so Festinger, ließen sich auch keine selektiven Zuwendungseffekte erwarten. Genau diese Hypothese wurde aber in der bisherigen Literatur nicht eingehend geprüft (vgl. Holbrook, Berent, Krosnick, Visser &- Boninger, 2005). Im Vordergrund der Forschungsbemühungen stand vielmehr die allgemeine Frage, ob Zuschauer Informationen bevorzugen, die ihren Voreinstellungen entsprechen (vgl. z. B. Donsbach, 1991). Dies lässt sich, streng genommen, allerdings nur implizit aus der Theorie der kognitiven Dissonanz ableiten (vgl. Holbrook et al., 2005). Die Theorie der kogniti- <?page no="58"?> 3.3 Konsistenztheoretischer Ansatz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 59 59 ven Dissonanz ist wegen ihres breiten Erklärungsanspruchs nicht widerspruchsfrei belegt, und es existiert auch eine Reihe von Weiterentwicklungen oder alternativen Erklärungsansätzen (vgl. zusammenfassend Frey &-Gaska, 2001). Bei der Vorhersage und Erklärung von empirischen Ergebnissen ist sie zudem sehr flexibel, d. h. sie kann Deutungen für zwei sich widersprechende Ergebnisse liefern (vgl. Cotton, 1985). Dies ist eine wichtige Kritik an der Theorie. Zudem gibt es eine Vielzahl von intervenierenden Variablen und notwendigen Bedingungen für das Entstehen und den Abbau von Dissonanz. Eine jüngere, vielversprechende Perspektive ergibt sich durch die Einbeziehung von Persönlichkeitsvariablen. Beispielsweise entwickelten Cialdini, Trost und Newsom (1995) eine Skala zur Erfassung einer Präferenz für Konsistenz. Damit ist die interindividuelle Eigenschaft gemeint, nach konsistenten Kognitionen zu streben bzw. Inkonsistenzen zu tolerieren. Durch die Einbeziehung dieser Persönlichkeitseigenschaft kann besser erklärt werden, bei welchen Personen es verstärkt zu selektiven Nutzungsmustern auf Basis der eigenen Prädispositionen kommen sollte. Merksatz Die Selektion von einstellungskonsistenten Informationen ist kein universelles Phänomen. Sie ist vielmehr abhängig von einer Reihe von Randbedingungen wie der Negativität des Stimulus, den kognitiven Ressourcen der Rezipienten oder der wahrgenommenen Relevanz des Stimulus. In Bezug auf die Selektion von Medieninhalten ist die pauschale Annahme, dass Menschen nur Inhalte auswählen, die ihren eigenen Einstellungen nicht widersprechen, sicherlich zu kurz gegriffen. Donsbach (1991) nennt eine Reihe von Faktoren, die diesen Effekt wieder abschwächen können: Erstens ist die einstellungskonsistente Selektion geringer, je mehr Zeit die Rezipienten für die Rezeption aufbringen. Zweitens sind die Effekte nur bei neutralen oder positiven Inhalten feststellbar, negative Inhalte unterliegen nicht der einstellungsbasierten Selektion. Drittens wird der Effekt der einstellungskonsistenten Selektion verringert, wenn die Beiträge als sehr relevant empfunden werden, also mehrere Nachrichtenwerte ansprechen. Hinzu kommt, dass Rezipienten nicht bei allen Medienangeboten einstellungsbasiert selektieren können. Zwar kann man sich entscheiden, ob man eher die eine oder die andere Zeitung abonniert oder den einen oder anderen TV Sender eher einschaltet (wie in den USA z. B. den konservativen Sender FOX), allerdings ist es deutlich schwerer und aufwändiger, die Einstellungskonsistenz eines einzelnen Medienbeitrages schon an der Überschrift oder an der Anmoderation zu erkennen. Dies ist vor allem bei Medienbeiträgen der Fall, in denen mehrere unterschiedliche Sichtweisen beleuchtet werden. In den experimentellen Studien zum konsistenztheoretischen Ansatz wird den Versuchspersonen die Wahl zwischen verschiedenen Beiträgen überlassen. Dies ist aber in der Realität <?page no="59"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 60 3 Selektivität und Gratifikationen 60 gar nicht immer der Fall (vgl. Mutz &-Martin, 2001). Generell und sicherlich etwas überspitzt fragen Chaffee, Saphir, Graf, Sandvig und Hahn (vgl. 2001, S. 248), wie die Menschheit über Tausende von Jahren überleben konnte, wenn sie nur nach einstellungskonsistenten Informationen sucht und neue Erkenntnisse oder Überraschungen vermeidet. Dieses eher verhaltene Fazit entspricht auch den jüngsten Erkenntnissen der empirischen Forschung: Zwar lässt sich eindeutig das Phänomen der einstellungskonsistenten Selektion nachweisen, allerdings zeigt sich nicht, dass einstellungsinkonsistente Informationen vermieden werden (vgl. Garrett, 2009; Matthes, 2012). Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, mit einstellungsinkonsistenten Informationen konfrontiert zu werden, bei Massenmedien größer ist als bei der interpersonalen Kommunikation (vgl. Mutz &-Martin, 2001). 3.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir die wichtigsten Ansätze der Selektionsforschung kennengelernt. Obwohl sie nicht direkt den Prozess der Rezeption beschreiben, sind sie dennoch für die Rezeptionsforschung wichtig. Selektionsmuster und -gründe determinieren die Erwartungen an die Rezeption und damit auch grundlegende Rezeptionshaltungen. Wir haben dabei zwei zentrale Ansätze herausgegriffen. Allerdings gibt es noch andere. Beispielsweise kann auch die Mood-Management-Theorie (vgl. Kapitel 5) dazu herangezogen werden, eher automatische Selektionsprozesse zu beschreiben. Ebenso wurden Ansätze aus der Journalismusforschung, wie die Nachrichtenwert-Theorie, bereits in Bezug auf Medienselektionsprozesse diskutiert (vgl. Eilders, 1999). Es ist deutlich geworden, dass die beiden zentralen Ansätze zur Medienselektion von unterschiedlichen Prämissen ausgehen: Während der Nutzen- und Belohnungsansatz postuliert, dass Medienselektionsprozesse intentional und bewusst ablaufen, wird diese Annahme im konsistenztheoretischen Ansatz nicht formuliert. Auch zeigt ein Blick auf die empirische Literatur, dass der Nutzen- und Belohnungsansatz sowohl die Selektion von Unterhaltungsals auch von Informationsangeboten beschreiben kann. Die Forschung im konsistenztheoretischen Ansatz bezieht sich allerdings ausschließlich auf informationsorientierte Medienangebote, insbesondere solche, die einstellungskonsistent oder inkonsistent sein können. Schließlich sehen wir im konsistenztheoretischen Ansatz neben der Auswahl von Informationen auch einen Fokus auf die Vermeidung von Informationen. Dies spielt beim Nutzen- und Belohnungsansatz jedoch keine Rolle. Insgesamt findet sich in der Rezeptionsforschung allerdings kein theoretischer Ansatz, der alle Facetten der Medienselektion aus einem Blickwinkel erklären kann. So gilt auch die Feststellung von Eilders (1999, S. 36) noch heute, dass die Ansätze zur Medienselektion zwar in sich stimmig sind, »aber in ihrer Erklärungskraft insgewww.claudia-wild.de: <?page no="60"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 61 61 Zum Weiterlesen samt begrenzt, da die unterschiedlichen Forschungstraditionen jeweils nur einen oder wenige Aspekte des komplexen Selektionsprozesses beleuchten«. Übungsaufgaben 1. Erklären Sie die vier Selektionsentscheidungen bei der Medienrezeption an einem selbst gewählten Beispiel. 2. Erläutern Sie die Begriffe gesuchte Gratifikationen und erhaltene Gratifikationen. 3. Erklären Sie an einem selbst gewählten Beispiel die Kritik am Nutzen- und Belohnungsansatz, dass Selektionsentscheidungen nicht immer durchdacht und bewusst getroffen werden müssen. 4. Definieren Sie den Begriff der kognitiven Dissonanz. 5. Erläutern Sie den Unterschied zwischen dem Nutzen- und Belohnungsansatz und dem konsistenztheoretischen Ansatz. Zum Weiterlesen Eilders, C. (1999). Zum Konzept der Selektivität: Auswahlprozesse bei Medien und Publikum. In: W. Wirth &-W. Schweiger (Hrsg.), Selektion im Internet. Empirische Analysen zu einem Schlüsselkonzept (S. 13-42). Opladen, Wiesbaden. Der Beitrag liefert einen umfassenden Forschungsüberblick zur Selektionsforschung sowie eine ausführliche Analyse der wichtigsten Begriffe. Zudem werden auch Auswahlprozesse bei Journalisten näher beleuchtet. Garrett, R. K. (2009). Politically motivated reinforcement seeking: Reframing the selective exposure debate. Journal of Communication, 59, 676-699. Der Beitrag untersucht die Stärke des konsistenztheoretischen Ansatzes in Bezug auf Selektions- und Vermeidungsverhalten. Diese viel beachtete Studie zeigt sehr schön auf, dass Menschen keineswegs Medieninhalte vermeiden, die ihren Einstellungen widersprechen. Vorderer, P. (1996). Rezeptionsmotivation: Warum nutzen Rezipienten mediale Unterhaltungsangebote? Publizistik, 41, 310-326. Dieser vielzitierte Aufsatz gibt einen gehaltvollen Überblick zu motivationstheoretischen Ansätzen der Selektionsforschung, insbesondere in Bezug auf Unterhaltungsangebote. <?page no="61"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 62 <?page no="62"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 63 63 4 Interaktivität Lernziele 1. Sie erlernen die Verwendung der Begriffe Interaktion und Interaktivität in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. 2. Sie machen sich mit drei verschiedenen Sichtweisen auf Interaktivität vertraut. 3. Sie kennen die Konsequenzen von Interaktivität für die Verarbeitung von Medienbotschaften. 4. Sie nehmen die methodischen Herausforderungen der Interaktivitätsforschung in den Blick. 4.1 Interaktivität bei der Medienrezeption Mit der zunehmenden Verbreitung von digitalen Medientechnologien ist die Interaktivität bei der Medienrezeption in aller Munde. Vor allem das Web 2.0, das die Nutzer intensiv in die Gestaltung der Inhalte einbindet, sowie Computerspiele bieten den Rezipienten die Möglichkeit der direkten Interaktion mit einem Medium bzw. anderen Kommunikatoren. Dabei wird sich zunehmend von einer einseitigen Kommunikationsrichtung verabschiedet, in der ein Kommunikator Inhalte zur Verfügung stellt, die dann von Rezipienten lediglich aufgenommen bzw. rezipiert werden. Vielmehr verlangen interaktive Medien Aktivitäten vom Rezipienten, »damit das entsprechende Programmangebot für ihn überhaupt entsteht-- sei es mittels Tastatur und Maus im Falle der Online-Medien, mittels der Fernbedienung im Falle des Fernsehens, oder mittels eines Touch-Screens bei mobilen Endgeräten« (Bucher, 2012, S. 22). Trotz der Wichtigkeit und Popularität des Interaktivitätsbegriffes für die Kommunikationswissenschaft hat sich keine einheitliche Definition durchgesetzt (vgl. Kiousis, 2002; Lee, 2008; Lombard &- Snyder-Duch, 2001; Neuberger, 2007; Neuman, 2008; Quiring &-Schweiger, 2006; Sundar, 2004; Sundar, Xu &-Bellur, 2010). Vielmehr stehen unterschiedliche Konzeptualisierungen nebeneinander, wie wir in diesem Kapitel noch näher sehen werden: Interaktivität setzt sich aus den Begriffen inter =-wechselseitig oder zwischen und agere =-handeln zusammen. Die wissenschaftlichen Ursprünge des Interaktivitätsbegriffes finden sich in der Soziologie und in der Informatik (vgl. im Folgenden Quiring &- Schweiger, 2006). In beiden Disziplinen wird eher von Interaktion gesprochen, nicht von Interaktivität. In der Soziologie geht es um die Interaktion von Kommunikationspartnern, entweder Face-to-Face oder über technische Kommunikationsmittel wie Computer oder Telefon. In der Informatik spielt der Interaktionsbegriff beim Zusammenspiel von Mensch und Maschine bzw. Computer eine Rolle. Direkte Kommunikation zwischen Menschen interessiert hier nicht. Die Kommunikationswiswww.claudia-wild.de: <?page no="63"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 64 4 Interaktivität 64 senschaft-- gewissermaßen »das Bindeglied zwischen beiden Perspektiven« (Quiring &-Schweiger, 2006, S. 7)-- verwendet den Begriff der Interaktivität. Darunter werden, vereinfacht formuliert, Feedbackprozesse zwischen Publikum und Kommunikatoren gefasst. Allerdings wird in der Kommunikationswissenschaft das Interaktivitätskonzept weniger auf klassische Massenkommunikation angewendet, bei der ja durch Leserbriefe oder Zuschauerrückmeldungen ebenfalls Feedback möglich ist, sondern es stehen neue Medien und insbesondere die computervermittelte Kommunikation im Mittelpunkt (vgl. Quiring &- Schweiger, 2006). Quiring und Schweiger (2006) machen dabei vier wichtige Unterschiede dieser »neuen Medien« im Vergleich zu klassischer Massenkommunikation aus: • Erstens ist für eine Rückmeldung kein Wechsel der Geräte- - beispielsweise vom Fernsehen zum Telefon- - nötig, sondern das Feedback wird direkt über dasselbe Medium vermittelt. • Zweitens ermöglichen computerbasierte Dienste die Interaktion schneller, einfacher und häufig kostenlos im Vergleich zu klassischen Medien der Massenkommunikation. • Drittens kann das Feedback der Nutzer unmittelbar verarbeitet und in das Medienangebot integriert werden. • Viertens und nicht zuletzt ist die Unterscheidung zwischen Kommunikator auf der einen Seite und Rezipient auf der anderen Seite bei einigen Angeboten nicht mehr tragfähig, da die Nutzer selbst als Kommunikatoren auftreten können. Zusammengefasst bezeichnet Interaktivität die Interaktion zwischen Menschen und Menschen oder zwischen Menschen und Maschinen, wenn »eine technische Komponente eine Schlüsselstellung im Kommunikationsprozess einnimmt« (Quiring &-Schweiger, 2006, S. 9), ohne dass für die Interaktion ein Gerätewechsel nötig ist. Damit grenzen wir die Interaktivität von der parasozialen Interaktion ab (vgl. Kapitel 8), bei der weder Menschen mit Menschen noch Menschen mit Maschinen interagieren, sondern Menschen auf Medienfiguren Bezug nehmen. Zudem zeichnet sich Interaktivität durch vier Charakteristiken aus (vgl. Neuman, 2008): • Das erste Kriterium ist die Wechselseitigkeit der Kommunikation, da Informationen nicht mehr alleinig von einem Kommunikator zu einer breiten Masse an Rezipienten fließen, sondern die Rezipienten selbst Inhalte einbringen können. • Das zweite Kriterium bezieht sich auf die hohe Selektivität der Nutzer im Rezeptionsprozess. Sie können aus einer Vielzahl von Optionen auswählen und damit den weiteren Rezeptionsprozess determinieren. • Die unmittelbare Responsivität des Mediums auf den Input der Rezipienten macht das dritte Kriterium aus. • Schließlich ist das reziproke Bewusstsein, dass zukünftige Eingaben aus vorangegangenen folgen, das vierte Kriterium von Interaktivität. <?page no="64"?> 4.2 Verständnisse von Interaktivität www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 65 65 Damit haben wir den Begriff der Interaktivität noch nicht vollständig eingegrenzt. Es gibt mehrere Sichtweisen bzw. Verständnisse von Interaktivität, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden. Definition: Interaktivität Die Begriffe Interaktion und Interaktivität werden in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich verwendet. In der Soziologie geht es um die Interaktion von Kommunikationspartnern, in der Informatik um die Interaktion von Mensch und Maschine. Die Kommunikationswissenschaft verwendet den Interaktivitätsbegriff, der die Interaktion zwischen Menschen und Menschen oder zwischen Menschen und Maschinen mit Hilfe technischer Kommunikationsmittel beschreibt, ohne dass für den wechselseitigen Austausch ein Gerätewechsel notwendig ist. 4.2 Verständnisse von Interaktivität Dem Begriff der Interaktivität kann sich aus drei verschiedenen Sichtweisen genähert werden, einer technologieorientierten Sicht, einer kommunikationssituationsorientierten Sicht sowie einer individuumszentrierten Sicht (vgl. im Folgenden Lee, 2008). Je nach Sicht folgt eine unterschiedliche Betrachtung und damit Operationalisierung von Interaktivität, wobei sich in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung keine dieser Sichtweisen durchgesetzt hat. Sie stehen vielmehr konkurrierend nebeneinander. Merksatz Interaktivität kann aus einer technologieorientierten Sicht, einer situationsbezogenen Sicht oder einer individuumszentrierten Sicht betrachtet werden. Dies hat Konsequenzen für die Operationalisierung bzw. Messung von Interaktivität. Die technologieorientierte Sicht begreift Interaktivität als eine Eigenschaft des Mediums, die durch technische Möglichkeiten geschaffen wird. Beispielsweise beschreibt Heeter (1989) Interaktivität als Stimulusvariable, die sich aus sechs verschiedenen Eigenschaften speist: 1. der Komplexität von Auswahlmöglichkeiten beispielsweise durch Hyperlinks, Grafiken oder Gestaltungsmöglichkeiten in Chats, 2. dem Aufwand, den ein Nutzer aufbringen kann, den Rezeptionsprozess zu steuern, 3. der Responsivität des Systems auf die Handlungen des Nutzers, beispielsweise durch Computeralgorithmen, 4. der Ermöglichung von interpersonaler Kommunikation durch ein System, beispielsweise durch Diskussionsforen oder Chats mit minimaler Zeitverzögerung, <?page no="65"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 66 4 Interaktivität 66 5. der Einfachheit, neue Informationen hinzuzufügen, indem die Nutzer selbst die Rolle der Kommunikatoren einnehmen sowie 6. der Möglichkeit, das System zu beobachten, also wer zu welchem Zeitpunkt interagiert oder interagiert hat. Der Vorteil einer solchen technologieorientierten Sicht ist, dass man Medienangebote leicht nach ihrem Interaktivitätsgrad einteilen kann, beispielsweise durch Inhaltsanalysen. Damit wird Interaktivität unabhängig von der Wahrnehmung durch die Rezipienten an objektivierbaren Medieneigenschaften festgemacht. Der Nachteil ist natürlich, dass ein gemessen an dieser Auffassung hoch interaktives Medienangebot durch die Rezipierenden als wenig interaktiv erlebt werden kann (vgl. Bucy, 2004; Sundar, 2004). Sundar (2004), der eine solche technologieorientierte Sicht einnimmt, argumentiert jedoch, dass die weiter unten beschriebene individuumszentrierte Sicht, die Interaktivität an der Wahrnehmung durch die Rezipienten festmacht, die Nutzerfreundlichkeit mit Interaktivität verwechselt. Die wahrgenommene Interaktivität ist von dieser Warte aus nichts anderes als eine Spiegelung der Fähigkeiten der untersuchten Stichprobe: »It’s simply self-fulfilling. If I am skilled enough to ably use a given interface, I would rate it as quite interactive. If not, I would rate it poorly. As a result, a high-end virtual reality (VR) system that requires advanced skills is likely to be rated lower in interactivity than more usable everyday applications such as e-mail« (Sundar, 2004, S. 386). Sundar, Xu und Bellur (2010) definieren Interaktivität daher anhand von drei Eigenschaften von Medientechnologien: Eigenschaften der Quelle, Eigenschaften des Mediums und Eigenschaften der Botschaft: • Interaktivität als Eigenschaft der Quelle meint die Möglichkeit für Nutzer, selbst als Kommunikatoren in Erscheinung zu treten, indem Inhalte speziell für die eigene Nutzung konfiguriert und, was wichtiger ist, für andere Nutzer zugänglich gemacht werden. Stichwort ist hier User generated Content. Wie diese Möglichkeit die Verarbeitung und Bewertung von Medieninhalten beeinflusst, hängt jedoch von den Dispositionen der Rezipienten ab. Man kann davon ausgehen, dass erfahrene Rezipienten Inhalte bevorzugen, bei denen sie selbst als Kommunikator in Erscheinung treten können. Bei weniger erfahrenen Rezipienten dürfte das Gegenteil wahrscheinlich sein (vgl. Sundar et al., 2010). Vorderer, Knobloch und Schramm (2001) zeigten beispielsweise in einer experimentellen Studie, dass Menschen mit hoher kognitiver Kapazität einen Film mehr mochten, wenn sie die Handlung verändern konnten (sogenanntes interaktives Fernsehen). Bei Menschen mit niedriger kognitiver Kapazität war das Gegenteil der Fall: Diesen Personen gefiel der Film besser, wenn sie den Film passiv, das heißt, nicht-interaktiv verfolgten. • Interaktivität als Eigenschaft des Mediums bezieht sich auf die Modalitäten der Informationsverbreitung, also Text, Bild, Audio, sowie die Möglichkeit, zwischen <?page no="66"?> 4.2 Verständnisse von Interaktivität www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 67 67 verschiedenen Modalitäten hin- und herzuwechseln. Wenn mehrere Modalitäten zur Verfügung stehen, werden auch mehrere sensorische Kanäle angesprochen: »in a website that has text, pictures, movie-clip, hyperlinks and flash animations, several perceptual abilities that detect sight, sound, and motion are being employed, leading to an elaborate mental representation of this information in the users’ mind. The more widespread such mental representations, the greater the perceptual bandwidth, and thus greater is the level of interactivity afforded by such a website« (Sundar et al., 2010, S. 2249). Das Einbeziehen von mehreren Modalitäten kann auf der einen Seite die Verarbeitungstiefe der dargebotenen Informationen erhöhen, auf der anderen Seite kann es aber auch gemäß dem Limited Capacity Model (vgl. Kap. 2; Lang, 2000) zu einer kognitiven Überlastung kommen, so dass die dargebotenen Informationen weniger gründlich verarbeitet werden. Wann die eine oder andere Situation eintritt, kann nur schwer generalisierend bestimmt werden, sondern hängt von den Dispositionen der Rezipienten und den situativen Begebenheiten ab (vgl. ausführlicher Sundar et al., 2000). • Interaktivität als Eigenschaft der Botschaft bedeutet, dass ausgewählte Botschaften oder Inhalte eine direkte Funktion früherer Auswahleigenschaften der Nutzer darstellen: »Users make decisions about where to start, what to ignore, and when to stop. Each user creates his/ her own idiosyncratic browsing path with a series of interlinked messages by navigating through various layers of an interface. In this manner, we can say that the user is interacting with the message« (Sundar et al., 2000, S. 2253). Studien zeigen, dass höhere botschaftsbezogene Interaktivität zu einer stärkeren Aufmerksamkeitsallokation auf den dargebotenen Inhalt führt. Bei einer Homepage, die beispielsweise stark mit Hyperlinks zu anderen Botschaftsinhalten arbeitet, wird jede neu aufgerufene Seite von den Rezipienten neu bewertet. Durch das aktive Navigieren über die Hyperlinks erhöht sich das Involvement (vgl. Kapitel 5) der Rezipienten (vgl. Sundar, Kalyanaraman &-Brown, 2003). Merksatz: Interaktivität als Medieneigenschaft Aus einer technologieorientierten Sicht wird die Interaktivität an den Eigenschaften der Botschaft, des Mediums und der Quelle ausgemacht. Je höher die Interaktivität bei diesen drei Punkten jeweils ausgeprägt ist, desto höher ist die Gesamtinteraktivität eines Mediums. Die technologieorientierte Sicht unterscheidet sich von einer situationsbezogenen Sicht auf Interaktivität. Letztere macht den Grad der Interaktivität am Verlauf einer Kommunikationshandlung fest. Es geht also nicht darum, welches Ausmaß an Interaktivitätsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wird und potenziell möglich ist (technologiewww.claudia-wild.de: <?page no="67"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 68 4 Interaktivität 68 orientierte Sicht), sondern darum, wie viel Interaktivität in einer konkreten Situation zustande kommt. Diesem Verständnis folgt auch die prominente Definition von Rafaeli (1988, S. 111), der Interaktivität als »an expression of the extent that in a given series of communication exchanges, any third (or later) transmission (or message) is related to the degree to which previous exchanges referred to even earlier transmissions« versteht. Aus dieser Perspektive ist die Interaktivität dann hoch, wenn auf vorhergehende Botschaftsinhalte Bezug genommen wird, wenn diese paraphrasiert, zusammengefasst, interpretiert oder angegriffen werden (vgl. Chaffee, Rafaeli &-Lieberman, 1985; zitiert nach Lee, 2008). Situationsbezogene Interaktivität wird an der Abfolge und den Inhalten von Botschaften gemessen, beispielsweise durch Inhaltsanalysen (vgl. Lee, 2008). Sie kann damit nur nach der Rezeption mit Blick auf den gesamten Rezeptionsverlauf ermittelt werden. Schließlich begreift die individuumszentrierte Sicht Interaktivität aus der Perspektive der Rezipienten (vgl. Bucy, 2004; Bucy &-Tao, 2007). Interaktivität lässt sich gemäß dieser Auffassung nicht aus den Inhalten oder der Situation ableiten, sondern nur aus dem subjektiven Empfinden der Rezipierenden. Kurz: Interaktiv ist das, was die Rezipienten als interaktiv wahrnehmen und bezeichnen. Es wird also argumentiert, dass aus technologieorientierter und situationsbezogener Sicht wenig interaktive Angebote von den Rezipienten als sehr stark interaktiv erlebt werden können (vgl. Bucy, 2004). Die wahrgenommene Interaktivität ist daher nicht deckungsgleich mit dem tatsächlichen Interaktivitätspotenzial eines Mediums oder der messbaren Interaktivität in einer Kommunikationssituation. Vielmehr hängt die Wahrnehmung der Interaktivität stark von den Dispositionen der Rezipienten ab, wie beispielsweise der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit im Internet (d. h. dem Glauben an die eigene Fähigkeit, durch Handlungen im Internet ein gewünschtes Resultat zu erzielen): Ein aus technologieorientierter Sicht hochgradig interaktives Angebot wird von Rezipienten mit hoher Selbstwirksamkeitswahrnehmung auch als interaktiv erlebt, von anderen jedoch nicht (vgl. Bucy &-Tao, 2007). Folglich wird in der individuumszentrierten Interaktivitätsforschung nach der wahrgenommenen Interaktivität gefragt, beispielsweise durch qualitative oder quantitative Befragungen. Gao, Rau und Salvendy (2010) bestimmen etwa die wahrgenommene Interaktivität von Handywerbungen anhand von Rezipientenurteilen auf sechs Dimensionen: (1) die wahrgenommene Kontrolle während der Rezeption, (2) die wahrgenommene Reziprozität, (3) das Gefühl der »Connectedness« mit dem werbenden Unternehmen, (4) die wahrgenommene Synchronizität, (5) das Gefühl, eine persönliche Kommunikation mit der Werbung einzugehen sowie (6) den spielerischen Anreiz der Werbung. Neben solchen Befragungsmethoden können auch psychophysiologische Messverfahren wie Herzfrequenz, Hautleitfähigkeit oder Blutdruck eingesetzt werden, da eine gesteigerte Aktivität dieser in der Regel mit höherer erlebter Interaktivität einhergeht (vgl. Bucy &-Tao, 2007). Diese Auffassung wird in Abb. 4.1 noch einmal zusammengefasst: Die Eigenschaften des Mediums bestimmen die wahrgenommene Interaktivität. Allerdings hängt <?page no="68"?> 4.2 Verständnisse von Interaktivität www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 69 69 dieser Zusammenhang von Rezipienteneigenschaften ab. Als Folge der wahrgenommenen Interaktivität stehen Kognitionen, Einstellungen und Verhalten. Wichtig ist, dass nicht die objektive Medieninteraktivität diese abhängigen Variablen beeinflusst, sondern dass diese allein von der Wahrnehmung des Interaktivitätsgehaltes abhängen. Unter der Lupe: Interaktivität von Websites Wu (2006) untersucht aus einer individuumszentrierten Sicht die wahrgenommene Interaktivität von Internetseiten und unterscheidet dabei drei Dimensionen: die wahrgenommene Kontrolle, die wahrgenommene Responsivität und die wahrgenommene Personalisierung. Kontrolle bezieht sich auf das Gefühl, die Funktionen der Internetseite zu beherrschen, also die Navigation, die Geschwindigkeit und den angestrebten Inhalt. Geht die Kontrolle beim Surfen verloren, verringert sich die wahrgenommene Interaktivität. Mit wahrgenommener Responsivität beschreibt die Autorin die Erfahrung, dass das System auf die eigenen Eingaben reagiert. Dies bezieht sich auf die Rückmeldungen des Betreibers einer Seite, die Navigationshinweise und das Feedback von anderen Personen, mit denen online interagiert wird. Klickt man beispielsweise auf einen E-Mail-Link, so leidet die wahrgenommene Interaktivität, wenn sich kein E-Mail-Fenster oder Ähnliches öffnet. Die dritte Dimension bezeichnet die Wahrnehmung der Rezipienten, personalisiert angesprochen zu werden. Diese drei Dimensionen machen zusammen die wahrgenommene Interaktivität aus, welche mit insgesamt neun Fragen in einem Fragebogen erfasst werden kann. Entscheidend ist, dass es sich hier um subjektive Urteile der Rezipienten handelt. Wahrgenommene Kontrolle: I was in control of my navigation through this website. I had some control over the content of this website that I wanted to see. I was in total control over the place of my visit to this website. Wahrgenommene Responsivität: I could communicate with the company directly for further questions about the company or its products if I wanted to. Eigenschaften des Medienstimulus wahrgenommene Interaktivität Kognitionen, Einstellungen, Verhalten Rezipienteneigenschaften Abb. 4.1: Entstehung und Konsequenzen von Interaktivität aus individuumszentrierter Sicht nach Bucy &-Tao (2007) <?page no="69"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 70 4 Interaktivität 70 The site had the ability to respond to my specific questions quickly and efficiently. I could communicate in real time with other customers who shared my interest in this website. Wahrgenommene Personalisierung: I felt I just had a personal conversation with a sociable, knowledgeable and warm representative from the company. The website was like talking back to me while I clicked through the website. I perceived the website to be sensitive to my needs for product information. 4.3 Interaktivität im Rezeptionsprozess Die Verarbeitung von Interaktivität und die damit verbundenen Konsequenzen im Prozess der Rezeption lassen sich in dreierlei Hinsicht beschreiben (vgl. im Folgenden Sundar, 2004): in Bezug auf das Verhalten während der Rezeption, in Bezug auf Kognitionen und in Bezug auf Einstellungen und Affekte. Es dürfte einleuchten, dass Interaktivität bei der Medienrezeption den Rezeptionsverlauf bzw. das Verhalten während der Rezeption determiniert. Dies wird vor allem aus Sicht der technologieorientierten Interaktionsforschung angenommen, die die wahrgenommene Interaktivität sowie die kommunikationssituationsbezogene Interaktivität nicht als Definitionskriterium, sondern als Effekt von Interaktivität begreift. Der wichtigste Effekt auf Verhaltensebene ist damit der Grad der weiteren bzw. folgenden Interaktion, der sich anhand mehrerer Indikatoren ablesen lässt: Zum einen kann hohe Interaktivität hohe Klickraten bzw. eine hohe Frequenz von Nutzersteuerungen zur Folge haben. Das bedeutet, die Nutzer machen stark von dem interaktiven Angebot Gebrauch und stellen sich einen hoch individualisierten Nutzungsablauf zusammen. Zum anderen ist es auch möglich, dass aufgrund eines hohen technischen Interaktivitätsgehaltes eine vertiefte Verarbeitung einzelner Inhalte erfolgt, da die Interaktivität das Bedürfnis stärkt, nach relevanten Inhalten zu suchen (vgl. Kalyanaraman &- Sundar, 2003). Dafür müssen die Inhalte genauer betrachtet werden, was wiederum die Klickrate bzw. die Frequenz von Nutzungssteuerungen verringern kann. Welche genauen Verhaltenskonsequenzen während der Rezeption folgen, hängt von Rezipienteneigenschaften wie Nutzererfahrung ab, aber auch vom Aufforderungscharakter, dem Animationsgrad und der Anzahl von Verhaltensoptionen in einem Medienangebot. In Bezug auf Einstellungen und Affekte hat die Interaktivität Konsequenzen für die Bewertung des Medienstimulus. Die Studie von Sundar und Kim (2005) zeigt zum Beispiel, dass eine stärkere Interaktivität von Internetwerbungen zu positiveren Einstel- <?page no="70"?> 4.3 Interaktivität im Rezeptionsprozess www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 71 71 lungen gegenüber den beworbenen Produkten führt. Ein ähnliches Ergebnis finden Lee, Park und Wise (2013): Die Interaktivität von Advergames verbessert die Bewertung des Spiels, allerdings nur, wenn ein Spiel leicht zu spielen ist. Wenn die Interaktivität das Spiel zusätzlich erschwert, kann Interaktivität auch die Bewertung des Spiels verschlechtern. Als Folge einer positiven Bewertung des Medieninhaltes verleiht ein hoher Grad an Interaktivität das Gefühl der Präsenz (vgl. Kapitel 7), was dazu führt, dass beispielsweise Computer als real handelnde Akteure angesehen werden. Interaktivität kann auch zu einer tieferen Verarbeitung der Information führen, da das Involvement (vgl. Kapitel 5) gesteigert wird (vgl. Kim &- Stout, 2010). Da die Interaktivität eine genauere Prüfung der Inhalte zur Folge hat, wird der Inhalt wahrscheinlich tiefgründig bzw. zentral und nicht oberflächlich bzw. peripher verarbeitet (vgl. für die zentrale und periphere Verarbeitung Kapitel 11). Ist der so verarbeitete Inhalt überzeugend, sind positive Einstellungsänderungen wahrscheinlich-- bei wenig überzeugenden Inhalten nicht. Allerdings weist Sundar (2004) auch darauf hin, dass das Vorhandensein von interaktiven Angeboten von gering motivierten Rezipienten auch als peripherer Hinweisreiz verstanden werden kann, der zu einer positiven Reaktion der Rezipienten führen könnte (nach der einfachen Daumenregel: Die Interaktivität der Seite schaut gut aus, also muss der Kommunikator auch kompetent sein). In der Forschung zu interaktiven Werbungen wird ebenfalls davon ausgegangen, dass Interaktivität die Involviertheit der Rezipienten erhöht: Lombard und Synder- Duch (2001) nehmen an, dass interaktive Elemente mehrere Dimensionen des Präsenzerlebens erhöhen, was wiederum zu mehr Spaß bei der Rezeption und dadurch auch zu stärkeren Persuasionseffekten führen sollte. • Mit interaktiven Werbungen kann erstens das räumliche Präsenzerleben gesteigert werden. Ein solches Gefühl, in der dargestellten Welt tatsächlich anwesend zu sein, kann beispielsweise durch virtuelle Verkaufsräume erzeugt werden. • Zweitens erhöht die Interaktivität den wahrgenommenen Realismus von dargebotenen Produkten, da diese virtuell ausprobiert und näher betrachtet werden können. • Drittens kann mittels interaktiver Werbung das soziale Präsenzerleben gefördert werden, da mit Verkäufern oder einem Computerprogramm virtuell interagiert werden kann, ganz wie in einer realen Einkaufssituation. Merksatz Die Interaktivität von Medienangeboten hat drei wichtige Effekte aus Rezeptionssicht: Erstens führt sie zu einer tieferen Verarbeitung der dargebotenen Informationen, so dass die Inhalte genauer geprüft werden als bei weniger interaktiven Angeboten. Zweitens bewirkt Interaktivität eine stärkere Involviertheit in die Rezeptionssituation. Drittens steigert Interaktivität die Aufmerksamkeit für die dargebotenen Inhalte. Allerdings kann ein stark interaktives Angebot auch zur Überforderung von wenig versierten Rezipienten führen. <?page no="71"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 72 4 Interaktivität 72 Schließlich spielt Interaktivität in Bezug auf Kognitionen der Rezipienten eine Rolle: »By calling for user action, interactive devices on the interface invite users to think about their communication behavior, particularly the courses of action they could take or the choices to avail themselves of on screen« (Sundar, 2004, S. 388). Man kann davon ausgehen, dass interaktive Elemente eine Orientierungsreaktion herbeiführen, was mit gesteigerter Aufmerksamkeit einhergehen dürfte. Dies macht es wahrscheinlicher, dass die dargebotenen Informationen gelernt und später wieder erinnert werden. Allerdings ist es auch so, dass die interaktiven Elemente mit dem darzubietenden Inhalt um die Aufmerksamkeit der Rezipienten konkurrieren, was bei manchen Rezipienten zu einer kognitiven Überlastung führen kann (vgl. Sundar et al., 2010). Dies ist vor allem bei wenig erfahrenen Rezipienten wahrscheinlich (z. B. im Computerspiel). Daran wird deutlich, dass die Konsequenzen der Interaktivität für den Prozess der Medienrezeption nicht unabhängig von Rezipienteneigenschaften wie etwa der Verarbeitungsmotivation und der Verarbeitungsfähigkeit betrachtet werden können. Unter der Lupe: interaktives Storytelling Interaktives Storytelling, beispielsweise bei Computerspielen oder aber auch beim interaktiven Fernsehen, erlaubt den Rezipienten, eine Narration durch bewusste Entscheidungen gezielt zu steuern oder zu beeinflussen, ganz wie im natürlichen Leben. Während in klassischen Narrationen die Abfolge von Ereignissen vorgegeben ist, die die Rezipienten durchlaufen (beispielsweise in einem Film oder einem Buch), wird beim interaktiven Storytelling die Narration zumindest teilweise in die Hände der Rezipienten gelegt, die dann entscheiden können, welche Handlung ausgeführt werden soll (z. B. mit wem zu sprechen ist, was zu tun ist). Je nach dem, was die Nutzer entscheiden, entfaltet sich die Narration in eine ganz andere Richtung. In der Konsequenz erleben unterschiedliche Rezipienten nicht die gleiche Geschichte, sondern womöglich vollkommen verschiedene. Was dies für die Rezeption der Inhalte bedeutet, ist noch nicht umfassend wissenschaftlich untersucht. Klimmt et al. (2012) haben aus Sicht der Medienrezeptionsforschung einige mögliche Mechanismen herausgearbeitet und diskutiert. Die Autoren gehen davon aus, dass interaktives Storytelling die Neugier der Rezipienten steigert, da diese viel stärker reflektieren, was ihre Entscheidungen für den weiteren Verlauf einer Geschichte bedeuten könnten. Zudem sollte durch diese interaktive Technik das Spannungsgefühl erhöht werden, da sich das emotionale Involvement mit den Charakteren und Situationen erhöht (vgl. aber Vorderer et al., 2001). Kurz: Die Rezipienten bekommen das Gefühl, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen müssen, um eine Aufgabe zu bewältigen. Auch besteht Grund zur Annahme, dass diese Technik das Gefallen bzw. das ästhetische Erleben sowie das vollkommene Aufgehen in der Tätigkeit (Flow, vgl. Kapitel 7) erhöht. Schließlich wird angenommen, dass interaktives Storytelling die Identifikation mit dem dargestellten Charakter <?page no="72"?> 4.3 Interaktivität im Rezeptionsprozess www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 73 73 (vgl. Kapitel 8) steigert, so dass Erfolge im Verlauf der Geschichte auf das eigene Geschick zurückgeführt werden. Dies löst vermutlich bei den Rezipienten ein stärkeres Gefühl der Selbstwirksamkeit bzw. eine Selbstwertsteigerung aus. Interaktive Medienangebote sind aber nicht nur in Bezug auf Verhalten, Kognitionen und Einstellungen der Rezipienten bedeutsam, sondern sie haben auch Konsequenzen für unser Verständnis des Rezeptionsprozesses insgesamt. Bucher (vgl. 2012, S. 40-41) sieht an dieser Stelle fünf zentrale Punkte, die sich allerdings nicht nur auf Interaktivität beziehen lassen, sondern teilweise generell für Rezeptionsprozesse gelten: • Rezeption kann (ebenso wie bei klassischen Medienangeboten) keineswegs als passive Aufnahme von Informationen verstanden werden. Vielmehr ist die Rezeption interaktiver Medienangebote eine Tätigkeit, die ganz besonders aktives Handeln in Form von Einordnen, Verstehen, Interpretieren und Reagieren erfordert. • Bei interaktiven Medienangeboten kann Sinn und Bedeutung nicht alleinig an den Mediencharakteristika festgemacht werden, sondern diese entstehen erst, wie wir auch allgemein aus der Medienrezeptionsforschung wissen, bei der interaktiven Aneignung der Angebote durch die Rezipienten. • Auch bei interaktiven Medienangeboten gilt, dass der Rezeptionsprozess sowohl Bottom-upalso auch Top-down-Prozesse umfasst (vgl. Kapitel 2). Erstere werden durch das Interaktivitätspotenzial des Medienangebotes hervorgerufen, letztere werden durch die Erwartungen, Intentionen und Fähigkeiten der Rezipienten gesteuert. • Die Prozessperspektive erhält bei interaktiven Medienangeboten (im Vergleich zu klassischer Medienrezeption) eine ganz besondere und gesteigerte Bedeutung, da Interaktivität nur über die Zeit hinweg entsteht. Medienrezeption ist dabei »modellierbar als kontinuierlicher Interpretations- oder Deutungsprozess, dessen einzelne Schritte und Phasen systematisch aufeinander aufbauen und untereinander verschränkt sind« (S. 41). Das Angebot kann nicht mit einer einzigen Selektionshandlung erfasst werden, sondern es erschließt sich erst im Prozess. • Schließlich ist bei interaktiven Medienangeboten die Perspektivübernahme der Rezipienten entscheidend, da sie antizipieren müssen, was eine bestimmte Handlung zur Folge hat, also welches Medienangebot sie als Folge ihrer Interaktion zu erwarten haben. Merksatz Bei interaktiven Medienangeboten erfolgt eine aktive Aufnahme von Informationen, welche sowohl durch das Interaktivitätspotenzial des Angebotes als auch durch die Erwartungen, Intentionen und Fähigkeiten der Rezipienten bestimmt wird. Dabei spielt die zeitliche Dimension der Medienrezeption sowie die Antizipation der Rezipienten eine besondere Rolle. <?page no="73"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 74 4 Interaktivität 74 Neben diesen theorierelevanten Konsequenzen haben interaktive Medienangebote auch methodische Herausforderungen zur Folge (vgl. im Folgenden Klimmt, Vorderer &- Ritterfeld, 2007). Interaktive Medienangebote zeichnen sich durch ein extrem hohes Maß an Selektionsoptionen aus. Dies führt dazu, dass zum einen unterschiedliche Rezipienten in einer Studie mit vollkommen unterschiedlichen Inhalten konfrontiert werden. Zum anderen ist es so, dass eine Studie nur eine Teilmenge der insgesamt möglichen Erlebnissituationen abdeckt, was Konsequenzen für die Generalisierbarkeit von wissenschaftlichen Befunden hat. Während in klassischen Medienwirkungs- und -rezeptionsstudien allen Rezipienten die gleichen Inhalte gezeigt werden und anschließend ermittelt wird, welche Rezipienteneigenschaften welche Wirkungen und Rezeptionsweisen am besten erklären, so sind bei interaktiven Medienangeboten die Rezipienteneigenschaften nicht unabhängig von der Auswahl der Inhalte zu betrachten. Rezipienten mit unterschiedlichen Dispositionen treffen ganz andere Selektionsentscheidungen, so dass nicht mehr jede Rezeptionssituation auf jede Rezipientendisposition trifft. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müsste die Forschung mit größeren Stichproben reagieren, um die Vielfältigkeit der Wechselwirkung von Rezipienteneigenschaften und Rezeptionssituationen in den Griff zu bekommen. Auch müsste bei der experimentellen Variation von Inhalten die Interaktivität künstlich begrenzt werden: Will man beispielsweise in einem Computerspiel das Level an Gewalthandlungen experimentell manipulieren, so kann es sein, dass einige Spieler sich den Gewalthandlungen gar nicht aussetzen wollen und diese umgehen. Daher müsste in dem Experiment sichergestellt werden, dass bestimmte Situationen nicht umgangen werden können. Schließlich ist diesen methodischen Herausforderungen mit einer digitalen Speicherung des gesamten Rezeptionsverlaufes zu begegnen, so dass der gesamte Rezeptionsverlauf postrezeptiv nachbetrachtet und kodiert werden kann. Merksatz Die Erforschung interaktiver Medienangebote steht vor der methodischen Herausforderung, dass nicht alle Rezipienten mit den gleichen Inhalten konfrontiert werden, da sich womöglich vollkommen unterschiedliche Rezeptionsverläufe ausbilden. 4.4 Zusammenfassung Interaktivität ist ein multidimensionales Konzept, über dessen konzeptionelle und operationale Definition noch keine Einigkeit herrscht (vgl. Lombard &- Snyder- Duch, 2010). In der Literatur haben sich drei verschiedene Sichtweisen herauskristallisiert. Die technologieorientierte Sicht macht Interaktivität an den Eigenschaften eines Medienangebotes fest. Bei der kommunikationssituationsorientierten Sicht <?page no="74"?> 4.4 Zusammenfassung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 75 75 wird Interaktivität aus dem Verlauf einer Rezeptionssituation bzw. dem Grad der darin stattfindenden Interaktion abgelesen. Schließlich begreift die individuumszentrierte Sicht Interaktivität als das, was Rezipienten als interaktiv erleben. In der Forschung kommen diese Sichtweisen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen darüber, wann von einem interaktiven Medienangebot die Rede ist. Auch gibt es forschungslogische Unterschiede: Was bei der technologieorientierten Sicht ein Effekt von Interaktivität ist, tritt bei der kommunikationssituationsorientierten Sicht sowie der individuumszentrierten Sicht als ein Definitionskriterium von Interaktivität auf. Für alle drei Richtungen gilt aber, dass die situative und wahrgenommene Interaktivität stark von Rezipienteneigenschaften wie etwa der jeweiligen Mediengattungsexpertise abhängt. Diese beeinflussen nicht nur, ob Interaktivität in einer Situation entsteht und als solche erlebt wird, sondern auch, welche Konsequenzen die Interaktivität im Rezeptionsverlauf mit Blick auf die Verarbeitung von Informationen hat. Interaktivität kann auf der einen Seite zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Medieninhalt führen, aber auch zu Überforderung, wenn die Rezipienten dem interaktiven Potenzial des Angebotes nicht gewachsen sind. Über die Konsequenzen von Interaktivität für den Rezeptionsverlauf ist in der kommunikationswissenschaftlichen Literatur schon einiges bekannt. Jedoch werden viele Befunde erst im Nachhinein unter Berücksichtigung des konkreten Medieninhaltes erklärt. Übungsaufgaben 1. Definieren Sie den Begriff der Interaktivität. 2. Nennen Sie jeweils drei Beispiele für ein schwach und ein stark interaktives Medienangebot und begründen Sie Ihre Auswahl. 3. Rufen Sie sich die Website von www.amazon.de ins Gedächtnis. Wie würden Sie die Interaktivität dieser Website aus einer technologieorientierten Sicht, einer situationsbezogenen Sicht und aus einer individuumszentrierten Sicht operationalisieren und messen? 4. Nennen Sie Vorteile und Nachteile einer individuumszentrierten Sicht auf Interaktivität. 5. Beschreiben Sie die Effekte der Interaktivität in Bezug auf das Verhalten, die Einstellungen und die Kognitionen der Rezipienten während der Rezeption. 6. Überlegen Sie, wie Sie die Annahme von Klimmt et al. (2012), dass interaktives Storytelling die Selbstwirksamkeit bzw. den Selbstwert der Rezipienten steigert, empirisch testen können. 7. Schildern Sie die methodischen Herausforderungen, die bei der Erforschung von interaktiver Werbung in virtuellen Verkaufsräumen eintreten könnten. Wie würden Sie diesen Herausforderungen begegnen? <?page no="75"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 76 4 Interaktivität 76 Zum Weiterlesen Quiring, O. &- Schweiger, W. (2006). Interaktivität- - ten years after. Bestandsaufnahme und Analyserahmen. Medien &-Kommunikationswissenschaft, 54, 5-24. Der Beitrag liefert einen umfassenden Forschungsüberblick zur Interaktivitätsdiskussion in der Kommunikationswissenschaft. Das Begriffsverständnis der Soziologie und Informatik wird erläutert und vom kommunikationswissenschaftlichen Interaktivitätskonzept abgegrenzt. Zusätzlich wird ein Analyserahmen vorgestellt, der drei Ebenen interaktiver Kommunikation umfasst. Sundar, S. (2004). Theorizing interactivity’s effects. The Information Society, 20, 385-389. Dieser Aufsatz setzt sich in einem ersten Schritt mit der Schwierigkeit auseinander, Interaktivität an Rezipientenurteilen festzumachen. In einem zweiten Schritt werden die Effekte von Interaktivität auf Einstellung, Kognition und Verhalten diskutiert. Der Beitrag verdeutlicht auf einführende Art und Weise die Bedeutung des Interaktivitätskonzeptes für die Medienrezeptionsforschung. Bucy, E. P. &- Tao, C.-C. (2007). The mediated moderation model of interactivity. Media Psychology, 9(3), 647-672. Dieser vielzitierte Aufsatz gibt einen gehaltvollen Überblick zum individuumszentrierten Verständnis von Interaktivität. Es werden die drei Sichtweisen der Interaktivitätsforschung, die wir in diesem Kapitel kennengelernt haben, vorgestellt und diskutiert. Zudem werden der Unterschied und die Bedeutung von vermittelnden Variablen und moderierenden Randbedingungen erläutert. <?page no="76"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 77 77 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung Lernziele 1. Sie lernen unterschiedliche Varianten des Involvement kennen und können Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Resonanz und Selbstreferenzierung benennen. 2. Sie verstehen die Zusammenhänge zwischen selbstbezogenem Rezipieren, Verarbeitungsprozessen und der Bildung von Einstellungen. 3. Sie wissen um die unterschiedliche disziplinäre Herkunft der verschiedenen Konzepte. In der Einleitung wurde bereits ein Axiom der Rezeptionsforschung dargelegt: Menschen verstehen und erleben Medieninhalte auf eine individuell spezifische Weise. Vergleicht man zwei offene Interpretationen eines Films von zwei Rezipierenden, wird man nie auf identische Schlussfolgerungen stoßen; ebenso verhält es sich bei Nachrichtenbeiträgen, Webseiteninhalten, Werbung und Talkshows. Das liegt daran, dass Rezipierende an eine Rezeptionssituation mit einem bestimmten (und im Detail einzigartigen) Set an Wissen, Einstellungen, Überzeugungen, Werten und Normen herangehen und dies in einer bestimmten Situation mit einer bestimmten Stimmung, Belastung, Aufnahmefähigkeit und Konzentration tun. In der Regel versucht die Rezeptionsforschung nicht, diese idiosynkratischen Fälle zu rekonstruieren, sondern sie sucht nach übergreifenden Mustern in der Rezeptionsweise. In diesem Kapitel werden Muster besprochen, die sich aus den Voreinstellungen (etwa Einstellungen zu den USA, über den Klimawandel, zur Immigration in Europa) und dem Selbstbild der Rezipierenden (z. B. als Akademikerin, Schüler, kulturell Interessierter, politisch Aktive etc.) ergeben. Unter selbstbezogenem Rezipieren fassen wir die Phänomene Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung zusammen. Sie stammen aus ganz unterschiedlichen theoretischen Bereichen, haben aber eine Gemeinsamkeit: Für den Fall, dass Rezipierende zwischen sich und dem Medieninhalt Verbindungen finden können, nehmen sie an, dass eine intensivere Rezeption stattfinden wird. Diese intensive Rezeption kann sich verschiedentlich äußern, etwa in höherer Aufmerksamkeit, besserer Informationsverarbeitung oder einem kritischeren Umgang mit dem Medientext. In diesem Kapitel werden diese drei Konzepte besprochen und ihre Relevanz in der Rezeptionsforschung verdeutlicht. <?page no="77"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 78 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 78 5.1 Involvement Es wurde schon über einige Konzepte gesagt, dass sie keine einheitliche Verwendung genießen und oft für ganz verschiedene Sachverhalte stehen. Ins Deutsche wird Involvement gerne übertragen als »Beteiligung«, »Ich-Beteiligung«, »Einbezogensein« oder »Betroffenheit« (Donnerstag, 1996, S. 29). Donnerstag merkt an, dass das Konzept in seiner langen Karriere schon als Persönlichkeitseigenschaft, als interner Zustand oder situativer Einfluss konzeptualisiert wurde und positioniert sich in seiner eigenen Definition auf Seiten des internen Zustandes. Dabei wendet Donnerstag den Begriff Ego-Involvement an, der explizit macht, dass das eigene Ich (Ego) einer Person tangiert ist: Definition: Ego-Involvement »Ego-Involvement ist eine Umschreibung für das innere Engagement, das unterschiedlich stark ausgeprägt ist und mit dem sich die Person einer Situation, einem Thema oder einer Aufgabe widmet […] Ausschlaggebendes Kriterium ist die persönliche Relevanz oder Wichtigkeit der Themen, Objekte oder Ereignisse sowie der in der Botschaft vertretene Standpunkt« (Donnerstag, 1996, S. 30/ 31). Die Folge ist eine gesteigerte Motivation, die dargebotene Information zu verarbeiten; insofern sieht Donnerstag Involvement als einen »motivationalen Zustand« (Donnerstag, 1996, S. 46). Eine weite Definition von Involvement bezieht nur die stärkere Aktivierung bei der Verarbeitung von medialer Information ein und bestimmt Involvement als eine höhere Aufmerksamkeit, tiefere Verarbeitung oder generell als Aktivität. So definieren etwa Williams, Rice und Rogers (1988, S. 169) Involvement als »degree to which an individual actively participates in an information exchange process«. Perse (1990) differenziert zwischen kognitivem und emotionalem Involvement, wobei die kognitive Dimension als aktive Informationsverarbeitung gesehen wird, die sich in den mentalen Prozessen der Aufmerksamkeit, des Erinnerns und der Elaboration äußert und emotionales Involvement sich auf emotionale Reaktionen auf die Medienbotschaft bezieht. Solche Definitionen kommen ohne den Grund für die gesteigerte Aktivierung aus und werden weitgehend synonym mit (kognitive oder emotionale) »Aktivität« oder »Aktivierung« im weiteren Sinne gebraucht (vgl. kognitives, emotionales und konatives Involvement im Überblick bei Wirth, 2006, S. 203 f.). Involvement wird bisweilen auch mit Interesse gleichgesetzt (vgl. z. B. Freedman 1964 oder Day, 1974). Wiewohl das alltagssprachlich plausibel erscheint, kann man die beiden Phänomene voneinander unterscheiden: Involvement resultiert aus persönlicher Relevanz, während Interesse auch durch andere Faktoren generiert werden kann. Silvia (vgl. 2006, S. 195) legt dar, dass interessante Elemente eines Textes nicht <?page no="78"?> 5.1 Involvement www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 79 79 auch zugleich die wichtigen sein müssen, und wichtige Elemente nicht zugleich die interessanten (zur Abgrenzung vgl. Donnerstag 1996, S. 36 ff.). All diese begrifflichen Ausdehnungen haben dazu geführt, dass Involvement kritisiert wurde als »vague meta-concept that subsumes a class of related concepts that have both affective and cognitive derivations« (Salmon, 1986, S. 244). Es steht außer Zweifel, dass Involvement sowohl kognitive, affektive als auch verhaltensbezogene Aspekte hat (vgl. Rothschild &-Ray, 1974). Allerdings darf Involvement nicht einfach mit kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Reaktionen gleichgesetzt werden, weil das Konzept dadurch in der Tat an Erklärungskraft verliert. Wir folgen daher dem engen Verständnis von Involvement, das, wie bei Donnerstag (1996) dargestellt, ein gesteigertes inneres Engagement aufgrund von persönlicher Relevanz und einen Bezug zum Selbstkonzept beschreibt. Nur dann unterscheidet sich das Konzept von genereller Aktivität und kann zielgerichtet und konsistent Phänomene der Rezeption und Wirkung erklären. Wenn allgemein die Rede von gesteigerter Intensität der Informationsverarbeitung sein soll, ist es sinnvoller und präziser, die spezifischen Begrifflichkeiten wie Aufmerksamkeit, Aktivierung oder Enkodierung (vgl. Kapitel 2) oder die Begrifflichkeiten für die emotionalen Reaktionen (vgl. Kapitel 6) zu verwenden. 5.1.1 Ego-Involvement in der Social Judgment Theory Durch die Social Judgment Theory (Sherif &- Cantril, 1947; Sherif &- Hovland, 1961) hat das Involvement-Konzept erstmals weite Bekanntheit erlangt. Die Theorie beschreibt, wie eine (persuasive) Botschaft nicht direkt auf Rezipierende wirkt, sondern abhängig ist von der Einstellung, die jemand bereits vor der Rezeption hatte. Die Einstellungen gliedern sich in drei Bereiche: einen Bereich, der Rezipierenden als akzeptabel erscheint und ihre eigene Position beinhaltet (latitude of acceptance), einen, der ihnen als nicht akzeptabel erscheint (latitude of rejection) und einen, dem sie gleichgültig gegenüberstehen (latitude of noncommitment). Botschaften, die in den Akzeptanzbereich fallen, erscheinen der eigenen Einstellung ähnlicher, als sie eigentlich sind (Assimilationseffekt) und können bestehende Voreinstellungen in die Richtung der Botschaft lenken. Solche, die in den Ablehnungsbereich fallen, erscheinen der eigenen Position widersprüchlicher (Kontrasteffekt), als sie eigentlich sind, und münden nicht in einen Einstellungswandel. Hat eine Person einen besonders breiten Bereich des Noncommitment, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Position ändert, ebenfalls größer (vgl. M. Sherif &-Sherif, 1967, S. 120). Exkurs: Definition von Einstellung Es war in diesem Buch nun schon des Öfteren die Rede von Einstellungen. Während der Begriff auch in der Alltagssprache verwendet wird und jeder ein intuitiwww.claudia-wild.de: <?page no="79"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 80 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 80 ves Verständnis davon hat, sollte man doch eine fachwissenschaftliche (in dem Fall psychologische) Definition kennen. Es gibt natürlich wie immer ganz viele Definitionen, die Unterschiedliches nuancieren, aber diese hier von Eagly und Chaiken (1993) ist unter vielen Forscherinnen und Forschern konsensfähig: ›attitude is a psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entity with some degree of favor or disfavor‹ (Eagly &-Chaiken, 1993, S. 1). Einstellungen kann man von Überzeugungen und Affekt folgendermaßen unterscheiden (vgl. Albarracin, Zanna, Johnson &-Kumkale, 2005): Überzeugungen stellen die Wahrscheinlichkeit dar, dass ein Objekt eine bestimmte Eigenschaft hat; im Unterschied zu Einstellungen kann man Überzeugungen mit externen Kriterien als wahr oder falsch einstufen. Affekte (erlebte Gefühle) müssen im Gegensatz zu Einstellungen nicht auf einen Gegenstand, ein Ereignis oder eine Person bezogen sein. Auch können die Gefühle, die jemand in Bezug auf etwas hat (z. B. ich habe Angst, dass ich die Klausur nicht bestanden habe), sich von der Bewertung des Objektes unterscheiden (z. B. die Klausur war gut und fair formuliert) (vgl. Albarracin et al., 2005, S. 4 f.). Sherif und Kollegen (vgl. Sherif &-Cantril, 1947; Sherif &-Sherif, 1967) argumentieren nun, dass der Ablehnungsbereich größer ist, wenn die Personen stark involviert sind, und daher Einstellungsänderungen bei hohem Involvement weniger wahrscheinlich sind. Dabei ist Involvement in einem engen Sinne definiert: Ego-Involvement tritt dann auf, wenn das Ego eines Menschen durch eine bestimmte Situation berührt ist (vgl. Sherif &- Cantril, 1947; Sherif &- Sargent, 1947, S. 9). Das Ego beschreibt dabei alles, was ein Mensch über sich selbst weiß und denkt: »A person’s commitment to his religion, politics, values of his family and his stand on the virtue of his way of life are ingredients in his self-picture-- intimately felt and cherished« (Sherif, Sherif &-Nebergall, 1965, S. vi). Sherif und Kollegen betrachten das Ego als eine Menge von Einstellungen, die in enger Verbindung dazu stehen, wie sich ein Individuum selbst definiert; solche auf das Selbst bezogene Einstellungen nennen sie Ego-Attitudes (vgl. z. B. Sherif &-Sargent, 1947). Wann immer eine Situation Ego-Attitudes aktiviert, ist man involviert und reagiert auf eine andere Weise als in einer Situation, in der man nicht involviert ist. Beispielsweise ist jemand, der Autofahren nicht zu seinen Stärken zählt, nicht involviert, wenn ein Freund einen Scherz wegen des schlechten Einparkstils macht. Die gleiche Person-- ein passionierter Klassikfan-- wird sich aber heftig wehren, wenn man einen vergleichbaren Scherz über seine Kenntnis klassischer Musik macht. Da er klassische Musik als einen wichtigen Teil seines Lebens empfindet und stolz auf seine Sammlung und seine Kenntnisse ist, sind seine Ego-Attitudes und damit sein Selbst- <?page no="80"?> 5.1 Involvement www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 81 81 konzept aktiviert, und er bringt beträchtliche Energie auf, sich zu verteidigen und dem Gegenüber das Gegenteil zu beweisen. Ego-Involvement betrifft also die Selbstdefinition eines Menschen und sorgt dafür, dass er oder sie sich von einer Situation persönlich betroffen fühlt und sein (gedankliches, emotionales, verhaltensbezogenes) Engagement in der Situation verstärkt. In Anlehnung an die Psychologen William Stern und Kurt Koffka sehen Sherif und Cantril (1947) das Ego und die damit verbundenen Einstellungen als zentralen Referenzpunkt für Urteile aller Art; das fängt bei der Beurteilung dessen an, was innen und außen, vorne und hinten, vergangen und zukünftig ist: All diese räumlichen und zeitlichen Urteile werden vom Standpunkt des Individuums aus eingeschätzt (also: vor mir und neben mir; vergangen im Vergleich zu meiner Jetzt-Zeit). Ebenso verhält es sich mit komplexeren Urteilen darüber, was uns in der Welt an- und nahegeht und was nicht (vgl. S. 93 f.). Letztlich tangiert ein solchermaßen verstandenes Involvement die grundlegenden und selbstdefinierenden Werte einer Person; das Involvement ist in dem Fall auch ein stabiles und schwer oder gar nicht situativ zu veränderndes Merkmal. Daneben identifizierten bereits Sherif und Hovland (1961, S. 197) auch eine stärker situative Variante, die von Situation zu Situation variieren kann und z. B. auch durch Instruktionen in einem Experiment hergestellt werden kann. Sie hat aber nicht den gleichen überragenden Stellenwert wie ein Ego-Involvement, das durch ein jahrelang kultiviertes Selbstkonzept ausgelöst wird. 5.1.2 Involvement in der Konsumentenforschung Weitgehend unabhängig vom grundlagenorientierten und einflussreichen Ansatz zum Ego-Involvement von Sherif und Kollegen entwickelte Krugman (vgl. 1965, 1977; Krugman &-Hartley, 1970) in den 1960er-Jahren einen spezifisch auf die Konsum- und Werbeforschung ausgerichteten Ansatz. Krugman geht von der Feststellung aus, dass Fernsehwerbung uns in den seltensten Fällen konvertiert und drastische Einstellungsänderungen mit sich bringt. Nichtsdestotrotz lernen die Menschen aus der Fernsehwerbung durchaus die Marken und Preise der Produkte kennen. Für dieses Phänomen sucht Krugman eine Erklärung und sucht sie in der Low-Involvement- Situation, in der sich Rezipierende befinden und die auch ohne hohes Engagement Einstellungsänderungen erlauben kann. Krugman definiert Involvement als die Anzahl von Brückenerfahrungen, Verbindungen oder persönlichen Referenzen, die eine Zuschauerin zwischen ihrem eigenen Leben und der Medienbotschaft macht (vgl. Krugman, 1965, S. 355). Er grenzt dies ab von bloßer Aufmerksamkeit, Interesse oder positiver Einstellung zur Botschaft; er definiert Involvement damit letztlich auf ähnlich restriktive Weise wie Sherif und Kollegen. Allerdings fügt er einen Gedanken hinzu, den Sherif und andere nicht verfolgt haben, der aber für eine kommunikationswissenschaftliche Beschäftigung wichtig erscheint: Er unterscheidet zwischen <?page no="81"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 82 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 82 dem Themen-Involvement und dem Stimulus-Involvement (vgl. Krugman, 1966). Beim Themen-Involvement ist ein bestimmtes Thema für einen bestimmten Rezipienten relevant; alle Medienbotschaften zu diesem Thema sollten demnach ein ähnliches Involvement hervorrufen. Es gibt jedoch auch deutliche Unterschiede, wie verschiedene Werbespots Produkte aus der gleichen Kategorie bewerben, ebenso wie es Unterschiede in der Darbietung durch verschiedene Medien (Fernsehen, Zeitung, Zeitschrift etc.) gibt. Er nimmt an, dass das Involvement nicht nur nach Themen, sondern auch je nach dem konkreten Stimulus variiert (Stimulus-Involvement). Wie auch die anderen Persuasionsmodelle (vgl. ELM im folgenden Abschnitt, sowie Kapitel 11) geht Krugman nun von unterschiedlichen Prozessen der Persuasion unter Low- und High-Involvement-Bedingungen aus: Bei niedrigem Involvement wird die Wahrnehmungsstruktur allmählich, d. h. mit wiederholter Rezeption, verschoben und Rezipierende lernen ohne subjektiven Aufwand z. B. die Eigenschaften und Qualitäten eines Produktes. Diese erlernten Eigenschaften werden in einer Kaufentscheidungssituation aktiviert, es folgt das Verhalten. Die Einstellung wird daraufhin gebildet. Beispielsweise lernt ein Zuschauer aus der Fernsehwerbung, dass ein bestimmtes Waschmittel besonders weiß wäscht (Lernen von Qualitäten eines Produktes). Er kauft das Waschmittel und probiert es aus (Verhalten). Wenn sich das Waschmittel bewährt und tatsächlich besonders weiß wäscht, wird sich eine positive Einstellung zum Waschmittel ausbilden. Im Unterschied dazu erfolgt in der High-Involvement-Situation ein explizites Abwägen von Vor- und Nachteilen eines Produktes; dies mündet in die Ausbildung der Einstellung, die wiederum das spätere Kaufverhalten beeinflusst. So könnte ein Vater wegen der überraschend nachhaltigen Grasflecken auf der Kinderkleidung besorgt sein (hohes Involvement zum Wäschewaschen). Wenn er nun eine Werbung sieht, die die Entfernung von Grasflecken durch ein neuartiges Enzym verspricht, das andere Waschmittel nicht haben, überzeugen ihn die Argumente der Werbung und er bildet sich eine positive Einstellung zu dem Produkt. Bei nächster Gelegenheit kauft er es. Krugmans Modell setzt Involvement, Einstellungen und Verhaltensweisen zueinander in Beziehung und beschreibt verschiedene Persuasionsprozesse je nach Ausprägung des Involvement. In ähnlicher Weise sieht auch das nächste Modell, das Elaboration-Likelihood-Modell, die Rolle des Involvement. 5.1.3 Involvement im Elaboration-Likelihood-Modell Das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty und Cacioppo (1986) ist eines der einflussreichsten Modelle der Persuasionsforschung. Es wird in Kapitel 11 (Verarbeitung persuasiver Kommunikation) näher beschrieben, daher werden wir hier nur einige Grundzüge und die spezifische Konzeption von Involvement darstellen. Das Modell sieht zwei Modi vor, wie Menschen zu ihren Urteilen über bestimmte Themen oder Gegenstände (eine politische Partei, ein Konsumprodukt etc.) kommen <?page no="82"?> 5.1 Involvement www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 83 83 können: Einerseits kann man die inhaltlichen Argumente für oder gegen einen Gegenstandsbereich sorgfältig durchdenken und abwägen (zentrale Route der Persuasion). Andererseits, in Fällen, in denen die Zeit und die Motivation für eine gründliche Abwägung knapp ist, kann man sich statt an inhaltlichen Argumenten auch an auffälligen, aber nebensächlichen Aspekten orientieren (z. B. der Attraktivität des Kommunikators) und nur schnell und oberflächlich verarbeiten (periphere Route der Persuasion, vgl. Petty &- Cacioppo, 1986; Petty &- Wegener, 1999). Bei der Frage, welcher Modus in der Persuasion in Aktion tritt, kommt das Involvement ins Spiel. Bei einem hohen Involvement sind die Urteilenden stärker motiviert, die Informationen gründlich zu verarbeiten und intensiv über ihre Urteil nachzudenken, da Menschen generell besonders bei hochrelevanten Themen Fehleinschätzungen vermeiden wollen (vgl. Petty, Cacioppo &-Haugtvedt, 1992). Petty und Cacioppo konzeptionalisieren Involvement wie Krugman in Bezug auf das Thema der persuasiven Botschaft. Sie sprechen in frühen Publikationen daher von »issue involvement«, also Themen- Involvement, und definieren es als »the extent to which the attitudinal issue under consideration is of personal importance« (Petty &- Cacioppo, 1979, S. 1915, Hervorh. im Orig.). Petty und Kollegen distanzieren sich allerdings später vom Begriff Involvement, weil mittlerweile in der Forschung verschiedenste Interpretationen davon existieren. Sie favorisieren stattdessen »persönliche Relevanz«. Menschen empfinden persönliche Relevanz (oder Selbstrelevanz), wenn eine Botschaft ein Thema behandelt, das ihnen persönlich wichtig ist oder eine wichtige Einstellung betrifft. Wenn also wichtige Werte, Menschen oder Gruppen, Gegenstände oder wichtige Ziele und Konsequenzen angesprochen werden, dann erzeugt das persönliche Relevanz, die wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Botschaft elaboriert wird (also besser, tiefer verarbeitet wird, indem etwa viele Assoziationen zwischen der neuen Information und dem bestehenden Wissen geknüpft werden). Damit umfassen sie einerseits das selbstkonzeptbezogene Ego-Involvement, wie es Sherif formuliert hat, gehen andererseits aber auch darüber hinaus, indem sie auch Situationen darunter fassen, in denen persönliche Relevanz nur vorübergehend und kontextbezogen generiert wird (vgl. Petty et al., 1992, S. 153, Fußnote 4). Hier können also auch Themen persönliche Relevanz erlangen, auch wenn sie nicht direkt in das Ego einer Person integriert sind. 5.1.4 Integration: Typen von Involvement Johnson und Eagly (1989) haben auf Basis der verfügbaren Konzeptualisierungen und Studien zu Involvement drei Verwendungsweisen des Begriffs herausgearbeitet. Zunächst einmal gehen sie davon aus, dass Involvement ein motivationaler Zustand ist, der durch eine Verbindung zwischen dem Selbst-Konzept (oder »Ego« in Sherifs Worten) und einer aktivierten Einstellung ausgelöst wird. Dadurch wird klar, dass Johnson und Eagly der engeren Definition von Sherif folgen, die die Beteiligung des <?page no="83"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 84 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 84 Selbstkonzeptes voraussetzt. Sie argumentieren jedoch, dass es subtile Unterschiede zwischen Definitionen und Operationalisierungen gibt, welche Aspekte des Selbstkonzeptes durch ein Kommunikat angesprochen werden. Sie identifizieren drei Varianten in der Forschung: 1. Werterelevantes Involvement (value-relevant involvement) entsteht dann, wenn Einstellungen vom Kommunikat angesprochen werden, die mit wichtigen Werten einer Person (also dessen, was sie als wünschenswert erachtet) in Verbindung stehen. Zum Beispiel ist ein Familienvater involviert, wenn er Familie als einen wichtigen Wert in seinem Leben erachtet und einen Artikel über Familienpolitik liest. Dieses Verständnis von Involvement deckt sich mit dem Ego-Involvement von Sherif und Kollegen. 2. Involvement in Bezug auf den sozialen Eindruck auf andere (impression-relevant involvement) beschreibt Involvement, das entsteht, wenn eine Person antizipiert, dass sie ihre Einstellung anderen zu Gehör bringen muss. In Anlehnung an Zimbardo (1960) und Leippe und Elkin (1987) nehmen Johnson und Eagly (1989, S. 292) an, dass solchermaßen involvierte Personen eine Botschaft aufmerksamer verarbeiten und bemüht sind, zu einer für das spätere Publikum akzeptablen Einstellung zu kommen (das ist oft eine eher flexible und moderate Ausprägung). Dieses Involvement lässt sich im Unterschied zum werterelevanten Involvement in Experimenten gut manipulieren, indem man etwa den Probanden ankündigt, dass sie später zu ihrer Meinung befragt werden und diese diskutieren müssen. 3. Zielrelevantes Involvement (outcome-relevant involvement) tritt dann auf, wenn die Relevanz eines Themas durch den Bezug zu wichtigen Zielen des Individuums hergestellt wird. Ein Ziel wird in diesem Verständnis eng gefasst als ein »explicit personal goal that one expects to obtain relatively soon mainly by one’s own efforts and that directs aspects of one’s behavior« (Johnson und Eagly, 1989, S. 293). Ein Beispiel für ein solches Ziel könnte ein geplanter Kinobesuch sein; eine Kritik zum anvisierten Film würde man dann ganz besonders aufmerksam lesen. Interessant ist nun, dass diese drei Typen von Involvement verschiedene persuasive Wirkungen haben. Johnson und Eagly führten eine Meta-Analyse durch, d. h. sie betrachteten Ergebnisse von Involvement-Studien neu und berechneten die Wirkungen getrennt nach den drei Arten von Involvement. Sie fanden heraus, dass Personen mit hohem werterelevantem Involvement ihre Einstellungen in geringerem Maße ändern als Personen mit niedrigem werterelevantem Involvement. Bei zielrelevantem Involvement werden die hoch Involvierten im Vergleich zu niedrig Involvierten stärker beeinflusst-- allerdings nur, wenn starke Argumente genannt werden. Wenn das Involvement auf den sozialen Eindruck bezogen war, wurden die hoch Involvierten weniger beeinflusst als die wenig Involvierten (vgl. Johnson &-Eagly, 1989). <?page no="84"?> 5.1 Involvement www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 85 85 Unter der Lupe: Messung von Involvement Auf der Basis der drei Arten von Involvement, die Johnson und Eagly (1989) identifiziert haben, entwickelten Cho und Boster (2005) drei Befragungsinstrumente, die die jeweilige Involvement-Art messen. Insgesamt besteht das Instrument aus 19 Aussagen, denen die Befragten zustimmen oder die sie ablehnen können. Die Antworten können sie auf einer 7-stufigen Likert-Skala von »lehne in hohem Maße ab« bis »stimme in hohem Maße zu« positionieren. Im Folgenden sind aus den Originalskalen jeweils drei Beispielitems (hier für das Thema Todesstrafe-- es kann aber an jedes beliebige Thema angepasst werden) aufgeführt: Value-relevant Involvement (Orig. 7 Items) Knowing my position on the death penalty is central to understanding the kind of person I am. The arguments for or against the death penalty are relevant to the core principles that guide my life. My position on the death penalty has little to do with my beliefs about how life should be lived. (negativ gepolt) Outcome-relevant Involvement (Orig. 7 Items) Whether or not states impose the death penalty has little impact on my life. My life would be changed if the death penalty were eliminated throughout the states. It is difficult for me to think of ways the death penalty impacts my life. (negativ gepolt) Impression-relevant Involvement (Orig. 7 Items) Talking about my beliefs concerning the death penalty has little effect on what others think of me. (negativ gepolt) The kind of opinion that I express in public about the death penalty has little effect on what others think of me. (negativ gepolt) People may judge me on the basis of the opinion that I express in public about the death penalty. Diese Skala wurde bereits erfolgreich in der Forschung eingesetzt. So haben beispielsweise Choi, Yang und Chang (2009) herausgefunden, dass vor allem das werterelevante Involvement die Wahrnehmung einer gegen die eigene Meinung verzerrten Berichterstattung begünstigt (Hostile Media Effect). Marshall, Reinhart, Feeley, Tutzauer und Anker (2008) konnten im Bereich der Gesundheitskommunikation nachweisen, dass ziel- und werterelevantes Involvement Gesundheitsverhalten beeinflusst (etwa Rauchen, Ernährung, Organspende). <?page no="85"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 86 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 86 5.2 Resonanz und Selbstreferenzierung 5.2.1 Resonanz, Nähe und Vertrautheit Dass Medieninhalte ihre Rezipierenden in ihren individuellen Erfahrungsschätzen ansprechen und diese Verbindungen zwischen Medienbotschaft und Person eine besondere Art des Rezipierens induzieren, ist mit Variationen auch an anderen Stellen der Kommunikationsforschung aufgegriffen worden. Diese Phänomene sind Teil von Medienwirkungstheorien, etwa in der Kultivierung oder beim Agenda Setting. Wir werden im Folgenden die drei Konzepte Resonanz, Vertrautheit und Nähe kurz skizzieren, die einen ähnlichen Sachverhalt wie Involvement ausdrücken, aber in unterschiedlichen Kontexten entstanden sind. Resonanz Das prominenteste Exemplar aus der Reihe ist die Resonanz, die einerseits in der Kultivierung und andererseits in der empirischen Forschung zur Literaturrezeption verwendet wird. In der Kultivierungsforschung bezeichnet Resonanz die Situation, in der die Medienrealität von den Umständen in der realen Welt bestätigt wird; Vielseher erhalten dadurch eine doppelte Dosis der entsprechenden kulturellen Indikatoren (vgl. Morgan, Shanahan &- Signorielli, 2009). So werden etwa Vielseher, die in einer gefährlichen Wohngegend leben und täglich auch im Fernsehen mit zahlreichen Verbrechen konfrontiert sind, in ihrer Ansicht bestärkt, dass die Kriminalität hoch ist. Die Erfahrung in der realen Welt kann als Verstärker und als Korrektiv für die Fernsehwelt wirken (vgl. z. B. Doob &-Macdonald, 1979; Van den Bulck, 2003). In der empirischen Forschung zur Literaturrezeption wurde ebenfalls das Rezeptionsphänomen der Resonanz thematisiert. Beim Lesen von literarischen Texten können persönliche Erfahrungen und Wissen aktiviert werden (vgl. Larsen &- Seilman 1988). Dies kann das Gefühl der persönlichen Relevanz bei den Leserinnen und Lesern hervorrufen und, wenn man die eigene Erfahrung mit dem literarischen Text in Einklang bringen kann, auch das Gefühl der Resonanz: »One of the most conspicuous aspects of reading literature is that a reader may feel a literary work to be deeply relevant and meaningful to him or her- - the work elicits a personal resonance in the reader« (Larsen &-Laszlo, 1990, S. 427). Diese Momente mögen, so Larsen und Laszlo, selten sein, aber sie machen die großen Momente der Literaturrezeption aus. Resonanz ist kein bewusster Vorgang im Sinne eines aktiven Erinnerns, sondern beschreibt das Gefühl, dass ein Text für jemanden persönlich bedeutungsvoll ist. Die konkrete Manifestation von Resonanz kann man beobachten, wenn sich Leserinnen und Leser die aktivierten Wissensbestände ins <?page no="86"?> 5.2 Resonanz und Selbstreferenzierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 87 87 Bewusstsein rufen und sich an eine Begebenheit, ein Gefühl oder eine Person aus ihrem eigenen Leben erinnern. Diese durch den Medieninhalt aktivierten Erinnerungen nennen Larsen und Laszlo (1990) »Remindings«. Beispielsweise fanden Larsen und Laszlo (1990) heraus, dass eine ungarische Kurzgeschichte bei ungarischen Leserinnen und Lesern höhere persönliche Relevanz und mehr lebhafte Remindings auslöste als bei der kulturell fernen Vergleichsgruppe dänischer Personen. Nähe und Distanz Resonanz drückt bereits eine Kongruenz zwischen der Medienbotschaft und der eigenen Erfahrung aus. Etwas umfassender kann man die Rolle eigener Erfahrungen auch mithilfe von Nähe und Distanz fassen, weil dies auch die Möglichkeit einschließt, Diskrepanzen zwischen Medienbotschaft und der eigenen Erfahrung zu modellieren. Dabei kann man sich Ideen des Soziologen Alfred Schütz (1970) zunutze machen: Menschen kategorisieren ihre Welt in Zonen, die nach der Distanz zu ihrem Selbst definiert sind. Die Zone, die einer Person am nächsten steht, ist der Bereich in der Gegenwart unter direkter physischer Reichweite. Das Hier des eigenen Körpers und das Jetzt der gegenwärtigen Zeit stellen den Nullpunkt des Koordinatensystems einer Person dar; Dinge, Personen und Ereignisse werden nach der Distanz zu diesem Nullpunkt beurteilt. Nahe Dinge erscheinen relevanter und ferne weniger relevant. Die Erfahrungen aus der nahen Zone machen den Erfahrungsschatz und die biografische Situation einer Person aus; diese wiederum beeinflussen, was in einer bestimmten Situation für eine bestimmte Person wichtig ist. Dies nennt Schütz die Relevanzstruktur. Solche Relevanzstrukturen können durch Medieninhalte angesprochen werden und dienen dann als Referenzrahmen oder Interpretationsgrundlage für eben jene Inhalte. Wenn ein Medieninhalt nun Relevanzstrukturen anspricht, dann sprechen wir von Nähe; distanziert ist die Rezeption dann, wenn eine solche Verbindung zu den Relevanzstrukturen nicht hergestellt werden kann (vgl. Bilandzic, 2006). Beispielsweise fällt ein Nachrichtenartikel über Kürzungen im Fachbereich Theaterwissenschaft an der örtlichen Universität in die nahe Zone einer Studentin dieses Faches, da er die konkrete Lebenssituation betrifft. In ähnlicher Weise haben Sherif und Kollegen-- aus sozialpsychologischer Perspektive-- auch das Ego-Involvement konzeptualisiert. Vertrautheit Schließlich ist es auch gebräuchlich, die empfundene Nähe oder Involviertheit als Vertrautheit (familiarity) zu fassen. Informationen aus Lebensbereichen, die einem Rezipierenden vertraut sind, unterliegen einer genaueren Prüfung; zudem kann es auch leichter passieren, dass gegenteilige Informationen bereits vorliegen und eine Medienbotschaft mit dem bestehenden Vorwissen kollidiert. So fanden Prentice, Gerrig und Bailis (1997) größere Persuasionseffekte, wenn das Setting einer Geschichte <?page no="87"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 88 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung 88 unbekannt ist (fremde Universität vs. eigene) und die Argumente schwach. Während Wheeler, Green und Brock (1999) die persuasiven Effekte nicht replizieren konnten, fanden sie doch Hinweise auf eine gründlichere Prüfung von Texten, die in einem familiären Setting spielen. 5.2.2 Selbstreferenzierung Die letzte Art, wie Medienbotschaften sich auf das Selbst beziehen können, stammt wieder aus der Werbeforschung: Self-Referencing bezeichnet das Herstellen von Verbindungen zwischen einer Botschaft und dem Selbst bzw. persönlichen Erfahrungen (vgl. Burnkrant &-Unnava, 1989). Selbstreferenzierung ist somit ein elaborativer kognitiver Prozess, der die Verarbeitung eingehender Information ebenso wie die Erinnerung und Persuasion (wenn die Argumente stark sind) verbessert (vgl. Escalas, 2007). Man kann zwischen einer analytischen und einer narrativen Selbstreferenzierung unterscheiden (vgl. Escalas, 2007): Die analytische Selbstreferenzierung ist dem Involvement ähnlich und bezeichnet die Verstärkung kognitiver Elaboration durch die Verbindung zwischen Selbst bzw. den persönlichen Erfahrungen sowie der eingehenden Information. Die narrative Selbstreferenzierung bezeichnet die in narrativer Form organisierten autobiografischen Gedanken, die ein Rezipierender auf einen Medieninhalt hin generiert. Dabei werden Ereignisse im Kopf des Rezipierenden simuliert: »When we simulate events, we frequently think about our own actual or potential behaviors by creating behavioral scenarios, similar to stories, in which we are the main character« (Escalas, 2007, S. 422). Diese vorgestellte Geschichte mit dem Rezipierenden als Hauptfigur kann nun persuasive Effekte haben (vgl. Escalas, 2004, 2007): Narrative Selbstreferenzierung führt zu einer positiven Evaluation eines Produktes, während die analytische Selbstreferenzierung nur bei starken Argumenten wirksam ist. 5.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden Phänomene des selbstbezogenen Rezipierens besprochen. Für alle Arten gilt, dass Rezipierende zwischen sich und dem Medieninhalt Verbindungen herstellen und die Intensität der Verarbeitung der medialen Information dadurch steigt (z. B. höhere Aufmerksamkeit, bessere Elaboration, kritischeres Gegenargumentieren). Involvement ist am besten definiert als motivationaler Zustand, der durch eine Verbindung zwischen dem Selbst-Konzept und einer aktivierten Einstellung entsteht. Man unterscheidet zwischen werterelevantem und zielrelevantem Involvement sowie Involvement in Bezug auf den sozialen Eindruck auf andere <?page no="88"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 89 89 Zum Weiterlesen Personen(gruppen). Resonanz bezeichnet die Erfahrung der Übereinstimmung zwischen medialer und realer Welt; Selbstreferenzierung stellt Verbindungen zwischen einer Botschaft und dem Selbst bzw. persönlichen Erfahrungen her. Während analytische Selbstreferenzierung dem Involvement ähnlich ist, kann man narrative Selbstreferenzierung dadurch herstellen, dass man Rezipierende auffordert, sich eine Geschichte auszudenken, in der man selbst eine Rolle spielt. Selbstbezogenes Rezipieren ist ein wichtiger Faktor bei der Erklärung von Medienwirkungen: Der Ich-Bezug kann mediale Inhalte besser im Gedächtnis verankern und kann Situationen identifizieren, in welchen eine Einstellung geändert wird und in welchen nicht. Das selbstbezogene Rezipieren hat sich auch in angewandten Kontexten als nützlich erwiesen, etwa zur Modellierung der Werbewirkung. Übungsaufgaben 1. Suchen Sie Argumente für und gegen eine weite bzw. enge Definition von Involvement. 2. Finden Sie ein Beispiel aus der aktuellen Fernsehwerbung, bei dem Involvement bei der Zielgruppe der Studierenden wahrscheinlich ist. 3. Wie kann man sich analytische und narrative Selbstreferenzierung in der Werbung zunutze machen? 4. Kann man Resonanz im Experiment manipulieren? Wenn ja, wie? Zum Weiterlesen Sherif, M. &- S. S. Sargent (1947). Ego-involvement and the mass media. Journal of Social Issues, 3, 8-16. Der Aufsatz ist ein kurzer und sehr lesbarer klassischer Text zur Ur-Konzeption von Ego-Involvement, die auch heute noch sinnvoll ist. Johnson, B.T. &-A. H. Eagly (1989). Effects of involvement on persuasion-- a metaanalysis. Psychological Bulletin, 106(2), 290-314. Die Meta-Analyse bietet eine sehr gute Übersicht zum Forschungsfeld des Involvement und entwickelt eine einflussreiche Kategorisierung, anhand derer der sie die Ergebnisse der Studien zusammenfasst. Escalas, J. E. (2007). Self-referencing and persuasion: Narrative transportation versus analytical elaboration. Journal of Consumer Research, 33, 421-429. Diese interessante Studie zeigt auf, welche praktischen Implikationen der Selbstbezug für die Werbegestaltung haben kann. <?page no="89"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 90 <?page no="90"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 91 91 6 Emotion und Stimmung 2 Lernziele 1. Sie lernen, auf welche Weise Stimmungen und Emotionen entstehen und wie sie reguliert werden können. 2. Sie verstehen, inwieweit unsere Stimmung dafür ausschlaggebend ist, welche Medienangebote wir nutzen. 3. Sie erlernen Konzepte und Modelle für die Erklärung von verschiedenen emotionalen Phänomenen bei der Medienrezeption. 4. Sie wissen, wie Emotionen die kognitive Verarbeitung (Erinnern, Urteilen, Einstellung entwickeln) von Medieninhalten und -botschaften beeinflussen können. 6.1 Grundlagen 6.1.1 Abgrenzung von Stimmung und Emotion Stimmungen wie auch Emotionen sind den Affekten untergeordnet, sollten aber voneinander unterschieden werden. Auf der Suche nach möglichen Definitionen beider Konstrukte wird man schnell fündig: So hatten z. B. Kleinginna und Kleinginna (1981) bereits vor über 30 Jahren 92 verschiedene Definitionen von Mood in der internationalen psychologischen Literatur gefunden. Parkinson, Totterdell, Briner und Reynolds (2000) haben verdichtend die Unterschiede beider Affektarten auf sechs Ebenen beschrieben (vgl. Abb. 6.1). Demnach werden Emotionen durch ein spezifisches Ereignis oder eine spezifische Ursache ausgelöst, setzen dadurch rasch und episodisch in bestimmten Situationen ein, sind auf ein konkretes Objekt oder Ziel intentional gerichtet, dauern vergleichsweise kurz (meist nicht länger als ein paar Minuten) und sind von ihrer Intensität vergleichsweise stark. Stimmungen dagegen sind diffusere Affektzustände, dauern relativ lang (bis zu einigen Wochen) und sind von eher geringerer Intensität. Sie setzen graduell ein, entwickeln sich also kontinuierlich, sind auf kein konkretes Objekt/ Ziel gerichtet und weniger determiniert durch eine bestimmte Situation als vielmehr durch den aktuellen psychischen Zustand des Menschen. 2 Das Kapitel zitiert Passagen des Kapitels von Holger Schramm aus dem Buch »Handbuch Medienrezeption« (2014, hrsg. von Carsten Wünsch, Holger Schramm, Volker Gehrau und Helena Bilandzic) sowie eines Artikels von Holger Schramm und Werner Wirth (2006) in der Fachzeitschrift »Medien &- Kommunikationswissenschaft«, beide Publikationen erschienen im Nomos-Verlag. Wir danken Verlag und Autoren für die Freigabe und die freundliche Kooperation. <?page no="91"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 92 6 Emotion und Stimmung 92 Die Grenze zwischen Stimmungen und Emotionen ist jedoch fließend: »Both refer to affective states that feel pleasant or unpleasant, both reflect and affect evaluations of what is happening, and both have limited duration (although the duration of emotion is likely to be more limited than that of mood)« (Parkinson et al., 1996, S. 9). Einerseits können sich mehrere emotionale Erfahrungen zu einer Stimmung verdichten, andererseits werden vor dem Hintergrund einer bestimmten Stimmung auch dazu passende emotionale Reaktionen erklärbar. Kurzum: Stimmungen können Emotionen verursachen und Emotionen können Stimmungen verursachen. Eine Differenzierung zwischen Emotionen und Stimmungen scheint per se, aber insbesondere auch mit Blick auf die Regulation von Affekten während der Medienrezeption lohnenswert (vgl. Schramm &- Wirth, 2008). Da sich Medienrezeption jedoch in der Regel in relativ kurzen Episoden vollzieht und die Rezipierenden dabei Personen und Handlungen ausgesetzt sind, die ihnen ermöglichen, sich auf ein konkretes Ziel und Ereignis auszurichten (vgl. Abb. 6.1), sind gerade die Emotionen von besonderer Bedeutung für die Medienrezeptionsforschung. Sie sollen daher im weiteren Verlauf des Kapitels schwerpunktmäßig aufgearbeitet werden. 6.1.2 Emotionsgenese und -struktur Nach Kleinginna und Kleinginna (1981) lassen sich Emotionen als komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren definieren, die sich aus affektiven, kognitiven, konativen und physiologischen Komponenten zusammensetzen. Die Abb. 6.1: Unterscheidungen zwischen Stimmungen und Emotionen Stimmung Emotion Dauer relativ langfristig relativ kurzfristig Zeitmuster graduelles Einsetzen, kontinuierlich rasches Einsetzen, episodisch Intensität relativ schwach relativ stark Verursachung nicht durch spezifisches Ereignis ausgelöst verursacht durch spezifisches Ereignis Funktion liefert Informationen über derzeitigen Zustand des Selbst liefert Informationen über aktuellen Zustand der Situation Gerichtetheit Ungerichtet auf konkretes Ziel gerichtet Quelle: Parkinson, Totterdell, Briner & Reynolds, 2000, S. 19 <?page no="92"?> 6.1 Grundlagen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 93 93 affektive Komponente besteht aus dem subjektiven Erleben von Situationen, das mit Gefühlen von Erregung, von Lust bzw. Unlust verbunden ist. Die kognitive Komponente bezieht sich darauf, wie emotionsrelevante Situationen wahrgenommen und bewertet werden. Mit der konativen Komponente wird das Ausdrucksverhalten angesprochen. Hierzu zählen die Mimik, der stimmliche Ausdruck, die Gestik sowie die Kopf- und die Körperhaltung. Weiter gefasst kann auch die handlungsvorbereitende Funktion von Emotionen als konative Komponente verstanden werden. Schließlich umfasst die physiologische Komponente periphere körperliche Reaktionen, die vom vegetativen Nervensystem vermittelt werden (physiologische Erregung), so z. B. Erröten, Veränderungen der Herzrate, Veränderungen der Atmung oder Schwitzen der Hände (vgl. Meyer, Schützwohl &-Reisenzein, 2003). Merksatz Emotionen können als komplexes Gefüge subjektiver und objektiver Faktoren betrachtet werden, die sich aus affektiven, kognitiven, konativen und physiologischen Komponenten zusammensetzen. Es gibt eine Vielzahl von emotionstheoretischen Ansätzen, die zudem in der Literatur in unterschiedlicher Weise kategorisiert werden (vgl. Wirth &- Schramm, 2005). Immerhin drei Theoriegruppen werden aber von allen Autoren genannt: Eine erste Gruppe von Theorien geht davon aus, dass physiologische Reaktionen die Grundlage für emotionale Prozesse sind (z. B. James, 1884). Ein lange Zeit stark beachteter Ansatz dieser Tradition wurde von Schachter und Singer (1962) vorgelegt. Die Autoren nahmen an, dass die unspezifische, physiologische Erregung Ausgangspunkt für das emotionale Erleben ist. Erst durch nachfolgende Interpretationen und kognitive Bewertungen erhält die Erregung ihre spezifische emotionale Bedeutung. In neuerer Zeit führen neurobiologische Arbeiten diese Tradition unter einer modifizierten Zielsetzung fort. Ziel dieser Untersuchungen ist die Identifikation von Hirnarealen, die bei spezifischen Emotionen eine charakteristische Aktivierung oder Deaktivierung erfahren (vgl. Merten, 2003). Bei einer zweiten Gruppe von Theorien spielen kognitive Aspekte wie z. B. Attributionen oder Einschätzungen (appraisals) von Situationen die Hauptrolle bei der Entstehung von Emotionen (vgl. z. B. Arnold, 1960; Lazarus, 1966; Scherer, 1984). Weiner (1972) beschreibt in seiner Attributionstheorie, wie spezifische Emotionen als Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses entstehen, in dessen Verlauf negativ bewertete, unerwartete oder subjektiv besonders bedeutsame Ereignisse interpretiert und hinsichtlich ihrer (vermeintlichen) Ursachen analysiert werden. Appraisaltheoretische Ansätze bauen diese Gedanken weiter aus und beschreiben die Emotionsgenese als eine Abfolge von weitgehend unwillkürlichen und automatischen, bisweilen aber auch reflektierten kognitiven Prozessen. Gemäß Lazarus können dabei primäre und sekunwww.claudia-wild.de: <?page no="93"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 94 6 Emotion und Stimmung 94 däre Einschätzungen unterschieden werden. Bei den primären Situationsbewertungen werden die Zielrelevanz, die Zielstimmigkeit, und die Art der Ich-Beteiligung eingeschätzt. Bei den sekundären Situationsbewertungen wird zwischen Verantwortlichkeit, Bewältigungspotenzial und Zukunftserwartung differenziert (vgl. Lazarus, 1991, ähnlich z. B. auch Scherer, 1984, 2001). Evolutionsbiologische Ansätze bilden die dritte große Gruppe von Emotionstheorien (vgl. Darwin, 1872; Ekman, 1972; McDougall, 1960). Diese Ansätze heben vor allem die phylogenetische Bedeutung von Emotionen hervor. Demnach haben sich Emotionen als Mechanismen zur adäquaten Anpassung an Umweltbedingungen im Verlauf der Menschheitsgeschichte herausgebildet. Die Ansätze verweisen somit auf die Reproduktionsvorteile emotionalen Verhaltens (vgl. Merten, 2003; Schwab, 2004). Merksatz Hinsichtlich der Beschreibung und Erklärung von Emotionen lassen sich unterschiedliche Ansätze und Theorien identifizieren, die entweder physiologische, kognitive oder evolutionsbiologische Aspekte und Komponenten in den Mittelpunkt rücken. Emotionen können mit verschiedenen Methoden und Forschungsdesigns untersucht werden. In experimentellen Settings werden die Versuchspersonen häufig bewusst in einen bestimmten emotionalen Zustand versetzt. Eine entsprechende Emotionsinduktion kann dadurch geschehen, dass der Experimentator die emotionsauslösende Bedingung kreiert (etwa durch Rückmeldung eines Erfolgs oder eines Misserfolgs bei einem fingierten Test). Die Versuchspersonen können aber auch gebeten werden, sich in eine emotionsauslösende Situation hineinzuversetzen oder sich an eine selbst erlebte Situation zu erinnern. Schließlich können die Versuchspersonen einem emotionsauslösenden medialen Stimulus ausgesetzt werden (vgl. Gross &- Levenson, 1995). Gerade aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist die zuletzt genannte Induktion besonders interessant. Izard (1990) systematisierte alle Induktionsverfahren entlang der Emotionskomponenten, die durch die Induktion manipuliert wurden. Er unterschied zwischen der neuronalen (z. B. durch Injektion von Neurotransmittern), der sensomotorischen (z. B. durch Aufforderung zur Darstellung von emotionalen Gesichtsausdrücken), der motivationalen (z. B. durch die Präsentation von phobierelevanten Objekten) sowie der kognitiven Ebene (z. B. durch die Präsentation von anregenden Fotos und Filmen oder durch Aufforderung zur Imagination). Definition: Aktualgenese einer Emotion Die Aktualgenese bezeichnet die Entstehung der konkreten Emotion, z. B. Angst oder Freude, in einer gegebenen Situation und in Wechselwirkung mit Personeneigenschaften und situationalen Einflüssen. Hierbei sind sowohl die unmittelba- <?page no="94"?> 6.2 Kategorien und Dimensionen von (Medien-)Emotionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 95 95 ren, inneren Prozesse, individuelle Verhaltenstendenzen, als auch konkrete, kontextgebundene Situationsfaktoren beteiligt (vgl. Ulich &-Mayring, 1992, S. 73-74). Scherer (1998) hat einen ersten Versuch unternommen, die Aktualgenese von Emotionen bei der Medienrezeption vor dem Hintergrund der Einschätzungstheorien zu analysieren. Demnach entstehen Emotionen als Reaktionen auf Inhalte in Film und Fernsehen zumeist durch ein stellvertretendes Mitfühlen dargestellter Emotionen auf dem Bildschirm. Dies ist möglich, da die wahrgenommenen Emotionen in der Regel in einen Handlungszusammenhang eingebettet sind, der es dem Zuschauer erlaubt, das emotionsauslösende Ereignis wahrzunehmen und die zugrunde liegenden Einschätzungen der Medienakteure nachzuempfinden. 6.2 Kategorien und Dimensionen von (Medien-)Emotionen Es gibt verschiedene Versuche, die augenscheinliche Vielfalt der Emotionen zu ordnen und zu klassifizieren. Zahlreiche Forscher vertreten die Auffassung, dass einige Emotionen einen besonderen, grundlegenden Status haben. Häufig werden aus einer evolutionstheoretischen Perspektive bestimmte Emotionen als spezifische, evolutionär alte und nicht mehr weiter zerlegbare Emotionen angesehen. Andere Emotionen sind Mischemotionen (oder Sekundäremotionen, komplexe Emotionen), die aus zwei oder mehr Basisemotionen zusammengesetzt oder abgeleitet werden und damit evolutionär jünger sind (vgl. Schwab, 2004; Schwender, 2001). Beispielsweise ordnete McDougall (1960) jedem spezifischen, angeborenen Instinkt jeweils eine Primär- oder Basisemotion zu. Aus der Kombination der beiden Primäremotionen Ekel und Ärger entsteht so die Sekundäremotion Verachtung. Insgesamt besteht jedoch nur sehr wenig Übereinstimmung zwischen den jeweiligen Einteilungen verschiedener Forscher. Ein Problem scheint zu sein, dass bereits Uneinigkeit darüber besteht, welche Erlebensaspekte überhaupt als Emotionen zu bezeichnen sind. So ist etwa für Izard (1977) Interesse eine Emotion, nicht jedoch für andere Emotionsforscher. Russell (1980) konnte zeigen, dass sich Emotionen in einem zweidimensionalen Raum annähernd kreisförmig anordnen. Die erste Dimension seines Circumplex- Modells (Lust/ Unlust) drückt aus, wie angenehm oder unangenehm die Emotionen empfunden werden. Die zweite Dimension drückt den Grad der Erregung aus und trennt die Emotionen entlang einer Achse zwischen den Polen Ruhe und Aktivierung. In einer Studie von Galati, Sini, Ferre, Vilageliu und Garcia (1998) ergab sich allerdings eine andere zweite Dimension, die sich als Ausdruck der Auseinandersetzung mit der Umwelt auffassen lässt. An einem Pol finden sich Emotionen der Stärke, Überlegenheit und Kontrolle der Situation, am anderen Pol Emotionen der Schwäche, Unterlegenheit und mangelnden Situationskontrolle. <?page no="95"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 96 6 Emotion und Stimmung 96 Lazarus (1966, 1991) postuliert sechs Einschätzungsdimensionen und unterscheidet bei den primären Einschätzungsprozessen zwischen Zielrelevanz, Zielstimmigkeit und Art der Ich-Beteiligung, bei den sekundären Einschätzungsprozessen zwischen Verantwortlichkeit, Copingpotenzial und Zukunftserwartung. Damit lassen sich nach Lazarus für 15 Emotionen, darunter Stolz, Zufriedenheit, Liebe, Ärger, Angst und Furcht sowie Hoffnung und Mitgefühl, spezifische Bewertungsmuster ableiten. Ulich und Mayring (1992) identifizieren sogar 24 Emotionen, die sich grob vier Gruppen zuordnen lassen und die alle auch für die Medienrezeption hohe Relevanz aufweisen: Zuneigungsgefühle, Abneigungsgefühle, Wohlbefindensgefühle und Unbehagensgefühle. Die Emotionen, die bei der Medienrezeption entstehen, unterscheiden sich daher nicht grundlegend von denen nicht-medialer Alltagssituationen (vgl. Scherer, 1998). Definition: Medienemotionen als Folge von Bewertungen Folgt man den kognitiven Emotionstheorien, dann sind auch Medienemotionen als Ergebnis eines Bewertungsprozesses (der den Menschen meist wenig bewusst ist) zu begreifen. Im Zuge dieses sogenannten Appraisal-Prozesses werden wahrgenommene Medienobjekte, -ereignisse und -situationen im Hinblick auf ihre Neuartigkeit, Angenehmheit, Zieldienlichkeit, Bewältigbarkeit und Normverträglichkeit geprüft. Das Ergebnis dieses mehrstufigen Appraisal-Prozesses produziert spezifische Reaktionsmuster (physiologische Reaktionen, motorischer Ausdruck, Handlungstendenzen, Gefühle) bzw. spezifische Medienemotionen. Je nachdem, ob die Bewertungsprozesse primären Bezug zur eigenen Person oder zur Medienperson haben, resultieren bei der Medienrezeption entweder sogenannte Ego- Emotionen oder Mit-Emotionen (auch Sozio-Emotionen genannt: vgl. Bente &-Vorderer, 1997). So muss z. B. die Aussage eines Politikers an sich nicht ärgerlich bzw. mit Ärger vorgetragen sein, kann aber aufgrund der Bewertung durch den Rezipierenden für dessen eigene Ziele und Werte Ärger auslösen bzw. Ärger induzieren. Bei dieser Art von emotionalen Prozessen spricht man daher auch von Emotionsinduktion. Eine zweite prototypische Klasse von emotionalen Prozessen bei der Medienrezeption stellt die emotionale Ansteckung dar: Hierbei nimmt der Rezipierende lediglich das emotionale Ausdrucksverhalten der Medienperson wahr und ahmt es nach, ohne sich dieser Imitation bewusst zu sein und ohne dabei im Einzelnen nachzuvollziehen, wie es auf Seiten der Medienperson zu diesem emotionalen Ausdruck gekommen sein mag. Die Prozesse, die hinter dieser motorischen Nachahmung emotionalen Ausdrucksverhaltens (z. B. das automatische Lachen als Reaktion auf das Lachen einer Medienperson) stehen, sind nach wie vor umstritten (vgl. Scherer, 1998). Eine dritte Kategorie betrifft die Empathie bzw. das empathische Mitfühlen mit der Medienperson. Hier ist die Rezipientin oder der Rezipient selbst von dem Ereignis, das die Emotion der Medienperson auslöst, nicht betroffen. Jedoch versucht er, die <?page no="96"?> 6.3 Empathie und Spannung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 97 97 vermeintlichen Bewertungen bzw. Appraisalschritte, die bei der Medienperson die gezeigte Emotion zur Folge hatten, nachzuvollziehen. »Wichtig ist, daß die emotional-expressiven Äußerungen [der Medienperson] nicht einmal der Beobachtung zugänglich sein müssen-- es reicht aus, wenn der [Rezipierende] sich die Bewertung des Ereignisses durch [die Medienperson] vorstellen kann« (Scherer, 1998, S. 282). Die hier skizzierten drei Kategorien emotionaler Prozesse laufen-- wie bereits oben angedeutet- - in ähnlicher Weise bei alltäglicher Konfrontation mit nicht-medialen Personen und Situationen ab. Bei der Medienrezeption kommen jedoch weitere Appraisal-Ebenen hinzu, beispielsweise Bewertungen der formalen Gestaltungsmerkmale bzw. der Machart eines Medienprodukts oder auch Überlegungen zum potenziellen Mit-Publikum, die für sich genommen eigene Emotionen erzeugen könnten und in Kombination mit den von Scherer entworfenen Emotionen zum Gesamterleben eines Medienangebots beitragen (vgl. Bartsch, Vorderer, Mangold &-Viehoff, 2008; Mangold, Unz &-Winterhoff-Spurk, 2001; Wirth, Schramm &-Böcking, 2006; vgl. auch den Abschnitt »Unterhaltung als Metabzw. Makroemotion« im Kapitel 10). 6.3 Empathie und Spannung »Empathy has become an important construct in mass communication research. It has been used to explain both children’s and adults’ reactions to film and characters […], enjoyment of films […], responses to coviewing others […], and attraction to programs« (Nathanson, 2003, S. 107). Empathie ist ein vielschichtiges Konzept, das sowohl affektive und kognitive Komponenten aufweist (vgl. Wünsch, 2014). Als kognitive Empathie wird das Verstehen von anderen Personen, das rationale Nachvollziehen von Gefühlen anderer Personen im Sinne einer Perspektivenübernahme verstanden. Die affektive Empathie dagegen ist ein relativ basaler Prozess des Einfühlens in andere Individuen. Affektive Empathie tritt z. B. ein, wenn die Rezipientinnen und Rezipienten mehr oder weniger dieselben Emotionen empfinden, die sie bei den Medienfiguren beobachtet haben: »[…] Empathy need not involve an exact match in emotions between the observer and the observed, so long as the valence of the emotions does match« (Nathanson, 2003, S. 109). Daher spricht man z. B. auch von Empathie, wenn ein Rezipierender Mitleid mit einer Medienperson empfindet, die traurig ist: Traurigkeit und Mitleid sind nicht identische Emotionen, weisen aber die gleiche Valenz auf. Obwohl das Konzept kognitive Komponenten aufweist, kann es als primär affektiv eingestuft werden (vgl. Davis, 1980). <?page no="97"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 98 6 Emotion und Stimmung 98 Zillmann (1991a, 1996a) geht in seiner vor allem für fiktionale Geschichten angelegten Affective Disposition Theory davon aus, dass empathische Emotionen ihren Ausgangspunkt in der Beobachtung der Protagonisten durch die Rezipientinnen und Rezipienten haben (vgl. Abb. 6.2). Im Rahmen dieser Beobachtung (Schritt 1) werden die Filmhandlungen der Protagonisten von den Zuschauern einer moralischen Bewertung unterzogen und in der Folge entweder gebilligt oder missbilligt (Schritt-2). Eine Billigung führt zu positiven affektiven Dispositionen gegenüber dem Protagonisten, d. h. die Rezipierenden finden ihn sympathisch und sorgen sich um sein Wohl. Eine Missbilligung führt hingegen zu negativen affektiven Dispositionen gegenüber dem Protagonisten, einhergehend mit der Ablehnung und Verurteilung seiner Handlungen und seiner Person (Schritt 3). Erhofft wird nun ein weiterer Verlauf der Geschichte, welcher den Protagonisten obsiegen und den Antagonisten scheitern lässt. Gefürchtet wird hingegen derjenige Verlauf, der dem Filmhelden den Schaden und dem Antagonisten den Triumph beschert (Schritt 4). Die Beobachtung und Bewertung dieses Verlaufs bzw. des weiteren Geschehens (Schritt 5) führt zu empathischen Reaktionen gegenüber den Protagonisten (z. B. Euphorie, wenn der Protagonist siegt, oder Niedergeschlagenheit, wenn der Protagonist verliert) und zu counterempathischen Reaktionen gegenüber den Antagonisten (z. B. Ärger, wenn der Antagonist siegt, oder Schadenfreude, wenn der Antagonist verliert; Schritt 6). Der Ausgang der Geschichte wird abschließend nochmals einer moralischen Bewertung unterzogen (Schritt 7), was wiederum die Bewertung von Handlungen in anderen, nachfolgenden Filmen beeinflussen kann. Kommt ein Rezipierender beispielsweise aufgrund des Sieges des Antagonisten zum Schluss, dass das Böse am Ende ja doch immer gewinnt, so wird er beim nächsten Film die Handlungen des Antagonisten evtl. anders bewerten und in der Folge vielleicht sogar mit ihm sympathisieren. Rezeptionserlebnisse wie Erleichterung oder Enttäuschung am Ende eines Films werden mit Hilfe dieses Modells ebenso erklärbar wie Spannungserleben während eines Filmes. Quelle: Zillmann, 1996a, S. 219 Abb. 6.2: Modell empathischer Teilnahme in fiktionalen Geschichten <?page no="98"?> 6.3 Empathie und Spannung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 99 99 Denn wenn Rezipierende Spannung empfinden, dann zumeist wegen der Unsicherheit über den weiteren Verlauf einer Medienhandlung (vgl. Borringo, 1980; Wulff, 1996). Bis zur Auflösung durchleben die Rezipientinnen und Rezipienten aufgrund der Unsicherheit einen inneren Konflikt, der zumeist mit starker negativer Erregung einhergeht. Im alltäglichen Leben geht Unsicherheit bisweilen sogar mit Angstgefühlen einher. Wieso wenden sich Rezipierende dennoch bewusst spannenden Medienangeboten zu? Die kommunikationswissenschaftliche Medienrezeptionsforschung hat hierzu bereits einige Antworten geliefert (vgl. im Überblick Vorderer, Wulff &-Friedrichsen, 1996; Hastall, 2014). Spannung wurde jedoch viel intensiver im Kontext der semiotisch ausgerichteten Filmwissenschaft sowie der hermeneutisch arbeitenden Cultural Studies und Popular-Culture-Forschung behandelt (vgl. Vorderer, 1994). Insgesamt lassen sich über alle Fachgrenzen hinweg die psychologischen von den werkorientierten Zugängen zur Erklärung von Spannung unterscheiden. Während die psychologischen Ansätze (vgl. z. B. Comisky &-Bryant, 1982; Tan, 1996; Zillmann, 1991a, 1996a; Zillmann &-Cantor, 1977) davon ausgehen, dass Spannung in erster Linie durch Zusammenwirken verschiedener kognitiver und affektiver Konstrukte im Menschen determiniert wird, machen die hermeneutisch/ werkorientierten Ansätze Spannung am erzählerischen Aufbau von Texten und Geschichten fest (vgl. Brewer, 1980, 1996; Brewer &-Lichtenstein, 1982). Erstere sprechen also von dem Unsicherheitsgefühl des Menschen, Letztere von der Unsicherheit des Textes/ der Geschichte. Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte zu suchen sein: Rezipierende können keine Unsicherheit fühlen, wenn der rezipierte Plot keine Fragen aufwirft und keine Unsicherheit provoziert (vgl. Carroll, 1984, 1996; Ohler &-Nieding, 1996). »Integrative works on film exposure try to combine both, as it has become apparent that the relation between the film text and psychological effects is more complex than assumed so far« (Schramm, 2008a, S. 1671). Was aber macht das Empfinden von Spannung so attraktiv bzw. lustvoll? Zillmann (1991a, 1996a) sieht den Zuschauer lediglich als Zeugen eines medialen Geschehens, der de facto nicht in das Geschehen eingreifen kann und eben durch diese Machtlosigkeit Spannung empfindet, was gerade durch den Kontrollverlust als besonders reizvoll empfunden wird. Vor dem Hintergrund der Excitation Transfer Theory Zillmanns (1971, 1991b, 1996b; vgl. Abschnitt 6.4) ist zudem einsichtig, dass die Erleichterung und die Euphorie über ein Happy End umso positiver ausfällt, desto spannender und belastender der Film zuvor war. Wie lässt sich aber die Faszination für spannende Plots erklären, die nicht durch ein Happy End positiv aufgelöst werden? Vorderer (1994) beschreibt Spannung als das Erleben von Angst unter spielerischen Bedingungen (vgl. Rubin, Fein &-Vandenberg, 1983; Vorderer, 2001): Angst bei der Rezeption fiktionaler Inhalte laufe unter medial kontrollierten Bedingungen. Diese Als-ob-Angst würde als wertvolle Lebenserfahrung abgebucht, die einem evenwww.claudia-wild.de: <?page no="99"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 100 6 Emotion und Stimmung 100 tuell bei der Bewältigung vergleichbarer Realsituationen helfen könne. Auch Persönlichkeitsmerkmale wie das der Angstlust (Balint, 1959) dürften einen Teil der Zuwendung zu spannenden, Als-ob-Angst evozierenden Medienangeboten erklären. 6.4 Emotionale Erregung Ein weiterer Forschungsbereich versucht, Emotionen bei der Medienrezeption durch die kontinuierliche Erfassung verschiedener physiologischer Maße für die Erregung nachzuspüren (vgl. z. B. Bente, Stephan, Jain &-Mutz, 1992; Lang, 1994; Mangold, 1998). Bei diesem Vorgehen wird demnach physiologische Erregung als Indikator für emotionale Aktivierung interpretiert und damit als Bestandteil von Emotionen vorausgesetzt. Eine Theorie, die das emotionale Erleben von Medienangeboten mit Erregung in Zusammenhang setzt, ist die Excitation Transfer Theory (vgl. Zillmann, 1971, 1991b, 1996b). Zillmann hat hier eine Theorie vorgelegt, die den Erregungstransfer einzelner Rezeptionssequenzen auf nachfolgende Zeiteinheiten beschreibt (vgl. Abb. 6.3). Erzeugt z. B. eine Filmsequenz (A) ein bestimmtes Ausmaß an Erregung, so ist diese nach dem Ende der Filmsequenz nicht verschwunden, sondern sie flaut allmählich ab und bildet eine Erregungsbasis für nachfolgende Sequenzen. Würde unmittelbar eine neue Filmsequenz (S) folgen, die wiederum Erregung erzeugt, wäre eine umso größere Erregung die Folge, als wenn lediglich die Sequenz (S) betrachtet worden wäre. Interessante Implikationen hat das Erregungstransfer-Modell auch für das Erleben unerwarteter Filmenden. Laut Zillmann führt erst die kognitive Bewertung eines Quelle: Zillmann, 1996b, S. 251 Abb. 6.3: Erregungstransfer nach Zillmann <?page no="100"?> 6.5 Regulation von Stimmungen und Emotionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 101 101 Erregungszustands bzw. die Attribuierung der Erregung auf die jeweilige Mediensituation zum spezifischen emotionalen Erleben. Da sich die Erregung nur langsam abbaut, sich die Bewertung hingegen schlagartig und punktuell ändern kann, ist es z. B. möglich, dass die kognitive Registrierung eines plötzlichen Happy Ends auf die Resterregung der in vorherigen Filmsequenzen aufgebauten Erregung attribuiert wird und sich in der Folge als stark positive Emotion bzw. euphorisches Gefühl zeigt. Dieses Phänomen dürfte vielen Rezipientinnen und Rezipienten aus der Erfahrung mit typischen Hollywood-Filmen bekannt sein. Bei Horrorfilmen (vgl. Tamborini, 1991) entfallen diese positiven Enden in der Regel, was wiederum die Frage aufwirft, warum sich Menschen diesen Medienangeboten aussetzen. Eine Erklärung könnte sein, dass Menschen, die spannende und stark erregende Erfahrungen präferieren und geradezu aktiv aufsuchen (die sogenannten High Sensation Seeker), durch den Horror ein Erregungslevel erfahren, das von ihnen als sehr angenehm empfunden wird (vgl. Zuckerman, 1979). Eine andere Erklärung ist, dass Rezipierende ihre Ängste im realen Leben durch den bewusst aufgesuchten Kontakt mit noch stärker angstauslösenden Horrorfilmen abmildern wollen beziehungsweise lernen, mit diesen Ängsten umzugehen (vgl. Boyanowsky, Newtson &-Walster, 1974). 6.5 Regulation von Stimmungen und Emotionen 6.5.1 Stimmungsregulation durch selektive Zuwendung zu Medienangeboten-- die Mood-Management-Theorie Die stimmungs- und emotionsregulierende Funktion und Wirkung von Medien ist-- gerade mit Blick auf die Nutzung von Unterhaltungsangeboten-- von zentraler Bedeutung für den umfangreichen Medienkonsum insbesondere westlicher Industrienationen (vgl. Zillmann, 2000). Die Mood-Management-Theorie Zillmanns (1988; im Folgenden MMT abgekürzt) hat sich zur Erklärung dieses Phänomens einen prominenten Stellenwert in der Kommunikationswissenschaft erworben. Die MMT erklärt primär, warum sich Menschen zwecks Stimmungsregulation den Medien zuwenden und macht Aussagen darüber, welche Medienangebote von den Menschen in Abhängigkeit ihrer Stimmungslage ausgewählt werden. Die Theorie erklärt im Kern also die Selektion von Medienangeboten und geht auf Überlegungen zurück, dass die selektive Zuwendung zu und die Auswahl von Medienangeboten (selective exposure approach) insbesondere durch eine stimmungsabhängige Medienselektion der Rezipientinnen und Rezipienten zu erklären ist (vgl. Zillmann &-Bryant, 1985; vgl. Kapitel 3). Die MMT mit ihren zahlreichen Hypothesen gründet sich auf zwei Hedonismusprämissen: Individuen seien stets bestrebt, aversive beziehungsweise unangenehme Stimulationen/ Stimmungen jeglicher Art zu vermeiden beziehungsweise zu beenden oder ihre Intensität zu verringern. Zudem seien sie gleichermaßen bestrebt, belohwww.claudia-wild.de: <?page no="101"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 102 6 Emotion und Stimmung 102 nende beziehungsweise angenehme Stimulationen/ Stimmungen aufrechtzuerhalten oder ihre Intensität zu verstärken (vgl. Zillmann, 1988). Von zentraler Relevanz für die Mediennutzung ist hingegen die Kernaussage drei der Theorie: Je stärker das externe Stimulusarrangement auf Unterhaltungsangebote begrenzt ist, desto mehr nutzen Individuen diese Angebote, um unangenehme, aversive Stimulationen/ Stimmungen zu minimieren und angenehme zu maximieren-- sowohl im Hinblick auf die zeitliche Dauer wie auch auf die Intensität. Dies setzt voraus, dass Individuen um die Wirkung interner wie externer Stimuli wissen. Zillmann begründet dies mit dem operanten Lernen: Anfangs würden sich Individuen in bestimmten Stimmungen zufällig diversen Stimuli aussetzen. Die zufällig arrangierten Stimuli würden eine sogenannte Memory Trace hinterlassen bzw. die Wirkung der Stimuli würde unbewusst gespeichert werden, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein positiv wirkender Stimulus bei einer ähnlichen Stimmungslage erneut ausgewählt wird. Dieses operante Lernen erfolge unbewusst und impliziere, dass Individuen sich ihrer Motive meist nicht bewusst seien. Zillmann unterscheidet weiterhin zwischen einer eher aktiven Wahl von Stimuli, die einen höheren zeitlichen bzw. energetischen Aufwand erfordere (z. B. in den Urlaub fahren, um Stress abzubauen), und einer eher passiven Wahl von Stimuli, die mit einem geringeren zeitlichen bzw. energetischen Aufwand verbunden sei (z. B. Fernsehen, um Stress abzubauen. Insbesondere die Medienangebote ermöglichen es den Menschen, aufwandsarm Erfahrungen mit allen möglichen Stimuli zu sammeln. Von besonderer Bedeutung bei der Minimierung aversiver Stimulationen/ Stimmungen seien dabei selbstverständlich die Unterhaltungsangebote wie Musik, Comedy, Drama und Sport (vgl. Zillmann, 1988, S. 149). Die Theorie differenziert einerseits zwischen verschiedenen Stimulationsbeziehungsweise Stimmungslagen (Unterstimulation vs. Überstimulation; angenehme positive Stimmung vs. unangenehme negative Stimmung) und andererseits zwischen den Stimuli/ Medienangeboten, die zur Stimmungsregulation eingesetzt werden. Zillmann arbeitet- - gestützt auf diverse eigene Studien- - vier Faktoren der Medienstimuli heraus, die im besonderen Maße dazu geeignet seien, Stimulationen und Stimmungen zu beeinflussen: (1) das Erregungspotenzial, (2) die hedonische Valenz, (3) die semantische Affinität zum aktuellen Zustand der Mediennutzerinnen und Mediennutzer (ein Liebesfilm hätte beispielsweise eine hohe semantische Affinität zu Liebeskummer) und (4) das Absorptionspotenzial (vgl. Zillmann, 1988; im Überblick: Knobloch-Westerwick, 2006; Oliver, 2003). Laut MMT ist das Erregungspotenzial am ehesten geeignet, auf der Dimension der Unter- und Überstimulation zu wirken: Personen, die unterstimuliert bzw. gelangweilt sind, werden demnach Medienangebote nutzen, die ein hohes Erregungspotenzial haben, die spannend und aufregend sind, während Personen, die überstimuliert bzw. gestresst sind, eher auf ruhige und entspannende Medienangebote ausweichen werden. Personen, die sich in einer negativen Stimmung befinden, werden eher Medienangebote mit positiver Valenz nutzen. Außerdem wer- <?page no="102"?> 6.5 Regulation von Stimmungen und Emotionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 103 103 den sie Medieninhalte mit starker semantischer Affinität zu den Ursachen ihrer negativen Stimmung vermeiden, dafür aber stark absorbierende Medienangebote aufsuchen, die sie vom Nachdenken über die negative Stimmung abbringen (Hypothesen im Einzelnen: vgl. Zillmann, 1988, S. 151-152). Dabei konnten nicht nur Laborexperimente, sondern auch quasi-experimentelle und korrelative Studiendesigns zur empirischen Absicherung-- zumindest des Großteils- - der Kernaussagen der MMT beitragen (vgl. im Überblick Knobloch-Westerwick, 2006; Oliver, 2003). Die MMT gilt somit als empirisch relativ gut bestätigt und wird nahezu in jeder kommunikationswissenschaftlichen Studie, die sich mit Stimmung als Ursache oder Wirkung von Medienrezeption beschäftigt, als theoretische Basis bemüht und zitiert. Allerdings kann sie zahlreiche Medienrezeptionsphänomene wie z. B. das Rezipieren trauriger Filme sowie inter- und intraindividuelle Unterschiede nicht zufriedenstellend erklären. Die Ergebnisse zahlreicher Studien fielen daher auch nicht im Sinne der MMT aus. Es wird mittlerweile begründet davon ausgegangen (vgl. Schramm &-Wirth, 2008; Friedman, Gordis &-Förster, 2012), dass die MMT lediglich einen Ausschnitt der Mediennutzung zwecks Regulation von Stimmungen erklärt und dass weiteres Erklärungspotenzial brachliegt bzw. in anderen alternativen Theorieansätzen zu suchen ist. Als eine Weiterentwicklung der MMT formulierte Knobloch (2003) ihren Mood Adjustment Approach. Danach versuchen Menschen nicht in jedem Fall, ihre Stimmung zu verbessern und positiv zu gestalten, sondern sie justieren ihre Stimmung auch in Abhängigkeit von der aktuellen oder unmittelbar anstehenden sozialen Situation. Im Vorfeld einer Beerdigung wird man z. B. vermeiden, sich in eine möglichst fröhliche, freudig-erregte Stimmung zu bringen, da diese Stimmung dem Anlass nicht angemessen wäre. Knobloch (2003) argumentiert, dass Menschen auch in Antizipation von Tätigkeiten und Aufgaben, die in naher Zukunft auf sie zukommen, ihre Stimmung auf ein der Aufgabe angemessenes, optimales Niveau ausrichten. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dürften sich z. B. vor dem Verfassen eines Textes eher in eine neutrale Stimmung bringen, da sie diese Stimmung am ehesten beim sachlichen Nachdenken unterstützt. Neben dem hedonischen Motiv der MMT sind demnach also auch instrumentelle Handlungsantriebe zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch das Eudaimonik-Konzept in Kapitel 10). 6.5.2 Strategien der Stimmungs- und Emotionsregulation während der-Medienrezeption Die MMT erklärt Stimmungsregulation lediglich mittels eines größtenteils unbewussten Selektionsmechanismus, der vor der Medienrezeption zum Tragen kommt. Sie erklärt hingegen nicht, wie die Stimmungsregulation und hierbei auch medienselektive Prozesse während der Medienrezeption ablaufen. In der Medien- und Kommunikationswissenschaft findet sich hierzu jedoch bereits eine Vielzahl von Studien. <?page no="103"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 104 6 Emotion und Stimmung 104 Schwerpunktmäßig wurde dabei die Regulation von belastenden Emotionen bei Kindern erforscht und zwischen kognitiven und nicht-kognitiven bzw. verhaltensbezogenen Strategien unterschieden (vgl. im Überblick z. B. Cantor, 2002). Diese empirisch identifizierten Strategien haben Wirth und Schramm (2007) in ihrem appraisaltheoretischen Modell zur Genese und Regulation von Affekten während der Medienrezeption systematisiert und vier Kategorien zugeordnet. Die vier Kategorien ergeben sich aus der Kombination zweier Dimensionen mit jeweils zwei Ausprägungen: Zum einen können-- wie bereits erläutert-- die kognitiven von den nicht-kognitiven bzw. verhaltensbezogenen Strategien unterschieden werden. Zum anderen können Strategien, bei denen sich die Rezipierenden vom Medieninhalt abwenden, von solchen Strategien, bei denen sie sich dem Medieninhalt (weiterhin) zuwenden, unterschieden werden. Gerade die letzte Differenzierung verdeutlicht, dass es auch während der Medienrezeption (und nicht nur vor der Medienrezeption in der Selektionsphase) um die Frage nach der Art und Weise der Zuwendung zu Medienangeboten geht. Was wären nun beispielhafte Strategien, die sich diesen vier Kategorien zuordnen ließen? Medieninhaltsabwendende verhaltensbezogene Strategien wären das Wegsehen, das Augen schließen, das Abschalten des Fernsehgeräts, das Weglegen des Buchs oder die Aufnahme einer Alternativhandlung zur Ablenkung vom Medieninhalt (z. B. Telefonieren oder Aufräumen). Medieninhaltszuwendende verhaltensbezogene Strategien wären Handlungen, die beispielsweise eine Modifikation der Immersivität zur Folge haben, z. B. das Reduzieren oder Erhöhen der Lautstärke, das Dimmen des Raumlichts oder auch das Heranrücken an den Fernseher (verbunden mit dem Vergrößern des Gesichtsfelds, das vom Medium ausgefüllt wird). Unter die medieninhaltsabwendenden kognitiven Strategien fallen Aufmerksamkeitsverschiebungen zu anderen Appraisalebenen bzw. Perspektiven, z. B. die Vergegenwärtigung der Beobachtungs- und Rezeptionsperspektive (»Das ist nur ein Film, den ich hier gerade schaue. Ich muss keine Angst haben«) oder das bewusste Denken an etwas, das nichts mit dem Medieninhalt zu tun hat. Die medieninhaltszuwendenden kognitiven Strategien zeichnen sich schließlich dadurch aus, dass sie direkt am Medieninhalt ansetzen und damit die Rezeption weder beeinträchtigen noch abbrechen. Typisch für diesen Strategietyp sind Rationalisierungen, wie das Geschehen zu banalisieren oder auf ein Happy End zu vertrauen (vgl. Hoffner &-Cantor, 1990). Unter der Lupe: Stimmungs- und Emotionsregulation von Kindern Insbesondere mit Blick auf Kinder ist die Frage nach erfolgreichem Regulieren von Stimmungen und Emotionen während der Medienrezeption besonders relevant, zumal Studien gezeigt haben, dass angsterregende Medienangebote kurz- und langfristige negative Wirkungen bei Kindern nach sich ziehen können (vgl. Cantor, 2002). Kinder im Vorschul- und Grundschulalter wenden in der Regel zunächst nur nicht-kognitive/ verhaltensbezogene Strategien an (Wegschauen, Augen zuhalten, <?page no="104"?> 6.6 Einfluss von Emotionen auf die Verarbeitung von-Medieninhalten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 105 105 Hilfe/ Körperkontakt bei den Eltern suchen, nach einer Decke oder einem Spielzeug greifen, etwas essen oder trinken), da diese früh erlernt und somit relativ automatisch abgerufen werden. Diese verhaltensbezogenen Strategien kommen ohne die selbstständige Verarbeitung von verbalen Informationen seitens der Kinder aus und zeigen umso weniger positive Wirkung, desto älter die Kinder werden (vgl. Wilson, Hoffner &-Cantor, 1987). In einem Experiment von Wilson (1989) konnte z. B. gezeigt werden, dass die Strategie des Augenzuhaltens bei jüngeren Kindern die Angst reduzierte, während sie bei älteren Kindern sogar die Angst steigerte. Letztere wussten um die begrenzte Wirkung des Augenzuhaltens, das die Aufnahme der auditiven Informationen des Filmes nicht verhindert, und empfanden durch den fehlenden visuellen Kanal sogar einen Verlust an Kontrolle über die angstevozierende Situation. Die kognitiven Strategien, die mit der Verarbeitung von verbalen Informationen einhergehen, kommen erst im Laufe des Grundschulalters mehr und mehr zum Tragen und sind erst gegen Ende des zweiten Lebensjahrzehnts voll ausgebildet. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die kognitive Strategie, sich die Fiktionalität eines Filmes vor Augen zu führen (»Das ist nur ein Film und nicht die Realität! «), bei Vorschulkindern noch keine positive Wirkung erzielt, während ältere Grundschüler damit ihre Angst signifikant senken können (Wilson et al., 1987). Kinder setzen also mit steigendem Alter erfolgreicher und öfters kognitive Strategien ein. Jedoch kann auch eine erfolgreiche Wirkung von kognitiven Strategien bei jüngeren Kindern durch unterstützende Visualisierungen von verbalen Erklärungen sowie durch wiederholtes Einüben von einfachen und beruhigenden Worten erzielt werden (vgl. Cantor, 1998; Wilson, 1987). 6.6 Einfluss von Emotionen auf die Verarbeitung von-Medieninhalten Emotionen, die während der Medienrezeption entstehen, haben ihrerseits einen großen Einfluss darauf, wie Medieninhalte und -botschaften kognitiv verarbeitet werden (vgl. Matthes, 2007; Nabi, 2003; Unz, 2007 bzw. die Forschungsbereiche des Emotionalen Framings und des Affektiven Primings; vgl. auch Kapitel 2). Von besonderem Interesse ist dabei, (1) ob Botschaften und Informationen aufgrund unterschiedlicher Emotionen anders gespeichert bzw. erinnert werden und (2) welche persuasiven Wirkungen- - hier sind vor allem Urteils-, Meinungs- und Einstellungsbildung betroffen-- sich in Abhängigkeit der Emotionen ergeben können (vgl. Wirth &-Schramm, 2005; Nabi, 2009). <?page no="105"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 106 6 Emotion und Stimmung 106 6.6.1 Einfluss von Emotionen auf die Erinnerung Aus der Emotionspsychologie ist bekannt, dass stark emotionale Ereignisse besser erinnert werden als neutrale Ereignisse (vgl. Klauer, 2004). Eine besondere Kategorie stellen traumatische Ereignisse von nationaler bis globaler Bedeutung dar, die häufig medienvermittelt sind, z. B. der Terroranschlag auf die Twin Towers in New York 2001. Das Phänomen wird Flashbulb Memories genannt (vgl. Brown &-Kulik, 1977; Christianson, 1992): Viele können sich noch Jahre später an die genauen Umstände erinnern, unter denen sie von dem Ereignis erfuhren und können noch viele Einzelheiten des Ereignisses aufzählen. Experimente weisen jedoch darauf hin, dass die peripheren Details häufig nicht korrekt erinnert werden, sondern dass lediglich die zentralen Umstände, Ursachen, Gedanken, Reaktionen und Gefühle der traumatischen Episode im Gedächtnis verbleiben (vgl. Christianson &- Safer, 1996). Wie kann man diesen Effekt erklären? Gemäß dem Limited Capacity Modell (Lang, 2000) führt emotionale Erregung zu automatischer Bereitstellung von Ressourcen, die das Entschlüsseln und Speichern von Informationen erleichtern. Zu viel Erregung kann jedoch zu kognitiver Überlastung führen, die das Speichern peripherer und/ oder nachfolgender Information behindert. Einige Studien konnten diese Annahmen belegen (vgl. Lang, Bolls, Potter &-Kawahara, 1999). Stark emotionalisierte Geschichten (vgl. Burke, Heuer &-Reisberg, 1992) oder Fotos (vgl. Safer, Christianson, Autry &-Österlund, 1998) werden besser erinnert als neutrale Geschichten oder Fotos. Allerdings werden Hintergrundinformationen der emotionalisierten Geschichte schlecht behalten und die peripheren Details um den emotionalisierten Bereich der Fotos herum (eine Frauenleiche in Nahaufnahme) tendenziell vergessen. Nachrichtenmeldungen, die in einem Zeitraum von bis zu drei Minuten nach einer aufwühlenden und erregenden Meldung kommen, werden schlechter erinnert als ohne eine vorausgehende, erregende Meldung (vgl. Lang, Newhagen &-Reeves, 1996; Mundorf, Drew, Zillmann &-Weaver, 1990). Fernsehwerbespots, die in einem Zeitraum bis zu etwa zwei Minuten nach einem erotischen Spots zu sehen sind, werden ebenfalls schlechter erinnert als ohne einen erotischen Spot zuvor (vgl. Wirth &-Lübkemann, 2004). Eine weitergehende Frage lautet, ob positive oder negative Emotionen bessere Effekte erzielen. Bolls, Lang und Potter (2001) fanden heraus, dass Hörer bei emotional positiv gefärbten Radiowerbespots mehr erregt sind als bei negativ gefärbten Werbespots und sich auch besser an die positiven Spots erinnern können als an die negativen. Werden in einer Nachricht hingegen schockierende, gewalthaltige Bilder verwendet, scheint dies zumindest einen verzerrenden Einfluss auf die Informationsaufnahme zu haben, möglicherweise, weil diese Bilder die Aufmerksamkeit auf spezifische Aspekte der Nachrichten lenken (vgl. Brosius, 1993; Brosius &-Kayser, 1991). Hingegen konnten Newhagen und Reeves (1991) belegen, dass politische Werbespots, die gemischte negative Emotionen aus Angst, Ekel und Ärger induzieren, besser <?page no="106"?> 6.6 Einfluss von Emotionen auf die Verarbeitung von-Medieninhalten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 107 107 und genauer wieder erkannt werden als Werbespots, die positive Emotionen induzieren. Spezifische Emotionen wie Angst, Furcht, Glück oder Ärger standen in nur wenigen kommunikationswissenschaftlichen Studien im Zentrum (vgl. z. B. Nabi, 2003; Newhagen, 1998). Auch die eigene Stimmung ist relevant: Eine positive Stimmung steigert die Erinnerung an alle Fernsehnachrichten, insbesondere aber an negative Fernsehnachrichten, während negative Stimmung teilweise zu einer schlechteren Erinnerung führt (vgl. Staab, 1996). 6.6.2 Einfluss von Emotionen auf Urteile, Meinungen und Einstellungen Wie beeinflussen Emotionen und Stimmungen Urteile, Meinungen und Einstellungen? Im Zusammenhang mit Medienwirkungen lassen sich vor allem zwei große Forschungstraditionen erkennen. Die erste, ältere Tradition geht auf die Arbeiten von Hovland zurück (Yale-Studien) und behandelt insbesondere den Einfluss von Furcht erregenden Appellen auf die Einstellung (vgl. Hovland, Janis &- Kelley, 1953). Die Massenmedien und insbesondere die Werbung bedienen sich besonders in Aufklärungskampagnen (AIDS, Alkohol, Rauchen, Steuern etc.), aber auch in der politischen Kommunikation (z. B. Angst vor Überfremdung durch Ausländer, Angst vor Krieg und Terror) dieses Hilfsmittels der Furcht erregenden Appelle. Im Affekt ist der Rezipierende bereit, den Verhaltensappellen zu folgen bzw. seine Einstellung zu ändern, wobei die stärkste Wirkung beim Rezipierenden bei einem mittleren bzw. angemessenen Furchtanteil ausgelöst wird (vgl. Janis, 1967). In jüngerer Zeit gibt es Versuche, die Wirkung Furcht erregender Appelle stärker aus der Perspektive kognitiver Emotionstheorien zu betrachten (vgl. Dillard, 1994). Roskos-Ewoldsen, Yu und Rhodes (2004) schlagen vor, die Attitude Accessibility als Erklärung für die Wirkung Furcht erregender Appelle heranzuziehen: Je mehr die persuasive Botschaft die Verfügbarkeit einer gespeicherten Einstellung begünstigt, desto eher wird diese Einstellung handlungsrelevant. Furchtappelle können dazu dienen, entsprechende Einstellungen zugänglich zu machen. Die zweite große Forschungstradition wird den Informationsverarbeitungsansätzen zugeordnet und orientiert sich an den Zwei-Prozess-Modellen bzw. ihren Erweiterungen (vgl. Chaiken &-Trope, 1999; Petty &-Cacioppo, 1986; Forgas, 1995; Nabi, 1999, 2002). Am bekanntesten ist das Elaboration-Likelihood-Modell (vgl. ELM; Petty &- Cacioppo, 1986). Das ELM unterscheidet zwischen einem zentralen und einem peripheren Weg der Verarbeitung. Der zentrale Weg ist durch sorgfältige und intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten der Kommunikation gekennzeichnet. Zur Urteilsbildung werden möglichst viele inhaltsrelevante Informationen herangezogen. Das Gegenstück dazu ist der periphere Weg. Hier werden die Argumente nicht systematisch elaboriert und es findet keine oder nur eine geringe Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Kommunikation oder der Botschaft statt. Welche Rolle spielen nun die Emotionen für die Art der Informationsverarbeitung? Mehrere Forscher <?page no="107"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 108 6 Emotion und Stimmung 108 konnten zeigen, dass Personen in positiver Stimmung weniger motiviert sind, zentral zu verarbeiten, sondern verstärkt auf Heuristiken zurückgreifen und die Qualität der Argumente höher einschätzen als in negativer Stimmung. Umgekehrt neigen Personen in negativer Stimmung dazu, aufmerksam und intensiv zu verarbeiten (vgl. z. B. Bohner, Crow, Erb &-Schwarz, 1992). Nabi (1999) legt eine Erweiterung des ELM vor, die den Einfluss von Emotion auf die Urteilsbildung näher spezifiziert. In ihrem Cognitive-Functional-Modell geht sie auf die handlungsvorbereitende (funktionale) Komponente von Emotionen ein und argumentiert, dass spezifische Emotionen Implikationen für die Motivation und die Fähigkeit zur Verarbeitung der Medienbotschaft haben. Auf diese Weise beeinflussen Emotionen den Verarbeitungsstil. Die Theorie geht weiter davon aus, dass Botschaften, die avoidance-orientierte Emotionen wie Furcht induzieren, eher peripher/ heuristisch verarbeitet werden. Hingegen werden Botschaften, die approach-orientierte Emotionen wie Ärger induzieren, eher zentral systematisch/ zentral verarbeitet, falls die Botschaft zielkongruente Informationen zu versprechen scheint. Mit anderen Worten: Wenn eine Botschaft Ärger auslöst und sie zudem Informationen bereithält, wie die Ärger auslösende Situation beseitigt oder abgeschwächt werden kann, dann wird die Medienbotschaft aufmerksam und intensiv verarbeitet werden. 6.7 Zusammenfassung Stimmungen und Emotionen lassen sich bezüglich mehrerer Aspekte systematisch voneinander unterscheiden. Diese Unterscheidung scheint auch lohnenswert für diverse affektive und regulative Phänomene während der Medienrezeption. Die Mood- Management-Theorie als die wohl prominenteste Stimmungs- und Emotionstheorie im Medienkontext geht von spezifischen Prämissen und Mechanismen aus und kann daher den Teil der stimmungsabhängigen Selektion von Medienangeboten, der hedonisch motiviert und eher unbewusst abläuft, sehr gut erklären und voraussagen. Eine sinnvolle Erweiterung hat sie durch den Mood Adjustment Approach erfahren, der die Selektion von Medienangeboten zwecks situativ-funktionaler Stimmungsanpassung als Folge instrumenteller und nonhedonischer Motive beschreibt. Zum Bereich der Stimmungs- und Emotionsregulationsstrategien während der Medienrezeption liegen erste Systematiken und Befunde vor, die Forschung ist hier jedoch als defizitär zu bezeichnen. Gerade bezüglich des Kontakts von Kindern mit belastenden Medieninhalten erscheint dieser Forschungsbereich besonders relevant. Stimmungen und Emotionen entstehen nicht nur durch die Rezeption von Medieninhalten, sondern sie beeinflussen auch deren kognitive Verarbeitung (Erinnern, Urteilen, Meinung und Einstellung entwickeln) sowie das Verarbeiten nachfolgender Medieninhalte. Die Befunde in diesem Bereich erklären beispielsweise, warum ein und derselbe Medieninhalt von verschiedenen Personen (die während der Rezeption verschiedene Emotionen <?page no="108"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 109 109 Zum Weiterlesen erlebt haben) ganz anders erinnert wird, warum mediale Botschaften (z. B. von Politikern) in der einen Situation überzeugen, in einer anderen jedoch nicht, und warum die Art der Verarbeitung von Informationen (z. B. im Kontext einer Nachrichtensendung) davon abhängt, was zuvor im Programm gelaufen ist. Wir nehmen Medieninhalte somit in Abhängigkeit unserer »emotionalen Brille«, die wir gerade tragen, wahr (vgl. z. B. zum Zusammenhang positiver/ negativer Emotion und der Wahrnehmung/ Verarbeitung emotionskongruenter Argumente in medial-vermittelten politischen Kampagnen: Kühne, Schemer, Matthes &-Wirth, 2011; Schemer, 2009). Übungsaufgaben 1. Worin unterscheiden sich Stimmungen von Emotionen? 2. Aus welchen Komponenten setzen sich Emotionen zusammen und wie kann man die Entstehung von Emotionen erklären? 3. Wie kann man Emotionen kategorisieren? 4. Was versteht man unter Empathie und inwieweit kann Empathie auch beim Spannungserleben eine zentrale Rolle spielen? 5. Erklären Sie gemäß der Excitation Transfer Theory den Transfer von Erregung während der Medienrezeption und welche Bedeutung dieser Transfer für das Erleben von Happy Ends beim Film hat. 6. Erläutern Sie die Grundzüge der Mood-Management-Theorie. Was erklärt die Theorie, was nicht? 7. Erläutern Sie unterschiedliche Strategien der Stimmungs- und Emotionsregulation während der Medienrezeption. 8. Was wissen wir über die Stimmungs- und Emotionsregulation von Kindern bei der Medienrezeption? 9. Sie rezipieren einen Horrorfilm und anschließend eine Nachrichtensendung. Wie könnten die durch den Film evozierten Angstemotionen sowohl die Erinnerung an als auch die Verarbeitung von Film- und Nachrichtendetails beeinflussen? Zum Weiterlesen Nabi, R. L. (1999). A cognitive-functional model for the effects of discrete negative emotions on information processing, attitude change, and recall. Communication Theory, 9, 292-320. Das Modell von Nabi (1999) bietet einen stringenten vielbeachteten Theorieentwurf, der erstmals die Implikationen spezifischer Emotionen für die Motivation und die Fähigkeit zur Verarbeitung der Medienbotschaft ausarbeitet. <?page no="109"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 110 6 Emotion und Stimmung 110 Schramm, H. &-Wirth, W. (2008). A case for an integrative view on affect regulation through media usage. Communications: The European Journal of Communication Research, 33, 27-46. Der Artikel wirft einen genauen Blick auf die Mood Management Theory: Was genau erklärt sie, was nicht und welche Ansprüche müsste man an eine ganzheitliche Theorie der medialen Affektregulation stellen? Vorderer, P., Wulff, H. J. &-Friedrichsen, M. (Hrsg.). (1996). Suspense: Conceptualizations, theoretical analyses, and empirical explorations. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. Der Sammelband stellt einen reichhaltigen und trotz seines Alters aktuell gebliebenen Überblick über die Spannungstheorien und -ansätze unseres Faches dar. Zillmann, D. (1988). Mood management: Using entertainment to full advantage. In L. Donohew, H. E. Sypher &-E.T. Higgins (Hrsg.), Communication, social cognition, and affect (S. 147-171). Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. Die Mood-Management-Theorie ist eine der bekanntesten und meist zitierten Rezeptionstheorien. Da die Theorie wesentlich facettenreicher ist, als es in Lehrbüchern in der gebotenen Kürze darstellbar ist, lohnt sich die Lektüre des kompletten Initialaufsatzes. <?page no="110"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 111 111 7 Narratives Erleben und Präsenz 3 Lernziele 1. Sie verstehen, wie narratives Erleben aus der kognitiven und emotionalen Verarbeitung einer Geschichte hervorgeht. 2. Sie lernen unterschiedliche Bedeutungen von Präsenz kennen und können virtuelle Erfahrungen nach den möglichen Typen klassifizieren. 3. Sie können Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen narrativem Erleben und Präsenz benennen. Ein guter Teil der Faszination, die Menschen im Umgang mit Medien verspüren, beruht auf dem Phänomen, dass sich Rezipierende in die medial vermittelte Welt intensiv vertiefen und sie als unmittelbar und nah wahrnehmen können. Dieses Erleben kann bei ganz unterschiedlichen Medien (und Inhalten) auftreten-- angefangen bei Geschichten, wie wir sie in traditionellen Massenmedien vorfinden, bis hin zu virtuellen Welten und Computerspielen. Diese Versunkenheit in die Rezeption ist mit Rezeptionsgenuss und Wirkungen auf Wissen und Einstellungen verbunden (vgl. Green &-Brock, 2002; Green, Brock &-Kaufman, 2004) und nimmt damit auch in der Medienwirkungsforschung eine wichtige Rolle ein. In diesem Kapitel werden wir zwei zentrale Konzepte behandeln, die aus unterschiedlichen Forschungstraditionen stammen und jeweils für verschiedene Mediensorten und Tätigkeiten entwickelt wurden: narratives Erleben und Präsenz. Diese Phänomene sind zwar verwandt, aber dennoch deutlich voneinander unterscheidbar. 7.1 Narratives Erleben 7.1.1 Beschreibung und Definition des Phänomens Geschichten ziehen Menschen seit jeher in ihren Bann. Sie vermitteln kulturelle Bedeutungen und stellen wichtige soziale Normen, Werte, Emotionen und Motivationen dar. Eine wichtige Funktion, die Geschichten zugeschrieben wird, ist, sozial relevante Fähigkeiten wie Empathie und gegenseitiges Verstehen zu fördern (vgl. Boyd, 2009; Hutto, 2008; Mar &-Oatley, 2008). Das Phänomen, das die Rezeptionsforschung interessiert, sind jedoch nicht die Konsequenzen von Geschichten auf Wis- 3 Das Kapitel zitiert Passagen des Kapitels »Immersion« von Helena Bilandzic aus dem Buch »Handbuch Medienrezeption«, herausgegeben von C. Wünsch, H. Schramm, V. Gehrau und H. Bilandzic (2014) Baden-Baden, im Nomos-Verlag. Wir danken Verlag und Autorin für die Freigabe und die freundliche Kooperation. <?page no="111"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 112 7 Narratives Erleben und Präsenz 112 sen, Einstellungen oder empathische Fähigkeiten, die zweifelsohne vielfältig sind und intensiv beforscht werden (vgl. Bilandzic &-Busselle, 2013); vielmehr ist es das Erleben von Geschichten selbst, das interessiert, ebenso wie Faktoren, die das Erleben begünstigen oder abschwächen. Obwohl das Vertieftsein in Geschichten- - sei es in Büchern, Schauspielen, mündlichen Erzählungen oder auf Bildern-- schon immer als Phänomen existiert hat, wird es erst seit den 1990er-Jahren systematisch empirisch (mit dem Fokus auf die Rezipierenden) untersucht. Der Psychologe Richard Gerrig etablierte Anfang der 1990er den Begriff der Transportation: Leserinnen und Leser werden psychologisch in eine Geschichte transportiert, ähnlich wie Reisende, die andere Länder erkunden (vgl. Gerrig, 1993). Die Ereignisse und die Welt der Geschichte werden dabei intensiv und unmittelbar erlebt; die tatsächliche Welt tritt in den Hintergrund (vgl. Green, Garst &-Brock, 2004). Gerrig beschreibt das Phänomen in sechs Punkten: »1. Someone (»the traveler«) is transported 2. by some means of transportation 3. as a result of performing certain actions. 4. The traveler goes some distance from his or her world of origin 5. which makes some aspects of the world of origin inaccessible. 6. The traveler returns to the world of origin, somewhat changed by the journey.« (Gerrig, 1993, S. 10 f.). Der Reisende ist der Rezipierende, der sich auf eine Geschichte einlässt; dementsprechend ist das Vehikel (Means of Transportation) die Geschichte- - als Buch, Film, Zeitungsartikel, mündliche Erzählung. Means of Transportation ist hier bewusst weit gefasst, denn Transportation ist nicht vom Medium abhängig, sondern kann bei jeder Form von Geschichte auftreten. Wir werden später einige Definitionen von Geschichte betrachten, um Klarheit über die Reichweite von Transportation zu erhalten. Der nächste Punkt, die Handlungen (Certain Actions), ist von zentraler Bedeutung. Transportation tritt bei einer Aktivität auf. Diese Aktivität ist das Rezipieren einer Geschichte, bei der Rezipierende in hohem Maße aktiv sein müssen. Allerdings reicht es bei weitem nicht aus, die Wörter und Sätze zu entziffern. Vielmehr müssen Rezipierende aus der Geschichte Sinn generieren und sie innerlich erleben- - also die Ereignisse verstehen, die Gefühle der Protagonisten nachempfinden, ihre Motive und Intentionen nachvollziehen. Dann legt der Reisende eine gewisse Entfernung von seiner Ursprungswelt zurück. Zunächst einmal meint Gerrig hiermit, dass narrative Welten sich mitunter von unserer realen drastisch unterscheiden. Manche Welten sind demnach weiter von uns, unserer Zeit und unserem Ort entfernt als andere. Ein Science-Fiction-Film ist für uns zeitlich und räumlich weit weg, eine romantische Komödie hingegen näher. Auch <?page no="112"?> 7.1 Narratives Erleben www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 113 113 unsere Einflussmöglichkeiten lassen uns die narrative Welt als fern erscheinen: Wir können in die Handlung nicht eingreifen, auch nicht, um unsere Lieblingsfigur vor einem Fehler oder einer Gefahr zu bewahren. Somit sind Geschichten unserem Einflussbereich entzogen-- sie sind uns in diesem Sinne fern und unerreichbar. Gerrig führt weiter aus, dass manche Aspekte der realen Welt uns bei der Rezeption nicht zugänglich sind. Auch wenn wir wissen, wie sich ein Ereignis in der Realität abgespielt hat, können wir dennoch Spannung empfinden, wenn wir darüber eine Geschichte hören. Dies gilt auch für Geschichten, die offensichtlich falsche Fakten darstellen, wie etwa der Film »Inglourious Basterds« von Quentin Tarantino, in dem Hitler und Goebbels bei einer Filmpremiere erschossen werden. Gerrig (1993) nennt dieses Phänomen anomale Spannung- - Spannung, die wir in Bezug auf ein Ende empfinden, über das eigentlich keine Unsicherheit besteht (und Spannung daher auch obsolet sein sollte). Das Wissen über das eigentliche und feststehende Ende der Geschichte wird nicht für die Verarbeitung der Geschichte benutzt. Schließlich kehren in Gerrigs Überlegungen die Reisenden verändert zurück-- sie haben als minimale Veränderung Erinnerungen an den Verlauf der Geschichte; oft werden aber auch Wissen und Einstellungen verändert und somit können Geschichten Konsequenzen für das reale Leben haben. 7.1.2 Definition von Narrationen Man kann sich natürlich in viele Tätigkeiten vertiefen: Viele Menschen vergessen die Welt um sich herum, wenn sie Tennis spielen, klettern, an einer Hausarbeit schreiben, Musik hören oder eine Mauer verputzen. Dieses Vertieftsein ist keine Transportation, und das hat einen ganz einfachen Grund: Transportation ist an Geschichten gebunden; die Aktivität, in die wir versunken sind, ist die kognitive und emotionale Verarbeitung von Geschichten. Was aber ist dann unter einer Geschichte zu verstehen? Die Definition ist gar nicht so trivial, wie es scheint. Die einfachste Definition von Geschichte basiert auf der Handlung, die darin dargestellt wird: Definition: handlungsbasierte Sichtweise von Narration Eine Geschichte (Narration) in einer handlungsbasierten Sichtweise ist eine Repräsentation von Ereignissen oder einer Serie von Ereignissen, die kausal miteinander verknüpft sind (vgl. Abbott, 2002; Ryan, 2007). Eine handlungsbasierte Definition von Geschichte hat durchaus ihre Plausibilität. Schließlich stellen die Ereignisse und Handlungen einer Geschichte das Gerüst dar, das man intuitiv für eine Zusammenfassung eines Films oder Buchs gebrauchen würde. Allerdings gibt es Geschichten, in denen die Handlung von untergeordneter Bedeutung ist-- soll nun »Ulysses« von James Joyce plötzlich keine Narration mehr <?page no="113"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 114 7 Narratives Erleben und Präsenz 114 sein? Das ist in der Tat eine Schwachstelle dieser Definition. Dieses Manko, dass Texte, die sich mit der Innenperspektive von Figuren auseinandersetzen, aus der handlungsbasierten Definition herausfallen, ist von der Literaturwissenschaftlerin Monika Fludernik bearbeitet worden. Sie betont, dass die Definition einer Geschichte auch die Innenwelt von Figuren berücksichtigen muss. Die Innenwelt umfasst alle Facetten des menschlichen Bewusstseins und wird von Fludernik (2010) als Experientiality bezeichnet. Definition: erfahrungsbasierte Sichtweise von Narration Eine Geschichte (Narration) in einer erfahrungsbasierten Sichtweise ist eine Repräsentation eines menschlichen (oder menschenähnlichen) Bewusstseins (Sichtweisen, Gedanken, Intentionen, Motivationen und Emotionen der Figuren) (vgl. Fludernik, 2010). Auch Bruner (1986) sah dieses definitorische Problem. Er integriert die handlungs- und erfahrungsbasierte Sichtweise: Definition: integrative Sichtweise von Narration Eine Geschichte (Narration) in einer integrierten Sichtweise umfasst die Repräsentation von zwei »Landschaften«: die Landschaft der Handlung (mit den Figuren, Intentionen, Situationen) und die Landschaft des Bewusstseins (mit den Gedanken, Gefühlen, und Überzeugungen der Figuren) (vgl. Bruner, 1986). Man unterscheidet grundsätzlich zwischen dem Diskurs (der Geschichte, wie sie geschrieben oder gedreht wurde, mit genau der Ereignisfolge, wie sie im Werk präsentiert wurde) und der Realisierung der Geschichte im Kopf des Rezipierenden (vgl. Oatley, 2002). Die Realisierung stellt erst die definitive Geschichte dar; vor der Rezeption ist die Geschichte ein Potenzial auf Papier, währenddessen und danach ist sie eine nutzbare Konstruktion im Kopf, die Rezipierende zum Verstehen und Erleben verwenden. Geschichten verlangen einen Eigenanteil- - eine eigene aktive Leistung, um die Geschichte zum Leben zu erwecken: »[S]tories are abstractions and thus rely on the participation of the reader in order to be completely comprehensible« (Mar &-Oatley, 2008. S. 178). Oatley sieht nun zwei Schritte bei der Realisierung: 1. Die mentale Konstruktion bildet die Basis für alle weiteren Erfahrungen: Rezipierende verwenden bereits vorhandene Schemata, um Geschichten zu verstehen und modifizieren diese wiederum mit der neu aufgenommenen Information. Das Potenzial der Geschichte, die darin enthaltenen Fakten, Beschreibungen und Zustände, wird interpretiert, gespeichert und kann abgerufen werden. Beispielsweise <?page no="114"?> 7.1 Narratives Erleben www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 115 115 verstehen wir einen Krimi leichter, wenn wir sein Geschichtenschema kennen: Am Anfang erwarten wir ein Verbrechen und am Ende seine Auflösung. 2. Die Simulation kommt an zwei Stellen zum Tragen. Zum einen wird die Geschichte selbst (der Text also) als Simulation sozialer Realität bezeichnet, die die Realität nicht abbildet, sondern eine eigene abgeschlossene Welt ähnlich einem Traum anbietet. Zum anderen, und nur dies ist bei der Realisierung relevant, bezieht sich Oatley auf die Simulation durch die Rezipierenden, die die Ereignisse, Perspektiven, Motive, und Emotionen der Figuren gedanklich nachvollziehen, ja, am eigenen Leibe spüren, so dass sie die Geschichte in sich selbst simulieren: »Narrative, especially fictional narrative, is a simulation, like a computer simulation, but one that runs on minds« (Oatley, 2002, S. 48). Die Realisierung ist die Basis für das Erleben und ist damit natürlich auch mit Transportation verknüpft, die im Folgenden näher betrachtet wird. 7.1.3 Transportation Imagery Model Melanie Green und Timothy Brock bauen auf Gerrigs Metapher der Transportation auf und haben im Jahr 2000 einen Artikel publiziert, der in den nachfolgenden Jahren bis heute eine ganze Welle an Studien inspiriert hat. Wie Gerrig sehen Green und Brock (2000; 2002) Transportation als ein Versunkensein in eine Geschichte, mit intensiver Aufmerksamkeit und Ausblenden der Umwelt. Die Aufmerksamkeit wird von der Umwelt abgezogen und fokussiert rein auf die Ereignisse der Narration (Attentional Focus); die zweite Komponente ist der Affekt, die emotionalen Reaktionen auf die Figuren und die Geschehnisse. Im Unterschied zu Gerrig gibt es bei Green und Brock noch eine dritte Komponente: Sie sehen die bildliche Vorstellung (Imagery) als einen ganz zentralen, dritten Aspekt des Geschichtenerlebens. Rezipierende generieren aus den Beschreibungen einer Geschichte mentale Bilder, die stark und langlebig sein können. Als Beispiel führen die Autoren eine Geschichte (»Murder at the Mall«) an, in der ein kleines Mädchen brutal ermordet wird. Der Täter ist ein psychisch kranker Mann auf Freigang von seiner Klinik. Die dort vermittelten Bilder sind lebhaft und eindrücklich: Es wird im Detail beschrieben, wie der Mann mit einem Messer immer wieder auf das kleine Mädchen einsticht-- und die ältere Schwester daneben steht und ihr nicht helfen kann. Als Leserin oder Leser kann man es nicht verhindern, sich diese Szene vorzustellen; während man viele Details der Geschichte sicherlich schnell vergessen kann- - diese Bilder bleiben. Im Gegensatz zu Argumenten lassen sich solche Bilder schlecht logisch-rational entkräften. Wenn Rezipientinnen und Rezipienten ihre Meinung äußern sollen, ob Freigänge für psychisch kranke Menschen erlaubt sein sollen, können diese Bilder eine dominante Quelle für das Urteil sein. Um auf diese Weise zu wirken, müssen die Bilder allerdings von der Transportation aktiviert werden und so untrennbar verbunden mit <?page no="115"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 116 7 Narratives Erleben und Präsenz 116 der Geschichte sein: »No picture is worth a thousand words if it fails to prompt a narrative account« (Green &-Brock, 2002, S. 323). Aus dieser zentralen Komponente der Imagery erklärt sich der Name des Modells (transportation imagery model), das Green und Brock entwickelt haben, um zu erklären, warum Geschichten das Wissen und die Einstellungen von Menschen verändern können. Auch wenn dieses bereits den Bereich der Medienwirkungen berührt, soll es hier kurz erläutert werden, um die Relevanz von Transportation zu verdeutlichen. Das Transportation Imagery Modell geht davon aus, dass Menschen sich Narrationen zuwenden, um unterhalten zu werden und daher nicht zu einer kritischen Überprüfung der narrativen Aussagen neigen. Die Autoren liefern drei Erklärungen, wie narrativer Einfluss funktionieren kann. Erstens nehmen sie an, dass inneres Widersprechen (counterarguing), welches Persuasion erschwert, nur dann auftritt, wenn Rezipierende die Fähigkeit dafür haben. Da aber Transportation die Aufmerksamkeit des Rezipierenden gänzlich in Beschlag nimmt, sind keine mentalen Ressourcen mehr frei für das innere Widersprechen. Die Rezipientinnen und Rezipienten müssen aber auch die Motivation haben, um innerlich zu widersprechen. Dies halten die Autoren bei der Rezeption (v. a. fiktionaler) narrativer Werke für unwahrscheinlich, da ein kritisches Nachdenken den Fluss der Verarbeitung stört und das Vergnügen, transportiert zu werden, behindert. Der zweite Mechanismus besagt, dass Transportation einflussreich ist, weil das narrative Erleben der persönlichen Erfahrung sehr nahekommt und man das Gefühl hat, Teil des Geschehens sein, es selbst erlebt zu haben; und gegen gelebte Erfahrung lässt sich schwerlich argumentieren. Der dritte Mechanismus schließlich besteht darin, dass Transportation auch starke Gefühle zu den Figuren weckt (etwa Freundschaft, Hass), die wiederum einen Einfluss auf Einstellungen haben. Transportation umfasst nicht nur einen unkritischen Rezeptionsmodus, sondern auch eine intensive Verarbeitung. Ist sie nicht intensiv, so sprechen die Autoren von einer passiven Rezeption, wenn ein Zuschauer sich etwa entspannen, passiv unterhalten oder zerstreut werden will (vgl. Green et al., 2004). Green und Brock identifizieren einige Faktoren, die einen Einfluss auf Transportation haben. Der Text selbst spielt natürlich eine große Rolle. Ein bei Publikum und Kritik erfolgreicher Text (nicht unbedingt hohe Literatur, durchaus auch populäre Bestseller) hat bessere Chancen zu transportieren; ebenso ein Text, der die dem Publikum vertrauten Konventionen von Geschichten respektiert. Ob ein Text als fiktional oder faktual deklariert ist, spielt für die Transportation hingegen keine Rolle (vgl. Kasten »Beispielstudie«). <?page no="116"?> 7.1 Narratives Erleben www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 117 117 Beispielstudie Green, M. C. &-Brock, T. C. (2000). The role of transportation in the persuasiveness of public narratives. Journal of Personality and Social Psychology, 79(5), 701-721. Verdienste: Mit dieser klassischen Veröffentlichung zur Transportation wurde die narrative Persuasion als Forschungsfeld etabliert. In dieser Publikation wurde auch die Skala für Transportation entwickelt, die seitdem vielfach verwendet wurde. Ziele: Die Ziele waren, eine Skala für Transportation zu entwickeln, die persuasive Wirkung von Transportation zu testen und Unterschiede in der Transportation faktualer und fiktionaler Geschichten herauszufinden. Die Publikation enthält vier aufeinander aufbauende Studien (hier wird lediglich Nr. 2 vorgestellt). Aufbau: Im Experiment wird sechs verschiedenen Gruppen von Probanden ein Auszug aus der Geschichte »Murder at the Mall« vorgelegt. Die Hälfte der Probanden erhält die Information, dass die Geschichte fiktional sei, die andere Hälfte, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt. Transportation soll mit einer Leseinstruktion manipuliert werden: Ein Drittel der Probanden bekommt die Instruktion, sich in die Figuren und die Situation einzufühlen (Theater-Bedingung, soll Transportation verstärken), das zweite Drittel bekommt die Instruktion, aufmerksam zu sein und über die Geschichte nachzudenken (Narrative Bedingung, soll die Transportation so natürlich wie möglich belassen) und das dritte Drittel sollte auf schwierige Wörter achten (Viertklässler-Bedingung, soll Transportation senken). Methode (Auszug): Unmittelbar nach der Rezeption wurde ein Fragebogen mit der Frage zur Einstellung zu psychisch Kranken und der Transportationsskala ausgeteilt; die Probanden hatten zuletzt die Aufgabe, die Geschichte nochmals durchzugehen und Stellen zu markieren, die Widersprüche darstellen oder nicht verständlich sind (False Note oder Pinocchio Circling). Ergebnisse: • Hoch transportierte Personen bemerkten weniger Fehler in der Geschichte. • Den Text als faktual oder fiktional zu deklarieren, machte keinen Unterschied für die Transportation. • Die Instruktionen konnten die Transportation auch nicht signifikant verändern. Das Transportationskonzept hat eine steile Karriere gemacht und sich in zahlreichen Studien als ausgesprochen nützlich erwiesen, um Wirkungen vorauszusagen (vgl. Appel &-Richter, 2010; Escalas, 2004; Green &-Donahue, 2011; Mazzocco, Green &- Brock, 2007; Vaughn, Hesse, Petkova &- Trudeau, 2009). Drei problematische Aspekte wurden jedoch im Laufe der Zeit deutlich: Zum einen ist die Metapher der Transportation nicht ganz passend. Bereits Gerrig (1993), der die Metapher ja eingewww.claudia-wild.de: <?page no="117"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 118 7 Narratives Erleben und Präsenz 118 führt hatte, äußerte sein Unbehagen damit, weil sie impliziere, dass der Rezipierende passiv befördert werde, ohne eigenes Zutun. Er behielt den Begriff aber bei, weil Leserinnen und Leser selbst ihren subjektiven Eindruck mit diesen Worten berichten. Zweitens ist das Konzept an manchen Stellen nicht hinreichend theoretisch ausgearbeitet. Vor allem eine Antwort auf die Frage, welchen Zusammenhang Transportation mit der Verarbeitung der Geschichte hat, bleibt die Konzeptualisierung schuldig. Auch die Rolle und Notwendigkeit von bildlicher Vorstellung ist unklar. Das Konzept wurde ursprünglich für textliche Geschichten entwickelt, daher lag es nahe, das mentale Generieren von Bildern zentral zu positionieren. Wenn allerdings audiovisuelle Medien betrachtet werden, stellt sich die Frage, welche Rolle die fertig gelieferten Bilder des Fernsehens im Vergleich zu den selbstgenerierten Bildern spielen. Der dritte Kritikpunkt betrifft die Transportationsskala selbst. Obwohl drei Dimensionen enthalten sind, sind sie über verschiedene Studien hinweg nicht konsistent replizierbar. Es ist demnach unmöglich zu sagen, welche Dimension mehr oder weniger relevant ist für die Wirkungen. 7.1.4 Das Modell des narrativen Verstehens und Erlebens Diese Kritikpunkte werden in einem alternativen Modell des narrativen Verstehens und Erlebens (model of narrative comprehension and engagement) von Busselle und Bilandzic (2008) aufgegriffen und bearbeitet. Das Modell erklärt, wie sich Transportation aus der Verarbeitung einer Geschichte ergibt und wie Rezipientinnen und Rezipienten mit Fiktionalität und fehlendem Realismus umgehen (vgl. Kapitel 9). Im Kern dieses Ansatzes steht die Annahme, dass Rezipierende Geschichten verstehen, indem sie davon mentale Modelle konstruieren- - eine recht gängige Konzeptualisierung des Geschichtenverstehens in der Psychologie und Kommunikationswissenschaft (vgl. Gerrig, 1993; Graesser, Olde &-Klettke, 2002; Ohler, 1994; Roskos-Ewoldsen, Davies &-Roskos-Ewoldsen, 2004). Mentale Modelle sind kognitive Strukturen, die wichtige Elemente einer Geschichte repräsentieren (vgl. Johnson-Laird, 1983; van Dijk &-Kintsch, 1983). Davon gibt es drei Typen. Das erste ist das Situationsmodell, das die Ereignisse und Handlungen enthält (vgl. Wyer, 2004; Zwaan, Langston &- Graesser, 1995). Das Situationsmodell wird kontinuierlich aktualisiert: Jedes Mal, wenn sich eine der fünf Dimensionen Zeit, Raum, Kausalität, Intentionalität und Protagonist ändert, wird auch das Modell auf den neuesten Stand gebracht (vgl. Zwaan et al., 1995). Neu eingehende Information wird im Licht der bereits verarbeiteten Information (oder des bereits konstruierten Situationsmodells) interpretiert. Dieser Prozess kann ins Stocken geraten, wenn die eingehende Information nicht zu der bereits vorhandenen passt. Neben der Information, die die Geschichte bietet, verwenden Rezipientinnen und Rezipienten natürlich ihr Weltwissen, um die Geschichte zu interpretieren. Dieses ist in Schemata organisiert. <?page no="118"?> 7.1 Narratives Erleben www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 119 119 Schemata stellen einen Realitätsbereich vereinfacht dar und haben im Gegensatz zu den Situationsmodellen keine raum-zeitliche Verortung und sequentielle Struktur, sondern enthalten eben nur das kondensierte Wissen (vgl. Johnson-Laird, 1983; Markman, 1999). Geschichten bieten in der Regel nicht alle Details, sondern lassen Freistellen, die interpretiert und ergänzt werden müssen. Verlässt beispielsweise die Protagonistin schlagartig die Bar, so nehmen wir an, dass sie ihr Mineralwasser bereits vorher gezahlt hat. Solche Ergänzungen können wir mittels Schemata zum Weltwissen vornehmen (vgl. Rapaport &- Shapiro, 1995). Aber nicht nur Wissen über die reale Welt ist bei der Konstruktion von Situationsmodellen entscheidend; Rezipierende benötigen auch Wissen über Geschichten und spezielle Genres (vgl. Ohler, 1994). Die Aktivierung des Schemas für das Genre Science Fiction weckt die Erwartung, dass wir mit Technologien, die es zu unserer Zeit noch nicht gibt, konfrontiert werden (Genreschema). Geschichtenschemata geben uns die Struktur von Geschichten vor. Von Geschichten erwarten wir zum Beispiel generell eine Auflösung, und je nach Genre oft auch eine möglichst positive- - die Liebenden sollen sich finden, der Mörder hinter Gitter gebracht und die Welt gerettet werden. Während mit dem Situationsmodell die Handlung einer Geschichte verfolgt und verstanden werden soll, repräsentiert das zweite Modell, das Modell der narrativen Welt (story world model) die Zeit, den Ort und die generelle Logik der narrativen Welt. Dieses Modell zeigt, was in dieser Welt möglich oder unmöglich ist- - etwa menschliches Leben auf dem Mars oder komfortable Luftreisen mit einem schnittig geformten Reisigbesen. Der dritte Typ von Modell ist das Figurenmodell (character model), das die Eigenschaften, Identitäten, Motivationen und Ziele der dargestellten Personen festhält. Auch Stereotype können zur Verarbeitung herangezogen werden, bis man mehr über die Figur erfährt und der Beruf, das Geschlecht oder die Nationalität in den Hintergrund treten. Busselle und Bilandzic (2008) schlagen nun eine Brücke zum Flow-Konzept (vgl. Kapitel 10). Flow bezeichnet den Zustand völliger Immersion in eine Tätigkeit (Tanzen, Malen, Klettern, Schach spielen etc.), bei dem sich Menschen intensiv auf die Tätigkeit konzentrieren, diese scheinbar mühelos ausführen können und zugleich sich selbst, die Umgebung und die Zeit vergessen (vgl. Csikszentmihalyi, 1975; Rheinberg, 2010). Bereits Green und Brock (2002) haben Flow als ein verwandtes Phänomen identifiziert. In der Tat deckt sich eine Reihe von Merkmalen in den beiden Erlebensarten: Auch bei Transportation schenkt man der Tätigkeit ungeteilte Aufmerksamkeit, man vergisst die Zeit und bemerkt die Ereignisse um sich herum nicht. Allerdings stellt sich die Frage, welche Aktivität dem Flow zugrunde liegt- - das Entziffern der Wörter oder Dekodieren der Bilder? Busselle und Bilandzic (2008) präzisieren die Aktivität und definieren Transportation als das Empfinden von Flow bei der Konstruktion mentaler Modelle aus einer Geschichte. Wenn die Konstruktion der mentalen Modelle ins Stocken gerät, weil etwa ein Fehler in der <?page no="119"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 120 7 Narratives Erleben und Präsenz 120 Geschichte enthalten ist, hört auch der Flow auf. Man wird aus der Transportation herausgerissen. In einer späteren Publikation stellen Busselle und Bilandzic (2009) auch eine Skala des narrativen Erlebens (narrative engagement) vor, die auf Transportation und anderen Instrumenten aufbaut. Diese Skala hat vier zugrunde liegende Dimensionen, die im Unterschied zur Transportationsskala auch getrennt verwendet werden können und die auf die Komponente der bildlichen Vorstellung verzichtet, um universelle Anwendbarkeit auf alle Medien zu erlangen. Die vier Dimensionen sind: 1. Aufmerksamkeitsfokus (attentional focus): Die Aufmerksamkeit ist auf die Geschichte gerichtet; die Rezipierenden sind nicht abgelenkt. 2. Narratives Verstehen (narrative understanding) beschreibt, wie schwer oder leicht das Verstehen gefallen ist. 3. Emotionale Beteiligung (emotional engagement) ist das Ausmaß, in dem man mit den Figuren mitfühlt und wie sehr man von der Geschichte emotional betroffen ist. 4. Narrative Präsenz (narrative presence) ist das Gefühl, in der Welt der Geschichte und nicht in der realen Welt zu sein. Die Dimensionen können Wirkungen auf Wissen und Einstellungen unterschiedlich gut erklären. So ist es wahrscheinlich, dass Aufmerksamkeitsfokus und narratives Verstehen Voraussetzungen sind, ohne die gar keine Wirkung stattfindet; in der Regel können sie aber Wirkungen nicht steigern. Wenn emotionale Beteiligung und narrative Präsenz intensiv sind, können sie hingegen Wirkungen noch verstärken (vgl. Busselle &-Bilandzic, 2009). Exkurs: Abgrenzung narratives Erleben und Involvement Man kann sich an dieser Stelle fragen, wie man narratives Erleben von dem in Kapitel 5 besprochenen Involvement differenzieren kann. Nicht selten werden sie synonym verwendet oder kombiniert ausgedrückt (z. B. narratives Involvement). Wenn man Involvement als jedwede Art von Aktivität versteht, ist es in der Tat schwierig, eine Abgrenzung vorzunehmen. In diesem Fall ist Involvement alles: emotionale und kognitive Reaktionen auf eine Medienbotschaft. Dass dies nicht sinnvoll ist, haben wir oben bereits dargelegt. Wenn man also eine enge Definition von Involvement nimmt- - als inneres Engagement aufgrund von Bezügen zum Selbstkonzept-- sieht die Sache schon anders aus. Beim narrativen Erleben muss das Selbstkonzept nicht angesprochen sein. Ich kann vielleicht nachvollziehen, dass es schwer ist, sich als junger Zauberer durchzuschlagen, aber ich muss mich nicht in meiner Selbstdefinition oder auch nur meinen Erfahrungen und meinem Vorwissen angesprochen fühlen. Hier ist es günstig, wenn man zur Abgrenzung auf die Terminologie der Nähe und Distanz zurückgreift: Involvement schafft Nähe durch die Aktivierung meiner eigenen Relevanzstruktur; beim narrativen Erleben <?page no="120"?> 7.2 Präsenz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 121 121 werden nicht meine eigenen Relevanzstrukturen aktiviert, vielmehr nehmen Rezipierende die Relevanzstrukturen der Figuren einer Geschichte zeitweise an und erleben das narrative Geschehen von dieser Perspektive aus mit dem Gefühl der Nähe (vgl. Bilandzic, 2006). 7.2 Präsenz 7.2.1 Definition und Dimensionen Das Konzept der Präsenz stammt ursprünglich aus dem Kontext der virtuellen Realität, ist seitdem aber in vielen Kontexten und auf viele Medien angewendet worden (vgl. z. B. Biocca, 2002; Bracken &- Skalski, 2010; Lombard &- Ditton, 1997). Es bezeichnet das Gefühl, in der medienvermittelten Umgebung zu sein (und nicht dort, wo man eigentlich ist: im Forschungslabor, im Wohnzimmersessel, im Flug-Simulator). Wirth und Hofer (2008) sehen Präsenz dann als gegeben an, wenn die »Rezeption […] subjektiv als derart überwältigend erfahren [wird], dass das Bewusstsein ihrer Vermittlung in den Hintergrund tritt« (Wirth &-Hofer, 2008, S. 160). Präsenz ist demnach der Eindruck der Nonmediation, des unmittelbaren, echten Erlebens anstelle einer medialen Vermittlung. Präsenz interessiert-- in noch höherem Maße als andere Konzepte der Kommunikationswissenschaft-- viele verschiedene Disziplinen: Psychologie, Informatik, Ingenieurswissenschaft, Kunst und Philosophie (vgl. Lombard &-Ditton, 1997). Daher verwundert es nicht, wenn das Konzept-- mehr noch als andere Beispiele der Kommunikationswissenschaft-- in verschiedenen Disziplinen parallel entwickelt und verwendet wurde. Lombard und Ditton (1997) fassten die bestehende, interdisziplinäre Forschung zusammen und fanden sechs verschiedene Gebrauchsformen des Konzepts Präsenz: 1. Soziale Präsenz kommt ursprünglich aus dem Forschungsfeld der Organisationskommunikation und interpersonalen Kommunikation. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, was bei medienvermittelter Kommunikation (z. B. Telefon, E-Mail) im Vergleich zur Kommunikation von Angesicht zu Angesicht verloren geht. Soziale Präsenz verweist dann darauf, wie sehr ein Medium als kontakterleichternd, persönlich oder intim wahrgenommen wird, wenn es für Gespräche verwendet wird. 2. Präsenz als Realismus fragt danach, in welchem Ausmaß ein Medium getreue Repräsentationen von Objekten, Ereignissen und Leuten machen kann. 3. Präsenz als Transportation beschreibt, wie sich Rezipierende und Medieninhalt annähern. Lombard und Ditton unterscheiden hier drei Spielarten: (1) »You are There« oder »Being There« ist die Transportation, die wir bereits kennen: Ein Rezipierender wird in eine medial vermittelte Welt transportiert und kann entfernte Welten erkunden. (2) »It is Here« bezeichnet die Gegenrichtung, wenn nämlich <?page no="121"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 122 7 Narratives Erleben und Präsenz 122 die Medienwelt zu den Rezipierenden gebracht werden und diese das Gefühl haben, dass die Objekte und Menschen nach ihnen greifen (etwa im 3D-Horrorfilm) oder aus dem Medium herauskommen. (3) »We are Together« (shared space) kommt aus dem Bereich der virtuellen Realität und der Videokonferenzen; es bezeichnet das Ausmaß, in dem die Teilnehmerinnen das Gefühl haben, in einem Raum mit den räumlich weit entfernten Kolleginnen zu sein. 4. Präsenz als Immersion drückt aus, wie sehr Menschen in ein Medium eintauchen. Lombard und Ditton unterscheiden eine psychologische und eine wahrnehmungsmäßige Komponente. Die psychologische Komponente zeigt auf, inwieweit man sich in der medialen Umgebung involviert fühlt und ist im Prinzip nicht zu unterscheiden von Transportation. Die wahrnehmungsmäßige Komponente beschreibt, wie sehr das Wahrnehmungssystem des Nutzers von der virtuellen Umgebung in Beschlag genommen wird- - ganz konkret: wie viele Wahrnehmungskanäle werden von der virtuellen Welt beliefert, wie viele werden von den Umgebungsreizen abgeschottet? 5. P räsenz macht den Nutzer zu einem sozialen Akteur im Medium: Trotz der medienvermittelten oder gar künstlichen Natur von Figuren im Medium nehmen die Menschen die Medienvermittlung nicht mehr wahr und interagieren mit den Figuren (vgl. Parasoziale Interaktion, Kapitel 8). 6. Präsenz macht das Medium selbst zu einem sozialen Akteur. Menschen tendieren dazu, das Medium nicht als Kanal oder Maschine zu betrachten, sondern als soziales Gegenüber. Ein Beispiel dafür ist sind Computer, die natürliche Sprache gebrauchen, interagieren und bekannte Rolle aus dem Alltag übernehmen (z. B. Lehrer), die dann entsprechend auch als Handelnde wahrgenommen werden. Diese Synthese aus der interdisziplinären Präsenzforschung ist informativ; es ist jedoch offensichtlich, dass einerseits die Dimensionen nicht trennscharf sind (beispielsweise gibt es Überlappungen zwischen Präsenz, Transportation und Realismus) und andererseits durch die recht inklusive Betrachtung von Präsenz die Bedeutung von Präsenz selbst schwammig wird. Die Autoren verwenden jedoch ihre Synthese, um aus dieser Vielfalt die Gemeinsamkeiten zu entwickeln, um darauf aufbauend Präsenz zu definieren. Definition: Präsenz Präsenz ist die wahrnehmungsmäßige Illusion von Nonmediation (perceptual illusion of nonmediation). Das Wahrnehmungssystem, die affektive und kognitive Verarbeitung reagieren dabei beständig auf die medienvermittelte Welt. Der Wahrnehmende nimmt das Medium nicht mehr wahr, reagiert mithin so, als gäbe es kein zwischengeschaltetes Medium (Nonmediation). <?page no="122"?> 7.2 Präsenz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 123 123 Präsenz ist dabei ein ja/ nein-Zustand: Entweder man fühlt sich im Medium präsent oder nicht, Abstufungen der Nonmediation gibt es nicht (vgl. Lombard &-Ditton, 1997). Wirth und Hofer (2008) konstatieren, dass der Gedanke der Nonmediation zwar bei Involvement (vgl. Kapitel 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung), Transportation und Flow (vgl. Kapitel 10) mitschwingt, dass aber Präsenz allein Nonmediation als Bedeutungskern hat. 7.2.2 Typen virtueller Erfahrung und Präsenz Lee (2004) erweitert Präsenz durch sinnliche Wahrnehmung um die nicht-sinnliche Wahrnehmung: »a psychological state in which virtual […] objects are experienced as actual objects in either sensory or nonsensory ways« (S. 37). Damit ist auch Präsenz in Low-Tech-Medien, die die Sinne weniger direkt ansprechen (wie Bücher), möglich. Lee (2004) identifiziert drei Dimensionen dieser Ähnlichkeit zwischen tatsächlichen und virtuellen Objekten, hinsichtlich (1) der sinnlichen Wahrnehmung (können Objekte der virtuellen Welt in ähnlicher Weise wahrgenommen, identifiziert und interpretiert werden? ), (2) der physischen Manipulierbarkeit (können Objekte der virtuellen Welt in ähnlicher Weise verwendet werden? ) und (3) der Beschaffenheit der Interaktion (können Nutzer und Objekte der virtuellen Welt sich gegenseitig beeinflussen, so dass der Eindruck einer sozialen Interaktion entsteht? ). Diese drei Dimensionen sind hierarchisch und ermöglichen mit steigender Reihenfolge ein tieferes Präsenzerleben. Lee spannt nun zwei Dimensionen auf, nach denen man Präsenz klassifizieren kann: 1. Merkmale der Virtualität: virtuelle Objekte können para-authentisch sein, wenn es eine Verbindung gibt zwischen dem medial vermittelten Objekte und einem echten Objekt, das dadurch repräsentiert wird, z. B. eine virtuelle Version eines Museums, oder künstlich, indem sie nämlich keine Referenz auf die Realität haben, sondern künstlich geschaffen oder durch Technologie simuliert werden (etwa die Welt von »World of Warcraft«). 2. Bereiche der virtuellen Erfahrung: Erstens unterscheidet Lee die physische Erfahrung virtueller Objekte: Während echte Objekte mit allen Sinnen erfahren werden können, beschränkt sich die physische Erfahrung virtueller Objekte meist auf den visuellen und auditiven Kanal. Verarbeitungsprozesse und Phantasie können jedoch das Fehlen der anderen Kanäle kompensieren und trotz reduzierter Sinneswahrnehmung den Eindruck einer umfassenden Erfahrung vermitteln. Zweitens ist die soziale Erfahrung zu nennen, bei der Menschen virtuelle (para-authentische, künstliche) Akteure wahrnehmen. Dies ist zwar eine Unterkategorie der Erfahrung von Objekten, Lee betont aber, dass die Wahrnehmung von anderen Menschen besondere Relevanz für den Menschen hat. Drittens kann auch das eigene Selbst <?page no="123"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 124 7 Narratives Erleben und Präsenz 124 virtuell erfahren werden, wenn das Selbst medial vermittelt wird oder das Selbst künstlich hergestellt wurde. Entlang dieser zwei Dimensionen kann Lee (2004) nun Typen virtueller Erfahrung beschreiben (die jeweils die Basis für Präsenzerleben ausmachen können), wie in Abb. 7.1 beschrieben. Bei jedem in Abb. 7.1 dargestellten Typen von virtueller Erfahrung ist nun Präsenz möglich: • Physische Präsenz (physical presence) drückt aus, dass para-authentische oder künstliche virtuelle Objekte als tatsächliche Objekte empfunden werden. • Soziale Präsenz (social presence) liegt dann vor, wenn para-authentische oder künstliche virtuelle soziale Akteure als tatsächliche soziale Akteure empfunden werden. • Selbstpräsenz (self presence) beschreibt, dass ein para-authentisches oder künstliches virtuelles Selbst als tatsächliches Selbst empfunden wird. 7.2.3 Modell der räumlichen Präsenz Wirth und Kollegen widmen sich einer speziellen Unterart von Präsenz, der räumlichen Präsenz (spatial presence), die sie als eine enge Auffassung von Präsenz begreifen (vgl. Wirth, Hofer &-Schramm, 2012) und entwickeln ein Zwei-Ebenen-Modell zur Entstehung räumlichen Präsenzerlebens (vgl. Hartmann et al., 2005; Wirth et al., 2007; Wirth &-Hofer, 2008). Präsenz in dieser engen Auslegung zu verwenden, hat den entscheidenden Vorteil, dass es von einem allumfassenden (und damit unscharfen) Konzept zu einem klar definierten und von anderen verwandten Konzepten (Transportation, Flow, Involvement) klar abgrenzbaren (und damit präzisen) Konzept Abb. 7.1: Typologie der virtuellen Erfahrung mit Beispielen aus Lee (2004, S. 41) Bereiche der virtuellen Erfahrung Merkmale der Virtualität para-authentisch künstlich physisch Teleoperationen, Sportübertragung, Fernsehnachrichten. Ansehen eines Science Fiction Films; Betrachten des Bildes einer Computerspielfigur sozial Videokonferenzen, Internet Chats; eine Person im Fernsehen sehen. soziale Interaktion mit Computern, soziale Roboter Selbst sich selbst sehen bei einer Videokonferenz; in einem Teleoperationssystem einen Roboter benutzen, der-einen Nutzer darstellt. Identifikation eines Lesers mit Figuren in einem Roman oder Film; Spielen durch selbstgewählte Figuren in einem Rollenspiel <?page no="124"?> 7.2 Präsenz www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 125 125 wird. Das räumliche Wahrnehmungsphänomen Präsenz kann dann als Grundlage für weitergehende Formen wie soziale Präsenz dienen. Wirth et al. (2007) sehen zwei grundlegende Dimensionen von räumlicher Präsenz: 1. Selbstlokalisation (self-localisation) drückt aus, dass man sich selbst in der medial vermittelten Welt als anwesend empfindet; 2. Nutzer erkennen und üben Handlungsmöglichkeiten (possible actions) in der medial vermittelten Welt aus. Das Modell geht nun davon aus, dass Rezipierende ein Situationsmodell konstruieren, das die räumliche Beschaffenheit des medienvermittelten Raumes repräsentiert-- das ist das räumliche Situationsmodell (spatial situation model). Dieses räumliche Situationsmodell zu haben, reicht jedoch nicht aus, um Präsenz zu empfinden. Dazu müssen Rezipierende den medialen Raum als ihren »primären Referenzrahmen […] setzen, also als den Raum, der dominante Gültigkeit für den aktuellen Wahrnehmungsprozess hat« (Wirth &-Hofer, 2008, S. 164). Genauer gesagt, werden die Situationsmodelle aus Sicht des Wahrnehmenden konstruiert, der sich selbst im mentalen Modell verortet. Wenn also ein Modell von einem virtuellen Museum generiert wird, dann wissen Nutzende zu jedem Zeitpunkt, an welchen Ort sie sich befinden. Dieses subjektiv gefärbte räumliche Situationsmodell nennen Wirth und Kollegen (2007) den medialen egozentrischen Referenzrahmen (egocentric reference frame). Damit in Konkurrenz steht der egozentrische Referenzrahmen der medialen Rezeptionssituation, also etwa die Situation, dass jemand mit Freunden im Kinosaal sitzt und Popcorn isst. Präsenz entsteht nun, wenn der mediale egozentrische Referenzrahmen gewinnt, also zu meinem primären Referenzrahmen wird. Gewinnt hingegen die Seitenunterhaltung mit den Freunden die Oberhand, so verliert sich das Präsenzerleben. Insofern ist Präsenz ein binärer Zustand- - entweder man ist drin oder nicht. Die Rezeption (oder Nutzung virtueller Welten) besteht dann aus einer Serie von Zuständen in Präsenz oder Nicht-Präsenz. Je mehr Momente im Präsenz-Zustand verbracht wurden, umso intensiver werden Menschen ihr Präsenzerleben beschreiben (was aber, so das Modell, nicht bedeutet, dass es im Moment des Erlebens eine Abstufung gibt-- hier gibt es nur zwei diskrete Zustände: ja oder nein). Die Autoren begründen ihr Modell mit der Hypothesentheorie der Wahrnehmung (vgl. Bruner &- Postman, 1949): Menschen verarbeiten eingehende Informationen, indem sie sie mit ihren Erwartungen (Hypothesen) vergleichen. Nun gibt es bei der Mediennutzung zwei Möglichkeiten: Der Rezipierende denkt, dass das Situationsmodell der Umgebung sein primärer Referenzrahmen ist oder er denkt, dass das Situationsmodell des Medieninhalts sein primärer Referenzrahmen ist. Je nachdem, was der Fall ist, wird der Rezipierende seine Wahrnehmungen und Handlungsmöglichkeiten anders verorten (in der Umwelt oder im Medium). Wenn das Situationsmodell des Medieninhalts als primärer Referenzrahmen verwendet wird, so wird dies als aktuelle Wahrnehmungshypothese verwendet (also als Annahme, die die Wahrnehmung anleitet)-- und <?page no="125"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 126 7 Narratives Erleben und Präsenz 126 man befindet sich im Zustand der Präsenz. Damit sind auch die zwei Ebenen des Modells klar: Die erste Ebene besteht in der Konstruktion eines räumlichen Situationsmodells, die zweite Ebene beschreibt die Entstehung von Präsenz, wenn Rezipierende das mediale Situationsmodell als primären Referenzrahmen (und damit als Wahrnehmungshypothese) verwenden. 7.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden narratives Erleben und Präsenz als Formen der intensiven, vertieften Rezeption besprochen. Beiden ist gemeinsam, dass sie das Eintauchen in mediale Welten beschreiben, das Zurücklassen der realen Welt und des eigenen Selbst-- über verschiedene Inhalte, Medien und Nutzungsarten hinweg. • Narratives Erleben oder Transportation ist das Eintauchen in eine Geschichte, begleitet von hoher Aufmerksamkeit, dem Ausblenden der Umwelt und der eigenen Person sowie einer starken emotionalen Fokussierung. Genauer kann man Transportation oder narratives Erleben als das Empfinden von Flow bei der Konstruktion mentaler Modelle aus einer Geschichte definieren. • Präsenz tritt auf, wenn Rezipientinnen und Rezipienten die Medienvermittlung nicht mehr wahrnehmen und stattdessen ihre Wahrnehmung und ihre Handlungsmöglichkeiten komplett am Medium ausrichten, also so agieren, als gäbe es kein zwischengeschaltetes Medium (Nonmediation). Die beiden Phänomene sind bisweilen nicht leicht voneinander zu unterscheiden; die Sache wird auch dadurch nicht einfacher, dass beide Konzepte schon einmal im anderen Lager verortet wurden-- etwa wenn Busselle und Bilandzic (2009) narrative Präsenz als Teil des narrativen Erlebens sehen, oder Lombard und Ditton (1997) Transportation als eine Spielart der Präsenz definieren. Es ist jedoch möglich und sinnvoll, eine Unterscheidung zu treffen: Narratives Erleben benötigt eine Geschichte- - ohne Geschichte kein narratives Erleben. Zum narrativen Erleben gehört dazu, dass man sich in der narrativen Welt präsent fühlt (und die Landschaft vor sich sieht, sich einen Raum gut vorstellen kann, sich fühlt, als wäre man mitten in einer erzählten Situation). Präsenz hingegen ist nicht an Narration gebunden; sie kann bei rein räumlichen medialen Vorlagen auftreten. Sie ist, im Gegensatz zum narrativen Erleben, auch nicht emotional gefärbt und greift die für die Geschichtenrezeption wichtigen Prozesse der Figurenwahrnehmung und der Perspektivübernahme nicht auf. Man kann also mit einer virtuellen Darstellung eines bayerischen Schlosses nur Präsenz erleben; sobald aber eine Geschichte in der virtuellen Welt erzählt wird- - etwa ein König ermordet wird (Handlung), oder ein Schlossbewohner seinen Kummer erzählt (experientiality, vgl. Kapitelabschnitt 7.1.2), kann narratives Erleben aufkommen. Nach wie vor wird sich ein Nutzer auch im Schloss und der narrativen Situation präsent fühlen. Präsenz <?page no="126"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 127 127 Zum Weiterlesen ist also das allgemeinere Erleben, narratives Erleben ist einerseits spezieller (weil nur mit Geschichten möglich), andererseits kann es auch Präsenz umfassen. Auch Involvement kann man zu narrativem Erleben und Präsenz abgrenzen. In einem weiten Sinne als kognitive und emotionale Aktivität verstanden umfasst Involvement narratives Erleben (aber natürlich auch fast alle anderen Formen des Medienerlebens). In der engeren Sichtweise von Involvement als Bezug eines Medieninhalts zum Selbstkonzept (vgl. Kapitel 5 Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung) kann man klare Trennlinien identifizieren: Während Involvement die Bezüge eines Medieninhalts zum Rezipierenden in den Vordergrund stellt, muss dieser Selbstbezug weder bei narrativem Erleben noch bei Präsenz existieren (er kann aber). Ein Rezipierender muss also nicht selbst arbeitslos sein, um narratives Erleben bei einer Geschichte über einen Arbeitslosen zu verspüren; ist dies aber der Fall, dann kann sich das narrative Erleben durchaus noch verstärken, wenn die Erfahrungen übereinstimmend sind, oder aber abschwächen, wenn die mediale Darstellung gar nicht zu den eigenen Erfahrungen passt (vgl. Bilandzic, 2006). Übungsaufgaben 1. Was unterscheidet narratives Erleben und Präsenz? 2. Was sind die Gemeinsamkeiten von narrativem Erleben und Präsenz? 3. Wie unterscheidet sich narratives Erleben bei einer Geschichte, die handlungsbasiert ist, vom narrativen Erleben bei einer Geschichte, die erfahrungsbasiert ist? 4. Welche Merkmale der Virtualität und Bereiche der virtuellen Erfahrung unterscheidet Lee (2004) und wie hängen diese mit Präsenz zusammen? 5. Wie steht das Zwei-Ebenen-Modell der räumlichen Präsenz von Wirth et al. (2007) zu den drei Arten von Präsenz bei Lee (2004)? Zum Weiterlesen Green, M. C., Strange, J. &-Brock, T. C. (Hrsg.). (2002). Narrative impact. Social and cognitive foundations. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum. Dieser Herausgeberband ist zwar schon etwas betagt, stellt aber immer noch eine wertvolle Sammlung von Ansätzen zu narrativem Erleben und Wirkungen dar. Wirth, W., Hartmann, T., Boecking, S., Vorderer, P., Klimmt, C., Schramm, H., et al. (2007). A process model of the formation of spatial presence experiences. Media Psychology, 9(3), 493-525. <?page no="127"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 128 7 Narratives Erleben und Präsenz 128 Ein großes Autorenteam legt eine präzise und differenzierte Konzeptualisierung von räumlicher Präsenz vor, die heute vielfach verwendet wird. Busselle, R. W. &-Bilandzic, H. (2008). Fictionality and perceived realism in experiencing stories: A model of narrative comprehension and engagement. Communication Theory, 18(2), 255-280. Der Aufsatz stellt ein theoretisches Modell der narrativen Verarbeitung vor, das narratives Erleben, Informationsverarbeitung und empfundenen Realismus miteinander in Beziehung setzt. <?page no="128"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 129 129 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 4 Lernziele 1. Sie lernen die Grundlagen der Wahrnehmung von Personen und Figuren in den Medien. 2. Sie verstehen, welche Prozesse dazu beitragen, dass uns Medienfiguren während der Mediennutzung unterschiedlich stark interessieren und beschäftigen. 3. Sie erlernen Konzepte und Modelle für die Erklärung von verschiedenen Phänomenen bei der Wahrnehmung von Medienfiguren, wie die parasoziale Interaktion, die Identifikation und den sozialen Vergleich. 8.1 Grundlagen der Wahrnehmung von Medienfiguren Wie heißt es immer so schön: Der erste Eindruck zählt. Menschen entwickeln beim Erstkontakt mit einem fremden Menschen oftmals in wenigen Augenblicken ein relativ sicheres Gefühl dafür, wen oder was der andere darstellt, ob sie an ihm interessiert sind, ob er ihnen sympathisch erscheint oder ob sie ihm vertrauen können. Nur wenn dies der Fall ist, findet eine weitergehende Interaktion statt, in der sich der erste Eindruck verfestigen (daher auch das Sprichwort: Der erste Eindruck bleibt) oder modifizieren kann. Und auch für die intensivere Beschäftigung mit einer Medienfigur ist dieser erste Eindruck ganz entscheidend. Er umfasst zunächst spontane Wahrnehmungsprozesse, die innerhalb einer recht geringen Zeitspanne automatisiert vollzogen werden, daher weitestgehend unbewusst ablaufen, sich durch eine vergleichsweise geringe Komplexität bzw. eine starke Schematisierung auszeichnen und bottom-up generiert werden. Es dürfte jedoch der weitaus häufigere Fall sein, dass die Medienfigur den Rezipierenden bereits bekannt ist und sie folglich nach einer kurzen Musterung wiedererkannt wird. Im Falle einer Wiedererkennung können Informationen über die Medienfigur top-down abgerufen werden. Die soziale Kategorisierung der Medienfigur, die beim ersten Eindruck gebildet wird, muss somit nicht noch einmal vollständig durchlaufen werden (vgl. Bierhoff, 1986; Hartmann et al., 2004b). Die wahrgenommene Attraktivität der Medienfigur nimmt eine Schlüsselrolle für die soziale Kategorisierung der Medienfigur ein, wobei in der ersten Eindrucksbildung vor allem die physische Attraktivität eine Rolle spielt: »Sie ist eine der ersten, oftmals die erste Information überhaupt, die wir über eine Person besitzen und sie ist visuell 4 Das Kapitel zitiert zu Beginn Passagen aus zwei Artikeln von Tilo Hartmann, Holger Schramm und Christoph Klimmt (2004a, 2004b). Wir danken Verlag (Springer VS) und den Autoren für die Freigabe und die freundliche Kooperation. <?page no="129"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 130 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 130 unmittelbar zugänglich, ohne daß es einer weiteren Exploration bedarf« (Kanning, 1999, S. 208; vgl. auch Bierhoff, 1986). Ein darauf aufbauender Effekt ist, dass die wahrgenommene physische Attraktivität einer Person nachfolgende Bewertungen des Beobachters stark beeinflussen kann. Die physische Attraktivität kann somit als ein einzelnes Attribut einer Person »für einen Beobachter so gewichtig werden, dass [sie] wie ein Heiligenschein (halo) über die gesamte Person ausstrahlt und alle übrigen Facetten derselben verblassen läßt« (Kanning, 1999, S. 204). Medienfiguren werden im Zuge der ersten Eindrucksbildung somit schematisch als attraktiv oder unattraktiv kategorisiert. Die physische Attraktivität beruht vor allem auf Merkmalen der Medienfigur, wohingegen sich auch der umgebende Kontext (z. B. in Form von Objekten, mit welchen die Medienfigur zum Beobachtungszeitpunkt interagiert) in der sozialen Kategorisierung niederschlägt. So macht es z. B. einen Unterschied, ob eine äußerlich hoch attraktive Person in einem eher negativ bewerteten Kontext (z. B. als Mitglied einer Terroristen-Gruppe) oder in einem eher positiv bewerteten Kontext (z. B. als Helfer/ in einem Lazarett) auftritt. Für die soziale Kategorisierung spielt ebenso die Wahrnehmung von Objekten, die der Medienfigur auf den ersten Blick zugeordnet werden (z. B. ein blutbeflecktes Messer), eine Rolle. Zudem sind auch die Einschätzungen der Rezipientinnen und Rezipienten, wie fiktional eine Medienfigur wirkt, für die erste Eindrucksbildung relevant. Zur Fiktionalität einer Medienfigur tritt das Kriterium der Artifizialität (Künstlichkeit) und des Anthropomorphismus (Grad an Menschlichkeit) hinzu. Typisch artifizielle Medienfiguren wären z. B. unzureichend animierte Computerspielfiguren oder bewusst stilisierte Comicfiguren. Anthropomorphe Medienfiguren haben starke menschliche Züge, während nicht anthropomorphe Medienfiguren z. B. dem Tierbereich zugeordnet werden können. Eindeutig fiktional wirken solche Medienfiguren, die zugleich sehr artifiziell und nur in Ansätzen als anthropomorph wahrgenommen werden (vgl. Hartmann et al., 2004a, 2004b). Ein besonderes Merkmal der Wahrnehmung von Medienfiguren ist es, dass Rezipierende sich- - gerade bei audio-visuellen Medienangeboten- - von Medienfiguren sozial angesprochen bzw. adressiert fühlen. Es ist davon auszugehen, dass bei der Medienrezeption die gleichen Schlüsselreize wie in realen Interaktionssituationen den Zuschauern eine Form der Adressierung durch die Medienfiguren anzeigen. Drei Schlüsselreize dürften dabei besonders relevant sein: (1) die dargestellte räumliche Distanz zur Person, (2) die nonverbale Bezugnahme und (3) die verbale Bezugnahme (vgl. Hippel, 1998; Hartmann et al., 2004a, 2004b): 1. Je näher wir anderen Personen sind, desto eher beziehen wir sie auch in unser Verhalten ein bzw. adressieren sie mit unserem Verhalten. In gleicher Weise vermuten wir, dass andere Personen uns umso eher adressieren, je näher sie uns sind. Besonders die audio-visuellen Medien sind imstande, Personen räumlich darzustellen und auf diese Weise auch scheinbare Distanzen zwischen dem Rezipierenden und der dargestellten Medienfigur zu etablieren. Da die Medien das Verhalten von <?page no="130"?> 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 131 131 Medienfiguren häufig aus einer sehr geringen räumlichen Nähe abbilden, dürften sich die Zuschauer dadurch häufig adressiert fühlen. 2. Die nonverbale Bezugnahme drückt sich insbesondere über die Körperhaltung der Medienfigur aus. Eine Adressierung liegt also nahe, wenn die Körperhaltung der Medienfigur dem Rezipienten zugewandt ist. Insbesondere ein dem Zuschauer zugeworfener Blick legt eine Adressierung nahe. 3. Die Medienfigur kann die Rezipientinnen und Rezipienten aber auch durch eine verbale Bezugnahme adressieren. Auch wenn sie keinen Blickkontakt aufnimmt und ihr Körper den Zuschauern nicht zugewandt ist, können bestimmte Worte und Aussagen, die für die Zuschauer relevant sind, Aufmerksamkeit evozieren und eine Adressierung nahelegen. Die expliziteste Variante der Adressierung ist selbstverständlich das direkte Ansprechen der Zuschauer durch die Medienfigur. Die direkte Adressierung im massenkommunikativen Kontext muss dabei notwendigerweise etwas unspezifischer bleiben als vergleichbare Adressierungen in Face-to- Face-Situationen. Eine individuelle Adressierung des Rezipierenden selbst, wie sie in vielen Face-to-Face-Situationen üblich ist, kann in der typischen massenmedialen direkten Adressierung nicht stattfinden. Stattdessen wird mit Allgemeinplätzen gearbeitet, die jeden einzelnen Adressaten einbeziehen sollen (z. B. »Sehr geehrtes Publikum«; »Guten Abend, meine Damen und Herren«). Folgt man diesen Ausführungen, dann beruht die Adressierung durch die Medienfigur insgesamt auf der Kombination verschiedener Schlüsselreize. Birgt die Darstellung der Medienfigur nur vereinzelte und unter Umständen auch zueinander inkonsistente Schlüsselreize, dann fällt ihre Adressierung insgesamt weniger eindeutig aus. Werden hingegen viele und zueinander konsistente Schlüsselreize geboten, ist die Adressierung wesentlich eindeutiger. Je eindeutiger und damit höher die Adressierungsleistung, desto ausgeprägter und tiefergehend dürfte die Auseinandersetzung mit der Medienfigur sein (vgl. Hartmann et al., 2004a, 2004b). Die Zuschauer können insgesamt auf die Adressierung der Medienfigur eingehen oder sie ignorieren. Nehmen sie es an und werden ihrerseits (inter)aktiv, so kann dies verschiedenste Formen annehmen: Erhöhtes Interesse, intensive Gedanken, veränderte Körperhaltung, veränderte Mimik und Gestik, Sprechen mit dem Bildschirm etc. (vgl. Hartmann et al., 2004b). 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen mit Medienfiguren Horton und Wohl (1956) beobachteten in den Anfangsjahren des amerikanischen Fernsehens, dass Stars der ersten Unterhaltungssendungen die Zuschauer zu ungeahnten Reaktionen vor den Bildschirmen verleiteten: Die Zuschauer verhielten sich gegenüber den TV-Personen ähnlich wie gegenüber den Menschen, denen sie im Allwww.claudia-wild.de: <?page no="131"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 132 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 132 tag begegneten. Beispielsweise nickten sie wohlwollend mit dem Kopf oder grüßten gar zurück, wenn sie von TV-Moderatoren zur Sendung begrüßt wurden. Da diese sozialen Interaktionen aufgrund des fehlenden Rückkanals de facto eingeschränkt waren (die TV-Personen konnten mit ihren Verhaltensweisen zwar die TV-Zuschauer erreichen, aber anders herum konnten die TV-Zuschauer mit ihren Verhaltensweisen nicht die TV-Personen erreichen), wurde das Phänomen von den beiden Wissenschaftlern parasoziale Interaktion (PSI) genannt. Wie lässt es sich jedoch erklären und methodisch adäquat erheben? Grundlegend für Horton und Wohl ist die Eigenschaft der Massenmedien, die Illusion einer Interaktion herzustellen. Eine Sonderrolle nehme hierbei das Fernsehen ein, da es als audio-visuelles Medium die Illusion einer Face-to-Face- Interaktion zwischen Zuschauern und Medienfiguren (in der PSI-Forschung Personae genannt; Einzahl: Persona) ermögliche. In den folgenden Jahrzehnten fanden sich genügend Anhänger dieser theoretischen Überlegungen, welche PSI in allen Facetten erforschten. Da sie dies auf Basis des eigenen Wissenschaftsverständnisses und vor dem Hintergrund sich oftmals widersprechender Paradigmen taten, verwundert es nicht, dass von einer ganzheitlichen und widerspruchsfreien Theorie auch heute noch nicht die Rede sein kann. Ein weiterer Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Anwendungen des Grundkonzeptes und der Begrifflichkeiten, die nicht unbedingt im Sinne der Erfinder waren. PSI wurde für ein derart breites Spektrum von Rezeptionsphänomenen herangezogen, dass eine meta-theoretische Diskussion (vgl. Giles, 2002; Schramm, Hartmann &-Klimmt, 2002) sowie ein Besinnen auf die Grundidee (vgl. Hartmann, 2010; Hartmann &-Goldhoorn, 2011) nach Jahrzehnten der Forschung nötig erschien. 8.2.1 Differenzierungen Während schon von Horton und Wohl die Begriffe PSI und PSB (parasoziale Interaktion bzw. Beziehung) nicht ganz trennscharf voneinander verwendet wurden und dieses sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem der Hauptprobleme bei der exakten Erforschung dieser Phänomene entwickelte, setzte sich erst in den letzten Jahren folgende Definition durch: Definition: parasoziale Interaktion vs. parasoziale Beziehung Die unmittelbare, während der Rezeption stattfindende Begegnung zwischen Rezipient und Medienakteur wird als parasoziale Interaktion und die über die einzelne Begegnung hinausgehende Bindung des Zuschauers an eine Persona als parasoziale Beziehung bezeichnet (vgl. Vorderer, 1998, S. 698). Nach Krotz ist eine parasoziale Beziehung im Gegensatz zu einer parasozialen Interaktion »eine durch Gewohnheit, kognitive Operationen und Emotionen vermittelte <?page no="132"?> 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 133 133 situationsübergreifende Bindung« (Krotz, 1996, S. 80). Eine parasoziale Beziehung muss sich also, ebenso wie eine reale Beziehung zwischen zwei Menschen, über mehrere Situationen und Begegnungen hinweg erst entwickeln. Eine festere Bindung entsteht dadurch, dass man die Medienfigur von Mal zu Mal besser kennenlernt, sich an ihr emotional abarbeitet und sich an sie- - wie an einen guten Bekannten oder gar Freund-- regelrecht gewöhnt. »Die Wechselwirkung zwischen parasozialen Interaktionen und Beziehungen kann als ein Kreisprozeß aufgefaßt werden, in dem der aktuelle Zustand einer Beziehung sowohl als Ergebnis vorheriger wie auch als Determinante weiterer parasozialer Interaktionsprozesse begriffen wird« (Gleich, 1996, S. 119; vgl. Abb. 8.1). PSI und PSB lassen sich nach verschiedenen Kriterien kategorisieren. Bezogen auf die Valenz und die Intensität unterscheidet man negative von positiven und starke von schwachen PSI/ PSB. Ferner können Rezipientinnen und Rezipienten mit Figuren (z. B. Terminator), mit Typen (z. B. Kämpfertyp) oder auch mit Darstellern (z. B. Arnold Schwarzenegger) parasozial interagieren beziehungsweise eine PSB zu ihnen Quelle: Gleich, 1996, S. 120 Abb. 8.1: Kreis-Prozess-Modell parasozialer Beziehungen <?page no="133"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 134 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 134 unterhalten (vgl. Gleich, 1996, S. 120). Im Zuge der Charaktersynthese generieren die Rezipierenden in ihrer Wahrnehmung aus diesen verschiedenen Persona-Facetten in der Regel jedoch ein Gesamtbild, das in der Folge die PSI und die PSB bestimmt (vgl. Wulff, 1996). So wird z. B. Arnold Schwarzenegger von vielen Zuschauern wohl nicht selten als eine Kombination aus Figur, Typ und Darsteller wahrgenommen. Bezüglich der Nähe zu realen, ortho-sozialen Beziehungen kann u. a. zwischen quasi-realen Beziehungen und Fernsehbeziehungen differenziert werden (vgl. Visscher &- Vorderer, 1998). Bei einer quasi-realen Beziehung ist die Persona auch über die konkrete Rezeptionssituation hinaus von Bedeutung für den Zuschauer, ist also ein Teil seines alltäglichen Lebens. Bei einer Fernsehbeziehung erhält die Persona mehr oder weniger nur in der Rezeptionssituation oder im unmittelbaren Umfeld der Rezeption (z. B. Vorfreude vor einer Sendung) eine nennenswerte Bedeutung. Im Normalfall fungiert eine PSB als Ergänzung zu sozialen Beziehungen. Findet eine klare Trennung jedoch nicht mehr statt und werden die Medienfreundschaften als einziger Ersatz für reale Freundschaften genutzt, dann nimmt dieses Rezeptionsphänomen pathologische Züge an. Die differenzierteste Konzeptualisierung von PSI als Rezeptionsprozess findet sich in dem Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen wieder (vgl. Hartmann, Schramm &-Klimmt, 2004b). Definition: parasoziale Interaktion als dynamischer Rezeptionsprozess PSI ist »als ein vom Bewusstsein der medialen Vermitteltheit geprägtes interpersonales Involvement von Rezipientinnen und Rezipienten mit einer Medienperson, das sich in perzeptiv-kognitiven, affektiven und konativen Teilprozessen und Erlebensweisen manifestieren kann und dessen Intensität im Rezeptionsverlauf dynamischen Schwankungen unterliegen kann. Struktur und Intensität der PSI werden dabei sowohl von den Eigenschaften der Rezipienten als auch von den Medienpersonen bzw. ihrer Darstellung beeinflusst« (Hartmann, Schramm &-Klimmt, 2004b, S. 37). Hartmann et al. gehen davon aus, dass zu einer Persona immer (irgendwie geartete) PSI-Prozesse ablaufen, man also mit einer anwesenden Medienperson nicht nicht parasozial interagieren kann. Merksatz Ein Axiom menschlicher Kommunikation ist laut Paul Watzlawick der Grundsatz »Man kann nicht nicht kommunizieren«. Selbst, wenn man dem Blick eines anderen Menschen bewusst ausweicht und nicht mit ihm redet, so richtet man sein Verhalten auf diesen Menschen aus und sendet unweigerlich auch Verhaltens- <?page no="134"?> 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 135 135 und Kommunikationssignale aus. Konsequenterweise muss für die Auseinandersetzung eines Zuschauers mit einer Medienfigur der Grundsatz »Man kann nicht nicht parasozial interagieren« angenommen werden. Das konkrete Ausmaß der Auseinandersetzung eines Zuschauers mit einer gegebenen Persona variiert auf einem Kontinuum von minimal bis sehr stark-- im Modell (vgl. Abb. 8.2) durch die Gegenüberstellung zweier prototypischer Intensitätsausprägungen dargestellt: einer oberflächlich-schwachen Beschäftigung mit einer Persona (sogenannte Low-Level-PSI) und einer intensiv-starken Beschäftigung (sogenannte High-Level-PSI). Im Zuge der PSI werden dem Modell zufolge Informationen über die Medienperson gespeichert, bewertet und in ein Beziehungsschema überführt, das als individuelle Verankerung einer PSB verstanden werden kann und das über die Medienrezeption hinaus Bestand hat. Strukturell unterscheidet das Modell in Anlehnung an psychologische Einteilungen (1) perzeptiv-kognitive, (2) affektive und (3) konative PSI (vgl. Abb. 8.3). Erstere Quelle: Hartmann, Schramm & Klimmt, 2004b Medienangebot Rezipient/ in Rezeption medialer Rahmen Obtrusivität und Persistenz Adressierung äußere Merkmale parasozialer Prozess ? ? Persona Obtrusivität und Persistenz Adressierung äußere Merkmale Motivation Nutzereigenschaften erster Eindruck/ Wiedererkennung soziale Kategorisierung Beziehungsschema (PSB) Motivation High-Level-PSI Low-Level-PSI High-Level-PSI Low-Level-PSI Persona Beziehungsschema (PSB) Abb. 8.2: Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen <?page no="135"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 136 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 136 beinhalten Aspekte der Wahrnehmung, des Denkens, Bewertens, Erinnerns etc. im Zusammenhang mit einer Persona; die zweite Dimension bezieht sich auf (positive wie negative) Gefühle gegenüber einer Persona bzw. Emotionen, die durch die Persona ausgelöst werden; und die dritte Dimension zielt auf Verhaltensabsichten und beobachtbare Verhaltensäußerungen der Rezipierenden, die auf die Medienfigur gerichtet sind. Beliebige PSI können auf diesen drei Dimensionen vollständig beschrieben werden; damit von PSI-Prozessen gesprochen werden kann, müssen jedoch keine (messbaren) Phänomene auf allen drei Dimensionen vorliegen. Konative, also beobachtbarverhaltensbezogene, Prozesse finden beispielsweise in der Minderheit der alltäglichen Rezeptionsvorgänge statt. Auch geht die Modellierung nicht davon aus, dass sich rein kognitive, rein affektive oder rein konative PSI empirisch nachweisen lassen, jedoch kann eine der drei Komponenten im Vordergrund stehen bzw. die dominante PSI- Komponente darstellen. Eine Differenzierung dieser drei Dimensionen bietet sich dennoch an, weil dadurch ein besseres Verständnis der Substanz und der Auswirkungen von PSI-Prozessen erzielt werden kann. 8.2.2 Messung von PSI und PSB Die Messung von PSI und PSB erfolgte (und erfolgt) bislang nahezu ausschließlich über postrezeptive Befragungen. Da insbesondere PSI im Rezeptionsprozess entstehen, sich während der Rezeption ständig verändern-- sowohl in ihren Teilprozessen, Abb. 8.3: Dimensionen und Subdimensionen von PSI Dimension Subdimensionen perzeptivkognitiv • Persona-bezogene Informationsaufnahme • Verstehen der Situation und Handlungen der Persona • Verknüpfung der Aussagen/ Handlungen der Persona mit eigenen Gedächtnisinhalten • Bewertung der Persona und ihrer Handlungen • Überlegungen über die nächste Zukunft der Persona • Herstellung eines Bezugs zwischen Persona und Selbst affektiv • Sympathie/ Antipathie • Empathie/ Counterempathie • Emotionsauslösung (Ansteckung, Induktion) konativ • Nonverbale (motorische, mimische, gestische) Verhaltensweisen • (Para-)verbale Verhaltensweisen • Verhaltensabsichten Quelle: Hartmann, Schramm & Klimmt, 2004b <?page no="136"?> 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 137 137 als auch in ihrer Intensität- - und in starkem Maße vom medialen (und situativen) Kontext der Rezeption geprägt werden, müsste eine ideale Messung auch in der Lage sein, den Prozessverlauf der PSI hinreichend abzubilden. Dies kann ein postrezeptiver Befragungszugang nur bedingt leisten. Da prozessbegleitende Methoden jedoch mit diversen Messproblemen behaftet und mit einem enormen zeitlichen und ökonomischen Mehraufwand verbunden sind sowie zudem das Rezeptionserlebnis meist nicht unerheblich stören und damit verzerren, bietet sich der Befragungszugang unmittelbar nach der Rezeption weiterhin als eine gangbare und praktikable Methode an. Als Quasi-Standard zur Erhebung von PSI und PSB hat sich durch die Verwendung in zahlreichen Studien die Parasocial Interaction Scale (in der Langform 20 Items, in der Kurzform 10 Items) etabliert (vgl. Rubin, Perse &-Powell, 1985). Unter der Lupe: Parasocial Interaction Scale Von Gleich (1995) ins Deutsche übersetzt, wurde die Parasocial Interaction Scale (vgl. Rubin et al., 1985) auch in der hiesigen Forschung häufig eingesetzt, jedoch auch stark kritisiert (vgl. Giles, 2002; Hartmann &-Schramm, 2006; Schramm, Hartmann &-Klimmt, 2002). Obwohl die Skala PSI-Scale genannt wurde, wurden PSIals auch PSB-Items durcheinandergemischt. Beispiele hierfür aus der deutschen Version der Skala: • Manchmal passiert es mir, dass ich in Gedanken oder auch tatsächlich irgendetwas zu [NAME] sage. • Wenn ich [NAME] im Fernsehen sehe, kommt es mir vor, als wenn ich mit Freunden zusammen wäre, dann fühle ich mich wohl. • Es kommt sogar vor, dass ich [NAME] vermisse, wenn er/ sie längere Zeit nicht auf dem Bildschirm erscheint. • Ich habe das Gefühl, [NAME] ist für mich so etwas wie ein guter alter Freund. • Beim Anschauen der Sendung kann ich mir immer gut ein Bild über [NAME] machen (z. B. über ihre/ seine Persönlichkeit). • Ich freue mich darauf, [NAME] beim nächsten Mal wieder in der Sendung zu sehen. • Wenn in Zeitungen oder Zeitschriften etwas über [NAME] stünde, würde ich es auf jeden Fall lesen. • Wenn [NAME] zu einem anderen Sender wechseln würde, würde ich mir dort seine Sendung anschauen. Generell erhebt die Skala somit eine Kombination und ›Vermischung‹ unterschiedlicher Aktivitäten während und nach der Rezeption: Von Empathie und Involvement während der Rezeptionssituation, über emotionale Bindungen als Folge der Rezeption bis hin zu präkommunikativen Aktivitäten wie Selektionsentscheidungen. Folgerichtig misst die Skala ein mehrdimensionales Phänomen, was faktorenanalytische Auswertungen in der hiesigen Forschung immer wieder bestätigen. <?page no="137"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 138 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 138 Sofern die Skala parasoziale Beziehungen erhebt, misst sie nur eine a priori festgelegte Beziehungsform, nämlich Freundschaft. Andere Beziehungsformen wie zum Beispiel Feindschaft werden nicht erfasst. Die Skala wurde zudem ursprünglich mit dem Ziel angelegt, »to measure feelings of audience relationship with local television news personalities« (Rubin et al., 1985, S. 176). Die notwendigen Anpassungen der Items bei der Untersuchung anderer Personae trugen und tragen zur Heterogenität der Skala bei. Über die PSI-Scale hinaus, die sich trotz ihrer Schwächen als Quasi-Standard etablieren konnte, existieren eine Reihe weiterer Befragungsinstrumente, die sich der Messung von PSI und/ oder PSB zuwenden (Audience Persona Interaction Scale von Auter &-Palmgreen, 2000; Celebrity Persona Parasocial Interaction Scale von Bocarnea &- Brown, 2007; eine zweidimensionale PSB-Skala von Thallmair &- Rössler, 2001; eine siebendimensionale PSB-Skala von Gleich, 1997; vgl. im Überblick Hartmann &- Schramm 2006; Hartmann, 2010; Gleich, 2014). Mit der Entwicklung einer Parasocial Breakup Scale stellt Cohen (2003, 2004) einen innovativen Ansatz vor. Die 13-Items umfassende Skala fragt nach den antizipierten Gefühlen und den Coping-Strategien des Befragten, wenn die TV-Lieblingsfigur aus dem Programm genommen werden würde (z. B. »I would feel like I lost a close friend«). Die Skala misst somit primär die Stärke des antizipierten Verlustes, jedoch kann diese wiederum als indirektes Maß für die Intensität der aktuell vorliegenden PSB verwendet werden. Daneben existieren weitere Modellierungen, deren Instrumente die Reaktionen auf Personae bzw. das Erleben von Personae messen, ohne diese Reaktionen PSI/ PSB zu nennen (vgl. z. B. Hoorn &-Konjin, 2004 bzw. Konjin &-Hoorn, 2005). Schramm und Hartmann (2008) haben auf Basis des Zwei-Ebenen-Modells ein Instrument (14 Skalen zu je acht Items in der Langversion) zur Messung von PSI unmittelbar nach der Fernsehrezeption entwickelt, das dem Prozesscharakter und der Komplexität von PSI Rechnung trägt, das positive wie auch negative PSI abbilden kann und das auf alle TV-Personae anzuwenden ist, ohne dass die Items umformuliert werden müssen. Es hat den Anspruch, die genannten Schwachpunkte der PSI-Scale zu beheben und vergleichende PSI-Forschung zu ermöglichen (vgl. Schramm &-Wirth, 2010). Hartmann und Goldhoorn (2011) entwickelten mit der Experience of Parasocial Interaction Scale ein Messinstrument, das der von Horton und Wohl (1956, S. 215) als »conversational give and take« beschriebenen Dynamik, die vom Rezipierenden in der Interaktion mit der Medienfigur empfunden wird, möglichst gerecht werden soll. Es ist damit eine Skala, die den Kern von PSI, wie er im Urtext beschrieben wurde, aus Sicht der Rezipierenden valide abbildet. <?page no="138"?> 8.2 Parasoziale Interaktionen und Beziehungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 139 139 8.2.3 Studien und Befunde zu PSI und PSB Die Studien zu PSI und PSB lassen sich in zwei Klassen einteilen: Gegenstandsorientierte Studien, in denen es um die Frage geht, inwiefern PSI und PSB zu verschiedenen Personae bestehen-- z. B. zu Politikern (vgl. Gleich, 1999; Maier, 2005), zu Nachrichtensprechern (vgl. Levy, 1979; Rubin, Perse &- Powell, 1985), zu Schauspielern (vgl. Rubin &- McHugh, 1987; Visscher &- Vorderer, 1998), zu Talkshow-Gästen (vgl. Thallmair &-Rössler, 2001), zu Quizshowkandidaten (vgl. Schramm &-Wirth, 2010), zu Sportlern (vgl. Hartmann, Stuke &-Daschmann, 2008) oder gar zu Comicfiguren (vgl. Hoffner, 1996) und zu virtuellen Figuren, Avataren und Computerspielfiguren (vgl. Bente &-Otto, 1996; Hartmann, Klimmt &-Vorderer, 2001)-- sowie Studien zur Entwicklung/ Erforschung des PSIbzw. PSB-Konzepts selbst, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, inwiefern PSI in Abhängigkeit der Adressierung durch die Persona variiert (vgl. Auter, 1992) oder auf welche Art und Weise sich bestehende PSB auf PSI- Prozesse während der Rezeption auswirken (vgl. Six &-Gleich, 2000). Letzteren sind auch erste Studien zur Validierung des Zwei-Ebenen-Modells zuzurechnen (vgl. Hartmann &-Klimmt, 2005; Schramm &-Hartmann, 2008; Schramm &-Wirth, 2010). Folgende Tendenzen lassen sich beispielhaft aus den bisherigen Forschungsüberblicken herauslesen (vgl. Giles, 2002; Gleich, 2014; Hartmann, 2010; Klimmt, Hartmann &- Schramm, 2006; Schramm, 2006; vgl. für eine Meta-Analyse: Schiappa, Allen &-Gregg, 2007), auch wenn aufgrund der Messproblematik bei vielen Studien umstritten ist, ob Befunde zu PSI oder PSB generiert wurden (vgl. Hartmann &-Schramm, 2006): 1. Rezipierende wählen unabhängig vom Geschlecht tendenziell eher männliche als weibliche Personae als Interaktions-/ Beziehungspartner aus, wobei dies für Männer in noch größerem Maße zutrifft als für Frauen. Dies könnte jedoch auch darin begründet liegen, dass männliche Personae wesentlich öfter und in zentraleren Rollen gezeigt werden als weibliche Personae. Innerhalb der intensiven PSI/ PSB können mitunter deutliche Cross-Gender-Effekte auftreten, d. h. dass die stärksten PSI/ PSB auch zwischen männlichen Rezipienten und weiblichen Personae sowie zwischen weiblichen Rezipientinnen und männlichen Personae zu verorten sind. 2. PSI/ PSB sind intensiver bei älteren und formal eher gering gebildeten Vielsehern, sehr ausgeprägt aber auch bei Jugendlichen, insbesondere Mädchen, da diese am ehesten zur Idolbildung neigen. Einsame Menschen und neurotische Menschen wenden sich häufiger dem Fernsehen zu und haben von daher eine größere Chance, PSI zu zeigen und PSB aufzubauen. Generell nehmen PSI/ PSB mit der Abnahme der Anzahl und Abnahme der Vielfalt der Freizeitaktivitäten und realen Sozialkontakte der Rezipierenden zu. Der Grund für das Entstehen von PSI/ PSB könnte aber primär im häufigeren Kontakt mit dem Medium und erst sekundär in den Persönlichkeitsfaktoren und Lebensumständen begründet liegen. <?page no="139"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 140 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 140 3. Jedoch weisen andere Befunde auch auf den hohen Stellenwert von Persönlichkeitsfaktoren: So gestalten sich bisweilen PSI/ PSB umso intensiver, je weniger kommunikativ die Rezipierenden sind bzw. je weniger sie sich mit anderen Menschen kommunikativ austauschen. PSI/ PSB sind häufig dann besonders intensiv, wenn Rezipierende einerseits schüchtern sind (was die Interaktion im realen Leben eher verhindert, weil die betreffenden Personen andere Personen nicht ansprechen), gleichzeitig aber sehr gesellig sind (was das Bedürfnis nach Kontaktaufnahme zu anderen Personen prinzipiell fördert). 4. Die Auswahl der Personae, zu denen eine PSI/ PSB aufgebaut wird, hängt häufig mit den Eigenschaften und Fähigkeiten des Rezipierenden zusammen. Die Persona hat oft Eigenschaften, die der Rezipierende selbst gerne hätte und stellt somit eine Art ideales Selbstbild dar. Gleichzeitig werden jedoch auch PSI/ PSB zu solchen Personae beobachtet, die einem in Bezug auf Einstellungen und sozialem Background möglichst ähnlich sind. Lieblingspersonae, zu denen PSI/ PSB aufgebaut werden, werden von den Rezipienten mit Blick auf charakterliche Eigenschaften, intellektuelle Anregung, Nähe und Vertrauen ungefähr ähnlich wie gute Nachbarn, aber nicht so positiv wie die beste Freundin bzw. der beste Freund gesehen (vgl. Abb. 8.4). Quelle: Gleich, 1996, S. 132 Abb. 8.4: PSB als funktionale Alternative zu sozialen Beziehungen? <?page no="140"?> 8.3 Identifikation mit Medienfiguren www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 141 141 8.3 Identifikation mit Medienfiguren Die involvierte Rezeption als Folge der parasozialen Interaktion mit einer Medienfigur ist eindeutig zu unterscheiden von einer Identifikation mit dieser Medienfigur. »Identifikation findet innerhalb der parasozialen Interaktion nur in der Form des wechselseitigen Role Taking statt, ebenso wie in ›normalen‹ sozialen Interaktionen auch. Identifikation im Sinne einer Übernahme der fremden Position ist innerhalb der parasozialen Interaktion wenn nicht ausgeschlossen, so doch zu einem [seltenen] Phänomen reduziert« (Hippel, 1992, S. 136). Insbesondere Zillmann (1991) weist darauf hin, dass Identifikation im Sinne einer kompletten Übernahme der fremden Position für ihn unter gar keinen Umständen möglich ist, es sei denn, die Rezipientin oder der Rezipient ist psychisch krank bzw. schizophren. Nach Zillmann (1991) ist der Rezipierende auf seine Rolle als Beobachter und Zeuge eines medialen Geschehens beschränkt, kann allenfalls Empathie gegenüber dem Protagonisten entwickeln und sich somit in Teilen kognitiv wie affektiv in die Situation des Protagonisten hineinversetzen. Dieses kognitive wie affektive Hineinversetzen in eine Medienfigur wird im Kern als Identifikation verstanden (vgl. Cohen, 2001, 2009; Wünsch, 2014). »When an audience member assumes, even if but for a moment, a character’s identity, and shares his or her perspective, motivations, and goals, the viewer is said to identify with that character. Identification thus involves a high level of absorption in the text and involvement with the text. As opposed to parasocial interaction, in which there is interplay between viewer and persona, when identifying, viewers become engaged in media messages and discard their role and position as viewers« (Cohen, 2009, S. 229). Definition: Identifikation Identifikation ist ein Rezeptionsmodus, für den es erforderlich ist, … 1. »dass sich die Rezipierenden in die Lage einer anderen Person hineinversetzen […], 2. dass die Rezipierenden während der Rezeption zeitweise vergessen, dass es sich um eine imaginierte bzw. übernommene Identität handelt, und es dabei zu einer vollkommenen Verschmelzung von Rezipierendem und Medienperson kommt und 3. dass während dieses Prozesses Merkmale der fremden Identität in die eigene integriert werden.« (Wünsch, 2014, S. 234) Diese zeitweise Aufgabe der eigenen und Annahme einer fremden Position und Perspektive wird entwicklungspsychologisch als äußerst wichtig erachtet. Kinder lernen durch die Identifikation mit ihren Eltern, anderen Kindern, aber auch mit Medienfiwww.claudia-wild.de: <?page no="141"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 142 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 142 guren, sich in andere Perspektiven und Rollen einzudenken und einzufühlen. Sie werden somit empathiefähiger und können sich imaginativ in Rollen und Situationen erproben, die ihr Leben und ihre Persönlichkeit um neue Erfahrungen bereichern. Gerade Medienfiguren sind dabei eine willkommene Gelegenheit, sich in Charaktere hineinzuversetzen, die man nie oder zumindest nicht so leicht im Alltag treffen würde und die in Erfahrungswelten leben, die einem ansonsten verschlossen blieben. Die Identifikation mit Medienfiguren hat in diesem Sinne auch die Funktion, Grenzen und Möglichkeiten auszutesten, um sich neue Perspektiven für das eigene Leben zu eröffnen (vgl. Cohen, 2009; Wünsch, 2014). Die Forschung in diesem Bereich ist u. a. mit der eingangs schon aufgeworfenen Frage beschäftigt, in welchem Ausmaß eine solche Perspektivübernahme überhaupt möglich ist und-- sollte sie möglich sein-- wie lange der Perspektivwechsel während der Rezeption eines Medienangebots anhalten kann. Die meisten Forscher gehen nicht davon aus, dass die Rezipierenden nur binär zwischen zwei Zuständen-- der eigenen Perspektive und der Perspektive der Medienfigur-- wechseln können, sondern dass es ein Kontinuum zwischen diesen beiden Polen gibt, auf dem man sich-- je nach Verlauf der Medienhandlung und den Projektions-/ Perspektivübernahme-Angeboten der Protagonisten-- während der Rezeption dynamisch bewegen kann. Auch Oatley (1999) unterscheidet die beiden Pole: der eine markiert das komplette Einswerden bzw. die vollständige Identifikation mit der Medienfigur, der andere den idealtypischen Beobachtungsstatus, in dem man die Medienfigur zwar wahrnimmt und ihre Handlungen verfolgt, sich aber weder kognitiv noch emotional in die Rolle der Medienfigur hineinbegibt. Zwischen diesen beiden Polen kann sich der Rezipierende nun bewegen. Laut Oatley (1999) ist aber keineswegs die komplette und möglichst langandauernde Identifikation während der Rezeption der Idealzustand, sondern ein dynamisches Wechseln zwischen den Perspektiven, das einem erlaubt, in dem einen Moment in die Handlung und die Rolle des Protagonisten einzutauchen und im nächsten Moment darüber zu reflektieren und die neuen Erfahrungen zu verarbeiten. »Shifting of reception positions allows for a deeper appreciation of the work, one that comes from a position that is at an optimal psychological distance of the reader from the text« (Cohen, 2009, S. 230; vgl. in diesem Kontext auch das Appreciation-Konzept in Kapitel 10). Aufgrund der Beobachtungen, dass sich insbesondere Kinder und Jugendliche gerne und oft mit Medienpersonen identifizieren, die ihnen besonders und geradezu unerreichbar erscheinen, wurde das Konzept der Wishful Identification entwickelt (von Feilitzen &-Linné, 1975; vgl. Hoffner, 1996). Das »wishful« verweist darauf, dass es bei diesem Ansatz nicht nur um das tatsächliche Identifizieren während der Medienrezeption, sondern zunächst einmal nur um den Wunsch und das Verlangen nach diesem Identifizieren geht. »Hierbei wird vor allem dem motivationalen Aspekt der Identifikation Rechnung getragen und damit der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Medienpersonen sich- - insbesondere junge- - Menschen […] identifizieren (wollen)« (Wünsch, 2014, S. 236). Wählen sich die (jungen) Menschen <?page no="142"?> 8.4 Sozialer Vergleich mit Medienfiguren www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 143 143 eher solche Medienpersonen zur Identifikation aus, die ihnen sehr ähnlich sind (und keine unerreichbaren Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen), so wird dies als Similarity Identification bezeichnet. Hier können wir nun eine eindeutige Parallele zur PSI-/ PSB-Forschung entdecken, denn auch dort konnte empirisch nachgewiesen werden, dass Menschen sowohl mit Medienfiguren, die ihnen sehr ähnlich sind, als auch mit Medienfiguren, die ihnen sehr unähnlich sind, gern parasozial interagieren. Die eine oder die andere Variante wird nicht beliebig eingeschlagen, sondern wird zum Beispiel dadurch motiviert, ob man sich in der betreffenden Rezeptionssituation eher als Bewunderer oder als Person auf Augenhöhe mit der Medienfigur auseinandersetzen möchte. 8.4 Sozialer Vergleich mit Medienfiguren Laut der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse (vgl. Festinger, 1954) haben Menschen ein Grundbedürfnis, sich mit anderen Menschen zu vergleichen, um ihre Fähigkeiten und Eigenschaften besser einordnen und bewerten zu können. Dahinter steckt das Motiv, ein akkurates und stabiles Selbstbild aufzubauen und in der Folge aufrechtzuerhalten. Um die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften im Vergleich mit anderen möglichst präzise einordnen zu können, bietet sich der Vergleich auf Augenhöhe, also mit Menschen, die einem bezüglich bestimmter Fähigkeiten (z. B. Musizieren, logisches Denken, körperliche/ sportliche Fähigkeiten) oder Eigenschaften (z. B. Aussehen, Mut, Kraft, aber auch Lebenserfahrung) ähnlich sind, am ehesten an (Lateraler Vergleich). Beispiel Im Wettkampf/ Vergleich mit einem Tennisprofi wird man als Amateur immer eindeutig und haushoch verlieren, und zwar unabhängig davon, ob man Anfänger oder Fortgeschrittener ist. Eine akkurate Bewertung der eigenen Fähigkeiten würde dann nicht gelingen, weil man sich vermutlich zu schlecht einschätzen würde. Auch eine längere intensive Trainingsphase, in der man seine Fähigkeiten objektiv verbessert hat, würde sich im Ergebnis/ Vergleich mit dem Tennisprofi eher nicht niederschlagen. Man hätte das Gefühl, seine Fähigkeiten nicht verbessert zu haben und würde sich nach wie vor als schlechter Tennisspieler einschätzen. Es bietet sich daher vielmehr an, sich mit denen zu messen, die auf einem ähnlichen Niveau Tennis spielen. Über die Staffelung in den unteren Ligen kann man anschließend sehr genau sagen, ob man auf Kreis-, Bezirks-, Landes- oder gar Bundesebene zu den Besten gehört. Auch ein intensives Training kann sich derart auswirken, dass man gegen jemanden gewinnt, der einen vor kurzem noch geschlagen hat, so dass eine akkurate Bewertung des Trainingseffekts auf die eigenen Fähigkeiten viel besser gelingt. <?page no="143"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 144 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 144 Der Lateralvergleich ist nicht nur im realen Leben sehr funktional, sondern auch mit Blick auf die Mediennutzung, und bietet daher eine weitere plausible theoretische Erklärung für die Befunde der PSI- und Identifikationsforschung, nach denen Menschen sich häufig Medienpersonen zuwenden, die ihnen möglichst ähnlich sind. Die große Nachfrage nach Unterhaltungsformaten wie Daily Soaps oder Talkshows, in denen Menschen wie »Du und ich« präsentiert werden und ihre Alltagsprobleme ausbreiten (vgl. Schemer, 2006), aber auch die Zuwendung zu Informationen und Nachrichten über Personen, die einem soziodemografisch ähnlich oder kulturell nahestehend sind, lassen sich über den Lateralvergleich erklären (vgl. Knobloch-Westerwick &-Hastall, 2006). Wie im Tennisbeispiel schon beschrieben, ist auch der Vergleich mit Personen, die einem überlegen sind, möglich (Aufwärtsvergleich), wenn auch häufig dysfunktional, da er die eigene Selbstbewertung erschwert und u. U. sogar das Selbstbewusstsein schmälert. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen soziale Aufwärtsvergleiche vermeiden oder den Vergleich als irrelevant einstufen, wenn dieser ihnen einen extrem hohen Vergleichsstandard vor Augen führt (vgl. Gleich, 2014). Dies ist häufig zu beobachten, wenn Rezipientinnen und Rezipienten beispielsweise mit unrealistischen Schönheitsidealen in der Werbe- und Modekommunikation konfrontiert werden (vgl. Knobloch-Westerwick &-Romero, 2011), weshalb die vom Kommunikator intendierte Wirkung auf die Zielgruppe oft auch verfehlt wird, weil der Kontrast zwischen Testimonial bzw. Model und Zuschauer zu groß wird. Mussweiler (2006) unterscheidet dem entsprechend mit Blick auf die Konsequenzen sozialer Vergleiche die sogenannten Kontrasteffekte, die bei großer Distanz zwischen den Vergleichspersonen entstehen, von den Assimilationseffekten, die sich bei großer Nähe zwischen den Vergleichspersonen entwickeln. Aufwärtsvergleiche wirken nicht in jedem Fall dysfunktional und können auch positive Konsequenzen haben. Sie werden daher ganz bewusst zumeist von selbstsicheren, -bewussten und -reflektierten Menschen vorgenommen, die sich davon wertvolle Hinweise und Informationen versprechen, wie sie sich selbst bzw. die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften verbessern können. Anspruchsvolle Wissenssendungen, Kochshows mit Sterneköchen, aber auch Mode- und Schönheitsmagazine können demnach funktional zur Selbstverbesserung vieler Rezipierenden genutzt werden (vgl. Schemer, 2006). Schließlich ist auch der Vergleich mit Personen, die einem mit Blick auf die vergleichsrelevante Fähigkeit oder Eigenschaft unterlegen sind, möglich (Abwärtsvergleich) und wird von vielen Menschen auch gern und häufig vorgenommen, weil er die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften gut ausschauen lässt bzw. zu einem positiven Kontrasteffekt für die den Vergleich ziehende Person führt. Das Motiv dahinter ist die Selbstwerterhaltung und -erhöhung. Das Medienangebot liefert den Rezipierenden ein reichhaltiges Angebot für solche Abwärtsvergleiche- - insbesondere im Bereich der Reality-Formate und der Castingshows (vgl. Schemer, 2006), aber auch im Bereich der Nachrichten aus aller Welt, die häufig Regionen betreffen, in denen es <?page no="144"?> 8.5 Zusammenfassung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 145 145 den Menschen nicht so gut geht wie uns. Da der soziale Abwärtsvergleich selbstwertdienlich ist, wird er häufig von Menschen vorgenommen, deren Selbstwert- - z. B. aufgrund aktueller Lebensumstände- - niedrig ist. So konnten Mares und Cantor (1992) beispielsweise zeigen, dass sozial vereinsamte Senioren eines Altersheims am liebsten TV-Sendungen schauten, in denen es älteren Menschen noch schlechter ging als ihnen, und dass sie über den Vergleich mit diesen Menschen ihre Stimmung (und vermutlich auch ihren Selbstwert) erhöhen konnten. Merksatz Soziale Vergleiche dienen der akkuraten Selbstbewertung, wenn man sich mit Personen vergleicht, die einem ähnlich sind (Lateralvergleich). Sie dienen der Selbstverbesserung, wenn man sich mit Personen vergleicht, die einem überlegen sind (Aufwärtsvergleich). Und sie dienen der Selbstwerterhöhung, wenn man sich mit Personen vergleicht, die einem unterlegen sind (Abwärtsvergleich). 8.5 Zusammenfassung Für die Wahrnehmung von Medienfiguren ist zunächst die erste Eindrucksbildung, in der die Medienfigur sozial kategorisiert wird, ganz elementar. Sie entscheidet darüber, ob der Rezipierende zu einer weiteren Auseinandersetzung mit der Medienfigur motiviert wird oder nicht. Die physische Attraktivität der Medienfigur ist ein zentraler Motivationstreiber, aber nicht der einzige. Ist die Medienfigur dem Rezipierenden bereits bekannt, kann dieser erste Schritt übersprungen werden und die relevanten Informationen werden top-down aus dem Gedächtnis abgerufen. Im weiteren Verlauf der Rezeption können nun verschiedene Formen der kognitiven, emotionalen und konativen Auseinandersetzung mit der Medienfigur stattfinden. Fühlt der Rezipierende sich in einer besonderen Weise adressiert und reagiert auf die Ansprache der Medienfigur, so zeigt er parasoziale Interaktionen mit der Medienfigur. Über mehrere Mediennutzungsepisoden hinweg kann sich daraus eine stabile parasoziale Beziehung entwickeln, die jedoch nur bedingt und in Ausnahmen mit einer realen sozialen Beziehung vergleichbar ist bzw. diese sogar ersetzt. Während bei einer parasozialen Interaktion der Rezipierende seine Perspektive und Identität nie aufgibt bzw. Beobachter des medialen Geschehens bleibt, so übernimmt er im Falle einer Identifikation die Perspektive und Rolle der Medienfigur mehr oder weniger komplett. Da sich jedoch Phasen der Identifikation mit Phasen der Beobachtung im Normalfall abwechseln, geht der Rezipient nur zeitweise in der Medienfigur und damit auch im medialen Geschehen auf und behält sich dadurch seine kritische Distanz und Möglichkeit der Reflektion bei. Auch bei den sozialen Vergleichsprozessen erhält der Rezipierende seine persönliche Perspektive, vergleicht sich jedoch bzgl. bestimmter Fähigkeiten und Eigenschaften <?page no="145"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 146 8 Wahrnehmung von Medienfiguren 146 mit passenden Medienfiguren. Je nach Wahl des Vergleichsstandards nimmt der Rezipierende einen Lateralvergleich, Abwärts- oder Aufwärtsvergleich vor, der- - unterschiedlich motiviert-- auch zu unterschiedlichen Konsequenzen für die Selbstbewertung und den Selbstwert führt. Parasoziale Interaktion, Identifikation und sozialer Vergleich haben eine konzeptuelle Nähe und überschneiden sich teilweise sogar, da beispielweise soziale Vergleichsprozesse auch in PSI-Konzepten angelegt sind (vgl. Gleich, 2014). Auch die empirischen Befunde zeigen Parallelen: So kann die empfundene Ähnlichkeit der Rezipierenden mit den Medienfiguren sowohl für parasoziale Prozesse, Identifikationsprozesse und soziale Vergleichsprozesse förderlich sein. Erste Studien deuten zudem an (vgl. Gleich, 2014; Wünsch, 2014), dass die drei Prozessarten eng miteinander verwoben sind und in der Summe die Auseinandersetzung mit einer Medienfigur vermutlich besser beschreiben und erklären können, als jede Prozessart für sich genommen. Die Forschung steckt diesbezüglich aber noch in den Kinderschuhen. Übungsaufgaben 1. Beschreiben Sie, wie und anhand welcher Kriterien sich Rezipientinnen und Rezipienten einen ersten Eindruck von Medienfiguren bilden und inwieweit die Wahrnehmung von Medienfiguren anders abläuft, wenn die Rezipierenden die Medienfigur bereits kennen. 2. In welcher Weise können Rezipientinnen und Rezipienten von Medienfiguren adressiert werden? Nennen Sie drei Varianten und geben Sie jeweils ein Beispiel aus der alltäglichen Erfahrung mit Medienfiguren im Fernsehen. 3. Worin unterscheiden sich PSI von PSB und inwieweit bestehen Zusammenhänge zwischen beiden? 4. Erklären Sie vor dem Hintergrund des Zwei-Ebenen-Modells parasozialer Interaktionen, wie sich PSI dynamisch im Rezeptionsprozess verändern können und von welchen Faktoren dies abhängt. 5. Eine PSI kann sich aus verschiedenen medienfigurbezogenen Teilprozessen zusammensetzen. Nennen Sie Beispiele für kognitive, affektive und konative Teilprozesse. 6. Nennen Sie vier zentrale Befunde der PSI/ PSB-Forschung 7. Nennen Sie Vor- und Nachteile der legendären Parasocial Interaction Scale von Rubin et al. 8. Definieren Sie Identifikation und grenzen Sie es von der parasozialen Interaktion ab. 9. Welche Varianten des sozialen Vergleichs lassen sich unterscheiden? Welche unterschiedlichen Motive stecken hinter diesen drei Vergleichsprozessen? Und auf welche dieser Prozesse würden Sie am ehesten als Programmverantwortlicher setzen, wenn sie ein neues quotenträchtiges Fernsehprogramm entwickeln wollen? <?page no="146"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 147 147 Zum Weiterlesen Zum Weiterlesen Cohen, J. (2001). Defining identification: A theoretical look at the identification of audiences with media characters. Mass Communication &-Society, 4, 245-264. Hier handelt es sich um einen grundlegenden definitorischen Artikel zur Identifikation, einem der meistzierten Artikel von Cohen, dem zurzeit wohl prominentesten Identifikations-Forscher unseres Faches. Hartmann, T. (2010). Parasoziale Interaktionen und Beziehungen. Baden-Baden: Nomos. Hartmann legt hier einen umfassenden, aktuellen und bestens strukturierten Überblick (ca. 120 Seiten) zur Historie und dem aktuellen Stand der PSI- und PSB-Forschung vor. Horton, D. &- Wohl, R. R. (1956). Mass Communication and Para-social Interaction: Observation on Intimacy at a Distance. Psychiatry, 19, 215-229. Der »Klassiker« von Horton und Wohl ist-- gerade aufgrund seines Alters-- sehr lesenswert: Die Urväter des PSI/ PSB-Konzeptes entwerfen eine präzise und inspirierende theoretische Analyse parasozialen Fernsehnutzungsverhaltens, u. a. mit den ersten entscheidenden Begriffsklärungen. Mares, M. L. &-Cantor, J. (1992). Elderly viewers’ responses to televised portrayals of old age: Empathy and mood management versus social comparison. Communication Research, 19, 459-478. Die Studie von Mares und Cantor, ebenfalls ein Klassiker der Rezeptionsforschung, zeichnet sich u. a. durch ihr originelles Forschungsdesign und eine nicht-studentische Stichprobe (ältere Personen) aus. Der Befund, dass ältere sozial isolierte Personen ihre Stimmung durch soziale Abwärtsvergleiche verbessern können, ist gesellschaftlich hoch brisant. <?page no="147"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 148 <?page no="148"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 149 149 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus Lernziele 1. Sie machen sich mit den verschiedenen Typen des Realitätsbezugs von Medien und Medieninhalten vertraut. 2. Sie lernen Entwicklungslinien des Realismus-Konzepts kennen. 3. Sie können die verschiedenen Dimensionen des Realismus-Konzepts voneinander abgrenzen. 4. Sie lernen, die Rolle von Fakt und Fiktion für Erleben und Wirkung von Medienprodukten einzuschätzen. Eine wichtige Funktion von Massenmedien ist es, das Publikum über Vorgänge und Ereignisse der Welt zu informieren-- etwa durch Nachrichten, Dokumentationen oder Reportagen. Bei diesen faktualen Formaten erwarten Menschen, dass es eine Korrespondenz zur Realität gibt, dass also die dargestellten Zustände und Ereignisse für die Zustände und Ereignisse in der Realität sprechen; umgekehrt legen die Massenmedien diesen Anspruch auch an sich selbst an und versprechen von sich aus durch das Angebot von faktual deklarierten Produkten eine Korrespondenz zur Realität. Bei fiktionalen Medieninhalten (z. B. Serien, Filme, Romane, Hörspiele) gilt dieser Korrespondenzanspruch nicht: Rezipierende wissen, dass eine Geschichte erfunden ist und der Autor keinen Anspruch erhebt, dass die Figuren wirklich existieren. Im Grunde genommen wäre es verständlich, wenn Rezipierende fiktionale Formate als gänzlich realitätsfern ablehnen, weder darauf emotional reagieren noch daraus nützliche Informationen für ihr Leben gewinnen können. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Rezipierende fühlen mit erfundenen Medienfiguren mit, sie trauern, wenn Medienfiguren in der Geschichte sterben, sie lernen aus fiktionalen Geschichten etwas über die reale Welt (vgl. Busselle &- Bilandzic, 2012). Ein wichtiger Faktor bei der Wirkung fiktionaler Formate ist dabei, inwiefern die Inhalte als realistisch empfunden werden (vgl. Busselle &- Greenberg, 2000; Potter, 1988). Empfundener Realismus (perceived realism oder auch preceived reality) bezeichnet die Nähe zwischen einem Medieninhalt und Aspekten der Realität. In diesem Kapitel werden neben dem Realitätsbezug von Medien und Medieninhalten die unterschiedlichen Konzeptualisierungen, Dimensionen und Anwendungsbereiche des empfundenen Realismus betrachtet. <?page no="149"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 150 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 150 9.1 Realitätsbezug des Medienproduktes: Faktualität-und-Fiktionalität 9.1.1 Definitionen der Werkkategorie Bevor man sich der Wahrnehmung von Rezipierenden zuwendet, ist es notwendig zu betrachten, wie das Werk im Vergleich zur Realität angelegt ist-- ob es also fiktional oder faktual ist (vgl. z. B. Busselle &- Bilandzic, 2012; Nickel-Bacon, Groeben &-Schreier, 2000; Schreier, 2003). Die Klassifikation eines Medienproduktes nennt man Werkkategorie (vgl. Rothmund, Schreier &-Groeben, 2001b). Definition: Werkkategorien (Rothmund et al., 2001b) 1. Faktuale oder nicht-fiktionale Formate erheben den Anspruch, eine wirklichkeitsnahe Repräsentation von Ereignissen, Zuständen oder Personen der Realität darzustellen; umgekehrt erwarten Rezipierende, dass faktuale Formate diesem Anspruch gerecht werden. Beispiele dafür sind Nachrichten, Reportagen, Dokumentationen, Interviews oder Biografien. 2. Fiktionale Formate erheben diesen Anspruch einer Verbindung zur Realität nicht. Die Ereignisse, Zustände oder Personen müssen nicht in der realen Welt tatsächlich existieren. Sie haben aber, indem sie über die Handlung wahrscheinliche Zustände herstellen, wahrscheinliche Reaktionen zeigen, Referenzen auf reale Settings und bisweilen auch reale Personen machen, ebenfalls einen gewissen Bezug zur Realität. Beispiele sind Spielfilme, Romane oder Hörspiele. 3. Hybride Formate mischen fiktionale und faktuale Elemente. Das kann von einer leichten Inszenierung in einer Reality-TV-Sendung reichen, bei der klar ist, dass die Personen zwar existieren, deren Handlungen aber durch ein Skript angeleitet werden- - bis hin zu einer doppeldeutigen Klassifizierung, bei der Rezipierende nicht entscheiden können, ob ein Werk fiktional oder faktual ist. Beispiele sind Reality-TV, Doku-Soaps, Reality-Soaps oder Pseudo-Dokumentationen. An sich fällt die Werkkategorie noch nicht in den Bereich der Rezeption; zunächst einmal ist es eine Eigenschaft des Medienproduktes. Allerdings kann das Etikett eines Medienproduktes vielfältige Konsequenzen für das Verarbeiten, Erleben und die Wirkung haben, die wir später noch genauer betrachten werden. Zudem hat die Forschung zum empfundenen Realismus ihren Ursprung in der Werkkategorie. Als die Kommunikationsforschung anfing, über den Realitätsgehalt von Medien nachzudenken, stand die Unterscheidung von faktualen (nicht-fiktionalen) und fiktionalen Formaten im Vordergrund. Einige Studien haben zum Beispiel festgestellt, dass das Etikett Fakt oder Fiktion eine Rolle für eine aggressionsfördernde Medienwirkung spielt. Wurde etwa eine gewalthaltige Szene aus dem Fernsehen als real (aus den Nachrichten <?page no="150"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 151 151 9.1 Faktualität-und-Fiktionalität stammend) dargestellt, dann hatte sie eine stärkere Wirkung auf aggressives Verhalten bei den Probanden, als wenn die gleiche Szene als fiktional (aus einem Film stammend) präsentiert wurde (vgl. z. B. Atkin, 1983; Berkowitz &-Alioto, 1973). Faktual wurde in diesen Studien mit realistisch gleichgesetzt, fiktional mit unrealistisch. Das ist natürlich problematisch, da auch fiktionale Werke als mehr oder weniger realistisch empfunden werden können. Später hat man Fiktionalität von Unrealismus differenziert; nichtsdestotrotz bleibt die Frage bestehen, wie das Etikett Fiktionalität oder Faktualität auf Rezipierende wirkt und wie es die Art und Weise des Erlebens und die Wirkung verändert. 9.1.2 Kognitive und emotionale Verarbeitung der Werkkategorie Hinter der Erforschung von Fiktion steht letztlich ein Rätsel-- warum reagieren Menschen auf fiktionale Figuren und Situation emotional? Wenn Figuren nicht existieren, weil sie nur der Phantasie eines Autors entsprungen sind, sollte man in einem Film oder Buch vernünftigerweise nicht um ihr Leben bangen, nicht traurig über eine unerwiderte Liebe der Figur sein und sich über deren Erfolge auch nicht freuen. Die Figuren erleiden ja dieses Schicksal nicht wirklich. Das Phänomen, dass Rezipierende dennoch fiktionale Figuren emotional erleben, nennt man das fiktionale Paradox (vgl. Gendler &-Kovakovich, 2005; Yanal, 1999). Definition: fiktionales Paradox Das fiktionale Paradox bezeichnet den Umstand, dass Rezipierende mit fiktionalen Figuren mitfühlen und auf fiktionale Situation so reagieren, wie es in realen Situationen adäquat wäre-- auch wenn weder die Personen noch die Situationen in der Realität existieren. Busselle und Bilandzic (2008) tragen gängige Auflösungen dieses Paradoxons zusammen: 1. Die erste Möglichkeit ist, dass die Emotionen, die im Rahmen einer fiktionalen Geschichte auftreten, anders sind als diejenigen, die man in realen Situationen hat. Einiges spricht allerdings gegen diese Position, vor allem die Tatsache, dass es für Menschen ein alltäglicher Vorgang ist, sich in imaginierte Situationen hineinzuversetzen, beispielsweise um Handlungsentscheidungen zu treffen (vgl. Damasio, 1999). Die dabei aktivierten Emotionen helfen, sich die Handlung vorzustellen und ihre Konsequenzen zu bewerten. Wären die Emotionen in imaginierten Situationen fundamental anders als die in realen Situationen, könnten sich Menschen diese Funktion nicht zunutze machen; es gibt viele Hinweise darauf, dass Emotionen in echten Situationen mit denen in fiktionalen Situationen übereinstimmen (vgl. Gendler &-Kovakovich, 2005). <?page no="151"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 152 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 152 2. Eine andere Möglichkeit ist die, dass Rezipierende ihr Wissen um die Fiktionalität einer Geschichte und ihrer Figuren willentlich unterdrücken. Diese Position wird Willing Suspension of Disbelief bezeichnet (ein Begriff, der geprägt wurde vom Schriftsteller Coleridge, 1907), und sagt im Wesentlichen aus, dass Menschen ihren Unglauben an die fiktionale Welt überwinden müssen, um eine Geschichte zu verarbeiten und emotional mitzuerleben. Auch gegen diese Position gab es Einspruch, da Menschen generell einem Text nicht mit Ungläubigkeit begegnen, sondern die Aussagen zunächst einmal als wahr betrachten, um sie zu verstehen. Wenn man eine Aussage kritisch beleuchten und sie als unwahr klassifizieren will, dann kostet das zusätzliche mentale Ressourcen (vgl. Gilbert, 1991). Prentice und Gerrig verwerfen daher die Vorstellung einer Suspension of Disbelief und nehmen den gegenläufigen Prozess an, eine Construction of Disbelief (vgl. Prentice &- Gerrig, 1999; Prentice, Gerrig &- Bailis, 1997): Ungläubigkeit ist nicht der natürliche Modus, mit dem Rezipierende Geschichten begegnen, sondern muss bei Bedarf eigens konstruiert werden, indem man mentale Ressourcen investiert, um die Geschichte kritisch zu beleuchten. Böcking (2008) betrachtet Suspension of Disbelief nicht in dieser engen Fassung, sondern bezeichnet damit eine tolerante Verarbeitung, die nach Maßgabe von Genrekonventionen einen größeren Spielraum für Akzeptanz fiktionaler (und von der Realität abweichender) Darstellungen erlaubt. 3. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die Verarbeitung fiktionaler Information nicht als Problem anzusehen, sondern als alltäglichen, normalen Vorgang der narrativen Bedeutungsverarbeitung (vgl. Busselle &- Bilandzic, 2008; Gerrig &- Rapp, 2004; Yanal, 1999). Wenn externe Hinweise wahrgenommen werden, dass ein Text fiktional ist (über das Genre, den Klappentext etc.), ist das eine Aufforderung an die Rezipierenden, sich auf die Konstruktion eines mentalen Modells der Geschichte einzustellen, die mit der externen Welt übereinstimmen kann, aber nicht muss (vgl. Segal, 1995). Wie beim Genre kann man hier von einer Art (stillem, gedachtem) Vertrag zwischen Autorinnen oder Autoren und dem Publikum ausgehen (vgl. Casetti, 2001): Die Autorin oder der Autor verspricht eine Geschichte zu erzählen, die sich vielleicht nicht so in der realen Welt zugetragen hat und deren Figuren in der Realität nicht existieren; dabei ist klar, dass die kreative Schaffung der Geschichte keine Lüge ist-- die Wahrheit wird nicht behauptet (noch wird sie geleugnet). Leserinnen und Leser hingegen generieren bei der Rezeption einer fiktionalen Geschichte Erwartungen, die man generell mit Fiktion verbinden darf: Beispielsweise die Erwartung, dass die Geschichte innerhalb des vorgesehenen Umfangs zu einem Ende kommt, dass etwas wirklich Erzählenswertes berichtet wird, dass man aus den Handlungen der Figuren auf deren Persönlichkeit schließen kann. Auf dieser Grundlage verarbeiten Rezipierende die Handlung, die Figuren, die Motivationen und Intentionen einer Geschichte. Die Rezipierenden vergessen während der Verarbeitung nicht, dass sie es mit Fiktion zu tun haben, verwechseln die Geschichte nicht mit der Realität und müssen sich auch nicht anstrengen, um dieses Wissen zu <?page no="152"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 153 153 9.1 Faktualität-und-Fiktionalität unterdrücken. Vielmehr nehmen Busselle und Bilandzic (2008) an, dass Rezipierende die Tatsache, dass ein Text fiktional ist, zunächst einmal wie jedes andere Faktum einer Geschichte verarbeiten. Mit der Zeit vertiefen sie sich immer mehr in die Geschichte und verarbeiten den Ablauf und Wechsel von Ereignissen, Handlungen, Figuren, Kausalität und Intention (vgl. Zwaan, Langston &-Graesser, 1995), so dass sie das Wissen um die Fiktionalität nicht ständig aktualisieren. So können wir die Geschichte verstehen und miterleben, wir denken nur nicht ständig an deren Fiktionalität. Busselle und Bilandzic (2008) konzeptualisieren das Wissen um die Fiktionalität eines Werkes als stillschweigend (tacit knowledge, vgl. Polanyi, 1958)-- Wissen, das nicht aktiv verwendet wird, aber durchaus hervorgeholt werden kann, wenn es nötig wird. Es spricht einiges dafür, dass das bloße Etikett eines Textes, fiktional oder faktual zu sein, bei der Verarbeitung und Bedeutungskonstruktion eine untergeordnete Rolle spielt: Es ändert weder das intensive narrative Erleben einer Geschichte (vgl. Green &-Brock, 2000) noch die Figurenbewertung (vgl. Green &-Donahue, 2011). Ebenso konnte man keine unterschiedlichen Effekte auf Einstellungen finden (vgl. Green &- Brock, 2000; Green, Garst, Brock &- Chung, 2006; Strange &- Leung, 1999); selbst eine Geschichte, von der bekannt ist, dass sie vom Autor erfunden wurde, hat immer noch eine Wirkung auf Einstellungen (vgl. Appel &-Maleckar, 2012; Green &-Donahue, 2011). Diese Befunde stehen in einem Widerspruch zu den frühen bereits erwähnten Studien, die herausgefunden haben, dass faktuale gewalthaltige Medieninhalte Aggression stärker fördern (vgl. z. B. Atkin, 1983; Berkowitz &-Alioto, 1973). Da dort Verhalten und Verhaltensintentionen als abhängige Variable fungierten, bei Green und Kollegen aber Einstellungen, die von der Geschichte nahegelegt werden, könnten die unterschiedlichen Ergebnisse durchaus darin begründet sein-- es bleibt allerdings die Frage offen, ob und unter welchen Bedingungen ein faktualer Inhalt mehr oder weniger Wirkungen entfaltet als ein fiktionaler. Die Frage nach den Prozessen, die bei der Verarbeitung der Fiktionalitätsinformation am Werk sind, ist daher von hoher Relevanz. Der Ansatz von Shapiro und Lang (1991) kann hier helfen. Die Autoren sehen die Fiktionalität oder Faktualität als Kontextinformation zu einer Gedächtnisspur: Ereignisse, die eine Person erlebt (in eigener oder medialer Erfahrung) werden als unabhängige Gedächtnisspuren gespeichert. Jede Gedächtnisspur enthält kontextuelle Informationen darüber, wo und wie sie erworben wurde, also eben auch, ob ein Ereignis aus dem Fernsehen, dem Radio, der Zeitung oder aus persönlicher Erfahrung stammt. Normalerweise können Menschen ihre Erinnerungen gut nach ihrem Realitätsbezug sortieren. Wenn sie aufgefordert werden, ein Urteil über die reale Welt abzugeben, werden sie versuchen, nur relevante und anwendbare (also faktuale) Gedächtnisspuren in ihr Urteil miteinzubeziehen. Fiktionale Fernsehinformation sollte unter normalen Umständen nicht als relevant <?page no="153"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 154 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 154 für Reale-Welt-Urteile empfunden werden. Das gelingt allerdings nicht immer. Oft geht der Kontext einer Erinnerung verloren, weil er etwa vergessen oder mit einer realen Quelle verwechselt wird. Nur dann kann fiktionale Information in Reale-Welt- Urteile einfließen (vgl. Shapiro &-Lang, 1991; Shrum, 2009). 9.2 Empfundener Realismus 9.2.1 Dimensionen von empfundenem Realismus Bisher haben wir den Realitätsbezug (fiktional-faktual) als eine binäre Eigenschaft des Medieninhaltes betrachtet. Man kann jedoch innerhalb dieser beiden Kategorien jeweils noch Abstufungen finden, in welchem Ausmaß der Medieninhalt von den Rezipierenden als wahrhaft empfunden wird. Busselle und Bilandzic (2012) betonen, dass die Natur dieser Wahrhaftigkeitsempfindung sich je nach Inhalt ändert. Bei fiktionalen Formaten spricht man von empfundenem Realismus. Da faktuale Formate eine Repräsentation eines Realitätsbereiches versprechen, spricht man hier nicht von Realismus, sondern von Richtigkeit oder Repräsentativität. Die Rezipierenden beurteilen dann etwa die Vertrauenswürdigkeit (credibility oder trust) von Medien (vgl. Kohring, 2004; Kohring &-Matthes, 2007; Metzger, Flanagin, Eyal, Lemus &-McCann, 2003) oder Online-nachrichten/ -informationen (vgl. z. B. Chung, Nam &-Stefanone, 2012). Bei hybriden Medienformen wie etwa Reality-TV passen weder Realismus noch Vertrauenswürdigkeit vollständig. Vielmehr bewerten die Zuschauerinnen und Zuschauer die Authentizität der Darstellung, ob etwa die Ereignisse von selbst passieren oder inszeniert sind, oder ob die dargestellten Ereignisse tatsächlich passiert sind und nicht durch Spezialeffekte nur vorgetäuscht waren (vgl. Busselle &- Bilandzic, 2012; Hall, 2009; Hill, 2005). Im Folgenden soll der empfundene Realismus näher betrachtet werden. Das Realismus-Konzept hat in den 1970er- und 1980er-Jahren Eingang in die Medienwirkungsforschung gefunden (vgl. Überblick bei Potter, 1988). Ganz unterschiedliche Felder und Theorieansätze verwendeten Realismus, was zwar zu einer breiten Relevanz des Konzeptes führte, aber auch zu einer mannigfaltigen und wenig systematischen Verwendung und Operationalisierung (vgl. Appel, 2004). Daher ist Realismus vermehrt auch als bloßes Rezeptionsphänomen (unabhängig von der Wirkung) analysiert worden, um seine theoretische Klärung voranzutreiben (vgl. z. B. Busselle &- Greenberg, 2000; Potter, 1988; Shapiro &- Lang, 1991). Heute besteht Konsens darüber, dass es sich bei Realismus um ein multidimensionales Konstrukt handelt. Die Frage ist nur: Was ist die richtige Anzahl und Auswahl der Dimensionen? Busselle und Greenberg (2000) sichteten die umfängliche Literatur und schlagen aufbauend auf einer Systematik nach Hawkins (1977) und Potter (1988) sechs grundlegende Dimensionen von Realismus vor-- hier bezogen auf das Medium Fernsehen: <?page no="154"?> 9.2 Empfundener Realismus www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 155 155 1. Das magische Fenster (magic window) sieht Realismus auf einem Kontinuum zwischen reiner Fiktion und einem Fenster, das dem Zuschauer einen unverstellten Blick auf die reale Welt erlaubt (vgl. Hawkins, 1977; Potter, 1988). Der Medieninhalt wird dann als realistisch empfunden, wenn man der Überzeugung ist, dass das Fernsehen Personen und Situationen zeigt, die auch unabhängig vom Fernsehen existieren (vgl. Hawkins, 1977). Für dieses Phänomen wird bisweilen auch der Begriff Faktualität (factuality) verwendet (vgl. z. B. Fitch, Huston &-Wright, 1993). Im Prinzip geht es hier um das Erkennen der Werkkategorie. In der Regel gibt es nur in Ausnahmen Fehlinterpretationen; relevant ist dies vor allem bei Kindern, da diese erst mit der Zeit verstehen, dass Personen und Ereignisse des fiktionalen Fernsehens nicht tatsächlich existieren bzw. passiert sind. Busselle und Greenberg (2000) merken an, dass über diesen Entwicklungsaspekt hinaus die Dimension des magischen Fensters auch die Einsicht enthält, dass die Figuren im Fernsehen nicht mit den Schauspielern gleichzusetzen sind. Potter (1988) unterscheidet hier weiterhin zwei Subkomponenten: (1) Die syntaktische Subkomponente drückt aus, wie sehr der Stil und die Form einer Medienbotschaft geeignet sind, das Realitätsempfinden zu bestärken. So mag eine Fantasy-Welt mit ihren Hobbits, Elben, Zauberern und Orks in formaler Hinsicht nicht dem entsprechen, was wir aus unserer realen Welt gewöhnt sind. Eine andere Facette der syntaktischen Komponente ist die Produktionsqualität, die in einer schlechten Qualität die wahrnehmungsmäßige Überzeugungskraft (perceptual persuasiveness), wie Hall (2003) feststellt, mindern kann. In diesem Fall kann die Darstellung keine überzeugende visuelle Illusion herstellen. (2) Die semantische Subkomponente drückt hingegen aus, wie sehr die durch eine Botschaft vermittelte Bedeutung als realistisch wahrgenommen wird. Beim »Herrn der Ringe« geht es um allgemeingültige menschliche Themen-- um Macht, Gier, Freundschaft, Liebe und Loyalität, um Themen also, die unabhängig vom Setting in einer Fantasiewelt auch in unserer realen Welt relevant und insofern in semantischer Hinsicht realistisch sind. 2. Der soziale Realismus (social realism, vgl. auch Fitch et al., 1993) drückt das Ausmaß aus, in dem Fernsehinhalte als ähnlich zum echten Leben empfunden werden. Hawkins (1977) prägte dieses Verständnis unter dem Begriff Social Expectations, das Realismus als die Übereinstimmung zwischen der Erwartung, wie das soziale Leben ablaufen soll oder normalerweise abläuft, und der Fernsehdarstellung sieht. Man kann hier zwei Aspekte unterscheiden (vgl. Busselle &-Greenberg, 2000): (1) das Ausmaß, in dem die Mediendarstellung mit den eigenen Erfahrungen übereinstimmt, und (2) das Ausmaß, in dem die Darstellung mit dem Bild der Rezipierenden von der Welt außerhalb ihrer unmittelbaren Umgebung übereinstimmt (z. B. dass es in amerikanischen Serien als ungewöhnlich dargestellt wird, wenn jemand nicht Auto <?page no="155"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 156 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 156 fahren kann, leuchtet durchaus ein, auch wenn man selbst noch nie in den USA war). 3. Plausibilität sagt aus, ob das Dargestellte im Fernsehen auch in der realen Welt existieren könnte (vgl. Dorr, 1983). Für diese Bedeutung wird auch bisweilen der Begriff Möglichkeit (possibility) verwendet. Beispielsweise ist die Existenz von Hobbits aus den Werken von J. R.R Tolkien in der echten Welt (nach unserem heutigen Dafürhalten! ) unmöglich und somit unplausibel auf dieser Realismus- Dimension. 4. Wahrscheinlichkeit (probability) drückt aus, wie häufig ein Ereignis in der realen Welt vorkommt. Natürlich kann es sein, dass ein Heuschreckenschwarm sich nach einem besonders milden Winter über Deutschlands Grünflächen hermacht (Plausibilität); wahrscheinlich ist es aber nicht in unseren Breitengraden (Wahrscheinlichkeit). Shapiro bezeichnet diese Dimension als absoluten Realismus (vgl. Shapiro, Pena-Herborn &-Hancock, 2006), weil sie die Passung zur Häufigkeit in der Realität ausdrückt (im Gegensatz zum relativen Realismus, der danach fragt, ob sich das Ereignis so abspielen würde, wenn es denn tatsächlich passiert; im Detail siehe weiter unten). 5. Identität oder Involvement drückt das Ausmaß aus, in dem Zuschauer Bezüge zum Fernsehinhalt herstellen und sich in die Inhalte involvieren können und in welchem Maße sie sich den Fernsehfiguren nahe fühlen. Dass diese Dimension relevant ist, bestätigt eine Studie von Hall (2003), die in Gruppendiskussionen untersuchte, was Zuschauer selbst unter Realismus verstehen. Sie findet dabei eine Dimension, die sie Involvement betitelt: Zuschauer geben hier an, dass sie eine Sendung für realistisch halten, bei der sie die Emotionen der Fernsehpersonen mitfühlen können oder in anderer Weise auf den Inhalt affektiv reagieren können. Potter (1988) beschreibt Identität mit einer starken Ähnlichkeit zu parasozialer Interaktion und Beziehung (ohne sie allerdings so zu nennen): »[Viewers] might find themselves thinking about, worrying about and talking about that character […] they have created a strong sense of realness about that character just like the feelings they hold for people in their lives« (S. 28). Die Fernsehfiguren werden also real durch die parasoziale Beziehung, die die Zuschauerinnen und Zuschauer herstellen. 6. Nützlichkeit schließlich bezeichnet den Grad, mit dem Fernsehinhalte einen Nutzen für das eigene Leben erbringen (vgl. Potter, 1992). Wenn man beispielsweise den Eindruck hat, dass eine Sitcom gute Lösungsansätze für Streit zwischen Freunden zeigt, empfindet man die Sitcom als nützlich und damit als realistisch. Zu dieser Kategorisierung kann man noch zwei Dimensionen hinzufügen: 7. Narrativer Realismus drückt das Ausmaß der inneren Stimmigkeit einer Geschichte aus (vgl. Busselle &-Bilandzic, 2008) und wird auch als narrative Konsistenz (vgl. <?page no="156"?> 9.2 Empfundener Realismus www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 157 157 Hall, 2003) oder narrative Wahrscheinlichkeit (vgl. Fisher, 1987) bezeichnet. Er liegt dann vor, wenn Zuschauer keine Fehler und Inkonsistenzen in einer Geschichte finden, und die zum Verständnis nötigen Informationen geliefert werden. 8. Relativer Realismus: Shapiro und Chock (2003) sehen Realismus als das Resultat eines mentalen Abgleichprozesses zwischen dem, was man im Fernsehen sieht, und dem, was man im Kopf hat als einen typischen Ablauf eines Ereignisses oder einer Person. Diese Form nennen sie relativen Realismus; er drückt aus, ob ein Ereignis realistisch ist, wenn es denn tatsächlich in der realen Welt passieren würde (vgl. Shapiro et al., 2006). Dabei ist der Grad, in dem Personen Ereigniselemente als typisch empfinden, von Relevanz. Beispielsweise würde man die Darstellung einer Reifenpanne danach beurteilen, ob sie dem individuellen Prototypen (also einem durchschnittlichen, typischen Beispiel) einer Reifenpanne entspricht und inwieweit sie davon abweicht-- und zwar unabhängig davon, ob sie selbst schon einmal eine Reifenpanne hatten oder nicht. Was zählt, ist ihre Vorstellung von einem typischen Ablauf. Auch Hall (2003) konnte in ihrer qualitativen Studie die Relevanz der Typizität als Kriterium für Realismus bestätigen. Unter der Lupe: Realismus-Urteile Realismus wird intuitiv auch von Laien verstanden; auch ganz direkte Fragen (»Wie realistisch schätzen Sie diese Sendung ein? «) werden bereitwillig beantwortet. Allerdings ist die Erhebung von Realismus trotz der scheinbaren Plausibilität des Konstrukts nicht ganz trivial. Das Ergebnis der Messung hängt nämlich entscheidend von einigen Punkten ab. Zum einen ist dies der Bezugspunkt des Urteils (vgl. Greenberg &-Reeves, 1976; Hawkins, 1977). Busselle und Greenberg (2000) unterscheiden hier zwischen Abstraktionsniveau und Bezugsobjekt. Sie nennen vier Abstraktionsniveaus: 1. Globale Ebene: Das Urteil wird bezogen auf das Medium abgefragt, z. B. »Sind die Familien im Fernsehen wie Familien im richtigen Leben? « 2. Genre-Ebene: Das Urteil wird bezogen auf einzelne Genres abgefragt: »Sind die Familien in Sitcoms wie Familien im richtigen Leben? « 3. Serien-Ebene: Das Urteil wird bezogen auf einzelne Serien abgefragt: »Sind die Familien in ›Big Bang Theory‹ wie Familien im richtigen Leben? « 4. Episoden-Ebene: Das Urteil wird bezogen auf eine eben rezipierte Folge abgefragt: »Sind die Familien in dieser Folge der Serie ›Big Bang Theory‹ wie Familien im richtigen Leben? « Bezugsobjekte können im Prinzip alle dargestellten Einheiten sein: Figuren, Berufsgruppen, Familien, Beziehungen, Ereignisse, Handlungen, Gefühle (vgl. Busselle &-Greenberg, 2000). <?page no="157"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 158 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 158 On-line-/ Off-line-Urteilsbildung: Urteilsbildung (generell, nicht nur zu Realismus) kann auf zwei Arten erfolgen: Urteile können (1) on-line gebildet werden, also während der Rezeption eines Films oder eines Buchs; oder (2) im Nachhinein (off-line, erinnerungsgestützt), nach der Rezeption, dies dann oft auf Basis eines Gesamturteils über das Werk (vgl. Busselle &-Bilandzic, 2008; Hall, 2009). In der Regel erhebt man in der Kommunikationswissenschaft das Off-line-Urteil, indem man nach der Rezeption einer Sendung, eines Textes oder Audiostücks nach dem empfundenen Realismus mit standardisierten Skalen fragt. On-line-Urteile zu erheben, ist wesentlich schwieriger. Eine Möglichkeit ist, die Probanden nach der ersten Rezeption den Text noch einmal durchgehen und markieren zu lassen, wo sie Fehler oder Unstimmigkeiten entdeckt haben (vgl. Green &-Brock, 2000). Das ist freilich ein indirektes Maß und gibt nur die Grundlage für negative Urteile an. Man könnte auch mit dem lauten Denken arbeiten und während der Rezeption alle Gedanken verbalisieren lassen, die dem Rezipierenden durch den Kopf gehen, und nicht nur die negativen. Das hat den Vorteil, dass die Rezipierenden nicht gezielt nach Fehlern suchen und dadurch die Urteile ins Negative verzerren. Da der empfundene Realismus aber in jedem Fall ein Urteil ist, kommt man ohne eine Form des Selbstberichtes nicht aus und muss in Kauf nehmen, dass jede Messung mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet ist. 9.2.2 Integratives Modell zu Realitäts-Fiktions-Unterscheidungen Rothmund, Schreier und Groeben (2001b) bringen die geläufigen Realismus-Dimensionen nach einem ausführlichen Literaturbericht (vgl. Rothmund, Schreier &-Groeben, 2001a) in ihrem integrativen Modell zu Realitäts-Fiktions-Unterscheidungen auf eine noch abstraktere Ebene mit drei Dimensionen: 1. Die Werkkategorie (s.-oben) drückt aus, ob ein Medienprodukt als ein fiktionales oder nonfiktionales Produkt erkannt wird. Rezipierende erkennen dies im Regelfall an formalen Merkmalen, wie etwa dem Vorspann, Titel oder dem Kontext (wenn man etwa sich ein Buch aus der Abteilung Krimi holt oder ins Kino geht). 2. Der Erfahrungsinhalt bezeichnet die Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit, dass die medial vermittelten Inhalte tatsächlich im realen Leben vorkommen. Die Wirklichkeitsnähe ergibt sich dabei aus einem Vergleich mit dem subjektiven Weltwissen; wenn es hier Diskrepanzen gibt, so wird die Mediendarstellung als unrealistisch empfunden. Rothmund, Schreier und Groeben differenzieren diese Ebene noch nach dem Bezugsobjekt: (1) Der materiellen Welt gehören alle körperlich-stofflichen Phänomene an, etwa die Beschaffenheit der Umwelt oder die Lebensformen. (2) Die Erlebenswelt beschreibt das Handeln und Erleben der Figuren, etwa die sozialen Beziehungen und die Emotionen. <?page no="158"?> 9.2 Empfundener Realismus www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 159 159 (3) Die Geisteswelt schließt alle geistig-ideellen Phänomene ein, etwa Normen, Wissen und Gedanken von Figuren. Der Erfahrungsinhalt wird dann auf allen drei Ebenen nach Wirklichkeitsferne oder -nähe beurteilt, wobei die zwei Dimensionen Plausibilität und Wahrscheinlichkeit, die bei Busselle und Greenberg noch getrennt waren, nun fusioniert sind: Wirklichkeitsnah ist ein Inhalt, wenn er möglich und wahrscheinlich ist, schwach wirklichkeitsnah ist ein Inhalt, wenn er möglich, aber unwahrscheinlich ist, und wirklichkeitsfern ist ein Inhalt, wenn er unmöglich und somit auch unwahrscheinlich ist. 3. Das dritte Kriterium ist der Erfahrungsmodus. Dieser stellt die Art und Weise des medialen Erlebens dar und gibt an, wie sehr die Rezeptionserfahrung mit der eigenen Erfahrung im realen Leben übereinstimmt- - Zuschauer können sich etwa emotional involvieren, Beziehungen mit Fernsehpersonen eingehen oder das Gefühl haben, unmittelbar am Geschehen teilzuhaben. Auch hier gibt es wieder die drei Typen von Bezugsobjekten wie beim Erfahrungsinhalt: (1) Materielle Welt meint hier die Wahrnehmungsqualität und -intensität (beispielsweise ist ein Farbfilm auf dieser Ebene realistischer als ein Schwarzweiß- Film, weil er dem Wahrnehmungseindruck der realen Welt besser entspricht); (2) Erlebenswelt beschreibt hier Erlebnis- und Handlungsqualitäten wie etwa emotionales Mitfühlen, parasoziale Interaktion oder Präsenzerleben; (3) Geisteswelt verweist schließlich auf den Zugang zur Information, etwa, ob mehrere Informationskanäle gleichzeitig angesprochen werden. In dieser Systematik werden Urteile ebenfalls nach den drei Stufen gefällt; die Einschätzung folgt dieser Logik: • wirklichkeitsnah ist ein Inhalt, wenn er in der Rezeption so empfunden wird wie eine echte-Welt-Erfahrung; • schwach wirklichkeitsnah ist ein Inhalt, wenn das mediale Erleben im Vergleich zu einer Erfahrung in der echten Welt deutlich weniger reichhaltig ausfällt; • wirklichkeitsfern ist ein Inhalt, wenn das mediale Erleben einer Erfahrung in der echten Welt überhaupt nicht nahekommt. Rothmund, Schreier und Groeben sehen nun das Gesamturteil über den Realismus als eines an, das sich aus den Urteilen zu Werkkategorie, Erfahrungsinhalt und Erfahrungsmodus zusammensetzt. 9.2.3 Realismus als asymmetrisches Konstrukt Busselle und Bilandzic (2008) bauen ihr Modell von Realismus auf dem Verarbeitungsprozess auf, der bei der Rezeption einer Geschichte abläuft (vgl. Kapitel 7). Um die Bedeutung einer Geschichte zu verarbeiten, konstruieren Rezipierende mentale <?page no="159"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 160 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 160 Modelle der Geschichte, die die wichtigsten Informationen enthalten: Zeit, Raum, Kausalität, Intentionalität und Protagonisten sowie die Merkmale der narrativen Welt. Wenn Rezipierende den Realismus einer Geschichte während der Rezeption (online) evaluieren, dann rührt das aus einer empfundenen Inkonsistenz zwischen den konstruierten mentalen Modellen, der eingehenden Information aus der Geschichte sowie dem Wissen, das Rezipierende anderswo erworben haben. Eine Inkonsistenz zwischen den mentalen Modellen und der eingehenden Information aus der Geschichte mündet in negative Urteile zum narrativen Realismus: Die Geschichte wird als inkohärent oder unplausibel empfunden. Eine Inkonsistenz zwischen den mentalen Modellen und dem Weltwissen mündet in negative Urteile zum externen Realismus: Eine Geschichte wird als abweichend von der Realität empfunden. Letzteres ist allerdings nicht bei allen Abweichungen der Fall: Das Genre und die spezifische Geschichtenlogik setzen den Rahmen dafür, was in einer fiktionalen Welt möglich ist. Nur Abweichungen, die von der Geschichtenlogik und dem Genreschema nicht erklärt werden, verursachen negative externe Realismus-Urteile. Wenn solche negativen Realismus-Urteile während der Rezeption auftreten, so wird das auch die retrospektiven (Off-line-)Urteile negativ beeinflussen. Nun kommt der asymmetrische Aspekt in dem Modell: Busselle und Bilandzic argumentieren, dass Rezipierende normalerweise keinen Grund haben, während der Rezeption über den Realismus eines Werkes nachzudenken. Dies tritt nur dann auf, wenn eine Inkonsistenz beobachtet wird, die nicht von der Geschichte oder dem Genre erklärt wird. In diesem Fall gibt es ein negatives On-line-Urteil. Wenn aber die Verarbeitung ohne eine solche Störung abläuft, ist Realismus kein Thema- - das bedeutet, dass positive On-line-Urteile nicht auftreten sollten. Damit ist das Konstrukt asymmetrisch: »individuals become aware of [realism] only when it is in a negative state« (Busselle &- Bilandzic, 2012, S. 180). Im Nachhinein können aber natürlich solche positiven Urteile auf eine Aufforderung oder einen sonstigen Anreiz hin abgegeben werden. Eine solche Aufforderung, wie sie typischerweise in Fragebögen enthalten ist, kann jedoch die Rezipierenden überhaupt erst aufmerksam auf mögliche Probleme mit dem Realitätsgehalt machen, so dass die Urteile unter dem Strich negativer ausfallen könnten (vgl. Busselle &- Bilandzic, 2012). Hingegen nehmen die Autoren an, dass die Fiktionalität selbst nicht dazu führt, dass man die Unwahrheit der Geschichte vergessen oder ausblenden muss (wie im Suspension of Disbelief angenommen). Die Rezipierenden sind also einer Geschichte gegenüber nicht misstrauisch, nur weil sie fiktional ist. 9.2.4 Modell der Hinweisverarbeitung (Cue Processing Model) Shapiro und Kim (2012) (vgl. Kasten »Beispielstudie«) weisen darauf hin, dass Menschen in einem komplexen kognitiven Prozess Hinweise auf Realismus und Unrealismus verarbeiten. Auf Basis dieser Hinweisreize sind sie dann in der Lage, ein Urteil über Realismus zu fällen. Als besonders starke Hinweise fungiert das Aus- <?page no="160"?> 9.2 Empfundener Realismus www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 161 161 maß, in dem die Ereignisse und Personen einer Geschichte als typisch angesehen werden. Je typischer die Elemente der Geschichte, umso eher betrachten Menschen eine Geschichte als realistisch. Je untypischer die Elemente der Geschichte, umso unrealistischer fällt auch das Gesamturteil aus. Dieser Zusammenhang konnte bereits mehrfach nachgewiesen werden (vgl. Shapiro &-Chock, 2003, 2004). Nun adaptieren die Autoren die Argumentation, die zur Ablehnung von Suspension of Disbelief geführt hat, auf Realismus: Eine Geschichte wird zunächst als realistisch betrachtet; eine Beurteilung als unrealistisch erfordert weitere Ressourcen-- und nur wenn ausreichend von diesen verfügbar sind, wird das anfängliche (per Voreinstellung positive) Urteil korrigiert. Diese einfache Parallele zur Fiktionalität lehnen Shapiro und Kim allerdings ab. Für sie ist nicht der (positive) Realismus die Ausgangsposition, sondern eine bereits vor der Rezeption vorhandene Vorstellung vom Realismus eines Textes bzw. der nach einigen Sekunden gebildete erste Eindruck vom Realismus. Dieser wird dann nur noch im Laufe der Rezeption modifiziert und zwar nach zwei Faktoren: 1. Der erste Faktor ist bereits bekannt: Menschen verfolgen typische und untypische Elemente einer Geschichte. 2. Der zweite Faktor besteht aus den für die Verarbeitung der Geschichte verfügbaren Ressourcen. Davon hängt ab, was aus dem anfänglichen Realismus-Urteil wird. Wenn das anfängliche Urteil eindeutig positiv oder negativ ist und nur wenige Ressourcen vorhanden sind, um dieses Urteil gründlich zu durchdenken, dann bleiben die Leute einfach bei dem anfänglichen Urteil, auch wenn sie typische oder untypische Elemente eigentlich umstimmen sollten. Wenn jedoch ausreichend Ressourcen vorhanden sind, beziehen Rezipierende die Hinweisreize der Typikalität und Untypikalität ein und korrigieren ihr Urteil entsprechend. Beispielstudie Shapiro, M. A. &-Kim, H. K. (2012). Realism judgments and mental resources: A cue processing model of media narrative realism. Media Psychology, 15(1), 93-119. Verdienste: Die drei Studien in dieser Publikation erforschen die Mechanismen, wie Realismus-Urteile zustande kommen. Neu ist die Annahme, dass verfügbare mentale Ressourcen einen Einfluss auf Realismus-Urteile haben; eine Prüfung findet in drei ausgeklügelten Experimenten statt. Ziele: Die Experimente testen die Annahmen des Cue Processing Models (s.-oben): Wenn Menschen keine mentalen Ressourcen zur Verfügung haben, sind sie nicht in der Lage, Hinweise über die Typizität zu verarbeiten und bleiben bei dem Urteil, das sie am Anfang der Rezeption gefällt haben. Wenn sie jedoch ausreichend mentale Ressourcen zur Verfügung haben, beziehen sie die Hinweise über die Typizität ein und modifizieren ihr Urteil entsprechend. <?page no="161"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 162 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 162 Aufbau (Experiment 1): Probanden bekamen Audio-Geschichten zu hören, die sich in ihren typischen und atypischen Elementen unterschieden. Die Geschichten wurden von den Forschern in einer Vorstudie entwickelt. Dazu sollten Probanden der Vorstudie zu vier Szenarien (z. B. zwei junge Männer sind in einen leichten Verkehrsunfall verwickelt und geraten aneinander) typische und untypische Ereignisse auflisten. Diese Nennungen wurden dann einer zweiten Gruppe an Probanden vorgelegt, die sie danach beurteilten, in welchem Maße sie typisch oder untypisch für das jeweilige Szenario sind. Zu drei dieser Szenarien konnten die Forscher dann Geschichten konstruieren. Für jedes Szenario gab es dabei drei Versionen: eine Version, in der 18 Elemente eingebaut wurden, die bei der Vorstudie am wenigsten typisch bewertet wurden, eine Version, in die am typischsten bewerteten 18 Elemente eingebaut wurden und eine dritte Version, in der je 9 Elemente eingebaut wurden, die eher als untypisch bzw. typisch bewertet wurden. Diese drei Versionen waren stellten dann jeweils die hoch, mittel und wenig typische Stufe dar. Die Typizität war der erste experimentelle Faktor. Der zweite stellte auf die kognitive Belastung ab. Eine Gruppe der Befragten erhielt die Anweisung, sich eine längere Zahlenreihe zu merken, um sie nach der Geschichte wieder zu reproduzieren. Die andere Gruppe bekam diese Anweisung nicht bzw. musste sich nur eine Zahl merken. Methode (Auszug): Die Probanden bekamen drei verschiedene Geschichten in jeweils einer manipulierten Version zu hören; zudem wurde ihnen eine der beiden Aufgaben der kognitiven Belastung übertragen. Nach der Rezeption wurde der empfundene relative Realismus gemessen (mit Fragen wie z. B. »Wenn die Ereignisse in der Geschichte mir passieren würden, würden sie sich genauso wie in der Geschichte ereignen«). Ergebnisse: Der empfundene Realismus reagierte auf die Art und Anzahl typischer Elemente: Die sehr typische Version wurde als sehr realistisch empfunden, die untypische als wenig realistisch und die mittlere Version lag dazwischen. Die Realismus-Urteile wurden in jede Richtung dann extremer, wenn mehr Ressourcen zur Verfügung standen: Wenn die Geschichte viele typische Elemente hatte und die Probanden über ausreichend Ressourcen verfügten, wurde die Geschichte auch als sehr realistisch wahrgenommen. Wenn die Geschichte viele untypische Elemente enthielt und die Probanden ausreichend Ressourcen hatten, wurde die Geschichte am wenigsten realistisch beurteilt. <?page no="162"?> 9.3 Zusammenfassung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 163 163 9.3 Zusammenfassung Das Forschungsfeld zum Realitätsbezug von Medienformaten lässt sich grob unterteilen in Arbeiten, (1) die die Konsequenzen der Werkkategorie (fiktional, nicht-fiktional, hybrid) für die Rezeption untersuchen, und in solche, (2) die insbesondere bei fiktionalen Werken den empfundenen Realismus betrachten. 1. Die Werkkategorie hat nun folgende Konsequenzen: • Faktualität verstärkt nur in manchen Fällen (Aggressivität) Wirkungen; ansonsten aber hat es sich gezeigt, dass das Etikett eines Textes als fiktional oder faktual keine wesentliche Rolle für das Erleben und die Wirkungen spielt. • Eine mögliche Erklärung, dass bei Urteilen über die soziale Realität fiktionale Information herangezogen wird, ist, dass die als fiktional deklarierte Quelle vergessen oder mit einer anderen realen Quelle verwechselt wird. • Rezipierende müssen ihr Wissen um Fiktionalität nicht unterdrücken (suspension of disbelief ), um in einer Geschichte mitzuleben. Vielmehr müssen sie zusätzliche mentale Ressourcen investieren, wenn sie kritisch mit dem Medientext umgehen wollen (construction of disbelief ). 2. Der empfundene Realismus ist ein mehrdimensionales Konstrukt, das folgende Bedeutungen annehmen kann: • Magisches Fenster: Realismus liegt auf einem Kontinuum zwischen reiner Fiktion und einem Fenster, das den Rezipientinnen und Rezipienten einen unverstellten Blick auf die reale Welt erlaubt. • Sozialer Realismus: Ausmaß, in dem Medieninhalte als ähnlich zum echten Leben empfunden werden. • Plausibilität: Das Dargestellte könnte auch in der realen Welt existieren. • Wahrscheinlichkeit: Häufigkeit, mit der ein Ereignis in der realen Welt vorkommt. • Identität oder Involvement: Ausmaß, in dem Zuschauer Bezüge zum Fernsehinhalt herstellen, sich in die Inhalte involvieren und sich den Figuren nahe fühlen. • Nützlichkeit: Grad, mit dem Fernsehinhalte nutzbringend für das eigene Leben sind. • Narrativer Realismus: Ausmaß der inneren Stimmigkeit einer Geschichte. • Relativer Realismus: Inwiefern das Dargestellte, wenn es denn in der Realität passieren würde, auch genauso ablaufen würde und typisch wäre für das reale Geschehen. Die Prozesse, durch welche die Realismus-Urteile zustande kommen, werden immer noch intensiv beforscht. Zum einen fasziniert die grundlegende Frage, warum Menwww.claudia-wild.de: <?page no="163"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 164 9 Realitätsbezug und empfundener Realismus 164 schen medial vermittelte Inhalte als realitätsnah betrachten. Zum anderen kann der empfundene Realismus nicht nur die Wirkung, sondern auch die Einstellung zum Medientext selbst und das Rezeptionsvergnügen beeinflussen. Übungsaufgaben 1. Welche Werkkategorien gibt es und welche Rolle spielen sie für die Rezeption? 2. Wie lässt sich das fiktionale Paradox auflösen? 3. Nennen und erklären Sie die acht Dimensionen von Realismus jeweils an einem Beispiel. 4. Inwiefern kann das Bezugsobjekt eines Realismus-Urteils von Relevanz sein? Nennen Sie ein Beispiel für ein Medienprodukt, in dem Realismus unterschiedlich ausfällt, wenn man verschiedene Bezugsobjekte verwendet. 5. Wie kann man die acht Dimensionen von Realismus mit der Unterscheidung zwischen Erfahrungsinhalt und -modus nach Rothmund, Schreier und Groeben (2001) zusammenbringen? 6. Beschreiben und kontrastieren Sie die beiden Modelle von Busselle und Bilandzic (2008) und Shapiro und Kim (2012). Zum Weiterlesen Busselle, R. W. &- Greenberg, B. S. (2000). The nature of television realism judgments: A reevaluation of their conceptualization and measurement. Mass Communication and Society, 3, 249-268. Der Aufsatz ist ein vielzitierter Klassiker in der Realismus-Forschung und bietet die erste umfängliche Synthese. Die hier vorgestellte Klasssifikation hat bis heute mit wenigen Ergänzungen immer noch Gültigkeit. Green, M. C. &- Donahue, J. K. (2011). Persistence of belief change in the face of deception: The effect of factual stories revealed to be false. Media Psychology, 14(3), 312-331. Diese faszinierende Studie zeigt, dass auch Geschichten, von denen Leser wissen, dass sie falsche Fakten darstellen, Einstellungen beeinflussen können. Hall, A. (2003). Reading realism: Audiences’ evaluations of the reality of media texts. Journal of Communication, 53(4), 624-641. Die Autorin stellt hier eine der wenigen qualitativen Studien zum Thema Realismus vor. Die Studie liefert reichhaltiges Material und anschauliche Rezipientenzitate. <?page no="164"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 165 165 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 5 Lernziele 1. Sie lernen, wodurch sich Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen auszeichnen. 2. Sie verstehen, dass Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen prinzipiell bei allen Medienangeboten entstehen können (also z. B. auch bei Informationsangeboten). 3. Sie erlernen Konzepte und Modelle für die Erklärung von Unterhaltungserleben, insbesondere das Flow-Konzept sowie die Konzeptionen von Unterhaltung als Meta- und Makroemotion. 4. Sie lernen die Forschungsansätze zum Meaningful Entertainment und damit sinnstiftende Unterhaltungsaspekte jenseits von Enjoyment kennen. 10.1 Was ist Unterhaltung? 10.1.1 Unterhaltung als Programmkategorie Die Programmkategorien Unterhaltung und Information gehören seit Jahrzehnten zum festen Begriffsinstrumentarium von Produzenten, Programmplanern und Medienforschungsabteilungen. So verwundert nicht, dass die alljährlichen Mediadaten zur Programmstruktur der TV-Sender sowie zur Nutzung der jeweiligen Programmsparten u. a. auf diese beiden zentralen Kategorien zurückgreifen (vgl. z. B. Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften, 2013). Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler beschäftigen sich in diesem Zusammenhang mit dem Operationalisierungsproblem, diesen Programmkategorien bei der Messung von Programmstrukturen gerecht zu werden. Oder wie Trebbe (2008) es mit Blick aufs Fernsehen formuliert: »Wie stellt man auf inhaltsanalytischem Wege fest, ob Sendungen oder Beiträge der Kategorie der Fernsehunterhaltung zuzurechnen sind? « (S. 88). Auch die Geschichte des Fernsehens wird gerne entlang der historischen Entwicklung dieser Programmkategorien, vor allem entlang spezifischer Unterhaltungsprogramme erzählt (vgl. z. B. Erlinger &-Foltin, 1994), was darauf hindeutet, dass sich in der Wahrnehmung sowie kognitiven und emotionalen Verarbeitung dieser Programme durch die Zuschauerinnen und Zuschauer die Kategorien Unterhaltung und Information fest verankert haben. 5 Das Kapitel zitiert in Teilen Passagen des Kapitels von Holger Schramm aus dem Buch »Zur Ökonomie der Unterhaltungsproduktion« (2008b, hrsg. von G. Siegert und B. von Rimscha), Köln, Herbert von Halem-Verlag. Wir danken Verlag und Autor für die Freigabe und die freundliche Kooperation. <?page no="165"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 166 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 166 Lassen sich aber diese beiden Programmkategorien-- häufig findet man auch den vermeintlichen Gegensatz zwischen Emotion und Information (vgl. z. B. Wegener, 1994) sowie zwischen unterhaltend und ernst (vgl. z. B. Schramm, 2001; Wegener, 2001)-- auch vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Rezeptionsforschung aufrechterhalten? Wenn dem so wäre, dann müssten Unterhaltungsangebote primär unterhaltend und emotional sowie Informationsangebote primär informierend und wenig emotional erlebt werden. Unterhaltungserleben und Informationsverarbeitung müssten sich folglich eher ausschließen. Im Folgenden möchten wir uns der Auflösung dieses Gegensatzes dadurch nähern, Unterhaltung aus der Rezeptionsperspektive zu beschreiben und zu erklären, um damit zu verdeutlichen, dass Informationsverarbeitung sogar eine zentrale Voraussetzung für die Genese von Unterhaltungserleben darstellt. 10.1.2 Unterhaltung als Rezeptionserleben Sowohl die US-amerikanische als auch die deutschsprachige Rezeptionsforschung beschäftigt sich seit Ende der 1970er-Jahre bzw. Anfang der 1980er-Jahre (vgl. z. B. Bosshart, 1979; Dehm, 1984; Tannenbaum, 1980; Zillmann, 1982; Zuckerman, 1979) mit Unterhaltung als Rezeptionsphänomen. Dabei wird Unterhaltung nicht als Merkmal des Programmangebots, sondern als eine spezifische Wirkung eines Programms bzw. eine spezifische Erlebensweise während der Medienrezeption verstanden (vgl. Zillmann &-Bryant, 1994; Vorderer, 2004; im Überblick z. B. Bryant &-Vorderer, 2006; Früh &-Stiehler, 2003; Reinecke &-Trepte, 2012; Wirth, Schramm &-Gehrau, 2006; Zillmann &-Vorderer, 2000). Wodurch zeichnet sich diese Wirkung bzw. dieses Erleben aus? Bosshart und Macconi (1998, S. 4) haben Rezipientinnen und Rezipienten danach befragt und folgendes Spektrum an Dimensionen und Antworten erhalten: • »psychological relaxation-- it is restful, refreshing, light, distracting, • change and diversion-- it offers variety and diversity, • stimulation-- it is dynamic, interesting, exciting, thrilling, • fun-- it is merry, amusing, funny, • atmosphere-- it is beautiful, good, pleasant, comfortable, • joy-- it is happy, cheerful.« Mit Blick auf diese verschiedenen Antworten könnte man fast meinen, dass Unterhaltungserleben nahezu alle Erlebensaspekte abdeckt. Dies ist mitnichten so. Tatsache ist jedoch, dass Unterhaltung in jedem Fall eine positive Valenz aufweist und etwas Vergnügliches zu sein scheint, was in Antworten wie »happy«, »cheerful«, »beautiful«, »pleasant« oder auch »refreshing« und »interesting« deutlich zum Ausdruck kommt. In diesem Sinne stellen Vorderer, Klimmt und Ritterfeld (2004) auch die These auf, dass Rezeptionsvergnügen bzw. Enjoyment im Zentrum der Erlebensaspekte von Unterhaltung auszumachen ist und sich in ganz unterschiedlicher Art und Weise manifestieren kann. Es sei zudem an diverse Voraussetzungen der Medi- <?page no="166"?> 10.1 Was ist Unterhaltung? www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 167 167 ennutzerinnen und Mediennutzer sowie der Medienangebote geknüpft (vgl. Abb. 10.1; sowie die Ausführungen weiter unten in Abschnitt 10.2 zur Flow-Theorie und in Abschnitt 10.4 zur Triadisch-Dynamischen Unterhaltungstheorie). Rezeptionsvergnügen kann sich auf verschiedenen Dimensionen bzw. Erlebensebenen manifestieren (Hausmanninger, 1993; zit. n. Bosshart &-Macconi, 1998, S. 5): • »pleasure of the senses, as in the use of physical abilities, or in the experience of motor and sensory activity, • pleasure of the (ego-)emotions, as in evoking and experiencing emotions, or in mood-management, • pleasure of personal wit and knowledge, as in the use of cognitive or intellectual powers or competence in being able to use one’s wit, • and pleasures of the (socio-)emotions, such as the ability to feel an emotion with and for others, to identify with others«. Motive • Eskapismus • Stimmungsregulation (»mood management«) • Leistung (»achievement«), Wettbewerb Voraussetzungen beim Angebot (»media prerequisites«) • Technologie, Design, Ästhetik • Inhalt Quelle: Six, Gleich & Gimmler, 2007, S. 413 Rezeptionsvergnügen (»enjoyment«) Manifestiert sich u.a. in: • Heiterkeit, Lachen, Freude • Spannung, Thrill, Erleichterung • Trauer, Melancholie, Nachdenklichkeit, Mitgefühl • Sensorisches Vergnügen • Leistung (»achievement«), Kontrolle, Selbstwirksamkeit Wirkungen • Erregungsübertragung (»excitation transfer«) • Katharsis • Lernen/ Wissenserwerb Voraussetzungen bei den Nutzern (»user prerequisites«) • Akzeptanz der Fiktionalität (»suspension of disbelief«) • Empathie • Parasoziale Interaktion/ Beziehung • Presence • Interesse Abb. 10.1: Modell des Unterhaltungserlebens (nach Vorderer, Klimmt &-Ritterfeld, 2004, S. 393 in der Übersetzung von Six, Gleich &-Gimmler, 2007, S. 413) <?page no="167"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 168 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 168 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass mediales Unterhaltungserleben durch das Ansprechen von diversen Sinnenkanälen und motorische Handlungen (z. B. beim Computerspielen), durch das Evozieren und Regulieren von Emotionen, durch das Mitfühlen mit Medienfiguren, aber auch durch kognitive und intellektuelle Herausforderung generiert werden kann (z. B. bei einem TV-Quiz wie »Wer wird Millionär? «). Insbesondere die letztgenannte Ursache deutet an, dass Kognitionen und Informationsverarbeitungsprozesse das Unterhaltungserleben fördern können und ihm nicht entgegenstehen. 10.2 Unterhaltung als Erleben zwischen Überforderung und-Langeweile Unterhaltung kann sich gleichermaßen über den Abbau von Überstimulation durch Entspannung wie über den Aufbau von Stimulation durch Anspannung und Erregung einstellen (vgl. Zillmann &-Bryant, 1994). Maßgeblich für das Unterhaltungserleben ist in der Regel ein als angenehm empfundenes, mittleres Erregungsniveau, das jedoch interindividuell unterschiedlich ausfällt: So bevorzugen sogenannte High Sensation Seeker höhere Erregungslevels als sogenannte Low Sensation Seeker (vgl. Zuckerman, 1979, 2006). Das Erregungslevel steht in engem Zusammenhang mit dem Umfang an Informationen bzw. der Informationskomplexität, die auf die Rezipierenden einwirkt: »[…] maximales Wohlgefallen wird bei einer mittleren Erregung und damit einer mittleren Komplexität empfunden; steigt die Aktivierung bei zu komplizierten Wahrnehmungsleistungen an, so sinkt das Wohlgefallen ab. Wirkt dagegen etwas so langweilig, dass es nicht aktiviert, so ist das Wohlgefallen gleich Null« (de la Motte- Haber, 1996, S. 166-167). Eine Theorie, die genau diesen Zusammenhang zwischen Komplexität des Medienangebots und Wahrnehmungsleistungen der Rezipierenden modelliert hat, ist die Flow-Theorie von Csikszentmihalyi (1975; 1990). Nach dieser Theorie müssen die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfähigkeiten der Rezipierenden mit der Schwierigkeit bzw. der Komplexität des Medienangebots korrespondieren, damit sich ein sogenanntes Flow-Erleben einstellen kann (vgl. Abb. 10.2). Ist das Medienangebot gemessen an den Fähigkeiten des Mediennutzers zu komplex, dann stellt sich ein Gefühl der Überforderung und Belastung bis hin zu Angst ein. Ist das Medienangebot für den Nutzer zu wenig komplex, so tritt Langeweile und ein Gefühl der Unterforderung ein. Nun zeichnet sich Flow-Erleben durch eine stark involvierte, aufmerksamkeitsabsorbierende, aber dennoch unangestrengte Beschäftigung mit dem Medienangebot <?page no="168"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 169 169 10.2 Zwischen Überforderung und-Langeweile aus, bei der die Zeit schneller zu vergehen scheint und die einer rein intrinsischen Motivation folgt. D. h. der Mediennutzer fragt sich nicht, welchen Nutzen die Auseinandersetzung mit dem Medienangebot außerhalb der eigentlichen Rezeption mit sich bringt, ob er beispielsweise etwas fürs Leben lernt (extrinsische Motivation). Die Mediennutzung erfolgt rein hedonistisch und nicht instrumentell (vgl. Nakamura &-Csikszentmihalyi, 2002, S. 90; vgl. im Zusammenhang hedonisch-motivierter Mediennutzung vor allem die Mood-Management-Theorie von Zillmann, 1988). Insofern weist die Konzeption von Flow-Erleben viele Parallelen zur klassischen Definition von Unterhaltungserleben auf (vgl. Vorderer, 2004). Wenn Flow-Erleben nun aber in großen Teilen deckungsgleich mit Unterhaltungserleben ist, dann wären folglich eher Überforderung und Belastung sowie Unterforderung und Langeweile mögliche Gegenpole zu Unterhaltung-- und nicht Ernsthaftigkeit und Informationslastigkeit (vgl. hierzu auch Klaus, 1996; Mangold, 2004). Unterhaltungserleben würde sich hingegen einstellen, wenn die vom Medienangebot ausgehende Informationsfülle und -komplexität den betreffenden Rezipierenden weder übernoch unterfordert, sondern mit seinen Informationsverarbeitungsmöglichkeiten korrespondiert. Demnach würde ein vermeintliches Unterhaltungsangebot langweilig wirken, wenn es den Informationsverarbeitungsbedarf des Rezipierenden nicht deckt (Beispiel: ein klassischer Profimusiker muss sich auf einen einfachen Popsong einlassen), oder aber überfordern und belastend auf den Rezipierenden wirken, wenn zu viele Informationen in zu kurzer Zeit bereitgestellt werden bzw. die Menge der Informationen den eigentlichen Bedarf übersteigen (Beispiel: eine Person, die noch nie ein Computerspiel gespielt hat, muss ein schnelles Rennspiel bewältigen). Quelle: Sherry, 2004, S. 332 Di culty of the medium Boredom Anxiety Skill in the medium use FLOW Abb. 10.2: Flow als Erleben zwischen Überforderung und Langeweile <?page no="169"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 170 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 170 Laut Flow-Theorie können diverse Merkmale die Schwierigkeit eines Medienangebotes beeinflussen (vgl. Sherry, 2004): • Komplexität der Information, • Schnelligkeit der Information, • Unverständlichkeit der Information, • Brüchen mit Kompositions-/ Produktionsregeln/ formalen Charakteristiken, • unlogische Abfolgen. Vor diesem Hintergrund wäre es verständlich, wenn beispielsweise die Tagesschau der ARD für einige Menschen »schwieriger« und damit weniger unterhaltend wäre als beispielsweise Nachrichtensendungen auf den Privaten: Die Tagesschau vermittelt einerseits in sehr dichter und komplexer Weise viele Informationen in relativ kurzer Zeit (15 Minuten). Auch ist der Anteil an Fachvokabular aus der Politik vergleichsweise hoch, so dass viele Rezipierende die Informationen nur zum Teil verstehen. Insgesamt dürfte somit die Tagesschau einen Teil der Zuschauer überfordern. Andererseits ist die Tagesschau hinsichtlich ihrer Produktionsregeln, formalen Charakteristika und der Abfolge von Nachrichtenblöcken sehr verlässlich, so dass die Schwierigkeit nicht noch zusätzlich erhöht wird. Der Zuschauer kann sich z. B. darauf verlassen, dass die wichtigste Meldung des Tages immer als Erstes kommt und der Wetterbericht am Schluss. Er kann sich auf ein überschaubares Set an Nachrichtensprecher/ inne/ n einstellen, die stets mit der gleichen Betonung und sprachlichen Präzision die Meldungen verlesen. Laut Flow-Theorie können nun aber auch diverse Merkmale der Mediennutzerinnen und Mediennutzer die wahrgenommene Schwierigkeit eines Medienangebots beeinflussen: • Lernen von Dekodierungsregeln, • Erfahrung, Sozialisation, • angeborene und antrainierte Fähigkeiten, • Motivation zur Auseinandersetzung. Übertragen auf das Beispiel mit der Tagesschau würde dies bedeuten, dass jemand, der mit der Sprache der Tagesschaunachrichten sehr vertraut ist, mit ihr aufgewachsen und sozialisiert wurde, der gelernt und trainiert hat, die Sprache zu dekodieren, und der vor allem motiviert ist, sich mit dieser komplexen Nachrichtenform auseinanderzusetzen, nicht überfordert wäre und demnach sogar bei der Rezeption einen Flow- Zustand erreichen könnte, der ihm beste Unterhaltung verschafft. Vor dem Hintergrund dieser den Flow-Zustand beeinflussenden Parameter wird gleichermaßen deutlich, warum Unterhaltungsangebote nicht zwangsläufig unterhaltend sein müssen. Wenn z. B. ein Film oder ein Musikstück komplexe Informationen in kurzer Zeit bereitstellt, mit traditionellen Kompositionsregeln bricht oder eher ungewöhnliche Abfolgen von Filmsequenzen bzw. Musikabschnitten zeigt, und die Rezipierenden keine Fähigkeiten und keine Motivation besitzen, diese Komplexität <?page no="170"?> 10.3 Unterhaltung trotz Überforderung und Belastung? www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 171 171 zu dekodieren, dann stellt sich auch hier ein Gefühl der Überforderung und Belastung ein. Wenn alle diese Parameter genau anders herum ausgeprägt sind, ist Unterforderung und Langeweile die unvermeidliche Folge. In beiden Fällen wird Unterhaltungserleben erschwert oder gar verhindert. Filmproduzenten sollten mit Blick auf das Unterhaltungserleben eines möglichst großen Zielpublikums daher den Komplexitätsgrad eines Filmes in einem (an den vermeintlichen Dekodierungsfähigkeiten der Zielgruppe gemessenen) mittleren Bereich halten. Wenn der Film beispielsweise schon mit einer natürlichen synchronen Erzählweise bricht (z. B. durch Montage von Rückblenden und Zeitsprüngen oder Auslassen von Sinn tragenden Sequenzen, die jedoch zu einem späteren Zeitpunkt der Narration aufgedeckt werden), dann sollten wenigstens die Informationen in den einzelnen Sequenzen nicht zu komplex und unverständlich sein. 10.3 Unterhaltung trotz Überforderung und Belastung? Als eines der sogenannten Paradoxien der Unterhaltungsforschung gilt das Phänomen, dass sich Rezipierende trotz Überforderung und Belastung (z. B. aufgrund hoher Informationsdichte oder aufgrund starker negativer Emotionen) trotzdem gut unterhalten fühlen. Wie lässt sich z. B. das Unterhaltungserleben bei einem tief traurigen Film erklären, der zudem nicht gut endet, der also den Rezipierenden während des gesamten Filmes bis über das Filmende hinaus belastet? Auch für diesen Fall hält die Rezeptionsforschung bereits einige Antworten bereit (vgl. im Überblick: Dohle, 2011): High Sensation Seeker können den hohen Grad an negativer Erregung, der von einem belastenden Medienangebot evoziert wird, besser ertragen und ihm gar etwas Positives, Wünschenswertes und damit Unterhaltendes abgewinnen (vgl. Zuckerman, 2006). Personen mit ausgeprägtem Emotionsbedürfnis (need for affect) berichten bei der Rezeption von Dramen und Horrorfilmen zwar stärkere negative Emotionen, gleichzeitig aber auch ein intensiveres Unterhaltungserleben (vgl. Bartsch, 2012; Bartsch, Appel &-Storch, 2010). Ebenso können Frauen sowie Personen mit einer hohen Feminität und hohen Empathiefähigkeit belastenden, traurigen Filmen häufiger etwas Unterhaltendes abgewinnen (vgl. Oliver, 1993). Entscheidend seien übergeordnete Erlebensaspekte als Folge positiver Bewertungen/ Appraisals der Traurigkeit und Belastung, sogenannte Metaappraisals (vgl. Mayer &-Gaschke, 1988), die Oliver (1993) in eine Sad Film Scale überführte. <?page no="171"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 172 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 172 Unter der Lupe: Sad Film Scale (SFS) Die SFS ist ein Klassiker in der Unterhaltungsforschung und soll daher unter die Lupe genommen werden. Sie besteht aus folgenden 15 Items: 1. I don’t enjoy getting involved in other people’s worries or troubles shown in sad movies. (*) 2. I like sad movies because they allow me to become part of another world. 3. Sad movies are too simplistic or unrealistic for me to enjoy. (*) 4. I enjoy feeling strong emotions in response to sad movies. 5. I don’t like sad movies because I would rather feel happy than sad when watching a film. (*) 6. One reason I like sad movies is because they help me to release my own sadness. 7. I enjoy getting wrapped up in the lives of the characters in sad movies. 8. Sad movies are too depressing for me to enjoy. (*) 9. I find sad movies entertaining because they make me think about life. 10. Sad movies are too dramatic for me to enjoy. (*) 11. I usually find sad movies too boring to be enjoyable. (*) 12. I like watching sad movies because I can relate to the feelings and emotions of the characters. 13. I don’t enjoy sad movies because I like to be entertained or stimulated when I watch a film. (*) 14. It feels good to cry when watching a sad movie. 15. I find sad movies silly rather than sad. (*) Die mit * gekennzeichneten Items müssen zunächst umkodiert werden. Anschließend kann aus den 15 Items ein Index berechnet werden: Der Mittelwert über alle 15 Items hinweg ergibt laut Oliver (1993) den Unterhaltungs-Wert, den der Betreffende beim Schauen trauriger Film empfindet. Betrachtet man den Wortlaut der Items der SFS genauer, so ist sie eher als ein Instrument zu begreifen, das situationsübergreifend die generelle Einstellung zu traurigen Filmen bzw. die Bereitschaft misst, sich auf traurige Filme einzulassen und ihnen Positives bzw. Unterhaltendes abzugewinnen. Das konkrete situative Rezeptionserleben sowie die Informationsverarbeitungsprozesse, die zu einem Unterhaltungserleben trotz erlebter Belastung führen, kann sie hingegen nicht messen (vgl. für solche Studien: Dohle, 2011; Hofer &-Wirth, 2012; Schramm &-Wirth, 2010). Es bedarf hier einer Theorie und einer Messung, die uns Aufschluss darüber geben kann, wann und warum Traurigkeit, Belastung oder Überforderung wertgeschätzt und mitunter auch unterhaltsam empfunden wird. An dieser Stelle setzen einerseits Rezeptionstheorien, <?page no="172"?> 10.4 Unterhaltung als Metabzw. Makroemotion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 173 173 die Unterhaltung auf einer übergeordneten Ebene als Metabzw. Makroemotion modellieren (vgl. Abschnitt 10.4), und andererseits Forschungsansätze zum Meaningful Entertainment (vgl. Abschnitt 10.5) an. 10.4 Unterhaltung als Metabzw. Makroemotion Im Folgenden werden stellvertretend für die meta- und makroemotionalen Ansätze zwei Ansätze vorgestellt, die auch nutzbringende Visualisierungen/ Modelle und darauf abgestimmte Messinstrumente hervorgebracht haben und sich daher für den Einsatz in der forschenden Lehre anbieten. 10.4.1 Das Emotions-Metaemotions-Regulations-Modell Das EMR-Modell (Wirth &-Schramm, 2007) ist ein appraisaltheoretisches Modell, das die Genese von Emotionen auf einer ersten grundlegenden Ebene und die Genese von sogenannten Metaemotionen-- darunter auch Unterhaltungserleben-- auf einer zweiten übergeordneten Ebene erklärt. Im Rahmen der Appraisaltheorien stellt nicht die objektive Situation, sondern deren subjektive Bewertung und Verarbeitung die Basis für die Genese von Emotionen dar (vgl. Frijda, 1993; Scherer, 1984). Bei der Medienrezeption ist diese situative Basis jedoch häufig nicht so eindeutig (vgl. Mangold, Unz &- Winterhoff-Spurk, 2001; Scherer, 1998). Der Rezipierende kann sich auf unterschiedliche Situationen bzw. »situationale Referenzen 6 « beziehen und in der Folge unterschiedliche Emotionen erleben: Eine erste situationale Referenz bildet der Medieninhalt. Bilden die belastenden Ereignisse in einem Medienangebot die situationale Referenz für die Emotionen, so bewerten die Rezipientinnen und Rezipienten diese Ereignisse aus den Augen der Protagonisten und fühlen sich in der Folge dem entsprechend auch belastet. Personen mit einer hohen Empathiefähigkeit sind eher zum empathischen Nachvollzug in der Lage und motiviert als Personen mit einer niedrigen Empathiefähigkeit und sind in der Regel daher auch mehr belastet (vgl. Oliver, 1993). Eine zweite situationale Referenz liegt vor, wenn man sich die Rezeptionssituation selbst und damit die eigene Beobachterrolle bewusst macht. Beispielsweise kann man beim Fernsehen seine Aufmerksamkeit auf die Bequemlichkeit (Fernsehsessel, gedämpftes Licht, ein Glas Wein) oder Unbequemlichkeit (grelles Licht, unbequemer Stuhl) der eigenen Rezeptionssituation richten. Die präsentierten Medieninhalte werden damit mehr oder weniger ausgeblendet, darauf rekurrierende Emotionen sind eher unwahrscheinlich, zumin- 6 »Situationale Referenz« ist definiert als diejenigen Aspekte einer tatsächlichen oder imaginär vorgestellten Situation, die die interpretative Basis für die Appraisals und damit die erlebte Emotion bilden (vgl. Wirth, Schramm &-Böcking, 2006). <?page no="173"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 174 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 174 dest aber schwächer. Bei einer dritten situationalen Referenz steht der Werkcharakter eines Medienangebots im Mittelpunkt. Rezipierende rufen sich dabei den Produktcharakter eines Medienangebots und die mediale Vermitteltheit ins Bewusstsein. Resultierende Gefühle können positiv oder negativ sein, beispielsweise die Begeisterung über eine gelungene Verfilmung eines Romans oder die Verärgerung über eine zu kitschige Musikuntermalung. Die Aufmerksamkeit ist bei dieser Referenz zwar weiterhin auf das Medienangebot gerichtet, doch nicht auf dessen Inhalt, sondern auf die formale Gestaltung. Mit der vierten situationalen Referenz wird eine Kombination bereits beschriebener situationaler Referenzen beschrieben, die im Mediennutzungsalltag häufig vorkommen dürfte. Wenn z. B. ein Film den Tod einer Person zeigt und der Rezipierende sich in diesem Moment um sein eigenes Leben sorgt, so wird der Medieninhalt auf die eigene Person bzw. die eigene Situation bezogen. Gleiches gilt, wenn man sich während einer Spielfilmhandlung an ähnliche, selbst erlebte Situationen erinnert, sich diese wieder ins Gedächtnis ruft und die dabei erlebten Gefühle erneut durchlebt. In solchen Fällen wird ein Ich-Bezug hergestellt. Solch ein Ich-Bezug wird von belastenden Filmen in vielen Fällen ganz bewusst evoziert, indem von der eigentlichen Filmhandlung ausgehend den Zuschauern nahegelegt wird, über sich und ihr eigenes Leben nachzudenken (vgl. für ein Beispiel sowie eine empirische Umsetzung: Schramm &-Wirth, 2010). 7 Wenn Zuschauer im Zuge dieses Nachdenkens den Medieninhalt als bedeutsam und sinnstiftend empfinden, werden positive Bewertungen und in der Folge auch positive Emotionen ausgelöst, selbst wenn der Medieninhalt für sich genommen belastend ist (vgl. hier auch die Ansätze zum Meaningful Entertainment). Hat sich nun bei der Medienrezeption aufgrund dieser (multiplen) Appraisalprozesse eine Emotion eingestellt, kann diese Emotion wiederum Ausgangspunkt bzw. Basis für eine Bewertung sein (Metaappraisal; vgl. Abb. 10.3). Im Unterschied zu normalen Appraisalprozessen schließen Metaappraisals die um das eigene Emotionserleben erweiterte Situation aus der Ego-Perspektive mit ein (vgl. Wirth &-Schramm, 2007). Der Rezipierende fragt sich also wie geht es mir mit dieser Emotion? (oder im Falle eines traurigen Films: Wie geht es mir mit dieser Traurigkeit? ) und bewertet und reguliert diese Emotion bei Bedarf. Mayer und Gaschke (1988) fanden faktorenanalytisch fünf Dimensionen solcher Metaappraisals. Die erste Dimension spiegelt wider, ob man von den Emotionen überwältigt ist oder sie unter Kontrolle glaubt (controllability). Die zweite Dimension betrifft, inwieweit man die Emotionen verstehen kann oder aber ob sie verwirrend wirken (clarity). Die dritte Dimension sagt aus, inwieweit man bereit ist, die Emotionen zu akzeptieren oder aber sie abzulehnen (acceptance). Die vierte Dimension 7 Das EMR-Modell sieht noch weitere situationale Referenzen vor, die hier jedoch nicht weiter thematisiert werden sollen. <?page no="174"?> 10.4 Unterhaltung als Metabzw. Makroemotion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 175 175 Metaappraisal Metaemotion Medienangebot Quelle: Wirth & Schramm, 2007, S. 175 Emotion situationale Referenz & Appraisal situationale Referenz Emotionsregulation Abb. 10.3: Das Emotions-Metaemotions-Regulations-Modell (EMR) liefert Informationen, wie typisch oder untypisch eine bestimmte Emotion für eine Person ist (typicality). Die fünfte Dimension gibt Auskunft darüber, ob man optimistisch ist und eine baldige Stimmungsaufbesserung erwartet oder nicht (stability) (vgl. Mayer &-Gaschke, 1988, S. 108). Wenn die Metaappraisals Bewertungsprozesse sind, dann sind Metaemotionen die emotionalen Folgen davon. Und ebenso wie Emotionen können Metaemotionen unterschiedlichste Intensitäten und Valenzen aufweisen (vgl. Bartsch, Vorderer, Mangold &-Viehoff, 2008; Wirth &-Schramm, 2007). Negative Metaemotionen werden als belastend erlebt und in der Regel nicht erwünscht und dadurch vermieden bzw. reguliert, wenn sie auftreten (z. B. durch Wechsel der situationalen Referenz: ich lenke meine Aufmerksamkeit z. B. weg vom belastenden Medieninhalt hin zum Werkcharakter und der Rezeptionssituation, indem ich mir z. B. sage: Es ist nur ein inszenierter fiktiver Film, den ich jederzeit unterbrechen kann, indem ich den Raum verlasse). Positive Metaemotionen, wie z. B. Unterhaltungserleben, werden als angenehm erlebt und tendenziell gewünscht oder verstärkt. Hat sich also trotz punktueller Belastung während der Rezeption insgesamt ein Unterhaltungsgefühl eingestellt, muss eine erfolgreiche Valenztransformation, d. h. eine Transformation der zunächst empfundenen Belastung zur Metaemotion Unterhaltung erfolgt sein. Definition: Unterhaltung als Metaemotion Unterhaltung entsteht als angenehm erlebte Metaemotion als Folge von Bewertungsprozessen auf einer übergeordneten Ebene (Metaappraisals), indem die während der Rezeption empfundenen Emotionen-- und das können auch negative Emotionen wie Trauer oder Angst sein- - als angenehm, erwartbar, typisch oder kontrollierbar bewertet werden. <?page no="175"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 176 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 176 10.4.2 Die Triadisch-Dynamische Unterhaltungstheorie Ähnlich wie das EMR-Modell sieht auch die Triadisch-Dynamische Unterhaltungstheorie (vgl. Früh, 2002, 2003, für eine empirische Umsetzung: Wünsch, 2006) zwei Ebenen vor, auf denen Emotionen entstehen können: Auf einer ersten grundlegenden Ebene (Mikroebene) können im Zuge der Rezeption sequenz- und szenenweise unterschiedlichste emotionale Zustände wie Spaß, Stolz, Ärger, Trauer, aber auch Neugier, Misstrauen, Hoffnung, Überraschung und Genugtuung entstehen und nacheinander erlebt werden (vgl. Abb. 10.4). Dieses Phänomen ist aus vielen Filmen bekannt: In dem einen Moment bangt man um den geliebten Filmhelden und hofft auf einen guten Ausgang, im nächsten Moment empfindet man Resignation, Trauer oder gar Ärger, weil der Filmheld einen Rückschlag erlitten hat, in der darauf folgenden Szene entsteht evtl. wieder Hoffnung, weil sich der Filmheld noch nicht geschlagen gibt, und wenn das Ganze am Ende dann doch gut endet, stellt sich Stolz oder Genugtuung ein. Dieses emotionale Hin und Her bzw. Auf und Ab wird laut der Theorie nun verarbeitet. Dies geschieht zunächst szenenweise, indem Kontrollprozesse abgleichen, ob das gerade Gesehene erwartungskonform, zweckdienlich und situativ passend erscheint. Ist dies der Fall, erlebt der/ die Betreffende ein Gefühl der Souveränität und Kontrolle, was wiederum dazu beiträgt, dass sich jenseits der grundlegenden Emotionen auf der übergeordneten Ebene (Metaebene) ein Unterhaltungserleben als sogenannte Makroemotion im Verlauf der Rezeption einstellt (vgl. Abb. 10.4). Ist dies nicht der Fall, weil der/ die Betreffende beispielsweise eine Szene unpassend und irritierend fand, wird sich auf der Metaebene kein Unterhaltungserleben generieren kön- Quelle: Früh, 2003, S. 41 Abb. 10.4: Dynamisches Zweiebenenmodell der Unterhaltungsrezeption <?page no="176"?> 10.4 Unterhaltung als Metabzw. Makroemotion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 177 177 nen, es sei denn, der/ die Betreffende toleriert solche punktuellen Irritationen und sieht darüber hinweg, dass in bestimmten Momenten seine/ ihre Erwartungen halt nicht ideal bedient werden. Die Theorie spricht in diesem Zusammenhang von der »kognitiv-affektiven Trägheit« (Früh, 2003, S. 42): Die Zuschauer verspüren in der Regel keine Lust, andauernd ihre Rezeptionshaltung zu ändern. Insofern dulden sie einzelne Sequenzen, die ihrer Rezeptionshaltung nicht entgegenkommen. Insgesamt kann auf diese Weise ein Medienangebot als sehr unterhaltsam erlebt werden, obwohl einzelne Szenen diesem Erleben prinzipiell hätten entgegenwirken können. Ebenso wie Kontrollprozesse können weitere Verarbeitungsprozesse in Form von Bewertungen und Kommentierungen zur Genese von Unterhaltung beitragen (vgl. Abb. 10.4): Eine Szene kann beispielsweise mit Blick auf ihre Konstruktions- und Gestaltungsprinzipien als künstlerisch wertvoll kommentiert werden (vgl. die situationale Referenz des Werkcharakters im EMR-Modell), oder sie kann mit Blick auf die eigene Person/ Situation als selbstbestätigend oder wichtige Erfahrung wahrgenommen werden (vgl. die situationale Referenz des Ich-Bezugs im EMR-Modell). Fallen die Bewertungen und Kommentierungen also in irgendeiner Weise positiv aus und ist gleichzeitig sichergestellt, dass der Zuschauer bzw. die Zuschauerin alles souverän unter Kontrolle hat, so ist eine ideale Konstellation für die Genese von Unterhaltung gegeben, was sich in einem eindeutigen und starken Unterhaltungserleben niederschlagen sollte. Wenn einzelne dieser Prozesse anders ausfallen (z. B. positive Bewertungen und Kommentierungen bei gleichzeitig eingeschränkter oder im zeitlichen Verlauf variierender Souveränität/ Kontrolle), ist Unterhaltungserleben entweder gar nicht, abgeschwächt oder nur zeitweise (in Momenten höherer Souveränität/ Kontrolle) möglich. Zudem sei Unterhaltung an das sogenannte triadische Fitting geknüpft: Während der Rezeption (wie im Übrigen auch schon in der prärezeptiven Phase beim Auswählen des Medienangebots) wird ständig kontrolliert, ob (1) das Medienangebot mit seinen Eigenschaften bzw. seinem Unterhaltungspotenzial zu (2) den Bedürfnissen, Vorstellungen, Erwartungen sowie dem aktuellen Energiebudget der Zuschauer sowie (3) zur aktuellen Situation bzw. dem situativen und sozialen Umfeld passt (vgl. zur Messung: Früh, Wünsch &-Klopp, 2004). Wenn einer dieser Kontroll-Checks negativ ausfällt, wird Unterhaltungserleben verhindert oder zumindest abgeschwächt. So kann beispielsweise der Live-Übertragung eines Fußballspiels großes Unterhaltungspotenzial im Vorfeld der Rezeption zugeschrieben werden. Wenn dann aber beispielsweise während der Rezeption das soziale Umfeld nicht passt (weil z. B. zu viele andere Personen anwesend sind, die sich nicht für Fußball interessieren und die mit Kommentaren die Rezeption stören), so kann dieser einzelne Faktor bzw. dieser einzelne Negativ-Check verhindern, dass die Rezeption als unterhaltsam erlebt wird, selbst wenn das Spiel den aktuellen Bedürfnissen, Erwartungen und dem Energiebudget der betreffenden Person ideal entspricht. <?page no="177"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 178 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 178 Definition: Unterhaltung als Makroemotion »Unterhaltung durch Fernsehen entsteht als angenehm erlebte Makroemotion im Zuge eines transaktionalen Informationsverarbeitungsprozesses unter der Bedingung, dass bestimmte personale, mediale und situative bzw. gesellschaftliche Faktoren kompatibel sind und der Rezipient außerdem die Gewissheit hat, die Situation souverän zu kontrollieren« (Früh, 2002, S. 240). 10.5 Die Forschungsansätze zum Meaningful Entertainment In den letzten zehn Jahren haben sich verstärkt Forschungsansätze entwickelt, die dem hedonisch-motivierten Unterhaltungserleben im Sinne von Enjoyment, das in den klassischen Unterhaltungstheorien wie z. B. der Mood-Management-Theorie in Form der Hedonismusthese zentral angelegt ist, ein alternatives positives Rezeptionserleben entgegenhalten, das sich aus nonhedonischen Rezeptionsmotiven und -erfahrungen speist. Der Rezipierende ist nach diesen Ansätzen nicht per se ein Hedonist, der stets maximalen Spaß haben will, um seine Stimmung zu optimieren, sondern jemand, der auch bei weniger ausgelassener Stimmung seine Erfüllung darin findet, in bedeutungsvollen, anspruchsvollen und herausfordernden Medienhalten nach Lebenssinn, Erkenntnis und Selbsterfahrung zu suchen. Es gibt durchaus- - auch abseits der Mediennutzung-- viele gute Gründe, eine positive und ausgelassene Stimmung zu verhindern (Parrott, 1993, S. 283), z. B. um-… • realistisches Denken zu fördern, • Ablenkung zu vermeiden und die Konzentration zu verbessern, • sich selbst zu harter Arbeit zu motivieren, • sich vor zukünftigen Enttäuschungen zu schützen, • ein schlechtes Gewissen über eine vermeintlich unverdient gute Stimmung zu verhindern, • den eigenen Charakter zu formen, • sich in sozialen Situationen angemessener zu verhalten, • sich taktvoll und respektvoll gegenüber anderen zu verhalten. Darüber hinaus lassen sich weitere gute Gründe finden, eine schlechte Stimmung bewusst aufrechtzuerhalten und sie mitunter sogar zu verstärken (vgl. Parrott, 1993, S. 291), z. B. um sich besonderer Fähigkeiten und Qualitäten zu vergewissern, um sich selbst für etwas zu bestrafen oder um einen Zustand bzw. eine Perspektive zu ertragen, die einem später im Leben nochmals helfen wird. Viele dieser nicht-hedonischen Motive lassen sich innerhalb der psychologischen Well-Being-Forschung im sogenannten eudaimonischen Denkansatz verorten, der nach Waterman (1993, S. 678) auf Aristoteles zurückgeht: <?page no="178"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 179 179 10.5 Meaningful Entertainment »Gemäß der Eudaimonicthese ist nicht das sofortige oder verzögerte Vergnügen das Ziel, sondern ein selbstbestimmtes Leben in Übereinstimmung mit den eigenen Werten und dem Selbst. Dem eudaimonischen Streben liegt eine andere Vorstellung von Wohlbefinden zugrunde als dem hedonistischen Streben. Während hedonistisches Wohlbefinden primär mit der Anwesenheit von positiver Stimmung sowie der Abwesenheit von Problemen und negativer Stimmung verbunden ist, ist eudaimonisches Wohlbefinden eher an Gefühle der Herausforderung und der Anstrengung geknüpft« (Wirth &-Schramm, 2006, S. 70-71). Der Eudaimonik-Ansatz erfuhr mit der Self-Determination Theory (SDT) von Ryan und Deci (2000) nochmals eine zentrale theoretische Grundlegung, deren Systematisierung auch für die spätere Anwendung in der Unterhaltungsforschung maßgeblich war, und wurde mittlerweile zahlreich und facettenreich für die Unterhaltungsrezeption aufgearbeitet (vgl. Schramm &-Wirth, 2008; Oliver &-Bartsch, 2010; Oliver &-Hartmann, 2010; Tamborini et al., 2010; Oliver &-Raney, 2011; Tamborini et al., 2011; Reinecke, 2012; Wirth, Hofer &- Schramm, 2012; Hofer, 2013; Hofer, Allemand &- Martin, 2014). Insgesamt lassen sich mit Blick auf die Medienrezeption im Allgemeinen und die Unterhaltungsrezeption im Speziellen folgende Dimensionen eudaimonischer Bedürfnisse unterscheiden (vgl. Reinecke, 2012; Wirth, Hofer &-Schramm, 2012): • Selbstbestimmtheit bzw. Autonomie erfahren, • eigene Kompetenz erleben, die Umwelt bzw. Anforderungen bewältigen, • Verbundenheit zu anderen spüren, über enge soziale Beziehungen verfügen, • sich selbst akzeptieren und schätzen, über ein gefestigtes Selbstbild und Selbstbewusstsein verfügen, • einen Sinn im Leben finden, das Leben bedeutsam finden, • persönlich wachsen, die eigene Persönlichkeit weiterentwickeln, • nach zentralen persönlich-relevanten Werten leben. Definition: eudaimonisches Wohlbefinden »Ein wichtiges gemeinsames Merkmal der eudaimonischen Ansätze ist somit die Betonung der Wichtigkeit der ›fully functioning person‹ […]. Dahinter stecke die Idee, dass die reine Optimierung des affektiven Zustands keine hinreichende Bedingung für psychologisches Wohlbefinden darstellt. Vielmehr können nur Individuen einen ganzheitlichen Zustand des Wohlbefindens erreichen, die autonom und kompetent mit ihrer Umwelt interagieren, selbst gesteckte Ziele verfolgen, ein Gefühl von Sinn und Bestimmung im Leben verspüren und in bedeutsame soziale Beziehungen eingebunden sind. Aus eudaimonischer Perspektive kann rein hedonisch orientiertes Handeln (z. B. das Verdrängen negativer Gefühle im Falle schwerwiegender persönlicher Verluste) sogar kontraproduktiv auf das individuelle Wohlbefinden wirken« (Reinecke, 2012, S. 310-311). <?page no="179"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 180 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 180 Oliver und Bartsch (2010) fokussieren mit ihrem Appreciation-Konzept nochmals besonders den sinnstiftenden Aspekt bei der Rezeption emotional bewegender Filme wie »Schindlers Liste«, »Hotel Ruanda« oder »Slumdog Millionaire« (vgl. für eine Zusammenstellung solcher Filme: Oliver &-Hartmann, 2010, S. 149). Hier werden die eigene Vergänglichkeit und damit der Wert des Lebens in den Mittelpunkt gestellt. Wenn Rezipientinnen und Rezipienten durch solche Filme zu Überlegungen angeregt werden, die über den konkreten Medieninhalt hinausgehen, und ihre Gedanken damit in größere Sinnzusammenhänge einordnen, kann dies als besonders bedeutsam (»meaningful«, Oliver &-Bartsch, 2010, S. 58), wertvoll und wohltuend empfunden werden, insbesondere von denjenigen, die gerade aktiv auf der Suche nach Sinn im Leben sind (vgl. Hofer, 2013): »Diese sinnstiftende Komponente der Medienrezeption korrespondiert deutlich mit dem eudaimonischen Well-Being-Ansatz von Ryff und Keyes (1995), die explizit das Empfinden eines Sinns im Leben als Bestandteil des psychologischen Wohlbefindens definieren« (Reinecke, 2012, S. 316). 10.6 Zusammenfassung Die Unterhaltungsforschung hält nach über drei Jahrzehnten der intensiven Theorie- und Empiriearbeit eine große Bandbreite an Erklärungsansätzen bereit. Die Ansätze lassen sich grob in zwei Klassen und Epochen einteilen: Die klassischen älteren und damit schon etablierteren Ansätze nehmen in der Regel die Befriedigung hedonischer Bedürfnisse an und erklären Unterhaltung (im Sinne von Enjoyment) über eine Optimierung von Stimmungs-, Erregungs- und Flowzuständen. Die neueren und derzeit sich bewährenden Ansätze gehen davon aus, dass zum ganzheitlichen Wohlbefinden auch die Befriedigung nonhedonischer Bedürfnisse gehört. Unterhaltungserleben (im Sinne des eudaimonischen Wohlbefindens) kann demnach auch über sinnstiftende und bedeutsam empfundene Erlebensaspekte bei der Rezeption emotional anregender und fordernder Medieninhalte erklärt werden. Diese Ansätze zusammenzuführen, um Unterhaltungserleben ganzheitlich zu erklären, ist Aufgabe zukünftiger Forschung (vgl. für erste Ansätze hierzu z. B. Vorderer &-Reinecke, 2012). Die Ausführungen haben verdeutlicht, dass Bewertungen bzw. Kognitionen und andere Informationsverarbeitungsprozesse eine zentrale Rolle bei der Genese von Unterhaltungserleben spielen. Insbesondere die Meta- und Makroemotionen sowie Aspekte des eudaimonischen Wohlbefindens können erklären, warum nicht nur belastende Unterhaltungsangebote, sondern ebenso Informationsangebote (z. B. ein Politikmagazin) und sogar belastende Informationsangebote (z. B. eine Kriegsdokumentation) als vergnüglich empfunden werden können. Denn entscheidend ist nicht stets das unmittelbare Erleben des Medienangebots, sondern in vielen Fällen eher das reflekwww.claudia-wild.de: <?page no="180"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 181 181 Zum Weiterlesen tierte (Meta-)Erleben. Wenn also bei der Rezeption des Films »Schindlers Liste« die empfundene Belastung als angemessen, kontrollierbar (ist auszuhalten, Rezeption kann jederzeit abgebrochen werden) oder gar lehrreich für das weitere Leben bewertet wird, dann stellt sich evtl. sogar bei einem solchen Film eine Form von Unterhaltung ein. Information und Unterhaltung sind vor diesem Hintergrund keine Gegensätze in der Rezeptionsforschung, sondern allenfalls Programmkategorien, bei deren Rezeption bestimmte Informationsverarbeitungsprozesse sowie sich daraus ergebende Emotionen und Metaemotionen mehr oder weniger wahrscheinlich auftreten. So gehen auch Rezeptionsforscher und Rezeptionsforscherinnen davon aus, dass sich Unterhaltung in der Regel bei der Rezeption von Unterhaltungsangeboten häufiger einstellt als bei der Rezeption von Informationsangeboten. Dies müsste freilich nicht in jedem Fall so sein und stellt damit eine empirische Frage dar, die in Zukunft systematisch vor dem Hintergrund der aktuellen Unterhaltungstheorien untersucht werden könnte. Übungsaufgaben 1. Sind Unterhaltung und Information Gegensätze? 2. Wie äußert sich Unterhaltungserleben? 3. Definieren Sie Unterhaltungserleben. 4. Wann wirkt ein Medienangebot langweilig, wann überfordert es uns? 5. Erläutern Sie die Grundzüge der Triadisch-Dynamischen Unterhaltungstheorie. 6. Was sind Metaappraisals und was sind Metaemotionen? In welchen Fällen kann Unterhaltungserleben als Metaemotion entstehen? 7. Was ist eudaimonisches Wohlbefinden und was genau fokussiert der Appreciation-Ansatz? 8. Sie wollen ein möglichst unterhaltsames Musikprogramm für eine Samstagabendshow im ZDF konzipieren. Was müssen Sie dabei beachten, um den gewünschten Unterhaltungseffekt bei der Zielgruppe sicherzustellen? Zum Weiterlesen Bosshart, L. &-Macconi, I. (1998). Media Entertainment. Communication Research Trends, 18(3). Insbesondere die definitorische Auseinandersetzung mit Unterhaltung auf den ersten Seiten dieses Reviews gehört zu den meistzitierten Quellen der Unterhaltungsforschung, was darin begründet liegt, dass man sich bis heute mit der Definition von Unterhaltung nicht leicht tut. Bryant, J. &-Vorderer, P. (Hrsg.). (2006). Psychology of entertainment. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. <?page no="181"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 182 10 Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen 182 Dieser handbuchartige Sammelband stellt, obwohl mittlerweile acht Jahre alt, den international umfassendsten Forschungsüberblick über die verschiedenen Unterhaltungskonzepte und -phänomene dar. Dohle, M. (2011). Unterhaltung durch traurige Filme. Die Bedeutung von Metaemotionen für die Medienrezeption. Köln: Halem. Die Dissertation von Marco Dohle ist als umfassender und aktueller Überblick über neuere Ansätze in der Unterhaltungsforschung mit Fokus auf das Sad-Film- Paradoxon und meta-/ makroemotionale Ansätze sehr zu empfehlen. Reinecke, L. &-Trepte, S. (Hrsg.) (2012). Unterhaltung in neuen Medien. Perspektiven zur Rezeption und Wirkung von Online-Medien und interaktiven Unterhaltungsformaten. Köln: Halem. Der handbuchartige Sammelband ist eine sehr schöne Ergänzung zum Band »Psychology of Entertainment« von Bryant und Vorderer, da er nicht die klassische Unterhaltungsforschung darstellt, sondern die spezifische unterhaltende Rezeption von interaktiven Medien aufarbeitet. <?page no="182"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 183 183 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation Lernziele 1. Sie erlernen, was Einstellungen sind und wie sie den Rezeptionsprozess beeinflussen können. 2. Sie lernen die heuristische und systematische Informationsverarbeitung bei der Rezeption von persuasiven Medieninhalten kennen und erfahren, unter welchen Bedingungen Einstellungen während oder nach der Rezeption gebildet werden. 3. Sie behandeln die wichtigsten Strategien von Rezipierenden, mit persuasiver Kommunikation umzugehen und Persuasionsversuche abzuwenden. Im Folgenden geht es uns darum, wie Menschen auf persuasive Kommunikationsinhalte reagieren und diese für die Urteilsbildung heranziehen. Wir legen dabei wie auch in den vorangegangenen Kapiteln den Schwerpunkt auf den Prozess der Rezeption, nicht auf die Wirkungen (oder die Bedingungen für die Wirkung) der Botschaften selbst. Es geht also um die Reaktionen der Rezipientinnen und Rezipienten, die wir während der Rezeption von persuasiven Botschaften beobachten können. In einem ersten Schritt müssen wir dazu die wichtigsten Grundbegriffe klären. Danach widmen wir uns der Informationsverarbeitung von persuasiven Botschaften und untersuchen, zu welchem Zeitpunkt die Urteilsbildung beim Rezipierenden erfolgt. Schließlich behandeln wir die Frage, wie sich Rezipientinnen und Rezipienten bei der Konfrontation mit persuasiven Botschaften schützen. 11.1 Grundbegriffe Wie sich Menschen während der Rezeption ein Urteil oder eine Einstellung über Inhalte, Akteure, Themen, Aussagen oder Attribute einer Botschaft bilden, wird in der sozialpsychologischen Einstellungsforschung untersucht. Urteile werden hier als Reaktionen in Bezug auf ein Objekt, eine Person oder eine Situation definiert und sie lassen sich hinsichtlich ihrer Valenz unterscheiden, also ob ein Urteilsobjekt positiv und wünschenswert bzw. negativ und ungünstig eingeschätzt wird. Einstellungsforscher gehen davon aus, dass Einstellungen eine kognitive, affektive und konative Komponente haben können (vgl. Rosenberg &- Hovland, 1960). Die kognitive Komponente meint die mit einem Einstellungsobjekt verbundenen Gedanken, Wissensbestände und Stereotype. Die affektive Komponente beschreibt die Gefühle und Emotionen gegenüber einem Objekt. Konativ meint Handlungen und Verhalten in Bezug auf das Einstellungsobjekt. Die drei Komponenten sind getrennt erfassbar, <?page no="183"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 184 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 184 sie werden jedoch in der Regel korrelieren. Beispielsweise ist es wahrscheinlich, dass Menschen, die eine positive Einstellung zu einem Abstimmungsthema haben, positive Gedanken und positive Emotionen zu dem Thema generieren und sich in der Abstimmung auch entsprechend verhalten. Wie sind Einstellungen nun in unserem Informationsverarbeitungssystem abgebildet? Einstellungen sind ähnlich wie Wissenseinheiten durch ein Netzwerk von Assoziationen miteinander in unserem Gedächtnis verknüpft. Dabei können wir uns eine Einstellung als eine Verknüpfung zwischen einem Einstellungsobjekt und einer positiven oder negativen Bewertung vorstellen. Je stärker die Verknüpfung ist, desto leichter ist die Einstellung abrufbar. Wird eine Einstellung aktiviert, werden automatisch alle Kognitionen und Affekte mitaktiviert, die mit der Einstellung verbunden sind. Die Informationen über ein Objekt- - beispielsweise zu einem politischen Thema- - sind affektiv aufgeladen und diese affektiven Komponenten werden bei der Wahrnehmung des Themas in der Regel, automatisch mitaktiviert (denken wir beispielsweise an das Thema Krieg im Irak). Definition: Einstellungen Einstellungen kann man als summarische Evaluation von Einstellungsobjekten, also Personen, Objekte oder Sachverhalten, verstehen (vgl. auch Ausführungen zur Einstellung im Kapitel 5). Sie umfassen gemeinhin drei Komponenten: eine kognitive Komponente (Gedanken, Wissen), eine affektive Komponente (Bewertungen, Gefühle, Emotionen) sowie konative Komponente (Handlungen). Die Kommunikationswissenschaft hat die Erforschung von Einstellungen und Einstellungsänderungen durch den Fokus auf kognitive Wirkungen ein wenig vernachlässigt (vgl. Roskos-Ewoldsen, 1997). Verantwortlich für diese Zurückhaltung ist sicherlich die Auffassung, dass Einstellungen änderungsimmune Prädispositionen sind, die durch die Medienberichterstattung nur schwer zu beeinflussen seien. Einstellungen können zwar auf der einen Seite stabil sein und bei Konfrontation mit einem Einstellungsobjekt abgerufen werden. Das bedeutet, sie können zeitlich überdauernd und verhältnismäßig unveränderlich sein. Einstellungen können aber auf der anderen Seite auch aus den zum Zeitpunkt der Urteilsbildung verfügbaren Informationen immer wieder neu gebildet werden. Dies würde bedeuten, dass eine Einstellung anders ausfallen kann, je nachdem welche Informationen herangezogen werden. Beide Vorstellungen sind richtig und im Kontext der Rezeptionsforschung relevant. Zentral ist, wie sicher sich die Personen in ihrer Einstellung sind und wie leicht die Einstellung verfügbar ist. Beispielsweise ist es denkbar, dass die Rezipientinnen und Rezipienten, die eine feste Meinung zu einem Politiker haben, bei der Konfrontation mit jenem sofort eine negative Einstellung abrufen. Andererseits ist es ebenfalls möglich, dass sie erst die Informationen, die sie zu einem Einstellungsobjekt mental verfügbar haben, zu einer <?page no="184"?> 11.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 185 185 Einstellung formen. Werden durch die Medienberichterstattung andere Informationen verfügbar gemacht, resultieren andere Einstellungen. 11.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung Wir haben bereits in Kapitel 2 gelernt, dass die Ressourcen für die Verarbeitung von Medieninformationen beschränkt sind. Daher stellt sich die Frage, wann Informationen intensiv und wann sie weniger intensiv verarbeitet werden. Für die Beantwortung dieser Frage lassen sich sehr gut die sogenannten Zwei-Prozess-Modelle- - das Elaboration-Likelihood-Modell (ELM, vgl. Petty &-Wegener, 1999) und das Heuristic Systematic Model (HSM, vgl. Chen &-Chaiken, 1999) heranziehen. Diese wurden zwar im Rahmen der Persuasionsforschung entwickelt, sie lassen sich jedoch auch auf die Prozesse während der Rezeption von Medieninhalten übertragen. Beide Modelle gehen nämlich davon aus, dass die Informationsverarbeitung während der Rezeption entweder einer systematischen/ zentralen oder einer heuristischen/ peripheren Route folgen kann. Bei einer systematischen Informationsverarbeitung denken Personen bei der Konfrontation mit Medienbotschaften sorgfältig über dargebotene Informationen nach, setzen sie zu ihren Vorstellungen über das berichtete Geschehen zusammen und leiten daraus ihre Meinungen und Schlussfolgerungen ab. Für die Persuasion ist es daher entscheidend, wie überzeugend die Botschaft ist, bzw. wie stark die vorgebrachten Argumente sind. Obwohl die systematische Verarbeitung nicht impliziert, dass die Rezipierenden die Informationen gleich gewichtet und vollkommen unvoreingenommen aufnehmen, entspricht doch diese Route grundlegend der Vorstellung eines rationalen Entscheiders. Es wird davon ausgegangen, dass die Bürger die Berichterstattung motiviert und gezielt nutzen, um Informationsmängel zu beseitigen und um sich letztlich eine ausgewogene Meinung zu bilden. Die Annahme, dass alle Bürger zu politischen Themen ausschließlich rationale und wohl durchdachte Entscheidungen treffen, kann jedoch angezweifelt werden. Viele Studien zeigen, dass die Nutzerinnen und Nutzer die Medieninformationen nur unvollständig wahrnehmen und verarbeiten (vgl. z. B. Früh, 1996; Graber, 1988). Darüber hinaus belegen Untersuchungen, dass die Rezipierenden für ihre Entscheidungen nur einen geringen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen heranziehen (vgl. Graber, 1988). Damit handeln die Menschen bei der Medienrezeption nicht in einem wissenschaftlichen Sinne rational (vgl. Brosius, 1995): Sie sammeln nicht viele Einzelinformationen und fügen diese dann wohlüberlegt zu einem Urteil zusammen. Vielmehr kommen Voreinstellungen und Heuristiken zur Anwendung, um möglichst schnell und ohne großen kognitiven Aufwand zu einem Urteil zu gelangen. Diese Vorstellung entspricht der zweiten Route, der heuristischen Informationsverarbeitung. Bei der heuristischen Informationsverarbeitung spielt die Überzeugungswww.claudia-wild.de: <?page no="185"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 186 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 186 kraft der Argumente demnach eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sind sogenannte periphere Eigenschaften der Botschaft oder des Kommunikators, wie beispielsweise die Anzahl der Argumente, die Glaubwürdigkeit der Quelle oder die Attraktivität des Kommunikators. Man kann sich dies als Daumenregeln vorstellen, die die Rezipientinnen und Rezipienten anwenden, um zu einem Urteil zu kommen. Es können auch saliente Reize aus der Umwelt für die Urteilsbildung relevant werden, die nichts mit dem Urteilsobjekt zu tun haben (z. B. die Kleidung eines Verkäufers, die eigene Stimmung). Das bedeutet, dass die Rezipierenden während der Rezeption gar nicht so stark auf die Argumente einer Botschaft achten, sie lehnen sich eher zurück und widmen dem Medienstimulus wenig kognitive Energie. Aufgrund der Fülle von massenmedial vermittelten Informationen entwickeln die Rezipientinnen und Rezipienten demnach Mechanismen, um die Informationsmenge sinnvoll zu reduzieren. Man kann auch von kognitiven Geizhälsen (cognitive misers) sprechen. Durch den Rückgriff auf Heuristiken sind sie aber im Nachgang dennoch in der Lage, ein Urteil über das Erlebte zu bilden. Zwei-Prozess-Modelle gehen davon aus, dass die heuristische Verarbeitung weniger Aufwand und weniger kognitive Kapazität erfordert als die systematische Verarbeitung. Es wird vor allem dann diese Route gewählt, wenn die Motivation und Fähigkeit zur Verarbeitung von Informationen gering ist und wenn entsprechende Heuristiken verfügbar und auf die gegebene Situation anwendbar sind (vgl. Chen &-Chaiken, 1999). Die beiden Routen der Informationsverarbeitung können auch als eine Form des Involvements (vgl. Kapitel 7) verstanden werden: Eine Person mit hoher Fähigkeit und hoher Verarbeitungsmotivation wird die Medieninformationen stark involviert verarbeiten. Definition: zentrale und heuristische Informationsverarbeitung Bei der zentralen/ systematischen Verarbeitung denken die Personen sorgfältig über die dargebotene Information nach. Die Einstellungsänderung ist damit abhängig von der Qualität und der Überzeugungskraft der Argumente. Bei der peripheren/ heuristischen Informationsverarbeitung sind die Personen weniger motiviert, die Botschaft sorgfältig zu verarbeiten. Es erfolgt eine oberflächliche Verarbeitung. Periphere Reize wie die Glaubwürdigkeit oder die Attraktivität des Kommunikators sind entscheidend für die Einstellungsänderung. 11.2.1 Das Elaboration-Likelihood-Modell Im Folgenden soll ein Zwei-Prozess-Modell aufgrund seiner Bedeutung für die Rezeptionsforschung etwas näher beleuchtet werden. Das von Petty und Cacioppo (1986) entwickelte Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) ist das meistbeachtete Zwei-Pro- <?page no="186"?> 11.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 187 187 zess-Modell. Ursprünglich im Rahmen der sozialpsychologischen Persuasionsforschung entwickelt, hat es in vielen sozialwissenschaftlichen Disziplinen eine enorme Aufmerksamkeit erfahren. Im ELM wird der aufwändige Modus zentrale Route und der sparsame Modus periphere Route genannt. Die zentrale Route ist dann wahrscheinlich, wenn eine Person motiviert und fähig ist, die Information und die dargebotenen Argumente sorgfältig zu verarbeiten. Wenn dies nicht der Fall ist, dann wird die periphere Route gewählt. Die Grundannahmen der Theorie lassen sich in sieben Postulaten zusammenfassen (vgl. Petty &-Wegener, 1999). Postulat 1 besagt, dass Personen grundsätzlich motiviert sind, adäquate Einstellungen zu haben. Damit ist das Bestreben gemeint, die eigenen Einstellungen subjektiv korrekt zu empfinden. Ob dies der Fall ist oder nicht, können Personen aus dem Vergleich ihrer eigenen Einstellungen mit der sozialen Realität erfahren, z. B. durch den Vergleich mit relevanten Bezugsgruppen. Postulat 2 bringt zum Ausdruck, dass die Art und Weise, in der Personen einstellungsrelevante Informationen verarbeiten, von ihren Fähigkeiten und Motivationen abhängt. Wie bereits erwähnt, ist die Wahrscheinlichkeit einer zentralen Informationsverarbeitung bei hoher Fähigkeit und hoher Motivation größer. Motivation und Fähigkeit werden wiederum durch individuelle und situationelle Faktoren beeinflusst. Ist zum Beispiel das Einstellungsobjekt für eine Person von hoher Bedeutung, dann wird sie die Informationen über das Objekt motiviert verfolgen. Ist die Botschaft zu komplex, könnte die Person nicht in der Lage sein, die Botschaft zentral zu verarbeiten. Auch Eigenschaften des Kommunikationskontextes (z. B. Zeitdruck) können die Fähigkeit zur zentralen Verarbeitung beeinflussen. Manche Personen sind grundsätzlich motivierter, über Informationen nachzudenken und diese gründlich zu analysieren. Diese Persönlichkeitseigenschaft wird auch Kognitionsbedürfnis oder Need for Cognition genannt (vgl. Cacioppo, Petty, Feinstein &-Jarvis, 1996). Merksatz Die Motivation und die Fähigkeit einer Person bestimmen, ob eine Botschaft zentral oder peripher verarbeitet wird. Motivation bedeutet, wie stark die Menschen gewillt sind, der Rezeption einer Botschaft kognitive Ressourcen zu widmen. Fähigkeit bezieht sich auf die Frage, ob die Rezipierenden in der Lage sind, die Botschaft zu verstehen bzw. zu verarbeiten. Postulat 3 erläutert, wie die Richtung der Einstellungsänderung erklärt werden kann. Entscheidend ist, ob die Reize als Argumente wahrgenommen werden oder ob sie als periphere Hinweisreize (sogenannte Cues) wirken. Das bedeutet, dass ein und derselbe Reiz von unterschiedlichen Personen und in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Die eine Person fasst einen Reiz als überzeugendes Argument auf, für eine andere Person ist es ein peripherer Reiz. Vor <?page no="187"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 188 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 188 allem in der frühen Rezeption des ELM ist (nicht ganz ohne Grund) die Annahme weit verbreitet, dass Eigenschaften der Quelle oder des Kommunikators immer als periphere Hinweisreise dienen und Eigenschaften der Botschaft und der Argumente immer der zentralen Verarbeitung zuzuordnen sind. Für Petty und Wegener (1999) ist diese Annahme eines der größten Missverständnisse im Rahmen des ELM. Durch das Postulat 3 soll dies klargestellt werden. Postulat 4 besagt vereinfacht, dass die Variablen, die die Motivation und die Fähigkeit zur objektiven Verarbeitung einer Botschaft beeinflussen, zu einer starken oder schwachen Prüfung der Argumente führen können. Ist die Motivation und Fähigkeit hoch, so werden überzeugende Argumente auch als solche erkannt: Der Unterschied in der Persuasionskraft starker und schwacher Argumente ist in diesem Fall maximal. Dies bedeutet nichts anderes, als dass eine Botschaft mit starken Argumenten überzeugender ist, wenn die Personen sorgfältig über die Argumente nachdenken. Dagegen wird eine Botschaft mit schwachen Argumenten zu einer stärkeren Persuasion führen, wenn eine periphere Verarbeitung erfolgt (da ja die Argumente hier nicht geprüft werden). Postulat 5 enthält die Annahme, dass es Variablen gibt, die eine verzerrte Verarbeitung von Botschaften bewirken können. Dies kann dazu führen, dass positive oder negative Reaktionen auf den Botschaftsinhalt verstärkt oder verhindert werden. In Postulat 4 wurde von einer objektiven Verarbeitung ausgegangen, d. h. schwache Argumente werden bei einer bestimmten Verarbeitung auch entlarvt. Allerdings ist auch eine verzerrte Verarbeitung möglich, die bestimmte positive Gedanken zu einer Botschaft hervorrufen, selbst wenn die Botschaft eher schwache Argumente enthält. Eine Verzerrung ist beispielsweise gegeben, wenn Personen die eigene Position besser bewerten als eine andere. Mit anderen Worten, ein verzerrt verarbeitender Rezipient ist motiviert, eine bestimmte Art von Gedanken zu generieren, die meist kongruent zur eigenen Einstellung sind. Einen ähnlichen Gedanken haben wir schon bei der Schema-Theorie und der Theorie der Kognitiven Dissonanz kennengelernt. In Postulat 6 geht es um das Zusammenspiel von peripheren und zentralen Hinweisreizen. Werden Informationen mit wenig Aufmerksamkeit und Mühe verarbeitet, haben die peripheren Hinweisreize eine höhere Persuasionskraft. Die Rezipierenden verlassen sich also auf Heuristiken, wie z. B. Daumenregeln wie »Promovierten kann man vertrauen« oder die Identifikation mit der Quelle. Postulat 6 spricht von einem Trade-off zwischen peripheren und zentralen Mechanismen: Umso stärker zentrale Mechanismen die Persuasion bestimmen, desto schwächer werden die peripheren und umgekehrt. Schließlich besagt Postulat 7, dass Einstellungen, die auf zentralem Weg erworben wurden, zeitlich stabiler sind und eine höhere Vorhersagekraft für Verhalten haben. Petty und Wegener (1999) nennen verschiedene Gründe dafür: Zum einen erfolgt beispielsweise bei der zentralen Route eine intensivere Auseinandersetzung mit der Botschaft, d. h. es findet eine intensive Integration von Informationen in ein bestehendes Einstellungsschema statt. Da das Einstellungsschema nun häufiger aufgerufen <?page no="188"?> 11.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 189 189 und geprüft wird als bei der peripheren Route, ist es auch leichter verfügbar. Leichter verfügbare Einstellungen sind wiederum zeitlich überdauernder. Ein zweiter Grund ist, dass Einstellungen, die durch die zentrale Route gewonnen wurden, eine größere Einstellungssicherheit bei Individuen hervorrufen. Einstellungen mit hoher Einstellungssicherheit sind wiederum stabiler als Einstellungen, die mit geringer Sicherheit gehalten werden. Beispielstudie Alba J. W. &-Marmorstein H. (1987). The effects of frequency knowledge on consumer decision making. Journal of Consumer Research, 14, 14-25. Alba und Marmorstein (1987) untersuchten die Rolle peripherer und zentraler Routen bei der Rezeption von Werbebotschaften. Im Vordergrund stand hier vor allem die Fähigkeit zur zentralen Verarbeitung. Die Autoren zeigten den Versuchsteilnehmern Informationen über zwei vergleichbare Kameramarken. Es wurden zwölf gemeinsame Eigenschaften der Kameras beschrieben. Kamera A war Kamera B gegenüber in nur drei dieser Eigenschaften überlegen, allerdings waren dies die wichtigsten Eigenschaften für eine Kamera (=-starke Argumente! ). Kamera B war Kamera A in acht Eigenschaften überlegen, diese waren allerdings von eher zweitrangiger Bedeutung. Die Fähigkeit zur Verarbeitung wurde manipuliert, indem den Versuchspersonen unterschiedlich viel Zeit zur Verarbeitung zur Verfügung gestellt wurde. Eine Gruppe hatte nur zwei Sekunden für jede Eigenschaft Zeit, eine weitere Gruppe fünf Sekunden und eine dritte Gruppe konnte sich so viel Zeit lassen, wie sie wollte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gruppe, die nur zwei Sekunden pro Eigenschaft hatte, Kamera B präferierte. Bei der Gruppe mit fünf Sekunden Betrachtungszeit zeigte sich dieser Effekt immer noch, allerdings schon abgeschwächt. Nur die Gruppe, die sich genügend Zeit ließ, bevorzugte Kamera A. Die Erklärung: Die Personen mit wenig Zeit wendeten die periphere Route an und verließen sich schlicht auf die Anzahl der positiven Eigenschaften, ohne diese näher zu prüfen. Die Gruppe mit viel Zeit verwendete hingegen die zentrale Route: Entscheidend war hier die Überzeugungskraft der Argumente, die kritisch geprüft werden konnten. Die Befunde haben durchaus ihre Relevanz: Werbebotschaften werden häufig nur am Rande und nebenbei verarbeitet. Periphere Eigenschaften einer Werbebotschaft können bei dieser Form der Rezeption wichtiger sein als überzeugende Argumente (die niemand verarbeiten kann und will). Zusammenfassend lässt sich sagen (vgl. Stahlberg &- Frey, 2001), dass Individuen grundsätzlich bemüht sind, adäquate Einstellungen zu haben. Die Art der Informationsverarbeitung hängt von der Motivation und der Fähigkeit der Individuen ab. Eine zentrale, also intensive Verarbeitung kann sowohl objektiv, d. h. unvoreingewww.claudia-wild.de: <?page no="189"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 190 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 190 nommen, als auch verzerrt erfolgen. Bei peripherer Verarbeitung kann ebenfalls Persuasion stattfinden, da sich die Personen an peripheren Hinweisreizen orientieren. Zentrale und periphere Verarbeitung stehen in einem antagonistischen Verhältnis zueinander. Schließlich gehen die Autoren davon aus, dass Einstellungen, die auf zentralem Weg erzielt wurden, stabiler sind als Einstellungen des peripheren Weges. Die Grundgedanken des ELM sind noch einmal vereinfacht in Abb. 11.1 dargestellt. 11.2.2 Ein oder zwei Prozesse? In vielen Studien zum ELM ließ sich zeigen, dass bei hoher Motivation und Fähigkeit die Argumente entscheidend für die Persuasion sind, da schwache Argumente weniger Zustimmung produzieren als starke. Dagegen bestimmen bei geringer Motivation und Fähigkeit die peripheren Hinweisreize den Persuasionserfolg. Die Annahme von zwei qualitativ unterschiedlichen Prozessen wird im sogenannten Unimodel von Kruglanski und Kollegen (vgl. Kruglanski &-Thomson, 1999) in Zweifel gezogen. Gemäß dem Unimodel nutzen Menschen Evidenzen, um zu einem Urteil zu gelangen. Solche Evidenzen können Argumente, aber auch Informationen über den Kommunikator sein. Im Grunde kann jede beliebige Information eine Evidenz zur Bildung einer Einstellung darstellen. Grundgedanke des Unimodels ist es, dass die Verwendung von Evidenzen unabhängig vom jeweiligen Inhalt der verwendeten Information ist: Ob ein Objekt positiv beurteilt wird, weil die Argumente überzeugend sind, oder weil der Kommunikator glaubwürdig ist, stellt nach dem Unimodel keine qualitativ unterschiedlichen Prozesse dar. Mit anderen Worten, Kruglanski und Kollegen bezweifeln, dass- - wie im ELM postuliert- - Rezipierende bei hohem Verarbeitungsaufwand inhaltliche Informationen nutzen und bei niedrigem Aufwand periphere Hinweisreize. Wie erklären sie aber die zahlreichen Befunde zum ELM? Sie gehen davon aus, dass sich lediglich die Quantität (nicht aber die Qualität) der Informationsverarbeitung unterscheidet. Bei geringer Motivation und Fähigkeit werden die Informationen bevorzugt, die sich einfach verarbeiten lassen-- egal ob es ein Argument oder ein Hin- Botschaft hohe Motivation und Fähigkeit zur Verarbeitung der Botschaft zentrale Verarbeitung: Qualität der Argumente entscheidend hohe Resistenz der gebildeten Einstellung niedrige Motivation und Fähigkeit zur Verarbeitung der Botschaft periphere Verarbeitung: Heuristiken entscheidend niedrige Resistenz der gebildeten Einstellung Abb. 11.1: Zwei Routen der Persuasion nach dem ELM (vereinfachte Darstellung) <?page no="190"?> 11.3 Urteilsbildung während oder nach der Rezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 191 191 weisreiz ist. In den klassischen Experimenten zum ELM wurden die peripheren Hinweisreize jedoch immer vor der Botschaft und auch sehr kurz präsentiert (z. B. die Beschreibung einer glaubwürdigen Quelle). Sie waren daher einfacher zu verarbeiten. In Experimenten können Kruglanski und Kollegen zeigen, dass sich die Befunde zum ELM nicht replizieren lassen, wenn Hinweisreize und inhaltliche Argumente in Länge und Komplexität vergleichbar sind. Das heißt, Rezipientinnen und Rezipienten reagieren bei der Bildung von Einstellungen auf beide Arten von Informationen, es macht lediglich einen Unterschied, wie ausführlich sie die Informationen verarbeiten (wollen und können). Mit dem jetzigen Stand der Forschung kann man aber nicht abschließend sagen, ob das Unimodell den reichhaltigen Korpus an Befunden zu den Zwei-Prozess-Modellen adäquat erklären kann. 11.3 Urteilsbildung während oder nach der Rezeption Für die Erforschung von Rezeptionsprozessen ist es relevant, wann sich die Rezipierenden ein Urteil über ein Thema, ein Objekt oder einen Sachverhalt bilden: während der Rezeption oder erst später, wenn z. B. danach gefragt wird oder ein Bekannter dieses Thema etc. anspricht? In der sozialpsychologischen Literatur werden zur Klärung dieser Frage zwei verschiedene Modelle der Urteilsbildung unterschieden: sogenannte on-line gebildete Urteile und erinnerungsgestützte Urteile (vgl. Hastie &-Park, 1986). Diese Urteilsprozessmodelle haben weit über den sozialpsychologischen Tellerrand hinaus Bedeutung erlangt. Sie können auch herangezogen werden, um die Meinungsbildung zu politischen Themen oder die Eindrucksbildung zu politischen Kandidaten zu erklären (vgl. auch Matthes, Wirth &-Schemer, 2007). On-line-Urteile werden bereits während der ersten Informationsaufnahme- - also während der Rezeption-- erzeugt und es erfolgt eine Speicherung des fertigen Urteils im Gedächtnis. Einmal gebildet, sind diese Urteile relativ robust, sie sind sehr schnell abrufbar und werden durch nachfolgende Gedächtnisprozesse, wie beispielsweise das Vergessen oder das Hinzukommen von neuen Informationen, kaum verändert. Interessant ist, dass on-line gebildete Urteile zu einem späteren Zeitpunkt unabhängig von den zur Urteilbildung herangezogenen Informationen erinnert werden können. Mit anderen Worten, bei on-line gebildeten Urteilen können die Bürger zu einem späteren Zeitpunkt zwar ihr Urteil benennen, wissen aber u. U. nicht mehr, wie sie zu diesem Urteil gekommen sind. Werden die Rezipierenden mit neuen Informationen aus der Medienberichterstattung konfrontiert, achten sie nicht mehr auf die einzelnen Informationen oder Argumente, sondern nur auf das in den Medien dargestellte Gesamturteil. Dieses wird dann mit dem eigenen Urteil abgeglichen und verrechnet. Mit on-line basierten Urteilsprozessen lässt sich erklären, warum Rezipientinnen und Rezipienten zu vielen politischen Themen Urteile abgeben, obwohl sie sich nur sehr schwach an das Thema oder an einzelne Informationen erinnern können. Die Reziwww.claudia-wild.de: <?page no="191"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 192 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 192 pierenden verhalten sich in Bezug auf ihre Urteilsbildung zwar sehr effizient, allerdings auch immun gegenüber neuen Informationen aus der Medienberichterstattung. Definition: On-line- und erinnerungsgestützte Urteile On-line-Urteile werden während der Rezeption gebildet und sind später leicht abrufbar. Sie sind dann wahrscheinlich, wenn das Urteilsobjekt sehr wichtig für die Rezipierenden ist oder sie davon ausgehen, das Urteil zu einem späteren Zeitpunkt zu benötigen. Erinnerungsgestützte Urteile werden erst nach der Rezeption gebildet, basierend auf den Informationen, an die sich die Rezipierenden erinnern können. Sie sind wahrscheinlich, wenn die Rezipierenden die Medieninformation nur beiläufig verfolgen. Im Gegensatz zu on-line gebildeten Urteilen werden bei der erinnerungsgestützten Urteilsbildung die Informationen herangezogen, die zum Zeitpunkt der Urteilsbildung erinnert werden können. Das heißt, es wird sich während der Rezeption kein Urteil gebildet, z. B. wenn man ein Thema nur am Rande oder beiläufig verfolgt. Wird dann später ein Urteil abverlangt, beispielsweise weil ein Forscher danach fragt oder ein Bekannter das Thema in einer Diskussion anspricht, so hängt das Urteil davon ab, welche Informationen gerade zugänglich und verfügbar sind. Das bedeutet: Je nachdem, was gerade zu einem Thema erinnert werden kann, fällt das Urteil anders aus. Solche Urteile sind nicht nur weniger robust als on-line gebildete Urteile, sondern sie benötigen zum Zeitpunkt des Urteilsabrufes auch mehr Zeit, da die Rezipierenden die verfügbaren Informationen erst einmal abrufen und zu einem Urteil zusammenfügen müssen. Das heißt aber auch, dass bei erinnerungsbasierten Urteilen keine wahren, durchdachten politischen Urteile bestehen, sondern dass die Rezipientinnen und Rezipienten sehr flexibel je nach verfügbaren Informationen ihre Urteile ableiten (vgl. Lavine, 2002). Erinnerungsbasierte Urteile lassen sich sehr gut an die Forschung zu Priming-Effekten anbinden, die wir bereits in Kapitel 2 kennengelernt haben: Beim Medien-Priming werden massenmedial vermittelte Informationen im Gedächtnis der Rezipierenden stärker zugänglich gemacht. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Informationen bei der Beurteilung nachfolgender Informationen aktiviert und zur Urteilsbildung herangezogen werden. Dies stellt den Grundgedanken eines erinnerungsgestützten Urteils dar. Bei der Urteilsbildung zu politischen Themen sind beide Modelle durchaus realistische Szenarien. Wann aber bilden sich die Bürger ihr Urteil nun on-line und wann erinnerungsbasiert? Zunächst ist eine On-line-Urteilsbildung dann sehr wahrscheinlich, wenn die Rezipientinnen und Rezipienten davon ausgehen, zu einem späteren Zeitpunkt ein Urteil zu benötigen, z. B. bei persönlich relevanten Themen (vgl. Druckman &-Lupia, 2000). Wenn ein Thema aber eher beiläufig und ohne großes Interesse verfolgt wird, ist es wahrscheinlicher, dass die Urteilsbildung erinnerungsbasiert ver- <?page no="192"?> 11.4 Abwehrverhalten bei der Medienrezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 193 193 läuft. Zudem zeigen empirische Studien, dass On-line-Urteile vor allem bei Personen auftreten, die politisch stärker interessiert sind (vgl. McGraw, Lodge &-Stroh, 1990) und bei denen die Persönlichkeitseigenschaft Evaluationsbedürfnis (vgl. Jarvis &-Petty, 1996), also die generelle Tendenz Bewertungen vorzunehmen und schnell zu einem Urteil zu gelangen, stärker ausgeprägt ist (vgl. Matthes, Wirth &-Schemer, 2007). 11.4 Abwehrverhalten bei der Medienrezeption Bisher haben wir uns in diesem Kapitel damit beschäftigt, wie die Rezipierenden die persuasiven Botschaften verarbeiten und wann sie zu einem Urteil gelangen. Wir haben festgehalten, dass die Informationen intensiv oder oberflächlich verarbeitet werden können und dass sich die Rezipientinnen und Rezipienten entweder sofort während der Rezeption oder erst später mit Abruf der verfügbaren Informationen ein Urteil bilden können. Dies legt nahe, dass Medienbotschaften einen starken Einfluss auf die Rezipierenden ausüben, entweder durch starke Argumente oder durch in den Medienbotschaften verwendete Informationen und angesprochene Heuristiken. Wenn also die vorangegangenen Ausführungen den Eindruck erwecken, dass sich Einstellungen leicht ändern lassen, sobald man nur die richtige Route der Einstellungsänderung einschlägt, so ist dies sicherlich falsch. Versucht man aus der Perspektive der Zwei-Prozess-Modelle zu erklären, warum sich Einstellungen nicht ändern lassen, so würde man wahrscheinlich als erstes zu schwache Argumente oder nicht anwendbare periphere Hinweisreize als Gründe nennen. Um die Stabilität von Einstellungen bei der Medienrezeption zu verstehen, müssen wir uns einem weiteren Themengebiet zuwenden: der psychologischen Reaktanz und damit verbunden der Resistenz gegenüber Persuasionsversuchen (vgl. Dickenberger, Gniech &- Grabitz, 2001). Die Grundidee ist, dass Menschen nicht immer gewillt sind, bei der Medienrezeption ihre Einstellungen und Meinungen zu ändern. Wären die Zuschauer immer offen für neue Meinungen, müssten sie sich ständig neu an ihre Umwelt und Mitmenschen anpassen. Dass dies unrealistisch ist, leuchtet schnell ein-- man braucht nur an seine eigenen Meinungen und Einstellungen zu denken. Ein Schlüsselbegriff für dieses Phänomen ist die Resistenz gegenüber Persuasionsversuchen. Damit ist generell die Abwehr eines Persuasionsversuches gemeint (vgl. im folgenden Knowles &-Linn, 2004). Definition: Resistenz Unter Resistenz kann generell die Abwehr von Persuasionsversuchen verstanden werden. Dies beinhaltet das bewusste Ablehnen des Überzeugungsversuchs (Reaktanz), das Infragestellen des Kommunikationsinhaltes, die Prüfung der persuasiven Argumente sowie das Beharren auf dem eigenen Standpunkt. <?page no="193"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 194 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 194 Der Begriff der Resistenz hat zwei Komponenten: Zum einen umfasst er die Motivation, sich nicht durch neue Informationen beeinflussen zu lassen. Zum anderen beschreibt er das Ergebnis eines Beeinflussungsversuches: Resistenz hat stattgefunden, wenn der Rezipierende sich einem Beeinflussungsversuch erwehrt hat. Knowles und Linn (2004) sprechen von den vier Gesichtern der Resistenz: 1. Das erste ist die Reaktanz, die wir noch weiter unten kennenlernen werden. Reaktanz entsteht, wenn ein Persuasionsversuch direkt als solcher wahrgenommen wird und die subjektiv empfundene Entscheidungsfreiheit einschränkt. 2. Das zweite Gesicht, Misstrauen, bezeichnet ein Anzweifeln und das Infragestellen des Kommunikationsinhaltes. 3. Die genaue Prüfung des Kommunikationsinhaltes macht das dritte Gesicht der Resistenz aus: Jeder Punkt einer Botschaft wird sorgfältig durchdacht und hinterfragt, die Aufmerksamkeit für die Botschaft ist hoch. 4. Das letzte Gesicht der Resistenz ist schließlich das Beharren. Die Funktion des Beharrens ist es, das Netz von Einstellungen einer Person in Balance zu halten (vgl. Heider, 1946). Auch dieser Gedanke wird uns in diesem Abschnitt noch einmal begegnen. Eine der ersten Theorien, die sich mit dem Phänomen der Resistenz beschäftigt haben, ist die Theorie der psychologischen Reaktanz von Brehm (1966). Der Grundgedanke der Theorie lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wenn Menschen das Gefühl haben, dass die Freiheit, Verhaltensweisen nach ihren Wünschen zu gestalten, eingeschränkt wird, reagieren sie mit Reaktanz. Reaktanz ist ein motivationaler Zustand, den ursprünglichen Zustand der Handlungsfreiheit wieder herzustellen. Handlungsfreiheit bezieht sich selbstverständlich nicht nur auf Handlungen im strengen Sinne, sondern auch auf die Freiheit, eine selbst gewählte Meinung zu haben. Wenn also in der Medienberichterstattung versucht wird, die Rezipientinnen und Rezipienten in eine gewisse Richtung zu beeinflussen, und die Rezipierenden nehmen dies als Einschränkung wahr, so fühlen sie sich in ihrer Einstellungsfreiheit angegriffen und reagieren mit Reaktanz. Die Folge der Reaktanz ist, dass die Rezipierenden ihre ursprüngliche Meinung (erst recht) beibehalten, oder sogar ihre Meinung in das Gegenteil des Persuasionsversuches verstärken (der sogenannte Boomerang-Effekt). Merksatz Die Theorie der psychologischen Reaktanz erklärt, warum sich Rezipierende gegen Persuasionsversuche wehren: Sie nehmen die Persuasion als Einschränkung ihrer Handlungs- und Entscheidungsfreiheit wahr. In den klassischen Studien von Brehm (1966) wurde in einem ersten Schritt die Voreinstellung der Versuchspersonen erfasst. In einem zweiten Schritt erhielten die Teil- <?page no="194"?> 11.4 Abwehrverhalten bei der Medienrezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 195 195 nehmer eine Botschaft, die die Voreinstellung in Frage stellte. Zudem wurde die Bedrohung durch die Botschaft manipuliert: In einer Bedingung wurde ein Text mit einer starken Aufforderung zur Persuasion formuliert (»Ihr als Studenten müsst unumgänglich zu der gleichen Schlussfolgerung kommen«, Brehm, 1966, S. 11). In der anderen Bedingung wurde diese Aufforderung weggelassen. Danach wurde erneut nach den Einstellungen gefragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gruppe, die keine Persuasionsaufforderung erhalten hatte, eine stärkere Meinungsänderung vollzogen hatte als die andere Gruppe. Die Theorie der psychologischen Reaktanz kann damit erklären, warum unauffällige Botschaften oftmals einen stärkeren Einfluss ausüben als direkte Überzeugungsversuche. Gemäß der Theorie ist die Reaktanz umso stärker, je wichtiger dem Individuum die Handlungsfreiheit ist. Ist es beispielsweise einer Person sehr wichtig, eine eigene und freie Meinung über ein politisches Thema zu haben, wird sie mit stärkerer Reaktanz auf eine Freiheitsbedrohung reagieren als eine Person, der es weniger wichtig ist. Zudem ist die Reaktanz stärker, je größer die Handlungsfreiheit vorher war und je stärker die Bedrohung subjektiv empfunden wird. Wann zeigen nun Menschen Resistenz gegenüber Beeinflussungsversuchen und wann nicht? Eine der wichtigsten Antworten auf diese Frage ist die Einstellungsstärke (attitude strength).Umso größer die Einstellungsstärke, umso schwerer ist es, eine Einstellung durch Medienbotschaften zu ändern. Dafür lassen sich zwei Erklärungen anbringen, eine motivationale und eine kognitive (vgl. Eagly &- Chaiken, 1998): Gemäß der motivationalen Erklärung sind starke Einstellungen für Individuen subjektiv wichtiger. Es sind Einstellungen, die uns gewissermaßen stark am Herzen liegen. Krosnick (1990) konnte zeigen, dass die Einstellungen von Amerikanern zu Themen der Regierungspolitik in den Jahren 1980 bis 1984 umso stabiler sind, je wichtiger den befragten Personen ihre Einstellungen sind. Gemäß der kognitiven Erklärung haben starke Einstellungen eine stärkere Vernetzung mit anderen kognitiven Strukturen. Das bedeutet, wenn Personen eine starke Einstellung ändern, werden dadurch andere kognitive Strukturen aktiviert, die sich ebenfalls wandeln müssten. Eagly und Chaiken (1993, S. 548) nennen dies auch metaphorisch das Domino-Prinzip: Aufgrund der starken Einbettung in andere Wissensstrukturen würde eine Einstellungsänderung zu einem Dominoeffekt führen: Alle mit der Einstellung assoziierten Kognitionen müssten auch geändert werden. Dies hätte einen viel zu großen kognitiven Aufwand zur Folge und brächte die Balance des Einstellungssystems in Gefahr (vgl. Heider, 1946). Zum Beispiel besteht bei vielen Personen eine Verknüpfung der Einstellung zum Thema Arbeitsmarktpolitik und der generellen politischen Orientierung (links vs. rechts). Ändert eine Person ihre Einstellung zum Thema Arbeitsmarktpolitik, müsste sie möglicherweise auch ihre generelle politische Orientierung ändern. <?page no="195"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 196 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 196 Beispielstudie Edwards, S. M., Li, H. &- Lee, J.-H. (2002). Forced exposure and psychological reactance: Antecedents and consequences of the perceived intrusiveness of pop-up ads. Journal of Advertising, 31(3), 83-96 Eine interessante Studie, die Reaktanz im Kontext von Pop-up-Werbung im Internet untersucht hat, haben Edwards, Li und Lee (2002) durchgeführt. Auf Basis der Theorie der psychologischen Reaktanz argumentieren sie, dass Pop-up-Werbung beim Rezipierenden eine Störung hervorruft, die als Einschränkung der Handlungsfreiheit interpretiert wird. Pop-up-Werbung ist eine Form der gezwungenen Darbietung (forced exposure), und dies müsste gemäß der Theorie der psychologischen Reaktanz negative Konsequenzen für den Werbeerfolg haben. In einem Experiment wurden Versuchspersonen gebeten, sich Webseiten anzuschauen, zu denen nach der Untersuchung Fragen gestellt werden. Manipuliert wurde u. a. die Störungsintensität, mit der die Rezipientinnen und Rezipienten durch die Ads unterbrochen wurden: In der einen Bedingung kam die Pop-up-Werbung während des Lesens des Textes, also in einer Phase, die Konzentration und Aufmerksamkeit für den Text erfordert. In der anderen Bedingung kam die Werbung nur zwischen zwei Webseiten, daher in einer Art Ruhephase. Die Ergebnisse zeigen, dass die Werbung ein Vermeidungsverhalten hervorruft, wenn sie die Rezeption stört. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn sich die Leser auf den Text konzentrieren, bzw. wenn die Störungsintensität sehr hoch ist. Die Autoren schlussfolgern, dass effektive Pop-up-Werbung möglichst wenig störend und irritierend sein sollte. Strategien der Beeinflussungsabwendung In der Literatur zur Beeinflussung von Meinungen und Einstellungen lässt sich eine Reihe von Strategien finden, die Rezipierende anwenden, um Persuasionsversuche abzuwenden. Zuwerink, Jacks und Cameron (2003) unterscheiden sieben verschiedene solcher Strategien, die auch für Medienrezeptionssituationen anwendbar sind: Bei der ersten Strategie, dem Counterarguing, versuchen die Personen, Gegenargumente zur Beeinflussung zur formulieren. Beispielsweise hören sie die Aussagen eines politischen Kandidaten aus einem anderen politischen Lager und sofort kommen ihnen Gedanken, warum diese oder jene Aussage nicht stimmt, nicht generalisierbar oder nicht haltbar ist. Die zweite Strategie, Attitude Bolstering, beschreibt das Generieren von Gedanken und Argumenten, die die eigene Position verstärken und hervorheben, ohne dass die Argumente der Gegner angegriffen werden. Dies können wir uns so vorstellen, dass sich Rezipientinnen und Rezipienten in ihren eigenen Ansichten bestärken, indem sie sich noch einmal die Gründe für ihre Ansichten ins Gedächtnis rufen. Die dritte Strategie haben wir bereits bei der Theorie der kognitiven Disso- <?page no="196"?> 11.4 Abwehrverhalten bei der Medienrezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 197 197 nanz kennengelernt: Es handelt sich um die selektive Wahrnehmung von bereits ausgewählten Inhalten, der sogenannten Message Distortion. Das heißt: Die persuasive Nachricht wird nicht unvoreingenommen verarbeitet, sondern verzerrt. Die Rezipierenden verstehen die Botschaft in einer Art und Weise, so dass sie der eigenen Voreinstellung nicht widerspricht. Gemeinhin heißt das: Man hört das, was man hören will. Die vierte Strategie wird als Source Derogation bezeichnet: Rezipientinnen und Rezipienten versuchen, die Quelle einer Botschaft in Frage zu stellen, beispielsweise, indem sie die Glaubwürdigkeit eines Kommunikators bezweifeln. Diese Strategie bezieht sich daher nicht auf den Inhalt einer Botschaft, sondern auf die Eigenschaften des Senders. Bei der fünften Strategie, Social Validation, rufen sich die Rezipierenden andere Bezugspersonen ins Gedächtnis, die der gleichen Meinung sind und diese damit validieren. Auch wird nicht auf die einzelnen Argumente geachtet, sondern sich eher einer einfachen Heuristik bedient: Beispielsweise könnten sich Rezipierende folgende Heuristik vor Augen halten: Wenn so viele Menschen von dieser Meinung überzeugt sind, wie kann es dann falsch sein? Negative Affect, die sechste Strategie, meint, dass Personen auf einen Medientext mit negativen Emotionen wie z. B. Ärger oder Wut reagieren. Dies dient gewissermaßen als Schutzschild vor der Persuasion. Die letzte Strategie kennen wir bereits aus dem Kapitel zur Selektion von Medienbotschaften (vgl. Kapitel 3): die selektive und einstellungskonsistente Auswahl von Medieninhalten (selective exposure). Rezipientinnen und Rezipienten wenden sich schlicht nur den Informationen zu, die ihren Meinungen und Voreinstellungen entsprechen. Merksatz Rezipierende wenden vielseitige Strategien an, um einem Beeinflussungsversuch zu entgehen: Sie suchen beispielsweise Gegenargumente, berufen sich bei ihrer Meinung auf andere Personen, oder sie wenden sich nur einstellungskonformen Medieninhalten zu. Im Folgenden wollen wir dies anhand der Beeinflussungsabwendung bei der Rezeption von Werbung näher beleuchten. Umfragen deuten auf einen weit verbreiteten und andauernden Werbeskeptizismus hin (vgl. Obermiller, Spangenberg &-MacLachlan, 2005): Konsumenten sind durch ihre Sozialisation sehr skeptisch gegenüber Werbung und dies macht es schwierig, dauerhafte und starke Werbeerfolge zu erzielen. Vor allem Unterbrecherwerbung wird von Rezipientinnen und Rezipienten als störend empfunden und meist vermieden oder während der Rezeption ignoriert. Personen mit hohem Skeptizismus lassen sich weniger von Werbung überzeugen und haben eine negativere Einstellung gegenüber Werbung. Dies hat auch Auswirkungen auf den Rezeptionsprozess: Ist der Werbeskeptizismus hoch, wird der Werbung wenig Aufmerksamkeit geschenkt, Werbebotschaften werden vermieden und es werden andere Quellen genutzt, um sich über Produkte zu informieren (vgl. Obermiller, <?page no="197"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 198 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 198 Spangenberg &-MacLachlan, 2005). Dies verdeutlicht, dass Konsumenten reichliche Erfahrungen mit Werbung gesammelt haben und auch Strategien entwickeln, mit Werbebotschaften umzugehen. Merksatz Rezipierende stehen der Werbung zumeist sehr kritisch gegenüber und versuchen, einen Werbeeinfluss zu vermeiden. Erkennen die Rezipierenden einen Persuasionsversuch durch Werbebotschaften, so kann dies nicht nur zu einer abwehrenden Rezeptionshaltung, sondern auch zu einer Verschlechterung der Markenbewertung führen. Das Persuasion Knowledge Model von Friestad und Wright (1994) nimmt diese Prozesse etwas genauer unter die Lupe: Nach diesem Modell entwickeln Konsumenten mit der Zeit ein umfassendes (Laien-)Wissen darüber, welche Taktiken von Werbetreibenden angewandt werden. Dieses Wissen hilft ihnen herauszufinden, wie sie Kontrolle über einen Beeinflussungsversuch behalten können, und wie sie dabei vorgehen, um aus ihrer Perspektive valide Einstellungen zu erreichen. Dabei hat das Persuasionswissen die gleichen Funktionen, wie kognitive Schemata, die wir bereits in Kapitel 2 kennengelernt haben. Bei jedem persuasivem Beeinflussungsversuch aktivieren die Rezipientinnen und Rezipienten ihr Wissen über drei verschiedene Bereiche: 1. Zunächst wird Wissen über den Persuasionsversuch selbst aktiviert, das heißt, Wissen über die Taktiken und Ziele eines Beeinflussungsversuches. Beispielsweise ist die Einstellung, Musiker würden nur in einer Talkshow auftreten, um ihre neue CD zu bewerben, ein solches Wissen. 2. Zum Zweiten zählt zum Persuasionswissen Wissen über den Beeinflussenden selbst, also seine Eigenschaften, Kompetenzen und Ziele sowie die Strategie, wie Werbetreibende Werbebotschaften erstellen. 3. Und schließlich gibt es noch das Wissen über das Thema oder den Inhalt der Botschaft (z. B. das beworbene Produkt). Die Aktivierung von Persuasionswissen kann sehr bedeutsam für den Erfolg von Werbebotschaften sein. Beispielsweise zeigt die Studie von Matthes, Schemer und Wirth (2007), dass aktiviertes Persuasionswissen unter gewissen Umständen sogar zu einer Verschlechterung der Markenbewertung führen kann. Bei der Rezeption von Produktplatzierungen im Fernsehen kann Persuasionswissen aktiviert werden, wenn erkannt wird, dass Placements in einen Beitrag bewusst eingebaut wurden, um für eine bestimmte Marke zu werben. Wenn dies die Rezipierenden während der Rezeption bemerken, so wird den Rezipierenden möglicherweise auch bewusst, dass Werbetreibende eine finanzielle Leistung für diese Einbettung erbringen mussten. Wenn dies als störend empfunden wird, verschlechtert sich die Markenbewertung. <?page no="198"?> 11.5 Zusammenfassung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 199 199 11.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir uns mit der Rezeption persuasiver Inhalte beschäftigt. Zwei-Prozess-Modelle wie das Elaboration-Likelihood-Modell besagen grundlegend, dass Menschen während der Rezeption zum einen auf Argumente achten können und diese kritisch prüfen oder zum anderen sich durch periphere Reize und Heuristiken leiten lassen. Der Vorteil dieser Modelle besteht darin, dass sie präzise Aussagen über die Bedingungen von Einstellungsänderungen erlauben, die sich auf viele Anwendungsbereiche und Disziplinen anwenden lassen. Die Modelle wurden zwar für die Persuasionsforschung entwickelt, sie machen aber dezidierte Aussagen über den Prozess der Rezeption selbst. Wir haben weiterhin behandelt, dass Menschen sich bereits während der Rezeption ein Urteil bilden. Dies ist in erster Linie dann der Fall, wenn das Urteilsobjekt sehr wichtig ist oder wenn die Rezipientinnen und Rezipienten davon ausgehen, das Urteil zu einem späteren Zeitpunkt zu benötigen. Zudem ist es auch möglich, sich während der Rezeption kein Urteil zu bilden, was wahrscheinlich ist, wenn das Urteilsobjekt weniger wichtig ist. In diesem Fall wird das Urteil durch die Informationen beeinflusst, die zum (späteren) Zeitpunkt der Urteilsbildung gerade verfügbar sind. Schließlich haben wir gesehen, dass Rezipierende persuasiven Botschaften keineswegs unkritisch gegenüberstehen. Menschen können verschiedene Strategien anwenden, sich gegen eine Beeinflussung zu wehren. Die bekannteste davon ist die Reaktanz, die eintritt, wenn Menschen das Gefühl haben, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Übungsaufgaben 1. Erklären Sie den Unterschied zwischen kognitiver, affektiver und konativer Einstellungskomponente an einem aktuellen politischen Thema. 2. Erläutern Sie den Unterschied zwischen heuristischer und systematischer Informationsverarbeitung an einem selbstgewählten Beispiel. 3. Erläutern Sie die Grundannahmen des Elaboration-Likelihood-Modells. Erklären Sie, unter welchen Bedingungen die Argumente einer Botschaft für die Rezipierenden entscheidend sind. 4. Gemäß dem Persuasion Knowledge Modell umfasst das Wissen über einen Persuasionsversuch drei verschiedene Bereiche. Nennen Sie diese und versuchen Sie, die drei Bereiche am Beispiel von Produktplatzierungen im Fernsehen näher zu verdeutlichen. <?page no="199"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 200 11 Verarbeitung persuasiver Kommunikation 200 Zum Weiterlesen Crano, W. D. &-Prislin, R. (2006). Attitudes and persuasion. Annual Review of Psychology, 57, 345-74. Der Aufsatz gibt eine leicht lesbare, aber dennoch sehr informative Einführung in die wichtigsten Befunde der Einstellungsforschung. Zuwerink Jacks, J. &-K. A. Cameron. (2003). Strategies for resisting persuasion. Basic &-Applied Social Psychology, 25, 145-161. Dieser Text ist zentral für das Verständnis von Persuasionsprozessen, da er die Abwehrstrategien unter die Lupe nimmt und systematisiert. Damit wird aufgezeigt, dass Menschen keineswegs persuasiven Botschaften hilflos ausgeliefert sind. <?page no="200"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 201 201 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption Lernziele 1. Sie können sowohl eine sozialpsychologische als auch eine soziologische Perspektive auf Medienrezeption werfen. 2. Sie können den Stellenwert gemeinsamer Medienrezeption (Medienrezeption in der Gruppe) einschätzen und typische soziale Nutzungskonstellationen benennen. 3. Sie können verschiedene Formen der elterlichen Fernsehbegleitung von Kindern unterscheiden und wissen, wie man dieses Verhalten messen kann. 4. Sie verstehen die Bedeutung des sozialen Umfelds für den Umfang sowie für die Art und Weise der Medienrezeption und können diesbezüglich verschiedene Milieus und Lebensstilgruppen unterscheiden. 12.1 Was sind mögliche soziale Dimensionen der Medienrezeption? Worte wie sozial, unsozial oder gar asozial (im Sinne von antisozial) benutzen wir in der Regel, um Einstellungen und Handlungen von Menschen gegenüber anderen Menschen zu beschreiben und zu kategorisieren. Als wissenschaftliche Disziplin versucht die Sozialpsychologie »zu verstehen und zu erklären, wie die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen von Personen durch die tatsächliche, vorgestellte oder erschlossene Anwesenheit anderer Menschen beeinflusst werden« (Jonas, Stroebe &-Hewstone, 2007, S. 6). Daraus kann nun folgende Definition abgeleitet werden: Definition: soziale Dimensionen der Medienrezeption (sozialpsychologisch) Aus sozialpsychologischer Perspektive sind soziale Dimensionen der Medienrezeption immer dann betroffen, wenn kognitive, emotionale und/ oder verhaltensbezogene Prozesse und Aktivitäten eines Rezipierenden durch die wie auch immer geartete Anwesenheit anderer Menschen tangiert und modifiziert werden. In Kapitel 4 (Interaktivität) haben wir bereits die Besonderheiten der Rezeption von interaktiven Medienangeboten kennengelernt. Wenn Menschen miteinander und gegeneinander ein Computerspiel spielen, online gemeinsam etwas Neues schaffen (z. B. ein Musikstück oder einen Text bei Wikipedia), wenn sie sich über Youtube Filme zeigen und diese kommentieren, wenn sie über Facebook miteinander kommunizieren und sich gegenseitig neue Informationen, Kontakte und Netzwerke erschließen, wenn sie parallel zum Fernsehen über einen zweiten Bildschirm bzw. ihren Comwww.claudia-wild.de: <?page no="201"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 202 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 202 puter chatten, die Fernsehinhalte kommentieren und ihre Kommentare direkt ins Fernsehgeschehen eingebunden werden (Social TV), dann sind hier in mannigfaltiger Weise soziale Dimensionen und soziale Handlungen im Sinne der oben eingeführten sozialpsychologischen Definition berührt (vgl. Busemann, 2013). Mehr noch: Das Soziale bzw. die soziale Dimension ist hier zentral bzw. die conditio sine qua non, ohne die das Medienangebot nicht existent oder zumindest ein anderes wäre. Da der Medieninhalt erst durch das soziale Zusammenwirken von Menschen entsteht, verwundert es auch nicht, dass diverse soziale Aspekte (z. B. Selbstdarstellung, sozialer Vergleich/ Kompetitivität, soziale Zugehörigkeit/ Affiliation, soziale Distinktion) die zentralen Nutzungsmotive solcher Medienangebote darstellen (vgl. z. B. Haferkamp &-Krämer, 2011; Krämer &-Winter, 2008). Nun ist auch die klassische, nicht-interaktive Medienrezeption per se in den meisten Fällen sozial motiviert, denn Medienangebote sind in der Regel personenzentriert und auch die in den Medienangeboten agierenden Personen sind für den Rezipierenden gefühlt anwesend (vgl. Kapitel 8 Wahrnehmung von Medienfiguren). Insofern sind das empathische Mitfühlen mit einem Filmhelden, das interessierte Zuwenden zum Moderator einer Wissenssendung oder auch das spannungsvolle Beobachten des Lieblingsfußballteams bei einer Sportübertragung bereits Beispiele für soziale Dimensionen der Medienrezeption. Diese Formen des sozialen Bezuges wurden jedoch in den vorangegangenen Kapiteln bereits intensiv behandelt. Sie treten auch dann zutage, wenn der Rezipierende alleine das Medienangebot nutzt. Sie verändern sich aber, wenn der Rezipierende das Medienangebot zusammen mit anderen Menschen nutzt: Viele Menschen fühlen noch intensiver mit ihrem Filmhelden mit, verstehen eine Wissenssendung noch besser und erleben noch mehr Spannung bei einem Fußballspiel, wenn Freunde oder Familienmitglieder dabei sind. Entscheidend für solche Effekte sind also die sozialen Konstellationen der Medienrezeption (vgl. Gehrau, 2014; McDonald, 2009), die im Abschnitt 12.2 thematisiert werden. Werfen wir anstelle eines sozialpsychologischen einen soziologischen Blick auf die Medienrezeption, so gelangen größere, gesellschaftliche Sinnzusammenhänge in den Fokus, beispielsweise die Frage, wie die zunehmende Mediennutzung und der Wandel in den medialen Nutzungsoptionen und -motiven unser menschliches Zusammenleben und die Funktionsweise unserer Gesellschaft beeinflussen. Gerade ältere Personen, die nicht durch digitale Medienwelten und soziale Netzwerken sozialisiert wurden, befürchten beispielsweise nicht selten einen Verfall zwischenmenschlicher Beziehungen und direkter Face-to-Face-Kommunikation, wenn sie erleben, dass jüngere Generationen zunehmend online bzw. medienvermittelt kommunizieren. In diesem Fall wäre die Medienrezeption die erklärende bzw. unabhängige und die Gesellschaft die erklärte bzw. abhängige Größe. Jedoch hat auch die umgekehrte Betrachtung ihre Berechtigung, die die Art und Weise der Medienrezeption vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Strukturen bzw. in Abhängigkeit der Zugehörigkeit von Menschen zu bestimmten sozialen Gruppierungen und Umfeldern erklärt. <?page no="202"?> 12.2 Soziale Konstellationen bei der Medienrezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 203 203 Definition: soziale Dimensionen der Medienrezeption (soziologisch) Aus soziologischer Perspektive sind soziale Dimensionen der Medienrezeption immer dann betroffen, wenn der Umfang, die Art und Weise sowie der Wandel der Medienrezeption menschliches Zusammenleben und gesellschaftliche Zusammenhänge und Strukturen tangiert und modifiziert oder- - vice versa- - wenn gesellschaftliche Zusammenhänge und Strukturen den Umfang, die Art und Weise sowie den Wandel der Medienrezeption bedingen und beeinflussen. Letztere Perspektive dieser Definition ist für dieses Lehrbuch, das Medienrezeption erklärbar machen will, von größerer Bedeutung und soll daher im Abschnitt 12.3 fokussiert behandelt werden. 12.2 Soziale Konstellationen bei der Medienrezeption Die Frage nach den sozialen Konstellationen der Medienrezeption verlangt einen Blick auf Varianten gemeinsamer Medienrezeption. Wie häufig nutzen wir jedoch Medien in Gegenwart anderer? Ist die gemeinsame Medienrezeption in Zeiten zunehmender Fragmentierung und Individualisierung in der Mediennutzung überhaupt noch eine relevante Kategorie? Fakt ist, dass das Medienangebot zunehmend differenzierter bzw. zielgruppenspezifischer geworden ist und die Anzahl an Fernsehgeräten und anderen Medienplattformen pro Haushalt zugenommen hat; gleichzeitig hat die Anzahl von Ein- und Zweipersonenhaushalten zugenommen, die Anzahl an Drei- und Mehrpersonenhaushalten jedoch abgenommen, so dass es nicht verwundert, dass der Anteil der gemeinsamen Fernsehnutzung in den letzten 20 Jahren um ca. 20 Prozent zurückgegangen ist (vgl. Kessler &-Kupferschmitt, 2012). Fakt ist aber auch, dass immerhin ein Drittel der gesamten Fernsehnutzung nach wie vor in Gemeinschaft stattfindet, vor allem an den Wochenenden und in der Primetime (vgl. Kessler &-Kupferschmitt, 2012) sowie zunehmend auch außerhalb der eigenen vier Wände (vgl. Gscheidle, Mohr &-Niederauer-Kopf, 2011), insbesondere bei Fußballeuropa- und -weltmeisterschaften (vgl. Gscheidle &- Kessler, 2012; Horky, 2009). So haben beispielsweise während der Fußballeuropameisterschaft 2012 immerhin 41 Prozent derjenigen, die mindestens ein Spiel des Turniers verfolgt hatten, die Übertragung auch einmal außerhalb des eigenen Zuhauses gesehen; bei der Fußballweltmeisterschaft 2010 waren es sogar 55 Prozent. Dabei dominiert die Rezeption bei Freunden, Nachbarn und Verwandten (vgl. Abb. 12.1). Ein besonders relevanter Bereich der gemeinsamen Rezeption ist die Mediennutzung von Kindern. Je jünger Kinder sind, desto mehr nutzen sie das Fernsehen gemeinsam mit anderen: Während bei den 10-13-Jährigen der Anteil gemeinsamer Fernsehnutzung bei 39 Prozent liegt, sind es bei den 6-9-Jährigen 56 Prozent und bei <?page no="203"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 204 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 204 den 3-5-Jährigen noch 64 Prozent (vgl. Kessler &- Kupferschmitt, 2012, S. 628). Gerade die Eltern sind die zentralen Begleiter bei der Medienrezeption: 71 Prozent der Erwachsenen schauen mehrmals pro Woche mit ihrem Kind gemeinsam Fernsehen, 45 Prozent hören mehrmals die Woche mit ihren Kindern gemeinsam Radio, 29 Prozent lesen mehrmals die Woche gemeinsam mit ihren Kindern bzw. lesen ihren Kindern etwas vor, 13 Prozent nutzen mit ihren Kindern gemeinsam das Internet und nur etwa jeder zehnte Erwachsene liest mit seinen Kindern gemeinsam in der Tageszeitung (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2012, S. 63). Welchen Unterschied macht es aber, ob jemand gemeinsam mit anderen oder alleine Medien rezipiert? Gemeinsame Medienrezeption ist grundlegend von der Alleinrezeption zu unterscheiden (vgl. Abb. 12.2): Während eine Person bei der Alleinrezeption auf das Medienangebot lediglich vor dem Hintergrund der eigenen Befind- Quelle: Gscheidle & Kessler, 2012, S. 430 Abb. 12.1: Fußballrezeption außerhalb der eigenen Wohnung; Anteil der Personen, die mind. ein Spiel des Turniers außer Haus gesehen haben (in %) <?page no="204"?> 12.2 Soziale Konstellationen bei der Medienrezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 205 205 lichkeit, eigener Bedürfnisse und sonstiger situativer Umstände (z. B. Ort und Zeit der Rezeption) reagiert, so reagiert sie bei gemeinsamer Rezeption zusätzlich auch auf die Anwesenheit anderer Personen und deren Reaktionen. Beispielsweise kann man auf einen melodramatischen Film sehr traurig reagieren, sich gleichzeitig aber über die Anwesenheit der Familie freuen. Nun fallen die Reaktionen auf das Medienangebot und die Reaktionen auf die anderen anwesenden Personen nicht, wie in diesem Beispiel, immer unabhängig bzw. getrennt voneinander aus (Trauer und Freude), sondern können auch miteinander interagieren bzw. sich gegenseitig beeinflussen. So kann die eigene Reaktion beispielsweise verstärkt werden, wenn man beobachtet, dass andere genau die gleiche Reaktion zeigen (Traurigkeit anderer verstärkt die eigene Traurigkeit, Freude der anderen verstärkt die eigene Freude). Die eigene Reaktion kann sich durch die Reaktion der anderen aber auch komplett verändern: Wenn man beispielsweise beobachtet, dass sich die anderen über eine an sich traurige Szene in einem Film lustig machen, so kann sich die eigene empfundene Traurigkeit zu Ärger wandeln (vgl. im Kontext des Unterhaltungserlebens bei der Fernsehrezeption: Zillich, 2013). Diese Interaktionen zeigen sich mitunter schon, wenn sich der Rezipierende ein Mitpublikum lediglich vorstellt. Die anderen Mitrezipierenden müssen physisch somit nicht einmal im gleichen Raum anwesend sein, damit bei der Rezeption ein entsprechender Gruppeneffekt zustande kommt (vgl. Hartmann &-Dohle, 2005). Auf diese Weise kann beispielsweise erklärt werden, warum bei einem Sieg der Fußballnationalmannschaft in der Endrunde einer Weltmeisterschaft das euphorische Gefühl sich allein dadurch intensiviert, dass der Rezipierende weiß, dass zeitgleich Millionen anderer Mitbürgerinnen und Mitbürger das gleiche empfinden. Entscheidend ist somit, ob die Medienrezeption durch die Anwesenheit oder vorgestellte/ vermittelte Anwesen- Quelle: Gehrau, 2014, S. 360 Medienangebot Situation Alleinrezeption gemeinsame Rezeption Reaktionen Reaktionen andere Abb. 12.2: Medienrezeption allein und gemeinsam <?page no="205"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 206 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 206 heit anderer Personen gekennzeichnet ist. Ist dies der Fall, verändert sich für den Rezipierenden die Situation und somit die Basis für die Bewertung (Appraisal) der Situation, was Modifikationen der kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Reaktionen erklärt (vgl. Kapitel 6; im Speziellen: Döveling &-Sommer, 2008; Wirth &-Schramm, 2007). Merksatz Die gemeinsame Medienrezeption ist insbesondere dort von zentraler Bedeutung, wo sie 1. die generelle Zuwendung zu bestimmten Medienangeboten, 2. die Aufmerksamkeit auf konkrete Aspekte der Medieninhalte sowie 3. die gemeinsame Verarbeitung und Aneignung der Inhalte beeinflusst. So wissen wir beispielsweise mit Blick auf die generelle Zuwendung, dass Kinder häufig diejenigen Medienangebote mitnutzen, die die Eltern nutzen- - sei es die abonnierte Tageszeitung, das Radioprogramm beim gemeinsamen Autofahren oder beim gemeinsamen Frühstücken oder die Samstagabendshow im Fernsehen. Gerade in Haushalten mit nur einem Fernseher müssen sich die Familienmitglieder auf ein Programm einigen, wenn sie zur gleichen Zeit fernsehen wollen-- und da nicht nur Kinder und Erwachsene, sondern auch Frauen und Männer in der Regel unterschiedliche Programmpräferenzen aufweisen (vgl. Kessler &- Kupferschmitt, 2012), sind Kompromisse bzw. Lagerfeuer-Formate wie »Wetten, dass..? « gefragt. Dies kann dazu führen, dass keiner der Anwesenden das Programm schaut, was er schauen würde, wenn er allein das Programm hätte wählen können. Bei der gemeinsamen Rezeption können sich Personen zudem in ihrem Grad der Aufmerksamkeit gegenseitig beeinflussen (vgl. Anderson &- Burns, 1991; Anderson &- Kirkorian, 2006): Mitanwesende Personen können- - insbesondere, wenn sie das Mediengeschehen kommentieren und darüber reden wollen- - gewisse Aufmerksamkeitsressourcen binden. Anders gesagt: Rezipiert man allein, so gelingt die bedingungslose und uneingeschränkte Konzentration auf das Mediengeschehen meist besser, weshalb viele Rezipierende die Alleinrezeption insbesondere dann vorziehen, wenn sie keine Details des Medienangebots verpassen wollen. Beispielhaft ist hier das bewusste Vermeiden von Public-Viewing-Konstellationen bei der Fußballrezeption (vgl. Horky, 2009). Laufen die Rezeptionsmotive der Anwesenden nicht-- wie meist beim Public Viewing-- auseinander, so ist eine gegenseitige Ansteckung im Aufmerksamkeitsniveau sehr häufig der Fall: Ist ein Kind bei der Fernsehrezeption beispielsweise unaufmerksam, verleitet es häufig die anderen anwesenden Kinder auch dazu, unaufmerksam zu sein. Andersherum kann ein hochkonzentriertes fokussiertes Verhalten eines Kindes die anderen Kinder zum gleichen Verhalten animieren (vgl. Anderson, Lorch, Smith, Bradford &-Levin, 1981). <?page no="206"?> 12.2 Soziale Konstellationen bei der Medienrezeption www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 207 207 Die gemeinsame Rezeption ermöglicht zuletzt auch ein gemeinsames Verarbeiten und Aneignen der Inhalte. Dies ist prinzipiell auch möglich, wenn nicht miteinander gesprochen wird. So verarbeitet ein Kind einen angstevozierenden Medieninhalt u. U. allein dadurch anders, dass die Eltern dabei sind und durch ihre bloße Anwesenheit dem Kind ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln (vgl. Cantor, 2002; Nathanson, 2001). Die aktiven Sprachhandlungen untereinander sind jedoch das Wesentliche für das Verarbeiten und Aneignen (vgl. Holly, 1993; Klemm, 2000). Aufgrund der Kommentierungen der Mitrezipierenden erhält eine Person oft eine unmittelbare Einordnung und Bewertung der Medieninhalte und kann sich daran orientieren, um sich entweder der Einordnung und Bewertung anzuschließen oder um bewusst, z. B. aus Gründen der Distinktion, eine entgegengesetzte Positionierung einzuschlagen (vgl. Friemel, 2013). So kann das Lästern über einen Medieninhalt in der Gruppe dazu genutzt werden, gemeinsame Erfahrungen und Werte zu aktualisieren, um damit die Gruppenidentität zu stärken. Ein gemeinsames Ergänzen, Deuten und Erklären kann außerdem- - gerade bei voraussetzungsreichen und vieldeutigen Medieninhalten-- zu einem besseren Verständnis und damit zu Lerneffekten beitragen (vgl. Hepp, 1998). Auch Eltern können auf diese Weise ihren Kindern Medieninhalte näherbringen und sie verständlich machen. Gerade mit Blick auf den adäquaten Umgang mit bedenklichen Medieninhalten ist dies häufig zielführender, als wenn Eltern lediglich die Mediennutzung reglementieren und einschränken-- insbesondere dann, wenn die Kinder ohnehin ungehinderten Zugang zu den Medieninhalten haben oder wenn sie in naher Zukunft mit diesen Medieninhalten konfrontiert werden (vgl. Böcking, 2006; Böcking &-Böcking, 2009; Nathanson, 2001). Unter der Lupe: Mediationsverhalten von Eltern Böcking (2006; vgl. auch Böcking &-Böcking, 2009) entwickelte eine deutschsprachige Skala zur Messung von Formen der elterlichen Fernsehbegleitung von Kindern. Aufbauend auf vorhandenen Messinstrumenten aus den USA und den Niederlanden unterscheidet Böcking drei Formen: Unter (1) aktive Mediation fallen alle Verhaltensweisen der Eltern, bei denen sie aktiv versuchen, ihren Kindern bei der Fernsehrezeption die gezeigten Inhalte zu vermitteln, zu erklären und damit verständlich zu machen. Kinder können somit Medieninhalte besser einordnen und besser verarbeiten; die Eltern bekommen wesentlich früher mit, wenn ihre Kinder Medieninhalte falsch verstehen und unter negativen Wirkungen leiden. Die (2) restriktive Mediation »umfasst die Fernsehnutzung des Kindes beschränkende Verhaltensweisen der Eltern, z. B. das Aufstellen von Regeln hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes der Nutzung oder die Einschränkung der Inhalte, die das Kind sehen darf. Die Eltern können dabei den Kontakt ihres Kindes mit unerwww.claudia-wild.de: <?page no="207"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 208 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 208 wünschten Einflüssen aus dem Fernsehen auch dadurch verhindern, indem sie ihm beispielsweise gezielt andere Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten« (Böcking, 2006, S. 601). Eltern wählen dann häufig diesen Weg, wenn sie generell starke negative Wirkungen des Fernsehkonsums auf ihre Kinder vermuten, z. B. Beeinträchtigungen bei der kognitiven und emotionalen Entwicklung. Das (3) Co-Viewing schließlich ist das gemeinsame Sehen von Fernsehsendungen durch Eltern und Kinder. Es kann, muss aber nicht mit Formen der aktiven Mediation einhergehen. Wenn Eltern beim Co-Viewing die Inhalte kommentieren und damit für die Kinder evtl. auch besser verständlich gestalten, dann geschieht dies nur punktuell und in jedem Fall-- im Gegensatz zur aktiven Mediation-- unintentional und damit auch unsystematisch, weshalb ein separates Erfassen dieser Dimension des Mediationsverhaltens angemessen erscheint. Das gemeinsame Sehen von Fernsehsendungen kann Resultat gleicher Interessen und Motive von Eltern und Kindern sein. Manchmal schaut das Kind aber auch die Fernsehsendung, für die sich die Eltern interessieren, mit, um den Eltern nah zu sein. Manchmal schauen auch die Eltern die Fernsehsendung, für die sich das Kind interessiert, mit, um etwa dem Kind einen Gefallen zu tun oder um abschalten und entspannen zu können. Diese drei Dimensionen machen zusammen das Spektrum an Mediationsverhalten von Eltern aus und können mit jeweils fünf Items in einem Fragebogen erfasst werden (Böcking hatte sogar insgesamt 23 Items in der Analyse, empfiehlt aber in Anlehnung an Valkenburg et al. (1999) die Reduktion auf 15 Items; gefragt wird nach der Häufigkeit der Verhaltensweisen, 5er-Skala von nie bis immer): 1. Aktive Mediation: Wie oft-… … erklären Sie Ihrem Kind, warum gewisse Handlungen oder Verhaltensweisen einer Fernsehfigur schlecht sind? … erklären Sie Ihrem Kind die Handlungsmotive von Personen im TV? … erklären Sie Ihrem Kind, was die im Fernsehen gezeigten Dinge wirklich bedeuten? … erklären Sie Ihrem Kind, warum gewisse Handlungen oder Verhaltensweisen einer Fernsehfigur gut sind? … helfen Sie Ihrem Kind zu verstehen, was es im Fernsehen sieht? 2. Restriktive Mediation: Wie oft-… … verbieten Sie Ihrem Kind, bestimmte Sendungen zu sehen? … begrenzen Sie die Zeit, die Ihr Kind fernsehen darf? … wählen Sie im Voraus Sendungen aus, die sich Ihr Kind ansehen darf? <?page no="208"?> 12.3 Medienrezeption als Folge des sozialen Umfelds www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 209 209 … geben Sie Ihrem Kind ganz konkrete Tageszeiten vor, zu denen es fernsehen darf? … fordern Sie Ihr Kind auf, den Fernseher auszuschalten, wenn die Sendung für seine Altersklasse ungeeignet ist (bzw. schalten den Fernseher selbst aus)? 3. Co-Viewing: Wie oft-… … schauen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam fern, weil Sie sich beide für eine Sendung interessieren? … schauen Sie zusammen mit Ihrem Kind wegen des damit verbundenen Spaßes fern? … schauen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam fern, weil Sie beide eine Sendung mögen? … lachen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind über Sachen, die Sie im Fernsehen sehen? … schauen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Ihre persönliche Lieblingssendung? 12.3 Medienrezeption als Folge des sozialen Umfelds Das soziale Umfeld, in dem ein Mensch aufwächst und in dem er lebt, ist ganz entscheidend für die Art und Weise sowie den Umfang der Medienrezeption (vgl. Friemel, 2013; Weiß, 2001). Dieser Umstand wird zunächst sehr häufig im Zusammenhang mit dem kindlichen Medienkonsum aufgegriffen und dort vor allem problematisiert: Das landläufige Klischee besagt, dass insbesondere Kinder aus sozial schwachen und niedriggebildeten Familien gerne stundenlang den passiven Medien (wie Fernsehen) ausgesetzt würden, während die aktive (gemeint ist hier: kognitiv fordernde) Beschäftigung mit Medien, z. B. das Bücherlesen, in diesen Familien kaum noch stattfinde. Kann dieses Klischee empirisch bestätigt werden? Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest ermittelte in Kooperation mit dem Südwestfunk im Jahr 2012 erstmalig repräsentative Basisdaten zur Mediennutzung von Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter (miniKIM-Studie). Aufgrund der noch zu wenig ausgebildeten Artikulations- und Erinnerungsfähigkeiten dieser Kinder wurden sie nicht direkt nach ihrer Mediennutzung befragt, sondern ihre Haupterzieher (in der Regel die Mutter) wurden stattdessen interviewt. Gleichzeitig befragte man auch die Haupterzieher nach ihrer eigenen Mediennutzung. Abb. 12.3 zeigt nun zentrale Ergebnisse: Vergleicht man die 2-3-jährigen mit den 4-5-jährigen Kindern, stellt man fest, dass insbesondere das Fernsehen mit zunehmendem Alter an Bedeutung- - im Sinne von Nutzungsumfang- - dazugewinnt, die Nutzung von (Bilder-)Büchern (und damit wohl auch das Vorlesen von Büchern durch die Eltern) dagewww.claudia-wild.de: <?page no="209"?> [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 210 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 210 gen stagniert. Bezieht man nun zudem noch die Bildung der Haupterzieher mit ein, bekommen die Zahlen eine noch größere Brisanz: Während die Kinder von Eltern mit Abitur nur etwa 31 Minuten pro Tag fernsehen, sind es bei Kindern von Eltern mit Realschulabschluss bereits 42 Minuten und bei Kindern von Eltern mit Hauptschulabschluss sogar 51 Minuten täglich. Bei der Nutzung von Büchern ist es genau umgekehrt: Während Kinder von Eltern mit Abitur täglich 29 Minuten Kontakt mit Büchern haben, so sind es bei Kindern von Eltern mit Realschulabschluss 27 Minuten und bei Kindern von Eltern mit Hauptschulabschluss nur noch 23 Minuten pro Tag. Nun stellt sich die Frage, ob die Kinder aus diesen drei Bildungsumfeldern tatsächlich diese Nutzungsunterschiede aufweisen, oder ob diese-- zumindest in Teilen-- auch dadurch zustande kommen, dass eher die Eltern mit höherer Bildung bei solchen Umfragen den Medienkonsum der eigenen Kinder im Sinne einer sozial erwünschten Antwort angeben, weil sie um das eingangs erwähnte Klischee wissen und dieses in ihrem eigenen Alltag auch eher thematisieren, um sich sozial zu distinguieren. Die untere Hälfte der Abb. 12.3 zeigt zumindest, dass die Eltern mit Abitur im Vergleich zu Eltern mit niedrigerer Bildung selbst viel weniger fernsehen und dafür mehr Bücher lesen. Es spricht aufgrund dieser Daten also einiges dafür, dass Eltern ihre eigene Mediennutzung strukturell an die Kinder weitergeben bzw. dass ihre Mediennutzung als Modell für die Kinder fungiert. Jedoch könnten auch die Nutzungsdaten der Eltern rational bzw. sozial erwünscht verzerrt sein, weil Höhergebildete evtl. mehr als Niedriggebildete ein Problem damit haben könnten, einen hohen Fernseh- und niedrigen Bücherkonsum zuzugeben. Wenn wir den Umfang sowie die Art und Weise der Medienrezeption von Menschen vor dem Hintergrund ihrer sozialen Zugehörigkeit und ihres aktuellen sozialen Umfelds adäquater erklären wollen, benötigen wir ein Instrument zur Erfassung und Quelle: Feierabend, Karg & Rathgeb, 2013, S. 540 Abb. 12.3: Mediennutzung von 2-5-jährigen Kindern und deren Haupterziehern bzw.-Eltern <?page no="210"?> 12.3 Medienrezeption als Folge des sozialen Umfelds www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 211 211 Strukturierung sozialer Gruppierungen, das soziale Umfelder nicht nur anhand der formalen Bildung definiert (vgl. Weiß, 1997). Ein Instrument, das sich diesbezüglich seit drei Jahrzehnten etabliert hat und insbesondere auch für die Publikumssegmentierung von Medienangeboten und Marketingmaßnahmen eingesetzt wird, sind die Sinus-Milieus. Ein weiteres jüngeres Instrument, das speziell zur Beschreibung von Publikumssegmentierungen elektronischer Medien konzipiert und in einer ersten Version 1997/ 98 vorgestellt wurde, ist die MedienNutzerTypologie (MNT). Aufgrund der fortschreitenden Veränderung in der Medien- und Publikumsfragmentierung wurde im Jahr 2006 mit der MNT 2.0 eine Neujustierung der Typologie vorgenommen (vgl. Oehmichen, 2007), die nun auf die Nutzung verschiedener elektronischer Medien (also neben Radio und Fernsehen auch auf das Internet) angewendet werden kann. Wie die Sinus-Milieus weist auch die MNT 2.0 zehn verschiedene Lebensstilgruppen nach (vgl. Abb. 12.4). Bei diesen zehn Lebensstilgruppen können ganz unterschiedliche Grundcharakteristiken identifiziert werden. So bilden die Jungen Wilden die jüngste Lebensstilgruppe und zeichnen sich dementsprechend durch eher hedonistisches, materialistisches, konsumorientiertes, selbstbezügliches und teilweise noch unsicheres, jugendliches Verhalten aus. Die Berufstätigen dagegen haben neben dem Beruf wenig Zeit für anderes, verhalten sich in der Regel nüchtern und rational, haben nicht selten ein starkes Kulturfaible und sind eher ledig als verheiratet. Die Häuslichen- - um ein drittes Beispiel zu nennen- - stellen neben den Aktiv Familienorientierten die größte Gruppe dar und weisen meist ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und Kontinuität im Alltag, eher traditionelle Wertvorstellungen und Rollenbilder sowie einen relativ engen Aktionsradius (zumeist im häuslichen Rahmen) auf. Diese Lebensstile sind insbesondere für die Medienrezeption bedeutsam, da die Medien die prototypischen Tagesbegleiter- - wenn nicht gar Lebensbegleiter- - sind (vgl. Egger &-Windgasse, 2007, S. 255) und in Lebensstile kulturelle Präferenzen und damit auch Medien(angebots)präferenzen mit hineinspielen. Daher ist eine differenzierende Beschreibung der Medienrezeption solcher Lebensstilgruppen gewinnbringend (vgl. Egger &-Windgasse, 2007): Hinsichtlich der Grundmuster der Medienrezeption können die zehn Lebensstilgruppen der MNT zunächst trennscharf in einem zweidimensionalen Achsensystem-- von traditionell bis modern sowie von kulturnah/ ambitioniert bis kulturfern/ einfach-- verortet werden (vgl. Abb. 12.5). Allein anhand dieser Grundmuster der Mediennutzung lassen sich nun spezifische Medienpräferenzen der zehn Lebensstilgruppen vermuten: Die traditionelleren Lebensstilgruppen dürften vermutlich stärker klassische Medienangebote vor allem in den Printmedien, im Radio und im Fernsehen, die modernen Lebensstilgruppen dagegen auch innovative Formate in den klassischen Medien sowie interaktive Medien und Onlinemedienangebote nutzen. Dass dies sich tatsächlich empirisch nachweisen lässt, zeigt Abb. 12.6, in der die Nutzungsanteile der verschiedenen Medien für die zehn Lebensstilgruppen gegenüber gestellt sind. <?page no="211"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 212 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 212 Abb. 12.4: Lebensstilgruppen der MNT 2.0 Lebensstilgruppe Anteil in % Altersdurchschnitt Charakteristika Junge Wilde 11,3 22,9 hedonistisch, materialistisch, konsumorientiert, Selbstbezüglichkeit und -unsicherheit, adoleszentes Verhalten Zielstrebige Trendsetter 6,5 24,2 pragmatische Idealisten, selbstbewusste Macher, breite Interessen, Erfolgsorientierung, Vollausschöpfung der Möglichkeiten neuer Medien Unauffällige 11,6 38,7 Orientierung am Privaten, wenig Kontakte, passiv, übernehmen ungern Verantwortung, ökonomisch eingeschränkt, starkes Bedürfnis nach Unterhaltung und Ablenkung Berufsorientierte 8,4 40,9 starke Berufsbezogenheit, wenig Zeit für anderes, nüchtern, rational, Kulturfaible, eher ledig als verheiratet Aktiv Familienorientierte 15,0 41,6 Familienmenschen, bodenständig, selbstbewusst, gut organisiert, clever/ findig, dynamisch/ lebendig Moderne Kulturorientierte 6,0 53,2 (ehemalige) kulturelle Avantgarde, u.-a. arrivierte »68er«, intellektuellster Typ, hohes Aktivitätsniveau, medienkritisch, weltoffen Häusliche 15,2 57,5 Bedürfnis nach Sicherheit und Kontinuität im Alltag, eher traditionelle Wertvorstellungen und Rollenbilder, relativ enger Aktionsradius, häuslicher Rahmen wichtig Vielseitig Interessierte 9,6 64,6 sehr breites Interessenspektrum, gesellig, aktiv, erlebnisfreudig, bodenständig Kulturorientierte Traditionelle 8,1 65,2 eher konservativ und traditionell geprägtes Weltbild, häuslicher Radius ist wichtig, gleichzeitig (hoch-)kulturelle Aktivitäten Zurückgezogene 8,2 69,1 traditionell, häuslich, eher passiv, hohe Bedeutung von Sicherheit und Harmonie, gering ausgeprägte Interessen Gesamt 100 47,5 Quelle: Oehmichen, 2007, S. 227-228 <?page no="212"?> 12.3 Medienrezeption als Folge des sozialen Umfelds www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 213 213 Die kulturnahen/ ambitionierten Lebensstilgruppen dürften sich zudem im Gegensatz zu den kulturfernen/ einfachen Lebensstilgruppen stärker für Hintergrundinformationen und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge interessieren und somit auch Medienangebote jenseits des Mainstreams, z. B. auf Spartenkanälen oder in Special- Interest-Zeitschriften, nutzen. Auch dies kann empirisch bestätigt werden: Während sich 54,2 Prozent der Modernen Kulturorientierten für das mediale Themenfeld Politik und Gesellschaft sehr interessieren, sind es bei den Häuslichen nur 27,4 Prozent, bei den Zurückgezogenen nur 19,6 Prozent und bei den Unauffälligen sogar nur 10,8 Prozent. Gleiches gilt beispielsweise auch für das Themenfeld Kultur und Bildung oder Wirtschaft und Finanzen: Während sich immerhin 30,1 Prozent der Modernen Kulturorientierten für Wirtschaft und Finanzen sehr interessieren, sind es bei den Häuslichen nur 18,0 Prozent, bei den Zurückgezogenen nur 13,4 Prozent und bei den Unauffälligen sogar nur 8,5 Prozent (vgl. Mende, Oehmichen &-Schröter, 2012, S. 10). Werfen wir nun exemplarisch einen Blick auf die unterschiedliche Nutzung eines konkreten Mediums: des Radios. Die Lebensstilgruppen unterscheiden sich auf vielen Dimensionen der Radionutzung, so beispielsweise hinsichtlich der täglichen Hördauer Quelle: Oehmichen, 2007, S. 233 traditionell modern kulturnah, ambitioniert kulturfern, einfach Zurückgezogene Häusliche kulturorientierte Traditionelle vielseitig Interessierte moderne Kulturorientierte aktiv Familienorientierte Berufsorientierte zielstrebige Trendsetter junge Wilde Unau…ällige Abb. 12.5: Grundmuster der Mediennutzung nach der MNT 2.0 <?page no="213"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 214 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 214 (vgl. Abb. 12.7). Die Jungen Wilden und die Unauffälligen hören mit etwas mehr als zwei Stunden täglich am wenigsten Radio, die Aktiv Familienorientierten hören schon fast drei Stunden und die Vielseitig Interessierten fast dreieinhalb Stunden Radio. Auch hinsichtlich der empfundenen Wichtigkeit von Programmbestandteilen sind deutliche Unterschiede zwischen den Lebensstilgruppen zu erkennen. 57,6 Prozent aller Personen finden Musik als grundlegendes zentrales Element der meisten Radioprogramme sehr wichtig. Junge Wilde (76,2 %) und Zielstrebige Trendsetter (75,9 %) liegen hier mit ihrer Einstufung jedoch deutlich über dem Durchschnitt, Zurückgezogene (42,0 %), Häusliche (48,5 %), aber auch Kulturorientierte Traditionelle (43,1 %) und Moderne Kulturorientierte (45,1 %) fallen jedoch unter den Durchschnitt. Passend dazu werden auch Informationen zur Musik- - wenn überhaupt-- von den Jungen Wilden (22,9 %) und den Zielstrebigen Trendsettern (19,9 %) geschätzt, während die Zurückgezogenen (8,0 %) und Häuslichen (5,5 %) nur sehr wenig Wert darauf legen. Junge Wilde finden im Gegensatz dazu die Nachrichten nicht so wichtig (43,0 %), wohingegen die Modernen Kulturorientierten (77,1 %) und die Vielseitig Interessierten (75,4 %) in den Nachrichten das wichtigste Programmelement überhaupt sehen. Regionale Informationen sind schließlich für die Aktiv Familienorientierten (43,7 %) und Vielseitig Interessierten (44,3 %) im Gegensatz zu den Zurückgezogenen (17,9 %) oder Jungen Wilden (25,2 %) vergleichsweise attraktiv. Es zeigt sich somit, dass die konkrete Ausgestaltung der Mediennutzung vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebensführung und der sozialen Verortung einer Person erklärbar wird. Oder anders gesagt: Kenne ich das soziale Umfeld eines Menschen, so kann ich mit einer größeren Wahrscheinlichkeit auf seine Interessen, Fähigkeiten, Quelle: Mende, Oehmichen & Schröter, 2012, S. 5 Abb. 12.6: Nutzungsanteile Fernsehen, Radio, Tageszeitung und Internet nach den Lebensstilgruppen der MNT 2.0 <?page no="214"?> 12.3 Medienrezeption als Folge des sozialen Umfelds www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 215 215 Einstellungen und somit auch sein Mediennutzungsverhalten schließen, als wenn ich diese soziale Information nicht habe. Einschränkend bzw. ergänzend hierzu muss jedoch festgehalten werden: 1. Gerade, weil das direkte soziale Umfeld die wichtigste Sozialisationsinstanz darstellt, ist es plausibel anzunehmen, dass die hier dargestellte Wirkperspektive-- das soziale Umfeld beeinflusst die Medienrezeption- - die vorherrschende ist. Wenn jedoch die Medien in einem Umfang und einer Intensität genutzt werden, dass sie die wichtigste Sozialisationsinstanz werden, so können sie die Menschen in ihren Interessen, Fähigkeiten, und Einstellungen beeinflussen, was sich dann in einem bestimmten Lebensstil niederschlägt, der dann wiederum dafür sorgen kann, dass sich die Menschen der dazu passenden sozialen Gruppierung näher fühlen und sich ihr anschließen. Abb. 12.7: Hördauer und Wichtigkeit von Programmbestandteilen im Radio nach Lebensstilgruppen der MNT 2.0 (Programmbestandteil ist sehr wichtig, in %) Hördauer in Minuten Musik Nachrichten Informationen zur Musik regionale Informationen Junge Wilde 121 76,2 43,0 22,9 25,2 Zielstrebige Trendsetter 143 75,9 64,5 19,9 29,8 Unauffällige 128 56,3 57,5 8,4 38,0 Berufsorientierte 152 54,6 61,7 11,8 28,5 Aktiv Familienorientierte 175 64,8 67,6 10,3 43,7 Moderne Kulturorientierte 146 45,1 77,1 13,5 34,8 Häusliche 167 48,5 62,1 5,5 37,2 Vielseitig Interessierte 204 52,9 75,4 10,7 44,3 Kulturorientierte Traditionelle 151 43,1 68,1 9,1 28,0 Zurückgezogene 149 42,0 60,3 8,0 17,9 Gesamt 156 57,6 63,7 12,0 34,3 Quelle: Egger & Windgasse, 2007, S. 256-257 <?page no="215"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 216 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 216 2. Das soziale Umfeld determiniert die Medienrezeption nicht. Die Mitglieder einer sozialen Gruppe können sich in ihrer Medienrezeption grundlegend unterscheiden. So ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass sich Kinder aus eigenem Antrieb heraus für bestimmte Medien(inhalte) interessieren, auch wenn sie von ihrem sozialen Umfeld (z. B. ihren Eltern) damit nicht sozialisiert werden. Es ist also kein Automatismus, dass Kinder von Eltern, die keine Bücher lesen, ebenfalls nicht lesen, oder dass Kinder von Computerspiel-Fanatikern ebenfalls in hohem Maße Computerspiele nutzen werden. 3. Die Lebensstilgruppen sind daher als Prototypen sozialer Gruppen zu verstehen, die in der Realität in dieser Form zwar vorkommen, die sich aber oftmals auch vermischen und überlagern. Viele Personen dürften Merkmale von zwei bis drei Lebensstilen aufweisen, was sich u. a. dadurch erklärt, dass Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen (privat, beruflich) oder Lebensabschnitten (Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter) verschiedene soziale Umfelder haben. Ein Beispiel wäre hier der junge Akademiker, der in einem häuslichen, traditionellen und eher kulturfernen Umfeld aufwuchs, sich nun aber aufgrund seines kulturnahen und modernen Studiengangs und dessen Umfeld zu einem zielstrebigen Trendsetter entwickelt. Der Student wird sich nun u. U. in Zukunft je nach Situation und Kontext nur einem der beiden Lebensstile entsprechend verhalten oder beide Lebensstile sogar in Einklang bringen. Abschließend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in diesem Kapitel aus Platzgründen und Gründen der Fokussierung nicht sämtliche denkbaren sozialen Dimensionen der Medienrezeption aufgearbeitet werden konnten-- einleitend wurden bereits einige weitere soziale Aspekte der Medienrezeption angedeutet, so z. B. der große Bereich der sozialen Interaktionen über das Web 2.0 oder die sozialen Aspekte des Rezeptionserlebens (Zuneigung, Einsamkeit, soziale Zugehörigkeit, sozialer Vergleich), die auch bei Alleinrezeption zum Tragen kommen und die häufig der Grund für die Zuwendung zu entsprechenden Medieninhalten sind (vgl. Kapitel 3). Auch die Zuwendung zu und Rezeption von Medien, die sich aus sozialen Motiven mit Blick auf die postrezeptive Phase speist, wäre eine relevante Dimension: Viele Menschen schauen sich beispielsweise bestimmte Medieninhalte nur deshalb an, um anschließend mit anderen darüber reden zu können und um bei gesellschaftlich wichtigen Dingen, z. B. einer Fußballweltmeisterschaft (vgl. Schramm &-Klimmt, 2003), auch mitreden zu können. Das zentrale Motiv wäre hier also die Anschlusskommunikation (vgl. Charlton &-Klemm, 1998; Friemel, 2013). Ein letzter großer Bereich sozialer Dimensionen der Medienrezeption sind soziale Wirkungen, die sich aus der Nutzung bestimmter Medieninhalte ergeben können, ohne dass dies unbedingt die Absicht bzw. das Motiv der Rezipierenden gewesen sein muss, beispielsweise Aggression gegenüber anderen Menschen als Wirkung gewalthaltiger Medienangebote (vgl. Friedrich, 2013), ein verändertes Sexualverhalten als Wirkung sexuell expli- <?page no="216"?> 12.4 Zusammenfassung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 217 217 ziter Medienangebote (vgl. Döring, 2013), eine gesündere Lebensweise in der Familie als Wirkung von Gesundheitsthemen in den Medien (vgl. Rossmann &- Ziegler, 2013) oder auch ein gesteigertes Markenbewusstsein bei Kindern, das wiederum in der Interaktion zwischen Kindern eine entscheidende Rolle spielen kann (vgl. Weber &-Fahr, 2013). 12.4 Zusammenfassung Soziale Dimensionen sind bei der Medienrezeption in vielfältiger Weise betroffen: Medien werden aus sozialen Motiven heraus genutzt und sowohl während als auch nach der Medienrezeption können sich soziale Veränderungen in den Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen der Rezipierenden zeigen. Die Medienrezeptionsphase wird zudem auf zweierlei Weise durch soziale Konstellationen beeinflusst. Zum einen ist entscheidend, mit wem man gemeinsam einen Medieninhalt rezipiert (Partner, Freunde, Kinder, Eltern, Bekannte, Fremde-…) und welche sozialen Interaktionen in dieser Gemeinschaft während der Rezeption ablaufen. Die gemeinsame Rezeption, die in Deutschland bzgl. der Fernsehrezeption immerhin ein Drittel der Nutzungszeit ausmacht, kann sowohl die generelle Zuwendung zu bestimmten Medieninhalten, Aufmerksamkeitsprozesse als auch Verarbeitungs- und Aneignungsprozesse während der Nutzungsphase grundlegend beeinflussen. Die gemeinsame Medienrezeption von Eltern mit ihren Kindern, bei der die Eltern aktiv erklärend oder auch restriktiv regulierend eingreifen können, ist hier nur ein Beispiel. Zum anderen ist für den Umfang wie auch für die Art und Weise der rezipierten Medieninhalte entscheidend, in welchem sozialen Umfeld jemand aufgewachsen ist bzw. sich zurzeit bewegt. Soziale Milieus und Lebensstilgruppen, die sich jenseits der formalen Bildung zudem über gemeinsame Werte, Einstellungen und Lebenskulturen definieren, sind ein wertvolles Instrumentarium bei der Erklärung von Medienpräferenzen und Mediennutzungsverhalten von ganzen sozialen Gruppierungen und können daher auch für die Zielgruppensegmentierung von Medienangeboten nutzbar gemacht werden. Der Erklärungskraft dieser Milieus und Lebensstilgruppen sind jedoch Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, die konkrete Mediennutzung und das damit einhergehende Rezeptionsverhalten einer bestimmten Person restlos zu erklären. Insgesamt bedarf es daher sowohl psychologischer als auch soziologischer Ansätze, um die sozialen Wechselwirkungen rund um die Medienrezeption zu beschreiben und Rezeptionsverhalten damit umfassend zu erklären. <?page no="217"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 218 12 Soziale Dimensionen der Medienrezeption 218 Übungsaufgaben 1. Definieren Sie soziale Dimensionen der Medienrezeption aus sozialpsychologischer und aus soziologischer Perspektive. 2. Erläutern Sie, in welchem Ausmaß wir gemeinsam mit anderen bzw. in Gegenwart anderer Medien nutzen und in welchen Nutzungssituationen sich dies häufig vollzieht. 3. Erklären Sie, wie eine gemeinsame Medienrezeption die Zuwendung zu Medienangeboten, die Aufmerksamkeit während der Medienrezeption sowie die Verarbeitung und Aneignung der Medieninhalte sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. 4. Erklären Sie, welche Varianten der elterlichen Fernsehbegleitung von Kindern sich unterscheiden lassen und welche Variante welche Zielsetzung verfolgt. 5. Definieren Sie die Sinus-Milieus und die Lebensstilgruppen der Mediennutzungstypologie. Inwiefern unterscheiden sich diese Lebensstilgruppen in ihrer Mediennutzung? 6. Erläutern Sie, was einschränkend zur Erklärungskraft des sozialen Umfelds eines Menschen mit Blick auf seine Mediennutzung bedacht werden muss: Warum kann das soziale Umfeld die Mediennutzung eines bestimmten Menschen oftmals nur ansatzweise erklären? 7. Nennen Sie Beispiele für soziale Dimensionen, die als Folge der Medienrezeption postrezeptiv zur Entfaltung kommen können. Zum Weiterlesen Döveling, K. &- Sommer, D. (2008). Social Appraisal in der dynamischen Transaktion: Emotionale Aushandlungsprozesse und ihre komplexe Dynamik. In C. Wünsch, W. Früh &-V. Gehrau (Hrsg.), Integrative Modelle in der Rezeptions- und Wirkungsforschung. Dynamische und transaktionale Perspektiven (S. 173-196). München: Fischer. Die in den letzten Jahren florierenden Appraisal-Ansätze zur Erklärung von emotionalem Rezeptionserleben erhalten mit diesem Aufsatz eine fokussierte Auseinandersetzung und systematisierende Erweiterung auf der sozialen Dimension der Medienrezeption. Gehrau, V. (2014). Rezeption in Gruppe. In C. Wünsch, H. Schramm, V. Gehrau &-H. Bilandzic (Hrsg.), Handbuch Medienrezeption (S. 351-364). Baden-Baden: Nomos Verlag. <?page no="218"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 219 219 Zum Weiterlesen Gehrau legt hier ein aktuelles umfassendes deutschsprachiges Handbuchkapitel zur Medienrezeption in der Gruppe vor. McDonald, D. G. (2009). Media use and the social environment. In R. L. Nabi &- M. B. Oliver (Hrsg.), The SAGE Handbook of Media Processes and Effects (S. 251-265). Thousand Oaks, CA: Sage. Hierbei handelt es sich um ein dichtes englischsprachiges Handbuchkapitel zum wechselseitigen Einfluss von sozialem Umfeld und Medienrezeption, das auch die Implikationen für die Medienwirkungsphase thematisiert und abschließend einen Forschungsausblick bereitstellt. <?page no="219"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 220 <?page no="220"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 221 221 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen der-Medienrezeption Lernziele 1. Sie lernen, wie Medien mit Kultur und Kulturpraktiken zusammenhängen. 2. Sie verstehen die ganzheitliche Sichtweise auf Medienrezeption in Verbindung mit anderen Prozessen wie etwa der Produktion. 3. Sie lernen, welche Rolle Bedeutungsproduktion, Polysemie und Bedeutungsmacht spielen. 4. Sie lernen, dass sich Kulturen in ihrem Zugang zu Medien(inhalten) sowie in der Nutzung und Rezeption von Medien(inhalten) unterscheiden. 5. Sie können den Wert und Erklärungsbeitrag, aber auch die Herausforderungen und potenziellen Probleme einer interkulturellen Medienrezeptionsforschung abschätzen. Seit den 1970er-Jahren kann man ein Erstarken von Ansätzen beobachten, die kulturelle Aspekte bei der Analyse des Sozialen in den Vordergrund stellen. Dieser Trend ist Disziplinen übergreifend sichtbar (Soziologie, Politikwissenschaft, Literaturwissenschaft, Geschichte, und eben auch Medien- und Kommunikationswissenschaft) und ist unter dem Schlagwort Cultural Turn bekannt geworden (vgl. Bonnell &- Hunt, 1999; Chaney, 1994). Die kulturelle Wende stellt eine Abwendung vom naturwissenschaftlichen, an Objektivität ausgerichteten Ideal der wissenschaftlichen Erklärung dar und legt den Fokus auf Sinn, Bedeutung und Interpretation (vgl. Schroer, 2010, S. 197). Sie besagt, dass das Soziale nicht objektiv erfasst werden kann, unabhängig von den Bedeutungszuweisungen, die von Mitgliedern einer Gesellschaft vorgenommen werden; vielmehr konstituiert sich das Soziale erst durch kulturelle und diskursive Kräfte (vgl. Bennett, 2008, S. 95). Dieses Kapitel widmet sich Ansätzen der Rezeptionsforschung, die einen solchen Cultural Turn vollziehen. Wir gliedern das Kapitel in zwei Abschnitte, einen einführenden, der die wichtigsten Konzepte und Modelle der medienbezogenen Cultural Studies darstellt, sowie einen spezifischen, der sich mit kulturvergleichenden Forschungstraditionen beschäftigt. Dieses Kapitel kann gezwungenermaßen nur Grundzüge kultureller Ansätze mit einem Bezug zur Rezeptionsforschung darstellen. Dieser-- wenn auch kurze-- Blick lohnt sich jedoch, um die in diesem Buch vertretene, eher psychologische Sichtweise auf Rezeption zu ergänzen. <?page no="221"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 222 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 222 13.1 Medienrezeption als Kulturpraktik 13.1.1 Cultural (Media) Studies und der Begriff der Kultur Ien Ang, eine der wichtigsten Vertreterinnen der Cultural Studies, identifiziert drei Merkmale, die die Ansätze der Cultural Studies kennzeichnen (vgl. Ang, 2008, S. 227 f.): Erstens wollen die Ansätze die Komplexität sozialer Vorgänge erfassen. Die Komplexität äußert sich etwa darin, dass Mediengebrauch kontextspezifisch ist- - je nach Situation anders ausfällt und für den Nutzer oder die Nutzerin etwas anderes bedeutet. Zweitens wird Mediengebrauch als multidimensional betrachtet- - er kann nicht auf eine Ursache, Folge oder Interpretation reduziert werden. Drittens haben die Ansätze der Cultural Studies stets auch eine politische Implikation, die immer ein Auge auf mögliche Verbesserungen in der Welt hat. Sie ist in diesem Sinne interventionistisch (vgl. Hall, 1992). Alltagssprachlich wird Kultur oft gleichbedeutend mit Hochkultur verstanden- - mit Theater, Literatur und Musik. Über dieses elitäre Verständnis gehen die Cultural Studies hinaus. Kultur setzt hier bei der Bedeutungsproduktion an. Storey (2010) führt aus, dass Kultur die Ausgestaltung unseres Lebens darstellt, die Art und Weise, wie wir die Welt interpretieren und diese Bedeutungen mit anderen teilen-- Kultur sind in diesem Sinne die »practices and processes of making meanings with and from the ›texts‹ we encounter in our daily lives « (Storey, 2010, S. 3). Mit Texten sind hier nicht nur Printprodukte gemeint, sondern Gegenstände (z. B. Kleidung, Konsumgüter, aber auch Medienprodukte wie eine Fernsehsendung, ein Buch oder ein Blog) oder Ereignisse, die eine Bedeutung tragen können. Ein Theoretiker, der diese Sichtweise auf Kultur entscheidend mitgeprägt hat, ist Raymond Williams. Seine Publikationen in den 1950er- und 1960er-Jahren differenzieren den Begriff der Kultur sowohl von der Hochkultur als auch von der Massenkultur in dem berühmten Diktum: »culture is ordinary, in every society, in every mind«, Kultur sei »a whole way of life« (Williams, 2002, orig. 1958, S. 93). Damit drückt Williams aus, dass Kultur nicht einer Minderheit privilegierter Personen vorbehalten ist, sondern von allen gleichermaßen produziert und konsumiert wird. Diese demokratische Sichtweise auf Kultur als gelebte Erfahrung und Hervorbringungen gewöhnlicher Menschen äußert sich in alltäglichen Praktiken und in der Auseinandersetzung mit Texten; das Prinzip »enlightened minority, degraded mass« sei überkommen (Storey, 2012, S. 48). Die Ausweitung des Kulturbegriffs hat auch eine andere wichtige Konsequenz: Auch die populäre Kultur gehört nunmehr dazu. Die Kulturanalyse hat demnach die Aufgabe, explizite und implizite Bedeutungen und Wertorientierungen, die eine Kultur ausmachen, zu untersuchen (vgl. Williams, 2001, orig. 1961, S. 57). Der Prozess der Bedeutungsproduktion läuft nicht immer harmonisch und eindeutig ab-- er ist vielmehr fast zwangsläufig mit Konflikten über die geltende Bedeu- <?page no="222"?> 13.1 Medienrezeption als Kulturpraktik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 223 223 tung behaftet. Manche Akteure haben mehr Macht, um die von ihnen wahrgenommenen Bedeutungen durchzusetzen, andere Akteure müssen sich einer gesetzten Definition beugen. Beispielsweise gilt heute ein nicht internetfähiges Mobiltelefon als nicht zeitgemäß, im besten Fall retro. Auch wenn die ursprüngliche Funktionalität des Telefonierens auch bei einem alten Handy gewährleistet ist, färbt die Bedeutungszuweisung unzeitgemäß auf den Besitzer ab, der diese Bedeutung mit der Zeit übernimmt und irgendwann selbst zur Einsicht gelangt, dass er ein neues Telefon braucht. In diesem Fall hat das Umfeld des Nutzers seine Bedeutungszuweisung über das Telefon durchgesetzt. Konflikte über Bedeutung und Bedeutungsmacht gehören zum »core interest of cultural studies«, so Storey (2010, S. 3). Prozesse der Bedeutungsaushandlung finden nicht in gesonderten Foren statt, sondern im Alltag von ganz normalen Menschen und äußern sich in alltäglichen Handlungen. Daher sind Kulturpraktiken- - d. h. komplexe Handlungsformen, mit denen Kulturobjekte erstellt und angeeignet werden und die in einen spezifischen soziokulturellen Kontext eingebettet sind-- in diesen Prozessen von essentieller Bedeutung und Ansatzpunkte für eine kulturelle Analyse (Hepp, 2010, S. 47). Definition: Cultural Studies Cultural Studies begreifen sich als einen »Ansatz der Kulturanalyse, der insbesondere auf eine Beschäftigung mit Alltagspraktiken, alltäglichen kulturellen Konflikten und Fragen der soziokulturellen Macht zielt« (Hepp, 2010, S. 10). 13.1.2 Grundlegende Merkmale der Cultural Studies Von Anfang an war das Projekt Cultural Studies geprägt von vielen theoretischen und intellektuellen Strömungen, die man zur Kulturanalyse heranziehen wollte: dem Kulturalismus, Strukturalismus und Poststrukturalismus, der Psychoanalyse, dem Marxismus, dem Feminismus und dem Anti-Rassismus (vgl. Ang, 2008; Storey, 2012). Um die Kernidee der Cultural Studies zu verstehen, ist eine Charakterisierung von Ang (2008, S. 227) hilfreich: Die grundlegende Methode sei es, natürlich wirkende Kategorien wie Geschlecht, Schicht oder Ethnie anzuzweifeln und zu hinterfragen. Gewissermaßen sind Cultural Studies als ein Metier des Anzweifelns zu verstehen. Kulturelle Prozesse müssen in der Analyse holistisch betrachtet werden. Es reicht nicht, ein kulturelles Produkt isoliert zu betrachten; vielmehr müssen auch die Bedingungen und Umstände der Produktion betrachtet werden, ebenso wie die Art und Weise des Konsums (vgl. Hepp, 2010, S. 47). Diesen Zusammenhang zwischen Produktion, Produkt und Rezeption haben du Gay, Hall, Machay und Negus (1997) systematisch in ihrem Modell des Circuit of Culture formuliert, wobei sie sich an ein <?page no="223"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 224 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 224 existierendes Modell von Johnson (1986/ 1987) anlehnen. Das Modell dient als Grundlage für eine empirische Fallstudie zum Sony Walkman, der als technische Neuheit der 1980er-Jahre die neuen Möglichkeiten der mobilen Musikrezeption geschaffen hat. Wie die Abb. 13.1 demonstriert, besteht der Kreislauf der Kultur aus fünf kulturellen Prozessen: Repräsentation, Identität, Produktion, Konsum und Regulierung (vgl. du Gay, Hall, Janes, Mackay &-Negus, 1997, S. 4 f.): 1. Repräsentation bezieht sich auf die Herstellung einer kulturellen Bedeutung durch die Repräsentation eines kulturellen Objektes, im Fall des Sony Walkman etwa die Art und Weise, wie das Produkt in der Werbung dargestellt wird und welche Bedeutung und welches Image ihm dabei zuteil werden. 2. Identität beschreibt, wie bestimmte Gruppen und Individuen mit dem Produkt in Verbindung gebracht werden; hierunter fällt auch, wie das Produkt Walkman die Herstellerfirma Sony prägt (z. B. mit einem Image als besonders kreativ versieht). 3. Produktion beschreibt die Prozesse und Bedingungen der Produktion eines kulturellen Artefakts, die technische Seite ebenso wie den Prozess, in dem das Objekt in der Produktion mit Bedeutung versehen wird (als genialischer Einfall eines einzelnen Erfinders, als kollektiver Prozess gewollter Innovation etc.). 4. Konsum beschreibt, was die Nutzer mit dem Produkt machen und welche Bedeutung sie ihm zuweisen. Das Produkt kann zwar mit einer bestimmten Bedeutung aus dem Produktionsprozess und der Repräsentation versehen werden; dies bedeutet aber nicht, dass die Nutzer sich genau diese Bedeutungen auch zu eigen machen. Quelle: nach du Gay et al., 1997, S. 3 representation regulations consumption production identity Abb. 13.1: Circuit of Culture <?page no="224"?> 13.1 Medienrezeption als Kulturpraktik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 225 225 5. Regulierung fragt danach, wie die Nutzung des kulturellen Produktes rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegt und welche Normen entstehen, um den Gebrauch zu regeln (z. B. die Lautstärke am Walkman so leise zu stellen, dass andere nicht gestört werden). Untersucht man etwa den Sony Walkman nun nach all diesen kulturellen Prozessen, erhält man eine vollständige und tiefgehende Analyse dieses kulturellen Artefaktes und seiner Bedeutung auf unterschiedlichsten Ebenen. Dies ist ein gutes Beispiel für den radikalen Kontextualismus, der typisch ist für die Cultural Studies und sie zu einer »discipline of contextuality« macht (Grossberg, 1997, S. 254). Der Kontext ist weit gefasst und muss im Laufe der Analyse ebenso entdeckt werden wie der Untersuchungsgegenstand selbst: »The context of a particular research is not empirically given beforehand; it has to be defined by the project, by the political question that is at stake. The context can be as narrow as a neighborhood at a particular moment, or an urban region, or perhaps some local high school that is having race problems, or it can be as broad as global capitalism after the cold war« (Grossberg, 1997, S. 255). Definition: Kontextualismus Kontextualismus bezeichnet den Einbezug des Kontextes einer Rezeption auf unterschiedlichen Ebenen der Abstraktion, beginnend bei der konkreten Rezeptionssituation (durch Ort, Zeit, anwesende Personen gekennzeichnet) bis hin zu der gerade herrschenden soziokulturellen, politischen und historischen Situation. Für Grossberg folgt daraus ein strikter Anti-Reduktionismus: Kulturelle Vorgänge sollen in ihrer vollen Komplexität betrachtet werden; auch biologische, wirtschaftliche, politische, soziale und sexuelle Aspekte gehören dazu und sollen einen umfassenden Einblick in die menschliche Natur geben (vgl. Grossberg, 1997, S. 256). Jede Art von partikularer, isolierter Betrachtung (Reduktionismus) soll vermieden werden, weil sie das umfassende Verstehen des Untersuchungsgegenstandes verhindert. Kontextualismus und Anti-Reduktionismus prägen das Selbstverständnis von Cultural-Studies-Vertreterinnen und -Vertretern und dienen auch als Abgrenzung zur Mainstream-Kommunikationsforschung. Der grundsätzliche Erkenntnisgewinn liegt im komplexen Nachvollzug von spezifischen Fällen und nicht in einer generalisierenden Theorieproduktion. Frow und Morris (1993) verdeutlichen die spezifische Funktionsweise von Cultural Studies-Forschung: »Cultural studies often tends to operate in what looks like an eccentric way, starting with the particular, the detail, the scrap of ordinary or banal existence, and then <?page no="225"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 226 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 226 working to unpack the density of relations and of intersecting social domains that inform it« (Frow &-Morris, 1993, S. 508). Eine noch radikalere Wendung erhält der Kontextualismus bei Ang (1991), die die überragende Rolle der spezifischen Rezeptionssituation betont: Medienhandlungen und Bedeutungszuweisungen können nur eingebettet in den Alltag der Personen verstanden werden; Generalisierungen und Kategorisierungen über Situationen hinweg sind daher problematisch, wenn nicht unmöglich. Sie plädiert daher für den methodologischen Situationismus, der die Situationen, in denen Mediennutzung stattfindet, zentral stellt, statt dekontextualisierte Nutzungsformen zu betrachten (vgl. Ang, 1991, S. 162). Diese Ablehnung von Generalisierung ist eine extreme Position, die auch vielen qualitativen Forscherinnen und Forschern zu weit geht (vgl. z. B. Eriksson, 2006; Schrøder, 2012). Exkurs: Cultural Studies und Rezeptionsforschung An dieser Stelle lässt sich der grundsätzliche Unterschied zur Mainstream-Rezeptionsforschung gut verdeutlichen. Der Rezeptionsforschung wird von Seiten der Cultural Studies häufig ein unterkomplexer Wirkungs- und Rezeptionsbegriff unterstellt: Wirkung als unikausal und monodirektional, Rezeption als passive Übernahme von Medieninhalten. Ein solches Verständnis von Rezeption und Wirkung entspricht natürlich nicht dem Stand der Forschung. Dennoch wird dieser Vorwurf als Legitimation der Cultural Studies auch heute noch in einigen Lehrbüchern vertreten (vgl. z. B. Hepp, 2010, S. 165; Ott &-Mack, 2013). Die Rezeptionsforschung vertritt keineswegs die Position, dass Bedeutungen aus Medieninhalten eins zu eins vom Publikum übernommen werden- - im Gegenteil: Bedeutungen, Interpretationen und Wahrnehmungen variieren nach Rezipientenmerkmalen, Verarbeitungsweisen und Rezeptionssituationen (dieses Lehrbuch hat ja gerade die Funktion, eine Übersicht zu den regelhaften Mustern in Verarbeitung und Erleben zu bieten). Die daraus resultierende Komplexität wird theoretisch und empirisch in der Rezeptionsforschung berücksichtigt. Was die Rezeptionsforschung tatsächlich und substantiell von den Cultural Studies unterscheidet, ist, dass sie Generalisierung und theoretische Strukturierung (und damit natürlich Reduktion) befürwortet und betreibt. Insbesondere die Generalisierbarkeit, die freilich nicht durch eine einzige Studie, sondern nur über viele Studien hinweg erreicht werden kann, wird in der Rezeptions- und Wirkungsforschung als erstrebenswerter wissenschaftlicher Fortschritt erachtet. Ein Kritikpunkt am Kontextualismus und Anti- Reduktionismus besteht umgekehrt darin, dass allgemeingültige Aussagen über Rezeptions- und Wirkungsphänomene nicht möglich sind. Dies stellt die tiefsitzende Differenz zwischen Cultural Media Studies und der Mainstream-Rezeptionsforschung dar- - eine Differenz, die aus dem grundlegenden Wissenschaftsver- <?page no="226"?> 13.1 Medienrezeption als Kulturpraktik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 227 227 ständnis der jeweiligen Ansätze resultiert. Wiewohl beide Sichtweisen oft kaum kompatibel erscheinen, haben beide ihre Berechtigung bei der Erforschung des Phänomens Medienrezeption und produzieren komplementäre Erkenntnisse. 13.1.3 Polysemie, Interpretation und Lesart Es wurde bereits am Anfang dieses Kapitels betont, dass Bedeutungen und Interpretationen zentral sind und dass Kultur als ein Kampf um Bedeutungen gesehen werden kann, bei dem mal eine Interessensgruppe sich durchsetzt (und damit Deutungsmacht besitzt), mal die andere. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn Bedeutungen nicht von vornherein feststehen, sondern es einen gewissen Spielraum bei der Interpretation gibt. Die Existenz und Möglichkeit mehrerer Bedeutungen wird als Polysemie bezeichnet (vgl. z. B. Fiske, 2011). Fiske argumentiert, dass massenmediale Produkte wie etwa Fernsehinhalte polysem sein müssen, um bei einem breiten Publikum Anklang zu finden-- bei polysemem Material kann jede Zuschauerin ihr eigenes, für sie relevantes Bedeutungspotenzial aktivieren (vgl. Fiske, 1986). Der übertriebene Optimismus von Fiske, dass sich Zuschauer ihre eigene Bedeutung aussuchen und so eine semiotische (sprachliche Zeichen betreffende) Demokratie (vgl. Fiske, 2011) entsteht, wurde allerdings vielfach kritisiert. Ein Vorschlag von Condit (1989) ist, die Idee einer gänzlich unterschiedlichen Bedeutungszuweisung hinter sich zu lassen und stattdessen eine unterschiedliche Valenzzuweisung anzunehmen (Polyvalenz statt Polysemie). Zwar werden die Inhalte in durchaus ähnlicher Weise verstanden, die unterschiedliche Bewertung der Inhalte aber sorgt dafür, dass verschiedene Interpretationen resultieren. Definition: Polysemie und Polyvalenz Polysemie ist die Existenz und Möglichkeit mehrerer Bedeutungen, die von verschiedenen Personen auch verschieden interpretiert werden. Polyvalenz ist die Existenz und Möglichkeit mehrerer Bewertungen von Bedeutungen. Dass Texte polysem sind, unterscheidet nicht nur verschiedene Rezipientinnen und Rezipienten voneinander. Ein wesentlicher Punkt, auf dem viele Positionen in den Cultural Studies aufbauen, ist, dass die Rezipierenden nicht genau die Bedeutung übernehmen müssen, die vom Text vorgegeben ist oder vom Kommunikator intendiert war, sondern ihre eigene Bedeutung oder Lesart kreieren. Auf diesem Grundgedanken aufbauend entwickelte Stuart Hall ein, wenn auch umstrittenes, wohl aber <?page no="227"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 228 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 228 äußerst einflussreiches Modell, das Encoding-/ Decoding-Modell, mit dem er den Kommunikationsprozess am Medium Fernsehen beschreibt. Wie bereits der Circuit of Culture von du Gay et al. (1996), sieht auch das Encoding-/ Decoding-Modell einen Medientext im Zusammenhang zwischen Produktion und Rezeption (im Überblick: vgl. Abb. 13.2). Der Prozess beginnt mit der Produktion einer Botschaft durch professionelle Medienschaffende. Ein Ereignis kann nicht als solches im Fernsehen übertragen werden; vielmehr muss es erst einmal enkodiert werden, d. h. es muss eine Repräsentation, die zur Medienvermittlung geeignet ist, produziert werden. Dieser Vorgang ist bereits als diskursiv zu betrachten: »[The production process] is framed throughout by meanings and ideas: knowledge-in-use concerning the routines of production, historically defined technical skills, professional ideologies, institutional knowledge, definitions and assumptions, assumptions about the audience and so on frame the constitution of the programme through this production structure« (Hall, 2007, orig. 1973, S. 479) Der nächste entscheidende Moment tritt ein, wenn das Produkt, das Programm, fertig ist und sich, abgekoppelt vom Produktionsprozess, den Zuschauern als bedeutungstragender Diskurs präsentiert, der bestimmten sprachlichen und diskursiven Regeln folgt. So kann sich ein Kommentar typischerweise einer wertenden, subjektiv gefärbten Sprache bedienen, während eine Nachrichtenmeldung das in der Regel nicht tut. Der dritte Prozess erfolgt dann, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer die Botschaft dekodieren, also ihr ihrerseits eine Bedeutung verleihen, die sich nicht mit dem enkodierten Sinn decken muss. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einem Missverständnis, denn um von einem effektiven kommunikativen Austausch zu sprechen, muss es einen gewissen Grad an Übereinstimmung, oder wie Hall (vgl. 2007, orig. 1973) sagt, an Reziprozität, an Gegenseitigkeit, geben. Er identifiziert drei hypothetische Positionen, innerhalb derer ein Text dekodiert werden kann (Hall, 1999, 2007, orig. 1973): 1. Die dominante, hegemoniale Position oder Lesart liegt dann vor, wenn Zuschauerinnen und Zuschauer der vorgegebenen/ intendierten Bedeutung der Fernsehsendung folgen und sie voll und ganz übernehmen. Die Dekodierung folgt dabei den Regeln, unter denen auch die Enkodierung erfolgt ist. Die hegemoniale Position zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Bandbreite möglicher Bedeutungen festlegt und diese Bandbreite als legitim vermittelt: als »›natural‹, ›inevitable‹, ›taken for granted‹ about the social order« (Hall, 2007, orig. 1973, S. 486). 2. Die oppositionelle, widerständige Position oder Lesart kommt dann zum Tragen, wenn Zuschauerinnen und Zuschauer die Bedeutung zwar verstehen, aber die Botschaft in einer gänzlich gegenläufigen Weise interpretieren. <?page no="228"?> 13.1 Medienrezeption als Kulturpraktik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 229 229 3. Die ausgehandelte Position oder Lesart stellt eine Mischung zwischen Annahme der Botschaft und Opposition zur Botschaft dar. Die Legitimität der hegemonialen Sichtweise wird anerkannt, ist aber mit Zweifeln durchsetzt, die in dieser Variante aber nicht vollständig sichtbar werden. Beispielstudie Morley, D. (1980). The ›Nationwide‹ Audience: Structure and Decoding. London: BFI. Verdienste: David Morley hat das Encoding-/ Decoding-Modell in seiner bedeutenden Studie The ›Nationwide‹ Audience empirisch umgesetzt. Es ist eine vielzitierte und auch häufig kritisierte Studie, die aber für die Forschungsrichtung von prägender Bedeutung war. Ziele: Morley wollte untersuchen, wie sich dominante, oppositionelle und ausgehandelte Lesarten auf die soziale Schicht von Rezipierenden beziehen lassen. Aufbau: Als Untersuchungsgegenstand diente die populäre BBC-Nachrichtensendung »Nationwide«. Die Untersuchungsteilnehmer sahen jeweils eine von zwei Folgen, die von ihren Themen her potenziell unterschiedliche Lesarten vermuten lassen. Insgesamt wurden 29 Probandengruppen gebildet, und zwar so, dass sie nach ihren Berufen oder ihrer sozialen Schicht homogen zusammengesetzt waren. Darunter waren etwa Lehramtsstudierende, Kunststudierende, Manager, Lehrlinge, Schüler, Gewerkschaftsvertreter oder Betriebsräte. Diese Personengruppen wurden in der Erwartung ausgewählt, dass sie beim Sehen der politischen Sendung möglichst verschiedene Lesarten produzieren werden. Methode: Gruppendiskussion in homogen zusammengesetzten Gruppen zu den gesehenen Sendungen. Programm als »sinntragender« Diskurs kodieren Bedeutungsstrukturen 1 dekodieren Bedeutungsstrukturen 2 Wissensrahmen Produktionsverhältnisse technische Infrastruktur Wissensrahmen Produktionsverhältnisse technische Infrastruktur Abb. 13.2: Encoding-/ Decoding-Modell nach Hall 1999, S. 97 <?page no="229"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 230 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 230 Ergebnisse: In den Gruppendiskussionen wurden die Muster in den Lesarten sichtbar. Hier exemplarisch einige Ergebnisse: • Die Gruppe der Bankmanager ließ eine dominante Lesart erkennen; interessanterweise äußerte sich dies darin, dass sie die Inhalte praktisch gar nicht diskutiert haben, sondern sich auf die Machart der Sendung konzentrierten (die ihnen zu unterhaltend und sensationalistisch vorkam). Morley erklärt dies damit, dass die traditionell-konservativ eingestellten Bankmanager die ideologischen Implikationen akzeptierten und der Inhalt ihnen daher transparent und unstrittig vorkam. • Im Gegensatz dazu wiesen die Gewerkschaftsvertreter eine ausgehandelte Lesart auf-- und rieben sich vor allem am Inhalt und Aspekten, die eben nicht thematisiert wurden, obwohl sie ihnen wichtig erschienen. Die meisten konnten aber die Machart und den generellen Impetus der Sendung akzeptieren. • Nicht immer jedoch ließ sich die Lesart gut auf die soziale Schicht beziehen. So wären die Lehrlinge Kandidaten für die oppositionelle Lesart gewesen; wie sich aber herausstellte, zeigten sie eine dominante Lesart. Zum einen führt Morley dies darauf zurück, dass die soziale Schicht die Lesarten nicht determinieren kann, sondern ein Faktor unter vielen ist. Zum anderen bietet er aber auch noch eine Interpretation an, die sich dann doch mit sozialer Schicht in Verbindung bringen lässt: Da das Schulsystem die Lehrlinge in eine politisch unkritische Haltung hineinsozialisiere, hätten diese keinen alternativen politischen Diskurs zur Verfügung, mit dem sie die Nationwide-Repräsentation hätten messen können. Diese Ergebnisse sind vor dem Kontext der spezifischen Situation Englands in den 1980er-Jahren zu sehen. Eine Weiterführung der Idee, dass homogene Lesarten in Gruppen existieren, findet man in der Forschung zu interpretativen Gemeinschaften. Der Begriff kann auf verschiedene Gruppen und Aspekte der Homogenität bezogen sein, etwa ähnliche Genrepräferenzen, ein einheitliches Verständnis von Medienprodukten oder ähnliche Formen des Umgangs mit einem Medium (vgl. Hepp, 2010, S. 200). Bisher haben wir den Fokus auf Medienbotschaften als Bedeutungsträger gelegt: Sie werden produziert, um bestimmte Bedeutungen zu vermitteln; Publika dekodieren diese Bedeutungen auf eine je spezifische Weise. Medien sind jedoch auch etwas konkret Materielles-- ein Fernseher steht als Gegenstand im Wohnzimmer, ein Mobiltelefon wird beim Gehen immer als konkreter Gegenstand in der Hand gehalten, das Notebook steht auf dem Schreibtisch. Trivial? Keineswegs. Einem Medium wird auch als Objekt eine Bedeutung zugewiesen; als das erste Smartphone eingeführt wurde, signalisierte es technologische Innovation und Prestige für den Besitzer. <?page no="230"?> 13.2 Medienrezeption im interkulturellen Vergleich www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 231 231 Definition: doppelte Artikulation Den Umstand, dass ein Medium zugleich Vermittler von Texten (und mithin Bedeutung) und ein materielles Objekt (eine Technologie) ist, nennt man doppelte Artikulation (vgl. Silverstone, 1994; Silverstone &-Haddon, 1996). Artikulation stammt aus einem Wortgebrauch, den Stuart Hall aus der Semiotik adaptiert hat (Grossberg, 1986): To articulate bedeutet im Englischen ausdrücken, in Worte fassen; daneben bedeutet to articulate auch, dass ein Teil mit einem anderen verbunden ist, so wie ein Lastwagen eine Fahrerkabine hat, an die man einen Anhänger koppeln kann (aber nicht muss). So ist Artikulation ein Diskurs, der an einen bestimmten historischen Kontext und eine bestimmte Ideologie gekoppelt ist. Während Hall noch die kontextuelle Einbettung in soziopolitische, historische und ideologische Kontexte verfolgte, geht es bei der doppelten Artikulation eher darum, was die Menschen im Alltag mit Medien machen-- als Bedeutungsträger und als Objekte (vgl. Jones &-Holmes, 2011, S. 6). 13.2 Medienrezeption im interkulturellen Vergleich Medienformate werden zunehmend für einen globalen Markt produziert und von einem globalen Publikum rezipiert. Die Bedeutungszuweisung und die Aushandlung von Bedeutungen im Publikum gewinnen dadurch eine weitere Dimension, die viele Forschungsfragen aufwirft: Wie unterscheiden sich Kulturen darin, wie sie Medieninhalte nutzen, wahrnehmen und verarbeiten? Kann vor dem Hintergrund unterschiedlicher kultureller Werte erklärt werden, warum ein und derselbe Medieninhalt, beispielsweise eine Fernsehserie, in dem einen Land auf starken Zuspruch, in einem anderen Land auf starke Ablehnung trifft? Ließen sich vor dem Hintergrund gemeinsamer kultureller Werte evtl. sogar Medieninhalte konzipieren, die überall gleichermaßen geschätzt werden? 13.2.1 Die Einheit in der interkulturell vergleichenden Forschung Wenn es um Vergleiche zwischen Kulturen geht und wir die Definition von Kultur als Way of Life von oben aufgreifen, muss man sich die Frage stellen: Wo endet ein Way of Life und wo beginnt der nächste? Eine gewissermaßen natürliche Einheit ist die Nation: Zweifelsohne wird ein Way of Life durch die Sprache mitdefiniert, durch das politische und wirtschaftliche System, die Geschichte und die Traditionen eines Staates. Nationen miteinander zu vergleichen, bringt allerdings auch Probleme mit sich (vgl. Livingstone, 2003): Ein Nationenvergleich impliziert, dass Nationen geschlossen oder homogen sind-- in Wirklichkeit beherbergen sie stets eine Vielzahl von Kulturen. <?page no="231"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 232 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 232 Zum einen gibt es Untergruppierungen und Subkulturen innerhalb einer Nation ebenso wie Migranten, die einen anderen nationalen Einfluss mitbringen (vgl. Dhoest, 2009). Andererseits kann es national definierte Gemeinschaften im Ausland geben (Diaspora), die wiederum in ein und derselben Nation verschiedene Sichtweisen auf Medieninhalte und Interpretationen von Medieninhalten pflegen. Globale Trends schließlich erfassen Menschen ohne Rücksicht auf ihre Nationalität (vgl. Livingstone, 2003). Die Nation ist also nicht identisch mit Kultur; nichtsdestotrotz ist sie als Einheit der interkulturellen Forschung durchaus verbreitet-- als Annäherung an Kultur, oftmals aus Mangel an Alternativen. So konstatiert Livingstone: »Yet, notwithstanding the onward march of globalization, it is surely still defensible to claim that nationstates continue to serve as convenient shorthand for distinctive histories, cultures and policy environments« (Livingstone , 2003, S. 480). Kuipers und de Kloet (2009) kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass die Nation ein wichtiges Organisationsprinzip der Sozialwissenschaft bleibt-- solange man nicht unreflektiert Nation und Kultur gleichsetzt. 13.2.2 Perspektiven des interkulturellen Vergleichs Bei einem Vergleich zwischen Kulturen geht es immer um Gemeinsamkeiten und Unterschiede (vgl. Kasten). Logik komparativer Studien (Przeworski &-Teune, 1970) 1. Differenzmethode/ Most-similar-Systems-Design: Zunächst wählt man möglichst ähnliche Objekte/ Systeme/ Kulturen aus und versucht so, Ähnlichkeiten zu maximieren. Daraufhin wird nach Unterschieden zwischen diesen ähnlichen Objekten/ Systemen/ Kulturen gesucht. 2. Konkordanzmethode/ Most-dissimilar-Systems-Design: Es werden möglichst verschiedenartige Objekte/ Systeme/ Kulturen ausgewählt, um Unterschiede zu maximieren. Zwischen diesen unterschiedlichen Objekten/ Systemen/ Kulturen wird dann nach Gemeinsamkeiten gesucht. Der Vorteil einer Suche nach Unterschieden ist, dass man Schlüsselthemen eines Landes finden oder aber Kontextfaktoren identifizieren kann, die die Medienrezeption beeinflussen; auf der anderen Seite gibt es auch die Befürchtung, dass die Suche nach Differenzen nationale Stereotype reproduziert (vgl. Livingstone, 2003). Dieser Punkt betont ebenfalls die Relevanz einer genauen Reflexion der Vorgehensweise in der vergleichenden Forschung. <?page no="232"?> 13.2 Medienrezeption im interkulturellen Vergleich www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 233 233 Die Analyseperspektive, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kulturen bzw. Nationen zutage fördern soll, nennen Wessler und Brüggemann (2012) die vergleichende Perspektive. Sie unterscheiden davon noch zwei weitere Analyseperspektiven (vgl. S. 11 ff.). Zum einen ist dies die Einflussperspektive, die Beziehungen zwischen Einheiten betrachtet, z. B. Einfluss, Dominanz oder Austausch. In dieser Perspektive lässt sich beispielsweise die Frage beantworten, unter welchen Umständen die zahlreichen US-Importe von Hollywoodfilmen von Publika in anderen Ländern genutzt und gemocht werden und welche nationalen Faktoren eine Präferenz für Hollywoodfilme verstärken oder abschwächen (vgl. z. B. Fu, 2013). Zum anderen identifizieren Wessler und Brüggemann (2012) die Entgrenzungsperspektive, mit der Phänomene untersucht werden, die jenseits von oder quer zu Nationen liegen. Als Beispiel lassen sich hier Fangemeinden von Filmen oder Serien anführen, die sich virtuell im Internet zusammenfinden (vgl. z. B. Meyer &-Tucker, 2007; Pearson, 2010). Eine Typologie der nationenvergleichenden Forschung von Kohn (1987) berücksichtigt zugleich auch die Zielrichtung einer Studie. Zunächst definiert Kohn nationenvergleichende (cross-national) Forschung als solche, die explizit und systematisch vergleichbare Daten mehrerer Nationen benutzt. • Studien, in denen die Nation als Objekt fungiert, möchten die jeweiligen Länder und ihre Eigenheiten verstehen. Als Beispiel für diesen Typus vergleichender Forschung kann man die vermutlich bekannteste kulturvergleichende Rezeptionsstudie von Tamar Liebes und Elihu Katz (1986, 1990) anführen. Sie untersucht, inwieweit die Rezeption der Fernsehserie »Dallas« in den 80er-Jahren vom kulturellen Hintergrund verschiedener Länder, in denen die Serie ausgestrahlt wurde, beeinflusst war. Dazu spielten sie 66 Kleingruppen aus Israel (dort war Dallas eher beliebt), Japan (dort wurde Dallas abgelehnt) und den USA (eigentliches Zielpublikum) jeweils eine Folge der Serie vor und ließen die Gruppe anschließend darüber diskutieren. Innerhalb der israelischen Gruppen unterschieden sie nochmals vier ethnische Gemeinschaften: Israelische Araber, marokkanische Juden, kürzlich immigrierte russische Juden sowie Kibbuzbewohner, die bereits in zweiter Generation in Israel lebten. Liebes und Katz identifizierten unterschiedliche kommunikative Rezeptionsmodi, mithilfe derer die betreffenden Gruppenmitglieder ihre Involviertheit oder auch Distanziertheit zu Dallas ausgedrückt haben und die sich darüber hinaus- - und hier kommt bereits der kulturelle Hintergrund ins Spiel- - auf den Dimensionen kollektive vs. persönliche Bezüge und normative vs. wertfreie Kommentierung unterschieden. Beispielsweise diskutierten die israelischen Araber sehr intensiv über die moralischen Implikationen von Dallas für die Werte und Normen ihrer Gemeinschaft (we), während sich die US-Amerikaner eher über Genre- und Produktionsaspekte sowie über die Implikationen von Dallas für ihr persönliches Leben (I) unterhielten. Die russischen Immigranten in Israel hingegen distanzierten sich komplett von den Inhalten und Milieus in Dallas (they), u. a. auch deshalb, weil sie die dargestellten Szenarien für real und somit auch bedrohlich hielten. <?page no="233"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 234 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 234 • Studien, in denen die Nation als Kontext dient, wollen nicht herausfinden, was die Nationen genau unterscheidet, sondern, ob sich postulierte Zusammenhänge in mehr als einem Land zeigen. Hier soll also eine allgemeine Hypothese und ihre Validität als generalisierbarer Prozess über mehrere Nationen hinweg getestet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Identifikation mit Medienpersonen, die als wichtiger Mediator für Persuasion (wenn auch in je verschiedenen Studien) in Israel, Deutschland, den USA und den Niederlanden getestet wurde (für einen Überblick vgl. Wünsch, 2014). In einem der wenigen kulturvergleichenden Rezeptionsexperimente konnten Knobloch, Callison, Chen, Fritzsche und Zillmann (2005) nachweisen, dass chinesische, deutsche und US-amerikanische Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren weniger kulturspezifische Bewertungs- und Selektionskriterien an Filme anlegen, sondern eher geschlechtsspezifische: Über alle drei Kulturen hinweg bevorzugen Mädchen und Jungen Unterhaltungsangebote mit Protagonistinnen und Protagonisten ihres eigenen Geschlechts. Jungen präferierten eher aggressive Inhalte, während Mädchen friedvolle Inhalte sehen wollten. • In Studien, in denen die Nation die Analyseeinheit ist, werden die Nationen nach bestimmten Merkmalen klassifiziert; Variationen in der Rezeption werden mit Variationen in nationalen Merkmalen systematisch in Verbindung gesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Studie von Fu (2013), der die Anzahl der Kinobesucher bei Hollywoodfilmen (Rezeptionsindikator) mit nationalen Merkmalen wie sprachliche Affinität, kulturelle Distanz und Bruttoinlandsprodukt für 25 Länder erklärt hat. • Transnationale Studien sehen Nationen als Teile von größeren internationalen Systemen; das bedeutet, dass Nationen keine isolierten Einheiten sind, sondern in einem systematischen Zusammenhang miteinander stehen. So konnte etwa Stehling (2013) systematische Ähnlichkeiten in der Interpretation der Castingshow »Germany’s Next Top Model« und »Amercia’s Next Top Model« feststellen und bezeichnet dies als transkulturelle Rezeption (eine solche, die über kulturelle Grenzen hinweg ähnlich ist). Rezeption ist also in dieser Sichtweise nicht an nationale Grenzen gebunden; gewissermaßen wird auch der physische Ort der Rezeption und damit zusammenhängender Kommunikationsphänomene weniger relevant. Moderne Kommunikationsmedien erlauben es Menschen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln, das weder territorial noch national gestützt ist. Hepp bezeichnet dieses Phänomen als »deterritoriale Vergemeinschaftung«: »soziale Beziehungen-…, die auf subjektiv gefühlter Zusammengehörigkeit der Beteiligten beruhen-… [und] sich als Netzwerk subjetiv [sic] gefühlter Zusammengehörigkeit über verschiedene Territorien hinweg erstrecken« (Hepp, 2006, S. 282). In Bezug auf Rezeptionsphänomene sind hier z. B. Fangemeinden für populärkulturelle Produkte (Filme, Serien, etc.) zu nennen . <?page no="234"?> 13.2 Medienrezeption im interkulturellen Vergleich www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 235 235 13.2.3 Kulturelle Distanz als Erklärung für Differenzen Wie kann man nun den Erfolg oder Misserfolg, ähnliche oder verschiedene Interpretationen eines Medienproduktes über mehrere Länder hinweg erklären? Eine wichtige Erklärung ist die kulturelle Distanz, die zwischen den Ländern besteht: »Most audiences seem to prefer television programs that are as close to them as possible in language, ethnic appearance, dress, style, humor, historical reference, and shared topical knowledge. This is not necessarily a national phenomenon. Audiences can be attracted or feel proximities to local culture, regional cultures within their nation, national culture, and transnational cultural regions or spaces« (Straubhaar, 1991, 2007, S. 26). Straubhaar (2007, S. 199 ff.) unterscheidet verschiedene Typen von kultureller Nähe: 1. Genre-bezogene Nähe bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Publikum mit einem Genre, seinen typischen Handlungsverläufen und den personenbezogenen Archetypen vertraut ist. Manche Genres reflektieren erzählerische Traditionen, die in ähnlicher Weise in vielen Ländern bestehen. Straubhaar betont, dass die Nähe zu einem Genre auch durch einen längerfristigen Konsum anfangs fremder Genres kultiviert werden kann (z. B. typisch US-amerikanischer Genres und Produktionen wie Actionserien oder Animationen). 2. Kulturelle Gemeinsamkeit (cultural shareability) bezieht sich auf gemeinsame Werte, Bilder, Archetypen (im Sinne typischer Rollen wie etwa der Held in einer Geschichte) und Themen. 3. Thematische Nähe wird durch Themen hergestellt, die in verschiedenen Kulturen Relevanz und Erfahrungsnähe haben. Beispiele für Themen, die sich gut transportieren lassen, sind Familie, Liebe oder beruflicher Erfolg. 4. Wertebezogene Nähe schließlich bezeichnet die Nähe, die durch in dem Medienprodukt vermittelte Werte zustande kommt (etwa Gerechtigkeit, Familie, Leistung). Kulturelle Nähe kann die Interpretation von Medienprodukten beeinflussen. Eine Studie dazu legen László und Larsen (1991) vor, in der sie den Einfluss des kulturellen Hintergrunds auf das Verarbeiten von literarischen, historisch sensiblen Inhalten untersuchen. Sie präsentierten die ungarische Kurzgeschichte »Nazis«, deren Inhalte in der Historie Ungarns verankert sind, zum einen ungarischen Lesern, zum anderen dänischen Lesern. Ihre Annahme ist, dass Personen, die kulturell bedingt eine Affinität zum Thema besitzen über ein größeres Repertoire an Wissen aus persönlichen Erfahrungen verfügen und die Kurzgeschichte solche persönlichen Erfahrungen während der Rezeption aktivieren wird. Als zweiten Faktor manipulierten sie den sogenannten Point of View (POV) beim Lesen: Einige problembehaftete Passagen wurden entweder aus einer Innenperspektive oder einer Außenperspektive beschrieben. Die <?page no="235"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 236 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 236 Ergebnisse zeigten tatsächlich, dass die Ungarn im Vergleich zu den Dänen beim Lesen wesentlich intensivere, reichhaltigere und lebhaftere Assoziationen und Erinnerungen entwickelten. Darüber hinaus verstärkte die Schilderung aus der Innenperspektive den Effekt bei den Ungarn, während sie bei den Dänen folgenlos blieb. Die kulturelle Nähe kann auch andere Dimensionen der Rezeption beeinflussen, etwa die Identifikation und das Mögen von Medienfiguren, wie Kuipers und de Kloet (2009) argumentieren. Man kann beobachten, dass die Nutzung und Bewertung von Medienprodukten ebenfalls von kultureller Nähe beeinflusst wird. In Ländern mit geringerer kultureller Distanz nutzen die Bürger auch ähnliche Genres im Vergleich zu Ländern mit größerer kultureller Distanz (Fu, 2013). Trepte (2008) fand in einer Studie in acht Ländern heraus, dass die Bewertung von US-amerikanischen Fiction-Programmen am besten durch die geografische Distanz des jeweiligen Landes zu den USA erklärt werden kann. 13.3 Zusammenfassung Kulturelle Ansätze der Medienrezeption stellen die Bedeutungen, die Medien und Medieninhalte für Rezipierende haben, in den Vordergrund. Die Praktiken und Prozesse der Bedeutungsproduktion stehen im Kern eines weit verstandenen Kulturbegriffs. Bedeutungen sind dabei nicht eindeutig und zweifelsfrei; vielmehr wird in einem ständigen Aushandlungsprozess um Bedeutungen gerungen. In diesem Sinne geht es bei den kulturellen Ansätzen auch immer um (Bedeutungs-)Macht; Kulturanalyse untersucht demnach nicht nur, durch welche Praktiken Kultur hervorgebracht und konsumiert wird, sondern auch, wer sich mit welcher Bedeutungszuweisung in der Gesellschaft durchsetzt. Kulturvergleichende Rezeptionsforschung sucht nach Mustern in der Interpretation und Nutzung über Kulturen hinweg. Dabei kann es sich um Vergleiche zwischen Nationen handeln, die als Annäherung an kulturelle Einheiten gesehen werden können, nicht aber identisch mit ihnen sind; oder aber um transnationale Studien, die systematische Zusammenhänge zwischen Nationen sehen (z. B. durch ein ähnliches Gesellschaftssystem, Bildungssystem, Mediensystem etc.) und Rezeptionsphänomene über Nationengrenzen hinweg betrachten. Einer strengen experimentellen Logik, die wir aus anderen Bereichen der Rezeptionsforschung gewöhnt sind, entziehen sich diese Studien freilich, handelt es sich bei den wesentlichen Faktoren doch um Aspekte, die man schwerlich experimentell manipulieren und randomisieren kann. Bei einem Kulturvergleich bleibt daher nur die Möglichkeit, rezeptionsbeeinflussende Faktoren und Rahmenbedingungen (etwa kulturelle, technische, politische, ökonomische) zu erheben und angemessen zu berücksichtigen (vgl. Hasebrink, 2012). <?page no="236"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 237 237 13.3 Eine weitere Herausforderung ist es, die Auswahl der zu vergleichenden Kulturen auf Basis theoretischer und forschungslogischer Überlegungen vorzunehmen, um die Ergebnisse auch sinnvoll theoretisch interpretieren zu können und sich nicht mit einer deskriptiven Analyse zufrieden zu geben. Für psychologische Grundprozesse der Medienrezeption, wie sie Hauptgegenstand dieses Lehrbuchs sind, können, wie wir gesehen haben, auch kulturelle und interkulturelle Dimensionen identifiziert werden. Gerade die Anwendung einer kulturellen vergleichenden Perspektive auf klassische Bereiche der Rezeptionsforschung, etwa im Bereich von Erlebensweisen wie Realismus, Identifikation oder Präsenz, ist sinnvoll und nötig, steckt aber noch in den Kinderschuhen (eine Übersicht zu Unterhaltung und Emotion in vergleichender Perspektive vgl. Schramm &-Oliver, 2012). In Analogie zu einer Cross-cultural Psychology (vgl. Keith, 2011; Shiraev &-Levy, 2010) wird es nötig sein, auch eine vergleichende Rezeptionsforschung zu etablieren, die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen bei grundlegenden medienpsychologischen Prozessen systematisch untersucht. Übungsaufgaben 1. Finden Sie ein aktuelles Medienprodukt und analysieren Sie es nach den Prozessen im Circuit of Culture nach du Gay et al. (1997). 2. Was sind Argumente für den radikalen Kontextualismus, was sind Argumente dagegen? 3. Finden Sie Beispiele für die drei Typen von Lesarten nach Hall (2007, orig. 1973). 4. Wie bewerten Sie den Forschungsstand in der kulturvergleichenden Medienrezeptionsforschung? 5. Was macht die Studie von Liebes und Katz (1986, 1990) zum Klassiker? Was zeichnet sie besonders aus, wo hat sie ihre Schwächen? 6. Was ist der Unterschied zwischen einem Most-similar-Systems-Design und einem Most-dissimilar-Systems-Design? 7. Sie wollen ein Unterhaltungsformat entwickeln, das möglichst in Europa und den USA erfolgreich ist. Was müssen Sie dabei beachten, um den gewünschten Unterhaltungseffekt kontinentalübergreifend sicherzustellen? <?page no="237"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 238 13 Kulturelle und interkulturelle Dimensionen 238 Zum Weiterlesen Hasebrink, U. (2012). Comparing media use and reception. In F. Esser &-T. Hanitzsch (Hrsg.), Handbook of Comparative Communication Research (S. 382-399). Oxford: Routledge. Das Handbuchkapitel liefert einen aktuellen und umfassenden Überblick über Kontexte und Randbedingungen interkultureller Mediennutzungs- und Medienrezeptionsforschung. Liebes, T. &-Katz, E. (1990). The export of meaning. Cross-cultural readings of Dallas. New York: Oxford University Press. Dieser Klassiker interkultureller Rezeptionsforschung stellt vor allem ein umsichtiges, methodisch reflektiertes Beispiel einer qualitativen Studie dar, die nicht nur den Einfluss verschiedener Kulturen in verschiedenen Ländern, sondern auch den Einfluss verschiedener Subkulturen innerhalb eines Landes (Israel) untersucht. Storey, J. (2010). Cultural Studies and the study of popular culture (3. Aufl.): Edinburgh University Press. 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Anti-Reduktionismus 225 appraisaltheoretische Ansätze 93 Appreciation-Konzept 180 Arbeitsgedächtnis 31 Artifizialität 130 Artikulation 231 Assimilationseffekt 79, 144 assoziatives Netzwerk 37 Attitude Accessibility 107 Attitude Bolstering 196 Attitude Strength 195 Attributionen 93 Attributionstheorie 93 Audiencing 22 Aufmerksamkeit 33 Aufmerksamkeitsfokus 120 Aufmerksamkeit, willkürliche 33 Aufwärtsvergleich 144 ausgehandelte Lesart 229 Authentizität 154 automatische Prozesse 29 BBasisemotionen 95 Bedeutungsmacht 223 Bedeutungsproduktion 222 Bedeutungsvermittlung 18 Bedeutungszuweisung 223 Bedürfnisse 51 Beeinflussungsabwendung 197 Beharren 194 Behaviorismus 24 Belastung 77, 169 Beschaffenheit 26 Beteiligung 78 Bildung 210 Boomerang-Effekt 194 Bottom-up-Processing 33 CCharaktersynthese 134 Circuit of Culture 223 Circumplex-Modell 95 Cognitive-Functional-Modell 108 Computerspiele 74, 111 Confirmation Bias 58 Construction of Disbelief 152 Copy-Test 58 Counterarguing 116, 196 Co-Viewing 208 Credibility 154 crossmedial 20 Cues 187 Cultural Studies 221 <?page no="279"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 280 280 Index Cultural Studies (Definition) 223 Cultural Turn 221 Ddeterritoriale Vergemeinschaftung 234 Differenzmethode 232 Digitalisierung 20 disperses Publikum 19 Dissonanz 58 Distanz 87 dominante (hegemoniale) Lesart 228 Domino-Prinzip 195 doppelte Artikulation (Definition) 231 Dynamik 25 EEgo 80 Ego-Attitudes 80 Ego-Involvement (Definition) 78 egozentrischer Referenzrahmen 125 Einschätzungen 93 Einstellungen 31, 77 Einstellungen (Definition) 79, 184 Einstellungsobjekt 184 Einstellungsstärke 195 Elaboration 45 Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) 82, 185, 186 ELM 82 Emotion 47 emotionale Ansteckung 96 emotionale Beteiligung 120 emotionale Erregung 100 emotionales Erleben 100 emotionales Framing 105 Emotionen 31, 91 Emotionsinduktion 96 Emotions-Metaemotions-Regulations- Modell 173 Emotionsregulation 103 Empathie 96 Empathiefähigkeit 171, 173 empfundener Realismus 149 Encoding-/ Decoding-Modell 228 Enjoyment 166 Erfahrungsinhalt 158 Erfahrungsmodus 159 erinnerungsgestützte Urteilsbildung 192 Erleben 12 Erleben, Stärke 26 Erregung 168 Erregungspotenzial 102 Eskapismus (Definition) 53 Eudaimonik-Ansatz 179 eudaimonische Bedürfnisse 179 eudaimonisches Wohlbefinden (Definition) 179 evolutionsbiologische Ansätze 94 Excitation Transfer Theory 100 externer Realismus 160 FFace-to-Face-Kommunikation 19 Fähigkeiten 170, 187 faktuale Formate 149, 150 Faktualität 155 Familiarity 87 Fernsehbeziehungen 134 Figurenmodell 119 fiktionale Formate 149, 150 Flashbulb Memories 106 Flow 119, 169 Flow-Theorie 167 Formate 150 Furchtappelle 107 GGedächtnis, episodisches 38 Gedächtnis, metakognitives 38 Gedächtnis, semantisches 38 gemeinsame Medienrezeption 203, 204 Genre-bezogene Nähe 235 Genres 236 Gewalt 74 Gratifikationen, erhaltene 54 Gratifikationen, gesuchte 54 HHedonismus 178 hedonistische Valenz 102 Heuristic Systematic Model (HSM) 185 Heuristiken 47, 108 heuristische Informationsverarbeitung 185 High-Level-PSI 135 Hinweisreize 187 Hochkultur 222 hybride Formate 150 Hypothesentheorie der Wahrnehmung 125 <?page no="280"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 281 281 Index IIch-Beteiligung 78 Identifikation (Definition) 141 Identität 141, 156 Imagery 116 imaginierte Identität 141 Impression-relevant Involvement 84 Individualkommunikation 21 Information 165 Informationsaufnahme 45 Informationskomplexität 168 Informationsverarbeitung 16 Informationsverarbeitung (Definition) 186 Informationsverarbeitung, Kapazitäten der 36 inneres Widersprechen 116 integrativ-habituelle Bedürfnisse 54 Intensität 26 interaktive Medien 63 interaktives Storytelling 72 interaktive Werbung 71 Interaktivität 71 Interaktivität (Definition) 65 Interesse 78 interkultureller Vergleich 231 Internetwerbung 70 interpersonale Kommunikation 65 Interpretation 24, 227 interpretative Gemeinschaften 230 Involvement 71, 77, 127, 156 Involvement, Messung 85 Involvement, Typen 83 Issue Involvement 83 KKinder 104 Kognition (Definition) 30 Kognitionsbedürfnis 187 kognitiv-affektive Trägheit 177 kognitive Bedürfnisse 53 kognitive Dissonanz (Definition) 56 kognitive Empathie 97 kognitive Komponente von Einstellungen 183 kognitive Komponente von Emotionen 93 kognitive Überlastung 106 Kommunikation 17 kommunikative Rezeptionsmodi 233 komparative Studien 232 komplexe Emotionen 95 Komplexität 168 konative Komponente von Einstellungen 183 konative Komponente von Emotionen 93 konative PSI 135 Konkordanzmethode 232 Konnektionismus 38 konnektionistische Modelle 44 Konsonanz 58 Kontextualismus (Definition) 225 Kontrasteffekt 79, 144 Kontrolle 68 Konvergenz 20 Kultur 222 Kulturanalyse 223 kulturelle Distanz 235 kulturelle Gemeinsamkeit 235 kulturelle Wende 16, 221 Kulturen, Einflussperspektive 233 Kulturen, Entgrenzungsperspektive 233 Kulturen, vergleichende Perspektive 233 Kulturobjekte 223 Kulturpraktik 222 LLangeweile 168 Langzeitgedächtnis 31 lateraler Vergleich 143 Latitude of Acceptance 79 Latitude of Noncommitment 79 Lebensstile 211 Lebensstilgruppen 211 Lesart 228 Limited Capacity Model 36, 67 Low-Involvement-Situation 81 Low-Level-PSI 135 Mmagisches Fenster 155 Makroemotion 173 Many-to-Many-Modus 19 Massenkommunikation (Definition) 19 Meaningful Entertainment 173 Mediation 207 Media- und Reichweitenforschung 14 Medien 101 Medienemotionen (Definition) 96 Medienfiguren 129 <?page no="281"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 282 282 Index Medienfigur, non-verbale Bezugnahme 131 Medienfigur, soziale Kategorisierung 129 Medieninhalt 103, 104 MedienNutzerTypologie (MNT) 211 Mediennutzung 14, 211, 215 Mediennutzung, gemeinsame 55 Medienpsychologie 16 Medienrezeptionsforschung 15 Medienrezeptionsforschung (Definition) 11 Medienrezeption, soziale Konstellationen 203 Medienselektion 60 Medientext 12 medienvermittelte Kommunikation 18 mentale Bilder 115 mentale Modelle 38, 45, 118 Message Distortion 197 Metaappraisals 171, 174 Metaemotion 173 methodologischer Situationismus 226 Misstrauen 194 Modell der Hinweisverarbeitung 160 Modell der narrativen Welt 119 Modell der räumlichen Präsenz 124 Modell des narrativen Verstehens und Erlebens 118 Mood Adjustment Approach 103 Mood-Management-Theorie 60, 101 Most-dissimilar-Systems-Design 232 Most-similar-Systems-Design 232 Motivation 170, 187 Motive 51, 103 NNachrichten 42 Nachrichtenwert-Theorie 60 Nähe 87 Narration 72 narrative Präsenz 120 narrativer Realismus 156 narratives Erleben 126 narratives Verstehen 120 Nation 231 Nationalität 232 Need for Affect 171 Need for Cognition 187 Negative Affect 197 negative Emotionen 106 Neustrukturierung 43 nicht-fiktionale Formate 150 Non-Mediation 122 Normen 77 Nutzer 21 Nützlichkeit 156 Nutzungsmotive 51 Nutzungsmuster 49 OOne-to-Many-Modus 19 One-to-One-Modus 19 On-line-/ Off-line-Urteilsbildung 158, 191 operantes Lernen 102 oppositionelle (widerständige) Lesart 228 Orientierungsreaktion 35 ortho-soziale Beziehungen 134 Outcome-relevant Involvement 84 PParasocial Breakup Scale 138 parasoziale Beziehung (Definition) 132 parasoziale Interaktion als dynamischer Rezeptionsprozess (Definition) 134 parasoziale Interaktion (Definition) 132 parasoziale Interaktion (PSI) 132 Patterned Recognition 43 peripherer Weg der Verarbeitung 107 perirezeptive Phase 49 Persona 132 persönliche Relevanz 78, 83 Perspektivübernahme 142 Persuasion 79, 190, 198 Persuasion Knowledge Model 198 Persuasion, periphere Route 83 Persuasionsforschung 185 Persuasion, zentrale Route 83 persuasive Kommunikation 82 perzeptiv-kognitive PSI 135 physiologische Komponente von Emotionen 93 physische Präsenz 124 Plausibilität 156 politische Kommunikation 47 Polysemie (Definition) 227 Polyvalenz (Definition) 227 populäre Kultur 222 positive Emotionen 106 postrezeptive Phase 49 <?page no="282"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 283 283 Index Prädispositionen 184 prärezeptive Phase 49 Präsenz 126 Präsenz (Definition) 121 Präsenzpublikum 19 Preceived Reality 149 Primacy-Effekt 46 primäre Medien 18 Primäremotionen 95 Priming (Definiton) 36 Probability 156 Producing 22 Produser 21 Prüfung 194 PSI 136 psychischer Prozess 13 psychophysiologische Messverfahren 68 Public Viewing 206 Publikum 19 Qquasi-reale Beziehungen 134 Rradikaler Kontextualismus 225 räumliche Präsenz 124 Reaktanz 194 Reaktion 30 Realismus 149 Realismus als asymmetrisches Konstrukt 159 Realitätsbezug 149, 154 Recency-Effekt 46 Reception Studies 23 Reiz 30 Relevanzstruktur 87 Remindings 87 Resistenz (Definition) 193 Resistenz gegenüber Persuasionsversuchen 193 Resonanz 77, 86 Responsivität des Mediums 64 Ressourcen 36 Ressourcenallokation 36 Rezeptionsvergnügen 166 Rezipient (Definition) 12 Reziprozität 68 Role Taking 141 SSad Film Scale 171 Schema Induction 43 Schemata 43 Schemata (Definition) 39 Schema-Theorie 38 sekundäre Medien 18 Sekundäremotionen 95 Selbstbewertung 145 selbstbezogene Rezeption 77 Selbstkonzept 81 Selbstlokalisation 125 Selbstpräsenz 124 Selbstreferenzierung 77, 88 Selbstreferenzierung, analytische 88 Selbstreferenzierung, narrative 88 Selbstrelevanz 83 Selbstwert 145 Selbstwertsteigerung 73 Selbstwirksamkeit 73 Selective Exposure 57, 197 Selective Exposure Approach 101 Selektion 13, 33 Selektion (Definition) 49 Selektion, Phasen 49 Selektionsdispositionen, latente 34 Selektionsentscheidungen 50 Selektion, Zielgerichtetheit 50 selektive Wahrnehmung 58 Self-Determination Theory 179 Self-Referencing 88 semantische Affinität 102 Sensation Seeking 101 sensorisches System 31 Similarity Identification 143 Simulation 115 Sinus-Milieus 211 situationale Referenz 173 Situationsbewertungen 94 Situationsmodell 118 Skripts 39 Social Realism 155 Social Validation 197 soziale Dimensionen der Medienrezeption-- sozialpsychologisch (Definition) 201 soziale Dimensionen der Medienrezeption-- soziologisch (Definition) 203 soziale Präsenz 121, 124 sozialer Realismus 155 <?page no="283"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 284 284 Index sozialer Vergleich 143 soziales Umfeld 209 sozial-interaktive Bedürfnisse 54 Sozialisation 170 Spannung 16, 99 Spatial Presence 124 Stimmung 102 Stimmungen 31, 77, 91 Stimmungsregulation 16, 101, 103 Stimulation 102 Stimulusinvolvement 82 Stimulus Response 25 Storytelling 72 subjektive Interpretation 24 subjektives Erleben 13 Synchronizität 68 systematische Informationsverarbeitung 185 TTalkshow 77 tertiäre Medien 18 thematische Nähe 235 Themeninvolvement 83 Theorie der kognitiven Dissonanz 56 Theorie der psychologischen Reaktanz 194 Theorie der sozialen Vergleichsprozesse 143 Top-down-Processing 33 transkulturelle Rezeption 234 transnationale Studien 234 Transportation 112, 126 Triadisch-Dynamische Unterhaltungstheorie 167, 176 triadisches Fitting 177 Trust 154 Typizität 157 UÜberforderung 169 übernommene Identität 141 Überzeugungen 77 Unimodel 190 Unterbrecherwerbung 197 Unterforderung 168 Unterhaltung 165 Unterhaltung als Makroemotion (Definition) 178 Unterhaltung als Metaemotion (Definition) 175 Urteile (Definition) 192 Urteilsbildung 183 User 21 Uses-and-Gratifications-Ansatz 51 Uses-and-Gratifications-Forschung 15 VValue-relevant Involvement 84 vegetatives Nervensystem 93 Verarbeitung 12 Vermeidungssystem 37 Vermeidung von Informationen 49 Vertrauenswürdigkeit 154 Vertrautheit 87 virtuelle Erfahrung 123 virtuelle Welten 111 Vorwissen 31, 33 Wwahrgenommener Realismus 71 Wahrnehmung 33 Wahrscheinlichkeit 156 Web 2.0 63 Wechselseitigkeit der Kommunikation 64 Werbung 77 Werkcharakter 174 Werkkategorie (Definition) 150 Werte 77 wertebezogene Nähe 235 werterelevantes Involvement 84 Willing Suspension of Disbelief 152 Wirkungsforschung 14 Wishful Identification 142 Wissen 77 Wissenserwerb 45 Zzentraler Weg der Verarbeitung 107 zielrelevantes Involvement 84 Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen 134 Zwei-Prozess-Modelle 107, 185 <?page no="284"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 1 <?page no="285"?> Weiterlesen bei utb. Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.utb.de Bertram Scheufele, Ines Engelmann Empirische Kommunikationsforschung 2009, 254 Seiten 60 s/ w Abb., flexibler Einband ISBN 978-3-8252-3211-5 Thomas Petersen Der Fragebogen in der Sozialforschung 2014, 322 Seiten 40 s/ w Abb., flexibler Einband ISBN 978-3-8252-4129-2 Helmut Küchenhoff et al. Statistik für Kommunikationswissenschaftler 2., überarbeitete Auflage 2006, 384 Seiten 60 s/ w Abb., flexibler Einband ISBN 978-3-8252-2832-3 Patrick Rössler Inhaltsanalyse 2., überarbeitete Auflage 2010, 290 Seiten 50 s/ w Abb., flexibler Einband ISBN 978-3-8252-2671-8 Lothar Mikos, Claudia Wegener (Hg.) Qualitative Medienforschung Ein Handbuch 2005, 616 Seiten 50 s/ w Abb., fester Einband ISBN 978-3-8252-8314-8 <?page no="286"?> Weiterlesen bei utb. Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.utb.de Heinz Bonfadelli, Thomas N. Friemel Medienwirkungsforschung 5., überarbeitete Auflage 2015, 352 Seiten 90 s/ w Abb., flexibler Einband ISBN 978-3-8252-4247-3 Die Autoren stellen theoretische Ansätze und empirische Befunde der Medienwirkungsforschung vor und berücksichtigen dabei gleichermaßen die psychologisch und soziologisch orientierte Forschung. Dies erlaubt es, nicht nur die Nutzungsmuster und Wirkungen auf der Ebene einzelner Individuen zu verstehen, sondern auch die Auswirkungen auf soziale Netzwerke sowie auf die Gesellschaft als Ganzes. »Ein solides, auf breiter und aktueller Literatur basierendes Buch.« Publizistik »Ein genauso pointierter wie umfangreicher Überblick über dieses Forschungsfeld.« Medienwissenschaft <?page no="287"?> www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Bilandzic__Medienrezeptionsforschung__[Druck-PDF]/ 12.01.2015/ Seite 1