Transkulturelle Kommunikation
0424
2014
978-3-8385-4035-1
UTB
Medienkommunikation kennt keine Grenzen: Nachrichtensender wie CNN, Al-Jazeera oder Blogs informieren uns über politische Geschehnisse in allen Teilen der Welt. Ob Katastrophen, Olympiaden oder Kriege - wir sind eingebunden in globale Medienereignisse, an denen wir uns mit Twitter und Facebook selbst beteiligen können. Auch die Geschichten, die wir aus Filmen und Youtube kennen, werden mittlerweile kulturübergreifend kommuniziert.
In die Analyse dieser Phänomene führt dieses Lehrbuch ein. Thematisiert werden Konzepte der transkulturellen Medienforschung sowie Möglichkeiten und Grenzen von globaler Medienpolitik, Medienproduktion und Medienaneignung. Hierbei fokussiert der Autor medienübergreifend Fernsehen, Internet und Film. Das Lehrbuch fördert somit ein umfassendes und kritisches Verständnis transkultureller Kommunikation. Die zweite Auflage wurde grundlegend überarbeitet.
Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich Andreas Hepp Transkulturelle Kommunikation 2., völlig überarbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK Lucius · München Prof. Dr. Andreas Hepp lehrt Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bremen. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung und -illustration: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © Carlsen Comics, Judith Park Lektorat: Claudia Hangen, Hamburg Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 2746 ISBN 978-3-8252-4035-6 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 5 5 Inhalt Vorwort 7 1 Einleitung 9 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 19 2.1 Folgen der Globalisierung 22 2.2 Postkoloniale Kritik 27 2.3 Methodologische Reflexion 31 2.4 Integrative Analysen 37 3 Regulation transkultureller Kommunikation 45 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen 48 3.2 Staatliche Regulation 61 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulierung der Globalisierung 70 3.4 Global Governance der Medien 83 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 93 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne 98 4.2 Transkulturalität in der journalistischen Praxis 109 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion 115 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte 124 5 Transkulturalität von Medienprodukten 135 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood 139 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen 152 5.3 Nachrichtenartikulationen 166 5.4 Medienereignisse 180 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 6 6 Inhalt 6 Medienaneignung und Transkulturation 193 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung 195 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten 209 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen 220 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft 232 7 Perspektiven transkultureller Kommunikation 243 Literatur 249 Index 287 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 7 7 Vorwort Das vorliegende Buch hat eine längere Geschichte. Es handelt es sich dabei um eine Neufassung des ursprünglich 2006 erschienenen Bandes »Transkulturelle Kommunikation«, dessen Vorläufer wiederum meine 2004 erschienene Habilitationsschrift »Netzwerke der Medien« gewesen ist. Der Begriff der Neufassung erscheint insofern angemessen, als weite Teile vollkommen neu geschrieben wurden. Dies liegt einerseits daran, dass Fragen der transkulturellen Kommunikation seit der Erstauflage nicht weiter an Relevanz verloren, sondern gewonnen haben. Entsprechend gab es verschiedenste empirische Entwicklungen, die es zu berücksichtigen galt, wie auch weitere theoretische Diskurse um transkulturelle Kommunikation und Transkulturation aufzunehmen waren. Hinzu kam andererseits, das dass, was in dem Buch als Mediatisierung bezeichnet wird, seinen Charakter weltweit verändert hat. Verband man noch vor zehn Jahren mit Mediatisierung vor allem das Fernsehen und allenfalls ansatzweise das Internet, haben sich die Vorzeichen geändert: Eine fortschreitende globale Mediatisierung wird fast ausschließlich mit dem »Siegeszug« der digitalen Medien und dem Social Web gleichgesetzt. In dem vorliegenden Buch habe ich aber versucht, einen vermittelnden Weg zu gehen. Dieser nimmt zum einen die sich mit dem Aufkommen der digitalen Medien verändernde technische Grundlage von Medienkommunikation ernst, ohne zum anderen zu vergessen, dass es in vielen Regionen der Welt nach wie vor andere Medien sind-- Fernsehen, Zeitung, Radio--, die für transkulturelle Kommunikationsprozesse entscheidend sind. Weite Teile der Neufassung habe ich während meines durch die Universität Bremen ermöglichten Forschungssemesters in einem sehr inspirierenden Forschungsumfeld am Goldsmiths, University of London, geschrieben. Hierfür danke ich beiden Institutionen, vor allem aber folgenden Personen: Am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen möchte ich Stefanie Averbeck-Lietz, Friedrich Krotz und allen Mitgliedern meines Fachgebiets-- Matthias Berg, Cigdem Bozdag, Monika Elsler, Marco Höhn, Sigrid Kannengießer, Swantje Lingenberg, Anne Mollen, Johanna Möller, Anke Offerhaus, Cindy Roitsch und Laura Suna-- sowie unserem Forschungskoordinator Leif Kramp dafür danken, dass sie sich in den sechs Monaten meiner Abwesenheit um alle Belange kümmerten und mir den Freiraum gaben, so das Manuskript zu verfassen. Nick Couldry, David Morley und den Kolleginnen und Kollegen vom Department for Media and Communication des Goldsmiths möchte ich für die große Gastfreundschaft vor Ort und vielfältige Diskussionen danken. Eingeflossen in dieses Buch sind daneben zahlreiche Anregungen von und Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, die zu viele sind, als dass ich sie hier aufführen könnte. Namentlich danken möchte ich aber meiner Familie- - Beate Köhler, Levi Daniel Hepp und Naomi Liv Hepp--, dass sie bereit war, mit mir die Zeit im Ausland zu verbringen und zu tolewww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 8 8 Vorwort rieren, dass ich auch in einer Stadt wie London meine Zeit weitgehend am Schreibtisch verbrachte. Unterstützt haben mich beim Verfassen des Manuskripts daneben vielfältige weitere Personen. So bezieht sich Kap. 4.2 auf gemeinsame Forschung mit Michael Brüggemann, Katharina Kleinen-von Königslöw, Swantje Lingenberg, Johanna Möller und Anke Offerhaus in dem Teilprojekt »Die Transnationalisierung von Öffentlichkeit am Beispiel der EU« des Sonderforschungsbereichs 597 »Staatlichkeit im Wandel« an der Universität Bremen, denen ich für die hier zusammenfassend präsentierte gemeinsame Forschung danken möchte. Darüber hinaus hat der Sonderforschungsbereich insgesamt die wissenschaftliche Arbeit, die in diesem Buch reflektiert wird, finanziell unterstützt. Danken möchte ich auch der Zeitschrift »Medien & Kommunikationswissenschaft« für die Möglichkeit, Kap. 2 des vorliegenden Buchs auf meinem dort in dem Sonderheft »Grenzüberschreitende Medienkommunikation« erschienenen Aufsatz »Transkulturelle Kommunikation als Ansatz der Erforschung grenzüberschreitender und grenzziehender Medienkommunikation« basieren zu können. Bei Literaturrecherchen halfen mir als studentische Hilfskräfte Annika Mahr, Judith Niesel, Philip Hurzlmeier und Ann-Christin Westphal. Die Erstellung vieler Grafiken wäre ohne die Hilfe von Cindy Roitsch nicht möglich gewesen, die von Cornelia Gutsche, Philip Hurzlmeier, Simone Michel und Franziska Römer unterstützt wurde. Vor Ort in London half mir Sebastian Kubitschko mit der mir fremden Bibliothek und vielen weiteren Dingen. Für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts danke ich Annalena Oeffner Ferreira, für dessen Korrekturen Heide Pawlik, für das Lektorat Claudia Hangen bzw. Rüdiger Steiner von der UVK Verlagsgesellschaft. Widmen möchte ich dieses Buch meiner Großmutter Eugenie Hepp, die im Alter von 100 Jahren gestorben ist, während ich das Manuskript der »Transkulturellen Kommunikation« korrigierte. Ihre Verwurzelung sowohl in der Migration ihrer Familie als auch im Lokalen war immer präsent, wenn ich über transkulturelle Kommunikation schrieb. Bremen, im Februar 2014 Andreas Hepp Unter www.utb.de ist beim Aufrufen des Titels ein nach Kapiteln geordnetes und kommentiertes Verzeichnis mit weiterführender Literatur einsehbar. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 9 9 1 Einleitung Fast schon euphorisch hat Marshall T. Poe in seiner breit angelegten Geschichte der Kommunikation die Gegenwart als eine Zeit der medienvermittelten Transkulturalität beschrieben. Während die Zeit des Buchdrucks und der audiovisuellen Medien die Zeit der Toleranz und des Multikulturalismus gewesen seien, bewegen wir uns nun-- so sein Argument- - hin in eine Zeit, in der Identitäten »jenseits von Kultur« (Poe 2011: 240) lägen. Identitäten sind für ihn zukünftig weniger in historischen (National-)Kulturen verwurzelt, sondern eher eine Mischung verschiedener historischer und auch (neu) erfundener Kulturen. Ein Beispiel dafür sind für ihn die- - wie er es nennt-- transnationalen Identitäten verschiedener Subkulturen. Während diese zuerst einmal jenseits des Internets gelebt werden, ermöglicht Letzteres doch einen vergleichsweise einfachen Zugang zu ihnen. Der aktuelle Medienwandel befördert damit einen alltagsweltlichen Transkulturalismus. Als Beleg führt Marshall T. Poe den von dem togolesischen Botschaftersohn und Kreativunternehmer Claude Grunitzky herausgegebenen Band »Transculturalism« an. In Letzterem wird Transkulturalismus als eine Form des Lebens beschrieben, bei der »einige Menschen Wege finden, ihre ursprüngliche Kultur zu überschreiten, um fremde Kulturen zu entdecken, zu studieren und zu infiltrieren« (Grunitzky 2004: 25). Mit dem aktuellen Medienwandel verbunden wird also eine ganz neue Welt des Lebens und Erlebens von Kultur, für die der Begriff des Transkulturalismus steht. Wenn wir aufmerksam die Medien verfolgen, scheint es daneben andere Seiten von Transkulturalität zu geben. Die Rede ist dann von transkulturellen Konflikten, die es in Organisationen zu managen gilt, oder aber von dem transkulturellen Konflikt zwischen dem »Westen« und dem »Rest« der Welt (Hall 1994a: 137-179). Nicht nur wissen wir von solchen transkulturellen Konflikten durch die verschiedenen Medien: neben dem World Wide Web können dabei ebenso traditionelle Massenmedien wie beispielsweise das Fernsehen oder die Zeitung genannt werden. Medien können selbst treibende Kräfte in solchen transkulturellen Konflikten werden. Exemplarisch wurde dies 2006 in dem sogenannten Karikaturenstreit deutlich (Eide et al. 2008): Europäische Karikaturen über den Propheten Mohammed lösten Proteste in der arabischen Welt aus, was in Europa zu einem öffentlichen Diskurs über den Islam und religiöse Werte führte. Produziert wurden die Karikaturen für die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten, durchaus mit dem Ziel, Kontroversen auszulösen. Sie stehen somit für den Blick eines bestimmten Mediums auf »fremde Kulturen«. Erfahren von diesen Karikaturen haben die Menschen in der arabischen Welt wiederum durch die Medien- - durch ein kritisches Dossier, das unter islamischen Geistlichen kursierte, Internetseiten und durch Berichte von Al Jazeera- -, was unterschiedliche Proteste auslöste. Über diese Proteste wurde dann in europäischen (Massen-)Medien mit zum Teil sehr distanzierenden Kommentaren berichtet. Die durch die Globalisierung der www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 10 1 Einleitung 10 Medien mögliche transkulturelle Kommunikation führt, wie dieses Beispiel zeigt, ebenfalls zu Konflikten zwischen Kulturen (und Religionen) und bringt diese nicht zwangsläufig zusammen. Solche wenigen Beispiele machen deutlich, wie komplex und vielfältig das Phänomen der transkulturellen Kommunikation ist. Sie zeigen, wie notwendig ein differenziertes Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen transkultureller Medienkommunikationsprozesse ist, wenn man die sich globalisierende Medienkommunikation angemessen einschätzen und beurteilen möchte. Transkulturelle Kommunikation betrifft uns alle, wenn wir im Fernsehen, Kino und in der Presse mit Medienprodukten konfrontiert sind, die über die Grenzen verschiedener Kulturen hinweg »reisen«. Sie betrifft uns, wenn wir über das Internet mit Menschen anderer Kultur in Kontakt stehen. Auf welche Weise und von welchen Unternehmen werden diese transkulturell verfügbaren Medienprodukte hergestellt? Wie verhält sich die Medienpolitik zu den Aktivitäten global agierender Medienkonzerne? Durch was zeichnen sich transkulturelle Medienprodukte aus? Wie werden sie rezipiert und angeeignet? In welcher Beziehung steht all dies zu unserer kulturübergreifenden Kommunikation im Social Web? Und welche Theorien und Ansätze sind es, die uns in diesem Feld bei einer kritischen Betrachtung weiterhelfen? Diese Fragen sind es, auf die ich mit dem vorliegenden Buch zumindest ansatzweise eine Antwort geben möchte. Bevor ich in dieser Einleitung allerdings einen kurzen Überblick über das Buch insgesamt gebe, möchte ich einige Anmerkungen zu dem Begriff der transkulturellen Kommunikation machen. Wie wir auf den folgenden Seiten noch sehen werden, ist der Begriff der transkulturellen Kommunikation eingebunden in eine weitergehende wissenschaftliche Diskussion um Globalisierung und Mediatisierung. Deswegen ist es sicherlich nicht möglich, ihn erschöpfend in zwei oder drei Sätzen zu definieren. Einleitend kann es also nur um eine erste Orientierung gehen. Bereits die eingangs genannten Beispiele haben deutlich gemacht, dass in diesem Buch medienvermittelte Formen transkultureller Kommunikation Gegenstand der Betrachtung sind, also nicht die direkte Faceto-Face-Kommunikation von Menschen untereinander. Dies hängt damit zusammen, dass transkulturelle Kommunikation insbesondere über Medien erfolgt. Im Gegensatz zu interkultureller und internationaler Kommunikation-- also Kommunikation zwischen Menschen oder Gruppen von Menschen, die verschiedenen Kulturen bzw. Nationalstaaten angehören- - hebt der Begriff der transkulturellen Kommunikation auf solche Kommunikationsprozesse ab, die »über verschiedene Kulturen hinweg« geschehen. Exemplarisch kann man an die vielen Beispiele der eigenen Internetpraxis denken, das Lesen von Online-Zeitungen anderer Weltregionen (so man die jeweilige Sprache versteht) oder aber das Laden von Bildern und Musik aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Man kann aber auch an einen Hollywood-, Bollywood- oder Nollywood-Film denken, der von Menschen verschiedenster Kulturen rezipiert und angeeignet wird. Dass für solche Zusammenhänge mit transkultureller Kommunikawww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 11 11 1 Einleitung tion ein eigener Begriff reserviert wird, hat seinen Sinn darin, dass eine Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen einen vielschichtigeren Zugang notwendig macht, als er mit den Begriffen der interkulturellen oder internationalen Kommunikation verbunden ist. Es kann nicht wie bei einer Beschäftigung mit Phänomenen interkultureller oder internationaler Kommunikation (nur) darum gehen, verschiedene nationalkulturelle Kommunikationsmuster miteinander zu vergleichen. Solche Differenzen werden im Forschungsfeld der transkulturellen Kommunikation zwar auch berücksichtigt. Daneben geht es aber ebenso um Muster, die über verschiedene traditionale Kulturen hinweg differenzstiftend sind. Konkret kann man diesbezüglich beispielsweise an bestimmte Darstellungsmuster oder Formate wie »Who wants to be a Millionaire? « denken, die in verschiedenen »nationalen Medienkulturen« zugleich auftreten und über diese hinweg bestimmte Sendungen definieren. Ein Ansatz der transkulturellen Kommunikation will also neben nationalkulturellen Spezifika in kulturübergreifenden Kommunikationsprozessen auch solche Spezifika vergleichend in den Blick bekommen, die verschiedene traditionale Kulturen übergreifen, ohne gleich der These zu verfallen, wir hätten es deshalb mit einer globalen Einheitskultur der Standardisierung oder McDonaldisierung zu tun. Wie damit deutlich wird, steht der Begriff der transkulturellen Kommunikation in direkter Nähe zu zwei anderen Konzepten, nämlich denen der Mediatisierung und Globalisierung. Beide Konzepte bezeichnen sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse. Beginnen wir hier zuerst einmal mit dem Ausdruck der Mediatisierung. Wie ich an anderer Stelle sehr ausführlich dargelegt habe (Hepp 2013a: 27-62), fasst Mediatisierung in einer ersten sehr allgemeinen Annäherung das Wechselverhältnis zwischen medienkommunikativem Wandel einerseits und soziokulturellem Wandel andererseits. Wir können für die gesamte Menschheitsgeschichte sagen, dass nicht nur die Zahl der technischen Kommunikationsmedien über ihren Verlauf hin erheblich zugenommen hat. Auch haben die jeweils bestehenden Kulturen und Gesellschaften erheblich etwas damit zu tun, wie wir miteinander kommunizieren. Einerseits hat Mediatisierung damit so etwas wie quantitative Aspekte in dem Sinne, dass eine wachsende Zahl von Medien immer länger (zeitliche Dimension) an immer mehr Orten (räumliche Dimension) und in immer mehr Situationen (soziale Dimension) zur Verfügung steht. Andererseits können wir von qualitativen Aspekten der Mediatisierung sprechen, d. h. davon, dass Medien unsere Kommunikation prägen und damit auch, wie wir durch unsere Kommunikation unsere Kulturen und Gesellschaften hervorbringen oder konstruieren. Dieser Zusammenhang klingt in den eingangs zitierten Überlegungen von Marshall T. Poe an, der Transkulturalität in eine enge Beziehung damit setzt, wie internetbasierte Medien unsere heutige Kommunikation prägen. Die Sachlage ist allerdings komplizierter, als das bei ihm anklingt. Dies hängt damit zusammen, dass das »Prägen« der Medien weit vielfältiger ist, als er vermutet. Wir haben nicht einfach ein »Sollen« (Poe 2011: 240) des Internets, das dann eine bestimmte Transkulturalisiewww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 12 1 Einleitung 12 rung weltweit befördert. Vielmehr verbergen sich hinter dem Ausdruck der »Prägkräfte der Medien« (Hepp 2013a: 49) zwei sehr konkrete Zusammenhänge: Einerseits institutionalisieren Medien die Art und Weise, wie wir kommunizieren. Mit E-Mail, Fernsehen, Internetradio, Mobiltelefon etc. werden nicht einfach nur Apparaturen bezeichnet, sondern mit ihnen sind immer auch bestimmte Formen bzw. Muster der Kommunikation verbunden. Andererseits verdinglichen Medien unsere Kommunikation, indem mit ihnen eben diese Apparate und deren Infrastrukturen aufgebaut werden. Besteht erst einmal eine solche Verdinglichung von Kommunikationsmöglichkeiten, so ist deren Veränderung mit einem großen Aufwand verbunden: Aus dem zentralisierten Kommunikationsnetz des Radios kann man nicht einfach mehr ein dezentrales Kommunikationsnetzwerk machen, auch wenn dies in seinen Anfängen technisch vorstellbar war (Brecht 1932). Die meisten Menschen leben gegenwärtig in dem, was man als mediatisierte Welten bezeichnen kann (Hepp/ Krotz 2012, 2014). Gemeint ist damit, dass für ihre »kleinen Lebens-Welten« (Luckmann 1970) bzw. »sozialen Welten« (Strauss 1978) in der Art und Weise, wie sie bestehen, technische Kommunikationsmedien konstitutiv sind und sie im oben umrissenen Sinne durch diese geprägt werden. Die heutige Welt der Schule kommt beispielsweise nicht ohne Medien aus; das betrifft nicht nur das Schulbuch, sondern zunehmend auch Computer und Internet. Die Welt der Politik ist insofern mediatisiert, als die Form von Demokratie, die wir leben, darauf beruht, in Medien wie dem Fernsehen und dem Social Web für die eigene politische Vorstellung werben, aber ebenso andere kritisieren zu können. In einem solchen Sinne sind die verschiedenen Welten gegenwärtiger Vergemeinschaftung jenseits von Medienkommunikation überhaupt nicht denkbar: Was wäre die Gothic-Szene ohne ihre Musik, oder was wären die Serienfans ohne ihre Fernsehserien? Ähnliches gilt auch für die Welten sozialer Bewegungen. So könnten wir uns beispielsweise die Occupy-Bewegung ohne Social Web kaum vorstellen. Mediatisierte Welten sind also die Ebene, auf der sich Mediatisierung in der gelebten Medienkultur konkretisiert- - und dies verstärkt in verschiedenen Regionen der Welt. Indirekt klingt bei solchen Überlegungen der Wandel der Globalisierung an. Über Globalisierung wird seit den 1990er-Jahren viel diskutiert. Hierbei gilt die Globalisierung der Medienkommunikation als eine zentrale Dimension der Globalisierung überhaupt. Diese Zentralität lässt sich an den globalen Finanzmärkten verdeutlichen, deren Funktionieren die Existenz weltweiter Kommunikationsnetzwerke voraussetzt. Dies ist nicht nur notwendig, um die Finanztransfers selbst zu tätigen, sondern auch, um notwendige Informationen zu erhalten, damit man erfolgreich transnational spekulieren kann. Wir werden in diesem Buch mit einem eher vorsichtigen Begriff der Globalisierung der Medienkommunikation operieren und darunter so viel verstehen wie die weltweite Zunahme medienvermittelter Konnektivitäten, also die Zunahme von technisch vermittelten Kommunikationsbeziehungen. Eine so verstandene Globaliwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 13 13 1 Einleitung sierung der Medienkommunikation hat viel mit Mediatisierung zu tun: In dem Moment, in dem die Welten, in denen Menschen leben, mediatisierte Welten werden, steigen auch- - zumindest dem Potenzial nach- - die Möglichkeiten ihrer in verschiedene Regionen der Welt reichenden Kommunikationsbeziehungen erheblich. Dies betrifft sicherlich zuerst einmal die Menschen der sogenannten entwickelten Länder und da wiederum nicht alle. Aber auch in anderen Regionen der Welt ist das Leben der Menschen zunehmend ein Leben in mediatisierten Welten. Auch wenn hier privilegierte Gruppen vorangeschritten sind, betrifft dies-- wie wir im weiteren Verlauf dieses Buchs sehen werden- - ebenso Menschen in prekären Lebenssituationen. Diese entfalten ebenso transkulturelle, kommunikative Konnektivitäten. Der Grund für diese vorsichtige Definition von medialer Globalisierung ist bereits mit den eingangs genannten Beispielen angeklungen: Indem die medienvermittelten Kommunikationsbeziehungen sehr Unterschiedliches zur Folge haben können-- von der Abgrenzung und Stabilisierung bestehender Kulturgemeinschaften über Konflikte zwischen diesen bis hin zu Annäherungsprozessen--, erscheint zuerst einmal ein analytisches Instrumentarium notwendig, das keine direkten Unterstellungen über die hochkomplexen Folgen der Globalisierung der Medienkommunikation macht. Letzteres ist beispielsweise für Verständnisse der Medienglobalisierung als Homogenisierung oder Amerikanisierung der Fall. Diese können die Widersprüchlichkeit von Medienglobalisierung nicht fassen, weil hier von vornherein eine bestimmte Wirkungsweise unterstellt wird. Mit diesem Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation sind zwei weitere Konzepte verbunden, die in dem vorliegenden Buch immer wieder Verwendung finden, nämlich erstens das des Netzwerks und zweitens das des Flusses. Wenn man von Konnektivitäten spricht, so will der Ausdruck des Netzwerks die strukturellen Aspekte dieser Konnektivitäten fassen. Es geht hier ganz konkret um die »Verbindungen« zwischen verschiedenen »Knoten«, die in deren Struktur beschrieben werden können. Man denke hier etwa an bestimmte Kommunikationsnetzwerke wie die des Satellitenfernsehens oder des Internets. Der Ausdruck des Flusses hebt dagegen stärker auf Prozesse entlang solcher Netzwerke und über sie hinweg ab. Dies sind beispielsweise die Kommunikationsflüsse, die de facto im Internet oder auch entlang von Satellitennetzwerken verlaufen. Solche Kommunikationsflüsse haben dann unterschiedliche Spezifika und Verdichtungen-- sie sind nicht gleichmäßig in einem Netzwerk verteilt. Sicherlich sind Begriffe des Netzwerkes, des Flusses oder der Prägkräfte von Medien Metaphern, d. h. Bilder, mit denen wir uns komplexe soziokulturelle Zusammenhänge vor Augen führen. Vielleicht haben sich diese Konzepte aber gerade wegen ihrer Bildhaftigkeit als Beschreibungsansätze etabliert, um Phänomene der Globalisierung und Mediatisierung zu fassen. Durch solche Begriffe werden diese zuerst einmal abstrakten »Metaprozesse« (Krotz 2007) fassbar und damit auch begreifbar. Der www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 14 1 Einleitung 14 Ausdruck Metaprozess bedeutet hier nicht nur, dass Mediatisierung und Globalisierung sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse sind. Zusätzlich ist mit dem Ausdruck der Gedanke verbunden, dass Globalisierung und Mediatisierung nicht auf wenige Untersuchungsvariablen heruntergebrochen werden können, entlang derer sich diese dann als Transformationsprozesse beweisen ließen. Vielmehr eröffnen solche Metaprozesse als Beschreibungskonstrukt ein gewisses »Panorama« (Hepp 2013a: 42-48) der langfristigen Veränderung-- ein Panorama, das es dann ermöglicht, bei der Analyse konkreter Einzelphänomene die richtigen Fragen zu stellen und die Phänomene, die man betrachtet, in einen übergreifenden Rahmen einzuordnen. Mein Ziel im Weiteren ist es, einen Zugang zu dem sich in den letzten Jahren nachhaltig entwickelnden Bereich der transkulturellen Kommunikation zu bieten. Meine Argumentation steht dabei in enger Beziehung zu den Darlegungen in dem Buch »Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten«. In »Medienkultur« geht es gewissermaßen um einen Blick »in« einzelne Kulturen hinein. Dort habe ich mich damit befasst, was Kulturen charakterisiert, wenn sie mediatisiert sind. In »Transkulturelle Kommunikation« rückt der Kontakt der verschiedenen mediatisierten Kulturen in den Vordergrund. Im Zentrum steht also der Blick auf das Verhältnis »zwischen« Medienkulturen, ein Verhältnis, das durch transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet ist. Diese Betrachtung ist stets mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens kann sie in einem Buch nie die gesamte Welt abdecken. Dazu sind die Zusammenhänge, um die es geht, viel zu reichhaltig. Zweitens ist sie stets von einem gewissen Standpunkt aus geschrieben, indem jede derartige Beschreibung eine Beobachterposition hat, die als solche nie vollkommen »neutral« sein kann. Um beide Probleme zumindest ansatzweise zu lösen, argumentiere ich auf den folgenden Seiten exemplarisch. Das heißt, für alle im Weiteren interessierenden Phänomene und Fragen werden solche Beispiele herausgegriffen und beschrieben, die ich zumindest für den aktuellen Zeitpunkt als charakteristisch ansehe. Die Argumentationsgrundlage legen dabei zumeist empirische wissenschaftliche Studien, wobei deren Methodiken vielfältig sind und von umfassenden standardisierten Befragungen und Inhaltsanalysen bis hin zu Fallstudien reichen. Herangezogen werden daneben Überblickswerke anderer Kolleginnen und Kollegen. In manchen Fällen stützt sich meine Argumentation auch auf eher journalistische Arbeiten. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo es um sehr aktuelle Entwicklungen geht und keine anderen Datenquellen zu finden gewesen sind. Zum Standpunkt, von dem aus ich argumentiere, ist zu sagen, dass dieser durch die Sprachen, die ich beherrsche (Deutsch und Englisch), gekennzeichnet ist. Hinzu kommt, dass gerade bei einer Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation die eigene kulturelle Verortung eine Rolle spielt. In meinem Fall ist dies die eines Europäers, der in erheblichem Maße auch Potenziale transnationaler Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung sieht, wofür die EU ein Beispiel ist. Mit der eigenen kulturellen Positionierung kann man vermutlich nur so umgehen, indem man sie, wie www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 15 15 1 Einleitung hier geschehen, explizit macht und wo nötig weiter reflektiert. Wirklich umgehen lässt sie sich nicht. Beides in Kombination-- die notgedrungen exemplarische Argumentation und die eigene sprachlich-kulturelle Positionierung-- hat dazu geführt, dass verschiedene weitere Beispiele, die für eine vertiefende Betrachtung von Fragen der transkulturellen Kommunikation von großem Interesse wären, in diesem Buch nicht weiter verfolgt werden konnten. Dies betrifft vor allem den afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raum. Ich habe mir aber große Mühe gegeben, an entsprechenden Stellen auf die Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen zu verweisen. Wie gesagt geht es in diesem Buch nicht darum, so etwas wie eine »Weltgeschichte der Globalisierung von Medienkommunikation« zu schreiben. Ein solches Buch wäre ein anderes Projekt, auch wenn erste Ansätze dazu bestehen (beispielsweise Mattelart 1999 oder Tunstall 2007). Es geht mir darum, möglichst konzis den Ansatz der transkulturellen Kommunikation vorzustellen. Dieser wäre meines Erachtens ein wichtiger Bezugspunkt auch für das Schreiben einer solchen Weltgeschichte. Ebenso erscheint er mir wichtig-- und das ist möglicherweise noch entscheidender-- für ein ganz alltägliches und kritisches Verständnis dessen, was mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung in unserer Welt so vor sich geht. Meine weitere Darstellung gliedert sich-- neben dieser Einleitung und dem Ausblick-- in fünf größere Teile. Das Kapitel »Zugänge zu transkultureller Kommunikation« stellt den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus verschiedenen Perspektiven vor. Es geht darum zu verstehen, dass Transkulturalität nicht einfach eine weitere Vergleichsebene ist, die der der Interkulturalität und Internationalität hinzuzufügen ist. Vielmehr konkretisieren sich im Begriff der transkulturellen Kommunikation ein bestimmtes Verständnis der Folgen der Globalisierung, eine postkoloniale Kritik und eine methodologische Reflexion. Diese drei zusammengenommen machen die originäre Zugangsweise der transkulturellen Kommunikation aus. Das sich anschließende Kapitel befasst sich mit Regulationen und Infrastrukturen transkultureller Kommunikation. Inwieweit haben politische Agenden die Globalisierung der Medienkommunikation beschleunigt? Wie konnten globalisierte Infrastrukturen der Medienkommunikation entstehen? Für eine Auseinandersetzung damit ist ein vergleichender Blick auf die unterschiedlichen Mediensysteme der Welt von großem Vorteil. Die Beziehung zwischen Fragen transkultureller Kommunikation und Regulation kann aber nicht auf die Frage reduziert werden, wie bestimmte Medienpolitiken die Globalisierung der Medien befördert haben. Umgekehrt ist die Globalisierung der Medienkommunikation selbst für die (Medien-)Politik eine Herausforderung: Früh wurde dies in der medien- und kommunikationspolitischen Diskussion der UNESCO gesehen, wo bereits in den 1970er-Jahren die Forderung nach einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung laut wurde. Aktuell wird dieser Rückbezug an Konzepten einer Global Governance der Medien deutlich-- also anhand von Versuchen, »globale Medien« durch selbst-»globalisierte Regulationen« zu steuern. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 16 1 Einleitung 16 Das Kapitel, »Medienproduktion und deren transkulturelle Kontexte«, setzt sich mit der Produktion transkultureller Kommunikation auseinander. Behandelt wird im weitesten Sinne, welche Unternehmen Medieninhalte anbieten, die »transkulturell verfügbar« sind und durch welche Produktionskulturen sich diese Medienkonzerne auszeichnen. Diskutiert wird weiter das Entstehen von transkulturellen Formen des Journalismus. Daneben interessieren-- spätere Überlegungen im sechsten Kapitel vorbereitend-- alternative Formen der transkulturellen Medienproduktion. Zum Schluss widmet sich das dritte Kapitel dem Phänomen globaler Medienstädte als herausragende Lokalitäten einer transkulturell orientierten Medienproduktion. Von der Medienproduktion weg bewegt sich das darauffolgende Kapitel hin zu den Medienprodukten bzw., um konkreter zu sein, zu transkulturellen Medienrepräsentationen. Dabei beginnt das Kapitel mit dem Bereich, der immer wieder stark die Diskussion um transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet hat, nämlich dem des Films. Dieser wird anhand der Beispiele Hollywood, Bollywood und Nollywood fokussiert. Dann wechselt der Schwerpunkt zu Produktimporten und Formatadaptionen, durch die im fiktionalen Bereich weitere transkulturelle Kommunikationsbeziehungen geschaffen werden. Anschließend wird die Frage diskutiert, inwieweit transkulturelle Nachrichtenartikulationen und damit auch politische Öffentlichkeiten bestehen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Betrachtung von Medienereignissen- - vielleicht dem Phänomen auf Repräsentationsebene, das für eine Auseinandersetzung mit Fragen transkultureller Kommunikation die höchste Relevanz hat. Das folgende Kapitel »Medienaneignung und Transkulturation« beschäftigt sich mit transkultureller Kommunikation aus der Sicht des Medienhandelns von Menschen in deren Alltag. Zuerst wird hier ein Begriff von Medienaneignung als Prozess der kulturellen Lokalisierung erarbeitet. Dieses Verständnis ermöglicht es, die Diskussion um einen »digital divide« in mediatisierten Alltagswelten aus einer anderen Perspektive zu sehen als bisher. Dies führt dann zu sich mit transkultureller Kommunikation verändernden Gemeinschaften und Vergemeinschaftungen, den medienbezogenen Identitäten von Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten und sich hieraus ergebenden Herausforderungen für die (politische) Bürgerschaft. Den Abschluss des Buchs bildet das Kapitel »Perspektiven transkultureller Kommunikation«. Hier werden die Kernpunkte der vorangegangenen Kapitel aufgegriffen und auf dieser Basis einige Anmerkungen dazu gemacht, welche Perspektiven der transkulturellen Kommunikation bestehen- - sowohl im Hinblick auf den Gegenstandsbereich als auch im Hinblick auf die in diesem Buch umrissene wissenschaftliche Zugangsweise. Verschweigen möchte ich in der Einleitung zu diesem Buch nicht, dass es in einer Haltung geschrieben wurde, die versucht, eine vorschnelle Wertung zu vermeiden. Gleichwohl ist aber allein die Entscheidung dafür, sich mit transkultureller Kommunikation zu beschäftigen, nicht frei von normativen Implikationen. Mir geht es www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 17 17 1 Einleitung darum, die Möglichkeiten transkultureller Kommunikation auszuloten, weil ich diese für in hohem Maße wichtig halte für menschliche Kooperation in Zeiten fortschreitender Globalisierung. In einem solchen Sinne hat Richard Sennett (2012: x) festgestellt: »Dank moderner Kommunikationsformen haben wir mehr Kanäle zwischen den Menschen, aber verstehen uns immer weniger darin, gut zu kommunizieren.« Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leistet, diese Kommunikation, und damit auch die kulturübergreifende Kooperation, zu verbessern. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 18 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 19 19 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation Die Beschäftigung mit Medienkommunikation in ihrem globalen Kontext hat in den letzten Jahren einen Boom erfahren: Immer stärker ist ins Bewusstsein der Kommunikations- und Medienwissenschaft gerückt, dass ein Spezifikum medienvermittelter Kommunikation (kulturelle) Grenzüberschreitungen, aber auch neue Grenzziehungen sind. Mit Etablierung der Satellitenkommunikation, des Internets und zunehmend auch einer globalisierten Mobilkommunikation wurde deutlicher, dass viele Momente des aktuellen Medienwandels nicht an nationalstaatlichen oder nationalkulturellen Grenzen haltmachen, sondern per se grenzüberschreitend sein können. Gleichzeitig sind aber auch vielfältige neue Prozesse der Grenzziehung auszumachen. Während eine sich für globale Fragen interessierende Mediengeschichte zeigt, dass manches der Phänomene bei einem näheren Blick dann doch nicht ganz so neu ist (siehe Briggs/ Burke 2009; Bösch 2011), kann man allerdings sagen, dass die fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung der letzten Jahre den Blick der Kommunikations- und Medienforschung für Fragen grenzüberschreitender Kommunikation geschärft hat. Parallel zu diesem (empirischen) Relevanzgewinn finden wir eine Begriffsverschiebung in den Publikationen. Manche Studien arbeiten bis heute mit den Begriffen der »internationalen Kommunikation«, der »interkulturellen Kommunikation« und der »Entwicklungskommunikation«, betonen aber in jüngerer Zeit die globale Einbettung derselben. »Internationale Kommunikation« (Thussu 2006) legt dabei den Akzent auf eine die Landesgrenzen übergreifende produzierte Medienkommunikation, verbunden mit dem Gedanken, dass (öffentliche) Massenkommunikation primär nationalstaatlich orientiert ist (Esser/ Pfetsch 2004). Bei der »interkulturellen Kommunikation« (Jandt 2012) rücken stärker auch Fragen der personalen, wechselseitigen Medienkommunikation in den Blick, und es gibt deutliche Übergangsbereiche zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft auf der einen Seite und Sprach- und Literaturwissenschaften auf der anderen Seite. Die »Entwicklungskommunikation« (McPhail 2009) befasst sich-- durchaus getrieben von konkreten Problemen-- zuerst mit der Frage, welchen Beitrag die Medien für eine »Modernisierung« (Lerner 1977) der damals sogenannten »Dritten Welt« leisten können, später mit der Nutzung von Medien als »Hilfe zur Selbsthilfe« (Servaes 1999). Letztlich werden Grenzziehungen und Entgrenzungen in all diesen Fällen aber primär national gedacht. Mit der fortschreitenden Globalisierung und Mediatisierung haben sich dann weitere Begriffe etabliert, insbesondere die der »transnationalen« und »transkulturellen Kommunikation«. Der Begriff der »transnationalen Kommunikation« trägt hierbei nach wie vor den Bezug zu Nationalstaat und Nationalkultur in sich, betont aber das Bestehen von Phänomenen, die weitergehend sind, als dass man sie im »Inter« von Nationen einordnen könnte (siehe bereits Schiller 1979). Der in diesem Buch im www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 20 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 20 Zentrum stehende Begriff der transkulturellen Kommunikation geht noch einen Schritt weiter. Das Kernargument lautet, dass die Etablierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation nicht einfach damit verbunden ist, dass es sich bei ihm um eine weitere Analyseebene vergleichender Kommunikations- und Medienforschung handelt. »Transkulturell« fasst also nicht nur das Interesse für kulturübergreifende Kommunikationsprozesse, wie im Englischen der Ausdruck »cross-cultural« in der Medien- und Kommunikationsforschung (Lewis 1999). Letztlich ist mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation eine grundsätzlichere Umorientierung verbunden. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich in diesem Kapitel in vier Schritten vorgehen. Zuerst werden die drei primären Diskursfelder, auf die sich der Ansatz der transkulturellen Kommunikation bezieht, rekonstruiert: die kommunikativen Folgen der Globalisierung, die Kritik des Postkolonialismus sowie die methodologische Reflexion bestehender vergleichender Forschungsansätze. Dies macht dann viertens-- als integrierendes Fazit und Weiterführung der Diskussion zugleich- - das Potenzial des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation in einer empirischen Analyse der kommunikativen Figurationen in globalisierten, mediatisierten Welten greifbar. Damit bei dieser Darstellung keine Missverständnisse entstehen, erscheinen zu Beginn einige Klärungen notwendig. So ist im Weiteren der Begriff des Ansatzes bewusst im Sinne des englischen »approach« gewählt. Dieser Ausdruck soll verdeutlichen, dass es sich bei der transkulturellen Kommunikation nicht um eine geschlossene Theorie handelt (wie beispielsweise die Systemtheorie) oder um eine Schule von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (wie bei der Frankfurter Schule). Vielmehr hat sich um diesen Begriff herum in einem nun mehrere Jahrzehnte anhaltenden wissenschaftlichen Diskurs eine spezifische Zugangsweise auf Fragen der Medienkommunikation etabliert, die in einem offenen Sinne als ein Ansatz greifbar wird. Entsprechend geht es in diesem Kapitel um Zugänge zu transkultureller Kommunikation. Dies erklärt auch, warum im Weiteren dieser Ansatz entlang von drei Diskursfeldern dargestellt wird bzw. wie diese in ihrer Beziehung zueinander zu sehen sind. Letztlich handelt es sich hierbei- - und dies begründet ihre Auswahl- - um die drei in einer rückblickenden Betrachtung greifbar werdenden primären Bereiche der Diskussion: um grenzüberschreitende und grenzziehende Kommunikation, in denen der Begriff der transkulturellen Kommunikation bzw. der Transkulturation Verbreitung fand und in deren Zusammenkommen sich transkulturelle Kommunikation als ein Ansatz konstituiert hat. Hierbei zeichnet sich jedes der drei Diskursfelder als Zugang zu transkultureller Kommunikation durch eine unterschiedliche Akzentsetzung aus, die gleichwohl eine wichtige Komponente des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation bedeutet: Dies ist die historisierende Zugangsweise im Diskussionsfeld der transkulturellen Kommunikation als Folge einer fortschreitenden Globalisierung der Medienkommunikation. Im Diskursfeld des Postkolonialismus ist dies das kritische Potenzial des Konzepts der Transkulturalität. Und bei der methodischen Diskussion geht es insbesondere um die Reformulierung des Instrumentariums der kulturüberwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 21 21 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation greifenden und kulturvergleichenden Medien- und Kommunikationsforschung. Solche unterschiedlichen Akzentsetzungen machen deutlich, warum es heuristisch sinnvoll ist, diese Diskursfelder voneinander zu unterscheiden. Gleichzeitig wird aber auch greifbar, inwiefern alle drei in einer Betrachtung von transkultureller Kommunikation zusammengehören: Erst die Gesamtheit der Kernaspekte dieser drei Diskursfelder macht den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus. Wichtig sind im Rahmen einer solchen Argumentation im Vorfeld aber auch je eine kurze Anmerkung zum Kultur- und Kommunikationsbegriff. Der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist in der Folge des von Jan Nederveen Pieterse (1998) so bezeichneten translokalen Kulturbegriffs einzuordnen. Diesen translokalen Kulturbegriff hat Nederveen Pieterse von einem territorialen Kulturbegriff abgegrenzt. Territoriale Konzepte von Kultur sind innenorientiert und endogen, fokussiert auf eine Organität, Authentizität und Identität von Kultur. Es geht also um Vorstellungen von Kultur als einem »funktionalen Organismus«-- zumeist als Nationalkultur und bezogen auf nationale Gesellschaften. Translokale Konzepte von Kultur hingegen sind außenorientiert und exogen, fokussiert auf Hybridität, Übersetzung und fortlaufende Identifikation. Das Bild von Kultur ist ein anderes, das stärker deren Prozesshaftigkeit und Unabgeschlossenheit betont. In einem solchen Rahmen bewegt sich der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation. Deshalb wird hier davor gewarnt, den Begriff der Kultur unhinterfragt mit Vorstellungen von Nationalkulturen territorialer Staaten gleichzusetzen. Kultur hat zuerst einmal immer etwas mit alltagsweltlicher Bedeutungsproduktion zu tun. In Anlehnung an den britischen Sozial- und Kulturforscher Stuart Hall (2002) können wir darunter so viel wie die »Summe« der verschiedenen »Klassifikationssysteme« und »diskursiven Formationen« verstehen, auf die sich unsere alltagsweltliche Bedeutungsproduktion bezieht. Klassifikationssysteme sind letztlich Muster des systematischen Zusammenhangs von Zeichen (wobei der Zeichenbegriff hier in einem sehr weiten Sinne verstanden wird, also nicht nur sprachliche Zeichen meint). Diskursive Formationen sind weitergehende, musterhafte Konstellationen des Gebrauchs dieser Zeichen in sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken. Es geht bei Kultur also immer auch um die Praxis, das »Doing« der Bedeutungsproduktion. In einem solchen Sinne werden im Weiteren Kulturen als Verdichtungsphänomene begriffen (siehe Hepp 2013a: 66-68). Damit ist gemeint, dass die vielen kulturellen Muster, die empirisch auftreten, für unterschiedliche Kulturen charakteristisch bzw. in der einen oder anderen Weise bei verschiedenen Kulturen zu finden sind. Entsprechend gehen Kulturen fließend ineinander über bzw. sind an ihren Rändern unscharf. Trotz solcher Unschärfen wird im Kern der Verdichtung einer Kultur greifbar, was diese charakterisiert, wodurch sie sich von anderen Kulturen unterscheidet. Wenn im Folgenden in diesem Zusammenhang dann nicht nur von Kultur sondern von Medienkultur gesprochen wird, bezeichnet dies all solche Kulturen, deren primäre Bedeutungsressourcen mittels technischer Kommunikationsmedien vermittelt werden und www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 22 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 22 die durch diese Prozesse auf unterschiedliche, je zu bestimmende Weisen »geprägt« werden. Medienkulturen sind also im Sinne unserer eingangs formulierten Definition durch Mediatisierung gekennzeichnete Kulturen. Und mediatisierte Welten sind diejenigen Ausschnitte des Sozialen, in denen sich Medienkulturen in der Alltagspraxis konkretisieren. Bezogen auf den Begriff der Kommunikation ist zu sagen, dass mit dem Ansatz der transkulturellen Kommunikation ein handlungsbzw. praxistheoretischer Kommunikationsbegriff verbunden ist. Kommunikation bezeichnet entsprechend jede Form der symbolischen Interaktion, bewusst und geplant wie habitualisiert und situativ vollzogen (Reichertz 2009: 94). Das heißt, dass Kommunikation auf den Gebrauch von Zeichen verweist, die Menschen in ihrer Sozialisation erlernen und die als Symbole meist arbiträr sind, d. h., auf sozialen Regeln beruhen: Es gibt keinen natürlichen Grund, warum der Baum »Baum« heißt. Interaktion bezeichnet das wechselseitig aufeinander bezogene soziale Handeln von Menschen. Gemeint ist damit, dass Menschen aneinander orientiert etwas tun. Kommunikation ist grundlegend für die menschliche Wirklichkeitskonstruktion, d. h., wir »erschaffen« uns unsere soziokulturelle Wirklichkeit in vielfältigen kommunikativen Prozessen. Wir werden in eine Welt geboren, in der vor uns Kommunikation besteht, wir erlernen das, was diese Welt (und ihre Kultur) auszeichnet, in dem (kommunikativen) Prozess des Spracherwerbs, und wenn wir dann in dieser Welt handeln, so ist dies immer auch kommunikatives Handeln. 2.1 Folgen der Globalisierung In einem ersten Diskursstrang kommt der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation als im weitesten Sinne zu verstehende Folge der Globalisierung (von Medienkommunikation) auf. Exemplarisch kann für den deutschen Sprachraum auf die Arbeiten des Soziologen und Kommunikationsforschers Horst Reimann (1992) verwiesen werden. Dieser versuchte, mit transkultureller Kommunikation die Spezifik der zunehmenden globalen Kommunikationsprozesse in einer »Weltöffentlichkeit« nachzuempfinden. Referenzpunkt ist dabei für ihn die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die wegen des zumindest prinzipiell grenzüberschreitenden Charakters heutiger Kommunikation von der Existenz einer Weltgesellschaft ausgeht: Indem »immer weitere Kommunikationsmöglichkeiten […] sich nicht auf regionale Grenzen festlegen lassen« (Luhmann 1997: 150) und die Grenzen einer Gesellschaft in dieser Perspektive durch die Grenzen der anschlussfähigen Kommunikation bestimmt werden, kann von der Existenz einer Weltgesellschaft gesprochen werden. Diese ist durch vielfältige transkulturelle Kommunikationen gekennzeichnet. Mit ihrem Bezug zu den Cultural Studies und der europäischen Kulturphilosophie theoretisch ganz anders verortet sind die Veröffentlichungen der Kommunikations- 2.1 Folgen der Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 23 23 und Medienwissenschaftler Kurt Luger und Rudi Renger (1994), die ebenfalls mit dem Konzept der transkulturellen Kommunikation arbeiten (Luger 1994). In ihrer sich stark an den Philosophen Wolfgang Welsch anlehnenden Argumentation werden gleichwohl ebenfalls die Bezüge zur Globalisierungstheorie deutlich. Die Kernüberlegung ist, dass mit der Globalisierung an die Stelle von »Kulturen alten Zuschnitts«-- also National- oder Regionalkulturen-- diverse (neue) »Lebensformen« (Welsch 1992: 5) getreten sind: u. a. durch Markenkommunikation, globalisierte populäre Medieninhalte oder Werbung-gestützte Lebensstile. Transkulturalität ist dann ein Konzept, um solche Phänomene zu analysieren. Aber auch im englischsprachigen Raum ist der Begriff des Transkulturellen bereits früh stark mit Fragen der Globalisierung verbunden. Neben Ansätzen einer »transkulturellen Psychologie« (Kiev 1972) stehen hierfür sich auf praktische Fragen des Managements beziehende Publikationen. In diesen wird beispielsweise transkulturelle Kommunikation als Teil einer »transkulturellen Führung« (Simons et al. 1993) behandelt, die in durch Globalisierung gekennzeichneten Unternehmen notwendig wird. Transkulturell wird dabei definiert als »Verankert-Sein in der eigenen Kultur bei gleichzeitigen allgemein-kulturellen wie kultur-spezifischen Fähigkeiten, um effektiv in multikulturellen Umgebungen zu leben, zu interagieren und zu arbeiten« (Simons et al. 1993: 245). Noch deutlicher werden solche Bezüge in kommunikations- und medienwissenschaftlichen Publikationen. So macht der amerikanische Kommunikations- und Medienforscher James Lull- - Bezug nehmend auf Néstor García Canclini (1995)-- mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation eine Transkulturalisierung aus (Lull 2000: 242). Und auch der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marwan M. Kraidy (2005: 38-44) entwickelt sein Verständnis transkultureller Kommunikation in Auseinandersetzung mit der Globalisierung der Medien. Textbox-1: Verständnisse von Transkulturalität und Transkulturation Transkulturalität in philosophischer Perspektive: »›Transkulturalität‹ will beides anzeigen: dass wir uns heute jenseits der klassischen Kulturverfassung befinden und dass die neuen Kulturbzw. Lebensformen durch diese alten Formationen wie selbstverständlich hindurchgehen.« (Welsch 1992: 5) Transkulturalität in anthropologischer Perspektive: »[…] das Wort Transkulturation beschreibt besser die unterschiedlichen Phasen des Übergangsprozesses von einer Kultur in eine andere, da es nicht lediglich das Erwerben einer anderen Kultur umfasst, was das englische Wort der Akkulturation impliziert; im Gegensatz schließt dieser Prozess notwendigerweise auch den Verlust von oder das Entwurzeln aus einer vorherigen Kultur mit ein, was man als Dekulturation definieren könnte. Zusätzlich trägt Transkulturation die Vorstellung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 24 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 24 einer sich in der Folge ergebenden Herstellung neuer kultureller Phänomene in sich, die man Neokulturation nennen könnte.« (Ortiz 1970: 102 f.; Herv. i. O.) Transkulturalität in wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive: »›Transkulturelle Führung‹ füllt eine Lücke in der Managemententwicklung. Es geht bei ihr darum, wie Vielfalt unsere alltäglichen Handlungen beeinflusst. Es geht um Gespräche, Sitzungen, Unterredungen, das Treffen von Entscheidungen ebenso wie um das Erlangen von Einvernehmen, das Lösen von Streit, angemessenes Training und Leistungseinschätzungen. Das Konzept sagt uns, wie wir mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund umgehen, ob bei der Planung, Arbeit oder dem gemeinsamen Essen.« (Simons et al. 1993: xv) Transkulturalität in kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive: »Im Gegensatz zur interkulturellen Kommunikation, die dazu tendiert, Kontakte zwischen Individuen unterschiedlicher, als einzelne Entitäten gedachter Kulturen zu studieren, geht transkulturelle Kommunikation davon aus, dass alle Kulturen grundsätzlich gemischt sind. [Das Konzept] versucht die Tiefe, Reichweite und Ausrichtung verschiedener Ebenen von Hybridität in sozialer-- und nicht individueller- - Hinsicht zu verstehen. Kritischer Transkulturalismus integriert sowohl diskursive als auch politisch-ökonomische Analysen in die Untersuchung von internationaler Kommunikation und Kultur.« (Kraidy 2005: 149) Die Etablierung des Begriffs der transkulturellen Kommunikation verweist demnach auf eine spezifische Reflexion von medialer Globalisierung (siehe die Beiträge in Hepp/ Löffelholz 2002): Wenn wir von einer Globalisierung der Medienkommunikation ausgehen können, so müssen wir in der Konsequenz anders über grenzüberschreitende Kommunikation nachdenken, als dies mit klassischen Paradigmen der internationalen und interkulturellen Kommunikation der Fall war. An dieser Stelle treffen sich bemerkenswerterweise so unterschiedliche Theorietraditionen wie die der Systemtheorie, der Cultural Studies und der Medienanthropologie. Für ein angemessenes Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation erscheint es hilfreich, sich zuerst einmal die Genese dieses Konzepts zu vergegenwärtigen. So wird hierunter nicht einfach in einer ökonomischen Konzeptionalisierung das Entstehen von global agierenden Medienkonzernen und deren sich steigernde weltweite Macht gefasst. Das Konzept ist ungleich komplexer. Zu sehen ist es erst einmal in der Kritik des Ansatzes des Kulturimperialismus, wonach eine zunehmende weltweite Verbreitung von Medienkommunikation letztlich mit der (kulturellen) Machtausübung einer Nation im Zentrum über eine Nation in der Peripherie gleichzusetzen wäre (Galtung 1972: 35), was gerne als Amerikanisierung gedacht 2.1 Folgen der Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 25 25 wird. So endet der britische Kultursoziologe John Tomlinson (1991: 175) seine umfassende Darstellung der Entwicklung dieses Ansatzes des Kulturimperialismus mit dem Satz: »Was Imperialismus ersetzt, ist Globalisierung.« Diese zugespitzte Aussage verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt ihrer Äußerung die weltweite grenzüberschreitende Kommunikation ein Maß an Komplexität erreicht hat, mit der diese nicht (mehr) hinreichend mit Vorstellungen national-imperialer Strukturen gefasst werden kann: Das Hollywood-Studio Columbia Pictures Entertainment Inc. wurde mit Sony von einem japanischen Unternehmen übernommen, aber auch lateinamerikanische bzw. indische Medienunternehmen begannen in den Westen »zurückzukommunizieren« (siehe überblickend zu dieser Thematik Boyd-Barrett/ Thussu 1992; Tomlinson 2002). Das Konzept der Globalisierung der Medienkommunikation versprach eine größere Komplexität der Theoriebildung als das des Kulturimperialismus. Hiermit fügte sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft in den allgemeinen Diskurs der Sozialwissenschaften ein. Verschiedene sozialwissenschaftliche Theoretiker forderten, den bestehenden sozialwissenschaftlichen Begriffsapparat im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung zu überdenken (siehe beispielsweise Appadurai 1996; Beck 1997; Giddens 1996; Hannerz 1996). Solche Überlegungen aufgreifend argumentiert insbesondere John Tomlinson (1999) dafür, im kulturellen Bereich Globalisierung nicht mit der Homogenisierung einer »globalen Kultur« (Featherstone 1990) gleichzusetzen. Umgekehrt kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass Globalisierung kulturell folgenlos wäre. Globalisierung bezeichnet in einer solchen Perspektive-- wie bereits in der Einleitung formuliert-- die Zunahme einer »komplexen Konnektivität« nicht nur von Eliten, sondern ebenso auf der Ebene des Alltagslebens einer großen Zahl von Menschen. Diese Konnektivität hat verschiedene Dimensionen. Entsprechend ist es möglich, die Globalisierung der Medienkommunikation als die weltweite Zunahme einer kommunikativen Konnektivität zu begreifen (Hepp 2004: 125-135; siehe auch Hepp et al. 2005). Mit dieser geht als Kulturwandel eine Deterritorialisierung einher, d. h. ein Aufweichen der scheinbar natürlichen Beziehung zwischen Kultur und geografischen bzw. sozialen Territorien (García Canclini 1995: 229). Konkret wird dies an Beispielen von Kulturprodukten wie (Welt-)Musiktiteln, die durch die Konnektivität des Internets an fast allen Orten verfügbar sind, an Fernsehformaten wie »Idol«, die in verschiedensten Ländern Verbreitung finden, an Bollywood-Filmen, die weit über den indischen Kontinent hinaus Zuschauerinnen und Zuschauer haben, oder an Kontakten vieler Reisender und Migrantinnen bzw. Migranten, die sich über Internet und Social Web managen und aufrechterhalten lassen. Dies darf aber nicht zu verkürzenden Vorstellungen verleiten, die Globalisierung der Medienkommunikation mit einer Grenzenlosigkeit derselben gleichsetzen (Hafez 2005). Wir haben es beispielsweise in Bezug auf die arabische Welt mit einer Reterritorialisierung einer panarabischen Öffentlichkeit zu tun. Gleichwohl bedeutet die Globalisierung der Medienkommunikation, dass wir diese www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 26 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 26 nicht in einer rein westlichen Perspektive erfassen können. Ein »De-Westernizing« der Kommunikations- und Medienforschung erscheint notwendig (Curran/ Park 2000; Gunaratne 2010; Nyamnjoh 2011; Ray 2012; Thussu 2009). Gemeint ist damit, dass hinterfragt werden sollte, inwieweit die anhand westlicher Medienkulturen und Mediensysteme entwickelten Begrifflichkeiten hinreichend sind, um Medienphänomene in der gesamten Welt zu erfassen. In einer solchen allgemeinen Diskussion wurde verstärkt der historische Charakter der Globalisierung von Medienkommunikation betont. An dieser Stelle ist auf die Arbeiten des französischen Kommunikations- und Informationswissenschaftlers Armand Mattelart zu verweisen. Dieser verortet die Anfänge der gegenwärtigen »globalen Vernetzung« im Aufbau der ersten Telegrafenleitungen des 19. Jahrhunderts (Mattelart 1999: 15-36). Ebenso zeigt er, dass heutige Vorstellungen der Informationsgesellschaft ihre Wurzeln in Utopien des 17. und 18. Jahrhunderts haben (Mattelart 2003: 9-26). Wir müssen gegenwärtige Schübe der Globalisierung der Medienkommunikation also in ihrem weiteren historischen Kontext sehen, der letztlich auf eine-- wenn auch nicht linear-- fortschreitende Mediatisierung von Kultur und Gesellschaft verweist (Krotz 2005): Umfassende Kommunikationsbeziehungen zwischen verschiedenen Regionen der Welt bestanden auch früher. Mit der technischen, sich mehr und mehr vervielfältigenden Vermittlung dieser Kommunikationsbeziehungen besteht die Differenz allerdings einerseits in der alltagsweltlichen Reichweite der heutigen kommunikativen Konnektivität. Andererseits besteht die Differenz darin, dass diese kommunikative Konnektivität in Echtzeit möglich ist und so eine umfangreiche medienvermittelte Synchronität gestattet. In einer solchen Einordnung ist die Globalisierung der Medienkommunikation kein vollkommen neues Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts. Allerdings findet in diesem Zeitraum eine umfassende »Radikalisierung« derselben statt: Wir haben es mit einer durch die elektronischen Medien sprunghaft steigenden Zunahme der alltagsweltlichen Relevanz und Synchronität von kommunikativer Konnektivität zu tun. Insgesamt können wir damit ein ambivalentes Verhältnis zwischen den Konzepten der Globalisierung der Medienkommunikation und dem der transkulturellen Kommunikation ausmachen: So ist die umrissene Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation der weitergehende Horizont eines Diskursstrangs, in dem sich das Konzept der transkulturellen Kommunikation etablierte und zu einem Ansatz entwickelte. Gleichzeitig allerdings versucht Letzterer die Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation fortzuführen und zu konkretisieren. Mit der Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation ist der Versuch verbunden, die in der Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation allgemein konstatierte, zunehmende weltweite kommunikative Konnektivität genauer zu fassen. Wodurch zeichnet sich Medienkommunikation aus, wenn diese kulturübergreifend geschieht? Wie ist transkulturelle Medienkommunikation empirisch adäquat zu beschreiben? Es sind solche, auf eine empirische Kommunikations- und Medienfor- 2.2 Postkoloniale Kritik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 27 27 schung zielende Fragen, die mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation verbunden sind. 2.2 Postkoloniale Kritik Ein zweites Diskursfeld des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist das der postkolonialen Kritik. Wie der Begriff schon verdeutlicht, handelt es sich dabei um ein interdisziplinäres Feld, zu dem neben Arbeiten der Kommunikations- und Medienforschung auch die der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie und literaturwissenschaftliche Untersuchungen gehören. In diesem Feld ist allerdings weniger der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation verbreitet, als der der Transkulturalisierung (engl. »transculturation«) etabliert. Dieser geht insbesondere auf eine Studie des kubanischen Kulturanthropologen Fernando Ortiz aus dem Jahr 1940 zurück. In seiner Untersuchung mit dem englischen Publikationstitel »Cuban Counterpoint« (orig. 1940: »Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar«) befasst sich Ortiz damit, wie das Wechselverhältnis der Produktionskulturen von Tabak und Zucker in Kuba zu verschiedenen neuen Kulturformen beiträgt. In dieser Analyse steht »Zucker« für das mit der Kolonialisierung importierte industrielle System mit Disziplinierung, maschineller Produktion und mechanisierter Zeit. »Tabak« steht für die indigenen Produktionsweisen mit einheimischer Kontrolle des Produktionsprozesses, individueller handwerklicher Kompetenz und jahreszeitlich bestimmten Arbeitsrhythmen (Mackenthun 2011: 134). Das Zusammenkommen dieser beiden Produktionsweisen ist ein komplexer dialektischer Prozess. Um diesen zu fassen, entwickelt Ortiz den Begriff der Transkulturation, den er gegen den der Akkulturation im Sinne des Hineinwachsens in eine Kultur stellt (siehe hierzu das Zitat in der Textbox 1). Mit diesem früh von dem Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski (1970) gewürdigten Konzept der Transkulturation entwickelt Fernando Ortiz einen zuvor in dieser Form nicht ausformulierten Blick auf kulturelle Prozesse in Lateinamerika. Aus seiner Sicht ist die »wirkliche Geschichte Kubas die Geschichte von miteinander verzahnten Transkulturationen« (Ortiz 1970: 98): Bereits mit der Kolonialisierung war es nicht so, dass eine (nationale) spanische Kultur in Kuba Fuß fasste. Kulturen von Menschen unterschiedlicher romanischer Länder Europas fanden ihren Weg dorthin. Sie traten von Beginn an in Kontakt mit indigenen Kulturen, was zu einem »neuen Synkretismus von Kulturen« (Ortiz 1970: 98) führte. Vielfältige weitere Prozesse der Transkulturation schlossen sich an, u. a. durch den Sklavenhandel. Hier betont Ortiz Jahrzehnte vor den Arbeiten des Kulturanalytikers Paul Gilroy (1993) den Status der Überfahrt in Sklavenschiffen: Afrikaner sehr unterschiedlicher Kulturen wurden »wahllos in die Sklavenschiffe geworfen und durch das System der Sklaverei sozial gleichgemacht« (Ortiz 1970: 101). Dieser selbst schon transkulturelle Sklavenhandel stieß in Kuba dann weitere Prozesse der www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 28 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 28 Transkulturalisierung an. Transkulturation fasst demnach einerseits, dass koloniale Macht- und Produktionsverhältnisse nicht das Durchsetzen einer Kultur bedeuten (siehe Hermann 2007: 257 f.; Koch 2008: 12). Andererseits verdeutlicht der Begriff in seiner Prozesshaftigkeit, dass es hierbei um einen fortlaufenden Vorgang des Entstehens neuer synkreter-- oder, wie man heute sagen würde: hybrider-- Formen von Kultur geht. Teils in explizitem Verweis auf Ortiz, später ohne Referenz auf ihn, fand der Begriff der »Transkulturation« Verbreitung in der postkolonialen Forschung. Detailliert wurde dies von Diana Taylor (1991) nachgezeichnet. Sie verweist insbesondere auf die Arbeiten des peruanischen Ethnografen und Literaten José María Arguedas (1982). Aus seiner Sicht ist die indigene Kultur, wie wir sie kennen, das Produkt von Transkulturationen- - des langjährigen Kontakts zwischen früheren peruanischen Kulturen und denen der Kolonialisierenden. Entsprechend gibt es für ihn keine »reine« indigene oder spanische Kultur unter den Einwohnern Perus, sondern nur vielfältige »Mestizo«-Kulturen. Eurozentrische Konzeptionalisierungen von Kultur erscheinen ihm nicht hinreichend, um den hybriden Charakter der Kulturen Lateinamerikas zu fassen. Die hierauf aufbauende Diskussion gewann an Breite (siehe beispielsweise die Beiträge in Bekers et al. 2009; Davis et al. 2002; Kalogeras et al. 2006). Spätere Arbeiten lateinamerikanischer Kultur- und Kommunikationswissenschaftler wie beispielsweise die des bereits zitierten Néstor García Canclini, die den unweigerlich hybriden Charakter lateinamerikanischer Kulturen betonen, müssen in der direkten Folge dieser Beschäftigung mit Transkulturalität gesehen werden (siehe García Canclini 1995; Hepp 2009b; Lull 1998). Dabei fasst der Ausdruck der Transkulturalisierung generell das Entstehen neuer Kulturformen aus ehemals differenten kulturellen Kontexten in einem Prozess der durchaus machtgeprägten Hybridisierung. Hybridität bezeichnet-- ähnlich wie der von Ortiz verwendete Ausdruck des Synkretismus-- die Vermischung von Ressourcen unterschiedlicher kultureller Kontexte, deren Verbindung, Fusion und Melange (Hepp 2010: 216; 274). Ein solcher Prozess wird in diesem Diskursfeld vor allem in Bezug auf die »subalterne« Aneignung des Kolonialismus analysiert, wobei insbesondere die Kontaktzonen einer solchen Hybridisierung von unten interessieren. So konstatiert Mary Louise Pratt (1992) in ihrer Studie zum kolonialen Reisejournalismus, dass Transkulturation sich in bestimmten Kontaktzonen ergibt, die sie wie folgt beschreibt: »Kontaktzonen [sind] soziale Räume, in denen sich disparate Kulturen treffen, aufeinander stoßen und miteinander auseinandersetzen, oftmals in hochgradig asymmetrischen Beziehungen der Über- und Unterordnung- - wie Kolonialismus, Sklaverei oder deren Nachwirkungen, die heutzutage über den Globus hinweg gelebt werden.« (Pratt 1992: 4). Wie dieses Zitat deutlich macht, rückt damit der Begriff der Transkulturation in eine große Nähe zu dem des »dritten Raums«. Als »third space« hat Homi Bhabha 2.2 Postkoloniale Kritik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 29 29 (1994: 55)-- einer der zentralen Theoretiker des Postkolonialismus-- kulturelle Zwischenräume der Begegnung charakterisiert. In diesen haben »die Bedeutungen und Symbole der Kultur keine ursprüngliche Einheit oder Beständigkeit« (Bhabha 1994: 55). Entsprechend können Prozesse der Übersetzung und Rehistorisierung stattfinden, wobei Bhabha neben dem Ort der Literatur an konkrete Lokalitäten wie beispielsweise das Treppenhaus als Ort der Begegnung (kulturell) sehr unterschiedlicher Menschen denkt. Der Begriff der Transkulturalität fügt sich damit umfassend als »Schlüsselkonzept« (Ashcroft et al. 2009) in die analytischen Konzepte des Postkolonialismus ein. Diesen geht es darum, »ein kritisches Potential zur Beschreibung komplexer historischer Verhältnisse sowie ein utopisches Potential für die Durchführung des unabgeschlossenen Projekts der mentalen Dekolonisierung« (Mackenthun 2011: 123) zu entwickeln. Eine auf das Diskursfeld des Postkolonialismus ausgerichtete Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation reicht von theoretischen Reflexionen der eigenen Arbeit durch Medienpraktiker (MacDougall 1998), über wissenschaftliche Studien zu Filmen als transkulturelle Begegnungsräume (Kramer 2006) bis hin zur Erforschung von Prozessen medienvermittelter Transkulturation in Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation (Kraidy 2005; Lull 2002). Letztlich geht es in solchen Analysen darum, gegenwärtige Transkulturationen zu erfassen, die sich in grenzüberschreitender und grenzziehender Medienkommunikation konkretisieren. Hiermit werden die Problematiken und Phänomene der Transkulturation, die ursprünglich einmal als Ausdruck postkolonialer Situationen gegolten haben, als ein generelles Phänomen der gegenwärtigen Medienkommunikation angesehen. Transkulturelle Begegnungen spielen sich nicht mehr nur an (post-)kolonialen Begegnungsorten ab, sondern sind zum Normalfall grenzüberschreitender Medienkommunikation geworden, so die Überlegung. Wie es James Lull zugespitzt formuliert: »Prozesse der Transkulturation synthetisieren neue kulturelle Genres, während sie traditionelle kulturelle Kategorien einreißen« (Lull 2000: 242). Die bisher differenzierteste kommunikations- und medienwissenschaftliche Theorieentwicklung in einem solchen Rahmen hat Marwan M. Kraidy (2005) vorgelegt (siehe zu seinem Verständnis der transkulturellen Kommunikation Textbox 1). Sein Ansatz eines »kritischen Transkulturalismus« betont den konstruierten und gleichzeitig machtgeprägten Charakter von Kultur und rückt eine (zunehmende) globale Transkulturalität in den Blick. Es geht darum, nicht von einer Determination transkultureller Kommunikationsbeziehungen durch die bestehenden Strukturen einer politischen Ökonomie der Medien auszugehen, sondern Transkulturationen als sich in bestimmten Ökonomien konkretisierende Interaktionsbeziehungen zu analysieren. Zentral ist dabei die Betonung einer »translokalen Perspektive« (Kraidy 2005: 155). Diese zielt darauf, die vielfältigen Kommunikationsbeziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Orten und auf sehr verschiedenen Ebenen in den Blick zu rücken und solche Beziehungen nicht vorschnell in nationalen Totalitäten aufgehen zu lassen. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 30 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 30 Zusammenfassend charakterisiert Kraidy den von ihm umrissenen Ansatz mit folgenden Worten: »Kritischer Transkulturalismus […] verweigert das, was der Anthropologe George Marcus die ›Fiktion des Ganzen‹ genannt hat, betont aber zur gleichen Zeit, dass interkulturelle Beziehungen ungleich sind« (Kraidy 2005: 153). Letztlich zielt eine solche Forschung darauf, auf kritische Weise die Hybriditäten zu erfassen, die durch kommunikative Praxis translokal und verschiedene kulturelle Kontexte übergreifend geschaffen werden. An dieser Stelle rekurriert Marwan M. Kraidy (2005: 152) auf den Begriff der Hybridität bei Mikhail Bakhtin (1981), der zwischen organischer und intentionaler Hybridität unterscheidet. Organische Hybridität bezeichnet das Ergebnis der von Ortiz konstatierten Prozesse der Transkulturation als einen unbewussten Vorgang: »Unbewusste Hybride […] gehen schwanger mit potenziellen neuen Weltsichten, mit neuen ›internen Formen‹ der Wahrnehmung der Welt in Worten« (Bakhtin 1981: 360). Die intentionale Hybridität hingegen ist eine bewusste Konstruktion durch die gezielte Kombination unterschiedlicher kultureller Elemente. Kraidy weist darauf hin, dass die Hybriditäten transkultureller Kommunikation zumindest in Teilen gezielt hergestellt sind, weswegen man Fragen der Macht im Blick haben muss: »Intentionale Hybridität ist entsprechend primär ein kommunikatives Phänomen. […] Kommunikation ist zentral für die Formierung von Hybriditäten, weil sie die Handlungsfähigkeit derjenigen stärkt, die die Mittel zur Übersetzung und Benennung der Welt haben, während die Handlungsfähigkeit anderer Teilnehmer geschwächt wird. Mit anderen Worten ist es primär ein kommunikativer Prozess, ob Hybridität eine Selbstbeschreibung oder eine Zuschreibung durch andere ist. Das Mittel und die Fähigkeit zu kommunizieren sind entsprechend eine wichtige Determinante der Handlungsfähigkeit in interkulturellen Beziehungen, die den Schmelztiegel der Hybridität bilden.« (Kraidy 2005: 152) In der Zugangsweise dieses kritischen Transkulturalismus’ ist Hybridität also keine per se positive Eigenschaft, sondern die »kulturelle Logik« der Globalisierung, die es kritisch zu analysieren gilt. Exemplarisch macht dies Kraidy am »unternehmerischen Transkulturalismus« der Gegenwart fest. Dieser versucht, Hybridisierung zu nutzen, um Unternehmen profitabler und Kunden zufriedener zu machen (Kraidy 2005: 95). Hier liegt eine strategische Instrumentalisierung von Hybridität vor, die den Reichtum Einzelner fördert-- und die weit entfernt ist von emanzipatorischen Vorstellungen des »dritten Raums«. Dies heißt auch, dass man sich- - wie Annabelle Sreberny und Gholam Khiabany (Sreberny/ Khiabany 2011: 31) zu Recht anmahnen-- davor hüten muss, »die Dichotomie von Tradition und Moderne einfach umzukehren, indem wir alles ›Traditionelle‹ überbewerten und den kommerziellen, entwurzelten, banalen und fertig abgepackten ›westlichen‹ Produkten die ›authentischen‹, ›organisch gewachsenen‹ und ›tief verwurzelten Kulturen‹ […] gegenüberstellen«. 2.3 Methodologische Reflexion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 31 31 Insgesamt wird in dem Diskursfeld der postkolonialen Kritik so ein weiterer Aspekt von transkultureller Kommunikation greifbar: Es geht nicht nur darum, transkulturelle Kommunikation empirisch gesehen als eine mit der Globalisierung an Relevanz gewinnende Form von (Medien-)Kommunikation zu begreifen. Viel grundlegender hebt der Begriff auf Prozesse der Transkulturation ab, die als kennzeichnend für den kulturellen Wandel in Zeiten des Kolonialismus und den sich anschließenden verschiedenen Modernen gesehen wurden. Diese Transkulturation wird als ein kommunikativer Prozess verstanden, der nicht nur für einzelne Orte kultureller Begegnung und Melange kennzeichnend ist. Mit der Zunahme von (weltweiten) Kommunikationsbeziehungen ist Transkulturation zu einem Alltagsphänomen geworden, das es in seiner Widersprüchlichkeit kritisch zu analysieren gilt. 2.3 Methodologische Reflexion Ein drittes Diskursfeld um transkulturelle Kommunikation ist methodologisch ausgerichtet. In diesem werden zwar Überlegungen der zuvor behandelten beiden Diskursstränge aufgegriffen, weswegen man dieses als nachgelagert begreifen kann. Dabei gilt es-- so die Argumentation--, grundlegend die methodischen Herausforderungen zu behandeln, die mit zunehmender Globalisierung der Medienkommunikation bzw. kommunikativer Transkulturation bestehen. Hiermit hat dieses Diskursfeld eine sehr große Nähe zu der Kritik an einem methodologischen Nationalismus, weswegen es diese zuerst zu rekonstruieren gilt. Der Begriff des methodologischen Nationalismus geht insbesondere auf den Nationalismusforscher Anthony D. Smith (1979) zurück. Im Kern wird damit die Annahme gefasst, dass sich nationale Gesellschaften und der Territorialstaat eins zu eins entsprächen. Weiter ausformuliert hat die Kritik an einer solchen Annahme der Soziologe Ulrich Beck, indem er generell die »Axiomatik einer nationalstaatlich eingestellten Soziologie« (Beck 1997: 51) problematisiert. Dieser wirft er vor, methodologisch mit einer »Container-Theorie der Gesellschaft« (Beck 1997: 49) zu operieren, die Gesellschaften (National-)Staaten definitorisch unterordnet. Die Folge ist, dass Gesellschaften als Staatsgesellschaften begriffen werden und Gesellschaftsordnung so viel meint wie Staatsordnung. Mit einer solchen Container-Theorie der Gesellschaft haben die Sozialwissenschaften die historische Verknüpfung von entstehender Soziologie und politisch gewolltem Aufbau von (europäischen) Nationalstaaten im 19. Jahrhundert mehr oder weniger unreflektiert als Grundmodell der Beschreibung des Sozialen übernommen. Das hierbei bestehende Problem ist, dass die mit Globalisierung an Relevanz gewinnenden Sozialformen wie beispielsweise Diasporas, soziale Bewegungen, supranationale Organisationen usw. in ihrer Spezifik nicht hinreichend erfasst werden. Vor diesem Hintergrund fordert Beck einen methodologischen Kosmopolitismus ein. Letzterer www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 32 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 32 grenzt sich sowohl in der Raumals auch der Zeitdimension vom methodologischen Nationalismus ab. Räumlich treten »an die Stelle von national-nationalen Beziehungen trans-lokale, lokal-globale, trans-nationale, national-globale und global-globale Beziehungsmuster« (Beck 2004: 118). In der Zeitdimension geht es darum, einerseits die global geteilte Vergangenheit beispielsweise des Kolonialismus analytisch zu berücksichtigen, andererseits die gegenwärtig global erfahrenen Zukunftsbedrohungen beispielsweise im Bereich der Umweltverschmutzung (Beck 2004: 121). Im Kern zielt der methodologische Kosmopolitismus also darauf, dem Paradigma des Containerstaats als Bezugsgröße von Forschung das der räumlichen und zeitlichen Komplexität von translokalen Beziehungsmustern gegenüberzustellen. Eine solche Diskussion um die Kritik an einem methodologischen Nationalismus prägte umfassend die sozialwissenschaftliche Diskussion der letzten beiden Jahrzehnte. So unterscheiden beispielsweise die Migrationsforscher Andreas Wimmer und Nina Glick Schiller (Wimmer/ Glick Schiller 2002: 302-308) drei Modi des methodologischen Nationalismus: Der erste Modus ist bereits durch die von Beck erwähnten Klassiker der Soziologie benannt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass Nation zwar eine implizite Zentralität für die entwickelten Konzepte des Sozialen hat (»die Gesellschaft des Nationalstaats«), dies gleichzeitig aber nicht reflektiert wird und so ein »blinder Fleck« der eigenen Betrachtung entsteht. Der zweite Modus ist der der »Naturalisierung des Nationalstaats«. Bei diesem wird der Nationalstaat nicht weiter problematisiert und zum Bezugspunkt jeglicher Forschung gemacht. Ein dritter Modus des methodologischen Nationalismus ist der des generellen »Fokus auf die Grenzen des Nationalstaats«. Bei sozialwissenschaftlichen Analysen geht es dann um die Beschreibung von nationalstaatlichen Prozessen »innerhalb« von Nationalstaaten in Abgrenzung zu Phänomenen »außerhalb«. Folgt man Wimmer und Glick Schiller, gehen diese drei Modi im Diskurs des methodologischen Nationalismus ineinander über und kennzeichnen ihn so insgesamt. Im Diskursfeld um transkulturelle Kommunikation als methodologische Reflexion finden sich vielfache Bezüge auf die Kritik des methodologischen Nationalismus. Dass dabei allerdings nicht von Transnationalismus sondern von Transkulturalismus gesprochen wird, verweist darauf, dass das Konzept des Nationalen selbst aus kulturanalytischer Perspektive problematisiert wird. Ein wichtiger Bezugsautor ist hierbei der Kulturgeograf und Kommunikationswissenschaftler Kevin Robins. Dieser hat seine Überlegungen zu Transkulturalität und transkultureller Kommunikation im Rahmen seiner empirischen Forschung zu Medien und Migration entwickelt. Dabei weist Robins darauf hin, dass ein Transnationalismus, der Diasporas mit den identischen Konzepten beschreibt wie Nationen bzw. Nationalstaaten, dieser Sozialform nicht hinreichend gerecht wird (vgl. Robins 2003). Der von Kevin Robins umrissene Zugang postuliert jedoch nicht das Ende des Nationalstaats. Vielmehr geht es ihm darum, das Wechselverhältnis von nationalen und transnationalen Dynamiken in einem weitergehenden transkulturellen Rahmen 2.3 Methodologische Reflexion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 33 33 zu fassen. An dieser Stelle führt er den Begriff der »transkulturellen Vielfalt« (Robins 2006a: 31; siehe auch Robins 2006b: 276) ein, um die Kritik des methodologischen Nationalismus um eine Kritik an Vorstellungen von Kultur als homogener Nationalkultur (im Sinne der eingangs erwähnten territorialen Kulturvorstellung) zu erweitern. Er weist darauf hin, dass gerade Debatten um Vielfalt in Europa letztlich im nationalen Rahmen erfolgen, indem Kultur mit Nationalkultur gleichgesetzt wird und Vielfalt in Europa entsprechend die Vielfalt unterschiedlicher Nationalkulturen bedeutet. Problematisch dabei ist jedoch nicht nur die Nationalisierung von Kultur, sondern darüber hinaus der damit verbundene Kulturbegriff als solcher: »Letzten Endes ist die Konzeption von Kultur problematisch, wie sie in einer solchen Agenda mobilisiert wird, in der sich der scheinbar neutrale Ausdruck ›Kultur‹ tatsächlich als Kultur in einer nationalen Vorstellung herausstellt. Folglich wird eine Kultur als eine einheitliche und umgrenzte Entität angesehen, als der Besitz einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe, als unterschiedlich von den Kulturen anderer Gruppen und als über die Zeit hinweg festgelegt und konstant.« (Robins 2006a: 31) Betrachtet man jedoch Europa mit seinen vielfältigen Kommunikationsbeziehungen genauer, ist es-- wie andere Regionen der Welt-- sowohl historisch als auch gegenwärtig durch umfassende transkulturelle (Kommunikations-)Prozesse gekennzeichnet, die es vergleichend in einem komplexeren methodischen Rahmen zu analysieren gilt. Für die Gegenwart lässt sich auf die vielfältigen (Trans-)Migrantinnen und Migranten verweisen, die jenseits der »umgrenzten« Vielfalt nationaler Kulturen in Europa transkulturelle Kommunikation eröffnen. Ein transkultureller Blickwinkel bricht also methodologisch insofern mit Fragen des Nationalen und Transnationalen, als er die Möglichkeit der Verfasstheit von Kultur jenseits von Nationalität untersucht: »Transkulturalismus […] war ursprünglich vor-national und entsprechend vor-transnational« (Robins 2006a: 31). In diesem Sinne können wir die mit dem Ansatz der transkulturellen Kommunikation verbundene methodologische Reflexion als Zuspitzung der Kritik des empirischen Nationalismus verstehen: Es geht nicht nur darum, die unhinterfragte Anwendung national-territorialer Konstruktionen von Gesellschaft auf jegliche soziale Phänomene zu problematisieren. Diese Kritik des methodologischen Nationalismus wird gesteigert, indem sein impliziter Kulturbegriff in Frage gestellt wird, um die Möglichkeit überhaupt (wieder) zu eröffnen, Kultur jenseits implizit nationaler Konzeptionalisierungen empirisch zu erforschen. Für einen solchen Zugang stehen neben Kevin Robins auch andere Kommunikations- und Medienwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler. Neben den bereits Genannten wie beispielsweise James Lull oder Marwan Kraidy lässt sich auf Ulrike Hanna Meinhof und Anna Triandafyllidou (2006) verweisen. Diese argumentieren, www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 34 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 34 dass traditionelle Ansätze der Beschreibung von Kulturpolitik, die beim Nationalstaat ansetzen, nicht hinreichend sind, um aktuelle Kulturpolitiken in Europa zu erfassen. Notwendig sei vielmehr ein methodisches Ansetzen aus einer »urbanen und metropolen Perspektive« (Meinhof/ Triandafyllidou 2006: 6). Ein solcher Zugang zu einem »transkulturellen Europa« eröffnet eine Möglichkeit der Analyse bestehender kultureller Prozesse, die weder auf die Perspektive einer europäischen Kultur im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners aller Nationalkulturen verkürzt noch auf die Perspektive von Europa als Ansammlung von Nationalkulturen. Joseph Chan und Eric Ma (2002) schlagen einen transkulturellen Ansatz der Medienforschung vor, der einfache Dichotomien wie Mikro vs. Makro oder (in Bezug auf Asien) Staat/ Partei vs. Markt/ Leute überwindet und komplexere Modelle der (vergleichenden) Medienkulturanalyse entwickelt. Paula Chakravartty und Yuezhi Zhao (2008) fordern eine transkulturelle politische Ökonomie der Medien ein, die jenseits der einfachen Dichotomien (nationalkultureller) politischer Systeme und einem darüber gelagerten supranationalen System operiert, um die globale Verbreitung eines Medienkapitalismus angemessen beschreiben zu können. Im Kern verweisen solche Argumentationen darauf, in einer komparativen Medien- und Kommunikationsforschung einfache Vergleichsmodelle zugunsten komplexerer Ansätze zu überwinden (vgl. zum Folgenden ausführlich Couldry/ Hepp 2012; Hepp/ Couldry 2009). Methodologisch steht die Zugangsweise der transkulturellen Kommunikation dann für eine bestimmte Vergleichssemantik. Die internationale und interkulturelle Vergleichssemantik ist dadurch gekennzeichnet, dass der (National-)Staat als ein territorialer Container begriffen wird und als einziger Referenzpunkt von Vergleich fungiert. Konkret heißt dies, dass Mediensys- Quelle: eigene Darstellung Mediensystem 1 Medienmarkt 1 Medienkultur 1 (National-)Staat 1 Mediensystem 2 Medienmarkt 2 Medienkultur 2 (National-)Staat 2 Abbildung 1: Internationale und interkulturelle Vergleichssemantik 2.3 Methodologische Reflexion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 35 35 teme, Medienmärkte und Medienkulturen unhintergfragt in Bezug auf (National-) Staaten konstruiert werden und der Staat so von vornherein als Bezugsrahmen einer Auseinandersetzung mit Prozessen der grenzüberschreitenden und grenzziehenden Kommunikation genommen wird. Man kann von einer in ihrer Grundstruktur binären Vergleichssemantik sprechen, weil sie zumindest zwei (National-)Staaten komparativ gegenüberstellt. Dabei kann diese Semantik des Vergleichs auch mit einer größeren Zahl von Staaten weiter gedacht werden. Vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation sollte deutlich geworden sein, dass eine solche Form des Vergleichs auf nicht unerhebliche Probleme stößt. Diese können vor allem an drei Punkten festgemacht werden: • Erstens wird eine solche Vergleichssemantik nicht der bestehenden Komplexität der kommunikativen Konnektivitäten gerecht, wie sie mit der Globalisierung der Medienkommunikation in heutigen mediatisierten Welten besteht. Deren Kommunikationsbeziehungen sind durch die Etablierung von Satellitentechnologien und dem Internet bzw. digitalen Medien wesentlich vielfältiger und nicht einfach in Bezug auf Staatsgrenzen konstruierbar. • Zweitens geht eine solche Vergleichssemantik von einer Abgeschlossenheit von Kultur aus. Diese wird in aktuellen kulturanalytischen Studien in Frage gestellt, weil sie nicht angemessen erscheint, gegenwärtige kulturelle Komplexitäten zu erfassen. • Und drittens schließlich erlaubt es eine solche Vergleichssemantik nicht, neu entstehende kulturelle Phänomene bzw. den Wandel von Kultur zu beschreiben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich diese nicht in einen nationalen Funktionalismus fügen. Quelle: eigene Darstellung globale Medienkommerzialisierung kulturelle Verdichtung A kulturelle Verdichtung B kulturelle Verdichtung C Mediensystem 1 (National-)Staat 1 Mediensystem 2 (National-)Staat 2 Abbildung 2: Transkulturelle Vergleichssemantik www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 36 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 36 Solche Probleme versucht eine transkulturelle Vergleichssemantik zu vermeiden. In ihr wird eine globale Kommerzialisierung der Medien als Gesamtrahmen von gegenwärtigen, (staatliche) Grenzen überschreitenden kommunikativen Konnektivitäten betrachtet (siehe dazu im Detail Kap. 3.1). Diese globale Kommerzialisierung bildet-- wie in der oben stehenden Abbildung 2 visualisiert-- den Rahmen, in dem es Nationalstaaten und deren Mediensysteme wie auch die verschiedenen (medien-)kulturellen Verdichtungen zu sehen gilt. Gemeint ist damit nicht, dass die Art und Weise der Produktion von Medien überall identisch wäre. Der Begriff der globalen Medienkommerzialisierung hebt an dieser Stelle vielmehr darauf ab, dass in verschiedensten Regionen der Welt Medienkommunikation zunehmend als Austausch ökonomischer Waren angesehen wird. Dies betrifft nicht nur die sogenannte westliche Welt (Herman/ McChesney 1997; Hesmondhalgh 2007), sondern ebenfalls andere Weltregionen (siehe für China beispielsweise Ma 2000 und Zhao 2009). Und auch in Bezug auf das Internet kann gesagt werden, dass dessen rasante Verbreitung in den 1990er-Jahren mit einer Kommerzialisierung Hand in Hand ging (Castells 2005: 19-44). Nichtsdestotrotz muss man im Blick haben, dass diese globale Medienkommerzialisierung nicht zu einer weltweiten Standardisierung der Bedeutung von Medienprodukten führt. Dies hängt u. a. mit der »Unbestimmtheit« (Ang 1996: 172) des globalen Medienkapitalismus zusammen, dem es gerade um das Finden neuer, vermarktbarer (kultureller) Unterschiede geht. Sehr oft scheint damit der globale Medienkapitalismus eher eine Quelle fortschreitender kultureller Fragmentierungen, Auseinandersetzungen und Missverständnisse zu sein- - nicht nur zwischen Nationalkulturen, sondern auch quer durch diese hindurch. Innerhalb dieser globalen Medienkommerzialisierung sind politische Mediensysteme aufgrund ihrer Staatsbezogenheit die bis heute am umfassendsten territorial bezogenen Gegenstandsbereiche (Hepp/ Wessler 2009). Rücken jedoch stärker Fragen von (Medien-)Kultur ins Zentrum der Betrachtung, fällt auf, dass einzelne kulturelle Verdichtungen nach wie vor staatsbezogen sind (bspw. nationale politische Diskurskulturen), andere-- und für Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation besonders Charakteristische-- jedoch über Staatsgrenzen hinweg erkennbar werden. Beispiele für solche kulturellen Verdichtungen sind Diasporagemeinschaften, populärkulturelle Gemeinschaften wie beispielsweise Jugend- und Freizeitkulturen, politische Vergemeinschaftungen von sozialen Bewegungen oder Religionsgemeinschaften. Die Artikulation solcher Vergemeinschaftungen verweist letztlich auf deterritorial bestehende, transmediale kommunikative Räume (siehe dazu im Detail die Darstellung in Kap. 6.3). Auf komparativer Ebene versucht eine transkulturelle Perspektive damit, eine einfache Inter-Vergleichssemantik zu überwinden, ohne den Staat bzw. die Nationalkultur als eine mögliche Referenzgröße auszuschließen. Konkret bedeutet dies, dass eine transkulturelle Vergleichssemantik nicht mit der Vorstellung von in Bezug auf Staaten abgeschlossenen Medienkulturen, Medienmärkten und Mediensystemen operiert, sondern mit der Vorstellung der Verdichtung solcher Phänomene im Rahmen über- 2.4 Integrative Analysen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 37 37 greifender kommunikativer Konnektivitäten. Eine solche Vergleichssemantik versucht, die Spezifik dieser Verdichtungen ebenso zu berücksichtigen wie die vielschichtigen Beziehungen zwischen ihnen. Letztlich zielt in einem solchen methodologischen Blickwinkel das vorliegende Buch also darauf, einen konzeptionellen Rahmen für ein vielschichtiges vergleichendes Vorgehen zu entwickeln. 2.4 Integrative Analysen Ausgangspunkt dieses Kapitels war die Überlegung, dass sich im Ansatz der transkulturellen Kommunikation drei sich überlappende, gleichwohl sinnvoll zu unterscheidende Diskursfelder treffen: Erstens das der Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation als Folge der Globalisierung, zweitens das der Betrachtung transkultureller Kommunikation als Teilaspekt der postkolonialen Kritik und drittens eine Konzeptionalisierung von transkultureller Kommunikation als methodologischer Reflexion. Betrachtet man diese drei Diskursfelder zusammenfassend, stellt man fest, dass diese- - auch wenn ihre Referenzautoren jeweils unterschiedlich verortet sind- - argumentativ in einer Beziehung zueinander stehen: So wird aus der Zunahme von kulturübergreifenden Kommunikationsbeziehungen mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation gefolgert, dass transkulturelle Kommunikationsprozesse auf alltagsweltlicher Ebene zunehmen (können), und dabei unterstellt, dass damit verschiedene Hybridisierungsprozesse ein Alltagsphänomen geworden sind. Gerade vor diesem Hintergrund erscheinen Inter-Vergleichssemantiken nicht hinreichend, und man benötigt für eine komparative Forschung komplexere Designs. Diese sollten Nationalstaaten und Nationalkulturen als Referenzgrößen nicht ausschließen, aber vermeiden, Letztere unproblematisiert zum containerhaften Ausgangspunkt von Forschung zu machen. Entsprechend kann man die unterschiedenen Diskursfelder wie folgt systematisieren: Tabelle-1: Diskursfelder transkultureller Kommunikation Diskursfeld Forschungsfokus Forschungsagenda Folgen der Globalisierung transkulturelle Konnektivität Kommunikationsbeziehungen Postkoloniale Kritik Transkulturalisierung Hybridisierungsprozesse methodologische Reflexion transkultureller Vergleich Mehrebenen-Untersuchungen Quelle: eigene Darstellung Sieht man eine transkulturelle Kommunikationsforschung in einem solchen Gesamtrahmen, wird deutlich, dass es sich hier um einen Ansatz handelt, der die Analyse der www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 38 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 38 Komplexität von Kommunikationsbeziehungen, ihrer Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen in einer globalisierten Welt einfordert. Doch wie ist ein solches Unterfangen praktisch zu realisieren? Geht man von den Kernpunkten der bisherigen Argumentation aus, sollte eine Antwort auf diese Frage eine Systematisierung der in der obenstehenden Tabelle gefassten drei Forschungsfoki und -agenden leisten: Sie sollte eine Vorgehensweise umreißen, die in der Lage ist, die Komplexität von Kommunikationsbeziehungen in durch die Globalisierung gekennzeichneten, mediatisierten Welten zu fassen. Gleichzeitig sollte diese Vorgehensweise die hiermit einhergehende Hybridisierung verschiedenster Phänomene kritisch beschreiben können. Und sie sollte dies in vielschichtigen Mehrebenen-Untersuchungen realisieren. Genau dies leistet das Konzept der »kommunikativen Figuration« (Hepp 2013a: 84-90; Hepp/ Hasebrink 2014), wie es im Weiteren als heuristischer Ansatzpunkt für eine transkulturelle Medien- und Kommunikationsforschung beschrieben werden soll. Der Begriff der Figuration ist in den Sozialwissenschaften durchaus etabliert, häufig allerdings ohne weitere begriffliche Ausarbeitung. So spricht beispielsweise die Soziologin Saskia Sassen (2008: 29) in ihrer breit angelegten Untersuchung zur politischen »Etablierung« und »Demontage« des Nationalstaates davon, dass hierzu die Analyse »bestimmter historischer Konfigurationen« notwendig wäre. Hiermit betont sie, dass es nicht um die Betrachtung von Einzelphänomenen geht, sondern um deren Interaktionsgefüge. Der Wissens- und Techniksoziologe Bruno Latour spricht von der »Figuration« (Latour 2007: 93 f.) im Sinne einer konkreten sozialen Gestalt, die Bezugspunkt sozialwissenschaftlicher Erklärungen sein sollte. Es finden sich aber auch Verwendungsweisen des Konzepts der Figuration in der Kommunikations- und Medienforschung. Ein Beispiel hierfür wären die »Figurationen des Klatsches« (Leach 1997), in denen sich feministischer Gegendiskurs konkretisiere. Allgemein wird daneben von »kommunikativen Figurationen« gesprochen, die es historisch kontextualisierend zu erfassen gilt (Burkhardt/ Werkstetter 2005: 430). Trotz ihrer je unterschiedlichen Akzentsetzungen treffen sich solche verschiedenen Verwendungsweisen des Ausdrucks »Figuration« darin, dass sie die Notwendigkeit der Analyse von Gesamtkonstellationen betonen: Beschreibung, Erklärung und Kritik soziokultureller Phänomene werden dann möglich, wenn man diese in dem ihnen jeweils spezifischen Gesamtzusammenhang erfasst. Über eine solche allgemeine Verwendungsweise hinaus wurde der Begriff Figuration insbesondere vom Soziologen Norbert Elias theoretisiert (siehe Textbox 2). Dessen Begriff der Figuration durchschreitet die häufig statischen Analyseebenen von Mikro, Meso und Makro, indem man ihn »auf relativ kleine Gruppen ebenso wie auf Gesellschaften« (Elias 1993: 143) beziehen kann. Folgt man der Argumentation von Elias, sind Figurationen »Netzwerke von Individuen« (Elias 1993: 12), die in wechselseitiger Interaktion- - wie beispielsweise im gemeinsamen Spiel oder gemeinsamen Tanz-- ein größeres soziales Gebilde konstituieren. Dieses kann die Familie sein, die 2.4 Integrative Analysen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 39 39 Gruppe, der Staat oder die Gesellschaft: In all diesen Fällen lassen sich solche sozialen Gebilde als unterschiedlich komplexe Netzwerke von Individuen beschreiben. Mit diesem Zugang möchte Elias die Vorstellung vermeiden, »dass die ›Gesellschaft‹ aus Gebilden außerhalb des »Ichs«, des einzelnen Individuums bestehe und dass das einzelne Individuum zugleich von der Gesellschaft umgeben und von ihr durch eine unsichtbare Wand getrennt« (Elias 1993: 11 f.) sei. Für Elias gehören »Individuum« und »Gesellschaft« eng zusammen und können nicht voneinander separiert werden. Sie fassen eher zwei Aspekte eines Gesamts, das er mit dem Begriff der Figuration zu bezeichnen sucht. Figuration ist damit »ein einfaches begriffliches Werkzeug« (Elias 1993: 141), um soziokulturelle Phänomene in einem »Verflechtungsmodell« (Elias 1993: 141) interdependenter Handlungen zu fassen. Es geht-- wenn man das Spiel als Beispiel für eine Figuration nimmt- - darum, »das sich wandelnde Muster, das die Spieler als Ganzes miteinander bilden« (Elias 1993: 142), insgesamt zu beschreiben. Hierbei ist der Begriff der Figuration skalierbar, d. h., auf sehr unterschiedlichen Ebenen operationalisierbar. Der Begriff der Figuration zielt demnach darauf ab, soziale Entitäten als prozesshafte Verflechtungszusammenhänge einer empirischen Analyse zugänglich zu machen. Dabei geht es auch darum, zu klären, »was Menschen eigentlich in Figurationen zusammenbindet« (Elias 1993: 144). Textbox-2: Norbert Elias zum Konzept der Figuration »Der Begriff der ›Figuration‹ dient dazu, ein einfaches begriffliches Werkzeug zu schaffen, mit dessen Hilfe man den gesellschaftlichen Zwang, so zu sprechen und zu denken, als ob ›Individuum‹ und ›Gesellschaft‹ zwei verschiedene und überdies auch noch antagonistische Figuren seien, zu lockern. […] Man kann ihn auf relativ kleine Gruppen ebenso wie auf Gesellschaften, die Tausende oder Millionen interdependenter Menschen miteinander bilden, beziehen. Lehrer und Schüler in einer Klasse, Arzt und Patienten in einer therapeutischen Gruppe, Wirtshausgäste am Stammtisch, Kinder im Kindergarten, sie alle bilden relativ überschaubare Figurationen miteinander, aber Figurationen bilden auch Bewohner eines Dorfes, einer Großstadt oder einer Nation, obgleich in diesem Fall die Figuration deswegen nicht direkt wahrnehmbar ist, weil die Interdependenzketten, die die Menschen hier aneinander binden, sehr viel länger und differenzierter sind. Man versucht dann, die Eigentümlichkeiten solcher komplexer Figurationen indirekt, durch die Analyse der Interdependenzketten, dem eigenen Verständnis näherzubringen.« (Elias 1993: 141; 143) Auf Grundlage solcher Überlegungen sind kommunikative Figurationen musterhafte (transmediale) Interdependenzgeflechte von Kommunikation. Um einige Beispiele zu nennen: Familien bilden auch eine kommunikative Figuration, für die- - gerade in ihrer translokalen Zerstreuung- - Kommunikation mittels (Mobil-)Telefon ebenso www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 40 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 40 zentral ist wie das Social Web, (digitale) Fotoalben, Briefe, Postkarten oder das gemeinsame Fernsehen. Begreift man (nationale oder transnationale) Öffentlichkeiten als normativ spezifisch aufgeladene kommunikative Figurationen, so bestehen diese ebenfalls über unterschiedliche Medien, deren Produktion und Aneignung hinweg. Dies betrifft nicht nur klassische Medien der Massenkommunikation, sondern mit Wikileaks, Twitter und Blogs ebenso Medien des Social Webs. Wir haben es aber auch mit kommunikativen Figurationen von global agierenden sozialen Bewegungen zu tun, die sich über das Internet und Mobiltelefon organisieren und gleichzeitig traditionelle Massenmedien zu nutzen wissen, um zum Beispiel ihre politischen Ziele als Teil globaler Medienevents zu inszenieren. Mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation sind gegenwärtige kommunikative Figurationen in hohem Maße vielfältig. Manche-- wie beispielsweise die kommunikativen Figurationen, die eine nationale Medienöffentlichkeit ausmachen-- sind territorial bezogen. Sie bewegen sich nicht einfach nur (weitgehend) in den Grenzen von Nationalstaaten, sondern artikulieren diese mit. Andere kommunikative Figurationen wiederum sind konstitutiv für Phänomene, die gerade nicht in einem solchen Rahmen fassbar sind: kommunikative Figurationen der bereits erwähnten Diasporas, populärkulturellen Vergemeinschaftungen, sozialen Bewegungen usw. Zu denken ist in diesem Zusammenhang aber auch an die kommunikativen Figurationen, die für einzelne Orte kennzeichnend sind wie beispielsweise den der globalisierten Stadt. Hier werden weitere kulturelle Bezüglichkeiten geschaffen, wie auch kulturelle Hybridisierungen entstehen, die empirisch durch zum Teil sehr eigene Spezifika gekennzeichnet sind. Solche Beispiele machen deutlich, dass sich das Konzept der kommunikativen Figuration in hohem Maße eignet, die in diesem Aufsatz für die betrachteten drei Diskursfelder umrissenen Forschungsfoki und -agenden der transkulturellen Kommunikation in eine praktische Kommunikations- und Medienforschung umzusetzen. Bezogen auf die in Tabelle 1 (S. 37) dargestellten Punkte lässt sich dies wie folgt zuspitzen: • Transkulturelle Konnektivität und Kommunikationsbeziehungen: Das Konzept der kommunikativen Figuration bezieht sich nicht auf Fragen einzelner Medien, sondern setzt seinen Akzent auf die (medienvermittelte) kommunikative Artikulation verschiedener soziokultureller Entitäten. Hierdurch eignet es sich in hohem Maße zum Erfassen vielschichtiger kulturspezifischer wie transkultureller Konnektivitäten bzw. Kommunikationsbeziehungen sowie von deren Relevanz für die kommunikative Konstruktion von Wirklichkeit. • Transkulturalisierung und Hybridisierungsprozesse: Das Konzept der kommunikativen Figuration eignet sich dazu, Hybridisierungsprozesse auf handhabbarer Ebene zu erfassen. Auch »dritte Räume« und »Kontaktzonen« konstituieren sich in bestimmbaren kommunikativen Figurationen, ebenso wie Prozesse der »Transkulturation« in kommunikativen Figurationen greifbar werden. 2.4 Integrative Analysen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 41 41 • Transkulturelle Vergleiche und Mehrebenen-Untersuchungen: Das Konzept der kommunikativen Figuration ist skalierbar, d. h., auf Phänomene sehr unterschiedlicher Ebenen beziehbar, und liegt damit jenseits eines in der transkulturellen Medien- und Kommunikationsforschung immer wieder kritisierten impliziten Ansatzpunkts national-territorialer Vergleiche und Bezugsgrößen. Hierdurch eignet es sich auch für komplexe vergleichende Mehrebenen-Untersuchungen. Durch eine Betrachtung von kommunikativen Figurationen erreicht man also eine weitere empirische Konkretisierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation, nämlich im Hinblick auf die Analyse der Gesamtheit von für die kommunikative Artikulation einer Entität (Familie, Diaspora, Öffentlichkeit usw.) relevanten Muster von Kommunikation, die es in einer vergleichenden Analyse zu erfassen gilt. In der Erhebungs- und Auswertungsmethode kann eine Analyse kommunikativer Figurationen sehr unterschiedlich angelegt sein, je nachdem, um welche Art von Entität es sich handelt. Um hier nochmals die genannten Beispiele zu verwenden: Für die Analyse der kommunikativen Figuration einer Öffentlichkeit bietet sich beispielsweise die Kombination von Inhaltsanalysen, Befragungen von Medienschaffenden und Rezipierenden an, für die Analyse der kommunikativen Beziehungen einer Diaspora bieten sich Kommunikationsnetzwerkanalysen an oder für die Auseinandersetzung mit den kommunikativen Figurationen von Familien (virtuelle) Ethnografie und teilnehmende Beobachtung. Der Kernpunkt einer Figurationsanalyse ist also nicht das Erhebungs- und Auswertungsinstrument, sondern die Erschließung der grundlegenden Muster dieser kommunikativen Artikulation in ihrer Gesamtheit. Zu einer transkulturellen Medien- und Kommunikationsforschung wird eine solche Figurationsanalyse dann, wenn sie die Dialektik der kulturellen Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen auf spezifische Weise erfassbar macht. An dieser Stelle ist es gleichwohl wichtig, im Blick zu haben, dass kulturelle Phänomene Mehrebenen-Phänomene sind. Eindrücklich zeigt sich dies in Kreislaufvorstellungen von Kultur, wie sie sich mit den Cultural Studies in der kulturanalytischen Medien- und Kommunikationsforschung verbreitet haben. Wichtig war hierbei das Encoding/ Decoding-Modell von Stuart Hall (1980; 1994b; 1999), mit dem dieser-- u. a. angeregt durch den Kreislauf des Warenkapitals von Karl Marx-- das Phänomen des Fernsehens im Spannungsverhältnis von Encoding und Decoding verortet. Weiter ausdifferenziert wurde eine solche Perspektive dann durch Richard Johnson (1986), der den Kreislauf der Kultur durch vier Instanzen vermittelt sah: erstens die Produktion einzelner Kulturprodukte, zweitens diese selbst als Texte betrachtet, drittens deren Interpretation und viertens schließlich die Kultur als Lebensweise. In ganz ähnlichem Sinne haben auch Paul-du Gay et al. (1997: 3) Kultur im Rahmen eines Kreislaufs beschrieben. Als zentrale kulturelle Prozesse dieses Kreislaufs haben sie die Repräsentation, die Identität, die Produktion, den Konsum und die Regulation von Kultur begriffen. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 42 2 Zugänge zu transkultureller Kommunikation 42 Solche Überlegungen aufgreifend können wir sagen, dass sich in einem Kreislaufzusammenhang Artikulationsebenen von Medienkultur ausmachen lassen. Dies ist erstens die der Produktion, die die Strukturen, Praktiken und Prozesse der »Hervorbringung« von Kulturprodukten beschreibt. Zweitens ist dies die der Repräsentation, d. h. der »Darstellung« von Kultur in Kulturprodukten. Eine dritte Artikulationsebene ist die der Aneignung, also des Prozesses des aktiven »Sich-Zu-Eigen-Machens« von Kultur als Lokalisierung im Alltag. Diese drei Ebenen bilden insofern den Kern von Medienkultur, als es sich hierbei um diejenigen handelt, die in einem klassischen Verständnis den Kommunikationsprozess als solchen ausmachen. Daneben erscheint es aber noch wichtig, zumindest zwei weitere Ebenen im Blick zu haben, nämlich die der Identifikation und Regulation. Bei der Identifikation handelt es sich um die Artikulationsebene von Kultur, die den (fortlaufenden) Prozess der Artikulation von Identität auf Basis vermittelter kultureller Muster und Diskurse beschreibt. Regulation hingegen bezeichnet die Einflussnahme nichtproduzierender Institutionen und Formationen (bspw. Politik) auf Kultur. Bezieht man solche Überlegungen zurück auf den Begriff der kommunikativen Figuration, geht es darum, entlang dieser Artikulationsebenen und der sich in ihnen konkretisierenden Machtverhältnisse die kommunikativen Figurationen transkultureller Kommunikation zu erfassen. Gemäß unserer bisherigen Argumente heißt dies für die Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation zweierlei: Einerseits interessiert entlang der unterschiedenen Artikulationsebenen die kommunikative Bezie- Quelle: eigene Darstellung Produktion Aneignung Regulation Repräsentation Identi kation Abbildung 3: Kreislauf der Medienkultur 2.4 Integrative Analysen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 43 43 hung zwischen den verschiedenen Medienkulturen. Welche kommunikativen Figurationen der Produktion aber auch Regulation bestehen zwischen verschiedenen Medienkulturen? Inwiefern schaffen verschiedene Medienprodukte oder herausgehobene Medienereignisse eine transkulturelle Beziehung zwischen ihnen? Welche alltagsweltlichen Kulturbeziehungen werden in den kommunikativen Figurationen der Medienaneignung geschaffen? Haben wir aber im Blick, dass eine Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation auch bedeutet, sich mit dem Prozess der Transkulturation innerhalb von nur scheinbar stabilen Kulturen auseinanderzusetzen, geht es auch um eine Auseinandersetzung mit kommunikativen Figurationen in den verschiedenen Medienkulturen. Hier mögen dann andere Fragen interessieren: Inwieweit wird Transkulturation in den Praktiken der Medienproduktion greifbar? Wie ist in der kommunikativen Figuration von scheinbar nationalen medialen Repräsentationen Transkulturalität eingeschrieben? Was zeichnet die kommunikative Figuration einer Diaspora bezogen auf Transkulturalitäts-Erfahrungen aus? Solche Fragen verdeutlichen, dass die Figurationen transkultureller Kommunikation hochgradig komplexe und auch widersprüchliche Zusammenhänge sind. Eine Hilfe ist es deshalb, diese kommunikativen Figurationen entlang der unterschiedlichen Artikulationsebenen des Kreislaufs der Medienkultur zu betrachten, wie es in den folgenden Kapiteln dieses Buchs geschehen soll. Auf diese Weise wird es möglich, Anregungen zu geben, was wir im Blick haben müssen, wenn wir die kommunikativen Figurationen unserer heutigen mediatisierten Welten in ihrer Transkulturalität erfassen wollen. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 44 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 45 45 3 Regulation transkultureller Kommunikation Wie bereits im letzten Kapitel angedeutet, findet transkulturelle Kommunikation nicht in einem luftleeren Raum statt: Sie wird als Medienkommunikation gestützt durch eine entsprechende kommunikative Infrastruktur, deren Aufbau wiederum (auch) ein politisches Projekt gewesen ist. Wir sind also bei einer Beschäftigung mit den kommunikativen Figurationen transkultureller Kommunikation zwangsläufig mit Fragen der politischen Regulation konfrontiert. Deutlich vor Augen geführt haben dies die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerinnen Paula Chakravartty und Yuezhi Zhao (2008) bei ihrem bereits erwähnten Entwurf einer »transkulturellen politischen Ökonomie der globalen Kommunikation«. Dieser zielt darauf, »institutionelle und kulturelle Analysen zu integrieren und dabei drängende Fragen zu stellen in Bezug auf die globale Kommunikation im Kontext der ökonomischen Integration, der Bildung von Imperien und der Spannungen, die mit der Adaption neuer privatisierter Technologien, neoliberalisierter und globalisierter institutioneller Strukturen und hybrider kultureller Formen und Praktiken verbunden sind« (Chakravartty/ Zhao 2008: 10). Nun ist es naheliegend, dass ein einzelnes Kapitel wie das Folgende nicht eine solch umfassende Darstellung bieten kann. Jedoch geht es mir darum, den Grundgedanken von Paula Chakravartty und Yuezhi Zhao aufzugreifen und nachzuzeichnen, wie die gegenwärtigen kommunikativen Figurationen transkultureller Kommunikation auf spezifische Prozesse politischer Regulation verweisen. Durch diese konnten letztendlich erst die heutigen kommunikativen Infrastrukturen entstehen, die eine solche kulturüberschreitende Kommunikation medienvermittelt ermöglichen. Hierbei gilt es, den Begriff der Regulation nicht auf einfache Weise dem der Deregulation gegenüberzustellen. Gerne wird unter Deregulation oder Deregulierung alltagssprachlich der Verzicht auf Maßnahmen verstanden, mit denen der Staat versucht, Marktversagen zu korrigieren bzw. politische Zielsetzungen im und gegen den Markt durchzusetzen. Insbesondere im Neoliberalismus wird Deregulation in der Tendenz damit gleichgesetzt, der Staat ziehe sich zurück und es fände keine Regulation mehr statt. Wie es Stuart Hall (1997a: 229) formelhaft gefasst hat: Staat =-Regulation, Markt =-Freiheit. Diesen (neoliberalen) Diskurs von Deregulation als Freiheit und Fehlen von Regulation aufgreifend, weist Hall darauf hin, dass solche Überlegungen zu kurz greifen. Dafür führt er zwei Argumente an. Erstens operieren Märkte nicht von alleine, sondern müssen vorbereitet, kontrolliert und geschützt werden. Sie sind abhängig von kulturellen und sozialen Existenzbedingungen, die sie selbst nicht sicherstellen können. Man denke daran, dass heutige Märkte einer Besitz- und Einkommenssicherheit bedürfen (Märkte funktionieren nur, wenn auch über sie erworbener Besitz als solcher anerkannt wird und unstrittig ist), aber auch einer allgemeinen Akzeptanz gegenüber kapitalistischen Werten und Orientierungen als solchen. Diese Existenzbedingungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 46 46 3 Regulation transkultureller Kommunikation werden wiederum von (staatlicher) Politik sichergestellt. Zweitens sind Märkte selbst Instanzen der Regulation. Sie teilen bestimmte Ressourcen zu, belohnen Effizienz und Innovation, schaffen Gewinner und Verlierer bzw. erfordern bestimmte Management- und Organisationskulturen. Ausgehend von diesen Überlegungen argumentiert Stuart Hall, dass es entsprechend nicht um eine Dichotomie von Regulation vs. Deregulation in dem Sinne gehen kann, dass in dem einen Fall reguliert wird, im anderen nicht. Vielmehr sollte das Wie von Regulation im Vordergrund der Betrachtung stehen. Relevant werden damit die »unterschiedliche[n] Modi der Regulation, von denen jeder eine Kombination von Freiheiten und Zwängen darstellt. […] Es kommt im sozialen Leben nur sehr selten, wenn überhaupt, ein Zustand ›jenseits von Regulation‹ vor.« (Hall 1997a: 230; Herv. i. O.) Letztlich kennzeichnet dieser Blickwinkel auf Regulation auch die Argumentation auf den folgenden Seiten. Regulation wird als nicht hintergehbar in dem Sinne begriffen, dass komplexere kommunikative Figurationen stets wie auch immer regulierte Phänomene sind. Entscheidend ist folglich eine Analyse, auf welche Weise diese Regulation stattfindet. Hierbei operiert man unweigerlich mit einem weiten Begriff von Regulation. Folgt man an dieser Stelle den Überlegungen von Peter Lunt und Sonia Livingstone, fasst der Ausdruck »Regulation« dann »die Beziehungen zwischen Macht und der Ordnung sozialen Verhaltens auf allen Ebenen der Gesellschaft, vom Nationalstaat hoch zur transnationalen Organisation und herunter zur subnationalen Organisation oder Gemeinschaft und selbst dem Individuum« (Lunt/ Livingstone 2012: 5). Diese Definition von Lunt und Livingstone ist insofern zielführend, als sie zweierlei verdeutlicht: Einerseits gilt der Staat seit der Neuzeit als der Hauptakteur von (Medien-)Regulation, weswegen er zu Recht im Zentrum dieser Definition steht. Andererseits hat sich die regulative Rolle des Staates aber in den letzten Jahrzehnten nachhaltig gewandelt, weswegen weitere regulative Instanzen unterwie oberhalb des Staates zu berücksichtigen sind. Gegenstand von Regulation sind dabei nicht nur die Medienmärkte, sondern auch die Organisationsformen von Medienunternehmen bzw. -institutionen sowie Medieninhalte und der Zugang zu diesen. Dies ist die Stelle, an der der Begriff des Politischen an Bedeutung gewinnt. Die Diskussion um den Charakter dessen, was das Politische ausmacht, ist vielfältig. Deshalb brauchen wir zumindest einen für die weitere Analyse praktikablen Begriff des Politischen. Tendenziell wird in der Forschung zu internationaler Kommunikation »politisch« für staatliche Formen der Politik verwendet. Im Weiteren ist allerdings ein breiterer Begriff von Politik notwendig. Wird im Folgenden von Medien- und Kommunikationspolitik gesprochen, so ist dasjenige politisch motivierte Handeln gemeint, das sich auf die Organisation, Funktion, Ausgestaltung und Ausstattung der Medien bezieht (vgl. Kleinsteuber 2005: 102). Die begriffliche Erweiterung von Medienhin zur Kommunikationspolitik macht insofern Sinn, als die klassischerweise nur auf Fragen der produzierten Medienkommunikation bzw. Massenmedien bezogene Medienpolitik mit fortschreitender Digitalisierung in eine auch die wechselseitige www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 47 47 3 Regulation transkultureller Kommunikation Medienkommunikation (beispielsweise Internet, Telefon) einbeziehende, allgemeine Kommunikationspolitik übergeht. Hierbei sollten, gerade bei einer Betrachtung von transkultureller Kommunikation, auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezogen werden. So hat Ulrich Beck (1993) bei seiner Auseinandersetzung mit dem Politischen im Kontext einer voranschreitenden Globalisierung darauf hingewiesen, dass es verkürzend sei, diesen Begriff zu eng an staatliche Akteure zu binden: Wir haben es ebenso mit vielfältigen Formen des alltagsweltlichen politischen Handelns zu tun, die sich nicht unbedingt auf den Staat beziehen, aber viel zum politischen Wandel beitragen. Beck spricht hier von der »Subpolitik«, zu der neben zivilgesellschaftlichem Engagement die politische Dimension alltäglichen Handelns zählt. Dies ist beispielsweise der kommunikativ abgestimmte Boykott bestimmter Unternehmen und ihrer Angebote, um deren Handlungsänderung zu erzwingen. Dass dieses subpolitische Handeln auch im Bereich von Medienkommunikation von nachhaltiger Bedeutung ist, zeigen öffentliche Boykott-Aufrufe gegenüber der Firma Apple im Jahr 2012 wegen menschenunwürdiger Produktionsweisen in China. Solche Überlegungen decken sich mit dem Argument Manuel Castells (2002: 75), der in »sozialen Bewegungen gegen die neue globale Ordnung« ein großes Veränderungspotenzial in einer globalisierten Netzwerkgesellschaft sieht (siehe dazu detaillierter Kap. 6.4). Auch er argumentiert, Fragen der Kommunikationsmacht-- und damit ebenfalls: der Regulation von Kommunikation- - sollten nicht auf staatliche Macht reduziert werden, sondern die komplexen Machtnetzwerke heutiger Gesellschaften im Blick haben (Castells 2009: 11-19). Diese sind nicht nur in hohem Maße vielfältig, sondern schließen auch verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure mit ein. Umgekehrt heißt dies aber nicht, der Staat wäre als regulativer Akteur unwichtig geworden (siehe hierzu für das Internet beispielsweise Mueller 2010). Wir werden auf diesen komplexen Zusammenhang mehrfach zu sprechen kommen. Deswegen gilt es, bei einer Betrachtung der Regulation transkultureller Kommunikationsmöglichkeiten zumindest drei Arten von regulativen Akteuren zu berücksichtigen. Dies sind zum einen gouvernementale Akteure, eine Gruppe, zu der Staaten, Staatenbünde und Internationale Gouvernementale Organisationen (IGOs) zählen. Zum anderen sind nichtgouvernementale Akteure zu nennen, worunter (Internationale) Nicht-Gouvernemantale Organisationen ([I]NGOs) zu fassen sind, aber auch losere Netzwerke sozialer Bewegungen. Drittens sind privatwirtschaftliche Akteure zu nennen, also (Medien-)Unternehmen, die einerseits diejenigen sind, deren Handeln reguliert werden soll, die andererseits aber-- wie wir sehen werden-- selbst versuchen, auf Prozesse der Regulation Einfluss zu nehmen bzw. in neuere Konzepte von Regulation als Akteure einbezogen zu werden. Geht es um die politische Regulation transkultureller Kommunikationsmöglichkeiten, ist diese häufig nicht nur weniger auf einzelne Inhalte oder das Urheberrecht ausgerichtet, sondern ebenso auf die zugrunde liegenden Infrastrukturen: zum Beispiel Satelliten- und Kabelnetzwerke, Übertragungs- und Adressierungsstandards. Gerade www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 48 3 Regulation transkultureller Kommunikation 48 für eine kritische Betrachtung der Möglichkeiten und Grenzen von transkultureller Kommunikation erscheint es zielführend, diese Infrastrukturen nicht aus dem Blick zu verlieren. Der Hintergrund hierfür ist, dass, sobald solche Infrastrukturen aufgebaut sind, diese die Möglichkeiten und Grenzen von Kommunikation dauerhaft mitprägen (siehe Hepp 2013a: 49-62). Einmal geschaffene Kabelnetzwerke, Satellitenverbindungen und Übertragungsstandards sind nicht mehr so schnell zu ändern. Der Begriff der Infrastruktur, wie er hier gebraucht werden soll, ist entsprechend breit. Als Infrastruktur wird im ursprünglichen Sinne des lateinischen Begriffs die technische Materialität bezeichnet, die transkulturelle Kommunikation erst ermöglicht und auf die sich vielfältige weitere Institutionalisierungen von transkultureller Kommunikation beziehen. Es handelt sich bei dem, was wir Infrastruktur nennen, um einen wichtigen Aspekt der »Verdinglichung« von Medien, die mit dem Einschreiben von Macht verbunden ist (Latour 2007: 142-149). Mit dem Aufbau einer Infrastruktur- - beispielsweise eines Satelliten- oder Kabelnetzwerks-- werden Machtbeziehungen materialisiert, die nicht mehr so einfach veränderbar sind. Solche Zusammenhänge sollen auf den folgenden Seiten dieses Kapitels näher betrachtet werden. Hierzu wird in einem ersten Teilkapitel die Beziehung zwischen der fortschreitenden Kommerzialisierung der Medien und dem Aufbau von kommunikativen Infrastrukturen näher beleuchtet. Das zweite Teilkapitel kontextualisiert in diesem Ganzen die Regulation verschiedener Staaten im Vergleich. Ein drittes Teilkapitel befasst sich mit der medien- und kommunikationspolitischen Diskussion der UNESCO, in der bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren die Möglichkeiten grenzüberschreitender Medienkommunikation diskutiert wurden. Im vierten Teilkapitel geht es dann darum zu fragen, inwieweit eine Global Governance der Medien eine angemessene Regulation transkultureller Kommunikation sein kann. Bei all diesen Analysen rückt ein ganz bestimmter Blickwinkel auf transkulturelle Kommunikation in den Vordergrund: Wir können die Regulation transkultureller Kommunikationsmöglichkeiten selbst als etwas begreifen, das auf bestimmten kommunikativen Figurationen des politischen Verhandelns und Aushandelns beruht- - wobei sich diese Figurationen über die letzten Jahrzehnte nachhaltig verändert haben. 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen Man kann davon sprechen, dass sich der Globalisierungsprozess u. a. in einer globalen Kommerzialisierung manifestiert, die die Medien einschließt. Dass diese globale Kommerzialisierung der Medien ihre eigene Dynamik hat, haben in den letzten Jahren eine Reihe von Fusionen und die Expansion verschiedener Unternehmen hin zu global agierenden Medienkonzernen gezeigt. Dabei sind mit der Digitalisierung erhebliche Umbrüche auszumachen (siehe dazu Kap. 4). So war der Sony-Konzern, 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 49 49 der sich von einem japanischen Elektronikhersteller durch Übernahmen zu einem weltweiten Multimedia-Unternehmen entwickelte, vor wenigen Jahren noch einer der zentralen Akteure, ist dann aber mit dem Durchsetzen einer digitalen Musik- und Filmdistribution bzw. von digitalen mobilen Endgeräten in die Krise geraten. Für ähnliche Umbrüche steht auch CNN, das sich zum globalen Nachrichtenanbieter entwickelte und mit der Fusion von Time Warner und später AOL in dem Content- Anbieter AOL Time Warner aufging, wobei sich Time Warner zuerst wieder vom Namen AOL und 2009 dann von AOL selbst trennte, nachdem die mit dieser Fusion erhofften Synergien nicht aufgingen. Dem entspricht, dass momentan andere Unternehmen als die dominanten Akteure im Bereich des Internets und seiner Inhalte zählen, beispielsweise Apple oder Google. Beide nutzen ihre Stellung als Computer-, Software- und Dienstleitungsanbieter, um sich bei Medieninhalten, zumindest, was deren digitale Distribution betrifft, zu positionieren. Wir können also nicht davon ausgehen, dass ein einzelnes global agierendes Unternehmen unangefochten und dauerhaft eine bestimmte Positionierung innehat. Gleichzeitig verweisen die genannten Beispiele auf eine globale Kommerzialisierung der Medien, die durch eine gewisse Dynamik hin zur Oligopolbildung gekennzeichnet ist. Kevin Robins (1997: 22) hat hier von einer aufkommenden »globalen Informations-Ökonomie« gesprochen. Hiermit fasst er zwei von Martin Carnoy, Stephen Cohen, Manuel Castells und Fernando Henrique Cardoso herausgearbeitete Prozesse, nämlich zum einen das Entstehen der globalen Echtzeit-Ökonomie und zum anderen die Entwicklung weg von einer primär auf industrielle Produkte orientierten Ökonomie hin zu einer Ökonomie der Information, Medien und kulturellen Bedeutungen (vgl. Carnoy et al. 1993; Castells 1994). Es ist diese Entwicklung, die im Weiteren als globale Medienkommerzialisierung bezeichnet werden soll. In Abgrenzung zum Begriff der globalen Informationsökonomie soll dieser Ausdruck verdeutlichen, dass wir trotz aller Globalisierung nicht mit einer weltweit homogenen Ökonomie konfrontiert sind. Die Sachlage ist wesentlich komplexer: Einerseits können wir ausmachen, dass global in dem Sinne eine Kommerzialisierung der Medien stattgefunden hat, dass diese in verschiedensten Kontexten (auch) als ökonomische Ware gelten. Entsprechend lässt sich von einem Prozess der Kommerzialisierung sprechen, der sich langfristig global durchzusetzen scheint. Damit verbunden ist aber anderseits nicht die Etablierung eines einheitlichen globalen Kapitalismus, wenn man darunter ein homogenes System versteht, das auf der Basis (neo)liberaler Werte der »Selbstregulation der Märkte« basiert und sich überall auf identische Weise durchsetzen würde. Die Gegenbeispiele sind vielfältig; exemplarisch kann die Kommerzialisierung der Medien in Ländern wie China oder Russland genannt werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass es auch in diesen Ländern um eine Kommerzialisierung der Medien in dem Sinne geht, dass deren Charakter als Kulturwaren in den Vordergrund rückt. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 50 3 Regulation transkultureller Kommunikation 50 Trotz solcher Einschränkungen erscheinen jedoch einige Überlegungen aus der Diskussion um eine globale Informationsökonomie hilfreich für unser Verständnis der globalen Kommerzialisierung der Medien. Nach Carnoy et al. ist für den Wandel der letzten Jahrzehnte weniger spezifisch, dass die Welt als Gesamt Handelsmarkt nationaler Ökonomien ist. Spezifisch ist vielmehr, dass nationale Ökonomien jetzt als »Einheiten einer weltweiten Skala in Echtzeit« (Carnoy et al. 1993: 6) arbeiten. In diesem globalen Interdependenzgeflecht fließen Kapital, bestehen Arbeits- und Warenmärkte, sind Management und Organisationen umfassend und wechselseitig aufeinander bezogen institutionalisiert. Wir können also sagen, dass mit der globalen Kommerzialisierung der Medien eine weitere Ebene von Ökonomie in den verschiedenen Medienlandschaften entstanden ist. Medien sind allerdings nicht nur wichtig, wo sie selbst Gegenstand der Ökonomie sind. Darüber hinaus wird es für die einzelnen Unternehmen zentral, Informationen und Wissen zu empfangen, aufzubewahren und zu verarbeiten, wenn sie erfolgreich in globalisierten Märkten handeln wollen (Castells 1994: 21). Medien werden so wichtig für die wirtschaftliche Globalisierung überhaupt. Dafür ist der Finanzkapitalismus ein anschauliches Beispiel. Wie die Wissenssoziologin Karin Knorr-Cetina (2012) herausgearbeitet hat, basiert der globale Finanzhandel auf dem, was sie »skopische Medien« nennt, den fließenden visuellen Repräsentationen auf den Computersystemen der Börsen. Diese machen erst globale Finanzmärkte und ihre Angebote als solche erfahrbar. Der globale Finanzkapitalismus ist demnach selbst ein umfassend mediatisiertes Phänomen, und gerade das wirtschaftliche Interesse von global agierenden Finanzkonzernen hat die erheblichen Finanzinvestitionen in den Aufbau entsprechender Kommunikationsinfrastrukturen mitgetragen. Gleichzeitig hat sich das, was global gehandelt wird, nachhaltig geändert. Neben den genannten Finanzdienstleistungen spielen sicherlich traditionelle Industrieprodukte nach wie vor eine wichtige Rolle. Betrachtet man jedoch die expandierenden Bereiche, so lässt sich ein erheblicher Relevanzgewinn von Informations-, Medien- und Kulturprodukten ausmachen. Folgt man hier dem »Creative Economy Report 2010« der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD 2010: 126), betrugen im Jahr 2008 die Weltexporte aller Kreativindustrien über 592 Milliarden US-Dollar, wobei knapp 407 Milliarden auf Güter und 185 Milliarden auf Dienste entfielen. Legt man an dieser Stelle einen engeren Begriff der Kommunikationsprodukte der »alten« und »neuen« Medien inklusive der Werbung an und schließt damit beispielsweise Designprodukte und visuelle Kunst aus, betrugen die Exporte im selben Jahr noch über 131 Milliarden US-Dollar. Dahinter stehen im Vergleich 2003 bis 2008 Gesamtwachstumsraten von 14,4 Prozent. Und auch da, wo es um die Produktion von klassischen Industrieprodukten wie beispielsweise Autos geht, steht in Forschung und Entwicklung neben der Funktionalität und Effizienz des Produkts das Design im Vordergrund (vgl. Lash/ Urry 1994: 4; nach UNCTAD 2010: 15 betrug im Jahr 2008 der Weltexport im Bereich von Designprodukten knapp 242 Milliarden 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 51 51 US-Dollar). Bedeutungsaspekte von Design werden wiederum transkulturell durch Medien kommuniziert. In einem solchen Sinne lässt sich argumentieren, dass die heutige globale Kommerzialisierung der Medien von den Vorstellungen abweicht, wie sie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer (1988) als Begründer der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule mit der »Kulturindustrie« in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbanden (siehe Lash/ Lury 2007: 4-15): Gehandelt werden weniger einzelne Waren, sondern »Marken«. In Bezug auf diese können sehr unterschiedliche (und auch kulturell angepasste) Angebote entstehen, was wiederum neue Differenzen schafft, die kommerziell gesehen zusätzliche Wertschöpfungen ermöglichen. Damit hängt zusammen, dass im Fokus der gegenwärtigen Produktion weniger singuläre Repräsentationen (der einzelne Film, das einzelne Buch usw.) stehen, sondern eine Ansammlung von Angeboten und Diensten, die sich um die jeweilige »Marke« herum gruppieren und die auch als materielle Medienobjekte (Spielzeugfiguren, Modeartikel usw.) unser Alltagsleben durchziehen. Pointiert formuliert fasst der Ausdruck der globalen Medienkommerzialisierung, dass sich in verschiedenen Regionen der Welt ein Verständnis von Medien etabliert, wonach diese (auch) kommerzielle Waren sind. Auf dieser Basis werden Medien als Inhalte und Technologien nationale Grenzen überschreitend gehandelt. Im Rahmen dieses basalen Grundverständnisses bestehen allerdings erhebliche Unterschiede, wie sich eine solche globale Kommerzialisierung der Medien jeweils konkretisiert. Dies macht eine exemplarische Betrachtung von China und Russland deutlich. Beide Länder sind insofern interessante Beispiele, als in ihnen Medien lange Zeit nicht als Ware, sondern als »Sprachrohr der Partei« galten, und sich spätestens seit den 1990er- Jahren auch dort eine Kommerzialisierung abzeichnet, die gleichwohl sehr unterschiedlich verläuft. Bezogen auf China hat der Kommunikationsforscher Dan Schiller argumentiert, dass wir die dortigen Veränderungen in einem weitergehenden Rahmen sehen müssen. Wir sind mit einer »strukturellen Rekonfiguration des transnationalen Kapitalismus konfrontiert, mit dem Chinas Aufstieg hochgradig verflochten ist« (Schiller 2005: 86). Diese Formulierung weist darauf hin, dass die Etablierung einer heutigen Kommerzialisierung der Medien einerseits die Möglichkeiten günstiger Produktion in China einschließt. Andererseits müssen wir die Veränderungen in China selbst in diesem Zusammenhang einordnen. Detailliert wurde dies von Yuezhi Zhao aufgearbeitet. Hierbei kann sie zeigen, dass die chinesische Regierung seit den 1970er-Jahren in sehr unterschiedlichen Bereichen von Medien und Kommunikation Marktmodelle eingeführt hat, um so an der globalen Kommerzialisierung und den dabei erwarteten Gewinnen partizipieren zu können. In diesem Zusammenhang sind die Kooperationen mit der International Data Group oder der News Corporation und anderen global agierenden Medienkonzernen zu nennen. Zhao geht an dieser Stelle so weit zu argumentieren, dass selbst in China neoliberale Ideen und Vorstellungen des Marktes www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 52 3 Regulation transkultureller Kommunikation 52 Referenzpunkt der Diskussion gewesen sind (Zhao 2008: 26). Dies heißt umgekehrt aber nicht, dass der Staat bzw. die chinesische kommunistische Partei ihre Rolle als regulativer Akteur aufgegeben hätte. Im Gegenteil: Seit den Protesten auf dem Tiananmen-Platz bzw. dem Zusammenbruch der UdSSR nahmen die regulativen Anstrengungen weiter zu, weswegen Yuezhi Zhao von einer »parteikontrollierten Medienkommerzialisierung« (Zhao 2012: 158) spricht. Diese Parteikontrolle wird über medienbezogene moralische Paniken legitimiert. Die Beispiele, die Zhao hier anführt, sind die Legitimation der Regulation von Internetcafés und von Internetinhalten über moralische Paniken nach einem tödlichen Brand in einem nicht registrierten Pekinger Internetcafé sowie in Bezug auf Glücksspiel und Pornografie im Internet (Zhao 2008: 32 f.). Das Argumentationsmuster dabei ist, dass der Staat bzw. die Partei als Regulator notwendig ist, um problematische Seiten der Kommerzialisierung zu verhindern. Dabei stehen die kommerziellen Interessen global agierender Medienkonzerne dieser Form der Regulation von Inhalten nicht im Wege. Beide vertragen sich vielmehr: Um in China aktiv zu werden, akzeptieren selbst Unternehmen wie die News Corporation die bestehenden Zensurinteressen (Zhao 2008: 42). Eine Ausnahme war in Teilen allenfalls Google, das zwar über Jahre die eigene Suchmaschine selbst zensierte, um in China Fuß fassen zu können. Im Jahr 2010 zog sich das Unternehmen dann aber aufgrund eines der chinesischen Regierung zugeschriebenen Hackerangriffs aus dem chinesischen Suchmaschinenmarkt zurück. In anderen Bereichen wie Kartendiensten hat Google aber nach wie vor eine wichtige Stellung in China (Levy 2012: 398-400)- - und die weitere Zurückhaltung wird bereits 2012 wieder in Frage gestellt (Efrati/ Chao 2012). Anders gelagert, aber im Hinblick auf die globale Medienkommerzialisierung ebenso charakteristisch, ist der Fall der ehemaligen UdSSR bzw. des heutigen Russlands. Aufschlussreich sind diesbezüglich die Analysen von Olessia Koltsova (2006, 2008). Sie zeigt detailliert auf, dass wir bezogen auf Medien und Kommunikation den Wandel im postsozialistischen Russland in zwei Phasen einordnen können. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR gab es eine Phase geringer staatlicher Regulation, in der sich von ihr so bezeichnete »Institutionen-übergreifende Gruppen« (Koltsova 2008: 58) als zentrale Akteure etablierten. Diese zum Teil nicht-legalen Gruppen um einzelne Oligarchen unterhielten eigene Medienkonglomerate, von denen das bekannteste Media-MOST mit der ersten und erfolgreichsten nicht-staatlichen, gesamtrussischen Fernsehanstalt NTV gewesen ist. In Abgrenzung zu den vorherigen sowjetischen Medien agierten diese Medienkonglomerate als kommerzielle Unternehmungen, wobei deren Finanzressourcen allerdings nur zu 30 Prozent aus »legitimen Quellen« (Koltsova 2008: 60) stammten, die anderen 70 Prozent von »versteckten Machtakteuren, die Medien zum Führen politischer Auseinandersetzungen nutzen« (Koltsova 2008: 60). In dieser Zeit der »sogenannten Medienkriege« (Roudakova 2012: 260) gab es einen staatlich nicht weiter regulierten Fluss verschiedenster Medienprodukte nach Russland, gleichzeitig aber keine weitergehenden ausländischen Investitionen 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 53 53 im Bereich der Medien. Seit 1999 mit dem Machtantritt Putins-- erst als Ministerpräsident (1999 bis 2000), dann als Präsident (2000 bis 2004)-- agierte der Staat wieder direktiver, bis hin zu einer Quasi-Verstaatlichung der nationalen Fernsehsender von Media-MOST. Die aktuelle staatliche Position wird vor allem durch drei Maßnahmen gesichert, nämlich erstens durch eine Zentralisierung, zweitens eine Standardisierung der Organisationsstruktur und drittens eine selektive Isolation vor globalen Einflüssen (Koltsova 2008: 62). Auch wenn so die regulative Stellung des russischen Staates wieder zugenommen hat, gibt es an einem Punkt keine Veränderung: Es dominiert die Auffassung, dass Medien in ihrem umfassenden Sinne kommerzielle Güter sind. Diese beiden Beispiele führen uns plastisch vor Augen, was unter der eingangs formulierten Aussage zu verstehen ist, dass wir die globale Kommerzialisierung der Medien nicht als eine zufällige Entwicklung beschreiben können. Vielmehr ist sie das Ergebnis des Ineinandergreifens verschiedener staatlicher wie nicht-staatlicher Akteure. Historisch reicht die Kommerzialisierung weit ins 19. Jahrhundert zurück, die Zeit eines rasanten Ausbaus von Verkehrs- und Kommunikationsnetzen (Osterhammel 2011: 1012-1028; siehe auch Mattelart 1999). Beschleunigt hat sich die globale Kommerzialisierung der Medien gleichwohl seit den 1990er-Jahren, wobei sie von global agierenden Medienkonzernen gefordert und insbesondere von den USA vorangetrieben wurde. Wir haben es hier mit einem komplexen Prozess der politischen Transformation von Regulation zu tun, dessen Vision eine primäre Regulation über Märkte ist: »Free trade in communication« (Thussu 2006: 67) wurde mit der Open-skies-Politik seit der Reagan-Administration zum erklärten Ziel medien- und kommunikationspolitischen Agierens vor allem der USA. Nach einem solchen Verständnis sind Medien im weitesten Sinne des Wortes als Waren wie andere auch zu begreifen. Sie sollten keinen spezifischen Beschränkungen unterliegen. Dies widerspricht beispielsweise europäischen Vorstellungen, wonach Medien nicht nur »Waren«, sondern ebenso (im Interesse einer kulturellen Vielfalt zu fördernde) »Kulturprodukte« sind. Solche Auseinandersetzungen um die Form der Regulation von Medien- und Kommunikation können anhand der Kontroversen um GATT, GATS, TRIPS (siehe hierzu Grant 2011: 341-343, auf den im Weiteren Bezug genommen wird) und jüngst ACTA festgemacht werden. Der im Jahr 1947 unterschriebene GATT-Vertrag (General Agreement on Tariffs and Trade, dt. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) ist ein Abkommen zur Regelung des internationalen Handels von Waren. Hierbei wurden vor allem drei Prinzipien festgeschrieben: erstens das Prinzip der Zollreduktion (»tariff reduction«, Reduktion von Einfuhrzöllen auf den Import von Gütern), zweitens das Meistbegünstigungsprinzip (»most favoured nation«, Handelsvorteile, die einem Vertragspartner gewährt werden, müssen für alle anderen Vertragspartner gelten) und drittens das Prinzip der Inländerbehandlung (»national treatment«, ausländische Anbieter dürfen nicht anders behandelt werden als inländische). www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 54 3 Regulation transkultureller Kommunikation 54 Hinter diesen Prinzipien stand die Theorie des »komparativen Vorteils« im Weltwirtschaftssystem (Grant 2011: 341). Danach sollte sich jedes Land auf die Produktion und den Export bestimmter Güter spezialisieren, die es im Vergleich zu anderen Ländern besser und günstiger produzieren kann, um durch den Erlös die Güter zu importieren, deren Eigenproduktion im Vergleich zu anderen Ländern weniger konkurrenzfähig wäre. Die Vorstellung war, dass durch eine solche Spezialisierung der Vorteil für alle Länder der Größte sein würde-- »free trade« also allen zu einem besseren Lebensstandard verhilft. Aus Sicht der US-amerikanischen Regierung sind diese Vorstellungen uneingeschränkt auf Medien anzuwenden. Bereits bei der ursprünglichen Formulierung des GATS-Vertrags gab es aber auch davon abweichende Positionen. Auf Betreiben europäischer Staaten wurden in Einschränkung des Prinzips der Inländerbehandlung Quoten für inländische Filme zugelassen (Artikel IV, »special provisions relating to cinematograph films«). Fragen von Kultur spielten daneben dahingehend eine Rolle, dass Ausnahmen von den Prinzipien des Vertrags zum Schutz der öffentlichen Moral und bei nationalen Kunstschätzen möglich sind (Artikel XX, »necessary to protect public morals«, »imposed for the protection of national treasures of artistic, historic or archaeological value«). Dieser GATT-Vertrag gilt bis heute als Grundlage des freien Handels mit kulturellen Waren wie Büchern, Zeitschriften, Musikaufnahmen oder Filmen. Eine solche Position wurde in den 1990er-Jahren weiter durch die Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen gefestigt. An deren Ende stand die Schaffung der World Trade Organisation (WTO) am 1. Januar 1995 als Dachorganisation der Verträge GATT, GATS und TRIPS. Erklärtes Ziel der WTO ist die Privatisierung und Liberalisierung auf nahezu allen Ebenen des Handels-- auch des Handels mit Medienprodukten (vgl. WTO 1998: 38 f.). Während der erste GATT-Vertrag von 1947 ausschließlich ein multilaterales Abkommen der Regelung des internationalen Handels war, ist die WTO eine intergouvernementale Organisation mit einem eigenen Sekretariat. Ein Ziel dabei ist nicht nur der durch einen zweiten GATT-Vertrag (GATT 1994) bestätigte und durch Erläuterungen weiter konkretisierte freie Handel mit Waren, wie er bereits im ersten GATT-Vertrag (GATT 1947) formuliert war. Hinzu kommt als zweiter Baustein des Vertragswerks der WTO das »General Agreement on Trade and Services« (GATS, dt. »Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen«). Kernprinzipien des GATS sind wiederum die Meistbegünstigung und die Inländerbehandlung, die nun aber auf den Handel mit Dienstleistungen übertragen werden. Aufgrund von unüberbrückbaren Positionsunterschieden zwischen Europa (das eine Ausnahme im kulturellen Bereich einforderte) und den USA macht der GATS keine Aussage zu kulturellen Dienstleistungen. Gleichwohl können nach diesem Vertragswerk die WTO-Mitgliedsstaaten selbst bestimmen, welche Dienstleistungsbereiche sie wann für den Markt öffnen. Als dritter WTO-Baustein ist das »Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights« (TRIPS, dt. »Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geisti- 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 55 55 gen Eigentum«) anzusehen. Dieses regelt den Handel bezogen auf Urheberrecht, Markenrecht und Patente. Wiederum sind Inländerbehandlung und Meistbegünstigungsklausel die zentralen Prinzipien des Vertragswerks. Von besonderer Aktualität ist TRIPS durch die Diskussion um das »Anti-Counterfeiting Trade Agreement« (ACTA, dt. »Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen«). Dessen Zweck ist die Spezifizierung der im TRIPS-Abkommen beschlossenen Vereinbarungen, womit sich die Vertragsparteien zusätzlich verpflichten sollen, diese auch durchzusetzen. Vorgespräche zu diesem Abkommen begannen 2006, die eigentlichen Verhandlungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen 2008 und 2010 in zwölf Verhandlungsrunden statt. Beteiligt waren an diesen neben der EU u. a. Australien, Japan, Jordanien, Kanada, Marokko, Mexiko, Neuseeland, die Schweiz, Singapur, Südkorea, die USA sowie die Vereinigten Arabischen Emirate. Bei dem Abkommen geht es u. a. um die Definition von Standards zur Sicherung des geistigen Eigentums im Internet. Dies schließt beispielsweise die Möglichkeit ein, dass Behörden Onlineanbieter dazu zwingen können, Informationen zur Verfügung zu stellen, anhand derer Rechteverletzer identifiziert werden können. In der Folge kam es insbesondere in Europa 2011 bzw. 2012 zu erheblichen, von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteuren getragenen Protesten gegen ACTA, was im Juli 2012 zu einer Ablehnung von ACTA durch das europäische Parlament führte. Es besteht an dieser Stelle nicht der Raum, die Rolle der WTO, ihrer Vertragswerke und der Auseinandersetzung um diese detailliert zu analysieren (siehe allgemein in Bezug auf die Transformation von Nationalstaaten Sassen 2008, speziell bezogen auf Fragen von Medienkommunikation Voon 2011). Was die wenigen hier angerissenen Aspekte allerdings deutlich gemacht haben, ist die Ambivalenz eines »free trade in communication«: Auf der einen Seite geht es darum, durch entsprechende Abkommen und Organisationen die Handelsbarrieren abzubauen. Hier wird Regulation als Auflösung von Handelshemmnissen greifbar. Entscheidend dafür ist die Durchsetzung eines Verständnisses von Medienprodukten und -diensten als Handelswaren. Auf der anderen Seite wird aber wiederum staatliche Regulation bis hin zu weitreichenden Eingriffen in die Privatsphäre eingefordert, wenn sie darauf zielt, Urheberrecht im Hinblick auf seine ökonomischen Verwertungsmöglichkeiten durchzusetzen. Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man im Blick hat, dass die WTO und ihre Vertragswerke dort, wo sie Medien und Kommunikation betreffen, darauf zielen, die globale Kommerzialisierung voranzutreiben. Auffallend ist dabei die kommunikative Figuration, in der die Verhandlungen geschehen: Es handelt sich um Treffen zwischen staatlichen Vertretern zum Gutteil unter dem Ausschluss von Öffentlichkeit. Unternehmensinteressen fließen als staatliche Wirtschaftsinteressen vermittelt in die Verhandlungen ein. Für weitere Akteursgruppen bleibt diese kommunikative Figuration aber geschlossen. Auch dies thematisieren jüngere Anti-WTO-Proteste. Die globale Kommerzialisierung der Medien lässt sich neben den Vertragswerken der WTO (und den Auseinandersetzungen um diese) auch daran festmachen, in welwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 56 3 Regulation transkultureller Kommunikation 56 chem Maße der Aufbau einer globalen Kommunikationsinfrastruktur mit deren Kommerzialisierung verbunden war. Dies lässt sich an den Beispielen der Satelliten- und Internetinfrastrukturen zeigen. Auf basaler Ebene kann der Aufbau einer Satelliteninfrastruktur an den Starts von geostationären Kommunikationssatelliten festgemacht werden. Deren technische Übertragungsmöglichkeiten nahmen zugleich über die Jahrzehnte erheblich zu: Nach einer geringen Zahl von Starts bis Anfang der 1980er-Jahre erreichte im Jahr 2000 die Zahl der Starts geostationärer Kommunikationssatelliten ihren bisherigen Höhepunkt (siehe hierzu Abbildung 4, S. 57). Parallel hierzu wurde die Satelliteninfrastruktur privatisiert und kommerzialisiert. Die ersten Satelliten waren staatliche Projekte bzw. Kooperationen zwischen Nationalstaaten mit dem Ziel einer entsprechenden (öffentlichen) Kommunikationsversorgung. Seit den 1980er-Jahren wurde Satellitenkommunikation mehr und mehr eine privatwirtschaftliche Angelegenheit. Was in den Vordergrund rückte, waren neben den nationalstaatlichen politischen Interessen die wirtschaftlichen Interessen einzelner Konzerne an verschiedenen Kommunikationsmärkten. Dies wird exemplarisch an der Entwicklung des größten Akteurs im Bereich der Satellitenkommunikation deutlich, nämlich Intelsat (siehe hierzu die Fallstudie in Thussu 2006: 78-81; zur Entwicklung der Satelliteninfrastruktur im Allgemeinen vgl. die Beiträge in Parks/ Schwoch 2012). Gegründet wurde Intelsat 1964 als »International Telecommunications Satellite Consortium« durch einen zwischenstaatlichen Vertrag von 18 Nationen auf Anregung und unter Führerschaft der USA. Nach zehn Jahren beteiligten sich an Intelsat 86 Länder, im Jahr 2001 waren es rund 150. Ziel der Organisation war es, ihren Mitgliedsstaaten fortgeschrittene Satelliten-Kommunikationsdienste zur Verfügung zu stellen. Trotz dieser allgemeinen Ziele blieb die Organisation bis Ende des Kalten Kriegs unter der Kontrolle der westlichen Länder, die die Hauptinvestoren gewesen sind. Bis in die 1990er-Jahre war Intelsat mit seinem globalen System von 19 Satelliten in einer Vielzahl von Ländern als Anbieter von Satelliteninfrastruktur Monopolist. Mitglied von Intelsat konnten nur (National-)Staaten werden- - der Infrastruktur der scheinbar grenzenlosen Satellitenkommunikation lag also ein territoriales Konzept vom Zugang zu dieser zugrunde. Vor dem Hintergrund des zunehmenden kommerziellen Interesses an Satellitentechnologie und der fortschreitenden Kommerzialisierung der verschiedensten Medienlandschaften überhaupt wurde am 18. Juli 2001 auch Intelsat in ein Privatunternehmen gewandelt und ist seit 2005 Eigentum einer internationalen Gruppe von Aktienbesitzern. Parallel zu dieser exemplarisch anhand von Intelsat greifbar werdenden Kommerzialisierung der Satellitenkommunikation begann deren zunehmende Ablösung vom »Westen«. Intersputnik wurde bereits 1971 als Pendant zum westlichen Intelsat per Staatsvertrag durch die sozialistischen Staaten des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe in Moskau gegründet. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR bzw. des Ostblocks ist die Organisation nach wie vor und seit 2005 über ihre kommerzielle Verwertungsgesellschaft »Intersputnik Holding Ltd.« im Satellitengeschäft aktiv. 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 57 57 Daneben haben sich seit Ende der 1970er-Jahre regionale Satellitenanbieter etabliert. Solche regionalen Satellitendienste trugen dazu bei, dass Alternativen zu Intelsat bzw. ein regional differenziertes und größeres Angebot an Satellitenkommunikationsmöglichkeiten entstehen konnten. Zu nennen sind neben dem europäischen Eutelsat (1982 als zwischenstaatliche Regierungsorganisation nach dem Vorbild von Intelsat gegründet) beispielsweise das ebenfalls europäische, private Astra-Konsortium (im Besitz des 1985 gegründeten, ersten privaten europäischen Satellitenbetreibers Société Européenne des Satellites- - SES), der lateinamerikanische Panamsat (1984 von Rene Anselmo gegründet, um den ersten internationalen Satelliten in Privatbesitz zu starten, im Juni 2006 von Intelsat dann aufgekauft), AsiaSat (1988 als erster privater regionaler Satellitenanbieter Asiens gegründet; Hauptaktionäre China International Trust and Investment Corporation, CITIC und SES; AsiaSat 1 begann 1 Angaben zu den Satellitenstarts, siehe http: / / www.unoosa.org/ oosa/ showSearch.do [Zugriff: April 2012]. Quelle: eigene Darstellung 1 2010 1962 1966196819701972197419761978198019821984198619881990199219941996199820002002200420062008 40 02468 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 Jahr Comsat Intelsat Intersputnik Arabsat Eutelsat Inmarsat Panamsat Astra Asiasat Privatisierung Inmarsat, Fusion Comsat und Lookheed Martin Intersputnik Holding Starts geostationärer Kommunikationssatelliten Privatisierung Intelsat Abbildung 4: Kommerzialisierung der Satelliteninfrastruktur, 1962-2010 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 58 3 Regulation transkultureller Kommunikation 58 1990 zu senden) und der von den Mitgliedern der Arabischen Liga etablierte Arabsat (1976 gegründet; der Arabsat 1a nahm 1985 den Betrieb auf ). Die bisherige Betrachtung macht deutlich, dass mit einer Kommerzialisierung der Satellitenkommunikation zumindest in einem dreifachen Sinne eine Abkopplung derselben von einer national-territorialen Bezüglichkeit einherging: Erstens stellen Satelliten Kommunikationsinfrastrukturen zur Verfügung, die als solche Territorien übergreifen. Bis heute sind Satelliten ein zentraler Aspekt der technischen Möglichkeiten transkultureller Kommunikation-- ob als wechselseitige Medienkommunikation des Telefongesprächs oder aber als produzierte Medienkommunikation des Satellitenfernsehens (und auch für die virtualisierte Medienkommunikation eines globalisiertierten Computerspielens ist die Satellitenverbindung wichtig). Zweitens wurden im Bereich der Satellitenkommunikation Kompetenzen von Nationalstaaten auf privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen übertragen. Drittens haben sich schließlich die Verfügungsmöglichkeiten über Satellitentechnologie von westlichen Ländern-- allen voran den USA- - gelöst. Auch im arabischen bzw. asiatischen Raum besteht mittlerweile Verfügungsgewalt über »eigene« Satelliten. Aus dem ehemals als internationale Orga- 2 Angaben zu Internet Hosts vom Internet Software Consortium, http: / / www.isc.org [Zugriff: April 2012]. Quelle: eigene Darstellung 2 2000 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 80.000 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 Jahr Internet-Hosts (x 1000) NSF betreibt Internet Standardprotokoll für Kreditkartentransaktionen WWW Mosaic Netscape W3C Internet Explorer ICANN IP-Adressvergabe durch ICANN Abbildung 5: Kommerzialisierung der Internet-Infrastruktur 1989-2000 3.1 Globale Kommerzialisierung und kommunikative Infrastrukturen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 59 59 nisation zum Austausch von Programmen zwischen arabischen Ländern gegründeten Arabsat ist ein Anbieter von Infrastruktur für eine transnationale arabische Fernsehindustrie geworden (Kraidy/ Khalil 2009: 17). Trotz aller dabei nach wie vor bestehenden Ungleichheiten weisen solche Entwicklungen darauf hin, wie weit die Globalisierung von Medienkommunikation vorangeschritten ist: Die Satellitentechnologie bietet zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein die gesamte Welt umschließendes Netzwerk an Übertragungsmöglichkeiten, wobei die Zahl der zur Verfügung stehenden Transponder ein fragmentiertes Angebot unterschiedlicher (digitaler) Medien möglich macht. Dies gestattet auch kleineren Anbietern einen Zugriff auf Satellitentechnologie. Neben der Satellitentechnologie bildet das Internet eine Infrastruktur transkultureller Kommunikation, die durch eine Kommerzialisierung gekennzeichnet ist (siehe Abbildung 5, S. 58). Bemerkenswert dabei erscheint, dass die rasante Entwicklung des Internets wiederum mit dessen fortschreitender Privatisierung und Kommerzialisierung einherging und sich auch diese Infrastruktur zumindest in Teilen von den USA entkoppelte (siehe Castells 2005: 19-45; Curran et al. 2012): Seit seinem Vorläufer ARPANET-- ein Computernetzwerk, das von der Advanced Research Projects Agency des Verteidigungsministeriums der USA im September 1969 geschaffen wurde- - war die Entwicklung der Infrastruktur des Internets bis Mitte der 1990er- Jahre fest mit US-amerikanischen Regierungsorganisationen verbunden (vgl. Castells 2005: 20 f.). Auch nach der Übernahme des ARPANET 1983 durch die National Science Foundation (NSF) hatte eine US-amerikanische, wenn auch wissenschaftliche, Institution die Kontrolle über das sich langsam entwickelnde »Netzwerk der Netzwerke«, wobei die NSF finanziell nach wie vor vom amerikanischen Militär unterstützt wurde. Seit Mitte der 1990er-Jahre zeichnete sich aber eine umfassende Privatisierung und Kommerzialisierung des Internets ab. Stimulierend hierfür war die Entwicklung des HTML-basierten World Wide Web (WWW) in den Jahren 1989 und 1990 durch Tim Berners-Lee, einem Programmierer am CERN, dem europäischen Kernforschungszentrum in Genf, und dessen Vorstellung des ersten Browsers 1991. Unter den verschiedenen öffentlichen Weiterentwicklungen des Browsers befand sich Mosaic (1993), auf dessen Basis mit Netscape der erste kommerzielle Browser entwickelt wurde, dem bald der Internet Explorer und der erste sogenannte Browser-Krieg folgte. Die WWW-Standards werden seit 1994 vom World Wide Web Consortium (W 3C) verwaltet, einem unter dem Gründer und Vorsitzenden Tim Berners-Lee am MIT lokalisierten Gremium. Es handelt sich hierbei also um keine zwischenstaatlich anerkannte Kommission, weswegen die W 3C-Vorgaben letztlich Empfehlungen darstellen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erwartungen an das Internet, die sich die Clinton-Regierung zu eigen machte, bzw. dem wachsenden wirtschaftlichen Interesse privater Unternehmen wurde im April 1995 der letzte von der Regierung betriebene »backbone« des Internets geschlossen (vgl. Castells 2001: 50). Die Annahme eines Standardprotokolls für Kreditkartentransaktionen im Jahr 1997 gab den Erwartungen an die Möglichkeiten von Online-Verkäufen einen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 60 3 Regulation transkultureller Kommunikation 60 starken Auftrieb (Curran et al. 2012: 42). Auf der Basis des etablierten TCP/ IP-Protokolls expandierte das Internet bald weltweit in großer Geschwindigkeit, und die Kontrolle über die Vergabe von IP-Adressen übernahm im Jahr 2000 mit der 1998 gegründeten »Internet Corporation for Assigned Names and Numbers« (ICANN) eine auf Betreiben der amerikanischen Regierung geschaffene private Organisation. Die Infrastruktur des Internets wird seit diesem Zeitpunkt weitgehend von privatwirtschaftlichen Organisationen und Unternehmen getragen. Der aktuelle Höhepunkt einer solchen Privatisierung und Kommerzialisierung der Internetinfrastruktur ist, dass mit den seit 2003 geplanten und seit 2005 ausgebauten eigenen Datenzentren durch Google nicht nur dessen Verzeichnisse der Internetsuche in »privater Hand« sind. Im Jahr 2009 waren es 24 große Einrichtungen, ebenso ist Google nach Selbstauskunft der weltweit größte Besitzer von Glasfaserkabeln (siehe Levy 2012: 234, 243 sowie die Abbildung 9, S. 105). Mit der Etablierung des ebenfalls von google vorangetriebenen Cloud-Computing werden zusätzlich erhebliche Datenmengen von privaten Anwendern, Kleinunternehmen und öffentlichen Institutionen in eine rein private Infrastruktur verlagert. Dies darf aber nicht zu der Fehlannahme verleiten, dass eine solche Kommerzialisierung der Internet-Infrastruktur ein Vorgang gewesen wäre, der jenseits staatlichen Einflusses stattgefunden hätte bzw. in dessen Folge Staaten in der Regulation irrelevant geworden wären. Dies trifft hier ebenso wenig zu wie bei der Satelliteninfrastruktur. Die bisherige Darstellung sollte bereits deutlich gemacht haben, dass dieser Prozess der Kommerzialisierung des Internets selbst von Seiten der amerikanischen Politik vorangetrieben wurde. So traf die Entscheidung zur Privatisierung und Kommerzialisierung des Internets die Clinton-Regierung, die sich davon eine positive wirtschaftliche Entwicklung erhoffte. Letztlich entsprach die Form der Privatisierung und Kommerzialisierung der Internet-Infrastruktur der Vorstellung eines »free trade of communication«, wie er in den USA sowohl von Seiten der Politik als auch der privaten Medienunternehmen generell vorherrschend war. In gewissem Sinne lässt sich argumentieren, dass die technologische Konvergenz als Rechtfertigung der Liberalisierung von Medienmärkten diente (Mansell/ Raboy 2011: 3). Ebenso bedeutet die Kommerzialisierung des Internets nicht, dass dieses ein staatlich unkontrollierter Raum wäre, wie auch die Beispiele von autoritären Regimen wie beispielsweise in China oder im Iran zeigen. In diesen wird die Internet-Infrastruktur nicht nur bezogen auf die Nutzungsmöglichkeiten kontrolliert, sondern das Internet wird auch für Propagandazwecke verwendet (Curran et al. 2012: 49-51; Morozov 2012: 85-112; Sreberny/ Khiabany 2011: 101-136). In diesem Sinne spricht Des Freedman auch von einem »Outsourcing« der Internetregulation, das letztlich als ein spezifischer staatlicher Regulationsmechanismus anzusehen ist: »Mit anderen Worten, Intermediäre bieten effektivere Regulationsmechanismen an, um sichere und betriebsfähige Netzwerke aufzubauen anstatt direkte Zwangsmaßnahmen. Die Lösung für Regierungen ist es, die richtige regulative Balance zwischen einer Stimulation von ökono- 3.2 Staatliche Regulation www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 61 61 misch gewünschten Aktivitäten und dem Schutz individueller Rechte von Privatheit und Sicherheit zu finden« (Freedman 2012: 104). In einem solchen Sinne ist die ICANN auch keine von der amerikanischen Regierung wirklich unabhängige Organisation, sondern ein Instrument der Regulation u. a. der Adressvergabe im Internet unter Einfluss der amerikanischen Regierung (Mueller 2010: 230-251). Auch hat der Prism-Skandal-- d. h. die Aufdeckung der breiten Überwachung der Internetkommunikation durch die US-amerikanische National Security Agency (NSA) in Kooperation mit verschiedenen anderen Ländern, allen voran Großbritannien- - deutlich gemacht, dass die Kommerzialisierung der Internet-Infrastruktur ebenfalls nicht bedeutet, der Staat hätte keinen Zugriff mehr auf entsprechende Daten. Im Gegenteil: Gerade die Kommerzialisierung des Internets ermöglichte es dem amerikanischen Geheimdienst, länderübergreifend auf Daten von Menschen unterschiedlichster kultureller Herkunft zuzugreifen. Die Datenzentren von Unternehmen wie facebook oder Google gestatten es der amerikanischen Regierung, selbst an sensible Daten von Privatpersonen zu gelangen. Hier zeichnen sich gänzlich neue Möglichkeiten einer transkulturellen Überwachung von Kommunikation ab. Die in diesem Teilkapitel entwickelten Überlegungen können wie folgt zusammengefasst werden: Grundlegend lässt sich argumentieren, dass die fortschreitende globale Kommerzialisierung der Medien kein von selbst stattfindender Vorgang ist. Er wurde von verschiedenen staatlichen Akteuren und deren Politiken vorangetrieben-- insbesondere den USA, die auf einen »free trade of communication« zielten. Wichtige Instrumente, um dies durchzusetzen, waren die WTO und ihre Vertragswerke. Aber bereits in der kommunikativen Figuration ihrer Verhandlung zeichnen sich gegenläufige Interessen ab, wonach Medien auch als kulturelle Produkte anzusehen und entsprechend zu schützen sind. Allerdings zeigt eine Betrachtung der Fallbeispiele von China und Russland, dass selbst in diesen (ehemals) sozialistischen Ländern eine fortschreitende Kommerzialisierung der Medien an der Tagesordnung ist. Diese verläuft dort gleichwohl nach anderen Mustern als beispielsweise in Westeuropa oder den USA. Dennoch lässt sich insgesamt festhalten: Der Aufbau einer breiten Infrastruktur transkultureller Kommunikationsmöglichkeiten geht einher mit einem widersprüchlichen Prozess der Kommerzialisierung. 3.2 Staatliche Regulation Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, bleibt der Staat auch bei der globalen Kommerzialisierung der Medien ein wichtiger Akteur. Doch wie lässt sich dieser im Hinblick auf grundlegende Prinzipien der Regulation im globalen Vergleich erfassen? Wirft man diese Frage auf, tritt man in das Zentrum einer Diskussion, die in den letzten Jahren bezogen auf die Möglichkeiten einer vergleichenden Betrachtung von Mediensystemen geführt worden ist (siehe überblickend Hardy 2008 und Davis www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 62 3 Regulation transkultureller Kommunikation 62 2010: 1-17). Wichtiger Referenzpunkt dieser Diskussion ist eine umfassende, von Daniel Hallin und Paolo Mancini vorgelegte synoptische Studie mit dem Titel »Comparing Media Systems. Three Models of Media and Politics«. Beide Autoren sind Experten im Bereich der politischen Kommunikation. Sie stellen ihre Argumentation kritisch in »das Erbe der ›Four Theories of the Press‹« (Hallin/ Mancini 2004: 7), einem von Fred Siebert, Theodore Peterson und Wilbur Schramm (1956) verfassten Klassiker der vergleichenden Betrachtung von Mediensystemen (zu dessen kritischer Diskussion siehe Nordenstreng 1997 und Nerone 2004). Allerdings grenzen sich Hallin und Mancini insbesondere von dem normativen Charakter der »Four Theories of the Press« ab, die das (amerikanische) liberale Modell zur Bewertungsrichtlinie anderer Mediensysteme erhoben hatten. Ausgehend von dieser Kritik setzen sich Hallin und Mancini auf Basis bisheriger, zum Teil eigener Studien mit den Mediensystemen von 18 Ländern des »Westens« und deren Bezug zum jeweiligen politischen System auseinander. Die Idealtypologie, die sie konstruieren, geht von drei Modellen von Mediensystemen aus: erstens dem »polarisiert-pluralistischen Modell« (»polarized pluralist model«), zweitens dem »demokratisch-körperschaftlichen Modell« (»democratic corporatist model«) und drittens dem »liberalen Modell« (»liberal model«). Bei allen drei Typen wird eine enge Beziehung von politischem System und Mediensystem unterstellt. Der Begriff des Systems ist dabei deskriptiv angelegt und fasst letztlich die Gesamtheit der auf öffentliche Belange bezogenen Strukturen und Institutionen in einem Staat. Hallin und Mancini begreifen diese drei »Modelle« als Idealtypen, die sie anhand der Analyse der Staaten Westeuropas und Nordamerikas entwickelt haben. Ein solcher Rückbezug zu ihrem empirischen Feld wird darin deutlich, wie sie die Mediensysteme verschiedener Staaten diesen einzelnen Typen zuordnen. Im Kern entspricht das polarisiert-pluralistische Modell Staaten des südlichen Europas (Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien). In diesen haben sich eine kleine, auf Eliten orientierte Presse und eine Zentralisierung der elektronischen Medien entwickelt. Die Regierungen haben traditionell starken Einfluss auf die Medien und versuchen, sie bis in die Gegenwart zu instrumentalisieren. Dies geht so weit, dass der Staat teilweise die Rolle des Besitzes von Medienorganisationen innehat. Gleichzeitig sind staatliche Medienregulationen mitunter sehr ineffektiv. Prozesse der sich auch in diesen Ländern abzeichnenden »Deregulation« laufen entsprechend hin und wieder unkontrolliert ab. Hallin und Mancini machen hier einen »politischen Parallelismus« aus, womit sie umfassende Beziehungen zwischen Medieninstitutionen einerseits und politischen Parteien bzw. organisierten sozialen Gruppen andererseits bezeichnen. Dem demokratisch-körperschaftlichen Modell lassen sich insbesondere die Länder Mittel- und Nordeuropas zuordnen (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz). Hier wurde früh Pressefreiheit erkämpft, und Zeitungen haben bis heute eine vergleichsweise breite Leser- 3.2 Staatliche Regulation www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 63 63 schaft. Im Bereich des Rundfunks dominiert ein Nebeneinander von öffentlichen und privaten Rundfunkanstalten, wobei historisch der Rundfunk staatlich oder öffentlich gewesen ist. In die öffentlichen Rundfunkorganisationen sind die zentralen politischen Interessensvertretungen der jeweiligen Staaten einbezogen. Trotz staatlicher Regulationen besteht ein klares Bekenntnis zur Pressefreiheit und ein hoher Professionalisierungsgrad. Das liberale Modell schließlich ist in der nord-/ transatlantischen Region zu finden (Großbritannien, Irland, Kanada, USA). Es ist gekennzeichnet durch eine frühe Massenpresse mit kommerzieller Orientierung, wobei diese das Mediensystem generell ausmacht: Grenzen der Pressefreiheit bestehen eher in wirtschaftlichen Zwängen denn in staatlichen Eingriffen. Sowohl öffentlicher Rundfunk als auch staatliche Medienregulation sind durch das Prinzip der (kommerziell orientierten) Professionalität geleitet, weniger der politisch-inhaltlichen Einflussnahme. Geht man davon aus, dass die Fähigkeit zur Regulation immer auch auf das Vorhandensein von Macht hindeutet, so lassen sich die drei Modelle als Systematisierung von verschiedenen Formen politischer Macht der Regulation verstehen (vgl. Hallin/ Mancini 2004: 83-85). Um dies anschaulich zu machen, greifen die beiden Autoren die Unterscheidung von instrumenteller und struktureller Macht auf. Als instrumentell werden solche Formen der Machtausübung bezeichnet, die auf die direkte Einflussnahme einzelner benennbarer Akteure bzw. Akteursgruppen zurückgeführt werden können (bspw. einer Partei oder einer Person). Strukturell sind solche Formen der Machtausübung, die über bestimmte, akteursübergreifende »Logiken« (Klassengegensätze, Besitzverhältnisse, Gender-Diskurse etc.) erfolgen. Diese Unterscheidung lässt sich auf die verschiedenen Typen von Mediensystemen und die in ihnen erfolgende Regulation beziehen: Während im polarisiert-pluralistischen Modell Formen instrumenteller Machtausübung dominieren (direkte Einflussnahmen einzelner Personen oder Parteien), ist die Machtausübung in dem demokratisch-körperschaftlichen und liberalen Modell eher struktureller Natur. Auch wenn im liberalen Modell die Presse »freier« erscheint als im polarisiert-pluralistischen, ist sie durch kommerzielle Strukturen in Machtzusammenhänge eingebunden, welche den Journalistinnen und Journalisten in ihrer Berufspraxis deutliche Grenzen setzen. Und im demokratisch-körperschaftlichen Modell sind Machtverhältnisse in erheblichem Maße durch Kontrollstrukturen einzelner Eliten vermittelt. Zwar haben Hallin und Mancini diese drei »Modelle« für die betrachteten Länder entwickelt. Jedoch legen sie selbst nahe, damit ein generelles Beschreibungsinstrument entwickelt zu haben. So sprechen sie auf der einen Seite davon, dass mit der fortschreitenden Kommerzialisierung und Professionalisierung in den betrachteten Ländern eine zunehmende »Konvergenz« (Hallin/ Mancini 2004: 295) in Richtung des »liberalen Modells« auszumachen sei. Auf der anderen Seite argumentieren sie, dass es jenseits dieser Länder »vielleicht das polarisiert-pluralistische Modell ist […], das am weitesten anwendbar ist« (Hallin/ Mancini 2004: 306). Sie zählen hierbei www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 64 3 Regulation transkultureller Kommunikation 64 nicht nur Osteuropa und die frühere UdSSR auf, sondern auch Lateinamerika, den Nahen Osten, die Mittelmeerregion und Asien, deren Mediensysteme alle dem pluralistischen Modell entsprächen. Liegt also mit diesen drei Modellen eine Grundlage dafür vor, auf globaler Ebene Staaten als regulative Akteure in Prozessen transkultureller Kommunikation zu fassen? Spitzt man die Frage in dieser Form zu, ist trotz der großen Leistung, die die Systematisierung von Hallin und Mancini bedeutet, einige Vorsicht geboten. Eine solche Vorsicht ist doppelt begründet, einerseits in der Form der vorgelegten Theoriebildung, andererseits im Hinblick auf empirische Evidenzen. Bezogen auf die Form der Theoriebildung ist zu sagen, dass die Art und Weise der Bildung der Idealtypen als zu vereinheitlichend erscheint (Couldry 2012: 157-158). So werden beispielsweise dem »demokratisch-körperschaftlichen Modell« sehr unterschiedliche Mediensysteme zugesprochen. Aber auch die politische Regulation in den USA, Kanada, Irland und Großbritannien-- die alle dem »liberalen Modell« entsprechen sollen-- ist sehr different. Ebenso erscheint die These einer Konvergenz hin zum »liberalen Modell« viel zu allgemein (siehe Hardy 2008: 19; Nord 2008: 108 f.). Hinzu kommt, dass Hallin und Mancini in ihren Darlegungen nur bestimmte Aus- Quelle: Hallin/ Mancini 2004: 70, erweitert nach Dobek-Ostrowska 2012: 50 polarisiert-pluralistisch liberal demokratisch-körperschaftlich Griechenland SpanienPortugal Italien Frankreich Belgien Deutschland Großbritannien Dänemark Österreich Niederlande Norwegen Finnland Schweden Schweiz Irland Kanada USA Polen Abbildung 6: Westliche Mediensysteme im Schema von Hallin und Mancini 3.2 Staatliche Regulation www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 65 65 schnitte von Medienkommunikation berücksichtigen (Hardy 2008: 20). So setzen sie sich primär mit produzierter politischer Medienkommunikation auseinander und berücksichtigen andere Bereiche von Medienkommunikation nicht. Es muss also zumindest als offen gelten, ob die für die Beschreibung des Mediensystems herangezogenen Kategorien- - Entwicklung des Medienmarktes, politischer Parallelismus, Professionalisierung und Rolle des Staates-- für alle Bereiche von Medienkommunikation und deren Regulierung zentral sind. Insbesondere kann argumentiert werden, dass ihr In-Eins-Setzen von Staat, Mediensystem und Medienkultur, wie es als unhinterfragtes Paradigma im Rahmen der transkulturellen Kommunikationsforschung kritisiert wird (siehe Kap. 2.3), letztlich darin begründet ist, dass sie primär politische Kommunikation betrachten. Eine Skepsis gegenüber dieser Systematisierung wird weiter gesteigert, wenn wir den Blickwinkel über die von den beiden Autoren betrachteten 18 westlichen Staaten hinaus ausweiten. Es geht dann um die empirischen Evidenzen einer möglichen Übertragbarkeit der drei Modelle auf andere Weltregionen. Diesbezüglich ist die Diskussion von Interesse, die der Entwurf von Hallin und Mancini selbst ausgelöst hat. Hierunter finden sich zum einen Arbeiten, die darauf abzielen, die Lücke ihrer Betrachtung bezogen auf die »westliche Welt« zu schließen, nämlich über Osteuropa. Das dabei bereits bei Hallin und Mancini anklingende Argument ist, dass die Mediensysteme in osteuropäischen Ländern viel mit dem »polarisiert-pluralistischen Modell« teilen, gleichzeitig aber auch Abweichungen auszumachen sind (Jakubowicz 2008: 47; Wyka 2008: 66). Letztere bestehen in der zum Teil weit fortgeschrittenen Kommerzialisierung, durch die die Mediensysteme der osteuropäischen Länder näher an das »liberale Modell« rücken. Vor dem Hintergrund solcher Analysen geht Boguslawa Dobek-Ostrowska (2012) so weit zu argumentieren, dass sich das polnische Mediensystem als Hybrid des »polarisiert-pluralistischen Modells« und »liberalen Modells« mit einigen Momenten des »demokratisch-körperschaftlichen Modells« in die Systematisierung von Hallin und Mancini einfügen lässt: Das dortige System sei gekennzeichnet durch eine geringe Zirkulation der Tagespresse und eine zentrale Position der elektronischen Medien. Die Medien fokussierten stark das politische Leben, und ein externer Pluralismus wie auch die Tradition des kommentierenden Journalismus seien wichtig. Gleichzeitig fällt die Instrumentalisierung des öffentlichen Rundfunks durch die Regierung und Parteien auf, die journalistische Professionalität ist eher gering, und die Beziehung zwischen Medien und politischen Eliten ist durch Konflikte über die Autonomie des Journalismus gekennzeichnet. In einem solchen Blickwinkel fällt das polnische Mediensystem in den leeren Bereich zwischen dem »polarisiert-pluralistischen« und »liberalen Modell« innerhalb des Beschreibungsdreiecks von Hallin und Mancini (siehe Abbildung 6, S. 64). Unabhängig davon, dass mit einer solchen Erweiterungsargumentation die oben beschriebenen konzeptionellen Probleme der Modelle nicht aus der Welt geräumt sind, lässt sie sich nicht einfach auf andere osteuropäische Länder übertragen. Diffewww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 66 3 Regulation transkultureller Kommunikation 66 renziert hat dies Natalia Roudakova (2012) für den Fall Russlands gezeigt. Gerade vor dem Hintergrund des auch im letzten Abschnitt angesprochenen historischen Wandels von Medienregulation in Russland weist Roudakova darauf hin, dass es ihr sinnvoller erscheint, die Prozesse der Regulation statt der (mehr oder weniger als statisch gedachten) Mediensysteme miteinander zu vergleichen. Hierbei sollten zumindest zwei Prozesse berücksichtigt werden, nämlich erstens der des »Aufrechterhaltens von Ordnung« (Roudakova 2012: 249) und zweitens der der »situativen Anpassung« (Moore 1978: 50; Roudakova 2012: 249). Wichtig bei einer solchen Prozessbetrachtung ist es, Medienorganisationen nicht einfach als Einheiten zu sehen, die dem Staat gegenübergestellt sind, d. h., die dieser zu regulieren habe. Sie sind als Akteure ebenfalls in das Hervorbringen von Staatlichkeit eingebunden. Bezogen auf Russland nennt Roudakova hier das Beispiel der bereits erwähnten »Medienkriege«, also der Auseinandersetzungen von verschiedenen Machtgruppierungen und ihrer Medienkonglomerate im Russland der Nach-Jelzin-Zeit. Dies macht deutlich, inwieweit einzelne Medienkonglomerate selbst Teil des Prozesses der Herstellung staatlicher Macht sind bzw. inwieweit umgekehrt »das Wiedererlangen von staatlicher Kontrolle über die Medienressourcen der Oligarchen« (Roudakova 2012: 261) geschehen ist. Roudakova verallgemeinert dies dahingehend, dass Medienunternehmen insbesondere in »seit kurzem postkolonialen, postsozialistischen, postdiktatorischen und postkriegerischen Kontexten« (Roudakova 2012: 271) umfassend in den Prozess der Herstellung von Staatlichkeit eingebunden sind. Eine einfache Dichotomie-- hier (regulierende) staatliche Akteure und dort die Akteure der Medien-- funktioniert also nicht. In solche Überlegungen zur Prozesshaftigkeit von Staatlichkeit und Regulation fügen sich weitere Arbeiten, die die Systematik von Hallin und Mancini aus der Sicht postkolonialer Staaten kritisch diskutieren. Afonso de Albuquerque (2012) hat als Lateinamerika-Experte mit Bezug auf Brasilien darauf aufmerksam gemacht, dass Hallin und Mancinis breiter Gebrauch des »polarisiert-pluralistischen Modells« zur Beschreibung der Mediensysteme verschiedenster südlicher Länder unscharf bleibt. Gerade bei postkolonialen Ländern sollte man zusätzlich Prozesse der Adaption von Mediensystemen im Blick haben. So sind nämlich die Modelle von Hallin und Mancini nicht nur als Instrumente der Beschreibung von empirischen Mediensystemen anzusehen (»model from«, Albuquerque 2012: 72), sondern sie haben im Prozess der Transformation von Mediensystemen auch einen normativ-orientierenden Charakter (als »model to«, Albuquerque 2012: 72; siehe auch Zhao 2012: 146). Es gibt demnach so etwas wie »zentrale Mediensysteme« (Albuquerque 2012: 87), die als Orientierungsmodelle »peripherer Mediensysteme« (Albuquerque 2012: 87) gedient haben und dienen. Eine solche Orientierung kann allerdings nicht mit der Beziehung von (ehemaligen) Kolonialstaaten und (ehemaligen) Kolonien gleichgesetzt werden, da es auch in diesen Gruppen untereinander Orientierungsbeziehungen gibt. Rückt man solche Orientierungen in Prozessen der Regulation in den Blick, wird es wichtig, 3.2 Staatliche Regulation www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 67 67 Abweichungen zwischen »zentralen« und »peripheren« Mediensystemen nicht einfach als Misadaption anzusehen. Vielmehr geht es hierbei auch um Entwicklungen von eigenständigen »politischen Kulturen« (Albuquerque 2012: 89). Wir haben es in dem Prozess der Regulation also auch mit Transkulturation zu tun, die als (ggf. wechselseitige) Orientierung greifbar wird. Eine Beziehung zwischen Staat und Medienunternehmen kann dabei in Ländern wie Brasilien kaum als europäischer »politischer Parallelismus« beschrieben werden. Spezifisch für Brasilien sieht Albuquerque an, dass dort »starke, politisch aktive Medien bestehen« (Albuquerque 2012: 93), die »Parteigrenzen« aber nicht wie beim polarisierten Modell »klar«, sondern »unscharf« sind- - der Übergang zwischen Parteien und Medienunternehmen also fließend ist. Dies hängt damit zusammen, dass den Medienunternehmen selbst im politischen Prozess eine »moderierende Rolle« zukommt, die Albuquerque im Zusammenhang mit dem Präsidialsystem Brasiliens und der damit einhergehenden schwachen Stellung von politischen Parteien überhaupt sieht. In ähnlicher Hinsicht, aber mit anderen Argumenten problematisiert Duncan McCargo (2012) eine Übertragung des »politischen Parallelismus« auf asiatische Länder. Auch er weist auf kulturelle Differenzen hin. Zuerst einmal verdeutlicht er, dass sich europäische Konzepte von Medienbesitz nicht so einfach auf Medien beispielsweise in Thailand übertragen lassen, wo informelle Anteile am Besitz von Medienunternehmen bestehen, Eigentumsverhältnisse an bestimmten Zeitungskolumnen und ein »Vorrang der Vetternwirtschaft vor Professionalisierung« (McCargo 2012: 211) auszumachen ist. Das investigative »Sammeln« politischer Nachrichten ist deshalb nicht ein Teil einer professionellen Arbeitskultur, sondern es dominieren »traditionale« Aktivitäten des »Austauschs« von Informationen. Dabei argumentiert McCargo, dass das »thailändische Modell« vielleicht eher auf aktuelle Prozesse der Nachrichtenproduktion in der (auch westlichen) Blogosphäre verweist als auf die normativen Implikationen von Professionalisierung, die Hallin und Mancini bei ihrem »liberalen Modell« im Blick haben (McCargo 2012: 215-217). Andere kulturelle Besonderheiten sieht Adrian Hadland für Afrika. Er argumentiert, dass sich für die Staaten in Subsahara-Afrika spezifische Zusammenhänge der Beziehungen zwischen Medien und Staat herausgebildet haben. So lassen sich im Sinne von Mahmood Mamdani (1996) zumindest Ansätze eines »postkolonialen afrikanischen Modells« (Hadland 2012: 115) ausmachen. Hierzu zählt er historisch den »doppelten Charakter« (»bifurcated nature«, Hadland 2012: 114) afrikanischer Staatlichkeit. Dieser besteht darin, dass der Staat auf der einen Seite in städtischen Gebieten über Bürgerrechte Macht ausübt. Auf der anderen Seite geschieht die Machtausübung in ländlichen Gebieten mittels Gewohnheitsrechten. Entsprechend groß ist die Kluft zwischen urbanen und ländlichen Gebieten, was ganz eigene »Modelle« von Mediensystemen zur Folge hat. Zur Beschreibung dieser Mediensysteme sich wandelnder postkolonialer Staaten Afrikas bieten die Modelle von Hallin und Mancini keinen hinreichenden Anhaltspunkt, indem sie beispielsweise Fragen von Religion, www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 68 3 Regulation transkultureller Kommunikation 68 Sprachenvielfalt, Ethnizität, Pluri-Nationalismus oder hohen migrantischen Bevölkerungsanteilen nicht berücksichtigen (siehe Hadland 2012: 116). Noch vielschichtiger werden die Argumente, wenn man die Vorstellung des nationalen Territorialstaats als alleinigem regulativen Akteur bei Hallin und Mancini hinterfragt. In eine solche Richtung argumentiert Marwan Kraidy. Bezogen auf den panarabischen Kommunikationsraum macht er das Entstehen eines »transnationalen Mediensystems« (Kraidy 2012a: 177) aus. Hintergrund ist, dass sich die panarabische Satellitenkommunikation und deren Regulation nicht aus Sicht eines einzelnen Staates fassen lässt, sondern nur, wenn man das komplementäre Verhältnis von Saudi-Arabien und dem Libanon im Blick hat: Libanesische Medien, die im Libanon kein hinreichendes Publikum hätten, »stellen eine Plattform für ›reformistische‹ Prinzen und ›liberale‹ Aktivisten zur Verfügung, um saudische Publika zu erreichen« (Kraidy 2012a: 198). Regulation wird damit zu einer transnationalen Angelegenheit. Dabei kann die Kommerzialisierung der arabischen Medienindustrie (und dort bestehende Momente der Regulation) nicht mittels des »liberalen Modells« von Hallin und Mancini gefasst werden, da im arabischen Raum »eine zunehmende Kommerzialisierung Hand in Hand geht mit autokratischen politischen Praktiken« (Kraidy/ Khalil 2009: 2). Auch für Europa lässt sich argumentieren, dass die EU ein wichtiger Akteur der Medienregulation ist, von dem man die Mediensysteme der EU-Staaten nicht losgelöst betrachten kann (Sarikakis 2007). So sind die nationalen Regulationen im Bereich von Medien und Kommunikation in den verschiedenen europäischen Staaten im Kontext der EU-Leitlinien beispielsweise zum Umbau nationaler Telekommunikationsmonopole hin zu (auch für andere Akteure als den ehemals nationalstaatlichen Telekommunikationsunternehmen zugänglichen) Telekommunikationsmärkten zu sehen. Ähnlich wurden Vorstellungen eines europäischen Rundfunkmarktes- - der sich als solcher global besser als nationale Märkte positionieren kann-- in Richtlinien wie der des »Television without Frontiers« (Rat der Europäischen Union 1989) formuliert und dann jeweils national umgesetzt. Hinzu kommt, dass die regulative Instanz der EU nicht nur für die EU-Staaten selbst zu berücksichtigen ist. Wie wir bereits gesehen haben, ist die EU auch nach außen ein zentraler Akteur. Beispielsweise wäre die (von den europäischen Nationalstaaten weitgehend geteilte) Vorstellung, dass Medienprodukte neben Wirtschaftsauch Kulturgüter sind und entsprechend eines besonderen Schutzes bedürfen, in den GATTbzw. GATS-Verhandlungen ohne die EU so nicht durchsetzbar gewesen (Sarikakis 2008: 97). Und die ACTA-Verhandlungen 2008-2012 wurden für die EU-Staaten ebenfalls von der EU-Kommission geführt und das Abkommen dann 2012 vom europäischen Parlament abgelehnt. Was lässt sich nun insgesamt aus solchen Studien folgern? Zuerst einmal sollte offensichtlich geworden sein, dass wir mit der Beschreibung von staatlicher Regulation entlang einer feststehenden Systematik von Mediensystemen vorsichtig sein müssen. So ist die von Hallin und Mancini vorlegte Typologie allenfalls zur Beschreibung der Systeme derjenigen westlichen Staaten hinreichend, auf deren Basis sie entwickelt 3.2 Staatliche Regulation www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 69 69 wurde. Aber auch für diese Staaten erscheint die Modellierung doch sehr statisch: Sie ist wenig prozessorientiert und berücksichtigt kaum, dass gerade in Europa mit der EU ein supranationaler Akteur besteht, ohne dessen Einbezug staatliche Regulation nicht angemessen gefasst werden kann. Argumentiert man hier in transkultureller Perspektive weiter und hat auch die verschiedenen postkolonialen und postsozialistischen Staaten im Blick, fällt zusätzlich die globale Vielfalt von Staatlichkeit auf, die diese Typologie nicht ansatzweise berücksichtigt. Will man die unterschiedlichen Prozesse von Regulation durch Staaten bzw. die Einflussnahmen von medienbezogenen Akteuren auf den Staat in transkultureller Perspektive fassen, ist es kaum angemessen, solche Analysen von vornherein durch das Korsett einzelner »Modelle« einzuschränken. Vielmehr gilt es, je kontextuell spezifisch diese Prozesse in ihrem Wandel zu beschreiben und hierfür je angemessene Beschreibungskategorien zu entwickeln. Dabei können die Begrifflichkeiten von Hallin und Mancini Anregungen sein. Als feststehendes Schema sind sie aber, wie wir gesehen haben, nicht hinreichend. Bei einer transkulturellen Betrachtung staatlicher Regulation ist es demnach wichtig, im Blick zu haben, dass das, was als Staatlichkeit gilt, selbst in komplexen kommunikativen Figurationen konstruiert wird. Der Staat ist also nicht etwas, das als regulativer Akteur einfach gegeben ist. Vielmehr wird dieser Akteur selbst in komplexen kommunikativen Figurationen geschaffen. Medien sind dabei immer auch Instanzen der Vermittlung, was Staat ist und was nicht (bis hin zu deren Einbezug in staatliche bzw. staatstragende Institutionen). Hierbei sind Fragen von Kultur in zumindest doppelter Hinsicht von Relevanz. Einerseits bestehen kulturelle Differenzen bei den Mustern solcher kommunikativen Figurationen der Produktion regulierender Staatlichkeit. Dies wurde in den bisherigen Betrachtungen greifbar, wenn beispielsweise auf die »brasilianische politische Kultur« (Albuquerque 2012: 89), den »einzigartigen Charakter der russischen Gesellschaft und Kultur« (Vartanova 2012: 140) oder die »Wichtigkeit der kulturellen Tradition« (Zhao 2012: 151) in China verwiesen wurde. In einem solchen Sinne hat auch Staatlichkeit eine kulturelle Dimension. Andererseits zeichnen sich bezogen auf Regulation vielfältige Prozesse der Transkulturation ab. Beispiele, die genannt wurden, sind Hybridisierungen von Formen der Medienregulation der Kolonialmächte mit traditionellen Formen von Regulation in ehemaligen Kolonien oder transkulturelle Orientierungen an Modellen von Regulation. Transkulturationen kennzeichnen die Regulation in einzelnen Ländern aber auch dann, wenn beispielsweise ein sich über verschiedene Kulturen verbreitender Diskurs des Neoliberalismus (zustimmend, kritisch oder auch ablehnend) im eigenen Regulationsdiskurs aufgegriffen wird. Entsprechend kann es hilfreich sein, auf globaler Ebene ein Argument aufzugreifen, das Andrew Chadwick (2013) kürzlich formuliert hat, nämlich dass alle Mediensysteme als »hybrid« zu verstehen sind. Chadwick hatte insbesondere Technologien und Infrastrukturen im Blick, als er mit Bezug auf das britische und amerikanische Mediensystem schrieb: »hybride Mediensysteme basieren auf Konflikt und Konkurwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 70 3 Regulation transkultureller Kommunikation 70 renz zwischen alten und neuen Medienlogiken und sind durch bemerkenswerte Interdependenzen zwischen diesen Logiken gekennzeichnet« (Chadwick 2013: 207). Diese Überlegung im Blick habend können wir hinzufügen: Die Transkulturation von Regulation führt einen weiteren Moment der Hybridität hinzu, nämlich die kulturelle Hybridität. In diesem Sinne ist ein »hybrides Mediensystem« auch ein transkulturelles. 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung Jenseits von einzelnen Staaten ist über Jahrzehnte vor allem ein supranationaler Akteur von Relevanz gewesen für die Diskussion um eine Regulation transkultureller Kommunikationsprozesse, nämlich die UN bzw. eine ihrer Sonderorganisationen, die UNESCO (»United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation«). Letztere ist-- wie es Hans Kleinsteuber als langjähriger Forscher zu Fragen der Medienpolitik formuliert- - in den 1970er- und 1980er-Jahren »zum Ort spektakulärer Auseinandersetzungen um die Prinzipien globaler Medienpolitik« (Kleinsteuber 2005: 96) geworden. Entsprechend war die UNESCO ein »heißes Thema in der internationalen Kommunikation wie auch der internationalen Politik« (Leye 2009: 939), so Veva Leye, eine andere Expertin in diesem Feld. Wie wir noch sehen werden, haben sich die Auseinandersetzungen seit dieser Zeit verändert und sind in ihrer Außenwirkung nicht mehr so spektakulär, wie sie es in dem angesprochenen Zeitraum waren. Weniger wichtig sind sie damit aber nicht. Der Kernpunkt, um den es mir in diesem Teilkapitel geht, ist, dass sich anhand der UNESCO eine Veränderung der kommunikativen Figuration der Regulation transkultureller Kommunikation festmachen lässt, die bereits in den letzten Teilkapiteln angesprochen wurde. Im Kern handelt es sich dabei um die Verschiebung von einer rein auf wenige staatliche Akteure bezogenen kommunikativen Figuration der Verhandlung von Regulation hin zu einer eine breitere Anzahl unterschiedlicher Akteure einbeziehenden kommunikativen Figuration. Dies lässt sich an den drei Phasen der medienpolitischen Regulationsdiskussion in der UNESCO festmachen: von der Phase des freien Kommunikationsflusses über die Suche nach einer Weltinformations- und Kommunikationsordnung hin zur Regulation der kulturellen Vielfalt. Wir können an der UNSECO als transnationaler Organisation damit eine veränderte globale Umgangsweise mit transkultureller Kommunikation insgesamt beschreiben. Die ersten Jahrzehnte einer Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO kann man als Phase des »freien Kommunikationsflusses« (1945-1978) charakterisieren. Diese Phase ist dabei in enger Beziehung zu sehen zu den GATT-Vereinbarungen und dem Aufbau eines entsprechenden Welthandels. Rückblickend erscheinen dabei die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs wie auch die mit ihm verbundenen Propaganda- 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 71 71 kriege als wichtige Faktoren (Hamelink 2012: 29). So wurde die Sicherung des »free flow of communication« in der UNESCO-Charta von 1945 als eine ihrer Aufgaben festgeschrieben. Getragen war dies von der Vorstellung, damit einer Behinderung des Zugangs zu Informationen entgegenzutreten, wie er mit der Propaganda während des Zweiten Weltkriegs verbunden war (vgl. UNESCO-Charta, Art. I, 2a). Diese »Free-Flow-Doktrin« spiegelt die Machtverhältnisse und Interessenlagen der bei der Gründung zuerst rein westlichen Organisation unter klarer Dominanz der USA wider (Rohn 2002: 43): Zu diesem Zeitpunkt gehörten der UNESCO weder die UdSSR noch die in den 1960er- und 1970er-Jahren Unabhängigkeit erlangenden postkolonialen Staaten an. Die Free-Flow-Doktrin entsprach auf transnationaler Ebene »dem in freiheitlichen Demokratien konstitutiv garantierten Recht auf Informationsfreiheit« (Breunig 1987: 64). Entsprechend war sie in den ersten Jahren der UNESCO-Aktivitäten der nicht weiter problematisierte Ausgangspunkt der Medien- und Kommunikationspolitik. Die Free-Flow-Doktrin prägt auch die Diskussion in der von der amerikanischen Delegation im Jahr 1946 in Paris initiierten »Unterkommission für Massenkommunikation« der UNESCO. Ziel war die Anfertigung eines Berichts über die verschiedenen Hindernisse der freien Verbreitung von Information und Ideen. Im Jahr 1948 verabschiedeten die Delegierten der dritten Generalkonferenz der UNESCO in Beirut eine Resolution, die den Mitgliedsstaaten empfahl, das Recht der Bürgerinnen und Bürger anzuerkennen, ungehindert Radiosendungen von anderen Ländern zu hören. Auf der gleichen Konferenz wurde ein Abkommen über Zoll- und Importerleichterungen für Bild- und Tonmaterialien angenommen. Weitere Projekte zur »Institutionalisierung des freien Informationsflusses« (Breunig 1987: 61) waren der Versuch des Aufbaus eines internationalen Instituts für Presse und Information, das als Ausbildungs- und Forschungszentrum für Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt gedacht war, sowie die damals angestrebte Etablierung eines weltweiten Radiosenders der UN oder UNESCO. Allerdings verliefen beide Projekte aufgrund des mangelnden Interesses der Journalistinnen und Journalisten bzw. der enormen Kosten in der ursprünglich gedachten Form im Sande. Solche Aktivitäten machen deutlich, in welchem Maße die UNESCO bemüht war, einen »free flow of information« institutionell sicherzustellen. Die Free-Flow-Doktrin-- die zumindest von Seiten der USA stark mit der Vorstellung von Medienmärkten als den zentralen Regulationsinstanzen verbunden war- - geriet allerdings in den 1950er- und vor allem 1960er-Jahren innerhalb der UNESCO immer mehr unter Druck. Hierfür sind insbesondere drei Gründe zu nennen. Dies ist erstens die Zuspitzung des Kalten Krieges. Dieser wirkte sich mit dem UNESCO-Beitritt der UdSSR, Weißrusslands und der Ukraine 1954 direkt auf die Politik der Organisation aus, indem von dieser Seite eine gänzlich andere Vorstellung der Regulation von Kommunikationsflüssen favorisiert wurde. Die »Sowjetunion und ihre Verbündeten [verlangten] […] eine völkerrechtlich geregelte staatliche Kontrolle www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 72 3 Regulation transkultureller Kommunikation 72 der Massenmedien, um jederzeit Einfluss auf die Medieninhalte in Form von Zensur nehmen zu können« (Breunig 1998: 369). Gegen die Doktrin des freien Informationsflusses wurde damit der Grundsatz der uneingeschränkten Staatssouveränität gestellt, zu dem auch die staatliche Kontrolle über Massenmedien zählte. Die Forderung eines freien Informationsflusses ist in dieser Perspektive also die Beschneidung staatlicher Souveränität und damit eine von UN und UNESCO explizit zurückzuweisende Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Der zweite Grund dafür, dass die Politik des »free flow of information« immer mehr problematisiert wurde, ist die fortschreitende Dekolonialisierung. Seit den 1960er-Jahren erlangten vor allem afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit und wurden zu Mitgliedern in der UNESCO, wodurch sich sowohl das Meinungsbild als auch die Stimmenverhältnisse verschoben. Die jungen, meist wirtschaftlich nur wenig entwickelten postkolonialen Staaten suchten ein Sprachrohr in der UNESCO, um ihre Belange international artikulieren zu können (Breunig 1998: 369). Ausgehend von Dependenz- und Imperialismustheorien wiesen Vertreter postkolonialer Staaten darauf hin, dass der sogenannte »free flow of communication« letztlich ein »one-way flow« von den »westlichen« Staaten zu den Staaten der sogenannten »Dritten Welt« sei, der im wirtschaftlichen Interesse der Ersteren stünde (Rohn 2002: 43 f.). Entsprechend müsse die Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO diesbezüglich auf Ausgleich orientiert sein. Dies verweist auf den dritten Punkt, durch den die Doktrin des »free flow of information« unter Druck geriet, nämlich die beginnende Radikalisierung der Globalisierung im Allgemeinen und von Medienkommunikation im Speziellen. In den 1960er- Jahren begann-- wie bereits betont-- das »Satellitenzeitalter«, das vollkommen neue Möglichkeiten transnationaler Kommunikation eröffnete, aber auch ganz neue Probleme wie das des rechtlichen Umgangs mit Spill-over schuf. Der beschränkte Zugang zu den technologischen Möglichkeiten der Satellitenkommunikation bzw. die einseitige Konfrontation mit »fremden« Inhalten durch diese bestärkte die postkolonialen Staaten, die Frage des ausgewogenen Informationsflusses zwischen sogenannten Industrie- und Entwicklungsstaaten zum Fokus ihres medien- und kommunikationspolitischen Engagements in der UNESCO zu machen. Erfolge hierbei zeichneten sich mit der bei der 17.-Generalkonferenz der UNESCO beschlossenen »Declaration of Guiding Principles on the Use of Satellite Broadcasting for the Free Flow of Information, the Spread of Education and Greater Cultural Exchange« ab. Zentral an dieser Deklaration war, dass sie zum einen das Prinzip des für alle Staaten gleichen Zugangs zu Satellitenkommunikation verankerte und zum anderen forderte, dass vor der Einstrahlung in das Territorium eines Staates durch direkte Satellitenübertragung das Einverständnis des betroffenen Staates eingeholt werden solle (Berwanger 1979: 29 f.). Hiermit wurde klar das Prinzip einer Priorität der Einwilligung verankert, was eine erste deutliche Einschränkung der Free-Flow-Doktrin bedeutete. Entsprechend verwundert es auch nicht, dass diese Deklaration zwar mit großer Mehrheit verab- 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 73 73 schiedet wurde, dies aber gegen die Stimmen führender westlicher Staaten, u. a. der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Die mit der Satellitendeklaration erstmals auf breiter Ebene greifbare Debatte intensivierte sich über die 1970er-Jahre, wobei die Position der postkolonialen Staaten immer deutlicher wurde: Ihre Politik war auf die Überwindung des Ungleichgewichts im Bereich der globalisierten Medienkommunikation ausgerichtet. Dies wurde zwischen 1973 und 1978 analytisch aufgearbeitet, indem von der UNESCO bzw. IAMCR zu der Thematik wissenschaftliche Veranstaltungen realisiert wurden, wie das »Symposium on the International Flow of Television Programs« (das in Tampere 1973 stattfand; siehe Nordenstreng/ Varis 1974). Die Gründung der »International Association for Media and Communication Research« (IAMCR, siehe Hamelink 2012) war die Folge des Engagements für das dann gescheiterte, zuvor erwähnte Institut für Presse und Information. Gleichzeitig wurde das Thema politisch auf einer Reihe von UNESCO-Regionalkonferenzen vorangebracht. Diese verschiedenen Aktivitäten kumulierten dann in der 20.- Generalkonferenz der UNESCO in Paris 1978, die einen Wendepunkt der Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO darstellte. Hiermit zeichnete sich eine Verschiebung der Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO hin zur Phase der »Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung« (1978-1989) ab. Als Einschnitt für diese Umorientierung lässt sich der Zeitraum von der Mediendeklaration der 20.- Generalkonferenz in Paris (1978) bis zur 25.-Generalkonferenz mit einstimmigem Beschluss einer neuen Kommunikationsstrategie der UNESCO (1989) festlegen. Sie kann als eine vor allem durch die Interessen der postkolonialen Staaten geprägte Phase begriffen werden, in der mit den USA und Großbritannien zwei der wichtigsten Geldgeber die UNESCO verließen. Der Wandel der UNESCO Medien- und Kommunikationspolitik in Richtung einer Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung vollzog sich in drei Etappen. Die erste Etappe war durch die bereits erwähnte Mediendeklaration der 20.-UNESCO-Generalkonferenz in Paris (1978) gekennzeichnet. Direkter Ausgangspunkt für diese war eine Initiative Weißrusslands von 1970, den Gebrauch von Massenmedien für Kriegspropaganda, Rassismus und Völkerhass verbieten zu lassen-- ein Vorstoß, der sich gegen den amerikanischen Sender »Radio Free Europe« und dessen Propagandaaktivitäten in Osteuropa richtete. Im Jahr 1972 wurde dann auf Initiative der UdSSR an den Generaldirektor der UNESCO der Auftrag gegeben, eine Resolution zum Thema Massenmedien vorzubereiten. Diesbezüglich zeichnete sich bei der Generalkonferenz 1974 ein erheblicher Dissens um den Entwurf zwischen Staaten des Westens (Position des Freien Informations- und Kommunikationsflusses), des Ostblocks (Position der nationalen Souveränität) und postkolonialer Staaten (Position des ausgeglichenen Informations- und Kommunikationsflusses bei nationaler Souveränität) ab. Auf der 20.-Generalkonferenz in Paris konnte dann unter dem Titel »Deklaration über die Grundprinzipien für den Beitrag der Massenmedien zur Stärwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 74 3 Regulation transkultureller Kommunikation 74 kung des Friedens und der internationalen Verständigung, zur Förderung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Rassismus, Apartheid und Kriegshetze« (Entwurf 20 C/ 20) eine Einigung hergestellt werden. Orientierend war hierfür die Grundformel »Freier Fluss und eine umfassendere und besser ausgewogene Verbreitung von Informationen«. Die unterschiedlichen Interessenlagen wurden mit dieser Formel wie folgt berücksichtigt: • westliche Staaten: durch die Formel des Freien Flusses und die Anerkennung der Meinungs- und Informationsfreiheit; • Ostblockstaaten: durch die soziale Verpflichtung der Massenmedien gegen Kriegspropaganda und die Verpflichtung der Massenmedien auf Frieden; • postkoloniale Staaten: durch die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung, die Verurteilung von Kolonialismus und Rassismus, die Forderung der Ausgewogenheit des Kommunikationsflusses und die Respektierung kultureller Identität. Der Stellenwert dieser Mediendeklaration auf der 20.- Generalkonferenz in Paris ist darin zu sehen, dass zum ersten Mal greifbare Ergebnisse in Bezug auf die medien- und kommunikationspolitische Gestaltung transkultureller Kommunikation vorlagen. Entsprechend kann man auch davon sprechen, dass der »Beschluss der Massenmediendeklaration […] einen ersten Meilenstein in der Debatte über eine Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung« (Rohn 2002: 47 f.) darstellt. Eine zweite Etappe ist der sogenannte »MacBride-Bericht« (1980). Ausgangspunkt für den Bericht war der Wunsch, die sich in Vorbereitung befindende Mediendeklaration der 20.- Generalkonferenz in Paris wissenschaftlich zu fundieren. Auf der 19.- Generalkonferenz war deswegen der Auftrag an den damaligen Generaldirektor Amadou Mahtar M’Bow ergangen, »eine Untersuchung aller Kommunikationsprobleme der heutigen Gesellschaft im Lichte des technologischen Fortschritts und neuester Entwicklungen in den internationalen Beziehungen unter Berücksichtigung ihrer Komplexität und ihres Umfangs« durchzuführen. In der Folge wurde eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des irischen Journalisten, Rechtsanwalts und Politikers sowie Nobel- und Leninpreisträgers Sean MacBride gegründet. Die Mitglieder der Kommission kamen aus Ägypten, Chile, Frankreich, Indien, Indonesien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Kolumbien, Niederlande, Nigeria, Tunesien, der UdSSR, den USA sowie Zaire und wurden nach den Kriterien ihrer Persönlichkeit, Sachkompetenz und Herkunft ausgewählt (MacBride 1981: 14). Der MacBride-Bericht muss als einer der zentralen Schritte hin zur Entwicklung der Vorstellung einer Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung gewertet werden. Zwar wurde dem Abschlussbericht in der zeitgenössischen Debatte vorgeworfen, im Vergleich zum Zwischenbericht zu einer »harmonisierenden Darstellungsweise der Problematik internationaler Kommunikation« (Rohn 2002: 50) zu tendieren. Andere Kritik bezieht sich darauf, dass der Bericht unübersichtlich und 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 75 75 begrifflich unklar sei, ihm ein klarer theoretischer Rahmen fehle, wichtige historische Daten und Dokumente nicht berücksichtigt und die Beiträge von Mitgliedern, die nicht die »Free-Flow-Doktrin« vertraten, nur unzureichend einbezogen worden seien (Breunig 1987: 113). Trotz solcher berechtigter Kritikpunkte bleibt dieser Bericht aber der zentrale zweite Schritt in der Entwicklung der Vorstellung einer Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung, da er der Mediendeklaration von Paris das argumentative Fundament gab. Hierbei zeigt der Bericht auch klar das Spannungsverhältnis auf, in dem die Regulation grenzüberschreitender Kommunikation zum damaligen Zeitpunkt (und auch bis heute) in kultureller Hinsicht stand (siehe untenstehende Textbox- 3): Auf der einen Seite geht es darum, die kulturelle Vielfalt zu sichern, auf der anderen Seite, den freien Fluss von Kommunikation zu ermöglichen. Textbox-3: MacBride-Bericht Kommunikation und Kultur »Die wechselseitige Abhängigkeit von Kultur und Kommunikation ist noch ausgeprägter. Besonders dann, wenn der Begriff ›Kultur‹ als die Gesamtheit der Errungenschaften menschlicher Kreativität verstanden wird-- ›alles, was der Mensch der Natur hinzugefügt hat‹--, als die Summe dessen, was das menschliche Leben über die tierische Ebene hinaushebt, alle Aspekte des Lebens und alle Arten des Verstehens umfassend. In diesem Lichte betrachtet, ist Kommunikation-- zwischen Menschen und zwischen Nationen-- eine wesentliche Komponente aller Lebensformen und damit aller Kulturen. Die Rolle der Kommunikation kann als die eines der wichtigsten Kulturträger betrachtet werden. Die Kommunikationsmedien sind kulturelle Instrumente, die der Förderung oder Beeinflussung von Einstellungen und Motivationen, der Verbreitung von Verhaltensmustern und sozialer Integration dienen […] Wir können uns eine reichere kulturelle Zukunft nur in pluralistischer Form vorstellen, wo die Kulturen, die die Vielfalt der Welt repräsentieren, miteinander verbunden, aber gleichzeitig ernsthaft um die Erhaltung der Originalität bemüht sind. Durch die Vermischung und Verschmelzung von Traditionen wird es zweifellos zu einer gewissen ›Hybridisierung‹ bestimmter Kulturformen kommen; dies ist in allen Abschnitten der Geschichte immer wieder geschehen. Das enorme Tempo der Veränderungen und die Gefahren der Vereinheitlichung werden es jedoch notwendig machen, in den sich entwickelnden Formen jene Elemente der Kulturen zu bewahren, die am charakteristischsten und am besten entwickelt sind; weniger wichtig sind die elementaren und alltäglichen Merkmale. Kulturelle Evolution ist unvermeidbar; die unvorhersehbare und entscheidende Frage ist jene nach den Elementen, die herangezogen werden sollten, um sie möglichst erfolgreich und nützlich zu gestalten.« (MacBride 1981: 55-57) www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 76 3 Regulation transkultureller Kommunikation 76 Kommunikationsfluss und Medienpolitik »Der vorwiegend von oben nach unten verlaufende Kommunikationsfluss ist eine der wesentlichen Schwachstellen der Kommunikation. Ein Trend zu verstärktem horizontalen Austausch würde viel mehr Stimmen zu Wort kommen lassen und vielfältige neue Quellen erschließen. Mehr Freiheit der Kommunikation ist aber nicht gleichbedeutend mit der Möglichkeit jedes einzelnen, wem immer er möchte zu jeder beliebigen Zeit auf jede beliebige Weise alles zu sagen, was ihm beliebt. Selbstverständlich wird niemand jemals die Möglichkeit oder die Mittel haben, mit allen anderen zu kommunizieren. Die verstärkte Partizipation von immer mehr Menschen an den Kommunikationsaktivitäten sollte jedoch beschleunigt werden, um die Demokratisierung des Kommunikationsprozesses und die Erweiterung der Kommunikationsflüsse in verschiedene Richtungen- - von oben nach unten, von unten nach oben und horizontal- - aus einer Vielzahl von Quellen zu fördern.« (MacBride 1981: 195) Der dritte Schritt in der Ausformulierung der Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung (NWICO) wurde mit der 21.-UNESCO Generalkonferenz in Belgrad (1980) vollzogen. Hier wurden auf Basis des MacBride-Berichts zum ersten Mal die Eckpunkte der Vorstellung einer Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung greifbar (Breunig 1998: 370): 1. Freier und ausgewogener Informationsfluss: Eine NWICO bedeutet nicht nur den freien Fluss von Information von den Industrieländern aus, sondern auch einen ausgewogenen Fluss von den Entwicklungsländern zurück. 2. Informationsvielfalt: Die NWICO muss eine Vielfalt von Informationen in jeder Hinsicht für Journalisten/ Produzenten und Rezipienten sichern. 3. Presse- und Informationsfreiheit: In einer NWICO besteht die Notwendigkeit der Absicherung von Presse- und Informationsfreiheit, bei gleichzeitiger Verantwortung von Journalistinnen und Journalisten in ihrer Berufspraxis. 4. Beseitigung von Monopolen/ Oligopolen: Eine Monopol-/ Oligopolbildung wird als Problem der NWICO erkannt; entsprechend sollen wegen ihrer negativen Wirkungen sowohl öffentliche als auch private Monopole abgebaut werden. 5. Praktische Medienhilfe: Entwicklungsländern soll im Rahmen der Realisierung einer NWICO praktische Medienhilfe zur Selbsthilfe gegeben werden. 6. Schutz kultureller Identität: Mit zunehmender Globalisierung der Medienkommunikation und damit steigenden transkulturellen Medienflüssen muss in einer NWICO die kulturelle Identität auch kleiner Nationen geschützt werden. 7. Recht auf Kommunikation: In einer NWICO muss ein grundlegendes Recht auf (Medien-)Kommunikation für Individuen, gesellschaftliche Gruppen, Völker und Nationen gesichert werden. 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 77 77 Hiermit war klar umrissen, was die Leitlinien einer NWICO aus Perspektive der UNESCO sein sollten-- Leitlinien, die bis heute ihre Ausstrahlung in die Diskussion um transkulturelle Kommunikation haben (vgl. Hamelink 2012; Vincent et al. 1999). Zur Erreichung der NWICO wurde in der Folgezeit eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Hierzu ist erstens das bei der Generalkonferenz in Belgrad ins Leben gerufene »International Programme for the Development of Communication« (IPDC) zu zählen, zum anderen eine Reihe von Round-Table-Gesprächen zu der Thematik. Insgesamt bestand das Problem der Etablierung einer NWICO jedoch darin, dass deren Konzeptionalisierung nicht den Rückhalt zweier zentraler Mitgliedsstaaten der UNESCO hatte, nämlich der USA und Großbritanniens. Indem von diesen beiden Staaten medien- und kommunikationspolitisch strikt die auch durch wirtschaftliche Interessen getragene Vorstellung eines »free flow of communication« ohne weitergehende Einschränkungen vertreten wurde, fand die Vorstellung der NWICO dort nie eine wirkliche Zustimmung. Zwar waren für den 1984 von der USA und 1985 von Großbritannien vollzogenen Austritt aus der UNESCO (Wiedereintritt 2004 bzw. 1997) offiziell die ideologische Ausrichtung, die Budgetverteilung und das Management der UNESCO die Gründe. Jedoch ist davon auszugehen, dass die auf eine NWICO fokussierte Medien- und Kommunikationspolitik ein weiteres erhebliches Argument hierfür gewesen ist, worauf in dem Austrittsschreiben von Großbritannien auch explizit hingewiesen wurde (vgl. Galtung/ Vincent 1995: 92-94). Durch diesen Austritt verlor die UNESCO 30 Prozent ihres Finanzbudgets, was den Reformdruck erheblich vergrößerte. Die sich hieran anschließende Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO war zuerst einmal durch einen Pragmatismus der Förderung einzelner Kommunikationsmaßnahmen gekennzeichnet, verdichtete sich dann aber immer mehr zu einer Phase des Schutzes der kulturellen Vielfalt (seit 1989). Das Jahr 1989 ist diesbezüglich nicht nur deswegen ein Einschnitt, weil zu diesem Zeitpunkt der bisherige Ostblock zusammenbrach und sich damit auch die Machtstrukturen in der UNESCO nachhaltig änderten. Der Einschnitt ergibt sich zusätzlich daraus, dass 1989 bei der 25.-Generalkonferenz in Paris einstimmig ein Beschluss zur »New Communication Strategy« vollzogen wurde (Resolution 25C/ 104). Hiermit wurde die Kritik insbesondere der Staaten des Westens an der Konzeption der NWICO in einer Neuausrichtung der Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO manifest. In der Präambel dieser Resolution wird wiederum der Gedanke des »free flow of ideas by word and image« hervorgehoben und durch den Bezug auf die entsprechenden Passagen der UNESCO- Verfassung, der Charta der UN und der Menschenrechtserklärung abgesichert. Im Text der Resolution selbst wird dann zu den Vorstellungen der NWICO Stellung genommen, und diese werden historisch eingeordnet. Dabei wird darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt der Umsetzung der NWICO der Informations- und Kommunikationsbereich durch starke Disparitäten und die verzerrenden Vorstellungen der postkolonialen Staaten geprägt gewesen sei (Rohn 2002: 56 f.). Dies, aber auch www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 78 3 Regulation transkultureller Kommunikation 78 die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre, machte eine Revision der Medien- und Kommunikationspolitik im Rahmen der UNESCO notwendig. Die neue Strategie wird dann als Entwicklungshilfe im Bereich von Medien und Kommunikation, als Training von Medienschaffenden und als Förderung von Medienbildung und -kompetenz gefasst (s. u.). Zur Umsetzung der neuen Strategie wird an dem IPDC als zentralem Instrument festgehalten, das jedoch entlang dieser eine inhaltliche Neuausrichtung erfährt (siehe zu dessen aktueller Entwicklung Servaes 1999; Servaes 2007). Zur ihrer medien- und kommunikationspolitischen Strategie nach 1989 sagt die UNESCO selbst: »Während die Legitimität der Forderung nach einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung als sich entwickelnder und kontinuierlicher Prozess anerkannt wird, besteht diese Strategie darin, in den Ländern, die nach einer solchen Hilfe fragen, die Ausbildung von Kommunikationsprofessionellen und die Ausstattungen für Medienerziehung zu entwickeln« (UNESCO 25C/ 104: 3). Für eine solche (neue) Zurückhaltung war sicherlich der Druck treibend, der auf die UNESCO durch den Austritt der USA und Großbritanniens entstanden ist und den andere westliche Staaten zu nutzen wussten. Dabei muss man sich aber bewusst sein, dass der Westen keinen einheitlichen medien- und kommunikationspolitischen Block in der UNESCO bildet, wenn man sich unterschiedliche Einschätzungen beispielsweise in Bezug auf die späteren GATS-Verhandlungen in Frankreich und Australien vergegenwärtigt (siehe dazu Kap. 3.1). Während Frankreich auf der Besonderheit auch von Mediendiensten als Kulturleistungen insistiert, vertritt Australien die Position, diese als Waren zu behandeln. Gleichzeitig haben global agierende Medienkonzerne ebenfalls eine Lobby-Politik in Richtung einer Neuausrichtung der medien- und kommunikationspolitischen Strategie der UNESCO betrieben. Tabelle-2: Stationen der UNESCO Medien- und Kommunikationspolitik Jahr Ereignis Ergebnis 1945 London Conference Free-Flow-Doktrin in der am 16.11.1945 beschlossenen UNESCO-Konstitution verankert 1972 17. UNESCO-Generalkonferenz (Paris) Gleiches Recht auf Zugang zu Kommunikationssatelliten für alle Staaten in Satellitendeklaration festgehalten 1974, 1976 18./ 19. UNESCO- Generalkonferenzen (Paris/ Nairobi) Diskussionen über die »Draft Declaration on Fundamental Principles« 1978 20. UNESCO-Generalkonferenz (Paris) Einstimmiger Beschluss einer Kompromissversion der sog. »Massenmediendeklaration« 1980 21. UNESCO-Generalkonferenz (Belgrad) Bericht der »International Commission for the Study of Communication Problems«, Festlegung der Grundlagen der NWICO, Einrichtung des »International Programme for the Development of Communication« 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 79 79 Jahr Ereignis Ergebnis 1981 »Voices-of-Freedom«- Konferenz (Talloires) Plädoyers von Medienvertretern für den »free flow of information« 1983 »First Round Table on a NWICO« (Innsbruck- Igls) Stärkere Differenzen zwischen den westlichen Industriestaaten und den Ländern der Dritten Welt über die Modalitäten der Realisierung der NWICO 1984, 1985 Rückzug der USA und Großbritanniens aus der UNESCO Austritt der USA (per 31.12.1984) und Großbritanniens (per 31.12.1985) aus der UNESCO (Großbritannien seit 01.07.1997, USA seit 1.10.2004 wieder Mitglied) 1987 24. UNESCO-Generalkonferenz (Paris) NWICO als Zielvorstellung der UNESCO letztmalig angesprochen 1989 25. UNESCO-Generalkonferenz (Paris) Einstimmiger Beschluss der neuen Kommunikationsstrategie der UNESCO, Renaissance der Free-Flow-Doktrin 1991- 1997 Regionale Seminare »Promoting Independent and Pluralistic Media« Seminare von Windhuk, Alma Ata, Santiago, Sana’a und Sofia zur Umsetzung der neuen Kommunikationsstrategie 1999 »Regional Seminar on Promoting Community Media in Africa« (Kampala) Diskussion über den Einsatz von Gemeinschaftsmedien in Afrika sowie in Asien und Lateinamerika 2000 20. Sitzung des »Intergovernmental Council« des IPDC Bilanz von 20 Jahren IPDC im Rahmen der »thematischen Debatte« 2001 31. UNESCO-Generalkonferenz (Paris) Beschluss der »Medium-Term Strategy 2002-2007« mit deutlicher Akzentsetzung im Bereich der »Wissensgesellschaft« 2003- 2005 World Summit on the Information Society UN/ ITU-Weltgipfel zur Zukunft der Informationsgesellschaft, Vorkonferenzen unter Beteiligung der UNESCO 2005 Konvention zur kulturellen Vielfalt Verabschiedung des »Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen« am 20. Oktober 2005 durch die UNESCO-Generalkonferenz 2009 35. UNESCO-Generalkonferenz Vorstellung des UNESCO-Weltberichts 2009 zur kulturellen Vielfalt am 20. Oktober 2009 in Paris 2010- 2012 WSIS Foren (Genf ) Expertentagungen zur Einschätzung der Implementierungen der-WSIS-Ergebnisse unter organisatorischer Beteiligung der UNESCO Quelle: erweitert nach Rohn 2002: 73 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 80 3 Regulation transkultureller Kommunikation 80 In einer solchen Argumentationslinie hat Walter Rohn (2002: 76) darauf hingewiesen, dass das »neue Free-Flow-Abkommen […] konzeptionell und entwicklungsgeschichtlich auf den Grundlagen des Neoliberalismus« beruht. Seiner Argumentation nach entspricht die Vorstellung des freien und ungeregelten Informationsflusses der neoliberalen Zielsetzung der Öffnung nationaler Ökonomien bzw. dem wirtschaftspolitischen Instrument der Deregulierung der 1980er-Jahre. Insbesondere würde die neoliberale Zielsetzung der Privatisierung von staatlichen und kommunalen Einrichtungen in der Programmatik der UNESCO-Seminare für unabhängige und pluralistische Medien greifbar. Ähnlich argumentiert auch Veva Leye, die betont, dass die »massiveren Kritiken der Vergangenheit (die strukturelle globale Ungleichheiten diskutierten) verschwunden sind« (Leye 2009: 952) und nun ein Ansatz dominiere, der sich nur auf individuelle Entwicklungsmöglichkeiten konzentriere. Letztlich steht dafür die Annäherung der UNESCO an Informations- und Kommunikationstechnologien, die als ein neutrales Werkzeug zur individuellen Ermächtigung begriffen werden. Insofern manifestiert sich in der Umorientierung der UNESCO der Durchbruch einer globalen Kommerzialisierung der Medien seit den 1980er-Jahren. Gleichzeitig jedoch sollte man im Blick haben, dass ein Gleichsetzen des Strategiewandels mit einem Durchbruch des Neoliberalismus in der UNESCO selbst zu kurz greifen würde. Betrachtet man die de facto realisierten Maßnahmen der UNESCO in der Medien- und Kommunikationspolitik genauer, erscheint die neue Strategie durch einen auf den ersten Blick zuerst einmal widersprüchlichen Versuch der Regulation von Globalisierung gekennzeichnet: Einerseits dominieren Vorstellungen, dass die von (global agierenden) Medienunternehmen getragene und von einzelnen Staaten vorangetriebene Globalisierung der Medienkommunikation politisch nicht aufzuhalten ist und Potenziale für transkulturelle Verständigungsprozesse bietet. Andererseits wird Globalisierung als etwas begriffen, dem politisches Handeln nicht ausgeliefert, sondern als zumindest in dem Sinne politisch gestaltbar ist, dass (kulturell) problematische Folgen abgefedert werden können. Hierauf zielt die gegenwärtige Medien- und Kommunikationspolitik der UNESCO. Als zentrales Dokument dieser Medien- und Kommunikationspolitik der Regulation von Globalisierung kann die von der UNESCO-Generalkonferenz am 20. Oktober 2005 verabschiedete »Convention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expressions« (dt. »Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen«) gelten. Folgt man den Darlegungen des Medienrechtlers Peter S. Grant (2011: 342-348)-- der als Berater selbst an den Entwicklungen hin zur Genese des Dokuments beteiligt gewesen ist (siehe Grant/ Wood 2004: 378-405)--, kann diese »Convention on Cultural Diversity« als eine Antwort auf die Deregulationsbestrebungen der Uruguay-GATT-Verhandlungen und ihre Folgen begriffen werden (siehe hierzu Kap. 3.1). So bestand zwischen Kanada und den USA in den 1990er-Jahren ein Konflikt dahingehend, inwieweit amerikanische Medienkonzerne sogenannte »split-run editions« ihrer Zeitschriften in Kanada vertreiben 3.3 Vom freien Kommunikationsfluss zur Regulation der-Globalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 81 81 durften. Hierbei handelt es sich um Magazine, deren Inhalte sich bereits auf dem amerikanischen Markt amortisiert haben, die zur weiteren Wertschöpfung aber nochmals mit kanadischen Werbeanzeigen für den dortigen Markt aufbereitet werden. Kanada unterlag den USA in diesem »periodicals case« vor der WTO. Dieser Fall verdeutlichte, inwieweit in der WTO ein Verständnis von Medienprodukten als reinen Wirtschaftswaren dominierte und mit Argumenten, dass es sich hierbei auch um Kulturprodukte handelte, in der Welthandelsorganisation keine Anhänger zu finden waren. Letztlich trugen solche Erfahrungen dazu bei, »nach einem internationalen Abkommen zu drängen, das sich speziell mit Kultur und Handel befasst« (Grant 2011: 344). Als idealer Ort dafür wurde die UNESCO angesehen, nicht zuletzt, weil hier ausgehend vom MacBride-Report bereits ein entsprechender Diskurs bestand. Der Weg zur »Convention on Cultural Diversity« war allerdings nicht geradlinig und dauerte von den ersten Überlegungen rund sieben Jahre (siehe hierzu Bernier 2008; Fullman 2005; Grant 2011; Grant/ Wood 2004). Nach der Annahme einer nicht bindenden universellen Erklärung zur kulturellen Vielfalt im Jahr 2001 verabschiedete die UNESCO im Oktober 2003-- mit Zustimmung der USA-- eine Resolution, die bis 2005 eine Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt verlangte. Während sich verschiedene Länder in Europa, Afrika und Asien hinter die Initiative stellten, versuchten die USA, diese über die WTO mit zwei Argumenten zu stoppen (Grant 2011: 347): Erstens könnten einzelne Regierungen durch eine solche Konvention Einschränkungen der »Meinungsfreiheit« oder anderer Menschenrechte rechtfertigen. Zweitens wäre es möglich, dass die Konvention Handelsregeln der WTO negativ beeinflussen würde. Am 20. Oktober 2005 wurde die Konvention dann mit 148 Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen (USA, Israel) und vier Enthaltungen (Australien, Nicaragua, Honduras und Liberia) angenommen. Anfang 2010 war die Konvention bereits von über 100 Ländern in der Welt ratifiziert worden. Wodurch zeichnet sich die Konvention nun im Kern aus? Bezogen auf hier interessierende Fragen ist die Präambel des Abkommens von Bedeutung, in der explizit auf die »Prozesse der Globalisierung« verwiesen wird, »die durch die rasche Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien erleichtert worden sind, noch nie dagewesene Voraussetzungen für eine bessere Interaktion zwischen den Kulturen geschaffen haben, gleichzeitig jedoch eine Herausforderung für die kulturelle Vielfalt darstellen, insbesondere im Hinblick auf die Gefahr von Ungleichgewichten zwischen reichen und armen Ländern« (UNESCO 2005a: 3). Solche Formulierungen machen das bereits bekannte Spannungsverhältnis deutlich, in dem sich die Konvention positioniert. Dieses ergibt sich auf der einen Seite durch die mit fortschreitender Mediatisierung und Globalisierung steigenden Möglichkeiten einer transkulturellen Kommunikation. Auf der anderen Seite bestehen aber auch Probleme einer unregulierten Globalisierung-- Probleme, die vor allem in der Ungleichheit von (kulturellen) Entwicklungsmöglichkeiten und der Gefährdung kultureller Vielfalt gesehen werden. Diesbezüglich werden explizit auch »Minderheiten und indigene Völker« www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 82 3 Regulation transkultureller Kommunikation 82 (UNESCO 2005a: 3) genannt. Ausgehend von solchen grundsätzlichen Aussagen wurden konkrete Ziele und Grundsätze formuliert, die auf den Schutz der kulturellen Vielfalt abheben. In der medien- und kulturpolitischen Diskussion gibt es aktuell eine Diskussion darüber, wie diese Konvention zur Förderung der kulturellen Vielfalt zu bewerten ist. Der bereits zitierte Medienrechtler Peter S. Grant (2011: 348-349) verweist darauf, dass man diese Konvention nicht auf deren Beziehung zu den WTO Vertragswerken reduzieren kann. Es geht also nicht einfach um die Frage, ob die Konvention die WTO-Abkommen außer Kraft setzt oder nicht (Hahn 2006; Voon 2011) oder ob sie die Interpretation und die Handhabung von GATT und GATS beeinflusst (Graber 2006; Raboy/ Mawani 2012). Folgt man Peter Grant selbst, so sieht er darüber hinausgehend sechs Momente, in denen die Konvention Einfluss entfaltet: i) Die Konvention verweist auf konkrete Maßnahmen zur Sicherung der kulturellen Vielfalt; ii) sie führt die Besonderheit von Kulturprodukten vor Augen; iii) sie schafft einen Förderfonds vor allem für Entwicklungsländer; iv) sie schützt die Meinungsvielfalt; v) sie hilft bei der Interpretation bestehender Verträge; und vi) sie rät von einer weiteren Handelsliberalisierung im kulturellen Bereich ab. Zentral erscheint daneben, dass der um diese Konvention erstarkende Diskurs um Transkulturalität und kulturelle Vielfalt selbst nicht zu unterschätzen ist. Greifbar wird dies an dem 2009 erschienenen »UNESCO World Report: Investing in Cultural Diversity and Intercultural Dialogue« (UNESCO 2009). Dieser stellt sich in die Tradition des »UNESCO World Report: Towards Knowledge Societies« (UNESCO 2005b; siehe auch UNESCO 1997 und UNESCO 1999), der Teil der zweiten Phase des World Summit on the Information Society gewesen ist (siehe zu diesem das folgende Teilkapitel). Ziel des Weltberichts von 2009 ist es, kulturelle Vielfalt in ihren verschiedenen Aspekten zu analysieren, deren Wichtigkeit aufzuzeigen und Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass die Berücksichtigung von kultureller Vielfalt beim Treffen von Entscheidungen relevant ist (UNESCO 2009: 3). Hierbei ist der Bericht gleichwohl alles andere als traditionalistisch angelegt. Durch ihn hindurch zieht sich die Argumentation, dass transkulturelle Kontakte zu neuen Formen kultureller Vielfalt führen und dass hierfür digitale Medien zentrale Mittel sind. Entsprechend zielt der Bericht darauf, neue Strategien zu entwickeln, solche Veränderungen zu gestalten und dabei gefährdete Bevölkerungsgruppen in die Lage zu versetzen, auf wirksamere Weise mit kulturellen Veränderungen umzugehen (UNESCO 2009: 13-19). Bezogen auf Fragen von Medienkommunikation geht es u. a. um die Förderung kulturell vielfältiger Medienprodukte und -dienste. Solche Empfehlungen richten sich aber nicht mehr einfach an Staaten, sondern ebenso an zivilgesellschaftliche Akteure wie NGOs oder privatwirtschaftliche Akteure wie Medienunternehmen. Betrachtet man die Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt bzw. die weitere Gesamtentwicklung der Medienpolitik der UNESCO aus Sicht der transkulturellen Kommunikation, wird wie eingangs formuliert eine Verschiebung der kommu- 3.4 Global Governance der Medien www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 83 83 nikativen Figurationen von Regulation selbst deutlich. Diese Verschiebung lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen ausmachen. Dies geschieht zuerst einmal auf der Ebene der UNESCO selbst. So war diese Organisation als kommunikative Figuration in der Nachkriegszeit anfangs dominiert von den USA und ihren Interessen. Diese bestanden nicht nur in einem-- nach den Propagandaerfahrungen des Zweiten Weltkriegs nachvollziehbaren- - »free flow of communication«. Es ging ebenso um die Wirtschaftsinteressen eines »free trade of communication«. Diese US-dominierte kommunikative Figuration kennzeichnete die medienpolitische Entscheidungsfindung der UNESCO in den ersten Jahren, bis sich durch die zunehmende Zahl von unabhängigen ehemaligen Kolonialländern und durch den Ost-West-Konflikt die Gesamtkonstellation der UNESCO änderte. In den Vordergrund rückte damit eine geteilte Suche nach einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung, die ihr Ende durch den Austritt der USA und Großbritanniens aus der UNESCO in einer abermaligen Verschiebung der kommunikativen Figuration der UNESCO fand. Nach einer Phase der Re-Orientierung im Anschluss an den Wiedereintritt dieser beiden Länder stabilisierte sich die UNESCO wieder, wobei deren Kennzeichen nach dem Zusammenbruch der UdSSR bzw. dem Relevanzgewinn Chinas und Indiens eine größere Multipolarität ist. Dem entspricht ein vielfältiges Ringen um den Schutz von kultureller Vielfalt, was explizit eine Regulation von Globalisierung mit einschließt. Wir sehen also, wie sich die kommunikative Figuration der politischen Entscheidungsfindung in der UNESCO-- die wiederum die weitere Weltlage reflektiert-- in deren medien- und kommunikationspolitischen Beschlüssen niederschlägt. Dabei ist allerdings auszumachen-- und dies kann gewissermaßen als eine zweite Ebene der Betrachtung gelten--, dass sich die Akteure der Verhandlung von Regulation ausweiten: Während die Anfangsdiskussion der UNESCO ganz klar auf staatliche Akteure bzw. internationale Verträge zugeschnitten gewesen ist, wird im Diskurs um kulturelle Vielfalt deutlich, inwieweit verstärkt auch andere Akteure einbezogen werden. Gemeint sind an dieser Stelle verschiedene Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und privatwirtschaftliche Unternehmen. Hat man diese Akteure im Blick, landet man bei einem weiteren Aspekt der gegenwärtigen Diskussion um die politische Regulation von transkultureller Kommunikation, nämlich dem der Global Governance der Medien. 3.4 Global Governance der Medien Überlegungen einer Global Governance der Medien setzen an dem Punkt an, an dem die Globalisierung der Medienkommunikation die Medien- und Kommunikationspolitik vor nicht gekannte Herausforderungen stellt. Wie der Politikwissenschaftler Hans- J. Kleinsteuber (2005: 111) feststellt, hatte eine internationale, von einzelnen Nationalstaaten ausgehende Medien- und Kommunikationspolitik kein Problem, www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 84 3 Regulation transkultureller Kommunikation 84 solange die von ihr gegründeten Organisationen, wie die ITU, für die erforderliche weltweite technische, finanzielle und kulturelle Institutionalisierung sorgten, während Akteure und Märkte weitgehend national abgegrenzt blieben. Mit der Durchsetzung einer globalen Medienkommerzialisierung mit entsprechend länderübergreifend operierenden Akteuren ist genau dies jedoch nicht mehr gegeben: »Der herkömmliche Staat (›government‹), der mit autoritativer Anordnung Politik gestaltet, ist gerade medienpolitisch vielerorts an seine Grenzen gestoßen, er hat seine Durchsetzungsfähigkeit verloren« (Kleinsteuber 2005: 112). Angesichts der damit verbundenen erheblichen Schwierigkeiten internationaler Organisationen und nationaler Regierungen, global eine von allen Seiten akzeptierte Ordnungspolitik durchsetzen zu können, hat man sich über neue Formen globaler Politik Gedanken gemacht, was in dem Ausdruck der Global Governance zusammengefasst wird. Der Begriff Global Governance bezeichnet also in Abgrenzung zu »government« (dt.: Regierung, mit entsprechend national-territorialen Hierarchien der Herrschaft) eine Form politischer Regulation, die jenseits des Nationalstaats besteht und dabei auch nicht-staatliche Akteure insbesondere der Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft einbezieht. Mit den Worten der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Ingomar Hauchler, Dirk Messner und Franz Nuscheler lässt sich Global Governance dann als »eine politische Architektur [definieren], die es erlaubt, von einer einseitig staatenzentrierten und konfliktiven Weltordnung zu einem kooperativen Netzwerk von Staaten, internationalen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Akteuren (Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft, Wissenschaft u. a.) überzugehen, das in eine globale Rechtsordnung eingebettet ist und […] durch Elemente globaler Staatlichkeit ergänzt wird« (Hauchler et al. 2001: 35 f.; siehe auch Messner/ Nuscheler 2006). Das Konzept der Global Governance hat eine eher analytische und normative Komponente (Behrens/ Reichwein 2007: 311). Diese lassen sich zwar heuristisch voneinander unterscheiden, empirisch gesehen kommen sie aber immer wieder zusammen. Analytisch fasst Global Governance die institutionalisierten Koordinationsformen, in denen neben staatlichen Akteuren auch private Akteure systematisch in die Prozesse der Normsetzung und Normdurchsetzung eingebunden sind. Solche Vorstellungen von Governance wurden gleichwohl stimuliert von normativen Überlegungen der UN »Commission on Global Governance«, die 1991 ins Leben gerufen wurde, um Visionen für eine zukünftige internationale Politik zu erarbeiten (Behrens/ Reichwein 2007: 315; zu den Ergebnissen der Kommission siehe Commission of Global Governance 1995). Nach wie vor sind solche normativen Vorstellungen eine wichtige Implikation, wenn von Global Governance gesprochen wird, auch bezogen auf Fragen der Medienkommunikation. Das Konzept der Global Governance greift konventionelle Vorstellungen von Regierbarkeit auf, geht aber deutlich über diese hinaus, indem es Regeln, Regulierungsmechanismen und politische Umsetzungen einschließt (vgl. Messner/ Nuscheler 1996: 12-36). Im Kern steht die Vorstellung eines runden Tisches, an dem alle Betei- 3.4 Global Governance der Medien www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 85 85 ligten bzw. Betroffenen zusammensitzen, um sich über die gemeinsamen Probleme zu verständigen und Kompromisse auszuhandeln (vgl. Kleinsteuber 2005: 113). Als Beteiligte werden wie gesagt nicht nur Staaten begriffen, sondern ebenso weitere (globale) Akteure der Zivilgesellschaft (NGOs und soziale Bewegungen) und Privatwirtschaft (beispielsweise global agierende Unternehmen). Zwar ist Global Governance selbst nicht unumstritten, u. a., da es nichtstaatlichen Akteuren im Gegensatz zu demokratischen Staaten und deren Institutionen an einer klassischen demokratischen Legitimierung durch Wahlen mangelt (Behrens/ Reichwein 2007: 317-319). Nichtsdestotrotz bietet Global Governance-- so zumindest die Hoffnung-- die Möglichkeit der (Rück)Gewinnung eines politischen Gestaltungsraums, auch mit fortschreitender Globalisierung. Als bisher herausgehobenes, gleichwohl kontrovers diskutiertes Beispiel einer solchen Global Governance der Medien gilt der bereits im letzten Teilkapitel angesprochene Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS, World Summit on the Information Society). Hierbei waren neben Staaten Wirtschaftsunternehmen und die Zivilgesellschaft in den Prozess mit eingebunden. Der Begriff der Zivilgesellschaft ist dabei sicherlich schillernd. Greift man an dieser Stelle die Definition des politischen Aktivisten und Theoretikers Antonio Gramsci auf, ist unter Zivilgesellschaft das Gesamt der »gesellschaftliche[n] Selbstorganisationen (Assoziationen) [zu verstehen], in denen sich die Auffassungen von richtiger gesellschaftspolitischer Gestaltung herausbilden« (Haug 2005: 212). Hinter einer solchen Begrifflichkeit steht demnach die analytische Unterscheidung von Staat, Markt und Zivilgesellschaft, wobei Letztere als relativ unabhängige, nicht-profitorientierte Sphäre zwischen dem Staat und dem Markt verstanden wird (Cammaerts/ Carpentier 2007: 17 f.). Global Governance der Medien bedeutet demnach, diese drei Akteursgruppen an Prozessen der politischen Regulation von Medienkommunikation zu beteiligen. Exemplarisch werden an dem WSIS solche »multi-stakeholder policy processes« (Cammaerts 2011) greifbar. Der Weltgipfel ist aber auch aus einem anderen Grund von Interesse: So war der WSIS, der von 2003 bis 2005 stattfand, einer der ersten Weltgipfel, bei dem Informations- und Kommunikationstechnologien in breitem Maße dazu genutzt wurden, transkulturell mit den beteiligten Akteuren der Zivilgesellschaft (und Wirtschaft) zu kommunizieren (Cammaerts/ Carpentier 2007: 23). Vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation gilt es, dabei im Blick zu haben, dass der WSIS auf einen gewissen Relevanzverlust der UNESCO bei der globalen Medien- und Kommunikationspolitik verweist: Auch wenn die UNESCO an einer Vorbereitungskonferenz zum WSIS beteiligt gewesen ist, war es eine andere UN-Sonderorganisation, die den Gipfel voranbrachte, nämlich die International Telecommunication Union (ITU). Mit Ende der Diskussion um die NWICO war ein gewisses Vakuum in der globalen Auseinandersetzung mit einer Medien- und Kommunikationsordnung entstanden, und dieses wusste die ITU für sich zu nutzen. Bereits in den 1980er-Jahren befasste sich die ITU nicht nur mit der Kommunikationsinfrastruktur, www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 86 3 Regulation transkultureller Kommunikation 86 sondern verstärkt auch mit den Entwicklungsperspektiven von informations- und kommunikationsgestützten Dienstleistungen. Mit fortschreitender Deregulierung der Telekommunikationsmärkte machte sich die ITU Teile der NWICO-Diskussion zu eigen und begann, für eine Erweiterung ihres Aufgabenfelds zu werben. Es wurde eine Reihe von »kleinen Weltkonferenzen« (Kleinwächter 2004b: 21) zu einzelnen Sachfragen der Telekommunikation und im weiteren Verlauf zum Internet bzw. zur Netzkommunikation durchgeführt. Themen waren »Global Mobile Personal Communication by Satellites«, »Trade in Telecommunication Services« und »Internet Telephony«. Entsprechend stand es im Raum, Fragen der Informations- und Kommunikationsgesellschaft insgesamt in einer »großen Weltkonferenz« zu verhandeln. Seitens der ITU wurde dieses Projekt vorangetrieben, insbesondere von den USA aber kritisch gesehen. Deren Regierung hatte eigene Vorstellungen, wie eine globale Informationsgesellschaft organisiert sein sollte. Es war das Ziel der US-amerikanischen Regierung, zu verhindern, dass die ITU das Thema der »Internet Governance« (Vergabe von Internetadressen, die die ICANN regelt, d. h. die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) besetzt. Entsprechend sah die Kompromisslinie aus: Die US-Regierung war bereit, die Vorbehalte gegen eine Beschäftigung der ITU mit Fragen globaler Kommunikation zu lockern, nachdem die ITU zustimmte, dem privaten Sektor die Führung bei der Internet Governance zu überlassen (vgl. Kleinwächter 2004a; Cammaerts 2011: 135). In der Folge reichte die ITU 1998 den Vorschlag für den WSIS an das »Administrative Committee on Coordination« der UN ein und erhielt ein positives Signal, diesen zu realisieren. Der ITU Council fällte dann im September 2000 die endgültige Entscheidung, den Gipfel abzuhalten. Die Vorbereitung des WSIS kann man zusammenfassend als einen Versuch der Institutionalisierung von Global Governance im Rahmen einer UN-Weltkonferenz charakterisieren. Der Weltgipfel wurde in zwei Phasen eingeteilt: eine erste Phase mit einem Gipfel in Genf 2003 und eine zweite Phase mit einem weiteren in Tunis 2005. Die eigentliche Besonderheit des WSIS ergibt sich durch den Beschluss der Resolution 56/ 183 der UN-Vollversammlung. Nach dieser sollte die UN-Konferenz zum ersten Mal nicht nur als Regierungskonferenz stattfinden, sondern angesichts der Thematik Vertreter des privaten Sektors (der Wirtschaft) und der Zivilgesellschaft (soziale Bewegungen und NGOs) beteiligen. Die Vorbereitungskonferenzen waren dann auch durch Auseinandersetzungen darüber gekennzeichnet, wie dies zu institutionalisieren sei. Wie Bart Cammaerts (2011) herausgearbeitet hat, war für die Positionierung der zivilgesellschaftlichen Akteure dabei das Ineinandergreifen von online geführten Diskussionen und Face-to-Face-Treffen zentral-- wobei vor allem europäische und nordamerikanische zivilgesellschaftliche Akteure in dem Prozess aktiv gewesen sind. Die Hauptkonfliktlinien verliefen zwischen Vertretern der Zivilgesellschaft, die dieselben Verhandlungs- und Stimmrechte einforderten wie die Vertreter der Regierungen, und verschiedenen Regierungsvertretern, die einer solchen Forderung u. a. vor dem Hintergrund der vollkommen unterschiedlichen Legitimität von Vertretung 3.4 Global Governance der Medien www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 87 87 nicht zustimmen wollten. Die Möglichkeiten, die Nichtregierungsvertretern auf dem WSIS eingeräumt wurden, sahen wie folgt aus (vgl. Kleinwächter 2004b: 38 f.): Nichtregierungsvertreter hatten weder Verhandlungsnoch Stimmrecht, sie durften aber an offenen Plenarsitzungen teilnehmen und schriftliche Materialien unterbreiten. Zusätzlich hatten die Vorsitzenden der jeweiligen Regierungsgruppen die Möglichkeit, nicht-staatliche Vertreter einzuladen. Das Sekretariat der ITU entwickelte außerdem eine Online-Plattform, um die zivilgesellschaftlichen Akteure in den Vorbereitungsprozess des WSIS einzubeziehen, indem sie schriftliche Stellungnahmen verfassen konnten, die dann von Seiten der ITU auf die offizielle Webseite des WSIS zur weiteren Diskussion gestellt wurden (Cammaerts/ Carpentier 2007: 24-26). Bei den Ergebnissen dieses ersten Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS I) sollten Fragen der Institutionalisierung von denen des Inhalts unterschieden werden. Für die Institutionalisierung von Global Governance bedeuten die Ergebnisse, dass keine Gleichberechtigung der verschiedenen Interessensgruppen (Regierungen, privater Sektor, Zivilgesellschaft) gelang. Der Bereitschaft von Seiten der Regierungen, die ihnen in UN-Weltkonferenzen angestammte Macht zu teilen, sind deutliche Grenzen gesetzt. Umgekehrt gelang es insbesondere den Vertretern der Zivilgesellschaft durch Sachkompetenz und Hartnäckigkeit, mehr Einfluss auf den Aushandlungsprozess ausgeübt zu haben, als die ihnen zugestandenen formalen Möglichkeiten zu eröffnen schienen. Hier mag der Umstand vielleicht täuschen, dass es in Genf neben dem offiziellen Schlussdokument eines der Zivilgesellschaft gegeben hat. Auch das offizielle Genfer Dokument trägt deutlich die Spuren der Diskussion zwischen Vertretern von Regierungen und der Zivilgesellschaft. Das verweist auf die inhaltlichen Ergebnisse des ersten WSIS, nämlich die WSIS-Grundsatzerklärung (»Declaration of Principles«), den WSIS-Aktionsplan (»Plan of Action«) und die WSIS-Deklaration der Zivilgesellschaft (»Declaration of Civil Society«). Die WSIS-Grundsatzerklärung (WSIS-DP) bekennt sich zu einer »Vision der Informationsgesellschaft«, in deren Zentrum die Bedürfnisse der Menschen stehen sollen. Dies wird mit dem Satz umrissen, dass es darum ginge, »eine den Menschen in den Mittelpunkt stellende, integrative und entwicklungsorientierte Informationsgesellschaft aufzubauen« (WSIS-DP, A.1). Für die Etablierung dieser »Informationsgesellschaft für alle« (WSIS-DP, B.1) werden insgesamt elf Grundsätze formuliert. Diese reichen von dem Hinweis, alle Interessensgruppen (Regierungen/ UN, den Privatsektor und die Zivilgesellschaft) am Aufbau einer Informationsgesellschaft zu beteiligen, bis hin zur Feststellung, dass eine globale Informationsgesellschaft auf internationaler und regionaler Zusammenarbeit verschiedener Interessensgruppen fußen soll. In Bezug auf transkulturelle Kommunikation erscheint einmal mehr der achte Grundsatz zur kulturellen Vielfalt relevant (siehe für folgende Zitate WSIS-DP, B.8). Der Annahme einer Dominanz des Internets durch den »Westen« wird gegenübergestellt, dass »kulturelle Vielfalt […] das gemeinsame Erbe der Menschheit« ist. Entsprechend sollte auch eine Informationsgesellschaft kulturelle Identitäten und Vielfalt nicht nur www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 88 3 Regulation transkultureller Kommunikation 88 achten, sondern darüber hinaus diese Achtung und den transkulturellen Dialog fördern. An dieser Stelle wird explizit auf die bereits näher diskutierte Konvention der UNESCO zur kulturellen Vielfalt verwiesen und damit an die dortige Diskussion angeschlossen. Konkret bedeutet dies, dass »beim Aufbau einer integrativen Informationsgesellschaft […] der Schaffung, Verbreitung und Erhaltung von Inhalten in verschiedenen Sprachen und Formaten eine hohe Priorität einzuräumen« ist. Die Informationsgesellschaft soll das kulturelle Erbe mit allen geeigneten Mitteln, einschließlich der Digitalisierung, erfassen und für die Zukunft erhalten. An diesen elf Punkten der WSIS-Grundsatzerklärung orientiert sich dann auch der WSIS-Aktionsplan (WSIS-PA), der über entsprechende Konferenzen fortlaufend überprüft wird. Hier werden-- ausgehend von der allgemeinen Zielvorgabe, bis 2015 »eine Integrative Informationsgesellschaft aufzubauen« (WSIS-PA, B.4)- - in Bezug auf jeden der elf Punkte konkrete Maßnahmen als Handlungsschwerpunkte (WSIS- PA, C) formuliert. Die zweite Phase des Weltgipfels in Tunis hatte dann zum Ziel, die Fortschritte bei diesem Aktionsplan zur Überbrückung der digitalen Spaltung zu überprüfen. Diesen Ergebnissen des ersten Treffens des WSIS in Genf wurde eine von der Interessensgruppe der Zivilgesellschaft ausgearbeitete Erklärung zur Seite gestellt. Kernpunkt der in der WSIS-Deklaration der Zivilgesellschaft (WSIS-DCS) formulierten Kritik ist, dass die offiziellen Dokumente eine Bestätigung des Ist-Zustands und insbesondere im Bereich der konkreten Maßnahmen nicht hinreichend spezifisch sind. Ganze zentrale Themenbereiche wie der des geistiges Eigentums und des freien Zugangs zu Wissen, oder die Frage der Finanzierungsmechanismen seien ausgespart worden (vgl. Kleinwächter 2004b: 86-96). Ein wichtiges Argument der Kritik ist, dass es gegenwärtig weniger um Fragen einer in der Begriffsbildung technologisch orientierten, (globalen) Informationsgesellschaft ginge, als um die Inklusivität von Informations- und Kommunikationsgesellschaften in Zeiten fortschreitender Digitalisierung. Die Beschränkung der offiziellen Schlussdokumente auf ein neoliberal geprägtes Verständnis der Informationstechnologie wird ebenfalls von den der Zivilgesellschaft nahestehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kritisiert (Siochrú 2004). Bezugspunkt dabei ist einmal mehr die Diskussion in der UNESCO um die Weltinformations- und Kommunikationsordnung. In Tunis rückten dann im November 2005 stärker konkrete Mechanismen zukünftiger Governance in den Fokus. Nach längeren Verhandlungen wurde auf diesem zweiten-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS II) beschlossen, ein Internet Governance Forum (IGF, http: / / www.intgovforum.org) zu gründen, das sich mit der Zukunft des Internets beschäftigen soll. Das IGF ist also (noch) keine Organisation einer Global Governance des Internets. Vielmehr muss es als Institutionalisierung des Prozesses der Herausbildung solcher Organisationsmöglichkeiten begriffen werden. Vor diesem Hintergrund ist auch naheliegend, dass das IGF-- wie Kleinwächter (2006: 1) nachdrücklich anmerkt-- als »eine Art Hybride« angelegt ist. Es ist weder eine Regierungs- 3.4 Global Governance der Medien www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 89 89 organisation wie die ITU noch eine private Gesellschaft wie die ICANN. Vielmehr muss man sich das Forum als eine Plattform vorstellen, »wo Akteure mit unterschiedlichem juristischen Status und politischen und ökonomischen Gewicht gleichberechtigt miteinander reden« (Kleinwächter 2006: 1). Es geht also darum, über das Forum einen Mechanismus der Herausbildung einer festen Organisation der Global Governance des Internets zu schaffen-- falls sich die verschiedenen Bezugsgruppen auf deren Eckpunkte einigen können. Die Streitpunkte, die schon bei der Bildung des IGF bezüglich der Institutionalisierung dieses Prozesses bestehen, sind ähnliche wie bei der Diskussion um den WSIS insgesamt: die Frage der Struktur des IGF-Leitungsgremiums, die Auswahl der in ihm zu behandelnden Themen sowie das generelle Verständnis darüber, wie ein solcher Prozess funktionieren soll. Auch die Konfliktlinien zwischen den unterschiedlichen Interessen staatlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Bezugsgruppen bleiben die bekannten. Wie ist nun der WSIS insgesamt einzuordnen? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Ergebnisse einer solchen Weltkonferenz völkerrechtlich nicht verbindlich sind. Vielmehr stellen sie Appelle dar, in diesem Fall sowohl an Regierungen wie auch an den privaten Sektor und die Zivilgesellschaft. Die Ergebnisse des WSIS sind also jenseits einer völkerrechtlichen Verbindlichkeit zu sehen. Dabei macht der WSIS zweierlei deutlich: die Notwendigkeit einer Global Governance der Medien wie auch die Grenzen ihrer bestehenden Verfahren. So führt das pure Zustandekommen des WSIS vor Augen, dass eine Notwendigkeit der Global Governance der Medien allgemein angenommen wird. Die regulativen Herausforderungen werden als nicht mehr allein durch Nationalstaaten bewältigbar wahrgenommen. Insbesondere beim Internet und dessen Infrastruktur erscheint eine staatenübergreifende Regulation, die auch andere Akteure einbezieht, zielführend. Aber auch traditionelle Massenmedien lassen sich immer weniger in einem rein nationalen Rahmen regulieren. Wenn beispielsweise Satellitenfernsehen zumindest prinzipiell über verschiedenste Territorien hinweg verfügbar ist und verschiedenste Formen produzierter Medienkommunikation über die Distributionsstrukturen des Internets verbreitet werden, reichen nationalstaatszentrierte Regulationen alleine nicht mehr aus. Gleichzeitig wird das Internet selbst durch verschiedene Interessensgruppen getragen. Neben staatlichen Akteuren ist der private Sektor-- sprich die in Netzkommunikation investierenden (Medien-)Konzerne-- zentral für die (kommerzielle) Entwicklung des Internets gewesen. Hinzu kommen gerade in Bezug auf die Netzkommunikation zivilgesellschaftliche Akteure. Die Open-Source-Bewegung ist nur ein prominentes Beispiel dafür, dass dies auch technologische Entwicklungen betrifft. Die damit verbundene Unmöglichkeit alleinig nationalstaatlicher Regulation macht die Notwendigkeit einer Global Governance der Medien deutlich. Dem WSIS ist entsprechend zugutezuhalten, dass er dies ins politische Blickfeld gerückt hat. Wie es Marc Raboy formuliert: »Unabhängig davon, wie man ihn als solchen bewertet, eröffnet der Weltgipfel der Informationsgesellschaft unbestreitbar eine neue Phase in www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 90 3 Regulation transkultureller Kommunikation 90 der Governance globaler Kommunikation bzw. in der Global Governance im Allgemeinen (Raboy 2004: 225). Gleichzeitig führt der WSIS aber auch die Grenzen bestehender Verfahren der Global Governance vor Augen. So waren die Regierungen nicht bereit, der Zivilgesellschaft im Verfahren des WSIS die gleichen Rechte einzuräumen, die sie selbst haben, auch wenn sich die Zivilgesellschaft im Verfahren des WSIS zu einem wichtigen Ideengeber für die Verhandlungen entwickelte (Sreberny 2004). Bei einer näheren Betrachtung zeigt sich, dass das Potenzial der Zivilgesellschaft, Themen zu setzen und einzubringen, beschränkt gewesen ist. So weist Divina Frau-Meigs-- die selbst als Vize-Präsidentin der IAMCR institutionell in den WSIS-Prozess eingebunden war-- darauf hin, dass »so viele NGOs involviert waren, dass nicht eine einzelne von ihnen die Legitimität beanspruchen konnte, die Agenda festzulegen« (Frau-Meigs 2007: 81). Die Folge war, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure Stück für Stück die Vorschläge der staatlichen Akteure abarbeiteten (insbesondere in den vorbereitenden Konferenzen). Ebenfalls zu einer skeptischen Gesamteinschätzung der zivilgesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten beim WSIS kommen Bart Cammaerts und Nico Carpentier. Auf Basis ihrer Analysen der Verhandlungen des WSIS stellen sie fest, dass es sich hierbei eher um eine Konsultation der Zivilgesellschaft gehandelt hat denn um eine gleichberechtigte Partizipation. Sie kommen allerdings nicht wie andere kritische Kommentatoren zu dem Ergebnis, im WSIS primär eine Legitimationsveranstaltung staatlicher Politik zu sehen (so beispielsweise Mueller 2010: 55-80). Vielmehr legen ihre Argumente nahe, dass sich beim WSIS eine Veränderung der kommunikativen Figuration der Verhandlungsmöglichkeiten abzeichnet, in der gleichwohl die Staaten wichtige Akteure bleiben: »In einer solchen Perspektive kann man schlussfolgern, dass Verhandlungen auf Gipfelkonferenzen mit dem Ziel, einen stärker globalisierten Konsens zu erzielen, sich ändern und langsam in Richtung einer- - wenn auch informellen- - Präsenz und Konsultation von zivilgesellschaftlichen ›Beobachtern‹ im (Vorbereitungs-)Prozess der Weltgipfeltreffen bewegen« (Cammaerts/ Carpentier 2007: 40). Diese Aussage verweist zurück auf den Beginn der Argumentation in diesem Kapitel und ermöglicht so abschließend einige allgemeinere Anmerkungen zur politischen Regulation von transkultureller Kommunikation. Unser Ausgangspunkt war die Überlegung, dass es zu vereinfachend wäre, die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte als einen Prozess des Aufhebens von Regulation zu beschreiben. Auch das, was in der Politik »Deregulation« genannt wird, ist eine bestimmte Form der Regulation- - nämlich durch Märkte, deren Sicherheit wiederum auch durch staatliche Regulationen geschützt wird. Es geht also bei der politischen Regulation transkultureller Kommunikationsmöglichkeiten darum, genau zu betrachten, durch wen was auf welche Weise reguliert wird. Von einem solchen Blickwinkel aus bietet es sich an, die zu bestimmten Regulationsformen führende kommunikative Figuration selbst zu betrachten. 3.4 Global Governance der Medien www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 91 91 Blickt man ausgehend hiervon auf die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, so war dies eine Zeit, in der die Regulation transkultureller Kommunikationsmöglichkeiten mehr oder weniger alleinig durch die Staaten als Akteure bestimmt worden ist, wobei insbesondere die USA mit ihrer Vorstellung eines »free flow« bzw. »free trade of communication« eine dominierende Position innehatte. Doch die kommunikative Figuration der Verhandlung von Regulation nahm an Komplexität zu. Hier sind zwei Momente auszumachen: Einerseits forderten andere staatliche Akteure ihre Position ein. Zu denken ist hier nicht nur an die UdSSR bzw. den sogenannten Ostblock, sondern ebenso an die vielen postkolonialen Staaten, denen es in der UNESCO zumindest gelang, eine Diskussion um die Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung auf die Agenda zu bringen. Später werden China und Indien als Akteure mit starken Positionen greifbar. Gleichzeitig gilt es, im Blick zu haben, dass die verschiedenen global agierenden (Medien-)Unternehmen mit der fortschreitenden Kommerzialisierung zumindest indirekt ihre Position stärken. Die kommunikative Figuration der Verhandlung von Regulation verschiebt sich weiter-- wie wir am Beispiel des WSIS gesehen haben-- in Richtung einer Global Governance der Medien, in die (zumindest konsultativ) zivilgesellschaftliche Akteure einbezogen sind. Es sind diese Veränderungen von Regulation, die es im Blick zu haben gilt, wenn man ein Verständnis dafür entwickeln will, wie unsere gegenwärtige Welt immer stärker durch Mediatisierung und Globalisierung gekennzeichnet ist. Die globale Verbreitung verschiedener Medien war nämlich nicht einfach ein zufälliger Vorgang, sondern ein Prozess, den verschiedene Akteursgruppen aus ihrer jeweiligen Perspektive zu steuern gedachten. Die aktuelle Situation ist im Hinblick auf transkulturelle Kommunikation nach wie vor offen: Auf der einen Seite können sich Vorstellungen dauerhaft durchsetzen, es ginge nur darum, Medien als Anbieter von Waren zu regulieren und entsprechende Urheberrechte zu schützen. Transkulturelle Kommunikation ergäbe sich dann insbesondere in kommerzialisierten Kommunikationsflüssen und über die Durchsetzung einzelner dominierender, global agierender Medienkonzerne. Auf der anderen Seite zeichnen sich gegenläufige Momente ab. Das Augenfälligste ist vermutlich der Einsatz von einzelnen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren für einen Schutz von »kultureller Vielfalt« bei einem gleichzeitigen Bekenntnis zu einem transkulturellen Dialog, wie er beispielsweise über das Internet geführt werden kann. Vor diesem Hintergrund können wir damit rechnen, dass die Auseinandersetzung um die politische Regulation transkultureller Kommunikation auch in Zukunft weitergehen wird. Deshalb ist es notwendig, einen geschulten Blick für die Figurationen zu entwickeln, in denen sich diese abspielt. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 92 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 93 93 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte Nachdem wir uns im letzten Kapitel mit Fragen der Regulation von Medieninhalten befasst haben, rückt in diesem Kapitel die Medienproduktion als ein Aspekt transkultureller Kommunikation in den Mittelpunkt. Wiederum wollen wir dabei einen breiten Begriff von Produktion zugrunde legen. Der Ausdruck Produktion bezeichnet demnach die Hervorbringung von Kulturprodukten, in unserem Falle solchen, die Menschen transkulturell adressieren. Konkretisiert auf Medienproduktion heißt dies, dass hierunter alle Strukturen, Praktiken und Prozesse der Herstellung von Medienkulturprodukten fallen. In einem solchen Sinne soll von transkultureller Medienproduktion gesprochen werden. Betrachtet man die transkulturelle Medienproduktion näher, fällt auf, dass diese in erheblichen Teilen von einer beschränkten Zahl von global agierenden Medienkonzernen getragen wird. Dies macht auf die Problematik der bereits umrissenen Oligopolbildung einer globalen Medienkommerzialisierung aufmerksam. Dabei hat sich die Entwicklung innerhalb der letzten Jahrzehnte eher stabilisiert, als dass mit der Entwicklung des Internets gegenläufige Tendenzen auszumachen wären: Große internetbezogene Konzerne wie Google schieben sich in die Hitliste der umsatzstärksten Medienanbieter, und die Umsätze anderer Konzerne wie beispielsweise Sony fallen deutlich. Eine wirkliche Auflösung der Dominanz weniger umsatzstarker Konzerne zeichnet sich aber nicht ab. Deutlich wird dies an einem Vergleich der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne in den Geschäftsjahren 2001 und 2011, wie ihn Lutz Hachmeister, Günther Rager und deren Team angestellt haben (siehe Tabelle 3, S. 94). Während es bei den Namen der Unternehmen geringe Verschiebungen und mit Google Inc. einen Neuankömmling gibt, ist gleichzeitig festzustellen, dass sich der Umsatz der die Liste anführenden Medienunternehmen stabil von dem der weiter hinten Liegenden abhebt. Auf eine beschränkte Zahl von Unternehmen konzentriert sich somit ein erheblicher Teil der weltweit erwirtschafteten Medienumsätze. Für diese Stabilisierung eines oligopolen Medienkapitalismus auch bei fortschreitender Digitalisierung und Etablierung des Internets gibt es zumindest vier Argumente: • Erstens müssen die etablierten Konzerne, wenn sie sich langfristig vor Verlusten in ihren klassischen Einnahme- und Werbequellen schützen wollen, auch in neue Technik und Digitalisierung investieren und haben dies getan. Viele kleinere Unternehmen können sich genau dies umgekehrt nicht in diesem umfassenden Stil leisten. In diesem Sinne kann man nicht zwangsläufig davon sprechen, dass das Internet das »Ende« globaler oligopoler Strukturen bedeuten würde. • Zweitens haben sich auch »junge« Unternehmen im Internetsektor in diesem Prozess der Oligopolbildung positioniert und positionieren müssen, um überhaupt www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 94 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 94 die notwendigen Investitionen tätigen zu können. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist Google, weniger erfolgreich war die Fusion und dann wieder Trennung von aol mit time warner. Gleichwohl steht beides dafür, dass die »neuen« Internetunternehmen nicht außerhalb eines solchen Prozesses stehen. • Drittens erscheint eine Gewinnmaximierung im Medienbereich insbesondere dann möglich, wenn umfassende Wertschöpfungsketten aufgebaut werden, d. h., wenn zumindest prinzipiell an jedem Produkt mehrfach verdient werden kann. Auch dies verschafft großen Konzernen einen Vorteil gegenüber kleinen Unternehmen. • Viertens hat schließlich die im letzten Kapitel diskutierte Politik der »Deregulierung«- - d. h. eine zunehmende politische Förderung von Märkten als regulative Instanzen von Medien- - in verschiedenen Staaten der Welt eine fortschreitende Konzentration überhaupt erst möglich gemacht. Insgesamt befindet sich der »Medien-Oligopol-Kapitalismus«-- trotz mehrfacher Krisen der Medienbranche beispielsweise zwischen 2001 und 2004- - in einem relativ stabilen Zustand. In diesem erscheint es für die Medienkonzerne sinnvoll, »gemeinsam gewinnbringende Märkte zu erschließen, teils konkurrierend, teils koalierend« (Prokop 2001: 421). Tabelle-3: Rangliste der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne 2001 und 2011 2001 2011 AOL Time Warner Inc.; New York/ USA 42,691 Comcast/ NBCUniversal, LLC; Philadelphia/ USA 40,116 Microsoft Corp.; Redmond/ USA 31,672 Walt Disney Comp.; Burbank/ USA 29,377 Walt Disney Comp.; Burbank/ USA 28,200 Google Inc.; Mountain View/ USA 27,231 Vivendi Universal S. A.; Paris/ F 28,115 News Corp. Inc.; New York/ USA 23,998 Viacom Inc.; New York/ USA 25,930 Viacom Inc./ CBS Corp.; New York/ USA 20,948 AT&T Comcast Corp.; Philadelphia/ USA 21,743 Time Warner Inc.; New York/ USA 20,815 Sony Corp.; Tokio/ J 21,007 Sony Entertainment; Tokio/ J* 16,514 Bertelsmann AG; Gütersloh/ D 20,036 Bertelsmann AG; Gütersloh/ D 15,253 News Corp. Ltd.; Sydney/ AUS 14,769 Vivendi S. A.; Paris/ F 12,486 EchoStar Com. Corp.; Littleton/ USA 13,693 Cox Enterprises Inc.; Atlanta/ USA* 11,013 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 95 95 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 2001 2011 Cox Enterprises Inc.; Atlanta/ USA 9,706 Dish Network Corp.; Englewood/ USA 10,092 Clear Channel Com. Inc.; San Antonio/ USA 8,899 Thomson Reuters Corp.; New York/ USA 9,919 Lagardére Groupe; Paris/ F 7,668 Liberty Media Corp./ Liberty Interactive; Englewood/ USA 9,080 Reed Elsevier; London/ GB 7,342 Rogers Comm.; Toronto/ CAN 9,031 Gannett Co. Inc.; Arlington/ USA 7,084 Lagardére Media; Paris/ F 7,657 Pearson; London/ GB 6,794 Reed Elsevier; London/ GB 7,084 NBC Inc.; New York/ USA 6,441 Pearson; London/ GB 6,601 Reuters Group; London/ GB 6,247 ARD; Berlin/ D 6,261 NHK Nippon Hoso Kyokai; Tokio/ J 6,001 Nippon Hoso Kyokai; Tokio/ J 5,996 Tribune Co.; Chicago/ USA 5,865 BBC; London/ GB 5,584 Hearst Corp.; New York/ USA 5,806 Cablevision Systems Corp.; Bethpage/ USA 5,454 ARD; Frankfurt a. M./ D 5,607* Charter Comm. Inc.; St. Louis/ USA 5,325 BBC; London/ GB 5,440 Fuji Media Holdings, Inc.; Tokio/ J 5,210 Advance Publications Inc.; Staten Island/ USA 5,071 Bloomberg L. P.; New York/ USA 5,205 Cablevisions Systems Corp.; Woodbury/ USA 4,918 Yahoo! Inc.; Sunnyvale/ USA 4,771 VNU N. V.; Harlem/ NL 4,825 The McGraw-Hill Comp. Inc.; New York/ USA 4,653 Kirch Gruppe; Ismaning/ D 4,450 Virgin Media Inc.; New York/ USA 4,518 Charter Communications Inc.; St. Louis/ USA 4,414 Advance Publications; Staten Island/ USA 4,481 NTL Gropu Ltd.; Hook/ GB 4,133 Globo Comunicaç-o e Participações S. A.; Rio de Janeiro/ BRA 4,461 Fuji Television Network Inc.; Tokio/ J 3,954 Clear Channel Comm.; San Antonio/ USA 4,425 EMI Group; London/ GB 3,933 Mediaset SpA; Mailand/ IT 4,293 Asahi Shimbun; Tokio/ J 3,778 Gannett Co. Inc.; McLean/ USA 4,103 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 96 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 96 2001 2011 Organisações Colombo; Rio de Janeiro/ BRA 3,573 The Nielsen Company; Haarlem/ NL 3,867 New York Times Co.; New York/ USA 3,368 The Washington Post Company; Washington D. C./ USA 3,563 Nippon Television Network Corp; Tokio/ J 3,246 Wolters Kluwer nv; Amsterdam/ NL 3,556 Daily Mail & General Trust; London/ UK 3,157 Grupo Televisa; Álvaro Obregón/ MEX 3,457 Bloomberg L. P.; New York/ USA 3,126* The Naspers Group; Kapstadt/ ZA 3,446 Axel Springer Verlag; Hamburg/ D 2,864 Bonnier AB; Stockholm/ SWE 3,206 Roger Communications Inc.; Toronto/ CAN 2,744 Axel Springer; Berlin, Hamburg/ D 3,184 Carlton Communications; London/ GB 2,737 France Télévisions S. A.; Paris/ F 3,140 Washington Post; Washington/ USA 2,699 Tokyo Broadcasting System Holdings, Inc.; Tokio/ J 3,028 RAI; Rom/ IT 2,640* RAI Radiotelevisione Italiana Holding SpA; Rom/ IT 3,012 Tokyo Broadcasting Systems Inc.; Tokio/ J 2,636 Quebecor Inc.; Montreal/ CAN 2,930 Granada; London/ GB 2,390 Discovery Communications; Silver Spring/ USA 2,846 Mediaset SpA; Mailand/ IT 2,350 Grupo PRISA; Madrid/ ESP 2,823 Georg von Holtzbrinck; Stuttgart/ D 2,329 Sanoma Group; Helsinki/ FIN 2,761 TFI S. A.; Boulogne/ F 2,325 The Hearst Corporation; New York/ USA 2,760 Liberty Media Group; Englewood/ USA 2,299 ProSiebenSat.1; Unterföhring/ D 2,756 Nihon Keizai Shimbun (Nikkei); Tokio/ J 2,280 TF 1 S. A.; Boulogne, Cedex/ F 2,622 Zeitungsgruppe WAZ; Essen/ D 1,900 Tribune Co.; Chicago/ USA 2,399 Quellen: 2001: Hachmeister/ Rager 2002: 31; 2011: http: / / www.mediadb.eu/ rankings/ intl-medienkonzerne-2012. html, wobei sich Angaben mit * auf die Umsatzzahlen des vorherigen Geschäftsjahres beziehen; alle Angaben beziehen sich auf die Medienumsätze in den betreffenden Jahren [in Milliarden €] www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 97 97 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte Hierbei muss man allerdings-- gerade in einer transkulturellen Sichtweise-- die Tendenzhaftigkeit von Tabellen wie der Obigen im Blick haben. Diese Tendenzhaftigkeit ergibt sich einerseits durch die Komplexität der Bestimmung dessen, was überhaupt ein »Medienkonzern« ist. Exemplarisch wird dies daran greifbar, dass in der oben stehenden Tabelle Microsoft 2001 noch zu den global umsatzstärksten Medienunternehmen gezählt wird, im Jahr 2011- - trotz eines Umsatzes von 69,943 Milliarden US-$ (rund 55,729 Milliarden €)-- nicht mehr. Dies hebt darauf ab, dass es schwierig ist, bei solchen Unternehmen anzugeben, welche Teile seines Umsatzes sich auf »Medien« bzw. »Medieninhalte« im engeren Sinne des Wortes beziehen. Ähnliches gilt für Unternehmen wie Apple Inc., das 2011 einen Umsatz von 108,249 Milliarden US-$ (rund 86,250 Milliarden €) hatte-- ein Umsatz, der zu einem zunehmenden Teil aus der Distribution von Medieninhalten wie Musik, Filmen oder Büchern im iTunes-Musik-Store erzielt wird. Und Amazon erwirtschaftete 2011 einen Umsatz von 48,1 Milliarden US-$ (rund 38,33 Milliarden €), wovon zunehmende Teile wiederum weniger Medienprodukte wie Bücher, Filme oder Musik ausmachen, sondern verschiedenste Versandwaren bis hin zu Lebensmitteln. Andererseits ergibt sich die Tendenzhaftigkeit der obigen Tabelle dadurch, dass sie durch einen westlichen Blick auf die Prozesse der Oligopolbildung gekennzeichnet ist. Der Fokus wird auf die Spitzengruppe von 15 Unternehmen gelegt, und dabei werden in hohem Maße umsatzstarke Konzerne, die in anderen Regionen der Welt dominieren, nicht berücksichtigt. So hatte beispielsweise bereits im Jahr 2002 der Umsatz des chinesischen Staatsfernsehsenders CCTV die Grenze von einer Milliarde US-$ (rund 797 Millionen €) erreicht und liegt seitdem darüber, im Jahr 2008 bei 2,5 Milliarden US-$. Er bleibt damit aber unter den Wahrnehmungsgrenzen solcher tabellenartigen Überblicke. Diese weitergehenden Überlegungen widersprechen aber nicht der These einer fortschreitenden Oligopolbildung. Vielmehr führen sie uns vor Augen, dass wir bei der Betrachtung dieses Prozesses auch andere Regionen und die Komplexität dessen, was »Medien« sind, im Blick haben sollten. Gleichwohl reicht ein solcher Fokus auf Oligopolbildung und Besitzverhältnisse nicht aus, um die Spezifik transkultureller Medienproduktion zu erfassen. Betrachtet man diese nämlich differenzierter aus einer kulturtheoretischen Perspektive, bleibt zwar das Problem der Konzentration von (wirtschaftlichen) Machtpotenzialen bestehen. Gleichzeitig wird allerdings deutlich, dass gerade die kapitalistische Maxime dieser Konzerne, kommerziell erfolgreich in den verschiedensten Kontexten der Welt agieren zu wollen, mit dazu beiträgt, dass dieses Machtpotenzial nicht zu einer umfassenden globalen Standardisierung führt. Vielmehr treibt eine kommerzielle Unternehmensorientierung die Fragmentierung von Produktion ebenso voran, wie Kooperationen mit kleineren lokalen, regionalen und nationalen Unternehmungen sinnvoll erscheinen. Wenn global agierende Medienkonzerne erfolgreich sein wollen, müssen sie dezentrale Strukturen entwickeln, um transkulturell anschlussfähig zu sein. Damit werden wieder Räume für lokal, regional und national rückbezogene Medienprodukwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 98 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 98 tionen eröffnet. Auch wenn die Stellung dieser Medienkonzerne also von der Entwicklung einer globalen Medienkommerzialisierung gestützt wird, ebenso wie sie diese vorantreiben, können sie nicht als homogene Akteure in einem einheitlichen Weltmarkt konzeptionalisiert werden. Sie sind zwar mächtig, ihre Macht ist aber nicht grenzenlos und ungebrochen. Hinzu kommt, dass sich im Bereich der transkulturellen Medienproduktion- - und hier ist durchaus ein Potenzial des Internets zu sehen-- für die alternative Medienproduktion ebenfalls Möglichkeiten transkultureller Kommunikation auftun. Auch diese gilt es zu berücksichtigen, wenn wir von transkultureller Medienproduktion und deren Fragmentierung sprechen. Meiner Argumentation in diesem Kapitel liegt die Annahme zugrunde, dass gerade die herausragenden Konzerne der globalen Medienkommerzialisierung durch Prozesse der Transkulturalisierung gekennzeichnet sind. Die global agierenden Medienkonzerne sind-- wie wir in Kapitel 4.1 sehen werden-- bei näherer Betrachtung komplexe Netzwerke verschiedener Tochterfirmen mit teilweise wechselseitigen Beteiligungen und Joint Ventures. Aus diesem Grund ist es für deren Betrachtung zentral-- um eine Formulierung von Doreen Massey aufzugreifen--, »die Wichtigkeit der Analyse von räumlicher Ordnung für Produktionsbeziehungen zu betonen« (Massey 1994: 88). Ein besonderer weiterer Aspekt ist daneben die journalistische Nachrichtenproduktion, die sich in einer transkulturellen Orientierung wandelt (siehe Kap. 4.2). Mit vollkommen anderen Zusammenhängen transkultureller Medienproduktion sind wir bei alternativen Medien konfrontiert (siehe Kap. 4.3). Abschließend werden wir uns dann in Kapitel 4.4 mit den globalen Medienstädten als herausragenden Lokalitäten transkultureller Medienproduktion befassen. Insgesamt ist es dabei wichtig, zur Vermeidung von Missverständnissen Folgendes im Blick zu haben: Die weiteren Darlegungen verstehen sich nicht als eine Analyse globaler Kulturindustrien oder als eine politische Ökonomie der Medienproduktion global agierender Konzerne. Hierzu liegen vortreffliche Analysen verschiedener Personen vor (siehe beispielsweise Hesmondhalgh 2007; McPhail 2010; Tunstall 2007). Vielmehr geht es darum, anhand von exemplarisch ausgewählten Fällen Grundaspekte einer transkulturellen Medienproduktion herauszuarbeiten. Auf diese Weise sollen Schritt für Schritt die kommunikativen Figurationen greifbar gemacht werden, in denen diese erfolgt. 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne In einer ersten Annäherung kann man vor dem Hintergrund der bisherigen Darlegungen sagen, dass global agierende Medienkonzerne Großunternehmungen sind, deren Ziel im Rahmen einer globalen Medienkommerzialisierung die erfolgreiche translokale Produktion von Medienprodukten und deren möglichst weitreichende Distribution ist. Doch was zeichnet global agierende Medienkonzerne genauer in 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 99 99 transkultureller Hinsicht aus? Um diese Frage beantworten zu können, ist zuerst einmal ein Bewusstsein dafür notwendig, dass es sich hierbei um keine geschlossenen Organisationen handelt. Diese Konzerne sind erstens kulturell und zweitens organisatorisch entgrenzt. Beides resultiert in spezifischen Produktionskulturen, die durch verschiedene Momente von Transkulturation gekennzeichnet sind. Eine kulturelle Entgrenzung lässt sich daran festmachen, dass global agierende Medienkonzerne gerade davon leben, im Rückbezug zu (verschiedenen) Alltagskulturen zu stehen. Dies wird anhand der von Pierre Bourdieu eingeführten Kategorie des Kulturvermittlers (Bourdieu 1987: 38) verständlich. Unter Kulturvermittlern ist die an Bedeutung gewinnende Gruppe von Angestellten und Selbstständigen zu verstehen, die zwischen bestimmten Produkten bzw. Dienstleistungen und spezifischen Bedeutungswelten und Lebensstilen der Konsumierenden vermittelt (du Gay et al. 1997: 62). Dies leisten Berufe, die eine Position zwischen Kunstbzw. Kulturschaffenden im engeren Sinne des Wortes und Adressaten einnehmen (Agenten, Animateure, Berater, Erzieher, Rundfunk-, Fernseh- und Pressejournalisten, PR-Treibende usw.). Es sind solche »beruflichen Vermittler« (Negus 2000: 244), die einen erheblichen Teil der in den (und für die) verschiedenen Medienunternehmen arbeitenden Personen ausmachen. Folgt man der Argumentation von Bourdieu, sind die kulturellen Präferenzen von Kulturvermittlern dieselben wie die ihres Publikums, da beide den Habitus eines gleichen Lebensstils teilen. Erst durch diese Entgrenzung von Kulturvermittlern hin zu ihren eigenen Adressaten-- durch ihre alltagspraktische Kenntnis der Interessen und Präferenzen ihrer »Zielgruppen«- - können Kulturvermittler ihrer Aufgabe gerecht werden. Zweitens kann eine organisatorische Entgrenzung global agierender Medienkonzerne beobachtet werden. So ist es kaum mehr möglich, sich global agierende Medienkonzerne als eine an einem einzelnen Ort lokalisierbare Unternehmung vorzustellen. Ein solches Bild wird beispielsweise mit dem Begriff der »Hollywood-Studios« unterstellt: Hollywood als ein in sich geschlossenes Gefüge von Studios der globalen Filmproduktion. Betrachtet man das Beispiel Hollywood aber genauer, so steht es für die territorialen Entgrenzungen, mit denen auch unternehmensorganisatorische Entgrenzungen verbunden sind. Immer mehr Großproduktionen verlassen beispielsweise Hollywood selbst und drehen in angemieteten Studios in Prag, Toronto oder Rom. Dies bedeutet zwar nicht, dass sich-- um hier nochmals das Beispiel von Hollywood aufzugreifen- - die zentralen Lokalitäten der Produktion auflösen würden. Es heißt aber, dass sich die Organisationsstrukturen global agierender Medienunternehmen hin zu einem an den Rändern offenen Netzwerk von Unternehmungen verändern, die an verschiedenen Lokalitäten und mithilfe von verschiedenen dort tätigen Subunternehmen, zuliefernden Unternehmen und freien Mitarbeitern produzieren. In seiner Darstellung gegenwärtiger Kulturproduktion ist David Hesmondhalgh diesbezüglich der Ansicht, dass mit der Etablierung solcher Medienkonzerne kleinere Unternehmen nicht nur fortbestehen, sondern auch, was ihre Zahl betrifft, »boomen« www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 100 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 100 (Hesmondhalgh 2007: 174). Wie Hesmondhalgh mit Bezug auf eine Studie von Jack Kyser feststellt, bestehen etwa 80 % der sogenannten Filmindustrie Hollywoods aus Unternehmen mit vier Angestellten oder weniger. Für diesen anhaltenden Stellenwert kleiner Unternehmen als Anlagerung von global agierenden Medienkonzernen lassen sich mit Verweis auf die Überlegungen von Hesmondhalgh (2007: 174 f.) fünf Gründe anführen: • Technologische Entwicklung: Die Etablierung digitaler Medien trägt zu einer Investitionsbereitschaft im Bereich »neuer« Kulturproduktion bei, von der insbesondere kleinere Unternehmen profitieren. • Aufgeschlossenheit gegenüber Unternehmertum: Seit den 1970er-Jahren besteht zumindest in »westlichen« Ländern eine sich steigernde Aufgeschlossenheit gegenüber Unternehmertum, von der die Selbständigkeit im Bereich kleinerer Kulturproduktionen profitiert. • Marktgängigkeit von Kultur: Kulturproduktion wird verstärkt als ein Bereich möglicher Wertschöpfung bzw. des Einsatzes von Risikokapital anerkannt. • Desintegration von Unternehmen: Es besteht eine Bereitschaft großer (Medien-) Konzerne zur Auslagerung einzelner Bereiche. • Relevanzgewinn von Marketing: Die Vermarktung von Kulturprodukten gewinnt an Bedeutung, was vor allem im Bereich Marketing und PR-Neugründungen stimuliert. Gleichwohl ist die flexible Produktion der nach wie vor bestehenden, kleinen Firmen nicht losgelöst von den bestehenden Organisationen der global agierenden Konzerne zu sehen. Zunehmend bildet sich ein Netzwerk von Kooperation. Dieses Netz entsteht zuerst einmal durch die Zusammenarbeit global agierender Konzerne im Rahmen der fortschreitenden Oligopolbildung. Durch eine Vielzahl von Lizenz- und Distributionsabkommen, Aktienverflechtungen und, bei anhaltendem Erfolg, durch vollständige Aufkäufe sind aber auch kleinere und kleinste (lokale) Unternehmen in dieses Netzwerk eingebunden. In eine ähnliche Richtung haben jüngst auch Amelia Arsenault und Manuel Castells (Arsenault/ Castells 2008; Castells 2009: 71-99) argumentiert. Sie weisen darauf hin, dass kein Medienkonzern wirklich vollkommen »global« sei in dem Sinne, dass er weltweit präsent ist. Global sind vielmehr »die Netzwerke, die die Finanzierung, Produktion und Distribution von Medien innerhalb und zwischen Ländern verbinden« (Castells 2009: 72, Herv i. O.). Aber auch sie sprechen von einer oligopolen Kontrolle. Diese entsteht dadurch, dass eine kleine Anzahl von Mega-Unternehmen das Rückgrat dieser globalen Netzwerke bildet. Die herausgehobene Position solcher Mega-Unternehmen ist darin begründet, dass sie einerseits trotz nach wie vor bestehender Konkurrenz in einzelnen Bereichen in anderen durch umfassende Allianzen, gemeinsame Beteiligungen, Joint Ventures usw. miteinander verbunden sind. Andererseits ist ihre Dominanz dadurch begründet, dass sie es sind, über die kleinere 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 101 101 Medienunternehmen-- lokale, regionale oder nationale-- in eine globalisierte Medienproduktion eingebunden werden. Hierbei sind die traditionellen Medienkonglomerate auch mit den in den letzten Jahren aufgestiegenen Internetkonzernen verbunden (siehe dazu Abbildung 7, S. 101). Aber nicht nur nach außen, auch nach innen sind global agierende Medienkonzerne durch eine komplexe Netzwerkstruktur gekennzeichnet. Dies ergibt sich dadurch, dass diese Konzerne organisatorisch aus verschiedenen Sub- und Teilunternehmen unter einem Unternehmensdach bestehen. In diesem Sinne sind solche Konzerne nicht an einer einzelnen Lokalität, sondern an verschiedenen Lokalitäten verortbar, die in unterschiedlichen Ländern und kulturellen Kontexten verstreut sind. Mit grö- Quelle: erweiterte Darstellung in Anlehnung an Arsenault/ Castells 2008: 713; das Schaubild stellt die zentralenPartnerschaften und Investitionen dar, kann jedoch nicht alle erfassen 51 % 80 % 20 % 27 % 27 % 27 % 50 % 50 % Distribution Deal 50 % 50 % Content / Dist. Deal 15.8 % 42.2 % 42.1 % Dist. Deal 5 % 49.9 % Dist. Deal Dist. Deal Dist. Deal Dist. Deal Dist. Deal Dist. Deal CBS and Viacom split in 2006, still intertwined CW Network (USA) Longterm EverywhereTV agreement Robert A. Iger, President and CEO of Walt Disney sits in the Aplle BOD msnbc.com ESPN Classic Sport, Ltd. hulu.com Fig. Key Interlockings Between Multi-National Media & Diversi ed Internet Corporations* *Please note that this diagram represents key partnerships and cross-investments. It is not exhaustive. The relationships are current as of June 2012. A&E Networks Microsoft owns 1.6 of Facebook; patent deal Ad and Search Deal for MySpace Sky Deutschland Key: Investment Partnership Abbildung 7: Kernbeziehungen zwischen traditionellen Medienkonglomeraten und Internetkonzernen (Juli 2012) www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 102 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 102 ßerer Ausdehnung werden diese Medienkonzerne dabei polyzentrisch, d. h., sie verfügen über verschiedene, primär funktional definierte Verdichtungen: Es gibt bestimmte Bereiche ihrer Organisationsstruktur, die beispielsweise eher der Administration zuzuordnen sind. Andere sind Verdichtungen des Netzwerks, die der Entwicklung zuzurechnen sind usw. Kennzeichnend für global agierende Medienkonzerne ist demnach eine ungleiche Netzstruktur auf der Ebene des Unternehmens selbst. Erst hierüber wird es möglich, dass deren Wertschöpfungsketten (»value chains«) nachhaltig über verschiedene Staaten hinweg aufgebaut werden. Als Wertschöpfungskette eines Unternehmens wird die Gesamtheit der primären (produzierenden und distribuierenden) und sekundären (unterstützenden) Aktivitäten bezeichnet, die zur Schaffung von Mehrwert beitragen (Porter 1992: 63). Exemplarisch wird eine solche Netzwerkstruktur eines global agierenden Medienkonzerns an der Sony Corporation deutlich (siehe Abbildung 8, S. 103). Dieses Bild einer Netzwerkstruktur darf aber nicht dazu verleiten, sich solche Unternehmen als desorganisiert vorzustellen. Gerade eine Verortung wichtiger Konzernbereiche wie exemplarisch am Beispiel der Sony Corp. führt nochmals das bereits formulierte Argument vor Augen, dass auch global agierende Medienkonzerne über herausragende Knotenpunkte innerhalb ihrer Netzwerkstruktur verfügen. Diese organisatorische doppelte Netzwerkstruktur global agierender Medienkonzerne-- ihre äußere Netzwerkstruktur durch die Vernetzung untereinander bzw. mit weiteren (Medien-)Unternehmen bzw. ihre innere Netzwerkstruktur als Vernetzung unterschiedlicher Teil- und Tochterunternehmen-- verweist letztlich auf die Komplexität der »Märkte«, die sie adressieren. Versteht man unter Markt so viel wie den Raum, in dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen, handelt es sich hierbei nämlich nicht um einen »globalen Markt«. Diese irreleitende Vorstellung eines weltweit einheitlichen Markts kennzeichnete die Anfänge der ökonomischen Globalisierungsdiskussion (Levitt 1986), der auch die oben umrissene Vorstellung der global entgrenzten Wertschöpfungsketten zugrunde lag. So einfach ist es nicht, worauf bereits der Soziologe und Globalisierungstheoretiker Roland Robertson (1998) mit seinem Konzept der »Glokalisierung« verwiesen hat. Der Begriff der Glokalisierung hebt darauf ab, dass man als Unternehmen einerseits (in seinem Horizont) global agiert bzw. agieren möchte, andererseits aber nicht von einer Einheitlichkeit eines globalen Marktes ausgeht, sondern durch »Anpassung an lokale und andere spezielle Umstände in einer Welt kapitalistischer Produktion« (Robertson 1998: 198) seine Angebote anpasst bzw. different vermarktet. Nach Robertson reagiert Glokalisierung aber nicht einfach auf bestehende Differenzen unterschiedlicher Märkte, sondern schafft auch Differenz: Vielfalt »verkauft sich gut« (Robertson 1998: 198). Stellt man sich die Frage, welche Märkte hier relevant sind, kommt man zu dem Schluss, dass einerseits nach wie vor nationale Märkte Bestand haben, tendenziell aber ein Relevanzgewinn geokultureller Märkte auszumachen ist. Hiermit bezeichnet David Hesmondhalgh (2007: 220) Märkte, die auf das verweisen, was John Sinclair, Eliz- 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 103 103 abeth Jacka und Stuart Cunningham (1996) als »geolinguistische Regionen« bezeichnen. Hierunter verstehen Letztere staatenübergreifende Großregionen, die durch kulturelle, sprachliche und historische Gemeinsamkeiten gekennzeichnet und als Medienlandschaft erstaunlich kohärent sind. Geolinguistische Regionen ergeben dabei nicht unbedingt ein geschlossenes Territorium, sondern können durchaus weit auseinanderliegende Länder umfassen (ein Beispiel dafür war die geolinguistische Region von Nordamerika und Australien). Wichtiger als eine physische ist also eine kulturelle Nähe, die auch durch einen lang anhaltenden transkulturellen Kontakt entstehen kann, selbst wenn er, wie im Falle des Kolonialismus, erzwungen ist. Nach David Hesmondhalgh sind solche (Groß-)Regionen mit geokulturellen Märkten verbunden, können aber nicht mit ihnen gleichgesetzt werden. Der Ausdruck des Geokulturellen ist dabei bewusst in Abgrenzung zu dem der geolinguistischen Region gewählt. Das Argument ist, dass diese geokulturellen Märkte grundlegend zwar territorialisierbar, mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation aber selbst durch Momente von Deterritorialisierung gekennzeichnet sind und 3 Herangezogen wurden folgende Seiten: www.sony.net, www.worldwidestudios.net, www.sonydadc. com, www.sonymobile.com, www.sonymusic.com, www.sonypictures.com. Sony Mobile Communications AB Sony Music Entertainment Sony Pictures Entertainment Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Webseiten des Unternehmens 3 [6/ 2012] Standorte Sony weltweit Hauptsitz Sony Computer Entertainment Sony DADC (optische Speichermedien, z.B. DVDs) Raum LA: London: Raum Tokyo: Abbildung 8: Sitze wichtiger Konzernbereiche der Sony Corporation www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 104 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 104 damit kulturelle Orientierungen der entscheidende Refenzpunkt dieser Märkte werden. Dies lässt sich zum einen damit begründen, dass mit gesteigerter physischer Mobilität, beispielsweise in Form von Migration, auf dem Territorium eines Landes Menschen leben, die unterschiedlichen geokulturellen Märkten zuzurechnen sind (ein Beispiel, das wir noch in Teilkapitel 6.4 diskutieren werden, ist das der Diaspora). Gleichzeitig ist es so, dass einzelne Personen Interesse an »fremden Produkten« entfalten können und so durch Wahl Teil von geokulturellen Märkten werden, denen die Medienkonzerne sie zuerst einmal nicht zurechnen würden. Ein prominentes Beispiel dafür ist in vielen Staaten des »Westens« der Boom der Bollywood-Produkte in den 2000er-Jahren in Europa (angefangen bei Filmen bis hin zu Modeartikeln). Auf diese Weise können transkulturelle Märkte entstehen. Gemeint sind damit solche Märkte, die sich durch die Generierung von bestimmten transkulturellen Stilen konstituieren und als Markt über verschiedene Kulturen hinweg Bestand haben. Letztlich hat auf solche Formen von Märkten bereits Wolfgang Welsch mit seinem Konzept der Transkulturalität hingewiesen (vgl. Kap. 2.1). Welsch führt den Begriff des Transkulturellen ja ein, um kulturelle Verdichtungen zu erfassen, die quer zu bestehenden »Kulturen alten Zuschnitts« (Welsch 1994: 147)- - sprich: National- oder Regionalkulturen- - Bestand haben. Konkret denkt Welsch an »gleichartige Lebensformen« (Welsch 1994: 158), die verschiedenste Kulturen durchziehen und damit- - paradox formuliert- - gerade als kulturelle Form durch eine transkulturelle Spezifik gekennzeichnet sind. Fasst man die bisher gemachten Überlegungen zusammen, wird deutlich, dass global agierenden Medienkonzernen nicht ein homogener globaler Markt gegenübersteht. Vielmehr sind sie mit einer hochkomplexen Vielfalt von verschiedensten Märkten konfrontiert. Hier stehen lokale Märkte, nach wie vor relevante nationale und geokulturelle sowie transkulturelle Märkte nebeneinander. Das, was als globaler Absatzmarkt bezeichnet wird, ist nichts anderes als die Überschneidung solcher unterschiedlichen Märkte, wie sie in der Adressierung der verschiedenen Märkte durch ein global agierendes Unternehmen entsteht. Betrachtet man nun die in dieser globalen Marktvielfalt agierenden Medienkonzerne aus Sicht der transkulturellen Kommunikation weiter, fällt die Hybridität und Konflikthaftigkeit ihrer Produktionskulturen auf. Unternehmen sind selbst nicht »kulturlos«, sondern durch differente Produktionskulturen charakterisiert: die kulturelle Verdichtung eines einzelnen Unternehmens. Dabei ist die Produktionskultur ein integraler Bezugspunkt der Arbeitspraxis eines Unternehmens, sie prägt intra-organisationelle Entscheidungen und Aktivitäten ebenso wie beispielsweise die Personalauswahl, die Organisation von Abteilungen oder allgemeine Managementstrategien (vgl. du Gay et al. 1997: 43). Gleichzeitig wird aber auch die Wahrnehmung eines Unternehmens von außerhalb durch dessen Produktionskultur vermittelt. Die Produktionskultur eines Unternehmens ist aber nicht abgeschlossen von dessen weiteren kulturellen Kontexten, wie es das aus dem Marketing stammende Theorem der 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 105 105 Unternehmenskultur impliziert. Deshalb sollten Produktionskulturen immer in Beziehung zu weitergehenden kulturellen Formationen und Praktiken gesehen werden, die nicht direkt in der Kontrolle und Teil des Selbstverständnisses des Unternehmens sind (vgl. Negus 1999: 490 f.). 4 Die Spezifik von global agierenden Medienkonzernen besteht in der Vielzahl von in diesem Sinne verstandenen Produktionskulturen, die sich allein durch deren breite geografische Erstreckung ergeben. Hinzu kommt der Einbezug von Menschen mit unterschiedlichen beruflichen Sozialisationen in diesen Unternehmen. Auf eine so begründete Existenz verschiedener Produktionskulturen in einem Unternehmen hat bereits die Anthropologin Kathleen Gregory hingewiesen (vgl. Gregory 1983; Negus 1997: 92 f.). Geteilte Bedeutungshorizonte ergeben sich nicht einfach deshalb, weil Personen in demselben Unternehmen arbeiten. Gregory schlägt vor, Unternehmen in dem Sinne als »multikulturell« anzusehen, dass diese durch das Vorhandensein unterschiedlicher »beruflicher Gemeinschaften« gekennzeichnet sind, die quer zum jeweiligen Unternehmen liegen und durch die dessen Angestellte über ein weites Set 4 Herangezogen wurde folgende Seite: http: / / www.google.com. Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Webseite des Unternehmens 4 [6/ 2012] Produktionsstandorte Google weltweit Hauptsitz Entwicklungszentrum Rechenzentrum Länder mit Programmierstandorten Abbildung 9: Produktionsstandorte Google Inc. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 106 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 106 von unterschiedlichen und differenzierten Verständnissen ihrer (Unternehmens) Identität verfügen. Global agierende Medienkonzerne verfügen entsprechend über hybride und in unterschiedlichen Graden konfliktäre Artikulation von Produktionskulturen. Indem die Produktionskulturen in solchen Unternehmen hin zu verschiedenen lokalen, regionalen und nationalen Kontexten entgrenzt sind, und die Kulturen der an den jeweiligen Lokalitäten lebenden Menschen selbst wiederum durch eine zunehmende Globalisierung und Mediatisierung geprägt werden (ein Sachverhalt, den wir näher in Kapitel 6 diskutieren werden), haben diese Medienkonzerne nicht allein eine lokale Produktionskultur beispielsweise bezogen auf ihren jeweiligen Hauptsitz. Hinzu kommt der Einbezug von Menschen aus sehr unterschiedlichen Berufssparten. In der Folge sind diese Unternehmen durch verschiedenste kulturelle Einflüsse gekennzeichnet, in deren Artikulation sich das, was man als ihre produktionskulturelle Gesamtartikulation bezeichnen kann, konstituiert. Exemplarisch wird dies deutlich an den Beispielen von Sony und Google, die gewissermaßen für »alte« und »neue« global agierende Medienkonzerne stehen (siehe dazu die Textboxen 4 und 5). Textbox-4: Produktionskulturen am Beispiel der Sony Corporation Zwar wird innerhalb von Sony selbst von einer »Sony Culture« (Nathan 1999: 115) gesprochen. Im Wandel dessen, was hierunter auch in Bezug auf das Mutterhaus in Japan verstanden wird, zeigt sich jedoch, dass diese alles andere als homogen ist: Anfangs war das, was als Sony-Kultur charakterisiert wird, insbesondere durch eine Technikorientierung und den Wunsch gekennzeichnet, für die Entwicklung von (neuer, innovativer und auf den Alltagskunden orientierter) Technik den nötigen Raum zu schaffen, aber auch die Strukturen für deren massenhafte Produktion zur Verfügung zu stellen. Allerdings erscheint dabei schon die Konstruktion dieses kulturellen Beziehungsgeflechts als »typisch japanisch« problematisch (vgl. du Gay et al. 1997: 48-51). Gewöhnlicherweise werden mit dem Stereotyp des Japanischen bei Unternehmen vier Aspekte verbunden, nämlich erstens das Vorhandensein einer strikten Hierarchie, zweitens das Vorhandensein idiosynkratischer japanischer Rituale, drittens die lebenslange Verbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen und viertens die Einbettung des Unternehmens in das bestehende Kartell japanischer Besitzverhältnisse. Diese vier Kriterien umfassen kaum das, was als »Sony Culture« charakterisiert wird. So bestanden in der sicherlich deutlich vorhandenen Hierarchie von Sony von Beginn an Freiräume, indem Personal außerhalb des Unternehmens rekrutiert und jenseits von hierarchisch geprägten Karrieren an Schlüsselpositionen platziert wurde. Ebenso entstand Sony in der Nachkriegszeit außerhalb des bestehenden Netzwerks japanischer Kartelle. Mit der zunehmenden deterritorialen Ausdehnung des Konzerns 4.1 Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 107 107 wurden darüber hinaus amerikanische Managementtechniken (wie z. B. Budgetkontrolle und Verantwortungsdelegation an Teams) integriert. Für weitere Veränderungen hat in den 1990er-Jahren der durchaus konfliktäre Einbezug der Film- und Musiksparten in den Konzern gesorgt. Hinzu kamen später mit der Playstation weitere Einflüsse von (internetbezogenen) Spielkulturen. Letztlich ist so Sonys Spezifik weniger darin zu sehen, dass es sich dabei um ein typisch japanisches Unternehmen handelt. Die Spezifik von Sony besteht vielmehr in der hybriden Integration verschiedener Elemente unterschiedlicher kultureller Kontexte, d. h. in der Artikulation von verschiedenen, selbst translokal entgrenzten Produktionskulturen. Letztlich verweist-- so argumentiert zumindest die unternehmerische Managementdiskussion, in der die Begriffe der Hybridität und Transkulturalität vergleichsweise schnell Verbreitung gefunden haben (siehe Koopman 1994; Zachary 2000)- - eine solche Komplexität unterschiedlicher Produktionskulturen auf die Notwendigkeit eines transkulturellen Medien- und Kommunikationsmanagements (vgl. Meckel 2002; Winter 2002). Vor dem Hintergrund der bisherigen Darlegungen muss man jedoch vorsichtig sein, die hier diskutierte Thematik auf ein Managementproblem der Vielfalt von Produktionskulturen zu reduzieren. Hierauf hat Marwan Kraidy in seiner sehr differenzierten Kritik eines »unternehmerischen Transkulturalismus« (Kraidy 2005: 90; 95) hingewiesen. So wird in einem solchen Diskurs der erfolgreiche Umgang mit Hybridität ausschließlich als ein Aspekt des unternehmerischen Handelns in einer globalisierten Welt konzeptionalisiert, bei dem Transkulturation im Unternehmen als zu organisierende Ressource für die Generierung neuer, erfolgreicher Produkte angesehen wird. Der unternehmerische Transkulturalismus ist damit »eine auf Gewinn orientierte Strategie, die aktiv und systematisch darauf abzielt, kulturelle Verschmelzungen und fluide Identitäten zu kapitalisieren« (Kraidy 2005: 90). Mit einem solchen ökonomischen Funktionalismus verbunden ist ein reduktionistisches Verständnis von Hybridität, die der Widersprüchlichkeit derselben nicht gerecht wird und vor allem Transkulturalisierung letztlich ökonomischen Wertorientierungen unterordnet. Es geht diesen Unternehmen also nicht um einen »kritischen Transkulturalismus«, in dessen Zentrum »menschliche Handlungsmöglichkeiten und nicht unternehmerische Gewinnmöglichkeiten stehen (Kraidy 2005: 96). Wir haben es hier mit einer Reduktion der Thematik auf Gewinnmaximierung zu tun. Textbox-5: Produktionskulturen am Beispiel von Google Inc. Wie bei anderen Internetunternehmen auch, kann das komplexe Geflecht von Produktionskulturen bei Google nicht losgelöst von der akademischen Kultur westamerikanischer Eliteuniversitäten gesehen werden. Folgt man hier aktuellen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 108 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 108 Darstellungen zur »Google-Kultur« (Levy 2012: 157), orientierte sich die Produktionskultur des Technologieunternehmens zuerst einmal an den Werten von informatischer Wissensakkumulation und einer Gesamtversorgung der Mitarbeiter durch das Unternehmen (bis hin zu kostenfreiem Essen), wie es auch für Campusuniversitäten üblich war. Der Technologiejournalist Steven Levy beschreibt dies als anfängliche »Fortsetzung des Campuslebens […], das viele Googler erst kurz zuvor beendet hatten« (Levy 2012: 175). Wenn man dies als Kern der sogenannten »Google-Kultur« begreift- - die ihren Ausdruck in dem Slogan »don’t be evil« fand- - wandelt sich in den wenigen Jahren nach der Unternehmensgründung 1998 die Produktionskultur des Unternehmens erheblich. Indem Google auch jenseits der USA Entwicklungszentren aufbaute, um herausragende Programmierer zu binden bzw. großregional und national anschlussfähige Angebote zu haben, waren die Produktionskulturen von Google zunehmend durch Transkulturationsprozesse gekennzeichnet. Zu erheblichen kulturellen Konflikten kam es dabei mit dem Engagement in China. Die aus den USA stammenden Entwickler chinesischer Abstammung orientierten sich an der »Google-Kultur« des Mutterhauses und waren Zensurerwartungen der Regierung gegenüber kritisch. Für die in China ausgebildeten jungen Programmierer waren die Erlässe des Informationsministeriums weniger problematisch. Hingegen erwarteten sie die aus anderen Unternehmen bekannte hierarchischere Unternehmensstruktur und kamen mit den Freiräumen für eine eigenständige Entwicklung von Projekten nicht klar (Levy 2012: 370-373, 380, 383). Bei Google zeichnen sich hier 20 Jahre später ähnliche Probleme ab, wie sie Sony mit der Integration der Filmstudios hatte (Negus 1997: 90-91). Auch bei Google dominiert immer mehr ein Geflecht sehr unterschiedlicher Produktionskulturen. Solche Hinweise sind im Blick zu behalten, wenn wir die Konflikthaftigkeit und Hybridität der Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne betrachten. Letztlich genügt ein ökonomisch-funktionaler Blick auf Kultur, wie er mit dem Managementbegriff der Unternehmenskultur verbunden ist, nicht. Vielmehr sollten wir uns mit der Frage befassen, welche Handlungsmöglichkeiten die verschiedenen Produktionskulturen und deren Transkulturationen in global agierende(n) Medienkonzerne(n) eröffnen. Dafür hilft es, den Blick auf die kommunikativen Figurationen der jeweiligen Unternehmen zu lenken. So werden die verschiedenen Produktionskulturen nicht nur in vielschichtigen kommunikativen Figurationen am Arbeitsplatz, im Unternehmen, bei Sitzungen usw. hervorgebracht. Ebenso werden die Prozesse der Transkulturation in global agierenden Medienkonzernen innerhalb von verschiedenen kommunikativen Figurationen verhandelt. Diese gilt es letztlich zu betrachten, wenn man bestehende Handlungsmöglichkeiten in diesen Unternehmen kritisch hinterfragen möchte. 4.2 Transkulturalität in der journalistischen Praxis www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 109 109 4.2 Transkulturalität in der journalistischen Praxis Eine durch Transkulturalität gekennzeichnete Medienproduktion hat auch ihren Stellenwert im Journalismus. Dieser Aspekt fällt beim politischen Journalismus insofern ins Gewicht, als sich mit fortschreitender Globalisierung politische Entscheidungen von der Ebene des Nationalen auf eine suprabzw. transnationale Ebene verlagern (Sassen 2008): Geht es beispielsweise um Entscheidungsprozesse in der Finanz- oder Sicherheitspolitik, so sind dies keine Entscheidungen, die allein vor dem nationalen Hintergrund gesehen werden können. Die journalistische Produktion diesbezüglicher Nachrichten ist stets auch mit der Herausforderung transkultureller Zusammenhänge konfrontiert. Solche Fragen wurden anfänglich insbesondere in Bezug auf CNN bzw. CNN International (CNNI) diskutiert (Ammon 2001; Flournoy/ Ganzert 1992; Flournoy/ Stewart 1997). Besonderer Stellenwert wurde dabei dem »CNN World Report« zugesprochen (Flournoy 1992; Volkmer 1999), der nicht nur journalistische Beiträge kulturübergreifend zugänglich machte. Darüber hinaus gestatteten es entsprechende CNNI-Weiterbildungsveranstaltungen, Journalistinnen und Journalisten sehr unterschiedlicher Länder in einer spezifischen CNN-Berichterstattungsweise zu schulen. Auf diese Weise entstand ein transkulturelles Netzwerk journalistischer Praxis, das durch transkulturelle Annäherungen von journalistischen Produktionskulturen gekennzeichnet war. Solche Forschung im Hinterkopf habend, soll in diesem Kapitel der Blick auf einen anderen Kontext journalistischer Praxis gelenkt werden, nämlich den der Europaberichterstattung in Zeitungsredaktionen in verschiedenen europäischen Ländern. Dies eignet sich als Fallbeispiel für die Betrachtung von Transkulturalität in der Praxis des politischen Journalismus, der als ein Beispiel für die Dominanz nationaler Differenz gilt. Das Handeln der Journalistinnen und Journalisten ist in diesem Fall gleichwohl mit Europa auf einen weitergehenden Kommunikationsraum ausgerichtet. Für ein Verständnis von transkultureller Kommunikation in der Praxis des Europajournalismus ist es einleitend hilfreich, einige Anmerkungen zum Charakter einer europäischen Öffentlichkeit zu machen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich im Falle von Europa keine bzw. allenfalls ansatzweise im engeren Sinne paneuropäische Medien ausmachen lassen (Brüggemann et al. 2009). Dies hängt nicht zuletzt mit der Vielfalt unterschiedlicher Sprachen in Europa zusammen, die eine einheitliche Adressierung von Publika in verschiedenen europäischen Ländern kaum möglich macht. Entsprechend verwundert es nicht, dass transnationale Fernsehkanäle in Europa wie beispielsweise Euronews nicht ansatzweise den Stellenwert haben, den beispielsweise Al Jazeera für eine panarabische politische Öffentlichkeit hat. Wie die aktuelle Forschung zeigt, heißt dies umgekehrt aber nicht, dass es keine europäische Öffentlichkeit gäbe. Allerdings konstituiert sich diese auf andere Weise, nämlich durch eine Transnationalisierung nationaler politischer Öffentlichkeiten in Europa (Fraser 2007; Koopmans/ Statham 2010; Wessler et al. 2008). Vereinfacht www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 110 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 110 bedeutet Transnationalisierung hier, dass über die Berichterstattung der verschiedenen Länder hinweg die gemeinsame Beobachtung der politischen EU-Entscheidungen zunimmt wie auch die Beobachtung und Diskussion über die Grenzen der europäischen Länder. Eine Überlegung, die dabei immer wieder diskutiert wird, ist die Entwicklung eines europäischen Journalismus (Mancini 2005; Neverla/ Schoon 2008; Russ-Mohl 2003; Statham 2010), für den die Korrespondenten in Brüssel als wichtige »Vermittler« stünden (Offerhaus 2010). Dieser wäre dann im Unterschied zu einer einfachen Berichterstattung über Europa umfassender zu definieren und müsste sich auch in transkulturell geteilten Mustern und Formen dieser Berichterstattung konkretisieren. Im Rahmen der bisher entwickelten Begrifflichkeit würde man sagen, dass man es hierbei mit einer transkulturellen Praxis von Berichterstattung zu tun hat, die sich auch in einer Transkulturation der journalistischen Produktionskulturen in Europa zeigen müsste. Es sind solche Überlegungen, an denen unsere eigene Forschung zu politischen Diskurskulturen in Europa ansetzt (Hepp et al. 2012b: 85-178; Lingenberg et al. 2010). Bezogen auf Fragen journalistischer Praxis basiert diese auf im Herbst 2008 durchgeführten qualitativen Redaktionsstudien in 24 Qualitäts-, Boulevard- und Regionalzeitungen Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Österreichs und Polens, wobei Beobachtungen mit Interviews und qualitativen Netzwerkanalysen kombiniert wurden. Jenseits verschiedener Details zeigt die Studie ein komplexes Ineinandergreifen von nationalen und transnationalen Momenten in den Produktionskulturen der verschiedenen untersuchten Redaktionen. So machen unsere Studien deutlich, dass die Produktionskulturen der einzelnen Redaktionen auf einer ersten Ebene durch nationale politische Diskurskulturen gekennzeichnet sind. Nationale politische Diskurskultur ist etwas, das nicht hinter dem Tun der Journalistinnen und Journalisten liegt, sondern das von diesen selbst tagtäglich hervorgebracht wird. Dies wird an den verschiedenen von uns herausgearbeiteten Praktiken der Nationalisierung greifbar: Durch nationale Rückbezüge werden Geschehnisse jenseits des eigenen Landes im Schreiben der Journalistinnen und Journalisten in der eigenen Nation verortet, und es wird so die Grenzziehung zwischen nationalem Kommunikationsraum und den jenseits davon liegenden Kommunikationsräumen geschaffen. Bei der transnationalen Kontextualisierung geht es darum, die eigene Nation im weiteren Gesamt der politischen Welt zu verorten, wobei dieses Gesamt wiederum insbesondere in Bezug auf Nationalität konstruiert wird. In der Hierarchisierung der eigenen Arbeitspraxis wird eine Priorität nationaler Themen geschaffen. Europa bzw. die EU sind im Alltag der eigenen Nation zwar selbstverständlich geworden, jedoch ist dies eine nationale Veralltäglichung, d. h., Europa interessiert vor allem im Alltag der Berichterstattung über die eigene Nation und Nationalität. Und auch die Horizonte der Informationssuche-- die Rechercheblicke und Recherchenetzwerke der Journalistinnen und Journalisten- - sind vor allem 4.2 Transkulturalität in der journalistischen Praxis www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 111 111 national ausgerichtet, was wiederum kontinuierlich die Nation als primären Bezugsraum stützt. Alle diese Praktiken werden national auf unterschiedliche Weise realisiert, womit weitere Momente von nationaler Differenz geschaffen werden. So unterscheiden sich Einzelaspekte der Nationalisierung in Dänemark von der Nationalisierung in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Polen. Insofern haben wir ein fortlaufendes »doing nation« in der journalistischen Praxis, durch das nationale politische Diskurskulturen kontinuierlich bestätigt und damit auch stabilisiert werden: Politischer Diskurs wird zuerst einmal als nationaler politischer Diskurs geschaffen, nicht nur was die inhaltliche Referenz betrifft, sondern auch im Hinblick auf die Art und Weise seiner Realisierung. In diesem Sinne ist dem Öffentlichkeitsforscher Craig Calhoun sicherlich zuzustimmen, dass die Nation immer noch von Belang sei und wir nicht »abrupt in eine postnationale Ära eintreten« (Calhoun 2007: 25). Bemerkenswert ist allerdings, dass sich gleichzeitig die kulturellen Grundlagen der Konstruktion von Nationalität ändern. So fällt auf, dass die von uns ausgemachte Stabilität politischer Diskurskulturen bereits ein europäisches Phänomen ist. Gemeint ist damit zweierlei: Erstens erfolgt über die verschiedenen nationalen politischen Diskurskulturen hinweg deren fortlaufende Re-Artikulation auf Basis identischer Praktiken. Nationale Rückbezüge, transnationale Kontextbezüge, nationale Veralltäglichung, die national zentrierte Hierarchisierung wie auch die national ausgerichteten Rechercheblicke und Recherchenetzwerke sind nicht etwas, das wir nur für die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten in einem der oder in wenigen der von uns untersuchten europäischen Länder ausmachen konnten. Diese Praktiken sind eine europaweite Konstante. Zweitens ist für alle Länder kennzeichnend, dass Europa weitestgehend unproblematischer Teil der fortlaufenden Konstruktion von Nation ist: Wir haben es zwar mit nationalen Rückbezügen zu tun, aber es sind immer wieder Europa, die EU und deren Wandel, die auf die eigene Nation rückbezogen werden. Ebenso heißt transnationale Kontextualisierung als Praxis der Journalistinnen und Journalisten vor allem eine Verortung im europäischen Kontext. Bei der Hierarchisierung steht zwar die Nation an erster Stelle, der Rang dahinter obliegt allerdings zumeist Europa bzw. europäischen Ländern. Nationale Veralltäglichung meint, dass Europa selbst zum Alltag (fast) aller Ressorts zählt. Und auch in der Informationssuche wird zumindest ereignisbezogen europäisch gesucht. Auf einer weiteren Ebene zeigen sich in den Produktionskulturen der verschiedenen Zeitungsredaktionen über die verschiedenen Länder hinweg verschiedene Typen der Adressierung von Publika (siehe Tabelle 4): die Adressierungstypen des »Analytikers«, »Aufbereiters«, »Bedieners« und »Berichterstatters«. Bezogen auf die unterschiedlichen Publikumsbilder der Journalistinnen und Journalisten bestehen Differenzen des journalistischen Selbstverständnisses, des Stellenwerts von und der Einstellung zur EU, zum EU-Ausland und zur Welt sowie Unterschiede der Schwerpunkte bei den Realisierungen von Nationalisierungspraktiken. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 112 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 112 Tabelle-4: Transkulturelle Adressierungstypen im europäischen Journalismus »Analytiker« »Aufbereiter« »Bediener« »Berichterstatter« Zeitungen Die Presse (A), Der Standard (A), FAZ (D), SZ (D), Le Monde (F), Le Figaro (F), The Times (GB), Rzeczpospolita (PL) Kleine Zeitung (A), Politiken (DK), Ouest France (F), Le Parisien (F), Gazeta Wyborcza (PL) Kronen Zeitung (A) , Bild (D), Ekstra Bladet (DK), Daily Express (GB), Fakt (PL) WAZ (D), Berlingske Tidende (DK), Jydske Vestkysten (DK), Dzennik Zachodni (PL) Publikumsbild Bildungsbürgertum Alle Kleine Leute Durchschnittsbürger Journalistisches Selbstverständnis Umfassendes Analysieren politischer Entwicklungen Pädagogisches Aufbereiten politischer Entwicklungen Anwalt der kleinen Leute im politischen Geschehen Kompaktes Abbilden politischer Ereignisse Einstellung gegenüber EU EU als relevanter, konstruktiv hinterfragter Handlungsraum EU als Vermittlungsproblem und unterstütztes Projekt Widersprüchliche Pro-EU-Haltung bei gleichzeitiger Sensationskritik EU als Teil der Pflichtberichterstattung und als Lebensrealität Stellenwert EU-Ausland und Welt EU-Ausland und Welt als Handlungsraum EU-Ausland als Illustration des Nationalen EU-Ausland als randständige Boulevardressource EU-Ausland als randständige Nachrichtenressource Nationalisierungspraktiken Transnationale Kontextbezüge, nationale Veralltäglichung Nationale Rückbezüge, europäische Hierarchisierung Nationale Rückbezüge, nationale Hierarchisierung Nationale und regionale Rückbezüge Quelle: erweitert nach Hepp et al. 2012b: 173 Pointiert zusammengefasst zeigen unsere Analysen, dass die journalistische Praxis des »Analytikers« eine umfassende Analyse politischer Prozesse im Handlungsraum EU für das vorgestellte Publikum von Bildungsbürgern ist. Der »Analytiker« unterstellt seiner Leserschaft ein entsprechendes Bildungsniveau und will dem daraus resultierenden Anspruch in seiner Berichterstattung gerecht werden. Europa und die Welt sieht er als unproblematische Handlungsräume, die es zu beobachten gilt. Beim »Aufbereiter« ist die journalistische Praxis an einer pädagogischen, alltagsorientierten Weltaufklärung ausgerichtet. »Aufbereiter« verstehen es als ihre Aufgabe, möglichst offen für internationale, insbesondere europäische, Angelegenheiten zu sein und über diese trotz der 4.2 Transkulturalität in der journalistischen Praxis www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 113 113 begrenzten eigenen Ressourcen zu berichten. Der »Bediener« will vorgestellte Erwartungen der »kleinen Leute« erfüllen und greift EU- und auslandsbezogene Themen als Ressource auf, die Unterhaltung, Faszination und Anlass zu öffentlicher Aufregung bieten. Ein Verständnis von Berichterstattung als eine leserorientierte Service-Leistung steht im Vordergrund. Journalistinnen und Journalisten des Typus »Berichterstatter« adressieren »Durchschnittsbürger«. Diese wünschen sich aus Sicht des Berichterstatters national oder regional bezogene Informationen, einen guten Überblick über politische Entwicklungen bzw. hier und da auch ein wenig Unterhaltung. Die Adressierungspraktiken der verschiedenen Typen sind nicht nur für alle unsere Untersuchungsländer stabil. Sie verdichten sich darüber hinaus im Kontext der von uns untersuchten Zeitungen. Wir können dort Momente spezifischer politischer Diskurskulturen ausmachen, wo diese Adressierungspraktiken transnational bei bestimmten Arten von Zeitungen Bestand haben: Es gibt nicht nur bezogen auf einzelne Nationen kulturelle Differenzen der politischen Berichterstattung, sondern auch auf bestimmte Typen von Medienorganen. Wir haben es mit einer komplexen Transkulturation in der journalistischen Praxis in Europa zu tun. In solchen Prozessen der Transkulturation zeichnet sich das Entstehen einer neuen, europäischen politischen Diskurskultur als ein vielschichtiges Verdichtungsphänomen ab. So fällt zuerst einmal auf, dass sich die nationalen politischen Diskurskulturen entlang identischer journalistischer Praktiken beschreiben lassen. Zwar lassen sich diese Praktiken sicherlich nicht als Indizien einer globalen, professionellen Journalismuskultur interpretieren (Mancini 2008: 157). Aber in ihnen manifestieren sich transkulturell gemeinsame Muster der Konstruktion des Nationalen in Europa-- Muster, die in anderen Regionen der Welt sicherlich andere sind. Die oben unterschiedenen Adressierungstypen verweisen daneben auf das Entstehen einer europäischen politischen Diskurskultur als Aspekt der Transkulturation journalistischer Praxis. Zumindest scheint es in den verschiedenen europäischen Ländern geteilte Vorstellungen von Publika zu geben, die die Herausbildung von transnationalen Publikumsbildern ermöglichen. In einem solchen Sinne kann man mit den Journalismusforscherinnen Irene Neverla und Wiebke Schoon (2008: 28) davon sprechen, dass »gemeinsame kulturelle und historische Wurzeln [es rechtfertigen] […], von einem europäischen Modell in Abgrenzung zu einem anglo-amerikanischen Modell des Journalismus zu sprechen« (siehe auch Mancini 2008; Russ-Mohl 2003). Bei der Frage eines europäischen Journalismus geht es also nicht einfach darum, dass über Europa berichtet wird-- sondern viel grundlegender um die geteilte oder nicht geteilte politische Diskurskultur. Wir müssen bei einer solchen Annäherung an Transkulturalität in der journalistischen Praxis allerdings im Blick haben, dass sich die bisherigen Aussagen mit Europa auf einen sehr spezifischen Raum beziehen. In anderen Regionen der Welt sind die Zusammenhänge andere. Um dies zu verdeutlichen, lässt sich exemplarisch auf den arabischen Raum verweisen, wo es-- im Gegensatz zu Europa-- mit Al Jazeera (»Die www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 114 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 114 Insel«) einen bekannten und breit dominierenden panarabischen Nachrichtenanbieter gibt. Transkulturation in der journalistischen Praxis ist in einem solchen Falle ein Prozess, der in einem einzelnen Medienunternehmen stattfindet und nicht über verschiedene hinweg, wie es bei den betrachteten europäischen Zeitungen der Fall war. Hierauf weisen die verschiedenen Studien hin, die zu der journalistischen Praxis bei Al Jazeera durchgeführt wurden. Sie konstatieren, dass mit der Etablierung von Al Jazeera English im Jahr 2005 zusätzliche Momente der Transkulturation bei dem Sender auszumachen sind. Für die bei Al Jazeera English auszumachende Transkulturation stehen bereits die vier Zentren, von denen aus gesendet wird-- Doha, Kuala Lumpur, London und Washington DC- - sowie seine über die Welt verteilten 65 Korrespondentenbüros (Amin 2012: 29; Powers 2012: 21). Diese »dezentralisierte Produktionsstruktur« (Figenschou 2012: 44) bedeutet die Notwendigkeit der Integration vielfältiger kultureller Bezüge in die Produktionskultur(en) von Al Jazeera International. Als ein Grundmoment kann hierbei eine geteilte Vorstellung von Adressierung ausgemacht werden, wie sie unter den Journalistinnen und Journalisten von Al Jazeera verbreitet ist. Folgt man an dieser Stelle den Analysen der Al Jazeera-Expertin Tine Ustad Figenschou (Figenschou 2012: 46), besteht diese darin, solche Menschen mit dem eigenen Angebot zu adressieren, die Interesse an alternativen »Stimmen« haben. Hierbei geht es nicht einfach darum, den Menschen auf der Straße eine Artikulationsmöglichkeit zu geben, sondern auch Eliten, die in anderen transnational berichtenden Nachrichtensendern nicht zu Wort kommen. Dies schließt insbesondere Angehörige alternativer Eliten nicht-westlicher Länder ein. Hierbei hat man gleichzeitig Publika jenseits der arabischen Welt im Blick, weswegen Personen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten in die Produktion von Al Jazeera International eingebunden sind. Die Folge ist gerade im Bereich der Bildkommunikation, dass in Al Jazeera English weniger explizit über Gewalttaten berichtet wird, als dies beim arabischen Al Jazeera üblich wäre. Folgt man den Interviewaussagen von Journalistinnen und Journalisten, die Figenschou zitiert, so ist die Arbeit im eigenen Sender ein fortlaufendes Kämpfen mit Transkulturation. Zu große Divergenzen werden aber durch das geteilte Ziel vermindert, Akteuren in einem öffentlichen politischen Diskurs zu einer Stimme zu verhelfen, die ansonsten aus diesem ausgeschlossen wären. In diesem Sinne beschreibt Figenschou die journalistische Praxis bei Al Jazeera als »Journalismus der Verbundenheit« (Figenschou 2012: 52). Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er sich transkulturell für die Betroffenen positioniert. Dieses hier nur knapp umrissene Beispiel von Al Jazeera verweist nochmals auf die Komplexität von Transkulturation in der journalistischen Praxis. Transkulturation bedeutet hier nicht einfach die globale Durchsetzung bestimmter Professionalisierungen und von der weltweiten Medienkommerzialisierung getriebener Standards. Vielmehr ist man hierbei mit den Herausforderungen konfrontiert, die in der journalistischen Praxis bestehen, wenn es einerseits um eine Kommunikation über verschiedene 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 115 115 Kulturen geht und andererseits Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen in die journalistische Arbeit einbezogen werden. Ausgehend von ähnlichen Überlegungen-- in diesem Fall bezogen auf die journalistische Praxis bei BBC World Service-- haben Gerd Baumann, Maria Gillespie und Annabelle Sreberny (2011) davon gesprochen, dass transkultureller Journalismus über Prozesse der »Übersetzung«, »Übertragung« und »Transformation« greifbar wird (siehe dazu auch die Darlegungen in Kap. 5.3). Solche Prozesse der Transkulturation lassen sich kaum mit abstrakten Modellen von Kultur fassen, sondern bedürfen einer sorgfältigen kontextuellen Analyse. Hierbei lohnt ein differenzierter Blick auf die kommunikativen Figurationen, in denen die journalistische Praxis eingebunden ist und über die die jeweiligen Produktionskulturen artikuliert werden. 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion Bisher haben wir uns bei unserer Auseinandersetzung mit transkultureller Medienproduktion und deren Kontexten insbesondere mit global agierenden Medienkonzernen und der journalistischen Praxis in etablierten Medienunternehmen beschäftigt. Dem steht allerdings die immer wieder zu hörende These gegenüber, dass sich mit der Etablierung des Internets und darauf basierender Medien ein Kernmoment der gegenwärtigen Mediatisierung abzeichnet, wonach zunehmend jede bzw. jeder zumindest dem Potential nach Produzent von Medieninhalten sein kann (vgl. u. a. Kramp 2013: 42-47). Mit einer Etablierung des »produsers« (Bruns 2008) bzw. einer »convergence culture« (Jenkins 2006a) ist die Annahme verbunden, dass es nicht weiter ausgebildete bzw. in Organisationen arbeitende Menschen sind, die Medienprodukte hervorbringen und mit einer zumindest dem Potenzial nach globalen Reichweite über Social Media wie Youtube oder Facebook kommunizieren. Liegt hier also ein besonderes Potenzial transkultureller Medienproduktion? Während eine solche Frage auf den ersten Blick naheliegend ist, führt bereits ein erster differenzierter Blick zu einer gewissen Skepsis. So adressieren weite Teile der persönlichen Medienproduktion im Social Web den näheren Bekannten- und Freundeskreis (Fenton 2012: 125-130). Entsprechend handelt es sich hierbei-- wenn dieser Freundeskreis nicht selbst Menschen mit einer verschiedenen kulturellen Herkunft umfasst-- um keine transkulturelle Kommunikation. Anders scheint dies bei wechselseitiger Medienkommunikation in besonderen politischen Situationen zu sein. Diesbezüglich wurde hier immer wieder das Beispiel der Nutzung des Social Web bei den Umbrüchen in Tunesien, Libyen und Ägypten angeführt. Hier wurde das Social Web dazu genutzt, nicht nur um unter den Revolutionären zu kommunizieren, sondern auch für eigene politische Statements und Botschaften transkulturell Gehör zu finden. Solche Beispiele verweisen auf eine spezifische Weise des alternativen Mediengebrauchs. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 116 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 116 Die Beschäftigung mit alternativen Medien bzw. alternativen Formen der Medienproduktion ist spätestens seit John Downings Buch (1984) »Radical Media« fester Bestandteil der Kommunikations- und Medienforschung. Auf die Etablierung des Internets Bezug nehmend, hat Chris Atton- - ein weiterer Experte alternativer Medien-- einen solchen Mediengebrauch als »alternativ« bezeichnet, bei dem Medien »Menschen, die normalerweise von der Medienproduktion ausgeschlossen sind, die Mittel zur demokratischen Kommunikation eröffnen« (Atton 2002: 4). Er lenkt damit klar den Blick darauf, dass alternative Medien etwas mit Zugang zur Medienproduktion, aber auch spezifischen Formen derselben zu tun haben (siehe in Bezug auf das Internet auch Atton 2004). Solche Äußerungen stehen im Kontext einer breiten Diskussion um den Charakter von »alternativen Medien« und einer angemessenen Begrifflichkeit zu deren Beschreibung (Bailey et al. 2008; Couldry/ Curran 2003; Howley 2010; Lievrouw 2011; Rodríguez 2001). Vor dem Hintergrund der hier interessierenden transkulturellen Kommunikation wird es zentral, im Blick zu haben, dass »alternativ« ein stets relationaler Begriff ist. Es ist also zu klären, was der Bezugspunkt ist, zu dem eine Alternative geboten wird. Die Konstruktion des Alternativen kann nämlich sehr vielfältig sein und sollte als solche einen Teil der Untersuchung von Alternativmedien bilden: Es kann sich um eine Alternative zu einem bestehenden dominierenden öffentlichen Diskurs handeln, um eine Alternative zu den bestehenden Formen der Finanzierung und Ökonomie von Medien, eine Alternative zu der Art und Weise von Medienproduktion (beispielsweise indem Nicht-Professionelle in dieselbe eingebunden werden) und vieles mehr. Insgesamt interessiert uns hier das Potenzial einer in diesem Sinne stets relational zu verstehenden alternativen Medienproduktion für transkulturelle Kommunikation. Dieses Potenzial lässt sich insbesondere anhand von zwei Beispielen verdeutlichen. Dies sind zum einen transkulturelle Momente der alternativen Produktion von Nachrichten zum sogenannten »arabischen Frühling« und der vorangegangenen politischen Ereignisse. Zum anderen ist das Beispiel von Indymedia zu nennen. Auf beide soll im Folgenden eingegangen werden, um ausgehend davon einige allgemeine Anmerkungen zu transkulturellen Momenten in der alternativen Medienproduktion zu entwickeln. Gemeinhin werden unter »arabischem Frühling« (»Arab spring«) die im Dezember-2010 beginnenden Proteste und Aufstände in der arabischen Welt gefasst, die in einzelnen Staaten-- Tunesien, Libyen, Ägypten-- auch zu revolutionären Umstürzen der Regime geführt haben. Im öffentlichen Diskurs werden diese Ereignisse immer wieder mit Begriffen wie »Revolution 2.0« (Ghonim 2012) belegt und hierbei Bezüge bis hin zur Occupy-Bewegung gezogen (siehe hierzu Kap. 6.3 und 6.4). Betrachtet man den »arabischen Frühling« detaillierter, stellt man zuerst einmal fest, dass dieser in seinem weiteren Kontext zu sehen ist. Politisches Aufbegehren hat dabei eine wesentlich längere Historie, als dies der Begriff des »arabischen Frühlings« signalisiert. Besonders deutlich macht das die Untersuchung der Beziehung von Poli- 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 117 117 tik und Internet im Iran durch Kommunikations- und Medienforscher, bzw. die Iranexperten Annabelle Sreberny und Gholam Khiabany (2011). Diese können herausarbeiten, dass die Proteste gegen den iranischen Präsidentschaftswahlkampf im Sommer 2009 zwar schon als »Twitter-Revolution« (Sreberny/ Khiabany 2011: 264) bezeichnet wurden. Deren alternative Kommunikationsformen lassen sich aber nur dann angemessen erfassen, wenn der weitere Kontext und die historische Entwicklung einbezogen werden. So verlagerten sich trotz der vergleichsweise hohen Kosten seit 2001 erhebliche Teile der kritischen öffentlichen Kommunikation ins Internet und dort vor allem in Blogs. Als Grund wird ein Wechselspiel greifbar zwischen einerseits einem Druck auf etablierte Medien bis hin zur Schließung verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, andererseits der vergleichsweise einfachen Möglichkeit, über flexible »Kleinmedien« (Sreberny/ Khiabany 2011: 71) des Internets den eigenen Standpunkt zu kommunizieren. In der Folge entstanden viele Blogs. Man muss sich aber davor hüten, alle Blogs mit einer gegen das etablierte Regime gerichteten Kommunikation gleichzusetzen. Früh erkannten beispielsweise auch Religionsführer oder die Machthabenden die Möglichkeiten von Blogs und nutzten diese für die Kommunikation der eigenen Position. Inwieweit finden sich nun aber in dieser weit hinter die Proteste gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen zurückreichenden Entstehung eines »Blogistan« Momente transkultureller Kommunikation? Grundlegend für die Etablierung der transkulturellen Kommunikationsbeziehungen war die Einbindung der iranischen Diaspora. So weisen Sreberny und Khiabany darauf hin, dass sich im Mai 2006 unter den- - nach der sicher nicht unproblematischen Rangliste von Netstadbasic bestimmten-- 100 meist-abgerufenen iranischen Websites mit Nourizadeh.com und Behnoudonline.com nur zwei Blogs befanden. Beide Seiten sind gleichwohl Blogs bekannter iranischer Journalisten, die im Ausland leben und nicht nur gut vernetzt sind, sondern zusätzlich für den Sender Voice of America arbeiten: Kein im Irak lebender Journalist schaffte es mit seinem Blog, unter die besten 150 zu kommen (Sreberny/ Khiabany 2011: 80). Zu Recht weisen sie auf die Unzulänglichkeit der Daten von Netstadbasic hin. Deutlich wird aber dennoch, dass »Blogistan« nicht einfach die Sphäre der im Iran bloggenden Menschen ist, sondern selbst in nicht unerheblichen Teilen von der iranischen Diaspora mitproduziert wird. Deren Mitglieder leben im Spannungsverhältnis unterschiedlicher Kulturen und bringen in ihren Blogs auch den Blick von außen auf den Iran ein. Neben solchen bekannten Blogs bestehen kleine, private, zweisprachige bzw. englischsprachige Blogs, in denen ebenfalls Momente von Transkulturalität greifbar werden. Bestimmte Blogs werden betrieben, um die kulturübergreifende Kommunikation zu suchen. Detailliert haben dies Sreberny und Khiabany für Seiten der iranischen Frauenbewegung im Internet herausgearbeitet (Sreberny/ Khiabany 2011: 167-173). Daneben verfassen iranische Bloggerinnen und Blogger deswegen ein englisches Blog, weil sie sich in diesem freier ausdrücken können und weniger Angst vor Repressalien www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 118 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 118 aufgrund ihrer Meinungsäußerung haben müssen (Sreberny/ Khiabany 2011: 184- 186). Aber auch in diesem Fall ist es möglich, eine größere Leserschaft zu erreichen, der man die eigenen Belange kommuniziert (Sreberny/ Khiabany 2011: 237). Gleichzeitig dienen solche Blogs der Kommunikation von Nachrichten nach innen, wenn durch sie Artikel unterschiedlicher internationaler Zeitungen im Inneren des Iraks zugänglich gemacht werden (Sreberny/ Khiabany 2011: 191, 218). Und schließlich sind englischsprachige Blogs zu finden, die von Iranern insbesondere der zweiten Migrationsgeneration verfasst werden, die in den Iran zurückkehren und ihre Erlebnisse gewissermaßen als »ethnografische[s] Projekt« (Sreberny/ Khiabany 2011: 242) an Freunde und Familienmitglieder außerhalb des Irans kommunizieren. In all diesen Fällen werden alternative Praktiken des transkulturellen Bloggens greifbar. Es ist dieser Gesamthorizont, in den die Proteste des Sommers 2009 gegen den Ausgang der zugunsten von Mahmud Ahmadinedschad manipulierten Präsidentschaftswahl einzuordnen sind. Hierbei arbeiten Sreberny und Khiabany heraus, dass die Proteste in einem doppelten Sinne keine »Twitter -Revolution« waren. Erstens spielte sich das eigentliche Geschehen »auf den iranischen Straßen und Dächern ab, ein Beispiel für die ›körperliche Solidarität‹, die auch bei den Ereignissen von 1979 [islamische Revolution im Iran] eine entscheiden Rolle gespielt hatte« (Sreberny/ Khiabany 2011: 266). Zum anderen waren über Twitter insbesondere Re-Tweets von in Blogs publizierten Nachrichten und Kommentaren verfügbar. Twitter selbst spielte innerhalb des Irans keine Rolle, da dort zum damaligen Zeitpunkt ca. 100-Personen bei Twitter aktiv waren (Sreberny/ Khiabany 2011: 265). Twitter (und Facebook) bildeten also eher Möglichkeiten der transkulturellen Weiterleitung von Informationen über die Geschehnisse im Iran (siehe auch Gladwell 2010). Zentrale Instrumente einer alternativen transkulturellen Kommunikation waren hingegen die Blogs, was auch einen alternativen Journalismus stimulierte: »Innovative journalistische Ansätze, wie das Online-Nachrichtenmagazin Tehran Bureau bekamen neuen Auftrieb, weil ihre Artikel, Bilder und Blogs als Bindeglied zwischen Iranern und der internationalen Presse dienten« (Sreberny/ Khiabany 2011: 264). Solche Analysen mahnen zur Vorsicht, was die weitere Einordnung des »arabischen Frühlings« als eine »Revolution 2.0« (Ghonim 2012) angeht. Bei näherem Hinsehen lassen sich hier ähnliche Zusammenhänge ausmachen. Eine Hauptdifferenz im Vergleich zu den Ereignissen im Iran war sicherlich die wesentlich bessere Kommunikationsinfrastruktur. In verschiedenen arabischen Staaten wie beispielsweise Ägypten wurde der Ausbau des Internets von den alten Regimen politisch vorangetrieben, nicht zuletzt um eine ökonomische Entwicklung zu fördern, was wiederum auch die private Nutzung von Blogs stützte (Khamis et al. 2012: 3). Facebook ging im Februar 2009 mit einer arabischen Portalseite online, was die Nutzerzahlen in den arabischen Ländern erheblich steigerte (Samin 2012: 3). Twitter verfügt seit März 2012 über ein arabisches Interface. Allerdings-- und hierauf haben verschiedene Analysten insbesondere aus der arabischen Welt selbst hingewiesen (Dajani 2012; Samin 2012)-- 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 119 119 bleibt das Problem einer Darstellung der Aufstände in der arabischen Welt als einer mediengetragenen Revolution, wenn vergessen wird, dass es sich insbesondere um ein Aufbegehren gegen schlechte Lebensbedingungen bzw. berufliche und private Aussichtslosigkeit handelt. Entscheidend waren dann wiederum die physischen Demonstrationen, für deren Organisation in weiten Teilen traditionelle Kommunikationsformen grundlegend gewesen sind. Nabil Dajani weist, einen Augenzeugen zitierend, darauf hin, dass »traditionelle Face-to-Face-Medien einschließlich Schilder, Poster, Graffiti und Mundpropaganda den arabischen Frühling wesentlich stärker stützten« (Dajani 2012: 2) als die digitalen Medien. So ist es aus seiner Sicht nicht verwunderlich, dass die größeren Proteste im Anschluss an die Freitagsgebete in Moscheen stattfanden, wo sich die Menschen zum direkten Austausch trafen. Eine Rolle spielte die alternative Medienproduktion im Rahmen des arabischen Frühlings insbesondere bei der transkulturellen Kommunikation der Ereignisse. So kann das fortlaufende Aufzeichnen von Protesten mit Mobiltelefonen und Digitalkameras, bzw. das Laden solcher Filme auf Youtube und andere Webseiten, bzw. das Verweisen auf solche Informationen durch Facebook und in Teilen auch Twitter als Versuch begriffen werden, die Geschehnisse kulturübergreifend zu kommunizieren. Die fortlaufende Dokumentation der Geschehnisse war dabei breit angelegt: »Ob Sicherheitskräfte zu Tränengas griffen, Gewalt ausübten oder verhafteten, alles wurde aufgezeichnet. Von politischen Aktivisten wurden Fotos und Videos auf Facebook gestellt, getwittert und auf Youtube geladen« (Khamis et al. 2012: 6). Diese alternativen transkulturellen Kommunikationsmöglichkeiten sind allerdings in einem doppelte Sinne widersprüchlich: Erstens war es eine kleine Gruppe von Aktivisten, die die Möglichkeiten einer solchen Form der Kommunikation hatte. Diejenigen, die so außerhalb der arabischen Welt als Protagonisten der Proteste bekannt wurden, waren insbesondere progressive Jugendliche mit guten Englischkenntnissen wie beispielsweise die Aktivisten Wael Ghonim und Gihan »Gigi« Ibrahim, die gleichwohl nur einen geringen Teil der protestierenden Menschen repräsentierten (Samin 2012: 2). Zweitens wurden solche alternativen Formen der transkulturellen Kommunikation dann aber insbesondere durch traditionelle Medien weiterverbreitet und erst damit Teil des Medienereignisses »arabischer Frühling« (Alterman 2011: 113). Gänzlich anders ist das zweite Beispiel gelagert, nämlich die »Independent Media Centre (IMC)«-Bewegung von Indymedia. Die Geschichte von Indymedia ist eng verbunden mit der globalisierungskritischen Bewegung und hier insbesondere den Protesten während der Konferenz der Wirtschafts- und Handelsminister der WTO, die vom 30. November bis 2. Dezember 1999 in Seattle stattfinden sollte (Atton 2003: 7). In Vorbereitung der Proteste wurde dort der erste Independent Media Centre nicht nur als Webseite, sondern auch als ein physischer Ort eingerichtet, an dem berichterstattende Aktivistinnen und Aktivisten sich austauschen, E-Mails verschicken oder ihre Akkus aufladen konnten (siehe Beckerman 2003: 5; Halleck 2003; Hyde 2002: 3). Um die Nachrichten dieses alternativen Pressezentrums einer größewww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 120 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 120 ren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde auf eine ursprünglich in Australien entwickelte, offene Webplattform gesetzt, die es jedem der Berichterstattenden ermöglichte, die eigenen Beiträge eigenständig zu veröffentlichen. Die Startseite dieses ersten IMC war bereits in die Bereiche »Newswire«, »Features« und »Links« strukturiert und wurde damit zum Modell für die IMC-Webseiten der Indymedia-Bewegung. Die rasante Entwicklung von Indymedia muss in Bezug auf die Besonderheiten der Proteste in Seattle gesehen werden. Mit ihren offenen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden gingen sie als »Battle of Seattle« in die Geschichtsnarration der globalisierungskritischen Bewegung ein und waren weit über die Grenzen der USA hinaus ein herausragendes Medienevent (zur Relevanz von Medienereignissen für transkulturelle Kommunikationsprozesse siehe Kap 5.4). Während der Proteste-- die unter einem massiven Polizeiaufgebot und Einsätzen von Tränengas stattfanden- - wurde der Indymedia IMC zur Anlaufstelle von 300 bis 400 Aktivistinnen und Aktivisten, die direkt aus dem Geschehen berichteten und damit alternatives Material zu den offiziellen Informationen von staatlicher Seite boten (Lievrouw 2011: 135). Diese partizipative Berichterstattung stieß nicht nur auf Interesse von Aktivistinnen und Aktivisten selbst (Halleck 2003: 2), sondern vor dem Hintergrund des Medienereignisses der Proteste auf ein generelles Interesse (Pavis 2002: 1; Pickard 2006: 20). Für die Verbreitung der Produkte dieser alternativen Medienproduktion war einmal mehr nicht allein die Webseite von Indymedia entscheidend. In vielen Fällen fungierte diese als Distributionsplattform von Inhalten, die dann in klassischen Massenmedien aufgegriffen wurden (Hyde 2002: 3). Bekannt geworden über das zuletzt genannte Medienevent der globalisierungskritischen Bewegung, verbreiteten sich IMCs rasch zuerst in den USA, dann in anderen Ländern. Betrachtet man die zahlenmäßige Entwicklung der IMCs (siehe dazu obige Abbildung 10), fällt gleichwohl nicht nur auf, dass sie bis heute eine vor allem »westliche« Form der alternativen Berichterstattung sind. Ebenso fällt auf, dass die zahlenmäßige Entwicklung nach einem rasanten Anstieg abflacht und seit 2008 zurückgeht. Dies mag zum einen für die enge Verbindung der IMCs mit der globalisierungskritischen Bewegung stehen, die ihre größte Aufmerksamkeit im Zeitraum der starken Zunahme von IMCs hatte. Das Abflachen der Entwicklung kann aber auch weitere Gründe haben. Genannt wird hier die Ressourcenknappheit der Freiwilligen-Organisation von Indymedia (Lievrouw 2011: 135-137). Zentral ist aber auch, dass andere Formen alternativer Medienproduktion an Relevanz gewonnen haben. Zu denken ist hier nicht nur an Blogs. Gerade wenn es um die Schnittstelle der Kommunikation zwischen Aktivistinnen und Aktivisten bzw. etablierten Medienunternehmen geht, hat sich Twitter zu einer wichtigen Kommunikationsplattform etabliert. Hinter dieser Entwicklung steht eine Art »Franchise«-Modell, auch wenn die Organisationselite von Indymedia solche Namen selbst sicherlich ablehnen würde: Jedes IMC agiert unabhängig und eigenständig und basiert auf reinem Freiwilligen- 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 121 121 Engagement. 5 Verbunden sind die einzelnen IMCs neben dem Namen durch eine gemeinsame technische Infrastruktur einer Open-Source-Veröffentlichungsplattform, die sich in einem einheitlichen Grundaufbau der Webseiten manifestiert (Bob et al. 2007: 207-212). Die Besonderheit der Berichterstattung aller IMCs ist die offene Veröffentlichungspolitik. Konkret heißt das, dass jeder über die Indymedia- Webseiten Nachrichten bzw. Informationen veröffentlichen kann, was als Kernaspekt des partizipatorischen »Indymedia Journalismus« (Platon/ Deuze 2003) gilt. Alle Beiträge werden zuerst auf einer »open posting« Seite veröffentlicht und im Anschluss von Mitgliedern eines Moderationskollektivs gegengelesen und zum Teil sprachlich korrigiert bzw. mit weiterführenden Links angereichert. Zusätzlich werden die Beiträge in diesem Prozess bei einer aus der Sicht des Moderationskollektivs bestehenden Eignung im »Newswire« auf der Startseite eingeordnet bzw. entsprechenden Themenrubriken zugeordnet. Andere Beiträge verbleiben im »open posting«. Beiträge schließlich, die gegen Indymedia-Richtlinien verstoßen, werden in 5 Siehe hierzu und zum Folgenden http: / / docs.indymedia.org/ view/ Global/ FrequentlyAskedQuestions [7.6.2012]. Quelle: erweiterte Darstellung auf Basis von Lievrouw 2011: 136 2012 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 200 1 20 40 60 80 100 120 140 160 180 Jahr Anzahl an Indymedia Centers erste IMCs in Europa (u.a. London), Lateinamerika (Mexiko) und Ozeanien (Australien) erster IMC in Afrika (Südafrika) erster IMC in Asien (Indonesien) 28 57 98 114 143 155 166 169 173 179 183 178 178 [+104%] [-2,7%] [+72%] [+16%] [+25%] [+8.4%] [+7.1%] [+1.8%] [+2.4%] [+3.4%] [+2.2%] [±0%] Abbildung 10: Verbreitung der IMC von INDYMEDIA www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 122 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 122 »hidden articles areas« verschoben (dazu zählen beispielsweise ungenaue oder offensichtlich falsche Berichte, persönliche Attacken, einfache Weiterleitungen anderer Inhalte o. ä.; siehe im Detail Lievrouw 2011: 133). Die interne Kommunikation von Indymedia erfolgt primär über Mailinglisten und ist neben lokalen Treffen auch translokal durch direkte Treffen gesichert. Zum weltweiten Zusammenhalt von Indymedia ist derzeit ein »Global Spokes Council« geplant, der Entscheidungen, die für Indymedia auf globaler Ebene von Belang sind und die die einzelnen IMCs über ihre Entscheidungsprozesse vollzogen haben, global bestätigt (siehe zum »spokes council model« im Allgemeinen Pickard 2006: 29 f.). Hinter einer solchen internen Organisation steht die grundlegende Maxime einer konsensbasierten Entscheidungsfindung. Betrachtet man Indymedia weltweit, fällt auf, dass es drei grundlegende Arten von IMCs gibt: nationale IMCs, solche, die sich auf bestimmte Themen fokussieren und lokale IMCs in einzelnen Städten (vor allem Nordamerikas). Das gemeinsame Ziel von Indymedia lässt sich mit dem selbst verwendeten Slogan »don’t hate the media, be the media« (Bailey et al. 2008: 103) fassen: Es geht darum, nicht nur »die Medien« zu kritisieren, sondern durch die eigenen journalistischen Aktivitäten den bestehenden Informationen alternative Nachrichten und Deutungen zur Seite zu stellen (Atton 2003: 13). Alternative Medienproduktion bei Indymedia kann demnach zum einen die Produktion von »alternativen Nachrichten«, zum anderen die Produktion von »alternativen Kommentierungen« von durch andere Medien verbreitete Nachrichten bedeuten. Transkulturalität spielt in beiden Fällen eine Rolle. Wie bereits umrissen, sind die Anfänge von Indymedia eng verbunden mit dem Entstehen der globalisierungskritischen Bewegung. Eines der primären Ziele der Einrichtung des ersten IMCs war, die lokalen Ereignisse bei den Protesten in Seattle kulturübergreifend zu kommunizieren. Die alternative, transkulturell ausgerichtete Medienproduktion ist also fester Bestandteil von Indymedia überhaupt. Hier gibt es bis heute in dem Sinne eine Kontinuität, dass die Aktivitäten verschiedener IMCs insbesondere dann besonders intensiv sind, wenn es um die (transkulturelle) Berichterstattung über Protestereignisse geht. Exemplarisch stehen hierfür die Berichterstattungen der italienischen IMCs und die Proteste zum G 8-Gipfel in Genua 2001 (Atton 2003: 10) oder die Berichterstattungen des deutschen IMCs und die Proteste gegen den G 8-Gipfel in Heiligendamm 2007. In diesem Sinne stellt Chris Atton fest: »Indymedia verbindet lokale Arbeit mit globalem Kampf, und es ist dieser globale Kontext, von dem aus sich die Bewegung selbst sieht« (Atton 2003: 9; siehe auch Downing 2003: 250-253). In solchen Fällen alternativer Nachrichten findet eine Berichterstattung von verankerten und lokal angereisten Aktivistinnen und Aktivisten statt, um im Sinne der ursprünglichen Intention des IMCs den Ereignissen zu einer alternativen Repräsentation in den Medien zu verhelfen. Es fällt auf, dass dabei auch »nationale« Indymedia- Webseiten gezielt »international« berichten. Festmachen lässt sich dies u. a. daran, dass solche Nachrichten in anderen Sprachen als der primären Sprache des jeweiligen 4.3 Alternative Formen der Medienproduktion www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 123 123 IMC aufbereitet werden. Für die deutsche Indymedia-Seite sind dies beispielsweise während der Proteste von Heiligendamm 2007 neben Englisch auch Französisch, Italienisch und Spanisch gewesen. Transkulturelle Kommunikation scheint bei Indymedia auf herausragende Ereignisse bezogen zu sein, wenn man von einzelnen Thematiken wie »Migration« absieht (siehe Bailey et al. 2008: 102-105). Kennzeichnend für die alternativen Kommentierungen bei Indymedia ist, dass bei diesen nicht selbst über ein Ereignis berichtet wird, das ansonsten in der Medienberichterstattung keine Aufmerksamkeit bekäme, sondern dass durch die weitere Medienberichterstattung bekannte Ereignisse »alternativ« eingeordnet und bewertet werden. Wiederum sind viele der Ereignisse lokal bis national, und es bestehen auch hier nur bei herausragenden Ereignissen und Themen transkulturelle Referenzen. Detailliert hat dies Chris Atton am Beispiel der Berichterstattung des IMC Seattle zu 9/ 11 herausgearbeitet-- den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und ihren Folgen in der amerikanischen Politik (siehe zum Folgenden Atton 2004: 46-51). Die Berichterstattung war hierbei nicht durch das beschriebene »open posting« gekennzeichnet. Vielmehr hatte das Indymedia-Kollektiv von Seattle eine »stärker ›kontrollierende‹, redaktionelle Funktion« (Atton 2004: 46). Es wurden Beiträge verschiedener Quellen zu den Ereignissen ausgewählt, in der Mehrzahl Beiträge von (US-amerikanischen) »Bewegungsintellektuellen« (Atton 2004: 47) wie Noam Chomski, George Monbiot oder Robert Fisk. Diese wurden dann mit Verweisen auf Veröffentlichungen kombiniert, die klassischen, zum Teil ausländischen Medienorganen wie der BBC entstammen, gleichwohl sie einen kritischen Blick auf die damalige Politik der US-Regierung stützen. Insgesamt finden sich in dieser Berichterstattung aber nur wenige Verweise auf alternative Quellen aus dem Ausland. Im umfassenden Sinne eine transkulturelle Kommunikation zu initiieren, stand nicht im Vordergrund der Aktivitäten des Kollektivs des IMC Seattle. Wie Chris Atton feststellt, war diese Berichterstattung hauptsächlich »getrieben von US-fokussierten, intellektuellen Bewegungsanliegen« (Atton 2004: 49). Was lässt sich nun verallgemeinernd, ausgehend von den diskutierten Beispielen der Blog-Berichterstattung in den arabischen Ländern bzw. Indymedia, für eine transkulturell ausgerichtete, alternative Medienproduktion sagen? Zuerst einmal bleibt festzuhalten, dass in beiden Fällen betroffene Menschen als »Produzierende« aktiv werden und dabei auch das Kulturübergreifende zu deren Handlungshorizont gehört. Viele Aspekte dieser alternativen Medienproduktion scheinen aber gerade aufgrund ihres partizipativen Charakters auf die lokal bezogene Lebenswelt ausgerichtet zu sein. Es geht also um eine bestimmte Weise der Produktion transkultureller Kommunikation: Ziel ist es, Menschen anderer kultureller Kontexte über die eigenen Erfahrungen zu informieren, sich mit diesen zu solidarisieren bzw. so insgesamt zu mobilisieren. Dies scheint in der Tendenz auch andere Formen alternativer Medienproduktion zu kennzeichnen, wie beispielsweise die von Migrantinnen und Migranten (Bailey et al. 2008: 63-71; Hepp et al. 2011: 123-148). www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 124 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 124 Die betrachteten Beispiele machen deutlich, dass dabei herausragende Ereignisse-- Medienevents, wie wir sie später nennen werden (Kap. 5.4)-- zentrale Bezugspunkte dieser alternativen Formen transkulturell orientierter Medienproduktion sind. Hierfür stehen die Proteste der globalisierungskritischen Bewegung ebenso wie die des »arabischen Frühlings«. Eine transkulturell ausgerichtete alternative Medienproduktion mag so vielleicht der Ausnahmefall sein-- gleichwohl ein wichtiger, denn es geht in diesen Fällen darum, durch eine alternative Medienberichterstattung transkulturell zu mobilisieren. Dies führt vor Augen, dass auch die alternative Medienproduktion als kommunikative Figuration stets in ihren je spezifischen Kontexten zu sehen ist. Fast ist man geneigt zu sagen, dass gerade bei der alternativen Medienproduktion transkulturelle Kommunikation sich im Kern in translokaler Solidarisierung und Mobilisierung manifestiert. In diesem Sinne erscheint bis heute folgende Aussage aktuell, mit der Chris Atton sich auf die zapatistische Bewegung in Chiapas/ Mexiko bezieht: »Der kulturübergreifende Dialog, den die zapatistische Bewegung durch die Veröffentlichung ihrer Kommuniqués im Internet entfachte, die Unterstützung, die sie weltweit aufbaute, die Sichtbarkeit, die ihre Nachrichten in den Mainstream-Medien erhielten: Alles entstand aus dem Einsatz eines internationalen Kommunikationsmediums für ein Projekt des lokalen Widerstands« (Atton 2003: 6). 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte Wie in der bisherigen Argumentation wiederholt angeklungen ist, haben wir es mit der fortschreitenden Mediatisierung und Globalisierung auch mit transkulturell orientierten Formen der Medienproduktion zu tun. Man kann eine solche Medienproduktion in verschiedener Hinsicht als »deterritorial« charakterisieren. So adressiert sie ja gerade nicht bestimmte territorial geschlossene Verbreitungsgebiete (Sendegebiete des Rundfunks, Verbreitungsräume von Zeitungen usw.), sondern ist in ihrem transkulturellen Charakter über verschiedene Territorien hinweg ausgerichtet. Ebenso erstrecken sich die Konzerne, in denen eine solche Medienproduktion stattfindet, als global agierende Medienkonzerne über mehrere nationale Territorien. Man darf aber solche Aussagen nicht damit gleichsetzen, dass eine transkulturell ausgerichtete Medienproduktion »ortslos« wäre. Es lässt sich diesbezüglich auf das Beispiel der arabischen Fernsehindustrie verweisen (Kraidy/ Khalil 2009: 19-25): Diese bewegte sich von ihren Anfängen über bestimmte Territorien hinweg, wobei sich seit den 1990er- Jahren eine Bewegung weg von Europa hin in den arabischen Raum abzeichnet. Gleichzeitig waren es aber und sind es vor allem bestimmte Orte, die diese Fernsehindustrie besetzt. In Europa sind dies insbesondere London und Rom gewesen, im arabischen Raum ist an einen Ort wie Dubai Media City zu denken. Das Beispiel macht deutlich: Will man sich Fragen transkultureller Medienproduktion auf eine 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 125 125 angemessene Weise nähern, erscheint es unabdingbar, dass man einen Blick für solche besonderen Örtlichkeiten entwickelt. Ein solcher Zugang verweist auf die Komplexität einer kulturellen Geografie transkultureller Medienproduktion. So ergeben sich die Ungleichheiten der Globalisierung von Medienkommunikation nicht einfach durch Zentrum-Peripherie-Relationen zwischen einzelnen Staaten und ihrer Medienproduktion. Vielmehr haben wir es mit einem wesentlich komplexeren und auch widersprüchlicheren Netzwerk von Ungleichheiten zu tun. Dieses lässt sich erst dann angemessen erfassen, wenn man den Blick auch auf die Orte der Medienproduktion lenkt. Wo sind die herausragenden Lokalitäten transkulturell orientierter Medienproduktion? In welcher Relation stehen diese zueinander? Es fällt auf, dass solche scheinbar banal klingenden Fragen erstaunlich selten in der Kommunikations- und Medienforschung gestellt werden. Findet in der klassischen Kommunikations- und Medienwissenschaft überhaupt eine Beschäftigung mit der kulturellen Geografie transkultureller Medienproduktion statt, werden sehr schnell Lokalitäten nicht differenziert betrachtet, sondern als Repräsentanten von (National-) Staaten konzeptionalisiert, für deren kulturelle Produktion sie stehen: Man spricht hier einfach von der »amerikanischen«, »iranischen« oder »deutschen« Medienproduktion; weitergehende Unterscheidungen macht man kaum. Dass eine solche vorschnelle, Nationalstaaten betreffende, territorialisierende Betrachtung nicht hinreichend ist, um die Ungleichheiten der Produktionsaspekte transkultureller Kommunikation zu formulieren, das sollten bereits die bisherigen Darlegungen gezeigt haben. Betrachtet man die kulturelle Geografie transkultureller Medienproduktion, sind global agierende Medienkonzerne an spezifischen, wenn auch global verstreuten Orten lokalisiert (Curtin 2003). Die Entwicklung einer globalen Medienkommerzialisierung ist also nicht als eine »weltweite Ortlosigkeit« von Medienproduktion zu verstehen. Im Gegenteil: Gerade das Konzept der global agierenden Medienkonzerne mit seinem Schwerpunkt auf Translokalität zeigt die nach wie vor bestehende Relevanz von Lokalitäten. Grundlegend handelt es sich dabei aber nicht um irgendwelche Lokalitäten, sondern um sehr spezifische Städte und städtische Räume. Dies wird ansatzweise bereits deutlich, wenn man sich die Lokalisierung der Hauptsitze der nach Umsatz größten 50 Medienkonzerne der Welt vor Augen führt. Zunächst einmal zeigt eine solche Visualisierung, dass die Hauptsitze in einer relativ geringen Anzahl von Lokalitäten zu finden sind: Hier ist an erster Stelle der Raum New York zu nennen, gefolgt von London und Tokio. In diesen drei Städten bzw. Stadträumen befinden sich 19 der 50 Hauptsitze der umsatzstärksten Medienunternehmen. Nimmt man noch die Städte Paris und Berlin bzw. die Stadträume San Francisco, München und Washington hinzu, so sind 33 der 50 Hauptsitze der umsatzstärksten Medienunternehmen in acht Städten und Stadträumen der Welt lokalisiert. Betrachtet man darüber hinaus, dass gerade die global agierenden Medienunternehmen neben ihrem Hauptsitz weitere zentrale Unternehmensteile wiederum in den www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 126 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 126 bereits genannten Städten haben, bestätigt dies eine Konzentration auf wenige Städte, an denen die Knotenpunkte der Netzwerke der umsatzstärksten Medienkonzerne zu finden sind. So ist beispielsweise ein weiterer zentraler Sitz von Sony, neben dem Hauptsitz in Japan, in New York. Die für Sony wichtigen Filmstudios liegen im Raum Los Angeles, und auch die Bertelsmann AG verfügt über zentrale Niederlassungen in New York und London. Auffallend ist gleichwohl, dass sich die Konzentration auf herausgehobene Lokalitäten auch mit der Verbreitung des Internets nicht grundlegend verändert hat. Dies belegen die Arbeiten von Matthew Zook (2000, 2001, 2005). Begreift man die Geografie der kulturellen Produktion des Internets nicht einfach als die ihm zugrundeliegende technische Infrastruktur bestehender Verkabelungen, sondern setzt sich mit den eigentlichen Produktionslokalitäten auseinander, so fallen auch zentrale Verdichtungen auf. Um diese zu erfassen, setzt Zook bei den jeweils lokal bezogenen Registrierungen von Top-Level-Domains an, nämlich Cone-Domains (.com,.org,.net und. edu) und Landescode-Domains (.de,.jp usw.). Diese bieten sich aus zwei Gründen als Indikatoren für eine Lokalisierung der kulturellen Produktion des Internets an: Ers- Zahl der Hauptsitze 1 Kapstadt, Rio de Janeiro, Stockholm etc. 2 Berlin, Großraum München, Englewood 3 Paris, Großraum San Francisco 4 London, Großraum Washington 6 Tokyo 9 Großraum New York Quelle: eigene Darstellung nach http: / / www.mediadb.eu/ datenbanken/ internationale-medienkonzerne.html [1/ 2014] Gütersloh Großraum San Francisco Calgary Toronto Montreal Englewood Burbank Mexico City Rio de Janeiro Kapstadt Mailand Rom Tokyo Stockholm Berlin Amsterdam Haarlem London San Antonio St. Louis Atlanta Phildadelphia Großraum München Großraum Washington Großraum New York Paris Abbildung 11: Lokalisierung der Hauptsitze der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 127 127 tens entsprechen die Adressen der Registrierungen in den meisten Fällen den Lokalitäten der Produktion der Internetinhalte selbst. Zweitens ist durch einen Bezug auf die Domains gleichzeitig eine Gewichtung der Relevanz und Größe einzelner Anbieter berücksichtigt, indem relevante Großanbieter des Internets teilweise über 75 Domains registriert haben (vgl. Zook 2000: 412; Zook 2001: 1682). Das Bemerkenswerte an der Studie von Zook ist, dass sich bei einer solchen Betrachtung des Internets mit Blick auf die Artikulationsebene der Produktion nicht das Bild eines lokalitätslosen Mediums ergibt. Es sind ähnliche Stadtregionen wie die bereits genannten, die die entscheidenden Lokalitäten der Produktion sind (vgl. dazu und zum Folgenden ausführlicher Hepp 2004: 259-274). Ist eine solche Betrachtung der Lokalisierung der kulturellen Produktion des Internets also wiederum ein Zeichen dafür, dass Städte und Metropolen die primären Lokalitäten der kulturellen Produktion der Medien in Zeiten der Globalisierung sind-- insbesondere bei transkultureller Kommunikation? Und wenn ja, welche Städte sind dies genau? Die Hauptsitze der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne sind sicherlich ein erster Indikator für eine solche Lokalisierung. Dieser reicht aber kaum aus, um die entscheidenden Städte zu benennen. Bei einem solchen Vorgehen würde man ja Gütersloh als Sitz der Bertelsmann AG den gleichen Status zusprechen wie Sydney. Hinweise für einen differenzierteren Ansatz bietet die allgemeine Diskussion um »world cities« bzw. »global cities«, wie sie in der Soziologie der Globalisierung bzw. der kulturellen Geografie seit längerem geführt wird. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit globalen Städten geht mindestens auf die 1960er-Jahre zurück. Bereits damals hat der Kulturgeograf und Stadtplaner Peter Hall in »The World Cities« darauf hingewiesen, dass die von ihm so bezeichneten Weltstädte nicht durch ihre Bevölkerungsgröße oder durch ihre territoriale Ausdehnung zu solchen werden. Vielmehr werden sie dies dadurch, dass sie Zentren des Regierens und des Handels, insbesondere aber des Bankwesens und der Finanzen sind. Das heißt, Weltstädte definieren ihren Status darüber, dass dort Experten verschiedenster Berufssparten konzentriert sind. Und bereits in dieser frühen Studie wird auf Medienkonzerne verwiesen, wenn Hall darauf aufmerksam macht, dass in den von ihm so bezeichneten Weltstädten die zentralen Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zu finden sind, aber auch die herausragenden Radiostationen und Fernsehnetzwerke (Hall 1966: 7 f.). Ganz ähnlich hat die Soziologin und Ökonomin Saskia Sassen später formuliert: »[…] die Global Cities von heute [dienen] erstens als Steuerungszentralen innerhalb der Organisation der Weltwirtschaft, zweitens als wesentliche Standorte und Marktplätze für die derzeit führenden Wirtschaftszweige, d. h. für das unternehmensorientierte Finanz- und Dienstleistungsgewerbe, und drittens als wesentliche Produktionsstandorte dieser Gewerbezweige, wozu auch die Produktion von Innovationen gehört« (Sassen 1996: 20). Auch der Argumentationszusammenhang, den Saskia Sassen bereits in den 1990er- Jahren entwickelt, ist ein Hinweis darauf, dass mit der Globalisierung die Relevanz von herausragenden Städten nicht abgenommen, sondern zugenommen hat. Insofern www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 128 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 128 ist für Sassen die These, dass mit der Verbreitung der Informationsökonomie eine »Neutralisierung des Raums durch die Telematik« (Sassen 1996: 17) stattgefunden habe, eine unüberlegte Schlussfolgerung. Gerade Ortsgebundenheit ist ein wichtiger Bestandteil der Informationsökonomie, nicht nur deshalb, weil Spezialisten der Informations- und Kommunikationsbranche nicht überall zu haben sind, sondern auch, weil Information und Kommunikation eine entsprechende Infrastruktur voraussetzen (Sassen 1996: 24). Vor diesem Hintergrund trägt die Etablierung der Informationstechnologien nicht zu einer Neutralisierung von Entfernungen im Hinblick auf Fragen der Medienproduktion bei, sondern hat zu einer Konzentration der global agierenden Konzerne in einer beschränkten Zahl von globalen Städten geführt. Die Herausbildung von zentralen globalen Städten wie New York, Los Angeles, London, Tokio, Frankfurt, S-o Paulo, Hongkong und Sydney ist insbesondere durch eine Agglomeration unternehmensorientierter Dienstleistungen zu erklären (Sassen 2000). Gerade global agierende Konzerne benötigen ein spezifisches Set von auf sie bezogene Dienstleistungen, d. h. Dienstleistungen, die sich auf finanzielle, rechtliche und allgemeine Managementaufgaben mit transkulturellem Fokus beziehen. Die Werbeagentur, die sich auf deterritoriale Kampagnen spezialisiert und über das dafür notwendige Kontaktnetzwerk verfügt, ist hierfür ein Beispiel. Dieser Zusammenhang trägt dazu bei, dass die wichtigsten global agierenden Konzerne mit ihrem ebenso spezifischen wie erheblichen Dienstleistungsbedarf insbesondere in globalen Städten zu finden sind. In Bezug auf transkulturelle Kommunikation kann man einige von diesen Weltstädten als globale Medienstädte begreifen. Globale Medienstädte bzw. städtische Räume lassen sich als solche Lokalitäten definieren, in denen erstens wichtige funktionale Verdichtungen global agierender Medienkonzerne vorhanden sind, die zweitens wesentliche Plätze eines Handels länderübergreifender, geokultureller und transkultureller Märkte darstellen und die drittens durch das Vorhandensein von spezifischen, auf Medienkommunikation bezogene Finanz- und Dienstleistungen gekennzeichnet sind. Globale Medienstädte sind also nicht die ausschließlichen Stätten der Produktion transkultureller Kommunikation. Als Lokalitäten sind sie aber die zentralen »Knoten« in den Produktionsnetzwerken transkultureller Kommunikation. Doch was sind nun letztlich die relevanten Städte? Die auf globale Städte im Allgemeinen bezogenen Operationalisierungen der »Globalization and World City Study Group« am Department of Geography der Loughborough University in Großbritannien aufgreifend (Taylor 2003; Taylor/ Walker 2001), hat der Wirtschafts- und Sozialgeograf Stefan Krätke globale Medienstädte nach den Kategorien Alpha, Beta und Gamma unterschieden. Die Basis dafür ist eine Analyse der Standortnetzwerke von 33 Medienkonzernen, die zusammen rund 2.766 Unternehmenseinheiten haben (vgl. Krätke 2005: 327). Eine globale Medienstadt der Kategorie Alpha muss über eine Präsenz von mehr als 50 % und mehr als 60 Unternehmenseinheiten der berücksichtigten »global players« (Taylor/ Walker 2001: 328) verfügen. Insgesamt 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 129 129 ergibt sich so ein Bild globaler Medienstädte, wie in den Abbildungen 12 (S. 129) und 13 (S. 130) visualisiert. Solche Visualisierungen vor Augen, kommt man nicht umhin zu vermuten, dass die zugrundeliegenden Daten durch einen gewissen »Eurozentrismus« gekennzeichnet sind, wenn man in Betracht zieht, wie viele der »kleinen« Medienstädte in Europa lokalisiert sind. Dennoch haben diese Überlegungen eine gewisse Evidenz. So taucht in dieser Aufstellung globaler Medienstädte ein Großteil der Städte bzw. Stadträume auf, in denen Unternehmenssitze der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne gelegen sind. Dabei sind-- wenn man von Tokio absieht-- die meisten der Städte, in denen mehrere Hauptsitze lokalisiert sind, auch der Kategorie Alpha zuzuordnen. Gleichzeitig sind die in der Studie von Zook herausgearbeiteten entscheidenden Lokalitäten der kulturellen Produktion des Internets erfasst. Und auch die transkulturell orientierte Filmproduktion ist zutreffend abgebildet, indem hier nicht Länder, sondern »bestimmte Städte oder Regionen die Produktionszentren sind« (Acland 2012: 9). Entsprechend hat dieser Ansatz der Beschreibung einer Geografie globaler Medienstädte eine hohe Stichhaltigkeit, auch wenn man das Fehlen einzelner Städte sicherlich kritisieren kann. Dieses Fehlen bestimmter Städte erklärt sich dabei zum Teil durch den Zeitpunkt der Erhebung, zu dem beispielsweise die Entwicklung von Dubai Media City in der Form nicht abzusehen war (Kraidy/ Khalil 2009: 22-30). Damit stellt sich insbesondere eine Frage: Warum haben sich globale Medienstädte zu solchen herausragenden Lokalitäten der Medienproduktion entwickelt? Wie ver- Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von Krätke 2005 S-o Paulo Globale Medienstädte Welt Kategorie Alpha Kategorie Beta Kategorie Gamma Mexico City Los Angeles San Francisco Chicago Toronto Boston New York Buenos Aires Melbourne Sydney Singapur Hongkong Tokyo Abbildung 12: Globale Medienstädte, Welt ohne Europa www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 130 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 130 schiedene Fallstudien zu globalen Medienstädten zeigen, sind es insbesondere drei Argumente, die man anführen kann. • Mediale Metropolfunktion: Unter der medialen Metropolfunktion ist der Umstand zu verstehen, dass in solchen Städten insgesamt herausragende medienbezogene Infrastrukturen und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. So haben die verschiedenen erwähnten globalen Medienstädte gemeinsam, dass in ihnen Unternehmen der unterschiedlichsten Mediensparten lokalisiert sind. Hierdurch entstehen erhebliche »Nähe-Vorteile« (siehe hierzu bereits Hoffmann-Riem 1989: 72). Wie Stefan Krätke und Renate Borst (2000) am Beispiel Berlin zeigen- - es aber auch für andere globale Medienstädte zutreffend ist- -, zerfallen globale Medienstädte räumlich wiederum in verschiedene Cluster der Konzentration von Quelle: eigene Darstellung auf der Basis von Krätke 2005 Globale Medienstädte Europa Kategorie Alpha Kategorie Beta Kategorie Gamma Lissabon Madrid London Frankfurt Paris Amsterdam Hamburg Oslo Kopenhagen Stockholm Helsinki Prag Budapest Athen Rom Wien Barcelona Mailand Berlin Warschau Brüssel Düsseldorf Köln Zürich München Abbildung 13: Globale Medienstädte in Europa 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 131 131 Unternehmen unterschiedlicher Bereiche. Solche Produktionscluster sind Voraussetzung für umfassendere Projekte, indem sie, funktional gesehen, eine räumlich dichte Agglomeration der für solche Projekte notwendigen medialen Dienstleistungsangebote bieten. Insgesamt sind es auch für transkulturelle Medienkommunikation grundlegende Ressourcen wie entsprechende Filmstudios, Spezialfirmen oder multimediale Produktionsstätten, die- - neben Dienstleistungsfirmen beispielsweise im Bereich der PR oder der Finanzdienstleistungen-- in den Produktionsclustern globaler Medienstädte zur Verfügung stehen. Alles in allem sind in globalen Medienstädten die entscheidenden Ressourcen transkultureller Medienproduktion verfügbar. • Informelle Netzwerke: Die bisherigen Feststellungen zur medialen Metropolfunktion haben den zweiten Punkt bereits vorweggenommen, nämlich den informeller Kontakte, die in den Netzwerken globaler Medienstädte entstehen. Mit den Netzwerken von Produktionsclustern entstehen auch Netzwerke informeller Kontakte, die den einfachen Austausch von zentralem, brancheninternem Wissen ebenso ermöglichen, wie sie zu einer Ansammlung von nicht kodifiziertem Wissen in dem jeweiligen Bereich der Medienproduktion beitragen (Krätke 2011: 125- 126). So gestattet die globale Medienstadt aufgrund der Nähe der verschiedenen Unternehmungen eine direkte Interaktion von Verantwortlichen der verschiedensten Bereiche der Medienproduktion. Ebenso ist im künstlerischen Bereich eine Interaktion der verschiedenen Personen relativ einfach möglich. Hierdurch sind Entscheidungsfindungsprozesse vergleichsweise konzentriert, ein Aspekt, der mit der Verbreitung von computervermittelter Kommunikation nicht an Bedeutung verloren hat. • Kultureller Kontext: Wie bereits die allgemeine Diskussion in Bezug auf Kulturvermittler gezeigt hat, ist als dritter Begründungsaspekt der kulturelle Kontext der globalen Medienstädte selbst zu erwähnen. So lassen sich globale (Medien-)Städte als hochgradig durch Transkulturationsprozesse gekennzeichnete Orte begreifen, gewissermaßen als ein an einer spezifischen Lokalität greifbarer Mikrokosmos von Globalisierung überhaupt: Wie verschiedene Studien zu globalen Städten und ihrer Kultur belegen (Florida 2005), sind sie nicht nur die Lokalitäten, an denen allein aufgrund ihres hohen Anteils an ausländischen Arbeitenden verschiedene translokale Kulturen aufeinandertreffen und wo entsprechende Hybridisierungsprozesse ablaufen. Es sind auch die Lokalitäten, an denen unterschiedliche Lebensstile teilweise nebeneinander, teilweise in Interaktion miteinander bestehen. Neben verschiedenen jugendkulturellen Stilen oder Freizeitstilen existieren weitere Lebensstile, beispielsweise die einer neuen urbanen kreativen Klasse oder unterschiedlicher Armutskulturen. Hierdurch können globale (Medien-)Städte als Mikrokosmos einer globalisierten Welt begriffen werden, was sie in doppeltem Sinne zu herausragenden Lokalitäten einer transkulturell ausgerichteten Medienproduktion macht: Einerseits sind sie hybride, kulturelle Kontexte, die gerade für Akteure www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 132 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 132 der kulturellen Produktion umfassend stimulierend sein können. Andererseits ist an diesen Lokalitäten eine kulturelle Produktion direkt mit einer Vielzahl von Kontexten konfrontiert, auf die deren Produkte abzielen. Hierdurch werden globale Medienstädte zu den primären Lokalitäten, an denen sich Kulturvermittler im Bereich der Medienproduktion bewegen. Ganz in einem solche Sinne hat Krätke selbst argumentiert, dass die »Stadt […] zu einer transkulturellen Lokalität wird, indem sie unterschiedliche Kulturen beherbergt und das Nebeneinander bzw. Wechselspiel von verschiedenen Kulturen und Lebensstilen an ein und demselben Ort befördert« (Krätke 2011: 154). Und er fährt fort mit Bezug auf die Globalisierung von Kulturindustrie und Medienwirtschaft: »Große Zentren des Städtesystems sind Produktionsort von materiellen und symbolischen Kulturgütern für einen globalen Markt. In Weltstädten, insbesondere aus der Gruppe globaler Medienstädte, werden darüber hinaus aus ihren lokalen Arbeits- und Lebenswelten bestimmte Lebensstil-Images ›herausgefiltert‹ und über die Medien- und Kulturindustrien weltweit verbreitet. Das bedeutet keineswegs einen Trend zur Homogenisierung von Kulturen, sondern beeinflusst die Lebensstile der globalen ökonomischen Elite ebenso wie von anderen gesellschaftlichen Schichten, und es prägt nicht zuletzt die marktrelevanten Stilelemente von Jugendkulturen« (Krätke 2011: 154). Was Krätke mit solchen Argumenten im Blick hat, ist die Diskussion darüber, dass die Kreativität von (globalen Medien-)Städten viel mit der (besonderen) kulturellen Situation in diesen Städten zu tun hat. Verbunden wird eine solche Diskussion insbesondere mit den Arbeiten des Stadtforschers Richard Florida (2005). Im Kern gehen dessen Argumente dahin, dass eine Konzentration der »kreativen Klasse« generell zur Entwicklung einer Stadt beiträgt, indem sich mit dieser das dortige Lebensgefühl als solches ändert und sie damit attraktiver für Menschen auch anderer Berufszweige wird (siehe auch Deuze 2007: 49-53; Landry 2000). So stichhaltig solche Argumente der Relevanz globaler Medienstädte sind, muss man jedoch vorsichtig sein, die Beziehung zwischen Transkulturationsprozessen einerseits und globalen Medienstädten andererseits zu eng zu sehen. An dieser Stelle werden Überlegungen wichtig, wie sie Nina Glick Schiller (2011) generell gegen den »Global-City-Ansatz« vorgebracht hat. So weist sie darauf hin, dass in dieser Forschung die Tendenz besteht, nur den herausragenden Metropolen Globalität zuzuschreiben: »Alle anderen Städte wurden auf nationale Terrains begrenzt« (Glick Schiller 2011: 182). Im Gegensatz dazu sind auch weitere Städte mit fortschreitender Migration durch Transkulturation gekennzeichnet und tragen ebenso zur Förderung kreativer Bereiche bei (Glick Schiller 2011: 186; siehe auch Georgiou 2006: 135- 149). Dass eine solche Erweiterung des Blickwinkels zielführend ist-- insbesondere, wenn man Prozesse transkultureller Kommunikation auch jenseits von Europa und Nordamerika betrachten möchte- - machen ebenfalls die Überlegungen von Néstor García Canclini deutlich. Dessen Analysen zeigen, dass lateinamerikanische Städte 4.4 Medienstädte als transkulturelle Orte www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 133 133 ebenso wie globale Medienstädte ein »Laboratorium für multikulturelles Zusammentreffen« sind und sich zu Lokalitäten kommerzieller, informationeller und finanzieller Innovationen entwickeln (García Canclini 2001: 7). Erweitert man auf diese Weise den Blickwinkel von der transkulturellen Medienproduktion in globalen Medienstädten hin zu Transkulturation und Medienproduktion in Städten im Allgemeinen, fällt der Blick auch auf Phänomene wie die »electronic cities« in China (Rooker 2011). Damit werden nicht ganze Städte bezeichnet, sondern riesige elektronische Märkte in chinesischen (Groß-)Städten. Mit diesen in hohem Maße durch Transkulturalität gekennzeichneten Lokalitäten entstanden wichtige Innovationszentren in den chinesischen Städten. »Elektronische Städte« sind eine »einzigartige urbane Form, die genau und gleichzeitig mit dem Fluss von Migrantinnen und Migranten in chinesische Städte aufkam« (Rooker 2011: 207). Zieht man an dieser Stelle andere Untersuchungen heran (siehe Kap. 6.2), gilt es dabei im Blick zu haben, dass die aus chinesischen Binnenmigranten bestehende »neue informationelle Arbeiterklasse« (Qiu 2009) in erheblichen Teilen die dortige »Informatisierung« trägt. Der Vergleich solcher urbanen Formen mit den zuvor beschriebenen globalen Medienstädten verweist auf erhebliche Ungleichheiten von Lokalitäten einer transkulturell orientierten Medienproduktion. Es ist allerdings nicht (mehr) einfach die Ungleichheit einer »in den USA lokalisierten Kulturindustrie«, die den »Rest der Welt« dominiert. Vielmehr ist es die Ungleichheit verschiedener global agierender Medienkonzerne, deren Zentren sich in verschiedenen globalen Medienstädten konzentrieren. Die Ungleichheit transkultureller Medienproduktion manifestiert sich damit geografisch nicht einfach in einer Ungleichheit zwischen Nationalstaaten, sondern lokalisiert sich in der Ungleichheit herausragender Medienstädte und anderen, für eine transkulturell orientierte Medienproduktion weniger relevanten Lokalitäten (was umgekehrt nicht das absolute Fehlen von Transkulturation und Medienproduktion bedeutet). Globale Medienstädte sind entsprechend als Knotenpunkte zentraler funktionaler Verdichtungen in den Netzwerken der verschiedenen global agierenden Medienkonzerne zu begreifen. An diesen Lokalitäten sind die primären Cluster von Produktionsstätten konzentriert, ebenso wie sich hier Entscheidungszentren konzentrieren. Hierdurch ergibt sich eine doppelte geografische Ungleichheit transkulturell orientierter Medienproduktion. • Erstens besteht eine Ungleichheit innerhalb der Länder, zu denen die (globalen) Medienstädte gehören: Es sind nicht einfach die USA, Japan oder Brasilien, wo eine transkulturell orientierte Medienproduktion stattfindet, sondern es sind (globale) Medienstädte in diesen Ländern. Andere Lokalitäten und regionale Zusammenhänge sind eher als Randbereiche von Dienstleistungen relevant, als dass sie zentrale Lokalitäten der kulturellen Produktion darstellen. • Die zweite Ungleichheit ist die bestehende globale Ungleichheit von Lokalitäten kultureller Produktion. Allein der Blick auf die Karte globaler Medienstädte zeigt, dass umfassende Häufungen insbesondere in den USA und Westeuropa auszumawww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 134 4 Medienproduktion und deren transkulturelle-Kontexte 134 chen sind und eine geringe Zahl globaler Medienstädte in Südamerika, Australien und im asiatischen Raum besteht. Selbst wenn man ausgehend von der oben formulierten Kritik weitere Städte, wie beispielsweise Dubai, Kairo, Lagos oder Mumbai in die Liste der globalen Medienstädte aufnehmen würde, fällt doch ein Ungleichgewicht auf: Vor allem im südlichen Afrika sind keine bzw. mit Kapstadt möglicherweise maximal eine auszumachen. Solche Überlegungen vergegenwärtigen nochmals die Komplexität der Analyse einer transkulturellen Medienproduktion. Diese Komplexität besteht insbesondere dann, wenn eine solche Untersuchung auf die Reflexion bestehender Ungleichheiten zielt. Sie ergibt sich durch eine Überlagerung verschiedener Phänomene, wie sie auf den letzten Seiten betrachtet wurden. Dies sind Transkulturationen in den Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne, der journalistischen Praxis und der alternativen Medienproduktion. All diese Transkulturationen sind aber an bestimmten Orten lokalisiert-- und globale Medienstädte erscheinen dabei nicht als die einzigen, aber als die herausragenden Lokalitäten der Medienproduktion. Eine solche Aussage darf aber nicht damit gleichgesetzt werden, dass wir die vielfältigen anderen Orte von Medienproduktion, die dort zu findenden Produktionskulturen und Prozesse der Transkulturation bei einer Betrachtung von transkultureller Kommunikation aus dem Blick verlieren sollten. Diese Überlegungen heben darauf ab, dass wir einmal mehr sehr sorgfältig die kommunikativen Figurationen untersuchen sollten, in denen solche Formen der Medienproduktion stehen. Und hierbei ist es wichtig darauf einzugehen, welche Formen der Ungleichheit in einer solchen Praxis reartikuliert werden und welche Formen neuer Ungleichheit hervorgebracht werden. Viele dieser Ungleichheiten lassen sich dabei nicht einfach »national« fassen. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 135 135 5 Transkulturalität von Medienprodukten Im vorherigen Kapitel stand eine Auseinandersetzung mit den Produktionsaspekten transkultureller Kommunikation im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei hat sich gezeigt, dass die globale Kommerzialisierung der Medien und die Produktionskulturen global agierender Medienkonzerne selbst zunehmend durch Transkulturation gekennzeichnet sind bzw. dass eine transkulturell orientierte Medienproduktion in einem komplexen Netzwerk (globaler) Medienstädte zu verorten ist. Es gilt dabei, gleichzeitig aber auch die verschiedenen Formen alternativer Medienproduktion im Blick zu haben. Hiermit ist allerdings nur ein Aspekt transkultureller Kommunikation benannt. Ein anderer sind die »Produkte«, d. h. die Medieninhalte und Medientexte. Im folgenden Kapitel soll es um diese Artikulationsebene gehen, nämlich um die herausragenden Repräsentationen transkultureller Kommunikation. Für die Bezeichnung von Medienprodukten sind in der Kommunikations- und Medienwissenschaft verschiedene Begriffe etabliert. Diese sind die des »Medieninhalts«, des »Medientextes« und der »Medienrepräsentation«. Wichtig erscheint darüber hinaus der Begriff des »Mediendiskurses«. Die verschiedenen etablierten Begriffe entstanden in erster Linie aus unterschiedlichen Forschungstraditionen in der Kommunikations- und Medienwissenschaft: Während der Begriff des Medienproduktes mit seiner zumindest impliziten Betonung des Warencharakters eher von einer ökonomisch orientierten Medien- und Kommunikationssoziologie geprägt wurde (Hesmondhalgh 2006), ist der Begriff des Inhalts mit der Massenkommunikationsforschung verbunden. Hier geht es darum, die »manifesten« (offenkundigen) und »latenten« (nicht direkt hervortretenden) Textaussagen durch qualitative und quantitative Verfahren zu untersuchen (Shoemaker/ Reese 2012). Die Begriffe der »Repräsentation« bzw. des »Diskurses« sind e her kulturanalytischen Forschungstraditionen zuzurechnen und betonen den Umstand, dass das, was wir relativ statisch als »Medienprodukt« bezeichnen, ein Moment eines kontextualisierten kommunikativen Prozesses der Bedeutungszuschreibung ist (Hall 1997b). Dieser Vorgang ist sowohl auf Produktionsseite als auch auf Aneignungsseite nicht losgelöst von den Akteuren zu sehen, die an ihm beteiligt sind. Sie sind es, die kommunizieren, und jenseits ihres kommunikativen Handelns haben »Produkte« als materielle Gegenstände keine Bedeutung. Dabei sind mediale Repräsentationen nicht für sich zu sehen, sondern müssen in einem komplexeren, selbst wiederum die Kommunikation regulierenden Gesamtzusammenhang eingeordnet werden. Diesen Gesamtzusammenhang bezeichnet man als Diskurs. Diskurs meint hier nicht einfach nur die thematische Beziehung verschiedener Medientexte bzw. -produkte (bspw. der Sexualitätsdiskurs als Gesamt der Medientexte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt Fragen der Sexualität behandeln). Darüber hinaus ist mit dem Begriff die Überlegung verbunden, dass dieser Gesamtzusammenhang durch bestimmte Konventionen gekennzeichnet ist, die bestimmen, was zu www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 136 5 Transkulturalität von Medienprodukten 136 einem bestimmten Thema gesagt werden kann und was nicht (was bspw. in Bezug auf Sexualität als tabu gilt und was nicht). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, inwieweit Diskurse auch auf Fragen von Macht verweisen. Mit einer fortschreitenden Globalisierung und Mediatisierung bzw. der sich damit intensivierenden transkulturellen Kommunikation wird eine territoriale Zuordnung von nationalen Repräsentationen in »eigene« und »fremde« schwierig. Wie Néstor García Canclini feststellt, ist das Problem solcher dualistischen Konzeptionalisierungen die vereinfachende Grenzziehung, die bei verschiedenen Formen von Repräsentationen erfolgt. Klare Trennschärfen zwischen »Eigenem« und »Fremden« seien gegenwärtig nicht mehr gegeben, wenn Hollywood-Filme beispielsweise von polnischen Regisseuren mit französischen Assistenten bzw. Schauspielern unterschiedlichster Nationalitäten in fünf Ländern gedreht werden, die wiederum den Film finanzieren: »Kultur wird zu einem Prozess der multinationalen Assemblage, eine flexible Artikulation von Teilen, eine Montage von Merkmalen, die jeder Bürger in jedem Land, mit welcher Religions- oder Ideologiezugehörigkeit auch immer, lesen und gebrauchen kann« (García Canclini 2001: 17). Nun ist diese Feststellung von Néstor García Canclini nicht vollkommen unkritisch zu sehen. So kann sie dahingehend missverstanden werden, dass gegenwärtig alle Medienprodukte als Repräsentationen jenseits des Nationalen aufgefasst werden können. Einer solchen Position kann man zweierlei entgegenhalten: Erstens sind national-territoriale Repräsentationen nicht aus den Medien verschwunden. In den verschiedenen europäischen, aber auch nord- und lateinamerikanischen, asiatischen und weiteren Medienlandschaften spielen diese nach wie vor eine teilweise erhebliche Rolle. Zweitens besteht das Paradox, dass auch in vordergründig nicht national orientierten Repräsentationen Stereotype des Nationalen auszumachen sind: »Der Franzose« existiert als Stereotyp ebenso im Hollywood-Film wie »der Türke« im deutschen Fernsehen. »Nationales« und »Territoriales« verschwinden also nicht einfach. Allerdings ist García Canclini dahingehend zuzustimmen, dass wir gerade bei Fragen transkultureller Kommunikation einen angemessenen Zugang zu den Komplexitäten heutiger medialer Repräsentationen finden müssen. Hier ist es sinnvoll, Fragen der Zugänglichkeit von denen der Thematisierung zu unterscheiden und hierbei »lokal« und »global« nicht einfach als einen Gegensatz anzusehen, sondern als ein Kontinuum mit vielfältigen Übergangsbereichen. Auf diese Weise kann man mediale Repräsentationen einerseits entlang der Dimensionen lokaler bis hin zu globaler Zugänglichkeit anordnen, andererseits diese bezüglich ihres thematischen Lokalbis Globalbezugs unterscheiden (siehe Abbildung 14, S. 137). Sicherlich darf man einen solchen Begriffsrahmen nicht zu schematisch sehen. Gleichwohl eröffnet er die Möglichkeit, idealtypisch fünf Arten von Repräsentationen einzuordnen, nämlich lokale, regionale, nationale, globale und deterritoriale. Eine solche Unterscheidung operiert mit sehr klar abgegrenzten Begrifflichkeiten. Hiernach bezeichnet das Lokale den Raum der Vernetzung der Lokalitäten, die im Alltag für eine www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 137 137 5 Transkulturalität von Medienprodukten in einem bestimmten kulturellen Kontext lebende Person erreichbar sind. Das Regionale ist, wie auch das Nationale, als eine bestimmte, territorialisierte Form des Translokalen zu begreifen. So ist das Regionale als spezifische Verdichtung differenter Konnektivitäten zwischen verschiedenen Lokalitäten bzw. Bereichen des Lokalen beschreibbar. Das Spezifische des Regionalen ist darin zu sehen, dass die geschlossene Territorialisierung einer Region das zentrale Moment der Konstruktion der Grenzen ist. Das Nationale ist, wie auch das Regionale, als eine bestimmte, territorialisierte Form des Translokalen zu begreifen. So ist das Nationale als spezifische Verdichtung differenter Konnektivitäten zwischen verschiedenen Lokalitäten bzw. Bereichen des Lokalen beschreibbar. Das Spezifische des Nationalen ist darin zu sehen, dass die geschlossene Territorialisierung einer Nation-- in Abgrenzung zu anderen-- das zentrale Moment der Konstruktion der Grenzen ist. Das Globale bezeichnet die Gesamtheit des weltweiten Netzwerks der komplexen Konnektivität von Globalisierung. Schließlich haben wir aber auch das Deterritoriale. Wie bereits an anderer Stelle in diesem Buch hebt der Begriff des Deterritorialen nicht darauf ab, dass es hier um Zusammenhänge ginge, in denen Ortsbezüge keine Rolle spielten. Die verschiedenen translokalen Bezüglichkeiten sind aber nicht in Prozesse der Konstruktion einer übergreifenden, geschlossenen Territorialität eingebunden, ob dies nun die Territorialität einer Region, Nation oder der Welt ist. Eine solche begriffliche Systematisierung wendet sich vor allem dagegen, das Lokale als Gegensatz zum Globalen zu positionieren und dabei häufig noch lokal implizit mit national oder regional gleichzusetzen. Diese Vereinfachungen helfen bei einer differenzierten Analyse kaum. Quelle: eigene Darstellung Globalbezug Lokalbezug lokale Verfügbarkeit globale Verfügbarkeit Abbildung 14: Analysematrix transkultureller Medienrepräsentationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 138 5 Transkulturalität von Medienprodukten 138 Unter einer lokalen Repräsentation ist dann eine solche mediale Repräsentation zu verstehen, deren Verfügbarkeit lokal besteht und die gleichzeitig auf der Ebene der Thematisierung einen sehr starken Lokalbezug aufweist. Ein Beispiel für eine solche lokale Repräsentation wäre der Lokalteil einer Zeitung. Hiervon ist eine globale Repräsentation zu unterscheiden, die im Fluchtpunkt eine zum Globalen reichende Verfügbarkeit hat und deren Thematisierung sich gleichzeitig durch einen umfassenden Globalbezug auszeichnet. Ein Beispiel hierfür sind die global vermarkteten Filme, die eine selbst globalisierte Welt thematisieren. Gewissermaßen im Zentrum des Schemas steht die nationale Repräsentation, bei der eine Verfügbarkeit »zwischen« dem Lokalen und Globalen vorliegt. Gleichzeitig geht es um Thematisierungen, die über Lokalbezüge hinausgehen, das Globale aber nicht erreichen. Ein Spezifikum nationaler Repräsentationen- - zumindest ihrem Idealtyp nach- - ist allerdings darin zu sehen, dass deren Verfügbarkeit ebenso wie ihre Thematisierungen auf ein nationales Territorium ausgerichtet sind. Im Grenzbereich zwischen lokaler und nationaler bzw. zwischen nationaler und globaler Repräsentation sind die regionalen Repräsentationen einzuordnen, die letztlich auf einen regional relevanten Themenbezug und auf regionale Verfügbarkeit hindeuten. Die Region kann dabei ein Teil von Nation sein, aber auch über das Territorium von Nationen hinausgehen bzw. dieses durchschreiten. Deterritoriale Repräsentationen schließlich sind in gewissem Sinne der Gegenpart von nationalen Repräsentationen: Sie bewegen sich auf der Ebene der Thematisierung zwar im Zwischenbereich von Lokal- und Globalbezug, letztlich steht aber ein bestimmter thematischer Zusammenhang im Fokus. Ebenso sind sie eher durch ein Netzwerk von Verfügbarkeiten gekennzeichnet, das verschiedenste Territorien durchschreitet, ohne global zu sein. Man kann hier beispielsweise an die Repräsentationen der internen Kommunikation der globalisierungskritischen Bewegung denken. Wie gesagt darf man ein solches Schema nicht als allzu statisch ansehen. Es sollte vielmehr als ein Ansatz zur Einordnung von verschiedenen Prozessen der Repräsentation begriffen werden. Eine solche Dynamik wird greifbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass keiner der Endpunkte der einzelnen Achsen jemals erreichbar ist. Nimmt man die Achse der Verfügbarkeit, wird deutlich, dass mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung die ausschließlich lokale Verfügbarkeit kaum mehr gegeben ist. Auch Inhalte mit dem stärksten Lokalbezug lassen sich durch Post und Internet relativ leicht verbreiten. Lokalzeitungen haben beispielsweise Abonnenten jenseits des jeweiligen lokalen Raums bzw. werden als Online-Zeitungen ortsübergreifend gelesen (gleichwohl gemeinhin von Personen, die wie auch immer eine besondere Beziehung zu dem betreffenden Ort haben). Umgekehrt ist auch eine wirklich globale Verfügbarkeit- - d. h. der Zugang zu einer Repräsentation an allen Lokalitäten der Welt- - kaum vorstellbar. Selbst mit der am besten entwickelten Breitbandtechnik wird kein Inhalt des Internets gänzlich überall verfügbar sein. Schließlich wäre es ein Fehler, nationale Repräsentationen im essenziellen Sinne als Zentrum der Beschreibung von medialen Repräsentationen überhaupt zu begreifen. Die Diskussion der folgenden 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 139 139 Seiten wird zeigen, dass wir bei bestehenden Prozessen transkultureller Kommunikation nationale Repräsentation zwar im Blick haben müssen. Diese sollte aber- - wie andere Repräsentationen auch- - im Hinblick auf deren Öffnung zum Lokalen und Globalen bzw. deren Transgression durch weitere Repräsentationen analysiert werden. Mit solchen Einschränkungen bietet der hier umrissene Begriffsrahmen einen Ausgangspunkt für eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Repräsentationen transkultureller Kommunikation. Dies soll im Weiteren anhand der Beispiele von Filmen, Nachrichtenartikulationen, fiktionalen Fernsehprodukten und Medienereignissen geschehen. Auf diese Weise wird herausgearbeitet, welche Rolle mediale Repräsentationen in den kommunikativen Figurationen einer durch Mediatisierung und Globalisierung gekennzeichneten Welt spielen. 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood Wird in der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Bezug auf Globalisierung von Medienprodukten gesprochen, geschieht dies häufig mit Verweis auf filmische Repräsentationen. Die Filme Hollywoods gelten als der Inbegriff von global verfügbaren, medialen Produkten. Allerdings scheint bereits auf der Ebene der Verfügbarkeit ein differenzierterer Blick notwendig, statt die allgemein verbreitete These zu reproduzieren, das »Weltkino« und dessen globale Repräsentationen würden Hollywood entsprechen (Nagib et al. 2012). Legt man die aktuelle UNESCO-Filmstatistik mit ihren bis zum Jahr 2009 erhobenen Daten zugrunde, können fünf Gruppen von filmproduzierenden Ländern unterschieden werden (siehe untenstehende Abbildung 15). Die beiden vorderen Gruppen produzieren 61 bis 100 Filme bzw. 101 oder mehr Filme pro Jahr und machen zusammen 20 Länder der Welt aus. Zu der Top-Gruppe zählen neben verschiedenen Staaten Europas und den USA u. a. Indien und Nigeria. Sicherlich darf man solche Daten, wie die bisherige Darstellung gezeigt hat, in ihrer nationalen Zuordnung nicht überbewerten, da diese in den meisten Fällen auf bestimmte Medienstädte als Produktionsorte und nicht auf das ganze jeweilige Land verweist. Charles R. Acland, der die statistischen Daten der UNESCO aufbereitet hat, spricht hier von »Produktionszentren, mit einer überdurchschnittlich hohen Konzentration von Produktionseinrichtungen und Talenten« (Acland 2012: 9). Trotz solcher Einschränkungen machen die statistischen Daten deutlich, dass die USA- - und damit Hollywood, d. h. der Großraum Los Angeles-- weltweit gesehen nicht der größte Filmproduzent sind, sondern Indien (2009: 1.288 Filme) dies ist, gefolgt von Nigeria (2009: 987 Filme; im Jahr 2007 war Nigeria sogar der größte Filmproduzent mit 1.559 Filmen). Die USA liegen nur an dritter Stelle (2009: 734 Filme). Gleichzeitig halten die Hollywood-Studios allerdings den größten Anteil des weltweiten Filmexports, was exemplarisch daran sichtbar wird, dass von den 20 im Jahr 2009 weltweit erfolgreichsten Filmen 17 Produktionen oder Koproduktionen aus den USA www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 140 5 Transkulturalität von Medienprodukten 140 stammen (Acland 2012: 5). Es sind also vor allem Hollywood-Filme, die eine hohe Chance einer globalen Verfügbarkeit haben. Man kann aber nicht per se von einer globalen Verfügbarkeit von Hollywood-Filmen sprechen, sondern muss sehr differenziert argumentieren. Die Komplexität solcher Zusammenhänge wird weiter untermauert, wenn wir neben der Betrachtungsebene der Verfügbarkeit die der Spezifik der jeweiligen Repräsentationen einbeziehen. Als Beispiel für eine solche Betrachtung bietet sich eine Kontrastierung der zahlenmäßig führenden Filmproduktionen an, nämlich der von »Hollywood«, »Bollywood« und »Nollywood«. Die beiden letzten der genannten Wörter sind von dem Ursprungsbegriff »Hollywood« abgeleitet. »Hollywood« ist ein Vorort von Los Angeles im US-Bundesstaat Kalifornien, in dem die großen kommerziellen, international orientierten Filmstudios ansässig sind bzw. waren. Vor diesem Hintergrund dient »Hollywood« zur Bezeichnung dieser Filmindustrie, deren Produktionen und Produktionsstilen insgesamt. »Bollywood« ist eine Wortbildung in Anlehnung an Hollywood zur Bezeichnung der kommerziellen Hindi-Filmproduktion Indiens. Der Ausdruck geht darauf zurück, dass die zentralen Produktionsstätten in Bombay (ind. Mumbai) lokalisiert sind, war anfangs abwertend gemeint, entwickelte sich dann aber zur positiv besetzten Bezeichnung. »Nollywood« schließlich ist eine jüngere Wortbildung zur Bezeichnung der nigerianischen Filmindustrie. In diesem Fall hebt der Begriff auf die nigerianischen Quelle: UNESCO, Institute for Statistics, Januar 2012 Keine Angabe Keine FilmProduktion bis 20 Filme 21 bis 60 Filme 61 bis 100 Film 101 Filme und mehr Abbildung 15: Filmproduktion nach Ländern in absoluten Zahlen (2009) 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 141 141 Filmproduktionen ab, die zumeist in Lagos und Umgebung als dem zentralen Filmproduktionsort in Afrika entstehen. Mit solchen parallelen Wortbildungen sind jedoch, wie es im Weiteren zu zeigen gilt, inhaltlich vollkommen unterschiedliche Formen filmischer Repräsentation verbunden, deren ortsübergreifende Verfügbarkeit auch mit dem Internet sehr verschieden gesichert wird. Wenn hierbei von »Film« die Rede ist, werden damit im Allgemeinen Spiel-/ Kinofilme bezeichnet. Allerdings muss man im Auge haben, dass, selbst wenn diese Spielfilme für die Aufführung in Kinos produziert worden sind-- was bei den Nollywood-Produktionen beispielsweise nicht der Fall ist--, die weltweite Distribution ebenso über Video, DVD, Fernsehen und das Internet erfolgt. Eine umfassende transkulturelle Verbreitung von Hollywood-Produkten wird durch die herausragenden global agierenden Medienkonzerne gesichert, die die Filmproduktion Hollywoods tragen (siehe dazu Kap. 4.1). Insgesamt sind Hollywood- Filme, was die globale Verfügbarkeit betrifft, führend (siehe Miller et al. 2005: 1-49). Eine solche Aussage darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass Hollywood- Filme in allen Ländern die dominanten filmischen Repräsentationen wären. In vielen asiatischen, aber auch afrikanischen Ländern ist dies explizit nicht der Fall. Jedoch haben die Medienkonzerne Hollywoods herausgehobene Möglichkeiten, durch ihr Marketing (das in vielen Fällen mehr als die Hälfte der Produktionskosten umfasst, siehe Drake 2007: 63) ihre Produktionen insbesondere in Nord- und Südamerika bzw. Europa zu etablieren. Es sind vor allem diese Großregionen (siehe Acland 2012; UNESCO 2000), für die die Formel zutrifft: »So gut wie alle Filme, die breit distribuiert werden, werden von den großen Studios [›Majors‹] distribuiert« (Drake 2007: 75). Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein Teil dieser Distribution als »Piraterie« erfolgt, die doch für viele ärmere Menschen die einzige Möglichkeit ist, an einer Globalisierung von Medienkommunikation zu partizipieren (Mattelart 2009). Insgesamt zielt Hollywood aber vor allem auf die Produktion von in »westlichen« Ländern erfolgreichen »Blockbustern«. Dieser Name stand ursprünglich für Filme, die durch ihren enormen Erfolg die Kinostart-Termine des »Blockbuchens« sprengten, also der vorab festgelegten Buchung einer bestimmten Laufzeit für einen Film. Inzwischen werden damit generell solche Filme bezeichnet, die entweder enorme Summen einspielen müssen, um die hohen Produktionskosten zu amortisieren, oder aber die finanziell außerordentlich erfolgreich sind-- im Idealfall beides zugleich. Hierdurch haben lokale und nationale visuelle Repräsentationen Amerikas transkulturell Eingang in die »Bilder-Bank der weltweiten Warenkulturen« (Branston 2000: 64) gefunden. Dazu zählen beispielsweise Bilder der New Yorker Skyline und der gelben New Yorker Taxis, die Landschaften von Los Angeles, San Francisco und Miami und auch Baseball-Mützen. Ebenso sind grundlegende Wertorientierungen der USA bzw. Europas-- etwa die Tendenz zu einer kapitalistisch-individualistischen Strukturierung des Sozialen- - in den Produktionen zumindest auf einer latenten Ebene greifbar (vgl. Hickethier 2001: 123). Darüber hinaus weisen filmanalytische www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 142 5 Transkulturalität von Medienprodukten 142 Studien darauf hin, dass bei den Hollywood-Blockbustern besondere Aspekte auszumachen sind, wegen derer sie in der Tendenz als globale Repräsentationen charakterisiert werden können: Hier werden bewusst lokale und nationale Bezüglichkeiten zurückgestellt zugunsten von in verschiedenen Kontexten hoch anschlussfähigen Themen und Narrationen, die eine transkulturelle Vermarktung über verschiedenste Territorien hinweg erleichtern. Nach Simon During sind die Filme Hollywoods nur zu einem Teil als nationale Repräsentation aufzufassen; ein erheblicher Teil-- nämlich insbesondere die auf ausländische Spieleinnahmen angewiesenen Blockbuster- - ist systematisch produziert für einen weltweiten Export (vgl. During 1997: 214). Solche Zusammenhänge ergeben sich bereits durch eine historische Annäherung an Hollywood. Betrachtet man den Entstehungskontext von Hollywood, fällt eine frühe Globalisierung auf. So lag für Hollywood bereits ab 1920 der Anteil von Bruttoeinnahmen aus dem Ausland bei 35 Prozent (vgl. Vasey 1998: 53). Erklärt wird diese frühe Orientierung auf das Ausland und der dabei bestehende Erfolg damit, dass Hollywood schon in den 1920er-Jahren als multikulturelle Lokalität bekannt war: Mit Disney wurde nur eines der »Majors« nicht von einem in der ersten Generation zugewanderten Europäer gegründet. Ebenso kamen viele der erfolgreichen Schauspieler Hollywoods aus Europa; ähnlich vielzählig waren auch die aus Europa angeworbenen technischen Mitarbeiter, und vor allem Regisseure und Kameraleute. All diese wurden nicht zuletzt deshalb abgeworben, um den europäischen Film zu schwächen bzw. mit dessen Stars dort erfolgreich zu sein (vgl. Vasey 1998: 56-58; Grantham 2000: 29). In den amerikanischen Produktionsstätten Hollywoods wurde also von Beginn an nicht einfach (nur) »amerikanisches Nationalkino« im Anschluss an bestehende, spezifisch »nationale Erzählstile« produziert. Vielmehr entstand aus unterschiedlichen Traditionen das hybride und transkulturelle Phänomen Hollywood. Dabei musste ein Stil der Kommunikation entwickelt werden, der Muster verschiedener kultureller Kontexte integriert und somit die Produkte auch anschlussfähig machte. Der ursprüngliche Zwang hierzu lag nicht einfach nur bei Exportfragen: Das Hollywood-Kino adressierte auch in den USA multikulturelle Publika von Zuwanderern aus verschiedensten Regionen der Welt, allen voran aus europäischen Ländern (vgl. Hickethier 2001: 118-120). Dieser Verweis auf die Anfänge Hollywoods muss genügen, um zu verdeutlichen, dass eine globale Orientierung kein Aspekt der jüngsten Filmgeschichte ist. Dennoch kann man von einer Radikalisierung von Globalisierungsaspekten gegenwärtiger Repräsentationen Hollywoods sprechen. Exemplarisch deutlich wird dies bei kulturell relativ breit anschlussfähigen Körperinszenierungen, Spezialeffekten und Filmwelten. Joseph Sartelle sprach hier in Bezug auf die 1990er-Jahre davon, dass diese Filme als »Reaktionen auf den Aufstieg von Multikulturalismus und Feminismus […] Helden [präsentieren], die für alle weißen Männer in ihrer Beziehung zu Frauen und anderen Minderheiten-Gruppierungen stehen.« Und er fährt fort: »Weiterhin zeigen sie ein imaginiertes ›Amerika‹, das von Nationen der Dritten Welt und anderen nicht weißen 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 143 143 Völkern belagert wird, die neben den höchsten moralischen Standards auch Leistungen für sich beanspruchen können, die die der tatsächlichen Vereinigten Staaten übertreffen« (Sartelle 1998: 476). Die Genres der weltweit erfolgreichsten Hollywood-Produktionen zeigen, dass transkulturelle Anschlussmöglichkeiten durch die Art der Inszenierung gefördert werden. So werden Spezialeffekte generell dazu genutzt, eine »magische Welt« zu inszenieren, die die Welt des Alltags mit ihren Zwängen, aber auch mit ihrer kulturellen Spezifik überschreitet. Ein Aspekt von Spezialeffekten in Action-Attraktions-Filmen ist, dass sie diese »magischen Welten« als Spektakel darstellen. Man kann dieses Muster auch bei aktuellen, ins »deterritoriale Nirgendwo« versetzten Fantasybzw. Science-Fiction-Sagas der letzten Jahre beobachten, wie beispielsweise bei der Verfilmung von »The Lord of the Rings« (»Herr der Ringe«), bei »Avatar«, der Neuverfilmung von »StarWars« oder weiteren modernen Märchenverfilmungen wie den »Harry Potter«- Filmen. Was in diesen Filmen konstruiert wird, sind Handlungsräume, die in keinem direkten Bezug zu Nationalkulturen stehen und in denen auf symbolischer Ebene vergleichsweise allgemein anschlussfähige Themen behandelt werden (und dies, obwohl beispielsweise Tolkin beim »Herrn der Ringe« sich stark von seinem Arbeitsumfeld in Oxford inspirieren ließ). Es fällt auf, dass der Hauptteil der weltweit erfolgreichsten Hollywood-Filme in genau solchen fantastischen bzw. spektakulären Filmwelten spielt (siehe Tabelle 5, S. 144). Insgesamt bietet das Hollywood-Kino mit dem-- auch ökonomischen-- Potenzial, solche Spektakel inszenieren und global vermarkten zu können, ein »alltägliches Außeralltäglichkeitserlebnis« an, das nicht nur vielfältige kulturelle Anschlussmöglichkeiten eröffnet, sondern das Medienkonzerne außerhalb Hollywoods aufgrund ihrer geringeren Ressourcen in dieser Qualität der Inszenierung kaum realisieren können. Die Blockbuster Hollywoods-- insbesondere da, wo sie auch »Weltprobleme« thematisieren-- haben eine deutliche Tendenz zu dem, was eingangs als globale Repräsentationen typisiert worden ist. Die Blockbuster sind weniger die nationalen Repräsentationen des amerikanischen Films, die daneben als eine Form des »nationalen Kinos« (Jarvie 2000) Bestand haben. Produziert von global agierenden Medienkonzernen knüpfen Blockbuster zwar an die lokale und nationale Bildbank einer selbst schon vielfach hybridisierten amerikanischen Kultur an. Sie beziehen darüber hinaus aber vielfältige weitere Repräsentationen der Erfahrung von Globalisierung ein. Teilweise geschieht dies direkt durch Referenz auf verschiedene Lokalitäten und Regionen dieser Welt, teilweise durch Konstruktion von transkulturellen, ins Reich der Phantasie oder in die Zukunft versetzte Handlungswelten. Erst hierüber ist zu erklären, dass die Filme Hollywoods in verschiedenen Kontexten als »film pure and simple« (García Canclini 2001: 114) gelten. Wie sieht es demgegenüber mit dem zweiten Beispiel aus, dem Bollywood-Film? Es ist unstrittig, dass dieser-- neben den deutlich bestehenden Differenzen bei den Möglichkeiten transkultureller Distribution überhaupt- - durch eine größere nationale www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 144 5 Transkulturalität von Medienprodukten 144 und regionale Spezifik gekennzeichnet ist. Indische Filme werden zuerst einmal eher als nationale und regionale denn als globale Repräsentationen greifbar, jedoch sind auch hier zunehmende Globalisierungsmomente auszumachen. Dies verweist auf die rasante Etablierung der Bollywood-Filmindustrie seit den 1970er-Jahren, die durch die schwache Stellung der Produkte anderer Filmindustrien in Indien getragen wurde Tabelle-5: Weltweit erfolgreichste Hollywood-Filme, Stand 01/ 2013 # Einnahm. in Mio $ Titel (Jahr) [% der Einnahmen außerhalb der USA] Genre 1 2.782,3 Avatar (2009) [72,67 %] Fantasy, Science Fiction 2 2.185,4 Titanic (1997) [69,86 %] Drama 3 1.515,8 The Avengers (2012) [58,87 %] Fantasy, Science Fiction, Action 4 1.341,5 Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2 (2011) [71,60 %] Fantasy 5 1.214,7 Iron Man Three (2013) [66,33 %] Action, Fantasy 6 1.130,0 Lord of the Rings: The Return of the King (2003) [66,57 %] Fantasy 7 1.123,8 Transformers: Dark of the Moon (2011) [68,64 %] Science Fiction, Action 8 1.122,0 Jurassic Park (1993) [60,16 %] Adventure, Fantasy 9 1.109,6 Skyfall (2012) [72,54 %] Action, Thriller 10 1.084,4 The Dark Knight Rises (2012) [58,68 %] Fantasy, Science Fiction, Action 11 1.066,2 Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest (2006) [60,30] Adventure, Fantasy 12 1.063,7 Toy Story 3 (2010) [61,00 %] Fantasy, Comp.-an. 13 1.055,5 The Lion King (1994) [59,94 %] Fantasy, Comp.-an. 14 1.043,9 Pirates of the Caribbean: On Stranger Tides (2011) [76,90 %] Adventure, Fantasy 15 1.027,0 Star Wars: Episode 1-- The Phantom Menace (1999) [53,80 %] Science Fiction Quelle: http: / / www.worldwideboxoffice.com [01.01.2013]. 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 145 145 (Rajadhyaksha 1998: 639). Das »explosionsartige Wachstum« der indischen Filmproduktion ist somit über einen starken indischen Absatzmarkt zu erklären: Bei einer Bevölkerung von gut 1,2 Milliarden Menschen (Volkszählung 2011) hat Indien einen hinreichend großen Markt für eine »eigene« Filmwirtschaft, gleichzeitig allerdings einen hochgradig fragmentierten. Die offizielle Verkehrssprache Hindi wird nur von einem Bevölkerungsanteil von ca. 30 Prozent gesprochen. Daneben existieren 24 weitere Sprachen mit je mehr als einer Million Sprechenden. Der »indische Filmmarkt«-- im Übrigen ähnlich wie der chinesische- - erscheint so selbst als ein fragmentiertes Gebilde, das aufgrund von Sprachdifferenzen in seiner Gesamtheit auch für die indische Filmindustrie nur mittels Übersetzungen und Untertiteln vermittelbar ist. Vor diesem Hintergrund hat M.-Madhava Prasad bereits in den 1990er-Jahren darauf hingewiesen, dass man im engeren Sinne nicht von einem indischen Kino sprechen kann, sondern von indischen Kinos im Plural sprechen müsste (vgl. Prasad 1998: 4). Der indische Filmexport ist bis weit in die 1990er-Jahre neben Afrika vor allem auf Nachbarländer ausgerichtet gewesen. So waren beispielsweise 35 Prozent aller im Jahr 1999 in Bangladesch gezeigten Spielfilme indische (vgl. Prasad 1998: 18; UNESCO 2001: 31). Allerdings dehnt sich die transkulturelle Verfügbarkeit des indischen Films seitdem- - auch gestärkt durch die dortige Wirtschaftsförderung- - aus: Im Jahr 1999 hatte »Taal« (»Rhythm«) das bis dahin erfolgreichste Debüt eines indischen Films in den USA. Gleichzeitig fassen indische Filme seit dem Erfolg von »Raju Ban Gaya Gentleman« im Mai 1997 langsam in Japan Fuß, wo die Produktionen aufgrund ihrer Emotionalität geschätzt werden. Beim Filmfestival in Cannes 2001 versuchte die indische Filmindustrie erstmals mit einer ambitionierten Marketingkampagne den Bollywood-Film (und auch Künstlerfilme) zu propagieren. Die kanadische, vom indo-kanadischen Regisseur Deepa Mehta realisierte Filmproduktion »Bollywood/ Hollywood« (2002) verarbeitet diese Versuche selbst filmisch. Und 2005 bzw. 2006 gab es auch in Deutschland einen Bollywood-Filmboom (Welzk 2007). Während die Hochphase dieses »Booms« vorbei zu sein scheint, machen Filme wie »Lunch Box« (2013) deutlich, dass Bollywood nach wie vor eine Stellung in europäischen Kinos hat. Anfangs war die indische Filmindustrie auf den »westlichen« Bollywood-Boom nicht vorbereitet und wusste ihn nicht hinreichend für sich zu »nutzen« (Rajadhyaksha 2008: 74 f.), was sich in den letzten Jahren aber geändert hat. Zu einer Verbreitung in »westlichen« Ländern tragen auch Koproduktionen von »Bollywood« und »Hollywood« bei, wofür das Sony Picture Engagement beim Film »Saawariya« (2007) ein Beispiel ist. Mittlerweile gelten Australien, Fiji, Großbritannien, Kanada, Mauritius, Neuseeland, Russland, Südafrika, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate als wichtige Exportmärkte (Pillania 2008: 120). Insgesamt ergibt sich damit ein widersprüchliches Bild der transkulturellen Verfügbarkeit des indischen Films. Überspitzt kann man formulieren, dass der indische Film einerseits insbesondere in den Regionen der an Indien angrenzenden Staaten und in Zentralafrika (Larkin www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 146 5 Transkulturalität von Medienprodukten 146 2005) verbreitet gewesen ist. Andererseits hat er sich ausgehend hiervon andere Regionen auch des »Westens« erschlossen, wobei vor allem die indische Diaspora eine wichtige Brücke (und auch Adressierungsgruppe) einer solchen Verbreitung bildet (Brosius 2005; Hansen 2005). Dies wirft zwei Fragen auf: Warum ist der Bollywood- Film so lange nur in »nicht-westlichen« Regionen anschlussfähig gewesen? Und was hat sich hier verändert? Zunächst einmal fällt auf, dass sich im populären indischen Film eigenständige Konventionen entwickelt haben, die diesen klar vom Hollywood-Action-Attraktions- Kino unterscheiden und letztlich das Stereotyp vom »Bollywood-Film« begründen. Hierbei ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass nicht jeder indische Film im engeren Sinne ein Bollywood-Film ist, indem der Begriff »Bollywood« auf die in Mumbai produzierten Filme abhebt und gemeinhin nur eines ihrer Genres impliziert, nämlich das der »Masala Filme« (für eine aktuelle Übersicht verschiedener Genres des Bollywood-Films siehe Dudrah 2006: 175-180; zur Vielfalt des indischen Films siehe Deshpande 2005: 192 f.). Typischerweise entwickeln sich diese Filme aus einer Beziehungsgeschichte zwischen einem männlichen und einem weiblichen Helden, die aus sozial oder kulturell unterschiedlichen Kontexten stammen, gemeinsam Liebe und Abenteuer erleben und zueinander finden. Gerahmt wird diese narrative Struktur im Film durch sechs oder mehr sogenannte Song-and-Dance-Szenen, d. h. musikalisch unterlegte Tanzeinlagen, die die Emotionen der Helden ausdrücken. Erweitert wird die grundlegende Handlungsstruktur durch einen Komik-Handlungsstrang, wobei auch hier für die Personenkonstellation eine Auswahl bekannter Charaktertypen typisch ist (vgl. Alexowitz 2003: 18; Prasad 1998: 30 f.). Insgesamt geht es dabei aber um ein gewisses Auflehnen gegen gesellschaftliche Verhältnisse und deren Änderung. Sicherlich gab es immer wieder und gibt es populäre indische Filme, die von diesem Grundmuster abweichen (Chakravarty 1993: 199-305), und man muss vorsichtig sein, dass man unter dem Titel »Bollywood« nicht einen vereinfachenden Blick auf das indische Kino konstruiert (Rajadhyaksha 2008: 69-83). Dennoch kennzeichnet das genannte Grundmuster bis heute Erwartungen gegenüber dem populären indischen Film. Nationale Referenzen spielen in diesen Filmen durchaus eine wichtige Rolle. Die Filmwissenschaftlerin Sumita Chakravarty umschreibt den Prozess der Repräsentation von »Nation« im indischen Kino mit der Metapher der »imperso-nation« (Chakravarty 1993). Die »nationale« Funktion der populären indischen Filme kann darin gesehen werden, dass in deren Repräsentationen verschiedene (lokale) »Andere« in den »nationalen Körper« integriert werden. Ethnische und religiöse Differenzen werden als eine Art gelebte Maskerade dargestellt, hinter der sich ein Indisch-Sein als Kern von gemeinsamen, zivilisatorischen Werten verbirgt. Auf diese Weise wird »Nation« im fragmentierten Gesamt Indiens greifbar. Damit zeichnet sich der indische Film durch eine spezifische Form der Artikulation von Nation aus, wie sie als kennzeichnend für postkoloniale Situationen gelten kann. Bereits das im indischen 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 147 147 Film immer wieder behandelte Thema, auf welche »traditionellen Werte« sich die »eigene« Nation gründen lässt, verweist auf ein (sicherlich nicht unproblematisches) Diskursschema der »(Wieder-)Erfindung« einer »ursprünglichen« Nation jenseits des Kolonialismus, wobei hier Parallelen zu visuellen Repräsentationen beispielsweise aus Afrika bestehen (Larkin 2008: 196-202; Okigbo 1995: 370-373). Eine solche postkoloniale Erfahrung manifestiert sich auch in den anderen Themen, die im indischen Film bis Ende der 1990er dominierten: Korruption, Regionalisierung, der Konflikt von »Tradition« und »Modernisierung« oder unkontrollierte Staatsmacht sind Themen, die auf postkoloniale gesellschaftliche Konflikte überhaupt hinweisen- -, auch wenn die in den Filmen angebotenen Konfliktlösungen eher systemstützend als kritisch sein mögen (vgl. Kazmi 1999: 72-74; zur Konstanz dieser Themen siehe Banaji 2006: 11). Der indische Film ist demnach nicht nur deshalb eine relevante, über Indien hinausgehende Ressource, weil er als Repräsentation der »imperso-nation« Identifikationsmaterial für die in verschiedenen Ländern lebende indische Diaspora darstellt. Er ist es ebenso, weil seine Themen in verschiedenen postkolonialen Kontexten anschlussfähig sind. Diese inhaltlichen Aspekte treffen sich mit dem Umstand, dass gerade für postkoloniale Regionen die vergleichsweise geringen Kosten für den Import indischer Filme zentral sind. Solche Interpretationen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im indischen Film zunehmend Repräsentationen von Globalisierung greifbar werden. Eine Veränderung besteht darin, dass sich die Rolle des Helden im indischen Kino nachhaltig geändert hat (siehe hierzu und zum Folgenden Deshpande 2005). Während früher der Held eine (arme) Person gewesen ist, die sich in ihrem Ärger gegen die ungleichen Verhältnisse der Gesellschaft gerichtet hat, ist der Held seit den 1990er- Jahren wohlhabend, in der Gesellschaft fest etabliert und nicht gegen dieselbe gerichtet. Eine solche Differenz zur »Zeit vor der Globalisierung« (Deshpande 2005: 195) verweist auf eine Veränderung der indischen Filmindustrie wie auch der indischen Gesellschaft insgesamt. Der Adressat des indischen Kinos ist verstärkt die sich etablierende indische Mittelklasse, die die Filme in städtischen Multiplex-Kinos schaut. Gleichzeitig entstehen damit jenseits von Indien neue Anschlussmöglichkeiten solcher Filme. Dem entspricht auch, dass die Song-and-Dance-Szenen vermehrt zu Repräsentationen aktueller Transkulturation werden, indem in ihnen moderner Tanz, Aerobic, populäre Musik Asiens, aber auch Lateinamerikas, des Mittleren Ostens bzw. Europas und Nordamerikas mit Stilelementen der Mode- und Werbungsästhetik kombiniert werden. So wird ein hin zum Globalen geöffneter Konsum, in dem auch das »Nationale« neu kontextualisiert wird, zum Thema im indischen Film (Banaji 2006: 1-19; Rajadhyaksha 2008). Wenden wir uns nun unserem dritten Beispiel zu, dem Nollywood-Film, wie er von den nigerianischen Filmproduzenten selbst bezeichnet wird (Barrot 2008b: 3). Um diesen zu fassen, ist es notwendig, ihn im weiteren Kontext des afrikanischen Films einzuordnen. Wie der Experte für afrikanischen Film und Autor Olivier Barlet (2001) www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 148 5 Transkulturalität von Medienprodukten 148 in seiner umfassenden Darstellung herausarbeitet, erscheinen (Schwarz-)Afrika und seine filmischen Repräsentationen auf der einen Seite in hohem Maße different, weswegen er von »les cinémas d’Afrique noire« im Plural spricht (siehe auch Harrow 2007). Auf der anderen Seite lassen sich diese afrikanischen Filme nicht darauf reduzieren, dass sie jeweils Repräsentationen eines »nationalen Kinos« sind. Vielmehr entstanden die ersten Produktionen afrikanischer Filme bereits in transkulturellen Zusammenhängen. Als Tendenz des Films in und über Afrika während des Kolonialismus kann man einerseits dessen instrumentelle Nutzung als pädagogisches Instrument ausmachen (besonders in den Dokumentarfilmen der britischen Kolonien, siehe Barlet 2001: 28 f.), andererseits die Repräsentation Subsahara-Afrikas als das »Andere«, »Wilde« (speziell im anthropologisch orientierten Film aus dem Umfeld französischer Kolonien). Begreift man die 1960er-Jahre als den Zeitraum des Entstehens postkolonialer afrikanischer Filme (Barlet 2001: 19), so wenden sich diese in ihren Themen und Erzählweisen zuerst einmal gegen den filmischen Diskurs des Kolonialismus in und über Afrika. Die Etablierung afrikanischer Filme ist als ein Prozess zu begreifen, der gegen koloniale Positionierungen gerichtet war. Dass dies kaum mit der Förderung von nationalen Repräsentationen von »sich entwickelnden Staaten« als Teil des- - innerhalb des Diskurses um Entwicklungskommunikation durchaus gewünschten- - »nation building« aufgeht, liegt nicht zuletzt an der allgemeinen Situation der Filmproduktion in Subsahara-Afrika: Bis in die 1990er-Jahre hinein bestehen kaum Produktionsmöglichkeiten, sowohl wegen der fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten als auch Technik (Kameraausstattung, Technik für die Postproduktion etc.). Die Folge ist, dass die »postkolonialen« Filme aus Subsahara-Afrika in erheblichem Maße auf »Hilfen aus dem Norden« (Barlet 2001: 273) angewiesen waren. Insbesondere von Seiten des französischen Staates bestand eine erhebliche Bereitschaft, afrikanischen Filmprojekten im Rahmen von »Entwicklungshilfe« Geld zur Verfügung zu stellen (Barlet 2001: 282-284). Weitere Unterstützung bestand über fördernde Kooperation beim britischen Channel-4 bzw. bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Im Hinblick auf den Charakter der Repräsentationen hatte das finanzielle ausländische Engagement allerdings paradoxe Folgen. Erstens mussten sich die Themen und Erzählweisen bei gänzlich unterschiedlichen Arten von Publika bewähren. Dies waren zum einen die »buntgemischt[en]« (Barlet 2001: 256) afrikanischen Publika, bei denen besonders Sozialsatiren und Parodien der »modernen Gesellschaft« (Barlet 2001: 258) auf Interesse stießen, die Filme aber mit wesentlich aufwändigeren indischen und »westlichen« Produktionen konkurrierten. In Europa bestanden die Publika- - neben Mitgliedern der afrikanischen Diaspora- - aus Kulturinteressierten, die eine Art perfekt produzierten afrikanischen Autorenfilm erwarteten. Hieraus ergibt sich ein »afrikanischer« Wunsch nach der »kulturellen Spezifik« der »eigenen« Filme, was sich teilweise in problematischen Vorstellungen des von Exotik, Erotik und Hedonismus geprägten »Anderen« niederschlug. Gleichzeitig bestand eine Forderung 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 149 149 nach internationaler Professionalität. Mit dieser ist zuerst einmal eine rein filmtechnische Professionalität der Realisierung von Aufnahmen und Postproduktion gemeint, ein Stück weit aber auch eine Anpassung an »internationale«- - sprich »westliche«- - Standards der Filmnarration (bspw. Vermeidung von Wiederholungen und eine eher lineare Handlung). Der afrikanische Filmemacher Mohamed Camara fasst dieses Paradox in folgende Worte: »Die Leute sagen uns, dass sich unser Kino nicht weiterentwickelt, dass wir immer dasselbe machen. Aber wenn ich etwas anderes mache, dann sagt man mir, dass es nicht genügend afrikanisch sei« (zit.-n. Barlet 2001: 224). Letztlich trug diese Situation in Kombination mit einem »Sterben« der Kinos im (städtischen) Afrika dazu bei, dass sich eine afrikanische Filmindustrie nicht entwickeln konnte. Die eigentliche Innovation kam über die nigerianische Videoproduktion, die auf die sogenannten »small screens« (Barrot 2008d: 27) von Fernsehbildschirmen ausgerichtet ist (Barrot 2008f: 6-9). So entwickelte sich in der mit über 10 Millionen Einwohnern größten nigerianischen wie afrikanischen Stadt Lagos seit den 1970er-Jahren eine englischsprachige Homevideo-Produktion, die dann unter dem Namen Nollywood bekannt geworden ist. Die Produktionsweisen, Verbreitungswege wie auch Verbreitungsräume wichen dabei deutlich von denen anderer »Filmindustrien« ab. Entstanden ist die Nollywood-Filmindustrie aus den Piraterie- und Verkaufsnetzwerken von Videokassetten, die den großen Bedarf nach günstigen Filmen in Nigeria, aber auch anderen afrikanischen Ländern deckte. Dabei werden 6 http: / / www.uis.unesco.org Quelle: UNESCO, Institute for Statistics, Januar 2012 6 0 400 800 1200 1600 2005 2006 2007 2008 2009 USA Nigeria Indien Abbildung 16: Indische, nigerianische und US-amerikanische Filmproduktionen im-Vergleich www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 150 5 Transkulturalität von Medienprodukten 150 die Homevideos nicht nur im häuslichen Setting rezipiert. Darüber hinaus haben sie wieder die öffentliche Filmrezeption stimuliert, indem Videobaracken entstanden sind, in denen diejenigen, deren Haushalte bzw. Familien sich keine Videoausstattung leisten können, für ein geringes Eintrittsgeld auf einem dort aufgestellten Fernseher nonstop die neuesten Homevideo-Produktionen anschauen können. Das Vertriebssystem entstand über den Handel mit (Raub-)Kopien insbesondere amerikanischer und indischer Filme sowie von afrikanischen Fernsehproduktionen auf Märkten, wobei ohne solche Kopien die ärmere Bevölkerung kaum Zugang zu diesen Produkten gefunden hätte (siehe im Detail Larkin 2008: 217-241; Mattelart 2009). Dies erklärt die bis heute herausgehobene Rolle der »Marketer«, die einerseits eigenständig vorfinanzierende Filmproduzenten sind, andererseits über Stände auf Märkten die Filmdistribution sichern, und zwar nicht nur in Nigeria, sondern auch in angrenzenden zentralafrikanischen Staaten. In manchen Fällen liefern die »Marketer« auch die (erwartete) Geschichte (Barrot 2008e). Die Filme selbst sind vergleichsweise günstige Produktionen, die in wenigen Tagen (5 bis 21 Tagen) mit eher geringem Aufwand mittels Videokameras und PC-Schnitt produziert werden. Hierbei wurden 2006 durchschnittlich 104.000 US-$ pro Film investiert und rund 37.000 Video-CDs verkauft; Verkaufsspitzenwerte liegen bei 200.000 Kopien (Barrot 2008c: 33 f.). Die Verbreitungsgebiete der Nollywood-Produktionen liegen neben Nigeria insbesondere in den anderen englischsprachigen Staaten Afrikas (vor allem Kenia und Ghana), verstärkt aber auch im frankophonen Afrika wie Niger, Kamerun, Kongo, Benin, Togo, Senegal oder Burkina Faso. Zu der Verbreitung der Filme trug die Gründung des Satellitenfernsehkanals »Africa Magic« im Jahr 2003 durch das südafrikanische Unternehmen M-Net bei (Adesokan 2009; Barrot 2008c: 38 f.; Barrot 2008a: 43 f.; Ogundimu 2009). Erklären lässt sich der rasante Erfolg dieser Nollywood-Produktionen nicht mit der (technischen) Qualität ihrer Machart, die bis heute hinter der der Hollywood- und Bollywood-Produktionen zurückfällt, die diese Filmindustrie- - neben Soap Operas und Telenovelas (siehe Haynes 2000)- - inspiriert haben (Barlet 2001: 45 f.; Barrot 2008d: 27 f.). Erklären lässt sich dies nur darüber, dass hier filmische Repräsentationen entstanden sind, die durch spezifische afrikanische Narrationen »das plötzliche Verlangen […] nach lokal hergestellten Videofilmen« (Barrot 2008e: 16) stillten. Auch wenn es nicht leicht ist, über die Zahl der Filme hinweg Gemeinsamkeiten zu bestimmen, lassen sich doch einige Grundmomente dieser Filme ausmachen. Herausragende Themen der Filme sind Ehebruch, Familienstreitigkeiten, Gewalterleben bis hin zu Mord und Selbstmord, Horror, Korruption, Sexualität (ohne das Zeigen expliziter Sex-Szenen), Straßengangs, Magie, Macht(missbrauch), Aids, Religion und Prostitution, wobei diese Themen in den postkolonialen afrikanischen Lebenswelten angesiedelt werden. Erzählt werden die Filme in einem melodramatischen und exzessiven Stil, auch was Gewaltdarstellungen betrifft, wobei Genremixe von »Familiendrama, politischem Thriller und Religionsfilm« (Larkin 2008: 190) dominieren. 5.1 Hollywood, Bollywood und Nollywood www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 151 151 Folgt man den Analysen des Kulturanthropologen Brian Larkin, »repräsentiert der nigerianische Film die ästhetische Reaktion auf die neue politische, ökonomische und soziale Architektur des gegenwärtigen Afrikas (Larkin 2008: 172). Hiermit hebt Larkin darauf ab, dass der Nollywood-Film die strukturelle Transformation der afrikanischen Gesellschaften dramatisiert. Hierzu zählen insbesondere die Situationen der ökonomischen Unsicherheit, in denen sich viele Menschen im (urbanen) Afrika befinden, indem der durch Korruption gekennzeichnete staatliche Sektor immer weiter abgebaut wird. Daneben werden die bestehenden spirituellen Unsicherheiten reflektiert und die Erfahrungen umfassender gesellschaftlicher Brüche und des Scheiterns einer Modernisierung, die auf christliche Vorstellungen ausgerichtet gewesen ist und letztlich in Korruption kippt (Larkin 2008: 192). Zusammenfassend lässt sich festhalten: »Der Erfolg der nigerianischen Filme liegt in deren Fähigkeit, die Spannungslinien dieser Unsicherheit des gegenwärtigen urbanen Lebens in Afrika auszuloten und sie in kulturelle Produktionen zu transformieren, die auf Vergnügen und Spiel sowie auf Angst basieren« (Larkin 2008: 182). Eine solche Orientierung auf spezifische Problemlagen des postkolonialen Afrikas hilft, die Verbreitung der Filme Nollywoods als »großregionale Repräsentationen« Afrikas zu erklären: Die Filme behandeln die dortigen Problemlagen zum Teil in einer Krassheit, wie man sie aus Hollywood-Produktionen nicht gewohnt wäre. Hiermit sind diese Produktionen durchaus auch stimulierend für andere afrikanische Filmproduktionen, in Nigeria beispielsweise die Hause-Filme. Benannt sind diese nach der am zweithäufigst verbreiteten Sprache der Filmproduktion, nämlich Hause. Dabei entstehen diese Filme im Norden Nigerias (und nicht der urbanen Region von Lagos), greifen die Song-and-Dance-Ästhetik des Bollywood-Films auf und bearbeiten stärker die Problemlagen der Landbevölkerung in romantischen Geschichten (Adamu 2011; Larkin 2008: 194-208). Was sagen uns solche Annäherungen an die filmischen Repräsentationen von Hollywood, Bollywood und Nollywood insgesamt? Zuerst einmal ist festzuhalten, dass die gerade in Europa verbreitete Vorstellung, dass transkulturelle Kommunikation im Bereich des Films deckungsgleich wäre mit der Verbreitung von Hollywood-Filmen, verkürzend ist. Allein die hier betrachteten Beispiele der indischen und nigerianischen Filmproduktion haben vor Augen geführt, dass in anderen Regionen der Welt andere Filmrepräsentationen transkulturell weit wichtiger sein können als Hollywood-Produktionen. Noch verkompliziert wird ein solches Bild, wenn man im Blick hat, dass wir bisher nur die drei zahlenmäßig stärksten filmproduzierenden Länder herausgegriffen haben. Ein wirklich »globaler Blick« müsste beispielsweise auch den chinesischen Film (Lee 2011), den russischen Film (Gillespie 2002), verschiedene europäische (Berghahn/ Sternberg 2010) oder arabische Produktionen (Mellor et al. 2011: 103-122) als Ressource transkultureller Kommunikation im Blick haben. Insgesamt haben aber auch schon die hier ausgewählten drei Beispiele die Vielschichtigkeit der kommunikativen Figurationen deutlich gemacht, in die diese Repräwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 152 5 Transkulturalität von Medienprodukten 152 sentationen eingebunden sind bzw. die mit diesen geschaffen werden. Insbesondere die Beispiele von Bollywood und Nollywood zeigen, dass transkulturell verfügbare Filme auch auf nationale Repräsentationen zurückgehen können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ausgehend von einem bestimmten nationalen Setting Thematiken verhandelt werden, die in verschiedenen kulturellen Kontexten anschlussfähig sind. Darüber hinaus fällt auf, dass auch die Repräsentationen von Bollywood und Nollywood- - auch wenn diese nicht von vornherein wie Hollywood auf einen »Weltmarkt« zielen- - umfassend durch Transkulturationen gekennzeichnet sind: Während im indischen Film verschiedene Momente des europäischen Kinos aufgegriffen wurden, entsteht der nigerianische Videofilm mit Bezug sowohl zu Bollywoodals auch Hollywood-Produktionen, entwickelt ausgehend davon aber seine Spezifika als postkolonialer Film Afrikas. Transkulturation ist also ein grundlegendes Moment dieser filmischen Repräsentationen. Dies bedeutet aber nicht, dass die unterschiedlichen Arten des Films einfach ineinander aufgehen würden. Hieran hat sich auch mit der Etablierung des Internets bzw. der fortschreitenden Digitalisierung von Medien nichts geändert. Vielmehr gilt es, kontextuell zu untersuchen, in welche kommunikativen Figurationen diese Filme eingebunden sind und was dies im jeweiligen Einzelfall zu bedeuten hat. 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen Geht es um eine Auseinandersetzung mit den transkulturellen Repräsentationen fiktionaler Medienprodukte, ist eine Betrachtung von Filmen alleine nicht hinreichend. Wichtig ist es daneben, andere Medien im Blick zu haben. Dies ist insbesondere das Fernsehen, das in vielen Regionen der Welt nach wie vor als »Leitmedium« gilt, bzw. neuere Formen des »Fern-Sehens«, insbesondere über das Internet. Dabei hilft es, zwei grundsätzliche Arten von transkulturellen Kommunikationsbeziehungen zu unterscheiden. Dies sind erstens solche, die durch Produktimporte entstehen. Zweitens sind dies transkulturelle Kommunikationsbeziehungen durch Formatadaptionen, also solche, die durch das Aufgreifen und die Anpassung eines bestimmten Formats aus einem anderen kulturellen Kontext entstehen. Das vielleicht bekannteste Beispiel dafür ist die globale Verbreitung des Formats von »Who wants to be a Millionaire«. Um beide Zusammenhänge soll es in diesem Teilkapitel gehen-- beginnend beim Fernsehen und endend bei Youtube. Wiederum berühren wir damit ein Thema, das bereits seit längerem Gegenstand der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschung gewesen ist. Diese hat deutlich gemacht, dass »kulturelle Nähe« (Straubhaar 1991; Tomlinson 1999: 3-10) ein wichtiger Faktor dafür ist, inwieweit ein einzelnes fiktionales Produkt in verschiedenen Kulturen anschlussfähig sein kann. Dafür stehen klassische Studien des Forschungsfelds: Kaarle Nordenstreng und Tapio Varis (1974) wiesen bereits in 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 153 153 ihrer Anfang der 1970er-Jahre realisierten UNESCO-Studie zur weltweiten Distribution von Fernsehprogrammen darauf hin, dass nicht jede Fernsehsendung weltweit importiert wird, sondern kulturelle Faktoren (Sprache, Religion, politische Ideologie) ein wichtiges Argument für den Import derselben sind. In ihrer Studie zum internationalen Fernsehmarkt haben Armand Mattelart, Xavier Delcourt und Michèlle Mattelart (1984) die Frage aufgeworfen, inwieweit ein audiovisueller Raum der romanischsprachigen Länder neben dem der angloamerikanischen Bestand haben kann, wobei sie zu Erstgenanntem neben den Ländern Mittel- und Lateinamerikas auch Spanien, Portugal, Frankreich und Italien zählen. Durch deren sprachliche und kulturelle Nähe könnten diese-- wie Mattelart et al. damals projektiv formulierten (Mattelart et al. 1984: ix)- - zumindest prinzipiell ein Gegengewicht zu dem angloamerikanischen Kommunikationsraum bilden (ein Argument, das in jüngerer Zeit für Lateinamerika wiederum bei García Canclini 2001 und Cañizález/ Lugo-Ocando 2008 zu finden ist). Auf ähnlichen Überlegungen basiert das von John Sinclair, Elizabeth Jacka und Stuart Cunningham (1996) entwickelte und bereits an anderer Stelle diskutierte Konzept der »geolinguistischen Regionen« (siehe Kap. 4.1). Hierunter verstehen sie Regionen kulturell-sprachlich nahestehender Länder. Joseph D. Straubhaar beschreibt die Entwicklung des internationalen Handels mit Fernsehprodukten seit den 1960er-Jahren als einen Prozess der Verlagerung »von einem amerikanischen Imperium zu kulturell-sprachlichen Märkten« (Straubhaar 2007: 167). Das in solchen Studien wiederholt zu findende Kernargument ist also, dass »kulturelle Nähe« der entscheidende Faktor für transkulturelle Kommunikation ist. Verweist solche Forschung damit darauf, dass die Möglichkeiten transkultureller Kommunikation im fiktionalen Fernsehen durch die Grenzen solcher geokulturellen Regionen bestimmt sind? Bereits bei einer Annäherung an das Fernsehen in seiner herkömmlichen terrestrischen Variante bzw. als Satellitenkommunikation ist man hier mit einem großen Maß an Komplexität konfrontiert. So entstehen die verschiedenen transkulturellen Kommunikationsbeziehungen nicht zwangsläufig durch Produktimporte, die als nationale Repräsentation in einem Land produziert werden und die dann unverändert, mit Untertiteln versehen oder synchronisiert in einem anderen Land verfügbar gemacht werden. Zusätzlich ist man mit vielfältigen Koproduktionen verschiedener Länder konfrontiert, die als Repräsentationen von vornherein so beschaffen sind, dass sie in verschiedenen kulturellen Kontexten anschlussfähig sind, bzw. bei denen die Grenze zwischen »Import« und »Eigenproduktion« fließend ist. Die Sachlage wird weiter noch dadurch verkompliziert, dass transkulturelle Kommunikationsbeziehungen weniger über den Import fertiger Sendungen entstehen als über so bezeichnete Formate. Unter einem Format ist beim Fernsehen das einer Sendung zugrunde liegende Konzept zu verstehen, das in Kombination mit Festlegungen zum Erscheinungsbild einer Produktion, zu Sendungsabläufen, optischen und akustischen Signalen bzw. Logos sowie Hinweisen zur Vermarktung der Produktion (Senwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 154 5 Transkulturalität von Medienprodukten 154 deplatz, Zielgruppe usw.) gehandelt wird (Hallenberger 2009: 155). Man hat es also nicht nur mit vielfältigen Programmimporten zu tun, sondern auch mit Formatadaptionen, wobei in beiden Fällen die Distribution über das Internet an Bedeutung gewinnt. Die Komplexität solcher Zusammenhänge soll im Weiteren exemplarisch durch eine Annäherung an Lateinamerika, den arabischen Raum, das südliche Afrika und den südasiatischen Raum verdeutlicht werden. Hierbei ist es selbstverständlich nicht möglich, die Fernsehlandschaften der verschiedenen Regionen bzw. deren transmediale Entgrenzung hin zum Internet im Detail darzustellen. Hierzu ist eine vertiefende Lektüre der angegebenen Literatur vonnöten. Die Funktion der folgenden Seiten ist vielmehr eine andere. Es geht darum, gerade durch einen zwangsläufig groben Überblick in die verschiedenen Regionen einerseits die Breite des Phänomens der transkulturellen Kommunikation im Bereich des fiktionalen Fernsehens zu verdeutlichen, andererseits das Phänomen in seiner großregionalen Spezifik zu erschließen. Dieser Gesamthorizont dient dann einer weiteren differenzierten Auseinandersetzung mit Europa bzw. dem Phänomen der transkulturellen Formate. Beginnen wir mit Lateinamerika, ist zuerst einmal zu konstatieren, dass hier mit der in Mexiko basierten und damit spanischsprachigen televisa bzw. der in Brasilien basierten und damit portugiesischsprachigen Globo Comunicaç-o e Participações aus der Zeit des terrestrischen Fernsehens zwei große Medienhäuser bestehen, die ihre Position mit der Etablierung des Satellitenfernsehens bzw. der fortschreitenden Digitalisierung halten konnten. Beide Anstalten sind wichtige Programmexporteure von Telenovelas, der lateinamerikanischen Adaption von Soap-Operas. Telenovelas sind seit Mitte der 1980er-Jahre mit einem Höhepunkt in der ersten Hälfte der 1990er- Jahre in einem erheblichen Maße transkulturell verfügbar, nicht nur in Süd- und Ost-Europa, sondern auch im asiatischen Raum, insbesondere Japan und China. Mit der Adaption der US-amerikanischen Soap-Opera in den Telenovelas wurden umfassende Bezüge zur lateinamerikanischen Erzähltradition des Melodramas hergestellt (vgl. Martín-Barbero 1993; Trinta 1997). Die narrative Spezifik von Telenovelas ist darin zu sehen, dass sie durch eine große Zahl von Settings gekennzeichnet sind und jede Einzelne der ungefähr 100 Episoden einer Serie eine geschlossene Erzählung darstellt, die in dichtem zeitlichen und thematischen Bezug zum jeweils lokalen Alltagsgeschehen erzählt wird (Tufte 2000: 87-120). Der globale Erfolg hat mit dazu beigetragen, dass sich in neueren Telenovela-Produktionen inhaltlich verschiedene Kulturbezüge herstellen lassen, um eine größere transkulturelle Anschlussfähigkeit zu erlangen (Straubhaar 2012). Bei aller Globalisierung dieser Programme bleibt der kulturelle Rückbezug allerdings deutlich, was mit dazu beiträgt, dass in Europa beispielsweise ein Großteil des Imports von Telenovelas in südeuropäischen Ländern erfolgt (Biltereyst/ Meers 2000: 406; Straubhaar 2005: 204-208). Vor einem solchen Hintergrund sind die Programmimporte global agierender Medienkonzerne in Lateinamerika zu sehen. Als sich in den 1990er-Jahren in ver- 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 155 155 schiedensten Ländern Lateinamerikas die Medienregulation an einem freien Marktmodell orientierte (siehe zu dieser Thematik Kap. 3), sahen dies global agierende Medienkonzerne-- Disney, News Corp., Sony Corp., Time Warner und Viacom-- als eine Möglichkeit, sich auch in Lateinamerika zu engagieren (insbesondere mit Blick auf die sich ökonomisch gut entwickelnden Länder Argentinien, Brasilien und Mexiko). Hierbei waren diese mit ihrer ursprünglichen Vorstellung nur bedingt erfolgreich, bestehende Sendungen synchronisiert bzw. untertitelt über Satelliten und Kabel anzubieten und das eigene Angebot kulturell nur wenig zu adaptieren. Wegen des geringen Erfolges begannen diese Unternehmen ihre Angebote- - teilweise in Kooperation mit lateinamerikanischen Anbietern-- kulturell anzupassen, wofür MTV Latin America und MTV Brazil herausgehobene Beispiele sind. Was sich abzeichnet, sind Segmentierungsprozesse transkultureller Kommunikation: Die Mehrheit der Bevölkerung präferiert (groß)regionale bzw. nationale Angebote wie insbesondere Telenovelas, schaut daneben aber auch einzelne nordamerikanische bzw. aus Hollywood stammende Filme und Serien an (Straubhaar/ Duarte 2005: 241, 243). Die Eliten abonnieren Satelliten- und Kabelkanäle, wo sie neben lateinamerikanischen auch europäische bzw. adaptierte Angebote global agierender Medienkonzerne nutzen (Straubhaar 2005: 212). Daneben bestehen verschiedene Fankulturen wie beispielsweise die der »Sony-Manics«, die US-amerikanische Sitcoms auf dem Sony-Channel schauen, oder die Fankulturen US-amerikanischer Action-Serien (Straubhaar/ Duarte 2005: 247). Betrachtet man den arabischen Raum, fällt ein ähnlicher Stellenwert von Eigenproduktionen auf wie in Lateinamerika. So waren es seit den 1990er-Jahren vor allem panarabische Unterhaltungsanbieter, die die neuen Möglichkeiten des Satellitenfernsehens nutzten und sich erfolgreich gegen die nationalen terrestrischen Anstalten positionierten. Dies gelang deswegen, weil Letztere »eine Mischung von sozialem Marketing, politischer Propaganda, religiösen Shows und sorgfältig gefilterter oder zensierter Unterhaltung« (Kraidy/ Khalil 2009: 33) boten, das nicht wirklich den Unterhaltungswünschen der Menschen entsprach. Hierfür stehen vor allem die Erfolge des Middle East Broadcasting Centres (MBC) und der Lebanese Broadcasting Corporation (LBC), die seit 2000 auch die staatlichen Anbieter der verschiedenen Nationalstaaten dazu brachten, ihre Programme anzupassen oder aber staatlich-private Unternehmen wie Dubai TV mit einem entsprechenden Unterhaltungsangebot aufzubauen. Programmimporte fanden über diese panarabischen Sender statt, wobei sich insbesondere LBC durch die Übertragung unzensierter westlicher Filme positionierte. Daneben profilierten sich die Sender mit arabischen Adaptionen etablierter Reality- und Show-Formate (Kraidy 2012b), ein Punkt, auf den wir weiter unten nochmals zu sprechen kommen. Es existiert aber auch eine breite Tradition eigener serieller Produktionen, die sogenannten »Musalsalat«. Ältere Traditionen des (u. a. ägyptischen) narrativen Fernsehens aufgreifend bestehen die heutigen »Musalsalat« gewöhnlich aus ca. dreißig Episoden von 45 Minuten und www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 156 5 Transkulturalität von Medienprodukten 156 erzählen über diese Episoden fortlaufende dramatische Geschichten, die von Themen wie der gesellschaftlichen Anerkennung eines Helden, Problemen des Alltagslebens bis hin zur Lebensgeschichte bekannter Persönlichkeiten reichen können (Kraidy/ Khalil 2009: 103-106). Hierbei gibt es nationale Traditionen. So sind beispielsweise die ägyptischen Musalsalat für das Aufgreifen von verschiedenen dramatischen Aspekten des städtischen und ländlichen Alltagslebens bekannt, syrische Produktionen eher wegen ihrer mutigeren Themen und aufwändigeren Produktionstechnik. Zunehmend sind aber auf den arabischen Raum insgesamt ausgerichtete Produktionen verbreitet, deren Produktionsteams, Schauspieler und Themen transkulturell orientiert sind. Andere im (pan)arabischen Fernsehen verbreitete Eigenproduktionen sind beispielsweise Komödien in Form von Sitcoms und Slapstick-Komödien. Ebenso werden Zeichentricksendungen von arabischen Sendern bzw. Produktionsfirmen selbst produziert. Und auch der Bereich des auf die arabische Jugend ausgerichteten Fernsehens ist durch arabische Eigenproduktionen gekennzeichnet, wofür die neben dem stark regionalisierten MTV Arabia bestehenden arabischen Musikkanäle wie Nojoom oder Rotana Beispiele sind. Daneben gibt es verschiedene religiöse Sendungen. Programmimporte beispielsweise bekannter Hollywood-Filme sind also dem arabischen Fernsehen nicht fremd. Insgesamt überwiegen aber klar arabische Produktionen, deren Highlights vor allem im Fastenmonat Ramadan gesendet werden (Kraidy/ Khalil 2009: 99; Mellor et al. 2011: 100). Im südlichen Afrika eröffnet sich nochmals ein anderes Bild. Während das zentrale Medium in vielen vor allem ländlichen Regionen bis heute das Radio ist (Mudhai 2011), haben transkulturelle Momente des Fernsehens in Afrika nachhaltig zugenommen. Mit der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten war das Fernsehen in diesen mehr oder weniger national bzw. auf die urbanen Regionen der Länder ausgerichtet. Dies hat sich seit den 1990er-Jahren deutlich geändert, wobei Differenzen zwischen frankophonem und anglophonem Afrika auszumachen sind. Indem letztlich nur in der Demokratischen Republik Kongo privates Fernsehen in breiterem Maße etabliert gewesen ist (Frère 2011), waren transnationale Fernsehinitiativen insbesondere von Frankreich getragen, das Interesse an der Förderung von frankophonen Programmen hatte (Mytton et al. 2005: 101). So sendet seit 1989 der canal france international (cfi) als vom französischen Außenministerium unterstützte Tochtergesellschaft der France Télévisions im südlichen Afrika; der andere direkt sendende panafrikanische Anbieter ist TV 5 Afrique, Teil des Senders TV 5 Monde, der von öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten Frankreichs, Belgiens, der Schweiz und Kanadas getragen wird. Bei beiden Sendern lässt sich eine verstärkte Ausrichtung ihrer Inhalte auf das afrikanische Sendegebiet ausmachen. Neben auf Afrika ausgerichteten Nachrichten- und Sportsendungen werden beispielsweise auch afrikanische Filme und afrikanische Musiksendungen (Mytton et al. 2005: 105 f.) oder Formatadaptionen (Ndlela 2012) verbreitet. Stärker ausgeprägt ist ein solches panafrikanisches Angebot aber im anglophonen Afrika. Hier sind über verschiedene Staaten hinweg insbeson- 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 157 157 dere zwei ursprünglich südafrikanische Sender etabliert, nämlich Mnet bzw. Multi- Choice Africa und TV Africa. Beide Sender positionieren sich mit panafrikanischen Repräsentationen, neben Formatadaptionen wie beispielsweise von »Big Brother« insbesondere auch afrikanische Produktionen aus Nigeria (die bereits diskutierten Nollywood-Filme) und Ghana (Mytton et al. 2005: 123). Zunehmend ist damit auch in Afrika transkulturelles Fernsehen nicht mehr einfach (nur) der Import von französisch- und englischsprachigen Filmen und Serien aus dem »Westen«, sondern transkulturelles panafrikanisches Fernsehen- - ob frankophon oder anglophon- - neben starken, lokalen und regionalen, vor allem urbanen Angeboten (siehe hierzu als Fallanalyse für Kinshasa Frère 2011). Wendet man sich Asien zu, lohnt vor allem der Blick auf Indien und seine Nachbarländer. Da diese Länder in einem Satelliten-Footprint liegen, strebte die News Corporation mit dem Satellitensender Star TV an, sie insgesamt mittels Programmimporten adressieren zu können. Dies erwies sich aber als wenig erfolgreich, und Star TV musste sein Angebot ab 1994 für den chinesischen und indischen Raum differenzieren. Betrachtet man heute Indien und seine Nachbarländer, sind für eine transkulturelle Fernsehkommunikation vor allem drei Anbieter zentral, nämlich neben Star TV auch Sony Entertainment Television und Zee TV (Athique 2012: 53-71; Thussu 2007b). Star TV sendete in den 1990er-Jahren insbesondere englischsprachige Programmimporte für die urbane städtische Elite, erweiterte dann aber sein Angebot stark in Richtung indischer Filme und hindisprachicher Musik-, Sport- und Nachrichtenkanäle. Dies geschah nicht zuletzt getrieben durch die Konkurrenz des indischen Anbieters Zee TV, der aus einem ehemaligen Joint Venture hervorging. Exemplarisch für die Entwicklung von Star TV steht die Produktion der indischen Version des Formats »Who wants to be a Millionaire? « (Ganguly 2012). Das Angebot von Sony ist insbesondere auf Familienunterhaltung ausgerichtet und bedient sich hier neben indischen Produktionen auch seines eigenen Filmportfolios. Es war dann aber vor allem Zee TV, das auf Basis von Abkommen mit der indischen Filmindustrie seit den 1990er-Jahren nationale Filmrepräsentationen im (Satelliten-)Fernsehen zugänglich machte und so teilweise 90 Prozent des indischen Fernsehpublikums an sich binden konnte (Athique 2012: 57). Daneben positionierte sich Zee TV mit Hindi-Soaps, die Stilelemente des Bollywood- und Hollywood-Films aufgriffen und kombinierten. Zee TV war der erste indische Privatsender, der sein Angebot über Indien hinaus ausrichtete. Neben hindisprachigen Film-, Serien- und Nachrichtenangeboten trug der Sender zur Entwicklung von »Hinglish« (Thussu 2005: 162) bei, einer Mischung aus Hindi und Englisch, die vor allem in den Musikangeboten des Senders Verwendung findet und den Anschluss des Senders an die indische Diaspora erleichtert. Über die indische Diaspora hinaus entwickelten sich solche Angebote-- zusammen mit denen des indischen Staatsfernsehens Doordarshan-- zu denjenigen Repräsentationen, die transkulturell die Nachbarländer Indiens dominierten: Bangladesch, Pakistan und vor allem Nepal (Page/ Crawley 2005: 139-141). www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 158 5 Transkulturalität von Medienprodukten 158 Wir sehen bei einer solchen, sicherlich sehr überflugmäßigen Betrachtung der vier Großregionen folgende drei Tendenzen: • Erstens lässt sich sagen, dass in allen Ländern auch US-amerikanische Produktionen in unterschiedlichen Graden präsent sind. Dies sind aber nicht per se diejenigen, die die herausragenden transkulturellen Kommunikationsbeziehungen schaffen. • Damit zusammen hängt zweitens, dass in diesen Großregionen aus ihnen stammende Anbieter auszumachen sind, deren Fernsehprodukte insbesondere im fiktionalen Bereich die transkulturellen Kommunikationsbeziehungen schaffen. • Und drittens wird deutlich, dass beim fiktionalen Fernsehen transkulturelle Kommunikationsbeziehungen mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung zugenommen haben. In ein solches Gesamtbild fügt sich auch Europa ein. Bezogen auf Europa scheint ebenfalls die einfache These einer Dominanz US-amerikanischer Angebote verkürzend. So zeigen die Untersuchungen des Forschungsprojekts »Eurofiction«, das sich seit 1996 mit dem fiktionalen Programmangebot in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien beschäftigt, dass zwar im Gesamtangebot in fast allen Ländern Importe überwiegen, in der Nachfrage aber einheimische Produktionen vorn liegen (Hallenberger 2002: 423 f.; Hallenberger 2009: 156). Wie auch der Überblick in der untenstehenden Tabelle zeigt, erzielen die höchsten Zuschauerzahlen nationale Fernsehproduktionen, wobei allerdings deutliche Unterschiede zwischen größeren europäischen Ländern mit einer ausgeprägten eigenen Fernsehproduktion und kleineren Ländern insbesondere Osteuropas bestehen. In Letzteren dominieren Programmimporte- - die dann allerdings nicht zwangsläufig Importe amerikanischer Produktionen sind, wie das Beispiel der Telenovelas, die in den osteuropäischen Ländern seit den 1990er-Jahren auf Interesse stoßen, gezeigt hat. Zumindest für größere Länder mit einer eigenen Fernsehproduktion gilt aber klar die Tendenz, dass im Unterschied zu früheren Jahrzehnten, als amerikanische Serien höchste Zuschauerzahlen erreichen konnten, europäische Publika zur Hauptsendezeit nationale und (groß-)regionale Repräsentationen bevorzugen. An solchen Tendenzen haben auch die transnationalen Fernsehanbieter in Europa nichts geändert, die damit konfrontiert sind, dass sie selbst regionalisieren und nationalisieren müssen (Chalaby 2005). Selbst Fernsehpremieren von Hollywoodfilmen kommen in der Regel auf niedrigere Zuschauerzahlen als herausragende einheimische Fernsehreihen. An weniger prominenten Programmplätzen überwiegen allerdings Importe. Hinzu kommen europäische (Ko)Produktionen beispielsweise als Kriminalserien, die in verschiedenen europäischen Ländern importiert werden und als transkulturell geteilte Narrationen verstanden werden können. 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 159 159 Tabelle-6: Anteil der Eigenproduktionen an den Top-10-Serien in Europa - 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Belgien 9 9 9 9 10 10 Bulgarien 1 k. A. 0 2 1 k. A. Dänemark 5 5 + 2 KP 8 6 + 1 KP 5 6 Deutschland 10 10 8 9 + 1 KP 3 9 + 1 KP Estland 2 4 7 5 4 k. A. Finnland 6 8 k. A. k. A. k. A. k. A. Frankreich 9 9 + 1 KP 5 + 2 KP 8 2 + 1 KP 4 Griechenland 9 + 1 KP 10 10 10 10 k. a. Großbritannien 10 10 10 10 10 9 + 1 KP Irland 5 3 4 3 3 5 Island k. A. k. A. k. A. 4 k. A. k. A. Italien 10 10 9 9 + 1 KP 9 9 + 1 KP Lettland 0 3 1 3 1 k. A. Litauen 0 0 2 5 4 k. A. Kroatien 5 5 6 6 4 5 + 1 KP Mazedonien k. A. k. A. 1 0 0 k. A. Niederlande 5 4 6 7 5 6 Norwegen 1 + 2 KP 3 + 2 KP 3 4 2 2 Österreich 1 + 2 KP 1 + 1 KP 2 1 + 1 KP 1 4 + 2 KP Polen 6 7 8 8 + 1 KP 6 8 Portugal 9 10 7 9 + 1 KP 10 9 Rumänien 7 5 2 3 6 7 Russland 10 10 10 10 7 + 2 KP 8 + 1 KP Schweden 5 + 1 KP 5 + 2 KP 3 4 + 1 KP 3 6 + 1 KP Schweiz 3 3 1 1 0 0 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 160 5 Transkulturalität von Medienprodukten 160 - 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Serbien 4 (inkl. Montenegro) 5 6 6 + 1 KP 10 k. A. Slowakei 0 1 3 5 6 k. A. Slowenien 3 3 1 + 1 KP 4 + 1 KP 2 k. A. Spanien 7 7 8 9 9 8 Tsch. Republik 9 6 5 7 7 10 Türkei 10 10 10 10 10 10 Ukraine 2 KP 0 1 1 KP 1 + 2 KP k. A. Ungarn 2 3 2 2 1 2 Zypern 4 4 2 6 6 k. A.. Quelle: Television 2006-2011; European Key Facts. Frankfurt a. M.: IP/ RTL Group. KP =-Koproduktion; k. A. =-keine Angaben 7 Dies verweist bereits darauf, dass sich beim fiktionalen Fernsehen in Europa Grundmuster der Narration herausarbeiten lassen, die man als »europäisch« charakterisieren kann (Buonanno 2002). Es sind hier vor allem vier zu nennen: Erstens handeln in Europa die nationalen fiktionalen Angebote tendenziell in der Gegenwart. Zweitens spielt die Handlung typischerweise in einem europäischen Land. Drittens ist die primäre Handlungslokalität eine Großstadt. Viertens stehen im Mittelpunkt Personengruppen gemischten Geschlechts. Hallenberger spricht diesbezüglich von einer »Europäisierung auf zweiter Ebene« (Hallenberger 2002: 428). Die Parallelen zu den für europäische journalistische Praktiken herausgearbeiteten Muster der Europäisierung (siehe Kap. 4.2) sind deutlich. Betrachtet man dieses Gefüge des fiktionalen Fernsehens in Europa, gilt es zu klären, ob das Internet als Distributionskanal zu umfassenden Änderungen beiträgt. Eine erste Annäherung ist sicherlich, dass Fernsehen immer mehr zu einem »transme- 7 Die Abweichungen der Eigenproduktionen an den Top-10 Serien in Deutschland im Jahr 2009 resultieren aus den zugrundeliegenden Zielgruppen der jeweiligen Top-10 Listen. In den entsprechenden Television Key Facts wurden die Top-10 Serien erstmals für die Zielgruppe 14-49 ausgewiesen. Dies führt dazu, dass weniger die öffentlich-rechtlichen Sender vertreten sind als private Sender und damit einhergehend die Zahl der Eigenproduktionen abnimmt. In den folgenden Jahren wurden jeweils sowohl die Zielgruppe 3+ als auch die Zielgruppe 14-49 ausgewiesen und es ist festzustellen, dass der Anteil der Eigenproduktionen in der Zielgruppe 3+ wesentlich höher ist. 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 161 161 dialen Fernsehen« (Evans 2011) wird, das sich als (fiktionale) Form hin zum Internet, digitalen Spielen und mobilen Applikationen entgrenzt. Damit verbunden ist das Argument, dass hierdurch eine transkulturelle Verfügbarkeit leichter gegeben wäre. Greift man allerdings die Webangebote von (privaten oder öffentlich-rechtlichen) Rundfunkanbietern heraus, fällt auf, dass der Zugriff auf diese von anderen europäischen Ländern aus zu guten Teilen wegen urheberrechtlicher Gründe beschränkt ist. Und auch kommerzielle Anbieter wie beispielsweise der Apple iTunes Store mit seinem Verleih und Verkauf von Fernsehsendungen und Filmen operieren nach länderspezifischen Ausgaben. Der Zugriff auf iTunes-Angebote von Fernsehserien in Originalfassung ist-- so er in anderen Ländern überhaupt möglich ist-- auf (englischsprachige) »Kultserien« ausgerichtet, die eine bestimmte Zielgruppe von interessierten Fans adressieren (Kumpf 2011). Das »meta business« (Weinberger 2008: 224 f.) solcher Anbieter-- das darin besteht, Inhalte anderer leichter suchbar, auffindbar und nutzbar zu machen-- ist nur in einem bedingten Rahmen transkulturell orientiert. Das Übergehen dieser Beschränkungen ist prinzipiell zwar möglich, beispielsweise durch Erwerb entsprechender Landeskonten. Außerdem bietet das Internet verschiedenste »illegale« Downloadmöglichkeiten von audiovisuellen Produktionen. Beides setzt allerdings neben gewissen technischen Fertigkeiten ein ausgeprägtes Interesse an der betreffenden geokulturellen Region voraus. Der Umstand, dass solche Möglichkeiten neben Fangruppen vor allem von Diaspora-Angehörigen genutzt werden (Hepp et al. 2011: 163-176; 192-210), verweist darauf, dass hier bestimmte Prozesse der Vergemeinschaftung im Vordergrund stehen (siehe dazu im Detail Kap. 6.3). Transkulturelle Kommunikation geschieht hier also nicht einfach »grenzenlos«. Welches Bild entsteht nun, wenn man neben eigentlichen Programmimporten in der Betrachtung Formatadaptionen berücksichtigt? Unter einem Format ist-- wie eingangs formuliert-- so viel wie »eine die charakteristischen Merkmale einer Fernsehserie oder Fernsehshow beinhaltende Grundstruktur [zu verstehen], die in jeder Serien- oder Showepisode unterschiedlich ausgefüllt wird« (Koch-Gombert 2005: 28). Formate werden also als »Modelle« (Hallenberger 2009: 155; Moran 2009a: 17) von Sendungen für verschiedene (nationale oder regionale) Fernsehlandschaften adaptiert und damit als Ware handelbar. Wie bereits manche erwähnten Beispiele deutlich gemacht haben, bestehen viele transkulturelle Kommunikationsbeziehungen im Bereich des Fernsehens nicht dadurch, dass Programme importiert, sondern dadurch, dass bestimmte Formate adaptiert werden. Dies ist außerdem der Fall, wenn es um transmediale Erweiterungen des Fernsehens geht. Im Rahmen der bisher verwendeten Begrifflichkeiten kann man entsprechend von transkulturellen Formaten sprechen: So ist das Ziel eines jeden Formats, eine möglichst breite transkulturelle Anschlussfähigkeit zu ermöglichen, die nur dann erzielt werden kann, wenn das »mediale Arrangement« (Müller 2002: 466) des Formats selbst keine zu große kulturelle Spezifik hat. Zum Funktionieren des Formats bedarf dieses Argument einer Realisierung, und hierbei werden Formate regionalisiert bzw. nationalisiert: Vorgesehene Rollen werden www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 162 5 Transkulturalität von Medienprodukten 162 mit spezifischen Personen besetzt, das Arrangement an den jeweiligen kulturellen Kontext angepasst usw. (Oren/ Shahaf 2012). In seinen Anfängen betraf die Formatadaption insbesondere Quizshows, wofür das erstmals 1973 von NBC produzierte »Wheel of Fortune« (dt. »Glücksrad«) oder das von ITV 1998 erstmals ausgestrahlte und- - wie in der obenstehenden Abbildung visualisiert-- in 81 Länder übernommene Format »Who Wants to Be a Millionaire« (dt. »Wer wird Millionär«) stehen (Müller 2002: 456). In den 1990er-Jahren breitete sich dieser Formathandel auf den fiktionalen Bereich aus, was exemplarisch an den von Grundy ursprünglich für das australische Fernsehen entwickelten Soap-Formaten »The Restless Years« (dt. »Gute Zeiten Schlechte Zeiten«) und »Sons and Daughters« (dt. »Verbotene Liebe«) deutlich wird. Ebenso erfolgreich erwies sich der Formathandel mit Genremixen im Grenzbereich zwischen Reality-TV, Daily-Talk-Sendung und Soap, wobei hier als das herausragende Beispiel »Big Brother« gelten muss (Matijs/ Jones 2004; Mikos 2002). Was den Ursprung solcher Formate betrifft, ist insbesondere rele- 8 Herangezogen wurden folgende Webseiten: http: / / www.bpb.de/ nachschlagen/ zahlen-und-fakten/ globalisierung/ 52780/ fernsehunterhaltung, http: / / sonypicturestelevision.com/ landings/ spt/ global/ assets/ sales_sheets/ WWTBAM_SalesSheet_MIPTV 2012.pdf, http: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Who_ Wants_to_Be_a_Millionaire%3F#Who_Wants_to_Be_a_Millionaire.3F_around_the_world [1.8.2012]. Quelle: eigene Darstellung auf Basis einer Internetrecherche 8 Ursprungsland Großbritannien Formatadaptionen (insgesamt 81 Länder) Abbildung 17: Formatadaptionen »Who Wants to Be a Millionaire« (1998-2012) 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 163 163 vant, dass man einen Bedeutungsgewinn von Europa, Australien und in Teilen auch Lateinamerika ausmachen kann. So stammen die aktuell erfolgreichsten Formate nicht unbedingt aus den USA, sondern ebenso aus den genannten Regionen. Die Besonderheit von Formaten ist, dass sie gerade erst in ihrem transkulturellen Spannungsverhältnis zwischen Grundkonzept und seiner Realisierung konturiert werden. Ein interessantes, eher aktuelles Beispiel hierfür ist »Yo soy Betty, la fea« bzw. »Ugly Betty«. Bei dieser Telenovela ergänzen sich Formatadaption und Programmimport zu einer breiten transkulturellen Kommunikation (siehe Abbildung 18). Die ursprünglich spanischsprachige, im Jahr 1999 erstmals gesendete Telenovela aus Kolumbien (RTN Television) erzählt die Geschichte einer intelligenten und ambitionierten, aber unattraktiven jungen Frau, die unter den schönen Menschen der Modeindustrie arbeitet (vgl. zum Folgenden Amaya 2010; Miller 2010; Moran 2009a: 84-88; 102- 109). Im Kern besteht das Format der Sendung in dieser grundlegenden Handlungs- 9 Herangezogen wurde folgende Webseite: http: / / www.jerriblank.com/ betty/ internacional.html [1.8.2012] Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Moran 2009b und Internetrecherche 9 Kalifornien & Florida Ursprungsland Kolumbien Formatadaptionen (19 Länder, in Kroatien/ Serbien/ Bosnien wird dieselbe Adaption gezeigt) Import des Originals »Yo soy Betty, la fea« (18 Länder sowie Kalifornien und Florida) Import von Adaptionen (Auswahl; Angaben zu 37 Ländern, in denen mind. eine Adaption ausgestrahlt wird, vorhanden) Abbildung 18: Formatadaptionen und Programmimporte »Yo soy Betty, la fea« / »Ugly Betty« (1999-2012) www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 164 5 Transkulturalität von Medienprodukten 164 konstellation bzw. dem Charakter der Figur der »hässlichen Betty«. Der Erfolg der Sendung bestand zuerst einmal im Export derselben. So wurde diese seit 2000 nicht nur in verschiedenen Ländern Lateinamerikas gezeigt (u. a. Argentinien, Brasilien, Chile), sondern auch in den USA und in Europa (u. a. Italien, Spanien, Ungarn), auf den Philippinen und in der Türkei. Ab 2003 kamen dann Formatadaptionen auf den Markt, beginnend mit der Hindi-Adaption in Indien (»Jassi Jaissi Koi Nahin«) durch Sony Entertainment Television. Hieran schlossen sich Formatadaptionen u. a. in den USA (»Ugly Betty«), Deutschland (»Verliebt in Berlin«), Russland (»Не родись красивой«), Spanien (»Yo soy Bea«) und der Türkei (»Sensiz Olmuyor«) an, zum Teil wie in Israel (»Esti Ha’mechoeret«) und Mexiko (»La fea más bella«) auch nicht lizensiert. Diese Formatadaptionen wurden wiederum als fertige Sendungen in verschiedene Länder exportiert. Auf diese Weise entstand die breite transkulturelle Kommunikation einer bestimmten Charakterfigur bzw. eines bestimmten Handlungssettings, das für den zunehmenden Stellenwert von Berühmtheit und Celebrity in heutigen Kulturen steht. In den Formatadaptionen geschah diese Kommunikation gleichwohl auf eine Art und Weise, dass ihr transkultureller Charakter durch die Verlagerung der Handlungsorte wie auch durch eine Nationalisierung bzw. Regionalisierung der Erzählung als solche nicht vordergründig greifbar wird. Wir haben es in diesen Fällen gewissermaßen mit nationalen Repräsentationen zu tun, die durch die Formatadaption auf indirekte Weise transkulturell konnektierend sind. Die bei solchen Formatadaptionen ablaufenden Prozesse sind komplexe Transkulturationen (Moran 2009a: 116-128). So wird das Format nicht nur durch eine entsprechende Formatbeschreibung gesichert. Gemeinhin ist es bei einer Formatadaption auch üblich, dass zu Beginn Produzenten des lizensierten Formats anwesend sind und in der Produktion ein Aushandlungsprozess von nationaler bzw. regionaler Anpassung des Formats durch die Lizenznehmer einerseits und Bemühung um die Beibehaltung der Grundmomente des Formats durch die Lizenzgeber andererseits stattfindet. Während hierbei bei Spielshows die Adaptionen in den meisten Fällen nur in der Auswahl bestimmter Moderatoren, weiterer beteiligter Personen und Anpassung der Fragen bzw. Spielaufgaben besteht, ist die Adaption bei fiktionalen Sendungen wesentlich umfassender. Das Format muss in einen neuen kulturellen Handlungskontext übertragen werden, und hierbei entfalten die Erzählungen schnell eine Eigendynamik, die sie von ihrer ursprünglichen Vorlage entfernen. Vor einem solchen Hintergrund kann auch die Etablierung des »Reality TV« gesehen werden (siehe aktuell beispielsweise Murray/ Ouellette 2008; Ouellette/ Hay 2008a; Stehling 2013), die durch die transkulturelle Verbreitung entsprechender Formate wie »Big Brother«, »American Idol« oder »The Swan« stimuliert wurde. Prozesse der Formatadaption sind aber nicht nur bezogen auf das traditionelle Fernsehen wichtig, sondern ebenso für neuere Entwicklungen wie beim zu Google Inc. gehörenden Youtube. Dieses weist mit seiner fortschreitenden Institutionalisierung einen Doppelcharakter auf (Burgess/ Green 2009: 41). Einerseits ist das Weban- 5.2 Programmimporte und Formatadaptionen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 165 165 gebot digitaler Distributionskanal von Inhalten traditioneller Medienkonzerne. Andererseits ist es eine Plattform, um selbsterstellte Videos einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch wenn verschiedene Medienkonzerne nach der Übernahme von Youtube durch Google vor Gericht gegen den Konzern wegen illegaler Programmangebote klagten (Burgess/ Green 2009: 15-37), entdeckten andere Youtube als Kooperationspartner. Typische Formen der Kooperation sind dabei die Nutzung von Youtube als Werbeeinnahmequelle bei von den Konzernen zur Verfügung gestellten Inhalten oder aber die Nutzung von Youtube als Werbemöglichkeit für das eigene reguläre Film- und Fernsehangebot (Kim 2012: 56-58). Auf Youtube werden solche Inhalte seit Mitte 2008- - wie auch die Google -Suche- - in verschiedenen Sprachangeboten präsentiert (Burgess/ Green 2009: 83-87). Um die Frage zu klären, inwieweit auf Youtube verschiedene transkulturelle Formate entstehen, ist es notwendig, dessen Plattformcharakter näher zu betrachten. Hier lässt sich argumentieren, dass gefiltert durch die automatisch generierte Aufmerksamkeitssteuerung auf der Webseite von Youtube eigene Youtube-Formate, teilweise unter Adaption bestehender Fernsehformate, entstehen. Eines der Formate ist beispielsweise das »vlog«, bei dem eine einzelne Person (humorvoll) als TV-Sprecher in Videoform ein bestimmtes Geschehen kommentiert, was selbst zu Kritik, Debatte und Diskussion einlädt. Eine Inhaltsanalyse verschiedener häufig abonnierter und gesehener Youtube-Kanäle durch Jean Burgess und Joshua Green zeigt, dass sich Muster etablieren, auf welche Art und Weise sich die »vloggers« präsentieren (Burgess/ Green 2009: 54, 67). In einer gewissen Anlehnung zum Fernsehen kann man diesbezüglich von einer transkulturellen Formatadaption sprechen, da sich bestimmte Youtube- Formate in verschiedenen Sprachversionen etablieren. Weitere Formate, an die man denken kann, sind die Selbstpräsentation als Künstlerin bzw. Künstler (die Formatvorlagen von Musikvideos adaptieren), verschiedene karaokeartige Videobeiträge, privat erstellte Erklär- und Lernvideos, Videos (lustiger) Missgeschicke und Unglücke oder das »Digital Storytelling«, bei dem man seine eigene (Lebens-)Geschichte mit audiovisuellem Material unterlegt erzählt. Hierbei handelt es sich um ein Format, das auch jenseits von Youtube transkulturell verbreitet ist (Hartley/ McWilliam 2009; Lundby 2008). In ihren Analysen machen Burgess und Green darauf aufmerksam, dass durch die Mechanismen der Aufmerksamkeitssteuerung bei Youtube nicht nur sowieso schon prominente Inhalte von regulären Medienanbietern in den Vordergrund rücken (siehe auch Kim 2012: 55), sondern ebenso bei User-generierten Inhalten ein »internes System von Celebrity« (Burgess/ Green 2009: 24) entsteht und »Stars« generiert werden, wie man sie auch von traditionellen Medien her kennt. Youtube scheint damit auch nicht außerhalb der Formate heutiger Celebrity-Kulturen zu stehen, die sich allerdings mit der Etablierung der digitalen Medien wandeln. Wie lässt sich nun dieser vielschichtige, in diesem Teilkapitel entwickelte Argumentationsbogen sortieren? Welche Kernaussagen werden zu transkultureller Kommunikation und fiktionalen Fernsehprodukten möglich? Vielleicht lassen sich die www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 166 5 Transkulturalität von Medienprodukten 166 bisherigen Darlegungen dahingehend zusammenfassen, dass wir keine einheitliche Befundlage haben, sondern vielschichtige Prozesse von Transkulturation in den betrachteten audiovisuellen Repräsentationen ausmachen können, die einer je differenzierten Analyse bedürfen. Dabei haben die Darlegungen gezeigt, dass einmal mehr kontextfreie Aussagen nur schwer zu machen sind. Gleichwohl zeichnen sich einige Tendenzen ab, die man in einer gewissen Verallgemeinerung gegen Ende dieses Kapitels festhalten kann. Bezogen auf Programmimporte lässt sich sagen, dass hier bestimmte Angebote ein höheres Maß an Wahrscheinlichkeit haben, importiert zu werden, als andere. Welche Angebote dies jedoch sind, variiert je nach Betrachtungsregion deutlich. Die transkulturellen Kommunikationsbeziehungen, die weltweit durch fiktionale und narrative Fernsehprodukte bestehen, sind demnach alles andere als global einheitlich. Was und wie also durch Programmimport transkulturell kommuniziert wird, ist beispielsweise im südlichen Afrika ganz anders als in Lateinamerika oder Europa. In all diesen Fällen zeichnen sich unterschiedliche »dominierende Programmexporteure« ab wie je spezifische Muster in den jeweiligen fiktionalen und narrativen Medienprodukten. Jenseits dessen fällt aber nach wie vor die Tendenz zur »Eigenproduktion« auf, so hierzu die wirtschaftlichen Kapazitäten bestehen. Dies muss nicht unbedingt eine nationale Eigenproduktion, sondern kann auch eine (groß-)regionale sein. In jedem Fall haben aber Repräsentationen mit einer größeren kulturellen Nähe eine herausgehobene Stellung im Vergleich zu Programmimporten aus gänzlich anderen (geokulturellen) Regionen. Wendet man den Blick stärker auf Formate und deren Adaption, zeichnet sich so etwas wie eine transkulturelle Formatierung ab: Es gibt gerade im Bereich des Fernsehens eine beschränkte Zahl von Formaten, die in ihrer adaptierten Form in verschiedensten Regionen der Welt erfolgreich waren. Zwar erscheinen diese dann im jeweiligen Programm als nationale Repräsentationen. Gleichwohl findet hier in dem Sinne eine Transkulturation statt, dass durch die geteilten Formate bestimmte grundlegende Narrationen oder Settings über verschiedene kulturelle Kontexte geteilt werden. In solche Entwicklungslinien fügt sich auch das »Internetfernsehen« Youtube ein. 5.3 Nachrichtenartikulationen Wenn im Feld der politischen Kommunikation von einer Globalisierung der Medienkommunikation die Rede ist, bezieht sich die Argumentation gemeinhin auf Nachrichten. Es geht darum, welche »Flüsse« von (politischen) Nachrichten über verschiedene Länder hinweg bestehen und wie sich darin Ungleichheiten artikulieren. Eine solche Thematik rückte insbesondere mit der Etablierung des (Satelliten-)Fernsehens in den Fokus der Forschung, hat sich in den letzten Jahren allerdings mit der Verlagerung wichtiger »Nachrichtenflüsse« in das Internet verschoben. Zugespitzt geht es im 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 167 167 Rahmen der uns hier interessierenden Thematik dabei vor allem um eine Frage: Inwieweit entstehen über die bestehenden Nachrichtenartikulationen so etwas wie transkulturelle Öffentlichkeiten? Wirft man diese Frage auf, ist es hilfreich, diese zuerst einmal historisch zu kontextualisieren. So ist eine transkulturelle Kommunikation von Nachrichten nicht ein neues Phänomen, sondern kann als ein Moment der Geschichte technischer Medien überhaupt begriffen werden (Mattelart 1999: 15-36). Betrachtet man den Printjournalismus, fällt auf, dass sich mit der International Herald Tribune (seit 1887, verlegt in New York City), der Financial Times (seit 1888, verlegt in London) und dem wall Street Journal (seit 1889, verlegt in New York City) bereits früh Zeitungen etabliert haben, die nicht einfach nationale Publika adressieren, sondern sich in erheblichen Teilen als transnationale und transkulturelle Organe von politischen und wirtschaftlichen Eliten verstehen (McNair 2006: 104). Solche transnationalen und transkulturellen Elite-Zeitungen lassen sich in verschiedenen geokulturellen Großregionen ausmachen. Exemplarisch sei hier auf den arabischen Raum hingewiesen, in dem in den 1950er- und 1960er-Jahren aufgrund ihrer Qualität ägyptische und libanesische Zeitungen in verschiedenen Ländern verbreitet waren, deren Vorläufer ihre Wurzeln ebenfalls im 19. Jahrhundert hatten. Seit den 1970er- und 1980er-Jahren sind in Europa verlegte panarabische Zeitungen an deren Stelle gerückt, die simultan in verschiedenen arabischen Ländern gedruckt und distribuiert werden (Mellor et al. 2011: 58-61). Beispiele dafür sind Hayat-Al-hayat (seit 1988, London), Asharq Al-Awsat (seit 1978, London) und Arabia-Alquds Al (seit 1989, London). Jenseits solcher stark auf Eliten ausgerichteten Zeitungen werden transkulturelle Nachrichten mit (Satelliten-)Fernsehsendern in Verbindung gebracht. Zu denken ist hier an transnational orientierte Nachrichtensender wie CNN International (seit 1985, Atlanta) oder Al Jazeera (seit 1996, Doha) mit ihren jeweiligen multilingualen Webseiten (siehe auch Kap. 4.2). Daneben bestehen auf internationale Publika ausgerichtete öffentliche Nachrichtenanbieter wie beispielsweise der BBC World Serive (seit 1932, London) oder die Die Deutsche Welle (seit 1953, Berlin). Schließlich finden sich vielfältige Nachrichten im Internet selbst, die einerseits mit Suchmaschinen individuell gefunden werden können, andererseits automatisiert und auch mobil nach Nutzerwünschen in Diensten wie von Google, Twitter oder Facebook aufbereitet werden. Allein diese unvollständige Aufzählung- - für verschiedene Regionen Asiens bzw. Lateinamerikas wären weitere Medienorgane, Webseiten und Internetdienste wie beispielsweise Globo News (1996, Rio de Janeiro und S-o Paulo), Star News (1996, Hongkong), Zee News (seit 1999, Noida), Baidu (seit 2000, Peking) oder Yandex (seit 1997, Moskau) zu nennen-- führt plastisch die Komplexität heutiger Nachrichtenartikulationen und ihrer Repräsentationen vor Augen. Die UNESCO-Diskussion der 1970er- und 1980er-Jahre, durch eine Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung die Ungleichheit der »Nachrichtenflüsse« zwischen dem »Westen« und dem »Rest« der Welt besser zu regeln (siehe die Argumentation in Kapitel 3.3), www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 168 5 Transkulturalität von Medienprodukten 168 bekommt eine gänzlich neue Rahmung. Die ursprüngliche Vorstellung war, dem gegenzusteuern, dass im »Westen« Geschehnisse in anderen Regionen der Welt nur dann wahrgenommen werden, wenn sie dessen Interessen betrafen oder große Unglücke waren und man gleichzeitig in den »restlichen« Staaten eher etwas über Ereignisse im »Westen« als in den Nachbarländern und -regionen erfuhr. Sicherlich wäre es naiv zu behaupten, historische Ungleichheiten hätten sich einfach aufgelöst. Ungleichheiten bestehen mit fortschreitender Mediatisierung und Globalisierung nach wie vor. Jedoch ist man mit einer höheren Komplexität von Ungleichheit konfrontiert als im Zeitraum dieser Diskussion. Hinzu kommt, dass das Bild des Nachrichtenflusses-- zumindest, wenn man diese Metapher wörtlich versteht- - nicht angemessen erscheint, um die transkulturellen Bezugnahmen in der gegenwärtigen Nachrichtenrepräsentation zu erfassen. Wenn wir uns unter »Nachrichtenfluss« die »Bewegung« einer Information von einem kulturellen Kontext zu einem anderen vorstellen, so wie ein Bote mit einer Nachricht von einem Land zu einem anderen reist, trifft dieses Bild kaum die Situation unserer heutigen Welt. Wir haben es vielmehr mit einem fortlaufenden Prozess der Artikulation von Nachrichten in verschiedenen kulturellen Kontexten zu tun, bei der wiederum auf andere kulturelle Kontexte Bezug genommen wird und auf diese Weise Prozesse der Transkulturation bestehen. Hierbei existieren verschiedene »Nachrichtenquellen« in Echtzeit nebeneinander. Hilfreich erscheint es, drei unterschiedliche »Quellen« von Nachrichten zu unterscheiden, um die bestehende Komplexität analytisch in den Griff zu bekommen. Dies sind erstens Nachrichtenagenturen, zweitens Medienanbieter und drittens alternative Nachrichten im Internet. Im Weiteren soll auf alle drei eingegangen werden, bevor im Anschluss die Überlegungen auf eine übergreifende Reflexion von Möglichkeiten und Grenzen einer transkulturellen Öffentlichkeit bezogen werden. Eine Betrachtung von Nachrichtenartikulationen darf nicht aus den Augen verlieren, dass auch gegenwärtig erhebliche Teile der transkulturell kommunizierten politischen Inhalte von Nachrichtenagenturen zur Verfügung gestellt werden (Boyd-Barrett 2012: 333-335). Die zum Teil schon etliche Jahre zurückliegenden Zahlen schwanken hierbei zwischen 40 und 75 Prozent, in Einzelfällen wird von bis zu 80 Prozent gesprochen (Thussu 2004: 51). Erklären lässt sich diese Spannbreite dadurch, dass die Referenzgrößen Unterschiedliche sind. Es macht eine erhebliche Differenz, ob über ein Ereignis in den USA oder Europa berichtet wird, wo verschiedene Medienanbieter ein eigenes Korrespondentennetz haben und der Anteil von Agenturmeldungen bei unter 50 Prozent liegt, oder ob es sich um Ereignisse beispielsweise in Afrika handelt, wo der Anteil von Agenturmeldungen über 70 Prozent beträgt (Boyd-Barrett/ Rantanen 2004: 33). Der Kostendruck auf Medienunternehmen (Freedman 2009: 41; Livingston/ Asmolov 2010: 747) führt in vielen Ländern vermutlich zu einem weiteren Relevanzgewinn von Agenturen, da auf diesen Kostendruck u. a. mit dem Abbau von Korrespondentenstellen reagiert wird (siehe für die USA beispielsweise den »State of the 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 169 169 News Media Report 2013, http: / / stateofthemedia.org). Und auch »hinter« Webportalen wie Google oder Yahoo! News stehen Agenturmeldungen, deren Nachrichtenselektion und Aufbereitung so auch den Online-Diskurs prägen (Watanabe 2013: 152). Tabelle-7: Die größten Nachrichtenagenturen Agentur Abonnenten Büros Angestellte Länder Budget Wörter pro Tag AP 12.000 243 3.700 97 631 Mio. US$ 20.000.000 AFP 4.000 200 3.760 150 346 Mio. US$ 2.000.000 UPI - 6 100 - 85 Mio. US$ - Reuters - 388 60.000 150 12,9 Mrd. US$ - DPA - 83 1.200 100 100,9 Mio. US$ 220.000 ANSA 1.400 105 1.000 78 - 250.000 EFE 2.000 74 3.000 120 - - Quelle: Webseiten der Nachrichtenagenturen [Stand 6/ 2012] Bei Fragen transkultureller Kommunikation erscheinen unter den größten Nachrichtenagenturen (siehe oben stehende Tabelle 7) insbesondere diejenigen von Interesse, die sich als internationale bzw. globale Agenturen verstehen (zu nationalen Nachrichtenagenturen siehe die Beiträge in Boyd-Barrett 2010). Hier sind die sogenannten »großen Drei« (Boyd-Barrett 1997: 133) zu nennen: Reuters News, Associated Press (AP) und Agence France Presse (AFP) (Boyd-Barrett/ Rantanen 2004: 37-40). Nach Zahl der Abonnenten, Angestellten und dem Umsatz größte Agentur ist dabei Reuters News, die nach der Übernahme von Reuters durch die Mediengruppe Thompson im Jahr 2008 Teil des Konzerns Thompson-Reuters ist, der seinen Hauptsitz nicht mehr wie Reuters in London sondern in New York hat. Associated Press (AP) ist ein Kooperationsunternehmen von rund 1.400 amerikanischen Tageszeitungen und hat seinen Hauptsitz ebenfalls in New York. Agence France Presse (AFP) ist-- wie der Name schon sagt-- zuerst einmal die nationale Nachrichtenagentur Frankreichs mit einem ähnlichen Rechtsstatus wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland. Die umfassende internationale Orientierung wird aber daran deutlich, dass im Jahr 2011 erstmals der internationale AFP-Umsatz den Umsatz der Agentur in Frankreich überstieg. Neben diesen »großen Drei« bestehen zwar noch vielfältige andere- - zum Teil in bestimmten geokulturellen Regionen transkulturell einflussreiche-- Nachrichtenagenturen. Wenn es um die globale transkulturelle Verfügbarkeit von Nachrichten geht, sind aber die »großen Drei« entscheidend. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 170 5 Transkulturalität von Medienprodukten 170 Es ist nicht leicht, stichhaltige Aussagen zur transkulturellen Spezifik der politischen Nachrichten dieser Agenturen zu machen. Der Grund dafür ist, dass es dazu vergleichsweise wenig differenzierte Forschung gibt (Boyd-Barrett 2012). Eine gewisse Annäherung ermöglichen allerdings Berichte von Medienpraktikern wie Nigel Baker, der langjährig bei Associated Press Television News (APTN) gearbeitet hat und seit 2011 »Chief Executive« der thomson media foundation ist. In der Reflexion der Arbeitspraxis bei APTN werden einige Grundmuster greifbar, die die Art und Weise der Inhalte bestimmen, wie sie von der Agentur zur Verfügung gestellt werden (siehe zum Folgenden Baker 2004: 66-70). Zuerst einmal geht es darum, dass die Agentur auf eine bestimmte Art von Fernsehbeiträgen zielt. Diese sollten auf ikonische Weise den Kern der Geschichte vermitteln und »international« klingen. Hierunter ist zu verstehen, dass neben der Frage des Journalisten die Antworten im O-Ton ohne weitere Kommentare wiedergegeben werden. Hierbei wurde es üblich, Interviews in verschiedenen Sprachen zu führen und englische Übersetzungen schriftlich mitzuliefern, um unterschiedliche Übersetzungen, Deutungen und Rahmungen zu ermöglichen. Für die Auswahl möglicher Nachrichten sollte berücksichtig werden, dass für jeden Tag drei bis fünf Geschichten bestehen, die im Interesse der weltweit meisten Länder der Welt liegen. Diesen Ereignissen wird ein entsprechender Vorrang eingeräumt, und herausgehobene Ereignisse wie Kriege u. ä. können dazu führen, dass Ressourcen von anderen Ländern zu deren Gunsten abgezogen werden. Weiter ist bei der Auswahl der Ereignisse und deren Aufbereitung die mögliche Kundschaft von Interesse. Im Falle von APTN machen die USA, Deutschland und Japan die größten Märkte aus; Großbritannien, Australien und Taiwan stellen zwar nur mittlere, aber wichtige, umkämpfte Märkte dar. Deswegen wird Nachrichten, denen man dort eine Nachfrage zuspricht, ebenfalls Vorrang eingeräumt. Der Grund, warum hierbei über Afrika kaum berichtet wird, liegt entsprechend daran, dass dort kein hinreichender Abnehmermarkt besteht (Arsenault 2012: 85; Baker 2004: 73). Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre bieten den Nachrichtenagenturen neue Möglichkeiten, indem sie ihr Material durch den Einsatz von Satellitentelefonen und Internet jenseits größerer Büros mit hoher Geschwindigkeit zur Verfügung stellen und so aus Krisengebieten einfacher in Echtzeit berichten können. Die Möglichkeiten, dass bestimmte Geschehnisse durch Nachrichtenagenturen zu einer transkulturell umfassend verfügbaren Repräsentation werden, sind also ungleich verteilt. Gleichzeitig bleibt durch die Art der Medienaufbereitung seitens der Agenturen ein Stück weit offen, welchen Charakter die Nachrichtenrepräsentationen in ihrer endgültigen Form haben. Das Material wird so geliefert, dass es jedem Medienunternehmen möglich ist, auf dessen Basis seine »eigene« Geschichte zu erzählen (Baker 2004: 67 f.), die mitunter durch erhebliche Lokalisierungen, Regionalisierungen und Nationalisierungen gekennzeichnet sind. Wie bereits angeführt, sind Nachrichtenagenturen aber nur eine der Quellen von transkulturell kommunizierten politischen Geschehnissen. Eine zweite sind die Medienanbieter selbst. Dies kann beispielsweise in der Form der Europäischen Rund- 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 171 171 funkunion (auf Englisch: European Broadcasting Union, EBU) geschehen, die in Genf ihren Sitz hat und bei der derzeit 74 Rundfunkanstalten aus 56 Staaten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens (Stand: 2012) zwecks Programmaustauschs miteinander kooperieren. Andere Kooperationen bestehen auf bilateraler Ebene wie beispielsweise um Le Monde Diplomatique oder die Kooperationen der britischen Zeitung The Guardian, die u. a. in Form von internationalem Artikeltausch mit den Zeitungen Washington Post (USA), Le Monde (Frankreich) und Der Freitag bzw. der taz (Deutschland) geschieht. Lässt man aber solche (institutionalisierten) Formen der Kooperation durch Beitragstausch beiseite, kann man auch in einem weitergehenden Sinne davon sprechen, dass Medienunternehmen selbst Quellen transkultureller Repräsentationen sein können. So lassen sich insbesondere drei Medienanbieter ausmachen, deren Angebote in den letzten Jahren über verschiedene Ländergrenzen hinweg intensiv verfolgt worden sind, nämlich die Angebote von BBC World, von CNN International und von Al Jazeera (siehe Tabelle 8). Alle drei teilen miteinander, dass sie sich nicht auf ihr (Satelliten-)Fernsehprogramm reduzieren lassen, indem sie darüber hinaus ein umfassendes transmediales Internetangebot aufgebaut haben, das hin zu Mobilmedien entgrenzt. Hinzu kommt, dass der BBC World Service seine Ursprünge als Radiosender hat und in vielen Regionen der Welt nach wie vor so genutzt wird. Tabelle-8: Herausragende transkulturelle Nachrichtenanbieter BBC World Service/ Global News CNN International Al Jazeera English Hauptsitz London, UK Atlanta, USA Doha, Katar Gegründet 1932 (als »Empire Service«) 1985 2006 Sprachangebote 27 7 5 (Al JazeeraNetwork) Büros 48 (BBC News) 45 (CNN insgesamt) 65 (Al Jazeera Network) Korrespondenten 132 (2011) 166 (Reporterliste 2009) 400 (Al Jazeera Network) Zuschauer (Fernsehen) 330 Mio. (Haushalte) 265 Mio. (Haushalte) 250 Mio. (Haushalte) Hörer (Radio) 35 Mio. (wöchentlich 2011) - - Nutzer (WWW) 15 Mio. (monatlich) 37 Mio. (monatlich) 22 Mio. (monatlich) Quelle: Internetseiten der Sender [wo nicht anders angemerkt: Stand 06/ 2012] www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 172 5 Transkulturalität von Medienprodukten 172 Der BBC World Service wurde ursprünglich im Dezember 1932 als »Empire Service« gegründet mit dem Ziel, alle englischsprechenden Menschen des damaligen British Empire zu adressieren. Der BBC World Service ist damit ursprünglich ein nationaler Auslandsradiosender wie beispielsweise in Deutschland die Deutsche Welle (DW), mit der der BBC World Service seine Steuerfinanzierung bzw. die Verpflichtung auf nationale Interessen bei einer gleichzeitigen (relativen) Unabhängigkeit teilt. Bis heute hat der BBC World Service auch die Aufgabe einer britischen »public diplomacy« (siehe zu dieser Thematik Bulic 2011; Seib 2010). Im Hinblick auf Fragen transkultureller Kommunikation ist der BBC World Service nicht nur aufgrund der von ihm erreichten Publika unterschiedlicher kultureller Kontexte von Interesse. Hinzu kommt, dass sich der Sender von Beginn seiner Geschichte als mehr denn nur ein Angebot für Auslandsbriten verstanden hat. Es geht vielmehr um das Schaffen bestimmter »Kontaktzonen« (Gillespie/ Baumann 2009; Gillespie/ Webb 2013). Hierbei hat sich das Verständnis dessen, worauf der »Kontakt« zielt, mit der Geschichte des BBC World Service gewandelt: Während ursprünglich vor allem in der Welt verstreute Briten im Fokus standen, sind dies seit dem Zweiten Weltkrieg Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft. Greift man an dieser Stelle die Arbeiten einer Forschungsgruppe um Marie Gillespie, die sich mit dem BBC World Service zwischen 1932 und 2012 befasste, auf, wird der transkulturelle Charakter der damit verbundenen Repräsentationen deutlich. Diese sind durch ein umfassendes »transporting«, »translating«, »trans-editing« und »transmitting« gekennzeichnet (Baumann et al. 2011: 137). Der Begriff des »transporting« erfasst dabei den Prozess der »Informationsversorgung« der BBC World Service Zentrale sowie der verschiedenen regionalen Außenstellen um den Globus. Mit »translating« werden die notwendigen »Übertragungen von Sprache zu Sprache« bezeichnet. Der Ausdruck »trans-editing« erfasst die impliziten »diskursiven Re-Intonationen« im Übertragungsprozess. »Transmitting« schließlich verweist auf die Übertragung der Nachrichten in verschiedene Regionen der Welt. Exemplarisch haben Tom Cheesman und Arnd-Michael Nohl (2011) für die Berichterstattung zum US-amerikanischen Wahlkampf im Jahr 2008 nachgezeichnet, wie dies geschieht. Ihre Analysen machen einen mehrfach geschichteten Übertragungsprozess greifbar. So werden die Nachrichten aus dem US-amerikanischen Wahlkampf in dem Sinne »globalisiert«, dass der verschiedenste Regionen der Welt interessierende allgemeine Gehalt der Nachrichten herausgestellt und starke amerikanische Spezifika hintangestellt werden. Diese »globalisierten« Nachrichten sind bei den verschiedenen Sprachangeboten des BBC World Service dann wiederum die Ressource für »lokalisierte« Nachrichten-- wobei man im Sinne der hier verwendeten Begrifflichkeit genauer von »regionalisierten« und »nationalisierten« Repräsentationen sprechen müsste: Es geht darum, die »globalisierten« Nachrichten wiederum kulturell zu konkretisieren. Eine Rolle spielt dabei, dass es unter den verschiedenen Sprachangeboten des BBC World Service sehr gut ausgestattete wie die BBC World Service Arabic gibt 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 173 173 (siehe zu diesem konkreter Jaber/ Baumann 2011), die über eigene Korrespondenten verfügen und so direkt »eigene« Geschichten in Erweiterung der globalisierten Informationen des englischen BBC World Service produzieren können. Was auf diese Weise entsteht, ist ein komplexes transkulturelles Gefüge unterschiedlicher Repräsentationen: Neben in stärkerem Maße »globalen« Repräsentationen, die als englischsprachige Angebote des Senders mehr oder weniger weltweit gesehen über Internet und Satellit breit verfügbar sind, stehen stärker »(groß-)regionale« und »nationale« Repräsentationen der verschiedenen Sprachausgaben des BBC World Service. All diese Repräsentationen fügen sich gleichwohl in eine geteilte grundlegende Ausrichtung, die Cheesman und Nohl als eine »geteilte Melodie innerhalb des BBC World Service« (Cheesman/ Nohl 2011: 231) charakterisieren. Der Nachrichtenanbieter CNN International (CNNI) weicht von einer solchen Orientierung schon allein aufgrund seines kommerziellen Charakters ab. Als weltweit erster reiner Nachrichtensender nahm Cable News Network (CNN, seit 1996 Teil des global agierenden Medienkonzerns time warner) im Jahr 1980 seinen Sendebetrieb auf. CNN entwickelte sich in rascher Geschwindigkeit zu einem privaten Fernsehsender mit ausgeprägter transkultureller Verfügbarkeit: Durch intensive Nutzung von Satellitentechnologie war CNN bereits 1984 in 22 Staaten in Zentralamerika und der Karibik zu empfangen. Ein Jahr darauf wurde CNNI mit dem Ziel gegründet, weitere Bereiche der Welt zu erreichen und sich, was internationale Fernsehnachrichten betrifft, gegen BBC World zu positionieren. Aktuelle Sprachangebote von CNN International umfassen neben dem englischsprachigen CNN World beispielsweise Arabisch, Japanisch, Koreanisch, Spanisch und Türkisch. Hiermit haben sich die adressierten Publika von CNN International in den letzten Jahren verschoben: Ursprünglich bestanden diese aus (ehemaligen) US-Bürgerinnen und Bürgern im Ausland, (englischsprachigen) Touristen bzw. Geschäftsreisenden sowie den Informationseliten der verschiedenen Länder (Manager bzw. Geschäftsleute, Politiker, Multiplikatoren). Mit der Verbreiterung der Sprachangebote von CNNI zielt man gegenwärtig auf breitere Publika in verschiedenen (Sprach-)Regionen der Welt. Entscheidend, was CNN auf Repräsentationsebene betrifft, ist aber nicht einfach nur die Verfügbarkeit seiner Nachrichten und Bilder, die zum Teil durch Aufgreifen in anderen Medienangeboten gesichert wird. Im Blick zu haben ist auch die Spezifik der CNN-Repräsentationen. In der Entwicklung von CNNI kommt dabei dem seit 1987 ausgestrahlten »World Report« eine besondere Rolle zu. Mit dem »World Report« hat CNN eine Sendung geschaffen, über die sich der CNNI ein eigenes Repertoire an (möglichen) Nachrichtenquellen bei einer gleichzeitigen Spezifik seiner Repräsentationen sicherstellte (Volkmer 1999): CNNI verpflichtet sich, die von mitarbeitenden Institutionen eingegangenen Beiträge im Rahmen des »World Reports« zu senden, die dadurch an der herausragenden Verfügbarkeit von CNNI partizipieren können. Umgekehrt erwirbt CNNI das Recht, auf die Beiträge im Rahmen der regulären, eigenen Berichterstattung zurückgreifen zu können. Dieses aus den 1980er- und www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 174 5 Transkulturalität von Medienprodukten 174 1990er-Jahren stammende Modell des »World Reports« ist deswegen bis heute von Interesse, weil es als eine charakteristische Form transkultureller Nachrichtenrepräsentation gelten kann. Institutionalisiert wird mit dem »World Report« zunächst einmal eine »Bottom-up-Ressource« der Nachrichtenproduktion. Indem die Beiträge des »World Report« in die Bilddatenbank von CNNI einfließen und hierauf bei anderen, aktuellen Beiträgen im regulären Programm zurückgegriffen wird (Flournoy/ Stewart 1997: 36-38), werden vielfältige lokale, regionale und nationale Bildbestände entwickelt, die nicht einfach einem nationalen, amerikanischen Journalismus entspringen. Gleichzeitig tragen die CNNI-Workshops aber auch dazu bei, Journalistinnen und Journalisten mit anderem kulturellen Hintergrund in einer CNN-spezifischen Berichterstattungsweise zu schulen (siehe Kap. 4.2). Entstanden ist so in den 1990er-Jahren eine transkulturell anschlussfähige Berichterstattungsweise, die auch für andere Nachrichtensender zum Modell wurde. Es ist aber nicht nur der »World Report«, weswegen CNNI ein herausgehobener Stellenwert für globale Nachrichtenartikulationen zugesprochen wird, sondern vielmehr der unterstellte »CNN-Effekt«. Gemeint ist damit auf einer ersten Ebene, dass sich ein transkulturelles Moment der Repräsentationen von CNNI dadurch entfaltete, dass dessen Kriegs- und Krisenberichterstattung-- wenn auch in einer je spezifischen Rahmung-- in verschiedensten anderen Medien aufgegriffen wurde und sich so verbreitete. Der Experte für Kriegsforschung und Politikberater Lawrence Freedman (2000: 339) beispielsweise spricht diesbezüglich von der »Allgegenwart des Kanals« und versteht darunter, »dass alle Seiten die gleiche Informationsquelle« nutzen. Auf einer zweiten Ebene und im engeren Sinne des Wortes ist unter dem »CNN-Effekt« zu verstehen, dass-- so zumindest die Hypothese-- die Repräsentation von humanitären Katastrophen bei CNN nicht nur dieses Thema auf die Agenda anderer Medien bringt, sondern darüber hinaus in der politischen Agenda ein entsprechendes Krisenhandeln provoziert. In einem solchen Blickwinkel hat dann die Berichterstattung »Wirkungen« auf die Politik bis hin zur Entscheidung für militärische Interventionen (Hawkins 2002; Hawkins 2011; Livingston 1997; Robinson 2002). Im Rückblick hat diese Diskussion um den »CNN-Effekt« zu wenig tragfähigen Ergebnissen geführt, was die Stichhaltigkeit der Annahme eines direkten Einflusses auf die Politik betrifft (Gilboa 2005). Von Interesse sind solche Untersuchungen aber aus einem anderen Grund. Sie führen nämlich vor Augen, dass eine Besonderheit von CNNI im Aufgreifen seiner Berichterstattung durch andere Medien liegt. Anders formuliert: Relevant für Prozesse der transkulturellen Kommunikation erscheint bei den Repräsentationen von CNNI weniger, wie sie für sich genommen wirken, sondern wie diese zur Ressource der Berichterstattung verschiedener regionaler und nationaler Nachrichtenanbieter werden, ob dies nun Fernsehsender sind, (Online-)Zeitungen oder andere Medienorgane. CNNI wird damit zu einer wichtigen und wahrgenommenen Quelle, die gleichwohl in die je spezifische regionale und nationale Berichterstattung einbezogen wird (vgl. auch Weichert/ Kramp 2011: 96-107). Es sind also weni- 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 175 175 ger die Repräsentationen von CNNI in Reinform, die transkulturell kommuniziert werden, sondern verschiedene regionalisierte und nationalisierte Artikulationen dieser Repräsentationen. Stellt man CNNI den Nachrichtenanbieter Al Jazeera gegenüber, hat man es mit einem Sender zu tun, der als Inbegriff des »Gegenflusses« von Nachrichten aus anderen Regionen in den »Westen« gilt (Boyd-Barrett/ Thussu 1992; Thussu 2007a). Der hier vorgeschlagene Blickwinkel auf Al Jazeera ist jedoch ein anderer als der mit der »Flussmetapher« verbundene-- nämlich diesen Sender als eine nicht-westliche Quelle in Prozessen transkultureller Nachrichtenartikulation zu begreifen. In Anbetracht dessen, dass Al Jazeera an anderer Stelle Gegenstand dieses Buchs war (siehe Kap. 4.2), soll es hier genügen, einige Anmerkungen zur Spezifik der Repräsentationen von Al Jazeera zu machen. Betrachtet man dabei die transkulturelle Verfügbarkeit von Al Jazeera, gilt es im Blick zu haben, dass diese mit Etablierung von Al Jazeera English im November 2006 den arabischen Sprachraum überschritten hat: Während Al Jazeera von Beginn an in dem Sinne ein transkulturelles Angebot hatte, dass es den gesamten arabischen Raum (und dessen Diasporas) mit den hier bestehenden kulturellen Differenzen insgesamt adressierte, zielt Al Jazeera English (aje) darauf, ein auch über diese Sprachgrenzen hinaus verfügbares Fernseh- und Internetangebot zu sein. Die prinzipielle Verfügbarkeit des Senders ist dabei ausgeprägt, was sich aber nicht unbedingt mit hohen Nutzerzahlen decken muss: So kann AJE neben dem arabischen Raum als Satellitenanbieter in den verschiedenen europäischen Ländern empfangen werden, in Afrika, Australien, Kanada und den USA (Amin 2012: 30 f.). In Südasien hingegen ist AJE in Pakistan und seit 2010 auch in Indien verfügbar, hat aber in beiden Fällen eine nur geringe Zuschauerschaft-- wie auch in weiten Teilen des südlichen Afrikas (Arsenault 2012; Kugelman 2012). Daneben streamt AJE- - wie auch BBC World Service und CNNI- - sein Programm im Internet bzw. verfügt über eine differenzierte Nachrichtenwebseite. Bemerkenswert bezogen auf das Internetangebot ist, dass hier die Varianten von Al Jazeera in Englisch und Arabisch in der Darstellung politischer Ereignisse weit weniger voneinander abweichen, als dies immer wieder unterstellt wird (Fahmy/ Al-Emad 2011). Befasst man sich über reine Fragen der Verfügbarkeit hinaus mit der Spezifik der Repräsentationen von AJE, sind diese vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses des Nachrichtensenders zu sehen. Dieser hat sich insbesondere zu Beginn als ein Nachrichtenanbieter positioniert, der Regionen der Welt zu Wort kommen lässt, die beim BBC World Service bzw. CNNI nur als randständige Stimmen vorkommen (Arsenault 2012: 79). Folgt man vorliegenden Inhaltsanalysen zur Berichterstattung von AJE (Barkho 2011; Figenschou 2010; Figenschou 2012; Painter 2008; Schenk 2011), entsteht dieses Bild: Von den grundlegenden Nachrichtenformaten sind die Differenzen von AJE zu CNNI oder BBC World Service geringer als vermutet, auch wenn der Sender sich diskursiv klar gegen die »›angelsächsische‹ Art der Berichterstattung« (Barkho 2011: 33) positioniert bzw. andere Menschengruppen zu Wort komwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 176 5 Transkulturalität von Medienprodukten 176 men lässt, die bei anderen Nachrichtenanbietern nur am Rande die Möglichkeit haben (El-Nawawy/ Powers 2010). Abweichungen der Repräsentationen bestehen in einer größeren Bereitschaft von AJE, auch Bilder von Gewalt und Leiden zu zeigen, als dies bei den genannten Sendern der Fall ist, gerade wenn es um Konflikte im arabischen Raum geht. Ansonsten fallen vor allem vier Punkte auf (Figenschou 2012: 44): Erstens wird der »globale Süden« (die unterprivilegierten Regionen der Welt) in der Berichterstattung von AJE häufiger thematisiert als der »globale Norden« (die privilegierten Regionen der Welt). Zweitens sind Europa und Asien die Regionen, über die am meisten berichtet wird. Der Mittlere Osten folgt hier mit nur geringem Abstand. Drittens wird über den »globalen Süden« nicht nur in differenzierteren Nachrichtenformaten berichtet, dies geschieht auch häufiger als über den »globalen Norden«. Viertens schließlich regionalisiert AJE seine Nachrichtenformate in dem Sinne, dass über Europa, Nordamerika und Lateinamerika in kürzeren Formaten berichtet wird, über Asien und den Mittleren Osten in differenzierten Formaten. Wir haben es hier also mit anderen Formen (groß-)regionaler Repräsentationen zu tun, als wir sie von CNNI und BBC World Service her kennen. Die Weltöffentlichkeit scheint in einem solchen Blick weniger auf Europa und Nordamerika fixiert zu sein, als dies bei den beiden anderen Nachrichtenanbietern der Fall ist. Dies heißt aber nicht, dass AJE generell ein Nachrichtensender des »Gegenflusses« aus dem »globalen Süden« ist, wenn man mit dieser Formulierung all jene Regionen fasst, die in der transkulturellen Nachrichtenartikulation der etablierten Nachrichtenagenturen und Nachrichtenanbieter nur in untergeordneter Stellung vorkommen. Dies wird am Beispiel von Afrika deutlich (Arsenault 2012). So beziehen sich weite Teile der Afrika-Berichterstattung von AJE auf die nordafrikanischen Staaten und weniger auf das südliche Afrika. Aber auch aus anderen Gründen ist AJE, was Afrika betrifft, ein nur untergeordneter Nachrichtenanbieter. Für die Verfügbarkeit ist zu sagen, dass hier das Radio nach wie vor ein wichtigeres Medium ist als das Satellitenfernsehen und-- zusammen mit der zumindest im frankophonen Afrika bestehenden Sprachbarriere-- andere transkulturelle Nachrichtenanbieter wie der BBC World Service deutliche Vorteile haben, der im Gegensatz zu AJE (und auch CNNI) auch über Radioangebote präsent ist. Und was die inhaltliche Spezifik der Repräsentationen angeht, ist es so, dass hier entstehende panafrikanische Nachrichtenanbieter wie africable oder a 24 mit ihren Repräsentationen dichter an der Lebenswirklichkeit im südlichen Afrika sind als AJE. In einer solchen afrikanischen Perspektive bestehen »wenig Anzeichen, dass afrikanische Eliten AJE anders wahrnehmen als Organisationen wie CNNI oder BBC World Service« (Arsenault 2012: 90). Dieser Feststellung entspricht, dass in anderen Weltregionen wie beispielsweise Europa viele Menschen die Repräsentationen von AJE weniger daher kennen, dass sie den Sender oder dessen Webseite selbst verfolgen würden. Vielmehr ist dessen Berichterstattung-- ähnlich wie im Fall von CNNI- - eine Ressource für (Bild-)Material in der je eigenen Fernsehberichterstattung. Dies ist vielleicht der Grund, warum nun auch von einem »Al 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 177 177 Jazeera-Effekt« gesprochen wird (Seib 2008; Seib 2010). Al Jazeera ist für Seib ein »Symbol für diese neue medien-zentrierte Welt« (Seib 2008: ix). Hiermit kommen wir zur dritten Quelle transkultureller Nachrichtenartikulationen, nämlich den alternativen Nachrichten im Internet. Die bisherige Argumentation hat ja bereits deutlich gemacht, dass auch die Nachrichtenanbieter BBC World Service, CNNI und AJE im Internet aktiv sind. An anderer Stelle wurde daneben bereits diskutiert, dass das Internet neue Möglichkeiten einer transkulturellen Medienproduktion eröffnet (siehe Kap. 4.3). Es ist dieser Aspekt, der im Weiteren bezogen auf Fragen der Repräsentation vertieft werden soll. Dies verweist erstmals zurück auf die alternative Medienproduktion, die Gegenstand der Diskussion in Kapitel vier gewesen ist. Dabei ist, wie wir bereits gesehen haben, Indymedia eines der zentralen Beispiele. Betrachtet man nun die Repräsentationen von Indymedia (siehe beispielsweise Atton 2003; Bailey et al. 2008; Pickard 2006; Pike 2005), bewegt sich dies in der Linie der bisherigen Argumentation: Jenseits von herausgehobenen politischen Events insbesondere der globalisierungskritischen Bewegung sind die Repräsentationen von Indymedia weniger transkulturell ausgerichtet als vielmehr stark lokal, regional und national. Es geht also um eine alternative (politische) Medienberichterstattung, die einen ausgeprägten Rückbezug zu den Lebenswelten der Menschen hat. In der Art und Weise, wie Inhalte repräsentiert werden, findet man ähnliche Lokalisierungen, Regionalisierungen und Nationalisierungen wie bei etablierten Medienanbietern-- wenn auch unter politisch anderen Vorzeichen. Eine transkulturelle Bedeutung dieser Repräsentationen entsteht bei herausgehobenen (politischen) Medienereignissen, wobei hier auch über Indymedia hinaus andere Möglichkeiten der alternativen Internetberichterstattung von Relevanz sind wie beispielsweise Youtube oder Twitter (Poell/ Borra 2012). Ähnliches kann auch für die Blogosphäre gesagt werden. Auch wenn übergreifende Visualisierungen von Repräsentationen verschiedener Blogosphären nicht unproblematisch sind, so verweisen Aufbereitungen ihrer Vernetzungsstruktur darauf, dass es nicht eine globale Blogosphäre als solche gibt, sondern verschiedene Blogosphären, die letztlich in ihrer Verweisstruktur insbesondere nach Sprachgemeinschaften strukturiert sind (Bruns 2007; Highfield 2009). Dem entspricht, dass viele bestehende Forschungen von Blogosphären deren nationale Konkretisierungen betreffen- - die ägyptische, bulgarische, chinesische usw. Blogosphäre- - und dabei entlang einer Kombination von sprachlichen und territorialen Grenzen operieren (Bakardjieva 2012; Esarey/ Qiang 2008; Radsch 2008). Die Repräsentationen dieser Arten von Blogosphäre sind dabei letztlich wiederum insbesondere regional und national, wobei die Blogs-- zumindest in Europa und Nordamerika-- eine große Nähe zu etablierten Medien nationaler Öffentlichkeiten haben (Reese et al. 2007; Robertson/ McLaughlin 2010). Momente von transkultureller Kommunikation über Sprachgrenzen hinaus entstehen insbesondere in Bezug auf herausgehobene (Medien-)Ereignisse, bei denen Blogbeiträge ebenfalls in der regulären Berichterstattung anderer Medien aufgegriffen werden (Philipps 2009: 96). Vereinfacht formuliert geht es hier darum, dass sich die www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 178 5 Transkulturalität von Medienprodukten 178 alternative Nachrichtenquelle des Internets weniger direkt entfaltet, sondern dass Inhalte alternativer Quellen des Internets in der Berichterstattung etablierter Medien aufgegriffen und dort Teil ihrer Repräsentationen werden. Beispiele, anhand derer dies untersucht wurde, sind die Berichterstattung über Unruhe- und Kriegsereignisse (Sreberny/ Khiabany 2011), in der Webseiten mit fundamentalistischen Reden (Hoskins/ O’Loughlin 2011) oder Twitter-Beiträge (Plotkowiak et al. 2012) als Quellen herangezogen werden (zur Aneignung solcher Repräsentationsgefüge und deren Problematiken siehe Kap. 6.4). Bemerkenswert ist an dieser Stelle die Entwicklung von Wikileaks. Ursprünglich ist Wikileaks als nicht-kommerzielle Organisation gestartet, die auf ihrer Plattform im Internet interne Dokumente von Staaten und Unternehmen mit einer globalen Zugriffsmöglichkeit veröffentlicht. Bereits früh fing Wikileaks aber an, mit etablierten Medienanbietern zu kooperieren, indem diesen im Gegenzug zu einer entsprechenden journalistischen Präsentation der Inhalte exklusive Veröffentlichungsmöglichkeiten zugesichert wurden (Domscheit-Berg 2011: 52). Dies wurde um 2010 mit der Veröffentlichung der afghanischen Kriegsdokumente zu einer Medienpartnerschaft mit der New York Times, dem Guardian und dem Spiegel ausgebaut. Die Berichterstattung über dieses Material war dann in den verschiedenen Ländern Europas und Nordamerikas sehr umfassend und führte zu einem kontroversen Diskurs über den Verlauf des Afghanistankriegs bzw. die Rolle der USA in diesem (Beckett/ Ball 2012; Flew/ Liu 2011). Man kann also davon sprechen, dass Wikileaks mit dieser und anderen Veröffentlichungen breit konnektierende und, was die Thematisierung der Globalisierung selbst betrifft, auch globale Repräsentationen geschaffen hat. Dies geschah gleichwohl nicht einfach als eigenständiger alternativer Nachrichtenanbieter, sondern als eine nur alternative Quelle für die Berichterstattung etablierter Medien. Deren Datenjournalismus wurde von Wikileaks durch die Aufbereitung der Inhalte unterstützt, was aber auch damit einhergeht, dass die »Lecks« nicht mehr für jeden im gesamten Umfang im Internet zugänglich sind und bestimmte Informationen zugunsten »großer Geschichten« zurückgehalten werden (Domscheit-Berg 2011: 207). Solche Prozesse trugen dazu bei, dass Wikileaks transkulturell zu einer wichtigen Quelle der Produktion von Nachrichten in unserer heutigen mediatisierten und globalisierten Welt wurde (Mortensen 2012)-- und auch bei der Aufdeckung des Prism-Skandals im Jahr 2013 durch Edward Snowden bei dessen Suche nach Asylmöglichkeiten zumindest im Hintergrund vermittelte. Wie lassen sich nun die so bestehenden, sich vielfach überlagernden transkulturellen Nachrichtenartikulationen angemessen fassen? Als Antwort auf diese Frage ist in der Forschung seit längerem die Möglichkeit des Entstehens einer »globalen Öffentlichkeit« diskutiert worden (Hafez 2012; McGuigan 1998; Sparks 1998; Volkmer 2002). Während sich Momente einer globalen Öffentlichkeit gegebenenfalls bei einzelnen Medienevents abzeichnen können (siehe Kap. 5.4), verweisen die bis hierher diskutierten Aspekte von Nachrichtenartikulationen auf ein komplexeres Bild, näm- 5.3 Nachrichtenartikulationen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 179 179 lich das der Artikulation vielfältiger und sich überlagernder kommunikativer Figurationen von Öffentlichkeiten. Dies können regionale und nationale Öffentlichkeiten sein, aber auch transkulturell bestehende Öffentlichkeiten unterschiedlicher Art. Mit dieser Aussage ist ein spezifischer Begriff von Öffentlichkeit verbunden. So ist es in einem ersten Schritt möglich, Öffentlichkeit deskriptiv als Raum verdichteter politischer Kommunikation zu verstehen. Bereits Bernhard Peters hat in Bezugnahme auf Karl W. Deutsch (1953) Öffentlichkeit als Kommunikationssphäre bezeichnet, die »durch eine hohe Dichte an Kommunikationsflüssen [gekennzeichnet ist], wobei die Dichte im Inneren höher ist als über die Grenzen hinweg« (Peters 2007: 329). Die allgemeinste deskriptive Bestimmung lautet also: Öffentlichkeiten sind Räume verdichteter politischer Kommunikation, die sich über solche Verdichtungsprozesse voneinander unterscheiden lassen. Der Begriff der Verdichtung hebt darauf ab, dass diese Kommunikationsräume als Netzwerke unterschiedlicher Arenen und Teilöffentlichkeiten vorstellbar sind (Fraser 1993; Nieminen 2009). Das Spezifische von Öffentlichkeit als Kommunikationsraum ist nun darin zu sehen, dass ihr demokratietheoretisch eine normative Funktion zukommt, nämlich für eine bestimmte politische Institution (Gemeinde, Bundesland, Staat, Staatenbund) legitimierend zu sein (Habermas 2008: 173). Dies ist der notwendige zweite Schritt, um Öffentlichkeit angemessen zu fassen. In diesem Sinne ist nicht jeder Kommunikationsraum Öffentlichkeit, aber jede Öffentlichkeit ein, in welchen Graden auch immer, politisch legitimierender Kommunikationsraum (Fraser 2007: 20). Dabei geht es immer auch um wechselseitige Zugehörigkeit und Identifikation. Der Hinweis auf Zugehörigkeit und Identifikation ist nicht dahingehend misszuverstehen, dass der Kommunikationsraum Öffentlichkeit nicht durch Auseinandersetzungen und Konflikte gekennzeichnet wäre (siehe hierzu auch Lunt/ Livingstone 2013). Im Gegenteil zeichnen sich politische Öffentlichkeiten, gerade wenn es um Entscheidungen mit großer Reichweite geht, durch Konfrontation aus. Aber auch in Konflikten erscheint zumindest ein solches Maß an Zugehörigkeit und Identifikation notwendig, dass bestehende Auseinandersetzungen als Konflikte mit gemeinsamen Bezugsmomenten wahrgenommen werden. Mit einem solchen Begriff von Öffentlichkeit wird es möglich, die Komplexität der kommunikativen Figurationen zu erfassen, mit der wir es hier zu tun haben: Auf der einen Seite können wir nach wie vor den Bestand nationaler Öffentlichkeiten ausmachen, die auch durch eine fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung nicht in Frage gestellt werden. Es sind die vielfältigen nationalen Repräsentationen des Politischen, durch die diese Öffentlichkeiten transmedial artikuliert werden. Solche nationalen Repräsentationen sind aber nicht frei von transkulturellen Bezügen, wird doch das Nationale auch durch die Kontextualisierung von Geschehnissen in anderen Ländern und Regionen der Welt artikuliert. Über und um diese nationalen Öffentlichkeiten verdichten sich aber vielfältige andere Formen von Öffentlichkeit, die sich dann als transkulturelle Öffentlichkeiten begreifen lassen, wenn sie über verschiedene Kulturen hinweg bestehen. Ein Beispiel für eine solche transkulturelle und zugleich transwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 180 5 Transkulturalität von Medienprodukten 180 nationale Öffentlichkeit wäre die europäische Öffentlichkeit, wie wir sie selbst untersucht haben (Hepp et al. 2012b; Wessler et al. 2008). Eine solche europäische Öffentlichkeit entsteht-- wie bereits in Kap. 4.2 betont-- weniger durch europäische Nachrichtenmedien (Brüggemann/ Schulz-Forberg 2009; Gripsrud 2010a), sondern vielmehr durch eine geteilte Orientierung der verschiedenen nationalen Medien auf die Geschehnisse in Brüssel, durch einen wechselseitigen Blick auf die Geschehnisse in den europäischen Nachbarländern sowie durch eine wie auch immer geartete geteilte Identifikation mit Europa (auch in der Finanzkrise, siehe Hepp et al. 2013). Durch eine solchermaßen geteilte Transkulturalisierung des politischen Diskurses entsteht eine europäische Öffentlichkeit, die sich als eine Verdichtung politischer Kommunikation von anderen Öffentlichkeiten abgrenzt. Ähnliche kommunikative Figurationen von transkultureller Öffentlichkeit bestehen in anderen Regionen der Welt durch andere Medien. Wir können hier an den panarabischen Raum denken, aber auch an weitere geolinguistische Regionen. In diesem Sinne haben wir es mit einer Vielfalt unterschiedlicher Öffentlichkeiten zu tun, die gegenwärtig zum Teil regional und national, zum Teil großregional und transnational-- und damit: transkulturell-- bestehen. Durch eine sorgfältige Analyse ihrer kommunikativen Figurationen erfasst man vermutlich mehr als durch vereinfachende Postulate-- ob dies nun das Postulat einer globalen Öffentlichkeit ist oder aber das Postulat, auch mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung wären nationale Öffentlichkeiten nach wie vor die einzigen Bezugsgrößen. 5.4 Medienereignisse Bis jetzt wurde die Frage der Verfügbarkeit und des Charakters medialer Repräsentationen in Bezug auf verschiedene Sendungen, Formate und Nachrichtenartikulationen diskutiert. Daneben kann man aber auch anders ansetzen, indem man davon ausgeht, dass es nicht auf ein einzelnes Produkt bezogene Kommunikationsprozesse sind, die transkulturelle Kommunikation generieren, sondern vielmehr unterschiedliche Medienprodukte einschließende und über verschiedene kulturelle Kontexte hinweg bestehende Medienereignisse. Sicherlich haben Medienereignisse mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung an Relevanz gewonnen. Man denke nur an so unterschiedliche Phänomene wie das Terrorereignis 9/ 11 oder das Musikevent der Live-Aid-Konzerte für Afrika, die beide in vielen Regionen der Welt verfolgt werden konnten. Gleichwohl gab es große Ereignisse in den Medien auch zuvor. Im Blick haben kann man da beispielsweise die Fernsehübertragungen verschiedener Sportereignisse oder Zeremonien, die als rituelle bzw. zeremonielle Formen von Medienereignissen begriffen werden können. Diese Vorstellung von rituellen Medienereignissen geht besonders auf Überlegungen von Daniel Dayan und Elihu Katz zurück, die als international hoch renom- 5.4 Medienereignisse www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 181 181 mierte Medien- und Kommunikationsforscher den Begriff des Medienevents einführten. Dayan und Katz begreifen Medienereignisse als ein spezifisches Genre der Medienkommunikation, das sich auf syntaktischer, semantischer und pragmatischer Ebene definieren lässt (Dayan/ Katz 1992: 9-14). Auf »syntaktischer Ebene« sind Medienevents »Unterbrechungen der Routine«. Sie monopolisieren Medienkommunikation über verschiedene Kanäle und Programme, werden live übertragen, vorgeplant und außerhalb der Medien organisiert. Auf »semantischer Ebene« werden Medienevents als »historische« Geschehnisse in einem priesterlichen Stil mit zeremoniellen Bezügen und der Botschaft der Versöhnung inszeniert. Auf »pragmatischer Ebene« fesseln Medienevents große Publika, die sie auf festliche Weise verfolgen. Das Kernargument bezüglich dieser Kriterien ist, dass jedes der Attribute auch in anderen Formen von Medienkommunikation gefunden werden kann. Wenn sie jedoch in dieser Form zusammenkommen, konstituieren sie das »Genre« des Medienevents. Bezugnehmend auf Max Webers (1972: 124) Differenzierung dreier Herrschaftsformen (rationale, traditionale und charismatische Herrschaft) unterscheiden Dayan und Katz drei Idealtypen möglicher Szenarios von Medienereignissen, verstanden als jeweilige Skripts ihrer Konstitution: das des Wettkampfs (»contest«) wie bei den Olympischen Spielen, das der Eroberung (»conquest«) wie bei der Mondlandung und das der Krönung (»coronation«) wie bei der Inthronisierung von Queen Elisabeth in Großbritannien. Die Unterscheidung der drei Idealtypen von Medienereignissen macht sehr gut deutlich, warum dieser Begriff von Medienevents auf eine spezifisch rituelle Form von Medienereignissen zielt. Letztlich gehen Dayan und Katz bei ihrer Typologie von der Vorstellung aus, dass Medienevents im weitesten Sinne auf Regelbestätigung in einer in ihrem Wertekonsens homogenen Gesellschaft ausgerichtet sind: Der Wettbewerb vermittelt, dass (gesamt-)gesellschaftlich geteilte Regeln als wertvoll bzw. traditionsrelevant beizubehalten sind. Die charismatische Regelüberschreitung der Eroberung ist auf einer höheren Ebene wiederum regelbestätigend, da es hier um die Transformation von Regeln auf eine neue Stufe geht. Und bei der Krönung bildet das kollektive Feiern der Tradition das Zentrum des Ereignisses. Im Zentrum steht letztlich die Bestätigung bzw. konstruktive Veränderung bestehender Regeln im Ritual. Auf diese Weise sind- - so die Argumentation- - rituelle Medienereignisse eine umfassende Integrationsinstanz nationaler Gesellschaften. Dem Postulat von Dayan und Katz nach können sie dies aber auch über einzelne Gesellschaften hinaus bis hin zur gesamten Welt sein (Dayan/ Katz 1992: 170). Auf den Punkt gebracht, geht es ihnen also um mediale Repräsentationen von Ausnahmeereignissen, die eine Gesellschaft-- oder gar die Welt-- integrieren. Es liegt damit auf der Hand, dass Medienevents in großem Maße das Interesse der Forschung zu transkultureller Kommunikation geweckt haben: Wenn einzelne Filme, Programmimporte, Formatadaptionen und Nachrichtenereignisse zwar vielfältige Kommunikationsbeziehungen herstellen, aber kaum wirklich globale, so bilden vielleicht Medienevents die eigentlich globalen Repräsentationen in Zeiten fortschreitenwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 182 5 Transkulturalität von Medienprodukten 182 der Mediatisierung und Globalisierung. Diese jüngere Forschung zu Medienevents führt allerdings drei grundsätzliche Probleme des ursprünglichen Ansatzes von Dayan und Katz vor Augen, nämlich das Ritualverständnis, die Definition als Genre und die enge Typisierung von Szenarios (vgl. zum Folgenden ausführlich Hepp/ Couldry 2010: 5-8). Zum Ritualverständnis ist zu sagen, dass die Grundannahme problematisch ist, dass »Rituale deswegen bedeutsam sind, weil sie die ›Gesellschaft zusammenhalten‹, indem sie ein gemeinsames Werteset bestätigen« (Couldry 2003: 65). Eine solche Konzeptionalisierung ist bereits für einzelne Nationen schwierig, weil sie eine Stabilität und ein geteiltes Maß an Werten unterstellt, wie es für gegenwärtige Gesellschaften kaum mehr zutreffend ist, falls dies jemals so war. Noch problematischer wird es, wenn man ein solches Verständnis von Medienevents als Rituale der Wertebestätigung von einer nationalen auf eine globale Ebene überträgt (Hepp 2004: 332-340). Allein das Beispiel der Olympischen Spiele mit ihren vielfältigen nationalen und regionalen Repräsentationen macht deutlich, dass hier kaum in einem Ritual ein global geteiltes Set von Werten geschaffen wird (Price/ Dayan 2008; Puijk 2008; Roche 2000): Die sportlichen Erfolge Chinas, die für die einen die Leistung des asiatischen Staates, seines politischen Systems und seiner Gesellschaftsstruktur repräsentieren, verweisen für die anderen auf den totalitären Charakter des Erziehungssystems in einem autoritären und undemokratischen Staat. Gleichzeitig ist es so, dass das Medienevent der Olympischen Spiele global gesehen in den verschiedensten Regionen der Welt einen sehr unterschiedlichen Charakter hat, je nachdem welche »nationale Berichterstattung« verfolgt wird-- ein Sachverhalt, der selbst für die global am weitesten verbreiteten Eröffnungszeremonien zutreffend ist (Gordon/ Sibson 1998; Spa et al. 1995; Tomlinson/ Young 2006). Transkulturell gesehen teilen die Menschen bei einem solchen Medienevent also den Fokus auf einen bestimmten thematischen Kern, der jedoch sehr verschieden repräsentiert wird. Begreift man Medienevents als (globale) Medienrituale, wäre also das, was in dem Ritual in diesen verschiedenen Regionen der Welt »bestätigt« wird, etwas je gänzlich anderes. Gemeinsam ist nur, dass diese Events für die mit der fortschreitenden Mediatisierung und Globalisierung herausgehobene Stellung der Medien stehen, für die Konstruktion einer »Zentralität der Medien«. Medienevents sind dann eine Form der Medienkommunikation, die Teil der Hervorbringung des »Mythos eines medienvermittelten Zentrums« (Couldry 2012: 22-25) ist. In einem solchen Sinne repräsentieren herausgehobene Medienevents transkulturell, dass das, was als »global wichtig« gilt, sich in den »globalen Medien« abspielt. Aber auch in weiterer Hinsicht macht es keinen Sinn, Medienevents als ein transkulturelles Ritual zu beschreiben. Auf syntaktischer Ebene scheint beispielsweise fraglich, inwieweit Medienevents stets außerhalb der Medien organisiert werden. So weisen die Analysen beispielsweise des Medienereignisses der Verfolgungsjagd und unverhältnismäßigen Polizeigewalt gegen Rodney King mit anschließendem Straf- 5.4 Medienereignisse www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 183 183 prozess und den folgenden Unruhen (Fiske 1994) oder verschiedener Medienspektakel (Kellner 2003) darauf hin, dass zumindest ein Teil der Medienevents von den Medienorganisationen selbst organisiert werden. Dies zeigt, dass Medienereignisse nur als mediatisierte Phänomene vorstellbar sind (Cottle 2006b). Sie sind eher ein »›diskursives Ereignis‹ […], nicht ein Diskurs über ein Ereignis« (Fiske 1994: 2, Herv. i. O.). Bezogen auf die semantischen Kriterien von Dayan und Katz fällt auf, dass Medienevents nicht generell in einem andächtigen und priesterlichen Stil präsentiert werden. Es können vielmehr sehr unterschiedliche Darstellungsweisen ausgemacht werden (Scannell 1995: 153). Bezogen auf die postulierten pragmatischen Momente zeigen beispielsweise Analysen der Beerdigung von Lady Diana, dass dieses globale Medienevent eher eine »Performanz ohne Verantwortung« (Silverstone 1999: 75) war und dass keine medienvermittelte Einbindung der Publika in eine geteilte Feierlichkeit stattfand. Schließlich ist die Unterscheidung der Szenarios von Medienevents durch Dayan und Katz zu eng. Gerade bei transkultureller Kommunikation ist es nicht möglich, konfliktorientierte Medienereignisse (Krisen-, Kriegs- und Terrorereignisse), Katastrophen und populäre Medienevents aus der Betrachtung auszuschließen. Auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung konfliktorientierter Medienereignisse hat früh Gabriel Weimann in einer Fallstudie zu einer palästinensischen Flugzeugentführung hingewiesen. Es wird deutlich, inwieweit ein solches Terrorattentat ein Medienereignis darstellt und dabei sogar im Sinne von Dayan und Katz beschrieben werden kann. So werden die Geschehnisse nicht nur live übertragen. Darüber hinaus ist auch der Medienauftritt von Terroristen im Detail (selbst von den Medienschaffenden durch für solche Fälle vorbereitete Szenarios) vorgeplant. Daneben wird bei der Dramatisierung auf bestehende narrative Muster des Fernsehens zurückgegriffen, verschiedene Programme werden monopolisiert-- und selbst eine »priesterliche Rolle der Medien« (Weimann 1987: 29) wird deutlich. Die Notwendigkeit des Einschlusses solcher »mediatisierter Konflikte« (Cottle 2006a) wird dadurch unterstrichen, dass viele der transkulturell herausgehobenen Medienevents Konfliktereignisse sind: Man kann hier an den Börsenkrach an der Wall Street 1987 denken, an den Fall der Berliner Mauer 1989, die Niederschlagung der Demonstration auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989, den Golfkrieg von 1990/ 91, die Attentate vom 11. September 2001 und viele jüngere Krisen-, Kriegs- und Terrorereignisse, für die exemplarisch die Verfolgungsjagd und Tötung Ghadaffis während des »arabischen Frühlings« steht (Freedman/ Thussu 2012; Löffelholz 2004; Thussu/ Freedman 2003; Wark 1994). Auf die Notwendigkeit, auch Katastrophen bei einer Betrachtung von Medienevents zu berücksichtigen, haben Elihu Katz und Tamar Liebes jüngst selbst hingewiesen. Dabei betonen sie aber den Unterschied zwischen traumatischen »Katastrophenmarathons« (»marathons of terror, natural disaster and war«) und zeremoniellen »Medienevents« (»establishment events, with wide public support«) (Katz/ Liebes 2010: 38 f.; siehe auch Kyriakidou 2008). www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 184 5 Transkulturalität von Medienprodukten 184 Bei populären Medienevents ist schließlich an herausgehobene Ereignisse der Populärkultur zu denken, für die das bereits erwähnte Konzert »Live-Aid« von 1985 bzw. sein Revival als »Live 8« von 2005 ebenso Beispiele sind wie der Eurovision Song Contest (Bolin 2010). Wir haben es hier mit Events zu tun, die bestimmte Segmente von Populär- und Celebrity-Kulturen adressieren. In diesen sind sie auch dominierend; jenseits dieser »kulturellen Segmente« (Szenen, Jugendkulturen usw.) werden sie aber überhaupt nicht als »Event« deutlich. Schließlich ist es bemerkenswert, dass sich verschiedene Hybridformen von Medienevents entwickelt haben. Ein Beispiel dafür ist der katholische Weltjugendtag. Als transkulturell zumindest in katholischen Ländern breit kommuniziertes religiöses Medienevent umfasst dieser Momente eines rituellen Medienevents im Sinne von Dayan und Katz- - hier treten wirklich Priester auf, die zumindest versuchen, bestimmte, in dem Fall religiöse Werte mit Autorität zu repräsentieren- - sowie Momente von populären Medienevents wie Konzerten, bspw. in der Art der Inszenierung von Musikveranstaltungen (Hepp/ Krönert 2009; Hepp/ Krönert 2010). Solche Beispiele machen deutlich, dass die ursprüngliche Unterscheidung der Szenarios von Medienevents durch Dayan und Katz zu eng ist. Im Hinblick auf jüngere Medienereignisse hat Daniel Dayan (2010) selbst für eine Erweiterung der ursprünglichen Begrifflichkeit argumentiert. Er spricht jetzt von vier Kernaspekten eines Medienevents: (1) »Betonung« (die Allgegenwart des medienvermittelten Ereignisses), »Performanz« (sein Beitrag zur Konstruktion von Wirklichkeiten), »Loyalität« (die Akzeptanz der Ereignisdefinition der Organisatoren) und »geteilte Erfahrung« (die (Re-) Konstruktion eines geteilten »wir« in der Rezeption). Solche Überlegungen aufgreifend, lassen sich Medienevents in unserer heutigen mediatisierten Welt wie folgt definieren (siehe zum Folgenden Hepp/ Couldry 2010: 12): Ein Medienevent ist eine spezifische situative, verdichtete und zentrierende Performanz medienvermittelter Kommunikation, die auf einen bestimmten thematischen Kern ausgerichtet ist, verschiedene Medienprodukte übergreift und eine breite und vielschichtige Vielfalt von Publika und Teilnehmenden erreicht bzw. einbindet. Wichtig an dieser Definition ist der Begriff der »zentrierenden Performanz«, die ein jedes Medienevent ausmacht. Hierunter sind verschiedene und in sich hoch komplexe Muster kommunikativer Praxis zu verstehen, wie sie ursprünglich von Dayan und Katz als »Szenarios« bezeichnet wurden. Zentrierend ist diese Performanz in einem doppelten Sinne: Erstens ist der thematische Kern des Medienevents »zentral« für die Narration des Events. Es ist also für dessen Charakter wichtig, worauf sich ein Medienevent bezieht: eine Katastrophe, einen Sportwettkampf, einen Krieg usw. Zweitens wird dieser thematische Kern in Beziehung zu bestimmten sozialen Entitäten konstruiert (einer »Gesellschaft«, »Vergemeinschaftung«, »der Welt«) und ist somit eingebunden in den Prozess der Artikulation ihrer medienvermittelten Zentren. Ein transkulturell kommuniziertes Medienevent ist aber keine in jedem kulturellen Kontext identische Repräsentation. Vielmehr entsteht und besteht es über verschiedene medi- 5.4 Medienereignisse www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 185 185 ale Repräsentationen. In diesem Sinne ist ein jedes Medienevent stets vielfältig bzw. unabgeschlossen und dessen zentrierende Macht immer vorläufig und brüchig. Entsprechend integrieren- - insbesondere in transkultureller Hinsicht- - Medienevents nicht zwangsläufig alle beteiligten Akteure. Dies wird dadurch gesteigert, dass sich die Transmedialität von Medienevents nicht nur auf produzierte Massenmedien bezieht, sondern auch auf vielfältige weitere Formen wechselseitiger Medienkommunikation. Dies können bei Live-Geschehnissen wie den Protesten nach der Wahl im Iran die per E-Mail verschickten Fotografien der Smartphones sein, die die anwesenden Menschen vom Ort des Geschehens machen (Mortensen 2011). Dies können SMS oder Mails sein, die man als Rezipient des Medienevents an Freunde und Bekannte sendet, um deren Aufmerksamkeit zu lenken. Dies kann aber auch die Beteiligung an Internetkampagnen von zu Hause aus sein. Die Aussage, dass sich bei Medienevents verschiedene Formen von Medienkommunikation verdichten, ist also sehr umfassend zu verstehen, wie wir exemplarisch am katholischen Weltjugendtag gezeigt haben (Hepp/ Krönert 2009: 205-228). Die bisher umrissenen Aspekte werden greifbar, wenn wir sie auf etwas differenzierter betrachtete Beispiele beziehen. Dies soll im Weiteren anhand von zwei gemeinhin als globale Medienevents geltenden Ereignissen diskutiert werden, nämlich dem Terrorevent vom 11. September 2001 und den Olympischen Spielen. Der Terroranschlag vom 11. September 2001 war der erste Terroranschlag dieser Größe, der in mehrfacher Hinsicht »live« in den Medien stattfand (Sreberny 2002: 220 f.): »Live« war nicht nur das in den zweiten Turm des World Trade Centers (WTC) stürzende Flugzeug zu sehen. Was sich ebenfalls »live« vollzog, war der Prozess der diskursiven Kontextualisierung dieser Geschehnisse. In der ersten Stunde nach dem Anschlag waren die verfügbaren Bilder mit nur wenig einordnenden Kommentaren versehen: die Flüge der beiden Maschinen in das WTC, der dritten in das Pentagon und der Absturz einer vierten Maschine. Nachdem die Bilder in der ersten Stunde nach dem Unglück in nahezu allen Fernsehsendern nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern wiederholt wurden, begann deren diskursive Kontextualisierung, und sie gewannen als Repräsentationen eine spezifische Bedeutung. Das kann sehr gut an der CNN-Berichterstattung im Wandel der eher unspezifischen Schlagzeile »Anschläge auf die USA« zur Schlagzeile »Amerika im Krieg« in der Fernsehberichterstattung gezeigt werden. Hiermit war einer der diskursiven Rahmen gefunden, in dem die Repräsentationen des Terrors und des anschließenden Einsatzes gegen die afghanischen Taliban bzw. das Al-Qaida-Netzwerk eingeordnet wurden: Krieg gegen »den Islam« als Feind, der die USA herausgefordert hat (Karim 2002). Hierbei handelt es sich um eine diskursive Einordnung, die auch für die Folgejahre die medienvermittelten »globalen Perspektiven« (Freedman/ Thussu 2012) auf den Terrorismus bestimmen sollte. So klar der thematische Kern des Medienevents dabei war-- der Terroranschlag als solcher- -, so vielfältig waren dann die verschiedenen Rahmungen des Geschehens www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 186 5 Transkulturalität von Medienprodukten 186 und damit dessen transkulturelle Repräsentation insgesamt. Diese Vielfalt war gegeben trotz der freiwilligen Selbstzensur eines Teils der US-amerikanischen Medien (Williams 2003: 177 f.) und des Versuchs der Bush-Regierung, eine propagandistische Kontrolle der Repräsentationen der Geschehnisse zu erhalten (Nohrstedt/ Ottosen 2008: 214-217; Zelizer/ Allan 2002: 10-12). Greifbar wird eine solche transkulturelle Vielfalt des Ereignisses anhand der Bilder, die durch den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera zugänglich wurden, angefangen von den Bin-Laden- Videos über antiamerikanische Demonstrationen in verschiedenen arabischen Ländern bis hin zu den Opfern der Zivilbevölkerung in Afghanistan während des sich an die Anschläge anschließenden Kriegs. Dies betrifft auch die Kontextualisierung der Berichterstattung der amerikanischen Medien vom 11. September außerhalb der USA. Wenn diese in anderen Medien übernommen wurde, wurde sie auf differente Weise eingeordnet und gerahmt. So kontextualisierte der Fernsehsender der Hisbollah Al Manar (Kraidy/ Khalil 2009: 88; Mellor et al. 2011: 93) die Repräsentationen der Anschläge am 11. September in der Weise, dass sie vom israelischen Geheimdienst Mossad verübt wurden, um der islamischen Welt zu schaden (Smoltczyk et al. 2001: 123). Als Beleg wird angeführt, dass 4.000 Juden am 11. September nicht an ihrem Arbeitsplatz im WTC erschienen seien, eine Meldung, die wiederum die US- Netzzeitung Information Times innerhalb der USA weiterverbreitete. Das Video von Bin Laden in einer Höhle galt in Pakistan als Beweis dafür, dass dieser gar nicht das logistische Potenzial hatte, die Anschläge durchzuführen. Insbesondere im Internet etablierten sich schnell eine Vielzahl von Verschwörungstheorien um die Geschehnisse und Folgen des 11. Septembers (Bröckers 2002). Auch wenn es sich bei Verschwörungstheorien um ein Extrem handelt, bleiben sie ein Beispiel dafür, dass ein und dieselben Bilder in transkulturellen Kommunikationsprozessen diskursiv jeweils different kontextualisiert und so Teil anderer repräsentativer Gefüge werden. Hier lässt sich beispielsweise auf Israel verweisen, wo der Terroranschlag mit Blick auf den palästinensischen Widerstand kontextualisiert wurde, auf China, wo der Kontextualisierungsrahmen die Auseinandersetzungen mit islamischen Unabhängigkeitsbestrebungen im eigenen Land war, oder auf Deutschland, wo der Kontextualisierungsrahmen primär die deutsche Stellung in der Weltpolitik bzw. die Verwicklung von in Deutschland wohnenden Ausländern in den Anschlag gewesen ist. Interessant ist diesbezüglich auch eine inhaltsanalytische Untersuchung zur Berichterstattung in den zwei Monaten nach dem Terroranschlag auf den Titelseiten und in den Leitartikeln der New York Times und des Wall Street Journals in den USA, in der La Repubblica und im Il Corriere della Sera in Italien, in Liberation und Le Monde in Frankreich und in der Dawn und The Nation in Pakistan (Archetti 2008). Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in dieser Phase der Berichterstattung keine kohärente Rahmung des Ereignisses bestand-- weder in einem Land, noch über die Länder hinweg. So fanden sich in den Berichten Rahmungen des Ereignisses 5.4 Medienereignisse www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 187 187 als »Akt des Krieges«, als »Tragödie« oder als »Akte der Gewalt«, und Reaktionen wie »legale Sanktionen«, »Vergeltungsmaßnahmen« oder der »Krieg gegen den Terrorismus« wurden diskutiert (Archetti 2008: 469). Im Verlauf lässt sich weder eine globale Konvergenz der Rahmung des Ereignisses ausmachen noch in den einzelnen Ländern eine einheitliche Nationalisierung, wenn man von der vergleichsweise großen Selbstbezüglichkeit des Diskurses in den USA absieht (siehe dazu Williams 2003: 177- 179). Vielmehr finden sich vielfältige Differenzen, je nach Nachrichtenquelle bzw. zitiertem Sprecher bzw. politischer Orientierung der einzelnen Zeitungen. Ebenso ist es nicht so, dass sich die anderen Länder an der Berichterstattung in den USA orientieren würden. Vielmehr sind diese-- insbesondere was die Herkunft ihrer Nachrichtenquellen betrifft-- wesentlich pluraler als bei den untersuchten US-amerikanischen Zeitungen. Eine solche Multivokalität des Medienevents wird nochmals gesteigert durch die Kommunikation mittels digitaler Medien, allen voran in Internetforen. Gerade in den USA waren die Tage nach dem 11. September eine Phase intensiver Kommunikation in Online-Foren, in denen Menschen weit pluraler als in der produzierten Medienkommunikation versuchten, ein geteiltes Verständnis der Geschehnisse zu entwickeln. Während in den traditionellen Massenmedien, insbesondere dem Fernsehen, mehr oder weniger fortlaufend das Thema der nationalen Einheit wiederholt wurde, ermöglichten die nach politischer Orientierung unterschiedlichen Foren es verschiedenen Gruppen, breiter zu diskutieren, was die Geschehnisse für sie bedeuteten (Williams 2003: 183). Dies geschah auf der Basis der bestehenden politischen Orientierung, wobei das Internet die Möglichkeit bot, die jeweils eigene Argumentation jenseits der offiziellen Nachrichtenquellen mit transkulturellen Referenzen zu belegen (Williams 2003: 180-181). Herangezogen wurden dabei ebenso englischsprachige Zeitungen aus dem Ausland- - hier nicht nur der britische Guardian, sondern beispielsweise auch eine englischsprachige pakistanische Zeitung- - wie auch vielfältige andere, zum Teil »dubiose« Internetquellen, beispielsweise zur bereits erwähnten »Rolle« des israelischen Geheimdienstes Mossad bei den Anschlägen. Es geht also in der Forenkommunikation nicht nur darum, dass Gruppen geteilter politischer Orientierung ein gemeinsames Verständnis der Geschehnisse entwickeln. Dieses Verständnis wird auch transkulturell kontextualisiert und abgesichert-- ja, in manchen Fällen werden die Foren selbst zu Orten transkultureller Kommunikation, wenn sich Menschen anderer Kulturen beteiligen. Solche Analysen machen den vielfältigen und widersprüchlichen Charakter des Medienevents greifbar. Auch wenn die amerikanischen Repräsentationen diejenigen waren, die die umfassendste transkulturelle Verfügbarkeit hatten, wird das Medienevent des 11. September nur fassbar, wenn man begreift, dass Teil desselben auch die Artikulation vielfältiger lokaler, regionaler und nationaler Repräsentationen ist. In diese verschiedenen Artikulationen sind dabei immer wieder transkulturelle Bezugnahmen eingebettet, wie auch ein weiteres transkulturelles Moment durch den über www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 188 5 Transkulturalität von Medienprodukten 188 alle Repräsentationen hinweg geteilten thematischen Kern des Ereignisses entsteht. Hierin sind die transkulturell konnektierenden Momente des Medienevents zu sehen. Um ein gänzlich anderes, in der globalen Reichweite dennoch vergleichbares Medienevent handelt es sich bei den alle vier Jahre stattfindenden Olympischen Spielen. Olympiaden sind insofern als Medienevents zu verstehen, als sie in ihrer heutigen Form nicht einfach als lokale Großveranstaltungen geplant werden, sondern als Ereignisse einer medialen Inszenierung. Besonders deutlich wird dies an den Eröffnungsfeiern (und Abschlusszeremonien) der Olympischen Spiele. Diese werden spätestens seit der Olympiade von Barcelona als Medienspektakel geplant, deren Übertragung durch eine erhebliche transkulturelle Verfügbarkeit gekennzeichnet ist (Gordon/ Sibson 1998: 188; Tomlinson 1996: 583). So hatten 2008 von den 6,7 Milliarden Menschen der Weltbevölkerung 4,3 Milliarden von zu Hause aus Zugang zu den Olympischen Spielen in Peking, und rund 3,6 Milliarden Menschen sahen zumindest eine Minute der Übertragung der Olympischen Spiele. Die Eröffnungszeremonie von Peking wurde von ca. 1,5 Milliarden Menschen verfolgt (IOC 2009: 1-2), bei den Olympischen Spielen 2012 in London wurde von 900 Millionen Menschen gesprochen, die die Eröffnungszeremonie verfolgt haben (Ormsby 2012). Auch wenn man solche Angaben-- zumal sie Schätzwerte bzw. Hochrechnungen sind-- nicht verabsolutieren sollte, weisen sie auf die weitreichende transkulturelle Verfügbarkeit der Repräsentationen dieser Medienereignisse hin. Doch wie für das Medienevent des 11. Septembers ist auch hier bemerkenswert, dass das, was als Repräsentationen verfügbar ist, sehr different betrachtet werden muss. Gerade, wenn man die Eröffnungszeremonien der Olympischen Spiele als die in vielen Ländern meistgesehene Einzelsendung im Blick hat, fällt auf, inwiefern diese zuerst einmal eine Selbstinszenierung des ausrichtenden Landes ist und damit die Möglichkeit einer zentrierenden Konstruktion seiner Nationalität. Wie es Maurice Roche, einer der Experten dieses Forschungsfelds, formuliert: »Die Ereignisse der Olympischen Spiele waren immer geeignet, von nationalen politischen Eliten dazu genutzt zu werden, für ihre eigene Macht und Ideologien zu werben« (Roche 2000: 185). Als herausgehobene Beispiele dafür gelten historisch die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, die Spiele in Moskau 1980 und-- gewissermaßen im Gegenzug-- die Spiele in Los Angeles 1984. In all diesen Fällen wurde das Ereignis von den Veranstaltern politisch zur möglichst globalen Repräsentation ihrer »nationalen Werte« und politischen Ziele genutzt. Hier besteht eine Kontinuität bis heute. Im Jahr 1988 versuchte beispielsweise die südkoreanische Militärregierung, durch die Olympischen Spiele von Seoul eine Konstruktion der »eigenen Nation« als »Sportnation Asiens« zu etablieren (Roche 2000: 186). Durch andere Momente der Repräsentation von Kultur wiederum zeichnen sich die Olympischen Spiele von Barcelona (1992) und Sydney (2000) aus. So wurde in Barcelona »viel Gedankenarbeit und Planung in ein Design der Eröffnungszeremonie gesteckt als eine Inszenierung von Katalonien als ein eigenständiger, aber mit 5.4 Medienereignisse www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 189 189 Spanien abgestimmter Gastgeber« (Spa et al. 1995: 10). Die Eröffnungszeremonie von Barcelona war-- wie bereits gesagt-- zum ersten Mal primär als mediales Spektakel inszeniert, bei dem ein Eröffnungsritual angereichert wurde durch kulturell spezifische, aber transkulturell anschlussfähige, regionale Repräsentationen Kataloniens (Roche 2000: 189). Ähnlich war die Eröffnung der Olympischen Spiele in Sydney, bei der Kathy Freeman als Australierin mit Aborigine-Herkunft die olympische Flamme entzündete, stärker eine Inszenierung der multikulturellen Differenz denn der Homogenität einer australischen Nation. Hierbei ging es um Prozesse der Re- Definition einer australischen Identität (Ang 2001: 95-111). Im Vordergrund der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele von 2004 in Athen stand die Positionierung Griechenlands als Ausgangspunkt der westlichen Zivilisation-- nicht nur der Olympischen Spiele, sondern auch der Demokratie, Philosophie und der Kunst (Panagiotopoulou 2010: 241-243; Traganou 2010). In Peking 2008 diente die Eröffnungszeremonie dazu, das »neue«, wirtschaftlich erfolgreiche und globalisierte China zu inszenieren (Latham 2009; Mobley 2008). Und 2012 versuchte sich Großbritannien mit der Eröffnungszeremonie der Spiele in London als Nation mit (nach wie vor) globalem Einfluss zu präsentieren-- als Ursprung der industriellen Revolution, Erfinder des Wohlfahrtsstaats und Ideengeber der Populärkultur, gerahmt mit einer spezifischen Inszenierung des »britischen Humors«. Hierbei zeigt die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Großbritannien-- wie auch deren weitere Berichterstattung-- inwieweit deren Inszenierung und Kommunikation ein transmediales Unterfangen ist: Das Medienevent spielt sich nicht einfach als eine Verdichtung produzierter Medienkommunikation des Fernsehens, Radios oder der Zeitungen ab. Darüber hinaus artikuliert sich das Event, verschiedene digitale Medien einbeziehend, indem beispielsweise aktuelle Geschehnisse über Twitter kommuniziert werden bzw. fortlaufend Twitter- und E-Mailkommentare in die offizielle Berichterstattung eingebunden werden. Dass dies alles zentrierend bleibt, macht exemplarisch der Twitter-Feed von Rupert Murdoch, dem Besitzer der News Corporation, deutlich, der zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele nicht nur 300.000 Follower hatte, sondern dessen Twitter- Kommentare von Seiten traditioneller Medienanbieter im globalen Pressespiegel der BBC zur Eröffnungszeremonie als eine der zentralen Quellen von Reaktionen der Presse zitiert werden. 10 Vor allem die vorliegenden Analysen zu den Olympischen Spielen in Peking führen vor Augen, dass ein Medienevent wie die Olympischen Spiele keine in der transkulturellen Kommunikation kohärente Repräsentation ist. Wie man an den Olympischen Spielen von Peking insgesamt sieht, beginnen die transkulturellen Auseinandersetzungen um deren Bedeutung bereits mit der Berichterstattung im Vorfeld der Spiele. Das Verständnis der Spiele, das das Regime zu etablieren suchte, war das der transkulturellen Repräsentation eines prosperierenden, ordentlichen und normalen Chinas, 10 Siehe hierzu http: / / www.bbc.co.uk/ news/ uk-19025686 [21.7.2012]. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 190 5 Transkulturalität von Medienprodukten 190 gepaart mit einem chinesischen Nationalismus (deLisle 2008), was sich dann auch in der Inszenierung der Eröffnungszeremonie manifestierte. In einem solchen Zusammenhang ist auch die offizielle Nutzung von digitalen Medien bei den Olympischen Spielen in Peking zu sehen bzw. ein entsprechendes Sponsoring von Technologieunternehmen. Beides zielte darauf, das technologische Potenzial Chinas zu kommunizieren. Gleichzeitig- - und hierin mag ein gewisses Paradox liegen (Humphreys/ Finlay 2008: 302)- - eröffnen digitale Medien neue Möglichkeiten der Kommunikation alternativer Erzählungen zu den Olympischen Spielen (Miah et al. 2008). Dies betrifft nicht nur kritische Stimmen beispielsweise von NGOs, die wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen gegen eine Ausrichtung der Olympischen Spiele in China protestierten. Es betrifft auch die Möglichkeiten einer direkten Kommunikation der Sportlerinnen und Sportler durch Blogging und andere webbezogene Aktivitäten- - die wiederum bei den Olympischen Spielen in Peking erfolgreich von Seiten des chinesischen Staates wie der nationalen Sportverbände reguliert wurden (Hutchins/ Mikosza 2010; Marshall et al. 2010). Während der thematische Kern der Olympischen Spiele also durch das Ereignis als solches umrissen ist, zeigen sich deutliche Auseinandersetzungen um verschiedene Bedeutungsdimensionen-- bis hin zu Möglichkeiten des »Kaperns« (Price 2008: 96-100) der Spiele durch zivilgesellschaftliche Akteure zur Kommunikation ihrer Interessen. Noch deutlicher werden die Varianzen der mit einem solchen Medienevent verbundenen Repräsentationen, wenn man berücksichtigt, dass die von den Veranstaltern distribuierten Bilder und Erzählungen nicht unverändert weltweit zugänglich gemacht werden. Es finden Konstruktionsprozesse in der (Live-)Berichterstattung statt, die teilweise die globale Grundidee der Olympischen Spiele in Frage zu stellen scheinen. Dass dies aber wiederum nicht zwangsläufig mit Nationalisierung gleichgesetzt werden kann, zeigen Analysen der Berichterstattung in Lokal- und Regionalmedien. Was hier interessiert, sind die Leistungen der »eigenen« Athleten, die als lokaler oder regionaler statt nationaler Sieg repräsentiert werden: »das Lokale (Selbst) als Teil des Globalen (Olympia)« (Spa et al. 1995: 248). Vor diesem Hintergrund ist der Umstand zu sehen, dass bei den medialen Repräsentationen der Olympischen Spiele die größten Probleme darin zu sehen sind, wie »fremde« Kulturen kontextualisiert werden, nämlich als kulturell mehr oder weniger differente Gegner der »eigenen« Athleten (Puijk 2008; Roche 2000: 190). Auch wenn Transkulturationen Teil der Inszenierungsstrategie der Eröffnungsrituale sind, bleiben während der Wettkämpfe die Repräsentationen auf das »Eigene« in Abgrenzung zum »Fremden« bezogen. Hierfür steht insbesondere die traditionell produzierte Medienkommunikation und deren »Medaillenspiegel« nach Ländern, Regionen und Lokalitäten. Insgesamt zeigt sich so auch für Olympische Spiele der Umstand, der bereits mehrfach herausgestrichen wurde: Diese sind keinesfalls global homogene bzw. identische mediale Repräsentationen. Sie sind vielmehr komplexe Bündel von transkulturellen kommunikativen Konnektivitäten mit unterschiedlichen diskursiven Kontextualisierungen. 5.4 Medienereignisse www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 191 191 Solche Betrachtungen führen uns zurück zu unserer Definition von Medienevents als situative, auf einen bestimmten thematischen Kern ausgerichtete, verdichtete und zentrierende Performanzen medienvermittelter Kommunikation. Als solche sind Medienevents in der Lage, über verschiedene Kulturen hinweg unterschiedliche Menschen und Publika in einen komplexen Kommunikationsprozess einzubinden. Dies geschieht aber durch eine Vielfalt unterschiedlicher Repräsentationen, die alles andere als (global) homogen und widerspruchsfrei sind. Die transkulturell verbindenden Momente dieser herausgehobenen Medienevents sind damit auf einer anderen Ebene zu sehen: Sie führen über verschiedene Kulturen hinweg vor Augen, dass die kulturübergreifend »zentralen« Geschehnisse diejenigen sind, die transmedial breit kommuniziert werden. Dies betrifft nicht nur die Massenmedien der produzierten Medienkommunikation, sondern auch die jüngeren digitalen Medien, die in die Artikulation der Medienevents breit eingebunden sind. In einem solchen Sinne sind Medienevents auf der Repräsentationsebene die Insignien gegenwärtiger Globalisierung und Mediatisierung. Ob diese Medienevents dabei situativ eine wirklich globale Öffentlichkeit schaffen können, ist eine komplexe und aktuell kaum abschließend zu beantwortende Frage. Einerseits gibt es Wisenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die grundsätzlich schon die Möglichkeit des Bestehens einer globalen Öffentlichkeit ablehnen und dafür verschiedene Argumente haben (Hafez 2012; McGuigan 1998; Sparks 1998). In einem solchen Fall macht schon die obige Frage keinen Sinn. Andererseits kann man in der hier entwickelten Begrifflichkeit eine globale Öffentlichkeit als eine solche Öffentlichkeit begreifen, die zumindest dem Fluchtpunkt nach die derzeit größtmögliche Verfügbarkeit hat und die gleichzeitig das Globale als solches thematisiert. In einem solchen Fall sind es die betrachteten herausgehobenen Medienevents, die eine solche Öffentlichkeit entstehen lassen. Dabei kann man konkret an die beiden näher behandelten Beispiele denken: Sowohl der 11. September als auch die Olympischen Spiele sind Medienevents, die mit die größten vorstellbaren Publika einbinden und dabei das Globale thematisieren-- beim 11. September letztlich Konfliktlagen der Globalisierung und bei der Olympiade die Idee eines weltweiten, friedlichen Wettstreits der Nationen. Diese Beispiele machen damit aber wiederum deutlich, dass auch die Artikulation einer globalen Öffentlichkeit verbunden bleibt mit verschiedenen segmentierenden Konstruktionen. Statt von vornherein eine in der Globalisierung und Mediatisierung bestehende globale Öffentlichkeit zu postulieren, wäre es damit zielführender, durch eine detaillierte Analyse der jeweiligen kommunikativen Figuration die transkulturellen Bedeutungspotenziale, die ein einzelnes Medienevent hat, herauszuarbeiten. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 192 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 193 193 6 Medienaneignung und Transkulturation In den bisherigen Kapiteln haben wir Fragen der transkulturellen Kommunikation bezogen auf mediale Regulationen, Produktionen und Repräsentationen betrachtet. Hierbei ist mehrfach angeklungen, dass Aussagen zu den Prozessen transkultureller Kommunikation-- gerade im Hinblick auf deren Relevanz für alltägliches Handeln-- nur dann möglich sind, wenn man sich auch mit der Aneignung von Medien befasst. Dies gilt insbesondere für Identität und damit verbundene Prozesse der Vergemeinschaftung bzw. Veränderungen der Bürgerschaft, die Gegenstand dieses Kapitels sind. Transkulturelle Kommunikation interessiert hier also in ganz anderer Hinsicht- - nämlich als ein Aspekt der Transkulturation des Alltagslebens. Es kann hierbei nicht einfach nur um Fragen der Mediennutzung im Sinne der klassischen Medien- und Kommunikationsforschung gehen. In dieser wird unter Mediennutzung die Gesamtphase des wie auch immer gearteten Umgangs eines Menschen mit einem Medium oder Medieninhalt verstanden, die dann in verschiedene Teilphasen eingeteilt wird (Hasebrink 2003). Dies ist erstens die präkommunikative Phase (Medienauswahl), zweitens die kommunikative Phase (Medienrezeption) und drittens die postkommunikative Phase (Medienaneignung). Auf eine solche Weise schränkt man den Begriff der Medienaneignung auf »innere« und »äußere« Folgehandlungen und -prozesse ein, die sich nach der »eigentlichen« Rezeption (bei produzierten Medieninhalten) bzw. dem »eigentlichen« Mediengebrauch (bei wechselseitiger Medienkommunikation) anschließenden. Beispiele hierfür sind psychische Prozesse der Verarbeitung der rezipierten Inhalte (Charlton/ Neumann-Braun 1992: 98-100), (Rollen-)Spiele in der Peer-Gruppe in Jugendcliquen, in denen das Rezipierte aufgegriffen wird (Bachmair/ Kress 1996: 119-194), oder die Folgekommunikation über Medieninhalte, also die Gespräche über das Gesehene, Gehörte und Gelesene (Hepp 1998; Holly et al. 2001; Keppler 1994, 2014). Kritikwürdig an einem solchen Aneignungsbegriff ist aus heutiger Perspektive zweierlei. Erstens bleibt er einem linearen Kommunikationsmodell verhaftet: Bestimmte Inhalte werden-- so die Vorstellung-- erst einmal »rezipiert«, bevor sie-- wie auch immer-- in Folgehandlungen und -prozessen »verarbeitet« und mit der eigenen Lebenswelt in Beziehung gesetzt werden. Aneignung bleibt gewissermaßen der Rezeption nachgeschaltet (Mikos 2001). Zweitens und damit zusammenhängend ist ein solcher Aneignungsbegriff auf eine Auseinandersetzung mit der produzierten Medienkommunikation der Massenmedien fokussiert und kaum auf die Vielfalt der Umgangsweisen mit Medien in unserer heutigen mediatisierten Welt anwendbar. So ist es auch schon in Bezug auf Massenmedien wie Fernsehen, Radio und Zeitung bzw. deren digitalisierten, über das Internet zugänglichen Online-Varianten verkürzend, die Aneignung als etwas Nachgeschaltetes zu sehen. Noch weniger anwendbar erscheint eine solche Begrifflichkeit aber bei den vielfältigen weiteren digitalen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 194 6 Medienaneignung und Transkulturation 194 Medien, die unterschiedliche Formen wechselseitiger und virtualisierter Medienkommunikation ermöglichen (Hepp 2013a: 49-62). Deren Betrachtung macht einen wesentlich breiteren Begriff der Aneignung notwendig, wie er im Weiteren zugrunde gelegt werden soll. Medienaneignung (»appropriation«) bezeichnet dann den gesamten Umgang von Menschen mit Medien. Dieser Begriff der Aneignung betont damit, dass der alltägliche Umgang von Menschen mit Medien nicht mit Vorstellungen einer eindimensionalen Wirkung, Manipulation oder (individuellen) Gratifikation gefasst werden kann. Es handelt sich hierbei um einen kulturell umfassend kontextualisierten Prozess des »Sich-zu-eigen- Machens« von Medien. Durch »Aneignungspraktiken« (Certeau 1988: 19) nehmen Menschen Produkte »in ihren Besitz« und machen sie zu einem Teil ihres »kulturellen Eigentums«. Mit einem solchen Verweis auf den Aneignungsbegriff, wie er vor einigen Jahren intensiv in der kulturanalytischen Rezeptionsforschung diskutiert wurde (Poster 1992; Silverstone 1989), geht es nicht darum, einfache Vorstellungen des »aktiven Publikums« neu aufzuwärmen. Zu Recht wurde in dieser Diskussion darauf hingewiesen, dass es wenig zielführend ist, generell von einem »aktiven Publikum« zu sprechen (Lull 2000: 97-128; Seaman 1992). Denn begreift man den Umgang mit Medien als eine menschliche Praxis (Couldry 2012: 33-58), ist es tautologisch, diesen als »aktiv« zu bezeichnen, da ein solcher Umgang als menschliches Handeln per se eine »Aktivität« ist. Der Punkt, auf den es beim Aneignungsbegriff ankommt, ist ein anderer: Er hebt auf die Spezifik der Praktiken des Umgangs mit Medien ab. Diese Spezifik ist darin zu sehen, dass Praktiken der Medienaneignung auf den »Einbau« von Medien als Inhalte und Technologien in die alltagsweltliche Lebenspraxis zielen, die sich damit wiederum selbst wandelt. Dabei ist Medienaneignung ein Prozess der Bedeutungszuweisung, bei dem translokale mediale Diskurse in Beziehung gesetzt werden zu lokal verankerten Alltagsdiskursen. In diesem Prozess ist das Alltagsgespräch einer der zentralen »Katalysatoren« (Hepp 1998; Hepp 2005): Durch unsere direkte wechselseitige Kommunikation mit Menschen in unserem direkten Lebensumfeld handeln wir den Stellenwert von Medientechnologien aus, setzen bestimmte Repräsentationen und deren Bedeutungsangebote in Relation zu den Werten unseres direkten Umfelds, schlagen Brücken zwischen medialen Narrationen und unseren eigenen usw. Ein solches Grundverständnis von Medienaneignung ist der Ausgangspunkt der Überlegungen in diesem Kapitel. Dabei rückt die Frage in den Mittelpunkt, welche Stellung die Medienaneignung im Gesamtprozess der transkulturellen Kommunikation hat. Durch welche Prozesse werden transkulturell zugängliche, mediale Ressourcen angeeignet? Welchen Veränderungen ist dabei die Alltagswelt ausgesetzt? Und in welcher Beziehung steht dies zur kulturellen Identität, Vergemeinschaftung und Bürgerschaft und deren kommunikativen Figurationen? 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 195 195 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung Eingangs dieses Kapitels haben wir relativ pauschal festgestellt, dass Medienaneignung ein Prozess der kulturellen Lokalisierung ist. Doch was muss man sich darunter im Detail vorstellen? Welche Rückschlüsse sind daraus, bezogen auf Prozesse transkultureller Kommunikation, zu ziehen? Diese Frage soll in diesem Teilkapitel näher behandelt werden. Den Einstieg dazu bildet eine klassische Studie, die es uns erleichtert, unsere Überlegungen zu konkretisieren, nämlich die Untersuchung »Export of Meaning« von Tamara Liebes und Elihu Katz (Liebes/ Katz 1993; Liebes/ Katz 2002). Liebes und Katz setzen sich in dieser Untersuchung mit der Aneignung derjenigen Soap- Opera auseinander, die während der 1980er- und 1990er-Jahre in vielen Ländern der Welt als Inbegriff der »Amerikanisierung« gegolten hat, nämlich »Dallas«. Ihre Forschung setzt an dem allgemeinen Diskurs der Rezeptions- und Aneignungsforschung der 1980er-Jahre an und an dessen zunehmender Orientierung an den »aktiven« und »kritischen« Potenzialen der Medienrezipientinnen und -rezipienten (Liebes/ Katz 2002: 586 f.). Dass eine solche Annäherung an das Phänomen angemessen ist, zeigen für Liebes und Katz die Ergebnisse des Uses-and-Gratification-Approachs, als einer dessen Begründer Katz gilt. Dieser Ansatz hat durch seine empirischen Untersuchungen deutlich gemacht, dass Menschen Medien ausgehend von eigenen Bedürfnissen und Motiven bzw. damit verbundenen Wahlentscheidungen nutzen. In eine ähnliche Richtung verweisen Arbeiten aus der Tradition der Rezeptionsästhetik. Diese betonten den Eigensinn verschiedener »Interpretationsgemeinschaften« (Fish 1980; Hepp 2010: 200-205; Radway 1984; Schröder 1994), für die unterschiedliche Aneignungsweisen und Lesarten von Medieninhalten kennzeichnend seien. Ausgehend von solchen unterschiedlichen Studien sei anzunehmen, dass bei der Aneignung einer Soap-Opera wie »Dallas« in verschiedenen kulturellen Kontexten eine Eigenständigkeit von Aneignungsweisen bzw. »kritische« Potenziale des Umgangs mit dem Medienprodukt bestehen. Genau diese wurden mit der Studie »Export of Meaning« untersucht. Das Material, auf das sich die Studie stützt, sind 65 Gruppendiskussion je einer »Dallas«-Folge zwischen drei verheirateten Paaren, die Freunde oder Nachbarn sind und die gleiche ethnische Herkunft haben. Diese Gruppendiskussionen wurden in insgesamt sechs unterschiedlichen Kulturgemeinschaften realisiert: in Israel mit Arabern, mit vor kurzem aus Russland emigrierten Juden, mit marokkanischen Juden, mit Kibbuzniks der zweiten Generation; in den USA mit einer Gruppe von Amerikanern aus der Gegend von Los Angeles sowie in Japan mit einer Gruppe von Japanern aus Tokio. Durch eine vergleichende Auswertung des Materials konnten Liebes und Katz nicht nur zeigen, dass die Soap-Opera »Dallas« in unterschiedlichen kulturellen Kontexten verschieden angeeignet wird-- bis hin zu einer »fehlenden« Aneignung in Japan, an deren Ende dann die Absetzung der Serie stand. Darüber hinaus weisen ihre Ergebwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 196 6 Medienaneignung und Transkulturation 196 nisse darauf hin, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer verschiedene kritische Haltungen gegenüber der amerikanischen Serie einnehmen. Die auf solche Fragen bezogenen Auswertungen von Liebes und Katz gehen von einem Gegensatz zwischen referenziellen und kritischen Äußerungen über die Soap- Opera aus (Liebes/ Katz 2002: 589). Als »referenziell« bezeichnen sie all solche Äußerungen, in denen ein Bezug zwischen der Serie und dem- - auch eigenen- - Leben hergestellt wird. »Kritisch« sind in ihrer Terminologie solche Äußerungen, die die Serie in ihrem Charakter als Medienprodukt thematisieren. Hierbei machen sie »Kritik« auf drei analytischen Ebenen fest: Dies ist erstens die Ebene der semantischen Kritik, die sich auf das Thema der Serie, ihre Botschaften und Archetypen bezieht. Für die Araber stehen die Themen der Serie für die »moralische Degeneration« (Liebes/ Katz 2002: 595) der USA, die Amerikaner hingegen sehen in der Serie eher einen spielerischen Umgang mit Themen zur Unterhaltung der Zuschauerinnen und Zuschauer. Die Ebene der syntaktischen Kritik bezieht sich auf das Genre bzw. Drama der Serie als solches, d. h. darauf, inwieweit die Verbindung der Einzelelemente als Teil eines Ganzen der Serie (kritisch) gesehen wird. Gerade hier sollte man-- wie es Katz und Liebes formulieren-- »weniger von der syntaktischen Fähigkeit der Amerikaner beeindruckt sein als vielmehr von dem hohen Niveau ähnlicher Fähigkeiten, die die Nichtamerikaner zeigten, die weniger Erfahrung mit den Gesetzmäßigkeiten des amerikanischen Fernsehdramas haben« (Liebes/ Katz 2002: 600). Die Japaner sahen die Erzählform des Genres der Soap-Opera vor der Folie ihrer »eigenen« Medienkultur. Für sie sind vor dem Hintergrund eigener Erzähltraditionen insbesondere die Handlungsabbrüche (»cliffhangers«) am Ende einer Einzelfolge und die damit verbundene »Disharmonie« problematisch, was auch den Misserfolg von Dallas in Japan erklärt. Auf der dritten Ebene-- der der pragmatischen Kritik-- geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit der Serie, ihrer Semantik und Syntaktik in Bezug auf den je eigenen Handlungshorizont. Auch dies kann zwischen verschiedenen kulturellen Kontexten sehr unterschiedlich sein: Die Araber polarisierten die Welt der Serie als die des »Fremden« im Gegensatz zum »Eigenen«, die Japaner sahen eine Unvereinbarkeit der Serienwelt mit dem eigenen kulturellen Handlungshorizont, und die Amerikaner und Russen trafen sich in ihrer pragmatischen Kritik dahingehend, dass »sie sich explizit von den Auswirkungen [der Serienrezeption] ausnehmen, die sie anderen unterstellen« (Liebes/ Katz 2002: 609). Sicherlich ist aus heutiger Perspektive einer der Schwachpunkte der Studie von Liebes und Katz deren empirische Basis. So untersuchen sie primär die Medienaneignung von aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten stammenden, aber in Israel lebenden Menschen. Ebenso zeichnet sich die Untersuchung durch einen einfachen Kulturalismus aus, der kulturelle Differenz als Erklärvariable für unterschiedliche Handlungsweisen nimmt und nicht die Artikulation von Kultur selbst- - in diesem Fall: im Prozess der Rezeption einer US-amerikanischen Fernsehserie-- zum Gegenstand der Untersuchung macht. Deutlich wird dies an den sehr verallgemeinernden 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 197 197 Textbox-6: »Dallas« in unterschiedlichen kulturellen Aneignungen Japaner »Die Zuschauer in Japan [sagen], dass sie nur eine Serie weiterverfolgten, wenn alle Figuren am Ende der Folge ziemlich zufrieden seien. Wenn sie das Schema der amerikanischen Seifenopern mit denen aus ihrer heimischen Produktion vergleichen, behaupten sie, dass im Gegensatz zu ›Dallas‹- - wo eine Folge im raschen Tempo voranschreitet, um auf dem Höhepunkt des Konflikts nach 50 Minuten zu enden-- das japanische ›Home Drama‹ zwei Stunden dauert, gemächlich verläuft und am Ende harmonisch endet. Nach der Aussage von Diskussionsteilnehmern können Japaner es nicht ertragen, familiäre Konflikte von einer Woche zur nächsten mitzuschleppen, weil diese ›die Stimmung der Entspannung‹ zu Hause verderben würde. Diese Unvereinbarkeit zwischen Schema und den Erwartungen der Zuschauer gibt einen Hinweis darauf, warum amerikanische Familien-Fernsehspiele in Japan keinen Erfolg haben.« (Liebes/ Katz 2002: 601) Araber »Es gibt ›bemerkenswerte Ähnlichkeiten‹ zwischen Arabern und Russen, für die die Sendung die ›moralische Degeneration‹ und den ›korrupten Kapitalismus‹ widerspiegelt, obwohl die Russen die Genauigkeit der Darstellung etwas mehr in Frage stellen als die Araber. Die Araber machen die moralischen Degenerationen viel wahrscheinlicher für die Übel der modernen Gesellschaft verantwortlich, während die Russen eher die politischen Ursachen sehen.« (Liebes/ Katz 2002: 595) Russen »Die Russen, die zwar weniger Wissen als die Amerikaner in Bezug auf das, was hinter den Kulissen vorgeht, haben, wissen dennoch, dass ›etwas‹ stattfindet. Sie interessieren sich jedoch nicht für die vertraglichen Beziehungen auf der Ebene der Schauspieler, sondern für das Geschäft des Gewinnens von Publika und für den Verdacht der ideologischen Kontrolle des Programms durch die Eliten. In der Tat sind die Russen merkwürdigerweise die einzigen, die den Abspann ernst nehmen. Sie kennen die Namen der Produzenten, spekulieren über deren Motivation und glauben manchmal, dass sie von oben manipuliert werden und dass Produzenten Propaganda betreiben und anbieten.« (Liebes/ Katz 2002: 606) Amerikaner »Dem Bereich der Botschaften [von ›tiefergehenden‹ oder ›impliziten‹, mit Dallas verbundenen Aussagen] scheinen die Amerikaner ablehnend gegenüberzustehen. Sie nennen nicht nur weniger Botschaften als alle anderen ethnischen Gruppen, sondern beteuern, dass ›Dallas‹ auch keine Botschaft für sie haben kann, weil es bloße Unterhaltung, nur ein Zufluchtsort ist. Entsprechend ihrer spielerischen Aussagen im referenziellen Bereich lehnen es die Amerikaner ab, dass es irgendetwas Ernstes bei ›Dallas‹ gibt.« (Liebes/ Katz 2002: 597 f.) www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 198 6 Medienaneignung und Transkulturation 198 Aussagen der Untersuchung, wie sie in den obenstehenden Zitaten zu finden sind. Hinzu kommt, dass der Fokus dieser Untersuchung ausschließlich die produzierte Medienkommunikation des Fernsehens gewesen ist und neuere Formen der Medienkommunikation bzw. die Einbettung auch des Fernsehens in ein wesentlich vielschichtigeres Medienensemble nicht Gegenstand der Studie sein konnten. Trotz solcher sicherlich nicht zu unterschätzenden Probleme führt diese Untersuchung allerdings zwei Punkte vor Augen, die hilfreich für ein angemessenes Verständnis von Medienaneignung in Prozessen transkultureller Kommunikation sind: • Eigensinn der Medienaneignung: In der Medienaneignung zeigen sich verschiedene Momente von Eigensinn. Diese können bis hin zu einer kritischen bzw. oppositionellen Haltung reichen. Und auch da, wo dies nicht der Fall ist, besteht gleichwohl ein Eigensinn in der Art und Weise des Rückbezugs auf die eigene Alltagswelt. • Differenz der Medienaneignung: Selbst ein transkulturell weitgehend einheitlich verfügbares Medienprodukt wie »Dallas« wird in den unterschiedlichen kulturellen Kontexten verschieden angeeignet bzw. ist- - wie das Beispiel Japans gezeigt hat-- aus (medien-)kulturellen Gründen möglicherweise überhaupt nicht für weitergehende Aneignungsprozesse anschlussfähig. Mit diesen beiden Argumenten kann die Studie von Liebes und Katz als Startpunkt einer differenzierten Auseinandersetzung mit Medienaneignung in Prozessen transkultureller Kommunikation angesehen werden. Doch wie müssen wir uns diesen Prozess der Medienaneignung in seinem Eigensinn und seiner Differenz vorstellen? Antworten auf diese Frage sind in der Forschung insbesondere mit dem Begriff der Domestizierung verbunden (Morley/ Silverstone 1990; Silverstone et al. 1992). Dieser Begriff wendet sich gegen einen Medienbzw. Technikdeterminismus, der Wandel entweder als Wirkung von Medieninhalten oder aber als Wirkung von Medientechnologien annimmt (Silverstone 2006). In Abgrenzung hierzu betont das Konzept der Domestizierung, dass Medienaneignung ein »Prozess des Nachhausebringens« (Silverstone 2006: 233) von Medien als Inhalt und Technologie ist. Dabei lassen sich insgesamt vier Dimensionen dieser Aneignung als Domestizierung ausmachen, nämlich erstens die der Kommodifizierung (»commodification«), zweitens die der Objektifizierung (»objectification«), drittens die der Eingliederung (»incorporation«) und viertens die der Umwandlung (»conversion«) (siehe dazu auch Hartmann 2006; Hartmann 2009). Unter der Kommodifizierung ist zu verstehen, dass eine Medientechnologie zuerst einmal zur »Ware« werden und vermarktet werden muss, um angeeignet werden zu können. Diese Kommodifizierung verweist insofern bereits auf Prozesse der Aneignung, als bestimmte (mögliche) Umgangspraktiken mit Medientechnologien und Produkten bei deren Herstellung und Vermarktung antizipiert bzw. unterstellt werden- - unabhängig davon, wie die Aneignung selbst dann konkret aussieht. Objektifizierung bezeichnet das »Inbesitzbringen« eines Mediums als Objekt. Dies kann letztlich als der Ausgangspunkt für eine weitergehende lokale 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 199 199 Aneignung begriffen werden. Letztere wird konkret mit der Eingliederung, worunter die Integration eines Mediums und seiner Inhalte in alltagsweltliche Abläufe, Routinen und Rituale zu verstehen ist. Die Dimension der Umwandlung beinhaltet schließlich den Umgang mit einem Medium und seinen Inhalten, die damit erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten, die nach außen »sichtbar« und damit in gewissem Sinne »öffentlich« werden. Dabei handelt es sich um eine Sichtbarkeit, die in (zukünftigen) Kommodifizierungen wiederum aufgegriffen wird. An anderer Stelle sprechen Silverstone et al. von einer fünften Dimension, nämlich der Aneignung im engeren Sinne des Wortes. Damit fassen sie »den gesamten Prozess des Konsums wie auch den Moment, an dem ein Objekt die Türschwelle zwischen den formalen und moralischen Ökonomien überschreitet« (Silverstone et al. 1992: 22). Der in diesen Schritten zu verstehende Prozess der Domestizierung bezieht sich auf den Haushalt als zentraler Betrachtungskategorie: »Zum Domestizieren benötigt es (scheinbar) ein domus, ein Haus bzw. einen Haushalt« (Hartmann 2008: 404). Hierbei spricht Silverstone von der »moralischen Ökonomie des Haushalts« (Silverstone 1994: 45 f.; siehe dazu im Detail Hepp 2010: 209-211) und meint damit, dass der Haushalt einerseits eine ökonomische Einheit ist und entsprechend Teil des Wirtschaftssystems in seiner Gesamtheit. Andererseits ist er auch eine »sittliche« Größe, da das (ökonomische und weitere) Handeln seiner Mitglieder vermittelt wird durch ein spezifisches Set von soziokulturellen Wahrnehmungsweisen, Werten und Ästhetiken, die selbst wiederum konstituiert werden durch die Erfahrungen, Biografien und Taktiken der Mitglieder eines Haushalts. In diesem Sinne ist die »moralische Ökonomie« eines Haushalts je nach Kontext unterschiedlich- - letztlich jedoch der Horizont, in dem Medien domestiziert werden. Dieses Konzept der Domestizierung-- das in jüngerer Zeit wieder (kritisch) diskutiert wird (vgl. die Beiträge in Berker et al. 2006 und Röser 2007)-- hilft, Medienaneignung weiter zu konkretisieren: Die Aneignung von Medien in unterschiedlichen »häuslichen Welten« (Hepp 1997) sollte in einem umfassenden Rahmen begriffen werden, indem es neben Fragen von Medieninhalten ebenso um die Aneignung von Medientechnologien auf der Ebene von Apparaten und deren Positionierung im häuslichen Rahmen geht (Morley 2007: 275-292; Morley/ Silverstone 1990). Gleichzeitig erscheint es zielführend, den Umgang mit Medien in einem weitergehenden Rahmen von Alltagshandeln zu sehen, d. h. in einem Set von verschiedenen Praktiken und Ritualen, die letztlich das artikulieren, was Roger Silverstone als Haushalt bezeichnet: ein Artikulationsprozess, der wiederum auch durch die Nutzung von Medientechnologie geschieht (vgl. bereits Bausinger 1983). Diese mit dem Ansatz der Domestizierung verbundene Verbreiterung der Perspektive ist für eine Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation in hohem Maße zielführend. Sie hilft, sich zu vergegenwärtigen, dass die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten bestehende Differenz der Medienaneignung nicht bei Fragen der Rezeption von Medieninhalten und -repräsentationen stehenbleiben kann. In einem www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 200 6 Medienaneignung und Transkulturation 200 grundlegenderen Blick wird es notwendig, sich ebenso damit auseinanderzusetzen, wie die jeweilige Medientechnologie in den unterschiedlichen Kontexten »positioniert« wird. Gleichwohl bleiben doch zwei Probleme bestehen, weswegen der Ansatz der Domestizierung nicht eins zu eins als Grundlage für die Betrachtung von Aneignung im Rahmen von transkulturellen Kommunikationsprozessen anwendbar erscheint. Der erste der beiden Kritikpunkte betrifft den Medienwandel. Begreift man die Aneignung von Medien(-technologien) als einen Vorgang der Domestizierung, wird der Aspekt der Integration des Neuen in die Reartikulation des Bestehenden betont, weniger der damit verbundene Wandel des Bestehenden. Um es konkreter zu machen: Wenn ich mich damit befasse, wie Fernsehen bzw. Fernsehsendungen auf der Basis der bestehenden »moralischen Ökonomie« eines Haushalts domestiziert werden, liegt der Blick darauf, wie diese »moralische Ökonomie« fortbesteht, und nicht, wie sie sich in der Medienaneignung wandelt. Der Fokus dieser Kritik ist nicht, einer traditionellen Wirkungsvorstellung wieder Raum zu geben. Allerdings ist bei diesem Ansatz durch eine gewisse »konservative Natur« (Hartmann 2008: 411) ein zu geringer Akzent auf den mit der Aneignung von Medien(-inhalten) verbundenen kulturellen Wandel gelegt. Der zweite Kritikpunkt betrifft die Kategorie des Haushalts, die den Ausgangspunkt des Domestizierungsansatzes bildet. Der Fokus auf Haushalte war sicherlich ein wichtiger Schritt in der Medienaneignungsforschung, gerieten damit doch die Pluralität verschiedener Lebensformen und ihre materiellen Kontexte in den Blick (Hepp 1997). Gleichzeitig ist jedoch die »häusliche Welt« mit fortschreitender Mediatisierung nicht der alleinige lokale Kontext der Medienaneignung. Man denke beispielsweise an die vielfältigen öffentlichen und halböffentlichen Nutzungsorte auch produzierter Medienkommunikation, wenn beispielsweise in afrikanischen Dörfern der einzige verfügbare Fernseher auf öffentlichen Plätzen genutzt wird. Ebenso kann an die Mediennutzung in verschiedensten Städten der Welt erinnert werden, die verstärkt durch kommunikative Mobilität gekennzeichnet ist, d. h. durch das Mobilwerden von Endgeräten (Mobiltelefon, aber auch MP 3-Player, tragbare Spielkonsolen usw., vgl. Bull 2004; Hepp 2013a: 114-116). Zwar haben Haushalte nach wie vor eine »objektive Realität in dem makroinstitutionellen Rahmen des Staates« (Silverstone 2006: 241), ob sie damit aber transkulturell gesehen genereller bzw. alleiniger Bezugspunkt der Auseinandersetzung mit Medienaneignungsprozessen sein können, erscheint fraglich. In ähnlichem Sinne weisen auch Arbeiten, die sich explizit in die Tradition des Domestizierungsansatzes stellen, darauf hin, dass die phänomenologische Kategorie des (auch mobilen, beweglichen, durch verschiedenste Praktiken artikulierten) »Zuhauses« geeigneter erscheint als die materialistische Kategorie des Haushalts, um gegenwärtige Medienaneignungen verstehen zu können (Bakardjieva 2006; Morley 2001a). Trotz dieser beiden Probleme des Domestizierungsansatzes-- neben denen sicherlich andere bestehen (Morley 2006)-- macht dessen Diskussion es möglich, Medien- 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 201 201 aneignung weiter im Hinblick auf transkulturelle Kommunikation zu konkretisieren. Vor dem Hintergrund der Problemhaftigkeit der Kategorie des Haushalts bietet es sich an, eher mit dem phänomenologischen Konzept der Alltagswelt zu arbeiten (Bakardjieva/ Smith 2001). Aneignung bezeichnet dann so viel wie den Prozess der kulturellen Lokalisierung in der Alltagswelt: In ihrer Medienaneignung »lokalisieren« Menschen mittels verschiedener kultureller Praktiken Medien als Inhalte und Technologien in ihrer »Lebens-« bzw. »Alltagswelt«. Im Rahmen einer phänomenologischen Forschung bezeichnet »Lebenswelt« dabei die Sinnwelt eines Menschen, die neben der Alltagswelt weitere Sinnprovinzen umfasst wie beispielsweise Traumwelten, Welten religiöser Erfahrung oder auch medienvermittelte Welten (Schütz/ Luckmann 1979: 25-37). Die Alltagswelt fasst dabei den lokalen Lebenszusammenhang eines Menschen. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er intersubjektiv ist, bis auf Weiteres als unproblematisch angenommen wird sowie der Bereich der primären Wirklichkeitserfahrung von Menschen und des Alltagshandelns ist. Unter dem Lokalen ist dabei das Gesamt derjenigen Lokalitäten zu verstehen, die im Alltagsleben für eine in einem bestimmten kulturellen Kontext lebende Person erreichbar sind. Lokalisierung kann dann zuerst einmal auf materieller Ebene geschehen: Ein Fernsehgerät, ein (Mobil-)Telefon, ein Computer usw. muss in den jeweiligen Orten der Alltagswelt »positioniert« werden-- und hier ergeben sich bereits erhebliche kulturelle Differenzen, die auf unterschiedliche Aneignungsweisen (und -möglichkeiten) verweisen. Lokalisierung heißt aber auch Verortung in den kommunikativen Vernetzungen, Diskursen und Sinnhorizonten der jeweiligen Alltagswelt. Mit einer solchen Lokalisierung bleibt allerdings die Alltagswelt der Menschen nicht unverändert: Durch die Aneignung der Medientechnologien verändern sich nicht nur Kommunikationsmöglichkeiten und Settings. Ebenso wandeln sich auch die Diskurse und Sinnhorizonte selbst, indem weitere Sinndimensionen hinzukommen, wie sich auch Konfliktfelder und Zugehörigkeiten verschieben. Kulturelle Lokalisierung ist-- metaphorisch gesprochen-- eine Verortung im »Zuhause der Alltagswelt«, die damit selbst einem Wandel unterzogen wird, indem sich deren kommunikative Vernetzungen, Diskurse und Sinnhorizonte mit der Aneignung von Medien als Technologie und Inhalt transformieren. Die Lebens- und Alltagswelten sind über verschiedene kulturelle Kontexte hinweg in dem Sinne als mediatisierte Phänomene zu begreifen, dass sie in ihrer gegenwärtigen Form umfassend durch verschiedene Medien geprägt werden. So »dehnt« sich beispielsweise die kommunikative Reichweite der alltagsweltlichen Lokalitäten mittels Medien wie Telefon, Fax oder E-Mail aus. Die alltagsweltlichen Praktiken sind zunehmend Medienpraktiken, indem diese mit Bezug auf Medien vollzogen werden-- auch da, wo es nicht um die Rezeption von Medien geht, sondern anderweitig beispielsweise unter Zuhilfenahme von Mobiltelefon oder Internet gehandelt wird. Aber auch viele Vorstellungen von Leben, viele Träume, Wünsche und Handlungswww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 202 6 Medienaneignung und Transkulturation 202 orientierungen der Lebenswelt einer zunehmenden Zahl von Menschen weltweit werden in Bezug auf Medien und deren Repräsentationen artikuliert (siehe im Detail Hepp 2013a). In unserer heutigen durch Mediatisierung gekennzeichneten Zeit ist das Leben einer wachsenden Zahl von Menschen ein Leben in mediatisierten Welten- - hier verstanden als durch Mediatisierung gekennzeichnete Segmente von Lebenswelten bzw. Sozialwelten (Hepp/ Krotz 2012). Aneignung als kulturelle Lokalisierung meint entsprechend auch nicht die Verortung in einem medienfreien Kontext. Vielmehr geht es verstärkt um die Verortung in Lebens- und Alltagswelten, die bereits durch den Gebrauch von Medien artikuliert werden und deren Horizonte durch die Sedimentierungen vorheriger Medienerfahrungen gekennzeichnet sind. Hiermit kann Transkulturation zu einem Moment von Alltagserfahrung werden. Andy Bennett (2003) zeigt beispielsweise in seiner Untersuchung zur Aneignung des amerikanischen Hip-Hops durch Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund in Frankfurt am Main, wie in solchen Transkulturationen ein Wandel der Identitätsartikulation hin zu einer marginalisierten Migrantenidentität erfolgte. In unserer eigenen Untersuchung zur marokkanischen, russischen und türkischen Diaspora in Bremen und Berlin (bzw. Umland) konnten wir zeigen, in welchem Maße eine transkulturelle kommunikative Vernetzung durch unterschiedlichste Medien helfen kann, eine »weltorientierte« kulturelle Identität zu leben, bei der mit der Migrationserfahrung derart umgegangen wird, dass einfache nationalkulturelle Verortungen abgelehnt werden (Hepp et al. 2011: 213-238). Und auch für indigene Menschen arbeitete Paul Kennedy heraus, dass deren Engagement für ein selbstbestimmtes lokales Leben in erheblichen Teilen über transkulturelle Kommunikation auf globaler Ebene erfolgt (Kennedy 2010: 192-203). Die Form des lokalen Lebens, um die es dann geht, ist letztlich ein in vielfältigen Prozessen der Transkulturation gewandeltes Leben. Solche hier nur kurz umrissenen Beispiele verdeutlichen die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Lokalitäten selbst, in denen die jeweiligen Aneignungsprozesse erfolgen. Diese kann aber nicht eindimensional sein und Orte als statisches Phänomen begreifen. Erstens sind Lokalitäten nämlich nicht einfach etwas physisch Gegebenes, sondern werden in ihrer Bedeutungsdimension von Menschen durch vielfältige Interaktionen geschaffen (Massey 1994: 39). Lokalitäten sind in Bezug auf materielle bzw. physische Aspekte gefasste, soziokulturell definierte Orte mit geteilten Räumen menschlicher Interaktion. Zweitens ist die Konstruktion einer so verstandenen Lokalität nicht einfach etwas, das dem Mediengebrauch gegenübergestellt ist. Vielmehr werden heutige Lokalitäten auch u. a. durch medienbezogene Praktiken geschaffen und sind in diesem Sinne selbst mediatisiert. Drittens schließlich ist es unabdingbar, bei einer Auseinandersetzung mit den Lokalitäten von Medienaneignung im Blick zu behalten, dass diese durch den Akt der Medienaneignung translokal entgrenzt sind, also auf Kommunikationsnetzwerke und Kommunikationszusammenhänge verweisen, die über das Lokale hinausgehen. In diesem Sinne 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 203 203 scheint eine-- um hier einen Begriff der Kulturanthropologie zu entlehnen (Marcus 1995)- - »multisited« Annäherung an diese unabdingbar. Man sollte bei einer jeden Betrachtung von Lokalitäten der Medienaneignung stets das ortsübergreifende Netzwerk von Lokalitäten im Blick haben, zu denen diese kommunikativ entgrenzt ist-- ob nun durch wechselseitige, produzierte oder virtualisierte Medienkommunikation. Nähert man sich in einer transkulturellen Perspektive den verschiedenen Lokalitäten der Medienaneignung an, erscheint es hilfreich, die Gegensatzpaare von »privat« und »öffentlich« bzw. »kollektiv« und »individuell« zu berücksichtigen. Beide haben eine umfassende Tradition in der Medien- und Kommunikationsforschung, die an dieser Stelle nicht aufgearbeitet werden kann (siehe beispielsweise die vielfältigen Bezüge in Habermas 1990 und der davon ausgehenden Diskussion, wie sie von Gripsrud 2010b dokumentiert wurde). Eine solche Tradition aber im Blick habend, soll an dieser Stelle als öffentliche Lokalität eine solche verstanden werden, die der Allgemeinheit frei zugänglich ist, unter einer privaten Lokalität eine solche, die einer Person oder Gruppe von Personen gehört, die den Zugang zu dieser auch restringieren können. Die Ausdrücke kollektiv und individuell werden weniger auf die Lokalität als solche bezogen, sondern mehr auf ihr Setting des Mediengebrauchs, der entweder alleine (»individuell«) oder gemeinsam (»kollektiv«) erfolgen kann. Beide Gegensatzpaare stehen in Beziehung miteinander, können aber nicht gleichgesetzt werden: Sicherlich ist es so, dass »private Lokalitäten« wesentlich größere Möglichkeiten auch der »individuellen Medienaneignung« eröffnen, aber nicht zwangsläufig dazu führen müssen-- wie auch eine Medienaneignung an »öffentlichen Orten« nicht notwendig »kollektiv« sein muss. Ebenso müssen wir gerade in einer transkulturellen Perspektive vorsichtig sein, dass wir diese Begriffe nicht auf kontextfreie, binäre Gegensätze reduzieren und deren im Einzelfall fließende Übergänge berücksichtigen. Was jeweils als »öffentlich«, »privat«, »kollektiv« und »individuell« gilt, ist also mit Bezug auf die betrachteten Lokalitäten zu erfassen, und es gibt Übergangsbereiche zwischen diesen Gegensätzen. Dennoch ermöglichen diese Begriffe eine weitergehende Annäherung an die verschiedenen Lokalitäten der Medienaneignung, wie die folgenden Beispiele aus den letzten beiden Jahrzehnten deutlich machen. Inwieweit in einzelnen lateinamerikanischen Kontexten eine spezifische Grenzziehung von privater und öffentlicher Lokalität gekennzeichnet ist, wird an der Studie von Odina Fachel Leal (1995) zum Fernsehen in Arbeiter- und Oberschichtshaushalten in Porto Alegre, Brasilien, deutlich. Während die Lokalisierung des Fernsehens in Oberschichtshaushalten nicht zu sehr von aus Europa bekannten Mustern abweicht, ist die Situation in den Arbeiterhaushalten der Favelas eine andere. Dort fällt auf, dass das Fernsehgerät in dem von der Straße aus zugänglichen Wohnzimmer zumeist direkt gegenüber einer Tür so platziert ist, dass es von außen eingesehen werden kann. Umrahmt ist der Fernsehapparat dabei typischerweise von einem Arrangement aus Plastikblumen, falschen goldenen Vasen, Familienfotografien und anderen Gegenständen des täglichen Andenkens. Nach Leal verweist diese Lokalisierung des Fernsewww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 204 6 Medienaneignung und Transkulturation 204 hens auf seine kommunikative Positionierung im kulturellen Kontext der brasilianischen Arbeiterschicht, die sich primär aus in die Favelas der Großstädte gezogenen Bauern und Landarbeitern rekrutiert: So sind in der Nachbarschaft die Grenzen zwischen Haus und Straße unscharf, die Türen stets geöffnet, um den halböffentlichen Raum vor der Eingangstür in die beengte häusliche Welt zu integrieren (Leal 1995: 317). Man kann also einerseits davon sprechen, dass der Fernsehapparat mit seinen dekorativen, von der Straße zu sehenden Objekten die Funktion der Demonstration eines gewissen kommunikativen Status der betreffenden Lebensgemeinschaft hat. Andererseits ist diese typische Platzierung des Fernsehapparats in der häuslichen Welt sowohl ein Zeichen der brasilianischen Arbeiterschicht als auch für eine spezifische Grenzziehung zwischen privaten und halböffentlichen Räumen: Diejenigen, die sich vor dem Haus aufhalten, werden nicht nur in einen privaten Raum, sondern auch in eine kollektive Rezeption mit einbezogen. Wiederum anders sind die Gegensätze zwischen privater und öffentlicher Lokalität bzw. individuellem und kollektivem Fernsehen im ländlichen Indien zum Zeitpunkt der dortigen Etablierung des Fernsehens interpretierbar. Wie Kirk Johnson (2000) anhand einer im Bundesstaat Maharashtra durchgeführten ethnografischen Studie zeigt, verbreitete sich das Fernsehen im ländlichen Indien, indem sich Privatpersonen Fernsehapparate kauften, diese allerdings für eine kollektive Rezeption im Kreis der Nachbarschaft zugänglich machten. Welchen Stellenwert die kollektive Rezeption hatte, machen allein seine statistischen Auswertungen deutlich: So findet sich 1996, d. h. zu dem Zeitpunkt, als er die Studie durchführte, in weniger als 25 Prozent der untersuchten Haushalte ein Fernsehapparat. Dies heißt aber gerade nicht, dass viele der Dorfbewohnerinnen und -bewohner keinen Zugang zum Fernsehen hatten: Dies traf auf nur 11 Prozent der Kinder, 32 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen aus Haushalten ohne Fernsehgeräte zu (Johnson 2000: 170 f.). Die vergleichsweise geringe Ausstattung mit Fernsehapparaten wird also durch eine kollektive Rezeption bei denjenigen, die Fernsehapparate haben, kompensiert. Die zentrale Rolle der privaten Lokalität für die frühe Fernsehaneignung im ländlichen Indien wird auch bei der lokalen Kommerzialisierung deutlich, also da, wo der Zugang zum Fernsehen lokal gegen Geld erworben wird. Dies ist erstens beim Satellitenfernsehen der Fall. So wurden Satellitenschüsseln privat erworben, wobei es allerdings üblich ist, dass Mitte der 1990er-Jahre die Wenigen, die sich den Kauf einer solchen Schüssel leisten konnten, gegen eine Gebühr anderen gestatten, mit privat verlegten Kabeln an dem Empfang zu partizipieren (Johnson 2000: 176 f.). Auf diese Weise entwickelten sich lokale »kommerzielle« Kabelnetze, die star tv und andere Satellitenangebote in Indien erst verbreiteten. Zweitens entstanden auf den Dörfern private »video parlors«, bei denen es sich um »Wohnzimmer« handelt, in denen Videofilme-- zum Teil Softpornos-- gegen Eintritt rezipiert werden können (Johnson 2000: 159-161). Auch hier geschah die lokale Kommerzialisierung mit Rückbezug auf die Möglichkeiten der häuslichen Welt. 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 205 205 Folgt man der Argumentation von Johnson (2000: 199-208) weiter, entstand mit dem kollektiven Fernsehen eine Kommunikationssituation, die im ländlichen Indien noch wenige Jahre zuvor nicht denkbar gewesen wäre: Männer und Frauen verbringen mit dem Fernsehen als gemeinsamer häuslicher Freizeitbeschäftigung mehr Zeit auch für gemeinsame Kommunikation miteinander. Daneben wird das Fernsehen über die Grenzen von Familien hinaus für die Face-to-Face-Kommunikation zentral. So erlaubt das Fernsehen als Ressource eine Kommunikation zwischen Personen, die ansonsten wegen Kastenunterschieden überhaupt nicht stattgefunden hätte- - und trägt hiermit zusammen mit dem Einblick in transkulturelle Wissensbestände zum Wandel bei. Es verändern sich ebenfalls die Genderbeziehungen, weil mit dem Fernsehen eine die traditionell in ihrer Freizeit und Unterhaltung getrennten Geschlechter verbindende Tätigkeit vorhanden ist. Hinzu kommt, dass im Fernsehen andere Genderrollen bzw. Genderwerte als in der bisherigen ländlichen Wirklichkeit repräsentiert werden. Dabei werden in Gesprächen Gendermodelle ausgehandelt, die gewissermaßen »zwischen« der Tradition im Dorf und den im Fernsehen repräsentierten Werten vermitteln. Die aus Bollywood-Filmen und »westlichen« Soaps bekannte Liebesheirat und die Tradition der arrangierten Heirat werden nicht als zwangsläufiger Gegensatz angesehen, sondern vielmehr als Idealfall einer »arrangierten Liebesheirat« konstruiert. Einen ganz anderen Blick auf das Wechselverhältnis von privater und öffentlicher Lokalität einerseits und von individuellem und kollektivem Setting andererseits eröffnen digitale Medien. Hier lässt sich zuerst einmal auf unsere Studie zu den Lokalitäten der kommunikativen Vernetzung von marokkanischen, russischen und türkischen Migrantinnen und Migranten verweisen (Hepp 2009a). Dabei haben sich insbesondere drei Arten von Lokalitäten als relevant für die Medienaneignung erwiesen, nämlich die »häusliche Welt«, das »Anderswo« und das »Irgendwo«. Die »häusliche Welt« fasst dabei mit dem eigenen Zimmer, der eigenen Wohnung bzw. dem eigenen Haus die Gruppe von Lokalitäten, die am stärksten »privat« sind. Während die Medienaneignung der interviewten Migrantinnen und Migranten an verschiedenen Orten stattfindet, bleibt die häusliche Welt die Lokalität, an der die meisten Medien verfügbar sind und auch genutzt werden. Dies geschieht sowohl in individuellen Settings als auch- - gerade, wenn es um herausgehobene Nachrichten und Filme der »eigenen« Herkunft, aber auch des aktuellen Lebenskontexts geht- - mit anderen gemeinsam. Transkulturelle Kommunikation wird so zu einer Gruppenerfahrung in der Diaspora. Eine Besonderheit des heutigen mediatisierten Zuhauses ist dabei, das populärkulturelle Geschehen (aktuelle Fernsehserien, Musik usw.) in unterschiedlichen kulturellen Kontexten (der Herkunft, Orten, an denen andere Migrantinnen und Migranten leben) zeitgleich verfolgen zu können. Zur Sicherung einer breiten kommunikativen Vernetzung der häuslichen Welten werden-- so es ökonomisch möglich ist- - neben dem Festnetztelefon und regulären Fernseher gezielt Satellitenfernsehen, Computer, Internetzugang usw. angeschafft. Gleichzeitig wird www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 206 6 Medienaneignung und Transkulturation 206 aber darauf geachtet, diesen umfassenden kommunikativen Konnektivitäten klare Grenzen des Privaten entgegenzusetzen. Der Begriff des »Anderswo« fasst all solche Orte der Alltagswelt, die jenseits der häuslichen Welt feste lokale Anlaufpunkte der Medienaneignung bilden. Bei der Vielzahl der relevant erscheinenden Lokalitäten-- insbesondere die der halböffentlichen Internetcafés, Telefonläden und Vereinsorte-- geht es zum einen um das Kostenmanagement, zum anderen um die lokale, über die eigene Familie hinausgehende Vergemeinschaftung: Insbesondere Telefonläden und Internetcafés werden aufgesucht, um die mitunter hohen Kosten für (individuelle) Kommunikationsbeziehungen in der Diaspora zu managen. Gleichzeitig sind diese Lokalitäten wie auch Vereinsheime und die für eine gemeinsame Rezeption besuchten privaten Wohnungen von Bekannten Orte kollektiver Medienaneignung, die so ein spezifisches, medienbezogenes Vergemeinschaftungserleben ermöglichen. Man kann bei Letzterem sowohl an das gemeinsame Computerspielen im Internetcafé denken, wie auch an den dort beiläufig stattfindenden Austausch über Probleme und das gemeinsame Sehen von Sport im migrantischen Vereinsheim. Eine dritte Art von Lokalität der migrantischen Medienaneignung ist das »Irgendwo«. Solche Lokalitäten zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar Bestandteil der lokalen migrantischen Alltagswelt sind, aber keine fest definierten Orte regelmäßiger Medienaneignung darstellen. Vielmehr handelt es sich um situativ hergestellte Orte einer im weitesten Sinne mobilen Medienaneignung. Zu denken ist an die Straßenecke, die als Abschirmung genutzt wird für ein vertrauliches Mobiltelefonat, das Auto, in dem ein spezielles Ethno-Radioangebot gesucht wird, usw. Diese Lokalitäten stehen dafür, inwieweit die Alltagswelt der marokkanischen, türkischen und russischen Migrantinnen und Migranten mit verschiedenen Formen einer kommunikativen Mobilität durchzogen sind. Und auch hierbei geht es mitunter um beiläufige, aber fest in den Alltagsablauf eingeschriebene Arten einer transkulturellen Kommunikation, wenn beispielsweise im Autoradio fest der lokale Sender des aktuellen Lebensorts gehört wird oder wenn in Wartesituationen das Smartphone nicht nur dazu verwendet wird, aktuelle politische Nachrichten der »Herkunft« zu lesen, sondern ebenfalls des aktuellen »Aufnahmelandes« bzw. anderer Länder. Eine solche Betrachtung von Lokalitäten migrantischer Medienaneignung fügt sich in eine Analyse der Orte der Medienaneignung einer neu entstehenden chinesischen Arbeiterklasse. Jack Linchuan Qiu (2009: 168-182)- - auf dessen Studie wir später nochmals detaillierter eingehen werden (siehe Kap. 6.2)-- hat hier verschiedene »Verbindungsorte« ausgemacht. Dies sind erstens kommerzialisierte und halb-öffentliche Orte der Cybercafés, die insbesondere jungen Männern zum (individuellen wie kollektiven) Computerspielen dienen. Zweitens sind dies Zeitschriften- und Buchläden, die ihre Waren nicht einfach nur zum Kauf anbieten, sondern zusätzlich Bücher und Zeitschriften gegen Geld verleihen, was eine Vielzahl unterschiedlicher individueller und kollektiver Aneignungen ermöglicht. Drittens ist zunehmend die Lokalität 6.1 Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 207 207 des Zuhauses ein wichtiger Ort der kommunikativen Vernetzung, indem sich verschiedene Arbeiterinnen und Arbeiter als »ADSL-Kooperative« (Qiu 2009: 173) die Kosten für einen Breitband-Internetzugang teilen und so Zugang zu den verschiedensten Medieninhalten finden. Schließlich sind die Telefonbars zu nennen, die ähnlich wie die bereits umrissenen Telefonläden preisgünstige Möglichkeiten des Ferntelefonats bieten, was in einem durch eine interne Arbeitsmigration gekennzeichneten China wichtiger wird. Ebenso verbreitet sich Mobilkommunikation. Die Aneignung dieser verschiedenen Medien zielt neben der eigenen Unterhaltung vor allem darauf, das eigene Leben als (Wander-)Arbeiter in durchaus prekären Situationen zu organisieren-- ein Punkt, auf den wir wie gesagt später nochmals zurückkommen werden. Versucht man solche Einblicke weiter zu systematisieren, lässt sich sagen, dass eine Betrachtung von Medienaneignung als kultureller Lokalisierung ihre verschiedenen Lokalitäten fest im Blick haben sollte. Vielleicht kann sogar ein Schritt weiter gegangen werden: Ausgehend von einer detaillierten Analyse der verschiedenen Lokalitäten lassen sich weitere Spezifika von Medienaneignung erfassen (Krotz 2002). Für deren vergleichende Betrachtung ist es hilfreich, den Blick insbesondere auf folgende vier Punkte zu lenken: • Medientechnologien und -inhalte: Zwischen den verschiedenen Lokalitäten bestehen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den zugänglichen Medientechnologien und -inhalten. Auch wenn diese Aussage allgemein gesprochen trivial sein mag, erscheint es zentral, diese auf der Ebene von Lokalitäten zuzuspitzen. Der Hintergrund ist die allgemeine Tendenz in der Medien- und Kommunikationsforschung, Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf Staatsebene zu aggregieren und dabei zu vergessen, dass beispielsweise der Zugriff auf Fernsehen im ländlichen Indien anders ist als im urbanen-- was für neuere technologische Entwicklungen ebenso für das ländliche und urbane Deutschland oder Großbritannien und andere europäische Länder gilt. • Soziale Arrangements: Dass eine Betrachtung der sozialen Arrangements wichtig ist, haben insbesondere die Argumente zu privaten und öffentlichen Lokalitäten einerseits und zum individuellen und kollektiven Setting der Mediennutzung andererseits gezeigt. Dies sind letztlich Aspekte des sozialen Arrangements, die auf Kernfragen der Medienkommunikation zielen. Wir können, wie die Beispiele zur Positionierung von Medienapparaten gezeigt haben, den Begriff des sozialen Arrangements auch wesentlich weiter denken und dabei ebenfalls berücksichtigen, welche Rolle die Verortung eines einzelnen Mediums in der Materialität einer Lokalität spielt. Dies macht auf einen durchaus »materiellen« Aspekt der Medienaneignung als einem Prozess der kulturellen Lokalisierung aufmerksam, nämlich die Frage, wie Medien als »Objekt« im Lokalen positioniert sind. • Praktiken und Handlungsformen: Wie wir gesehen haben, umfasst Medienaneignung weit mehr als die Rezeption bestimmter Medienprodukte bzw. den Moment des Gebrauchs bestimmter digitaler Medien. Sie ist darüber hinaus eingewoben in www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 208 6 Medienaneignung und Transkulturation 208 ein Feld verschiedener, in manchen Fällen nur partiell auf Medien bezogener, Praktiken. Auch in diesem Bereich können transkulturelle Gemeinsamkeiten und Differenzen ausgemacht werden, weswegen man nicht davon ausgehen kann, dass ein und dasselbe Medium als Technologie und Inhalt in verschiedenen kulturellen Kontexten in das gleiche Netz von Handlungen »eingewoben« ist, sondern man dies sehr genau untersuchen muss. • Diskursive Bedeutungszuweisung: Wie zu Beginn dieses Kapitels betont wurde, heißt Medienaneignung als kulturelle Lokalisierung, dass translokale, medial vermittelte Diskurse im Prozess der Bedeutungszuweisung in Beziehung gesetzt werden zu lokalen Alltagsdiskursen. Die betrachteten Beispiele haben immer wieder diesen Stellenwert der direkten wechselseitigen Kommunikation für die Aneignung von Medien-- gerade in Prozessen transkultureller Kommunikation-- deutlich gemacht. Allgemeiner lässt sich formulieren, dass Gemeinsamkeiten und Differenzen von Medienaneignung ebenfalls auf Gemeinsamkeiten und Differenzen von lokalen Alltagsdiskursen verweisen. Dies heißt aber nicht, dass sich damit nicht auch Alltags- und Lebenswelt selbst wandeln würden: Indem durch die Aneignung medial vermittelte Ressourcen in die alltägliche Bedeutungswelt »eingebaut« werden, ändert sich der lebensweltliche Sinnhorizont- - er erweitert sich um verschiedene, auch transkulturelle Bedeutungsmomente. Diese vier hier nochmals zusammenfassend vor Augen geführten, sicherlich aber nicht vollzähligen Punkte machen deutlich, wie vielschichtig Gemeinsamkeiten und Differenzen der Medienaneignung in Prozessen transkultureller Kommunikation sind. Die beschriebenen Kategorien sollen helfen, solche Gemeinsamkeiten und Differenzen analytisch besser einordnen zu können, ohne jedoch zwei Fehler zu begehen: erstens davon auszugehen, Medienaneignung wäre ein rein individuelles Phänomen, und zweitens zu denken, transkulturelle Kommunikation trage zu keinem Wandel bei. Gerade die Beispiele der empirischen Studien sollten deutlich gemacht haben, inwieweit Gemeinsamkeiten und Differenzen von Medienaneignung kein individuelles, sondern ein kulturelles Phänomen sind. Ebenso haben sie gezeigt, in welchem Maße sich Alltags- und Lebenswelt über Prozesse der Medienaneignung wandeln, auch wenn dieser Wandel nicht mit einfachen Konzepten der Medienwirkung zu fassen ist. Gerade der Begriff der Aneignung betont, dass das Konzept des Wandels eher auf ein »dialektisches Verhältnis« zwischen Medium und seinen Inhalten bzw. Technologien sowie den Umgang mit diesen im Prozess der Kommunikation abhebt, und es ist dies, was es zu untersuchen gilt. Bevor wir uns allerdings mit solchen Fragen bezogen auf Identität, Vergemeinschaftung und Bürgerschaft näher auseinandersetzen werden, soll es zuerst darum gehen, den im Feld der transkulturellen Kommunikation immer wieder diskutierten »digital divide« näher zu betrachten. 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 209 209 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten Setzt man sich mit Prozessen der Medienaneignung auseinander und hat dabei nicht nur den »Westen« im Fokus der Betrachtung, sieht man sich immer wieder mit dem Argument der globalen Kluft konfrontiert. In seiner einfachen Variante heißt dies, dass global gesehen die Mediatisierung der Welt ein Prozess ist, von dem viele Menschen ausgeschlossen seien, weil sie gar keinen Zugang zu Medien haben. Entsprechend bleiben damit alle Thesen eines alltagsweltlichen Relevanzgewinns medienvermittelter, transkultureller Kommunikation für viele Menschen eine Schimäre. Unbestritten ist der Zugang zu bestimmten Medien eine grundlegende Voraussetzung für eine Einbindung in Prozesse der transkulturellen Kommunikation. Deswegen wurde im letzten Teilkapitel dieser Punkt als ein wichtiger Aspekt der Betrachtung der Gemeinsamkeiten und Differenzen von Lokalitäten der Medienaneignung angesehen. Wie verhält es sich aber mit der These der »Kluft« im Zusammenhang unserer Gesamtargumentation? Auf die Komplexität dieser Frage hat bereits früh Néstor García Canclini hingewiesen, als er feststellte, die Länder Lateinamerikas seien möglicherweise »als endogene Produzenten elektronischer Medien unterentwickelt, aber nicht als Konsumenten« (García Canclini 2001: 25). Sein Argument ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine »unterentwickelte« Medienproduktion nicht auf eine »unterentwickelte« Medienaneignung verweisen muss. Will man sich mit dieser Problematik befassen, ist gleichwohl ein weiterer, vertiefender Blick auf die Diskussion notwendig. Nähert man sich dabei Fragen der Kluft, fällt auf, dass sich die Diskussion in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend und fast ausschließlich auf digitale Medien verschoben hat: Interessierten in den 1970er-Jahren als Teil einer Betrachtung des globalen »Nachrichten-« und »Fernsehflusses« die dabei bestehenden Klüfte, so wird aktuell in diesem Zusammenhang fast ausschließlich das Internet und verstärkt die Mobilkommunikation bezogen auf die »digitale Kluft« diskutiert (Norris 2001: 3-92). Fasst man die Argumentation von Herbert Kubicek und Stefan Welling (2000) zusammen, dann ist die Entstehung des Begriffs der digitalen Kluft (»digital divide«) vage auf das Jahr 1994 datierbar. Dabei sehen sich bereits frühe Klärungsversuche damit konfrontiert, dass mit dem Ausdruck sehr unterschiedliche Klüfte verbunden werden-- angefangen von Fragen des Zugangs zu kommunikativer Konnektivität auf rein materieller Ebene bis hin zu Klüften im Hinblick auf verschiedene Aspekte der Nutzung. Die vielleicht allgemeinsten Definitionen einer »digital divide« heben darauf ab, dass digitale Kluft so viel wie »die ungleiche Verbreitung der neuen Medien« (Mansell 2002: 407) fasst bzw. den »ungleichen Zugang zu Technologien oder die digitale Exklusion auf einer internationalen wie auch lokalen Ebene« (Cammaerts/ Van Audenhove 2003: 7). Andere Definitionen berücksichtigen stärker die Klüfte der Kompetenz und Umgangsweisen mit digitalen Medien von Menschen im Alltag (beispielsweise Calabrese/ Burgelman 1999: 8), insbesondere für politische Partizipation (Couldry 2007). www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 210 6 Medienaneignung und Transkulturation 210 In ihrer Systematisierung des Begriffs der digitalen Kluft hat die vergleichend arbeitende Politikwissenschaftlerin Pippa Norris (2001: 4) drei Dimensionen unterschieden. Dies ist erstens die globale Kluft, womit sie die bisher angeklungene Kluft beim Zugang zu digitalen Medien zwischen verschiedenen Ländern der Welt benennt. Zweitens ist es die soziale Kluft; diese beschreibt Differenzen bei der Internetdiffusion und -nutzung zwischen »Informationsreichen« (»information haves«) und »Informationsarmen« (»information have-nots«) in einem Land und über verschiedene Länder hinweg. An dieser Stelle werden Fragen der digitalen Kluft immer wieder auch in Verbindung gebracht mit der klassischen, in Bezug auf Massenmedien entwickelten Wissensklufthypothese (Tichenor et al. 1970). Diese besagt, vereinfacht formuliert, dass die Einführung »neuer« Medien eher diejenigen privilegiert, die bereits über ein höheres Wissen verfügen, und so deren Wissensproduktion potenziert, wodurch sie bestehende Klüfte tendenziell eher vergrößert als verringert. Als dritte Dimension betont Norris die demokratische Kluft, womit sie die Kluft auf der Ebene der digitalen Partizipation meint. Es ist dann vor allem diese demokratische Kluft, die Norris in ihrer Studie beschäftigt. Für den in einer solchen, dreifachen Hinsicht gedachten »digital divide« stehen Weltkarten, wie sie auch auf den folgenden Seiten zu finden sind (siehe Abbildungen 19 und 20). In den oben genannten Versuchen, Fragen der digitalen Kluft aus Perspektive der Menschen im Alltag zu systematisieren, wurden in der Forschung drei andere Arten von Klüften unterschieden (Newhagen/ Bucy 2004; van Dijk und Hacker unterteilen vier: siehe van Dijk 2004 und van Dijk/ Hacker 2005): i) Klüfte beim materiellen Zugang, d. h. Klüfte in Bezug auf den Besitz von digitaler Hardware (Computer,-Modem) bzw. Zugangsmöglichkeiten zu Kommunikationsnetzen oder Dienstanbietern (Provider); ii) Klüfte beim kompetenzbezogenen Zugang, d. h. Klüfte bei Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien, die u. a. durch unterschiedliche Bildungschancen entstehen; und iii) Klüfte beim gebrauchsbezogenen Zugang, d. h. Klüfte beim weiteren Gebrauch digitaler Technologie im Alltag. Solche Argumente für eine Erweiterung des Begriffs von digitaler Kluft weg vom reinen Zugang hin stärker zur Nutzung und zum Gebrauch greift Panayiota Tsatsou (2011) in einem Forschungsüberblick zur weiteren Diskussion auf und lenkt den Blick damit auf die Vielfalt von digitalen Klüften. Schlussfolgernd argumentiert sie, dass digitale Klüfte innerhalb ihrer vielschichtigen Kontexte zu sehen sind und die Forschung sich weg von einer reinen Beschäftigung mit Zugangs- und Nutzungsindikatoren und einfachen Binaritäten von »Inklusion« und »Exklusion« hin zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Qualitäten bzw. Variationen der Nutzung bewegen sollte (Tsatsou 2011: 327; siehe auch Livingstone/ Helsper 2007). Diesem Argument ist sicherlich auch aus Sicht einer transkulturellen Medien- und Kommunikationsforschung zuzustimmen, ist doch allein schon die Aussage, unsere Welt wäre zunehmend durch Mediatisierung gekennzeichnet, daran gebunden, dass eine wachsende Zahl von Menschen »Zugang« zu Medien hat. Dies heißt umgekehrt 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 211 211 nicht, dass Ungleichheiten verschwunden wären. Die bisherigen Darlegungen machen aber auch deutlich, dass es gilt, den klassischen Blickwinkel des »digital divide« zu erweitern. So haben die Ausführungen dieses Buchs gezeigt, dass transkulturelle Kommunikation nicht auf Fragen der digitalen Medien reduziert werden darf, sondern im Gesamtzusammenhang der Mediatisierung gesehen werden muss. Bei diesem greifen die verschiedenen technischen Kommunikationsmedien ineinander. Oder anders formuliert: Es geht nicht nur um eine verstärkte Durchdringung des Alltagslebens durch das Internet, sondern ebenso um ältere Formen der produzierten Medienkommunikation (das (Satelliten-)Fernsehen, Radio, Printmedien usw.)-- wie auch der wechselseitigen Medienkommunikation (das Festnetztelefon, Faxgerät, Mobiltelefon, usw.). Entsprechend ist die entscheidende Frage, inwieweit sich transmedial Formen der Kluft ausmachen lassen. Hinzu kommt, dass es problematisch ist, eine solche Diskussion primär als Kluft zwischen Staaten zu konzeptionalisieren. Allein unsere Betrachtung der (Medien-) Städte hat bereits gezeigt (siehe Kap. 4.4), dass über Staaten hinweg andere Klüfte wie 11 Siehe dazu http: / / www.itu.int/ ITU-D/ ict/ statistics/ explorer/ index.html [7/ 2012]. Quelle: eigene Darstellung auf der Basis der ITU-Statistik 11 Bevölkerung mit Internetzugang unter 1 % 1-25 % 25-50 % 50-75 % 75-100 % Abbildung 19: Weltweite Internetnutzung 2011 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 212 6 Medienaneignung und Transkulturation 212 die zwischen (globaler) Medienstadt und weiteren Orten in den Blick rücken müssen, wenn man die medienbezogenen Ungleichheiten in unserer gegenwärtigen Welt angemessen fassen möchte. Insofern beschreiben auch die vorliegenden Statistiken beispielsweise der International Telecommunication Union (ITU) bestehende Klüfte durch die Form ihrer Datenaggregation nur unzureichend. Dies gilt auch für die üblichen Darstellungen der Medienausstattung in verschiedenen Regionen der Welt (siehe Tabelle 9). Hinzu kommt aber noch ein weiterer Punkt: Selbst dann, wenn ein Zugang zu einem Medium besteht, der für alle zuerst einmal der gleiche zu sein scheint, bedeutet dies nicht, dass damit in der Medienaneignung die Ungleichheit abnehmen würde. Im Gegenteil, wie wir im Weiteren noch sehen werden, kann gerade aufgrund von existierender Ungleichheit die Notwendigkeit für eine umfassende Aneignung von Medien bestehen, die dann wiederum Ungleichheit nicht minimiert, aber das Leben in Ungleichheit besser gestaltbar macht. Tabelle-9: Medienausstattung in verschiedenen Regionen der Welt (2009) - Bevölkerung Fernsehhaushalte** Telefonanschlüsse* Mobiltelefone* PCs** Internetnutzer* Mobiles Breitband* Starres Breitband * Afrika 797.327.315 28 1,5 45,6 5,6 10 1,8 0,2 Arabische Länder 358.009.585 82 9,8 87,8 28,6 24,5 7,4 1,9 Asien und pazifischer Raum 3.047.297.599 75 14,3 67,6 26,9 22,3 7,3 5,5 GUS 278.905.000 97 26,4 135,1 41,7 33,9 22,5 8,2 Amerika 929.023.920 95 29,5 94,3 51,8 49,3 22,1 14,3 Europa 615.402.073 97 41,9 117,9 72 65,9 28,2 23,6 Quelle: Yearbook of Statistics 2010. Genf: ITU (* = Angaben pro 100 Einwohner, ** = Angaben in %) 12 . Es ist damit notwendig, den Begriff der Medienkluft wesentlich breiter zu denken. Medienklüfte sind sowohl als Ungleichheiten des Zugangs als auch der Möglichkeiten 12 Regionen basieren auf dem ITU BDT Regions, siehe: http: / / www.itu.int/ ITUD/ ict/ definitions/ regions/ index.html; mobiles Breitband: active mobile subscriptions; starres Breitband: fixed (wired)broadband subscriptions. 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 213 213 des Umgangs mit verschiedenen Medien zu denken, sowohl bezüglich ihrer Technologien als auch bezüglich ihrer Inhalte. Hierbei steht grundsätzlich die Frage im Raum, wie in der Aneignung von Medien Ungleichheit (re)produziert wird. Die Komplexität, die sich in einer solchen Perspektive ergibt, ist, dass bestehende Ungleichheiten nicht damit gleichbedeutend sind, dass die Folge ein Ausschluss von Mediatisierung wäre. Dies ist der Punkt, an dem man über eine einfache quantifizierende Betrachtung von Kluft hinausgehen muss und qualitative Fragen stärker in den Mittelpunkt rücken sollte; dazu werden im Weiteren drei Beispiele angeführt. Die erste Studie, die wir hier betrachten wollen, ist die medienethnografische Untersuchung von Ines Braune (2008) zur Aneignung des Internets durch Jugendliche und junge Erwachsene in Marokko. Während sich ihre Studie mit einer digitalen Infrastruktur befasst, begreift sie die Aneignung des Internets durch junge Menschen in Marokko als letzten Schritt in einer langen Entwicklung. So sind andere Medien-- allen voran das (Satelliten-)Fernsehen und Radio (Braune 2008: 105-119)-- bereits fester Bestandteil der dortigen jugendlichen Alltagswelt und ist deren Nutzung eine Abwechslung schaffende Freizeitbeschäftigung, insbesondere im Hinblick auf die unsicheren beruflichen Chancen und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Marokko. In diesem bereits bestehenden Medienensemble wird die Aneignung des Internets gerahmt durch das überaus positive Bild, das es in Marokko hat. Das Internet gilt sowohl bei den untersuchten Jugendlichen und jungen Erwachsenen als auch deren Eltern als positiv besetztes Symbol für Fortschritt und Bildung, ein Verständnis, das in dieser Weise u. a. in Kinderbüchern kommuniziert wird. Durch diese überaus positive Besetzung des Internets müssen die jungen Menschen bei ihrem Zugang zum Internet nicht mit Einschränkungen durch ihre Eltern rechnen (Braune 2008: 145). Eine weitere Besonderheit des Internets in Marokko ist schließlich, dass der Zugriff auf dessen Inhalte dort nicht-- im Gegensatz zu anderen arabischen Staaten-- eingeschränkt wird. Die Aneignung des Internets findet dabei weniger zu Hause statt als in Internetcafés als zentraler Lokalitäten der Internetnutzung. Dies hat zum einen ökonomische Gründe: Viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bzw. ihre Familien können sich keinen privaten Internetzugang leisten. Deswegen bietet die Nutzung an diesen Orten die Möglichkeit, solche Beschränkungen zu überwinden. Es geht aber auch in hohem Maße um den Ort des Internetcafés als solchen: Er eröffnet die Möglichkeit, auch Freunde und Bekannte zu treffen und sich mit diesen zu unterhalten. Dies hat einen besonderen Stellenwert für die jungen Frauen: Während die jungen Männer mit dem Kino, dem Fitnesscenter oder der Straßenecke andere Orte kennen, an denen sie sich in einer solchen Weise treffen können, ist für die jungen Frauen »der Gang ins Internetcafé häufig die einzige legitime außerhäusliche Aktivität« (Braune 2008: 167). Im Internetcafé können sie sowohl in Form wechselseitiger Medienkommunikation über Chat (oder E-Mail) wie in direkter Kommunikation mit dem anderen Geschlecht in Kontakt treten. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 214 6 Medienaneignung und Transkulturation 214 Internetcafés in kurzer Zeit zu einem festen Bestandteil der Alltagswelt junger Menschen in Marokko geworden sind: Zumindest in den Städten des Landes-- die Untersuchung von Ines Braune bezieht sich auf Fes-- ist der Weg zum und Aufenthalt im Internetcafé aus dem Tages- und Wochenablauf nicht mehr wegzudenken. Fes ist die Älteste der vier Königsstädte des Landes: neben ihr Marrakesch, Meknes und Rabat. Sie liegt im Norden Marokkos und hat über eine Millionen Einwohner. Setzt man sich näher mit den Aneignungspraktiken der jungen Menschen auseinander, geht es vor allem um zweierlei: das Suchen und das Chatten. Momente transkultureller Kommunikation spielen in beiden Fällen eine Rolle. Die Informationssuche, die im Internet betrieben wird, ist eng bezogen auf die (häufig kaum erfüllbaren) Wünsche der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es geht um die Suche nach Information über mögliche Studienplätze im Ausland, über Verwandte und Bekannte, die im Ausland leben und mit denen man Kontakt aufnehmen möchte, um mögliche zukünftige Ehepartner in anderen Ländern, die so die Migration aus dem eigenen Land ermöglichen, aber auch um reine Informationssuche über andere Bereiche der Welt. Ines Braune spricht diesbezüglich einerseits von einer »Wanderungsbewegung ohne Auswanderungsabsicht«, andererseits von einer »Wanderungsbewegung mit Auswanderungsabsicht« (Braune 2008: 226). Das Chatten zielt darauf, Kontakte zu Menschen zu halten, die in anderen Ländern der Welt leben (und das möglicherweise eigene Ziel der Auswanderung realisiert haben). Gleichzeitig geht es darum, sich in einem offeneren Diskurs mit dem anderen Geschlecht auszuprobieren. Offener ist dieser Diskurs deswegen, weil das Fehlen von direkten »Zeugen« diesen Kontakt mit dem anderen Geschlecht von ansonsten bestehenden Kommunikationsnormen entlastet. Insgesamt ist die Aneignung des Internets durch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Marokko dadurch gekennzeichnet, dass dieses als eine Möglichkeit genutzt wird, die Beschränkungen des eigenen Lebens zumindest teilweise zu überwinden. Das Wort »Beschränkung« fasst dabei Unterschiedliches; es kann die Beschränkung des geschlechtsübergreifenden Treffens meinen, die mit dem Internetcafé umgangen wird. Es kann aber auch die beschränkte Information über andere Länder oder die beruflichen Beschränkungen betreffen, auf die mit der »Wanderungsbewegung« im Internet reagiert wird- - ob nun mit oder ohne Auswanderungsabsicht. Wir können auf diese Weise die Aneignung des Internets als Teil einer Veränderung der Sozialbeziehungen in Marokko begreifen, ein Prozess, der bei einer Gesamtbetrachtung zusätzlich in Bezug zu anderen Medien wie beispielsweise dem Mobiltelefon zu sehen wäre (siehe zu letzterem Kriem 2009). Nicht eine bestimmte Altersgruppe in einem Land, sondern mit der »transnationalen Mutterschaft« eine bestimmte Beziehungsform bildet den Fokus der Studie von Mirca Madianou und Daniel Miller (2012). Diese untersuchten in ihrer medienethnografischen Untersuchung, wie philippinische Arbeitsmigrantinnen insbesondere in Großbritannien mittels Medien Kontakt zu ihren Kindern aufrechterhalten und so eine »medienvermittelte Mutterbeziehung« realisieren. Die Gründe für die Migration 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 215 215 sind vielfach, haben aber vor allem mit der wirtschaftlichen Situation auf den Philippinen zu tun. Diese macht es notwendig, dass die Frauen im Ausland beispielsweise als Haushaltshilfen arbeiten und regelmäßig Geld in die Philippinen überweisen. Das Geld wird von den Familien u. a. für die Ausbildung der Kinder verwendet. Da Besuche sehr teuer und deswegen finanziell nur alle ein bis zwei Jahre möglich waren, hielten die häufig jung migrierten Mütter in den 1980er- und 1990er-Jahren den kommunikativen Kontakt zu ihren Kindern einerseits über Briefe, andererseits über Kassetten aufrecht. Eine Besonderheit der Briefe war dabei, dass diese ein wiederholtes Lesen möglich machten und dabei durch ihre Materialität so etwas wie Authentizität suggerierten. Die selbst aufgenommenen Kassetten boten über die erfahrbare Stimme den Eindruck einer größeren emotionalen Unmittelbarkeit, nicht nur für die Mütter beim Hören der Stimmen der Kinder (und der Hintergrundgeräusche vor Ort), sondern vor allem auch für die zum Teil sehr kleinen Kinder. Die Zeitdifferenz der Erfahrung blieb gleichwohl in beiden Fällen, indem Kassetten und Briefe zwei bis vier Wochen von oder zu den Philippinen aus unterwegs waren. 13 Siehe dazu http: / / www.itu.int/ ITU-D/ ict/ statistics/ explorer/ index.html [7/ 2012]. Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis der ITU-Statistik 13 . Mobiltelefonverträge pro 100 Einwohner 0-50 50-100 100-150 150-200 200-250 Abbildung 20: Weltweite Mobiltelefonverträge 2011 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 216 6 Medienaneignung und Transkulturation 216 Die gegenwärtige Situation ist jedoch eine gänzlich andere. Mirca Madianou und Daniel Miller (2012: 124-139) finden dafür den Ausdruck »polymedia« (siehe zu diesem Konzept auch Madianou/ Miller 2013). Der Begriff hebt darauf ab, dass einerseits im Gegensatz zur beschränkten Zahl von Medien in den 1980er- und 1990er- Jahren heutzutage eine Vielfalt unterschiedlicher Medien zur Verfügung steht und dass andererseits damit jedes einzelne Medium in seiner Positionierung im Gesamt aller Medien gesehen werden muss. Getragen wird diese Situation der Polymedia vor allem von drei Veränderungen der Kommunikationsbedingungen (Madianou/ Miller 2012: 126, 137): erstens, dass der Zugang zu und damit die Wahlmöglichkeiten zwischen mindestens einem halben Dutzend von Medien der wechselseitigen Kommunikation besteht (Mobiltelefon, Chat, E-Mail, etc.); zweitens, dass eine hinreichende »Medienkompetenz« vorhanden ist; und drittens, dass die Kommunikationskosten für die Beteiligten tragbar sind. Im Fall der von Madianou und Miller untersuchten philippinischen Arbeitsmigrantinnen und deren Kindern sind all diese drei Faktoren erfüllt. In Zeiten von Polymedia haben sich nun die »medienvermittelten Beziehungen« zwischen den Müttern und ihren Kindern verändert. Wie die Studie herausarbeitet, lässt sich das vor allem am »emotionalen Management« festmachen. Die Mütter wie auch ihre Kinder können je nach Bedarf zwischen unterschiedlichen Medien und damit »einer Serie kultureller Genres oder emotionaler Register« (Madianou/ Miller 2013: 148) wählen, um die jeweilige Beziehung zu gestalten. Die Beispiele, die in der Studie geschildert werden, sind vielfältige. Hierzu zählen nicht nur die über Skype medienvermittelte Teilnahme am Wochenendleben in der Herkunft; je nach Alter der Kinder ist auch direktes und synchrones Kümmern um Schulaufgaben und Probleme möglich, oder die von den Kindern eher kritisch gesehenen Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle mittels des Mobiltelefons. Letzteres gestattet gleichzeitig fortlaufende Informationsupdates über SMS und in Krisenmomenten zusätzlich sofortige (kommunikative) Intervention. Umgekehrt bieten für die Kinder Social Network Sites einen (unerwarteten) Einblick in das Leben der Mütter, was im Einzelfall aber zu Entfremdungen und Irritationen führen kann. Transkulturelle Kommunikation wird hier indirekt greifbar, nämlich als Information über den weitergehenden kulturellen Kontext, in dem die Mütter nun leben. Auch komplexere Interaktionsformen zeigt die Studie auf, beispielsweise das retrospektive Neuschreiben der Familiengeschichte durch Mutter und Tochter mittels visueller digitaler Medien. Und selbst Briefe sind aus dem Kommunikationsrepertoire nicht verschwunden. Sie erhalten aber in Abgrenzung zu den anderen Medien einen herausgehobenen Stellenwert bei der Aufrechterhaltung der medienvermittelten Beziehungen, indem ihnen der Charakter eines besonderen Kommunikationsmediums zugesprochen wird. Auch wenn Mirca Madianou und Daniel Miller den Teilen der Mediatisierungsforschung kritisch gegenüberstehen, die Mediatisierung mit dem Durchsetzen einer bestimmten Medienlogik gleichsetzen (Madianou/ Miller 2012: 142; kritisch hierzu ebenfalls 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 217 217 Hepp 2013a: 35-42), beschreiben sie letztlich etwas, was in der hier vorgeschlagenen Begrifflichkeit eine Mediatisierung von Sozialbeziehung darstellt. Hierunter ist dann nicht zu verstehen, dass diese Sozialbeziehung entlang einer »Medienlogik« gestaltet werden würde, sondern dass die Form der Sozialbeziehung, wie sie gelebt wird, nicht jenseits ihrer medialen Vermittlung vorstellbar ist und dass die Medien in ihrer Institutionalisierung und Verdinglichung von Kommunikation dabei diese Beziehung mitprägen. Einen gänzlich anderen soziokulturellen Kontext hat das nächste Beispiel, das betrachtet werden soll, im Blick, nämlich die bereits kurz angesprochene Studie zur »neuen informationellen Arbeiterklasse« (Qiu 2009: 243) im heutigen China, die von Jack Linchuan Qiu ebenfalls medienethnografisch untersucht wurde. Letztlich umfasst diese neue Klasse die Vielzahl der verschiedenen Arbeiterinnen und Arbeiter in der chinesischen Informationsindustrie, die insbesondere im Auftrag global agierender Konzerne wie beispielsweise Apple oder Google Hard- und zunehmend auch Software unter zum Teil hoch prekären Bedingungen produzieren. Teil dieser Klasse sind inner-chinesische Wanderarbeiter, die von ländlichen Regionen in die urbanen Produktionszentren migriert sind und dort in »urbanen Dörfern« (Qiu 2009: 161, »chengzhongcun«) leben. Dies sind ehemalige Dörfer, die Teile von Großstädten wurden, aber Aspekte ihrer dörflichen Struktur beibehielten. In diesen finden die Wanderarbeiter günstigen Wohnraum, allerdings ohne einen gesicherten Zugriff auf wohlfahrtsstaatliche Angebote, beispielsweise im Gesundheitsbereich. Zu der neuen Arbeiterklasse zählen viele junge Menschen, die sich zur Annahme prekärer Arbeitsverhältnisse gezwungen sehen, um überhaupt Arbeit zu finden, und in Unsicherheit lebende ältere Menschen. Die Diskussion um eine digitale Kluft aufgreifend bezeichnet Qiu die Angehörigen dieser Klasse als »information have-less«, die weder einfach den »Informationsreichen« (»information haves«) noch den »Informationsarmen« (»information have-nots«) zugeordnet werden können. Der Grund dafür besteht darin, dass die Angehörigen dieser Klasse Informationstechnologien brauchen, um ihr hochgradig prekäres Alltagsleben zu bewältigen. Es handelt sich dabei jedoch um in vielen Fällen einfache Dienste und Angebote wie beispielsweise spezielle Mobiltelefone für den chinesischen Markt. Folgt man der Argumentation von Qiu, haben diese Menschen spezifische »informationelle Bedürfnisse« (Qiu 2009: 239), die letztlich auf den Wunsch einer Bewältigung ihrer unsicheren und instabilen Lebenssituation verweisen. Sie nutzen beispielsweise das Internet bzw. billige Mobiltelefone, um zu erfahren, wie die Arbeitsbedingungen oder die Bezahlung in anderen Fabriken der eigenen Umgebung sind. Dabei handelt es sich um Informationen, die wichtig sind, um in bessere Arbeitsverhältnisse zu wechseln. Oder es geht darum, im Ausnahmefall Proteste gegen die eigenen Arbeitsverhältnisse zu organisieren und in Blogs zu dokumentieren. Andere Bedürfnisse bestehen darin, Informationen über bezahlbare Kinderbetreuung, Ausbildung oder medizinische Versorgung zu erhalten. Daneben bestewww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 218 6 Medienaneignung und Transkulturation 218 hen Bedürfnisse im Bereich des Sozialen. An dieser Stelle sind durchaus Bezüge zu der von Mirca Madianou und Daniel Miller realisierten Untersuchung auszumachen, wenn es für Mitglieder der »neuen informationellen Arbeiterklasse« ebenfalls wichtig ist, auf kostengünstige Weise mit den verschiedenen Mitgliedern der eigenen Familie in Kontakt zu bleiben sowie Freundschaftsbeziehungen in einer notwendigen, sich steigernden lokalen Mobilität aufrechterhalten zu können. Schließlich ist an das Bedürfnis nach Unterhaltung zu denken, das Medien eröffnen- - beispielsweise durch die gerade bei den Jüngeren hochgradig populären (Online-)Spiele, zu denen sie vor allem über Internetcafés Zugang haben. Bemerkenswert ist, dass sich in der Studie von Qiu wiederum verschiedene Hinweise auf transkulturelle Kommunikation finden. Dies betrifft nicht nur die Beispiele, an die man zuerst denken mag, wie die Informationskommunikation im Kontext der Proteste bei Foxconn gegen die dortigen Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Produkten für apple und wal-mart (Qiu 2009: 194), oder das Schauen von Filmen und Hören von Musik aus anderen kulturellen Kontexten, das durch den Kauf von billigen »Piraten«-CDs und -DVDs bzw. das Laden über Bit-Torrent-Dienste möglich ist (Qiu 2009: 201). Es betrifft insbesondere Formen transkultureller Kommunikation, die direkt darauf zielen, das eigene ökonomische Auskommen zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist die Kunst-Industrie von Dafen-Village in Shenzhen (Qiu 2009: 165-167). Deren Geschäftsmodell besteht darin, in Kleinwerkstätten Bilder vor allem »westlicher« Klassiker nachzumalen bzw. auf Wunsch Ölgemälde von Fotografien zu erstellen. Beides lässt sich als Angebot transkulturell kommuniziert über das Internet bestellen und wird in verschiedene Länder der Welt vertrieben. Ein anderes Beispiel ist das »farming«, ein Begriff, der die Tätigkeit informationsindustrieller Betriebe fasst, in denen von jungen Arbeiterinnen und Arbeitern im großen Stil für wohlhabende Online-Spieler »virtueller Besitz« in Spielen wie World-of-Warcraft »hergestellt« wird. Dieser wird dann an wohlhabende Spielerinnen und Spieler nicht nur in China, sondern auch in anderen Ländern der Welt verkauft (Qiu 2009: 182- 186). Transkulturelle Kommunikation in dieser mediatisierten Alltagswelt dient also in erheblichem Maße dazu, ein Überleben in prekären Situationen zu ermöglichen. Es ließen sich für solche lokalen Aneignungen von Medien in von Medienklüften betroffenen Regionen der Welt bzw. Bevölkerungsgruppen verschiedene weitere Studien diskutieren. Relevante Beispiele wären John Postills (2011) Untersuchung »Localizing the Internet«, die sich mit der Internetaneignung in einem Vorort von Kuala Lumpur befasst, Brian Larkins (2008) Studie »Signal and Noise«, in der es um die Aneignung von Film, Fernsehen, Radio und Video bzw. DVD in der urbanen Kultur Nigerias geht, oder Leonardo Custódios (2013) gerade entstehende Untersuchung zur Medienaneignung Jugendlicher in brasilianischen Favelas. Worum es mir an dieser Stelle aber geht, ist, einige allgemeine Schlussfolgerungen aus dem bisher Dargestellten zu ziehen. Was lässt sich über solche Studien bezogen auf »mediale Kluft« verallgemeinern? 6.2 Medienklüfte in mediatisierten Alltagswelten www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 219 219 Was bisher diskutiert wurde, waren Beispiele aus verschiedenen Regionen der Welt, die verdeutlichen, wie auch die Alltagswelten von Menschen in einfachen Verhältnissen verstärkt mediatisiert sind. Mediatisierung ist also kein Phänomen, das aufgrund bestehender Medienklüfte nur »Reiche« oder »den Westen« beträfe. Vielmehr können wir unterschiedliche und auch hochgradig prekäre Alltagswelten in verschiedenen Ländern der Welt als mediatisierte Welten charakterisieren. Wie die Darlegungen deutlich gemacht haben, hebt dieser Ausdruck darauf ab, dass der Rekurs auf technische Kommunikationsmedien für die Artikulation dieser Lebens- und Sozialwelten in ihrer gegenwärtigen Form konstitutiv ist und diese damit durch Medienkommunikation mitgeprägt werden (Hepp 2013a: 71). Wir können uns diese Welten in ihrer charakteristischen Form nicht jenseits der Medien vorstellen. Dies trifft auf die mediatisierten Welten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Marokko mit dem Stellenwert, den Internet und Internetcafés in dieser haben, ebenso zu wie auf die sich mit Polymedia verändernde Welt der philippinischen Arbeitsmigrantinnen und ihrer Kinder oder die »mediatisierte Welt« der vernetzen Arbeiterklasse in China. Bei einer solchen Betrachtung gilt es jedoch, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen: Wir können-- gerade in unterschiedlichen kulturellen Kontexten-- nicht davon ausgehen, dass die Aneignung bestimmter Medien zwangsläufig einheitliche Veränderungen zur Folge hätte und gegen bestehende Ungleichheiten gerichtet wäre. Allein die Gegenüberstellung der Beispiele der jungen Menschen in Marokko und der philippinischen Arbeitsmigrantinnen zeigt, dass es da zwar zum Teil um dieselben internetbezogenen Medien geht, die mediatisierten Welten aber sehr unterschiedlich bleiben. Wir können davon sprechen, dass deren kommunikative Figurationen-- deren musterhafte Interdepenzgeflechte von Kommunikation-- jeweils unterschiedlich sind und es diese in ihrer Spezifik zu untersuchen gilt. Dabei sollte allerdings die Herstellung und Fortschreibung von Ungleichheit berücksichtigt werden, denn Mediatisierung kann auch die Stabilisierung von Ungleichheit fördern. Eine Diskussion von Medienklüften sollte eine solche Komplexität im Blick haben. Denn in vielen Fällen kann man sogar sagen: Mediatisierung wird in verschiedenen Regionen der Welt zum Teil davon getrieben, dass sich Menschen Medien aneignen, weil sie sich davon die Lösung ganz basaler Probleme bzw. die Zufriedenstellung ganz basaler Bedürfnisse versprechen (Couldry 2012: 162-179). Beispiele dafür waren in den hier angeführten Studien die Möglichkeit, im Internet(-café) mit dem anderen Geschlecht jenseits von dominierenden Normen in Kontakt zu kommen, der Wunsch, auch in schwierigen Mobilitätssituationen mittels eines Gesamts verschiedener digitaler Medien den Kontakt zu den Kindern zu wahren, oder die einfache Notwendigkeit der Selbstorganisation des eigenen Lebens durch Medien wie im Fall der neuen informationellen Arbeiterklasse in China. In gewissem Sinne scheinen sich diesbezüglich in den letzten Jahren die Vorzeichen umzukehren. Gerade die eigene prekäre Situation kann dazu führen, dass Menschen die (wenigen) ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen in Medien investieren, nicht nur um sich www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 220 6 Medienaneignung und Transkulturation 220 auch unterhalten und regenieren zu können, sondern ebenso um ihre Sozialbeziehungen aufrechtzuerhalten. Dem entspricht, dass im Alltag der Menschen in prekären Situationen (zunehmend) transkulturelle Kommunikation gegenwärtig ist. Die Form der transkulturellen Kommunikation, mit der wir es dabei zu tun haben, kann gleichwohl vielgestaltig sein. Neben der Teilhabe an medienkulturellen Produkten anderer Regionen-- auch durch illegale Wege wie Piraterie (Mattelart 2009)-- interessieren Informationen über Regionen der Welt, in denen Menschen leben, die das eigene Ziel der Auswanderung realisiert haben. Oder es interessiert transkulturelle Kommunikation an Punkten, an denen es um die eigene ökonomische Absicherung geht. Auch in der transkulturellen Kommunikation spielen also Fragen der Ungleichheit eine erhebliche Rolle- - was umgekehrt nicht heißt, dass sie nicht auch für Menschen in prekären Lebenssituationen viel alltäglicher geworden wäre, als sie es noch vor wenigen Jahrzehnten war. Stimmt dies, liegt es nahe, anders als bisher über Medienklüfte nachzudenken: Es geht nur auf einer ersten Ebene darum zu reflektieren, welche Differenzen des Zugangs zu bestimmten Medien und deren Inhalten bestehen-- wobei der Begriff des Zugangs neben materiellen Aspekten den Bereich von weitergehenden Medienkompetenzen umfassen sollte. Jenseits dessen sollte ebenso berücksichtigt werden, wie Ungleichheiten-- zwischen den Geschlechtern, zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen, zwischen verschiedenen ländlichen und städtischen Regionen usw.- - in bestimmten mediatisierten Welten fort- und festgeschrieben werden. Hierbei sollen Aspekte transkultureller Kommunikation einbezogen werden. Wir müssen Medienkluft also wesentlich umfassender denken, als dies in der Kommunikations- und Medienforschung mitunter üblich gewesen ist. 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen Wir haben bisher Medienaneignung tendenziell aus individueller Sicht diskutiert: einerseits als einen Prozess der kulturellen Lokalisierung, andererseits als einen Prozess, über den Medienklüfte bzw. Ungleichheiten (re)produziert werden. Gerade bezogen auf transkulturelle Kommunikation kommen an dieser Stelle gleichwohl Fragen auf, die stärker den Akzent auf die Beziehungen legen, in denen das Individuum steht: Was verändert sich in den Vergemeinschaftungen der Menschen mit einer fortschreitenden globalen Mediatisierung? Es ist diese Frage, mit der ich mich im folgenden Teilkapitel auseinandersetzen möchte, wobei ich bereits an anderer Stelle formulierte Überlegungen aufgreife (siehe zum Folgenden in Teilen Hepp 2013a: 91-116, Hepp 2014 und Hepp/ Hitzler 2014). Es bietet sich für die hier interessierenden Fragen an, auf eine sehr klassische Definition zurückzugreifen. Dies ist die Bestimmung durch Max Weber, für den »Vergemeinschaftung […] eine soziale Beziehung [ist], wenn und soweit die Einstellung des 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 221 221 sozialen Handelns-- im Einzelfall oder im Durchschnitt oder im reinen Typus-- auf subjektiv gefühlter (affektueller oder traditionaler) Zusammengehörigkeit der Beteiligten beruht« (Weber 1972: 21; Herv. i. O.). Eine solche gefühlte Zusammengehörigkeit führt dann zu Vergemeinschaftung, wenn sie handlungsleitend für Menschen ist, indem diese »auf Grund dieses Gefühls ihr Verhalten irgendwie aneinander orientieren« (Weber 1972: 22; Herv. i. O.). Da Vergemeinschaftung derart auf sozialem Handeln beruht, sind Gemeinschaften für Weber keine statischen Gebilde, weswegen er den Prozessbegriff der Vergemeinschaftung verwendet, um zu fassen, dass jede Form der Gemeinschaft sich in Handeln gründet, das auf subjektive Gefühle ausgerichtet ist (Hepp/ Hitzler 2014). Ebenso ist Vergemeinschaftung für ihn kein Gegensatz von Vergesellschaftung, die auf rational motiviertem Interessenausgleich oder ebenso motivierter Interessenverbindung beruht (hier vertritt er klar eine andere Position als beispielsweise Tönnies 1979, aber auch als die späteren Kommunitaristen, siehe Etzioni 1996). Empirische soziokulturelle Phänomene sind häufig, je nach (subjektiver) Perspektivierung, beides zugleich. Die Definition von Vergemeinschaftung durch Weber erscheint deswegen bis heute zielführend, weil sie vor allem zwei Probleme umgeht: Erstens ist sie hinreichend offen, indem sie beim Charakter der gefühlten sozialen Beziehung ansetzt und sehr unterschiedliche Ausgestaltungen derselben zulässt. Vergemeinschaftungen können also lokal, aber auch über verschiedene Orte hinweg bestehen. Diese potenzielle Translokalität von Vergemeinschaftung ist ein wichtiger Ausgangspunkt, wenn wir uns mit transkultureller Kommunikation befassen. Darüber hinaus haben wir es mit einem skalierbaren Konzept zu tun: Wir finden Vergemeinschaftungen im ›ganz Kleinen‹ wie im ganz Großen, können diese aber in all diesen Fällen auf eine spezifische soziale Beziehung von Zusammengehörigkeit oder- - wie wir heute sagen würden- - von Zugehörigkeit und Wir-Gefühl zurückführen (Hitzler/ Pfadenhauer 2010: 375). In diesem Sinne sind (Primär-)Gruppen mit geteiltem Wir-Gefühl als eine Form von Vergemeinschaftung zu begreifen. Es bestehen gleichwohl Vergemeinschaftungen, die sich allein aufgrund ihrer Größe nicht sinnvoll als Gruppe charakterisieren lassen. Zweitens setzt Weber diese gefühlte Zusammengehörigkeit nicht mit Traditionalität gleich. Er macht also darauf aufmerksam, dass wir auch Vergemeinschaftungen im Blick haben müssen, die nicht traditionaler Natur sind, dennoch aber für stark empfundene Zusammengehörigkeiten stehen. Dies ist der Grund, warum für Weber Vergemeinschaftung (als gefühlte Zusammengehörigkeit) und Vergesellschaftung (als rationale Interessenverbindung) keine gegenläufigen oder sich ausschließenden sozialen Beziehungsfigurationen sind. Aus der zweckrationalen Vergesellschaftung der gemeinsamen Büroarbeit kann die gefühlte Bürogemeinschaft werden (muss aber nicht). Wir können in solchen Überlegungen bereits den Anklang von Vorstellungen der »posttraditionalen Gemeinschaft« (Hitzler 2008; Hitzler/ Pfadenhauer 2010) sehen, also gegenwärtiger Formen von Vergemeinschaftung, deren Zusammengehörigkeit auf Wahl in multioptionalen Kulturen und Gesellschaften beruht. Diese werwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 222 6 Medienaneignung und Transkulturation 222 den auch »ästhetische Gemeinschaften« (Bauman 2009: 82) genannt, die individuell frei zugänglich sind, hierdurch aber eine vermitteltere Form von Bindekraft haben als traditionelle Vergemeinschaftungen. Solche Überlegungen ermöglichen es uns, den Begriff der »Vergemeinschaftung« mit dem der »Gemeinschaft« in Beziehung zu setzen (Hepp/ Hitzler 2014): Während der Begriff der Vergemeinschaftung auf das subjektive Handeln und Erleben in Bezug auf ein bestimmtes Gesellungsgebilde abhebt, bezieht sich der Begriff der Gemeinschaft auf ein bestimmtes Gesellungsgebilde, insofern dieses für die verschiedenen beteiligten Menschen »vergemeinschaftend« ist. Eine solche Gemeinschaft als »Sozialform« (Knoblauch 2008: 77) ist erstens gekennzeichnet durch eine bestimmte Struktur, die sich überwiegend in traditionellen und affektuellen Handlungen (oder Praktiken) konstituiert; zweitens durch eine wir-gefühlige Selbstbezüglichkeit ihrer Mitglieder und drittens durch Distinktion ihrer Mitglieder von Nicht-Mitgliedern jedwelcher Art (Hepp/ Hitzler 2014). Grundlegend für eine Betrachtung von transkultureller Kommunikation ist die Unterscheidung von lokalen und translokalen Vergemeinschaftungen. So beruhen lokale Vergemeinschaftungen auf direkter Kommunikation und sind in dem Sinne nicht technisch vermittelt erfahrbar. Davon unterscheiden sich translokale Vergemeinschaftungen, die gerade nicht ausschließlich durch direkte Kommunikation erfahrbar sind. Sie sind ortsübergreifend und setzen somit translokale Kommunikation voraus. Entsprechend verweisen alle translokalen Vergemeinschaftungen-- nicht nur die der Nation-- in unterschiedlichen Graden auf »imaginierte« oder »vorgestellte Gemeinschaften« (Anderson 1996: 15). Hierbei gilt es im Blick zu haben, dass der Relevanzgewinn von translokalen Vergemeinschaftungen im Leben von Menschen in enger Beziehung zu einer (global) fortschreitenden Mediatisierung steht. Der Politikwissenschaftler Benedict Anderson zeichnet in seinen Analysen nach, dass das Entstehen der Gemeinschaft der Nation auf die Etablierung der klassischen Massenmedien und einer aufkommenden nationalen Medienkultur verweist (Anderson 1996: 29). Ein solcher Gedanke wurde von John B. Thompson (1995) in seiner soziologischen Studie zu »Medien und Moderne« fortgeführt. Allerdings interessierte ihn mehr das Entstehen des modernen Staates als die damit einhergehende Artikulation einer nationalen Vergemeinschaftung. Für die Wissenssoziologie hat Hubert Knoblauch (2008) im Rahmen einer solchen Diskussion typisierend die Unterschiede zwischen Wissens- und Kommunikationsgemeinschaften herausgearbeitet. Der Grund, lokale Gemeinschaften- - zumindest in einer historischen Dimension, wie es auch Tenbruck (1972: 59) getan hat-- als »Wissensgemeinschaften« zu charakterisieren, besteht darin, dass die Mitglieder dieser dauerhaft zusammenlebenden und stark homogenen Vergemeinschaftungen einen Großteil des Wissens teilen. Aufgrund dessen, dass die Mitglieder solcher Gemeinschaften in fortlaufendem, direkten Kontakt miteinander stehen, erscheinen viele ihrer Wissensbestände als »unausgesprochenes Wissen« (Knoblauch 2008: 84), das sich insbe- 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 223 223 sondere im gemeinsamen Handeln artikuliert. In lokalen Wissensgemeinschaften weiß man über sich Bescheid und hat einen nicht weiter kommunikativ thematisierten Wissensbestand. Solche lokalen Wissensgemeinschaften gehen historisch Formen translokaler Vergemeinschaftung voraus. Mit der fortschreitenden Mediatisierung lässt sich eine Entkontextualisierung und Anonymisierung von Vergemeinschaftung ausmachen. Mit Entkontextualisierung fasst Knoblauch den bereits diskutierten Umstand, dass in der medialen Vermittlung eine erweiterte zeitliche und räumliche Verfügbarkeit von Kommunikation damit einhergeht, dass an die Stelle des Kontexts der Kopräsenz separierte Kontexte von Kommunikation treten. Wir haben es mit der Vervielfachung von nun »mediatisierten Kontexten« (Knoblauch 2008: 82) der Kommunikation zu tun. Gerade wenn medienvermittelte Kommunikation als produzierte Medienkommunikation der Massenmedien erfolgt, sind wir zusätzlich mit einer Anonymisierung konfrontiert. Diese zeigt sich darin, dass die Interaktion nicht mit bestimmten anderen erfolgt, sondern (aus Sicht des Kommunikators) mit einem Potenzial von anderen. Dies ist im Zusammenhang eines weiteren Kulturwandels zu sehen, der sich in einer Differenzierung von Kultur manifestiert. Entsprechend kann gerade nicht (mehr) von geteilten Wissensbeständen ausgegangen werden. Hinzu kommt, dass man bei translokaler Kommunikation aufgrund der Beschränkung von Kommunikationsmitteln Implizites explizieren muss. Translokale Vergemeinschaftungen resultieren somit in »Kommunikationsgemeinschaften«, die sich mit den letzten Mediatisierungsschüben ausbilden. Entscheidend dafür ist nach Knoblauch (wie für Weber), dass sich die gefühlte Zusammengehörigkeit der Vergemeinschaftung in strukturierten sozialen Beziehungen manifestiert (Knoblauch 2008: 86). In der Systematisierung unseres Verständnisses von (trans-)lokaler Vergemeinschaftung hilft diese Begriffsarbeit sehr. Man sollte aber vorsichtig sein, sie in die einfache Wandlungserzählung zu pressen, dass mit fortschreitender globaler Mediatisierung translokale Vergemeinschaftungen weltweit lokale ersetzen würden. Hierdurch würde man sich der Möglichkeit berauben, das in gegenwärtigen Medienkulturen de facto auszumachende Wechselspiel von lokaler und translokaler Vergemeinschaftung und diesen entsprechenden Gemeinschaften zu erfassen. So bleiben für Menschen lokale Vergemeinschaftungen zentral: Als physische Wesen leben Menschen nach wie vor an bestimmten Orten, und die lokale Vergemeinschaftung an diesen bleibt ein herausragendes Moment von Zusammengehörigkeit in ihrem Leben. Lokale Vergemeinschaftungen sind demnach mit fortschreitender Mediatisierung nicht verschwunden. Vielmehr geht es im Hinblick auf eine fortschreitende Mediatisierung und Globalisierung um andere Dinge. So sind in verschiedenen Regionen der Welt auch die lokalen Vergemeinschaftungen in dem Sinne mediatisiert, dass deren Artikulation von geteilter Zusammengehörigkeit ebenfalls in Teilen medienvermittelt und medienbezogen erfolgt. Wir können uns heutige lokale Vergemeinschaftungen wie auch ortsbezogene Gemeinschaften also nicht als medienfreie Zonen vorstellen. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 224 6 Medienaneignung und Transkulturation 224 Bei translokalen Vergemeinschaftungen ist entscheidend, dass diese sehr vielfältig sein können. So zeigen alleine die bisher genannten Beispiele-- angefangen von der (territorialen) Gemeinschaft der Nation bis hin zu (deterritorialen) Gemeinschaft von Menschen mit bestimmten Interessen, Orientierungen oder Problemen--, dass es die alles kennzeichnende translokale Form von Vergemeinschaftung nicht gibt. Auffallend ist mit fortschreitender Mediatisierung und Globalisierung vielmehr die Vielfalt translokaler Vergemeinschaftung in verschiedenen Regionen der Welt. Dabei ist es wichtig, dass diese Vergemeinschaftungen translokal sind, d. h. rückbezogen bleiben auf das lokale Leben von Menschen als physische Wesen. Entsprechend konkretisieren sich translokale Vergemeinschaftungen trotz aller Mediatisierung in lokalen Gruppen, gehen aber nicht in diesen auf. Die medienvermittelte Kommunikation bildet so etwas wie einen Sinnhorizont der Vergemeinschaftung. Damit lassen sich Phänomene der (globalen) Mediatisierung von Vergemeinschaftung wie in der untenstehenden Abbildung systematisieren: Heuristisch sinnvoll ist es, lokale von translokalen Vergemeinschaftungen zu unterscheiden. Dabei werden auch lokale Vergemeinschaftungen- - ob als reine Rezeptionsvergemeinschaftung situativ oder bspw. als Lebensgemeinschaft situationsübergreifend-- in heutigen mediatisierten Welten über die gemeinsame Medienaneignung artikuliert. In diesem Sinne verweisen sie insbesondere auf mediatisierte Gemeinschaften. Hierunter können wir all solche Gemeinschaften verstehen, für die technische Kommunikationsmedien nicht konstitutiv sind, die aber selbst zunehmend mittels Kommunikationsmedien aufrechterhalten werden (Hepp/ Berg/ Roitsch 2014). Man kann hier beispielsweise an die Familie oder eine Jugendclique denken. Für translokale Vergemeinschaftungen gilt, dass diese in ihrem ortsübergreifenden Charakter konstitutiv (auch) medial vermittelt sind. Entsprechend verweisen sie immer wieder auf Mediatisierungsgemeinschaften. Dies sind Gemeinschaften, für deren Bestand technische Kommunikationsmedien konstitutiv sind. Man kann hier an eine vergleichsweise alte Mediatisierungsgemeinschaft wie die der Nation mit deren Massenmedien denken; ein anderes Beispiel wären die verschiedenen Gemeinschaften heutiger Populärkulturen (Szenen, Fankulturen etc.). Für eine Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation erscheinen insbesondere translokale Vergemeinschaftungen und Mediatisierungsgemeinschaften von Interesse. Zwar können beispielsweise durch Migration oder die Aneignung »fremder Medienprodukte« lokale Vergemeinschaftungen durch Transkulturation gekennzeichnet sein. Es sind aber vor allem translokale Mediatisierungsgemeinschaften, in Bezug auf welche Prozesse der Transkulturation greifbar werden. Will man sich mit translokalen Vergemeinschaftungen befassen, müssen zunächst die Begriffe der Territorialisierung und Deterritorialisierung näher geklärt werden. Der Hintergrund ist, dass diese Begriffe in der Diskussion um Globalisierung sehr unterschiedlich gebraucht werden. In Abgrenzung zu einem sehr weiten Begriff von Territorialität, wonach hiermit allgemein alle physischen Aspekte des Ortes gefasst werden (und Deterritorialisierung entsprechend kaum ein sinnvolles Konzept sein 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 225 225 kann, weil jeder Mensch irgendwie einen physischen Ortsbezug hat), soll im Weiteren ein stärker auf Vergemeinschaftung und Gemeinschaft orientierter Begriff von Territorialität (und damit auch Deterritorialität) in den Vordergrund rücken: • Territorialisierung lässt sich als der Prozess definieren, in dem ein benennbares Territorium (ein Land, eine Region, ein Kontinent) als physisch verankerter Bezugsraum einer bestimmten Form von Gemeinschaft konstruiert wird. Der vielleicht verbreitetste Prozess einer solchen Territorialisierung betrifft die nationale Gemeinschaft: Die deutsche, britische, indische usw. Nationalität als Vergemeinschaftung, die sich auf die Territorialität eines Landes bezieht. • In Abgrenzung dazu bezeichnet Deterritorialisierung ein »Aufweichen« dieser scheinbar »natürlichen« Beziehung zwischen Kultur und damit auch Gemeinschaft und Territorialität (García Canclini 1995: 229). Gemeint ist damit, dass wir gegenwärtig eine Vielzahl von ortsübergreifenden Vergemeinschaftungsformen haben, für die der Bezug auf Vorstellungen eines geschlossenen Territoriums nicht konstitutiv ist. Entsprechend ist es möglich, zwei grundlegende Arten von translokaler Vergemeinschaftung zu unterscheiden, nämlich territorialisierte und deterritorialisierte (siehe hierzu nochmals Abbildung 21). Bei territorialen Vergemeinschaftungen ist sicherlich die Nation die am umfassendsten erforschte. Wichtiger Bezugspunkt hierfür ist die bereits mehrfach erwähnte Untersuchung von Benedict Anderson (1996) zur »Erfindung« der Nation als »vorgestellter Gemeinschaft«. Der Fokus von Rezeptions- und Aneignungsstudien ist dabei insbesondere die Frage, wie sich in Prozessen der Medienaneignung nationale Vergemeinschaftung artikuliert. Zentrales Argument ist, dass es sich hierbei um einen in dem Sinne »banalen« (Billig 1995) Prozess handelt, dass durch die fortlaufende und nicht weiter problematisierte Thematisierung von Nation als Bezugsraum verschiedenster medienvermittelter Kommunikationen die Zusammengehörigkeit zu dieser Quelle: Eigene Darstellung. Mediatisierungsgemeinschaften mediatisierte Gemeinschaften Vergemeinschaftung [situativ | transsituativ] lokal translokal [territorial | deterritorial] >>> >>> Abbildung 21: Mediatisierung lokaler und translokaler Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 226 6 Medienaneignung und Transkulturation 226 »quasi-natürlich« erscheint. Es geht also beispielsweise nicht einfach nur um die Aneignung herausgehobener, national gerahmter Medienereignisse (siehe Kap. 5.4) wie die Olympischen Spiele oder ein kollektives »Public Viewing«, indem nationale Vergemeinschaftung situativ hergestellt wird. Entscheidend ist vielmehr die fortlaufende Thematisierung von Nation als primärer Bezugsraum. Historisch hat dies Orvar Löfgren (2001) am Beispiel der Radio-Wetterberichte in Schweden herausgearbeitet. Das vom Phänomen her nicht-nationale Wetter wird in diesen als etwas dargestellt, das nationale Grenzen hat. Solche »banalen« Thematisierungen im Radio waren für viele Menschen in ländlicheren Regionen entscheidende Momente, um die territorialen Grenzen nationaler Gemeinschaft als Selbstverständlichkeit erfahrbar zu machen. Es ist nach solchen Studien letztlich die Beiläufigkeit der fortlaufenden und transmedialen Thematisierung von Nation, die in der Aneignung die Konstruktion eines »home territory« (Morley 2000) und seiner Vergemeinschaftung ermöglicht. Gerade im Hinblick auf transkulturelle Kommunikation ist in der jüngeren Forschung die Frage diskutiert worden, inwieweit territoriale translokale Vergemeinschaftungen jenseits der Nation entstehen. Untersucht wird dies neben Lateinamerika (García Canclini 2001) insbesondere für Europa. Inhaltsanalytische Untersuchungen legen nahe, dass in Bezug auf die Länder der EU insofern von einem »banalen Europäismus« gesprochen werden kann, als in den verschiedenen Ländern der EU bei unterschiedlichen Themen ein Blick auf Brüssel geteilt wird (Gripsrud 2010a; Hepp et al. 2012b; Koopmans/ Statham 2010). Darüber, was dies aber für Prozesse der Vergemeinschaftung auf Ebene der Medienaneignung im Detail bedeutet, liegen allenfalls ansatzweise Studien vor (Lingenberg 2010), auch wenn viel dafür spricht, dass eine europäische »community of communication« (Risse 2010: 168) am Entstehen ist. Wie verhält es sich nun mit deterritorialen Vergemeinschaftungen? Heuristisch lassen sich hier zumindest vier Aspekte von Vergemeinschaftung unterscheiden: ethnische Aspekte wie bei Diasporas, thematische Aspekte wie bei populärkulturellen Vergemeinschaftungen, politische Aspekte wie bei sozialen Bewegungen und religiöse Aspekte wie bei Glaubensgemeinschaften. Gegenwärtige Forschung zeigt, dass für die Artikulation all dieser translokalen Vergemeinschaftungen die Aneignung breiter Medienensembles charakteristisch ist. So setzt das dauerhafte Bestehen von Diasporas in verschiedenen Ländern voraus, dass deren Mitglieder kommunikativ miteinander vernetzt sind und Zugang zu gemeinsamen, medienvermittelten Ressourcen haben (Bailey et al. 2007; Dayan 1999; Hepp et al. 2011). Populärkulturelle Gemeinschaften wie Szenen oder Fankulturen konstituieren sich in vielen Fällen um einen medienvermittelten Kern herum (Hitzler/ Niederbacher 2010; Jenkins 2006b). Die politische Gemeinschaft sozialer Bewegungen wird nicht zuletzt durch Online-Kommunikation und alternative Medien getragen (Atton 2004; Bailey et al. 2008). Ähnliches gilt für religiöse Gemeinschaften, wobei bei diesen- - insbesondere wenn es sich um solche organisatorisch verfasster Religion handelt- - hybride Medienevents 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 227 227 im Spannungsfeld von populärer Medienkultur und traditionaler Religion eine erhebliche Rolle spielen (Hepp/ Krönert 2009; Knoblauch 2009). So unterschiedlich diese Vergemeinschaftungen im Einzelfall sind- - analytisch teilen sie folgende drei Aspekte deterritorialer Gemeinschaften: • Netzwerke lokaler Gruppen: Diese deterritorialen Gemeinschaften artikulieren sich zuerst einmal in lokalen Gruppen, die durch eine entsprechende direkte Kommunikation gekennzeichnet und lokal verwurzelt sind. Diese verschiedenen Gruppen fügen sich zu einem übergreifenden translokalen sozialen Netzwerk. • Translokaler Sinnhorizont: Innerhalb dieses Netzwerkes deterritorialer Gemeinschaften besteht ein translokaler Sinnhorizont, d. h. eine gemeinsame Sinnorientierung, die diese Vergemeinschaftungen als solche begründet. Der translokale Sinnhorizont wird aufrechterhalten durch Prozesse medienvermittelter Kommunikation, also durch verschiedene mediatisierte Kommunikationsnetzwerke, die transmedial über wechselseitige Medienkommunikation (bspw. Chats innerhalb des sozialen Netzwerks) und produzierte Medienkommunikation (bspw. Fanzines der deterritorialen Vergemeinschaftung) bestehen. • Deterritoriale Erstreckung: Wie der Begriff deterritoriale Gemeinschaft schon sagt, ist für die Artikulation dieses translokalen Netzwerks der Vergemeinschaftung kein spezifisches Territorium konstitutiv. Dies heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es innerhalb von deterritorialen Gemeinschaften keinerlei Nationalisierungen gäbe, wie auch andere territoriale Bezüglichkeiten eine Rolle spielen; es lassen sich in deren Netzwerken durchaus nationale und regionale Verdichtungen ausmachen. Jedoch gehen deterritoriale Gemeinschaften nicht in solchen territorialen Verdichtungen auf. Welche Bezüge bestehen hierbei aber nun zwischen deterritorialen Gemeinschaften und Transkulturation? Eine übergreifende Antwort auf diese Frage wäre, dass Prozesse deterritorialer Vergemeinschaftung eine treibende Kraft sein können für eine alltagsweltliche Transkulturation. Deutlich wird dies an Diasporas ebenso wie an populärkulturellen Gemeinschaften, sozialen Bewegungen und religiösen Gemeinschaften. Als Diaspora wird gemeinhin das Netzwerk einer vorgestellten ethnischen Vergemeinschaftung von Personen bezeichnet, die dauerhaft außerhalb der Lokalitäten ihres geografischen Ursprungs über verschiedene Territorien unterschiedlicher (National-)Staaten verteilt leben (siehe Clifford 1994; Cohen 2008; Hall 1990; ). Wie Stuart Hall bemerkt hat, ist Ethnizität eine diskursive Konstruktion, bei der kulturelle Eigenschaften wie Sprache, Gebräuche, Traditionen und Gefühle auf die Gesamtvorstellung eines Volkes als Gemeinschaft projiziert werden (Hall 1994a: 207). Bei ethnischen Aspekten deterritorialer Gemeinschaft und damit zusammenhängender Transkulturation sind Diasporas sowohl aus einer Binnenals auch aus einer Außenperspektive wichtig. Für eine Innensicht ist an Untersuchungen zu denken, die zeigen konnten, dass für die Entwicklung einer diasporischen Identität-- gerade im Falle von www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 228 6 Medienaneignung und Transkulturation 228 jüngeren Menschen-- durch das Fernsehen medienvermittelte Einblicke in die kulturellen Praktiken des Migrationslandes eine wichtige Ressource bilden (Gillespie 1995: 76-141). Unsere eigene Untersuchung, die sich mit der kommunikativen Vernetzung der marokkanischen, russischen und türkischen Diaspora in Deutschland befasste, bezog dabei neben der produzierten Medienkommunikation des Fernsehens auch wechselseitige Formen der Medienkommunikation wie (Mobil-)Telefonie, E-Mail, Chat usw. mit ein (Hepp et al. 2011). Hierbei konnten wir zeigen, dass sich drei Grundtypen des Zusammenhangs von Identitätsorientierung und kommunikativer Vernetzung ausmachen lassen, nämlich die der »Herkunfts-«, »Ethno-« und »Weltorientierten«. Während die Herkunftsorientierten stark in ihrer medienübergreifenden kommunikativen Vernetzung auf die eigene (zumindest in Teilen vorgestellte) Herkunft ausgerichtet sind, sind die »Ethnoorientierten« in Herkunfts- und Migrationsland stark kommunikativ vernetzt, und für ihre Identitätsarbeit ist eine Thematisierung des »ethnischen Dazwischen-Seins« kennzeichnend. Transkulturationsprozesse lassen sich auch bei dieser Orientierung ausmachen-- deutlich ausgeprägter sind sie allerdings bei den »Weltorientierten«. Diese lehnen eine Positionierung in Bezug auf Herkunft und Migrationsland ab, definieren sich als »Weltmenschen« oder »Europäer« und sind transkulturell breit kommunikativ vernetzt. Man kann sie gewissermaßen als »Transkulturalitätspioniere« begreifen. Die Brückenrolle, die diese für eine kommunikative Vernetzung jenseits der Diaspora haben, verweist auf die bereits angeführte transkulturelle Außenperspektive. So lässt sich argumentieren, dass Diasporas auch deshalb Prozesse der Transkulturation vorantreiben, weil sie durch ihre deterritoriale Zerstreuung gewissermaßen das »kulturell Fremde« an verschiedenen Lebensorten- - mitunter durchaus konfliktreich- - bilden. Transkulturationsprozesse werden dadurch insofern vorangetrieben, als die medienvermittelte kommunikative Vernetzung von Diasporas diese als Vergemeinschaftungen stützt und somit kulturübergreifende Austauschprozesse zumindest für bestimmte Zeitphasen stabilisiert werden. Letztlich machen die angestellten Überlegungen zur Stadt als einem transkulturellen Ort solche Zusammenhänge bereits deutlich (siehe Kap. 4.4). Wenn es um themenbezogene Aspekte deterritorialer Gemeinschaften geht, verweist dies auf verschiedene Formen populärkultureller Vergemeinschaftung: in Szenen, wie beispielsweise Hip-Hop, Cosplay oder Techno, in Fankulturen im Bereich verschiedenster Film- und Fernsehgenres, in freizeitbezogenen Gemeinschaften beispielsweise im Sportbereich usw. Eine Besonderheit dieser populärkulturellen Gemeinschaften ist-- wie eingangs mit Bezug auf die Arbeiten von Ronald Hitzler und Michaela Pfadenhauer festgestellt-- ihr posttraditionaler Charakter. Die Zusammengehörigkeit zu ihnen wird nicht qua Tradition, sondern durch Wahl bestimmt. Sie sind thematisch fokussiert und verweisen auf abgrenzbare segmentäre Verdichtungen wie Szenen, Jugend- und Freizeitkulturen. Transkulturation ist in solchen populärkulturellen Vergemeinschaftungen fast der Normalfall. So werden in der Hip-Hop-Szene mit diesem Stil ursprünglich verbundene Erfahrungen der Ausgrenzung der Afroamerikaner bei- 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 229 229 spielsweise lokal aufgegriffen und adaptiert (Bennett 2003: 30). Die Aneignung von Hip-Hop findet damit in Prozessen der Transkulturation statt. Vergemeinschaftungen von Fankulturen bilden sich nicht selten um Medienprodukte, die transkulturell kommuniziert werden wie beispielsweise »StarTrek« oder »Doktor Who«. Bei der translokalen Aufrechterhaltung dieser Fankulturen sind digitale Medien von großer Relevanz (Jenkins 2006a; Jenkins 2006b). Rücken politische Aspekte deterritorialer Gemeinschaften ins Zentrum der Betrachtung, geht es um die Rolle sozialer Bewegungen und die Transkulturation in diesen. Man kann beispielsweise an die bereits mehrfach in diesem Buch diskutierte globalisierungskritische Bewegung denken, die sich seit den 1990er-Jahren ausgehend von den Protesten in Seattle etablierte, lokal jeweils unterschiedlich konkretisiert, aber über Medienangebote wie Indymedia kommunikativ miteinander vernetzt ist und sich in einem transkulturellen kommunikativen Austausch befindet (siehe dazu im Detail die Analysen in Kap. 4.3; allgemein zu Medien und der globalisierungskritischen Bewegung, siehe die Beiträge in de Jong et al. 2005). Ein für Transkulturation besonders bemerkenswertes Beispiel ist die Bewegung »Anonymous«, die einerseits »von der Cyberkultur und ihren Wurzeln im Hackerwesen geprägt« ist, deren Mitglieder andererseits »Kinder einer Populärkultur« sind (Bardeau/ Danet 2012: 145): Während der Name »Anonymous« dem Nutzernamen bei anonymen Uploads entstammt, lehnt sich das Erkennungsmerkmal der Bewegung- - die aus dem Film »V wie Vendetta« entlehnte Maske des englischen Verschwörers Guy Fawkes- - an eine Comic- Verfilmung von 2006 an. Folgt man der Argumentation von Frédéric Bardeau und Nicolas Danet (2012: 52), nähert man sich dem Phänomen »Anonymous« am sinnvollsten, indem man dieses als »Internet-Mem«-- als ein bestimmtes Motiv-- begreift. Hinter »Anonymous« steht also keine globale Organisationsstruktur. Vielmehr ist es so, dass das Aufgreifen dieses Motivs durch unterschiedliche »anonyme« Akteure den Kern dieser Bewegung ausmacht und so Vergemeinschaftung hergestellt wird. Hinzu kommen bei Protestaufrufen in Text- oder Videoform bestimmte Stilelemente, die zum Teil dem obengenannten Film entlehnt sind. Entstanden ist dabei ein Online- Aktivismus, der sich mit maskierten Protesten auf Straßen und Plätzen ebenfalls traditioneller Formen des Protests bedient. Von Transkulturation lässt sich diesbezüglich insofern sprechen, als sich diese medienbasierte Form des Protests über verschiedene kulturelle Kontexte ausbreitete und dabei Anschluss an verschiedene andere Protestformen fand. Ein Beispiel dafür ist das Eintreten von »Anonymous« für WikiLeaks (siehe zu Wikileaks Beckett/ Ball 2012). Als Wikileaks im Jahr 2010 unter politischen, wie nach Sperrung durch Kreditkartengesellschaften auch finanziellen Druck geriert, reagierte »Anonymous« darauf, dass mit der »Operation Payback« (Bardeau/ Danet 2012: 91) durch DDoS-Attacken die Webseiten von PayPal, Visa, Mastercard, PostFinance und Amazon als Online-Protest lahmgelegt wurden. Aber auch ein Annähern an andere Protestbewegungen fand statt. So unterstützte »Anonymous« die Proteste des »arabischen Frühlings« 2011 mit Netzattacken auf Machthabende bzw. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 230 6 Medienaneignung und Transkulturation 230 der Weiterkommunikation der Positionen von Protestierenden. Es gibt des Weiteren eine große Nähe zur Indignados- und später Occupy-Bewegung der Jahre 2010 bis 2012, die in starkem Ausmaß durch die »Anonymous«-Webseite »AnonOps« begleitet wurden (Bardeau/ Danet 2012: 122, 140-142; zur Occupy-Bewegung siehe Castells 2012: 156-217, der allerdings zu einer vereinfachenden, von den technologischen Möglichkeiten des Internets ausgehenden Argumentation tendiert). Ausgehend von der Aneignung des »Mems« »Anonymous« wird eine transkulturelle Protestkommunikation möglich, deren Potenzial zu nicht unerheblichen Teilen einerseits in der Macht der Weiterkommunikation, andererseits in der Sammlung »anonymer« und damit nicht einfach zu verfolgender Protestierender besteht. Dabei lassen sich in den verschiedenen Ländern und Städten unterschiedliche Profile der »Anonymous«- Bewegung ausmachen, die gleichwohl gemeinschaftsstiftend sind. Wenden wir uns religiösen Aspekten deterritorialer Gemeinschaften zu, sind wir ebenfalls mit Momenten der Transkulturation konfrontiert. Hierbei muss man sich vergegenwärtigen, dass zumindest die sogenannten Weltreligionen mit ihren Vorstellungen einer globalen Glaubensgemeinschaft einen deterritorialen Selbstanspruch haben. Historisch wird dies greifbar an der Verwicklung der katholischen Kirche in den Kolonialismus. Gegenwärtig ist dies sichtbar an vielfältigen Konflikten zwischen unterschiedlichen, sich als »global« verstehenden Glaubensgemeinschaften, die sich mit zunehmender transkultureller Kommunikation nicht unbedingt zu verringern scheinen, wie das Beispiel des sogenannten Karikaturenstreits gezeigt hat (Eide et al. 2008). Während die deterritorialen Bezüge von Religion demnach historisch nichts Neues sind, kann man doch festhalten, dass mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung ein Wandel religiöser Vergemeinschaftung stattgefunden hat (vgl. zu der Thematik insbesondere Lundby 2013): Die Globalisierung der Medienkommunikation ermöglicht es, Kommunikationsnetzwerke deterritorialer religiöser Vergemeinschaftungen zu intensivieren. Ein Beispiel dafür sind die bereits diskutierten, von der katholischen Kirche 1986 eingeführten Weltjugendtage, die dazu dienen, durch ein Event die Vorstellung einer weltumspannenden Vergemeinschaftung von Katholiken für junge Gläubige lokal erfahrbar zu machen. Gleichzeitig geht es mit dem Weltjugendtag darum, Bezugspunkt für eine möglichst breite Berichterstattung in den kircheninternen und -externen Medien zu sein, um so eine nachhaltige Vernetzung der religiösen Gemeinschaft zu gestatten (vgl. u. a. Hepp/ Krönert 2009). Solche Zusammenhänge verweisen auf einen Prozess, den man als »branding« von Religion bezeichnen kann. Dieser ist für sehr unterschiedliche kulturelle Kontexte kennzeichnend, und in ihm werden verschiedene Prozesse von Transkulturation greifbar (siehe dazu Clark 2007; Einstein 2007; Hoover 2006). Von einem »branding« von Religion lässt sich insofern sprechen, als Religionsangebote verstärkt wie andere kommerzielle »Marken« kommuniziert werden. Die Ressourcen, die so für religiöse Vergemeinschaftung geschaffen werden- - ob in der Form von Musik, Büchern oder anderen materiellen Erzeugnissen-- greifen in breitem Maße Darstellungsmuster von Populär- 6.3 Gemeinschaft und Vergemeinschaftungen www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 231 231 kultur auf (und beeinflussen Letztere wiederum, wie beispielsweise islamisch inspirierte Formen des amerikanischen Hip-Hop zeigen). Hubert Knoblauch hat in einem solchen Zusammenhang von »populärer Religion« gesprochen und bezeichnet damit die gegenwärtigen Formen von Religion, die sich in ihrer kommunikativen Konstruktion durch einen »populärkulturellen Grundzug« (Knoblauch 2009: 193) auszeichnen. »Populäre Religion« überformt nicht nur die kirchlich organisierten christlichen oder islamischen Religionsgemeinschaften. Sie wird ebenso Bezugspunkt verschiedenster alternativer spiritueller Bewegungen wie New Age und paradoxerweise auch neuer Fundamentalismen wie beispielsweise der christlichen Neupfingstler oder im Bereich des Islams. Transkulturation ist hier zumindest in einem doppelten Sinne zu sehen: Einerseits bildet Religion einen Bezugspunkt für Vergemeinschaftung über verschiedene Kulturen hinweg, und wir können in medienbezogenen religiösen Praktiken Momente von Transkulturation ausmachen. Andererseits trägt die fortschreitende globale Mediatisierung von Religion und das damit in Beziehung stehende »branding« von Religion dazu bei, dass religionsübergreifend Momente unterschiedlicher Populärkulturen in Religionen integriert werden (siehe beispielsweise Clark 2007: 13-29; Sunier 2011). Entsprechend sind wir bei aller Differenz unterschiedlicher Religionen und spiritueller Bewegungen mit populärkulturellen Transkulturationen religiöser Gemeinschaften konfrontiert. Sieht man die bisher diskutierten Zusammenhänge von lokaler und translokaler Vergemeinschaftung nicht aus Sicht der einzelnen Gemeinschaften als solcher, sondern aus subjektiver Sicht von Menschen, ergibt sich ein für Transkulturationsprozesse vielschichtiges Bild: Die Zusammengehörigkeit in einer bestimmten sozialen Bewegung schließt aus subjektiver Sicht diejenige zu einer populärkulturellen Gemeinschaft nicht (zwangsläufig) aus. Dasselbe gilt für die Zusammengehörigkeit einer Diaspora oder religiösen Gemeinschaft. Ebenso ist die gleichzeitige Verortung eines einzelnen Menschen in territorialen und deterritorialen Gemeinschaften aus subjektiver Sicht kein Sonder-, sondern eher der Normalfall. Man sieht sich zugleich als Deutscher oder Franzose und als Teil der globalisierungskritischen Bewegung, um ein Beispiel zu nennen. Entsprechend können wir-- gerade im Hinblick auf transkulturelle Kommunikation-- Formen der mediatisierten Vergemeinschaftung nicht nur aus Sicht der Gemeinschaft betrachten. Ebenso wichtig ist die subjektive Sicht des bzw. der Einzelnen. In einer solchen Perspektive fügen sich die verschiedenen Vergemeinschaftungen zu einem mediatisierten Vergemeinschaftungshorizont. Bezogen auf eine fortschreitende Mediatisierung und Globalisierung lässt sich argumentieren, dass der subjektive Vergemeinschaftungshorizont getragen wird von vielfältigen (medialen) Kommunikationsnetzwerken (Hepp/ Berg/ Roitsch 2014a, b). Dies betrifft zuerst einmal alle Momente translokaler Vergemeinschaftung, wie an dem Beispiel von territorialer und deterritorialer Gemeinschaften diskutiert wurde. Bemerkenswert ist aber, dass ebenfalls lokale Momente des subjektiven Vergemeinschaftungshorizonts durch Mediatisierung gekennzeichnet sind, wenn auch von Menschen in prekären www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 232 6 Medienaneignung und Transkulturation 232 Lebenssituationen lokale Vergemeinschaftung in der und über die gemeinsame Aneignung von Medien erfahren wird. Indem mit weltweit fortschreitender Mediatisierung transkulturelle Bezüge fester Bestandteil vieler dieser Vergemeinschaftungshorizonte werden, wird Transkulturation zu einem Breitenphänomen. 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft Vor dem Hintergrund der bisherigen Betrachtung ist offensichtlich, dass durch die fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung nicht einfach das Lokale »deterritorialisiert« wird. Eine solche Formulierung würde wegen der materiellen Aspekte von Lokalität keinen Sinn machen, aber auch nicht den Charakter der Medienaneignung treffen. Vielmehr ist es so, dass deterritoriale Sinnhorizonte neben national-territorialen an Relevanz gewinnen. Mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation fügt sich der Sinnhorizont von Menschen nicht (mehr) in eindimensionale Bezüglichkeiten ein. Dies betrifft nicht zuletzt die Identität von Menschen und sich hieraus ergebend deren Bürgerschaft. Es sind diese beiden Punkte, mit denen sich das folgende Teilkapitel befasst. Betrachtet man die in den 1990er-Jahren erstarkende Diskussion um Medien und Globalisierung rückblickend, lassen sich bezogen auf die Auseinandersetzung mit Identität im Kern zwei Grundpositionen ausmachen: Einerseits wurde die Globalisierung der Medienkommunikation als eine Krise für bestehende (nationale und supranationale) Konzepte von Identität begriffen. Andererseits wurde- - gewissermaßen komplementär dazu-- in den neuen Möglichkeiten von Identifikationen ein besonderes Potenzial der Veränderung gesehen. Bei einem näheren Blick verweisen beide Positionen aber aufeinander. Für die erste dieser beiden Positionen stehen die Arbeiten von David Morley und Kevin Robins. Diese argumentierten, dass die Globalisierung als Identitätskrise zu begreifen ist (Morley 2001b; Morley/ Robins 1995; Morley/ Robins 2002). Eine solche Formulierung zielt darauf ab, dass mit der Globalisierung im Allgemeinen und der Globalisierung der Medienkommunikation im Speziellen kollektive Referenzpunkte von Identität in Frage gestellt werden. Dies klang indirekt auch in den bisherigen Darstellungen an: Neben die Nation und (Groß-)Region sind als Ressourcen von Identität kommerzialisierte Populärkulturen oder transnationale Gemeinschaften getreten. Morley und Robins betonen, dass so »Identität auf vielfältigere als die von den Nationalstaaten angebotenen Möglichkeiten erfahren wurde und werden kann« (Morley/ Robins 2002: 556). Inwieweit dieser Umstand eine Herausforderung darstellt, zeigt exemplarisch das Beispiel Europa. Die europäische Identität ist durch ein vielfältiges Abgrenzungsverhältnis herausgefordert-- zum einen durch die Abgrenzung zu regionalen und nationalen Identitäten, zum anderen durch die Abgrenzung zu populärkulturellen Identitäten. Eine durch entsprechende Medien- und 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 233 233 Mobilitätsförderprogramme gestützte Kampagne der europäischen Politik in den 1990er-Jahren kann als der Versuch gelten, in einer solchen doppelten Abgrenzung eine europäische Identität zu positionieren. Entsprechend lassen sich solche Identitätspolitiken-- so das Argument-- als Ausdruck einer Identitätskrise begreifen. Eine andere Position nehmen Überlegungen ein, wie sie von Manuel Castells formuliert wurden. Dieser sah im Hinblick auf eine von ihm mit der fortschreitenden Mediatisierung und Globalisierung ausgemachten Netzwerkgesellschaft keine Krise, sondern eine besondere Macht der Identität. Seines Erachtens sind Identitäten zu einem der entscheidenden Motoren des Wandels geworden. Zuerst einmal geht Castells davon aus, dass mit der Globalisierung als einer Zunahme von komplexen Konnektivitäten für die meisten sozial Handelnden die eigene Identität der zentrale Bezugspunkt von Sinn geworden ist (Castells 2002: 9). Dabei unterscheidet er drei Formen von Identität. Dies ist erstens die »legitimierende Identität«. Diese wird durch die machthabenden Institutionen einer Gesellschaft »strategisch« eingeführt, um Herrschaft auszuweiten und zu rationalisieren. Castells denkt hier insbesondere an nationale Identitäten entsprechender Nationalstaaten. Die Vergesellschaftungsform ist die »Zivilgesellschaft«-- von ihm im ursprünglichen Wortsinne verstanden als bürgerliche Gesellschaft. Zweitens gibt es eine »Widerstandsidentität«. Diese wird errichtet von solchen Akteuren, deren Postionen oder Lagen durch die Herrschenden entwertet bzw. stigmatisiert werden. Diese Formen der Identität dienen der eigenen »taktischen« Abgrenzung zum Überleben. Als Beispiele lassen sich fundamentalistische Identitäten nennen. Die entsprechende Vergesellschaftungsform sind nach Castells »Kommunen«, d. h. von Widerstand ausgehende auf sich bezogene »Gemeinden«. Und drittens lassen sich »Projektidentitäten« ausmachen. Hierbei handelt es sich um Entwürfe von »neuen« Identitäten, die eine Transformation der ganzen Gesellschaft zu erreichen versuchen. Beispiele sind für Castells insbesondere Identitätsentwürfe solcher Gebilde, die bisher als deterritoriale politische Gemeinschaften beschrieben wurden: soziale Bewegungen wie die des Feminismus oder der Globalisierungskritiker. Diese zielen auf eine Änderung der Gesellschaftsstruktur oder bestimmter Teile von ihr ab. Die von David Morley und Kevin Robins konstatierte Krise von Identität ist in dieser Systematik eine Krise der legitimierenden Identität. Indem die verschiedenen Flüsse der Globalisierung- - etwa Finanzflüsse, aber auch »Flüsse« transkultureller Kommunikation (zur Kritik der Flussmetapher hierbei siehe 5.3)-- zumindest zum Teil Nationalstaaten durchschreiten, werden ihre Institutionen und Organisationen als »die Quellen« der legitimierenden Identität »ausgetrocknet«: »Sie sind immer weniger dazu in der Lage, für das Leben und die Werte der Menschen in den meisten Gesellschaften eine bedeutsame Rolle zu spielen« (Castells 2002: 378). Die konstatierte Krise der Identität ist also nicht eine generelle, sondern eine Krise legitimierender Identitäten von territorialen Staaten wie Nationalstaaten, bzw. von Staatengemeinschaften wie Europa. Vor dem Hintergrund dieser Krise entfaltet sich nach Castells aber die zunehmende Macht von Identität, die er zuerst einmal als www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 234 6 Medienaneignung und Transkulturation 234 Macht von Widerstandsidentitäten begreift. In ihrem kommunalen Widerstand können sie in Ablehnung der fortschreitenden Globalisierung wie auch legitimierender Identitätspolitiken Vergemeinschaftungen schaffen, die einen klaren Bezug für Identität stiften. Allerdings entfalten Widerstandsidentitäten ihr Potenzial ausschließlich in einem »ablehnenden Charakter«. Die eigentlich gestaltende Macht von Identität kommt Projektidentitäten zu. Diese entstehen aus Widerstandsidentitäten, die nicht bei einer Abgrenzung von etwas verharren, sondern umfassende »Projekte« der Neugestaltung des Sozialen und Kulturellen entwickeln (Castells 2002: 381). Hier konstituieren sich (kollektive) Subjekte, die sich durch ihr »Projekt« der Veränderung selbst definieren. Wie diese Gegenüberstellung zeigt, unterscheiden sich die Positionen von Morley und Robins bzw. Castells insbesondere in der Bewertung der Herausforderungen von Globalisierung und Mediatisierung für die menschliche Identität: Während auf der einen Seite die Krise betont wird, geht es auf der anderen Seite um das sich hieraus ergebende, auf Identität bezogene Veränderungspotenzial. Rund 15 Jahre, nachdem solche Einschätzungen erstmals veröffentlicht wurden, sieht man die Sache vermutlich etwas ausgewogener. So ist die Identitätskrise vielleicht eher als ein-- u. a. durch Medienkommunikation getragenes-- Bewusst-Werden von Globalisierung und Mediatisierung einzuschätzen. Auch in Bezug auf die öffentlich anhand des Konkurses der Lehmann Brothers 2008 greifbar gewordene Finanzkrise lässt sich konstatieren, dass all dies nicht zu einem Relevanzverlust von Europa als identitätsstiftender Ressource geführt hat. Europa bleibt identitätsstiftend, auch wenn einzelne politische Entscheidungen oder Institutionen der EU von den Bürgerinnen und Bürgern kritisch hinterfragt werden (Hepp et al. 2012c). Und bezogen auf das Veränderungspotenzial von »Projektidentitäten« ist zu konstatieren, dass soziale Bewegungen, wie im vorherigen Teilkapitel herausgearbeitet wurde-- gerade global gesehen--, zur Veränderung beitragen. Sie haben aber nicht zu dem Umbruch geführt, der ursprünglich von Castells konstatiert wurde. Wie Sigrid Kannengießer (2011; 2013) anhand eines länderübergreifenden Netzwerks der Frauenbewegung und dessen Engagement in Südafrika gezeigt hat, hängt dies auch damit zusammen, dass Identitäten lokal verwurzelt bleiben und »westliche« Vorstellungen von »Projektidentität« diesen Identifikationen in Teilen überhaupt nicht entsprechen. »Ermächtigungskommunikation« bleibt dann in wesentlich größerem Maße lokal und entwickelt sich entlang von anderen Identitätsvorstellungen. Dem entspricht, dass Manuel Castells selbst in einer jüngeren Publikation zu sozialen Bewegungen die »gegenwärtige Kluft zwischen lokaler gemeinschaftlicher Identität und globalen individuellen Netzwerken« (Castells 2012: 223) thematisiert. Vor einem solchen Hintergrund erscheint es vielleicht zuerst einmal angemessen, allgemeiner über Fragen von Identität im Kontext transkultureller Kommunikation nachzudenken. Ausgehend davon lässt sich dann auf damit zusammenhängende politische Aspekte zurückkommen, wie sie in den bisher skizzierten Überlegungen anklin- 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 235 235 gen. Fast schon klassische Überlegungen von Stuart Hall (Hall 2004) aufgreifend lässt sich sagen, dass Identität kein statisches Phänomen ist. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Artikulation verschiedener Elemente in einem fortlaufenden und (bis zum Tode einer Person) prinzipiell zeitlich unabgeschlossenen Prozess der Identifikation. Für diesen Prozess ist die kommunikative, kontextuell-situative Abgrenzung gegenüber verschiedenen Identifikationsangeboten eine grundlegende Voraussetzung. Mit fortschreitender Mediatisierung und Globalisierung zeichnet sich ab, dass die Angebote für solche Identifikationen-- die Fülle von Ressourcen oder Elementen zur Artikulation von kultureller Identität- - zugenommen haben. Es macht dabei Sinn, von Medienidentitäten zu sprechen, weil in heutigen mediatisierten Gesellschaften und Kulturen ein erheblicher Teil der Ressourcen dieser Identitätsartikulationen medienvermittelt kommuniziert werden. So sind Identitäten als Medienidentitäten in Bezug auf die translokalen Diskurse und Medienangebote zu sehen, in denen unterschiedliche Aspekte von Identität-- bestimmte Lebensstile, Vorstellungen des national bzw. ethnisch Spezifischen usw.- - verhandelt werden. Indem die Identitätsartikulation einer einzelnen Person auf solche medial vermittelten Repräsentationen und Diskurse rekurriert, ist sie stets auch ein Hinweis auf kollektive Bedeutungsressourcen, ohne dass sie in diesen aufgeht. In einem solchen Sinne verstanden ist das Aufkommen von Medienidentitäten ein Phänomen sehr unterschiedlicher Regionen der Welt (vgl. für Osteuropa beispielsweise Suna 2013). Wir müssen dabei im Blick haben, dass es bei diesen Prozessen der Identitätsartikulation jedoch nicht einfach um eine selbstbezügliche Wahl geht. Denkt man hier exemplarisch an das Fernsehen als eine klassische Form der produzierten Medienkommunikation, so haben verschiedene, auch länderübergreifende Studien gezeigt, dass durch die dort dominierenden Diskurse bestimmte Formen der Identifikation eher nahegelegt werden als andere. Besonders eindringlich sind dabei Studien zum »makeover television« (Ouellette/ Hay 2008b). Hierbei handelt es sich um Formate wie »The Swan«, in denen es mit der »Verbesserung« des eigenen Aussehens und Auftretens um Identitätsarbeit geht. Solche Shows geben Angebote von Identifikation vor, die einem neoliberalen Wirtschaftsdiskurs entsprechen. Noch markanter sind aber jüngere Studien zum Stellenwert von digitalen Medien für die Identitätsartikulation. Hier ist insbesondere auf die Untersuchung »The Daily You« des Kommunikations- und Medienwissenschaftlers Joseph Turow zu verweisen. Er setzt sich in diesem Buch damit auseinander, wie eine neue Werbeindustrie Identitäten definiert. In einer detaillierten Analyse zeichnet Turow nach, dass sich mit der Etablierung der digitalen Medien-- insbesondere dem Social Web und dort Angeboten wie Facebook, Youtube oder Twitter-- die Art und Weise der Werbung geändert hat. Technologien wie beispielsweise das Setzen von Cookies erlauben es, Werbung individualisiert zu kommunizieren, d. h. die Werbeinhalte auf die in der bisherigen Online-Kommunikation deutlich werdenden Präferenzen eines Menschen abzustimmen. Die Gefahr, die er dabei sieht, ist das Entstehen von »reputation silos«: www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 236 6 Medienaneignung und Transkulturation 236 »Flüsse von Werbung, Information, Unterhaltung und Nachrichten, die geschaffen sind, um Profilen von einzelnen Menschen und Bevölkerungsgruppen zu entsprechen, die statistisch ähnlich erscheinen« (Turow 2011: 190). Konkret kann man sich das so vorstellen, dass durch die personalisierte Datensammlung einzelne Menschen als Teil eines bestimmten Segments identifiziert werden. Ausgehend von dieser Identifikation erhalten diese beispielsweise als Suchergebnisse, Werbebanner oder Musikvorschläge solche Kommunikationsangebote, die ihren unterstellten Wünschen, kulturellen Orientierungen und wirtschaftlichen Potenzialen entsprechen. Inwieweit diese Form der personalisierten Kommunikation bereits jetzt schon Alltag ist, demonstrieren die auf individuellen Historien aufbauenden Rechercheergebnisse von Suchmaschinen wie Google. Die Untersuchungen von Turow zeigen darüber hinaus, dass dies nicht nur ein Phänomen ist, das sich beispielsweise auf die amerikanische Gesellschaft bezöge. Indem die von ihm so bezeichnete »neue Werbeindustrie« länderübergreifend agiert, verändert sich in sehr vielen Kontexten die Art und Weise der Zugänglichkeit von Ressourcen, auf denen unsere heutigen Medienidentitäten basieren. Die besondere Brisanz dieser Forschungen wurde 2013 mit dem durch Edward Snowden- - einen ehemaligen CIA- und NSA-Mitarbeiter- - aufgedeckten PRISM- Skandal deutlich. Dieser machte allgemein bekannt, in welchem Maße die amerikanische Regierung auf solche Daten privater Unternehmen zurückgreift, um im Rahmen geheimdienstlicher Tätigkeiten Personenprofile zu erstellen. Dies verweist bereits auf die politischen Bezüglichkeiten, in denen solche Medienidentitäten stehen. Ein anderer Aspekt ist hier die individualisierte Präsentation von Nachrichten. Mit Internetangeboten wie Google News werden auf der Basis von Suchroutinen automatisiert Repräsentationen bestimmter Nachrichteninhalte zusammengestellt. Das heißt, solche Nachrichtenseiten stellen letztlich bestehende, von Nachrichtenagenturen, Nachrichtenanbietern und alternativen Quellen (siehe hierzu Kap. 5.3) stammende Informationen nach bestimmten Kriterien aggregiert zusammen. Dem entspricht, dass die Portale von Yahoo oder AOL zu 85 Prozent unverändertes Agenturmaterial von Reuters und AP präsentieren (Fenton 2009: 9). Analog gestatten es Angebote wie Facebook oder Twitter, durch entsprechende Auswahl von Gruppen und Tweets fortlaufend aktualisiert-- und auch mobil (Goggin 2011: 116- 135)-- spezifische Zusammenstellungen von Repräsentationen zu produzieren. Dabei kann ausgemacht werden, dass wiederum etablierte Medienanbieter insbesondere Twitter dazu nutzen, einerseits eigene aktuelle Nachrichtenmeldungen zu kommunizieren, andererseits einen Diskurs der Menschen um diese Nachrichten zu evozieren. Letztlich bieten Google News, Twitter und Facebook in einer solchen Nutzungsweise eine softwarebasierte Aggregation von Repräsentationen, die in vielen Fällen Angebote etablierter wie auch alternativer Nachrichtenanbieter neu kombinieren. Die Spezifik dieser Form der Repräsentation besteht dabei darin, dass es letztlich die Voreinstellungen, Vorauswahlen und Vornutzungen der Menschen sind, die bestimmen, inwieweit das so entstehende Repräsentationsgefüge transkulturell ausgerichtet ist. 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 237 237 Solche Beispiele zeigen, dass Medienidentitäten machtgeprägte Formen von Identität sind. Man muss also bei einer Auseinandersetzung mit diesen im Blick haben, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Artikulation von Identität immer auf Machtbeziehungen verweisen- - egal, ob im Hinblick auf Angebote der nationalen Identifikation, der Identifikation mit bestimmten populärkulturellen oder religiösen Gemeinschaften oder im Hinblick auf bestimmte politische Bewegungen usw. Darüber hinaus gilt es einzubeziehen, dass ein Charakteristikum heutiger Medienidentitäten deren in unterschiedlichen Abstufungen bestehende Transkulturation ist: Gerade, indem auch aus anderen kulturellen Kontexten stammende Identifikationsangebote in unterschiedlichen Graden von Menschen in deren Identitätsartikulation integriert werden, erscheinen Vorstellungen von »reinen« lokalen, regionalen oder nationalen Identitäten kaum haltbar. Aufgrund solcher transkulturellen Bezüglichkeiten sind Medienidentitäten immer durch Hybridisierungen gekennzeichnet (siehe Hall 1994a: 218). Pauschale Aussagen, wie sich solche Medienidentitäten in verschiedenen kulturellen Kontexten konkretisieren, sind jedoch kaum möglich. Der Grund hierfür besteht in den eingangs in diesem Kapitel entwickelten Überlegungen: Medienaneignung-- und damit auch die Aneignung als Teil von Identifikationsressourcen-- ist ein Prozess der kulturellen Lokalisierung, den es je nach Kontext spezifisch zu untersuchen gilt. Wie lassen sich solche Überlegungen nun auf die eingangs interessierenden politischen Aspekte von Identität beziehen? Will man diese Frage beantworten, bietet es sich an, auf das fast schon klassische Konzept der »Bürgerschaft« zurückzukommen. Es war Néstor García Canclini, der mit Bezug auf Lateinamerika-- immer aber auch Europa im Blick habend- - darauf hingewiesen hat, dass die Menschen im Alltag »zunehmend das Gefühl haben, dass viele der Fragen, die gemeinhin mit Bürgerschaft in Verbindung gebracht werden-- wo gehöre ich dazu, welche Rechte stehen mir zu, wie kann ich Informationen erhalten, wer repräsentiert meine Interessen? --, eher im privaten Bereich des Konsums von Waren und der Massenmedien beantwortet werden als in den abstrakten Regeln der Demokratie oder der kollektiven Partizipation in öffentlichen Räumen« (García Canclini 2001: 15). Und er fährt fort zu argumentieren: »Die konstanten Transformationen von Technologien der Produktion, des Designs von Objekten, der höchst extensiven und intensiven Kommunikation zwischen Gesellschaften haben destabilisierende Effekte auf Identitäten, die traditionell an die Repertoires von Gütern gebunden waren, die für eine bestimmte ethnische oder nationale Gemeinschaft spezifisch waren« (García Canclini 2001: 16). Bei García Canclini klingen mit solchen Überlegungen nicht nur die bereits diskutierten Argumente einer Krise der Identität an. Er geht darüber hinaus, indem er einen Relevanzgewinn von transkulturell kommunizierten Identitätsressourcen konstatiert. Im Blick hat er dabei insbesondere thematische Aspekte von Vergemeinschaftung, oder wie er es nennt: »Gemeinschaften von Konsumierenden« (García Canclini 2001: 159). Identität und Bürgerschaft-- so seine Überlegungen-- sollten wesentlich stärker in Bezug auf Letztere gedacht werden. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 238 6 Medienaneignung und Transkulturation 238 Mit solchen Hinweisen öffnet García Canclini den Horizont der Diskussion. Gleichwohl finden wir in seinen Darlegungen zu »Konsumenten und Bürgern« keinen ausformulierten Ansatz, wie wir Bürgerschaft bei fortschreitender Mediatisierung und Globalisierung denken sollten. Dieser Gedanke wird aber weiter verfolgt in der wissenschaftlichen Diskussion um Kultur und Bürgerschaft. Ausgehend von Argumenten wie den bisher skizzierten wurden in der Medien- und Kommunikationsforschung Konzepte einer »kulturellen Bürgerschaft« (»cultural citizenship«) entwickelt. Ein wichtiger Bezugspunkt dafür waren die Arbeiten des Soziologen Thomas H. Marshall (1992). Dieser hatte bereits drei Aspekte von Bürgerschaft unterschieden, nämlich »zivile«, »politische« und »soziale«. In Erweiterung seiner Überlegungen haben verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf hingewiesen, Kultur als einen zusätzlichen Aspekt von Bürgerschaft zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf wird von »kultureller Bürgerschaft« gesprochen. Bryan Turner beispielsweise führt kulturelle Bürgerschaft auf »diejenigen sozialen Praktiken [zurück], die es einem kompetenten Bürger ermöglichen, umfassend an der nationalen Kultur teilzuhaben« (Turner 1994: 159; siehe auch Turner 2001: 12). Der Begriff der kulturellen Bürgerschaft hebt hier gewissermaßen auf die nationale Kultur als »Unterbau« (Peters 2007: 363) von Staatsbürgerschaft ab. Andere haben den Begriff der kulturellen Bürgerschaft in Parallelität zu Néstor García Canclinis Argumenten von Vorstellungen der Nationalkultur gelöst. Nick Stevenson beispielsweise entwickelt einen kosmopolitischen Zugang auf kulturelle Bürgerschaft, der mit nationalkulturellen Referenzen bricht. Er versteht dann unter kultureller Bürgerschaft »den Versuch, Dialog, Komplexität und Kommunikation anstatt von Schweigen und Homogenität zu fördern« (Stevenson 2003: 345). Der Begriff der kulturellen Bürgerschaft versucht damit zu betonen, dass die verschiedenen Formen von Bürgerschaft kulturelle Vielfalt und Differenz einbeziehen müssen. In diesem Verständnis wird kulturelle Bürgerschaft auch zu einer Herausforderung für supranationale politische Gebilde wie die EU (Stevenson 2012). Ein vergleichbares Konzept von kultureller Bürgerschaft haben für den deutschen Sprachraum Elisabeth Klaus und Margreth Lünenborg entwickelt. Aus ihrer Sicht umfasst kulturelle Bürgerschaft diejenigen »kulturellen Praktiken, die sich vor dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse entfalten und die kompetente Teilhabe an den symbolischen Ressourcen der Gesellschaft ermöglichen« (Klaus/ Lünenborg 2004: 200). Und auch sie haben nicht nur nationale Gesellschaften im Blick, sondern gehen in ihrer Argumentation bis hin zur kulturellen Teilhabe an einer (in der Begrifflichkeit der Systemtheorie bestehenden) »Weltgesellschaft«, was sie am Beispiel des Weltinformations-Gipfels (WSIS) verdeutlichen (siehe zu diesem Kap. 3.3). Nun ist solchen Argumentationen, die hier exemplarisch für andere stehen, zugutezuhalten, dass sie uns vor Augen führen, inwieweit Bürgerschaft immer mit Fragen der Kultur zusammenhängt. Und gerade durch die zunehmende transkulturelle Kommunikation ist ein Gleichsetzen von Kultur mit Nationalkultur verkürzend, was zu Recht betont wird. Gleichzeitig droht damit aber der Begriff der Bürgerschaft-- der 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 239 239 zuerst einmal auf (legitime) Rechte und Pflichten von bestimmten politischen Gebilden wie der Stadt, dem Staat oder dem Staatenbund verweist--, unscharf zu werden. Auf dieses Problem hat vor allem Nick Couldry hingewiesen. Seine Überlegung dabei ist Folgende: Aus dem zutreffenden Argument, dass eine Politik der Bürgerschaft kulturelle Vielfalt zulassen sollte und Menschen aufgrund ihrer Kultur nicht von dieser Bürgerschaft ausgeschlossen sein sollten, kann im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass es einen bestimmten kulturellen Typus von Bürgerschaft gibt (Couldry 2006: 322). Der Kernpunkt ist entsprechend, dass wir gerade aufgrund der heutigen kulturellen Komplexität statt einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit »kultureller Bürgerschaft« eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der »›Kultur‹ von Bürgerschaft« (Couldry 2006: 321) brauchen. Oder als Frage transkultureller Kommunikation formuliert: Inwiefern lassen einzelne Konzepte von Bürgerschaft die kulturelle Vielfalt verschiedener Identifikationen und Vergemeinschaftungen zu? Ein solcher Zugang macht eine andere Annäherung an Bürgerschaft notwendig. Diese Form der Annäherung berücksichtigt einerseits den Bezug des Konzepts Bürgerschaft auf politische Gebilde, akzentuiert andererseits aber gleichzeitig das (kulturell) kontextualisierte Herstellen derselben. Es bietet sich für eine solche Betrachtung an, auf die Überlegungen des Politikwissenschaftlers Engin Isin zurückzukommen. Ausgehend von einer umfassenden Aufarbeitung des Begriffs von Bürgerschaft (Isin 2002) entwickelt dieser eine Unterscheidung von »aktivistischen Bürgerinnen und Bürgern« und »aktiven Bürgerinnen und Bürgern« (Isin 2008: 38). Während »aktive Bürgerinnen und Bürger« auf Basis von bestehenden Skripten von Bürgerschaft agieren-- beispielsweise, indem sie wählen, sich an öffentlichen Diskursen in etablierten Medien beteiligen usw.-- sind »aktivistische Bürgerinnen und Bürger« dadurch definiert, dass diese »Akte der Bürgerschaft« vollziehen. Den Begriff des Akts der Bürgerschaft entwickelt Isin über die in der Handlungstheorie allgemeiner verbreitete Unterscheidung von »Handeln« und »Handlung«. Er füllt diesen Begriff aber auf eine spezifische Weise. »Akte der Bürgerschaft« sind solche Handlungen, über die die »Szenen« und »Akteure« von Bürgerschaft erst geschaffen werden. Diese Akte haben entsprechend keine Basis in einer bereits bestehenden rechtlichen Verfasstheit von Bürgerschaft. Vielmehr sind es Akte, die »Akteure produzieren, welche für Gerechtigkeit und gegen Ungerechtigkeit verantwortlich werden« (Isin 2008: 39). Solche Überlegungen lassen sich auf Fragen von Kommunikation beziehen. Man kann davon sprechen, dass es so etwas wie ein generelles kommunikatives Bürgerschaftshandeln gibt. Es geht hier allgemein um eine »Öffentlichkeitsanbindung« (Couldry et al. 2007: 5), d. h. um einen Einbezug in einen Diskurs über öffentliche Belange und Probleme. Indem sich Menschen dabei als Betroffene positionieren, werden sie von allgemeinen Publika zu einem spezifischen »Bürgerpublikum« (Lingenberg 2010: 45), wobei je nach politischem Gebilde-- der Stadt, dem Staat, dem Staatenverbund usw.- - unterschiedliche solcher »Bürgerpublika« ausgemacht werden können. Dieses allgemeine kommunikative Bürgerschaftshandeln verweist auf politiwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 240 6 Medienaneignung und Transkulturation 240 sche Öffentlichkeiten, die in Bezug auf verfasste politische Gebilde bestehen (siehe dazu Kap. 5.3). Zu denken ist hier an die lokale Öffentlichkeit einer Stadt, die nationale Öffentlichkeit eines Staates oder die transnationale Öffentlichkeit eines Staatenverbundes wie der EU. Hiervon sind kommunikative Akte der Bürgerschaft zu unterscheiden. Dies sind kommunikative Handlungen, über die bestehende Kommunikationsräume verändert bzw. neue Kommunikationsräume öffentlicher Belange geschaffen werden. Manche der Beispiele, die auf den letzten Seiten verhandelt wurden, beziehen sich auf solche kommunikativen Akte der Bürgerschaft, gerade in einer transkulturellen Perspektive. So lassen sich beispielsweise die Proteste der Occupy-Bewegung als ein kommunikativer Akt der Bürgerschaft verstehen, da es darum ging, bestimmte Verantwortlichkeiten öffentlich zu benennen und-- gerade auch transkulturell-- eine politische Öffentlichkeit gegen die Praktiken der »Wirtschaftselite« und den allgemeinen politischen Umgang mit der von dieser zu verantwortenden »Wirtschaftskrise« zu schaffen. Sicherlich ist die Unterscheidung von kommunikativem Bürgerschaftshandeln und kommunikativen Akten der Bürgerschaft typisierend, und die Grenzen zwischen ihnen sind im Einzelfall fließend. Als differenzstiftendes Kriterium bleibt jedoch die Frage, ob es einerseits um das Handeln in bestehenden politischen Kommunikationsarenen geht oder ob andererseits neue politische Kommunikationsarenen geschaffen werden. Eine solche begriffliche Unterscheidung ermöglicht es, einen anderen Blick auf Fragen von Bürgerschaft und transkultureller Kommunikation zu werfen, als das Konzept der kulturellen Bürgerschaft es gestatten würde. So schließt bereits jetzt in vielen Kommunen und Staaten das kommunikative Bürgerschaftshandeln auch transkulturelle Kommunikation ein bzw. ist mit Herausforderungen transkultureller Kommunikation konfrontiert. Gerade die Bevölkerung von Großstädten in verschiedensten Regionen der Welt hat vielfältigen kulturellen Hintergrund. So liegt beispielsweise in Deutschland nach dem Mikrozensus 2011 der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in etlichen deutschen Großstädten über 30 Prozent. Stadtöffentlichkeit wird hier verstärkt auch transkulturell geschaffen, nicht nur in multilingualer Kommunikation von Seiten der Stadtverwaltungen, sondern auch, indem sich in diesen Städten lokal bezogene Migranten- und Diasporamedien etablieren (vgl. Kosnick 2007; Hepp et al. 2011: 123-150). Ähnliches kann auf der Ebene einzelner Staaten ausgemacht werden, wo transkulturelle Vielfalt zu einem Aspekt des Mediendiskurses überhaupt wird. Und auch transnationale Bürgerschaft von Staatenverbünden wie Europa ist jenseits transkultureller Kommunikation nicht denkbar. Letztlich entsteht ein »europäisches Bürgerpublikum« (Lingenberg 2010: 45) in verschiedenen Formen von transkultureller Kommunikation; auf der einen Seite indirekt, indem Menschen verschiedener Länder in Europa in den Medien ihrer jeweiligen Sprache den verstärkten »Blick« auf die Geschehnisse in Brüssel oder den europäischen Nachbarländern teilen. Auf der anderen Seite wechselseitig, indem beispielsweise Online-Foren einen 6.4 Medienidentität und Bürgerschaft www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 241 241 gemeinsamen Diskurs ermöglichen- - sprachliche Kompetenzen und entsprechende Interessen vorausgesetzt. Transkulturelle Kommunikation wird daneben in den heute relevanten kommunikativen Akten der Bürgerschaft greifbar. Die in diesem Buch bisher genannten Beispiele sind vielfältig. Wir können den im vierten Kapitel aus Sicht der alternativen Medienproduktion diskutierten »arabischen Frühling« als einen kommunikativen Akt der Bürgerschaft begreifen, indem es bei diesem u. a. darum ging, einen neuen politischen Kommunikationsraum zu schaffen (wir dürfen allerdings nicht den Fehler machen, den »arabischen Frühling« auf einen solchen kommunikativen Akt zu reduzieren). Transkulturelle Kommunikation war hierbei, wie wir gesehen haben, insofern grundlegend, als ein Moment dieses kommunikativen Aktes es war, das politische Begehren über verschiedene Kulturen hinweg zu kommunizieren. Intensiv wurde daneben auf den letzten Seiten das Beispiel von »Anonymous« diskutiert. Hier war es ein transkulturell kommuniziertes »Mem«, das zum Referenzpunkt der Proteste wurde. Hat man solche Beispiele im Blick, macht es vielleicht wenig Sinn, diese als Indizien von »Weltbürgerschaft« zu begreifen, zumal bei einem solchen Konzept unklar wäre, auf welcher Ebene man genau Fragen von Rechten und Pflichten bzw. Verantwortlichkeiten diskutieren könnte. Man kann aber Engin Isin dahingehend zustimmen, dass »die neue Intensität von Auseinandersetzungen um Bürgerschaft mit globalen Bewegungen und Flüssen von Kapital, Arbeit und Menschen« (Isin 2008: 16) verbunden ist. Entsprechend verweisen verschiedenste Akte von Bürgerschaft auf transkulturelle Kommunikation. Dies führt nochmals folgenden Zusammenhang vor Augen: Es wäre kaum hilfreich, aus dem Umstand einer Prägung unserer heutigen Medienidentitäten durch vielfältige Formen der transkulturellen Kommunikation zu folgern, die Auseinandersetzung um Bürgerschaft würde sich in kulturellen Bürgerschaften auflösen, die es letztlich als Konsumphänomene zu beschreiben gilt. Im Gegensatz dazu sollte, wenn von Bürgerschaft die Rede ist, im Zentrum die politische Auseinandersetzung um Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten bleiben. Gleichwohl sind viele der damit verbundenen Akte von Bürgerschaft nicht mehr alleinig auf Nationalstaaten beziehbar. Und hierbei wiederum spielt Medienidentität eine Rolle, weil diese Möglichkeiten von transkulturellen kommunikativen Akten von Bürgerschaft bieten kann. Dies verdeutlicht in einem historischen Blick zurück die globalisierungskritische Bewegung und deren Form der »Identitätspolitik«. Der Begriff der Identitätspolitik hebt darauf ab, dass Identitäten insofern von »politischer« Natur sind, als das Leben einer bestimmten Identität mit entsprechenden politischen Zusammengehörigkeiten eine gesellschaftsgestaltende Dimension hat (vgl. bereits Giddens 1991). Mit der Medienidentität, die eine Person lebt, sind bestimmte Alltagsbzw. Konsumpraktiken verbunden, deren Wandel damit zwangsläufig gesellschaftliche Veränderungen nach sich zieht. Umgekehrt fokussiert Politik immer auch Identität, sei es in der Form, dass bestimmte Identitätsformen als »normal« politisch gefördert (lange Zeit bspw. die www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 242 6 Medienaneignung und Transkulturation 242 Heterosexualität), andere als »abweichend« politisch ausgegrenzt werden (lange Zeit bspw. die Homosexualität). Solche Diskurse des »politisch Gewollten« werden in den Medien verhandelt. Überlegungen einer so verstandenen Identitätspolitik wurden von der globalisierungskritischen Bewegung aufgegriffen. Exemplarisch kann man hier auf die Aktivistin und Journalistin Naomi Klein verweisen. Diese bezieht sich in ihrem Buch »No Logo®« auf einen solchen Diskurs um Identitätspolitik und hebt hervor, dass die alltägliche Identitätspolitik für ihre Generation eine sehr konkrete Dimension hatte: Politisches Engagement war für sie Ende der 1980erbzw. Anfang der 1990er-Jahre klar ein identitätspolitisches Engagement. Es ging darum, inwieweit Minderheiten in deren Identitäten in den Medien repräsentiert sind, ob Lehrpläne bestimmte Formen der Identität ausgrenzen usw. Selbstkritisch stellt sie fest, dass ein solcher Fokus auf die Politik von Identität wiederum von Medien- und Marketing-Unternehmen als denjenigen Institutionen, »gegen« die sich die Diskussion um Identitätspolitik eigentlich richtete, bereitwillig aufgegriffen wurde: Die Forderung nach der Berücksichtigung immer neuer Aspekte von Identität entsprach einem global an Bedeutung gewinnenden »Identitätsmarketing« (Klein 2001: 127). Folglich kann für Klein ein globalisierungs-kritischer Aktivismus nicht einfach mehr nur eine Identitätspolitik in dem Sinne sein, dass er eine angemessene öffentliche Repräsentation unterschiedlicher Identitäten fordert. Vielmehr muss er darauf zielen, den Marketingdiskurs der Unternehmen und die damit verbundenen Identitätsbilder selbst aufzugreifen, um diese, wo es notwendig ist, in (Medien-)Kampagnen kritisch gegen die Unternehmen zu wenden. Beispiele dafür sind die verschiedenen Kampagnen gegen global agierende (Medien-)Konzerne wie Apple, Google, McDonald’s oder Nike. In solchen Kampagnen wird über einen Rückbezug auf den Markenkern dieser Unternehmen-- der letztlich als identitätsstiftendes Moment instrumentalisiert wird-- deren globale Verantwortung eingefordert. Es geht also um Akte der Bürgerschaft, die sich in transkulturellen Kommunikationskampagnen auf Konzepte von Medienidentität beziehen. Dies führt uns damit nochmals vor Augen, dass sich Bürgerschaft auch mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung nicht in (Medien-)Konsum auflöst. Vielmehr bezieht sich diese immer auf das Erheben einer politischen Stimme und ein politisches Begehren. Entsprechende Praktiken machen sich gleichwohl die Ressourcen heutiger Medienidentitäten zunutze. Nicht selten prangern sie dabei auch den Einfluss von global agierenden (Medien-)Konzernen auf unsere heutigen Medienidentitäten an. Mit dem zunehmenden Einfluss der von Joseph Turow so bezeichneten neuen Werbeindustrie, ihrer »reputation silos« und dem Zugriff von Geheimdiensten auf diese Informationen erscheint eine solche Form der zivilgesellschaftlich ausgerichteten Kritik vielleicht wichtiger denn je. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 243 243 7 Perspektiven transkultureller Kommunikation In dem vorliegenden Buch wurde ein weiter Bogen gespannt. Begonnen hat die Argumentation mit der Entwicklung eines angemessenen Begriffs der transkulturellen Kommunikation. Hierbei war das grundlegende Argument, dass in dem vorgeschlagenen Verständnis der transkulturellen Kommunikation drei Zugänge zusammenkommen, nämlich erstens eine Analyse und Reflexion der Folgen der Globalisierung von Medienkommunikation, zweitens eine postkoloniale Kritik u. a. an einer westlich zentrierten Medien- und Kommunikationsforschung und drittens eine Kritik am methodologischen Nationalismus, der die Nationalkultur und den Nationalstaat als unproblematisierten Ausgangspunkt einer jeden Behandlung von Kultur begreift. Dem wurde ein Begriff der transkulturellen Kommunikation entgegengesetzt, der auf eine integrative Analyse der sich mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung verändernden Kommunikationsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Menschen und ihren Kulturen abzielt. Es geht dabei nicht einfach nur um nationalkulturelle Vergleiche. Vielmehr erscheint ein Analyseansatz zielführend, der versucht, die mediatisierte und globalisierte Welt in ihrer kulturellen Komplexität zu »erfassen«. Ausgangspunkte für ein solches »Erfassen« wurden in den darauffolgenden vier Kapiteln geboten. Dabei wurde zuerst die Regulation transkultureller Kommunikation behandelt. Hierbei wurde greifbar, dass die Möglichkeiten- - aber auch Probleme- - transkultureller Kommunikation auf eine globale Kommerzialisierung der Medien verweisen. Der Bedeutungsgewinn global agierender Medienkonzerne hat den Aufbau globaler kommunikativer Infrastrukturen ermöglicht, zuerst der Telefon-, Fernseh- und Satellitenkommunikation, später einer auf dem Internet basierenden Netz und Mobilkommunikation. Diese globale Kommerzialisierung hat diese Infrastrukturen aber auch zu einem weitgehend privatwirtschaftlich organisierten Bereich gemacht, was früheren Vorstellungen beispielsweise öffentlich-rechtlicher Medien mit entsprechenden Gemeinschaftsbelangen widerspricht. Wir dürfen uns einen solchen Prozess aber nicht als einen Vorgang vorstellen, der sich jenseits staatlichen Einflusses abspielen würde: Es waren die verschiedenen Staaten, die eine »Regulation« dieser Infrastrukturen durch »Märkte« vorantrieben, die es wiederum durch staatliche Politik auch bei fortschreitender Globalisierung zu »schützen« bzw. »funktionstüchtig« zu halten gilt. Ebenso zeigen aktuelle Entwicklungen wie die Kontrolle des Internets in China oder der NSA-Skandal in den USA, dass Privatisierung nicht damit gleichgesetzt werden könnte, dass die Kommunikationsinfrastruktur jenseits staatlichen Einflusses läge. Insbesondere Nachrichtendienste wissen, wie sie in privatisierten Kommunikationsumgebungen agieren können. Dies lässt es sinnvoll erscheinen, einen näheren Blick auf die politischen Mediensysteme zu werfen. Eine transkulturell geschulte Vorgehensweise führt dabei vor Augen, dass die Schematiken, über die die Kommunikations- und Medienwissenwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 244 7 Perspektiven transkultureller Kommunikation 244 schaft bisher verfügt und die sehr stark ihren Ursprung in einer (auch normativ gestützten) Betrachtung »westlicher« Mediensysteme haben, kaum geeignet sind für einen globalen Blick. Es geht vielmehr darum, auch Mediensysteme viel stärker als bisher in ihrer vielfältigen kulturellen Verankerung und den zwischen diesen Systemen bestehenden Prozessen der Transkulturation zu beschreiben. Hierüber landet man bei einer Betrachtung der UNESCO und ihrer Politik der Sicherung und Förderung kultureller Vielfalt. Dabei zeigt sich, dass verschiedene, ursprünglich aus den 1960er- und 1970er-Jahren stammende Diskussionstränge, wie der um den »freien Fluss von Kommunikation« oder die Idee einer »neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung«, auch aktuelle Diskussionen mitprägen. Ein kennzeichnendes Beispiel dafür ist der anhaltende, vom »World Summit on the Information Society« ausgehende Prozess einer Beschäftigung mit dem Stellenwert des Internets zur Sicherung einer kulturellen Vielfalt und eines transkulturellen Dialogs. Hoffnungen bestehen dabei, dass eine »global governance der Medien« unter Einbezug zivilgesellschaftlicher Akteure für einen solchen Prozess fördernd ist. Diese Betrachtung der Regulationszusammenhänge führte uns zu einer intensiveren Beschäftigung mit der »Produktion« transkultureller Kommunikation und deren zunehmend selbst transkulturellen Kontexten. Hierbei rücken zuerst einmal die global agierenden Medienkonzerne in den Vordergrund der Betrachtung, indem sie eine zentrale organisatorische Basis dessen sind, was wir als transkulturelle Kommunikation bezeichnen. Hierbei wurde deutlich, dass solche Medienkonzerne aufgrund ihrer breiten, verschiedene kulturelle Kontexte übergreifenden translokalen Netzwerkstruktur Produktionskulturen haben, die selbst durch Transkulturation gekennzeichnet sind. Eine Annäherung an diese Konzerne als »multikulturell« zu managende Unternehmenskulturen erscheint nicht hinreichend. Vielmehr müssen die in solchen Transkulturationsprozessen bestehenden Konflikte und Auseinandersetzungen selbst als ein Ausdruck von fortschreitender globaler Mediatisierung begriffen werden. Dabei gilt es auch, ein ökonomisches Feiern des Transkulturalitätsparadigmas im unternehmerischen Bereich zu hinterfragen. Bei einer Betrachtung der Produktion transkultureller Kommunikation fällt der Blick daneben auf weitere Akteursgruppen. Dies sind zum einen die Journalistinnen und Journalisten, die-- wie am Beispiel der Presseberichterstattung in Europa gezeigt-- selbst in nationalkulturellen und transkulturellen Kontexten agieren. Im Falle alternativer Nachrichtenakteure wird die transkulturelle Medienproduktion in einem Spannungsverhältnis von Lokalität und globalen Handlungshorizonten greifbar. Deutlich gemacht hat das das Beispiel von Indymedia. Solche Analysen führten hin zu einer intensiveren Beschäftigung mit (globalen) Medienstädten als transkulturellen Orten. Zwar ist es nicht so, dass die globale Medienstadt der einzige Ort wäre, an dem transkulturelle Kommunikation »produziert« wird. Es gibt auch viele andere, zum Teil hoch prekäre Orte wie Armenviertel in chinesischen Städten. Geht man aber von der Überlegung aus, dass global agierende Medienkonzerne-- zumindest was deren Infrawww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 245 245 7 Perspektiven transkultureller Kommunikation struktur und produzierte Inhalte betrifft-- die herausgehobenen Akteure transkulturell orientierter Medienproduktion sind, fällt auf, dass diese sich global in einzelnen Medienstädten konzentrieren. Charakteristisch für diese globalen Medienstädte ist, dass sie selbst Orte darstellen, die durch umfassende Transkulturationen gekennzeichnet sind und so auch eine Ressource der Inhalte bilden, die in diesen Lokalitäten produziert werden. Betrachtet man nun Medienprodukte im Hinblick auf die durch sie geschaffenen transkulturellen Kommunikationsbeziehungen, sollte man mit verschiedenen verbreiteten Stereotypen brechen. Diese betreffen zuerst einmal den Bereich des Films. In diesem wird eine fortschreitende Globalisierung fast immer mit dem Hollywood- Kino gleichgesetzt. Zwar stimmt es, dass dessen Filme früh und bis heute durch vielfältige Transkulturationen gekennzeichnet sind. In anderen Regionen der Welt sind aber, was transkulturelle Kommunikationsbeziehungen betrifft, andere Filmproduktionen wichtiger. Dies lässt sich anhand des Bollywood- und Nollywood-Films zeigen. Allerdings sind die transkulturellen Anschlussmöglichkeiten, die diese Filme eröffnen, gänzlich andere als die des Hollywood-Kinos. Die Repräsentationen Bollywoods und Nollywoods sind viel stärker in ihren postkolonialen Kontexten zu sehen. Auch bei Produktimporten und Formatadaptionen ist bezüglich transkultureller Kommunikation mit stereotypen Vorstellungen zu brechen. So sind es insbesondere transkulturell geteilte Formate, durch die zwischen verschiedenen kulturellen Kontexten umfassende Kommunikationsbeziehungen bestehen. Hieraus resultieren Ähnlichkeiten von Narrationen und Darstellungsweisen. Dies betrifft bemerkenswerterweise nicht nur das Fernsehen-- das selbst verstärkt in transmedialen Zusammenhängen zu sehen ist--, sondern auch entstehende »neue Formate« auf Youtube. Befasst man sich mit transkulturell kommunizierten Nachrichten, fällt die breiter werdende Vielfalt der Quellen auf. Zwar haben die Meldungen der Nachrichtenagenturen nach wie vor ihre Bedeutung. Die Agenturmeldungen sind selbst aber schon so aufbereitet, dass sie eine transkulturelle Adaption auf einfache Weise ermöglichen. Daneben ist die Berichterstattung von Anbietern wie CNN und Al Jazeera selbst zur Quelle transkulturell kommunizierter Nachrichten geworden. Über das Internet und dort aktive alternative Medienakteure hat sich zusätzlich ein darüber hinausgehendes Portfolio von Nachrichtenangeboten aufgetan, deren transkulturelle Anschlussfähigkeit es jeweils konkret zu untersuchen gilt. Solche Analysen machen deutlich, dass sich heutige, medienvermittelte politische Öffentlichkeiten nicht einfach mit nationalen Öffentlichkeiten decken. Es bestehen daneben vielfältige weitere Medienöffentlichkeiten, die zu einem Teil auch einen transkulturellen Charakter haben. In der Diskussion um eine fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung wird in diesem Zusammenhang wiederholt die Frage aufgeworfen, ob es so etwas wie eine globale Öffentlichkeit gibt. Als zentrale Instanzen einer solchen Öffentlichkeit werden globale Medienevents wie das Terrorereignis 9/ 11 oder die Olympischen Spiele begriffen. Eine detaillierte Betrachtung zeigt aber, dass diese Medienevents durch eine Vielwww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 246 7 Perspektiven transkultureller Kommunikation 246 falt sehr unterschiedlicher Repräsentationen gekennzeichnet sind, sie also transkulturell nicht für eine einheitliche Weltsicht sorgen (können). Eine Betrachtung transkultureller Kommunikation bedarf daneben zwingend einer Auseinandersetzung mit dem, was Menschen mit Medien als Inhalten und Technologien machen-- wie sie sich diese aneignen und welche Transkulturationen in einem solchen Prozess auszumachen sind. Medienaneignung bedeutet dabei, dass Menschen Medien in ihren jeweiligen alltagsweltlichen kulturellen Kontexten lokalisieren. Dies ist aber nicht mit einer einfachen »Domestizierung« gleichzusetzen, wenn man darunter eine »zähmende Adaption« dieser Inhalte und Technologien versteht. Gerade Prozesse transkultureller Kommunikation machen deutlich, dass Medienaneignung mit dem Wandel der bestehenden Kulturen verbunden ist- - wobei sich dieser Wandel allerdings nicht als eine einfache Wirkung oder Modernisierung beschreiben lässt. Dazu bleibt er zu vielfältig und widersprüchlich. Ein wichtiger Aspekt der Betrachtung von Medienaneignung sind die bestehenden Medienklüfte, d. h. die Unterschiede beim Zugang zu und den Gebrauchsmöglichkeiten von Medien. Mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation zeigt sich dabei als ein bemerkenswertes Phänomen, dass Armut global gesehen nicht zwangsläufig bedeutet, von Mediatisierung ausgeschlossen zu sein. Vielmehr ist es so, dass Medien notwendig werden, um auch prekäre Lebenssituationen in verschiedenen Regionen der Welt einigermaßen angemessen gestalten zu können. Zunehmend mediatisiert sind damit die Alltagswelten auch vieler armer Menschen weltweit. Dem entspricht, dass die Vergemeinschaftungen der Menschen und deren Identität in Bezug auf und durch Medien hergestellt werden. Damit sind die Vergemeinschaftungshorizonte der Menschen-- d. h. das Gesamt der verschiedenen Vergemeinschaftungen, in denen sie sich positionieren-- durch eine verstärkte kulturelle Komplexität und Transkulturation gekennzeichnet wie auch deren Medienidentitäten. Für Bürgerschaft bedeutet dies, dass neben dem »Bürgerschaftshandeln« in Bezug auf bestehende politische Einheiten mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung aber »Akte der Bürgerschaft« an Bedeutung gewinnen. Diese »Akte der Bürgerschaft« erschließen- - gerade auch transkulturell- - neue Räume des bürgerlichen Handelns. Hierfür stehen verschiedene jüngere, transkulturelle politische Vergemeinschaftungen wie beispielsweise die Occupy-Bewegung. Die hier nochmals zusammengefasste Betrachtung transkultureller Kommunikation war notgedrungen ausschnitthaft und exemplarisch. So erscheint es über die vielen betrachteten unterschiedlichen kulturellen Kontexte hinweg kaum möglich, Einzelheiten in der eigentlich wünschenswerten Differenziertheit zu diskutieren. Dies ist aber auch weniger das Anliegen des vorliegenden Buchs gewesen. Vielmehr ging es mir darum, einen transkulturellen Zugang zu unserer heutigen Medienkommunikation insgesamt vorzustellen. Hierbei handelt es sich um einen Zugang, der einerseits »Kultur« als ein Phänomen der Beschäftigung ernst nimmt, diesen aber andererseits nicht auf eine Betrachtung »nationaler Medienkulturen« reduziert. Für detaillierte www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 247 247 7 Perspektiven transkultureller Kommunikation Aussagen- - und hierin liegen die »Perspektiven« dieses Bereichs der Medien- und Kommunikationsforschung-- sind zukünftig vielfältige weitere Analysen transkultureller Kommunikationsbeziehungen notwendig. Wichtig für solche Analysen erscheint, dass sie sich der Komplexität der Zusammenhänge bewusst sind, um die es hierbei jeweils geht. Nicht zuletzt dies war der Grund dafür, am Ende des zweiten Kapitels auf das Konzept der »kommunikativen Figuration« (Hepp 2013b; Hepp/ Hasebrink 2013) zu verweisen. Überlegungen von Norbert Elias aufgreifend geht es bei einer Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation dann darum, kommunikative Figurationen als musterhafte (transmediale) Interdependenzgeflechte von kulturübergreifender Kommunikation zu erfassen. Hierbei ist es wichtig, einen Blick zu entwickeln für die Akteurkonstellation, die dieser kommunikativen Figuration zugrundeliegt. Zu berücksichtigen sind aber auch die verschiedenen Formen von Kommunikation, die die jeweilige kommunikative Figuration kennzeichnen, wie auch ihr Ensemble von Medien und deren thematische Rahmung. Über eine solche Betrachtung der verschiedenen Figurationen transkultureller Kommunikation erschließen sich dann auch die Machtbeziehungen, die Prozesse der Herstellung von Zugehörigkeiten, die Segmentierungen und Ungleichheiten, die für diese transkulturelle Kommunikation kennzeichnend sind. Es sind solche Analysen, zu denen das vorliegende Buch anregen möchte- - in der Hoffnung, dass diese einer besseren transkulturellen Anerkennung und Verständigung dienen. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 248 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 249 249 Literatur Unter www.utb.de ist beim Aufrufen des Titels ein nach Kapiteln geordnetes und kommentiertes Verzeichnis mit weiterführender Literatur einsehbar. Acland, C. R. (2012): From international blockbusters to national hits. In: http: / / www.uis.unesco.org/ culture/ Documents/ ib8-analysis-cinema-production- 2012-en2.pdf (16.7.2012). Adamu, A. U. (2011): Transnational flows and local identities in Muslim northern Nigerian films: From dead poets society through mohabbatein to so-…. In: Wasserman, H. (Hrsg.): Popular media, democracy and development in Africa. London: Routledge, S. 223-235. Adesokan, A. (2009): Excess luggage: Nigerian films and the world of immigrants. In: Okpewho, I./ Nzegwu, N. (Hrsg.): The new African diaspora. Bloomington: Indiana University Press, S. 401-422. Albuquerque, A. (2012): On models and margins. Comparative media models viewed from a Brazilian perspective. Cambridge: Cambridge UP. Alexowitz, M. (2003): Traumfabrik Bollywood. Indisches Mainstream-Kino. Bad Honnef: Horlemann. Alterman, J. B. (2011): The revolution will not be tweeted. In: The Washington Quarterly, 34 (4), S. 103-116. Amaya, H. (2010): Citizenship, diversity, law and Ugly Betty. In: Media, Culture & Society, 32 (5), S. 801-817. Amin, H. (2012): The nature of the channel’s global audience. In: Seib, P. (Hrsg.): Al Jazeera English: Global news in a changing world. New York: Palgrave Macmillan, S. 29-40. Ammon, R., J. (2001): Global television and the shaping of world politics: CNN, telediplomacy, and foreign policy. Jefferson, NC: McFarland. Anderson, B. (1996): Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Berlin: Ullstein. Ang, I. (1996): Living room wars. Rethinking media audiences for a postmodern world. London, New York: Routledge. Ang, I. (2001): On not speaking Chinese. Living between Asia and the West. London: Routledge. Appadurai, A. (1996): Modernity at large. Minneapolis: Minneapolis UP. Archetti, C. (2008): News coverage of 9/ 11 and the demise of the media flows, globalization and localization hypotheses. In: International Communication Gazette, 70 (6), S. 463-485. Arguedas, J. M. (1982): Formación de una cultura nacional indoamericana. Mexico: Siglo XXI. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 250 250 Literatur Arsenault, A. (2012): Covering and reaching Africa. In: Seib, P. (Hrsg.): The nature of the channel’s global audience. New York: Palgrave Macmillan, S. 79-96. Arsenault, A./ Castells, M. (2008): The structure and dynamics of global multi-media business networks. In: International Journal of Communication, 2, S. 707-748. Ashcroft, B./ Griffiths, G./ Tiffin, H. (2009): Transculturation. In: Ashcroft, B./ Griffiths, G./ Tiffin, H. (Hrsg.): Post-colonial studies. The key concepts. Second edition. London: Routledge, S. 213-214. Athique, A. (2012): Indian media. Malden: Polity. Atton, C. (2002): Alternative media. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage. Atton, C. (2003): Reshaping social movement media for a new millennium. In: Social Movement Studies, 2 (1), S. 3-15. Atton, C. (2004): An alternative internet. Radical media, politics and creativity. Edinburgh: Edinburgh UP. Bachmair, B./ Kress, G. (1996): Höllen-Inszenierung ›Wrestling‹. Beiträge zur pädagogischen Genre-Forschung. Opladen: Leske + Budrich. Bailey, O. G./ Cammaerts, B./ Carpentier, N. (2008): Understanding alternative media. Berkshire: Open University Press. Bailey, O. G./ Georgiou, M./ Harindranth, R. (Hrsg.) (2007): Transnational Lives and the Media: Re-imagining Diasporas. New York: Palgrave Macmillan. Bakardjieva, M. (2006): Domestication running wild. From the moral economy of the hoursehold to the mores of a culture. In: Berker, T./ Hartmann, M./ Punie, Y./ Ward, K. (Hrsg.): Domestication of media and technology. London: Open UP, S. 62-79. Bakardjieva, M. (2012): Reconfiguring the mediapolis: New media and civic agency. In: New Media & Society, 14 (1), S. 63-79. Bakardjieva, M./ Smith, R. (2001): The internet in everyday life. In: New Media & Society, 3 (1), S. 67-83. Baker, N. (2004): Invisible giants, quiet revolution. In: Paterson, C./ Sreberny, A. (Hrsg.): International news in the twenty-first century. Hants: John Libbey Publishing for the University of Luton Press, S. 63-77. Bakhtin, M. M. (1981): The dialogic imagination: Four essays. Austin: University of Texas Press. Banaji, S. (2006): Reading ›Bollywood‹: The young audience and hindi films. London: Palgrave Macmillan. Bardeau, F./ Danet, N. (2012): Anonymous: Von der Spaßbewegung zur Medienguerilla. Münster: Unrast. Barkho, L. (2011): The discursive and social paradigm of Al-Jazeera English in comparison and parallel with the BBC. In: Communication Studies, 62 (1), S. 23-40. Barlet, O. (2001): Afrikanische Kinowelten: Die Dekolonisierung des Blicks. Bad Honnef: Horlemann. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 251 251 Literatur Barrot, P. (2008a): Audacity, scandal & censorship. In: Barrot, P. (Hrsg.): Nollywood: The video phenomenon in Nigeria. Oxford: James Currey, S. 43-50. Barrot, P. (2008b): Preface. In: Barrot, P. (Hrsg.): Nollywood: The video phenomenon in Nigeria. Oxford: James Currey, S. xi-xii. Barrot, P. (2008c): Selling like a hot cake: Box offices & statistics. In: Barrot, P. (Hrsg.): Nollywood: The video phenomenon in Nigeria. Oxford: James Currey, S. 32-40. Barrot, P. (2008d): Stress warriors. In: Barrot, P. (Hrsg.): Nollywood: The video phenomenon in Nigeria. Oxford: James Currey, S. 24-29. Barrot, P. (2008e): The Italiens of Africa. In: Barrot, P. (Hrsg.): Nollywood: The video phenomenon in Nigeria. Oxford: James Currey, S. 12-21. Barrot, P. (2008f ): Video is the AIDS of the film industry. In: Barrot, P. (Hrsg.): Nollywood: The video phenomenon in Nigeria. Oxford: James Currey, S. 3-9. Bauman, Z. (2009): Gemeinschaften. Auf der Suche nach Sicherheit in einer bedrohlichen Welt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Baumann, G./ Gillespie, M./ Sreberny, A. (2011): Transcultural journalism and the politics of translation: Interrogating the BBC World Service. In: Journalism, 12 (2), S. 135-142. Bausinger, H. (1983): Alltag, Technik, Medien. In: Pross, H./ Rath, C.-D. (Hrsg.): Rituale der Medienkommunikation. Gänge durch den Medienalltag. Berlin: Guttandin & Hopp, S. 24-36. Beck, U. (1993): Die Erfindung des Politischen. Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beck, U. (1997): Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus-- Antworten auf Globalisierung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beck, U. (2004): Der kosmopolitische Blick- - oder: Krieg ist Frieden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Beckerman, G. (2003): Inside the Indymedia collective, passion vs. pragmatism. In: -Colombia Journalism Review, 5 Beckett, C./ Ball, J. (2012): Wikileaks. Oxford: Polity Press. Behrens, M./ Reichwein, A. (2007): Global Governance. In: Benz, A./ Lütz, S./ Schimank, U./ Simonis, G. (Hrsg.): Handbuch Governance: Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder. Wiesbaden: VS, S. 311-324. Bekers, E./ Helff, S./ Merolla, D. (Hrsg.) (2009): Transcultural modernities: Narrating Africa in Europe (Matatu). Amsterdam: Editions Rodopi B. V. Bennett, A. (2003): Hip-Hop am Main: Die Lokalisierung von Rap-Musik und Hip- Hop-Kultur. In: Androutsopoulus, J. (Hrsg.): Hip-Hop. Globale Kultur- - lokale Praktiken. Bielefeld: Transcript, S. 26-42. Berghahn, D./ Sternberg, C. (Hrsg.) (2010): European cinema in motion: Migrant and diasporic film in contemporary Europe. Basingstoke: Palgrave Macmillan. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 252 252 Literatur Berker, T./ Hartmann, M./ Punie, Y./ Ward, K. (Hrsg.) (2006): Domestication of media and technology. London: Open University Press. Bernier, I. (2008): The Unesco convention on the protection and promotion of the diversity of cultural expressions: A cultural instrument at the junction of law and politics. In: http: / / www.diversite-culturelle.qc.ca/ fileadmin/ documents/ pdf/ carrefour-du-droit_eng.pdf (24.4.2012). Berwanger, D. (1979): The establishment of a new international information order. Summary of a worldwide debate. In: Bielenstein, D. (Hrsg.): Toward a new world information order. Consequences for development policy. Bonn: Friedrich-Ebert- Stiftung, S. 17-48. Bhabha, H. (1994): The location of culture. London: Routledge. Billig, M. (1995): Banal nationalism. London: Sage. Biltereyst, D./ Meers, P. (2000): The international telenovela debate and the contraflow argument: A reappraisal. In: Media, Culture & Society, 22, S. 393-413. Bob, C./ Haynes, J./ Pickard, V./ Keenan, T./ Couldry, N. (2007): Media spaces: Innovation and activism. In: Albrow, M./ Anheier, H./ Glasius, M./ Price, M. E./ Kaldor, M. (Hrsg.): Global civil society yearbook 2007/ 2008: communicative power and democracy. London: Sage, Bolin, G. (2010): Media events, Eurovision and societal centres. In: Couldry, N./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Media events in a global age. London: Routledge, S. 124-138. Bösch, F. (2011): Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen. Frankfurt a. M.: Campus. Bourdieu, P. (1987): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Boyd-Barrett, O. (1997): Global news wholesalers as agents of globalization. In: Sreberny-Mohammadi, A./ Winseck, D./ McKenna, J./ Boyd-Barrett, O. (Hrsg.): Media in global context. A reader. London, New York: Arnold, S. 131-144. Boyd-Barrett, O. (Hrsg.) (2010): News agencies in the turbulent era of the internet. Barcelona: Government of Catalonia. Boyd-Barrett, O. (2012): Researching the news agencies. In: Volkmer, I. (Hrsg.): Handbook of global media research. Malden: Wiley Blackwell. Boyd-Barrett, O./ Rantanen, T. (2004): News agencies and news sources: A re-evaluation. In: Paterson, C./ Sreberny, A. (Hrsg.): Media plenty and the poverty of news. Hants: John Libbey Publishing for the University of Luton Press, S. 32-46. Boyd-Barrett, O./ Thussu, D. K. (Hrsg.) (1992): Contra-flow in global news. London: John Libbey. Branston, G. (2000): Cinema and cultural modernity. Milton Keynes: Open University Press. Braune, I. (2008): Aneignungen des Globalen. Internet-Alltag in der arabischen Welt. Eine Fallstudie in Marokko. Bielefeld: Transkript. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 253 253 Literatur Brecht, B. (1932): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks. In: Brecht, B. (Hrsg.): Schriften zur Literatur und Kunst I. Gesammelte Werke Bd. 18. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 127-134. Breunig, C. (1987): Kommunikationspolitik der UNESCO. Dokumentation und Analyse der Jahre 1946 bis 1987. Konstanz: UVK. Breunig, C. (1998): Kommunikationspolitik als Beitrag der internationalen Verständigung. Die Initiativen der UNESCO von 1946 bis 1997. In: Quandt, S./ Gast, W. (Hrsg.): Deutschland im Dialog der Kulturen. Medien-- Images-- Verständigung. Konstanz: UVK, S. 367-379. Briggs, A./ Burke, P. (2009): A Social history of the media. From Gutenberg to the internet. Third edition. Cambridge: Polity Press. Bröckers, M. (2002): Verschwörungen. Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9. Frankfurt a. M.: Zweitausendeins. Brosius, C. (2005): The Scattered Homelands of the Migrant: Bollywood through the Diasporic Lens. In: Kaur, R./ Sinha, A. J. (Hrsg.): Bollyworld: Popular Indian Cinema Through A Transnational Lens. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage, S. 207-238. Brüggemann, M./ Hepp, A./ Kleinen-von Königslöw, K./ Wessler, H. (2009): Transnationale Öffentlichkeit in Europa: Forschungsstand und Perspektiven. In: Publizistik, 54, S. 391-414. Brüggemann, M./ Schulz-Forberg, H. (2009): Becoming pan-European? Transnational media and the European public sphere. In: International Communication Gazette, 71 (8), S. 693-712. Bruns, A. (2007): Methodologies for mapping the political blogosphere: An exploration using the IssueCrawler research tool. In: First Monday, 12 (5), Bruns, A. (2008): Blogs, wikipedia, second life, and beyond: From production to produsage. Berlin: Peter Lang. Bulic, K. (2011): The aesthetic alchemy of sounding impartial: Why Serbs still listen to ›the BBC conspiracy‹. In: Journalism, 12 (2), S. 183-197. Bull, M. (2004): ›To each their own bubble‹: Mobile spaces of sound in the city. In: Couldry, N./ McCarthy, A. (Hrsg.): Mediaspace. Place, Scale and Culture in a Media Age. London u. a.: Routledge, S. 275-293. Buonanno, M. (Hrsg.) (2002): Eurofiction. Television fiction in Europe. Report 2002. Strasbourg. Burgess, J./ Green, J. (2009): YouTube: Online video and participatory culture. Malden: Polity Press. Burkhardt, J./ Werkstetter, C. (2005): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München: Oldenbourg. Calabrese, A./ Burgelman, J.-C. (1999): Introduction. In: Calabrese, A./ Burgelman, J.-C. (Hrsg.): Communication, citizenship, and social policy: Rethinking the limits of the welfare state. Oxford: Rowman & Littlefield, S. 1-13. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 254 254 Literatur Calhoun, C. (2007): Nations matter: Culture, history, and the cosmopolitan dream. London, New York: Routledge. Cammaerts, B./ Carpentier, N. (2007): The unbearable lightness of full participation in a global context: WSIS and civil society participation. In: Servaes, J./ Carpentier, N. (Hrsg.): Towards a sustainable information society. Deconstructing WSIS. Bristol: Intellect, S. 17-49. Cammaerts, B./ Van Audenhove, L. (2003): Dominant digital divide discourses. In: Cammaerts, B./ Van Audenhove, L./ Pauwels, C. (Hrsg.): Beyond the digital divide: Reducing exclusion and fostering inclusion. Brussels: VUBpress, S. 7-14. Cammaerts, B. (2011): Power dynamics in multi-stakeholder policy processes and intra-civil society networking. In: Mansell, R./ Raboy, M. (Hrsg.): The handbook of global media and communication policy. Oxford: Wiley-Blackwell, S. 131-147. Cañizález, A./ Lugo-Ocando, J. (2008): Beyond national media systems: A medium for Latin America and the struggle for integration. In: Lugo-Ocando, J. (Hrsg.): The media in Latin America. Maidenhead: Open University Press, Carnoy, M./ Castells, M./ Cohen, S./ Cardoso, F. H. (1993): The new global economy in the information age: Reflections on our changing world. University Park, PA: Pennsylvania State UP. Castells, M. (1994): European cities, the informational society, and the global economy. In: New Left Review, 1994 (204), S. 18-32. Castells, M. (2001): Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Teil 1 der Trilogie. Das Informationszeitalter. Opladen: Leske + Budrich. Castells, M. (2002): Die Macht der Identität. Teil 2 der Trilogie. Das Informationszeitalter. Opladen: Leske + Budrich. Castells, M. (2005): Die Internet-Galaxie. Internet, Wirtschaft und Gesellschaft. Wiesbaden: VS. Castells, M. (2009): Communication power. Oxford: Oxford UP. Castells, M. (2012): Networks of outrage and hope: Social movements in the internet age. Cambridge, Oxford: Polity Press. Certeau, M. d. (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve Verlag. Chadwick, A. (2013): The Hybrid Media System: Politics and Power. Oxford: Oxford University Press. Chakravartty, P./ Zhao, Y. (2008): Towards a transcultural political economy of global communications. In: Chakravartty, P./ Zhao, Y. (Hrsg.): Global communications: Toward a transcultural political economy. Lanham u. a.: Roman & Littlefield, S. 1-19. Chakravarty, S. S. (1993): National identity in Indian popular cinema 1947-1987. Austin: University of Texas Press. Chalaby, J. K. (2005): The quiet invention of a new medium: Twenty years of transnational television in Europe. In: Chalaby, J. K. (Hrsg.): Adapting US transnatiowww.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 255 255 Literatur nal television chanels to a complex world: From cultural imperialism to localization to hybridization. London: Tauris, S. 43-65. Chan, J./ Ma, E. (2002): Transculturating modernity: A reinterpretation of cultural globalization. In: Chan, J./ McIntyre, B. (Hrsg.): In Search of boundaries: Communication, nation-state and cultural identities. Westport, CT: Greenwood, S. 3-18. Charlton, M./ Neumann-Braun, K. (1992): Medienkindheit-- Medienjugend. Eine Einführung in die aktuelle kommunikationswissenschaftliche Forschung. München: Quintessenz. Cheesman, T./ Nohl, A.-M. (2011): Many voices, one BBC World Service? The 2008 US elections, gatekeeping and trans-editing. In: Journalism, 12 (2), S. 217-233. Clark, L. S. (2007): Identity, belonging and religious lifestyle branding. In: Clark, L. S. (Hrsg.): Religion, media, and the marketplace. New Brunswick: Rutgers UP, S. 1-33. Clifford, J. (1994): Diaspora. In: Cultural Anthropology, 9 (3), S. 302-338. Cohen, R. (2008): Global diasporas: An introduction. Second edition. London: Routledge. Commission of global governance (Hrsg.) (1995): Our global neighbourhood: The report of the commission on global governance. Oxford: Oxford University Press. Cottle, S. (2006a): Mediatized conflicts: Understanding media and conflicts in the contemporary world. Maidenhead: Open University Press. Cottle, S. (2006b): Mediatized rituals: Beyond manifacturing consent. In: Media, Culture & Society, 28 (3), S. 411-432. Couldry, N. (2003): Media rituals. A critical approach. London u. a.: Routledge. Couldry, N. (2006): Culture and citizenship: The missing link? In: European Journal of Cultural Studies, 9 (3), S. 321-339. Couldry, N. (2007): Communicative entitlements and democracy: The future of the digital divide. In: Mansell, R./ Avgerou, C./ Quah, D./ Silverstone, R. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Information and Communication Technologies. Oxford: OUP, S. 383-403. Couldry, N. (2012): Media, society, world: Social theory and digital media practice. Cambridge, Oxford: Polity Press. Couldry, N./ Curran, J. (Hrsg.) (2003): Contesting media power: Alternative media in a networked world. London u. a.: Rowman & Littlefield Publishers. Couldry, N./ Hepp, A. (2012): Media Cultures in a global age. A transcultural approach to an expanded spectrum. In: Volkmer, I. (Hrsg.): Handbook of global media research. Malden: Wiley Blackwell, S. 92-109. Couldry, N./ Livingstone, S. M./ Markham, T. (2007): Media consumption and public engagement. Beyond the presumption of attention. Houndmills u. a.: Palgrave. Curran, J./ Fenton, N./ Freedman, D. (Hrsg.) (2012): Misunderstanding the internet. Milton Park: Routledge. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 256 256 Literatur Curran, J./ Park, M.-J. (Hrsg.) (2000): De-westernizing media studies. London, New York: Routledge. Curtin, M. (2003): Media capital: Towards the study of spacious flows. In: International Journal of Cultural Studies, 6 (2), S. 202. Custódio, L. (2013): Mediatization for a multidimensional approach to online civic actions by urban poor youth from favelas in Rio de Janeiro. Paper presented at the conference »Mediatization and new media«, 15-16.03.2013, Copenhagen. Dajani, N. (2012): Technology cannot a revolution make: nas-book not facebook. In: - arabmediasociety.com, http: / / www.arabmediasociety.com/ articles/ downloads/ 20120410221601_Samin_Nadav.pdf (6.7.2012). Davis, A. (2010): Political communication and social theory. London: Routledge. Davis, G. V./ Marsden, P. H./ Ledent, B./ Delrez, M. (Hrsg.) (2002): Towards a Transcultural Future. Amsterdam: Editions Rodopi B. V. Dayan, D. (1999): Media and diasporas. In: Gripsrud, J. (Hrsg.): Television and common knowledge. London, New York: Routledge, S. 18-33. Dayan, D. (2010): Beyond media events: Disenchantment, derailment, disruption. In: Couldry, N./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Media events in a global age. London u. a.: Routledge, S. 23-31. Dayan, D./ Katz, E. (1992): Media events. The live broadcasting of history. Cambridge, London: Harvard University Press. deLisle, J. (2008): One world, different dreams. The contest to define the Beijing olympics. In: Price, M. E./ Dayan, D. (Hrsg.): Owning the olympics: Narratives of the new China. Ann Arbor: University of Michigan Press, S. 17-66. Deshpande, S. (2005): The consumable hero of globalised india. In: Kaur, R./ Sinha, A. J. (Hrsg.): Bollyworld: Popular Indian cinema through a transnational lens. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage, S. 186-203. Deutsch, K. W. (1953): Nationalism and social communication: An inquiry into the foundations of nationality. Cambridge, MA: MIT Press. Deuze, M. (2007): Media work. Cambridge: Polity Press. Dobek-Ostrowska, B. (2012): Italianization (or mediterranization) of the Polish media system? Reality and perspective. In: Hallin, D. C./ Mancini, P. (Hrsg.): Comparing media systems beyond the western world. Cambridge: Cambridge UP, S. 26-50. Domscheit-Berg, D. (2011): Inside WikiLeaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Webseite der Welt. Berlin: Ullstein. Downing, J. (1984): Radical media: The political experience of alternative communication. Boston: South End Press. Downing, J. (2003): The independent media centre movement and the anarchist socialist tradition. In: Couldry, N./ Curran, J. (Hrsg.): Contesting media power: Alternative media in a networked world. London u. a.: Rowman & Littlefield Publishers, S. 243-257. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 257 257 Literatur Drake, P. (2007): Distribution and marketing in contemporary Hollywood. In: McDonald, P./ Wasko, J. (Hrsg.): The contemporary Hollywood film industry. Malden: Wiley-Blackwell, S. 63-82. du Gay, P./ Hall, S./ Janes, L./ Mackay, H./ Negus, K. (1997): Doing cultural studies. The story of the Sony Walkman. London: Sage. Dudrah, R. (2006): Bollywood: Sociology goes to the movies. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage. During, S. (1997): Popular culture on a global scale: A challenge for cultural studies? In: Critical Inquiry, 23 (4), S. 808-821. Efrati, A./ Chao, L. (2012): Google softens tone on china. In: The Wallstreet Journal, 12. Januar 2012 Eide, E./ Kunelius, R./ Phillips, A. (Hrsg.) (2008): Transnational media events: The mohammed cartoons and the imagined clash of civilizations. Göteborg: Nordicom. Einstein, M. (2007): Brands of faith: Marketing religion in a commercial age. New York: Routledge. El-Nawawy, M./ Powers, S. (2010): Al-Jazeera English: A conciliatory medium in a conflict-driven environment? In: Global Media and Communication, 6 (1), S. 61-84. Elias, N. (1993): Was ist Soziologie? 7. Auflage. Weinheim: Juventa. Esarey, A./ Qiang, X. (2008): Political expression in the Chinese blogosphere: Below the radar. In: Asian Survey, 48 (5), S. 752-772. Esser, F./ Pfetsch, B. (2004): Meeting the challanges of global communication and political integration. The significance of comparative research in a changing world. In: Esser, F./ Pfetsch, B. (Hrsg.): Comparing political communications. Theories, cases and challenges. Cambridge: Cambridge UP, S. 384-410. Etzioni, A. (1996): The Golden Rule. Community and Morality in a Democratic Society. New York: Basic Books. Evans, E. (2011): Transmedia television: Audiences, new media, and daily life. London: Routledge. Fahmy, S. S./ Al-Emad, M. (2011): Al-Jazeera vs Al-Jazeera: A comparison of the network’s English and Arabic online coverage of the US/ Al Qaeda conflict. In: International Communication Gazette, 73 (3), S. 216-232. Featherstone, M. (1990): Global culture: An introduction. In: Theory, Culture & Society, 7 (2-3), S. 1-14. Fenton, N. (2009): Drowning or waving? New media, journalism and democracy. In: Fenton, N. (Hrsg.): New media, old news: Journalism and democracy in the digital age. Los Angeles, London, New Delhi, Singapore: Sage Publications Ltd, S. 3-16. Fenton, N. (2012): The internet and social networking. In: Curran, J./ Fenton, N./ Freedman, D. (Hrsg.): Outsourcing internet regulation. Milton Park: Routledge, S. 123-148. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 258 258 Literatur Figenschou, T. U. (2010): A voice for the voiceless? A quantitative content analysis of Al-Jazeera English’s flagship news. In: Global Media and Communication, 6 (1), S. 85-107. Figenschou, T. U. (2012): Content: The messages of AJE’s News. In: Seib, P. (Hrsg.): Al Jazeera English: Global News in a changing world. New York: Palgrave Macmillan, S. 42-56. Fish, S. (1980): Is there a text in this class? The authority of interpretive communities. Cambridge/ London: Harvard University Press. Fiske, J. (1994): Media matters. Everyday culture and political change. Minneapolis, London: Minnesota UP. Flew, T./ Liu, B. R. (2011): Globally networked public spheres? The Australian media reaction to WikiLeaks. In: Global Media Journal: Australian Edition, 5 (1), S. 1-13. Florida, R. (2005): Cities and the creative class. New York: Routledge. Flournoy, D. M. (1992): CNN world report: Ted Turner’s international news coup. London: John Libbey. Flournoy, D. M./ Ganzert, C. (1992): An analysis of CNN’s weekly world report program. In: Journalism Quarterly, 69 (Spring 1992), S. 188-194. Flournoy, D. M./ Stewart, R. K. (1997): CNN: Making news in the global market. Luton: Luton Press. Fraser, N. (1993): Rethinking the public sphere. A contribution to the critique of actually existing democracy. In: Robbins, B. (Hrsg.): The phantom public sphere. London, Minneapolis: University of Minnesota Press, S. 1-32. Fraser, N. (2007): Transnationalizing the public sphere: On the legitimacy and efficacy of public opinion in a post-westphalian world. In: Theory, Culture & Society, 24 (4), S. 7-30. Frau-Meigs, D. (2007): Civil society’s involvement in the WSIS process: Drafting the alter-agenda. In: Servaes, J./ Carpentier, N. (Hrsg.): Towards a sustainable information society. Deconstructing WSIS. Bristol: Intellect, S. 81-95. Freedman, D. (2009): The political economy of the ›new‹ news environment. In: Fenton, N. (Hrsg.): New media, old news: Journalism and democracy in the digital age. Los Angeles, London, New Delhi, Singapore: Sage Publications Ltd, S. 35-50. Freedman, D. (2012): Outsourcing internet regulation. In: Curran, J./ Fenton, N./ Freedman, D. (Hrsg.): Misunderstanding the internet. Milton Park: Routledge, S. 95-120. Freedman, D./ Thussu, D. K. (Hrsg.) (2012): Media and terrorism: Global perspectives. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage. Freedman, L. (2000): Victims and victors: Reflections on the Kosovo war. In: Review of International Studies, 26 (3), S. 335-358. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 259 259 Literatur Frère, M.-S. (2011): Popular tv programmes and audiences in Kinshasa. In: Wasserman, H. (Hrsg.): Survival of ›radio culture‹ in a converged networked news media environment. London: Routledge, S. 188-206. Fullman, A. R. (2005): Reconcilable differences: The United States versus Canadian perspective towards UNESCO’s convention on the protection of the diversity of cultural contents and artistic expressions (MA-Theses). Dissertation, George Mason University. Galtung, J. (1972): Eine strukturelle Theorie des Imperialismus. In: Senghaas, D. (Hrsg.): Imperialismus und strukturelle Gewalt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 29-104. Galtung, J./ Vincent, R. C. (1995): Global glasnost. Toward a new world information and communication order? Cresskill: Hampton. Ganguly, L. (2012): Global television formats and the political economy of cultural adaption: Who wants to be a millionaire? in India. In: Oren, T./ Shahaf, S. (Hrsg.): Global television formats. Understanding television across borders. London: Routledge, S. 323-345. García Canclini, N. (1995): Hybrid cultures. Strategies for entering and leaving modernity. Minneapolis: Minnesota UP. García Canclini, N. (2001): Consumers and citizens. Globalization and multicultural conflicts. Minneapolis, London: Minnesota UP. Georgiou, M. (2006): Diaspora, identity and the media: Diasporic transnationalism and mediated spatialities. Cresskill: Hampton Press. Ghonim, W. (2012): Revolution 2.0: Wie wir mit der ägyptischen Revolution die Welt verändern. München: Econ. Giddens, A. (1991): Modernity and self-identity. Self and society in the late modern age. Stanford CA: Stanford UP. Giddens, A. (1996): Konsequenzen der Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Gilboa, E. (2005): The CNN effect: The search for a communication theory of international relations. In: Political Communication, 22 (1), S. 27-44. Gillespie, D. (2002): Russian cinema. Harlow: Pearson. Gillespie, M. (1995): Television, ethnicity and cultural change. London, New York: Routledge. Gillespie, M./ Baumann, G. (2009): Diasporic contact zones at the BBC world service. In: Tuning in working paper series, 14, http: / / www.open.ac.uk/ socialsciences/ diasporas/ publications/ diasporic_contact_zones.pdf (30.7.2012). Gillespie, M./ Webb, A. (2013): Diasporas and diplomacy: Cosmopolitan contact zones at the BBC world service (1932-2012). London: Routledge. Gilroy, P. (1993): The black atlantic. Modernity and double consciousness. London, New York: Verso. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 260 260 Literatur Gladwell, M. (2010): Small change: Why the revolution will not be tweeted. In: The New Yorker, October 4, 2010, http: / / www.newyorker.com/ reporting/ 2010/ 10/ 04/ 101004fa_fact_gladwell (6.7.2012). Glick Schiller, N. (2011): Transnationality and the city. In: Bridge, G./ Watson, S. (Hrsg.): The new blackwell companion to the city. Malden, Oxford: Wiley-Blackwell, S. 179-192. Goggin, G. (2011): Global mobile media. London: Routledge. Gordon, S./ Sibson, R. (1998): Global television: The Atlanta olympics opening ceremony. In: Rowe, D./ Lawrence, G. A. (Hrsg.): Tourism, leisure, sport: Critical perspectives. Sydney: Hodder Education, S. 204-216. Graber, C. B. (2006): The new UNESCO convention on cultural diversity: A counterbalance to the WTO? In: Journal of International Economic Law, 9 (3), S. 553- 574. Grant, P. S. (2011): The UNESCO convention on cultural diversity: Cultural policy and international trade in cultural products. In: Mansell, R./ Raboy, M. (Hrsg.): The handbook of global media and communication policy. Oxford: Wiley-Blackwell, S. 336-352. Grant, P. S./ Wood, C. (2004): Blockbusters and trade wars: Popular culture in a globalized world. Vancouver u. a.: Douglas & Mcintyre. Grantham, B. (2000): ›Some big bourgeois brothel‹: Contexts for France’s culture wars with Hollywood. Luton: Luton UP. Gregory, K. (1983): Native-view paradigms: Multiple cultures and culture conflicts in organisations. In: Administrative Science Quarterly, 28 (3), S. 359-371. Gripsrud, J. (2010a): 50 years of European television: An essay. In: Gripsrud, J./ Weibull, L. (Hrsg.): Media, markets & public spheres. European media at the crossroads. Bristol: Intellect, S. 71-93. Gripsrud, J. (Hrsg.) (2010b): The idea of the public sphere: A reader. Lanham u. a.: Lexington Books. Grunitzky, C. (2004): Introduction. In: Grunitzky, C. (Hrsg.): Transculturalism. How the world is coming together. New York: TRUE Agency, S. 25-27. Gunaratne, S. A. (2010): De-Westernizing communication/ social science research: Opportunities and limitations. In: Media, Culture & Society, 32 (3), S. 473-500. Habermas, J. (1990): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Habermas, J. (2008): Ach Europa. Kleine politische Schriften XI. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Hachmeister, L./ Rager, G. (Hrsg.) (2002): Wer beherrscht die Medien? Die 50 größten Medienkonzerne der Welt. München: Beck Verlag. Hadland, A. (2012): Africanizing three models of media and politics. Cambridge: Cambridge UP. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 261 261 Literatur Hafez, K. (2005): Mythos Globalisierung: Warum die Medien nicht grenzenlos sind. Wiesbaden: VS. Hafez, K. (2012): The ›global public sphere‹: A critical reappraisal. In: Volkmer, I. (Hrsg.): Handbook of global media research. Malden: Wiley Blackwell, S. 175- 192. Hahn, M. (2006): A clash of cultures? The UNESCO diversity convention and international trade law. In: Journal of International Economic Law, 9 (3), S. 515-552. Hall, P. (1966): The world cities. London: Weidenfeld and Nicolson. Hall, S. (1980): Encoding/ Decoding. In: Hall, S./ Hobson, D./ Lowe, A./ Willis, P. (Hrsg.): Culture, media, language. Working papers in cultural studies 1972-79. London, New York: Routledge, S. 128-138. Hall, S. (1990): Cultural identity and diaspora. In: Rutherford, J. (Hrsg.): Identity: Community, culture, difference. London: Lawrence & Wishart, S. 222-238. Hall, S. (1994a): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg: Argument Verlag. Hall, S. (1994b): Reflections upon the encoding/ decoding model. In: Cruz, J./ Lewis, J. (Hrsg.): Viewing, reading, listening. Boulder: Westview Press, S. 253-274. Hall, S. (1997a): The centrality of culture: Notes on the cultural revolutions of our time. In: Thompson, K. (Hrsg.): Media and cultural regulation. London: Sage, S. 207-238. Hall, S. (1997b): The work of representation. In: Hall, S. (Hrsg.): Representation. Cultural representations and signifying practices. London: Sage, S. 13-64. Hall, S. (1999): Kodieren/ Decodieren. In: Bromley, R./ Göttlich, U./ Winter, C. (Hrsg.): Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüneburg: Dietrich zu Klampen Verlag, S. 92-110. Hall, S. (2002): Die Zentralität von Kultur: Anmerkungen zu den kulturellen Revolutionen unserer Zeit. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 95-117. Hall, S. (2004): Ideologie, Identität und Repräsentation. Ausgewählte Schriften 4. Hamburg: Argument. Halleck, D. (2003): Indymedia: Building an international activist internet network. In: Media Development, 50(4), http: / / newmedia.yeditepe.edu.tr/ pdfs/ isimd_04/ 12.pdf (6.7.2012). Hallenberger, G. (2002): Eurofiction. Fiktionale Fernsehsendungen in Europa. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 421-435. Hallenberger, G. (2009): Fernsehformate und internationaler Formathandel. In: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.): Internationales Handbuch Medien. Baden-Baden: Nomos, S. 155-163. Hallin, D. C./ Mancini, P. (2004): Comparing media systems: Three models of media and politics. Cambridge: Cambridge UP. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 262 262 Literatur Hamelink, C. J. (2012): Global media research and global ambitions: the case of UNESCO. In: Volkmer, I. (Hrsg.): Handbook of global media research. Malden: Wiley Blackwell, S. 28-39. Hannerz, U. (1996): Transnational connections. Culture, people, places. London u. a.: Routledge. Hansen, T. B. (2005): In search of the diasporic self: Bollywood in South Africa. In: Kaur, R./ Sinha, A. J. (Hrsg.): Bollyworld: Popular Indian cinema through a transnational lens. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage, S. 239-260. Hardy, J. (2008): Western media systems. London, New York: Routledge. Harrow, K. W. (2007): Postcolonial African cinema: From political engagement to postmodernism. Bloomington: Indiana University Press. Hartley, J./ McWilliam, K. (Hrsg.) (2009): Story circle: Digital storytelling around the world. Malden, Oxford: Wiley-Blackwell. Hartmann, M. (2006): The triple articulation of ICTs. Media as technological objects, symbolic environments and individual texts. In: Berker, T./ Hartmann, M./ Punie, Y./ Ward, K. (Hrsg.): Domestication of media and technology. London: Open University Press, S. 80-102. Hartmann, M. (2008): Domestizierung 2.0: Grenzen und Chancen eines Medienaneignungskonzeptes. In: Winter, C./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Theorien der Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden: VS, S. 402-416. Hartmann, M. (2009): Silverstone: Medienobjekte und Domestizierung. In: Hepp, A./ Krotz, F./ Thomas, T. (Hrsg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden: VS, S. 304-315. Hasebrink, U. (2003): Nutzungsforschung. In: Bentele, G./ Brosius, H.-B./ Jarren, O. (Hrsg.): Öffentliche Kommunikation. Handbuch Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 101-127. Hauchler, I./ Messner, D./ Nuscheler, F. (Hrsg.) (2001): Globale Trends 2002. Fakten, Analysen, Prognosen. Frankfurt a. M.: Fischer. Haug, W. F. (2005): Zivilgesellschaft. In: Attac (Hrsg.): ABC der Globalisierung. Von ›Alterssicherung‹ bis ›Zivilgesellschaft‹. Hamburg: VSA, S. 212-213. Hawkins, V. (2002): The Other Side of the CNN Factor: The media and conflict. In: Journalism Studies, 3 (2), S. 225-240. Hawkins, V. (2011): Media selectivity and the other side of the CNN effect: The consequences of not paying attention to conflict. In: Media, War & Conflict, 4 (1), S. 55-68. Haynes, J. (2000): Introduction. In: Haynes, J. (Hrsg.): Nigerian video films. Athens: Ohio University Press, S. 1-36. Hepp, A. (1997): Von der Interpretationsgemeinschaft zur häuslichen Welt: Zur Fernsehaneignung in Gruppen aus der Perspektive der Cultural Studies. In: Medien Journal, 21 (4), S. 39-48. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 263 263 Literatur Hepp, A. (1998): Fernsehaneignung und Alltagsgespräche. Fernsehnutzung aus der Perspektive der Cultural Studies. Opladen: Westdeutscher Verlag. Hepp, A. (2004): Netzwerke der Medien. Medienkulturen und Globalisierung. [Reihe »Medien-- Kultur-- Kommunikation«]. Wiesbaden: VS. Hepp, A. (2005): Kommunikative Aneignung. In: Mikos, L./ Wegener, C. (Hrsg.): Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch. Konstanz: UVK (UTB), S. 67-79. Hepp, A. (2009a): Localities of diasporic communicative spaces: Material aspects of translocal mediated networking. In: Communication Review, 12 (4), S. 327-348. Hepp, A. (2009b): Néstor García Canclini: Hybridisierung, Deterritorialisierung und »cultural citizenship«. In: Hepp, A./ Krotz, F./ Thomas, T. (Hrsg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden: VS, S. 165-175. Hepp, A. (2010): Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS. Hepp, A. (2013a): Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten. Zweite Auflage. Wiesbaden: VS. Hepp, A. (2013b): The communicative figurations of mediatized worlds: Mediatization research in times of the ›mediation of everything‹. In: European Journal of Communication, 28 (6), S. 615-629. Hepp, A. (2014): Vergemeinschaftung. In: Wünsch, C./ Schramm, H./ Gehrau, V./ Bilandzic, H. (Hrsg.): Handbuch Rezeptions- und Wirkungsforschung Band I: Medienrezeption. Baden-Baden: Nomos, S. 361-375. Hepp, A./ Berg, M./ Roitsch, C. (2012a): Die Mediatisierung subjektiver Vergemeinschaftungshorizonte: Zur kommunikativen Vernetzung und medienvermittelten Gemeinschaftsbildung junger Menschen. In: Krotz, F./ Hepp, A. (Hrsg.): Mediatisierte Welten. Beschreibungsansätze und Forschungsfelder. Wiesbaden: VS, S. 227-256. Hepp, A./ Berg, M./ Roitsch, C. (2014a): Mediatized worlds of communitization: Young people as localists, centrists, multi-localists and pluralists. In: Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Mediatized worlds: Culture and society in a media age. London: Palgrave, S. 174-203. Hepp, A./ Berg, M./ Roitsch, C. (2014b): Mediatisierte Welten der Vergemeinschaftung: Kommunikative Vernetzung und das Gemeinschaftsleben junger Menschen. Wiesbaden: VS. Hepp, A./ Bozdag, C./ Suna, L. (2011): Mediale Migranten: Mediatisierung und die kommunikative Vernetzung der Diaspora. Wiesbaden: VS. Hepp, A./ Brüggemann, M./ Kleinen-von Königslöw, K./ Lingenberg, S./ Möller, J. (2012b): Politische Diskurskulturen in Europa. Die Mehrfachsegmentierung europäischer Öffentlichkeit. Wiesbaden: VS. Hepp, A./ Couldry, N. (2009): What should comparative media research be comparing? Towards a transcultural approach to ›media cultures‹. In: Thussu, D. K. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 264 264 Literatur (Hrsg.): Internationalizing Media Studies: Impediments and Imperatives. London: Routledge, S. 32-47. Hepp, A./ Couldry, N. (2010): Media Events in Globalized Media Cultures. In: -Couldry, N./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Media Events in a Global Age. London u. a.: Routledge, S. 1-20. Hepp, A./ Hasebrink, U. (2013): Translocal communicative figurations. In: Communicative Figurations | Working Papers No 2, http: / / www.kommunikative-figurationen.de/ fileadmin/ redak_kofi/ Arbeitspapiere/ CoFi_EWP_No-2_Hepp_Hasebrink.pdf (16.5.2013). Hepp, A./ Hitzler, R. (2014): Mediatisierung von Vergemeinschaftung und Gemeinschaft: Zusammengehörigkeiten im Wandel. In: Krotz, F./ Despotovic, C./ Kruse, M. (Hrsg.): Mediatisierung sozialer Welten. Wiesbaden: VS, im Druck. Hepp, A./ Krönert, V. (2009): Medien- - Event- - Religion: Die Mediatisierung des Religiösen. Wiesbaden: VS. Hepp, A./ Krönert, V. (2010): Religious media events: The Catholic »world youth day« as an example for the mediatisation and individualisation of religion. In: -Couldry, N./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Media events in a global age. London u. a.: Routledge, S. 265-282. Hepp, A./ Krotz, F. (2012): Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze-- Zur Einleitung. In: Krotz, F./ Hepp, A. (Hrsg.): Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: VS, S. 7-23. Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.) (2014): Mediatized worlds: Culture and society in a media age London: Palgrave. Hepp, A./ Krotz, F./ Winter, C. (2005): Einleitung. In: Hepp, A./ Krotz, F./ Winter, C. (Hrsg.): Globalisierung der Medien. Eine Einführung. Wiesbaden: VS, S. 2-17. Hepp, A./ Lingenberg, S./ Elsler, M./ Möller, J./ Mollen, A./ Offerhaus, A. (2013): »I- just hope the whole thing won’t collapse«: »Understanding« and »overcoming« the EU financial crisis from the citizens’ perspective. In: TransState Working Papers, 168, http: / / www.sfb597.uni-bremen.de/ pages/ download.php? ID=209&SPRACH E=de&TABLE=AP&TYPE=PDF (11.5.2013). Hepp, A./ Lingenberg, S./ Offerhaus, A./ Möller, J./ Elsler, M./ Mollen, A. (2012c): Europe beyond the crisis? Citizens’ (re)actions on the multi-segmentation of the European public sphere. In: Morganti, L./ Bekemans, L. (Hrsg.): The European public sphere. From critical thinking to responsible action. Berlin, New York: Peter Lang, S. 69-84. Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.) (2002): Grundlagentexte zur Transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB). Hepp, A./ Wessler, H. (2009): Politische Diskurskulturen: Überlegungen zur empirischen Erklärung segmentierter europäischer Öffentlichkeit. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 57 (2), S. 174-197. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 265 265 Literatur Herman, E. S./ McChesney, R. W. (1997): The global media. The new missionaries of corporate capitalism. London: Cassell. Hermann, E. (2007): Communicating with transculturation. In: Journal de la Société des Océanistes, 125 (2), S. 257-260. Hesmondhalgh, D. (Hrsg.) (2006): Media production. Berkshire: Open University Press. Hesmondhalgh, D. (2007): The cultural industries. Second edition. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage. Hickethier, K. (2001): Hollywood, der europäische Film und die kulturelle Globalisierung. In: Wagner, B. (Hrsg.): Kulturelle Globalisierung. Zwischen Weltkultur und kultureller Fragmentierung. Essen: Klartext, S. 113-131. Highfield, T. J. (2009): Which way up? Reading and drawing maps of the blogosphere. In: Ejournalist, 9 (1), S. 99-114. Hitzler, R. (2008): Brutstätten posttraditionaler Vergemeinschaftung. In: Hitzler, R./ Honer, A./ Pfadenhauer, M. (Hrsg.): Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretische und ethnographische Erkundungen. Wiesbaden: VS, S. 55-72. Hitzler, R./ Niederbacher, A. (2010): Leben in Szenen. Formen juveniler Vergemeinschaftung heute. Dritte, vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden: VS. Hitzler, R./ Pfadenhauer, M. (2010): Posttraditionale Vergemeinschaftung: Eine ›Antwort‹ auf die allgemeine gesellschaftliche Verunsicherung. In: Soeffner, H.-G. (Hrsg.): Unsichere Zeiten. Verhandlungen des 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena 2008. Band 1. Wiesbaden: VS, S. 371-382. Hoffmann-Riem, W. (1989): Medienstädte im Wettbewerb. Am Beispiel Hamburg. In: Medien Journal, 1989 (2), S. 66-76. Holly, W./ Püschel, U./ Bergmann, J. R. (Hrsg.) (2001): Der sprechende Zuschauer. Wie wir uns Fernsehen kommunikativ aneignen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Hoover, S. (2006): Religion in the media age. London, New York: Routledge. Horkheimer, M./ Adorno, T. W. (1988): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente [orig. 1944]. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag. Hoskins, A./ O’Loughlin, B. (2011): Remediating jihad for western news audiences: The renewal of gatekeeping? In: Journalism, 12 (2), S. 199-216. Howley, K. (2010): Introduction. In: Howley, K. (Hrsg.): Understanding Community Media. Thousand Oak, u. a.: Sage, S. 1-14. Humphreys, L./ Finlay, C. J. (2008): New technologies, new narratives. In: Price, M. E./ Dayan, D. (Hrsg.): Toward the future. The new olympic internationalism. Ann Arbor: Michigan UP, S. 284-306. Hutchins, B./ Mikosza, J. (2010): The web 2.0 olympics: Athlete blogging, social networking and policy contradictions at the 2008 Beijing games. In: Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, 16 (3), S. 279-297. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 266 266 Literatur Hyde, G. (2002): Independent Media Centers: Cyber-subversion and the alternative press. In: First Monday, 7(4), http: / / frodo.lib.uic.edu/ ojsjournals/ index.php/ fm/ article/ view/ 944/ 866 (06.07.2012). IOC (2009): Games of the xxix olympiad, Beijing 2008. Global television and online media report. http: / / www.olympic.org/ Documents/ IOC_Marketing/ Broadcasting/ Beijing_2008_Global_Broadcast_Overview.pdf (16.6.2012). Isin, E. F. (2002): Being political. Minneapolis, London: Minneapolis UP. Isin, E. F. (2008): Theorising acts of citizenship. In: Isin, E. F./ Nielsen, G. M. (Hrsg.): Acts of Citizenship. London, New York: Zed Books, S. 15-43. Jaber, M./ Baumann, G. (2011): The BBC world service in the middle east: Claims to impartiality, or a politics of translation? In: Journalism, 12 (2), S. 171-182. Jakubowicz, K. (2008): Riviera on the Baltic? Public service broadcasting in postcommunist countries. In: Dobek-Ostrowska, B./ Glowacki, M. (Hrsg.): Comparing media systems in central Europe: Between commercialization and politicization. Warschau: Wroclaw UP, S. 41-54. Jandt, F. E. (2012): An introduction to intercultural communication: Identities in a global community. Seventh Edition. New Delhi u. a.: Sage. Jarvie, I. (2000): National cinema. A theoretical assessment. In: Hjort, M./ Mackenzie, S. (Hrsg.): Cinema and nation. London, New York: Routledge, S. 75-87. Jenkins, H. (2006a): Convergence culture: Where old and new media collide. New York: New York University Press. Jenkins, H. (2006b): Fans, bloggers and gamers: Essays on participatory culture. New York: New York University Press. Johnson, K. (2000): Television and social change in rural India. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage. Johnson, R. (1986): What is cultural studies anyway? In: Social Text, 16 S. 38-80. Jong, W. d./ Shaw, M./ Stammers, N. (2005): Introduction. In: Jong, W. d./ Shaw, M./ Stammers, N. (Hrsg.): Global activism, global media. London: Pluto Press, S. 1-14. Kalogeras, Y./ Arapoglou, E./ Manney, L. (Hrsg.) (2006): Transcultural localisms: Responding to ethnicity in a globalized world. Heidelberg: Winter. Kannengießer, S. (2011): Networking for social change: The association for progressive communications women’s networking support programme. In: Feminist Media Studies, 11 (4), S. 506-509. Kannengießer, S. (2013): Translokale Ermächtigungskommunikation. Medien, Globalisierung, Frauenorganisationen. Wiesbaden: Springer VS. Karim, K. H. (2002): Making sense of the »Islamic peril«: Journalism as cultural practice. In: Zelizer, B./ Allan, S. (Hrsg.): Journalism after September 11. London, New York: Routledge, S. 101-116. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 267 267 Literatur Katz, E./ Liebes, T. (2010): ›No more peace! ‹: How disaster, terror and war have upstaged media events. In: Couldry, N./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Media events in a global age. London u. a.: Routledge, S. 32-42. Kazmi, F. (1999): The politics of India’s conventional cinema. Imaging a universe, subverting a multiverse. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage. Kellner, D. (2003): Media spectacle. London: Routledge. Kennedy, P. (2010): Local lives and global transformations: Towards world society. Houndmills: Palgrave Macmillan. Keppler, A. (1994): Tischgespräche. Über Formen kommunikativer Vergemeinschaftung am Beispiel der Konversation in Familien. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Keppler, A. (2014): Reichweiten alltäglicher Gespräche. Über den kommunikativen Gebrauch alter und neuer Medien. In: Bellebaum, A./ Hettlage, R. (Hrsg.): Unser Alltag ist voll von Gesellschaft. Wiesbaden: VS, S. 85-104. Khamis, S./ Gold, P. B./ Vaughn, K. (2012): Beyond Egypt’s facebook revolution and Syria’s YouTube uprising: Comparing political contexts, actors and communication strategies. In: arabmediasociety.com, http: / / www.arabmediasociety.com/ articles/ downloads/ 20120407120519_khamis_gold_vaughn.pdf (6.7.2012). Kiev, A. (1972): Transcultural psychiatry. New York: The Free Press. Kim, J. (2012): The institutionalization of YouTube: From user-generated content to professionally generated content. In: Media, Culture & Society, 34 (1), S. 53-67. Klaus, E./ Lünenborg, M. (2004): Cultural Citizenship. Ein kommunikationswissenschaftliches Konzept zur Bestimmung kultureller Teilhabe in der Mediengesellschaft. In: Medien und Kommunikationswissenschaft, 52 (2), S. 193-213. Klein, N. (2001): No Logo! Der Kampf der Global Players um Markenmacht. Ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. Wiesbaden: Riemann. Kleinsteuber, H. J. (2005): Medienpolitik. In: Hepp, A./ Krotz, F./ Winter, C. (Hrsg.): Globalisierung der Medienkommunikation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS, S. 93-116. Kleinwächter, W. (2004a): Beyond ICANN vs. ITU? How WSIS tries to enter the new territory of internet governance. In: International Communication Gazette, 66 (3-4), S. 233-251. Kleinwächter, W. (2004b): Macht und Geld im Cyberspace. Wie der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) die Weichen für die Zukunft stellt. Hannover: Heise. Kleinwächter, W. (2006): Ein virtuelles Mekka für Netizens? In: Telepolis, http: / / www.telepolis.de/ r4/ artikel/ 22/ 22120/ 1.html (1.4.2006). Knoblauch, H. (2008): Kommunikationsgemeinschaften. Überlegungen zur kommunikativen Konstruktion einer Sozialform. In: Hitzler, R./ Honer, A./ Pfadenhauer, M. (Hrsg.): Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretische und ethnographische Erkundungen. Wiesbaden: VS, S. 73-88. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 268 268 Literatur Knoblauch, H. (2009): Populäre Religion. Auf dem Weg in eine spirituelle Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Campus Wissenschaft. Knorr-Cetina, K. (2012): Skopische Medien: Am Beispiel der Architektur von Finanzmärkten. In: Krotz, F./ Hepp, A. (Hrsg.): Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden: VS, S. 167-196. Koch-Gombert, D. (2005): Fernsehformate und Formatfernsehen: TV-Angebotsentwicklung in Deutschland zwischen Programmgeschichte und Marketingstrategie. München: Meidenbauer. Koch, G. (2008): Transkulturalisierung als Modus der Wissensproduktion. Zur Einleitung. In: Koch, G. (Hrsg.): Transkulturelle Praktiken. Empirische Studien zu Innovationsprozessen. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag, S. 9-30. Koltsova, O. (2006): News media and power in Russia. London: Routledge. Koltsova, O. (2008): Media, state, and responses to globalization in post-communist Russia. In: Chakravartty, P./ Zhao, Y. (Hrsg.): Global communications: Toward a transcultural political economy. Lanham u. a.: Roman & Littlefield, S. 51-73. Koopman, A. (1994): Transcultural management. Köln: Edition Humanistische Psychologie. Koopmans, R./ Statham, P. (Hrsg.) (2010): The making of a European public sphere: Media discourse and political contention. Cambridge: Cambridge UP. Kosnick, K. (2007): Migrant media: Turkish broadcasting and multicultural politics in Berlin. Bloomington: Indiana University Press. Kraidy, M. M. (2005): Hybridity, or: The cultural logic of globalization. Philadelphia: Temple UP. Kraidy, M. M. (2012a): The rise of transnational media systems: Implications of Pan- Arab media for comparative research. Cambridge: Cambridge UP. Kraidy, M. M. (2012b): The social and political dimensions of global television formats: Reality television in Lebanon and Saudi Arabia. In: Oren, T./ Shahaf, S. (Hrsg.): Global television formats. Understanding television across borders. London: Routledge, S. 285-305. Kraidy, M. M./ Khalil, J. F. (2009): Arab television industry. London: BFI, Palgrave. Kramer, S. (2006): Transcultural narrations of the local: Taiwanese cinema between utopia and heterotopia. In: Kramer, S./ Gentz, N. (Hrsg.): Globalization, cultural identities, and media representations. New York: New York UP, S. 45-57. Kramp, L. (2013): Profession am Scheideweg. Journalismus zwischen Aufbruch und Existenzängsten. In: Kramp, L./ Novy, L./ Ballwieser, D./ Wenzlaff, K. (Hg.): Journalismus in der digitalen Moderne. Einsichten-- Ansichten-- Aussichten. Wiesbaden: VS, S. 33-62. Krätke, S. (2005): »Global media cities«: Major nodes of globalising culture and media industries. In: Brenner, N./ Keil, R. (Hrsg.): The global cities reader. New York, London: Routledge, S. 325-331. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 269 269 Literatur Krätke, S. (2011): The creative capital of cities. Interactive knowledge creation and the urbanization of economics of innovation. Malden: Wiley-Blackwell. Krätke, S./ Borst, R. (2000): Berlin. Metropole zwischen Boom und Krise. Opladen: Leske + Budrich. Kriem, M. S. (2009): Mobile telephony in Morocco: A changing sociality. In: Media, Culture & Society, 31 (4), S. 617-632. Krotz, F. (2002): Der Umgang mit Medienangeboten in verschiedenen Kulturen. In: -Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 696-722. Krotz, F. (2005): Von Modernisierungsüber Dependenzzu Globalisierungstheorien. In: Hepp, A./ Krotz, F./ Winter, C. (Hrsg.): Globalisierung der Medien. Eine Einführung. Wiesbaden: VS, S. 21-44. Krotz, F. (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS. Kubicek, H./ Welling, S. (2000): Vor einer digitalen Spaltung in Deutschland? Annäherungen an ein verdecktes Problem von wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Brisanz. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 48 (4), S. 497-517. Kugelman, M. (2012): Covering and reaching South Asia. In: Seib, P. (Hrsg.): The nature of the channel’s global audience. New York: Palgrave Macmillan, S. 97-119. Kumpf, S. (2011): Es muss was geben, worüber man nachdenken kann. Die Aneignung von Quality TV-Serien. In: Elsler, M. (Hrsg.): Die Aneignung von Medienkultur. Wiesbaden: VS, S. 19-34. Kyriakidou, M. (2008): Rethinking media events in the context of a global public sphere: Exploring the audience of global disasters in Greece. In: Communications: The European Journal of Communication Research, 33 (3), S. 273-291. Landry, C. (2000): The creative city. A toolkit for urban innovations. London: Comedia. Larkin, B. (2005): Bandiri music, globalisation and urban experience in Nigeria. In: - Kaur, R./ Sinha, A. J. (Hrsg.): Bollyworld: Popular Indian cinema through a transnational lens. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage, S. 284-308. Larkin, B. (2008): Signal and noise: Media, infrastructure, and urban culture in Nigeria. Durham, London: Duke University Press. Lash, S./ Lury, C. (2007): Global culture industry. Cambridge: Polity Press. Lash, S./ Urry, J. (1994): Economics of signs and space. London u. a.: Sage. Latham, K. (2009): Media, the olympics and the search for the »real China«. In: The China Quarterly, 197 (1), S. 25-43. Latour, B. (2007): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Leach, M. (1997): Feminist figurations: gossip as a counter discourse. In: International Journal of Qualitative Studies in Education, 10 (3), S. 305-314. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 270 270 Literatur Leal, O. F. (1995): Popular taste and erudite repertoire. In: Jackson, S./ Moores, S. (Hrsg.): The politics of domestic consumption. Critical readings. London u. a.: Prentice Hall, S. 314-320. Lee, V. P. Y. (2011): East Asian cinemas. Basingstoke: Palgrave. Lerner, D. (1977): Towards a communication theory of modernization: a set of considerations. In: Schramm, W./ Roberts, D. F. (Hrsg.): The process and effects of mass communication. 4th edition. Urbana u. a.: University of Illinois Press, S. 861-889. Levitt, T. (1986): Die Macht des kreativen Marketing. München: Econ. Levy, S. (2012): Google Inside: Wie Google denkt, arbeitet und unser Leben verändert. Heidelberg u. a.: mitp. Lewis, R. D. (1999): Cross cultural communication: A visual approach. Riversdown: Transcreen Publications. Leye, V. (2009): UNESCO’s communication policies as discourse: How change, human development and knowledge relate to communication. In: Media, Culture & Society, 31 (6), S. 939-956. Liebes, T./ Katz, E. (1989): On the critical abilities of television viewers. In: Seiter, E./ Borchers, H./ Kreutzner, G./ Warth, E.-M. (Hrsg.): Remote control. Television, audiences and cultural power. London, New York: Routledge, S. 204-222. Liebes, T./ Katz, E. (1993): The export of meaning. Second edition. Cambridge: Polity Press. Liebes, T./ Katz, E. (2002): Über die kritischen Fähigkeiten der Fernsehzuschauer. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 586-616. Lievrouw, L. A. (2011): Alternative and activist new media. Cambridge: Polity Press. Lingenberg, S. (2010): The citizen audience and European transcultural public spheres: Exploring civic engagement in European political communication. In: Communications, 35 (1), S. 45-72. Lingenberg, S./ Möller, J./ Hepp, A. (2010): »Doing Nation«: Journalistische Praktiken der Nationalisierung Europas. In: TransState Working Papers, 140, http: / / www.sfb597.uni-bremen.de/ pages/ download.php? ID=181&SPRACHE=de&TA BLE=AP&TYPE=PDF (11.5.2013). Livingston, S. (1997): Clarifying the CNN effect: An examination of media effects according to type of military intervention. In: Harvard University John F. Kennedy School of Government, http: / / tamilnation.co/ media/ CNNeffect.pdf (31.7.2012). Livingston, S./ Asmolov, G. (2010): Networks and the future of foreign affairs reporting. In: Journalism Studies, 11 (5), S. 745-760. Livingstone, S. M./ Helsper, E. (2007): Gradations in digital inclusion: Children, young people and the digital divide. In: New Media & Society, 9 (4), S. 671-696. Löffelholz, M. (Hrsg.) (2004): Krieg als Medienereignis II. Krisenkommunikation im 21. Jahrhundert. Wiesbaden: VS. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 271 271 Literatur Löfgren, O. (2001): The nation as home or motel? Metaphors of media and belonging. In: Sosiologisk Årbok, 14 (1), S. 1-34. Luckmann, B. (1970): The small life-worlds of modern man. In: Social Research, 37 (4), S. 580-596. Luger, K. (1994): Offene Grenzen in der Kommunikationswissenschaft. Über die Notwendigkeit eines interkulturellen Forschungsansatzes. In: Luger, K./ Renger, R. (Hrsg.): Dialog der Kulturen: Die multikulturelle Gesellschaft und die Medien. Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, S. 23-65. Luger, K./ Renger, R. (Hrsg.) (1994): Dialog der Kulturen: Die multikulturelle Gesellschaft und die Medien. Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag. Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2 Bde. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Lull, J. (1998): Hybrids, fronts, borders: The challenge of cultural analysis in Mexico. In: European Journal of Cultural Studies, 1 S. 403-418. Lull, J. (2000): Media, communication, culture. A global approach. Second Edition. Cambridge: Polity Press. Lull, J. (2002): Superkultur. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur Transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 750-773. Lundby, K. (Hrsg.) (2008): Digital storytelling, mediatized stories: Self-representations in new media. New York: Peter Lang. Lundby, K. (2013): Transformations in religion across media. In: Lundby, K. (Hrsg.): Religion Across Media. New York: Peter Lang, S. in print. Lunt, P./ Livingstone, S. M. (2012): Media regulation. Governence and the interests of citizens and consumers. London: Sage. Lunt, P./ Livingstone, S. M. (2013): Media studies’ fascination with the concept of the public sphere: Critical reflections and emerging debates. In: Media, Culture & Society, 35 (1), S. 87-96. Ma, E. K.-W.. (2000): Rethinking media studies. The case of China. In: Curran, J./ Park, M.-J. (Hrsg.): De-westernizing media studies. London, New York: Routledge, S. 21-34. MacBride, S./ Abel, E. (Hrsg.) (1984): Many voices, one world: Communication and society, today and tomorrow : the MacBride report. Paris: Unesco. MacBride, S. (Hrsg.) (1981): Viele Stimmen, eine Welt. Bericht der Internationalen Kommission zum Studium der Kommunikationsprobleme unter dem Vorsitz von Sean MacBride an die UNESCO. Konstanz: UVK. MacDougall, D. (1998): Transcultural cinema. Princeton: Princeton UP. Mackenthun, G. (2011): Von Hybriden und Geisterschiffen. Metaphern im postkolonialen Wissenschaftsdiskurs. In: Junge, M. (Hrsg.): Metaphern in Wissenskulturen. Wiesbaden: VS, S. 123-139. Madianou, M./ Miller, D. (2012): Migration and new media: Transnational families and polymedia. London: Routledge. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 272 272 Literatur Madianou, M./ Miller, D. (2013): Polymedia: Towards a new theory of digital media in interpersonal communication. In: International Journal of Cultural Studies, 16 (6), S. 169-187. Malinowski, B. (1970): Introduction. In: Ortiz, F. (Hrsg.): Cuban counterpoint: Tobacco and sugar. New York: Vintage Books, S. ix-xvi. Mamdani, M. (1996): Citizen and subject: Contemporary Africa and the legacy of late colonialism. Princeton, NJ: Princeton UP. Mancini, P. (2005): Is there a European model of journalism? In: de Burgh, H. (Hrsg.): Making journalists: Diverse models, global issues. London, New York: Routledge, S. 77-93. Mancini, P. (2008): Journalism culture. A multi-level proposal. In: Hahn, O./ Schröder, R. (Hrsg.): Journalistische Kulturen. Internationale und interdisziplinäre Theoriebausteine. Köln: Halem, S. 149-167. Mansell, R. (2002): From digital divides to digital entitlements in knowledge societies. In: Current Sociology, 50 (3), S. 407-426. Mansell, R./ Raboy, M. (2011): Introduction: Foundations of the theory and practice of global media and communication policy. In: Mansell, R./ Raboy, M. (Hrsg.): The handbook of global media and communication policy. Oxford: Wiley-Blackwell, S. 1-20. Marcus, G. E. (1995): Ethnography in/ of the world system: The emergence of multisited ethnography. In: Annual Review of Anthropology, 24 (4), S. 95-117. Marshall, P. D./ Walker, B./ Russo, N. (2010): Mediating the olympics. In: Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, 16 (3), S. 263-278. Marshall, T. H. (1992): Bürgerrechte und soziale Klassen: Zur Soziologie des Wohlfahrtsstaates. Frankfurt a. M.: Campus. Martín-Barbero, J. (1993): Communication, culture, and hegemony: From the media to mediations. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage. Massey, D. (1994): Space, place and gender. Cambridge: Polity Press. Matijs, E./ Jones, J. (Hrsg.) (2004): Big brother international: Formats, critics and publics. London, New York: Wallflower Press. Mattelart, A. (1999): Kommunikation ohne Grenzen? Geschichte der Ideen und Strategien globaler Vernetzung. Berlin: Avinus, Rodenbach. Mattelart, A. (2003): Kleine Geschichte der Informationsgesellschaft. Berlin: Avinus, Rodenbach. Mattelart, A./ Delcourt, X./ Mattelart, M. (1984): International image markets: In search of an alternative perspective. London: Comedia. Mattelart, T. (2009): Audio-visual piracy: Towards a study of the underground networks of cultural globalization. In: Global Media and Communication, 5 (3), S. 308-326. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 273 273 Literatur McCargo, D. (2012): Partisan polyvalence. Characterizing the political role of Asian media. Cambridge: Cambridge UP. McGuigan, J. (1998): What price the public sphere? In: Thussu, D. K. (Hrsg.): Electronic empires. Global media and local resistance. London: Arnold, S. 91-107. McNair, B. (2006): Cultural chaos: Journalism and power in a globalised world. London: Routledge. McPhail, T. L. (2009): Development communication: Reframing the role of the media. Oxford, Malden: Wiley-Blackwell. McPhail, T. L. (2010): Global communication: Theories, stakeholders, and trends. 3rd edition. Malden: Wiley-Blackwell. Meckel, M. (2002): Transkulturelles Medienmanagement. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 299-318. Meinhof, U. H./ Triandafyllidou, A. (2006): Transcultural Europe: An introduction to cultural policy in a changing Europe. In: Meinhof, U. H./ Triandafyllidou, A. (Hrsg.): Transcultural Europe. Cultural policy in a changing Europe. London: Palgrave, S. 3-21. Mellor, N./ Ayish, M. I./ Dajani, N./ Rinnawi, K. (2011): Arab media. Globalization and emerging media industries. Cambridge, Malden: Polity Press. Messner, D./ Nuscheler, F. (1996): Global Governance. Organisationselemente und Säulen einer Weltordnungspolitik. (Hrsg.): Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion. Bonn: Dietz, S. 12-36. Messner, D./ Nuscheler, F. (2006): Das Konzept Global Governance- - Stand und Perspektiven. In: Stiftung-Entwicklung-und-Frieden (Hrsg.): Global Governance für Entwicklung und Frieden. Perspektiven nach einem Jahrzehnt. Bonn: H. W. Dietz, S. 18-79. Miah, A./ García, B./ Zhihui, T. (2008): We are the media. Nonaccredited media and journalists at the olympic games. In: Price, M. E./ Dayan, D. (Hrsg.): From Athens to Beijing. The Closing Ceremony and Olympic Television Broadcast Narratives. Ann Arbor: Michigan UP, S. 320-345. Mikos, L. (2001): Rezeption und Aneignung-- eine handlungstheoretische Perspektive. In: Rössler, P./ Hasebrink, U./ Jäckel, M. (Hrsg.): Theoretische Perspektiven der Rezeptionsforschung. München: Reinhard Fischer, S. 59-71. Mikos, L. (2002): Die lokale Orientierung des globalen Fernsehmarktes am Beispiel des Reality-Formats »Big Brother«. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK, S. 436-455. Miller, J. (2010): Ugly Betty goes global: Global networks of localized content in the telenovela industry. In: Global Media and Communication, 6 (2), S. 198-217. Miller, T./ Govil, N./ McMurria, J./ Maxwell, R. (2005): Global Hollywood 2. London: BFI. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 274 274 Literatur Mobley, A. M. (2008): Sharing the dream: The opening ceremonies of Beijing. In: -Journal of Sport & Social Issues, 32 (4), S. 327-332. Moore, S. F. (1978): Uncertainties in Situations, Indeterminacies in Culture. In: - Moore, S. F./ Myerhoff, B. (Hrsg.): Law as Process: An Anthropological Approach. London: Routledge, S. 32-53. Moran, A. (2009a): New flows in global tv. Bristol: Intellect. Moran, A. (2009b): Tv formats worldwide: Localising global programs. Bristol: Intellect. Morley, D. (2000): Home territories. Media, mobility and identity. London, New York: Routledge. Morley, D. (2001a): Belongings: Place, space and identity as mediated world. In: European Journal of Cultural Studies, 4 (4), S. 425-448. Morley, D. (2001b): Nicht ›zu Hause‹ in der Mediennation. In: Busch, B./ Hipfl, B./ Robins, K. (Hrsg.): Bewegte Identitäten. Medien in transkulturellen Kontexten. Klagenfurt: Drava, S. 21-46. Morley, D. (2006): What’s ›home‹ got to do with it? Contradictionary dynamics in the domestication of technology and the dislocation of domesticity. In: Berker, T./ Hartmann, M./ Punie, Y./ Ward, K. (Hrsg.): Domestication of media and technology. New York: Open UP, S. 21-39. Morley, D. (2007): Media, modernity and technology. The geography of the new. London, New York: Routledge. Morley, D./ Robins, K. (1995): Spaces of identity. Global media, electronic landscapes, and cultural boundaries. London, New York: Routledge. Morley, D./ Robins, K. (2002): Globalisierung als Identitätskrise: Die neue globale Medienlandschaft. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 533-560. Morley, D./ Silverstone, R. (1990): Domestic communication: Technologies and meanings. In: Media, Culture & Society, 12 (1), S. 31-55. Morozov, E. (2012): The net delusion: How not to liberate the world. Harmondsworth: Penguin. Mortensen, M. (2011): When citizen photojournalism sets the news agenda: Neda Agha Soltan as a web 2.0 icon of post-election unrest in Iran. In: Global Media and Communication, 7 (1), S. 4-16. Mortensen, M. (2012): Metacoverage taking the place of coverage: WikiLeaks as a source for the production of news in the digital age. In: Northern Lights: Film and Media Studies Yearbook, 10 (1), S. 91-106. Mudhai, O. F. (2011): Survival of ›radio culture‹ in a converged networked news media environment. In: Wasserman, H. (Hrsg.): Transnational flows and local identities in muslim northern Nigerian films. London: Routledge, S. 253-268. Mueller, M. L. (2010): Networks and states. The global politics of internet governance. Cambridge: MIT Press. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 275 275 Literatur Müller, E. (2002): Unterhaltungsshows transkulturell: Fernsehformate zwischen Akkomodation und Assimilation. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur Transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 456- 473. Murray, S./ Ouellette, L. (Hrsg.) (2008): Reality tv: Remaking television culture. New York: New York UP. Mytton, G./ Teer-Tomaselli, R./ Tudesq, A.-J. (2005): Transnational television in subsaharan Africa. In: Chalaby, J. K. (Hrsg.): Adapting US transnational television chanels to a complex world: From cultural imperialism to localization to hybridization. London: Tauris, S. 96-127. Nagib, L./ Perriam, C./ Dudrah, R. (2012): Introduction. In: Nagib, L./ Perriam, C./ Dudrah, R. (Hrsg.): Theorizing world cinema. London: I. B.Tauris, S. xvii-xxxii. Nathan, J. (1999): Sony: The private life. Boston: Houghton Mifflin Company. Ndlela, M. N. (2012): Global television formats in Africa: Localizing Idol. In: Oren, T./ Shahaf, S. (Hrsg.): Global television formats. Understanding television across borders. London: Routledge, S. 242-259. Nederveen Pieterse, J. (1998): Der Melange-Effekt. In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 87-124. Negus, K. (1997): The production of culture. In: du Gay, P. (Hrsg.): Production of culture/ cultures of production. London: Sage, S. 67-104. Negus, K. (1999): The music business and the rap: Between the street and the executive suite. In: Cultural Studies, 13 (3), S. 488-508. Negus, K. (2000): Music divisions. The recording industry and the social mediation of cultural industries. In: Curran, J. (Hrsg.): Media organisations in society. London: Arnold, S. 240-254. Nerone, J. (2004): ›Four theories of the press‹ in hindsight: Reflections on a popular model. In: Semati, M. (Hrsg.): New frontiers: International communication theory. Lanham u. a.: Rowman & Littlefield, S. 21-32. Neverla, I./ Schoon, W. (2008): Europäischer Journalismus. Annäherung an eine vernachlässigte Dimension europäischer Öffentlichkeit. In: medien & zeit, 3 S. 18-30. Newhagen, J. E./ Bucy, E. P. (2004): Routes to media access. In: Bucy, E. P./ Newhagen, J. E. (Hrsg.): Media access. Social and psychological dimensions of new technology use. Mahwah u. a.: Lawrence Erlbaum, S. 3-26. Nieminen, H. (2009): The European public sphere as a network? Four plus one approaches. In: Salovaara-Moring, I. (Hrsg.): Manufacturing Europe: Spaces of democracy, diversity and communication. Göteborg: Nordicom, S. 19-34. Nohrstedt, S. A./ Ottosen, R. (2008): WikiLeaks and war laws. In: Freedman, D./ Thussu, D. K. (Hrsg.): Media and terrorism: Global perspectives. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage, S. 206-222. Nord, L. (2008): Comparing nordic media systems: North between west and east? In: -Central European Journal of Communication, 1 (1), S. 95-110. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 276 276 Literatur Nordenstreng, K. (1997): Beyond the four theories of the press. In: Servaes, J./ Lie, R. (Hrsg.): Media and politics in transition: Cultural identity in the age of globalization. Leuven u. a.: Acco, S. 97-109. Nordenstreng, K./ Varis, T. (1974): Television traffic-- a one-way street? A survey and analysis of the international flow of television programme material. Paris: UNESCO. Norris, P. (2001): Digital divide. Civic engagement, information poverty and the internet worldwide. Cambridge: Cambridge UP. Nyamnjoh, F. B. (2011): De-westernizing media theory to make room for African experience. In: Wasserman, H. (Hrsg.): Popular media, democracy and development in Africa. London: Routledge, S. 19-31. Offerhaus, A. (2010): Die Professionalisierung des deutschen EU-Journalismus. Institutionalisierung, Expertisierung und Inszenierung der europäischen Dimension im deutschen Journalismus. Wiesbaden: VS. Ogundimu, F. F. (2009): African video, film cinema, and cultural repacking in the diaspora. In: Okpewho, I./ Nzegwu, N. (Hrsg.): The new African diaspora. Bloomington: Indiana UP, S. 387-400. Okigbo, C. (1995): Africa. In: Smith, A. (Hrsg.): Television: An international history. Second edition. Oxford: Oxford University Press, S. 358-380. Oren, T./ Shahaf, S. (Hrsg.) (2012): Global television formats. Understanding television across borders. London: Routledge. Ormsby, A. (2012): London 2012 opening ceremony draws 900 million viewers. In: http: / / uk.reuters.com/ article/ 2012/ 08/ 07/ uk-oly-ratings-day-idUKBRE 8760V 820120807? feedType=RSS&feedName=sportsNews (21.7.2012). Ortiz, F. (1970): Cuban counterpoint: Tobacco and sugar [orig. 1940]. New York: Vintage Books. Osterhammel, J. (2011): Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München: Beck. Ouellette, L./ Hay, J. (2008a): Better living through reality tv: Television and postwelfare citizenship. Malden, Oxford: Wiley-Blackwell. Ouellette, L./ Hay, J. (2008b): Makeover television, governmentality and the good citizen. In: Continuum, 22 (4), S. 471-484. Page, D./ Crawley, W. (2005): The transnational and the national. Changing patterns of cultural influence in the South Asian TV market. In: Chalaby, J. K. (Hrsg.): Adapting US transnational television chanels to a complex world: From cultural imperialism to localization to hybridization. London: Tauris, S. 128-155. Painter, J. (2008): Counter-hegemonic news: A case study of Al-Jazeera English and Telesûr. Oxford: Reuters Institute for the Study of Journalism, University of Oxford. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 277 277 Literatur Panagiotopoulou, R. (2010): Sports events. The olympics in Greece. In: Couldry, N./ Hepp, A./ Krotz, F. (Hrsg.): Media events in a global media age. London u. a.: Routledge, S. 233-249. Parks, L./ Schwoch, J. (Hrsg.) (2012): Down to earth. Satellite technologies, industries and cultures. New Brunswick, New Jersey, London: Rutgers UP. Pavis, T. (2002): Modern day muckrakers: The rise of the Independent Media Center movement. In: OnLine Journalism Review, http: / / www.ojr.org/ ojr/ business/ 1017866594.php (06.07.2012). Peters, B. (2007): Der Sinn von Öffentlichkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Philipps, A. (2009): Old sources: New bottles. In: Fenton, N. (Hrsg.): The political economy of the ›new‹ news environment. Los Angeles, London, New Delhi, Singapore: Sage, S. 87-101. Pickard, V. W. (2006): Assessing the radical democracy of Indymedia: Discursive, technical, and institutional constructions. In: Critical Studies in Media Communication, 23 (1), S. 19-38. Pike, J. R. (2005): A gang of leftists with a website: The Indymedia movement. In: - Transformations, 10(1), http: / / transformations.cqu.edu.au/ journal/ journal. shtml (30.05.2005). Pillania, R. K. (2008): The globalization of Indian Hindi movie industry. In: Management, 3 (2), S. 115-123. Platon, S./ Deuze, M. (2003): Indymedia Journalism: A radical way of making, selecting and sharing news? In: Journalism, 4 (3), S. 336-355. Plotkowiak, T./ Ebermann, J./ Stanoevska-Slabeva, K./ Meckel, M./ Fleck, M. (2012): Netzwerk-Journalismus. Zur veränderten Vermittlerrolle von Journalisten am Beispiel einer Case Study zu Twitter und den Unruhen im Iran. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 36 (1), S. 102-124. Poe, M.T. (2011): A history of communications: Media and society from the evolution of speech to the internet. Cambridge: Cambridge UP. Poell, T./ Borra, E. (2012): Twitter, YouTube, and Flickr as platforms of alternative journalism: The social media account of the 2010 Toronto G 20 protests. In: Journalism, 13 (6), S. 695-713. Porter, M. E. (1992): Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten. Dritte Auflage. Frankfurt a. M.: Campus. Poster, M. (1992): The question of agency: Michel de Certeau and the history of consumerism. In: diacritics, 22 (2), S. 94-107. Postill, J. (2011): Localizing the internet. An anthropological account. New York, Oxford: Berghahn. Powers, S. (2012): The origins of Al Jazeera English. In: Seib, P. (Hrsg.): Al Jazeera English: Global News in a changing world. New York: Palgrave Macmillan, S. 5-28. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 278 278 Literatur Prasad, M. M. (1998): Ideology of the Hindi film. A historical construction. Delhi: Oxford UP. Pratt, M. L. (1992): Imperial eyes: Travel writing and transculturation. London: Routledge. Price, M. E. (2008): On sizing the olympic platform. In: Price, M. E./ Dayan, D. (Hrsg.): Owning the olympics: Narratives of the new China. Ann Arbor: Michigan UP, S. 86-114. Price, M. E./ Dayan, D. (Hrsg.) (2008): Owning the olympics: Narratives of the new China. Ann Arbor: Michigan UP. Prokop, D. (2001): Der Kampf um die Medien. Das Geschichtsbuch der neuen kritischen Medienforschung. Hamburg: VSA-Verlag. Puijk, R. (2008): Intense media coverage. In: Communications: The European Journal of Communication Research, 33 (4), S. 333-352. Qiu, J. L. (2009): Working-class network society: Communication technology and the information have-less in urban China. Cambridge, MA: MIT Press. Raboy, M. (2004): The WSIS and its legacy for global governance. In: International Communication Gazette, 66 (3-4), S. 225-232. Raboy, M./ Mawani, A. (2012): Are states still important? Reflections on the nexus between national and global media policy. In: Calabrese, A./ Padovani, C. (Hrsg.): Communication rights and global justice. Reflections on the short history of a social movement. Cresskill: Hampton Press, Radsch, C. (2008): Core to commonplace: The evolution of Egypt’s blogosphere. In: - Arab Media & Society, 16, http: / / arabmediasociety.org/ articles/ downloads/ 20080929140127_AMS 6_Courtney_Radsch.pdf (6.7.2012). Radway, J. (1984): Interpretive communities and variable literacies: The functions of romance reading. In: Daedalus, 113 (3), S. 49-73. Rajadhyaksha, A. (1998): Indien: Bilder der Nation. In: Nowell-Smith, G. (Hrsg.): Geschichte des Internationalen Films. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 639-649. Rajadhyaksha, A. (2008): Indian cinema in the time of celluloid: From Bollywood to the emergency. Bloomington: Indiana UP. Ray, T. (2012): To de-westernize, yes, but with a critical edge: A response to Gunaratne and others. In: Media, Culture & Society, 34 (2), S. 238-249. Reese, S. D./ Rutigliano, L./ Hyun, K./ Jeong, J. (2007): Mapping the blogosphere: Professional and citizen-based media in the global news arena. In: Journalism, 8 (3), S. 235-261. Reichertz, J. (2009): Kommunikationsmacht: Was ist Kommunikation und was vermag sie? Und weshalb vermag sie das? Wiesbaden: VS. Reimann, H. (1992): Transkulturelle Kommunikation und Weltgesellschaft. In: Reimann, H. (Hrsg.): Transkulturelle Kommunikation und Weltgesellschaft. Theorie und Pragmatik globaler Interaktion. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 13-29. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 279 279 Literatur Risse, T. (2010): A community of Europeans? Transnational identities and public spheres. New York: Cornell UP. Robertson, J. W./ McLaughlin, E. (2010): The quality of discussion on the economy in UK political blogs in 2008. In: Parliamentary Affairs, 64 (1), S. 106-128. Robertson, R. (1998): Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit. In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 192-220. Robins, K. (1997): What in the world’s going on? In: du Gay, P. (Hrsg.): Production of culture/ cultures of production. London: Routledge, S. 11-47. Robins, K. (2003): Beyond imagined community? transnational media and Turkish migrants in Europe. In: Hjarvard, S. (Hrsg.): Media in a globalized society. Copenhagen: Museum Tusculanum Press, S. 187-205. Robins, K. (2006a): The challenge of transcultural diversities: Final report of the transversal study on the theme of cultural policy and cultural diversity. In: Robins, K. (Hrsg.): The challenge of transcultural diversities. Strassbourg: Council of Europe, S. 7-48. Robins, K. (2006b): Towards a transcultural policy for European cosmopolitanism. In: Meinhof, U. H./ Triandafyllidou, A. (Hrsg.): Transcultural Europe. Cultural policy in a changing Europe. London: Palgrave, S. 254-284. Robinson, P. (2002): The CNN effect: The myth of news, foreign policy and intervention. London, New York: Routledge. Roche, M. (2000): Mega-events and modernity. Olympics and expos in the growth of global culture. London, New York: Routledge. Rodríguez, C. (2001): Fissures in the mediascape. An international study of citizen’s media. Cresskill: Hampton Press. Rohn, W. (2002): Regelung versus Nichtregelung Internationaler Kommunikationsbeziehungen. Das Beispiel der UNESCO-Kommunikationspolitik. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Rooker, T. (2011): Migrants making technology markets. In: Bridge, G./ Watson, S. (Hrsg.): The new Blackwell companion to the city. Malden, Oxford: Wiley-Blackwell, S. 193-209. Röser, J. (Hrsg.) (2007): MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden: VS. Roudakova, N. (2012): Comparing processes: media, »transitions« and historical change. In: Hallin, D. C./ Mancini, P. (Hrsg.): Comparing media systems beyond the western world. Cambridge: Cambridge UP, S. 246-277. Russ-Mohl, S. (2003): Towards a European journalism? Limits, opportunities, challenges. In: Studies in Communication Sciences, 3 (2), S. 203-216. Samin, N. (2012): Saudi Arabia, Egypt, and the social media moment. In: arabmediasociety.com, http: / / www.arabmediasociety.com/ articles/ downloads/ 20120410221601_Samin_Nadav.pdf (6.7.2012). www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 280 280 Literatur Sarikakis, K. (Hrsg.) (2007): Media and cultural policy in the European Union. Amsterdam: Rodopi. Sarikakis, K. (2008): Regulating the consciousness industry in the European Union: Legitimacy, identity, and the changing state. In: Chakravartty, P./ Zhao, Y. (Hrsg.): Global communications: Toward a transcultural political economy. Lanham u. a.: Roman & Littlefield, S. 95-112. Sartelle, J. (1998): Hollywood-Blockbuster: Träume und Katastrophen. In: Nowell- Smith, G. (Hrsg.): Geschichte des Internationalen Films. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 469-480. Sassen, S. (1996): Metropolen des Weltmarkts. Die neue Rolle der Global Cities. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Sassen, S. (2000): Cities in a world economy. Second edition. Thousand Oaks u. a.: Pine Forge Press. Sassen, S. (2008): Das Paradox des Nationalen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Scannell, P. (1995): Review essay: Media events. In: Media, Culture & Society, 17 (1), S. 151-157. Schenk, S. (2011): Does Al Jazeera make a difference? The framing of the Iranian election 2009 by Al Jazeera Arabic and CNN International. In: Global Media Journal, German Edition, 1 (2), S. 1-22. Schiller, D. (2005): Poles of market growth? : Open questions about China, information and the world economy. In: Global Media and Communication, 1 (1), S. 79-103. Schiller, H. I. (1979): Transnational media and national development. In: Schiller, H. I./ Nordenstreng, K. (Hrsg.): National sovereignty and international communication. Norwood, NJ: Ablex, S. 21-32. Schröder, K. C. (1994): Audience semiotics, interpretive communities and the ›ethnographic turn‹ in media research. In: Media, Culture & Society, 16 (2), S. 337- 347. Schütz, A./ Luckmann, T. (1979): Strukturen der Lebenswelt. Band 1. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Seaman, W. R. (1992): Active audience theory: Pointless populism. In: Media, Culture & Society, 14 (2), S. 301-311. Seib, P. (2008): The Al Jazeera effect: How the new global media are reshaping world politics. Washington: Potomac. Seib, P. (2010): Transnational journalism, public diplomacy, and virtual states. In: -Journalism Studies, 11 (5), S. 734-744. Sennett, R. (2012): Together. The rituals, pleasures and politics of cooperation. London: Allen Lane. Servaes, J. (1999): Communication for development. One world, multiple cultures. Cresskill: Hampton Press. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 281 281 Literatur Servaes, J. (2007): Harnessing the UN system into a common approach on communication for development. In: International Communication Gazette, 69 (6), S. 483-507. Shoemaker, P. J./ Reese, S. D. (2012): Mediating the message: Theories of influences on mass media content. London: Routledge. Siebert, F. S./ Peterson, T./ Schramm, W. (1956): Four theories of the press. New York: Illinois UP. Silverstone, R. (1989): Let us then return to the murmuring of everyday practices: A note on Michel de Certeau, television and everyday life. In: Theory, Culture & Society, 6 S. 77-94. Silverstone, R. (1994): Television and everyday life. London, New York: Routledge. Silverstone, R. (1999): Why study the media? London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage. Silverstone, R. (2006): Domesticating domestication. Reflections on the life of a concept. In: Berker, T./ Hartmann, M./ Punie, Y./ Ward, K. (Hrsg.): Domestication of media and technology. London: Open University Press, S. 229-248. Silverstone, R./ Hirsch, E./ Morley, D. (1992): Information and communication technologies and the moral economy of the household. In: Silverstone, R./ Hirsch, E. (Hrsg.): Consuming technologies. Media and information in domestic spaces. London, New York: Routledge, S. 15-31. Simons, G., F./ Vázquez, C./ Harris, P. R. (1993): Transcultural leadership: Empowering the diverse workforce. Houston u. a.: Gulf Publ. Sinclair, J./ Jacka, E./ Cunningham, S. (1996): Peripheral vision. In: Sinclair, J./ Jacka, E./ Cunningham, S. (Hrsg.): News patterns in global television. Oxford: Oxford UP, S. 1-32. Siochrú, S. Ó. (2004): Will the real WSIS please stand up? The historic encounter of the ›information society‹ and the ›communication society‹. In: International Communication Gazette, 66 (3-4), S. 203-224. Smith, A. D. (1979): Nationalism in the twentieth century. Oxford: Oxford UP. Smoltczyk, A./ Grossbongardt, A./ Schwarz, B./ Buse, U./ Fichtner, U./ Djalal, D. (2001): Warum sollen nur wir sterben? Weltanschauung. In: Spiegel, 44 S. 122- 130. Spa, M. d. M./ Rivenburgh, N./ Larson, J. (1995): Television in the olympics. Luton: John Libbey. Sparks, C. (1998): Is there a global public sphere? In: Thussu, D. K. (Hrsg.): Electronic empires. Global media and local resistance. London: Arnold, S. 108-124. Sreberny, A. (2002): Trauma talk: Reconfiguring the inside and outside. In: Zelizer, B./ Allan, S. (Hrsg.): Journalism after September 11. London, New York: Routledge, S. 220-234. Sreberny, A. (2004): WSIS: Articulating information in the summit. In: International Communication Gazette, 66 (3-4), S. 193-201. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 282 282 Literatur Sreberny, A./ Khiabany, G. (2011): Blogistan: Politik und Internet im Iran. Hamburg: Hamburger Edition. Statham, P. (2010): Making Europe news: Journalism and media performance. In: Koopmans, R./ Statham, P. (Hrsg.): The making of a European public sphere: Media discourse and political contention. Cambridge: Cambridge UP, S. 125-150. Stehling, M. (2013): Fernsehformate und ihre Rezeption. Eine transkulturelle Studie zur Aneignung des Top-Model-Formats in Deutschland und den USA. Bremen, ZeMKI: Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde. Stevenson, N. (2003): Cultural citizenship in the cultural society: A cosmopolitan approach. In: Citizenship Studies, 7 (3), S. 331-348. Stevenson, N. (2012): Cosmopolitan education and cultural citizenship: A critical European perspective. In: Cultural Sociology, 6 (1), S. 113-128. Straubhaar, J. D. (1991): Beyond media imperialism: Assymetrical interdependence and cultural proximity. In: Critical Studies in Mass Communication, 8, S. 39-59. Straubhaar, J. D. (2005): International television channels in the Latin American audiovisual space. In: Chalaby, J. K. (Hrsg.): Transnational television worldwide. London: Tauris, S. 196-215. Straubhaar, J. D. (2007): World television: From global to local. New Delhi, Thousand Oaks, London: Sage. Straubhaar, J. D. (2012): Telenovelas in Brazil: From traveling scripts and a genre to a proto-format both national and transnational. In: Oren, T./ Shahaf, S. (Hrsg.): Global television formats. Understanding television across borders. London: Routledge, S. 148-177. Straubhaar, J. D./ Duarte, L. G. (2005): Adapting US transnational television chanels to a complex world: From cultural imperialism to localization to hybridization. In: - Chalaby, J. K. (Hrsg.): Transnational television worldwide. London: Tauris, S. 216-253. Strauss, A. (1978): A social world perspective. In: Studies in Symbolic Interactionism, 1 (1), S. 119-128. Suna, L. (2013): Medienidentitäten und geteilte Kultur. Zum Vermittlungspotenzial von Populärkultur für lettisch- und russischsprachige Jugendliche. Wiesbaden: VS. Sunier, T. (2011): The making of muslim youth cultures in Europe. In: Bailey, M./ Redden, G. (Hrsg.): Mediatizing faith: Religion and socio-cultural change in the 21st century. Farnham: Ashgate, S. 147-157. Taylor, D. (1991): Transculturating transcalturation. In: Performing Arts Journal, 13 (2), S. 90-104. Taylor, P. J. (2003): World city network: A global urban analysis. London: Routledge. Taylor, P. J./ Walker, D. R. (2001): World cities. A first multivariate analysis of their service complexes. In: Urban Studies, 38 (1), S. 23-47. Tenbruck, F. H. (1972): Gesellschaft und Gesellschaften: Gesellschaftstypen. In: Bellebaum, A. (Hrsg.): Die moderne Gesellschaft. Freiburg: Herder, S. 54-71. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 283 283 Literatur Thompson, J. B. (1995): The media and modernity. A social theory of the media. Cambridge: Cambridge UP. Thussu, D. (2004): Media plenty and the poverty of news. In: Paterson, C./ Sreberny, A. (Hrsg.): International news in the twenty-first century. Hants: John Libbey Publishing for the University of Luton Press, S. 47-62. Thussu, D. (2005): The transnationalization of television: The Indian experience. In: -Chalaby, J. K. (Hrsg.): The transnational and the national. Changing patterns of cultural influence in the South Asian tv market. London: Tauris, S. 156-172. Thussu, D. K. (Hrsg.) (2007a): Media on the move. Global flow and contra-flow. London, New York: Routledge. Thussu, D. K. (2007b): The ›Murdochization‹ of news? The case of Star TV in India. In: Media, Culture & Society, 29 (4), S. 593-611. Thussu, D. K. (2006): International communication: Continuity and change. Second edition. London: Hodder Arnold. Thussu, D. K. (Hrsg.) (2009): Internationalizing media studies. London: Routledge. Thussu, D. K./ Freedman, D. (Hrsg.) (2003): War and the media. Reporting conflict 24/ 7. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage. Tichenor, P./ Donohue, G. A./ Olien, C. N. (1970): Mass media flow and differential growth in knowledge. In: Public Opinion Quarterly, 34 S. 159-170. Tomlinson, A. (1996): Olympic spectacle: Opening ceremonies and some paradoxes of globalization. In: Media, Culture & Society, 18 (4), S. 583-602. Tomlinson, A./ Young, C. (Hrsg.) (2006): National identity and global sports events: Culture, politics, and spectacle in the olympics and the football world cup. Albany: State University of New York Press. Tomlinson, J. (1991): Cultural imperialism. A critical introduction. London, New York: Continuum. Tomlinson, J. (1999): Globalization and Culture. Cambridge, Oxford: Polity Press. Tomlinson, J. (2002): Internationalisierung, Globalisierung und kultureller Imperialismus. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 140-163. Tönnies, F. (1979): Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Neudruck der 8. Aufl. von 1935. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Traganou, J. (2010): National narratives in the opening and closing ceremonies of the Athens 2004 Olympic games. In: Journal of Sport and Social Issues, 34 (2), S. 236- 251. Trinta, A. R. (1997): News from home: A study of realism and melodrama in Brazilian telenovelas. In: Geraghty, C./ Lusted, D. (Hrsg.): The television studies book. London, New York: Arnold, S. 275-285. Tsatsou, P. (2011): Digital divides revisited: What is new about divides and their research? In: Media, Culture & Society, 33 (2), S. 317-331. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 284 284 Literatur Tufte, T. (2000): Living with the rubbish queen: Telenovelas, culture and modernity in Brazil. Luton: University of Luton Press. Tunstall, J. (2007): The media were American: US mass media in decline. New York: Oxford UP. Turner, B. (1994): Postmodern culture/ modern citizens. In: van Steenbergen, B. (Hrsg.): The condition of citizenship. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage, S. 153-168. Turner, B. (2001): Outline of a general theory of cultural citizenship. In: Stevenson, N. (Hrsg.): Culture and citizenship. London: Sage, S. 11-32. Turow, J. (2011): The daily you: How the new advertising industry is defining your identity and your worth. New Haven and London: Yale UP. UNCTAD (2010): Creative economy report 2010. In: http: / / archive.unctad.org/ en/ docs/ ditctab20103_en.pdf (24.4.2012). UNESCO (1997): World communication report. The media and the challenge of the new technologies. Paris: UNESCO. UNESCO (Hrsg.) (1999): World communication and information report 1999- 2000. Paris: UNESCO. UNESCO (2000): A survey on national cinematography. Paris: UNESCO. UNESCO (2001): Cinema and audiovisual media. Survey on national cinematography. Paris: UNESCO. UNESCO (2005a): Convention on the protection and promotion of the diversity of cultural expressions. Paris: UNESCO. UNESCO (2005b): UNESCO world report: towards knowledge societies. Paris: UNESCO. UNESCO (2009): UNESCO world report: investing in cultural diversity and intercultural dialogue. Paris: UNESCO. van Dijk, J. (2004): Divides in succession: Possession, skills, and use of new media for societal participation. In: Bucy, E. P./ Newhagen, J. E. (Hrsg.): Media access. Social and psychological dimensions of new technology use. Mahwah u. a.: Lawrence Erlbaum, S. 233-254. van Dijk, J./ Hacker, K. (2005): The digital divide as a complex dynamic phenomenon. In: The Information Society, 19 S. 315-326. Vartanova, E. (2012): The Russian media model in the context of post-soviet dynamics. Cambridge: Cambridge UP. Vasey, R. (1998): Die weltweite Verbreitung des Kinos. In: Nowell-Smith, G. (Hrsg.): Geschichte des Internationalen Films. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 51-58. Vincent, R. C./ Nordenstreng, K./ Traber, M. (Hrsg.) (1999): Towards equity in global communication: MacBride update. Cresskill, N.J: Hampton Press. Volkmer, I. (1999): News in the global sphere. A study of CNN and its impact on global communication. London: Luton Press. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 285 285 Literatur Volkmer, I. (2002): Sphären transkultureller Öffentlichkeit. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 819-834. Voon, T. (2011): Cultural products and the world trade organization. Cambridge: Cambridge UP. Wark, M. (1994): Virtual geographies: Living with global media events. Bloomington: Indiana UP. Watanabe, K. (2013): The western perspective in Yahoo! News and Google News: Quantitative analysis of geographic coverage of online news. In: International Communication Gazette, 75 (2), S. 141-156. Weber, M. (1972): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen: Mohr Verlag. Weichert, S./ Kramp, L. (2011): Die Vorkämpfer. Wie Journalisten über die Welt im Ausnahmezustand berichten. Köln: Herbert von Halem. Weimann, G. (1987): Media events: The case of international terrorism. In: Journal of Broadcasting and Electronic Media, 31 (1), S. 21-39. Weinberger, D. (2008): Everything is miscellaneous: The power of the new digital disorder. New York: Henry Holt. Welsch, W. (1992): Transkulturalität. Lebensformen nach der Auflösung der Kulturen. In: Information Philosophie, 1992 (2), S. 5-20. Welsch, W. (1994): Transkulturalität. Lebensformen nach der Auflösung der Kulturen. In: Luger, K./ Renger, R. (Hrsg.): Dialog der Kulturen: Die multikulturelle Gesellschaft und die Medien. Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, S. 147-169. Welsch, W. (1999): Transculturality- - the puzzling form of cultures today. In: Featherstone, M./ Lash, S. (Hrsg.): Spaces of Culture: City, Nation, World. London: Sage, S. 194-213. Welzk, E. (2007): Der Bollywoodboom in Deutschland. Ansatz zu einer Ursachenforschung. In: http: / / www.suedasien.info/ analysen/ 2237 (17.7.2012). Wessler, H./ Peters, B./ Brüggemann, M./ Kleinen-v. Königslöw, K./ Sifft, S. (2008): Transnationalization of public spheres. Basingstoke: Palgrave Macmillan. Williams, B. A. (2003): The new media environment, internet, chatrooms, and public discourse after 9/ 11. In: Thussu, D. K./ Freedman, D. (Hrsg.): War and the media. Reporting conflict 24/ 7. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage, S. 176-189. Wimmer, A./ Glick Schiller, N. (2002): Methodological nationalism and beyond: Nation-state building, migration and the social sciences. In: Global Networks, 2 (4), S. 301-334. Winter, C. (2002): Transkulturelles Kommunikationsmanagement- - Vorschläge für eine Kritik der kommerziellen Bedingungen transkultureller Kommunikation. In: Hepp, A./ Löffelholz, M. (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK (UTB), S. 272-298. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 286 286 Literatur WTO (1998): Annual report 1998. Genf: World Trade Organisation. Wyka, A. (2008): In search of the east central European media model. In: Dobek- Ostrowska, B./ Glowacki, M. (Hrsg.): Comparing media systems in central Europe. Between commercialization and politization. Warschau: Warschau UP, S. 55-69. Zachary, G. P. (2000): The global me: New cosmopolitans and the competitive edge. London: Nicholas Brealey Publishing. Zelizer, B./ Allan, S. (2002): Introduction: When trauma shapes the news. In: Zelizer, B./ Allan, S. (Hrsg.): Journalism after September 11. London, New York: Routledge, S. 1-24. Zhao, Y. (2008): Neoliberal strategies, socialist legacies: communication and state transformation in China. In: Chakravartty, P./ Zhao, Y. (Hrsg.): Global communications: Toward a transcultural political economy. Lanham u. a.: Roman & Littlefield, S. 23-50. Zhao, Y. (2009): Rethinking Chinese media studies. History, political economy and culture. In: Thussu, D. K. (Hrsg.): Internationalizing media studies: Impediments and imperatives. London: Routledge, S. 175-195. Zhao, Y. (2012): Understanding China’s media system in a world historical context. Cambridge: Cambridge UP. Zook, M. (2000): The web of production: The spatial organization of the internet industry in the United States. In: Environment and Planning, 32 (A), S. 411-426. Zook, M. (2001): Old hierarchies or new networks of centrality? The global geography of the internet content market. In: American Behavioral Scientist, 44 (10), S. 1679-1696. Zook, M. (2005): The geography of the internet industry: Venture capital, dot-coms, and local knowledge. Malden u.a: Blackwell Publishers. www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 287 287 Index AACTA 53, 55, 68 Afrika 67, 79, 141, 145, 148, 156, 168, 176, 180 Aktivismus 229 Al Jazeera 109, 113, 171, 175, 177, 245 Alltagsdiskurs 194 Alltagskultur 99 Alltagsleben 25 Alltagswelt 16, 201 alltagsweltliche Bedeutungsproduktion 21 alltagsweltliche Praktiken 201 alternative Kommentierungen 123 alternative Medien 116 alternative Nachrichten 122, 177 Amerikanisierung 13, 195 Anderswo 205 Aneignung 42, 193, 194 Aneignungsbegriff 193 Anonymous 229 arabischer Frühling 116, 124, 229, 241 arabischer Raum 68, 113, 124, 155, 167, 175, 176, 180 Artikulation 42 Asien 64, 79, 141, 147, 157, 167, 176 Auswanderung 214 BBedeutung 29 Bedeutungszuweisung 208 Bedürfnisse 195, 217, 219 Befragung 14 Beobachtung 41 Bildung 213 Blog 40, 117, 118, 123, 177, 190, 217 Blogosphäre 67, 177 Bollywood 10, 16, 104, 139, 143, 245 Brief 40, 215 Bürger(innen) 239 Bürgerpublikum 239 Bürgerschaft 232, 237, 246 CChina 49, 51, 60, 69, 83, 108, 133, 154, 186, 189, 207, 217, 219, 243 CNN 49, 109, 167, 171, 173, 174, 185, 245 CNN-Effekt 174 Computer 12, 201 Container-Theorie 31 Convention on Cultural Diversity 81 Cultural Diversity 82 Cultural Studies 22, 24, 41 Cyberkultur 229 DDarstellungsmuster 11 Dekolonialisierung 72 Demokratie 12 Deregulation 45, 80, 90 deterritoriale Repräsentation 138 Deterritorialisierung 25, 224 De-Westernizing 26 Diaspora 31, 36, 117, 202, 227 digitale Kluft (digital divide) 16, 209 digitale Medien 35, 82, 119, 165, 187, 194, 205, 210, 229, 235 Digitalisierung 46, 48, 88, 93, 152, 154 Digitalkamera 119 Digital Storytelling 165 direkte Kommunikation 190, 213, 222, 227 diskursive Formationen 21 doing nation 111 Domestizierung 198, 199, 200, 246 dritter Raum (third space) 28, 30 EEchtzeit-Ökonomie 49 Eigensinn 198 Eliten 25, 62, 63, 65, 114, 155, 167, 176, 188, 197 E-Mail 12, 185, 189, 201, 213, 228 Entgrenzung 99 Entwicklungshilfe 78 Entwicklungskommunikation 19, 148 Erhebungs- und Auswertungsmethode 41 Ermächtigungskommunikation 234 Erstreckung 227 Ethnografie 41 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 288 288 Index Ethnologie 27 EU 14, 55, 68, 111, 226, 234, 238 Europa 27, 33, 68, 109, 129, 142, 158, 226, 234, 237 Europajournalismus 109 Eurozentrismus 28, 129 FFacebook 61, 115, 118, 167, 235, 236 Face-to-Face-Kommunikation 205 Face-to-Face-Medien 119 Familie 38, 39, 150, 157, 203, 205, 213, 215, 216, 224 Fankultur 155, 224, 226, 228, 229 Feminismus 142 Fernsehen 10, 12, 40, 166, 203 - Distribution 153 - fiktionales 152, 165 Fernsehserien 12, 154, 162 Figuration 38, 39 Figurationsanalyse 41 Film 139, 142, 245 Finanzkapitalismus 50 Finanzmärkte 12 Fluss 13 Format 11 Formatadaption 16, 152, 161, 181, 245 Foto 40, 119, 185 Fragmentierung von Produktion 97 Frankfurter Schule 20, 51 Frauenbewegung 234 Free-Flow-Doktrin 71, 80 Freizeitkultur 36, 131, 228 Funktionalismus 35, 107 GGATS 53, 82 GATT 53, 70, 82 Gemeinschaft 16, 220 - deterritoriale 227 - mediatisierte 224 - politische 226 - populärkulturelle 36, 226, 228 - religiöse 226 - vorgestellte 225 geokulturelle Märkte 102 geolinguistische Regionen 103 Gesellschaft 39 Gewinnmaximierung 94, 107 Glaubensgemeinschaft 230 globale Informationsgesellschaft 87 globale Kommerzialisierung der Medien 36, 48, 49, 51, 61, 98, 125, 135, 243 globale Kultur 25 globale Medienevents 40 globale Medienstädte 16, 128, 129, 244 globale Repräsentation 138, 144, 173, 181, 188 globaler Markt 102 globaler Medienkapitalismus 36 globaler Süden 176 globale Städte 127 Global Governance 83 Globalisierung 9, 10, 12, 15, 17, 19, 20, 22, 31, 38, 70, 72, 80, 124, 131, 136, 180, 224, 243 - der Medienkommunikation 12, 13, 22, 24, 26, 40, 72, 125, 166, 232, 246 globalisierungskritische Bewegung 120, 124, 138, 177, 229, 231 Glokalisierung 102 Google 49, 52, 60, 61, 93, 105, 107, 164, 169, 217, 236, 242 Grenzen 19 Grenzenlosigkeit 25 Grenzüberschreitung 19 Grenzziehung 19, 136 Großregionen 141 Gruppe 39 Hhabitualisiert 22 Hacker 52, 229 Handlung 146 Handlungsformen 207 Haushalt 199 häusliche Welt 205 Hip-Hop 202, 229, 231 Hollywood 10, 16, 25, 99, 136, 139, 245 Homogenisierung 13, 25, 132 Hybridisierung 28, 30, 37, 38, 40, 69, 131, 237 Hybridität 21, 28, 30, 104, 107 IIAMCR 73 ICANN 60 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 289 289 Index Identifikation 42, 147, 179, 232, 235, 237, 239 Identifikationsressourcen 237 Identität 9, 42, 106, 202, 232, 233 Identitätsartikulation 235 Identitätskrise 232 Identitätsmarketing 242 Identitätspolitik 241 Individuum 38, 220 Indymedia 119, 177, 244 Informationsökonomie 50 Informationssuche 110 Infrastrukturen von Kommunikation 12, 47, 48, 56, 130, 243 Inhaltsanalyse 14 Institutionalisierung 48, 87 Interdependenz 39, 50, 70, 247 Interkulturalität 15, 30 interkulturelle und internationale Kommunikation 10 internationale und interkulturelle Vergleichssemantik 34 Internationalität 15 Internet 11, 19, 25, 35, 36, 40, 52, 59, 93, 117, 126, 177, 193, 213 Internetcafé 52, 206, 213 Internetdienst 167 Internetforum 187 Internet Governance Forum 88 Internetinfrastruktur 59 Internetkonzerne 101, 127 Internetnutzung weltweit 211 Internetradio 12 Irgendwo 205 ITU 85 JJournalismus 16, 109, 244 - europäischer 110 Journalismuskultur 113 journalistische Praxis 109 Jugendkultur 36, 131, 132 Jugendliche 119, 202, 213, 214, 218 KKalter Krieg 71 Kassette 215 Katastrophe 183 Kino 10, 141, 146, 149 Knoten 13, 128 Kolonialisierung 27 Kolonialismus 28, 32, 148, 230 Kommunikationsbegriff 22 Kommunikationsbeziehungen 12, 13, 16, 26, 29, 31, 33, 37, 40, 117, 158, 161, 181, 243, 245, 247 Kommunikationsfluss 13 - freier 70, 74, 244 Kommunikationsgemeinschaft 223 Kommunikationsmedien 12 Kommunikationsmodell 193 Kommunikationsmuster 11, 41 Kommunikationsnetzwerke 12, 13, 202, 227, 230, 231 Kommunikations- und Medienforschung 19, 26, 27, 38, 40, 116, 125, 220, 247 - kulturvergleichende 20, 21 kommunikative Akte der Bürgerschaft 240 kommunikative Figuration(en) 20, 38, 40, 43, 46, 219, 247 kommunikative Praxis 30 kommunikatives Bürgerschaftshandeln 239 Komplexität 38, 134, 153, 247 Konnektivität(en) 13, 25, 26, 37, 40, 137, 190 Konstruktionsprozess 190 Konsum 147 Konsumierende 237 Kontextualisierung 110, 186, 190 Kreativität 132 Krieg 170, 174, 183 Kulturalismus 196 Kulturanthropologie 27 Kulturbegriff 21 kulturelle Bürgerschaft 238 kulturelle Differenz 69, 196 kulturelle Fragmentierungen 36 kulturelle Geografie 125 kulturelle Komplexität 35, 243, 246 kulturelle Logik 30 kulturelle Lokalisierung 16, 195, 201 kulturelle Nähe 152 kultureller Kontext 131 kultureller Wandel 35, 246 kulturelle Vielfalt 75, 81, 82, 91, 238, 244 Kulturgüter 68, 132 Kulturimperialismus 24, 25 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 290 290 Index Kulturindustrie 51, 132 Kulturpolitik 34 Kulturproduktion 99 Kulturvermittler 99, 131 LLateinamerika 27, 64, 66, 79, 132, 147, 153, 154, 167, 203, 209, 237 Lebensformen 23, 75, 104, 200 Lebensstil 23, 99, 131, 132 Lebenswelt 12, 201, 202 Liberalisierung 54, 60, 82 Literatur 29 literaturwissenschaftliche Untersuchungen 27 lokale Gruppen 227 lokale Kommerzialisierung 204 lokale Repräsentation 138 Lokalisierung 170, 195 Lokalität 29, 201, 202 MMacBride-Bericht 74 Macht 29, 30, 42, 63, 67, 136, 234, 237, 247 Marke 51 Markenkommunikation 23 Marketing 100 Märkte 45, 49, 102, 243 Massenkommunikation 19, 40, 71 Massenmedien 46, 73, 193, 222, 224 McDonaldisierung 11 mediale Metropolfunktion 130 mediale Repräsentationen 135 mediatisierte Alltagswelten 209 mediatisierte Konflikte 183 mediatisierter Vergemeinschaftungshorizont 231 mediatisierte Welten 12, 20, 35, 38 Mediatisierung 10, 11, 19, 22, 26, 124, 136, 180, 222, 223, 244, 246 Mediatisierungsgemeinschaft 224 Medienanbieter 93, 165, 168, 170, 171, 178, 189, 236 Medienaneignung 16, 193, 194, 195, 246 Medienanthropologie 24 Medienausstattung 212 Medienauswahl 193 Mediendiskurs 135 Medienereignis 16, 43, 119, 120, 139, 177, 180 - globales 185 - Hybridformen 184 - populäres 184 - rituelles 180 Medienevent 181, 183, 184, 245 - globales 185 - populäres 184 Mediengebrauch 193 Medienhandeln 16 Medienidentität 232, 235, 246 Medieninhalt 135, 193 Medienkluft 209, 212, 246 Medienkommunikation 20, 45 - virtualisierte 203 - wechselseitige 193, 228 Medienkompetenz 216 Medienkonzerne 16, 97, 126 - global agierende 10, 24, 80, 91, 93, 94, 98, 125, 135, 141, 243, 244 Medienkultur 14, 21, 26, 35, 36 - Artikulationsebenen von 42 - Kreislauf der 42 - nationale 11 Medienlogik 216 Medienmärkte 35, 36 Mediennutzung 193 Medienobjekte 51 Medien-Oligopol-Kapitalismus 94 Medienorgane 167 Medienpolitik 15, 70, 73, 76, 82 Medienprodukte 81, 82, 135, 180, 245 - fiktionale 152 - transkulturelle 10, 135 Medienproduktion 16, 93, 131 - alternative Formen der 115 - deterritoriale 124 - transkulturelle 93, 124, 131 Medienrepräsentation 16, 135 Medienrezeption 193 Medienstädte 124 Mediensystem 26, 35, 36, 243 - hybrides 69 - Typen 62 Medientechnologien 207 Medientext 135 Medienwandel 9, 19, 200 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 291 291 Index Medium 193 Mehrebenen-Untersuchungen 38, 41 Meinungsfreiheit 81 Menschenrechte 74, 81 Metaprozesse 13 Methodik 14 methodologische Reflexion 15, 20, 31 methodologischer Kosmopolitismus 31 methodologischer Nationalismus 31, 243 Migrantenidentität 202 Migrant(inn)en 33, 123, 133, 205 Migration 104, 132, 202, 207, 214, 224, 228, 240 Mobilität 104, 200, 206, 218, 219, 233 Mobiltelefon 12, 40, 119, 215 Modernisierung 19, 147 moralische Ökonomie 200 Moralpanik 52 Multikulturalismus 142 Multivokalität 187 Mythos 182 NNachrichtenagenturen 168, 169, 170, 176, 245 Nachrichtenartikulationen 166 - transkulturelle 16 Nachrichtenfluss 168 Narration 184 nationale Repräsentation 136, 138, 144, 153, 173 Nationalisierung 33, 110, 170 Nationalkultur 19, 21, 23, 33, 34, 36 Nationalstaat 19, 31, 32, 40, 55, 125, 233 Neoliberalismus 45, 49, 69, 80 Netzwerk 13, 38, 84, 98, 100, 135, 227 - informelles 131 Netzwerkanalyse 41 Netzwerkgesellschaft 47, 233 Netzwerkstruktur 101 neue informationelle Arbeiterklasse 217 Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung (NWICO) 15, 73, 75, 167, 244 - Leitlinien 76 neue Werbeindustrie 235 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) 83, 85 Nollywood 10, 16, 139, 147, 245 NSA 61, 236, 243 OOccupy-Bewegung 12, 230, 240, 246 Öffentlichkeit 16, 40, 109, 120, 177, 179, 245 - europäische 109, 180 - globale 178, 191, 245 - panarabische 25, 109 - transkulturelle 179 Oligopolbildung 49, 93, 100 Olympische Spiele 181, 182, 188, 245 Online-Zeitung 10, 138 Open-Source-Bewegung 89 Open-Source- Veröffentlichungsplattform 121 Organisationskultur 46 organisatorische Entgrenzung 99 PPanorama 14 Peripherie 24 Piraterie 218, 220 Politik 46 politische Diskurskultur 110 politische Macht 63 politische Ökonomie der Medien/ Kommunikation 34, 45 politischer Parallelismus 67 politische Systeme 34 Polymedia 216 populäre Religion 231 Populärkultur 224 Postkarte 40 postkoloniale Konflikte 147 postkoloniale Kritik 15, 27 postkoloniale Staaten 66, 67, 72 Postkolonialismus 20, 29 Posttraditionalität 221 Prägkräfte der Medien 12, 22 Praktiken 207 Presse 10 Pressefreiheit 62, 76 Privatisierung 54, 60 Produktimport 16, 153, 245 Produktionskulturen 16, 98, 110, 134, 135 - Konflikthaftigkeit der 104 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 292 292 Index produzierte Medienkommunikation 19, 46 Programmimport 152, 181 Proteste 118, 119 Prozesshaftigkeit von Staatlichkeit und Regulation 66 Public Viewing 226 RRadikalisierung 72 Radio 12, 71, 73, 127, 156, 171, 172, 176, 206, 213, 226 Rassismus 74 Recherchenetzwerke 110 regionale Repräsentation 144, 173 Regionalisierung 170 Regionalkultur 23 Regulation 15, 42, 45, 55, 60, 70, 80, 89, 90, 243, 244 - staatliche 52, 61 Reisejournalismus 28 Religionsgemeinschaften 36, 231 Repräsentation (Arten) 136 Reterritorialisierung 25 Revolution 116 Ritual 182 Russland 49, 52 SSatelliteninfrastruktur 56, 60 Satellitenkommunikation 72, 153 Satellitentechnologie 35 Selbstregulation 49 Sinnhorizont 224, 227, 232 situativ 22 Sklaverei 27, 28 Soap-Opera 154, 162, 195, 196 Social Web 10, 25, 40, 115 soziale Arrangements 207 soziale Bewegungen 31, 36, 85, 226 soziale Welten 12, 202 Sozialisation 22 Soziologie 31 Sprache 10, 14, 68, 88, 109, 122, 145, 151, 153, 170, 172, 227 Staat 35, 36, 39, 52, 61 Staatsbürgerschaft 238 Staatsgesellschaften 31 Staatsordnung 31 Stadtöffentlichkeit 240 Standardisierung 11, 36, 97 subaltern 28 Subpolitik 47 Suchmaschine 52 supranational 31, 34, 69, 109 Symbol 29 symbolische Interaktion 22 Synkretismus 27, 28 Systemtheorie 20, 22, 24 Szene 12, 224, 226, 228 TTelefon 201 Telegraf 26 Telenovela 154 Territorialisierung 224 Territorialität 225 Terror 123, 183, 185, 245 Thematisierung 136 Tradition 147, 221 Transformation 55 Transkulturalisierung 23, 27, 40, 107 Transkulturalismus 9, 32 - kritischer 30 Transkulturalität 9, 15, 20, 23, 29, 107, 109, 135 Transkulturalitätspionier 228 Transkulturation 16, 20, 23, 27, 28, 134, 164, 193, 224, 227, 244, 246 Transkulturationsprozess 131 transkulturelle Anschlussmöglichkeiten 143 transkulturelle Formate 161 transkulturelle Kommunikation 10, 15, 16, 19, 45, 119, 136, 169, 181, 195, 243 - Formen 10 transkulturelle Konflikte 9, 13, 108, 230 transkulturelle Kontexte 16 transkulturelle Märkte 104 transkulturelle Nachrichtenanbieter 171 transkulturelle Orte 124 transkultureller Dialog 88 transkulturelle Repräsentation 186 Translokalität 29, 137, 221, 224 transnationale Kommunikation 19 Transnationalismus 32 TRIPS 53, 55 www.claudia-wild.de: [UTB-M]__Hepp__Transkulturelle_Kommunikation__[Druck-PDF]/ 13.03.2014/ Seite 293 293 Index UUNESCO 15, 48, 70, 78, 167, 244 Ungleichheit 125, 133, 167, 211, 213, 247 Unternehmenskultur 105 VVerbindungsorte 206 Verdichtung 13, 21, 36, 137, 227 Verdinglichung 48, 217 Verflechtung 39 Vergemeinschaftung 12, 16, 36, 161, 220, 231, 246 - deterritoriale 226 - lokale 222, 223 - translokale 222, 223, 224 Vergesellschaftung 221 Vergleichsmodelle 34 Vergleichssemantik 34 Vermittlung 26 Vernetzung 26 Vielfalt 33 WWeltgeschichte 15 Weltgesellschaft 22, 238 Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) 85, 88, 238 (Welt-)Musik 25 Weltregionen 10, 36, 176 Weltreligionen 230 Werbung 23, 50, 235 Wikileaks 40, 178, 229 Wirklichkeitskonstruktion 22 Wissensgemeinschaft 222 WTO 54, 55, 61, 81 WWW 59 ZZeichen 21, 22 Zeitschrift 80 Zeitung 112, 117 Zivilgesellschaft 85, 87, 233 Zugang 210 Zugänglichkeit 136 Klicken + Blättern Leseproben und Inhaltsverzeichnisse unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de : Weiterlesen Sven Grampp Marshall McLuhan Eine Einführung 2011, 234 Seiten, flexibler Einband UTB 3570 ISBN 978-3-8252-3570-3 Andreas Hepp Transkulturelle Kommunikation 2., völlig überarbeitete Auflage ca. 04-2014, ca. 300 Seiten 40 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2746 ISBN 978-3-8252-4035-6 Hans-Jürgen Krug Radio 2010, 118 Seiten, flexibler Einband UTB 3333 ISBN 978-3-8252-3333-4 Helmut Küchenhoff et al. Statistik für Kommunikationswissenschaftler 2., überarbeitete Auflage 2006, 384 Seiten 60 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2832 ISBN 978-3-8252-2832-3 Tobias Kurwinkel, Philipp Schmerheim Kinder- und Jugendfilmanalyse 2013, 320 Seiten 19 s/ w Abb. und 101 farb. Abb., flexibler Einband UTB 3885 ISBN 978-3-8252-3885-8 Margreth Lünenborg, Tanja Maier Gender Media Studies Eine Einführung 2013, 224 Seiten 15 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 3872 ISBN 978-3-8252-3872-8 Oliver Marchart Cultural Studies 2008, 278 Seiten 10 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2883 ISBN 978-3-8252-2883-5 Claudia Mast Unternehmenskommunikation Ein Leitfaden 5., überarbeitete Aufl. 2012, 516 Seiten, flexibler Einband UTB 2308 ISBN 978-3-8252-3825-4 Klaus Meier Journalistik 3., überarbeitete Auflage 2013, 290 Seiten 50 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2958 ISBN 978-3-8252-3923-7 Lothar Mikos Film- und Fernsehanalyse 2., überarbeitete Auflage 2008 396 Seiten, 55 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2415 ISBN 978-3-8252-2415-8 Klicken + Blättern Leseproben und Inhaltsverzeichnisse unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de : Weiterlesen Lothar Mikos, Claudia Wegener (Hg.) Qualitative Medienforschung Ein Handbuch 2005, 616 Seiten, 50 s/ w Abb. gebunden im Großformat UTB 8314 ISBN 978-3-8252-8314-8 Marion G. Müller, Stephanie Geise Grundlagen der Visuellen Kommunikation Theorieansätze und Analysemethoden 2., völlig überarbeitete Auflage ca. 06-2014, 350 Seiten ca. 20 s/ w Abb. u. 15 farb. Abb. flexibler Einband UTB 2414 ISBN 978-3-8252-2414-1 Daniel Perrin Medienlinguistik 2., überarbeitete Auflage 2011, 258 Seiten, flexibler Einband UTB 2503 ISBN 978-3-8252-2503-2 Thomas Petersen Der Fragebogen in der Sozialforschung 2014, 322 Seiten 40 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 4129 ISBN 978-3-8252-4129-2 Manuel Puppis Einführung in die Medienpolitik 2., überarbeitete Auflage 2010 360 Seiten, 60 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2881 ISBN 978-3-8252-2881-1 Heinz Pürer, Johannes Raabe Presse in Deutschland 3., völlig überarbeitete u. erweiterte Auflage 2007 656 Seiten, 76 s/ w Abb. gebunden im Großformat UTB 8334 ISBN 978-3-8252-8334-6 Heinz Pürer Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2., überarbeitete Auflage ca. 05-2014, ca. 600 Seiten ca. 30 s/ w Abb., geb. im Großformat UTB 8249 ISBN 978-3-8252-8533-3 Karl Nikolaus Renner Fernsehen 2012, 130 Seiten 25 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 3685 ISBN 978-3-8252-3685-4 Klicken + Blättern Leseproben und Inhaltsverzeichnisse unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Patrick Rössler Inhaltsanalyse 2., überarbeitete Auflage 2010, 290 Seiten 50 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2671 ISBN 978-3-8252-2671-8 Annely Rothkegel Technikkommunikation 2009, 284 Seiten, flexibler Einband UTB 3214 ISBN 978-3-8252-3214-6 Bertram Scheufele, Ines Engelmann Empirische Kommunikationsforschung 2009, 254 Seiten 60 s/ w Abb., broschiert UTB 3211 ISBN 978-3-8252-3211-5 Armin Scholl Die Befragung 2., überarbeitete Auflage 2009, 292 Seiten 10 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2413 ISBN 978-3-8252-2413-4 Rainer Schützeichel Soziologische Kommunikationstheorien 2004, 384 Seiten, flexibler Einband UTB 2623 ISBN 978-3-8252-2623-7 Barbara Thomaß (Hg.) Mediensysteme im internationalen Vergleich 2., überarbeitete Auflage 2013, 380 Seiten 10 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2831 ISBN 978-3-8252-3932-9 Stefan Weber (Hg.) Theorien der Medien Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus 2., überarbeitete Auflage 2010, 330 Seiten 6 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2424 ISBN 978-3-8252-2424-0 Hamid Reza Yousefi Grundbegriffe der interkulturellen Kommunikation 2014, 126 Seiten 25 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 4127 ISBN 978-3-8252-4127-8 Guido Zurstiege Werbeforschung 2007, 234 Seiten 32 s/ w Abb., flexibler Einband UTB 2909 ISBN 978-3-8252-2909-2 : Weiterlesen
