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Fit für die Prüfung: Zivilrecht für Wirtschaftswissenschaften

Lernbuch

1022
2014
978-3-8385-4194-5
UTB 
Achim Zimmermann

Betriebswirte müssen die juristischen Grundlagen beherrschen. Deswegen setzen sich Studierende bereits zu Beginn des Bachelorstudium mit dem Zivilrecht auseinander. Dieses Lernbuch stellt die wichtigsten Inhalte verständlich dar und zeigt Anwendungsbeispiele auf. Jedes Kapitel wird durch einen Single-Choice-Test abgeschlossen. Am Ende verrät eine Auswertung, wie fit der Leser für die Prüfung ist.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB 4194 UTB (S) Impressum_14-2.indd 1 04.08.14 15: 24 <?page no="2"?> Achim Zimmermann Fit für die Prüfung: Zivilrecht für Wirtschaftswissenschaften Lernbuch UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Dr. Achim Zimmermann ist Rechtsanwalt. Während seiner langjährigen Tätigkeit an der Universität Bayreuth hielt er Vorlesungen für Studenten der Wirtschaftswissenschaft im Zivilrecht. Er lehrt Zivilrecht an Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: istockphoto.com, t_kimura Druck und Bindung: cpi - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4194 ISBN 978-3-8252-4194-0 <?page no="4"?> fit-lernhilfen.de Inhalt Über das Buch ......................................................................................... 9 Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben.........................13 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ........................................ 14 Abgrenzung der einzelnen Rechtsbereiche ....................................... 15 Unterteilung des Zivilrechts ................................................................ 16 Rechtssubjekte und Rechtsobjekte ..................................................... 19 Zwischenstand: Fragen und Antworten................................................ 22 Etappe 2: Willenserklärungen ...................................................25 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ....................................... 26 Bestandteile einer Willenserklärung.................................................... 26 Wirksamwerden einer Willenserklärung ............................................ 32 Zwischenstand: Fragen und Antworten................................................ 37 Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss..................................41 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ........................................ 42 Privatautonomie .................................................................................... 43 Zustandekommen eines Vertrages ..................................................... 45 Zwischenstand: Fragen und Antworten................................................ 52 Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit...............................55 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ....................................... 56 Arten der Unwirksamkeit..................................................................... 57 Formnichtigkeit ..................................................................................... 59 Verstoß gegen gesetzliches Verbot..................................................... 61 <?page no="5"?> 6 Inhalt fit-lernhilfen.de Sittenwidrigkeit und Wucher ............................................................... 63 Zwischenstand: Fragen und Antworten................................................ 66 Etappe 5: Geschäftsfähigkeit ....................................................69 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ........................................ 70 Geschäftsunfähigkeit ............................................................................ 71 Beschränkte Geschäftsfähigkeit .......................................................... 73 Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte............................................... 79 Zugang von Willenserklärungen ......................................................... 79 Zwischenstand: Fragen und Antworten................................................ 82 Etappe 6: Anfechtung .................................................................85 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ....................................... 86 Voraussetzungen der Anfechtung ...................................................... 88 Rechtsfolgen .......................................................................................... 99 Schadensersatzanspruch..................................................................... 100 Zwischenstand: Fragen und Antworten.............................................. 101 Etappe 7: Stellvertretung ........................................................ 105 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ...................................... 106 Arten der Stellvertretung.................................................................... 107 Voraussetzungen der Stellvertretung................................................ 108 Vertretung ohne Vertretungsmacht.................................................. 121 Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht ............................ 123 Insichgeschäft ...................................................................................... 125 Zwischenstand: Fragen und Antworten.............................................. 127 Etappe 8: Leistungsstörungsrecht ......................................... 131 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ...................................... 132 <?page no="6"?> Inhalt 7 fit-lernhilfen.de Schadensersatz wegen Pflichtverletzung, § 280 BGB.................... 133 Schadensersatz wegen Nichtleistung oder Schlechtleistung, § 281 BGB .......................................... 142 Schadensersatz bei der Verletzung von Schutzpflichten ............... 147 Schuldnerverzug, §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB ................. 149 Gläubigerverzug, §§ 293 ff. BGB ..................................................... 154 Unmöglichkeit der Leistung, §§ 275 ff. BGB.................................. 160 Rücktritt, §§ 323 ff. BGB ................................................................... 166 Zwischenstand: Fragen und Antworten.............................................. 167 Etappe 9: Kaufrecht ................................................................. 171 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ...................................... 172 Hauptleistungspflichten ..................................................................... 173 Gewährleistungsrecht ......................................................................... 174 Mangelhaftigkeit bei Gefahrübergang .............................................. 177 Gewährleistungsausschlüsse .............................................................. 178 Rechte des Käufers ............................................................................. 178 Zwischenstand: Fragen und Antworten.............................................. 182 Etappe 10: Werkvertrag .......................................................... 185 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ...................................... 186 Hauptleistungspflichten ..................................................................... 187 Gewährleistungsrecht ......................................................................... 188 Werklieferungsvertrag, § 651 BGB................................................... 189 Zwischenstand: Fragen und Antworten.............................................. 191 Etappe 11: Dienstvertrag ........................................................ 193 Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps ...................................... 194 Hauptleistungspflichten ..................................................................... 195 <?page no="7"?> 8 Leistungsstörung ................................................................................. 196 Kündigung von Dienstverträgen ...................................................... 197 Zwischenstand: Fragen und Antworten.............................................. 199 Den Fitness-Stand errechnen ........................................... 201 Hilfreiche Lehrbücher ........................................................................ 203 Paragrafenverzeichnis ......................................................................... 205 Stichwortverzeichnis........................................................................... 207 Inhalt <?page no="8"?> fit-lernhilfen.de Über das Buch Das Zivilrecht ist, anders als zum Beispiel das Öffentliche Recht, sehr oft ein Bestandteil der Ausbildung der Wirtschaftswissenschaftler an den Hochschulen. Das liegt vor allem daran, dass dieses Rechtsgebiet im Alltag von Nicht-Juristen eine wichtige Rolle spielt: Grundstücke müssen gekauft, Lizenzen erworben und Personal eingestellt werden. Das Lernbuch soll Sie bei der Vorbereitung auf Ihre juristische Klausur unterstützen. Es deckt so viele Bereiche aus dem Zivilrecht wie möglich ab. Dennoch konzentriert es sich auf die Aspekte, die in der Ausbildung an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten wesentlich sind. Damit Sie mit einem sicheren Gefühl in die Prüfung gehen können, empfiehlt sich, mit dem Lernbuch von Anfang an parallel zur Veranstaltung an der Hochschule zu arbeiten. Nach jeder Unterrichtsstunde sollten Sie das Werk dazu nutzen, zumindest deren wichtigsten Inhalte nachzubereiten. An manchen Hochschulen wird von den Prüflingen verlangt, dass sie neben reinen Fragen auch ein oder zwei Fälle lösen müssen. Das Lernbuch gibt hierzu an den entsprechenden Stellen nützliche Hinweise. Wichtig bei der Fallbearbeitung ist, dass Sie sich an die in der Veranstaltung besprochene Vorgehensweise halten. Sofern Sie eine Subsumtion durchführen müssen, reicht es nicht aus, lediglich einzelne Punkte der Fallprüfung anzusprechen. Das Lernbuch gibt Ihnen weiterhin die Möglichkeit, Ihren Wissenstand anhand von Fragen und Antworten zu überprüfen. Manche Antworten sind richtig, manche sind falsch. Die Fragen bzw. Aussagen orientieren sich an möglichen Aufgaben in einer Klausur. Letztlich gibt es für Prüfungen im Zivilrecht nur eine begrenzte Anzahl von sinnvollen Fragen. Bei der Entwicklung der Fragen und Antworten habe ich versucht, ein breites Spektrum abzudecken. Sie dienen also nicht nur zur Abfrage in diesem Buch, sondern sollen Ihnen auch Beispiele für mögliche Fragen in einer Klausur geben. <?page no="9"?> 10 Über das Buch Am Ende des Buches finden Sie ein Paragrafenverzeichnis. Das ermöglicht Ihnen, punktuell einzelne Normen aufzufinden. Somit können Sie sich schnell mit deren Inhalt vertraut machen. Es hilft Ihnen auch dann weiter, wenn Ihr Dozent in der Veranstaltung nicht die Begriffe verwendet, die Sie hier im Buch finden. Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Zivilrechts-Veranstaltung viele neue, interessante Erkenntnisse, ein starkes Durchhaltevermögen für die Vorbereitung und viel Erfolg bei Ihrer Prüfung. Hannover, im September 2014 Achim Zimmermann <?page no="10"?> Fit für die Prüfung! Du hast dich für ein Studium entschlossen und stehst jedes Semesterende vor mehreren Prüfungen. Die UTB-Reihe »Fit für die Prüfung« hilft dir, dabei nicht unter die Räder zu kommen. Sie stellt Prüfungswissen besonders kompakt dar und legt Wert auf das schnelle Verständnis. Für jeden Lerntyp die richtige Methode: Die Lernkarten zeigen dir Schwierigkeitsgrade an und ziehen ganz unterschiedliche Fragetechniken heran, die von Single Choice über Begriffsdefinitionen bis hin zu Lückentexten und grafischen Fragen reichen. Die Lerntafeln stellen dir auf kompakteste Weise - auf nur 6 Seiten - neben dem wichtigsten Prüfungswissen auch Definitionen in einem Glossar dar. Geeignet für Studierende in extremer Zeitnot. Das Lernbuch hilft dir durch eine knackige Themenheranführung, überraschende Prüfungstipps, kompakte Wissensvermittlung und eine spielerische Lernstandskontrolle dabei, Wissenslücken schnell zu schließen. Weitere hilfreiche Materialien sowie wichtige Informationen rund um Prüfungen findest du unter fit-lernhilfen.de <?page no="12"?> Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben <?page no="13"?> 14 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? In dieser Etappe geht es darum, den Begriff „Zivilrecht“ zu definieren und die Unterschiede zu den anderen Rechtsgebieten herauszuarbeiten. Weiterhin lernen Sie, was alles zum Zivilrecht gehört und wichtige zivilrechtliche Begriffe, mit denen Sie in den folgenden Etappen arbeiten werden. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Zivilrecht Öffentliches Recht Strafrecht Prozessrecht Rechtssubjekt Rechtsobjekt Wofür benötige ich dieses Wissen? Die Unterscheidung ist wichtig, weil sich an jedes Rechtsgebiet verschiedene Handlungsmöglichkeiten und Rechtsfolgen anknüpfen. Verbietet eine Behörde z. B. den Verkauf eines Produktes, so muss das betroffene Unternehmen anders dagegen vorgehen, wie wenn ein Konkurrent falsche Behauptungen aufstellt. Vom Rechtsgebiet hängt auch die Frage ab, welche Gerichte für einen Rechtsstreit zuständig sind. Weiterhin sind die Begriffe für die folgenden Etappen eine wichtige Grundlage. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? In Prüfungen wird häufig gefordert, das Zivilrecht vom Öffentlichen Recht und vom Strafrecht abzugrenzen und die Definitionen für verschiedene Begriffe wiederzugeben. Los geht’s! <?page no="14"?> Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben 15 fit-lernhilfen.de Grundsätzlich wird zwischen drei Rechtsbereichen unterschieden: Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht. Das Zivilrecht wird teilweise auch als Privatrecht oder Bürgerliches Recht bezeichnet. In den meisten Fällen ist damit dasselbe gemeint. 1.1 Abgrenzung der einzelnen Rechtsbereiche Mit dem Zivilrecht kommen Bürger und Unternehmen täglich in Berührung. Person A kauft bei Bäcker B ein Brötchen. Unternehmen C kauft bei Unternehmen D Material und stellt Person A als Verkäufer ein. Wesentlich für das Zivilrecht ist, dass sich alle Beteiligten auf gleicher Augenhöhe gegenüber treten. Sie sind gleichrangig. Zivilrecht Das Zivilrecht beschreibt die Rechtsverhältnisse zwischen Privatpersonen. Eine Gleichrangigkeit wie im Zivilrecht gibt es im Öffentlichen Recht nicht. Dort herrscht ein sog. Über- und Unterordnungsverhältnis. Das bedeutet, dass eine Behörde als sog. Hoheitsträger gegenüber einem Bürger eine Anweisung (sog. Verwaltungsakt) erlassen kann, nach dem sich der Bürger zu richten hat. Eine Stadtverwaltung kann z. B. den Abriss eines rechtswidrig errichteten Hauses anordnen und auch durchsetzen. Ein Polizist kann einen Autofahrer anhalten und den Führerschein kontrollieren. <?page no="15"?> 16 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Öffentliches Recht Das Öffentliche Recht ist gekennzeichnet durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen dem Staat und dem Bürger. Unter dem Begriff „Staat“ sind alle öffentlichen Institutionen gemeint. Dazu zählen z. B. die Bundesrepublik Deutschland, ein Bundesland, ein Landkreis, eine Stadt oder Gemeinde. Weiterhin Institutionen wie eine Universität, ein Studentenwerk oder eine Rundfunkanstalt. Grundsätzlich ist das Handeln dieser Institutionen dem Öffentlichen Recht zuzuordnen. Aber das ist nicht immer der Fall. Manchmal gilt auch zwischen dem Staat und Privatpersonen das Zivilrecht und es herrscht Gleichrangigkeit. Das ist dann der Fall, wenn z. B. eine Stadt ein Auto kauft oder einen Mitarbeiter anstellt. Hier kann die Stadt nicht einfach durch einen Verwaltungsakt das Auto erwerben. Bleibt noch das Strafrecht. Auch hier liegt ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger vor. Der Staat hat zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten spezielle Befugnisse, die ein Bürger nicht hat. Ein Bürger darf niemanden einsperren, der Staat schon. Strafrecht Das Strafrecht befasst sich mit Rechtsnormen, die bestimmte Verhaltensweisen verbieten und als Rechtsfolge an eine Geld- oder Freiheitsstrafe anknüpfen. 1.2 Unterteilung des Zivilrechts Das Zivilrecht lässt sich in einzelne Rechtsgebiete unterteilen. Nicht alle davon betreffen jeden Bürger. Wesentliches Element im Zivilrecht ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Es trat in seiner ursprünglichen Fassung am 1. Januar 1900 in Kraft. Daneben gibt <?page no="16"?> Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben 17 fit-lernhilfen.de es noch weitere Rechtsgebiete, die sich (nur) auf spezielle Lebensbereiche beziehen und deshalb nicht für alle Bürger gleichmäßig gelten. So gibt es für den Arbeitnehmer Regelungen im Arbeitsrecht (z. B. Kündigungsschutz und Urlaubsrecht) und für Kaufleute das Handels- und Gesellschaftsrecht, das im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt ist. Aus diesem Grund werden diese Gebiete als Sonderprivatrecht bezeichnet. Sonderprivatrecht Ein Rechtsgebiet des Zivilrechts, das sich nur auf einen speziellen Lebensbereich bezieht. Das BGB wird in einzelne Abschnitte unterteilt, die als „Bücher“ bezeichnet werden. Insgesamt gibt es im BGB fünf Bücher. Abbildung 1 Zivilrecht Bürgerliches Gesetzbuch Sonder- Privatrecht Arbeitsrecht Handels- und Gesellschaftsrecht 1. Buch: Allgemeiner Teil 2. Buch: Schuldrecht 3. Buch: Sachenrecht 4. Buch: Familienrecht 5. Buch: Erbrecht <?page no="17"?> 18 Zivilrecht fit-lernhilfen.de [1] Allgeimer Teil [2] Schuldrecht [3] Sachenrecht [4] Familienrecht [5] Erbrecht Im Allgemeinen Teil sind die wesentlichen Regeln des BGB niedergelegt. Diese gelten grundsätzlich auch für die anderen vier Bücher. Dieses Buch wird oft mit „BGB AT“ abgekürzt. Hier finden sich Antworten auf die Fragen, wann ein Vertrag zustande kommt, unter welchen Voraussetzungen Minderjährige Verträge schließen können, was bei einem Irrtum geschieht und was die Voraussetzungen für eine Stellvertretung sind. Das Schuldrecht wird nochmals unterteilt in das Allgemeine und das Besondere Schuldrecht. Das Allgemeine Schuldrecht regelt, wie Verträge abgewickelt werden und welche Konsequenzen ein Vertragsverstoß nach sich ziehen kann. Im Besonderen Schuldrecht sind vor allem einzelne Vertragstypen (Kaufvertrag, Mietvertrag, Dienstvertrag) geregelt. Dort finden sich aber auch Regelungen zu Schuldverhältnissen, die nicht auf einem Vertrag basieren (sog. gesetzliche Schuldverhältnisse). Geht es um Besitz und Eigentum an Sachen, ist das Sachenrecht einschlägig. Hier ist normiert, wer Besitzer und Eigentümer ist und wie diese Rechte übertragen werden können. Auch ist geregelt, was z. B. eine Grundschuld oder ein Pfandrecht ist. Das Familienrecht regelt die Rechtsverhältnisse der Personen, die durch Ehe, Verwandtschaft und Familie miteinander verbunden sind. Als letztes befasst sich das Erbrecht mit der Frage, wer das Vermögen - oder Teile davon - eines Verstorbenen (sog. Erblasser) erhält. Neben diesen Rechtsgebieten, die auch als sog. materielles Recht bezeichnet werden, gibt es noch das sog. Prozessrecht. Es befasst sich mit der Frage, wie jemand einen Anspruch, den ihm das materielle Recht „gibt“, durchsetzen kann. Dazu ist in den allermeisten Fällen eine Klage vor den Gerichten erforderlich. Das Prozessrecht <?page no="18"?> Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben 19 fit-lernhilfen.de stellt dabei kein unabhängiges Rechtsgebiet dar, sondern ergänzt die einzelnen Gebiete. Für das Zivilrecht gilt in erster Linie die Zivilprozessordnung (ZPO). Sie regelt, wie jemand einen zivilrechtlichen Anspruch gerichtlich durchsetzen kann. Das geschieht mittels einer Klage vor einem Amts- oder Landgericht. Aber nicht alle zivilrechtlichen Ansprüche lassen sich vor diese Gerichte bringen. Geht es um das Arbeitsrecht, gibt es hierfür die speziellen Arbeitsgerichte. 1.3 Rechtssubjekte und Rechtsobjekte Im Zivilrecht gibt es zwei Personengruppen: die natürlichen und die juristischen Personen. Sie werden als Rechtssubjekte bezeichnet und können zugleich Träger von Rechten und Pflichten sein. Natürliche Personen sind alle Menschen. Dabei spielen Alter, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit keine Rolle. Nach § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen mit Vollendung der Geburt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Neben der Rechtsfähigkeit gibt es noch den Begriff der Handlungsfähigkeit. Er ist der Oberbegriff für die sog. Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) und die sog. Deliktsfähigkeit (§ 276 Abs. 1 S. 2, §§ 827 f. BGB). Geschäftsfähigkeit Die Fähigkeit, Willenserklärungen wirksam abzugeben und entgegenzunehmen. Gemeint ist damit in erster Linie die Frage, ab welchem Alter jemand einen wirksamen Vertrag abschließen kann und welche Folgen es mit sich bringt, wenn die Geschäftsfähigkeit nicht vorliegt. Die 8-jährige Sarah möchte sich ein Fahrrad für 300 Euro kaufen. Ihre Eltern sind aber dagegen. <?page no="19"?> 20 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Deliktsfähigkeit Die Fähigkeit, sich durch schuldhaftes Handeln verantwortlich zu machen. Die Deliktsfähigkeit befasst sich mit der Frage nach der Verantwortung für ein Handeln, das zu einem Schaden geführt hat. Der 10-jährige Peter zertrümmert beim Fußballspielen eine Fensterscheibe. Weiterhin gibt es die juristischen Personen. Juristische Person Eine durch die Rechtsordnung geschaffene Form eines Rechtssubjektes, die dazu dient, Vereinigungen von Personen oder Vermögensmassen die Rechtsfähigkeit zuzubilligen. Konsequenz einer juristischen Person ist, dass diese rechtlich verselbständigt und unabhängig von seinen Mitgliedern ist. Beispiele für juristische Personen: eingetragener Verein (e.V.), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Aktiengesellschaft (AG), eingetragene Genossenschaft (eG) Somit sind viele Unternehmen (aber nicht alle! ) als juristische Personen einzustufen. Wesentlicher Punkt dabei ist die Haftungsbeschränkung: Für die Verbindlichkeiten haftet ausschließlich das Vermögen der juristischen Person und nicht das Privatvermögen ihrer Mitglieder. Dann gibt es noch die sog. Rechtsobjekte. Sie bilden den Gegensatz zu den Rechtssubjekten. Rechtsobjekte Rechtsobjekte werden durch die Rechtsordnung einem Rechtssubjekt in Form der Nutzung oder Verwertung zugeordnet. <?page no="20"?> Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben 21 Rechtsobjekte werden unterteilt in körperliche Gegenstände und unkörperliche Gegenstände. Mit dem Begriff „körperlich“ ist die räumliche Abgrenzbarkeit gemeint, also die Frage, ob der Gegenstand im Raum eine abgrenzbare Materie darstellt. Auf den Aggregatszustand kommt es dabei nicht an. Körperliche Gegenstände werden auch als Sachen (§ 90 BGB) bezeichnet. Beispiele für Sachen: Buch, Auto, Grundstück, Gas oder Wasser in Flaschen. Nicht aber: Licht und Elektrizität. Die Sachen werden wiederum unterschieden in bewegliche und unbewegliche Sachen. Letztere werden auch als Immobilien bezeichnet. Tiere sind aus zivilrechtlicher Sicht keine Sachen. Auf sie finden allerdings die für Sachen geltenden Vorschriften Anwendung (§ 90a BGB). Zu den unkörperlichen Gegenständen gehören z. B. Forderungen und sog. Immaterialgüter wie das Urheberrecht oder ein Patent. <?page no="21"?> 22 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 1.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Welches Rechtsgebiet geht von einer Gleichrangigkeit der Beteiligten aus? [1 Fit-Punkt] Öffentliches Recht Zivilrecht Das Bürgerliche Gesetzbuch trat am 1. Januar 1910 in Kraft. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Das Bürgerliche Gesetzbuch besteht aus fünf Büchern. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="22"?> Etappe 1: Das Zivilrecht im Wirtschaftsleben 23 Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt einen Teil des Sonderprivatrechts dar. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Alle Rechtssubjekte sind grundsätzlich geschäftsfähig. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Die Deliktsfähigkeit bezieht sich auf die Verantwortung des Einzelnen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Jedes Unternehmen ist zugleich eine juristische Person. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Sachen sind körperliche Gegenstände. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Was gehört zu den unkörperlichen Gegenständen? [1 Fit-Punkt] Grundstücke Forderungen Dein Punktestand Etappe 1 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="24"?> Etappe 2: Willenserklärungen Willenserklärungen <?page no="25"?> 26 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? In dieser Etappe geht es um die Willenserklärung, ihre Bestandteile und ihre Erscheinungsarten. Weiterhin wird erklärt, wann eine Willenserklärung wirksam abgegeben und zugegangen ist. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Willenserklärung Handlungswille Erklärungsbewusstsein Geschäftswille konkludente Willenserklärung Schweigen Abgabe Zugang Widerruf Wofür benötige ich dieses Wissen? Die Willenserklärung ist das zentrale Element im Zivilrecht. Damit lassen sich sowohl Verträge schließen als auch beenden. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? In Prüfungen wird häufig gefordert, die Bestandteile einer Willenserklärung zu erklären, zu erläutern, ob eine Willenserklärung vorliegt und wann eine Willenserklärung als wirksam zugegangen gilt Los geht’s! 2.1 Bestandteile einer Willenserklärung Eine Willenserklärung (oft mit „WE“ abgekürzt) besteht aus zwei grundsätzlichen Elementen: dem Willen und der Erklärung. Der Wille wird als sog. subjektiver Tatbestand bezeichnet, die Erklärung als objektiver Tatbestand. Beides lässt sich nochmals in weitere Aspekte zerlegen. <?page no="26"?> Etappe 2: Willenserklärungen 27 fit-lernhilfen.de 2.1.1 Subjektiver Tatbestand („Wille“) Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung weist drei Elemente auf: Handlungswille Erklärungsbewusstsein Geschäftswille. Der Handlungswille (teilweise auch als „Handlungsbewusstsein“ bezeichnet) liegt vor, wenn der Erklärende überhaupt eine Handlung ausüben wollte, er also die Hand heben oder ein Wort sagen wollte. Handlungswille Der Handlungswille liegt vor, wenn die Erklärung auf einem willensgesteuerten Verhalten des Erklärenden beruht. Macht der Erklärende also Bewegungen im Schlaf, als Reflex oder unter Hypnose, so ist der Handlungswille nicht gegeben. Denn hier liegt keine Handlung vor, die vom Willen gesteuert ist. Fehlt der Handlungswille, so kann das Verhalten der jeweiligen Person nicht zugerechnet werden. Eine Willenserklärung kann daraus nicht abgeleitet werden. Kontrollfrage für die Prüfung Wollte die Person die Handlung bewusst ausführen oder geschah sie einfach so? Beim Erklärungsbewusstsein (teilweise auch als „Erklärungswille“ oder „Rechtsbindungswille“ bezeichnet) geht es um die Frage, ob der Handelnde den Willen hat, am Rechtsverkehr teilzunehmen. Darauf, ob der Handelnde eine konkrete Rechtsfolge erzielen wollte, kommt es nicht an. <?page no="27"?> 28 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Erklärungsbewusstsein Das Erklärungsbewusstsein liegt vor, wenn der Handelnde den Willen hat, irgendwie etwas rechtlich Erhebliches zu erklären. Macht die Person in einer Situation eine Handlung, die für sie selbst nichts bedeutet, aber für die anderen Anwesenden, so kann darin eine Willenserklärung zu sehen sein. A hebt in einer Versteigerung die Hand um einen Bekannten zu grüßen. B unterschreibt in einer Mitgliederversammlung eine Sammelbestellung und denkt, es wäre die Anwesenheitsliste. Kontrollfrage für die Prüfung War sich die Person bewusst, dass sie in der konkreten Situation etwas macht, was zu rechtlichen Folgen führen könnte? Hinter dem Erklärungsbewusstsein verbirgt sich aber ein Problem: Während beim Handlungswillen klar ist, dass die Person nicht bewusst handelte, ist das hier nicht mehr so einfach. Ein außenstehender Dritter kann nicht eindeutig erkennen, ob mit der Handlung eine rechtliche Wirkung herbeigeführt werden soll. Deshalb stellt sich die Frage, ob in diesem Fall eine Willenserklärung vorliegen kann. Dazu gibt es zwei verschiedene Meinungen. Die eine wird als sog. aktuelles Erklärungsbewusstsein bezeichnet, die andere als sog. potentielles Erklärungsbewusstsein. Die Meinung beim sog. aktuellen Erklärungsbewusstsein geht davon aus, dass der Handelnde bei der Vornahme der Handlung tatsächlich das Bewusstsein hatte, eine Erklärung mit rechtsgeschäftlichem Inhalt abzugeben. Er war sich also im Klaren darüber, dass er hier etwas rechtlich Relevantes erklärt. Fehlt nach dieser Meinung das Erklärungsbewusstsein, liegt keine Willenserklärung vor. Anders bei der Meinung zum sog. potentiellen Erklärungsbewusstsein. Hier ist eine Willenserklärung dann gegeben, wenn der <?page no="28"?> Etappe 2: Willenserklärungen 29 fit-lernhilfen.de Handelnde bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass seine Handlung als Willenserklärung aufgefasst wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn in einer Bank ein Dokument unterschrieben wird. Für diese Meinung spricht gerade, dass ein Dritter geschützt wird. So kann er sich darauf verlassen, dass das, was objektiv wahrnehmbar war, auch so zu verstehen war. Der Handelnde kann seine Willenserklärung, die er ja eigentlich gar nicht abgeben wollte, anfechten (§ 119 Abs. 1 BGB analog). Als letztes Element des subjektiven Tatbestandes einer Willenserklärung kommt der sog. Geschäftswille ins Spiel. Bei ihm geht es darum, ob ein konkretes Rechtsgeschäft mit genau dieser Rechtsfolge gewollt war. Geschäftswille Der Geschäftswille ist der Wille, ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorzunehmen und damit eine bestimmte Rechtsfolge zu erzielen. Jetzt geht es nicht mehr um die Frage, ob der Handelnde überhaupt etwas rechtlich Erhebliches erklären wollte; das steht fest. Es kommt nur noch darauf an, ob diese konkrete Rechtsfolge auch vom Erklärenden so gewollt war. Weiß der Erklärende, dass er einen Mietvertrag unterschreibt und will er auch dessen Abschluss, dann liegt der Geschäftswille vor. Fehlt allerdings der Geschäftswille, ist die Willenserklärung aber dennoch wirksam; sie kann aber angefochten werden (§ 119 Abs. 1 BGB). Kontrollfrage in der Prüfung War das, was erklärt wurde, auch das, was der Erklärende wollte (Bsp.: „Kaufvertrag statt Mietvertrag“)? <?page no="29"?> 30 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Für eine wirksame Willenserklärung müssen also mindestens der Handlungswille und das (potentielle) Erklärungsbewusstsein vorliegen. Soll die Willenserklärung auch fehlerfrei sein, so muss zusätzlich noch der Geschäftswille gegeben sein. Folgendes Beispiel soll die einzelnen Elemente des subjektiven Tatbestandes verdeutlichen: „Trierer Weinversteigerung“ A möchte sich mit einem Bekannten B treffen. Sie vereinbaren als Treffpunkt eine Gaststätte. Als A den Raum betritt, findet dort eine Weinversteigerung statt, was er aber nicht weiß. A erkennt seinen Bekannten und winkt ihm zu. Der Auktionator fasst das Winken als Gebot auf und erteilt A den Zuschlag für eine Lieferung Wein. Hier hatte A Handlungswille, denn er hat die Hand zum Winken bewusst gehoben. Allerdings stellt sich die Frage, ob er hierzu auch das Erklärungsbewusstsein hatte. Also muss überlegt werden, ob A irgendeine rechtlich erhebliche Erklärung abgeben wollte. Als A die Hand hob, wollte er lediglich seinen Bekannten grüßen und keine Erklärung im Hinblick auf einen Kauf oder ähnliches abgeben. A hätte allerdings erkennen können, dass hier eine Auktion läuft und das Heben der Hand als Gebot aufgefasst werden könnte („potentielles Erklärungsbewusstsein“). Ein Geschäftswille liegt nicht vor, da A sich überhaupt nicht bewusst war, dass er überhaupt etwas rechtlich Erhebliches äußert. 2.1.2 Objektiver Tatbestand („Erklärung“) Bisher ging es um die Frage, was sich im Bewusstsein des Erklärenden abspielte, was er also wollte. Jetzt ist zu klären, in welcher Art und Weise eine Willenserklärung abgegeben werden kann. Hierzu gibt es drei Möglichkeiten: ausdrücklich, konkludent oder durch Schweigen. Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass Willenserklärungen ausdrücklich abgegeben werden. <?page no="30"?> Etappe 2: Willenserklärungen 31 fit-lernhilfen.de Ausdrückliche Willenserklärung Der Erklärende äußert seinen Willen unmittelbar. Gemeint sind damit die Fälle, in denen der Wille schriftlich oder mündlich geäußert wird. A sagt auf die Frage, ob er das Auto kaufen möchte „Ja“. Daneben gibt es die Möglichkeit, eine Willenserklärung konkludent abzugeben. Diese Art wird auch als „durch schlüssiges Verhalten“ bezeichnet. Konkludente Willenserklärung Der Wille wird durch schlüssiges Verhalten erklärt. Das betrifft vor allem die Fälle, in denen er Erklärende auf eine Sache zeigt oder sie ergreift sowie er auf eine Frage hin nickt oder den Kopf schüttelt. Es handelt sich also insbesondere um Erklärungen mittels Gesten. Im Supermarkt legt A die Waren auf das Kassenband, die Kassiererin scannt sie und A zahlt daraufhin. Zwischen beiden wurden keinerlei Worte gewechselt. Zum Schluss stellt sich die Frage, ob das bloße Schweigen auch als Erklärung gewertet werden kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall. Es gibt dazu aber Ausnahmen. Zunächst einmal dann, wenn das Gesetz dem Schweigen Erklärungswert beimisst, etwa im Fall des § 108 Abs. 2 S. 2 BGB oder bei § 177 Abs. 2 S. 2 BGB. Als weitere Ausnahme gibt es das sog. „beredte Schweigen“. Es liegt vor, wenn zwischen beiden Vertragspartnern das Schweigen als Erklärungszeichen vereinbart wurde. Im Handelsrecht gibt es dann noch das sog. kaufmännische Bestätigungsschreiben, dass aber besondere Voraussetzungen hat und nur zwischen Kaufleuten vorliegen kann. <?page no="31"?> 32 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 2.2 Wirksamwerden einer Willenserklärung Nur weil der subjektive und objektive Tatbestand einer Willenserklärung vorliegt, bedeutet das noch nicht, dass damit eine Rechtsfolge bewirkt wurde. Die Willenserklärung wird in den Wald hineingerufen oder wird im Diskolärm geäußert. Niemand kann sie hören. 2.2.1 Arten von Willenserklärungen Damit die mit der Willenserklärung beabsichtigten Rechtsfolgen eintreten, muss sie wirksam werden. Um beantworten zu können, ob ein Wirksamwerden vorliegt, ist zunächst zu klären, ob die Willenserklärung überhaupt gegenüber jemandem Anderen abzugeben ist. Das ist nur dann der Fall, wenn es sich um eine sog. empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Empfangsbedürftige Willenserklärung Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist eine Willenserklärung, die einem Anderen gegenüber abzugeben ist (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie kann nur dann wirksam werden, wenn sie an den Erklärungsempfänger, den Adressaten, gerichtet wurde. „Empfangsbedürftig“ bedeutet also, dass gegenüber dem (späteren) Vertragspartner die Erklärung abzugeben ist. Das ist auch logisch, denn nur so kann der Andere davon Kenntnis erlangen. Der Regelfall im BGB sind die empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Beispiele für empfangsbedürftige Willenserklärungen: Angebot für einen Vertragsschluss, Heiratsantrag, Kündigung Das Gegenstück zu den empfangsbedürftigen sind die nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen. <?page no="32"?> Etappe 2: Willenserklärungen 33 fit-lernhilfen.de Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist eine Willenserklärung, deren Wirksamwerden nicht von der Abgabe gegenüber einem Erklärungsempfänger erforderlich ist. Bei dieser Art von Willenserklärung muss kein Anderer von ihr Kenntnis erlangen. Ein Testament ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Erblasser kann das Testament aufsetzen und es in seine Schublade legen. Er muss niemandem davon erzählen. Abgängig davon, ob eine empfangsbedürftige oder eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung vorliegt, stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen für deren Wirksamwerden zu erfüllen sind. Hier ist zu unterscheiden zwischen einerseits der Abgabe und andererseits dem Zugang der Willenserklärung. Während sich die Abgabe damit befasst, welche Handlung der Erklärende vornehmen muss, damit die Willenserklärung wirksam in den Rechtsverkehr gelangt, geht es bei Zugang darum, was beim Empfänger geschehen muss, damit er sie auch wirksam erhält. 2.2.2 Abgabe Bei der Abgabe ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine empfangsbedürftige oder eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung Der Erklärende muss seinen Willen sowohl äußern als auch die Erklärung willentlich auf den Weg zum Empfänger derart bringen, dass sie diesen ohne weiteres Zutun erreichen kann. Es reicht für die Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung also nicht aus, dass der Erklärende seine Erklärung aufschreibt und das Schreiben dann in die Schublade legt. <?page no="33"?> 34 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Der Mieter wirft ein Schreiben mit seiner Kündigungserklärung an den Vermieter in den Briefkasten des Postamtes. Bei der nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung ist nicht erforderlich, dass sie auf den Weg Richtung Empfänger gebracht wird. Abgabe einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung Der Erklärende muss seinen Willen erkennbar endgültig äußern. Hier ist also über den reinen Äußerungsakt hinaus keine weitere Handlung erforderlich. Der Erblasser unterzeichnet sein Testament und legt es dann in die Schublade seines Schreibtisches. 2.2.3 Zugang Beim Zugang ist die Unterscheidung zwischen empfangsbedürftiger und nicht empfangsbedürftiger Willenserklärung nicht mehr erforderlich. Denn letztere braucht nicht zuzugehen. Dafür ist eine andere Differenzierung notwendig: Soll die Erklärung einem Anwesenden oder einem Abwesenden zugehen. Für den Zugang unter Anwesenden gibt es keine gesetzliche Regelung. Hier ist wieder zu unterscheiden: handelt es sich um eine sog. verkörperte oder um eine nicht verkörperte Willenserklärung. Unter einer verkörperten Willenserklärung ist in erster Linie eine schriftliche Willenserklärung zu verstehen. Zugang einer verkörperten Willenserklärung Eine verkörperte Willenserklärung geht zu, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Hierzu muss er die Verfügungsgewalt über die Erklärung erlangen. <?page no="34"?> Etappe 2: Willenserklärungen 35 fit-lernhilfen.de Bei einer nicht verkörperten Willenserklärung verhält es sich anders. Unter diesen Begriff fallen zunächst Willenserklärungen, die mündlich abgegeben werden. Aber auch telefonische (fernmündliche) Willenserklärungen sind damit gemeint. Nichts anderes gilt für konkludente Willenserklärungen. In diesen Fällen gilt die sog. (modifizierte) Vernehmungstheorie: Zugang einer nicht verkörperten Willenserklärung Eine nicht verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, wenn der Empfänger die Erklärung tatsächlich vernommen hat. Hat der Empfänger sie tatsächliche nicht vernommen, so ist sie auch zugegangen, wenn der Erklärende nach den erkennbaren Umständen keinen Zweifel daran hat, dass die Erklärung verstanden wurde. Beim Zugang unter Abwesenden ist nicht mehr zwischen einer verkörperten und nicht verkörperten Willenserklärung zu unterscheiden. Hier kann es nur noch eine verkörperte Willenserklärung geben (Bsp.: Brief, Telefax, E-Mail). Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden Unter Abwesenden geht eine Willenserklärung zu, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen und dass zum anderen auch mit seiner Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Es sind also zwei Voraussetzungen erforderlich: Zunächst muss die Willenserklärung beim Empfänger so „ankommen“, dass er die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen. Sie muss ihn so erreichen, dass er darauf Zugriff hat. Die Willenserklärung wird in seinen Briefkasten geworfen, sie wird als Telefax ausgedruckt oder wird auf dem E-Mail-Server gespeichert. <?page no="35"?> 36 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Aber nur, weil sie in seinem Briefkasten liegt, bedeutet das noch nicht, dass er auch von ihr Kenntnis erlangt hat. Zweite Voraussetzung ist deshalb, dass mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Wirft X eine Willenserklärung samstagnachts um 22 Uhr in den Briefkasten des A, so hat A zwar die Möglichkeit der Kenntnisnahme - er kann sie jederzeit herausholen -, aber mit der Kenntnisnahme kann erst gerechnet werden, wenn A normalerweise seinen Briefkasten leert. Und das dürfte erst im Laufe des Montags sein. Hat A aber seinen Briefkasten bereits am Sonntag geleert, so ist die Willenserklärung auch am Sonntag an A zugegangen. 2.2.4 Widerruf Ein letzter Punkt ist noch im Zusammenhang mit dem Zugang zu thematisieren: Jemand sendet eine Willenserklärung ab und überlegt es sich danach anders. Dann kann er sie nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB widerrufen (Widerruf). Dazu muss dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Willenserklärung der Widerruf zugehen. Entscheidender Zeitpunkt ist der des Zugangs und nicht der Kenntnisnahme durch den Empfänger. A sendet einen Bestellschein per Post an B. Über Nacht überlegt es sich A. Deshalb ruft er am nächsten Tag um 9 Uhr bei B an und sagt, dass er seine Willenserklärung vom Vortag widerrufe. Bei Widerruf ist nicht erforderlich, dass dieselbe Erklärungsart wie bei der ursprünglichen Willenserklärung gewählt wird. Eine schriftliche Erklärung kann also telefonisch widerrufen werden. Der Widerruf nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB hat nichts mit dem Widerrufsrecht bei Online-Bestellungen zu tun! <?page no="36"?> Etappe 2: Willenserklärungen 37 fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 2.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Eine Willenserklärung besteht aus dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Wann liegt kein Handlungswille vor? [1 Fit-Punkt] bei einem Irrtum im Schlaf Welches Element des subjektiven Tatbestandes einer Willenserklärung befasst sich mit der Frage der Herbeiführung einer konkreten Rechtsfolge? [2 Fit-Punkte] Handlungswille Erklärungsbewusstsein Geschäftswille <?page no="37"?> 38 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Eine Willenserklärung kann nur ausdrücklich abgegeben werden. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Schweigen stellt niemals eine Willenserklärung dar. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Jede Willenserklärung ist empfangsbedürftig. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Eine empfangsbedürftige Willenserklärung gilt bereits als abgegeben, wenn der Erklärende sie schriftlich fixiert hat. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Beim Zugang von Willenserklärungen ist danach zu unterscheiden, ob sie an einen Anwesenden oder Abwesenden zugehen soll. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="38"?> Etappe 2: Willenserklärungen 39 Eine nicht verkörperte Willenserklärung geht einem Anwesenden grundsätzlich dann zu, wenn sie der Andere vernommen hat. [2 Fit-Punkte] richtig falsch A wirft B am Samstag um 22 Uhr eine Kündigung in den Briefkasten. B leert am Sonntag um 10 Uhr seinen Briefkasten. Wann ist die Willenserklärung zugegangen? [2 Fit-Punkte] am Sonntag um 10 Uhr am Montag im Laufe des Tages Für den Widerruf einer Willenserklärung ist erforderlich, dass die Widerrufserklärung vor oder gleichzeitig mit der Willenserklärung zugeht. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 2 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="40"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss Verträge und Vertragsschluss <?page no="41"?> 42 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Nachdem in der vorherigen Etappe die Willenserklärung erläutert wurde, geht es jetzt darum, was Verträge sind und wie sie geschlossen werden. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Privatautonomie Abschlussfreiheit Formfreiheit Gestaltungsfreiheit Angebot invitatio ad offerendum Annahme Dissens Wofür benötige ich dieses Wissen? Verträge sind ein wesentlicher Bestandteil im Wirtschaftsleben. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie sie geschlossen werden und welche Gründe es geben kann, dass trotz Abschlusses der Vertrag unwirksam sein kann. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? In der Prüfung muss oft geprüft werden, ob ein Vertrag zustande gekommen ist und ob Gründe für dessen Unwirksamkeit sprechen könnten. Los geht’s! <?page no="42"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss 43 fit-lernhilfen.de 3.1 Privatautonomie Im Zivilrecht gilt das Prinzip der Privatautonomie. Ein anderes Wort für „Privatautonomie“ ist „Vertragsfreiheit“. Dahinter verbirgt sich die Überlegung, dass jedermann die Freiheit hat, seinen Willen zu bilden, zu äußern und dementsprechend zu handeln. Niemand soll gezwungen werden, ein bestimmtes Rechtsgeschäft mit einem bestimmten Inhalt tätigen zu müssen. Die Vertragsfreiheit gliedert sich in drei Unterfälle: Abschlussfreiheit, Formfreiheit und Gestaltungsfreiheit. Hinter der Abschlussfreiheit verbirgt sich das Recht des Einzelnen, frei entscheiden zu können, ob und wann er mit wem worüber einen Vertrag schließen möchte. Die Abschlussfreiheit kann einerseits in die positive, andererseits in die negative Abschlussfreiheit unterteilt werden. Im Rahmen der positiven Abschlussfreiheit hat der Einzelne das Recht, einen Vertrag zu schließen. Er kann aber auch einen Vertragsschluss ablehnen, was die negative Abschlussfreiheit darstellt. Von der Abschlussfreiheit gibt es zwei Ausnahmen. Einerseits den sog. Kontrahierungszwang, der die negative Abschlussfreiheit einschränkt. Sollten dessen Voraussetzungen vorliegen, muss eine Person dennoch einen Vertrag schließen. Das ist vor allem bei Unternehmen mit Monopolstellung der Fall. Nach dem Postgesetz sind Postunternehmen dazu verpflichtet, bestimmte Dienstleistungen gegenüber jedermann zu erbringen. Die zweite Ausnahme stellen sog. Abschlussverbote dar. Sie schränken die positive Abschlussfreiheit ein. So kann der Abschluss eines bestimmten Vertrages verboten sein oder einem Rechtsgeschäft die Wirksamkeit entzogen werden. Grund für diese Einschränkung ist der Schutz einer (schwächeren) Partei. Das Jugendarbeitsschutzgesetz enthält für Jugendliche hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten Beschäftigungsverbote. <?page no="43"?> 44 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Die Formfreiheit - als zweiter Unterfall - besagt, dass bei einem Vertragsschluss keine bestimmte Form zu wahren ist. Der Vertrag kann also schriftlich, mündlich oder konkludent geschlossen werden. Für bestimmte Rechtsgeschäfte muss aber dennoch eine Form eingehalten werden (sog. Formzwang). Das ist gerade dort der Fall, wo der Gesetzgeber eine Partei schützen möchte. Kaufverträge über Grundstücke (§ 311b Abs. 1 BGB), das Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 BGB) oder die Bürgschaftserklärung (§ 766 S. 1 BGB). Sofern beim Vertragsschluss gegen die (gesetzliche) Formvorschrift verstoßen wird, ist das Rechtsgeschäft nach § 125 S. 1 BGB als nichtig anzusehen. Das dritte Element der Vertragsfreiheit ist die Gestaltungsfreiheit. Sie wird auch als Inhaltsfreiheit bezeichnet. Sie bedeutet, dass der Inhalt eines Rechtsgeschäfts von den Parteien frei bestimmt werden kann. Dabei sind die Regelungen im BGB grundsätzlich dispositiv. Gemeint ist damit, dass sie von den Parteien in den eigenen Vertrag übernommen oder angepasst werden können. Das Gesetz geht bei der Gewährleistung im Kaufrecht von einer Verjährungsfrist von grundsätzlich zwei Jahren aus (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Die Parteien können die Frist aber beliebig länger in ihrem Vertrag gestalten. Nur in bestimmten Bereichen gibt es einen sog. Typenzwang. In diesem Fall können die gesetzlichen Regelungen nicht verändert werden und müssen „übernommen“ werden. Sie sind zwingendes Recht. Im Schuldrecht kann bei einem Vertrag die Gewährleistung nicht vollständig ausgeschlossen werden (§ 444 BGB). Im Familienrecht können die Eheleute nicht selbst bestimmen, wann ein Eheschluss vorliegt (§ 1310 BGB). Und im Sachenrecht ist genau festgelegt, welchen Inhalt eine Hypothek hat (§ 1113 BGB). <?page no="44"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss 45 fit-lernhilfen.de 3.2 Zustandekommen eines Vertrages Der Grundsatz der Privatautonomie besagt, dass grundsätzlich niemand zum Abschluss eines Vertrages gezwungen werden kann. Also müssen alle Parteien, die an einem Vertrag beteiligt sind, irgendwie damit einverstanden sein, dass sie einen Vertrag abschließen und dass sie Leistungen zu erbringen haben. Und dieses „Einverständnis“ wird mittels einer Willenserklärung geäußert. Wenn also zwei Parteien einen Vertrag schließen wollen, dann muss jeder eine Willenserklärung abgeben. Damit es dann noch zum Vertragsschluss kommt, müssen beide Willenserklärungen übereinstimmen. Vertragsschluss Ein Vertrag erfordert eine durch übereinstimmende Willenserklärungen erzielte Einigung von mindestens zwei Personen über die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolgs. Vereinfacht kann gesagt werden: Ein Vertrag wird durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgeschlossen. Die Willenserklärungen nennen sich einerseits Angebot und andererseits Annahme. 3.2.1 Angebot Das Angebot (im Gesetz wird auch von „Antrag“ gesprochen) dient dazu, die (potentiell) andere Vertragspartei zunächst einmal darüber zu informieren, dass überhaupt ein Vertragsschluss beabsichtigt wird. Angebot Das Angebot (=Antrag) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss angetragen wird und das inhaltlich so bestimmt ist, dass der Vertrag durch ein einfaches „Ja“ zustande kommen kann. <?page no="45"?> 46 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Damit das Angebot mit einem „Ja“ angenommen werden kann, müssen darin zumindest die grundsätzlichen Informationen enthalten sind, also die wesentlichen Vertragsbestandteile. Sie werden auch „essentialia negotii“ genannt und umfassen Vertragsparteien Leistung Gegenleistung Der Anbietende muss also seinem Interessenten erklären, welche Leistung er erbringen wird und welche Gegenleistung er dafür erwartet. A bietet B eine Fotokamera für 50 Euro an. Vertragsparteien: A und B Leistung: Fotokamera Gegenleistung: 50 Euro Grundsätzlich müssen sich beide Parteien über diese wesentlichen Vertragsbestandteile einigen. Sollte das scheitern, kommt nur unter ganz bestimmten Ausnahmen ein Vertrag zustande. Sofern die Leistung nicht bestimmt wurde, kann eine sog. Wahlschuld (§§ 262 ff. BGB) vorliegen. Denkbar ist auch, dass die Leistungen durch eine der Parteien (§ 315 BGB) oder durch einen Dritten (§ 317 BGB) bestimmt werden. Entsprechendes gilt bei der Gegenleistung. Zusätzlich enthält § 316 BGB für die Gegenleistung eine Auslegungsregel, sofern deren Umfang nicht bestimmt ist. Da das Angebot eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, ist für das Wirksamwerden der Zugang beim Empfänger erforderlich. Ist das Angebot bei der Gegenseite zugegangen, dann ist der Erklärende an sein Angebot gebunden. Das ergibt sich aus § 145 BGB. Das führt dazu, dass der Anbietende sein Angebot nicht mehr ohne weiteres zurücknehmen kann. Davon gibt es aber Ausnahmen. Zunächst ergibt sich eine aus § 145 Halbs. 2 BGB. Dort steht, dass der Anbietende die Bindung an den Antrag ausschließen kann. Bis zur Annahme durch die andere Partei kann er noch sein Angebot widerrufen. <?page no="46"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss 47 fit-lernhilfen.de Daneben gibt es sog. Freiklauseln, wie z. B. „Angebot freibleibend“ oder „unverbindlich“. Hier liegt kein Ausschluss der Bindung iSd § 145 Halbs. 2 BGB vor, sondern eine sog. invitatio ad offerendum (siehe Seite 48). Somit handelt es sich bei einer Erklärung, die eine Freiklausel enthält, nicht um ein Angebot iSd § 145 BGB. Auch wenn das Angebot wirksam wurde, so kann es den Anbietenden doch nicht ewig binden. Deshalb gibt es verschiedene Konstellationen, unter denen ein Erlöschen des Angebots eintritt. Zunächst erlischt das Angebot, wenn es abgelehnt wird (§ 146 Alt. 1 BGB). Der Gebrauchtwagenhändler bietet einem Interessenten einen Wagen für 5.000 Euro an. Der Interessent sagt „Nein“. Wird das Angebot nicht rechtzeitig angenommen, so erlischt es ebenso. Bei der Frage, was genau unter „rechtzeitig“ zu verstehen ist, sieht das Gesetz verschiedene Varianten vor (§ 147 bis § 149 BGB). Wichtig sind vor allem § 147 und § 148 BGB. Hat der Anbietende dem Interessenten eine Frist für die Annahme gesetzt (Annahmefrist), so kann nur innerhalb der Frist das Angebot angenommen werden (§ 148 BGB). Der Gebrauchtwagenhändler schreibt dem Interessenten, er hätte einen Wagen für ihn und er könne sich bis zum nächsten Montag, 16 Uhr den Kauf überlegen. Erklärt der Interessent am Montag erst um 18 Uhr die Annahme, so ist sie verspätet und das Angebot ist erloschen. Sofern aber durch den Anbietenden keine Annahmefrist bestimmt wurde, kann das Angebot dennoch durch Zeitablauf erlöschen. § 147 BGB enthält für diesen Fall eine gesetzliche Annahmefrist. Dort ist zunächst geregelt, dass ein Angebot an einen Anwesenden nur sofort angenommen werden kann (§ 147 Abs. 1 BGB). Bei einem Abwesenden kommt es für die Annahme darauf an, wann der Anbietende mit einer Antwort rechnen konnte. Der Gebrauchtwagenhändler bringt am Freitag sein Angebot zur Post, es kommt am Montag beim Interessenten an, der noch andere Angebote vergleicht. Am Mittwoch sendet er seine An- <?page no="47"?> 48 Zivilrecht fit-lernhilfen.de nahmeerklärung an den Händler zurück, wo sie am Donnerstag eintrifft. Das ist noch im Rahmen der Frist. Manchmal stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Angebot vorliegt. Wenn z. B. von einem Supermarkt ein Prospekt mit der Aufschrift „Unsere Angebote“ im Briefkasten liegt, dann könnte das schon als ein Angebot aufzufassen sein. Wenn dem so wäre, dann müsste der Kunde nur noch dieses Angebot annehmen. Dann wäre der Lebensmittelhändler der Gefahr ausgesetzt, dass er beliebig viele Verträge abgeschlossen hätte. Verteilt er 10.000 Prospekte in der Stadt, so muss er (theoretisch) damit rechnen, dass auch so viele Kunden sein Angebot annehmen. Konsequenz für ihn wäre, dass er die entsprechende Anzahl an Waren liefern müsste, die er vielleicht gar nicht (mehr) hat. Vielleicht möchte der Händler auch gar nicht mit bestimmten Personen, die zufällig das Prospekt bekommen haben, einen Vertrag schließen. Z. B. weil er weiß, dass jemand nicht zahlen kann. Deshalb geht man davon aus, dass allein das werbliche Anpreisen von Waren noch kein Angebot darstellt. Entsprechendes gilt z. B. für die Waren, die im Supermarkt in die Regale gestellt werden. Bezeichnet wird das als invitatio ad offerendum (= Aufforderung zur Abgabe eines Angebots), häufig als „iao“ abgekürzt. Das bedeutet, dass aus rechtlicher Sicht das Angebot nicht bereits im Prospekt oder in der Warenpräsentation zu sehen ist. Vielmehr gibt der Kunde ein Angebot gegenüber dem Händler ab. Letzterer kann dann entscheiden, ob er das Angebot annehmen will. 3.2.2 Annahme Dem Angebot steht die Annahme gegenüber. Annahme Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das vorbehaltlose Einverständnis mit dem Angebot erklärt wird. Die Annahme ist sozusagen das Gegenstück zum Angebot. Sie stellt die positive Antwort auf das Angebot dar. Stimmen Angebot und Annahme überein, ist ein Vertrag geschlossen. <?page no="48"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss 49 fit-lernhilfen.de Da die Annahmeerklärung - genauso wie die Erklärung des Angebotes - eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, muss sie für ihr Wirksamwerden beim Erklärungsgegner (hier also beim Anbietenden) zugehen. Aber unter bestimmten Voraussetzungen ist ein Zugang nicht erforderlich. Die Entbehrlichkeit des Zugangs liegt vor, wenn der Anbietende nach der Verkehrssitte den Zugang nicht zu erwarten hatte oder darauf verzichtete (§ 151 S. 1 BGB). A bestellt bei Versandhändler B ein Buch. B versendet da Buch, ohne A mitzuteilen, dass er dessen Angebot annimmt. § 151 BGB regelt - entgegen dem Wortlaut - nur die Entbehrlichkeit des Zugangs der Annahmeerklärung. Der Annehmende muss dennoch irgendwie seinen Annahmewillen betätigen, z. B. die Ware versenden. Jetzt kann es vorkommen, dass der Annehmende die Annahme erklärt, sie aber beim Anbietenden zu spät zugeht. Das unterscheidet sich von dem Fall, wo der Annehmende schon zu spät erklärt und damit das Angebot erloschen ist. Die verspätet zugegangene Annahmeerklärung (§ 149 BGB) erfordert zunächst, dass der Annehmende seine Erklärung rechtzeitig abgesandt hatte. Sie hätte also unter normalen Umständen rechtzeitig zugehen müssen. Weitere Voraussetzung ist, dass sie trotzdem verspätet zugeht. Dritter Prüfungsschritt ist, ob der Empfänger erkannte oder es zumindest hätte erkennen können, dass eine Verspätung vorliegt. Unter „erkennen können“ ist gemeint, ob der Empfänger die Verspätung fahrlässig nicht erkannt hat. Sofern alle drei Voraussetzungen vorliegen, richten sich die Folgen nach dem Verhalten des Empfängers: Entweder zeigt er den verspäteten Zugang dem Annehmenden unverzüglich (= § 121 Abs. 1 BGB) an, dann kommt aufgrund der Verspätung kein Vertrag zustande. Unterlässt er allerdings die Anzeige, dann gilt die Annahme nicht als verspätet und das Gesetz geht dann vom Vertragsschluss aus (§ 149 S. 2 BGB). Ein weiteres Problem entsteht, wenn der Interessent das Angebot nicht so annimmt, wie es ihm vom Anbietenden angetragen wurde. <?page no="49"?> 50 Zivilrecht fit-lernhilfen.de A sagt, das Auto kostet 5.000 Euro. B entgegnet, er zahle nur 4.500 Euro. Das Gesetz sieht für diese Konstellation in § 150 Abs. 2 BGB zwei Folgen vor: Erstens ist durch das Gegenangebot des B das Angebot des A erloschen. Denn das neue Angebot enthält zugleich die Ablehnung des ursprünglichen. Zweite Folge ist, dass jetzt das Gegenangebot des B als neues Angebot an A gilt. Es verdrehen sich damit die Positionen: Zuerst ist A der Anbietende, durch das Gegenangebot wird es jetzt B. A kann natürlich wieder ein neues (drittes) Angebot erklären, dann ändern sich wieder die Positionen. Entsprechendes gilt, wenn eine Annahme verspätet erklärt wird (§ 150 Abs. 1 BGB). Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlich ist, dass zwischen den Parteien übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen und dass zumindest der wesentliche Vertragsinhalt feststeht. Fehlt eine Einigung über die essentialia negotii, so ist kein Vertrag zustande gekommen. 3.2.3 Dissens Aber was ist, wenn sich die Parteien zwar über den wesentlichen Inhalt einigen konnten, aber nicht über „Kleinigkeiten“ wie z. B. die Versandkosten? Gemeint sind damit Nebenpunkte im Vertrag, die sog. accidentialia negotii. Dann helfen § 154 und § 155 BGB. Dort ist der sog. Dissens (=Einigungsmangel) geregelt. Hiervon gibt es zwei Varianten: Die erste ist der sog. offene Dissens (= offener Einigungsmangel), der in § 154 Abs. 1 BGB geregelt ist. Er liegt vor, wenn den Parteien bewusst ist, dass sie sich über einen Nebenpunkt nicht geeinigt haben. Sofern nichts Abweichendes erkennbar ist, gilt der Vertrag als nicht geschlossen. A war es wichtig, was B auch wusste, dass eine Regelung über die Versandkosten getroffen wird. Sie kam aber nicht zustande. Somit gilt - weil nichts anderes erkennbar ist - der Vertrag als nicht geschlossen. Dagegen liegt ein sog. versteckter Dissens (= versteckter Einigungsmangel) vor, wenn den Parteien nicht bewusst ist, dass sie sich über einen Nebenpunkt nicht geeinigt haben. Nach § 155 BGB <?page no="50"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss 51 liegt dann ein wirksamer Vertrag vor, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne Einigung über diesen Punkt geschlossen worden wäre. Beide Parteien gingen davon aus, dass sie sich über die Versandkosten geeinigt haben, was tatsächlich aber nicht der Fall war. Der Vertrag gilt hier als zustande gekommen. Sofern keine Einigung über die essentialia negotii getroffen wird, liegt kein Fall der §§ 154, 155 BGB vor! Der Vertrag ist dann einfach nicht geschlossen. <?page no="51"?> 52 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 3.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Die Abschlussfreiheit beinhaltet einerseits das Recht, einen Vertrag zu schließen, andererseits das Recht, den Vertragsschluss abzulehnen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch In Deutschland ist niemand verpflichtet, einen Vertrag abzuschließen. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Alle Verträge müssen schriftlich geschlossen werden. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="52"?> Etappe 3: Verträge und Vertragsschluss 53 fit-lernhilfen.de Unter Typenzwang versteht man, dass [2 Fit-Punkte] alle Vertragsarten einem bestimmten Vertragstyp zuordenbar sein müssen; bestimmte gesetzliche Bestimmungen nicht verändert werden dürfen. Damit ein Vertrag wirksam zustande kommt, werden grundsätzlich zwei Willenserklärungen benötigt. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Damit ein Vertrag zustande kommt, werden drei Elemente benötigt: Angebot, Antrag und Annahme. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Ein Vertrag kann auch abgeschlossen werden, ohne dass die Annahmeerklärung beim anderen Vertragspartner zugeht. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Ein Angebot muss mindestens folgende Bestandteile enthalten: Parteien, Leistung und Gegenleistung. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="53"?> 54 Zivilrecht Gibt jemand ein Angebot ab, so ist er zunächst daran gebunden. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Das Auslegen von Ware in einem Supermarkt stellt ein Angebot dar, das durch den Kunden nur noch angenommen werden braucht. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 3 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="54"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit Nichtigkeit und Unwirksamkeit <?page no="55"?> 56 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Manchmal können Rechtsgeschäfte unwirksam sein oder es später werden. So etwas kann aus den verschiedensten Gründen der Fall sein. In dieser Etappe werden die Voraussetzungen und Folgen unwirksamer Rechtsgeschäfte dargestellt. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Unwirksamkeit Nichtigkeit Formnichtigkeit Verbotsgesetz Sittenwidrigkeit Wucher Wofür benötige ich dieses Wissen? Zuvor ein Vertrag geschlossen wird, muss überprüft werden, ob irgendwelche Gründe vorliegen, die das wirksame Zustandekommen verhindern (könnten). In der Praxis muss vermieden werden, dass sich Verträge später als unwirksam herausstellen. Es geht also um Fehlervermeidung. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Unwirksamkeitsgründe haben den Vorteil, dass sie sowohl in einem Fall als auch in einer reinen Frage abgeprüft werden können. Oft gibt die Unwirksamkeit einem Fall die entscheidende Wendung. Los geht’s! <?page no="56"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit 57 fit-lernhilfen.de 4.1 Arten der Unwirksamkeit Grundsätzlich lassen sich vier Formen der Unwirksamkeit unterscheiden: Nichtigkeit, relative Unwirksamkeit, schwebende Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit. Die Nichtigkeit stellt die „stärkste“ Form der Unwirksamkeit dar. Sie hat zur Folge, dass das Rechtsgeschäft für und gegen alle Personen unwirksam ist, selbst wenn die Parteien etwas andere wollen. Weiterhin führt die Nichtigkeit dazu, dass die mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Wirkung von Anfang an nicht entstehen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Formnichtigkeit nach § 125 BGB. Das Rechtsgeschäft muss nicht in allen Bereichen nichtig sein. Es kann vorkommen, dass sich die Nichtigkeit nur auf einen Teil davon bezieht. Das Gesetz spricht in diesem Fall von der Teilnichtigkeit (§ 139 BGB). Jetzt stellt sich die Frage, ob bei solch einer teilweisen Nichtigkeit nur der entsprechende Teil oder das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist. Nach § 139 BGB ist grundsätzlich von der Gesamtnichtigkeit auszugehen. Nur wenn nach dem (mutmaßlichen) Willen der Parteien zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts davon auszugehen ist, dass diese es auch ohne den nichtigen Teil geschlossen hätten, liegt eine Teilnichtigkeit vor. Unter dem Begriff der relativen Unwirksamkeit ist zu verstehen, dass ein Rechtsgeschäft nur gegenüber bestimmten Personen unwirksam, ansonsten aber gegenüber allen anderen voll wirksam ist. Das kann z. B. bei einem Veräußerungsverbot nach §§ 135, 136 BGB der Fall sein. Zweck ist vor allem der Schutz bestimmter Personen. X verkauft sein Auto an zwei Personen: zuerst an A, dann an B. A erreicht vor Gericht, dass X das Auto nicht an B übereignen darf. Würde X das Auto an B übereignen, wäre das im Verhältnis zu A unwirksam, gegenüber Dritten aber wirksam. <?page no="57"?> 58 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Weiterhin gibt es die schwebende Unwirksamkeit. Hier wird davon ausgegangen, dass das Rechtsgeschäft zunächst unwirksam ist, die Wirksamkeit allerdings noch herbeigeführt werden kann. Hierzu müssen dann bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Bis diese Voraussetzungen vorliegen, besteht ein (ergebnisoffener) Schwebezustand. Währenddessen kann entweder die Wirksamkeit oder die Unwirksamkeit eintreten. Das ist etwa bei der Willenserklärung eines Minderjährigen der Fall (§ 108 Abs. 1 und 2 BGB). Das Gesetz fordert für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts zwischen A und B die Zustimmung eines Dritten, des X. X kann seine Zustimmung erteilen oder verweigern. Je nachdem ist das Rechtsgeschäft wirksam oder unwirksam. Letztlich gibt es noch die Anfechtbarkeit (zur Anfechtung siehe Seite 85 ff.). Liegt bei einer Vertragspartei ein Fehler in der Willensbildung vor, also ein Irrtum, so kann sie den Vertrag bei Vorliegen der Voraussetzungen der Anfechtung „vernichten“. Trotz dieses Umstandes ist das Rechtsgeschäft aber zunächst wirksam. Erst bei Erfüllung der Voraussetzungen für die Anfechtung gilt das Rechtsgeschäft von Anfang als nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). A möchte sich das Parfum „Men“ kaufen. Am Regal passt er aber nicht richtig auf, vergreift sich und erwischt das Parfum „Women“. Bei ihm liegt ein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtigt. Das Rechtsgeschäft ist also anfechtbar. Solange A aber vom Anfechtungsrecht keinen Gebrauch macht, ist der Kauf vollkommen wirksam. Natürlich gibt es auch bei der Unwirksamkeit Ausnahmen. So besteht die Möglichkeit der Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts (§ 141 BGB). Die Möglichkeit besteht aber nur, wenn die Nichtigkeit später weggefallen ist. Dann gilt die Bestätigung als erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts (§ 141 Abs. 1 BGB). Eine Rückwirkung gibt es hier nicht. Ein Gesetz verbietet ein bestimmtes Rechtsgeschäft. Trotz des Verbotes schließen A und B einen Vertrag. Dieser ist zunächst nichtig. Später fällt das Verbot weg. Jetzt können beide das ursprünglich nichtige Geschäft bestätigen. Aber erst ab diesem Zeitpunkt können sie ihre Leistungen fordern. <?page no="58"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit 59 fit-lernhilfen.de Teilweise gestattet das Gesetz, dass nichtige Rechtsgeschäfte nachträglich geheilt werden können. Das muss aber ausdrücklich gesetzlich geregelt sein. Beispiele hierfür sind § 311b Abs. 1 S. 2 BGB und § 518 Abs. 2 BGB. Bei einer Heilung wird ein Mangel, der zur Nichtigkeit führte, durch später hinzutretende Umstände wieder beseitigt. Dadurch wird das Rechtsgeschäft letztlich wirksam. Tante Erna verspricht ihrem Neffen Peter, dass sie ihm zu Weihnachten ein Auto schenkt. Dieses Schenkungsversprechen muss zu seiner Wirksamkeit nach § 518 Abs. 1 BGB von einem Notar beurkundet werden. Geschieht das nicht, ist das Versprechen formnichtig (§ 125 S. 1 BGB). Schenkt die Tante ihm aber das Auto zu Weihnachten wirklich, ist dieser Formmangel nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt. Dann gibt es noch die Möglichkeit einer Umdeutung (auch „Konversion“ genannt), wie sie in § 140 BGB geregelt ist. In deren Rahmen soll der durch das nichtige Rechtsgeschäft erstrebte wirtschaftliche Erfolg durch ein wirksames Rechtsgeschäft so weit wie möglich erreicht werden. Ein Vermieter kündigt seinem Mieter außerordentlich. Später stellt sich heraus, dass die Kündigung unwirksam ist. Sie kann aber unter bestimmten Umständen in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. 4.2 Formnichtigkeit Im Rahmen der Vertragsfreiheit wurde festgestellt, dass grundsätzlich Verträge ohne Einhaltung einer Form geschlossen werden können. Hierzu gibt es aber eine Ausnahme: den Formzwang. Einzelne Rechtsgeschäfte müssen eine bestimmte Form beachten. Geschieht das nicht, so sind sie nach § 125 BGB als nichtig anzusehen. Mit dem Formzwang werden verschiedene Funktionen verfolgt. Die wichtigste ist die Warnfunktion. Sie soll den Vertragsparteien die Bedeutung ihrer Erklärungen vor Augen führen. Daneben gibt es noch die Beweisfunktion, die durch die einzuhaltende Form einen besseren Nachweis gewähren soll. Sofern ein Notar <?page no="59"?> 60 Zivilrecht fit-lernhilfen.de den Vertrag beurkunden soll, hat dieser die Aufgabe, die Parteien zu beraten (Beratungsfunktion). Teilweise kann die Formwahrung auch die Funktion verfolgen, dass öffentliche Stellen das Rechtsgeschäft kontrollieren können (Kontrollfunktion). § 125 BGB unterscheidet hinsichtlich des Formzwangs zwei Fälle: Einerseits gibt es die gesetzliche Form (§ 125 S. 1 BGB), andererseits die gewillkürte, also durch die Vertragsparteien selbst festgelegte Form (§ 125 S. 2 BGB). 4.2.1 Formarten Jetzt stellt sich die Frage, was genau unter dem Begriff „gesetzliche Form“ zu verstehen ist. Das Gesetz sieht in §§ 126 ff. BGB insgesamt fünf verschiedene Formarten vor. Zunächst gibt es die Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB. Schriftform bedeutet die Unterzeichnung der Urkunde (gemeint ist damit ein Schriftstück) durch Namensunterschrift oder mittels eines Handzeichens, dass durch einen Notar beglaubigt wird. Das bedeutet nichts anderes, dass auf einem Blatt Papier der (Vertrags-)Text formuliert wird und die Parteien darauf eigenhändig unterschreiben. Grundsätzlich haben die Parteien ihre Unterschrift auf derselben Urkunde zu erbringen (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB). Dann gibt es die elektronische Form gemäß § 126a BGB. Sie war für das digitale Zeitalter gedacht, konnte sich aber nie wirklich durchsetzen. Bei ihr fügt der Aussteller einem elektronischen Dokument seinen Namen hinzu und versieht es mit einer sog. qualifizierten elektronischen Signatur. Dafür benötigt der Aussteller eine Signaturkarte. Als weitere Formvorschrift gibt es nach § 126b BGB die Textform. Hier muss der Erklärende nur seine Erklärung in lesbarer Form auf einem dauerhaften Datenträger abgeben. Ein Beispiel hierfür ist eine E-Mail, da sie sich ausdrucken lässt. Als stärkste Form der Beurkundung gibt es die notarielle Beurkundung nach § 128 BGB. Bei ihr wird der gesamte Vertrag samt der Unterschriften der Parteien durch den Notar beglaubigt. Nach § 129 BGB gibt es noch die öffentliche Beglaubigung. Bei ihr bestätigt der Notar lediglich - im Vergleich zu § 128 BGB - die <?page no="60"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit 61 fit-lernhilfen.de Leistung einer Unterschrift oder eines Handzeichens in Gegenwart des Notars und dass der Unterzeichner auch die entsprechende Person ist. Welche Form konkret einzuhalten ist, schreibt das Gesetz vor. So muss z. B. nach § 568 Abs. 1 BGB die Kündigung eines Wohnraum-Mietverhältnisses schriftlich (§ 126 Abs. 1 BGB) erfolgen. Eine notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) ist nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB etwa bei einem Kaufvertrag über ein Grundstück erforderlich. 4.2.2 Rechtsfolgen Die Folgen eines Formverstoßes richten sich zunächst danach, ob eine gesetzliche (§ 125 S. 1 BGB) oder eine gewillkürte Form (§ 125 S. 2 BGB) vorliegt. Bei der gesetzlichen Form ist die Folge die Nichtigkeit. Nur bei einer im Gesetz festgelegten Heilungsmöglichkeit kann die Nichtigkeit überwunden werden. Ggfs. ist eine Umdeutung denkbar (Bsp.: § 550 S. 2 BGB). A vereinbart mit B mündlich den Kauf eines Waldgrundstückes. Zunächst ist dieser Kaufvertrag wegen eines Verstoßes gegen die Formvorschrift - § 311b Abs. 1 S. 1 BGB fordert die notarielle Beurkundung - nichtig. Wird allerdings B als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, so ist der Fehler geheilt (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB). Wird gegen die gewillkürte, also gegen die zwischen den Parteien vereinbarte Form verstoßen, so ist das Rechtsgeschäft nach § 125 S. 2 BGB nur dann nichtig, wenn davon auszugehen ist, dass beide Parteien es so nicht anders wollten. 4.3 Verstoß gegen gesetzliches Verbot § 134 BGB regelt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein sog. Verbotsgesetz verstößt, nichtig ist, es sei denn, in dem Verbotsgesetz ist etwas anderes geregelt. Zunächst ist also zu fragen, was überhaupt ein Verbotsgesetz ist. Zum Begriff „Gesetz“ gibt es in Art. 2 EGBGB eine Regelung: <?page no="61"?> 62 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Gemeint ist damit jede Rechtsnorm. Verbotsgesetze sind somit alle Gesetze im materiellen Sinn, die ein an sich mögliches Rechtsgeschäft verbieten. Das wiederum bedeutet, dass das rechtliche Dürfen eingeschränkt wird. Ermitteln lässt sich das meist nur durch eine Auslegung der Norm. Der Wortlaut hat dann Regelungen wie „kann nicht“, „darf nicht“ oder „ist unzulässig“. Weiterhin bezweckt ein Verbotsgesetz den Schutz eines Dritten oder der Allgemeinheit. Das bedeutet, dass Regelungen, die lediglich auf den Schutz der Vertragsparteien ausgerichtet sind, grundsätzlich kein Verbotsgesetz darstellen. Dagegen haben Normen aus dem Strafrecht generell den Charakter eines Verbotsgesetzes. Im nächsten Schritt muss festgestellt werden, ob die Nichtigkeit durch das Verbotsgesetz vorgeschrieben wird. Das ist zu bejahen, wenn darin die Nichtigkeit ausdrücklich als Rechtsfolge festgesetzt wird. Oft finden sich allerdings keine eindeutigen Aussagen darüber in der jeweiligen Norm. Dann ist eine Auslegung erforderlich. Sie hat die Aufgabe, den Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes zu ermitteln. Durchaus kann auch die jeweilige Norm ihre eigene Sanktion festlegen. Entscheidend ist, ob das Rechtsgeschäft bei einem Verstoß gegen die Norm nichtig sein soll. Hierfür gibt es folgende Anhaltspunkte, bei denen die Nichtigkeit anzunehmen ist: Beide Vertragsparteien verstoßen gegen die Verbotsnorm. Die Verbotsnorm verfolgt gerade das Ziel, den konkreten Inhalt eines Rechtsgeschäfts zu verbieten. Liegt der Verstoß nur einer Vertragspartei vor oder stellt das Verbotsgesetz lediglich eine reine Ordnungsvorschrift dar, ist nicht von der Nichtigkeit auszugehen. Nach Ladenschluss verkauft der Händler an den Kunden noch Ware. Das Ladenschlussrecht soll den Verkauf nicht gänzlich verbieten, sondern nur regeln, zu welchen Zeiten dieser stattfinden darf. Somit handelt es sich hier lediglich um einen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift. Der Kauf wird dadurch nicht nichtig. <?page no="62"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit 63 fit-lernhilfen.de 4.4 Sittenwidrigkeit und Wucher Ein Rechtsgeschäft kann weiterhin dann nichtig sein, wenn es sittenwidrig ist oder auf Wucher basiert (§ 138 BGB). Dabei ist der in § 138 Abs. 2 BGB geregelte Wucher lediglich ein Unterfall der Sittenwidrigkeit. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut. Dort heißt es „… insbesondere …“. 4.4.1 Wucher Um festzustellen, ob Wucher vorliegt, müssen objektive wie subjektive Kriterien vorliegen. Aus objektiver Sicht muss zunächst eine der in § 138 Abs. 2 BGB genannten Zwangslagen vorliegen. Beim Bewucherten, also sozusagen dem Opfer des Wuchers, muss eine Zwangslage, Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche gegeben sein. Eine Zwangslage besteht, wenn sich der Bewucherte in einer ernsthaften Bedrängnis befindet und er das Wuchergeschäft als unerträglich empfindet. Beim Hausbesitzer ist ein Rohr gebrochen. Das Wasser schießt aus der Wand. Der herbeigerufene Handwerker verlangt nun das Doppelte seines normalen Preises. Von Unerfahrenheit spricht man dagegen, wenn jemandem die allgemeine Lebenserfahrung fehlt oder er in geschäftlichen Angelegenheiten nicht gewandt genug ist. Einem gerade volljährig gewordenen Studenten wird für seine Existenzgründung ein hochkomplexes, aber völlig überdimensioniertes Gerät verkauft. Ist die Person nur eingeschränkt in der Lage, ihre Überlegungen anhand vernünftiger Beweggründe zu orientieren, liegt bei ihr ein Mangel an Urteilsvermögen vor. Eine 90-jährige Frau schließt bei einem Versicherungsvertreter, den sie sehr nett findet, weil er ihr Blumen mitbringt, eine völlig überteuerte Rentenversicherung ab. <?page no="63"?> 64 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Weist jemand einen geistigen Mangel, z. B. wegen einer Drogen- oder Alkoholsucht auf, so liegt bei ihm eine erhebliche Willensschwäche vor. Neben einer Zwangslage muss weiterhin ein sog. auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Das ist der Fall, wenn der objektive Wert der auszutauschenden Leistungen um mehr als 100 % überschritten wird. Aus subjektiver Sicht muss derjenige, der den Wucher betreibt (der sog. Wucherer) die Situation des Bewucherten ausnutzen. Der Wucherer muss also die Lage kennen und deshalb verwerflich handeln. Der Handwerker erkennt beim Rohrbruch genau, dass der Hausbesitzer nicht mehr lange warten kann und sofort handeln muss. Rechtsfolge des § 138 Abs. 2 BGB ist die Nichtigkeit sowohl von Verpflichtungsals auch Verfügungsgeschäft. Das bedeutet, dass z. B. neben dem Kaufvertrag auch die Eigentumsübertragung nichtig ist. 4.4.2 Sittenwidrigkeit Der Begriff „gute Sitten“ ist im Gesetz nicht definiert. Allerdings hat sich im Laufe der Zeit eine Definition herausgebildet: Sittenwidrigkeit Ein Sittenverstoß liegt vor, wenn gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstoßen wird. Da diese Aussage nicht besonders griffig ist, wurden Fallgruppen entwickelt. Die wichtigste ist das sog. wucherähnliche Geschäft. Es ist nicht im Gesetz geregelt und eine abgeschwächte Variante des in § 138 Abs. 2 BGB geregelten Wuchers. Beim wucherähnlichen Geschäft ist aus objektiver Sicht zunächst ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich. Hier gilt wie beim Wucher grundsätzlich die 100 %- Grenze. Weitere Voraussetzungen, insbesondere eine Zwangslage, <?page no="64"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit 65 ist hier nicht erforderlich. Subjektiv wird einerseits die Kenntnis der Umstände vorausgesetzt, die die Sittenwidrigkeit begründen. Andererseits muss beim „Täter“ eine verwerfliche Gesinnung vorliegen. Sie wird aber grundsätzlich beim Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses vermutet. Daneben gibt es noch weitere Fallgruppen im Rahmen der Sittenwidrigkeit. Dazu gehört z. B. ein Verstoß gegen die Menschenwürde oder gegen die Familienordnung. Bei der Heirat muss sich die Frau eines Millionärs im Ehevertrag verpflichten, dass sie bei der Scheidung von ihm unter keinen Umständen Zahlungen erhalten wird. Eine weitere Fallgruppe stellt die sog. Knebelung dar. Hier wird die wirtschaftliche Freiheit der einen Vertragspartei so stark beschränkt, dass sie sich im Wesentlichen nicht mehr wirtschaftlich entfalten kann und dadurch von der anderen Vertragspartei abhängig wird. Eine Gaststätte muss für die nächsten 30 Jahre von einer Brauerei Bier beziehen. Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB ist die Nichtigkeit lediglich des Verpflichtungsgeschäfts, also z. B. des Kaufvertrages. Sofern allerdings das Verfügungsgeschäft, also etwa die Eigentumsübertragung, den missbilligten Erfolg herbeiführt, kann dieses ebenso nichtig sein. <?page no="65"?> 66 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 4.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Die Begriffe „Nichtigkeit“ und „Unwirksamkeit“ können synonym verwendet werden. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Nichtig kann immer nur das gesamte Rechtsgeschäft sein. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Ist ein Rechtsgeschäft nichtig, lässt sich jederzeit durch die Bestätigung beider Parteien die Wirksamkeit herbeiführen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="66"?> Etappe 4: Nichtigkeit und Unwirksamkeit 67 fit-lernhilfen.de Nur bei einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz lässt sich ein nichtiges Rechtsgeschäft heilen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Es gibt neben der gesetzlichen noch die gewillkürte Form. [1 Fit-Punkt] richtig falsch „Schriftlich“ im Sinne des Gesetzes ist es auch, wenn eine E-Mail versandt wird. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Auch gesetzliche Regelungen außerhalb des BGB können zur Nichtigkeit eines Vertrages führen. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Der Wucher ist ein Unterfall der Sittenwidrigkeit. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="67"?> 68 Zivilrecht Beim Wucher ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich, das grundsätzlich schon bei einer Überschreitung um 40 % vorliegt. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Das wucherähnliche Geschäft hat weniger strenge Voraussetzungen als der Wucher. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit ist grundsätzlich lediglich die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäftes. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 4 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="68"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit Geschäftsfähigkeit <?page no="69"?> 70 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Manche Personen, die im Alltag Geschäfte tätigen, können aufgrund ihres Alters oder ihres gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage sein, wirksam eine rechtliche Verpflichtung einzugehen. Für diesen Fall enthält das BGB entsprechende Regelungen. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Geschäftsunfähigkeit Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjährigkeit Einwilligung Genehmigung Gesetzlicher Vertreter Wofür benötige ich dieses Wissen? Als Vertragspartner besteht das Interesse, einen wirksamen Vertrag abzuschließen. Handelt allerdings jemand, der geschäftsunfähig oder in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, so kann sich daraus die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts ergeben. Allerdings enthält das Gesetz bestimmte Möglichkeiten, die Wirksamkeit herbeizuführen.. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Die Frage der Geschäftsfähigkeit lässt sich in jede Klausur einbauen. Daran lässt sich prüfen, ob die Systematik des Gesetzes verstanden wurde. Wichtig bei einer Prüfung der Geschäftsfähigkeit ist, die vom Gesetz vorgegebene Reihenfolge einzuhalten Los geht’s! <?page no="70"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 71 fit-lernhilfen.de Unter dem Begriff „Geschäftsfähigkeit“ versteht das Gesetz die Fähigkeit, Willenserklärungen wirksam abgegeben und entgegennehmen zu können. Die Regelungen zur Geschäftsfähigkeit dienen in erster Linie dem Schutz derjenigen Personen, denen aufgrund ihres Alters oder einer gesundheitlichen Einschränkung ein entsprechendes Einsichts- und Urteilsvermögen fehlt. Grundsätzlich wird deshalb bei jemandem, der das 18. Lebensjahr und nach § 2 BGB somit die Volljährigkeit erreicht, davon ausgegangen, dass er wirksame Erklärungen tätigen kann. Allerdings kann auch ein Volljähriger aufgrund bestimmter Umstände in seinem Urteils- und Einsichtsvermögen eingeschränkt sein. Dann kann er - trotz seiner Volljährigkeit - nicht geschäftsfähig sein. 5.1 Geschäftsunfähigkeit Die Geschäftsunfähigkeit in § 104 und §105 BGB unterscheidet nach dem Alter (§ 104 Nr. 1 BGB) oder ob eine Krankheit vorliegt (§ 104 Nr. 2 BGB). 5.1.1 Arten der Geschäftsunfähigkeit Zunächst ist derjenige geschäftsunfähig, der das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 104 Nr. 1 BGB). Bei der Bestimmung der Geschäftsfähigkeit nach dem Alter ist das also der erste Zeitabschnitt. Weiterhin liegt die Geschäftsunfähigkeit bei Personen vor, die sich in einem dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, der die freie Willensbildung ausschließt (§ 104 Nr. 2 BGB). Gemeint sind damit insbesondere psychiatrische Erkrankungen. Ein manisch Depressiver schließt einen Kaufvertrag über fünf Porsche ab. Dabei muss der Zustand dauerhaft sein. Es reicht also nicht aus, dass jemand wegen eines gelegentlichen starken Alkoholkonsums nur vorübergehend in seiner Willensbildung beeinträchtigt ist. <?page no="71"?> 72 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 5.1.2 Rechtsfolgen Liegt die Geschäftsunfähigkeit vor, so ist die Nichtigkeit der Willenserklärung nach § 105 Abs. 1 BGB die Rechtsfolge. Eine Heilung, Genehmigung oder ähnliches ist hier nicht möglich. Aber: Nichtigkeit kann auch ohne Geschäftsunfähigkeit vorliegen. Das gilt für eine Willenserklärung nach § 105 Abs. 2 BGB, wenn sich jemand in einem Zustand der Bewusstlosigkeit oder der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befindet. Im Gegensatz zu § 104 Nr. 2 BGB kommt es hier also gerade nicht darauf an, dass ein dauerhafter Zustand vorliegt. Unter § 105 Abs. 2 BGB fallen insbesondere Störungen aufgrund von Alkohol, Medikamenten oder anderen Substanzen. Trotz solch einen Zustandes liegt dann zwar Nichtigkeit, aber keine Geschäftsunfähigkeit vor. Es gibt aber für die Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit noch eine Ausnahme: § 105a BGB. Die Regelung betrifft allerdings nur volljährige Geschäftsunfähige (also nicht den Fall des § 104 Nr. 1 BGB). Deren Willenserklärungen sind wirksam, wenn sie ein Geschäft des täglichen Lebens mit geringwertigen Mitteln bewirken. Unter einem Geschäft des täglichen Lebens sind solche zu verstehen, die dem gewöhnlichen Leben angehören und Gegenstände betreffen, die zum alsbaldigen Genuss und Verbrauch bestimmt sind. Beispiele hierfür sind Lebensmittel, Zahnpasta und Zeitschriften. Wann die Mittel geringwertig sind, lässt sich nicht eindeutig definieren. Aber bei einem Geschäft, das mit Bargeld bezahlt werden kann, ist von der Geringwertigkeit auszugehen. Entscheidend ist dabei, dass Leistung und Gegenleistung „bewirkt“, also zwischen den Parteien ausgetauscht wurden. § 105a BGB verfolgt den Zweck, diesem Personenkreis eine Teilnahme am täglichen Leben zu ermöglichen. Ein 80-jähriger Geschäftsunfähiger kauft sich zwei Brötchen für 80 Cent und bezahlt sie sofort. Bei einem Geschäftsunfähigen sind ausschließlich die § 104 bis §105a BGB anzuwenden. (Für den Zugang der Willenserklärung noch § 131 Abs. 1 BGB.) Beim Geschäftsunfähi- <?page no="72"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 73 fit-lernhilfen.de gen kommt es nicht auf einen lediglich rechtlichen Vorteil an. Auch können die Eltern weder die Einwilligung noch die Genehmigung erteilen. Mit Ausnahme des § 105a BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. 5.2 Beschränkte Geschäftsfähigkeit Neben der Geschäftsunfähigkeit existiert die sog. beschränkte Geschäftsfähigkeit. Sie liegt vor, wenn ein Minderjähriger das 7., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. § 106 BGB legt fest, dass für die beschränkte Geschäftsfähigkeit erforderlich ist, dass mindestens das 7. Lebensjahr vollendet ist. Die Volljährigkeit tritt nach § 2 BGB mit Erreichen des 18. Lebensjahres ein. Die Aufspaltung zwischen Geschäftsunfähigkeit, beschränkter Geschäftsfähigkeit und Volljährigkeit dient dazu, nach dem jeweiligen Entwicklungsstand einer Person ihr einen entsprechenden Handlungsspielraum zuzuweisen. Der beschränkt Geschäftsfähige soll damit die Möglichkeit erhalten, schon einmal mit Geld zu „üben“. Dennoch darf der Schutz des Minderjährigen nicht aus den Augen verloren werden; sie geht anderen Interessen vor. Prüfungsschema beschränkte Geschäftsfähigkeit 1. Liegt beschränkte Geschäftsfähigkeit vor (§§ 2, 106 BGB)? 2. Besteht ein lediglich rechtlicher Vorteil (§ 107 BGB)? 3. Wenn nein, haben die Eltern ihre Einwilligung erteilt (§§ 107, 183 S. 1 BGB)? Besteht ggfs. ein Sonderfall (§ 110 BGB)? 4. Wenn nein, haben die Eltern ihre Genehmigung erteilt (§§ 108, 184 Abs. 1 BGB)? 5.2.1 Lediglich rechtlicher Vorteil Möchte ein beschränkt Geschäftsfähiger eine Willenserklärung abgegeben, so benötigt er nach § 107 BGB hierfür die Einwilligung <?page no="73"?> 74 Zivilrecht fit-lernhilfen.de seines gesetzlichen Vertreters, sofern nicht ein lediglich rechtlicher Vorteil vorliegt. Somit ist zuerst zu prüfen, ob es für den Minderjährigen einen lediglich rechtlichen Vorteil gibt. Sollte das nicht der Fall sein, muss eine Einwilligung bestehen. Lediglich rechtlicher Vorteil Ein lediglich rechtlicher Vorteil liegt vor, wenn entweder die Rechte eines Minderjährigen gemehrt oder seine Pflichten gemindert werden. Wie schon die Definition sagt, geht es ausschließlich um eine rechtliche Betrachtung. Ob das beabsichtigte Geschäft wirtschaftlich vorteilhaft ist, spielt keine Rolle. Einem 14-Jährigen wird ein Auto, das einen Wert von 15.000 Euro hat, für 7.000 Euro zum Kauf angeboten. Er schlägt sofort zu und kauft den Wagen. Obwohl es sich im Beispiel um ein aus wirtschaftlicher Sicht sehr wohl vorteilhaftes Geschäft handelt, ist dennoch die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter notwendig. Der Minderjährige hat hier nicht seine Rechte, sondern seine Pflichten gemehrt, indem er einen Kaufvertrag abschloss. Dieser verpflichtet ihn, den Kaufpreis zu zahlen und die Sache abzunehmen. Aus rechtlicher Sicht liegt hier deshalb ein Nachteil für den Minderjährigen vor. Rechtlich vorteilhaft sind z. B. die Schenkung eines Computers und ein Angebot an den Minderjährigen. Rechtlich nachteilig ist z. B. die Schenkung eines vermieteten Hauses an den Minderjährigen, da er dadurch in die Mietverhältnisse eintritt, aus denen sich für ihn Pflichten ergeben. Daneben gibt es noch die rechtlich neutrale Willenserklärung. Sie begründet für den Minderjährigen weder Rechte noch Pflichten. Der Minderjährige muss deshalb nicht geschützt werden. Insofern ist hierfür nicht die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erforderlich. <?page no="74"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 75 fit-lernhilfen.de Rechtlich neutral ist z. B. eine Stellvertretung durch den Minderjährigen. Für die Beurteilung, ob ein rechtlicher Vorteil vorliegt oder nicht, kommt es ausschließlich auf die unmittelbaren rechtlichen Wirkungen an. Sofern sich nur mittelbare Wirkungen ergeben, sind diese nicht zu berücksichtigen. Das ist z. B. bei der Schenkung eines Grundstückes an den Minderjährigen der Fall. Das betrifft vor allem die damit zusammenhängenden Steuern. Sie haben lediglich eine mittelbare Wirkung und bleiben bei der Beurteilung, ob ein rechtlicher Vorteil vorliegt, außer Betracht. 5.2.2 Einwilligung Liegt kein lediglich rechtlicher Vorteil im Sinne des § 107 BGB vor, ist die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erforderlich. Darunter ist nach § 183 S. 1 BGB die vorherige Zustimmung zu verstehen. Wer die gesetzlichen Vertreter sind, richtet sich nach §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB. Das sind im Normalfall die Eltern. Sie müssen also bereits vor der Abgabe der Willenserklärung durch den Minderjährigen zustimmen. Dabei können die Eltern entweder ihre Einwilligung für nur ein ganz bestimmtes Rechtsgeschäft erklären (sog. Spezialeinwilligung) oder aber für einen bestimmten Kreis von Rechtsgeschäften, die bisher noch nicht konkret benannt werden können (sog. Generaleinwilligung). Allerdings darf sie durch die Eltern nicht unbeschränkt erteilt werden. Sie darf sich also nicht auf sämtliche Rechtsgeschäfte seitens des Minderjährigen beziehen. Zulässig ist z. B. eine Generaleinwilligung in den Kauf von Pausenbroten in der Schule. Einen Sonderfall der Generaleinwilligung stellt § 110 BGB (sog. „Taschengeldparagraf“) dar. Überlassen die Eltern ihrem Kind Taschengeld, so ist darin eine konkludente Einwilligung in die entsprechenden Rechtsgeschäfte zu sehen. Erste Voraussetzung ist, dass dem Minderjährigen Mittel überlassen wurden. Entweder durch die Eltern oder mit deren Zustimmung durch einen Dritten. Oma Herta schenkt ihrem Enkel 500 Euro. Die Eltern sind mit dieser Schenkung einverstanden. <?page no="75"?> 76 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Als zweiter Prüfungspunkt müssen die Mittel entweder für einen bestimmten Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sein. Sofern der Minderjährige sie für einen bestimmten Zweck erhalten hat, muss er sie hierzu auch verwenden. Ein 16-jähriger kann Geld, das er für den Kauf von Büchern bekommen hat, nicht für Videospiele ausgeben. Aber auch, wenn der Minderjährige das Geld zur freien Verfügung bekommen hat, darf er damit nicht alles kaufen, was er möchte. Die Verwendung darf nicht dem erzieherischen Gedanken widersprechen. Ein 16 jähriger darf sich von seinem Taschengeld keine Waffen oder Drogen kaufen. § 110 BGB fordert als letztes Kriterium, dass die Leistung durch den Minderjährigen mit den Mitteln bewirkt wird. Gemeint ist damit, dass er mit ihnen seine geschuldete Leistung vollständig erbringt. Bei Ratenzahlungen tritt das Bewirken erst mit der Begleichung der letzten Rate ein. Erst ab diesem Zeitpunkt ist das Rechtsgeschäft wirksam. 5.2.3 Genehmigung Liegt weder ein lediglich rechtlicher Vorteil noch eine Einwilligung der Eltern vor und schließt der Minderjährige trotzdem ein Rechtsgeschäft ab, so ist für die Wirksamkeit deren Genehmigung erforderlich (§ 108 Abs. 1 BGB). Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam; mit der Genehmigung wird es wirksam. Was eine Genehmigung ist, ist in § 184 Abs. 1 BGB geregelt. Darunter ist die nachträgliche Zustimmung zu verstehen. Der 8-jährige Peter hat sein Sparschwein geknackt und sich für 50 Euro ein Modellauto gekauft. Seine Eltern wussten nichts davon. Als er damit nach Hause kommt, sind sie überrascht, aber mit dem Kauf einverstanden. Da die Genehmigung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, stellt sich die Frage, wem gegenüber sie zu erklären ist. Das könnte einerseits der Minderjährige, andererseits dessen Geschäftspartner <?page no="76"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 77 fit-lernhilfen.de sein. Hierauf gibt § 108 Abs. 2 S. 1 BGB die Antwort: Solange der andere Teil (gemeint ist damit der Vertragspartner des Minderjährigen) nicht eine Erklärung über die Genehmigung einfordert, kann sie sowohl gegenüber dem Minderjährigen als auch dem Vertragspartner erklärt werden. Erst nachdem der Geschäftspartner die Eltern zur Erklärung aufgefordert hat, können sie nur noch ihm gegenüber die Genehmigung aussprechen. Haben die Eltern sich bereits vor der Nachfrage durch den Vertragspartner gegenüber dem Kind geäußert, so wird diese Erklärung hinfällig. Das lässt sich § 108 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 BGB entnehmen. Durch die Aufforderung werden vorherige Erklärungen der Eltern somit obsolet. Aber was ist, wenn der Geschäftspartner zwar die Eltern auffordert, sie sich aber nicht erklären? Hier hilft § 108 Abs. 2 S. 2 BGB weiter. Danach haben sie hierfür nur zwei Wochen ab der Aufforderung Zeit. Sollte sie sich dann nicht erklären, ordnet das Gesetz an, dass die Genehmigung als verweigert gilt. Rechtsfolge der Verweigerung der Genehmigung ist, dass das Rechtsgeschäft endgültig als unwirksam anzusehen ist. Für den Geschäftspartner des Minderjährigen kann die schwebende Unwirksamkeit ein unbefriedigender Zustand sein: Er weiß nicht, ob das Geschäft gilt oder nicht. Deshalb hat er die Möglichkeit, bis zur Genehmigung durch die Eltern diesen Schwebezustand zu beseitigen. Nach § 109 Abs. 1 BGB kann er den Widerruf erklären, und zwar sowohl gegenüber den Eltern als auch gegenüber dem Minderjährigen (§ 109 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Widerrufsrecht ist aber eingeschränkt. Wusste der Vertragspartner, dass der andere minderjährig ist, so kann er nur dann widerrufen, wenn er darüber getäuscht wurde, dass eine Einwilligung durch die Eltern vorliegt (§ 109 Abs. 2 Halbs. 1 BGB). Hier lügt also der Minderjährige seinen eigenen Geschäftspartner an. Der 10-jährige P kommt zu Händler H und möchte ein Fahrrad kaufen. H fragt ihn, ob seine Eltern damit einverstanden sind. P sagt „Ja! “, obwohl sie gar nichts davon wissen. Wusste allerdings der Vertragspartner, dass keine Einwilligung der Eltern vorliegt, so kann er zu keiner Zeit das Geschäft widerrufen. <?page no="77"?> 78 Zivilrecht fit-lernhilfen.de In diesem Fall ist sein Interesse schlichtweg nicht mehr schutzwürdig. Der 10-jährige P kommt zu Händler H und möchte ein Fahrrad kaufen. H fragt ihn, ob seine Eltern damit einverstanden sind. P sagt „Ja! “, obwohl sie gar nichts davon wissen. H war auch bekannt, dass die Eltern des P mit dem Kauf nicht einverstanden sind. Sollte der Minderjährige in der Zwischenzeit volljährig geworden sein, so kann er nach § 108 Abs. 3 BGB die Genehmigung selbst erteilen. Trotz der zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit bleibt der Vertrag dennoch schwebend unwirksam. Der 17-jährige M kauft ohne Wissen seiner Eltern eine Woche vor seinem 18. Geburtstag ein Auto. Als der Verkäufer später erfährt, dass M zum Zeitpunkt des Kaufes noch minderjährig war, fragt er bei ihm nach. M erklärt nach seinem Geburtstag die Genehmigung. 5.2.4 Partielle Geschäftsfähigkeit In §§ 112, 113 BGB ist die sog. partielle Geschäftsfähigkeit (oft auch Teilgeschäftsfähigkeit genannt) geregelt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Minderjähriger die volle Geschäftsfähigkeit erlangen. Das ist einerseits bei einer Ermächtigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts der Fall (§ 112 BGB). Hier geht es also darum, dass er ein eigenes Unternehmen betreibt. Voraussetzung ist, dass die Eltern ihn hierzu ermächtigen und dass das Familiengericht eine entsprechende Genehmigung erteilt. In diesem Fall hat er für alle Rechtsgeschäfte, die mit seinem Unternehmen im Zusammenhang stehen, die volle Geschäftsfähigkeit. Er kann somit wirksam Grundstücke kaufen, Personal einstellen und Mietverträge abschließen. Andererseits gibt es nach § 113 BGB die Möglichkeit, dem Minderjährigen für Dienst- oder Arbeitsverhältnisse die volle Geschäftsfähigkeit zuzubilligen. Hier reicht - im Gegensatz zu § 112 BGB - die Ermächtigung durch die Eltern. Dann kann er den Arbeits- oder Dienstvertrag selbst abschließen und wieder beenden sowie alle Geschäfte durchführen, die damit im Zusammenhang stehen. <?page no="78"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 79 fit-lernhilfen.de Aber: § 113 BGB gilt nicht für Ausbildungsverhältnisse, da sie keine Arbeits- oder Dienstverhältnisse darstellen. Ein 17-jähriger arbeitet mit Ermächtigung seiner Eltern auf dem Bau. Er benötigt dafür Sicherheitsschuhe zum Preis von 150 Euro. Kauft er sie sich, ist er wegen § 113 BGB voll geschäftsfähig. 5.3 Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte Im Minderjährigenrecht gibt es noch einen Spezialfall, den § 111 BGB regelt: die Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts. Gemeint sind damit Rechtsgeschäfte, deren Vornahme nicht vom Willen des Erklärungsgegners abhängt. Ein Beispiel ist die Erklärung einer Kündigung. § 111 S. 1 BGB regelt für den Fall, dass der Minderjährige die Erklärung abgibt, die Unwirksamkeit. Eine Genehmigung durch die Eltern ist hier nicht möglich. Haben die gesetzlichen Vertreter ihre Einwilligung erteilt, hat der Geschäftspartner dennoch die Möglichkeit, die Erklärung zurückzuweisen. Das kann er aber nur, wenn die Einwilligung nicht schriftlich nachgewiesen wird (§ 111 S. 2 BGB). Ist dem Vertragspartner aber bekannt, dass die Eltern eingewilligt haben, kann er die Erklärung nicht zurückweisen (§ 111 S. 3 BGB). Der 16-jährige Peter P hatte sich eine Wohnung gemietet, die er jetzt kündigen möchte. Also geht er eines Tages zu seinem Vermieter V und möchte ihm sein Kündigungsschreiben übergeben. Jetzt fragt ihn V, ob seine Eltern damit einverstanden sind. P greift in seine Tasche und holt ein Schreiben heraus. Daraus ergibt sich, dass seine Eltern in die Kündigung der Wohnung einwilligen. 5.4 Zugang von Willenserklärungen Bisher wurde nur der Fall behandelt, dass der Minderjährige eine eigene Willenserklärung abgibt. Der Zugang von Willenserklärungen an Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige wurde <?page no="79"?> 80 Zivilrecht fit-lernhilfen.de bisher nicht besprochen. Hierfür finden sich in § 131 BGB entsprechende Regelungen. § 131 BGB unterscheidet danach, ob die Willenserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen (§ 131 Abs. 1 BGB) oder gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen (§ 131 Abs. 2 BGB) abgegeben wird. Wird eine Willenserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen (§ 104 BGB) abgegeben, so wird sie erst dann wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 1 BGB). Für den Zugang beim gesetzlichen Vertreter gilt nichts anderes wie beim Zugang einer Willenserklärung (siehe Seite 34). Wie bei der Abgabe gegenüber einem Geschäftsunfähigen gilt auch beim beschränkt Geschäftsfähigen, dass die Willenserklärung erst wirksam wird, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 2 S. 1 BGB). Allerdings bestehen im Rahmen des § 131 Abs. 2 BGB noch weitere Möglichkeiten: Zunächst tritt die Wirksamkeit mit dem Zugang ein, wenn die Willenserklärung dem beschränkt Geschäftsfähigen einen lediglich rechtlichen Vorteil bringt (§ 131 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 BGB). Einem 8-jährigen wird durch einen Verkäufer der Abschluss eines Kaufvertrages angeboten. Dabei bringt die Erklärung des Verkäufers dem Minderjährigen einen lediglich rechtlichen Vorteil. Er hat dadurch die Möglichkeit, den Vertrag zu schließen. Das Angebot ist in diesem Fall der rechtliche Vorteil, denn es ermöglicht einen Vertrag einzugehen. Weiterhin kann eine Willenserklärung beim unbeschränkt Geschäftsfähigen mit dem Zugang wirksam werden, wenn seine gesetzlichen Vertreter hierzu ihre Einwilligung erteilt haben (§ 131 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 BGB). Nach dem Zugang können die Eltern noch die Genehmigung erklären. Das lässt sich dem § 131 Abs. 2 BGB so aber nicht entnehmen. Da aber § 108 BGB die Genehmigung eines Vertrages zulässt, können die Eltern allerdings einen Vertragsschluss auch dann genehmigen, wenn die Annahmeerklärung trotz § 131 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 BGB zuging. Ansonsten würde ein Widerspruch zwischen § 131 Abs. 2 S. 2 BGB und § 108 BGB bestehen. <?page no="80"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 81 Liegt ein Fall des § 110 BGB vor, dann reicht der Zugang beim beschränkt Geschäftsfähigen aus, wenn der Vertrag nach § 110 BGB wirksam wäre. Ist jemand nach § 112 BGB oder § 113 BGB voll geschäftsfähig, so spielt § 131 BGB überhaupt keine Rolle: Die Willenserklärung ist dann mit Zugang beim Minderjährigen wirksam. <?page no="81"?> 82 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 5.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Geschäftsunfähigkeit kann einerseits wegen Alters, andererseits wegen eines geistigen Zustandes vorliegen. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist ausnahmslos nichtig. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Die beschränkte Geschäftsfähigkeit liegt zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr vor. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="82"?> Etappe 5: Geschäftsfähigkeit 83 fit-lernhilfen.de Ein lediglich rechtlicher Vorteil liegt auch vor, wenn ein wirtschaftlicher Vorteil besteht. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Liegt kein lediglich rechtlicher Vorteil vor, reicht eine Einwilligung der gesetzlichen Vertreter für die Wirksamkeit aus. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Liegt weder ein lediglich rechtlicher Vorteil noch eine Einwilligung vor, ist das Rechtsgeschäft zunächst schwebend unwirksam. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Erklären die Eltern des Minderjährigen die Genehmigung nach Aufforderung des Vertragspartners nicht, so gilt die Genehmigung als erteilt. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Auch ein Minderjähriger kann unter bestimmten Bedingungen voll geschäftsfähig sein. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="83"?> 84 Zivilrecht Bei der Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte durch einen Minderjährigen bestehen Besonderheiten. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Willenserklärungen können jederzeit wirksam gegenüber Minderjährigen zugehen. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 5 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="84"?> Etappe 6: Anfechtung Anfechtung <?page no="85"?> 86 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Bei der Abgabe einer Willenserklärung kann dem Erklärenden ein Fehler unterlaufen. Er erklärt dann etwas Falsches. In dieser Etappe wird geklärt, ob er trotzdem daran gebunden ist oder sich davon lösen kann. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Inhaltsirrtum Erklärungsirrtum Eigenschaftsirrtum arglistige Täuschung widerrechtliche Drohung unverzüglich negatives Interesse Wofür benötige ich dieses Wissen? Liegt beim Erklärenden ein Irrtum vor oder wird er ein seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, so gibt ihm das Gesetz die Möglichkeit, sich vom geschlossenen Rechtsgeschäft wieder zu lösen. Es geht also darum, einen ursprünglichen Fehler später zu korrigieren. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Neben der isolierten Prüfung der Anfechtung kann mit ihr auch ein Schadensersatzanspruch verbunden werden. Dann muss innerhalb dieses Anspruchs die Anfechtung geprüft werden. Los geht’s! <?page no="86"?> Etappe 6: Anfechtung 87 fit-lernhilfen.de In Etappe 2 wurden die einzelnen subjektiven Bestandteile einer Willenserklärung dargestellt: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille. Jetzt stellt sich die Frage, welche Konsequenzen es mit sich bringt, wenn ein Bestandteil hiervon fehlt. Existiert schon kein Handlungswille, weil die Person z. B. im Schlaf eine „Äußerung“ getätigt hat, so ist darin keine Willenserklärung zu sehen. Der Handlungswille ist hierfür eine entscheidende Voraussetzung. Weil schon keine Willenserklärung vorliegt, ist eine Anfechtung nicht erforderlich. Beim Erklärungsbewusstsein ist danach zu unterscheiden, ob das potentielle oder das aktuelle Erklärungsbewusstsein fehlt. Liegt das potentielle schon nicht vor, sind die Voraussetzungen für eine Willenserklärung nicht gegeben. Hätte die Person achtgegeben („Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“) und erkennen können, dass Andere die Handlung als Willenserklärung auffassen, so ist von einer wirksamen Willenserklärung auszugehen. Der Handelnde hat aber die Möglichkeit der Anfechtung in analoger Anwendung des § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Hat der Erklärende keinen Geschäftswillen, hat er die Möglichkeit, seine Willenserklärung, die in diesem Fall zwar wirksam, aber fehlerhaft ist, nach §§ 119 ff. BGB anzufechten. Sinn und Zweck der Regelungen zur Anfechtung ist also, dass eine Person, der bei der Erklärung ein Fehler unterlaufen ist, ihn später wieder aus der Welt schaffen kann. Weiterhin kann es der Fall sein, dass die Person bei der Willensbildung von der Gegenseite negativ beeinflusst wurde oder gar zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung gezwungen wurde. In all diesen Fällen gibt das Gesetz dem Erklärenden die Möglichkeit an die Hand, das dadurch zustande gekommene Rechtsgeschäft durch die Anfechtung zu vernichten. Prüfungsschema Anfechtung 1. Anfechtbares Rechtsgeschäft 2. Anfechtungsgrund 3. Anfechtungserklärung <?page no="87"?> 88 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 4. Anfechtungsgegner 5. Anfechtungsfrist 6. Kein Ausschluss der Anfechtung 6.1 Voraussetzungen der Anfechtung 6.1.1 Anfechtbares Rechtsgeschäft Zunächst muss die Frage geklärt werden, was alles angefochten werden kann. Das sind zunächst einmal Willenserklärungen. Konsequenz daraus ist, dass auch Rechtsgeschäfte angefochten werden können. Die Anfechtung des Rechtsgeschäfts führt dabei zugleich zur Anfechtung der entsprechenden Willenserklärungen. Allerdings können nicht alle Erklärungen, die nach dem BGB zu einer rechtlichen Folge führen, auch nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden. An manchen Stellen enthält das BGB hierfür Sondervorschriften, die den §§ 119 ff. BGB vorgehen. Z. B. für die Anfechtung einer Vaterschaft enthält das Gesetz spezielle Regelungen in §§ 1600 ff. BGB, für eine Testamentsanfechtung in §§ 2078 ff. BGB. Daneben gibt es die sog. (rechts)geschäftsähnlichen Handlungen. Sie stellen im engeren Sinne keine Willenserklärung dar, sind also nicht darauf ausgerichtet, einen rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Bei ihnen tritt die Rechtsfolge kraft Gesetzes ein. Für sie gilt das Anfechtungsrecht in analoger Anwendung. Aufforderung an den gesetzlichen Vertreter nach § 108 Abs. 2 BGB, Mahnung nach § 286 Abs. 1 S. 1 BGB Für eine Anfechtung ist nicht erforderlich, dass das Rechtsgeschäft noch wirksam ist. Auch nichtige Rechtsgeschäfte lassen sich anfechten. Nicht angefochten werden können sog. Realakte. Darunter sind rein tatsächliche Handlungen zu verstehen. Ein Bäcker nimmt Mehl, Wasser und Hefe und macht daraus einen Teig. <?page no="88"?> Etappe 6: Anfechtung 89 fit-lernhilfen.de Vor der Anfechtung ist immer zu prüfen, ob sich der Inhalt der Willenserklärung nicht bereits durch eine Auslegung ermitteln lässt. Sollte das der Fall sein, ist eine Anfechtung nicht mehr möglich. A geht zu einer Autovermietung und sagt, er möchte einen Leihvertrag über einen Wagen abschließen. Eine Leihe ist unentgeltlich. Allerdings lässt sich durch Auslegung ermitteln, dass hier der Abschluss eines Mietvertrages gewollt war. 6.1.2 Anfechtungsgrund Die Anfechtung kann nicht einfach ohne Weiteres erklärt werden. Für sie muss ein Grund vorliegen. Hier sieht das Gesetz zwei grundlegende Kategorien vor: Einerseits der Irrtum, andererseits die Einwirkung einer anderen Person auf den Erklärenden (arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung). Wesentliches Merkmal eines Irrtums ist, dass das Erklärte nicht mit dem Willen des Erklärenden übereinstimmt. Es liegt somit eine Diskrepanz zwischen dem vor, was er erklärt hat und dem, was er nach seiner Vorstellung erklären wollte. Im Gesetz sind vier Arten von Irrtümern festgelegt: Der Inhalts- und Erklärungsirrtum in § 119 Abs. 1 BGB und der Eigenschaftsirrtum in § 119 Abs. 2 BGB. Daneben existiert noch der sog. Übermittlungsirrtum in § 120 BGB. 6.1.2.1 Inhaltsirrtum Beim Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB stimmen der Inhalt der Willenserklärung und der Wille des Erklärenden nicht überein („Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war …“). Der Erklärende misst dem Erklärten eine andere Bedeutung bei. Er gibt genau die Erklärung ab, die er abgeben wollte, verkennt aber deren Inhalt. Beim Inhaltsirrtum „weiß der Erklärende, was er sagt, aber nicht, was er damit sagt“. So kann der Erklärende einem bestimmten Begriff eine Bedeutung beimessen, die schlichtweg falsch ist (sog. Verlautbarungsirrtum). Er verwendet z. B. ein Fremdwort und stellt sich dabei einen anderen Inhalt dieses Begriffes vor. Oder er versteht unter einer Maßeinheit etwas anderes. <?page no="89"?> 90 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Die Leiterin eines Internates bestellt bei einem Papierhändler 25 Gros Toilettenpapier. Sie geht davon aus, dass es sich um 25 Packungen mit großen Rollen handelt. Allerdings ist unter dem Begriff „Gros“ ein Dutzend mal ein Dutzend, insgesamt als 144 Einheiten zu verstehen. Sie gab also eine Bestellung über eine wesentliche größere Menge auf. Der Irrtum kann sich auch auf die verschiedenen Aspekte eines Rechtsgeschäfts beziehen. So kann der falsche Geschäftspartner gemeint sein (sog. error in persona). Dabei unterliegt der Erklärende einem Irrtum über die am Vertrag beteiligten Personen. A denkt, er kauft das Fahrzeug bei der Privatperson P. Später stellt sich heraus, dass es stattdessen die P GmbH war. Der Erklärende kann sich über den Gegenstand des Vertrages irren (sog. error in objecto). Er möchte also einen Vertrag über einen ganz anderen Gegenstand schließen. A will sich ein Motorrad kaufen und sagt zum Verkäufer lediglich, er wolle die Maschine „PX 300“. Er geht dabei davon aus, dass es sich um die Typenbezeichnung eines Motorrades handelt. Als er sie zwei Tage später abholen will, stellt er fest, dass er einen Roller gekauft hat. Weiterhin kann sich der Erklärende über die Geschäftsart irren (sog. error in negotio). Hier will er einen ganz anderen Vertrag schließen, als von ihm aus objektiver Sicht erklärt. A kauft sich eine Kinokarte und glaubt, er habe sich in die Kinovorstellung „eingekauft“, dass also die Regelungen über den Kaufvertrag Anwendung finden. 6.1.2.2 Erklärungsirrtum Beim Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB „weiß der Erklärende schon gar nicht, was er sagt“ („Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung … eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte …“). Er will eine Erklärung dieses Inhaltes überhaupt nicht abgeben, sondern eine Erklärung mit einem anderen Inhalt. Beim Erklärungsirrtum fallen die Äußerung und das Gewollte auseinander. Beim Inhaltsirrtum dagegen wird genau das erklärt, <?page no="90"?> Etappe 6: Anfechtung 91 fit-lernhilfen.de was gewollt ist, aber nicht verstanden, was die Erklärung bedeutet. Der Erklärende irrt sich also über die Erklärungshandlung. Ein Erklärungsirrtum liegt vor allem vor beim Verschreiben, Vergreifen und Versprechen. B möchte sich Gummibärchen kaufen. Als sie ins Regal greift, verfehlt sich die richtige Packung und kauft stattdessen Bonbons. Zuhause bemerkt sie ihr Versehen. Merkhilfe Der Erklärende vErschreibt, vErgreift oder vErspricht sich = Erklärungsirrtum. 6.1.2.3 Eigenschaftsirrtum Beim Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB handelt es sich um einen Motivirrtum, der ausnahmsweise beachtlich ist. Grundsätzlich ist der Irrtum über das Motiv eines Rechtsgeschäfts unbeachtlich. Der anderen Partei kann es egal sein, warum der Erklärende einen Vertrag schließen will. A kauft sich ein Hochzeitskleid. Kurz vor der Hochzeit trennt sich der Bräutigam von ihr; die Hochzeit wird abgesagt. Für den Verkäufer des Kleides ist es belanglos, warum A des Kleid kaufte. Eine Anfechtung ist hier nicht möglich. Liegt aber ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache oder Person vor, so besteht nach § 119 Abs. 2 BGB die Möglichkeit einer Anfechtung. Eigenschaft Unter der Eigenschaft einer Person oder Sache sind alle tatsächlichen oder rechtlichen Merkmale zu verstehen, die den Wert bilden und mit der Person oder Sache dauerhaft verknüpft sind. Der Preis und der Wert stellen keine Eigenschaft dar, sondern sie sind die Summe aller wertbildenden Faktoren. <?page no="91"?> 92 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Beispiele für Eigenschaften einer Sache: Alter, Größe, Material, Kilometerstand, Herkunft. Beispiele für Eigenschaften einer Person: Alter, Ausbildung und Qualifikationen, Zahlungsfähigkeit, Vorstrafen. Das bedeutet für die Klausur: Sofern eine Sache beschrieben wird, ist entscheidend, was ihr fehlte oder an ihr „anders“ war. Nur darauf kann sich der Eigenschaftsirrtum beziehen, nicht aber darauf, dass sich dadurch der Wert geändert hat. Bsp.: A verkaufte ein Bild zum Preis von 50 Euro auf dem Flohmarkt. Später stellt sich heraus, dass es ein Picasso war, der 500.000 Euro wert ist. Hier bezieht sich der Irrtum nicht auf den Wert (nicht: „A hat sich über den Wert geirrt.“), sondern auf die Eigenschaft „Maler“ (also: „A hat sich über den Maler geirrt. Er dachte, das Bild stamme von einem unbekannten Künstler.“). Die Eigenschaft muss auch verkehrswesentlich sein. Sie darf also nicht nur für eine der Vertragsparteien wichtig sein. Verkehrswesentlich Die Eigenschaft wurde von den Vertragsparteien vertraglich vereinbart oder zumindest dem Rechtsgeschäft erkennbar zu Grunde gelegt. A möchte eine Bank überfallen. Er kauft sich deshalb eine Feinstrumpfhose, um sie über sein Gesicht zu ziehen. Da er weder mit dem Verkäufer über seine Absicht gesprochen hat, noch die Eigenschaft „Nichterkennbarkeit des Täters“ von A erklärt wurde, liegt keine Verkehrswesentlichkeit vor. Eine Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums kann teilweise ausgeschlossen sein. Das ist vor allem dann er Fall, wenn die Sache mangelhaft ist. Dann greifen die spezifischen Regelungen aus dem Gewährleistungsrecht (§§ 437 ff. BGB). Das bringt die Konse- <?page no="92"?> Etappe 6: Anfechtung 93 fit-lernhilfen.de quenz mit sich, dass der Verkäufer bei einem Mangel an der von ihm verkauften Sache keine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB erklären kann, denn so könnte er das Gewährleistungsrecht umgehen. Eine Anfechtung ist nur dann möglich, wenn die Eigenschaft, über die geirrt wurde, nicht zugleich den Mangel darstellt. 6.1.2.4 Übermittlungsirrtum Wird eine Willenserklärung durch einen Boten oder eine Übermittlungseinrichtung falsch übermittelt, so kann der Erklärende nach § 120 BGB die Anfechtung erklären. Unter dem Begriff „Boten“ ist der Erklärungsbote zu verstehen, also diejenige Person, die eine Erklärung an den Adressaten überbringt. Darunter fällt nicht der Empfangsbote, der auf der Seite des Empfängers steht und die Erklärung an diesen weiterreicht (zum Boten siehe Seite 109). Wird allerdings die Willenserklärung von einem Stellvertreter abgegeben (zur Stellvertretung siehe Seite 195 ff.), so ist § 120 BGB nicht anwendbar, da der Stellvertreter keine Willenserklärung übermittelt, sondern eine eigene abgibt. Unter dem Begriff der (Übermittlungs-)Einrichtung sind Unternehmen zu verstehen, die die Übermittlung und den Transport von Erklärungen übernehmen. Dazu gehören die Post, Telefon- und Internet-Diensteanbieter. Die Willenserklärung ist falsch übermittelt, wenn sie inhaltlich unrichtig übermittelt wurde, sie also nicht mit dem übereinstimmt, was eigentlich hätte übermittelt werden sollen. F sagt dem Boten B, er solle dem Autohändler mitteilen, er habe sich für das blaue Auto entschieden. B richtet dem Händler versehentlich aus, dass F ein grünes Auto wünsche. Denkbar sind hier auch Fälle, in denen eine E-Mail oder ähnliches wegen einer Störung beim Provider verstümmelt wurde. F sendet eine E-Mail an den Autohändler A, in der er seinen Gebrauchtwagen für 5.000 Euro anbietet. Wegen eines Fehlers beim E-Mail-Provider fehlt eine Null und das Angebot beläuft sich jetzt auf nur 500 Euro. <?page no="93"?> 94 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Eine Falschübermittlung liegt auch vor, wenn die Willenserklärung an den falschen Empfänger überbracht wurde. F sagt dem Boten B, er soll den Autohändler A mitteilen, dass er das Auto für 15.000 Euro kaufe. Anstatt an A wendet sich B an den Autohändler X. Wichtig ist allerdings, dass die Falschübermittlung versehentlich geschah. Wurde durch den Boten die Erklärung bewusst falsch an den Empfänger mitgeteilt, kann sie nicht nach § 120 BGB angefochten werden. In diesem Fall kann unter Umständen eine analoge Anwendung der §§ 177, 179 BGB in Betracht kommen. 6.1.2.5 Erheblichkeit des Irrtums Wesentlich für die Irrtumsanfechtung nach §§ 119, 120 BGB ist, dass der Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich war. Diese Voraussetzung ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Hs. 2 BGB („…wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.“). Das Gesetz berücksichtigt hier also zwei Kriterien: Der Irrtum muss sowohl subjektiv als auch objektiv für das Rechtsgeschäft erheblich sein. Das subjektive Kriterium („Kenntnis der Sachlage“) verlangt, dass für den Erklärenden der Irrtum für seine Willenserklärung maßgeblich war. Aus objektiver Sicht („verständiger Würdigung des Falles“) darf die Entscheidung nicht als von bloßen Launen und Eigensinn getragen sein. Ist dem Erklärenden kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden, so ist der Irrtum regelmäßig nicht erheblich. G möchte eine Bratpfanne mit einem schwarzen Stiel kaufen. Er vergreift sich aber und kauft eine mit einem grauen Stiel. 6.1.2.6 Arglistige Täuschung Bei der arglistigen Täuschung liegt kein Irrtum wie bei §§ 119, 120 BGB vor, sondern der Geschäftspartner wirkt in rechtswidriger Weise auf den Willen des Erklärenden ein (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB). <?page no="94"?> Etappe 6: Anfechtung 95 fit-lernhilfen.de Demnach muss zunächst eine Täuschung vorliegen. Gemeint ist damit, dass bei der anderen Person eine falsche Vorstellung hervorgerufen wird. Täuschung Jedes Tun oder Unterlassen, das beim Anderen einen Irrtum hervorruft, bestärkt oder aufrechterhält. Die Täuschung kann sich nur auf Tatsachen beziehen, nicht auf Meinungen und Werturteile. Im Verkaufsgespräch erklärt V, dass hier ein „besonders schönes Auto“ angeboten wird. Für die Täuschung ist positives Tun erforderlich. V erklärt bei der Besichtigung des Gebrauchtwagens, dass dieser unfallfrei ist. Später stellt sich heraus, dass das Fahrzeug bereits zwei Unfälle hatte. Daneben ist eine Täuschung auch durch Unterlassen möglich. Das ist aber nur dann der Fall, wenn eine Pflicht zur Aufklärung über bestimmte Umstände besteht, etwa wenn sie für die Willensbildung besonders wichtig sind. V verkauft an K ein altes Grundstück. K weiß allerdings nicht, dass es sich dabei um ein altes Armee-Gelände handelt, auf dem sich noch etliche Altlasten wie z. B. Sprengstoff-Reste befinden. Weiterhin muss die Täuschung arglistig erfolgen. Das bedeutet, der Täuschende muss mit Vorsatz handeln, er muss also den Willen zur Täuschung haben. Dabei reicht aber der sog. bedingte Vorsatz (auch „dolus eventualis“ genannt) aus. Gemeint ist damit, dass mit voller Absicht getäuscht wurde, die Täuschung aber zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Auf die Frage, ob das Fahrzeug unfallfrei sei, erklärt der Gebrauchtwagenhändler V „ins Blaue hinein“, dass das natürlich der Fall sei. V hatte aber keinerlei Kenntnis davon, sondern hoffte einfach auf die Richtigkeit seiner Aussage. Später werden zwei Vorschäden entdeckt. <?page no="95"?> 96 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Letztlich muss die Täuschung ursächlich, also kausal für die Willenserklärung gewesen sein. Erforderlich ist einerseits eine Kausalität zwischen der Täuschung und dem Irrtum. Ihn darf es also nur wegen der Täuschung geben. Andererseits muss der Irrtum zur Willenserklärung geführt haben (sog. doppelte Kausalität). Aufgrund der falschen Angaben, der Wagen sei unfallfrei (= Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum), gibt der Kunde ein entsprechendes Kaufangebot ab (= Kausalität zwischen Irrtum und Willenserklärung). 6.1.2.7 Widerrechtliche Drohung Neben der arglistigen Täuschung gibt es noch einen weiteren Fall, bei dem rechtswidrig auf die Entscheidungsfreiheit einer Person eingewirkt wird: die widerrechtliche Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Wer der Drohende ist, spielt hier keine Rolle. Es kann also auch ein am Rechtsgeschäft unbeteiligter Dritter sein. Drohung Das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, bei dem der Drohende vorgibt, darauf Einfluss zu haben für den Fall, dass die gewünschte Handlung nicht vorgenommen wird. Nach der Definition ist also erforderlich, dass der Drohende das in Aussicht gestellte Übel auch beeinflussen kann. A droht dem B: „Wenn Du nicht unterschreibst, wird Dich morgen der Blitz treffen! “ Die Drohung muss zudem widerrechtlich, also rechtswidrig sein. Das ist unter drei Alternativen der Fall: Entweder ist das angedrohte Mittel rechtswidrig. „Ich breche Ihnen den Arm, wenn Sie das Auto nicht kaufen! “ Oder der angestrebte Zweck ist nach dem Gesetz unzulässig. Hier ist zwar das angedrohte Mittel erlaubt, aber der Zweck der Drohung nicht. <?page no="96"?> Etappe 6: Anfechtung 97 fit-lernhilfen.de „Ich klage mein Geld aus dem Schuldschein ein, wenn Sie mir keine Drogen verkaufen.“ Letztlich kann sich auch aus dem Verhältnis von Mittel zu Zweck die Rechtswidrigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn zwischen beidem kein innerer Zusammenhang besteht. Hier ist zwar - jeweils für sich betrachtet - sowohl das Mittel als auch der Zweck zulässig. Erst die Kombination von Mittel und Zweck führt dann zu einem rechtswidrigen Handeln. „Ich klage mein Geld aus dem Schuldschein ein, wenn Sie mir nicht Ihr Auto verkaufen.“ Letztlich muss die Drohung noch kausal für die Abgabe der Willenserklärung sein. Auch hier wird für die Drohung eine Ursächlichkeit gefordert. 6.1.3 Anfechtungserklärung Für die Ausübung des Anfechtungsrechts ist eine Erklärung erforderlich, die sog. Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB. Sie stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Die Erklärung kann sowohl ausdrücklich wie auch konkludent erfolgen und ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Erklären Laien die Anfechtung, ist darin oft dieser Begriff schon gar nicht enthalten. Ausreichend ist, dass sich der Erklärung entnehmen lässt, dass das Rechtsgeschäft angefochten werden soll. Nicht einmal der entsprechende Anfechtungsgrund ist anzugeben. „Ich fordere Sie hiermit auf, mir mein Geld aus dem Kaufvertrag zurückzuzahlen, weil Sie den Tacho manipuliert haben! “ 6.1.4 Anfechtungsgegner Die Anfechtungserklärung ist gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner zu erklären. Die jeweilige Person ergibt sich aus § 143 Abs. 2 bis 4 BGB. Zunächst ist das nach § 143 Abs. 2 BGB bei einem Vertrag die andere Vertragspartei. Liegt ein einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. Kündigung oder Rücktritt) vor, ist danach zu unterscheiden, ob eine empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärung vorliegt. In erste- <?page no="97"?> 98 Zivilrecht fit-lernhilfen.de rem Fall gilt § 143 Abs. 3 BGB, nach dem die Anfechtung der Person zu erklären ist, der gegenüber die einseitige Willenserklärung abzugeben war. A erklärte gegenüber B den Rücktritt. Die Anfechtung ist auch gegenüber B zu erklären. Handelt es sich allerdings um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 143 Abs. 4 S. 1 BGB, so ist die Anfechtungserklärung gegenüber der Person abzugeben, die einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil erlangt hat. Eine Stadt schreibt einen Architektenwettbewerb (Auslobung im Sinne der §§ 657 ff. BGB als einseitiges Rechtsgeschäft) für ein neues Rathaus aus. In den entsprechenden Unterlagen wird von 20. Stockwerken gesprochen. Die Architekten richten sich danach. Nachdem die ersten Entwürfe eintreffen, stellt die Stadt fest, dass aufgrund eines Verschreibens die Angaben falsch sind; 12 Stockwerke waren geplant. Die Anfechtung ist gegenüber den einreichenden Architekten zu erklären. 6.1.5 Anfechtungsfrist Bei der Anfechtung ist zwischen zwei Fristen zu unterscheiden: § 121 BGB und § 124 BGB. Der Grund für verschiedene Frist ist, dass bei einer Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB der Anfechtungsgrund vom Anfechtenden selbst aus geht, denn er irrt sich. Der Anfechtungsgegner kann nichts für den Irrtum. Deshalb wird er hier durch die kurze Frist geschützt. Bei § 123 BGB geht der Anfechtungsgrund allerdings vom Anfechtungsgegner aus. Er ist somit nicht schutzbedürftig. Die Frist des § 121 BGB gilt ausschließlich für Anfechtungen nach §§ 119, 120 BGB. Danach ist die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (nach der gesetzlichen Definition also „unverzüglich“) zu erklären. Die Frist beginnt mit der Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund. L kauft sich am Samstag ein Auto. Er stellt drei Wochen später, an einem Freitag die Tachomanipulation fest. „Unverzüglich“ wäre die Anfechtung, wenn er sie innerhalb der darauffolgenden <?page no="98"?> Etappe 6: Anfechtung 99 fit-lernhilfen.de Woche erklären würde. Ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, dass er z. B. noch einen Rechtsanwalt konsultieren kann. Allerdings kann die Anfechtung im Sinne der §§ 119, 120 BGB nur innerhalb von zehn Jahren nach Abgabe der Willenserklärung erfolgen (§ 121 Abs. 2 BGB). Geht es um die Anfechtung nach § 123 BGB, so gelten nach § 124 BGB andere Fristen. Hier hat der Erklärende wesentlich mehr Zeit. Er muss sich nicht unverzüglich erklären, sondern hat bis zu einem Jahr Zeit. Hier liegt der Fristbeginn bei dem Zeitpunkt, an dem die Täuschung entdeckt oder die Drohung auslösende Zwangslange beendet wird (§ 124 Abs. 2 BGB). Allerdings ist auch hier spätestens nach zehn Jahren Schluss (§ 124 Abs. 3 BGB). 6.1.6 Kein Ausschluss Ist der Anfechtungsberechtigte mit dem Rechtsgeschäft einverstanden, obwohl er weiß, dass er anfechten kann, so kann das eine Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts nach § 144 BGB darstellen. Niemand ist zur Anfechtung verpflichtet. Wenn der Kunde trotz seines Irrtums mit dem Geschäft zufrieden ist, kann er es dennoch wirksam bestehen lassen. Möglicherweise hat er später sogar festgestellt, dass das fehlerhafte Rechtsgeschäft für ihn besser ist. 6.2 Rechtsfolgen Ein wirksam angefochtenes Rechtsgeschäft ist nach § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig (= ex tunc). Somit spielt es keine Rolle, wann die Anfechtung erklärt wurde. Selbst wenn sie erst kurz vor dem Ablauf der Frist von zehn Jahren erfolgt, tritt die Nichtigkeit von Anfang an ein. Aber Folge der Nichtigkeit ist nicht, dass danach die Leistungen zurückzugeben sind. Das ergibt sich erst aus einer anderen Anspruchsgrundlage (§§ 812 ff. BGB). Das bedeutet, dass trotz der Anfechtung beide Parteien zunächst einmal ihre Leistungen behalten. Erst wenn Herausgabeansprüche (§§ 812 ff. BGB) erfolgreich geltend gemacht werden, muss eine Rückgabe erfolgen. <?page no="99"?> 100 Zivilrecht 6.3 Schadensersatzanspruch Eine weitere Rechtsfolge ist noch mit der Anfechtung verknüpft: Im Falle der §§ 119, 120 BGB kann der Anfechtungsgegner einen Schadensersatzanspruch nach §122 BGB gegenüber dem Anfechtenden geltend machen. Er ergibt sich daraus, dass die andere Partei auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut hat. Dementsprechend wird ihr auch nur der Schaden ersetzt, der sich aus diesem Vertrauen ergibt (sog. Vertrauensschaden oder negatives Interesse). Der Schaden ist allerdings begrenzt bis zu Höhe des Erfüllungsschadens (sog. positives Interesse). Das bedeutet, dass der Anfechtungsgegner nicht mehr bekommt, als wenn das Geschäft nicht angefochten worden wäre. A hat sich beim Kauf eines Parfums vergriffen. Er hat 50 Euro gezahlt. Erst nach dem Öffnen der Verpackung stellt er seinen Fehler fest. Er muss den Schaden durch das Öffnen der Verpackung zahlen, maximal aber 50 Euro. Kannte der Anfechtungsgegner die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit oder hätte er sie kennen müssen, ist nach § 122 Abs. 2 BGB der Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Bei einer Anfechtung nach § 123 BGB hat der Anfechtungsgegner keinen Schadensersatzanspruch, da er als „Täter“ nicht schutzbedürftig ist. <?page no="100"?> Etappe 6: Anfechtung 101 fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 6.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Liegt kein Handlungswille vor, so ist eine Willenserklärung anfechtbar. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Auch sog. Realakte lassen sich anfechten. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Beim Inhaltsirrtum stimmen der Inhalt der Willenserklärung und der Wille des Erklärenden nicht überein. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="101"?> 102 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Bei einem Erklärungsirrtum will der Erklärende eine Erklärung dieses Inhaltes nicht abgeben. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Zu den Eigenschaften einer Sache zählt auch der Preis. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Beim Übermittlungsirrtum muss die Übermittlung versehentlich fehlerhaft geschehen sein. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Erforderlich ist, dass die Willenserklärung auf dem Irrtum beruht. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Eine arglistige Täuschung kann sowohl durch Tun als auch Unterlassen begangen werden. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="102"?> Etappe 6: Anfechtung 103 fit-lernhilfen.de Eine Drohung kann auch dann widerrechtlich sein, wenn sowohl das Mittel als auch der Zweck für sich gesehen an sich zulässig sind. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Die Anfechtungserklärung muss schriftlich erfolgen. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Für die Anfechtung gibt es eine einheitliche Frist. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Wird ein Rechtsgeschäft wirksam angefochten, so tritt die Nichtigkeit erst im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung ein. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Im Falle einer Anfechtung wegen Irrtums steht dem Anfechtungsgegner ein Schadensersatzanspruch zu. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="103"?> 104 Zivilrecht Im Rahmen des § 122 BGB wird lediglich das negative Interesse ersetzt. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 6 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="104"?> Etappe 7: Stellvertretung Stellvertretung <?page no="105"?> 106 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Bisher wurde immer davon ausgegangen, dass beide Vertragsparteien jeweils eigenständig handeln. Jetzt kann aber der Fall eintreten, dass eine oder sogar beide Parteien nicht dazu in der Lage sind. Sie haben dann die Möglichkeit, jeweils eine andere Person einzuschalten, die für sie die Willenserklärung abgibt. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Stellvertreter Bote Vertretungsmacht Vollmacht Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht Missbrauch der Vertretungsmacht Insichgeschäft Wofür benötige ich dieses Wissen? In Unternehmen kann der Inhaber viele Rechtsgeschäfte nicht selbst tätigen. Er hat Mitarbeiter, die für ihn handeln können. Um sich vertreten zu lassen, muss geklärt werden, wer vertreten darf und welche Kompetenzen der jeweilige Vertreter hat. Hierfür gibt das Gesetz bestimmte Vorgaben. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Die Stellvertretung lässt sich mit allen Willenserklärungen kombinieren, sowohl auf der Seite des Erklärenden, als auch auf der des Empfängers. In einer Klausur muss also immer geprüft werden, ob die Vertragspartei die Willenserklärung selbst abgibt oder ob sie sich eines Vertreters bedient. Los geht’s! <?page no="106"?> Etappe 7: Stellvertretung 107 fit-lernhilfen.de Sinn und Zweck der Stellvertretung ist, jemandem (dem Vertretenen) die Möglichkeit zu geben, ein Rechtsgeschäft durch einen anderen abzuschließen (den Stellvertreter). Die Gründe hierfür können vielfältig sein. So kann der Vertretene schlichtweg nicht vor Ort sein oder er ist minderjährig und benötigt seine gesetzlichen Vertreter. Das BGB sieht für diesen Fall die Stellvertretung vor. Im Handelsgesetzbuch (HGB) sind weitere Vertretungsmöglichkeiten geregelt. Dort gibt es z. B. den Prokuristen. Die Vorschriften zur Stellvertretung finden sich in §§ 164 ff. BGB. Sie regeln, unter welchen Umständen und mit welcher Folge die Willenserklärung eines Dritten dem Vertretenen zuzurechnen ist. 7.1 Arten der Stellvertretung Das BGB und des HGB kennen insgesamt drei Formen der Stellvertretung: die gesetzliche, die organschaftliche und die rechtsgeschäftliche. Die gesetzliche Stellvertretung ergibt sich aus dem Gesetz. Dabei wird durch das Gesetz bestimmt, wer Vertreter einer bestimmten Person ist. Z. B. sind die Eltern regelmäßig die gesetzlichen Vertreter ihrer Kinder (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB). Daneben gibt es noch eine Form der Vertretung, die starke Ähnlichkeiten mit der gesetzlichen aufweist: die organschaftliche Vertretung. Sie findet sich dort, wo Organe (z. B. Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG) juristische Personen vertreten. Das Gesetz geht davon aus, dass die organschaftliche Vertretung der gesetzlichen entspricht (§ 26 Abs. 1 S. 2 BGB). Letztlich gibt es die rechtsgeschäftliche Vertretung. Sie wird teilweise auch als gewillkürte Vertretung bezeichnet. Sie ist in §§ 164 ff. BGB geregelt. Weiterhin ist noch zwischen der Aktiv- und Passivvertretung zu unterscheiden. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB geht zunächst davon aus, dass der Stellvertreter für den Vertretenen eine Willenserklärung abgibt. Diese Vorschrift regelt also die sog. Aktivvertretung. Denkbar ist aber auch, dass der Stellvertreter eine Willenserklärung entgegen nimmt. Er ist dann Empfänger der Willenserklärung eines <?page no="107"?> 108 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Anderen. Dieser Fall nennt sich Passivvertretung und ist in § 164 Abs. 3 BGB geregelt. Der Großhändler A bevollmächtigt seinen Mitarbeiter B, während seines Urlaubes alle an A gerichteten Angebote entgegenzunehmen. Diese Norm legt fest, dass bei der Passivvertretung die Regelungen des § 164 Abs. 1 BGB entsprechend gelten. Ein Unterscheid besteht aber dennoch: Bei der Passivvertretung muss der Stellvertreter seinen Willen, in fremdem Namen zu handeln, nicht ausdrücklich kenntlich machen. Für die Beteiligten ergibt sich dies bereits aus den Umständen. Eine weitere Besonderheit ist, dass der Passivvertreter keine eigene Willenserklärung abgibt. 7.2 Voraussetzungen der Stellvertretung Prüfungsschema Stellvertretung 1. Zulässigkeit der Stellvertretung 2. Abgabe einer eigenen Willenserklärung 3. Handeln in fremden Namen 4. Vertretungsmacht 5. Handeln im Rahmen der Vertretungsmacht 7.2.1 Zulässigkeit der Stellvertretung Eine Stellvertretung ist nicht immer möglich. Es gibt Rechtsgeschäfte, bei denen alle beteiligten Personen ausschließlich selbständig handeln müssen (sog. höchstpersönliche Rechtsgeschäfte). Darunter fällt z. B. die Eheschließung (§ 1311 S. 1 BGB) oder die Errichtung eines Testaments (§§ 2064, 2274 BGB). Möglich ist auch, durch einen Vertrag die Stellvertretung auszuschließen. <?page no="108"?> Etappe 7: Stellvertretung 109 fit-lernhilfen.de 7.2.2 Abgabe einer eigenen Willenserklärung Wesentliches Kriterium einer Stellvertretung ist, dass der Stellvertreter eine eigene Willenserklärung abgibt. Die Voraussetzung ergibt sich aus § 164 Abs. 1 S. 1 BGB. Gemeint ist damit, dass der Stellvertreter selbst die Möglichkeit hat, den Inhalt des Rechtsgeschäftes und den anderen Vertragspartner (mit) zu bestimmen. Der Stellvertreter muss also die Möglichkeit haben, z. B. den Preis selbst festlegen zu können. Obwohl der Stellvertreter eine eigene Willenserklärung abgibt, führt das nicht dazu, dass er auch Vertragspartei wird. Es ist gerade der Sinn der Stellvertretung, dass mit jemand anderem, nämlich dem Vertretenen der Vertrag geschlossen wird. Deshalb regeln die Vorschriften zur Stellvertretung letztlich nur, wem eine bestimmte Willenserklärung zuzurechnen ist: dem Vertretenen oder dem Stellvertreter. Wer konkret diese Willenserklärung abgeben kann, ist in § 165 BGB geregelt. Danach ist zumindest die beschränkte Geschäftsfähigkeit erforderlich (siehe zur beschränkten Geschäftsfähigkeit Seite 73 ff.). Ein Geschäftsunfähiger ist damit von der Stellvertretung ausgeschlossen. Jetzt stellt sich die Frage, ob jeder Mittelsmann, der durch eine andere Person eingeschalten wird, zugleich Stellvertreter ist. Daneben gibt es noch den sog. Boten. Wesentlicher Unterschied zwischen Boten und Stellvertreter ist, dass der Bote keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern sie lediglich übermittelt. Der Stellvertreter hingegen hat einen gewissen Einfluss auf den Inhalt des abzuschließenden Rechtsgeschäfts. Der Bote kann hinsichtlich des Inhaltes der Willenserklärung nichts bestimmen. Er hat also keinerlei Spielraum und ist an die Vorgaben des Erklärenden gebunden. Der Bote ist also nichts anderes als eine Art Kuvert, in der sich die Willenserklärung befindet. Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob der Bote geschäftsfähig ist. Es reicht vollkommen aus, wenn er in der Lage ist, die Willenserklärung zu übermitteln. Deshalb kann auch ein 6-jähriges Kind Bote sein, solange es in der Lage ist, die Willenserklärung zum richtigen Empfänger zu bringen. Unterlief dem Boten bei der Übermittlung ein Fehler, so besteht die Möglichkeit der Anfechtung nach § 120 BGB. Hat er die Willenserklä- <?page no="109"?> 110 Zivilrecht fit-lernhilfen.de rung bewusst falsch übermittelt, so finden die §§ 177 ff. BGB analoge Anwendung (siehe hierzu Seite 121). Der 16-jährige Peter bekommt von seinem Vater den Auftrag, für ihn eine Zeitschrift zu besorgen. Das erste Mal sagt der Vater, er solle ihm die X-Zeitschrift für 5 Euro kaufen. Beim zweiten Mal sagt der Vater, Peter solle ihm einfach eine aktuelle Zeitschrift mitbringen. Im ersten Fall ist Peter Bote. Er hat keinerlei Entscheidungsspielraum, sondern muss die X-Zeitschrift kaufen. Im zweiten Fall kann Peter selbst entscheiden, welchen Titel er kauft. Er ist somit Stellvertreter, da er selbst über den Inhalt des Rechtsgeschäfts entscheiden kann. 7.2.3 Handeln in fremden Namen Für den Geschäftspartner stellt die Stellvertretung ein Problem dar: Vor ihm steht eine Person, die für einen Anderen handelt. Das kann der Vertragspartner aber nicht erkennen. Möglicherweise wollte er gar nicht mit dem Vertretenen kontrahieren, sondern nur mit der Person, die vor ihm steht. Deshalb legt § 164 Abs. 1 S. 1 BGB fest, dass die eigene Willenserklärung des Stellvertreters im Namen des Vertretenen abgegeben wird. Allerdings ist nach § 164 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erforderlich, dass das Handeln für eine andere Person ausdrücklich angegeben wird. Ist es aus den Umständen erkennbar, liegt ebenso ein Handeln im fremden Namen vor. Hinter diesen Überlegungen verbirgt sich das sog. Offenkundigkeitsprinzip. Es verfolgt den Schutz des Geschäftspartners. Er soll wissen, wer sein wirklicher Kunde ist. Nur so kann er entscheiden, ob er überhaupt den Vertrag schließen will. Möglicherweise hat er in der Vergangenheit mit dem Vertretenen schlecht Erfahrungen gemacht und möchte keine weitere Geschäftsbeziehung. Deshalb ist grundsätzlich offenzulegen, dass der Stellvertreter nicht für sich selbst, sondern für einen Anderen handelt. Das Offenkundigkeitsprinzip hat nicht nur Einfluss auf die Beziehung zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner, sondern auch zwischen dem Stellvertreter und dem Geschäftspartner. Sollte der Stellvertreter nicht zu erkennen geben, dass er für einen <?page no="110"?> Etappe 7: Stellvertretung 111 fit-lernhilfen.de Anderen handelt, so wird er Vertragspartei. Es besteht dann ein Vertrag zwischen dem Stellvertreter und dem Geschäftspartner. Der Stellvertreter kann sich dabei nicht einmal darauf berufen, ihm wäre ein Fehler unterlaufen und er hätte gar nicht im eigenen Namen handeln wollen (§ 164 Abs. 2 BGB). Allerdings gibt es vom Offenkundigkeitsprinzip eine Ausnahme. Sie wird als „Geschäft für den, den es angeht“ bezeichnet. Da das Offenkundigkeitsprinzip bezweckt, den Geschäftspartner zu schützen, ihm insbesondere keine Partei auf das Auge zu drücken, mit der er keinen Vertrags schließen will, stellt sich die Frage, ob das auch der Fall ist, wenn die Leistungen sofort ausgetauscht werden. A und B, ein Lebensmittelhändler, haben sich zerstritten. B hat sich vorgenommen, „nie wieder“ etwas an A zu verkaufen. Jetzt schickt A seinen Kollegen K los; er soll dort Gemüse für A kaufen. K packt die Sachen in den Einkaufswagen, geht an die Kasse und zahlt. Hier wird einfach davon ausgegangen, dass es für den Geschäftspartner belanglos ist, mit wem er einen Vertrag geschlossen hat, solange es sich um Bargeschäfte handelt und die Leistungen sofort erbracht werden. Insbesondere besteht dann kein Zahlungsrisiko für den Geschäftspartner. 7.2.4 Vertretungsmacht Wie bereits erwähnt, gibt es drei Arten der Vertretungsmacht: gesetzlich, organschaftlich und rechtsgeschäftlich. Hier geht es nur um die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht. Sie wird auch als Vollmacht bezeichnet (§ 166 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Erteilung der Vollmacht ist in § 167 BGB geregelt. Nach § 167 Abs. 1 BGB handelt es sich dabei um ein einseitiges Rechtsgeschäft, das durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung begründet wird. 7.2.4.1 Verhältnis zwischen den beteiligten Personen Zwischen dem Vertretenen, also dem Vollmachtgeber, und dem Stellvertreter bestehen zwei Rechtsverhältnisse: Zunächst ist das die Vollmacht als rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht. Damit ist zwischen beiden Personen geregelt, wie weit der Vertreter bei dem <?page no="111"?> 112 Zivilrecht fit-lernhilfen.de durch ihm vorzunehmenden Rechtsgeschäft gehen kann, wie weit er also den Vertretenen verpflichten kann (sog. rechtliches Können). Die Frage bezieht sich somit auf das Außenverhältnis, also das Verhältnis zum Dritten. Abbildung 2 Allerdings ist damit noch nicht geklärt, welche Beziehung der Vertretene und der Stellvertreter untereinander haben. In den meisten Fällen wird es sich hier um ein Auftragsverhältnis nach §§ 662 ff. BGB oder um ein Tätigwerden im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsvertrages nach §§ 611 ff. BGB handeln. Bei dieser Beziehung geht es sich um das sog. Innenverhältnis. Damit wird geregelt, welche Handlungen der Stellvertreter im Verhältnis zum Vertretenen vornehmen darf. Somit gibt es einerseits die rechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis, andererseits die rechtlichen Beziehungen aufgrund der Vollmachtserteilung im Außenverhältnis. Beide Verhältnisse sind strikt voneinander zu trennen. Das bedeutet, dass allein durch ein Vertragsverhältnis, das im Innenverhältnis besteht, nicht eine Vollmacht erteilt wird. Hierfür ist ein eigenständiges Rechtsgeschäft erforderlich. A ist bei B als Einkäufer angestellt. Allein durch den Arbeitsvertrag als Angestellter ist ihm noch keine Vollmacht erteilt, um A vertreten zu können. Weiterhin muss beachtet werden, dass die Vollmachtserteilung unabhängig vom zugrundeliegenden Rechtsgeschäft im Innenverhältnis ist. Ist diese rechtliche Beziehung im Innenverhältnis unwirksam, so hat das grundsätzlich keine Folgen für die erteilte Vertretener Geschäftspartner Stellvertreter Vertrag <?page no="112"?> Etappe 7: Stellvertretung 113 fit-lernhilfen.de Vollmacht (sog. Abstraktionsprinzip). Dieser Grundsatz wird aber teilweise durchbrochen. Ein Beispiel hierfür ist § 168 S. 1 BGB. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass der Arbeitsvertrag zwischen B und Einkäufer A unwirksam geworden ist. Unter Beachtung des Abstraktionsprinzips wäre die erteilte Vollmacht hiervon unberührt. Allerdings geht § 168 S. 1 BGB davon aus, dass mit dem Ende des Arbeitsvertrages auch die Vollmacht erlischt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine Vollmacht wirksam erteilt werden kann, auch wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis (Auftrags- oder Dienst-/ Arbeitsverhältnis) nicht wirksam entstanden ist. In diesem Fall wird von einer sog. isolierten Vollmacht gesprochen. 7.2.4.2 Erteilung einer Vollmacht Eine Vollmacht kann für verschiedene Bereiche erteilt werden. So ist es möglich, sie für ein einzelnes Rechtsgeschäft zu erteilen (sog. Spezialvollmacht). A bittet B, für ihn eine aktuelle Tageszeitung zu kaufen. Die Vollmacht kann auch für eine konkrete Art von Rechtsgeschäften erteilt werden (sog. Gattungsvollmacht). A bittet B, für ihn die täglichen Lebensmitteleinkäufe zu erledigen. Letztlich kann eine Vollmacht für nahezu alle Rechtsgeschäfte erteilt werden (sog. Generalvollmacht). A bitte B, während seines 2-jährigen Auslandsaufenthaltes, sich um dessen Angelegenheiten zu kümmern. Die Erteilung der Vollmacht bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form (§ 167 Abs. 2 BGB). In einigen wenigen Ausnahmen ist gesetzlich die Einhaltung einer bestimmten Form vorgesehen. Das ist z. B. bei § 492 Abs. 4 BGB der Fall. Nur ausnahmsweise, insbesondere beim Erwerb von Grundstücken, wird von der Rechtsprechung - und nicht vom Gesetz - eine notarielle Beurkundung der Vollmacht gefordert. Ähnliches gilt, wenn eine Vollmacht für eine <?page no="113"?> 114 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Bürgschaftserklärung erteilt werden soll. In diesem Fall hat die Vollmachtserteilung schriftlich zu erfolgen. Dadurch soll vermieden werden, dass die gesetzlichen Formvorschriften (bei Grundstückskauf der § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, bei der Bürgschaft der § 766 S. 1 BGB) umgangen werden. § 167 Abs. 1 BGB geht davon aus, dass die Vollmacht nach zwei Arten erteilt werden kann: Einerseits kann sie gegenüber dem potentiellen Stellvertreter erklärt werden. Das wird als sog. Innenvollmacht bezeichnet und ist in § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB geregelt. A sagt zu B: „Bitte kaufe mir eine aktuelle Zeitung.“ Andererseits kann die Vollmacht auch gegenüber einem Dritten, dem späteren Geschäftspartner erklärt werden, was die sog. Außenvollmacht nach § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB darstellt. A sagt zu X: „Morgen kommt B vorbei. Er soll für mich eine aktuelle Zeitung kaufen.“ Die Begriffe „Innenvollmacht“ und „Außenvollmacht“ und „Innenverhältnis“ und „Außenverhältnis“ haben nichts miteinander zu tun. „Innenvollmacht“ und „Außenvollmacht“ bezieht sich auf die Art der Vollmachtserteilung, während sich „Innenverhältnis“ und „Außenverhältnis“ auf die Beziehungen zwischen Vertretenem, Stellvertreter und Geschäftspartner bezieht. § 171 Abs. 1 BGB enthält ebenso Regelungen zu möglichen Formen der Kundgabe der Vollmacht. Allerdings handelt es sich nicht um weitere Formen, sondern soll die Vorschrift klarstellen, dass der Dritte oder die gesamten Adressaten geschützt werden sollen. § 171 BGB bezieht sich nur auf die Innenvollmacht. 7.2.4.3 Erlöschen einer Vollmacht Das Gesetz enthält einige Regelungen, die sich mit dem Erlöschen einer Vollmacht befassen. Daneben wurden mit der Zeit durch die Rechtsprechung weitere Gründe, die zu einem Erlöschen führen können, entwickelt. <?page no="114"?> Etappe 7: Stellvertretung 115 fit-lernhilfen.de Zunächst regelt § 168 S. 1 BGB, dass die Vollmacht erlischt, wenn das ihr zugrundeliegende Rechtsverhältnis endet. Die Regelung besagt also, dass die Vollmacht solange besteht, wie auch das Grundverhältnis andauert. Das bedeutet, dass eine Vollmacht, die z. B. aufgrund eines Arbeitsvertrages erteilt wurde, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt. In diesem Fall besteht für beide Seiten kein Interesse mehr an dem Fortbestand der Vollmacht. A ist angestellter Einkäufer bei B. A wechselt den Arbeitgeber. Damit erlischt die von B erteilte Vollmacht. Umgekehrt hängt aber die Vollmacht nicht davon ab, ob auch das Grundverhältnis wirksam zustande gekommen ist. Weiterhin endet eine Vollmacht, wenn sie widerrufen wird. Der Widerruf stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Sofern sie nicht unwiderruflich erteilt wurde, kann jederzeit widerrufen werden (§ 168 S. 2 BGB). Die Vollmacht ist dann unwiderruflich, wenn das vertraglich zwischen dem Vertretenen und dem Stellvertreter vereinbart wurde. Wichtig für die Unwiderruflichkeit ist aber ein berechtigtes Interesse des Vertreters. Allerdings ist eine Vollmacht immer widerruflich, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Insofern ist die Vollmacht nicht gänzlich unwiderruflich, sondern das Widerrufsrecht ist lediglich bis auf einen wichtigen Grund beschränkt. Daneben gibt es noch weitere, im Gesetz nicht geregelte Gründe, nach denen eine Vollmacht erlischt. Das ist zunächst dann der Fall, wenn der mit ihr verfolgte Zweck erreicht wurde. Wurde dem Stellvertreter eine Vollmacht nur für ein bestimmtes Rechtsgeschäft erteilt, so ist nach dessen Durchführung von ihrem Erlöschen auszugehen. A bevollmächtigt B, für ihn heute eine aktuelle Zeitung zu kaufen. Nach dem Kauf ist die Vollmacht erloschen. Ein weiterer Grund für das Erlöschen liegt vor, wenn die Vollmacht mit einer Befristung oder Bedingung verknüpft wurde. Dann erlischt sie, wenn entweder die Frist abläuft oder die Bedingung eintritt. Die Vollmacht sollte von vornherein nur bis zum 31.12. gelten. <?page no="115"?> 116 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Die Vollmacht sollte erlöschen, wenn dem Stellvertreter der Verkauf eines Bildes nach drei Verkaufsversuchen noch immer nicht gelungen ist. Letztlich kann der Stellvertreter auf die Vollmacht verzichten. Diese Möglichkeit folgt aus der Überlegung, dass sich niemand eine Vollmacht aufdrängen lassen muss und bei ihrer Erteilung der Stellvertreter nicht „gefragt“ wird. Deshalb muss dem Stellvertreter die Möglichkeit zugestanden werden, die Bevollmächtigung abzulehnen. 7.2.4.4 Rechtsscheinsvollmacht Grundsätzlich treten die Wirkungen der Stellvertretung gegenüber dem Vertretenen nur dann ein, wenn er den Stellvertreter auch bevollmächtigt hat. Er, als derjenige, der gebunden wird, soll auch in der Hand haben, in welchem Umfang er verpflichtet werden kann. Jetzt kann der Fall eintreten, dass der Stellvertreter gar nicht vom Vertretenen bevollmächtigt wurde, ein Dritter aber aus den Umständen annehmen kann, dass eine Vollmacht (noch) existiert. Problem hierbei ist, dass der Dritte auf den Bestand der Vollmacht vertraut. Sofern also der Vertretene sich so verhält, als würde die Bevollmächtigung noch existieren, geht der Schutz des Rechtsverkehrs dem Schutz des Vertretenen vor. Letzterem wird in diesem Fall dieser Rechtsschein zugerechnet und muss ihn gegen sich gelten lassen. Zunächst gibt es gesetzlich geregelte Fälle der Rechtsscheinsvollmacht. Hier ist danach zu unterscheiden, ob sich der Rechtsschein auf die Erteilung einer Vollmacht (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB) oder auf deren noch andauerndes Bestehen (§§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB) bezieht. Wird eine Innenvollmacht gegenüber einem Dritten oder öffentlich kundgemacht, so ist der Stellvertreter zur Stellvertretung befugt (§ 171 Abs. 1 BGB). Dabei regelt die Norm zwei Fälle: Im ersten wird die Vollmacht nur gegenüber dem Dritten erklärt. A bevollmächtigt B. Zusätzlich ruft A bei X an und erklärt ihm, dass er B bevollmächtigt hat und bald zum Einkaufen vorbeischicken wird. <?page no="116"?> Etappe 7: Stellvertretung 117 fit-lernhilfen.de Im zweiten Fall gibt der Vertretene die Vollmacht öffentlich bekannt. Das führt dazu, dass er gegenüber jedermann (das Gesetz spricht von „jedem Dritten“) zur Vertretung befugt ist. A bevollmächtigt B. Zusätzlich schaltet A eine Zeitungsanzeige, in der er mitteilt, B sei jetzt sein Stellvertreter. In beiden Fällen wird der Vertretene an den durch ihn gesetzten Rechtsschein festgehalten. Das wird gerade dann zum Problem, wenn dem Stellvertreter die Vertretungsmacht bereits wieder entzogen wurde. Entsprechendes gilt, wenn dem Stellvertreter eine Vollmachtsurkunde aushändigt wurde (§ 172 Abs. 1 BGB). Grundsätzlich kann die Vollmacht formfrei erteilt werden, also auch mündlich. Allerdings hat der Stellvertreter dann oft das Problem, dass er gegenüber einem Dritten nicht seine Bevollmächtigung nachweisen kann. Er muss sich also darauf verlassen, dass ein Dritter ihm glaubt. Deshalb besteht für den Vertretenen die Möglichkeit, dem Stellvertreter eine Vollmachtsurkunde auszustellen. Gemeint ist damit ein Schriftstück, aus dem sich ergibt, dass der Überbringer des Schreibens bevollmächtigt wurde, für den Aussteller zu handeln. Für den Fall der Ausstellung einer Vollmachtsurkunde geht § 172 Abs. 1 BGB davon aus, dass deren Inhaber bevollmächtigt ist. A übergibt B ein Schreiben mit dem Inhalt „Hiermit ermächtigte ich B zur Vornahme aller rechtsgeschäftlichen Handlungen“. Damit geht B zu X und kauft für A ein Auto. Dabei spielt es keine Rolle, ob überhaupt eine Vollmacht existiert und ob sie wirksam erteilt wurde. Wichtig ist aber, dass die Urkunde dem Dritten im Original vorgelegt wird. Sofern es sich nur um eine Kopie handelt, wird der Dritte nicht durch § 172 Abs. 1 BGB geschützt. Denn bei der Vorlage einer Kopie kann das Original bereits vom Vertretenen eingezogen worden sein. Weiterhin muss die Vollmachtsurkunde vom Vertretenen freiwillig an den Stellvertreter ausgehändigt worden sein. Wurde sie gestohlen oder ist sie anderweitig ohne den Willen des Vertretenen in den Verkehr gelangt, so gilt § 172 Abs. 1 BGB nicht. <?page no="117"?> 118 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Die Begriffe „Vollmacht“ und „Vollmachtsurkunde“ sind nicht dieselben. „Vollmacht“ meint die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, während die Vollmachtsurkunde nur ein Schriftstück darstellt, aus dem sich die Vollmacht ergibt. Sofern eine Vollmacht wirksam erteilt wurde, sie später aber wieder erloschen ist, schützen §§ 170, 171 Abs. 2 und 172 Abs. 2 BGB den Rechtsverkehr. So regelt § 170 BGB zunächst die Frage, wie im Falle einer erteilten Außenvollmacht der Dritte geschützt wird. Die ihm gegenüber erklärte Vollmacht bleibt so lange bestehen, bis ihm durch den Vertretenen deren Erlöschen angezeigt wird. A hat X angerufen und ihm mitgeteilt, dass B von ihm bevollmächtigt wurde. Irgendwann widerruft A die Vollmacht des B. Solange A nicht X über den Widerruf informiert, gilt die Vollmacht gegenüber X weiter. § 171 Abs. 1 BGB ging davon aus, dass die Erteilung einer Innenvollmacht gegenüber einem bestimmten Dritten oder jedem Dritten durch den Vertretenen mitgeteilt wurde. Erlischt die Vollmacht, muss das Erlöschen nach § 171 Abs. 2 BGB in derselben Weise mitgeteilt werden. Das Erlöschen muss also entweder gegenüber dem Dritten oder jedem Dritten erklärt werden. A muss entweder X anrufen und ihm mitteilen, dass die an B erteilte Vollmacht erloschen ist. Hat er im Rahmen der Erteilung eine Zeitungsanzeige geschalten, so muss er jetzt eine weitere Anzeige aufgeben, aus der sich das Erlöschen ergibt. Auch bei der Vorlage einer Vollmachtsurkunde (§ 172 Abs. 2 BGB) ist der Rechtsverkehr geschützt. In diesem Fall gilt die Bevollmächtigung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Urkunde wieder an den Vertretenen zurückgegeben wurde. Alternativ kann sie auch für kraftlos erklärt werden (§ 176 BGB). Wegen der durch A an B ausgestellten Vollmachtsurkunde gilt B solange als Stellvertreter des A, bis A die Urkunde wieder zurückerhalten hat. <?page no="118"?> Etappe 7: Stellvertretung 119 fit-lernhilfen.de Allerdings gibt es eine Einschränkung für die Anwendung der §§ 170 bis 172 BGB: Nach § 173 BGB kann der Geschäftspartner sich nicht auf diese Vorschriften berufen, wenn er das Erlöschen der Vertretungsmacht entweder kannte oder kennen musste. Neben den gesetzlich geregelten Rechtsscheinsvollmachten gibt es noch zwei weitere Varianten: die Duldungs- und die Anscheinsvollmacht. Beide wurden von der Rechtsprechung entwickelt, um den Rechtsverkehr dort zu schützen, wo lediglich der Anschein einer Bevollmächtigung vorliegt. Kennt der Vertretene das Handeln des Vertreters und unternimmt es nichts dagegen (duldet er es also) und geht der Geschäftspartner davon aus, dass der Vertreter im Rahmen einer Vollmacht handelt, liegt eine sog. Duldungsvollmacht vor. Bei der Anscheinsvollmacht ist der vermeintliche Vertreter mehrfach für eine andere Person aufgetreten. Hätte die Person bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt das Verhalten erkennen und verhindern können, ist zum Schutz des Rechtsverkehrs von einer Bevollmächtigung auszugehen. Prüfungsschema Duldungs- und Anscheinsvollmacht 1. Auftreten des Handelnden als Vertreter 2. Handeln ohne Vertretungsmacht 3. Geschäftsfähigkeit des Vertretenen 4. Bestehen eines Rechtsscheinstatbestandes Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht a) Einmaliges Auftreten Mehrmaliges Auftreten des des Handelnden als Handelnden als Vertreter als Vertreter genügt erforderlich b) Kenntnis des Vertretenen Fahrlässige Unkenntnis vom vom Auftreten des Auftreten des Handelnden als Handelnden als Vertreter Vertreter c) Duldung des Vertreter- Darauf beruhendes Nichthandelns hindern <?page no="119"?> 120 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 7.2.5 Handeln im Rahmen der Vertretungsmacht Neben der Frage, ob der Stellvertreter überhaupt Vertretungsmacht hat, muss er sich ferner innerhalb dieser bei der Durchführung des Geschäfts halten. Er darf also den Rahmen, den ihn die Vertretungsmacht vorgibt, nicht überschreiten. Nur, wenn sich der Stellvertreter in den Grenzen der Vertretungsmacht bewegt, wird der Vertretene auch an die Willenserklärung des Stellvertreters gebunden. Das ergibt sich aus § 164 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach wirkt die Willenserklärung des Stellvertreters nur „unmittelbar für und gegen den Vertretenen“, wenn er sie innerhalb der Vertretungsmacht abgab. A wird von B bevollmächtigt, für ihn eine aktuelle Tageszeitung zu kaufen. A ist aber der Meinung, B solle ruhig einmal eine Fußball-Zeitschrift lesen, die er dann - statt der Zeitung - für B kauft. 7.2.6 Rechtsfolgen der Stellvertretung Liegen alle Voraussetzungen der Stellvertretung vor, greift die Rechtsfolge des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB: Die Willenserklärung des Stellvertreters wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es kommt also kein Vertrag zwischen dem Stellvertreter und dem Bevollmächtigten zustande, sondern nur zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner. Der Stellvertreter ist sozusagen nur die Mittelsperson, die die geschäftliche Beziehung herstellt. Er wird im Rahmen einer wirksamen Stellvertretung zu keiner Zeit Vertragspartei. Daraus folgt, dass alle Rechte und Pflichten des Rechtsgeschäfts nur zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner eintreten. Bei der Passivvertretung (§ 164 Abs. 3 BGB) geht es lediglich um die Frage, wann die Willenserklärung mit Wirkung für den Vertretenen als zugegangen gilt. Das ist dann der Fall, wenn sie dem Passivvertreter zugegangen ist. <?page no="120"?> Etappe 7: Stellvertretung 121 fit-lernhilfen.de 7.3 Vertretung ohne Vertretungsmacht Jetzt kann es vorkommen, dass eine Person zwar fälschlicherweise vorgibt, sie wäre zur Stellvertretung ermächtigt, es aber in Wirklichkeit gar nicht ist. Dabei handelt es sich im die sog. Vertretung ohne Vertretungsmacht. Der Stellvertreter ohne Vertretungsmacht wird auch als „falsus procurator“ bezeichnet. Daraus ergeben sich dann zwei Fragen: Erstens muss geklärt werden, was mit dem Rechtsgeschäft geschieht, dass der vermeintliche Stellvertreter abgeschlossen hat. Vor allem muss überlegt werden, welche Konsequenzen für den Vertretenen damit verbunden sind. Die zweite Frage ist, welche Folgen die fehlende Vertretungsmacht für den vermeintlichen Stellvertreter hat. Rechtsfolge der wirksamen Stellvertretung ist, dass der Vertretene an das durch den Stellvertreter geschlossene Rechtsgeschäft gebunden ist. Es wirkt also unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Hat der Stellvertreter aber gar keine Vertretungsmacht, so kann auch keine wirksame Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen. Hierfür regelt § 177 Abs. 1 BGB, dass für die Wirksamkeit eines durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Vertrages die Genehmigung durch den Vertretenen erforderlich ist. Bis zur Erteilung der Genehmigung ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. Die schwebende Unwirksamkeit beim Vertreter ohne Vertretungsmacht ist genauso „konstruiert“ wie im Minderjährigenrecht: Jemand schließt einen Vertrag, ohne hierzu ermächtigt zu sein. Um die Wirksamkeit herbeizuführen, ist die Genehmigung (nachträgliche Zustimmung, § 184 Abs. 1 BGB) erforderlich. Bis zur Erteilung der Genehmigung ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. Der Vertretene hat jetzt zwei Möglichkeiten: Er erteilt die Genehmigung oder er verweigert sie. Nach § 177 Abs. 1 BGB kann der Vertretene die Genehmigung erteilen. Dabei meint der Begriff „Genehmigung“ die nachträgliche Zustimmung im Sinne des § 184 <?page no="121"?> 122 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Abs. 1 BGB. Wenn der Vertretene das Rechtsgeschäft genehmigt, dann wirkt es für und gegen ihn. Damit hat der Vertretene die Möglichkeit, ein Geschäft, das für ihn rechtlich oder wirtschaftlich günstig ist, „an sich zu ziehen“. Genehmigt er, dann ist die fehlende Vertretungsmacht überwunden und das Rechtsgeschäft wirkt für und gegen den Vertretenen. Alternativ hat der Vertretene die Möglichkeit, die Genehmigung zu verweigern. Das führt zur Unwirksamkeit des durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossenen Rechtsgeschäfts. Konsequenz für den Vertreter ohne Vertretungsmacht ist aber, dass er nach § 179 BGB haften muss (siehe Seite 123). Damit der Geschäftspartner den Schwebezustand so schnell wie möglich beseitigen und für sich Rechtssicherheit herstellen kann, hat der nach § 177 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit, den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung aufzufordern. In diesem Fall kann die Genehmigung nur noch gegenüber dem Geschäftspartner erklärt werden. Wurde bereits vor der Aufforderung die Genehmigung oder die Verweigerung durch den Vertretenen an den Stellvertreter erklärt, wird sie unwirksam (§ 177 Abs. 2 S. 2 Halbss. 2 BGB). Sofern nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Aufforderung durch den Geschäftspartner die Genehmigung erklärt wird, gilt sie nach § 177 Abs. 2 S. 2 BGB als verweigert. In diesem Fall ist der geschlossene Vertrag unwirksam und der Vertreter muss nach § 179 BGB haften. Der Geschäftspartner kann den Schwebezustand dadurch beenden, indem er den Vertrag nach § 178 S. 1 BGB widerruft. Dazu darf er aber beim Vertragsschluss nicht die fehlende Vertretungsmacht gekannt haben. Die Erklärung des Widerrufs kann sowohl dem Vertretenen als auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden (§ 178 S. 2 BGB). Im Falle des Widerrufs durch den Geschäftspartner trifft den Vertreter ohne Vertretungsmacht keine Haftung nach § 179 BGB. <?page no="122"?> Etappe 7: Stellvertretung 123 fit-lernhilfen.de 7.4 Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht Schließt ein Vertreter einen Vertrag, ohne dass er seine Vertretungsmacht nachweist, so haftet er nach § 179 BGB auf Schadensersatz. Hierbei handelt es sich um eine sog. Vertrauenshaftung. Das bedeutet, dass der Vertreter für die Richtigkeit der Behauptung, er habe Vertretungsmacht, haftet. Der Vertreter hat dadurch das Vertrauen des Geschäftspartners verletzt. Prüfungsschema Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB) 1. Kein Nachweis der Vertretungsmacht 2. Abschluss eines Vertrages 3. Verweigerung der Genehmigung durch den Vertretenen 4. Keine Unwirksamkeit des Vertrages aus anderen Gründen 5. Kein Haftungsausschluss Für eine Haftung nach § 179 BGB muss der Vertreter seine Vertretungsmacht nicht nachweisen. Dabei ist zu unterscheiden: Entweder hat der Vertreter gar keine Vertretungsmacht oder aber er hat sie, kann sie aber nicht nachweisen. Weiterhin muss der Vertreter einen Vertrag abgeschlossen haben. Handelt es sich lediglich um ein einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. eine Kündigung), so ist § 179 BGB nicht anwendbar. Dann gilt § 180 BGB mit der Folge, dass das einseitige Rechtsgeschäft nichtig ist. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob der Vertretene seine Genehmigung nach § 177 BGB ausdrücklich verweigert hat oder sie als verweigert gilt. Dann ist ein Punkt zu prüfen, der sich so nicht aus dem Gesetz ergibt: Ist der durch den Vertreter geschlossene Vertrag möglicherweise aus einem anderen Grund unwirksam. Das kann z. B. der Fall sein, wenn gegen eine Formvorschrift verstoßen wurde oder der Vertrag anfechtbar ist. Dieser Prüfungspunkt bringt für den <?page no="123"?> 124 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Vertreter ohne Vertretungsmacht den Vorteil mit sich, dass er sich nach dem Vertragsschluss noch auf Unwirksamkeitsgründe zu seinen Gunsten berufen kann. Letztlich darf die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht nicht ausgeschlossen sein. Hierfür können drei Gründe vorliegen: Erster Grund für einen Haftungsausschluss kann der Widerruf des Vertrages nach § 178 BGB durch den Geschäftspartner sein. Der zweite Grund liegt nach § 179 Abs. 3 S. 1 BGB vor, wenn der Geschäftspartner die fehlende Vertretungsmacht kannte oder kennen musste, sie also grob fahrlässig nicht kannte. Als letzte Möglichkeit kommt ein Haftungsausschluss nach § 179 Abs. 3 S. 2 BGB in Betracht, wenn der Vertreter nur beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) war. Hatte aber der gesetzliche Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen der Stellvertretung zugestimmt, greift der Haftungsausschluss nicht ein. Bei den Rechtsfolgen der Vertretung ohne Vertretungsmacht ist danach zu unterscheiden, ob der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht kannte (§ 179 Abs. 1 und 2 BGB): Kannte er ihn, wusste er also, dass er gar keine Vertretungsmacht hatte, so schuldet er nach § 179 Abs. 1 BGB dem Geschäftspartner entweder die Erfüllung des Vertrages. Er muss also den Vertrag so erfüllen wie er abgeschlossen wurde. Oder aber er muss Schadensersatz in Form des sog. positiven Interesses leisten. Gemeint ist damit, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht den Geschäftspartner so zu stellen hat, als hätte der Vertretene den Vertrag vollständig erfüllt. Kannte der Vertreter aber gar nicht den Mangel der Vertretungsmacht, so muss er nach § 179 Abs. 2 BGB nur den sog. Vertrauensschaden ersetzen. Gemeint ist damit das sog. negative Interesse. Der Geschäftspartner ist also so zu stellen, als wäre das Geschäft nicht zustande gekommen. Die Höhe des Schadensersatzes im Falle des negativen Interesses kann nicht höher sein wie das, was der Geschäftspartner bei Erfüllung des Vertrages erlangt hätte. <?page no="124"?> Etappe 7: Stellvertretung 125 fit-lernhilfen.de Bei der Haftung auf das sog. negative Interesse gibt es eine Parallele zu § 122 Abs. 1 BGB: Bei § 179 Abs. 2 BGB gelten dieselben Regeln. 7.5 Insichgeschäft Bisher wurde nur der Fall angesprochen, dass der Vertreter eine Partei vertritt; er also nur auf einer Seite des Geschäftes steht. Jetzt kann es aber vorkommen, dass der Vertreter in dieser Funktion ein Geschäft mit sich selbst abschließt (sog. Selbstkontrahieren) oder beide Parteien des Rechtsgeschäfts vertritt (sog. Mehrfachvertretung). Der Oberbegriff ist hier „Insichgeschäft“. Beide Fälle sind nach § 181 BGB grundsätzlich ausgeschlossen. Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber einen (möglichen) Interessenkonflikt vermeiden möchte. Der Wortlaut des § 181 BGB erweckt durch die Formulierung „kann […] nicht vornehmen“ den Eindruck, als würde die Vornahme des Geschäfts zur Nichtigkeit führen. Allerdings ist hier die schwebende Unwirksamkeit die Folge. Beim Selbstkontrahieren nach § 181 Alt. 1 BGB („im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen“) handelt der Vertreter zugleich für sich selbst. Er ist auf der einen Seite Vertreter, auf der anderen Seite ist er in seinem eigenem Namen tätig. A ist gesetzlicher Vertreter seines Kindes K. K ist Eigentümer eines Grundstückes. Jetzt verkauft A als gesetzlicher Vertreter des K das Grundstück an A, also an sich selbst. B ist Geschäftsführer einer GmbH. Er möchte deren Geschäftswagen an sich selbst verkaufen. Also schließt B als Vertreter (= Geschäftsführer) der GmbH einen Vertrag mit B, also sich selbst. Der Interessenkonflikt liegt bei beiden Geschäften auf der Hand: Der Vertreter, der den Vertrag mit sich selbst schließt, kann über den Vertragsinhalt zu seinen Gunsten entscheiden. So werden A und B, wenn sie das Grundstück bzw. den Wagen kaufen wollen, daran interessiert sein, keinen allzu hohen Preis zu fordern. <?page no="125"?> 126 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Auch bei der Mehrfachvertretung nach § 181 Alt. 2 BGB („als Vertreter eines Dritten“) gibt es ein ähnliches Problem. Hier vertritt der Vertreter nicht nur eine, sondern auch eine zweite Partei. Es steht somit in zwei verschiedenen Lagern. X möchte von Y etwas kaufen. Dabei vertritt Z beide: sowohl X als auch Y. Hier befindet sich der Vertreter in einem ähnlichen Dilemma: Er muss sich die Frage stellen, wessen Interessen er hier vertreten soll. Da er für zwei verschiedene Personen handelt, besteht die Gefahr, dass er sich für eine entscheidet, und das zum Nachteil der anderen. § 181 BGB enthält zwei Ausnahmen, nach denen das Insichgeschäft zulässig ist. Einerseits ist das der Fall, wenn eine Gestattung zugunsten des Vertreters vorliegt, ihm also erlaubt wurde, ein Insichgeschäft vorzunehmen. Einem GmbH-Geschäftsführer wird regelmäßig gestattet, mit sich selbst Geschäfte abzuschließen. Dabei kann aber z. B. eine Wertgrenze vereinbart werden. Insbesondere bei einer Ein- Personen-GmbH, in der der einzige Gesellschafter zugleich der Geschäftsführer ist, wäre ohne eine Gestattung der Handlungsspielraum zu sehr eingeschränkt. Die zweite Ausnahme liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Gemeint sind damit die Fälle, in denen schon ein Vertrag besteht und dieser nur noch zu erfüllen ist, also die geschuldete Leistung zu erbringen ist. B ist als GmbH-Geschäftsführer nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Zwischen ihm und der GmbH wurde bereits durch einen anderen Geschäftsführer der GmbH ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen. Jetzt muss nur noch die Eintragung im Grundbuch veranlasst werden. Hierzu ist B allerdings berechtigt. Die Rechtsfolge der Missachtung des § 181 BGB ist die schwebende Unwirksamkeit. Somit besteht für den Vertretenen die Möglichkeit, den geschlossenen Vertrag zu genehmigen. <?page no="126"?> Etappe 7: Stellvertretung 127 fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 7.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Eine Stellvertretung ist bei jedem Rechtsgeschäft möglich. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Ein Bote gibt eine eigene Willenserklärung ab. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Das Offenkundigkeitsprinzip besagt, dass der Stellvertreter grundsätzlich die Vertretung offenlegen muss. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="127"?> 128 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Es gibt drei Arten der Vertretungsmacht: gesetzlich, rechtsgeschäftlich und organschaftlich. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Die Erteilung einer Vollmacht gegenüber einem Dritten nennt sich „Innenvollmacht“. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Eine Vollmacht erlischt, wenn das ihr zugrundeliegende Rechtsverhältnis endet. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Die Anscheinsvollmacht und die Duldungsvollmacht stellen besondere Formen der Vertretungsmacht dar. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Bei einer wirksamen Stellvertretung kommt ein Vertrag zwischen dem Stellvertreter und dem Geschäftspartner zustande. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="128"?> 129 Im Falle einer Vertretung ohne Vertretungsmacht hat der Vertretene die Möglichkeit, das Rechtsgeschäft zu genehmigen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Eine Vertretung ohne Vertretungsmacht bleibt für den Stellvertreter folgenlos. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 7 [ …………… Fit-Punkte] Etappe 7: Stellvertretung <?page no="130"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht Leistungsstörungsrecht <?page no="131"?> 132 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Bei der Durchführung von Verträgen kann es zu Problemen kommen: Der Schuldner liefert vielleicht gar nicht oder zu spät. Dann muss geklärt werden, welche Konsequenzen für beide Vertragsparteien daraus folgen. Das ist Gegenstand dieser Etappe. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Leistungsstörung Pflichtverletzung Unmöglichkeit Schuldnerverzug Mahnung Annahmeverzug Schlechtleistung Verschulden bei Vertragsschluss Wofür benötige ich dieses Wissen? Jeder Vertragspartner verlässt sich darauf, dass der andere richtig und rechtzeitig liefert. Ist das aber nicht der Fall, bedeutet das für den Gläubiger meist erheblichen Ärger: Er muss Waren woanders kaufen oder für eine (Zwischen-) Lösung sorgen. Das kostet aber alles Geld. Jetzt geht es um die Frage, wer diese Kosten zu übernehmen hat. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? In der Klausur ist oft die Prüfung eines Schadensersatzes im Rahmen einer Leistungsstörung der „Aufhänger“ für andere rechtliche Probleme, die ebenfalls zu erörtern sind. So kann damit bspw. die Frage nach dem Vertragsschluss oder der Stellvertretung verknüpft werden. Los geht’s! <?page no="132"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 133 fit-lernhilfen.de Leistungsstörungen kommen in vielen Fällen vor: Die Ware wird zu spät geliefert, die Urlaubsflieger startet nicht oder der Handwerker beschädigt bei der Reparatur des Waschbeckens die Badewanne. In diesen Fällen stellt sich jeweils die Frage, welche Rechte sich für den Gläubiger der Leistung daraus ergeben. Die Antwort darauf gibt das sog. Leistungsstörungsrecht. Unter dem Begriff der Leistungsstörung werden all die Umstände verstanden, die die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Schuldverhältnisses negativ beeinflussen. Die Regelungen, die sich mit diesen Umständen und deren Lösung befassen, werden als Leistungsstörungsrecht bezeichnet. 8.1 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung, § 280 BGB Der Gesetzgeber ist bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen zwei verschiedene Wege gegangen: Er hat einerseits für die einzelnen Pflichtverletzungen eigene Normen für den Schadensersatz entwickelt, andererseits aber auch eine zentrale Norm, die sowohl mit den anderen Normen verknüpft ist, aber auch einen eigenen Anspruch enthält. Dabei stellt § 280 BGB diese zentrale Norm dar. Leistet der Schuldner nicht oder zu spät, so gibt es im BGB zunächst einmal spezielle Normen (für den Verzug: § 286 BGB, für die Nichtleistung §§ 281 ff. BGB). Aber die Prüfung dieser Normen ist abhängig von § 280 BGB. Denn in dessen Absatz 2 und 3 wird jeweils auf die speziellen Normen verwiesen. Somit lässt sich der Schadensersatz wegen Verzuges oder Nichtleistung nur zusammen mit § 280 BGB prüfen. Daneben hat § 280 BGB noch eine eigenständige Bedeutung. Er gibt auch in anderen Fällen als bei Verzug und Nichtleistung einen Schadensersatzanspruch. Das ist bspw. der Fall, wenn der Handwerker die Badewanne beschädigt. In diesem Fall liegt weder ein Verzug noch eine Nichtleistung vor. Da § 280 BGB die zentrale Norm im vertraglichen Schadensersatzrecht ist, erfolgt zuerst deren Darstellung: <?page no="133"?> 134 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Prüfungsschema Schadensersatz wegen Pflichtverletzung, § 280 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung 3. Vertretenmüssen 8.1.1 Bestehendes Schuldverhältnis Als erster Prüfungspunkt muss ermittelt werden, ob überhaupt ein Schuldverhältnis besteht. Dabei ist der Begriff des Schuldverhältnisses weit gefasst. Zunächst fallen darunter alle vertraglichen Schuldverhältnisse (z. B. Kaufvertrag oder Leasing). Aber auch einseitige und gesetzliche Schuldverhältnisse zählen dazu. Daneben existieren noch sog. rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse. Gemeint sind damit solche, aus denen sich lediglich Rücksichtnahme- und keine Leistungspflichten ergeben. Hier ist insbesondere die sog. culpa in contrahendo (cic), zu deutsch etwa „Verschulden bei Vertragsschluss“ gemeint. Darunter fallen die Konstellationen, in denen noch kein Vertrag geschlossen wurde, also ein vorvertragliches Schuldverhältnis, aber der Gläubiger (bereits) einen Schaden erleidet. A ist im Supermarkt des S. Dort möchte sie ihren Wocheneinkauf erledigen. Gerade als sie den Markt betritt, rutscht sie am Eingang auf einer Bananenschale aus, stürzt und verletzt sich schwer. Hier liegt noch kein vertragliches Verhältnis vor, denn insbesondere ein Kaufvertrag wurde noch nicht geschlossen. Aber dennoch haftet der Supermarkt-Betreiber, da der Sturz im Rahmen der Anbahnung eines Vertrages geschah, somit also nicht rechtsgeschäftlich, sondern (nur) rechtsgeschäftsähnlich. Auch ohne dass ein Vertragsverhältnis besteht, hat der Supermarkt-Betreiber auf die Interessen seines zukünftigen Kunden Rücksicht zu nehmen. Eine entsprechende Regelung ergibt sich aus § 311 Abs. 2 BGB. Dort sind drei Konstellationen festgelegt, bei denen ein vorvertragliches Schuldverhältnis vorliegt. Das ist der Fall bei der Aufnahme <?page no="134"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 135 fit-lernhilfen.de von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB), bei der Anbahnung eines Vertrages, etwa bei einem Sturz im Laden (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB), und bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Der letzte Fall betrifft Kontakte im Vorbereitungsstadium eines Vertrages, bei denen bereits ein Vertrauensverhältnis besteht. 8.1.2 Pflichtverletzung Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt wurde. Dazu ist zunächst festzustellen, welche Pflichten darin überhaupt enthalten sind. Inhalt eines Schuldverhältnisses können Pflichten und Obliegenheiten sein. Bei den Pflichten wird unterschieden zwischen Leistungs- und Nebenpflichten. Die Leistungspflichten umfassen sowohl die Hauptals auch die Nebenleistungspflichten. Deren wesentliches Merkmal ist, dass ihre Erfüllung eingeklagt werden kann, bei ihrer Verletzung aber ein Schadensersatzanspruch besteht. Unter den Hauptleistungspflichten sind solche zu verstehen, die den Vertrag charakterisieren, wegen derer also der Vertrag überhaupt geschlossen wurde. Beim Kaufvertrag handelt es sich dabei um die Verschaffung des Eigentums und die Zahlung des Kaufpreises. Beim Mietvertrag ist es die Überlassung der Mietsache und die Zahlung der Miete. Dagegen umfassen die Nebenleistungspflichten all die Pflichten, die bei der Vorbereitung und Durchführung des Vertrages eine der Parteien treffen. A hat sich für sein Unternehmen eine teure Druckmaschine gekauft. Der Verkäufer soll A in deren Bedienung einweisen. Dann gibt es noch die sog. Nebenpflichten. In Vergleich zu den Leistungspflichten kann deren Erfüllung nicht eingeklagt werden. Dennoch besteht bei ihrer Verletzung ein Schadensersatzanspruch. Die Nebenpflichten lassen sich unterteilen in Schutzpflichten, Aufklärungs- und Auskunftspflichten und Fürsorgepflichten. Bei ihnen geht es nicht um die Erbringung der Leistung, was Inhalt der Leistungspflichten ist, sondern um die Art und Weise der Durchführung der Leistung. <?page no="135"?> 136 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Handwerker H soll bei A das Waschbecken reparieren. Nach abgeschlossener Reparatur schlägt er beim Verlassen des Bades mit seinem Werkzeugkasten gegen die Badewanne und beschädigt sie. In diesem Fall hat der Handwerker seine eigentliche Leistung - die Reparatur des Waschbeckens - ordnungsgemäß erbracht. Er hat aber dennoch eine Nebenpflicht verletzt, als er das Waschbecken beschädigte. Im Gegensatz zu den Pflichten gibt es noch die sog. Obliegenheiten. Sie stellen eine gebotene Maßnahme im eigenen Interesse dar. Das bedeutet, dass derjenige, der die Obliegenheit zu erbringen hat, einen Nachteil erleidet, wenn er sie unterlässt. Die andere Vertragspartei hat aber keinen Anspruch auf deren Vornahme und kann deren Erfüllung auch nicht einklagen. Der Andere hat auch keinen Schadensersatzanspruch gegenüber demjenigen, der die Obliegenheit nicht beachtet. Die Nichtbeachtung einer Obliegenheit stellt keine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB dar. Sie führt also nicht zum Schadensersatz. Ein Beispiel ist die Obliegenheit zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 BGB. A, der einen Kleinwagen fährt, hatte einen Autounfall: B hatte ihm die Vorfahrt genommen. Solange der Wagen des A in der Werkstatt ist, mietet sich A einen Wagen der Luxusklasse, der am Tag 400 Euro kostet. B muss nur die Mietwagenkosten übernehmen, die in diesem Fall angemessen sind. Den Rest trägt A selbst. Prüfungstipp Bei der Prüfung in der Klausur ist also zunächst anhand des jeweiligen Schuldverhältnisses (z. B. Kaufvertrag) zu ermitteln, was die entsprechenden Pflichten sind (beim Kaufver- <?page no="136"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 137 fit-lernhilfen.de trag: Eigentumsverschaffung und Kaufpreiszahlung). Im nächsten Schritt ist dann zu prüfen, ob zumindest eine dieser Pflicht verletzt wurde. Letztlich gibt es noch zwei weitere Begriffe: Primär- und Sekundärpflichten. Sie stehen nicht im direkten Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB, sondern stellen lediglich Oberbegriffe für verschiedene Arten von Pflichten dar. Die Primärpflichten ergeben sich direkt aus dem Schuldverhältnis und umfassen insbesondere die Leistungs- und Nebenpflichten. Die Sekundärpflichten sind Folge der Verletzung von Primärpflichten. Gemeint ist damit insbesondere die Pflicht zum Schadensersatz. 8.1.3 Vertretenmüssen Derjenige, der die Pflichtverletzung begangen hat, muss diese auch zu vertreten haben. Gemeint ist damit, wer an der Pflichtverletzung „schuld“ ist. Dabei geht das Gesetz davon aus, dass derjenige, der die Pflichtverletzung begeht, das grundsätzlich auch zu verschulden hat. Das ergibt sich aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB: Zunächst besagt Absatz 1 Satz 1, dass derjenige haftet, der die Pflichtverletzung begeht. Aber wenn er sie nicht zu vertreten hat, dann haftet er nicht (Absatz 1 Satz 2). Das Gesetz vermutet sozusagen das Verschulden. Der Pflichtverletzer muss dann das Gegenteil beweisen, nämlich dass ihn kein Verschulden trifft. 8.1.3.1 Haftungsmaßstäbe Grundsätzlich gibt es im BGB zwei sog. Haftungsmaßstäbe: Vorsatz und Fahrlässigkeit. Eine entsprechende Regelung enthält § 276 Abs. 1 S. 1 BGB. Vorsatz liegt vor, wenn es dem Verletzer um den rechtswidrigen Erfolg ging; er also gerade deshalb handelte. Vorsatz ist Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Beim Vorsatz verstößt der Verletzer also bewusst gegen eine seiner Pflichten. <?page no="137"?> 138 Zivilrecht fit-lernhilfen.de A hat bei B die Errichtung eines Dachstuhls beauftragt. Da B insgeheim A nicht mag, erscheint er absichtlich nicht zum vereinbarten Errichtungs-Termin, sondern kommt erst zwei Wochen später. Währenddessen musste A den Dachstuhl provisorisch eindecken, damit die im Haus wohnenden Mieter keinen Wasserschaden erleiden. Nach § 276 Abs. 3 BGB kann die Haftung für Vorsatz im Voraus nicht erlassen werden. Ansonsten könnte der Schuldner willkürlich über den Gläubiger herrschen. Daneben gibt es die Fahrlässigkeit. Sie kennt grundsätzlich zwei Formen: die leichte (oder auch „einfache“) und die grobe Fahrlässigkeit. Lediglich die leichte Fahrlässigkeit ist im Gesetz geregelt (§ 276 Abs. 2 BGB), die grobe hingegen nicht. Leichte Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB) Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Gemeint sind die Fälle, in denen der Schuldner etwas unabsichtlich „falsch“ macht; wo also die Pflichtverletzung nicht entstanden wäre, wenn er (besser) aufgepasst hätte. Handwerker H kommt mit seinem Werkzeugkasten ins Bad und stößt dabei gegen die Badewanne. Als zweite Stufe der Fahrlässigkeit gibt es die sog. grobe Fahrlässigkeit. Sie ist nicht im Gesetz geregelt und geht davon aus, dass der Verletzer seine Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße nicht beachtet hat. Grobe Fahrlässigkeit Außerachtlassen der im rechtlichen Verkehr erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße. Der Unterschied zwischen der einfachen und der groben Fahrlässigkeit besteht darin, dass bei Letzterer der Verletzer etwas missachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. <?page no="138"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 139 fit-lernhilfen.de Dachdecker B arbeitet auf einem Dach und sorgt aber nicht für eine Absicherung des Bürgersteiges. Während er mit Ziegeln hantiert, rutschen ihm mehrere aus der Hand und fallen über die Dachkante. Ein Fußgänger kann sich gerade noch durch einen Sprung auf die Seite retten. Sein Koffer wird aber durch die Ziegel zerstört. Welcher Verschuldensmaßstab (Vorsatz, leichte oder grobe Fahrlässigkeit) im konkreten Fall Anwendung findet, ergibt sich aus dem jeweiligen Schuldverhältnis. Sollte dort keine Einschränkung getroffen worden sein, also bspw. die einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein, so gelten alle Maßstäbe. Prüfungstipp In der Klausur bereitet die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit oft Schwierigkeiten. Hierzu gibt es als Daumenregel die sog. „Stirntheorie“: Wenn Sie sich als Außenstehender beim Lesen der Pflichtverletzung an die Stirn fassen und sich dabei denken: „Wie kann man nur? “, dann können Sie vom Vorliegen der groben Fahrlässigkeit ausgehen. Es gibt noch weitere Haftungsmaßstäbe, die sowohl zu einer Haftungserleichterung als auch einer -verschärfung führen. Sie gelten allerdings nur, wenn sie entweder zwischen den Parteien vereinbart wurden oder deren Geltung gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine Haftungserleichterung stellt § 277 BGB dar. Dabei handelt es sich um die Haftung für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, also für die sog. eigenübliche Sorgfalt (sog. diligentia quam in suis). Ein Beispiel für eine Anwendung des § 277 BGB ist in § 690 BGB bei der Haftung im Falle der unentgeltlichen Verwahrung zu finden. Während beim Vorsatz und beiden Formen der Fahrlässigkeit das Verschulden anhand von objektiven Kriterien bestimmt wird, ist es bei § 277 BGB ein subjektiver Maßstab. Hier wird also die Frage aufgeworfen, ob der Verletzer auch bei seinen eigenen Angelegen- <?page no="139"?> 140 Zivilrecht fit-lernhilfen.de heiten ebenso „schlampig“ ist. Ist das der Fall, so ist seine Haftung entsprechend zu reduzieren. A ist bekannt dafür, dass er „immer“ zu spät dran ist und Fristen vergisst. Es kommt also auf den individuellen Charakter des Schuldners an, auch unter Berücksichtigung seiner individuellen Schlampigkeit. Allerdings hilft ihm diese Haftungserleichterung nichts mehr, wenn er grob fahrlässig handelt. Haftungsverschärfungen können sich ebenso aus einem Vertrag oder dem Gesetz ergeben. Das ist bspw. der Fall bei der Übernahme eines sog. Beschaffungsrisikos. In diesem Fall verpflichtet sich der Schuldner, einen konkreten, genau bestimmten Gegenstand zu leisten. A verpflichtet sich im Kaufvertrag, die Skulptur „Der kosmische Elefant“ von Salvador Dalí im Original zu beschaffen. Ein Beispiel für eine gesetzliche Haftungsverschärfung findet sich in § 287 S. 2 BGB beim Schuldnerverzug (siehe zum Schuldnerverzug Seite 143 ff.). Danach haftet der Schuldner auch für den bloßen Zufall. 8.1.3.2 Verantwortlichkeit für Dritte, § 278 BGB In vielen Fällen wird der Schuldner die Leistung nicht selbst erbringen. Er hat entweder seine eigenen Mitarbeiter oder Subunternehmer, die für ihn die Arbeit erledigen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern der Schuldner für die Fehler seiner Mitarbeiter oder Gehilfen haftet. Denn wenn er einen Dritten engagiert, könnte er sich darauf berufen, nicht er hätte die Pflichtverletzung begangen, sondern ein Anderer. Der Gläubiger müsste sich dann mit einer Person auseinandersetzen, mit der er nie einen Vertrag geschlossen hat. Diesen Konflikt versucht § 278 BGB zu lösen. Die Norm klärt die Frage, wer für einen Dritten haftet, den der Schuldner zur Vornahme der Leistungshandlung heranzieht. Der Dritte, der für den Schuldner handelt, wird als Erfüllungsgehilfe <?page no="140"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 141 fit-lernhilfen.de bezeichnet. Bei § 278 BGB handelt es sich somit um eine Norm, die das Verschulden eines Dritten dem Schuldner zurechnet. Prüfungsschema Verantwortlichkeit für Dritte, § 278 BGB 1. Bestehen einer Sonderverbindung 2. Handeln des Erfüllungsgehilfen 3. Verschulden 4. Tätigwerden zur Erfüllung der Verbindlichkeit Voraussetzungen für eine Zurechnung nach § 278 BGB ist, dass zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger eine sog. Sonderverbindung zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses vorliegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis zwischen beiden gibt. Dachdecker B hat den Auftrag, das Dach des A zu reparieren. Somit liegt eine Sonderverbindung in Form eines vertraglichen Schuldverhältnisses vor. Weiterhin ist zu prüfen, ob ein Handeln eines Erfüllungsgehilfen für den Schuldner gegeben ist. Das ist dann der Fall, wenn der Gehilfe nach dem Willen des Schuldners für ihn tätig wird. Erfüllungsgehilfe Wer mit dem Willen des Schuldners in dessen Pflichtenkreis als Hilfsperson tätig wird. Gemeint ist damit, dass der Schuldner seine Verpflichtung aus der Sonderverbindung mit Hilfe des Erfüllungsgehilfen erbringt. Dachdecker B, der das Dach reparieren soll, hat einen anderen Auftrag, um den er sich kümmern muss. Deshalb lässt er Z das Dach des A reparieren. § 278 BGB spricht neben dem Erfüllungsgehilfen auch vom gesetzlichen Vertreter. Also kann bspw. auch ein Verschulden der Eltern dem Kind zugerechnet werden. <?page no="141"?> 142 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Im nächsten Prüfungsschritt muss ermittelt werden, ob den Erfüllungsgehilfen ein eigenes Verschulden trifft. Er muss also selbst vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Z, der Mitarbeiter des B ist, befindet sich gerade auf dem Dach des A. Er lässt aus Unachtsamkeit mehrere Ziegel fallen, die die Scheibe eines Autos zerschlagen. Schließlich muss der Fehler des Erfüllungsgehilfen im sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Verbindlichkeit bestehen. D. h., das Fehlverhalten darf nicht nur bei der Gelegenheit der Erfüllung vorgefallen sein. Gemeint sind damit die Fälle, in denen der Fehler des Erfüllungsgehilfen nicht direkt mit der Erfüllung zusammenhängt, sondern er lediglich eine Gelegenheit ausnutzt. Dann haftet der Schuldner nicht für seinen Erfüllungsgehilfen. Als Z für B auf dem Dach steht und alte Ziegel entfernt, findet er in einem Versteck unter einem alten Balken mehrere Goldmünzen. Statt sie auszuhändigen, steckt er sie ein und verkauft sie später im Internet. 8.2 Schadensersatz wegen Nichtleistung oder Schlechtleistung, § 281 BGB Wie bereits bei § 280 BGB angekündigt, besteht die Möglichkeit, dass zusammen mit § 280 BGB noch weitere Normen einem Gläubiger einen Schadensersatzanspruch gewähren. Das ist insbesondere im Fall der Nicht- oder Schlechtleistung gegeben. Hier sind zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 280 BGB die des § 281 BGB zu prüfen. 8.2.1 Schadensersatz wegen Nichtleistung, § 281 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Eine Nichtleistung im Sinne des § 281 BGB liegt vor, wenn der Schuldner zwar grundsätzlich leisten könnte, aber im konkreten Fall - im Verhältnis zum Gläubiger - seine Leistung nicht erbringen kann oder will. <?page no="142"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 143 fit-lernhilfen.de Prüfungsschema Schadensersatz wegen Nichtleistung, §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung: Nichterbringung der möglichen Leistung bei Fälligkeit 3. Fristsetzung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung, ggfs. Fristablauf 4. Vertretenmüssen: keine Erbringung der Leistung nach Fristsetzung Bei diesem Prüfungsschema handelt es sich grundsätzlich um das des § 280 BGB. Allerdings kommt als weiterer Prüfungspunkt die Fristsetzung bzw. deren Entbehrlichkeit ins Spiel. Weiterhin reichen nicht alle möglichen Formen einer Pflichtverletzung aus, sondern es muss sich dabei um die Nichterbringung einer möglichen Leistung handeln. Bei dem bestehenden Schuldverhältnis kann es sich - wie schon zuvor - vor allem um ein Vertragsverhältnis handeln. Bei der Pflichtverletzung kommt es darauf an, ob der Schuldner eine mögliche Leistung bei Fälligkeit nicht erbringt. Die Leistung muss also zunächst einmal fällig sein. Gemeint ist damit, ab wann durch den Schuldner geleistet werden muss. Im Gesetz findet sich keine Definition zum Begriff der Fälligkeit. Allerdings enthält § 271 BGB eine entsprechende Regelung. Er erklärt, wann eine Leistung fällig ist, was sich anhand von drei Stufen ermitteln lässt: Zunächst ist zu fragen, was über die Leistungszeit vereinbart wurde („… eine Zeit für die Leistung ... bestimmt…“). Im Vertrag wurde niedergelegt, dass die Leistung am 31. Oktober zu erbringen ist. Fehlt solch eine Vereinbarung, ist anhand der Umstände zu ermitteln, wann die Fälligkeit eintritt („… aus den Umständen zu entnehmen…“). <?page no="143"?> 144 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Bei A ist ein Wasserrohr geplatzt. Die halbe Wohnung steht schon unter Wasser. Er ruft einen Klempner an, der ihm zusagt, die Reparatur zu übernehmen. Nach den Umständen ist hier von einer sofortigen Fälligkeit auszugehen. Lässt sich auch anhand der Umstände nicht entnehmen, wann der Anspruch fällig sein soll, geht § 271 BGB davon aus, dass es sofort sein soll („… sofort verlangen…“). Neben der Fälligkeit gibt es noch einen weiteren Begriff: die Erfüllbarkeit. Während die Fälligkeit beschreibt, ab wann der Schuldner leisten muss, beinhaltet die Erfüllbarkeit die Frage, ab wann der Schuldner leisten kann. Nach § 271 BGB ist das letztlich ebenfalls sofort („… der Schuldner sie sofort bewirken.“). A und B haben vereinbart, dass die Leistung spätestens am 31. Oktober zu erbringen ist. In diesem Fall ist sie spätestens am 31. Oktober fällig. Erfüllbar ist sie hier aber schon vor diesem Termin. Für den Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB geht es allerdings nur um die Frage der Fälligkeit. Die Leistung muss auch möglich sein. Das bedeutet, dass der Schuldner in der Lage sein muss, die Leistung überhaupt erbringen zu können. Das ist dann nicht der Fall, wenn Unmöglichkeit eingetreten ist (zur Unmöglichkeit siehe Seite 160). Liegt eine Unmöglichkeit vor, ist das kein Fall der Nichtleistung im Sinne des § 281 BGB. Denn § 281 BGB geht davon aus, dass die Leistung für den Schuldner noch möglich ist. Dann darf kein Schadensersatzanspruch nach § 281 BGB, sondern muss einer nach § 283 BGB geprüft werden. Der nächste Prüfungspunkt ist die Fristsetzung. Hier muss also der Gläubiger dem Schuldner eine Frist vorgeben, bis zu der jener spätestens die - bereits fällige - Leistung zu erbringen hat. Dabei liegt die Frist zwangsläufig hinter dem Zeitpunkt der Fälligkeit. <?page no="144"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 145 fit-lernhilfen.de Mit der Frist im Sinne des § 281 BGB ist nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit gemeint! Wurde eine Frist gesetzt, so ist Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch, dass sie auch fruchtlos abgelaufen ist. Der Schuldner hat also innerhalb der Frist keine Leistung erbracht. Die Fristsetzung kann aber auch entbehrlich sein. Das ist nach § 281 Abs. 2 BGB der Fall, wenn eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung seitens des Schuldners vorliegt. A hat gegenüber B erklärt, er werde unter keinen Umständen das gekaufte Bild liefern. Er werde es für sich behalten. Die Frist ist auch entbehrlich, wenn nach besonderen Umständen bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches gerechtfertigt ist. A kauft sich bei B ein Pferd. Allerdings wurde A von B über den Gesundheitszustand des Pferdes arglistig getäuscht. Zum Schluss ist noch das Vertretenmüssen zu prüfen. Im Falle der Nichtleistung liegt es dann vor, wenn der Schuldner trotz Fristsetzung die geschuldete Leistung nicht erbringt. 8.2.2 Schadensersatz wegen Schlechtleistung, § 281 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB Der Unterschied zwischen Nichtleistung und Schlechtleistung liegt darin, dass bei der Nichtleistung gar keine Leistung erbracht wird. Dagegen wird bei der Schlechtleistung zwar geleistet, aber nicht so, wie es im Vertrag vereinbart wurde. Die Leistung ist somit nicht ordnungsgemäß. Prüfungsschema Schadensersatz wegen Schlechtleistung, §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung: Erbringung einer Leistung „nicht wie geschuldet“ <?page no="145"?> 146 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 3. Fristsetzung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung, ggfs. Fristablauf 4. Vertretenmüssen: keine Erbringung einer ordnungsgemäßen Leistung Hinsichtlich der einzelnen Prüfungspunkte ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zur Nichtleistung. Hier ist auch ein bestehendes Schuldverhältnis erforderlich. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die Leistung nicht wie geschuldet erbracht wurde; sie also nicht ordnungsgemäß ist. Das ist einerseits der Fall, wenn sie aus qualitativer Sicht einen Mangel aufweist. Eine Aushilfe in einem Supermarkt räumt die Regale falsch ein. Sofern bei einem Kauf- oder Werkvertrag die Leistung mangelhaft ist, gehen die dortigen Regelungen vor. Das sind für den Kaufvertrag §§ 434 ff. BGB und für den Werkvertrag §§ 633 ff. BGB. Eine Pflichtverletzung liegt andererseits vor, wenn eine andere Leistung als die vereinbarte erbracht wird. A und B schließen einen wirksamen Schenkungsvertrag. Darin verpflichtet sich A zur Übereignung eines Autos. Als es zur Fälligkeit kommt, bringt A allerdings kein Auto, sondern ein Motorrad vorbei. Weiterhin ist auch hier eine Fristsetzung erforderlich. Als A statt mit einem Auto mit dem Motorrad vor B steht, sagt B: „Ich gebe Dir eine Woche Zeit, das Auto zu liefern.“ Alternativ kann die Frist entbehrlich sein. Eine gesetzte Frist muss fruchtlos abgelaufen sein. Letztlich ist noch das Vertretenmüssen zu prüfen. Bei der Schlechtleistung liegt es vor, wenn der Schuldner die Erbringung einer mangelhaften Leistung zu vertreten hat. <?page no="146"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 147 fit-lernhilfen.de 8.3 Schadensersatz bei der Verletzung von Schutzpflichten Zu den Pflichten aus einem Schuldverhältnis zählen auch die sog. Nebenpflichten. Sie umfassen Schutzpflichten und verpflichten einen Vertragspartner, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Anderen Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Da das Gesetz diese Pflichten nicht näher umreißt, hat die Rechtsprechung hier zu einer Konkretisierung beigetragen. So gibt es zunächst Schutzpflichten bei der Abwicklung eines Schuldverhältnisses. In deren Rahmen hat der Schuldner den Körper, das Leben, das Eigentum und ähnliche Rechtsgüter zu schützen. Handwerker A beschädigt beim Betreten des Bades mit seinem Werkzeugkasten die Badewanne seines Auftraggebers. Dann gibt es sog. Offenbarungspflichten. Hier hat der Schuldner unaufgefordert über für den Gläubiger wichtige Umstände aufzuklären. Die Stromwerke S planen schon seit Wochen den Austausch eines Schaltkastens. Dazu müssen sie für einen Tag den Strom abschalten. Dabei erleidet der Betreiber eines Kühlhauses einen Schaden. Im Rahmen von Mitwirkungspflichten kann für einen Vertragspartner die Pflicht bestehen, bei der Vornahme der Leistungshandlung mitzuwirken. Besonders wichtig ist das, wenn es um die Beantragung behördlicher Genehmigungen geht. X hat beim Y, der Hersteller von Windenergieanlagen ist, die Errichtung eines Windrades beauftragt. Hierfür muss aber X die Genehmigung beantragen, was er allerdings nicht macht. Deshalb kann Y die Anlage nicht errichten. Letztlich existieren noch die sog. Leistungstreuepflichten. Sie verpflichten die Vertragsparteien, den Vertragszweck nicht zu beeinträchtigen. <?page no="147"?> 148 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Vermieter V kündigt seinem Mieter M wegen Eigenbedarfs mit der Behauptung, er wolle die Wohnung nunmehr selbst nutzen. Später stellt sich heraus, dass er nur gekündigt hat, um sie teurer weitervermieten zu können. 8.3.1 Schadensersatz neben der Leistung, §§ 280, 241 Abs. 2 BGB Verletzt ein Schuldner eine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, nämlich insbesondere ein Rechtsgut des Gläubigers, so ist er ihm zum Schadensersatz verpflichtet. A rutscht beim Einkauf im Supermarkt des B auf einer Bananenschale aus und bricht sich die Schulter. Prüfungsschema Schadensersatz wegen Schlechtleistung, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung: Verletzung einer Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB 3. Vertretenmüssen Für einen Schadensersatzanspruch bei der Verletzung einer Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB ist zunächst ein bestehendes rechtsgeschäftliches oder gesetzliches Schuldverhältnis erforderlich. Weiterhin muss gegen eine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen werden und diesen Verstoß muss der Schuldner auch zu vertreten haben. 8.3.2 Schadensersatz statt der Leistung, §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 282 BGB Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB derart, dass dem Gläubiger die Leistung nicht mehr zugemutet werden kann, so kann er Schadensersatz statt der Leistung verlangen. In diesem Fall ersetzt der Schadensersatz sozusagen die Leistung. <?page no="148"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 149 fit-lernhilfen.de Prüfungsschema Schadensersatz wegen Schlechtleistung, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung: Verletzung einer Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB 3. Vertretenmüssen 4. Unzumutbarkeit einer weiteren Leistung durch den Schuldner Neben dem bestehenden Schuldverhältnis, der Pflichtverletzung und dem Vertretenmüssen muss hier noch ein zusätzlicher Aspekt hinzutreten: Die Erbringung einer weiteren Leistung durch den Schuldner muss für den Gläubiger unzumutbar sein. Daran sind allerdings sehr hohe Anforderungen zu stellen. Das ist dann der Fall, wenn zwischen beiden Vertragsparteien eine grundlegende Störung des Vertrauensverhältnisses gegeben ist. A muss B 500 Stahlrohre mit einer bestimmten Qualität liefern. A weiß, dass er die Anforderungen nicht einhalten kann; seine Rohre sind schlechter. Damit das nicht auffällt, versucht er die Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle des B zu bestechen. Als B das erfährt, beendet er sofort den Vertrag mit A und kauft die Rohre zu einem höheren Preis bei X. 8.4 Schuldnerverzug, §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB Erbringt der Schuldner seine Leistung nicht rechtzeitig, so kann für den Gläubiger in dieser Verzögerung ein Schaden entstehen. Er muss bspw. die Zeit zwischen Fälligkeit und der Leistung durch den Schuldner überbrücken. Oder der Gläubiger muss selbst an einen seiner Kunden liefern und der Kunde macht nun einen Schaden geltend. In diesem Fall steht dem Gläubiger ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB zu. <?page no="149"?> 150 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Prüfungsschema Schadensersatz wegen Schuldnerverzugs, §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnisses 2. Fälliger (Erfüllungs-) Anspruch 3. Nichtleistung trotz Fälligkeit 4. Nichtleistung trotz Möglichkeit der Leistung 5. Mahnung oder deren Entbehrlichkeit 6. Vertretenmüssen 8.4.1 Bestehendes Schuldverhältnis Zunächst ist für den Schuldnerverzug erforderlich, dass zwischen ihm und dem Gläubiger ein Schuldverhältnis besteht. Ob es sich dabei um ein gesetzliches oder vertragliches handelt, spielt keine Rolle. 8.4.2 Fälliger (Erfüllungs-) Anspruch Dann muss ein fälliger Anspruch des Gläubigers gegenüber dem Schuldner vorliegen (siehe zur Fälligkeit Seite 143 f.). Der Gläubiger muss also überhaupt etwas fordern können. 8.4.3 Nichtleistung trotz Fälligkeit Trotz der Fälligkeit hat der Schuldner nicht geleistet. Es kommt hier also nicht darauf an, ob die Leistung erfüllbar ist. Entscheidend ist, ob die Fälligkeit eingetreten ist und der Schuldner dennoch nicht geleistet hat. 8.4.4 Nichtleistung trotz Möglichkeit der Leistung Weiterhin muss der Schuldner nicht geleistet haben, obwohl die Leistung fällig und sie für ihn möglich ist. Dieses Kriterium ist zur Abgrenzung gegenüber der Unmöglichkeit notwendig (zur Unmöglichkeit siehe Seite 168 ff.). Ist die Leistung schon nicht möglich, so kann der Schuldner auch nicht in Verzug geraten. <?page no="150"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 151 fit-lernhilfen.de 8.4.5 Mahnung oder deren Entbehrlichkeit Weiterhin ist eine Mahnung erforderlich. Sie kann nach § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich sein. Sie hat die Aufgabe, dem Schuldner unmissverständlich aufzufordern, die Leistung zu erbringen. Mahnung An den Schuldner gerichtete eindeutige und bestimmte Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung unverzüglich zu erbringen. Ein wichtiger Bestandteil der Mahnung ist also, dass der Schuldner dadurch eindeutig zur Leistung auffordert. Weiterhin muss sie so präzise formuliert sein, dass für den Schuldner erkennbar ist, welche Leistungshandlung jetzt von ihm verlangt wird. Die Mahnung enthält regelmäßig auch eine Frist, bis der spätestens zu erfüllen ist. Ich fordere Sie auf, bis spätestens 31. Juli den Betrag in Höhe von 600 Euro zu zahlen. § 286 Abs. 2 BGB regelt verschiedene Fälle, in denen die Mahnung entbehrlich ist. Das ist zunächst einmal dann der Fall, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gemeint ist damit, dass bereits im Vertrag ein konkretes Datum festgelegt wurde. Die Lieferung des Wagens hat spätestens zum 31. Dezember zu erfolgen. Möglich ist auch, den Termin nicht konkret festzulegen, sondern ihn von einem bestimmten Zeitpunkt an zu berechnen. Die Lieferung des Wagens hat spätestens drei Wochen nach Ostern zu erfolgen. Ähnlichen Inhalt hat § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Nach dieser Regelung ist die Leistungszeit in Abhängigkeit von einem bestimmten Ereignis zu bestimmen. Das hilft gerade dort, wo bei Vertragsschluss noch gar nicht feststeht, wann konkret dieser Umstand eintreten wird und ob er überhaupt eintritt. <?page no="151"?> 152 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Die Kaution ist spätestens drei Wochen nach Rückgabe der Mietsache auszuzahlen. Liegt durch den Schuldner eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung vor, so ist nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ebenfalls keine Mahnung erforderlich. Das ist dann der Fall, wenn der Schuldner unmissverständlich erklärt, dass er die Leistung unter keinen Umständen erbringen wird. B ruft A an und teilt ihm mit, dass er nicht kommen werde, um ihm das Dach zu reparieren, da könne sich A „auf den Kopf stellen“. A solle sich einen anderen Handwerker suchen. Weiterhin ist die Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen von Schuldner und Gläubiger ein sofortiger Verzugseintritt gerechtfertigt ist. Hierzu zählt bspw. die sog. Selbstmahnung. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Schuldner die Leistung selbst fällig stellt und dem Gläubiger zusagt, er werde sie alsbald erbringen. Unter die Regelung fällt auch die Konstellation, in der die Leistung wegen der Eigenart des Vertrages besonders dringlich ist oder der Schuldner den Zugang der Mahnung (bewusst) verhindert. Für die Entbehrlichkeit der Mahnung gibt es noch einen Sonderfall, der in § 286 Abs. 3 BGB geregelt ist. Danach kommt der Schuldner bei einer Entgeltforderung - ohne dass es einer Mahnung bedarf - spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung in Verzug. Das Gesetz meint mit dem Begriff der Entgeltforderungen eine Forderung auf Zahlung eines Entgeltes für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen. Natürlich kann der Verzug auch bereits früher eintreten, wenn hierzu andere Umstände vorliegen, denn das Gesetz spricht hier von „spätestens“. Eine Einschränkung kennt § 286 Abs. 3 BGB allerdings: Seine Rechtsfolgen treten gegenüber einem Verbraucher (§ 13 BGB) nur dann ein, wenn darauf in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung gesondert hingewiesen wurde (§ 286 Abs. 3 S. 1 Halbss. 2 BGB). Ist das nicht der Fall, so ist weiterhin eine Mahnung erforderlich. <?page no="152"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 153 fit-lernhilfen.de 8.4.6 Vertretenmüssen Letztlich muss der Schuldner den Verzug zu vertreten haben. Das Vertretenmüssen wird hier wie bei § 281 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Der Schuldner muss also nachweisen, dass er den Verzug nicht zu verantworten hat. Die Frage des Verschuldens richtet sich nach den allgemeinen Regeln, also nach §§ 276 ff. BGB. 8.4.7 Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs Die wesentliche Rechtsfolge beim Schuldnerverzug ist der Ersatz des Verzögerungsschadens. Daneben kennt der Verzug noch Besonderheiten. Bei der verspäteten Leistung einer Geldschuld (z. B. bei der Zahlung des Kaufpreises), richtet sich der zu ersetzende Schaden nach den Verzugszinsen. Sie sind in § 288 BGB geregelt. Die Zinsen stellen bei einer Geldschuld einen pauschalierten Schaden dar. Auch derjenige, der überhaupt keinen Zinsschaden hat oder sein Geschäft zu einem geringeren Satz finanziert, kann sie in der gesetzlichen Höhe beanspruchen. Die Höhe der Verzugszinsen ist abhängig vom sog. Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB), der zweimal im Jahr ermittelt und veröffentlicht wird. Um die Zinshöhe zu ermitteln, werden dem aktuellen Basiszinssatz fünf Prozentpunkte aufgeschlagen. Der Basiszinssatz beträgt bspw. 1,25 Prozent. Somit ergibt sich ein Verzugszinssatz in Höhe von 6,25 Prozent. Der Verzugszinssatz ist höher, wenn an dem Geschäft kein Verbraucher (§ 13 BGB) beteiligt ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es zwischen zwei Unternehmen (§ 14 BGB) abgeschlossen wurde. Dann beläuft sich der Zinssatz auf acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB). Unabhängig von diesen Regelungen hat der Gläubiger nach § 288 Abs. 3 BGB die Möglichkeit, einen höheren Zinssatz für den Fall eines Verzuges zu vereinbaren. Weiterhin hindert die Geltendmachung der Verzugszinsen den Gläubiger nicht daran, den Ersatz eines weitergehenden Schadens zu fordern (§ 288 Abs. 4 BGB). § 289 BGB enthält daneben noch ein Zinseszinsverbot und soll verhindern, dass auf Verzugszinsen nochmals Zinsen zu entrichten sind. <?page no="153"?> 154 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Der Verzug bringt noch weitere Folgen mit sich: Das ist zunächst die Haftungsverschärfung nach § 287 BGB. Nach dessen Satz 1 haftet der Schuldner für jede Fahrlässigkeit, auch wenn eine Haftungserleichterung für ihn gilt. Aber die Verschärfung ist noch weitgehender. § 287 S. 2 BGB ordnet eine Haftung auch für Zufall an. Damit ist auch die höhere Gewalt umfasst, was eine erhebliche Ausweitung der Haftung mit sich bringt. Lediglich bei einem Eintritt des Schadens auch bei rechtzeitiger Leistung trifft den Schuldner nach § 287 Satz 2 Halbss. 2 BGB nicht die Haftung für Zufall. A und B lagern ihre Waren in derselben Halle. A hätte schon vor Wochen B 500 Fernseher liefern sollen. Dazu hätte es ausgereicht, wenn er von seiner Seite der Halle die Geräte auf die andere Seite der Halle zu A gebracht hätte. In der vierten Woche des Verzuges schlägt ein Blitz in die Halle ein, die völlig abbrennt. 8.5 Gläubigerverzug, §§ 293 ff. BGB Neben dem Schuldner kann auch der Gläubiger in Verzug geraten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er die Leistung, die der Schuldner im anbietet, nicht abnimmt. Deshalb wird in diesem Fall auch vom Annahmeverzug gesprochen. Ausschlaggebend ist somit, dass der Gläubiger eine Mitwirkungshandlung, die für die Abwicklung des Vertrages notwendig ist, nicht vornimmt. Allerdings handelt es sich beim Gläubigerverzug nicht um eine Pflichtverletzung. Wenn er aber die Annahme unterlässt, dann verletzt er eine Obliegenheit. Daran sind für ihn negative Folgen geknüpft. Andererseits ist auf Seiten des Gläubigers kein Verschulden erforderlich. Prüfungsschema Gläubigerverzug, §§ 293 ff. BGB 1. Berechtigung des Schuldners zur Leistung 2. Leistungsbereitschaft des Schuldners 3. Angebot der Leistung 4. Nichtannahme der Leistung <?page no="154"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 155 fit-lernhilfen.de 8.5.1 Berechtigung des Schuldners zur Leistung Voraussetzung für den Gläubigerverzug ist zunächst, dass der Schuldner überhaupt berechtigt ist, die Leistung zu erbringen. Das ist dann der Fall, wenn der Anspruch erfüllbar ist (zur Erfüllbarkeit siehe Seite 144). In diesem Fall ist der Schuldner zu Leistung berechtigt. Darf er allerdings noch gar nicht leisten, so kann der Gläubiger nicht in Verzug geraten. Ist die Leistung erfüllbar, so stellt sich die Frage, ob der Schuldner jederzeit leisten kann. Er könnte dann nachts um 3 Uhr vor der Tür des Gläubigers stehen. Öffnet dieser nicht, könnte sich der Schuldner auf dessen Verzug berufen. Deshalb regelt § 299 BGB, dass beim Gläubiger kein Verzug eintreten kann, wenn nur eine vorübergehende Annahmeverhinderung vorliegt. Anders sieht es jedoch aus, wenn der Schuldner seine Leistung bereits eine angemessene Zeit vor angekündigt hat. Dann liegt ein Verzug beim Gläubiger vor. In diesem Fall wusste er, wann die Leistung erbracht werden soll. A schreibt B einen Brief und teilt ihm mit, dass am Mittwoch in zwei Wochen der neue Wohnzimmerschrank geliefert wird. Gerade an diesem Tag ist B aber nicht vor Ort. B hatte A auch nicht über seine Abwesenheit unterrichtet. 8.5.2 Leistungsbereitschaft des Schuldners Der Schuldner muss ferner zur Leistung bereit sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Leistung für den Schuldner unmöglich ist (zur Unmöglichkeit siehe Seite 160 ff.). Dann kann der Schuldner dem Gläubiger die Leistung schon gar nicht anbieten. Das Angebot geht ins Leere, wenn er nicht leisten kann. Der Gläubigerverzug kann auch nicht eintreten, wenn der Schuldner vorübergehend außerstande ist, die Leistung zu erbringen (§ 297 BGB). Am Tag der geplanten Lieferung ist der Schuldner plötzlich erkrankt. <?page no="155"?> 156 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Ferner ist im Rahmen der Leistungsbereitschaft erforderlich, dass der Schuldner den ernsthaften Willen hat, die Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. 8.5.3 Angebot der Leistung Wesentliches Kriterium des Gläubigerverzuges ist, dass dem Gläubiger die Leistung angeboten wird. Dabei kann das Angebot in verschiedenen Formen erklärt werden. Mit dem Begriff „Angebot“ ist nicht das Angebot auf Abschluss eines Vertrages gemeint. „Angebot“ besagt hier, dass der Schuldner die versprochene Leistung erbringen will, er also „vor dessen Tür steht“ und liefern möchte. 8.5.3.1 Tatsächliches Angebot, § 294 BGB Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass ein tatsächliches Angebot im Sinne des § 294 BGB zu erfolgen hat. Gemeint ist damit, dass der Schuldner die Leistung dem Gläubiger so anbietet, wie sie vereinbart war. Das bedeutet, dass ausschließlich die geschuldete Leistung angeboten werden kann. Der Schuldner muss also die Leistung erbringen wollen. Die Erfüllung kann er nicht durch die Erbringung einer ganz anderen Leistung bewirken. A hat bei B einen Kaufvertrag über einen Kühlschrank geschlossen. B hat aber das vereinbarte Modell nicht vorrätig. Deshalb überreicht er A einen Gutschein für seinen nächsten Einkauf in Höhe des Wertes des Kühlschranks. Die Leistung muss auch dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen, also ordnungsgemäß sein im Hinblick auf Art, Qualität und Menge. B liefert anstatt eines Kühlschrankes eine Gefriertruhe. X liefert statt Porzellan der 1. Wahl, solches der 2. Wahl. Z liefert statt 30 Rohren nur 15 Stück. Das Angebot muss auch hinsichtlich der Umstände der zu erbringenden Leistung ordnungsgemäß erfolgen. Die Leistung muss also <?page no="156"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 157 fit-lernhilfen.de zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Weise angeboten werden. A hat bei B bereits am Vortag ein Taxi angefordert. A möchte den Zug um 15: 10 Uhr erreichen. Die Fahrzeit zum Bahnhof beträgt etwa 20 Minuten. Bereits um 12 Uhr klingelt der Taxifahrer bei A, der gerade duscht. G hat einen Fernseher bei S bestellt. Da er selten zuhause ist, gibt er bei der Bestellung als Lieferadresse seine Büroanschrift an. Die Rechnungsadresse ist seine Privatanschrift. Das ignoriert S und liefert das Gerät zur Wohnung des G, der noch im Büro ist. X hat bei Z einen Rasenmäher gekauft. Als dieser geliefert wird, stellt sich heraus, dass es ein Bausatz ist, was so nicht vereinbart war. X verweigert die Annahme. 8.5.3.2 Wörtliches Angebot, § 295 BGB Zwar ist das tatsächliche Angebot nach dem Gesetz der Regelfall. Unter bestimmten Umständen reicht aber schon ein wörtliches Angebot. Das bedeutet, dass der Schuldner nicht mit der Leistung „vor der Tür“ des Gläubigers stehen muss, sondern ihm mündlich oder schriftlich die Leistung anbietet. Nach § 295 BGB gibt es hierfür zwei Fälle: Zunächst reicht ein wörtliches Angebot aus, wenn der Gläubiger gegenüber dem Schuldner erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde (§ 295 S. 1 Alt. 1 BGB). A hat bei B ein Gemälde bestellt. Über die Ausführung der Arbeit haben beide keine besonderen Vereinbarungen getroffen. Als B mit dem Bild fast fertig ist, besucht ihn A. A ist schockiert, denn er hatte sich das Werk ganz anders vorgestellt und erklärt deshalb B, dass er es unter keinen Umständen abnehmen werde. Der zweite Fall befasst sich mit der Vornahme einer durch den Gläubiger erforderlichen Mitwirkungshandlung (§ 295 S. 1 Alt. 2 BGB). Hier ist der Schuldner schließlich abhängig vom Gläubiger. <?page no="157"?> 158 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Der eine kann die Leistung nicht erbringen, wenn der andere nicht die von ihm geforderte Handlung ausführt. A schließt einen Kaufvertrag über ein Kleid. Sie konnte sich aber nicht entscheiden, welche Farbe sie nehmen soll - rot oder schwarz. Deshalb vereinbart sie mit der Verkäuferin, sie werde sich in den nächsten Tagen melden. Nach zwei Wochen ruft die Verkäuferin bei A an und erfährt, dass sie sich noch immer nicht entscheiden konnte. In diesem Zusammenhang besagt § 295 Satz 2 BGB, dass allein die Aufforderung an den Gläubiger, seine Mitwirkungshandlung vorzunehmen, für den Gläubigerverzug ausreicht. Erfolgt diese Aufforderung, ist ein weiteres Angebot nicht notwendig. 8.5.3.3 Entbehrlichkeit des Angebots, § 296 BGB Ein Angebot ist nicht erforderlich, wenn für die Mitwirkungshandlung des Gläubigers eine feste Zeit bestimmt war und er die Handlung nicht zu diesem Termin vornimmt. Zwischen A und der Verkäuferin des Kleides war vereinbart, dass sie sich innerhalb einer Woche nach dem Kauf meldet und die gewünschte Farbe mitteilt, was aber nicht geschah. § 296 Satz 2 BGB regelt den Fall, dass bei Vertragsschluss noch kein konkreter Zeitpunkt festgelegt werden konnte und sich der Termin der Mitwirkungshandlung in Abhängigkeit von einem anderen Ereignis bestimmen lässt. 8.5.3.4 Nichtannahme der Leistung Letzte Voraussetzung für den Gläubigerverzug ist, dass die Leistung ganz oder teilweise nicht angenommen oder die Mitwirkungshandlung unterlassen wird. Auf den Grund der Nichtannahme kommt es dabei nicht an. Deshalb ist für den Gläubigerverzug auch kein Vertretenmüssen erforderlich. 8.5.3.5 Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs Da es sich beim Gläubigerverzug nur um eine Verletzung von Obliegenheiten auf Seiten des Gläubigers handelt, entsteht daraus <?page no="158"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 159 fit-lernhilfen.de kein Schadensersatzanspruch. Allerdings ergeben sich für den Gläubiger dennoch negative Konsequenzen. Haftungserleichterung für den Schuldner, § 300 Abs. 1 BGB Für den Schuldner bedeutet der Verzug des Gläubigers ein besonderes Risiko: Er hat zwar die seinerseits erforderliche Handlung vorgenommen, kann aber dennoch nicht die Leistung erbringen. Das Risiko besteht für ihn darin, dass er ohne sein Verschulden die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals anbieten muss. A möchte - wie vereinbart - am Freitag ein Original-Gemälde liefern. Dennoch ist B nicht zuhause. Unverrichteter Ding kehrt A wieder um. Auf der Rückfahrt missachtet er die Vorfahrt. Beim Zusammenstoß wird das Bild zerstört. In diesem Fall haftet der Schuldner nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Er kann nichts dafür, dass er die Leistung nicht erbringen konnte. Wäre der Gläubigerverzug nicht eingetreten, hätte er schon längst leisten können und müsste jetzt kein zusätzliches Risiko tragen. Übergang der Leistungsgefahr, § 300 Abs. 2 BGB Der Schuldner kann sich auf eine weitere Erleichterung berufen: Hat er eine Gattungsschuld zu leisten und gerät dabei der Gläubiger in Annahmeverzug, so geht die Leistungsgefahr nach § 300 Abs. 2 BGB auf den Gläubiger über. Unter dem Begriff der Leistungsgefahr ist die Gefahr des Schuldners zu verstehen, bei einem zufälligen Untergang des Leistungsgegenstandes noch einmal leisten zu müssen ohne hierfür nochmals den Kaufpreis beanspruchen zu können. A und B haben vereinbart, dass B am Montag einen Kühlschrank liefern soll. A ist aber nicht vor Ort und B muss deshalb das Gerät wieder mitnehmen. Über Nacht brennt die Lagerhalle des B wegen eines Blitzschlages aus. Dabei wird auch der Kühlschrank zerstört. Das bedeutet also, dass bei einem zufälligen Untergang einer Gattungsschuld der Schuldner kein zweites Mal leisten muss. Dennoch kann er den vollständigen Kaufpreis fordern, was sich aus § 326 <?page no="159"?> 160 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB ergibt. Somit trägt der Gläubiger auch die Preisgefahr. Gemeint ist damit das Risiko, trotz zufälligen Untergangs des Leistungsgegenstandes dennoch die Gegenleistung erbringen zu müssen. Ersatz von Mehraufwendungen, § 304 BGB Durch das erfolglose Angebot werden dem Schuldner regelmäßig Kosten entstehen. Er muss den Gegenstand zum Gläubiger transportieren. Weiterhin hat er meist Aufbewahrungs- und ähnliche Kosten. Diese kann er vom Gläubiger verlangen. Dabei handelt es sich nicht um einen Schadensersatz-, sondern um einen Aufwendungsersatzanspruch, der kein Verschulden voraussetzt. Unterschied hierbei ist, dass Aufwendungen durch den Schuldner freiwillig getätigt werden, während ein Schaden unfreiwillig ist. 8.6 Unmöglichkeit der Leistung, §§ 275 ff. BGB Kann der Schuldner die Leistung dauerhaft nicht erbringen, bspw. weil das zu liefernde Bild verbrannt ist, so muss geklärt werden, was aus den vertraglichen Pflichten der beiden Parteien wird. 8.6.1 Ausschluss der Leistungspflicht Zunächst ist also zu fragen, ob der Schuldner überhaupt noch zur Leistung verpflichtet ist. Das kann vielleicht noch der Fall sein, wenn nur er nicht leisten kann, aber eine andere Person schon. Problematisch wird es vor allem in den Fällen, in denen der Gegenstand nur ein einziges Mal existierte. Ein Beispiel hierfür ist das Original eines Bildes. Zwar könnte der Schuldner das Bild noch einmal malen lassen. Aber letztlich handelt es sich dann doch um ein anderes und nicht mehr dasselbe Bild. Deshalb regelt § 275 BGB, dass der Schuldner im Falle der Unmöglichkeit von seiner Leistung frei wird, er also nicht mehr leisten muss. Bei der Unmöglichkeit wird einerseits danach unterschieden, ob sie nur den Schuldner oder jedermann trifft. Andererseits kommt es darauf an, ob die Unmöglichkeit vor oder nach dem <?page no="160"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 161 fit-lernhilfen.de Vertragsschluss eingetreten ist. Die einzelnen Formen der Unmöglichkeit sind vor allem dann wichtig, wenn es um die Voraussetzungen für den Schadensersatz geht. Die sog. objektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn nicht nur der Schuldner, sondern niemand mehr die Leistung erbringen kann. Das Louvre-Museum verkauft die Mona Lisa an ein anderes Museum. Während des Transportes zum Käufer verbrennt das Gemälde. In diesem Fall kann niemand mehr das Werk liefern, weder der Schuldner, noch eine andere Person. Anders sieht es aus bei der subjektiven Unmöglichkeit, die auch als Unvermögen bezeichnet wird. Sie liegt vor, wenn nur der Schuldner nicht leisten kann, aber es eine oder mehrere andere Personen gibt, die die Leistung erbringen könnten. Kurz vor der Auslieferung der Mona Lisa an den Käufer wird das Gemälde gestohlen. Zwar kann das Museum nicht leisten, aber der Dieb kann es. Weiterhin ist noch zeitlich zu unterscheiden. Abgegrenzt wird nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Tritt die Unmöglichkeit vor dem Vertragsschluss ein, so liegt eine anfängliche Unmöglichkeit vor. A verkauft an B am Montag ein Gemälde, das sich in der Jagdhütte des A befindet. Als er am Dienstag das Bild holen will, muss er feststellen, dass die Hütte bereits am Sonntag ausgebrannt ist. Ereignet sich das Leistungshindernis erst nach dem Abschluss des Vertrages, so handelt es sich um eine nachträgliche Unmöglichkeit. A und B treffen sich am Montag in der Jagdhütte des A. Dort verkauft A ein Bild an B. In der Nacht zum Dienstag brennt die Jagdhütte aus. Daneben gibt es eine weitere Unterscheidung, die auf die Ursachen für die Unmöglichkeit abstellt. So gibt es zunächst die physische Unmöglichkeit. Sie liegt vor, wenn die Leistung aus rein tatsächli- <?page no="161"?> 162 Zivilrecht fit-lernhilfen.de chen Gründen nicht erbracht werden kann. Dabei handelt es sich um eine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB. Das verkaufte Bild ist verbrannt. Ebenfalls dem § 275 Abs. 1 BGB unterfällt die sog. juristische Unmöglichkeit. Hier kann die Leistung zwar aus tatsächlichen aber nicht aus juristischen Gründen erbracht werden. Die Übereignung einer Sache ist verboten. Von § 275 Abs. 2 BGB wird die sog. faktische Unmöglichkeit geregelt. Sie ist gegeben, wenn die Leistungserbringung zwar sowohl aus tatsächlichen wie auch juristischen Gründen möglich ist. Der Aufwand, der damit verbunden ist, steht allerdings in keinem Verhältnis mehr zum Leistungsinteresse des Gläubigers. Ein Goldring liegt in 11 Kilometern Tiefe auf dem Meeresgrund. Die Bergung des Ringes würde Unsummen verschlingen. Dann gibt es die psychische Unmöglichkeit, die von § 275 Abs. 3 BGB abgedeckt wird. Dem Schuldner ist in diesem Fall die von ihm persönlich zu erbringende Leistung nicht zumutbar. Das Kind einer Opernsängerin ist krank. Sie weigert sich daher, an diesem Abend aufzutreten. In all diesen Fällen wird der Schuldner von seiner Leistung frei. Bei § 275 Abs. 1 BGB ist sie schon kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der Schuldner muss sich also gar nicht darauf berufen. Das aber ist bei § 275 Abs. 1 und Abs. 2 BGB der Fall. Hier muss der Schuldner vorbringen, dass die Leistung für ihn unmöglich ist. Daneben gibt es noch die sog. wirtschaftliche Unmöglichkeit, die aber keinen Fall des § 275 BGB darstellt. Sie liegt vor, wenn die Leistung zwar möglich ist, aber dem Schuldner aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zugemutet werden kann. Unterschied zwischen der faktischen und wirtschaftlichen Unmöglichkeit ist, dass die letzte unterhalb der Schwelle der faktischen Unmöglichkeit liegt. Die wirtschaftliche Unmöglichkeit wird nicht nach § 275 BGB, sondern über § 313 Abs. 1 BGB gelöst. A hat den Wagen des B beschädigt. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 150 Prozent des Wertes des Autos. <?page no="162"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 163 fit-lernhilfen.de 8.6.2 Weitere Rechtsfolgen bei Unmöglichkeit Die Unmöglichkeit bedeutet für den Schuldner nicht nur, dass er von seiner Leistungspflicht befreit wird. Ihn treffen weitere - für ihn negative - Folgen. Welche das sind, ergibt sich aus dem Verweis in § 275 Abs. 4 BGB. 8.6.2.1 Schadensersatz bei anfänglicher Unmöglichkeit, § 311a Abs. 2 BGB Liegt ein Fall der anfänglichen Unmöglichkeit vor, so richtet sich der Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz nach § 311a Abs. 2 BGB. Dazu muss die Unmöglichkeit bereits vor Vertragsschluss eingetreten sein, also zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon vorliegen. Zunächst besagt § 311a Abs. 1 BGB, dass ein anfänglich unmöglicher Vertrag wirksam ist. § 311a Abs. 2 BGB regelt sodann den Schadensersatzanspruch des Gläubigers. Prüfungsschema Schadensersatz bei anfänglicher Unmöglichkeit, § 311a Abs. 2 BGB 1. Bestehender Vertrag 2. Anfängliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB 3. Vertretenmüssen des Schuldners Voraussetzungen sind neben dem bestehenden Vertrag und einer anfänglichen Möglichkeit, das Vertretenmüssen des Schuldners. Dabei geht es aber nicht darum, dass er die Unmöglichkeit zu verschulden hat. Er haftet nur dann nicht, wenn er keine Kenntnis von der Unmöglichkeit hatte und diese Unkenntnis nicht zu vertreten hat. Zuvor A das Gemälde, das in seiner Jagdhütte hängt, an B verkaufen will, telefoniert er mit X. Dieser berichtet ihm, dass es gestern ein schweres Gewitter gab und am Berg, wo sich die Jagdhütte befindet, hohe Flammen emporstiegen. Hier hätte A vor dem Verkauf nachfragen müssen, ob nicht seine Jagdhütte gebrannt hat. <?page no="163"?> 164 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 8.6.2.2 Schadensersatz bei nachträglicher Unmöglichkeit, §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 BGB Bei einer nachträglichen Unmöglichkeit richtet sich der Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB. Prüfungsschema Schadensersatz bei nachträglicher Unmöglichkeit, §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 BGB 1. Bestehendes Schuldverhältnis 2. Nachträgliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB 3. Vertretenmüssen des Schuldners Im Vergleich zum vorher besprochenen Schadensersatz wegen anfänglicher Unmöglichkeit liegt hier die Pflichtverletzung in der Herbeiführung der Unmöglichkeit. 8.6.2.3 Herausgabe des Ersatzes, § 285 BGB Jetzt kann es vorkommen, dass der Schuldner hinsichtlich des Gegenstandes, bei dem Unmöglichkeit eingetreten ist, einen Ersatz erlangt (sog. stellvertretendes commodum). Denkbar ist bspw., dass er gegen Zerstörung und Verlust versichert war. In diesem Fall schreibt § 285 BGB vor, dass der Gläubiger bei Unmöglichkeit vom Schuldner das fordern kann, was er als Ersatz für den Gegenstand erlangt. Alternativ kann er die Abtretung des Ersatzanspruchs, den der Schuldner bspw. gegenüber dem Versicherungsunternehmen hat, verlangen. Das in der Jagdhütte verbrannte Bild war mit 5.000 Euro versichert. Der Käufer kann diesen Betrag vom Verkäufer fordern. Dazu zählt auch das, was der Schuldner aufgrund eines Rechtsgeschäfts, insbesondere eines Verkaufs der Sache erlangt hat (sog. commodum ex negotiatione). Der Gläubiger kann den erzielten Verkaufserlös verlangen. A hat das Auto, das er an B verkauft hat, auch an X verkauft. Da X 3.000 Euro mehr zahlt, hat er es an ihn übereignet. B kann den Verkaufserlös von A heraus verlangen. <?page no="164"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 165 fit-lernhilfen.de Verlangt der Gläubiger den Ersatz im Sinne des § 285 Abs. 1 BGB, so wird nach § 285 Abs. 2 BGB der erlangte Betrag von einem Schadensersatzanspruch abgezogen. Der Ersatz mindert also den Schadensersatz. Weiterhin muss der Gläubiger, sofern er den Ersatz verlangt, seine Gegenleistung erbringen, also bspw. den Kaufpreis zahlen. Das ergibt sich aus § 326 Abs. 3 BGB. 8.6.2.4 Befreiung von der Gegenleistungspflicht, § 326 BGB Wenn der Schuldner von seiner Leistung befreit wird, stellt sich die Frage, was mit der Leistung des Gläubigers wird. Müsste der Gläubiger leisten, so würde er leer ausgehen. Deshalb regelt § 326 BGB, dass der Gläubiger von seiner Leistung frei wird, wenn der Schuldner nicht leisten muss. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB geht also grundsätzlich davon aus, dass der Gläubiger im Falle der Unmöglichkeit nach § 275 BGB nicht leisten muss. Hat der Gläubiger schon an den Schuldner geleistet, so hat er nach § 326 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 346 bis 348 BGB einen Erstattungsanspruch. Hierzu gibt es aber Ausnahmen: Trotz der Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht kann der Gläubiger leisten müssen. Das ist zunächst einmal der Fall, wenn der Gläubiger für den Umstand, der zur Unmöglichkeit führt, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB). Nach dem Abschluss des Kaufvertrages über das Gemälde trinken A und B zusammen noch einen Rotwein. Der Käufer stößt dabei aus Unachtsamkeit eine Kerze um, die die Jagdhütte in Flammen setzt und das Bild zerstört. Der Gläubiger muss weiterhin leisten, wenn er sich zum Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit im Annahmeverzug befunden hat, was sich aus § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB ergibt und wenn er einen Ersatz im Sinne des § 285 BGB („stellvertretendes commodum“) herausverlangt. <?page no="165"?> 166 Zivilrecht 8.7 Rücktritt, §§ 323 ff. BGB Neben dem Schadensersatz besteht in vielen Fällen auch die Möglichkeit eines Rücktritts. Das ist bspw. der Fall bei einem Mangel im Kaufrecht. Dort verweist § 437 Nr. 2 BGB auf § 323 BGB. Ein Rücktritt führt dazu, dass das bestehende Schuldverhältnis endet und daraus zugleich ein Rückgewährschuldverhältnis entsteht, in dessen Rahmen die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht liegt dann vor, wenn eine Norm aus dem BGB auf den Rücktritt verweist. Das ist bspw. bei § 323, § 324 und § 326 Abs. 5 BGB der Fall. Dann hat die jeweilige Partei die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. Erforderlich ist aber, dass der Rücktritt erklärt wird (§ 349 BGB). A hat bei B Marmorplatten für seinen Hausbau bestellt. B kann aber schon seit Wochen nicht liefern, weil sein eigener Lieferant bestreikt wird. A setzt B eine Frist von zwei Wochen. Nach deren Ablauf erklärt A den Rücktritt. Ist der Rücktritt wirksam erfolgt, entsteht das Rückgewährschuldverhältnis. Wie die Rückabwicklung umgesetzt wird, ergibt sich aus §§ 346 ff. BGB. Dort ist die wichtigste Norm § 346 Abs. 1 BGB. Sie schreibt einerseits vor, dass die erlangten Leistungen zurückzugewähren sind. Andererseits müssen die gezogenen Nutzung herausgegeben werden. Kann die Sache nicht mehr herausgegeben werden, muss ein entsprechender Wertersatz geleistet werden (§ 346 Abs. 2 BGB), der aber unter bestimmten Bedingungen ausgeschlossen sein kann (§ 346 Abs. 3 BGB). <?page no="166"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 167 fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 8.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Im BGB gibt es einen einheitlichen Schadensersatzanspruch. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Neben der Verletzung von Leistungspflichten führt auch die Verletzung von Obliegenheiten zum Schadensersatz. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Neben Haftungserleichterungen gibt es auch Haftungsverschärfungen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="167"?> 168 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Schaltet der Schuldner einen Erfüllungsgehilfen ein, so haftet er grundsätzlich für ihn. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Beim Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtleistung ist eine Fristsetzung erforderlich. [2 Fit-Punkte] richtig falsch „Erfüllbarkeit“ und „Fälligkeit“ sind zwei verschiedene Begriffe. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Neben der Mahnung kann noch aus anderen Gründen der Verzug eintreten. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Für den Gläubigerverzug gelten dieselben Voraussetzungen wie für den Schuldnerverzug. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="168"?> Etappe 8: Leistungsstörungsrecht 169 Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner die versprochene Leistung dauerhaft nicht erbringen kann. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Für die anfängliche Unmöglichkeit existiert eine eigene Anspruchsgrundlage. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Folge der Unmöglichkeit ist, dass der Schuldner nicht leisten muss. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 8 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="170"?> Etappe 9: Kaufrecht Kaufrecht <?page no="171"?> 172 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Bisher wurden einzelne Aspekte besprochen, die mit der Durchführung eines Vertrages zusammenhängen. Aber es ging nicht um die wesentlichen Pflichten für Käufer und Verkäufer aus einem Kaufvertrag. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Mangel Gewährleistung Nacherfüllung Gefahrübergang aliud Garantie Rechtskauf Verbrauchsgüterkauf Wofür benötige ich dieses Wissen? Der Kaufvertrag ist der mit am Abstand am häufigsten abgeschlossene Vertrag. Wenn es mit ihm Probleme gibt, dann in erster Linie wegen einer mangelhaften Sache. Dabei ist es wichtig zu wissen, welche Rechte sowohl der Käufer als auch der Verkäufer haben. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Im Kaufrecht ist die Prüfung eines Mangels am interessantesten. Hier muss zunächst ermittelt werden, ob überhaupt ein Mangel vorliegt und um welchen es sich handelt. Dann geht es um die Rechte des Käufers. Hierzu wird in einigen Fällen auf die Regelungen zum Leistungsstörungsrecht verwiesen. Los geht’s! <?page no="172"?> Etappe 9: Kaufrecht 173 fit-lernhilfen.de Der Kaufvertrag - als mit Abstand häufigster Vertrag - ist in §§ 433 ff. BGB geregelt. Um ihn herum ranken sich noch spezielle Formen des Kaufs, einer davon ist der sog. Verbrauchsgüterkauf, der in §§ 474 ff. BGB geregelt ist. Der Kauf muss sich nicht zwangsläufig auf Sachen im Sinne des § 90 BGB beziehen (sog. Sachkauf). Auch Rechte und sonstige Gegenstände können gekauft werden. Der sog. Rechtskauf ist in § 453 BGB geregelt. Bei ihm sind die Regelungen über den Sachkauf entsprechend anzuwenden. Darunter fallen alle übertragbaren Rechte wie z. B. Forderungen, Patente oder Software. Sie werden in den meisten Fällen mittels einer Abtretung nach §§ 398 ff. BGB übertragen. 9.1 Hauptleistungspflichten Beim Kaufvertrag haben beide Parteien Rechte und Pflichten. Sie werden in § 433 BGB geregelt. Der Verkäufer ist zunächst zur Übergabe der Kaufsache verpflichtet (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Gemeint ist damit, dass er dem Käufer den (unmittelbaren) Besitz durch die Einräumung der tatsächlichen Sachherrschaft verschaffen muss (§ 854 Abs. 1 BGB). Daneben trifft ihn die Pflicht zur Verschaffung des Eigentums, also zur Übereignung (bei beweglichen Sachen insbesondere nach § 929 S. 1 BGB). Das BGB geht davon aus, dass der Käufer nicht durch den Abschluss des Kaufvertrages (schon) Eigentümer wird. Stattdessen ist ein weiterer Akt erforderlich: die Übereignung. Nur durch sie wird er Eigentümer, nicht durch den Kaufvertrag! Weiterhin ist der Verkäufer dazu verpflichtet, dem Käufer den Kaufgegenstand frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Er darf also keine mangelhafte Sache liefern. <?page no="173"?> 174 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Die Hauptleistungspflicht des Käufers besteht darin, den Kaufpreis zu zahlen (§ 433 Abs. 2 BGB). Daneben kann er unter bestimmten Umständen auch dazu verpflichtet sein, die Sache abzunehmen. Ansonsten stellt die Abnahme eine Nebenpflicht dar. 9.2 Gewährleistungsrecht Wird eine Sache (oder ein Recht) verkauft, die mangelhaft ist, so stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dieser Umstand für den Käufer hat. Wann ein Mangel vorliegt, wird in § 434 BGB geregelt, welche Rechte sich für den Käufer daraus ergeben, findet sich in § 437 BGB. Prüfungsschema Gewährleistungsrecht 1. Bestehen eines wirksamen Kaufvertrags, § 433 BGB 2. Vorliegen eines Mangels 3. Mangelhaftigkeit bei Gefahrübergang 4. Kein Gewährleistungsausschluss 9.2.1 Vorliegen eines Mangels Ein Mangel liegt vor, wenn die Sache nicht so „funktioniert“ wie sie sollte. Mangel Eine Sache ist mangelhaft, wenn ihre Ist-Beschaffenheit negativ von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Das Gesetz hat für den Mangelbegriff verschiedene Kriterien entwickelt, die in § 434 BGB geregelt wurden. Dort finden sich drei Stufen, die einzeln zum Vorliegen eines Mangels führen. Der Mangel wird dabei nach subjektiven (§ 434 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 BGB) (sog. subjektiver Mangelbegriff) und nach objektiven Kriterien (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) (sog. objektiver Mangelbegriff) bestimmt. <?page no="174"?> Etappe 9: Kaufrecht 175 fit-lernhilfen.de In der ersten Stufe ist zu prüfen, ob eine bestimmte Beschaffenheit vereinbart wurde (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB). Gemeint ist damit, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ein konkretes Merkmal an der Sache festgelegt wurde, das später aber nicht vorhanden ist. A möchte einen neuen Rekord aufstellen: Er plant, mit einem Kühlschrank über den Atlantik zu rudern. Deshalb geht er in einen Elektromarkt, sucht sich dort einen Verkäufer und fragt: „Ist dieser Kühlschrank wasserdicht? “, was der Verkäufer bejaht. Als A das Gerät zu Wasser setzt, geht es nach wenigen Minuten schon unter. Wurde keine konkrete Beschaffenheit vereinbart, so muss sich die Sache für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignen (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Das ist der Fall, wenn zwar nicht über ein einzelnes, konkretes Merkmal gesprochen wurde, aber darüber, wie die Sache verwendet werden soll und das in den Vertrag einfließt. A möchte noch immer mit einem Kühlschrank über den Atlantik rudern. Diesmal sagt er zum Verkäufer: „Ich benötige einen Kühlschrank, mit dem ich über den Atlantik rudern kann.“ Hier erklärt A also nicht, dass es ihm um ein konkretes Merkmal („wasserdicht“) geht, sondern nur, wie er das Gerät verwenden möchte. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB regelt den Mangel aus objektiver Sicht. Ein Mangel liegt dann vor, wenn sich die Sache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann (objektiver Mangelbegriff). Im Alltag ist das der regelmäßige Fall: Die gekaufte Ware funktioniert aus irgendeinem Grund nicht. A hat sein Projekt der Atlantiküberquerung noch nicht aufgegeben. Jetzt spricht er aber mit dem Verkäufer nicht mehr über sein Vorhaben und kauft einfach einen Kühlschrank. Geht der Kühlschrank unter, liegt kein Mangel vor. Kühlschränke sind nicht zum Schwimmen konstruiert. Ihre gewöhnliche Verwendung liegt im Kühlen von Lebensmitteln. Weiterhin ist bei ihnen <?page no="175"?> 176 Zivilrecht fit-lernhilfen.de nicht üblich, dass sie wasserdicht sind, was ein Käufer schlichtweg auch nicht erwartet. Neben diesen drei Stufen finden sich im Gesetz noch weitere Regelungen, nach denen ebenso ein Mangel vorliegt. Das ist zunächst der Fall bei öffentlichen Äußerungen im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB. Hier handelt es sich um eine Art Unterfall des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, denn darauf wird verwiesen. Werden in der Öffentlichkeit durch den Verkäufer, Hersteller oder deren Gehilfen Äußerungen über bestimmte Eigenschaften getätigt, die der Käufer deshalb erwarten kann, ist von einem Mangel auszugehen. Autohersteller A behauptet in der Fernsehwerbung und in seinen Prospekten, dass sein Fahrzeug auf 100 km nur drei Liter benötigt. B kauft sich einen solchen Wagen beim Händler H und muss feststellen, dass er mindestens sechs Liter verbraucht. Ein Mangel liegt trotz öffentlicher Äußerungen nicht vor, wenn der Verkäufer die Äußerung weder kannte noch kennen musste oder sie bei Vertragsschluss in gleichwertiger Weise berichtigt oder für den Käufer bei seiner Entscheidung nicht ausschlaggebend war. B kannte zwar die Äußerungen über den Verbrauch von drei Litern. Das war ihm aber egal. Er hat den Wagen gekauft, weil ihm das Design gefiel. Ein Mangel liegt ferner vor, wenn eine Montage vereinbart war und sie unsachgemäß durchgeführt wird (§ 434 Abs. 2 S. 1 BGB). X hat sich bei Möbelhaus Z einen Schrank gekauft und gleichzeitig die Montage beauftragt. Nach dem Zusammenbau durch die Mitarbeiter des Z ist der Schrank krumm und schief. Daneben gibt es noch die sog. IKEA-Klausel (§ 434 Abs. 2 S. 1 BGB), die dann zu einem Mangel führt, wenn nicht die Sache an sich, sondern nur die Montageanleitung mangelhaft ist, also für den Zusammenbau nicht verwendbar ist. Ist die Sache dennoch fehlerfrei montiert worden, liegt kein Fehler vor. A kauft sich einen Heimtrainer. In der Anleitung stehen Sätze wie „Drehen Schraub links oben rechts Anzug Nr. 2 bis Ras- <?page no="176"?> Etappe 9: Kaufrecht 177 fit-lernhilfen.de tung.“ Trotzdem schafft es A, das Gerät einwandfrei zusammenzubauen. Weiterhin liegt nach § 434 Abs. 3 Alt. 1 BGB ein Mangel vor, wenn eine andere Sache als die vereinbarte geliefert wird (sog. aliud). A hat eine Kamera vom Typ Klick-it 320 bestellt. Erhalten hat er eine des Typs Klick-it 230. § 434 Abs. 3 Alt. 2 BGB regelt daneben noch den Fall der sog. Quantitätsabweichung. Sie liegt vor, wenn die Lieferung aus einer zu geringen Menge besteht. A hat für seine Gartenparty 300 Pappteller geordert. Geliefert werden ihm aber nur 50 Stück. 9.3 Mangelhaftigkeit bei Gefahrübergang § 434 Abs. 1 S. 1 BGB regelt, dass der Mangel bereits „bei Gefahrübergang“ bestehen muss. Was allerdings unter dem Begriff zu verstehen ist, ergibt sich nicht aus der Norm. Hier hilft § 446 BGB weiter. Danach liegt der Gefahrübergang vor, wenn die Sache an den Käufer übergeben wird (§ 446 S. 1 BGB). A kauf sich einen Drucker im Elektromarkt E. Dazu muss er zunächst an der Kasse zahlen, erhält dort einen Abholschein und muss damit zur Warenausgabe. Dort wird ihm der Drucker ausgehändigt, also übergeben. Befindet sich der Käufer allerdings im Annahmeverzug (siehe hierzu Seite 154 ff.), so reicht das schon für den Gefahrübergang aus. Bei einem Verbrauchsgüterkauf, wenn also ein Verbraucher (§ 13 BGB) etwas von einem Unternehmer (§ 14 BGB) kauft, wird zugunsten des Verbrauchers in § 476 BGB vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe auftritt. <?page no="177"?> 178 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 9.4 Gewährleistungsausschlüsse Die Gewährleistung kann sowohl gesetzlich als auch vertraglich ausgeschlossen sein. Ein gesetzlicher Ausschluss ergibt sich aus § 442 BGB. Er liegt vor, wenn dem Käufer der Mangel bereits bei Abschluss des Vertrages bekannt war. Dann ist es schlichtweg nicht mehr nachzuvollziehen, wenn er sich trotzdem noch auf einen Mangel berufen könnte. Im Elektromarkt befindet sich eine Schnäppchenecke. Dort liegen einzelne Waren zu reduzierten Preisen. Auf einem Multifunktions-Drucker steht „Kopierfunktion geht nicht“. Daneben hat der Verkäufer die Möglichkeit, seine Gewährleistungspflicht vertraglich auszuschließen. Das ist vor allem an § 444 BGB zu messen. Zwar lässt diese Regelung grundsätzlich einen Ausschluss zu. Das gilt aber dann nicht, wenn der Mangel vom Verkäufer arglistig verschwiegen wurde oder von ihm eine Beschaffenheitsgarantie übernommen wurde. Gebrauchtwagenhändler H verkauft seine Kfz nur noch mit einem Gewährleistungsausschluss. A fragt deshalb genauer nach und möchte wissen, ob bei seinem Wunsch-Auto der Motor in Ordnung ist. Obwohl H genau weiß, dass ein extrem hoher Ölverbrauch vorliegt, bejaht er die Frage. Sofern ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, kann die Gewährleistung nur in den Grenzen des § 475 BGB ausgeschlossen werden. 9.5 Rechte des Käufers Welche konkreten Rechte dem Käufer im Falle einer Gewährleistung zustehen, ergibt sich aus § 437 BGB. Prüfungstipp Wenn es in der Klausur um die Rechte des Käufers geht, empfiehlt sich immer ein Blick in § 437 BGB. Dort finden <?page no="178"?> Etappe 9: Kaufrecht 179 fit-lernhilfen.de sich nämlich genau die Paragrafen, die konkret zu prüfen sind. Grundsätzlich wird danach unterschieden, ob der Verkäufer noch einmal den Kaufgegenstand leisten muss, der Vertrag beendet wird und der Käufer sein Geld zurückerhält (zumindest einen Teil davon) oder ob er Schadensersatz leisten muss. 9.5.1 Nacherfüllung Die Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 1 BGB bietet dem Käufer nach seiner Wahl zwei Möglichkeiten: Entweder kann er nach § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB die Beseitigung des Mangels verlangen (sog. Nachbesserung) oder nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB die Lieferung einer mangelfreien Sache (sog. Nachlieferung). Das Wahlrecht kann allerdings eingeschränkt sein, wenn die gewählte Art der Nacherfüllung für den Verkäufer unverhältnismäßig ist (§ 439 Abs. 3 BGB). Beide Alternativen haben dabei im Blick, dass der Vertrag nach wie vor durchgeführt werden soll. Deshalb ist dafür - im Gegensatz zu den meisten anderen Rechten - keine Fristsetzung nötig. Der Verkäufer erhält also die Möglichkeit, den Vertrag noch zu erfüllen (sog. Recht zur zweiten Andienung). Problematisch wird das aber bei einem sog. Stückkauf, also bei einem Kaufvertrag über eine ganz bestimmte Sache. A kauft sich einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 50.000 km bei B. Später stellt sich heraus - was beide nicht wussten - das der Tacho defekt ist und das Fahrzeug bereits 100.000 km „auf dem Buckel“ hat. Der Verkäufer kann kein anderes Fahrzeug liefern, denn der Vertrag wurde eben genau über diesen Wagen geschlossen. Er kann auch nicht den Mangel beseitigen, denn die Laufleistung lässt sich nicht „zurückdrehen“. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Nacherfüllung denkbar ist. Da die konkrete Sache zu leisten ist, sie aber in der vereinbarten Form nicht vorliegt, könnte Unmöglichkeit eingetreten sein (siehe zur Unmöglichkeit Seite 160 ff.). Andererseits könnte aber eine gleichartige und gleichwertige Sache geliefert <?page no="179"?> 180 Zivilrecht fit-lernhilfen.de werden. Das ist beim Gebrauchtwagenkauf fraglich, denn hier möchte der Käufer eben genau dieses eine Fahrzeug. Muss der Verkäufer eine mangelfreie Sache liefern, so kann er vom Käufer die Rückgewähr der defekten Ware und dafür Wertersatz verlangen (§ 439 Abs. 4 BGB in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB). 9.5.2 Rücktritt und Minderung Neben der Nacherfüllung hat der Käufer das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Dann wird der Vertrag nach §§ 346 ff. BGB rückabgewickelt: Der Verkäufer zahlt den Kaufpreis zurück, der Käufer gibt die Sache heraus. Entscheidend beim Rücktritt ist, ob die Nacherfüllung noch möglich ist. Ist das der Fall, so muss vor Ausübung des Rücktrittsrechts dem Verkäufer eine Frist gesetzt werden (§ 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Die Fristsetzung kann allerdings nach § 440 BGB entbehrlich sein. Ist die Nacherfüllung unmöglich, so kann der Käufer sofort zurücktreten (§ 326 Abs. 5 in Verbindung mit § 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Erforderlich für einen Rücktritt ist ferner, dass der Mangel erheblich ist. Damit soll ausgeschlossen werden, dass der Käufer schon bei den winzigsten Kleinigkeiten, wie bspw. kleinen Kratzern, vom Vertrag zurücktreten kann. § 437 Nr. 2 BGB erwähnt noch die Minderung. Bei ihr wird der Kaufpreis der mangelhaften Sache einfach reduziert. Der Käufer behält somit die Kaufsache, muss aber weniger zahlen. Die Voraussetzungen entsprechen denen des Rücktritts. Das ergibt sich aus der Formulierung „Statt zurückzutreten …“ in § 441 Abs. 1 BGB. Die Berechnung des Betrages, um den der Kaufpreis gemindert wird, ergibt sich nach folgender Formel: A hat für sein neues Handy 500 Euro gezahlt. Zuhause stellt er fest, dass es Kratzer im Display hat und hofft deshalb auf eine Minderung. Im mangelfreien Zustand hat es einen Wert in Höhe geminderter Kaufpreis = gezahlter Kaufpreis Wert der mangelhaften Ware Wert der mangelfreien Ware <?page no="180"?> Etappe 9: Kaufrecht 181 von 450 Euro, im mangelhaften von 360 Euro. Damit beträgt der geminderte Kaufpreis 400 Euro. Hat der Käufer bereits den Kaufpreis gezahlt und erfolgt die Minderung erst später, kann er vom Verkäufer die Rückzahlung der Differenz nach § 441 Abs. 4 BGB verlangen. 9.5.3 Schadensersatz § 437 Nr. 3 BGB gibt dem Käufer neben dem Recht auf Rücktritt und Minderung einen Schadensersatzanspruch. Dabei verweist das Gesetz in die §§ 280 ff. BGB und den § 311a BGB. Daneben existiert noch ein sog. Aufwendungsersatzanspruch. Im Vergleich zu Rücktritt und Minderung ist beim Schadensersatzanspruch ein Vertretenmüssen des Verkäufers erforderlich. A verkauft Fahrräder. Zuvor er sie seinen Kunden im Laden anbieten kann, muss er noch die Pedale montieren und den Lenker gerade stellen. B kauft sich ein solches Fahrrad und stürzt, weil A beim Zusammenbauen die Schrauben nicht richtig angezogen hat. B hat einen Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 2, 280 Abs. 1 BGB gegen A. Bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs aus § 437 Nr. 3 BGB gelten dieselben Regeln wie im Leistungsstörungsrecht (siehe hierzu Seite 133 ff.). <?page no="181"?> 182 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 9.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Nur über Sachen können Kaufverträge abgeschlossen werden. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Die Hauptleistungspflicht des Käufers besteht grundsätzlich in der Zahlung des Kaufpreises. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Durch den Kaufvertrag wird der Käufer Eigentümer. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="182"?> Etappe 9: Kaufrecht 183 fit-lernhilfen.de Das Vorliegen eines Mangels ist grundsätzlich in drei Stufen zu prüfen. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Ein Mangel kann auch dann bestehen, wenn der Verkäufer öffentliche Äußerungen über das Produkt abgibt, die nicht zutreffen. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Liefert der Verkäufer eine zu geringe Menge, so stellt das keinen Mangel dar. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Zu welchem Zeitpunkt der Mangel besteht, ist belanglos. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Die Gewährleistung kann durch den Verkäufer ausgeschlossen werden. [1 Fit-Punkt] richtig falsch <?page no="183"?> 184 Zivilrecht Die Nacherfüllung ist nur nach einer erfolglosen Fristsetzung möglich. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Für einen Rücktritt ist erforderlich, dass der Mangel erheblich ist. [1 Fit-Punkt] richtig falsch Beim Schadensersatz im Gewährleistungsrecht kommt es auf ein Vertretenmüssen nicht an. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 9 [ …………… Fit-Punkte] <?page no="184"?> Etappe 10: Werkvertrag Werkvertrag <?page no="185"?> 186 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Beim Kaufvertrag geht es um den Kauf einer bereits bestehenden Sache. Muss sie aber erst hergestellt oder soll sie verändert werden, so handelt es sich nicht mehr um einen Kauf. Dann liegt ein Werkvertrag vor. Zwar gibt es beim Werkvertrag viele Gemeinsamkeiten mit dem Kaufvertrag. Aber wegen seiner Eigenart existieren auch etliche Besonderheiten. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Werkunternehmer Werkbesteller Selbstvornahme Abnahme Werklieferungsvertrag Wofür benötige ich dieses Wissen? Soll eine Reparatur durchgeführt oder eine Sache hergestellt werden, liegt in vielen Fällen ein Werkvertrag vor. In den meisten Industriezweigen ist diese Vertragsart ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Kaufvertrag und Werkvertrag unterscheiden sich nur in einzelnen Bereichen. Die kaufrechtlichen Grundsätze können in vielen Fällen auch auf den Werkvertrag angewandt werden. Wer den Kaufvertrag verstanden hat, wird sich hier leicht tun. Los geht’s! <?page no="186"?> Etappe 10: Werkvertrag 187 fit-lernhilfen.de Wesentlicher Unterschied des Werkvertrags (§§ 631 ff. BGB) zum Kaufvertrag ist, dass die eine Vertragspartei, der sog. Werkunternehmer, eine Sache entweder herstellt oder (zumindest) verändert. Er hat einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Reparatur einer Sache Erstellung eines Bauplans oder eines Gutachtens Beförderung einer Person 10.1 Hauptleistungspflichten Der Werkunternehmer ist zur Herstellung des Werks verpflichtet (§ 631 Abs. 1 S. 1 BGB). Er kann also ein Werk entweder herstellen oder verändern, aber auch einen anderen Erfolg herbeiführen (§ 631 Abs. 2 BGB). A steigt in ein Taxi und lässt sich zum Bahnhof fahren. Es liegt ein Werkvertrag vor. Der Erfolg besteht darin, dass A am Bahnhof ankommt. Weiterhin hat der Werkunternehmer das Werk frei von Sachmängeln zu verschaffen (§ 633 Abs. 1 BGB). Mit dem Begriff „Werkunternehmer“ meint das Gesetz nicht den Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Der Werkbesteller ist einerseits dazu verpflichtet, das Werk abzunehmen (§ 640 Abs. 1 S. 1 BGB). Hierbei handelt es sich - im Gegensatz zum Kaufvertrag - um eine Hauptleistungspflicht. Weiterhin muss der Besteller die vereinbarte Vergütung zahlen (§ 631 Abs. 1 S. 1 BGB). Sofern hier nichts festgelegt wurde, gilt sie grundsätzlich als stillschweigend vereinbart (§ 632 BGB). <?page no="187"?> 188 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 10.2 Gewährleistungsrecht Das werkvertragliche Gewährleistungsrecht ist in §§ 633 ff. BGB geregelt. Im Vergleich zum Kaufrecht bestehen hier viele Gemeinsamkeiten. So sind die Rechte des Bestellers zentral in einer Norm festgelegt (§ 634 BGB). Dabei fällt auf, dass ein Recht mehr gewährt wird als im Kaufrecht: die Selbstvornahme. Entscheidende Voraussetzung für eine Gewährleistung ist das Vorliegen eines Sach- oder Rechtsmangels. Was unter dem Begriff eines Sachmangels zu verstehen ist, ergibt sich aus § 633 Abs. 2 BGB. Es handelt sich um dasselbe Schema, dass bereits aus dem Kaufrecht bekannt ist. Auch hier liegt ein Sachmangel vor, wenn ein falsches Werk oder hiervon eine zu geringe Menge geliefert wird (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB). Der Besteller kann nur dann seine Gewährleistungsrechte wahrnehmen, wenn er das Werk abgenommen hat (§ 640 Abs. 1 BGB). Er kann die Abnahme verweigern, wenn das Werk nicht mangelfrei hergestellt wurde, solange es sich nicht um einen unwesentlichen Mangel handelt. B hat seine Hauswände neu streichen lassen. An zwei kaum sichtbaren Stellen befindet sich noch die alte Farbe. Dabei handelt es sich um einen unwesentlichen Mangel. Nach der Abnahme stehen dem Besteller die Gewährleistungsrechte des § 634 BGB zur Verfügung. Sie umfassen die Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB) mit der Nachbesserung und Nachlieferung (§ 635 BGB). Hier gibt es aber einen Unterschied zum Kaufvertrag: Beim Werkvertrag entscheidet der Unternehmer, welche Form der Nacherfüllung durchgeführt werden soll (§ 635 Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Werkunternehmer im Zweifel besser beurteilen kann, welche Form der Nacherfüllung sinnvoll ist. Für den in § 634 Nr. 3 BGB geregelten Rücktritt und die Minderung (§ 638 BGB) gelten dieselben Grundsätze wie im Kaufrecht. So verhält es sich auch mit dem Schadensersatz, auf den § 634 Nr. 4 BGB verweist. Dort ist auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geregelt. <?page no="188"?> Etappe 10: Werkvertrag 189 fit-lernhilfen.de Einen Unterschied gibt es aber: Das Werkvertragsrecht bezieht sich in § 634 Nr. 2 BGB auf die sog. Selbstvornahme. Sie gibt dem Besteller die Möglichkeit an die Hand, den Mangel selbst zu beseitigen, wenn dem Werkunternehmer zuvor erfolglos eine Frist gesetzt wurde (§ 637 BGB). Die damit für ihn verbundenen Kosten kann er sich vom Unternehmer zurückholen. B hat von U seine Heizung reparieren lassen. Im November fällt sie nach zwei Tagen wegen desselben Fehlers ein weiteres Mal aus. Nachdem U nach einer zweitägigen Frist nicht reagiert, beauftragt er den Installateur X für die Reparatur. Den Betrag, den B an X zahlen muss, kann er sich von U wieder holen. 10.3 Werklieferungsvertrag, § 651 BGB Ein wesentlicher Unterschied zwischen Kauf- und Werkvertrag ist, dass bei Letzterem keine Regelung zur Verschaffung des Eigentums existiert. Das ist in vielen Fällen auch nicht erforderlich, denn entweder ist der Besteller Eigentümer der Sache oder er wird es durch die Herstellung. Das liegt bspw. dann vor, wenn ein Handwerker Sachen in ein Haus einbaut (§§ 946 ff. BGB). Aber gerade wenn eine bewegliche Sache hergestellt werden soll, ist noch die Frage des Eigentumsübergangs an den Werkbesteller zu klären. Geht es also um die Herstellung oder Erzeugung einer beweglichen Sache, so liegt ein Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB) vor. Hier handelt es sich aber nicht um eine eigenständige Vertragsart. § 651 BGB erklärt grundsätzlich das Kaufrecht für anwendbar. Allerdings ist hier zu unterscheiden zwischen einem Vertrag über eine vertretbare und eine nicht vertretbare Sache. Eine vertretbare Sache im Sinne des § 91 BGB liegt vor, wenn sie im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden. Gemeint sind damit also Sachen, die aus der Serienproduktion stammen. Möbel, Werkzeuge, Maschinen, Neufahrzeuge Handelt es sich aber um eine Sache mit individuellen Merkmalen, dann liegt eine unvertretbare Sache vor. Wegen der Individualität <?page no="189"?> 190 Zivilrecht lässt sich die Sache nicht mehr ohne Weiteres an andere Personen als den Besteller verkaufen. Ölportrait, Maßanzug, individuell angefertigte Möbel Zwar ist auch bei den unvertretbaren Sachen das Kaufrecht anwendbar. Daneben gelten aber auch bestimmte Normen aus dem Werkvertragsrecht (§ 651 S. 3 BGB). Dabei legt das Gesetz fest, dass statt der werkvertraglichen Abnahme die Regelungen der §§ 446, 447 BGB ausschlaggebend sind. A lässt von sich ein Portrait malen. Während der Künstler malt, gefällt A das Bild zunehmend nicht mehr. Dabei handelt es sich um eine unvertretbare Sache. Nach § 651 S. 1 BGB ist deshalb grundsätzlich das Kaufrecht zuständig. § 651 S. 3 BGB schreibt aber vor, dass auch § 649 BGB anzuwenden ist. So kann A den Vertrag bis zur Vollendung des Bildes noch kündigen, muss aber zumindest einen Teil der Vergütung zahlen. <?page no="190"?> Etappe 10: Werkvertrag 191 fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 10.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Beim Werkvertrag wird die Herbeiführung eines Erfolges geschuldet. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Im Rahmen der werkvertraglichen Gewährleistung stehen dem Besteller nicht mehr Rechte zu als dem Käufer. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Der Unternehmer entscheidet darüber, welche Form der Nacherfüllung durchgeführt wird. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="191"?> 192 Zivilrecht Der Besteller hat das Recht zur Selbstvornahme. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Beim Werklieferungsvertrag muss zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen unterschieden werden. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 10 […………… Fit-Punkte] <?page no="192"?> Etappe 11: Dienstvertrag Dienstvertrag <?page no="193"?> 194 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Startschuss: Schlagwörter und Prüfungstipps Was erwartet mich in dieser Etappe? Beim Dienstvertrag geht es nicht - wie vor allem beim Kaufvertrag - um Sachen, sondern um eine Dienstleistung. Deshalb gelten hier auch andere Regeln. So kennt der Dienstvertrag bspw. kein Gewährleistungsrecht. Welche Schlagwörter lerne ich kennen? Arbeitsvertrag ordentliche Kündigung außerordentliche Kündigung Betriebsrisikolehre Wofür benötige ich dieses Wissen? Für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ist der Dienstvertrag die Grundform eines Arbeitsvertrages. Wird also jemand in einem Unternehmen angestellt, ist für beide Seiten wichtig zu wissen, welche Rechte und Pflichten sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Welchen Prüfungstipp kann ich aus dieser Etappe ziehen? Beim Dienst- (und Arbeits-)Vertrag sind in der Klausur zwei Punkte problematisch: Meist stellt sich die Frage, ob überhaupt ein solcher Vertrag vorliegt. Und dann kann geprüft werden, ob er beendet, also richtig gekündigt wurde. Los geht’s! <?page no="194"?> Etappe 11: Dienstvertrag 195 fit-lernhilfen.de Im Gegensatz zum Werkvertrag, bei dem die Herbeiführung eines Erfolgs geschuldet wird, geht es beim Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) ausschließlich um die Erbringung eines Dienstes. Der Arbeitsvertrag ist keine eigenständige Vertragsform. Er stellt einen Dienstvertrag dar, der aber unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Arbeitnehmerschaft an vielen Stellen modifiziert ist. Insofern ist der Arbeitsvertrag ein Unterfall des Dienstvertrags. Zwischen Arbeits- und Dienstvertrag besteht der Unterschied darin, dass beim Arbeitsvertrag der Dienstverpflichtete in persönlicher Abhängigkeit zum Berechtigten steht. Dagegen erbringt der Verpflichtete beim Dienstvertrag seine Leistung eigenverantwortlich und selbständig. 11.1 Hauptleistungspflichten Beim Dienstvertrag ist der Dienstverpflichtete („… derjenige, welcher Dienste zusagt …“) nach § 611 Abs. 1 BGB zur Erbringung der versprochenen Dienste verpflichtet. Während er beim Werkvertrag einen Erfolg herbeiführen muss, schuldet er beim Dienstvertrag nur ein Tätigwerden. A steigt in ein Taxi und lässt sich zwei Stunden ziellos in der Stadt herumfahren. Hier liegt ein Dienstvertrag vor. Hätte sich A zum Bahnhof fahren lassen, wäre es ein Werkvertrag, denn die dortige Ankunft wäre der geschuldete Erfolg. Da die Erbringung bestimmter Tätigkeiten durchaus auf einem Vertrauensverhältnis beruht, muss der Dienstverpflichtete grundsätzlich den Dienst persönlich erbringen (§ 613 S. 1 BGB). Der Dienstberechtigte (oft auch als „Dienstherr“ bezeichnet), ist zur Zahlung der Vergütung verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Manchmal kommt es vor, dass keine konkrete Vergütung vereinbart wurde. Dann hilft § 612 BGB weiter: Zunächst muss der Dienstberechtigte davon ausgehen, dass eine Vergütung zu zahlen ist, wenn es den Dienst üblicherweise nicht kostenlos gibt. Weiterhin braucht deren Höhe nicht vereinbart sein, wenn es bestimmte Gebührenregelungen gibt. Ansonsten gilt die übliche Vergütung. <?page no="195"?> 196 Zivilrecht fit-lernhilfen.de Für Rechtsanwälte sind die Gebühren im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt, für Ärzte in deren Gebührenordnung. § 613 Satz 2 BGB schreibt ferner vor, dass die Dienstleistung im Zweifel nicht übertragbar ist. Der Dienstberechtigte kann also nicht vom Verpflichteten fordern, den Dienst für einen Dritten zu erbringen. 11.2 Leistungsstörung So wie es beim Kauf- und Werkvertrag ein Gewährleistungsrecht gibt, ist das beim Dienstvertrag nicht der Fall. Grundsätzlich gilt hier das allgemeine Leistungsstörungsrecht, so wie es aus §§ 275 ff. BGB und §§ 326 ff. BGB bekannt ist. Tritt eine Störung auf, so gibt es beim Dienstvertrag ein wesentliches Problem: Die Arbeit kann grundsätzlich nicht nachgeholt werden (sog. Fixschuldcharakter der Arbeit), denn sie ist zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu erbringen. Folge ist dann meist die Unmöglichkeit. Befindet sich der Dienstberechtigte in Annahmeverzug (siehe hierzu Seite 154 ff.), so wird der Dienstverpflichtete nach § 615 S. 1 BGB von seiner Leistung frei. Aber dennoch kann er seine Vergütung beanspruchen, allerdings unter Anrechnung seiner ersparten Aufwendungen (§ 615 S. 2 BGB). § 616 BGB regelt weiterhin, dass der Dienstverpflichtete bei einer persönlichen Verhinderung, die nicht allzu lange ist, weiterhin seine Vergütung beanspruchen kann. Ihm soll die Möglichkeit gegeben werden, vor allem bei unvorhersehbaren Ereignissen kurzzeitig abwesend zu sein, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. A hat in der Familie einen Trauerfall. Er verlässt wegen der Beerdigung für zwei Stunden seinen Arbeitsplatz. Im Arbeitsrecht gibt es im Bereich der Leistungsstörung noch die sog. Betriebsrisikolehre. Grundsätzlich gilt in einem Arbeitsverhältnis „kein Lohn ohne Arbeit“. Gemeint ist damit, dass der Arbeitnehmer nur dann seinen Lohn erhält, wenn er auch eine ent- <?page no="196"?> Etappe 11: Dienstvertrag 197 fit-lernhilfen.de sprechende Arbeitsleistung erbringt. Allerdings stellt die Betriebsrisikolehre hierzu eine Ausnahme dar: Kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung wegen eines Umstandes nicht erbringen, der in der Sphäre des Arbeitgebers liegt, so behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch. Arbeitgeber A kann in seinem Betrieb für zwei Tage nicht produzieren, weil sein Zulieferer Lieferschwierigkeiten hat. 11.3 Kündigung von Dienstverträgen Dienst- und Arbeitsverträge können durch eine Kündigung beendet werden. Einerseits gibt es die ordentliche, andererseits die außerordentliche Kündigung. Die Regelungen gelten sowohl für eine Kündigung durch den Dienstberechtigten wie den -verpflichteten. 11.3.1 Ordentliche Kündigung Handelt es sich um ein Dienstverhältnis und wurde es unbefristet eingegangen, so kann es ohne einen Grund nach § 620 Abs. 2 BGB ordentlich gekündigt werden. Zu beachten ist aber die Kündigungsfrist aus § 621 BGB. Sie richtet sich nach den Zeitabschnitten, nach denen sich die Vergütung bemisst. Bei Arbeitsverhältnissen richtet sich die ordentliche Kündigung in vielen Fällen nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Ist es anwendbar, so müssen weitere Voraussetzungen eingehalten werden, insbesondere muss auf Arbeitgeberseite ein Kündigungsgrund (verhaltens-, personen- oder betriebsbedingt) vorliegen. Weiterhin muss nur bei Arbeitsverhältnissen die Schriftform gewahrt werden (§ 623 BGB). Die Kündigungsfristen richten sich dabei nach § 622 BGB und bemessen sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit. 11.3.2 Außerordentliche Kündigung Weiterhin gibt es die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB). Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann zu keiner Zeit ausgeschlossen werden und gilt auch im Arbeitsrecht. Sie setzt einen wichtigen Grund voraus, der nach Abwägung aller Umstände <?page no="197"?> 198 Zivilrecht für den Kündigenden zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist führt. A arbeitet bei B im Lager. Als er eines Tages ein Paar Handschuhe, die aus einer Packung gefallen sind, einsteckt, wird er auf frischer Tat von B ertappt. Dabei ist keine Kündigungsfrist einzuhalten („fristlos“). Allerdings fordert § 626 Abs. 2 BGB, dass die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Erlangung der Kenntnis von den Umständen, die zur Kündigung berechtigen, ausgesprochen werden muss. Erfolgt die Kündigung später, nimmt das Gesetz an, dass der Grund nicht so gravierend gewesen sein muss. <?page no="198"?> Etappe 11: Dienstvertrag 199 fit-lernhilfen.de Zwischenstand: Fragen und Antworten Bist du fit für die Prüfung? Beantworte die folgenden Fragen und finde heraus, ob du die Inhalte dieser Etappe verinnerlicht hast. Die Antworten stehen online für dich bereit. Folge einfach dem QR-Code am Ende des Fragenkatalogs oder dem Link: fit-lernhilfen.de/ zivilrecht/ 11.htm Addiere die Fit-Punktzahlen der korrekt beantworteten Fragen, die in der eckigen Klammer angegeben sind, und notiere diese in der Auswertung am Ende des Buches, um deinen Fitness-Stand später zu errechnen. Der Begriff „Dienstvertrag“ ist ein Synonym für „Arbeitsvertrag“. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Beim Dienstvertrag wird die Herbeiführung eines Erfolgs geschuldet. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Die Betriebsrisikolehre besagt, dass ein Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch behält, auch wenn die Arbeitsleistung unmöglich ist und die Störung zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehört. [2 Fit-Punkte] richtig falsch <?page no="199"?> 200 Zivilrecht Ein Dienstverhältnis kann sowohl durch eine ordentliche wie eine außerordentliche Kündigung beendet werden. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Ein Arbeitsvertrag muss immer schriftlich gekündigt werden. [2 Fit-Punkte] richtig falsch Dein Punktestand Etappe 11 […………… Fit-Punkte] <?page no="200"?> Den Fitness-Stand errechnen 201 fit-lernhilfen.de Den Fitness-Stand errechnen Nun erfährst du, wie fit du für die Prüfung bist. Notiere deine erreichten Punktzahlen aus den einzelnen Etappen in den entsprechenden Feldern und bilde die Summe. Im Anschluss daran, kannst du deinen Fitnessgrad für die Prüfung bestimmen: Dein Punktestand Etappe 1 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 2 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 3 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 4 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 5 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 6 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 7 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 8 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 9 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 10 […………… Fit-Punkte] Dein Punktestand Etappe 11 […………… Fit-Punkte] Gesamtpunktestand [ ……………….. Fit-Punkte] * Dieses Buch beinhaltet die Grundlagen des Zivilrechts. Deine Dozentin oder dein Dozent können gegebenenfalls andere Schwerpunkte setzen oder tiefer in den Stoff eintauchen. Reichere deswegen diese Inhalte aus dem Buch unbedingt mit deinen Mitschrieben aus den Vorlesungen an, um in vollem Umfang fit für die Prüfung zu sein. Sollte deiner Meinung nach ein Thema in diesem Buch künftig stärker gewürdigt werden, dann schreibe uns eine E-Mail unter wirtschaft@uvk.de. <?page no="201"?> 202 Zivilrecht fit-lernhilfen.de 0 bis 49 Punkte: Da hilft kein drum herumreden: Du bist nicht fit. Lies das Buch erneut und konzentriere dich dabei ganz besonders auf die Etappen, in denen du nur wenige oder gar keine Punkte erzielen konntest. Denk daran, dass das Wissen aus den Etappen aufeinander aufbaut. Die Lücken bei den Grundlagen musst du also unbedingt schließen, um dein Verständnis beim Lesen zu erhöhen. Nur so kannst du das Wissen der folgenden Etappen erfolgreich vernetzen. Jetzt nur keine Panik - du schaffst das! 50 bis 84 Punkte: Mit dieser Leistung könnte es in der Prüfung sehr brenzlig werden. Am besten steigst du in die Etappen ein, in denen du die wenigsten Punkte erzielt hast. Solltest du bei den Grundlagen Schwächen gezeigt haben, nimm dir diese unbedingt nochmals vor. Vielleicht hilft dir auch das Glossar am Ende des Buches, um definitorische Lücken zu schließen. Nun heißt es: Ärmel hochkrempeln und erneut in den Stoff gezielt eintauchen. 85 bis 119 Punkte: Na also, das sieht doch gut aus. Wenn es deine Zeit zulässt, kannst du nochmals in die Etappen einsteigen, in denen du die wenigsten Punkte erzielt hast. Dadurch kannst du deine letzten Lücken schließen. Ein Blick in das Glossar hilft dir dabei, die Definitionen zu wiederholen. Wenn du noch etwas Zeit investierst, kannst du mit einem guten Gefühl in die Prüfung gehen. 120 bis 150 Punkte: Prima, eine wirklich tolle Leistung. Du hast den Stoff der einzelnen Etappen bereits sehr gut verinnerlicht und bist fit für die Prüfung. Die Punktestände der einzelnen Etappen verraten dir, in welchen Themenbereichen du noch kleinere Schwächen hast. Wenn du dafür noch etwas Zeit investierst, könntest du in der Prüfung glänzen. Wir drücken die Daumen! <?page no="202"?> Hilfreiche Lehrbücher Deckenbrock, C./ Höpfner, C.; Bürgerliches Vermögensrecht - Grundlagen des Wirtschaftsprivatrechts. Baden-Baden 2012. Janda, C./ Pfeifer, U.: Wirtschaftsprivatrecht mit Fällen und Lösungen. 2. Aufl., Konstanz/ München 2012. Jesgarzewski, T.: Wirtschaftsprivatrecht - Grundlagen und Praxis des Bürgerlichen Rechts. 2. Aufl., Wiesbaden 2013. Kindl, J./ Feuerborn, A.: Bürgerliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler. 2. Aufl., Herne 2012. Klunzinger, E.: Einführung in das Bürgerliche Recht: Grundkurs für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. 16. Aufl., München 2013. Niedostadek, A.: BGB für Dummies. 2. Aufl., Weinheim 2013. Ring, G./ Siebeck, J./ Woitz, S.: Privatrecht für Wirtschaftswissenschaftler. München 2009. Schünemann, W. B.: Wirtschaftsprivatrecht - Juristisches Basiswissen für Wirtschaftswissenschaftler. 6. Aufl., Konstanz/ München 2011. <?page no="204"?> fit-lernhilfen.de Paragrafenverzeichnis BGB § 1 19 § 2 73 § 13 152, 177 § 14 153, 177 § 90 21, 173 § 90a 21 § 91 189 § 104 19, 71, 72, 80 § 105 71, 72 § 105a 72 § 106 73, 124 § 107 73, 75 § 108 31, 58, 76, 77, 78, 80 § 109 77 § 110 75, 76, 81 § 111 79 § 112 78, 81 § 113 78, 81 § 119 29, 87, 89, 90, 91, 94 § 120 89, 93, 94, 109 § 121 49, 98 § 122 100, 125 § 123 94, 96, 100 § 124 98 § 125 44, 57, 59, 60, 61 § 126 60, 61 § 126a 60 § 126b 60 § 128 60, 61 § 129 60 § 130 32, 36 § 131 72, 80 § 134 61 § 135 57 § 136 57 § 138 63, 64, 65 § 139 57 § 140 59 § 141 58 § 142 58, 99 § 143 97, 98 § 144 99 § 145 46, 47 § 146 47 § 147 47 § 148 47 § 149 49 § 150 50 § 151 49 § 154 50, 51 § 155 50, 51 § 164 107, 109, 110, 120, 121 § 165 109 § 166 111 § 167 111, 113, 114 § 168 113, 115 § 170 116, 118 § 171 114, 116, 118 § 172 116, 118 § 173 119 § 176 118 § 177 31, 94, 110, 121, 122, 123 § 178 122, 124 § 179 94, 122, 123, 124 § 180 123 § 181 125 § 183 75 § 184 76, 121 § 241 147 <?page no="205"?> 206 Zivilrecht fit-lernhilfen.de § 254 136 § 262 46 § 271 143, 144 § 275 160, 196 § 276 19, 137, 138, 153 § 277 139 § 278 140 § 280 133, 137, 142, 181 § 281 133, 142 § 283 144, 164 § 285 164 § 286 133 § 287 140, 154 § 288 153 § 289 153 § 293 154 § 294 156 § 295 157 § 296 158 § 297 155 § 299 155 § 300 159 § 304 160 § 311 134 § 311a 163, 181 § 311b 44, 59, 61, 114 § 313 162 § 315 46 § 316 46 § 317 46 § 323 166, 180 § 324 166 § 326 165, 166, 196 § 346 166, 180 § 349 166 § 398 173 § 433 173 § 434 174 § 437 174, 178, 180, 181 § 438 44 § 439 179 § 440 180 § 441 180 § 442 178 § 444 44, 178 § 446 177, 190 § 447 190 § 453 173 § 474 173 § 475 178 § 476 177 § 518 44, 59 § 550 61 § 568 61 § 611 195 § 612 195 § 613 195 § 615 196 § 616 196 § 620 197 § 622 197 § 623 197 § 626 197 § 631 187 § 632 187 § 633 187, 188 § 634 188 § 635 188 § 637 189 § 638 188 § 640 187, 188 § 649 190 § 651 189 § 662 112 § 766 44 § 812 99 § 827 19 § 929 173 § 1113 44 § 1310 44 § 1626 75, 107 § 1629 75, 107 EGBGB Art. 2 61 <?page no="206"?> fit-lernhilfen.de Stichwortverzeichnis Abgabe 33 Abschlussfreiheit 43 Kontrahierungszwang 43 accidentialia negotii 50 Aktivvertretung 107 aliud 177 Anfechtbarkeit 58 Anfechtung 87 anfechtbares Rechtsgeschäft 88 Ausschluss 99 Schadensersatzanspruch 100 Anfechtungserklärung 97 Anfechtungsfrist 98 Anfechtungsgegner 97 Anfechtungsgrund 89 Angebot 45 Erlöschen 47 Annahme 48 Entbehrlichkeit des Zugangs 49 Annahmeerklärung 49 Annahmefrist 47 Annahmeverhinderung 155 Annahmeverzug 154 Anscheinsvollmacht 119 Arbeitsvertrag 195 außerordentliche Kündigung 197 ordentliche Kündigung 197 arglistige Täuschung 94 Aufforderung zur Abgabe eines Angebots 48 Außenvollmacht 114 Basiszinssatz 153 Beschaffenheitsvereinbarung 175 beschränkte Geschäftsfähigkeit 73 lediglich rechtlicher Vorteil 73 einseitiges Rechtsgeschäft 79 Einwilligung 75 Genehmigung 76 Widerruf 77 Zugang 79 Bote 109 Bürgerliches Gesetzbuch Inkrafttreten 16 culpa in contrahendo (cic) 134 Deliktsfähigkeit 19 Dienstvertrag außerordentliche Kündigung 197 <?page no="207"?> 208 Stichwortverzeichnis fit-lernhilfen.de Hauptleistungspflichten 195 Leistungsstörung 196 ordentliche Kündigung 197 persönliche Verhinderung 196 Dissens 50 offener 50 versteckter 50 Dritte 140 Duldungsvollmacht 119 Eigenschaft 91 Eigenschaftsirrtum 91 Eigenschaft 91 Verkehrswesentlichkeit 92 eigenübliche Sorgfalt 139 Einwilligung 75 elektronische Form 60 Empfangsbote 93 Erfüllbarkeit 144 Erfüllungsgehilfe 140 Erklärungsbewusstsein 27 aktuelles 28 potentielles 28 Erklärungsbote 93 Erklärungsirrtum 90 Erlöschen des Angebots 47 error in negotio 90 error in objecto 90 error in persona 90 essentialia negotii 46 Fahrlässigkeit 137 grobe 138 leichte 138 Fälligkeit 143 falsus procurator 121 Form elektronische 60 notarielle Beurkundung 60 öffentliche Beglaubigung 60 Schriftform 60 Formfreiheit 44 Formnichtigkeit 59 Formzwang 44 Freiklausel 47 Fristsetzung 144, 146 Gattungsvollmacht 113 Gefahrübergang 177 Gegenleistungpflicht 165 Gegenstand Sache 21 unkörperlich 21 Gegenstände 21 Genehmigung 76, 121 Generalvollmacht 113 Geschäft des täglichen Lebens 72 Geschäft für den, den es angeht 111 Geschäftsfähigkeit 19 <?page no="208"?> Stichwortverzeichnis 209 fit-lernhilfen.de Geschäftsunfähigkeit 71 Geschäftswille 29 Gestaltungsfreiheit 44 Gewährleistung Ausschluss 178 Käuferrechte 178 Minderung 180 Nachbesserung 179 Nacherfüllung 179 Nachlieferung 179 Rücktritt 180 Schadensersatz 181 Gewährleistungsrecht 92 Gläubigerverzug 154 Angebot 156 Entbehrlichkeit des Angebots 158 Ersatz von Mehraufwendungen 160 Haftungserleichterung 159 Nichtannahme 158 Rechtsfolge 158 tatsächliches Angebot 156 Übergang der Leistungsgefahr 159 wörtliches Angebot 157 Haftungserleichterung 139 Haftungsmaßstäbe 137 Haftungsverschärfung 140 Handlungsfähigkeit 19 Handlungswille 27 Hauptleistungspflicht 135 Heilung 59 IKEA-Klausel 176 Inhaltsirrtum 89 Innenvollmacht 114 Insichgeschäft Mehrfachvertretung 125 Rechtsfolge 126 Selbstkontrahieren 125 invitatio ad offerendum 48 Irrtum 89 Erheblichkeit 94 Verlautbarungsirrtum 89 juristische Person 20 Kaufvertrag Gewährleistung 174 Hauptleistungspflicht 173 Mangel 174 Kontrahierungszwang 43 Kündigung 197 lediglich rechtlicher Vorteil 73, 80 Leistungsbereitschaft 155 Leistungsgefahr 159 Leistungspflicht 135 Ausschluss 160 Leistungsstörung 133 Leistungstreuepflicht 147 Mahnung 151 Entbehrlichkeit 151 Mangel 174 aliud 177 IKEA-Klausel 176 öffentliche Äußerung 176 <?page no="209"?> 210 Stichwortverzeichnis fit-lernhilfen.de Quantitätsabweichung 177 Mehrfachvertretung 125 Minderung 180 Mitwirkungspflicht 147 Nachbesserung 179 Nacherfüllung 179 Nachlieferung 179 Nebenleistungspflicht 135 Nebenpflicht 135 Nichtigkeit 57, 65, 72 Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts 58 Heilung 59 Teilnichtigkeit 57 Umdeutung 59 Nichtleistung 142 notarielle Beurkundung 60 Obliegenheit 136 Offenbarungspflicht 147 Offenkundigkeitsprinzip 110 öffentliche Beglaubigung 60 Öffentliches Recht 15 partielle Geschäftsfähigkeit 78 Passivvertretung 108 Pflichtverletzung 135, 143, 146, 149 Primärpflicht 137 Privatautonomie 43 Abschlussfreiheit 43 Abschlussverbot 43 Formfreiheit 44 Gestaltungsfreiheit 44 Prozessrecht 18 Gerichte 19 Zivilprozessordnung (ZPO) 19 Quantitätsabweichung 177 Realakt 88 Rechtsfähigkeit 19 Rechtskauf 173 Rechtsobjekt 20 Gegenstand 21 Rechtsscheinsvollmacht 116, 119 Rechtssubjekt 19 Rückgewährschuldverhältnis 166 Rücktritt 166, 180 Sache unvertretbar 189 vertretbar 189 Sachkauf 173 Schadensersatz Unmöglichkeit 163 Schadensersatz neben der Leistung 148 Schadensersatz statt der Leistung 148 Schadensersatz wegen Nichtleistung 142 <?page no="210"?> Stichwortverzeichnis 211 fit-lernhilfen.de Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 133 Schadensersatz wegen Schlechtleistung 142 Schlechtleistung 145 Schriftform 60 Schuldnerverzug 149 Rechtsfolge 153 Schutzpflicht 147 Schweigen 31 beredtes Schweigen 31 Sekundärpflicht 137 Selbstkontrahieren 125 Sittenwidrigkeit 64 Spezialvollmacht 113 stellvertretendes commodum 164 Stellvertretung 107 eigene Willenserklärung 109 Geschäft für den, den es angeht 111 gesetzliche 107 organschaftliche 107 Rechtsfolgen 120 rechtsgeschäftliche 107 Vertreter ohne Vertretungsmacht 121 Zulässigkeit 108 Strafrecht 16 Taschengeldparagraf 75 tatsächliches Angebot 156 Typenzwang 44 Übereignung 173 Übermittlungsirrtum 93 Umdeutung 59 Unmöglichkeit 160 anfängliche 161 Befreiung von der Gegenleistungspflicht 165 faktische 162 Herausgabe des Ersatzes 164 juristische 162 nachträgliche 161 objektive 161 physische 161 psychische 162 Rechtsfolge 163 Schadensersatz 163 stellvertretendes commodum 164 subjektive 161 Unvermögen 161 wirtschafliche 162 Unvermögen 161 Unwirksamkeit relative 57 schwebende 58 Verbotsgesetz 61 Verbrauchsgüterkauf 177 Verkehrswesentlichkeit 92 Verlautbarungsirrtum 89 Verschulden 142 Vertragsschluss 45 Angebot 45 Annahme 48 <?page no="211"?> 212 Stichwortverzeichnis Vertretenmüssen 137, 145, 146, 149 Vertreter ohne Vertretungsmacht Haftung 123 Vertretungsmacht 111, 120 im Rahmen der Vertretungsmacht 120 Verzug 149 Verzugszinsen 153 Volljährigkeit 71 Vollmacht 111 Erlöschen 114 isolierte 113 Vollmachtsurkunde 117 Vorsatz 137 Werklieferungsvertrag 189 Werkvertrag Abnahme 187, 188 Gewährleistung 188 Hauptleistungspflicht 187 Minderung 188 Rücktritt 188 Sachmangel 188 widerrechtliche Drohung 96 Widerruf 36, 77, 122 Willenserklärung 26, 88 Abgabe 33 ausdrücklich 30 empfangsbedürftige 32 Erklärungsbewußtsein 27 Geschäftswille 29 Handlungswille 27 konkludent 31 nicht empfangsbedürftige 32 objektiver Tatbestand 30 Schweigen 31 subjektiver Tatbestand 27 Widerruf 36 Wirksamwerden 32 Zugang 34 wörtliches Angebot 157 Wucher 63 wucherähnliches Geschäft 64 Zinseszinsverbot 153 Zivilrecht 15 Allgemeiner Teil 18 Bücher 17 Erbrecht 18 Familienrecht 18 Sachenrecht 18 Schuldrecht 18 Sonderprivatrecht 17 Zugang 34 unter Abwesenden 35 unter Anwesenden 34