Handbuch Sporttourismus
0215
2016
978-3-8385-4197-6
978-3-8252-4197-1
UTB
Jürgen Schwark
Sport und Tourismus werden immer häufiger kombiniert. Diesen Trend haben Akteure des Tourismus, der Städte und des Sports erkannt. Sporturlaub, Sportevents und Trainingslagerreisen sind einige Beispiele. Das Lehrbuch zeigt die geschichtliche Entwicklung eindrucksvoll auf und beleuchtet die wachsende Bedeutung des Sporttourismus, die sowohl individuell als auch sozial, ökonomisch und ökologisch ist.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 4197 <?page no="2"?> Jürgen Schwark Handbuch Sporttourismus UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Prof. Dr. habil. Jürgen Schwark lehrt Sporttourismus an der Westfälischen Hochschule in Bocholt. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München Copyrightjahr 2016 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © djama - fotolia.com Druck und Bindung: Pustet, Regensburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 • 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 • Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4197 ISBN 978-3-8252-4197-1 <?page no="4"?> Vorwort Ich möchte den Einstieg in dieses Buch mit einem seufzend-neidischen Spruch eines meiner Fachbereichskollegen (er ist Wirtschaftsinformatiker) beginnen: „Du hast es gut. Tourismus, Freizeit, Kultur, Sport - das sind alles tolle Themen.“ Und ich antworte auf derartige Aussagen meist mit: „Ja, du hast recht! “ Denken wir nur an einen der Klassiker des Radtourismus - der „100-Schlösser- Route“ im Münsterland, an das grenzüberschreitende Reitwegenetz in der Eifel und an den imageträchtigen und ökonomisch gewinnbringenden Berlin-Marathon, an die Wanderwege und gespurten Langlaufloipen im Harz oder die Klettermöglichkeiten im sächsischen Elbsandsteingebirge. Die Auflistung ließe sich seitenweise fortsetzen und könnte dem Inhaltsverzeichnis eines Hochglanzprospektes der Deutschen Zentrale für Tourismus entlehnt sein. Meine Zustimmung zur Aussage des Kollegen ist ehrlich gemeint. Aber bevor wir uns in einer Art fröhlicher Wissenschaft wähnen, in der es nur ein paar Verwicklungen gibt, bevor doch immer wieder (das vorhersehbare) gute Ende mit glücklichen, oder wenigstens zufriedenen Akteuren Einzug hält, soll bereits an dieser Stelle auch auf die Rückseite der Bühne hingewiesen werden. Hinter den Kulissen und bisweilen auch auf offener Bühne werden das Für und Wider von Olympischen Winterspielen in München und Umgebung ausgetragen, lassen sich rheinland-pfälzische Landespolitiker zum Schaden der Steuerzahler mit windigen Geschäften und Geschäftspartnern auf eine fehlkonstruierte Motorsport-Erlebniswelt ein, fühlen sich (beileibe nicht alle) Anwohner der Hamburger Binnenalster eher gestört als bereichert durch die zahlreichen Sportevents und mahnen Umweltverbände die der sensiblen Bergwelt zugefügten Wunden durch den Skisport an, derer auch Laien im Sommer gewahr werden können, und streiten mit den Tourismusakteuren um die weitere Entwicklung des Alpenraums. Das Wort „toll“ hat im Übrigen zwei Bedeutungen. Zum einen steht es für „großartig, wunderbar, spitzenmäßig und klasse“. Sport und Tourismus und die Verbindung von beiden kulturellen Teilbereichen können für die Menschen zu Lust und Genuss, Erlebnis und Erfahrung, zu einem bereichernden Leben und zu erweiterter Handlungsfähigkeit beitragen. Für wen das zutrifft und wem diese kulturelle Praxis (noch) verschlossen bleibt, wird in Kapitel 3.4 diskutiert. Zum anderen steht „toll“ für „anmaßend, exzentrisch, verrückt und überkandidelt“. Damit sind die affirmativen, arroganten, ignoranten, dekadenten, deformierenden Aktivitäten institutioneller Akteure und Einzelner der sozialen, kulturellen und natürlichen Umwelt gegenüber gemeint und die infolgedessen (langfristig) restringierende Handlungsfähigkeit. Mit dieser zweiten Bedeutung ist also die <?page no="5"?> 8 Vorwort Verwendung des Begriffspaares „tolle Themen“ zutreffender als bspw. das verkürzende „schöne Themen“. Insofern ist dieses Buch als Handbuch für Studierende und Praktiker aus den unterschiedlichen Bereichen der Sportwissenschaft, Tourismuswirtschaft, Regionalplanung, Geographie, Soziologie und Kulturwissenschaft konzipiert. Dem Charakter eines Handbuches entsprechend wird auf die Grundlagen eingegangen, mit Verweisen auf die jeweils weiterführenden Fachpublikationen. 1 Die gebotenen Inhalte bedienen und streifen in unterschiedlichem Maße die angeführten Wissenschaftsbereiche und spezifischen Themen, die sich aufgrund des zur Verfügung stehenden Rahmens ganz überwiegend auf den deutschsprachigen Raum konzentrieren (müssen). Die Herangehens- und Argumentationsweise speist sich überwiegend aus der Sport- und Kultursoziologie. Die vorliegende Publikation ist also kein (! ) Sporttourismus-Marketingbuch. Gleichwohl kann und soll es als Grundlage für ein Marketing-Management genutzt werden. Die Diskussion um Sport und Tourismus entsteht erstmals am Ende der 1960er Jahre (damals war der Begriff Sporttourismus noch nicht gebräuchlich - doch dazu mehr im Kapitel 2 Grundlagen), wird in den 1970er und 1980er Jahren intensiviert und ist danach Bestandteil im hochschulischen und wissenschaftlichen Umfeld. Dort wo es angebracht erschien, habe ich die bisherige Diskussion und Texte (und auch meine eigenen) aufgegriffen bzw. darauf verwiesen. Das Handbuch ist in drei unterschiedlich große Teilgebiete unterteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Grundlagen zum Sporttourismus und beinhaltet die historische Entwicklung und seine Ausdifferenzierung ( Kapitel 1). Ferner wird auf Definitionen und Modelle des Sporttourismus eingegangen sowie eine konzeptionelle Grundlage entwickelt Kapitel 2), welche in den nachfolgenden Kapiteln eine praktische Anwendung finden soll. Der zweite Teil ( Kapitel 3) geht auf die verschiedenen Akteure im Sporttourismus ein. Die Struktur konzentriert sich auf die vier gesellschaftlichen Teilsysteme Staat/ öffentliche Hand ( Kapitel 3.1), Wirtschaft/ Markt ( Kapitel 3.2), Non-Profit-Organisationen ( Kapitel 3.3) sowie auf die so genannten Privaten Haushalte ( Kapitel 3.4). Aus diesen vier Systemen haben sich (zu unterschiedlichen Anteilen) jeweils der Sportsektor ( Kapitel 3.5) und der Tourismussektor ( Kapitel 4.6) herausgebildet. Thematisiert werden in diesem zweiten Teil auch die jeweils unterschiedlichen Handlungslogiken und die Struktur der Angebots- und Nachfragesituation. 1 Ich greife im Verlauf dieses Buches auch auf Argumentationen früherer Publikationen (2002, 2006, 2007) von mir zurück und präzisiere bzw. entwickle diese weiter. <?page no="6"?> Vorwort 9 Der dritte Teil ( Kapitel 4) greift schließlich das Thema der Nachhaltigkeit im Sporttourismus auf. Dazu kommen gängige Fehlinterpretationen ( Kapitel 4.1) und Rebound-Effekte ( Kapitel 4.2) zur Sprache. Mit der Präsentation verschiedener Konzeptionen zur Nachhaltigkeit werden schließlich die weiteren Perspektiven für die sporttouristische Entwicklung diskutiert ( Kapitel 4.3). Da Sport und Tourismus von Menschen gemachte kulturelle Teilbereiche sind, können sie insofern auch von Menschen, genauer von unterschiedlich mächtigen Akteursgruppen, verändert werden. Insofern sind abschließend auf der Basis einer normativen Ethik, die dem Entwurf der Nachhaltigkeit verpflichtet ist, Handlungsorientierungen zu entwickeln. Bocholt, im Dezember 2015 Jürgen Schwark <?page no="8"?> Inhalt Vorwort .......................................................................................................................... 7 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus .......................................... 15 2 Konzeption des Sporttourismus ........................................................ 25 2.1 Formationen des Alltagsraumes .......................................................... 26 2.2 Negative und positive Tourismusdefinition ...................................... 28 2.3 Sportdefinition ....................................................................................... 37 2.4 Definition und Konzeptualisierung von Sporttourismus ................ 39 2.4.1 Formen der Aneignung .......................................................................... 40 2.4.2 Felder der Aneignung ............................................................................. 41 2.4.3 Ausprägungen von Sporttourismus und Abgrenzungen ................... 44 2.5 Zu den Potenzialen des Sporttourismus ............................................ 47 2.6 Zu den Potenzialen von Sportarten im touristischen Kontext ....... 52 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure .......... 59 3.1 Staat/ öffentliche Hand .......................................................................... 61 3.1.1 Bundesebene: direkte und indirekte sporttouristische Aktivitäten .................... 63 3.1.2 Länderebene .......................................................................................... 67 3.1.2.1 Bundesländer und Sport......................................................................... 67 3.1.2.2 Bundesländer und Tourismus................................................................ 68 3.1.2.3 Exkurs: Das Verschwinden des Begriffs Sport im Tourismus-Marketing ..... 73 3.1.3 Exkurs: Metropolregion Ruhr........................................................... 74 3.1.4 Kommunale Ebene .............................................................................. 81 3.1.4.1 Klassifizierung von Sportgroßveranstaltungen ................................... 91 3.1.4.2 Effekte von Sportgroßveranstaltungen ................................................ 98 3.2 Wirtschaft .............................................................................................. 108 3.2.1 Entwicklung und Struktur von Sektoren, Branchen und Unternehmen .............................. 109 <?page no="9"?> 12 Inhalt 3.2.2 Betriebssport........................................................................................ 112 3.2.3 Betriebsausflüge ................................................................................. 117 3.2.4 Unternehmen als Veranstalter von Sport(groß)veranstaltungen..................................................... 118 3.3 Non-Profit-Organisationen ................................................................. 129 3.3.1 Hochschulen........................................................................................ 130 3.3.2 Schulen .................................................................................................. 137 3.3.3 Weiterbildung...................................................................................... 141 3.3.3.1 Volkshochschulen ................................................................................. 141 3.3.3.2 Bildungsurlaub und Sport .................................................................... 142 3.3.4 Religion ................................................................................................. 144 3.3.4.1 Evangelische und katholische Kirche................................................. 145 3.3.4.2 Deutsche Jugendkraft ........................................................................... 147 3.3.4.3 Makkabi Deutschland ........................................................................... 148 3.3.4.4 Islamische Organisationen ................................................................... 148 3.3.4.5 Exkurs: Pilgern als Sporttourismus! ? .................................................. 149 3.3.5 Sozialbereich........................................................................................ 151 3.3.5.1 Wohlfahrtsverbände ............................................................................. 151 3.3.6 Politik und Umwelt............................................................................ 153 3.3.6.1 Gewerkschaften..................................................................................... 153 3.3.6.2 Naturfreunde ......................................................................................... 155 3.3.6.3 Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club Deutschland ......................... 157 3.4 Private Haushalte ................................................................................. 159 3.4.1 Datenlage zum Sporttourismus privater Haushalte ................. 160 3.4.2 Sozialstrukturelle Daten zur Sportaktivität während der Urlaubsreisen.............................................................. 167 3.4.2.1 Geschlecht und Sport im Urlaub ........................................................ 168 3.4.2.2 Alter und Sport im Urlaub ................................................................... 171 3.4.2.3 Einkommen und Sport im Urlaub ...................................................... 172 3.4.2.4 Beruf und Sport im Urlaub .................................................................. 175 3.4.2.5 Schulbildung und Sport im Urlaub ..................................................... 177 3.4.2.6 Soziale Schicht und Sport im Urlaub.................................................. 179 3.4.3 Tagesreisen und Sport ...................................................................... 183 3.4.4 Jugendliche und Sportaktivität in Ferien sowie Urlaub .......... 184 3.4.5 Exkurs, der keiner ist: Behinderung/ Nichtbehinderung ....... 186 3.5 Sportsystem .......................................................................................... 188 3.5.1 Organisierter Sport............................................................................. 190 <?page no="10"?> Inhalt 13 3.5.1.1 Organisierter Sport und Ligabetrieb................................................... 190 3.5.1.2 Organisierter Sport und Sportgroßveranstaltungen ......................... 192 3.5.1.3 Organisierter Sport und Trainingslager.............................................. 193 3.5.1.4 Fahrten der Sportjugenden .................................................................. 196 3.5.1.5 Saisonabschlussfahrten......................................................................... 196 3.5.1.6 Qualifizierungsmaßnahmen der Sportverbände ............................... 197 3.5.1.7 Tagungen und Kongresse des organisierten Sports ......................... 197 3.5.1.8 Bildungswerke und Sportreisen........................................................... 197 3.5.2 Selbstorganisierter Sport .................................................................. 199 3.5.2.1 Informelle Sportgruppen...................................................................... 199 3.5.2.2 Groundhopping..................................................................................... 200 3.5.3 Kommerzieller Sport.......................................................................... 200 3.5.3.1 Sportschulen .......................................................................................... 200 3.5.3.2 Sportagenturen und Tour Guiding ..................................................... 203 3.5.3.3 Betreiber von großen Sportanlagen .................................................... 205 3.5.4 Ergänzende Träger des Sporttourismus ...................................... 209 3.5.4.1 Sportinfrastruktur.................................................................................. 209 3.5.4.2 Sportgeräte- und Sportbekleidungshersteller..................................... 210 3.5.4.3 Sport-Medien ......................................................................................... 212 3.6 Tourismussystem ................................................................................. 215 3.6.1 Beherbergungswesen ........................................................................ 215 3.6.1.1 Sporthotels ............................................................................................. 217 3.6.1.2 Sportresorts und All-in-one-Sport-Resorts........................................ 219 3.6.1.3 Sporthotels der 1. Generation ............................................................. 220 3.6.1.4 Große Hotels mit Sportmöglichkeiten ............................................... 220 3.6.1.5 Hotels mit einer Fokussierung auf eine Einzelsportart.................... 221 3.6.1.6 Hotels in unmittelbarer Nähe zur Sportattraktion............................ 225 3.6.1.7 „Sporthotels“ ohne Sportbezug .......................................................... 225 3.6.1.8 Kreuzfahrtschiffe .................................................................................. 226 3.6.1.9 Clubanlagen mit Sportangeboten........................................................ 229 3.6.1.10 Sportschulen und Unterkünfte der Sportverbände .......................... 230 3.6.1.11 Vereinseigene Unterkünfte .................................................................. 232 3.6.1.12 Sportjugendherbergen .......................................................................... 232 3.6.1.13 Sportferienparks und Feriendörfer ..................................................... 233 3.6.1.14 Sportcampingplätze .............................................................................. 234 3.6.2 Regionen und Destinationen .......................................................... 234 3.6.2.1 Region..................................................................................................... 234 3.6.2.2 Destination............................................................................................. 235 3.6.2.3 Exkurs zu regionaler Sportkultur und Tourismus ............................ 243 <?page no="11"?> 14 Inhalt 3.6.3 Reiseveranstalter................................................................................. 252 3.6.3.1 Große Reiseveranstalter und Sport..................................................... 254 3.6.3.2 Spezialreiseveranstalter und Sport ...................................................... 256 3.6.3.3 Exkurs: Frosch Sportreisen ................................................................. 260 3.6.3.4 Reiseveranstalter und Sportevents ...................................................... 263 3.6.3.5 Reiseveranstalter und Erlebnis- und Abenteuersport ...................... 264 3.6.4 Verkehrsträger und sportbezogene Mobilität............................. 266 3.6.4.1 Transport zur Sportdestination ........................................................... 267 3.6.4.2 Transportleistungen als Voraussetzung zum Sport .......................... 269 3.6.4.3 Transportleistungen während des Sports........................................... 270 3.6.4.4 Transport als sport-räumliche Mobilität ............................................ 271 4 Perspektiven ......................................................................................... 273 4.1 Gängige Fehlinterpretationen zur Nachhaltigkeit ......................... 275 4.2 Rebound-Effekte im Sporttourismus ................................................ 277 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus .................................... 279 4.3.1 Viabono als „milder“ Einstieg........................................................ 279 4.3.2 StattReisen und die Frage, was sehenswürdig ist ..................... 281 4.3.3 Forum anders reisen und nachhaltige Kriterien ........................ 282 4.3.4 Die Naturfreunde und die Tourismuspolitik der Bundesregierung ......................................................................... 285 4.3.5 Werner Bätzing und die Zukunft der Alpen ............................... 286 4.3.6 Abschließende konzeptionelle Ausführungen............................ 287 Literatur .................................................................................................................... 295 Literaturhinweise zu ausgewählten Sportarten ............................................... 310 Internetquellen ........................................................................................................ 312 Sonstige Quellen ..................................................................................................... 319 Index .......................................................................................................................... 321 <?page no="12"?> 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … die historisch unterschiedlichen Begründungen für Mobilitäts- und Reiseverhalten kennen und zu unterscheiden. Gründe für die ungleichen sozialstrukturellen Ausprägungen im Sport- und Reiseverhalten kennen. gesellschaftliche Entwicklungen für die zunehmende Teilhabe am Sporttourismus nachzuvollziehen. die wichtigsten Sportartenkomplexe im touristischen Kontext kennen und ihre zeitliche Erscheinung einzuordnen. Sporttourismus ist ein Phänomen der jüngeren Zeitgeschichte. Die beiden kulturellen Praxen des (touristischen) Reisens und des Sports wurden für einen nennenswerten Teil der bundesdeutschen Bevölkerung erst seit den 1960er Jahren zugänglich. Allerdings konzentrierte sich die Kombination beider Praxen zu diesem Zeitpunkt noch auf eine Klientel, die jung, männlich und mindestens aus der Mittelschicht stammte. Diese sozialstrukturelle Verengung hat sich bis heute wenngleich nicht aufgelöst, so doch erheblich „gelockert“. Dazu später mehr. Vorformen des Sporttourismus, die oberflächlich unserer heutigen Praxis ähneln, existierten bereits in der griechischen Antike vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren. Zu den damaligen Olympischen Spielen reisten Tausende von Zuschauern, die dort über mehrere Tage verweilten. Im weiteren Verlauf sind die Römischen Spiele und deutlich später die mittelalterlichen Kampfspiele zu benennen. Überliefert sind ferner die körperliche Erziehung an den fürstlichen Höfen des Mittelalters sowie zur selben Zeit die Entwicklung der Ballspiele wie bspw. das Calcio in Italien oder das Ba Game in England/ Schottland. Im späteren Verlauf, etwa im 16./ 17. Jahrhundert, entstanden die so genannten Ballhäuser, in denen eine Vorform von Tennis gespielt wurde. Diese sehr unterschiedlichen Beispiele begründen jedoch noch keinen Sport(tourismus), da sich, soweit wir das rekonstruieren können, unter der heute sichtbaren Oberfläche zumeist <?page no="13"?> 16 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus ein religiöser oder kriegerischer Sinnkern verbarg, nicht aber ein Verständnis, welches unserem modernen englischen Sportverständnis entspringt. Neben den antiken und mittelalterlichen Spiel- und Bewegungsformen ist ebenfalls auf die frühen Mobilitätsformen einzugehen, die auf den ersten Blick eine Nähe zu uns heute bekannten Bewegungen aufweisen. Aber auch hier wird rasch deutlich, dass der Sinnkern der jeweiligen Aktivitäten nicht mit dem heutigen touristischen Wandern oder Wanderreiten übereinzubringen ist. So entwickelten sich im Übergang vormals handwerklicher zu (vor)industriellen Produktionstechniken in den aufstrebenden Städten über den Warenaustausch zunehmend internationale Fernhandelsbeziehungen der Kaufleute mit einem entsprechenden beruflich hervorgerufenen Mobilitätsverhalten zu Pferd oder mit der Kutsche. Die Wanderjahre (Walz) von Handwerksgesellen waren aufgrund der im lokalen und regionalen Umfeld zu gering ausgeprägten Lernmöglichkeiten des jeweiligen Gewerkes und des niedrigen Produktionsniveaus ebenfalls zwingend notwendig. Eine ähnliche Begründung, wenngleich mit gänzlich anderen Themen und Komfort versehen, erfährt die mehrjährige „Grand Tour“ der jungen (englischen) Adeligen zu den damaligen Stätten der europäischen Hochkultur, die sich sowohl das für ihren Stand notwendige Wissen sowie Lebenserfahrung, Inspiration und Weltläufigkeit aneignen sollten. Fahrende, Künstler, Gaukler, Spielleute und Bader versuchten jeweils ihre Existenz zu sichern, indem sie weitläufige Mobilität an den Tag legten und zu Fuß, zu Pferd oder mit Kutschen an möglichst vielen verschiedenen Orten ihre Dienste anpriesen. 2 Geradezu grotesk wäre übrigens eine Interpretation, militärische Truppenbewegungen mit langen Fußmärschen als sporttouristische Aktivität zu begründen, da hier offensichtlich der außerhalb jeder kulturellen Rahmung befindliche kriegerische und inhumane Kern dominiert. 3 Soweit dem Fachgebiet und der Reputation dienlich, waren Exkursionen sowie Reisen zu Forschungs- und Studienaufenthalten von Wissenschaftlern beruflich 2 Zum Reisen im Mittelalter siehe auch die umfangreichen Werke von Reichert 2001 und Stagl 2002, wenngleich die Reisedefinition von Reichert vage bleibt (S. 15). 3 Lauterbach (2008, S. 16) verweist in diesem Zusammenhang auf den unbedingten Freiwilligkeitscharakter des Tourismus: „Flucht und Vertreibung, Arbeitsmigration und Kriegsreise haben mit Ausweglosigkeit und Not, mit Druck und Zwang zu tun, nicht jedoch der Tourismus.“ <?page no="14"?> 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus 17 motiviert. 4 Amstädter (1996) verweist in diesem Zusammenhang auf den Präalpinismus, der im Mittelalter noch von einer erstmaligen „intellektuellen und ästhetischen Aneignung des Gebirges“ (S. 22) geprägt war, welches zuvor noch als ausschließlich unbegehbarer Raum interpretiert wurde. Der Dichter Francesco Petrarca bestieg 1336 erstmals den Mont Ventoux in der Provence. Metscher (2009) führt dazu aus, dass erstmals die Besteigung eines Berges „um seiner selbst Willen“ erfolgte und „um die Welt zu sehen und zu entdecken“, ohne jedoch das „Alte“ dabei aufzugeben, nämlich „das Motiv der Selbsterkenntnis und der Gedanke der Bergbesteigung als Pilgerfahrt“. Die ausschließliche Fokussierung auf das Klettern fällt in das Jahr 1492, wonach Antoine de Ville mit der Hilfe von Seilen und Leitern den Mont Aguille besteigt (Metscher 2009). Der mit der Aufklärung einsetzende Forschungsalpinismus des frühen 18. Jahrhunderts verbindet dann naturwissenschaftliche Ziele und Entdeckerdrang miteinander. Gemeinsam ist allen benannten Ortsveränderungen neben der beruflichexistentiellen Orientierung immer auch ein unterschiedlich großer freiwilliger und explorativer Anteil, ohne dass es deswegen schon zu einem Wechsel des Hauptsinns kommt, der den Begriff der touristischen Reise rechtfertigen würde. Allerdings ändert sich in der zweiten Phase der „Grand Tour“ (17./ 18. Jahrhundert) die Motivation der jungen englischen Adeligen von einer statusnotwendigen Bildungsreise zu einer nur noch vorgeblichen Bildungsreise, mit tatsächlich ausgeprägtem Vergnügungsanteil. Die im 17. und 18. Jahrhundert aufkommenden Badereisen in die Kurorte dienten der Oberschicht zur Erholung und zum Vergnügen. Es folgten die Badereisen ans Meer und in die so genannte „Sommerfrische“ in die Mittelgebirge. Gleichzeitig erfolgte die sozialstrukturelle Ausweitung auf höhere Beamte und Angestellte. Etwa gegen Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt sich der englische Wettkampfsport zur zentralen Säule des modernen westlichen Sports (neben dem deutschen Turnen und der schwedischen Gymnastik). Im Kontext mit dem kolonialen Eroberungsgedanken werden vornehmlich über den Alpinismus die beiden kulturellen Teilbereiche Sport und Tourismus miteinander verbunden. In der Fachdiskussion wird der Beginn des Sporttourismus etwa auf Mitte des 19. Jahrhunderts datiert (Standeven, de Knop 1999). 4 Dass Immanuel Kant, der Zeit seines Lebens kaum über die Region um Königsberg hinausgekommen war, während seiner ersten wissenschaftlichen Lehrtätigkeit als Privatdozent u.a. Geografie gelehrt hat, scheint paradox. <?page no="15"?> 18 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus Amstädter verweist auf die Veränderungen, die sich in diesem Zeitraum aus dem neu entstandenen englischen Sportverständnis ergeben. „Wurden die ersten großen Gipfel in den Ost- und Westalpen noch bestiegen, um dort wissenschaftliche Messungen und Beobachtungen zu machen, wandeln sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Motivationen des Alpinismus vom naturwissenschaftlichen Interesse zur Eroberung der Gipfel, zum Bergsteigen „um seiner selbst willen“, zum Sport und Vergnügen. Mitentscheidend für diese Entwicklung ist das zunehmende Interesse der Engländer an den Alpen. Wie im Sport insgesamt spielen englische Adelige dabei eine besondere Rolle. [...] Der englische Kampf um die Gipfel der Alpen, vielfach im Wettlauf mit anderen Nationen, kann als Teil eines britischen Imperialismus, der sich soeben Indien endgültig unterworfen hatte und auch in den Alpen gleichsam Kolonialland sah, erscheinen.“ (Amstädter 1996, 33f.) Mit der Erfindung des Skis und später des Skilifts entwickelt sich kurz darauf der Wintersporttourismus und damit die anthropogen gestaltete Veränderung großer Teile des (Mittel-)Gebirgsraumes zu einer modularen Sportlandschaft mit entsprechenden siedlungsbedingt-sozialen, ökonomischen und ökologischen Möglichkeiten, aber auch Restriktionen. Zunächst sind Sportausübung und Reisen also eine exklusive Angelegenheit des Adels und des Großbürgertums. Urlaubsansprüche sind Beamten und höheren Angestellten vorbehalten, nicht jedoch der stark anwachsenden Arbeiterklasse oder den abhängig Beschäftigten der Landwirtschaft. Adel und Großbürgertum sowie später das Kleinbürgertum nutzen ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Wiederentdeckung des Spas, Badewesens und die „neue“ landschaftliche Interpretation des Strandes als Erholungs- und Bewegungsraum. 5 Die dortigen Praktiken zu dieser Zeit sind überwiegend regenerativ und auf alltagsmotorischem Niveau (flanieren, spazierengehen, baden) und weniger dem Wandern oder Schwimmsport zugetan. Auf den Luxuslinern und in den großen Hotels sind Sportangebote ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bestandteile des Angebotes. Mit der so genannten Sommerfrische ergeben sich im weiteren Verlauf auch für das Kleinbürgertum erweiterte Urlaubsmöglichkeiten, die überwiegend im Wandern ihren Ausdruck fanden. Insofern also Gesellschaften in der Lage waren, über die bloße Existenzsicherung ihrer Mitglieder hinaus (kulturellen) Reichtum zu produzieren, konnten je 5 Zur Geschichte der Landschaft und seiner historisch unterschiedlichen Interpretation siehe auch Küster (2009). Zu den theoretischen Feldern des Landschaftsbewusstseins sowie der Gefahr „das Imaginäre mit der Realität gleichzusetzen“ siehe Ipsen (2006, S. 84, S. 151f). Einen kurzen Überblick zur Tourismusgeschichte gibt Lauterbach (2008). Ausführlicher zur Entwicklung des modernen Massentourismus siehe Keitz 1997. <?page no="16"?> 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus 19 nach gesellschaftlichem Stand der Individuen, lust- und genussorientierte Aktivitäten sowie kulturelle Aktivitäten jenseits verpflichtender Arbeitstätigkeit betrieben werden. Dabei variierten die Möglichkeiten innerhalb der unterschiedlichen positionsspezifischen Lebenslagen. Noch vor gut hundert Jahren fabulierte bspw. die Chemnitzer Handwerkskammer (1906): „Es geht viel zu weit, einen Erholungsurlaub für Leute einzuführen, die nur körperlich tätig sind und unter der Gesundheit nicht schädigenden Verhältnissen arbeiten. Für Beamte, die geistig tätig sind (und häufig Überstunden arbeiten müssen; die auch keine körperliche Ausarbeitung bei ihrer Tätigkeit haben) erscheint die Erteilung von Erholungsurlaub gerechtfertigt. Für Arbeiter ist ein solcher Urlaub in der Regel nicht erforderlich. Die Beschäftigung dieser Personen ist eine gesunde. Eine geistige Anstrengung kommt nicht vor, auch von körperlicher Überarbeitung kann man nicht reden.“ (Pott 2007, S. 84) Seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte die Arbeiterbewegung, soweit sie sich unter den damals repressiven Rahmenbedingungen überhaupt organisieren konnte, zumindest einen Teil des gesellschaftlich-kulturellen Reichtums für sich zu beanspruchen. Im Fokus der harschen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen standen die Reduktion der Arbeitszeit, die Abschaffung der Kinderarbeit und die Einführung der Schulpflicht. Die weitere Teilhabe am kulturellen Reichtum erschloss sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Arbeiterbewegung. Der „Touristenverein Die Naturfreunde“ gründete sich 1895 als Gegenpol zum bürgerlichen Alpenverein. Die Praktiken konzentrierten sich auf Tagesausflüge und Kurzurlaube, in denen Wandern, Radfahren und Kanufahren die dominante Sport- und Bewegungspraxis darstellten. Eingebunden waren die Aktivitäten in eine Konzeption des so genannten Sozialtourismus (detailliert zur Geschichte der Naturfreunde siehe Zimmer 1984, aktuell www.nfi.at). Erst ab 1918 konnten die Gewerkschaften die 48-Stunden-Woche und wenige Werktage als Urlaubsansprüche für die Arbeiter durchsetzen. Während des Nationalsozialismus wurden mit der Reiseorganisation Kraft durch Freude (KdF) die ideologischen Denkfiguren einer vermeintlich „kerngesunden“ und wehrhaften völkischen Gemeinschaft für kriegsvorbereitende Ziele umgesetzt. Unter dem Deckmantel harmloser Wanderreisen in die Mittelgebirge, Ostseeurlaube oder Kreuzfahrten wurden größere Teile der Arbeiterschaft korrumpiert. Allerdings präferierte auch „ein Teil der Arbeiter die Auszahlung des Urlaubs“ (Keitz 1997, S. 222). Zuvor befand im Rahmen des Ermächtigungsgesetzes der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA) am 10.5.1933 über seine Selbstauflösung und gab damit das demokratische Selbstbestimmungsrecht der (bürgerlichen) Vereine auf. Die Strukturen der Arbeitersportbewegung samt ihrer Freizeit- und Tourismusaktivitäten wurden verboten und das Verbands- und Vereinseigentum <?page no="17"?> 20 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus konfisziert. Das flächendeckende staatlich organisierte Reiseangebot erreichte durch fordistische Produktionsprinzipien sowie eine staatlich stark subventionierte Preispolitik erstmals Massencharakter mit insgesamt ca. 40 Mio. durchgeführten Reisen. Der moderne Massentourismus, der in der Weimarer Republik seinen Anfang nahm (Keitz 1997, S. 209), entwickelte sich mit seinem Pauschalurlaubsangeboten in den 1950er Jahren dynamisch, war jedoch bis in die 1960er Jahre hinein sozialstrukturell verengt auf die Angehörigen der (städtischen) Oberschicht und der sich allmählich erweiternden Mittelschicht. Mit der Erfindung des Cluburlaubs und der Übernahme des Animationskonzeptes aus der französischen Sozialpädagogik der 1930er Jahre wurden gezielt Sportangebote aufgegriffen, die sich im Cluburlaub etablierten und auch als Vorreiter für die in den 1970er Jahren entstehenden Sporthotels zu sehen sind (vgl. Finger; Gayler 2003, S. 6f.). Sport war jedoch zu dieser Zeit immer noch überwiegend eine Angelegenheit von jungen Männern der (gehobenen) Mittel- und Oberschicht. 6 Im Jahr 1954 waren lediglich 3,74 Mio. Menschen im damaligen Deutschen Sportbund organisiert, was ca. 7,2 % der Bevölkerung entsprach. Die Mitgliedszahlen stiegen bis 1959 zwar auf 5,13 Mio. an (9,5 % der Bevölkerung), dennoch muss konstatiert werden, dass durch passive Vereinsmitgliedschaften, Doppelmitgliedschaften und unter Herausrechung der Kinder- und Jugendlichen lediglich 1,5 bis 2 Mio. erwachsene Menschen in der damaligen Bundesrepublik Deutschland regelmäßig Sport trieben (Gieseler 1972, S. 72). Die historische Rückschau ist insofern von Belang, weil sich die Veränderung der gesellschaftlich-historischen Rahmenbedingungen für Sport auf die Alterskohorten auswirkte. Sportaktivitäten im Urlaubskontext wurden bspw. im Jahr 1971 von der Altersgruppe der 50bis 59-Jährigen nur zu 7,6 % ausgeübt. Knapp 25 Jahre später, nachdem der allgemeine Sportstättenbau intensiviert wurde, diverse Sportkampagnen in den Medien Verbreitung fanden, sich neben dem Wettkampfsport auch Freizeit- und Breitensportangebote etablieren konnten und der Sport zunehmend von touristischen Akteuren in die Angebote integriert wurde, betrieben 1995 bereits 18,5 % der 50bis 59-Jährigen Sport im Urlaub. 7 6 Im Jahr 1959 waren 87,4 % der über 21-jährigen Mitglieder des damaligen DSB männlich. 7 Die Daten zum Verhältnis von Sportaktivität während der Urlaubsreisen und Sozialstruktur sind detaillierter aufgeführt in Schwark (2006, S. 116-130). <?page no="18"?> 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus 21 Bis weit in die 1950er Jahre waren die Sportvereine vorwiegend auf Eigeninitiativen hinsichtlich der Ausgestaltung und des Baus von Sportstätten angewiesen, da seitens der öffentlichen Hand kaum Unterstützungsleistungen finanzieller und struktureller Art erfolgten. Die Situation änderte sich grundlegend mit dem 1. Memorandum zum „Goldenen Plan“ für Gesundheit, Spiel und Erholung, das die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG) am 1.6.1960 veröffentlichte. In einem 15-Jahres-Plan sollten wesentliche Fehlkapazitäten bereinigt und bis 1975 unter anderem 14.700 allgemeine und Schulsportplätze, 10.400 Turn-, Spiel- und Gymnastikhallen, 5.500 Gymnastikhallen bzw. -räume, 2.625 Lehrschwimmhallen, 2.420 Freibäder und 435 Schwimmhallen gebaut werden (Binder 1972, S. 90f.). In Verbindung mit der wirtschaftlich prosperierenden Entwicklung kann insbesondere der Zeitraum zwischen 1960 und 1975 als (quantitativer) Höhepunkt des Sportstättenausbaus angesehen werden, der die infrastrukturelle Grundlage auch für die positive Entwicklung der Sportaktivität der bundesdeutschen Bevölkerung bedeutete. Der hohe finanzielle Aufwand für den allgemeinen Sportstättenbau stand im direkten Zusammenhang mit der Verringerung des Arbeitskräftereservoirs und dem besorgniserregend schlechten Gesundheitszustand der Bevölkerung, einem hohen Anteil an Frühverrentungen durch gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, Untauglichkeit der ersten Rekrutenjahrgänge und negative Ergebnisse der Gesundheitsuntersuchungen bei den Einschulungen (siehe dazu auch Binder 1972, S. 87-100). Die Sachverständigenkommission zum Goldenen Plan führte 1978 rückblickend zu dieser Problematik aus: „Der Gesichtspunkt der Volksgesundheit war daher das entscheidende Argument für die im Goldenen Plan zusammengefassten Vorschläge.“ (S. 1). Zur Verdeutlichung der Situation ist anzuführen, dass etwa zwei Drittel aller Beschäftigten vor Erreichen der Altersgrenze vorzeitig invalid wurden und von 1.000 stationär behandelten Kranken 536 solche Krankheiten hatten, die durch Bewegungsmangel entscheidend beeinflusst wurden (vgl. Palm 1968, S. 19). Die Finanzierung des „Goldenen Plans“ beruhte im Wesentlichen auf Länder- und Kommunalbasis, da sich der Bund zugunsten des Hochleistungssports immer weiter aus der Förderung des allgemeinen Sportstättenbaus herausgezogen hatte (siehe Bundesminister des Innern 1982, S. 46). Mit der Beseitigung der infrastrukturellen Fehlkapazitäten, dem „Zweiten Weg“ (1959) und der Aktion „Trimm dich“ (ab 1970) zur Entwicklung des Breitensports sowie der „Entdeckung“ und bisweilen auch Funktionalisierung des Sports durch Krankenkassen, Versicherungen bzw. das Gesundheitswesen <?page no="19"?> 22 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus konnte Sport als alltägliche kulturelle Praxis auf eine breitere sozialstrukturelle Basis gestellt werden. 8 Antworteten 1971 noch knapp 14 % der befragten Urlauber, während ihrer Urlaubsreise einer Sportaktivität nachgegangen zu sein, so stieg diese Zahl auf über 24 % im Jahr 1995 und aktuell auf etwa ein Drittel an. Die relevante Zielgruppe konzentriert sich inzwischen bis in das fortgeschrittene Alter von 60 Jahren. Danach sinken die Aktivitätsraten deutlich ab. Häufiger vertreten sind jedoch nach wie vor die mittleren und höheren sozialen Schichten, während die ungleiche Teilhabe der Geschlechter nahezu abgebaut werden konnte (detaillierter Schwark 2006a, S. 113-130). Im Zuge der gesundheitspolitischen Debatte um die so genannte Eigenvorsorge der Versicherten wurde seit den 1980er Jahren das Thema Gesundheitssport auch zunehmend in das touristische Angebot aufgenommen und später mit den Themen Fitness und Wellness ergänzt. 9 Ebenfalls in den 1980er Jahren gründen sich zunehmend (kleinere) Abenteuersportanbieter im Tourismus. Diese Thematik wird in den 1990er Jahren durch abgemilderte Formen des nahezu risikolosen „Erlebnissports“ einer breiteren Zielgruppe zugänglich. Während der 1980er/ 90er Jahre etablieren sich nach einer intensiven und kontrovers geführten gesellschaftlichen Debatte zwischen Umweltschutzverbänden, Sportverbänden, Bundes- und Landesministerien und Medien im weiteren Verlauf auch „ökologische“ und „naturverträgliche“ Angebote im Tourismussektor. Mit der 1988 erfolgten Gründung des „forums anders reisen“ belegen mehrere kleine Reiseveranstalter ernsthaft die Umsetzung des Themas, obgleich sich ihr bis heute steigender Marktanteil nach wie vor innerhalb der „Öko-Nische“ der Tourismusindustrie realisiert. Neuerburg, Wilken et al. legten in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband 1993 einen thematisch weitgefassten Kongressband vor, der explizit auch die ökologischen Perspektiven von „Sport und Urlaub“ (Titel) zum Thema hatte. Ein Jahr zuvor erschien das vom Bundes- 8 Zur Entwicklung des Freizeitsports siehe auch das gleichnamige Handbuch von Dieckert und Wopp 2002. Für den Gesundheitssport siehe den Beitrag von Burrmann 2008, S. 368-378. 9 Sport- und Gesundheitstourismus besitzen insbesondere im Bereich Wellness (Wellbeing/ Fitness) eine gemeinsame Schnittmenge, obwohl kritisch konstatiert werden muss, dass vielfach der „anstrengende“ Anteil der Fitnessaktivitäten deutlich hinter den Wellbeing-Aktivitäten zurücksteht (dazu bereits auch Freyer/ Naumann 2006, S. 315). Angaben zur Grundlagenliteratur „Gesundheitstourismus“ finden sich im Anhang. <?page no="20"?> 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus 23 umweltministerium unterstützte umfangreiche „Handbuch Sport und Umwelt“ von Schemel/ Erbguth (1992) in erster Auflage. Und auf nationalstaatlicher Ebene initiierten 1989 die Alpenanrainerstaaten die Zusammenarbeit zum Schutz der Bergregion, die ihrem Engagement mit dem Übereinkommen der so genannten „Alpenkonvention“ 1995 Ausdruck verliehen und damit bis heute unterschiedlich erfolgreich gewirkt haben. 10 Nahezu konträr zum Umweltdiskurs etablierte sich in den 1990er Jahren als eine der stärksten expandierenden Einzelsportarten der Golfsport und streifte zunehmend sein Oberschichtenimage ab. Mit dem umfangreichen Bau von Golfplatzanlagen sowohl in Deutschland, vor allem aber in den Mittelmeeranrainerstaaten, wurde der Mittelschicht der (touristische) Zugang zu dieser Sportart ermöglicht und mit vehementem medialem Aufwand unterstützt. Neben dem Kalkül, eine zahlungskräftige Klientel zu beherbergen (Golfhotels, Golfresorts), sollte zudem die Auslastung von Hotels bzw. Destinationen in der Vor- und Nachsaison erhöht werden. Vor allem der Bau- und Immobilienindustrie ging es in Kooperation mit den Golfplatzbetreibern (zunehmend kommerzielle Betreibergesellschaften) um den Verkauf von Appartements/ Häusern in unmittelbarer Nähe von neu errichteten Golfanlagen. 11 Grob zusammengefasst sind die bedeutendsten Sportartenkomplexe für die touristische Angebotsals auch für Nachfrageseite so genannte „Natursportarten mit Geräteeinsatz“ gefolgt vom Bereich „Gymnastik i.w.S./ Kraft- und Fitnesstraining“, „Rückschlagspiele“, „Asiatische Bewegungskultur“ und in den letzten Jahren „Mannschaftssportarten“ (insbesondere Fußballtrainingslager) sowie „Leichtathletik“ (z.B. Reisen zu Laufveranstaltungen). Kaum eine andere kulturelle Praxis findet inzwischen einen so starken Zuspruch wie Bewegung und Sport im Urlaub bzw. Sporttourismus. Was die beiden Formulierungen voneinander unterscheidet, wird u.a. Gegenstand des nun folgenden Kapitels sein. 10 Eine Vielzahl an Publikationen findet sich auf der Homepage der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA unter: www.cipra.org/ de/ cipra/ international/ projekte/ laufend/ alpmedia/ publikationen 11 Siehe zur Entwicklung des Golfsports hinsichtlich seiner historischen sowie ökonomischen Dimension Deutscher Golf Verband (2007 und 2014), zur Naturpolitik Kaufmann (2004) sowie zur sozialstrukturellen Entwicklung Schwark (2006b). <?page no="21"?> 24 1 Historische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Sporttourismus Grundlagenliteratur zum Tourismus Freyer, W. (2014): Tourismus. Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie. München (11. Auflage) Mundt, J. W. (2013): Tourismus. München (4. Auflage) Grundlagenliteratur zum Sport Güllich, A.; Krüger, M. (2013): Sport. Das Lehrbuch für das Sportstudium. Berlin Rütten, A. et al. (Hrsg.) (2014): Handbuch Sportentwicklungsplanung. Schorndorf Literatur zur Geschichte des Reisens/ Tourismus Keitz, Chr. (1997): Reisen als Leitbild. Die Entstehung des modernen Massentourismus in Deutschland. München Lauterbach, B. (2008): Tourismus. Eine Einführung aus Sicht der volkskundlichen Kulturwissenschaft. Würzburg (2. Auflage) Spode, H. (1987): Zur Geschichte des Tourismus. Eine Skizze der Entwicklung der touristischen Reisen in der Moderne. Starnberg Zimmers, B. (1995): Geschichte und Entwicklung des Tourismus. Trier Wissenschaftliche Zeitschriften und Jahrbücher zum Tourismus Voyage, Jahrbuch für Reise & Tourismusforschung (erscheint unregelmäßig, kultur- und sozialwissenschaftlich orientiert) Zeitschrift für Tourismuswissenschaft (erscheint halbjährlich, überwiegend wirtschaftswissenschaftlich orientiert) Wissenschaftliche Zeitschriften zum Sport Sportwissenschaft (erscheint quartalsweise, multidisziplinär) Sport und Gesellschaft (erscheint dreimal pro Jahr, Beiträge aus den Bereichen der Soziologie, Philosophie, Ökonomie und Geschichte des Sports) <?page no="22"?> „Die Touristen sind eine Internationale der Neugierde“ Alberto Moravia (1907-1990) italienischer Schriftsteller 2 Konzeption des Sporttourismus Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … die Vor- und Nachteile einer formalen und inhaltlichen Tourismusdefinition kennen. die verschiedenen Ausprägungen des Alltagsraumes nachzuvollziehen. eine begründete Definition zu Tourismus und Sport kennen und Motive voneinander abzugrenzen. verschiedene Formen der Aneignung kennen und diese in Verbindung mit dem Sporttourismus zu bringen. zwischen Sporttourismus im engen Sinn, im weiten Sinn, Sport im Urlaub und sportinduziertem Tourismus zu unterscheiden. die Potenziale des Sporttourismus kennen. die besonderen Anreize von Sportarten verstehen. In der jüngsten Fachdebatte um die Definition von Sporttourismus existieren zwei Grundhaltungen. Welche Aktivitäten Sporttourismus zugerechnet werden können und welche nicht, hängt vornehmlich davon ab, ob eine formale oder inhaltliche Definition gegenüber Tourismus/ Reisen angewendet wird. Obwohl auch der Begriff des Sports mehrdeutig definiert wird und häufig die Grenzen zur Bewegungskultur streift, ist für die Definition des Sporttourismus der Bereich Tourismus/ Reisen problematisch (auf den Sportbegriff wird nachfolgend noch eingegangen). Tourismus wird in der einschlägigen (betriebswirtschaftlich orientierten) Tourismusliteratur mit einem formalen Zugang in Anlehnung an die UNWTO-Definition als „Verlassen des alltäglichen Aufenthaltsortes“ verstanden. Für den englischsprachigen Raum formulieren Standeven und de Knop, ähnlich wie Dreyer und Freyer für den deutschsprachigen Raum, <?page no="23"?> 26 2 Konzeption des Sporttourismus in Anlehnung an die bestehende formale Tourismus-Definition, Sporttourismus wie folgt: „All forms of active and passive involvement in sporting activity, participated in casually or in organized way for noncommercial or business/ commercial reasons, that necessitate travel away from home and work locality.“ (Standeven; de Knop 1999, S. 12). Aus dieser formalen Sicht ergeben sich zwei problematische Fehlspurungen. 2.1 Formationen des Alltagsraumes Die erste Fehlspurung besteht in der Unklarheit darüber, wie sich überhaupt „der“ alltägliche Alltagsraum konstituiert. Der Begriff ist relational, weil er von den Subjekten ganz unterschiedlich ausgestaltet wird und damit nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg scheinbar objektiv zu bestimmen ist. Zudem wird die Distanz zum Verlassen „des“ Alltagsraumes, fälschlicherweise ausgehend von einem einzigen Raum mit flächenerschließender Dichte, wissenschaftlich, institutionell und länderübergreifend völlig unterschiedlich definiert. Notwendig ist es daher, über ein differenziertes Verständnis darüber zu gelangen, wie der Alltagsraum in verschiedenen Konstellationen ausgestaltet sein kann, um danach treffender entscheiden zu können, ob überhaupt eine touristische Reise vorliegt oder „lediglich“ Mobilität zwischen zwei (oder mehreren! ) Alltagsräumen. Eine Vorstellung des Alltagsraumes, die ausschließlich auf einem geographischen Raum mit kleinräumig-flächenerschließender Dichte beruht, muss zwangsläufig den Gegenstand verfehlen. Der Alltagsraum entsteht durch Tätigkeiten, die auch an verschiedenen und nicht immer an denselben Orten bzw. Räumen ausgeübt werden. Der Alltagsraum ist insofern ein relationaler Begriff und treffender als Alltagskonstellation zu fassen. Innerhalb eines je individuell-biografischen Kontextes beinhaltet er verschieden große, unterschiedlich häufig und intensiv genutzte Räume. Voß zeigt in diesem Kontext auf, dass immer wiederkehrende „Routinen, Mechanismen der Organisation und Strukturierungsmechanismen“ eine zentrale Bedeutung (und Entlastung) für den Alltag der Lebensführung haben (Voß 1991, S. 266). Historisch-gesellschaftliche Bedingungen erzeugen durch beruflich bedingte Mobilitätsanforderungen, der Forcierung des automobilen Individualverkehrs, räumlich ausgeweitete Sozial- und Freizeitkontakte den jeweiligen Rahmen für die Entstehung der subjektiven Alltagskonstellation mit milieuspezifischen Gemeinsamkeiten. <?page no="24"?> 2.1 Formationen des Alltagsraumes 27 Der grundlegendste Typus des Alltags„raums“ konzentriert sich überwiegend auf den schon erwähnten idealtypischen Raum mit kleinräumig-flächenerschließender Dichte, der als Lebensmittelpunkt Wohnen, Arbeit, Freizeit und soziale Beziehungen einschließt. Der Alltag findet in einem Stadtteil, einer Kleinstadt oder einem Dorf statt mit Nachbarschaftsbezug und enger Verankerung zum Nahraum, der gleichzeitig auch Alltagsraum ist. Darüber hinaus ist jedoch eine weitere Variante mit vielfachen Aktivitäten in der sozialräumlichen Peripherie möglich. Dieser zweite Typus lässt sich demzufolge als grobes punktaxiales Raum„geflecht“ darstellen, in dem Wohn- und Arbeitsort voneinander getrennt sind und auch die sozialen Beziehungen an einem anderen Ort stattfinden können. Wohnen findet hier ohne weitergehenden kontextuellen Bezug zu diesem Nahraum statt. Der Alltag wird mit einem raumgreifenden Mobilitätsanspruch (bspw. „das ganze Ruhrgebiet und die Rheinschiene Düsseldorf/ Köln“) realisiert bis hin zum Prinzip der „Weltbürgerschaft“ (häufig beansprucht durch Schauspieler, Künstler, Musiker). Ein weiteres (arg konstruiertes) Beispiel bezieht sich auf einen Studenten, der bspw. aus Kostengründen in Steinhagen wohnt, in Bielefeld studiert und am Wochenende an seinem Geburtsort mit Freunden in Münster zusammen ist. Formal würde die Fahrt nach Münster als Tagestourismus oder Wochenendreise deklariert. Eine inhaltliche Bewertung käme jedoch zu dem Ergebnis, dass lediglich einer von mehreren Alltagsräumen aufgesucht wird. Alltagsräume können auch durch zwei getrennte räumliche Lebensmittelpunkte in Form einer Dyadenstruktur mit doppelt kleinräumig-flächenerschließender Dichte entstehen. Wohnen (Wochenende) und Wohnen/ Arbeiten (wochentags) finden an getrennten Orten/ Räumen statt, wie dies häufig auf Politiker, Hochschullehrer und Studierende zutrifft. Nach beruflich erfolgtem Umzug wird der alltägliche Kontext zum ehemaligen Alltagsraum beibehalten. Ebenfalls sind saisonale Formen möglich, die zwei Alltagsräume hervorbringen (bspw. Vorlesungszeit und vorlesungsfreie Zeit). Idealtypisch sind weitere, sehr „zerrissene“ Kombinationen möglich, die auf Dauer jedoch kaum praktikabel und demzufolge nur vorübergehend in den Lebensalltag zu integrieren sind. Die entwickelten verschiedenen Alltagskonstellationen haben zur Konsequenz, dass jenseits formaler Distanzangaben nur mit einer je subjektiven Konfiguration des Alltagsraumes der Maßstab zur Abgrenzung von Alltagsraum und Nicht- Alltagsraum erfolgen kann. Für den Alltagsraum ist allerdings als Untergrenze ein gesellschaftlich-durchschnittliches Maß an außerhäuslichen Aktivitäten zu bestimmen, damit der Begriff nicht der subjektiven Beliebigkeit ausgesetzt ist. Obwohl ein häuslich stark zurückgezogen lebender Personenkreis in seinem subjektiven Empfinden relativ früh zu „neuen“ Erfahrungen außerhalb seines <?page no="25"?> 28 2 Konzeption des Sporttourismus unmittelbaren Wohnumfeldes kommen kann, würde ein deutliches Unterschreiten in dieser Konsequenz schon extrem kleine nahräumliche Mobilitäten unrealistisch als „Reise“ qualifizieren (bspw. Senioren oder Bauern im ländlichen Raum, die in die nahe gelegene Kleinstadt fahren). Was nun allerdings als gesellschaftlich-durchschnittliches Maß zur Bestimmung für die Untergrenze des außeralltäglichen Nahraums bzw. (tages-)touristische Aktivitäten gelten kann, ist in der Tat schwierig und uneindeutig. Als Anhaltspunkt kann für diesen Personenkreis mit kleinräumig-flächenerschließender Dichte der Raum gelten, der während eines Tages aus eigener Kraft und konditionell per Rad bewältigt und vor allen Dingen, im Gegensatz zum PKW, bewusst angeeignet werden kann. Damit würde ein Radius um den Wohnort von grob 30 km entstehen. Eine Auflistung von unterschiedlichen Distanzen, die eine touristische Aktivität begründen, hat Mundt (1998, S. 6f.) vorgenommen. Die Angaben reichen von entfernungsunabhängigen Angaben, 25 Meilen bis 100 Meilen, Übernachtungsvorgaben sowie Mindestaufenthalten von 24 Stunden bis hin zu maximalen Obergrenzen von zwei Monaten, und zeigen damit die Bandbreite der Definitionen, die sich vorwiegend an den unterschiedlich großen nationalen Territorien orientieren. Mit der Ausdifferenzierung des Alltagsraumes, genauer der Alltagskonstellationen, wird die Negativabgrenzung der Tourismusdefinition spezifiziert, mit der eine treffendere Unterscheidung zwischen Tourist und „Nicht-Tourist“ (Ortsansässiger, Einheimischer, Einwohner, Dauerresident, Zweitwohnsitznehmer) vorgenommen werden kann. Doch selbst wenn das Verlassen des Alltagsraumes nun differenzierter bestimmbar ist, kann damit noch nichts über den Kern des Reisens/ Tourismus ausgesagt werden. Im nächsten Schritt soll daher auf die begriffliche Reichweite einer sich negativ bzw. positiv abgrenzenden Tourismusdefinition eingegangen werden. 2.2 Negative und positive Tourismusdefinition Die zweite Fehlspurung besteht strukturell in der Negativabgrenzung „Verlassen des Alltagsraumes“, mit der lediglich formulieret werden kann, was Reisen/ Tourismus nicht ist, nämlich „Alltagsraum“. Damit ist aber noch keine Positivabgrenzung vorgenommen, was Reisen/ Tourismus im Kern, auch gegenüber anderen Phänomenen, ausmacht. An dieser Stelle soll zur weiteren Argumentation ein hilfreicher Zwischenschritt eingelegt werden, der exemplarisch den Wechsel des Gesundheitsbegriffs von einer wenig aussagekräftigen Negativdefinition zu einer konkreten Positivdefinition aufzeigt. <?page no="26"?> 2.2 Negative und positive Tourismusdefinition 29 Bis zur so genannten Ottawa-Charta vom 21.11.1986 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde Gesundheit lediglich als „Fernsein von Krankheit“ definiert. Diesen inhaltlichen Mangel überwand die WHO grundlegend mit der Konkretisierung auf psychisches, soziales und physisches Wohlbefinden, mit den jeweiligen Unterpunkten und Erklärungen, die an dieser Stelle nicht weiter aufgeführt werden brauchen. Die mit der formalen Negativabgrenzung verbundene definitorische Einfachheit sowie schnelle Zählweise für nationale und internationale Statistiken erzeugt teilweise widersprüchliche Konstellationen. Gäste eines im Hafen ankernden Kreuzfahrtschiffes werden im Gegensatz zu den unweit logierenden Hotelgästen nicht als Übernachtungsgäste gezählt, obwohl beide Gästegruppen an Land ein nahezu identisches Kultur- und Konsumverhalten zeigen (können). Die Zählungen der Standortmethode berücksichtigen nicht die Übernachtungen von ehemaligen Einwohnern, die sich (regelmäßig) in ihrer Heimatstadt aufhalten, sich in ihrer Identität dieser Stadt zugehörig fühlen und sich demnach nicht als Touristen verstehen. Bei internationalen Zählungen der Grenzübertritte wird nicht erfasst, ob sich Reisende als regelmäßig wiederkehrende Dauerresidenten oder Nutzer einer Zweitwohnung in einen „ihrer“ inzwischen angeeigneten Alltagsräume einfinden. Allerdings bedeutet die Anwendung einer inhaltlichen Definition immer, dass die Subjekte Auskunft darüber geben sollen, ob sie ihren Alltagsraum für eine Reise nun gerade verlassen oder nicht. Neben der Freiwilligkeit oder Verweigerung von Aussagen existiert des Weiteren das Problem, ob sich die Befragten (zumeist unter Zeitdruck) der Fragestellung bewusst sind und entsprechend reflektiert antworten (können). Freyer legt in seinem Standardwerk zum Tourismus drei „konstitutive Elemente“ dar (Freyer 2011, S. 2): 1 der Ortswechsel von Personen, der über den normalen Aufenthaltsort hinausgeht und an einen „fremden“ Ort führt. 2 der vorübergehende Aufenthalt an einem fremden Ort. 3 die Motive des Ortswechsels, also die Frage, warum gereist wird. 12 Ergänzend teilt Freyer Tourismus in einen Kernbereich ein, der Urlaubsreisen beinhaltet. Des Weiteren wird ein touristischer Randbereich bestimmt, der durch Geschäftsreisen gekennzeichnet ist, die „nicht immer dem Tourismus zugerechnet“ (S. 3) werden können. Und schließlich wird von der Existenz eines dritten nicht- 12 Ergänzend weist Freyer noch auf die Wahl unterschiedlicher Transportmittel und Unterkünfte hin. <?page no="27"?> 30 2 Konzeption des Sporttourismus touristischen Bereichs ausgegangen, der durch Studien- oder Arbeitsaufenthalte gekennzeichnet ist. Der formalen Negativabgrenzung des zeitlich begrenzten Ortswechsels vom „normalen Aufenthaltsort“ ist unter dem Vorbehalt seiner inhaltlich begrenzten Reichweite in einem vorläufigen Schritt zuzustimmen. Die angesprochenen Motive des Ortswechsels eröffnen sodann die Perspektive für eine inhaltliche Bestimmung des Tourismus, jedoch wird mit der bloßen Benennung der Frage, warum gereist wird, lediglich der Hinweis auf das gegeben, was zur angekündigten Konstituierung spezifiziert werden müsste. Nachfolgend gibt Freyer für den Kernbereich des Tourismus dann doch ein zentrales Motiv an, das für die (private) Urlaubsreise in der Erholung liegt (S. 3). In der Tat ist Erholung ein weitverbreitetes Motiv, das sich im Übrigen auch der Gesetzgeber zu eigen macht. Nach Paragraph 1 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub in Höhe von mindestens 20 Arbeitstagen (bei einer 5-Tage-Woche). Auch in den Arbeitsverträgen abhängig Beschäftigter wird formuliert, dass der vereinbarte Urlaub möglichst zusammenhängend und zu Erholungszwecken gewährt wird. In Paragraph 8 des BUrlG wird dazu weiterhin erwähnt, dass vom Arbeitnehmer während des Urlaubs „keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit“ ausgeübt werden darf. Die Fokussierung des Gesetzgebers und der Arbeitgeber auf eine möglichst gelingende Reproduktion der Arbeitskraft ist funktional-ökonomischen Gründen geschuldet und begründet damit noch nicht den Kern von Reisen/ Tourismus. Zudem ist mit dem Urlaubsanspruch nicht zwingend eine touristische Reise intendiert. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass die Praxis vieler Touristen nur schwer mit Erholung in Einklang zu bringen ist. Die in den letzten Jahrzehnten sinkende durchschnittliche Dauer der Haupturlaubsreise auf inzwischen 12,9 Tage (FUR 2015) bzw. 12,1 Tage (1980: 18,2 Tage; Stiftung für Zukunftsfragen 2015) ist aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht mit langfristig wirkender Erholung zu realisieren. Exzessive Praktiken am Urlaubsort, verbunden mit kurzen Tiefschlafphasen und der regelmäßigen und umfangreichen Einnahme psychotroper Substanzen (i.d.R. Alkoholika) haben ebenfalls keine ausreichende Erholungsfunktion. Derartige Urlaubsreisen werden aus Sicht der Reisenden eher mit dem Sinn der psychischen Ventilfunktion vom reglementierten Alltag belegt. Darüber hinaus existieren zwei weitere Gruppen, die Erholung nicht als ein bedeutsames Motiv für ihre Reisen erzeugen können bzw. wollen. Zum einen sind Personen, die wenig alltäglichen Zwängen unterliegen und eher selbstbestimmt und befriedigt arbeiten können, kaum auf Erholungsreisen fokussiert. <?page no="28"?> 2.2 Negative und positive Tourismusdefinition 31 Zum anderen existiert eine Gruppe von Reisenden, die mit stark ausgeprägtem Neugier- und Explorationsverhalten sich in für Menschen unwirtliche, abenteuerliche und/ oder strapaziöse Destinationen begeben und eher erschöpft denn erholt von diesen Touren zurückkehren. Erholung ist zwar ein weitverbreitetes Motiv, begründet aber nicht den Kern von Reisen/ Tourismus, da reproduktive Aktivitäten auch im Alltag, wenngleich etwas „mühseliger“, realisiert werden können. Selbstverständlich sind „Entspannen“ und „Gesundheit“ relevante Urlaubsmotive (und gleichzeitig auch soziale Stereotype), sie treffen aber nicht den Kern des Reisens. Populär und (in der Tourismusforschung) ungenau formulierte Motive wie „Tapetenwechsel“(? ), „neue Leute kennenlernen“ (Touristen gleicher oder anderer Nationalität oder Einheimische? ) beinhalten im Kern Neugierverhalten und Motive nach „Natur“, zumeist gespeist aus dem Bedürfnis, den urbanen Raum zu verlassen, sind in der realisierenden Aneignung „der Natur“ (i.d.R. anthropogen gestaltete Landschaft) sowohl Neugier- und Explorationsverhalten. Die individuelle Ausprägung des Motivs nach „Natur“ präformiert im Rahmen der finanziellen und sozialen Lebenslagebedingungen bspw., welcher vorsichtig- oder gefährlich-explorative Zugang zur „Natur“ gewählt wird. Auch die symbolische Anerkennung der (Fern-)Reise geht letztlich auf das „Sich-Einlassen“ und das Neugierverhalten auf eine „nicht-alltägliche“ Welt zurück und den damit verbundenen Impressionen, Erlebnissen und Erfahrungen, die im Alltag in dieser Form nicht möglich sind. Dass sich die Formen symbolischer Anerkennung auch auf dekadente, bizarre, deformierte und misslungene touristische Angebote beziehen können (bspw. Palmeninsel, Weltinsel, Golfplätze und Eislaufhalle in Dubai), ändert nichts an der zugrunde liegenden Anerkennung „Daheimgebliebener“ am realisierten Neugierverhalten des jeweils Anderen. In der dichotom zugeschnittenen Einteilung von Tourismusmotiven in „weg von“ und „hin zu“ findet sich die gerichtete und ungerichtete Spezifizierung des grundlegenden Neugier- und Explorationsverhaltens wieder. Ungerichtete Motive („weg von“) lassen sich nur unpräzise verbalisieren. „Möchte eine andere Landschaft sehen“ gibt ein Beispiel für ein ungerichtetes Motiv. „Möchte in die Berge“ stellt mit einer ersten verbalen Präzisierung den Übergang von ungerichteter zu gerichteter Spezifizierung des Neugier- und Explorationsverhaltens dar. „Möchte in die Alpen“ gibt eine, wenngleich immer noch weiträumige, so doch gerichtete Spezifizierung wieder, deren verbale Äußerung mit einer mehr oder minder treffenden Vorstellung über den zu bereisenden Raum verbunden ist. <?page no="29"?> 32 2 Konzeption des Sporttourismus Alle Motive im Kontext mit Reisen/ Tourismus sind verbunden mit einem subjektiv je unterschiedlich hohem Maß an Einbildungskraft, Imagination, Phantasie und/ oder Vorstellung, die wiederum zwischen Idealisierung, Täuschung, Konstruktion und realistischem Abbild changieren. Insofern entstehen vor Ort auch immer zutreffende („habe ich mir so vorgestellt“), unzutreffende („so habe ich mir das nicht vorgestellt“) und völlig überraschende („damit habe ich überhaupt nicht gerechnet“) Begegnungen. Was wäre nun also als Kern des Reisens/ des Tourismus auszuweisen? Wissenschaftstheoretisch ist dazu anzumerken, dass nicht „irgendein Wesenskern“ a priori und ahistorisch zu bestimmen ist. Menschliche Tätigkeiten unterliegen historischen Veränderungen und sind gesellschaftlich geformt bzw. überformt. Damit verändern sich die gesellschaftlichen Bedeutungen sowie milieuspezifischen und individuellen Sinngebungen einer kulturellen Praxis wie bspw. dem Reisen (und auch des Sports). Neugierverhalten und explorative Aktivitäten sind eine ausdifferenzierte Konstante in der Phylogenese des Menschen und im Rahmen von Ortsveränderungen als unmittelbare Umweltkontrolle zwingend zur Verfügung über die Lebensbedingungen notwendig gewesen. Durch den gesellschaftlichen Charakter menschlicher Daseinsbewältigung sind sie im Bereich der Ortsveränderung inzwischen nicht mehr unmittelbar zwingend handlungsnotwendig, sondern stellen Handlungsmöglichkeiten dar, da die individuelle Reproduktion gesamtgesellschaftlich erzeugt wird. 13 Damit sind Neugierverhalten und explorative Aktivitäten keine naturwüchsigen Aktivitäten mehr, sondern eingebettet in die jeweils historisch sich unterschiedlich entwickelten gesellschaftlichen Figurationen. Mit der Entstehung und Entwicklung allgemein-gesellschaftlicher Figurationen wird die Existenzsicherung im Rahmen kooperativer und arbeitsteiliger Verhältnisse geregelt. Ortsveränderungen und Mobilitätsverhalten sind mit zunehmend gesellschaftlicher Entwicklung zuallererst gekoppelt an die jeweiligen Produktionsverhältnisse und die Suche nach den menschlichen Bedürfnissen entsprechenden Gunststandorten. Je nach Stellung in der Gesellschaft, individuellen Freiheitsgraden und Verfügung über die eigenen Lebensbedingungen wurde die touristische Reise möglich und stellt eine Mobilitätsform dar, die frei von Zwang ist, abgesehen vom latenten Druck des sozialen Umfeldes und der medialen Herausbildung der Reise zu 13 Im Rahmen gesellschaftlicher Arbeitsteilung produziert niemand alle lebenswichtigen Dinge für sich selbst und über die Grundsicherung kann bei Bedarf eine (basale) Sicherstellung des Lebensunterhaltes erzielt werden. <?page no="30"?> 2.2 Negative und positive Tourismusdefinition 33 einem Leitbild bzw. einer gesellschaftlichen Denkfigur als „folgerichtigem“ und als selbstverständlich erachtetem Bestandteil moderner Lebensweise. 14 Der Kern des Reisens beinhaltet also Neugier- und Explorationsverhalten. 15 Doch bevor an dieser sehr zentralen inhaltlichen Stelle Missverständnisse aufkommen, ist darauf hinzuweisen, dass damit kein objektiver Maßstab angelegt wird, demzufolge ein ausgeprägtes Mindestmaß überschritten werden müsste. Die Spannweite reicht vom eher geringem Neugier- und Explorationsniveau des Sonne-Strand-Urlaubs über die Studienreise bis hin zum existentiell bedrohlichen Abenteurertum. Ein Beispiel aus der Musik soll die Argumentation hilfreich unterstützen. „Musik machen“ lässt sich nicht dadurch bestimmen, wie viele Noten in einer Minute gespielt werden und ob hier ein Mindestmaß an „Noten pro Minute“ unter- oder überschritten werden. Allerdings qualifiziert sich die kulturelle Praxis „Musik“ dadurch, dass bewusst-intentional ein Instrument bzw. der eigene Gesang eingesetzt wird. Möglich sind auch Zweckentfremdungen von Gegenständen mit einer vormals anderen gesellschaftlichen Bedeutung, wie dies bspw. die „Blue Man Group“ praktiziert. In Abgrenzung dazu sind zufällige, nicht musikintendierte Geräusche, wie sie bspw. durch das Bearbeiten von Metall auf einem Amboss entstehen, oder beim Einschlagen von Sparrennägeln in Dachbalken eben keine Musik, auch wenn während der Arbeitstätigkeit ein (zufälliger) Schlagrhythmus entsteht. Nun könnte an dieser Stelle eingewandt werden, dass Neugier- und Explorationsverhalten auch im Alltagsraum stattfinden. Mit G. G. Voß ist zu argumentieren, dass der Alltag (Jeden-Tag) im Kern darauf ausgerichtet ist, zur Stabilisierung und Bewältigung Routinen und Mechanismen auszuprägen, was eben nicht ausschließt, dass auch (! ) Phasen der Langeweile überwunden werden oder Neues im Alltagsraum erkundet und bei Bedarf angeeignet wird. Ebenso kann Gesundheit ein Motiv zum Sport sein, ohne seinen Kern auszumachen. Sport 14 Bezogen auf einen weltweiten Maßstab sind von den 940 Mio. internationalen Ankünften (Stand 2010 lt. UNWTO) zuzüglich der Inlandsreisen und unter Abzug von Mehrfachreisen schätzungsweise 3 bis 4 % der Menschen, vorwiegend aus den westlichen Industrienationen sowie Südostasien sporttouristisch aktiv. 15 Umgangssprachlich (und populärwissenschaftlich) wird dies unmittelbar in verschiedenen sprachlichen Schattierungen deutlich wie etwa „Neues kennenlernen“, „mal was Anderes sehen“, „Neue Leute kennenlernen“, „Unbekanntes sehen“ oder indirekt durch die Benennung von Gegensätzen zum Alltag oder Unerfülltem, die ebenfalls das „Andere“, „Neue“, „Unbekannte“ beinhalten. Dem so genannten Reisemotiv der „Natur“ liegen ebenfalls Orientierungen der Neugier zugrunde: „wie es da wohl aussehen mag“, „was einen da erwartet“ und „welche Erlebnisse und Erfahrungen man dort wohl machen wird“. <?page no="31"?> 34 2 Konzeption des Sporttourismus kann jedoch selbstverständlich gesundheitsschädlich betrieben werden, ohne dadurch seinen Sinnkern zu verlieren. 16 Neugier- und Explorationsverhalten sind überdies nicht mit Bildungsprozessen oder Lernen gleichzusetzen. Was jedoch nicht ausschließt, dass Neugierverhalten zu Lernund/ oder Bildungsprozessen führen kann. Gleichwohl sind ungerichtete Neugier und damit verbundene Zufälle oder Impressionen, die nicht intensiv kognitiv verarbeitet werden, ebenso Bestandteil dieser Praxis. Die Haltungen zur Alltagswelt und zur Reisewelt unterscheiden sich durch die Modi der Routinenbildung bzw. der Neugier (und Exploration). Die Reisewelt wird gleichwohl um das Bedrohliche, gänzlich Unbekannte geglättet, da, bis auf einen geringen Anteil an „Abenteurern“ unter den Touristen, eine dosierte, realisierbare Konstellation präferiert wird, ähnlich wie es Rheinberg (1989) für die Natursportaktivitäten formuliert. Reiseformen, die jedoch nahezu alle explorativen Elemente und Aneignungsmöglichkeiten der „realen“ Destinationsumwelt ausschließen, entfernen sich vom Kerngedanken des Reisens. 17 Cluburlaube, in denen sich Gäste ausschließlich in der Anlage aufhalten, oder Kreuzfahrten, die unter Verzicht auf Ausflugsangebote ausschließlich an Bord verbracht werden, vermögen vor allem Motive nach Abwechslung und Erholung auf sinnlich-vitaler Ebene zu befriedigen. Sie stellen dann einen Transfer alltäglich-vertrauter Praktiken und Rahmungen dar, der, drastisch formuliert, kulturautistische Züge annimmt. Touristische Konzeptionen, die innerhalb der ohnehin kurzen Aufenthaltsdauer der touristischen Reise überwiegend auf die oberflächliche Präsentation von Sehenswürdigkeiten, Attraktionen und Superlativen fixiert sind, reduzieren ganz erheblich die Möglichkeiten und Sichtweisen, sich die Potenziale der „Destinations“umwelt umfassender anzueignen. 16 Eher müsste für die zahlreichen Konstrukte des so genannten „Gesundheitssports“ erklärt werden, was daran überhaupt Sport ist. Mit der Reduktion des Gütemaßstabs in Richtung Alltagsmotorik und dem Verlust der „Wette gegen sich selbst“ wäre sinnvollerweise auf den allgemeiner gehaltenen Bewegungsbegriff zuzugreifen. 17 Auf den Begriff der Destination wird ausführlicher in Kapitel 3.6.2 eingegangen. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass es sich um einen relationalen Begriff handelt, der seitens der öffentlichen Hand aufgrund verwaltungsrechtlicher Vorgaben teilweise starr und unrealistisch geformt und durch kommerzielle Akteure bisweilen ausufernd und beliebig angewendet wird. Letztlich wird „alles Mögliche“ vom Kreuzfahrtschiff und der Ferienanlage bis hin zum Kontinent („Australien“) als Destination etikettiert. Kritisch zum bisherigen Destinationsmanagement und der Weiterentwicklung durch das „St. Galler Destinationsmodell“ siehe auch Beritelli/ Reinhold 2014. <?page no="32"?> 2.2 Negative und positive Tourismusdefinition 35 Zum einen beschneiden sie ihre Kunden um Welterfahrungsmöglichkeiten durch ghettoähnliche Räume, vorstrukturierte, rezeptive Angebote bis hin zur latenten Entmündigung durch Anbieter im Erlebnis- und Abenteuersport, wenn Kunden die Gurte wie Pampers angelegt bekommen, um hernach auf der schon vorhandenen Seilbrücke wie ein „Postpaket“ verschickt zu werden. Die (dosierte) Auseinandersetzung und Aneignung mit Material und Technik, Bodenbeschaffenheit, Spannung und Belastung von Seilen und Bäumen kann mit einer wohlmeinenden Dienstleistungsmentalität eben nicht als bereichernde Erfahrung für die Subjekte gedacht werden, sondern lediglich als störender und damit auszuschließender Arbeitsanteil einer ausschließlich auf kurzfristige sinnliche Befriedigung ausgerichteten „Aktivität“. Die hier verfolgte Intention zielt nicht darauf ab, dass umfangreiche Arbeitstätigkeiten den Sportaktiven auferlegt werden, analog zu Bestrebungen von Möbeldiscountern, Kunden ihre Waren an der Kasse selber einscannen und zu Hause aufbauen zu lassen. Ein treffender Vergleich bezieht sich vielmehr auf bspw. partnerschaftlich oder familiär gemeinsames und gelingendes Kochen sowie dem anschließenden Verzehr der selbst produzierten Speisen. Auch wenn eventuell nicht alle Rezeptvorgaben eingehalten werden, ist der Bezug zum „Selbstgemachten“ intensiver. Der zentrale Begriff dafür ist „Werkstolz“. Die Akzeptanz fällt im Übrigen bei lediglich mäßig oder mit einigen Mängeln behafteten Speisen aufgrund der Eigenproduktion und des damit verbundenen engen Bezugs i.d.R. höher aus als bei einem fremdproduzierten Essen eines gastronomischen Betriebes, und dies nicht etwa ausschließlich wegen der höheren Erwartungshaltung gegenüber Berufsköchen. Wenn also Sporttouristen organisatorisch machbar und dosiert in die Vorbereitung, Planung, Durchführung und Gestaltung mit eingebunden werden, entsteht ein intensiverer positiver emotionaler Bezug. Auch das ungewollte Entstehen von „aversiven“ Emotionen während einer Sportaktivität durch Grenzbelastungen, plötzliche Wettereinbrüche oder verpasste Abzweigungen muss dann nicht zwingend negative Konsequenzen haben, sondern kann durch anbieterseitig begleitete Unterstützung durchaus als gemeisterte Bewältigung verarbeitet werden, verbunden mit positiven Folgen für den Alltag der Subjekte. Bevor hier etwaige kulturkonservative oder kulturkritische Demarkationslinien gezogen werden, sei darauf hingewiesen, dass hinter den passiven, trägen, bequemen, konsumtiven touristischen Praktiken legitime Wünsche und Bedürfnisse nach Ablenkung, Vergnügen, Lust und Genuss, aber auch nach Erlebnissen und Erfahrungen, einer besseren Welt und einem gelingenden Leben stehen, die <?page no="33"?> 36 2 Konzeption des Sporttourismus jedoch - und das ist die hier vertretene Kritik - oftmals befriedet werden und weniger inspirierend und aktivierend wirken. 18 Auf der anderen Seite verschaffen touristische Akteure genau jene erweiterten Welterfahrungsmöglichkeiten, die die einzelnen Subjekte auf sich alleine gestellt nicht hätten realisieren können. Die Unterstützung von qualifizierten Sportfachkräften im Sporthotel, eine neue Sportart zu lernen, die begleitende und förderliche Sportanimation im Club, verschiedene Sportarten auszuprobieren, der fach- und ortskundige Bergführer, der einen sicher durch bislang unbekanntes Terrain führt, oder die Guides im Abenteuersportbereich, die Wagnisse ohne damit einhergehende ernsthafte Risiken ermöglichen, sind die positiven Beispiele. Die Intention, einen Zugang zur Destinationsumwelt zu realisieren kann exemplarisch im Unternehmensleitbild von Hauser-Exkursionen aufgezeigt werden: „Es ist uns wichtig, unseren Kunden auf Touren von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad die Möglichkeit authentischer Reiseerfahrung zu bieten. Wir positionieren uns durch eine ehrliche, transparente Ausschreibung und überzeugen durch das Produkt.“ Quelle: www.hauser-exkursionen.de/ ueber-hauser/ unternehmens-leitbild/ Insofern nehmen die sporttouristischen Akteure, je nach ökonomischem Kalkül und Unternehmens„philosophie“, eine ambivalente Stellung ein. 18 Insbesondere innerhalb des Bereichs des so genannten Wellnesstourismus werden die durch Alltag und Beruf erzeugten physisch-psychischen Verausgabungen bzw. Beschädigungen mit gesellschaftlichen Denkfiguren bearbeitet, ausschließlich über individuelle Auszeiten und der „Arbeit und Reparatur an sich selber“ (Selbstoptimierung) eine nur scheinbare und kurzfristige „Lösung“ zu finden. Die Ursachen gesundheitlicher Beeinträchtigung langfristig zu ignorieren, um sich immerzu erneut mithilfe kurzzeitiger Wellness- oder Gesundheitssportangebote danach den unhinterfragten „Anforderungen“ zu stellen, führt letztlich in einen Kreislauf aufgestauter Belastung, kürzer werdender Erholungsphasen und der zunehmenden Ausdifferenzierung „neuer“ erfolgverheißender Angebote. So befriedigt ein Großteil der wellnesstouristischen Angebote zwar einerseits das reale und unmittelbare Bedürfnis nach Erholung, befriedet aber andererseits (ungewollt) das weiterreichende Bedürfnis und die Notwendigkeit nach kooperativer und langfristiger Einflussnahme auf die gesundheitlich einwirkenden Lebensbereiche. Darüber hinaus sind nicht nur erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit etlicher Angebote, sondern bisweilen auch der Vorwurf der Schädlichkeit einiger Angebote im Ayurvedabereich angebracht. Siehe dazu auch den Beitrag von Colin Goldner in der Süddeutschen Zeitung vom 20.5.2010. <?page no="34"?> 2.3 Sportdefinition 37 2.3 Sportdefinition Bewegung und der aktive Einsatz des Körpers sind die grundlegende Kategorien für Sport sowie alle Bereiche der Bewegungskultur. Dietrich (1995) hat auf die unterschiedlichen Formen der Mensch-Welt-Bezüge und Richtungen des Sports und der Bewegungskultur in einem subjektiven, sozialen und objektivierbaren Kontext hingewiesen. Die unterschiedlichen Sport- (traditionelle und neue Sportarten) und Bewegungspraxen (Tanz, Bewegungspraxen asiatischer Herkunft, Bewegungsspiele und New Games, Sporttheater und Zirkus) lassen sich diesbezüglich unterscheiden in intentional-strategische, dramaturgisch-präsentative Bewegungsformen und meditativ-expressive Bewegungsformen. Nun sind Bewegung und der Einsatz des Körpers in vielen, auch alltäglichen Handlungsfeldern gegeben. Um eine übermäßige Ausweitung und Aufweichung von Sportaktivität zu verhindern, sollte als Maßstab die Überschreitung alltagsmotorischer Vollzüge gesetzt werden. Was gleichwohl intendiert, dass es sich hier nicht um einen objektiven, sondern subjektiven Maßstab handelt. Wer sich bspw. mit 14 Jahren zum Ziel setzt, 100 Meter Freistil unter einer Minute zu schwimmen, wird sich nach erfolgreicher jahrelanger Unterbietung mit 40 Jahren dieser selbst formulierten Zeitvorgabe vielleicht wieder stellen und mit 70 Jahren evtl. einer Zeit von 1: 30 Minuten. Um die Schwelle von einer Tätigkeit wie Spazierengehen oder Baden zum Sport zu überwinden, ist also die Intention entscheidend, mittels eines bestimmten Gütemaßstabes (Qualität und/ oder Intensität der Ausübung) ein selbst gesetztes Ziel zu erreichen, das oberhalb der (individuellen) Alltagsmotorik liegt. 19 Gleichwohl ist eine Vermischung von zwei Tätigkeitsformen möglich. Die täglich verpflichtende Fahrt zur Arbeit und zurück kann individuell mit dem Rad so gestaltet werden, dass sich daraus zusätzlich eine Sportaktivität ergibt. Notwendig ist dafür bspw. die Intention, sich ein selbst auferlegtes Ziel zu setzen und zu versuchen, dieses umzusetzen. Die Grenzen dieser subjektiven Sportinterpretation liegen allerdings dort, wo eine allgemein gesellschaftliche Akzeptanz unterschritten wird. Die Aussage, „bei meiner Gartentätigkeit habe ich schon meinen Sport“ verbleibt gänzlich im subjektiven Rahmen und findet keine gesellschaftliche oder institutionelle Akzeptanz als Sportaktivität. 19 Damit steht die hier vertretene Definition von Sport in Abgrenzung zu der von Funke- Wieneke (2008), die selbst schon Spazierengehen als Sport deklariert (S. 87). <?page no="35"?> 38 2 Konzeption des Sporttourismus Wie sehr sich die Grenzen allerdings verschieben, wird an den Beispielen „Stand-up-Paddling“, der „Treppenläufe“ („Empire State Bildung Run Up“), „Total Body Drill“, „Tubing“ oder „Zorbing“ deutlich. Güldenpfennig (1996a) entwickelt dazu eine Sportdefinition, die im weiteren Verlauf des Textes Berücksichtigung findet. „Der Kern sportlichen Handelns ist ein künstlich konstruierter Konflikt, reguliert durch etwas Ähnliches wie das Überbietungsprinzip, aber in einem außerrealen, spielerischen Handlungsrahmen, kontrolliert und beschränkt durch sportliche Regeln. Diese sportliche Handlungsstruktur bildet eine „Eigenwelt“ (vgl. Franke 1987), und [ist] als solche eine Erfindung, ein soziales Konstrukt, das das sportliche Handeln „ausgrenzen“ (vgl. Krockow 1980), entlasten soll von den sonst geltenden Bedeutungen und Normen der Ernstwelt, um seine volle kulturell-eigenweltliche Entfaltung zu ermöglichen.“ Quelle: Güldenpfennig 1996a, S. 31 Weiter führt Güldenpfennig aus, dass die Sinnstruktur sportlich-kulturellen Handelns in einem Streit („zwei einzelne Menschen, zwei Parteien oder ein Mensch mit einem Stück belebter oder unbelebter Natur“) liegt. Diese körperliche Bewegung erfolgt ohne einen realen Grund um ein künstliches Streitobjekt mit dem Ziel der Selbstvervollkommnung und primär der Selbstanerkennung als einer „Wette der Akteure mit sich selbst“ (vgl. wesentlich detaillierter Güldenpfennig 1996b, S. 59ff.). Hinsichtlich der Thematik Sporttourismus ergibt sich nun das Problem, ob ein enger Sportbegriff Anwendung findet oder ob die von Dietrich aufgeführten Bewegungspraxen mit eingebunden werden. Dazu wird vorgeschlagen, die beiden Bereiche (mit ihren jeweils umfangreichen Schnittmengen) unter der Klammer einer gesellschaftlich herausgebildeten kulturellen Praxis als Sport- und Bewegungskultur zu verstehen, was die Praxen des Tanzens oder der zahlreichen regionalen bzw. traditionellen Sportkulturen (bspw. die katalanischen Castells oder das friesische Fierljeppen) einschließt. Korrekterweise wäre also der Begriff Sport- und Bewegungskulturtourismus anzuwenden, der ausschließlich aus sprachlich pragmatischen Gründen auf Sporttourismus reduziert wird. <?page no="36"?> 2.4 Definition und Konzeptualisierung von Sporttourismus 39 2.4 Definition und Konzeptualisierung von Sporttourismus Das mit dem Verlassen des alltäglichen Alltagsraumes verbundene Neugier- und Explorationsverhalten bedingt eine tätige Auseinandersetzung mit der jeweiligen Destinationsumwelt. Ausmaß und Intensität dieser Auseinandersetzung erfolgen auf unterschiedlichen Niveaus und in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Motive des Reisens. Selbst Urlauber, die „lediglich“ am Strand liegen und aus einer vorschnellen phänomenologischen Sicht augenscheinlich „nichts tun“, setzen sich (wenn auch auf basaler Ebene) mit ihrer Umgebung auseinander und kommen bspw. zu Vergleichen und Bewertungen. Die tätige Auseinandersetzung wird als Aneignung der Umwelt durch das Subjekt verstanden. Keiler (2014) hat jüngst auf drei grundlegende Bedeutungen des Aneignungsbegriffs hingewiesen: „1. Eigentumsbildung (Appropriation), 2. in sich aufnehmen und mit dem eigenen Wesen verschmelzen (Assimiliation), 3. von anderen anbzw. übernehmen (Adoption)“ (Keiler 2014, S. 154). Je nach Kontext entstehen somit unterschiedliche Akzentuierungen. Aus Sicht der Sportwissenschaft hat (u.a.) Grupe den Bewegungsbegriff und damit auch den Sport in seiner Dialektik charakterisiert. Bewegung ist nach Grupe (1998) zum einen „Vermittlung zur Welt, Zugang zu ihr, das Medium, durch das wir uns unserer Umwelt als dem Inbegriff tatsächlicher, möglicher oder symbolischer Situationen zuwenden, auf Dinge und Personen zugehen, uns verständigen und etwas zum Ausdruck bringen. Zum anderen ist sie Wahrnehmung der Welt, durch die wir sie erfahren, erleben und erkennen. Bewegung ist in diesem Sinn ein ‚Doppel-Medium‘, sie ist ‚Organ‘ der Wahrnehmung und Erfahrung und „Instrument“ der Gestaltung in einem - d.h., sie ‚vermittelt‘ uns an unsere Mit- und Umwelt und diese umgekehrt an uns.“ (S. 67) Mit der tätigen Auseinandersetzung verändert sich (wie intensiv und umfangreich auch immer) sowohl die Umwelt als auch das Subjekt, indem es bereichert, geprägt wird. Dies gelingt jedoch nur, wenn es sich um einen offenen Prozess handelt, in dem man sich auf das Andere einlässt. Ohne die Bereitschaft, sich auf Neues, Anderes einzulassen, misslingt dieser Prozess: „Aneignung“, so Jaeggi (aus Sicht der Kunstwissenschaft), „wird zur Entfaltung von etwas, das es - wie immer verpuppt - schon gibt“ (Jaeggi 2002). Für die Kulturwissenschaft und explizit angewendet auf den Bereich des Tourismus gehen Kramer (1998) und Lutz (1993) ebenfalls auf den Aneignungsbegriff ein. Wobei Kramer kritisch anmerkt, dass die frühere „Reisekultur des aneignungsfähigen, sich ‚kultivierenden‘ Individuums“ (S. 164) sich mit der Angebotslogik des modernen Massentourismus inzwischen zusehends zu „lustvollem Konsum“ (S. 160) ver- <?page no="37"?> 40 2 Konzeption des Sporttourismus schiebt. Lutz führt in ähnlicher Weise dazu aus: „In seiner jetzigen Form hat sich lediglich die historische Gestalt menschlicher Wesenszüge manifestiert, die wir einerseits als ‚Neugier- und Aneignungsverhalten‘ bezeichnen können, die andererseits aber ein grundlegendes Bedürfnis nach Wohlbefinden, Genuß und Erlebnis ausdrücken […] Eine Reduktion des Reisens auf oberflächlichen Genuß und Spaß, auf eine kursorische Ansammlung von inszenierten Erlebnissen, die aber wenig mit einer tatsächlichen Aneignung der Räume zu tun haben, wie es die Tourismusindustrie seit einigen Jahrzehnten praktiziert, bedeutet allerdings eine Verarmung dessen, was von seinen Perspektiven her eine viel umfassendere Tätigkeit ist und auch von weitaus tiefer liegenden Bedürfnissen geprägt wird. (Lutz 1993, S. 222) Im nächsten Schritt ist nun zu fragen, durch welche Formen die Umwelt angeeignet wird und in welchen Bereichen dies geschieht bzw. geschehen kann. 2.4.1 Formen der Aneignung Nach Kapteina können idealtypisch praktische, theoretische, ethische und ästhetische Formen der Aneignung unterschieden werden (detaillierter siehe Kapteina 2004, S. 101ff.). Bezogen auf das Handlungsfeld Sport sind auf der praktischen Ebene darunter konkrete Handlungen mit Gegenständen, Tieren, sozialen Akteuren sowie das Beherrschen von Techniken zu fassen. Über das Erkennen von semantischen Zeichen sowie formellen und informellen Regeln, aber auch der soziokulturellen Hintergründe und historischen Entwicklung findet eine theoretische Aneignung der vorhandenen Sportwirklichkeit(en) statt. Das trifft bspw. auf Sportarten zu, die Sporttouristen noch unbekannt sind. Anzuführen sind exemplarisch die Zeichensprache beim Tauchen, die Zeichen- und Musiksprache bei den katalanischen Castells, die zugrunde liegenden Ideen von Rückschlagspielen oder Spielsportarten, oder die feinen Unterschiede zwischen Lawn Bowls, Boule oder Boule Lyonnaise. Ethische Aneignungsprozesse beziehen sich als gesondert ausgewiesene Form der theoretischen Aneignung auf die Normen und Werte des jeweiligen Sports. Wie gestalten sich die Beziehungen der Menschen untereinander, zur Natur/ Landschaft, gegenüber Tieren und gegenüber dem eigenen Körper. Das betrifft den risikobehafteten Umgang in körperbetonten Sportarten wie Boxen oder Rugby und die Bereitschaft, physische Schädigungen der Gegner oder des eigenen Körpers entweder abzulehnen, hinzunehmen oder wie selbstverständlich zu akzeptieren. Ferner geht es auch um Ablehnung oder Akzeptanz von Sport- und <?page no="38"?> 2.4 Definition und Konzeptualisierung von Sporttourismus 41 Bewegungsformen wie bspw. Motorsport (Unfallgefahr, Ökologie) oder Stierkämpfen (Kulturgut, Tötung oder Mord? ). 20 Eine umfassende ästhetische Aneignung des jeweiligen Sports gelingt m.E. nur dann, wenn vorab eine praktische (evtl. auch vor Ort passiv-zuschauende), theoretische und ethische Aneignung geleistet wurde. Nur so kann der selbstbetriebene oder fremdpräsentierte Sport adäquat reflektiert und ästhetisch-sinnlich erfahren werden. Ästhetik ist nicht als „das Schöne“ gleichzusetzen. So geht Liessmann in seinem Konzept der vermischten Empfindungen auf verschiedene ästhetische Kategorien ein, wie bspw. das Interessante, das Spannende, das Erhabene, das Anmutige oder das Rührende (detaillierter siehe Liessmann 2009). Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass während der üblichen touristischen Reisezeiträume die Aneignungsmöglichkeiten Limitierungen unterworfen sind. Im nächsten Schritt ist darauf einzugehen, in welchen Bereichen (oder Feldern) die unterschiedlichen Formen der Aneignung stattfinden. 2.4.2 Felder der Aneignung Die Formen der Aneignung im Sporttourismus beziehen sich auf die drei grundlegenden Felder: 1 die jeweilige Ausprägung der Sportkultur sowie der spezifischen kulturellen Ausprägung von Sportarten in einer Destination (Kultur). 2 der dort vorfindbare Zugang der jeweiligen Bevölkerung zur Sportkultur, ihre spezifische Teilhabe und ihr gegenseitiger Umgang (Soziales). 3 die jeweilige Ausprägung der anthropogen gestalteten Landschaft (eingeschlossen den urbanen Raum) und Natur als Sportmöglichkeiten (Landschaft/ Natur). Zu 1 Der moderne Sport hat die Industrialisierung zur Grundlage und sich infolge zu einem globalen Kultursektor und als Teil des Showbusiness mit entsprechend medialer Aufmerksamkeit entwickelt. Gleichwohl sind mit der schwedischen Gymnastik und dem deutschen Turnen zwei prominente Beispiele benannt, die auf frühere nationale Differenzierungen verweisen. Die amerikani- 20 Der spanische Kulturminister José Wert hat sich bei der Eröffnung des I. Internationalen Kongresses für Stierkampfkunst (März 2015) wiederholt für die Aufnahme der Corridas als Unesco-Weltkulturerbe ausgesprochen. Hinter den Begründungen von Intelligenz, Mut, Geschicklichkeit und Kunst der Stierkämpfer dürfte die ebenfalls angeführte wirtschaftliche Bedeutung (1-2,5 Mrd. Euro Umsatz) gegen alle Proteste eine der Triebfedern für die „kultur“politische Aktivität der aktuellen Regierung sein (siehe auch (Z) Der Tagesspiegel vom 2.3.2015). <?page no="39"?> 42 2 Konzeption des Sporttourismus sche Sportkultur unterscheidet sich, bei allen sonstigen Gemeinsamkeiten mit Europa, ebenfalls deutlich hinsichtlich der präferiereten Sportarten. In Europa existieren immer noch ca. 70 Sport- und Bewegungskulturen auf lokal-regionaler Ebene mit teilweise binationaler Verbreitung, so bspw. das friesische Bosseln und Klootschieten. Die katalanischen Castells gehören inzwischen zum Immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. Wie sich Sport regional und nationalstaatlich hat entwickeln und ausdifferenzieren können, stand immer auch in direkter Beziehung zur Wirtschaft. Die Diskussion kann an dieser Stelle nur angerissen werden, soll aber verdeutlichen, dass der Sportbereich bei allen regionalen und nationalstaatlichen Gemeinsamkeiten eben auch deutliche kulturelle Unterschiede aufweist. Aufzulisten sind bspw. die Verteilung der Beschäftigten im primären, sekundären und tertiären Sektor, die Lohnquote, Höhe des Gini-Koeffizienten, Dauer und Lage der Arbeitszeit, Mobilitätsanforderungen, Urlaubsansprüche und Gesundheitsstand. Relevant sind ferner der Anteil der Beteiligung am allgemeinen Sportstättenbau durch die öffentliche Hand oder die Forcierung durch private Investoren. Wird Sport durch ein gemeinnützig organisiertes Vereins- und Verbandswesen (mit-)entwickelt oder findet Sport überwiegend bei kommerziellen Anbietern und in Schulen/ Hochschulen statt? Neben den hier lediglich exemplarisch aufgeworfenen gesellschaftlichen Fragestellungen ist ebenso auf klima-, hydro-, biogeographische und des Weiteren auf geomorphologische Rahmenbedingungen zu verweisen, samt der im historischen Verlauf einwirkenden landschaftsökologischen Veränderungen. So beruht das in den Niederlanden stark favorisierte Schlittschuh- und Eisschnelllaufen (Schaatsen) auf einer jahrhundertealten Tradition, die wiederum auf die Entwässerung der Moorlandschaft durch das Anlegen von Grachten zurückgeht, um Acker- und Bauland zu gewinnen. Durch klimatische Veränderungen wird dieser Sport inzwischen nahezu ausschließlich auf künstlich angelegten Eislaufbahnen betrieben und die sporthistorisch bedeutsame „Elfstedentocht“ (Elfstädtetour) wird inzwischen „ausgelagert“ und findet als Alternative Elfstedentocht auf dem Weissensee im österreichischen Kärnten statt. Zu 2 Grundsätzlich ist zu danach zu unterscheiden, ob Sporttouristen individuell oder unter sich Sport treiben, oder ob Kontakte zur einheimischen sporttreibenden Bevölkerung zustande kommen. Möglich sind diese Kontakte bei Freundschaftsspielen im Rahmen von Trainingslagern, bei Städtepartnerschaftsbegegnungen, bei gebuchten Touren mit einheimischen Tourguides, im Rahmen der Ausbildung in Sportschulen (Tauchen, Segeln, Surfen etc.) oder innerhalb von international ausgerichteten Hotels oder Clubanlagen. Unterschiede oder Besonderheiten im Sporttreiben sind bspw. davon beeinflusst, ob und wie Kirche und Religion auf Alltagspraxen und Körperverständ- <?page no="40"?> 2.4 Definition und Konzeptualisierung von Sporttourismus 43 nis einwirken, ob und in welcher Form koedukativer Sportunterricht stattfindet und wie sich (u.a.) daraus das Geschlechterverhältnis im Sport konfiguriert, oder ob nach wie vor eine traditionelle Zuordnung stereotyper geschlechtsspezifischer Sportarten und damit verbundener Verhaltensweisen besteht. Die kraftsportorientierten baskischen Volkssportarten (herri kirolak) vermitteln auch heute noch Traditionen der ländlichen, schwer arbeitenden männlichen Bevölkerung. Weiter ist darauf hinzuweisen, ob Sport wettkampforientiert und zu besonderen Anlässen (Festen) betrieben wird und/ oder als alltägliche Praxis Eingang in die Lebensweise der Bevölkerung findet. Und schließlich ergeben sich regionale/ nationalstaatliche Unterschiede hinsichtlich der Möglichkeit und Akzeptanz, Sport als kulturelle Praxis innerhalb des biographischen Verlaufs ausüben zu können. 21 Sport im (fortgeschrittenen) Alter ist nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Soziale Unterschiede werden wiederum auch durch historische und landschaftsökologische Bedingungen sichtbar. Der Golfsport ist einerseits bspw. in England, Irland, Schottland und Schweden aufgrund der dortigen landschaftlichen Typik, geringeren Zersiedelung und seiner historischen Praxis (im Durchschnitt) einer „relativ“ breiten Bevölkerungsschicht zugänglich und unterliegt dort einer symbolischen Bewertung, die viel eher von Normalität und Selbstverständlichkeit geprägt ist. Andererseits ist zu konstatieren, dass der Golfsport aufgrund seines umfangreichen Wasserverbrauchs in Konfliktsituationen mit der einheimischen Bevölkerung oder der Landwirtschaft gerät. Daraus ergibt sich ein Legitimationsdruck, der nicht nur auf die am Golfsport beteiligten Branchen wirkt, sondern auch auf die Golfsportler. 22 Zu 3 Die hier vorgenommene Trennung von Kultur, Sozialem und Landschaft/ Natur ist eine analytische Unterscheidung, deren Bestandteile unterschiedlich stark miteinander verwoben sind. Damit wird in manchen Fällen eine 21 Nicht alle wettkampforientierten Sportarten verfügen über ein ausdifferenziertes Ligasystem bis auf lokal-regionale Ebenen und bieten damit auch älteren Aktiven noch Spiel- und Trainingsmöglichkeiten (Tennis weist bspw. in Deutschland derzeit 10 Ligen in verschiedenen Alterklassen auf). Mit der Fokussierung auf den Schul-/ Hochschulsport sowie kommerzielle Sportanbieter (USA) ergeben sich ebenfalls sozialstrukturelle und Altersunterschiede in der Sportausübung. 22 Siehe dazu auch die gemeinsame Kritik des Deutschen Naturschutzrings (DNR), der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und des mallorquinischen Naturschutzverbandes Grup Balear d‘Ornitologia i Defensa de la Naturalesa (GOB) gegen geplante Großprojekte (u.a. weitere Golfplätze) auf Mallorca (siehe www.eco-world.de und www.gobmallorca.com/ ). <?page no="41"?> 44 2 Konzeption des Sporttourismus eindeutige Trennung zwischen Kulturbezug und anthropogen gestaltetem Landschaftsbezug schwierig. Der Einsatz von Planierraupen, um Skipisten zu präparieren, Schneekanonen samt Pumpen und Kompressoren sowie Wasserspeichern samt Leitungssystemen, um technischen Schnee zu erzeugen, kann nur noch graduell, nicht aber mehr substantiell vom künstlichen Aufwand einer Ski- oder Eislaufhalle unterschieden werden. 23 Insofern entsteht spätestens bei der Aneignung die Frage, ob die Landschaft/ Natur als Hauptbestandteil der Sportpraxis im Vordergrund steht, wie das bspw. bei den vielfältigen Ausprägungen des Wanderns (auch mit Skiern, dem Rad oder dem Kanu) oder des Kletterns möglich ist. Die abgeschwächte Variante reduziert Landschaft/ Natur auf eine vorher bestimmte Funktion für eine Sportart. Ein Radtrainingslager im März muss nicht zwingend auf Mallorca stattfinden. Bedeutsam sind für die Zielgruppe der Sportradfahrer klimatisch günstige Bedingungen, topografische Anforderungen sowie Wegequalität und Sicherheitsaspekte im Straßenverkehr. Welche Landschaft diese Bedingungen bei vergleichbaren Reisepreisen erfüllt, ist, von der symbolischen Bewertung einzelner Destinationen abgesehen, unerheblich. Wenige oder lediglich zufällige Aneignungsmöglichkeiten bestehen innerhalb eines touristischen Kontextes, der Landschaft/ Natur lediglich als ausschnitthafte Kulisse, als „schöne“, „nette“ oder „pittoreske“ Impression benutzt bzw. deutet („begreifen“ wäre hier der falsche Begriff). Bökemann (1989), Stremlow (1999) und Bätzing (2015a, 2015b) haben sich für die Gebirgsregion der Alpen in diesem Zusammenhang kritisch geäußert. 2.4.3 Ausprägungen von Sporttourismus und Abgrenzungen Mit den zentralen Kategorien des Neugier- und Explorationsverhaltens sowie den verschiedenen Formen und der soeben benannten Feldern der Aneignung ist es nun möglich, Sport und Tourismus so miteinander in Verbindung zu bringen, dass ein tragfähiger Begriff von Sporttourismus möglich ist (siehe auch Schwark 2002, 2006 und 2007). 23 An dieser Stelle muss auf ein weiteres Problem hingewiesen werden. Der Destinationsbegriff bezieht sich auf die Bündelung und Vermarktung von touristischen Teilleistungen, die für einen touristischen Aufenthalt notwendig sind. Für den Bereich des Sporttourismus, und hier insbesondere für die (extremen) Natursportarten, erzeugen allerdings auch bzw. gerade gänzlich unwirtliche Areale (Wüsten, Eiswüsten, Hochgebirge) die zur Ausübung des Sports notwendige Attraktivität, ohne dem touristischen Destinationsbegriff zu entsprechen. <?page no="42"?> 2.4 Definition und Konzeptualisierung von Sporttourismus 45 Nachfolgend wird unterschieden zwischen Sporttourismus im engen Sinn, Sporttourismus im weiten Sinn, Sport im Urlaub und sportinduziertem Tourismus. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist der Hinweis angebracht, dass an dieser Stelle die Ausprägungen im Vordergrund stehen und (noch) keine Wertungen. Inwieweit die Möglichkeiten/ Potenziale des Sporttourismus erfüllt oder strukturell unterboten werden, bereichernd oder schädigend wirken, ist dann Diskussionsgegenstand des letzten Kapitels. Als Sporttourismus im engen Sinn ist die Aneignung eines oder mehrerer der Felder Kultur, Soziales, Landschaft/ Natur zu verstehen. Die umfangreichste Variante stellt für das Subjekt eine noch unbekannte Destination dar, in der ein ihm noch unbekannter Sport ausgeübt wird. Das kann eine regionale Sportkultur sein, wie bspw. Stabtiefsprung (Salto de Pastor) auf Gran Canaria oder eine unbekannte Variante einer Sportart wie bspw. Boule Lyonnaise. Ferner kann dies auch durch Interaktion und gemeinsame betriebene Sportaktivität das Kennenlernen einer bislang noch unbekannten Art und Weise der zugrunde liegenden Philosophie ostasiatischer Bewegungskultur sein. Sporttourismus im engeren Sinn ist somit vergleichbar mit einer Kulturreise. Sporttourismus im weiten Sinn bezieht sich auf die soeben schon erwähnte funktionale Nutzung der Landschaft für vorher schon vom Anbieter und Touristen festgelegte Zwecke (Radtrainingslager). Damit reduziert sich der Grad der Aneignung merklich. Gleiches gilt für den Zugang zur einheimischen Bevölkerung, die in Verbindung mit der funktionalen Nutzung der Landschaft allenfalls im Kontext eines ebenso funktionalen Dienstleistungsverhältnisses benötigt wird (Guide). Die Kulturbezüge zu unbekanntem Sport oder Sport mit besonderer Ausprägung beziehen sich auf der Ebene des „bloßen“ Praktizierens, des Nachahmens. Damit bleiben ebenfalls tiefer gehende Aneignungsmöglichkeiten verschlossen, ohne dadurch auf psychischer Ebene (Freude, Spaß, Lust) Einbußen hinnehmen zu müssen. Sport im Urlaub ist ganz überwiegend eine lust- und genussvolle Aktivität innerhalb der Hotel- und Clubanlagen oder auf Kreuzfahrtschiffen. Gemeinsam mit anderen Gästen Sport treiben erzeugt Spaß oder im Fitnessstudio nachträglich das „gute Gefühl“, etwas „für sich“ getan zu haben. Verbleiben die (bekannten) Sportaktivitäten ausschließlich innerhalb der Anlage, ohne Bezug zur umgebenden Landschaft/ Natur und zur einheimischen Bevölkerung, dann wird die niedrige Schwelle zum Sporttourismus (im weiten Sinn) noch nicht über- <?page no="43"?> 46 2 Konzeption des Sporttourismus wunden. Die eigene Sportkultur innerhalb eines abgeschotteten Territoriums ohne außengeleitete Sozialbezüge zu betreiben, verbleibt damit außerhalb des Definitionsbereichs von Sporttourismus. Erinnert sei an die Einteilung von Freyer, Tourismus in einen „Kernbereich“ und „Randbereich“ einzuteilen und mit Studien- oder Arbeitsaufenthalten einen dritten „nicht-touristischen Bereich“ zu kennzeichnen. Die Differenzierung zwischen „Sporttourismus im engen und weiten Sinn“ und „Sport im Urlaub“ ist also nichts Ungewöhnliches. Sporttourismus lediglich als vorübergehendes Verlassen des Alltagsraumes (Alltagskonfiguration) zum Zweck der Sportaktivität fassen zu wollen, wäre also beliebig und wenig komplex. Sprechen auf Reisen erzeugt auch noch keine Sprachreise! Einen weiteren Bereich gilt es allerdings mit sportinduziertem Tourismus noch zu erläutern. Dieser Bereich kann die drei Formen der theoretischen, ethischen und ästhetischen Aneignung beinhalten, nicht jedoch die praktische Aneignung, weswegen auch nicht von Sporttourismus gesprochen wird. Unter sportinduziertem Tourismus sind die passiven Formen des Sportkonsums zu verstehen. Darunter fallen die Besuche von Sportwettkämpfen, Public Viewing, Sportmuseen, Sportkongresse/ -tagungen und/ oder Sportarchitektur (z.B. Stadien). Zu unterscheiden sind Trainer/ Betreuer, Connoisseure/ Fans/ Zuschauer, Angehörige des Bildungswesens und der (Sport-)Medien sowie ebenfalls als eigene Gruppe auszuweisen sind die Groundhopper. Sporttourismus im engen Sinn ist die Aneignung eines bislang noch nicht bekannten Sports oder besonderer Ausprägung eines Sports in bislang nicht gekanntem kulturellen, sozialen oder landschaftlichen Kontext, die Aneignung des „eigenen“, bekannten Sports in bislang nicht gekanntem kulturellen, sozialen oder landschaftlichen Kontext, innerhalb vertrauter Sportinfrastruktur die Ausübung eines bislang noch nicht bekannten Sports oder besonderer Ausprägung eines Sports. Sporttourismus im weiten Sinn ist die rein funktionale Nutzung von Landschaft und einheimischer Akteure zur Ausübung des „eigenen“, bekannten Sports, die unreflektierte, probehafte Ausübung eines bislang noch nicht bekannten Sports oder besondere Ausprägung eines Sports. <?page no="44"?> 2.5 Zu den Potenzialen des Sporttourismus 47 Sport im Urlaub beinhaltet ausschließlich bekannte Elemente des Sporttreibens in bekannter Sportinfrastruktur ohne Bezug zur umgebenden Destination. Sportinduzierter Tourismus ist die passive sowie theoretische, ethische, ästhetische Aneignung von Sportpräsentationen oder Sportartefakten. Alle genannten Formen finden außerhalb des alltäglichen Lebensumfeldes statt und beinhalten keine Aufenthalte mit dauerhafter Arbeitsund/ oder Wohnabsicht. Abb. 1: Ausprägungen von Sporttourismus und Abgrenzungen. Quelle: Schwark 2007, S. 292 2.5 Zu den Potenzialen des Sporttourismus Touristisches Mobilitätsverhalten ist anders als arbeitsbedingte notwendige Mobilität weder existentiell notwendig, noch hat der wie auch immer begründete Verzicht auf Reisen gravierende Einbußen im Alltag. 24 24 Nicht-Verreisen, hervorgerufen durch bewussten Verzicht oder restriktive lebenslagespezifische Rahmenbedingungen, bedarf gegenüber dem unmittelbaren sozialen Umfeld erklärender Ausführungen und führt zu mehr oder weniger bedeutsamen symbolischen Distinktionsverlusten. Siehe dazu auch die Ausführungen von Krippendorf 1996, S. 44. Grad der subjektiven Aneignung • praktisch • ästhetisch • theoretisch • ethisch Sport im Tourismus Sporttourismus im engeren Sinne Sporttourismus im weiten Sinn Grad der subjektiven Aneignung • ästhetisch • theoretisch • ethisch sportinduzierter Tourismus aktive Form passive Form <?page no="45"?> 48 2 Konzeption des Sporttourismus Allerdings erzeugen Reisen/ Tourismus durch je unterschiedliche Umfänge und Intensitäten der Umweltaneignung ein Repertoire an sozialer, kultureller und naturbezogener Welterfahrung sowie formaler Qualifikationen (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse), die sich somit als Souveränität und höhere Kontrolle auch in den alltäglichen Lebensbedingungen manifestieren. Für die alltägliche Sportpraxis bedeuten die in sporttouristischen Zusammenhängen gemachten erweiterten Erfahrungen, je nach individueller Schwerpunktsetzung, ein höheres Maß an Umweltkontrolle, erweiterter Aneignung der Sportmöglichkeiten sowie umfassenderer Verfügung über die eigenen körperlichen Potenziale. Das Potenzial sporttouristischer Aktivitäten eröffnet sich zuallererst auf der Grundlage der im touristischen Kontext möglichen Reduzierung von ansonsten beruflichen und alltäglichen Verpflichtungen und einem erhöhten Zeitbudget. Allerdings ist einschränkend anzumerken, dass nach einer repräsentativen Umfrage derzeit 42 % der Angestellten im Urlaub für ihren Arbeitgeber arbeiten. 25 Sporttouristische Aktivitäten, insbesondere jenseits des vertrauten Alltagsraumes, können als ein Erlebnis- und Erfahrungsfeld mit besonderen Bedingungen und Möglichkeiten für die eigene Sportpraxis und Biographie verstanden werden. Die Potenziale der sporttouristischen Aktivitäten können sich über erweiterte Aneignungs-, Genuss- und damit reale Entfaltungsmöglichkeiten erschließen. Zusätzlich sind damit auch neue Sichtweisen über das Verhältnis von Sport zu Natur/ Landschaft, Kultur, Körper und Sozialem möglich, die Reflexionsfähigkeit zu erhöhen und die Handlungsfähigkeit zu erweitern (Schwark 2006a). Folgende Potenziale sind zu unterscheiden: 26 Die Besonderheit innerhalb der Sportpraxis Klima, Vegetation, Relief etc. bieten eine besondere Rahmung zur Ausübung des Sports, die im eigenen Alltag in der Form nicht möglich ist. So entstehen sinnlich-vitale Erlebnismöglichkeiten, kognitive Erfahrungsmöglichkeiten mit besonderen motorischen Anforderungen und überraschenden, unvorhersehbaren Konstellationen. Derartige Besonderheiten ergeben sich überwiegend durch Natursportarten (mit Geräteeinsatz) wie etwa beim Klettern, Surfen, Kajakfahren, Skifahren, Mountainbiken, Tauchen. Insbesondere zum alltäglichen Nahraum unterscheidbare Klimaelemente sowie raumrelevante Klimafaktoren bilden die Grundlage für diese Besonderheiten. Windverhältnisse beim Surfen, Thermik beim Gleitschirmfliegen, wechselnde Temperaturen in offenen Gewäs- 25 Von lastminute.de in Auftrag gegebene jährlich durchgeführte Studie, Download unter: https: / / yougov.de/ news/ 2013/ 07/ 12/ uber-vier-von-zehn-angestellten-arbeiten-urlaub-un/ 26 Überarbeitete und erweiterte Auflistung aus Schwark 2006a, S. 83-86. <?page no="46"?> 2.5 Zu den Potenzialen des Sporttourismus 49 sern beim Schwimmen oder Reliefbeschaffenheit beim Klettern sind dafür einige Beispiele. Die Besonderheit innerhalb des Sport-„Alltags“ Jenseits der alltäglichen Struktur vorgegebener Hallenzeiten kann in einem touristischen Kontext die eigene Sportart in einem selbst gesetzten zeitlichen Umfang und einer zeitlichen Intensität zu jeder Tageszeit nachgegangen werden, vorausgesetzt im sporttouristischen Kontext ist die entsprechende Infrastruktur vorhanden. Geradezu konträr kann sich die Situation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene innerhalb des alltäglichen Nahraums darstellen, wenn bspw. kommunale Sporthallen während der Ferienzeiten geschlossen sind oder im Sportverein der Trainingsbetrieb ruht. Die Besonderheit innerhalb der je eigenen Biographie Die Vielzahl an Sportmöglichkeiten ist u.a. durch unterschiedlich hohe symbolische Stellenwerte gekennzeichnet. Symbolische hohe Bedeutungen haben bei Erwachsenen bspw. in der Laufszene die Teilnahme am New-York-City- Marathon oder bei Triathleten die Teilnahme am Ironman Hawaii. Häufig werden derartige Sportangebote lediglich einmal ausgeübt bzw. bewältigt, so dass sie für die Teilnehmenden einen biografisch einzigartigen, besonderen Charakter haben. Das erste Sporttrainingslager im Ausland, ein Sportkurs mit einem so genannten „Sportidol“, das erste Mal Wasserski ausprobieren oder Tauchen im Meer können für Kinder und Jugendliche vergleichbare positive emotionale Bewertungen schon bei erheblich weniger medialer Aufbereitung aufgrund der gegenüber Erwachsenen geringer ausgeprägten Sportbiographie erzeugen. Qualifizierung der eigenen Sportpraxis Die Sportinfrastruktur und/ oder die sportspezifischen Lernangebote sind innerhalb des alltäglichen Nahraums häufig Limitierungen unterworfen. Die mit schulischen/ beruflichen sowie reproduktiven Tätigkeiten ausgefüllte Zeitstruktur verhindert überdies die erweiterte Aneignung oder erweitertes Lernen. Sporttouristische Angebote können einen Beitrag zur Qualifizierung der eigenen Sportpraxis beitragen. Sowohl in Clubanlagen als auch in Sporthotels, in Trainingslagern kann eine schon ausgeübte Sportart technisch-taktisch verbessert werden. Dies gelingt bspw. über das Engagement von (ehemaligen) Sportprofis, die diese Vermittlungsposition einnehmen, allerdings auch über qualifizierte Trainer und Sportanimateure. Im Rahmen der Bildungswerke der Landessportbünde, Fachverbände und einzelner Sportvereine kann erstmalig sportartspezifisches Lernen zu einer Einstiegsqualifikation (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse) führen. <?page no="47"?> 50 2 Konzeption des Sporttourismus Trainingsverbesserung der eigenen Sportpraxis Ein weiterer Aspekt der zeitlich entstrukturierten und von schulischen und beruflichen Verpflichtungen (weitgehend) befreiten Ferien und Urlaubszeiten sind umfangreichere zeitliche Möglichkeiten des Trainierens oder Spielens. Trainingslager, Clubanlagen oder Sporthotels schaffen die Voraussetzungen für Trainingsverbesserung (erhöhte Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit etc.). Überdies unterstützen klimatische Faktoren die Sportaktivität, wie dies bspw. bei Kanu- oder Beachvolleyballcamps der Fall ist. Höhere Intensität der Sportpraxis Nicht nur größere Umfänge der Sportaktivität sind ein Potenzial des Sporttourismus, sondern ebenfalls eine erhöhte Intensität, die durch positive Voraussetzungen wie Muße, Entspanntheit und begünstigende Sportinfrastruktur entstehen. Intensiveres Erleben/ Erfahren der Sportpraxis Aufgrund der klimatischen, geographischen, kulturellen und/ oder sozialen Besonderheiten sowie einer erhöhten Reizdichte können bspw. durch das gemeinsame interkulturelle Sporttreiben intensivere Erlebnis- und Erfahrungswerte entstehen. Eng damit verbunden ist nicht nur eine technisch-taktische Qualität, sondern auch eine erhöhte Lust- und Genussmöglichkeit. Höhere Authentizität bzw. Ursprünglichkeit der Sportpraxis In den seltensten Fällen werden Touristen die Gelegenheit bekommen, bspw. den Ursprung des Wellenreitens in Polynesien oder Capoeira in Brasilien nachzuvollziehen. Allerdings besteht in europäischen Ländern durchaus die Möglichkeit, mit Sportarten bzw. Bewegungskulturen in Kontakt zu kommen, über die in der Schule in abgewandelter Form erste Erfahrungen oder über die Medien Kenntnisse vorliegen. Gaelic Football in Irland, die Highland Games in Schottland oder die Castells (Menschentürme) in Katalonien wären einige Beispiele, diese Sport- und Bewegungspraktiken in ihrem authentischen Kontext zu erleben. Ausstrahlung und Langzeiteffekte auf den alltäglichen Sport Die im Kontext der Ferien/ des Urlaubs gemachten (besonderen) Sporterlebnisse und -erfahrungen können im anschließenden Alltag für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihre Sportaktivität beeinflussen (z.B. Körperverständnis, Spielweisen, Umfang/ Intensität, Naturbezug). Ferner können bislang noch nicht praktizierte (zusätzliche) Sportaktivitäten in den Alltag integriert werden. <?page no="48"?> 2.5 Zu den Potenzialen des Sporttourismus 51 Einstiegsmöglichkeit und Neubeginn für Sportpassive oder Sportverweigerer Positiv bewertete Sporterlebnisse und -erfahrungen bieten für Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, gegenüber dem vormals in Schule und Berufsschule distanziert oder gar negativ bewerteten Fach Sport zu einer Bewertungsveränderung zu gelangen. Gleiches gilt auch für Erwachsene, Sport erstmals im touristischen Kontext auszuprobieren und bei entsprechender Qualität in Konzeption sowie animativer und sportpädagogischer Vermittlung nachfolgend im Alltag weiter fortzuführen. Möglich ist dies auch durch den Aufforderungscharakter einer attraktiven natürlichen und/ oder infrastrukturellen Sportumwelt. Zwei aktuelle Beispiele des Destinationsmarketings in Kooperation mit kommerziellen Sportanbietern verdeutlichen die gezielte Ausrichtung auf die Zielgruppe der Wiedereinsteiger. Beispiele Skifahren (wieder) lernen Topangebote für Anfänger und Wiedereinsteiger. Als Kind Skifahren gelernt und seitdem nie wieder auf der Piste gestanden? Tirol bietet Wiedereinsteigern und jenen, die überhaupt zum ersten Mal auf Skiern stehen, besondere Angebote: Privatskikurs, Skiticket und Ausrüstung zum Ausleihen sind dabei inklusive. Quelle: www.tirol.at/ anfaenger-wiedereinsteiger Die zweite Chance - zurück zum Sport Steigen Sie in Ihren Lieblingssport mit medizinischer Begleitung und Privatkursen wieder ein! Sie hatten eine Verletzung oder Operation? Sie haben Probleme mit Gelenken oder der Wirbelsäule? Sie haben schon längere Zeit Ihren Lieblingssport nicht mehr ausgeführt? Sie sind sich nicht sicher, ob Sie Ihre Sportart noch ausüben dürfen? Wir bieten Ihnen nach Abklärung der medizinischen Möglichkeiten mit einem Facharzt und mit individueller Betreuung durch qualifizierte Sportlehrer in Privatkursen den Wiedereinstieg in die Sportarten: Bergsteigen und Wandern sowie Skifahren, Snowboarden und Langlaufen. Quelle: www.oberstdorf.de/ erholung/ gesundheit/ die-zweite-chancezurueck-zum-sport.html <?page no="49"?> 52 2 Konzeption des Sporttourismus 2.6 Zu den Potenzialen von Sportarten im touristischen Kontext Die aufgezeigten Potenziale des Sporttourismus können überwiegend innerhalb einer typischen Kategorie von Sportarten aufgezeigt werden: Natursportarten mit Geräteeinsatz erzeugen ihre Attraktivität für die Subjekte über eine spezifische innere Anreizstruktur und für die touristischen Anbieter und die Sportbranche über eine ökonomische äußere Anreizstruktur. 27 Die allgemeine sportbezogene Charakteristik von Natursportarten mit Geräteeinsatz bestimmt sich durch ihre individuelle Ausübung, was nicht ausschließt, dass die Aktivitäten auch in Gruppen praktiziert werden. Sie sind zumeist auch Ausdruck von Individualität und (geglaubter) Einzigartigkeit. Dominanter Bestandteil der Sportarten ist der Naturbzw. Landschaftsbezug und ihre Bewältigung oder Beherrschung. Die eingesetzten Sportgeräte (z.B. Surfen, Mountainbiken, Skifahren etc.) erzeugen häufig erhöhte Eigengeschwindigkeiten und verhelfen den Anwendern zu Beschleunigungs-, Rotations- und Zentrifugaleffekten. Insgesamt kommt es mit Hilfe der Sportgeräte zu einer größeren Distanzbewältigung und flächenmäßigen Raumaneignung. Damit sind gleichzeitig vielfältigere Naturbzw. Landschaftserfahrungen möglich. Die Beherrschung der Geräte in Auseinandersetzung mit der natürlichen Umwelt erzeugen sowohl lust-, genuss- und flowbetonte Erlebnisse und Erfahrungen, die in enger Verbindung mit den abenteuerlichen und (dosiert) risikoreichen Anforderungen stehen. Die ökonomische Attraktivität der Sportarten mit Geräteeinsatz entsteht auf vielfältige Weise. Die touristischen Destinationen sind durch die Fokussierung auf eine oder mehrere Sportarten in der Lage, sich von konkurrierenden Destinationen abzuheben, ein spezifisches Image aufzubauen mit entsprechend gelingender Zielgruppenansprache. Sylt und Windsowie Kitesurfen, das Elbsandsteingebirge und Klettern, Chamonix/ Davos/ Serre Chevalier/ St. Anton/ Verbier in den Alpen und Snowboarden sind dafür nur einige Beispiele. Sportartikel- und Bekleidungshersteller, (Sport-)Medien, touristische Akteure (Destinationen, Reiseveranstalter sowie Clubanbieter/ Hotellerie) stehen miteinander in Beziehung. Aus der Logik marktwirtschaftlicher Produktion vollziehen sich immer kürzere Produktzyklen, die häufig keinen nennenswert verbesserten Gebrauchswert der Sportprodukte zu ihren Vorgängern schaffen und stattdessen mit der Symbolik des Neuen, einem vermeintlich besonderen Image oder einer quasi-wissenschaftlichen Begründung vermarktet werden. 27 Ein Überblick zur Charakterisierung weiterer Sportartenkategorien findet sich bei Schwark 2007, S. 157. Darüber hinaus siehe auch Schulke, der bereits 1977 eine Klassifikation von Sportarten nach ihrer psychischen Struktur vorgenommen hat (insbes. S. 148-159). <?page no="50"?> 2.6 Zu den Potenzialen von Sportarten im touristischen Kontext 53 Als aktuelles Beispiel ist die „Boost TM -Technologie“ der jüngsten Laufschuhe der Adidas AG in Kooperation mit der BASF AG anzuführen. Beispiel „Das ist die Revolution. Dein ultimatives Lauferlebnis beginnt hier - mit dem Energy Boost.“ Derartige Superlative sind allerdings bereits in den 1980er Jahren zur Lauf„technologie“ verwendet worden. Die potenziellen Käufer sollen aktuell mit populärwissenschaftlichem Sprachgebrauch überzeugt werden: „Das Dämpfungsmaterial der Mittelsohle besteht aus tausenden von Energiekapseln, die Energie effizienter speichern und zurückgeben können.“ Informationen zum langlebigen Gebrauchwert des zum Einsatz kommenden thermoplastischen Materials Polyurethan (TPU) samt seiner Materialermüdungseigenschaften finden sich ebenso wenig in den Werbepräsentationen wie Ergebnisse belastbarer Studien zur minimierten Beanspruchung von Muskeln, Bändern, Sehnen und Gelenken sowie Informationen zur fairen und umweltschonenden Produktion. Stattdessen wird die Kombination von zwei Farben willkürlich als besonders „sportlich“ hervorgehoben: „Die Kombination von schwarzer Grundfarbe und gelben Akzenten lässt den Schuh schnell und dynamisch aussehen.“ Quelle: http: / / jogging-portal.com/ wp-content/ uploads/ 2013/ 03/ Adidas- Boost-Laufschuhe.png Das Beispiel steht stellvertretend für die besondere ökonomische Attraktivität von Natursportarten mit Geräteeinsatz. 28 Ein weiteres Beispiel zur Verbindung von Hotellerie und Sportgeräteherstellern liefert das „k1 sporthotel“: Beispiel „Das k1 sporthotel ist das ultimative Fahrradhotel am Fichtelberg: Es bietet alles, was du für einen Radurlaub, ein Radtraining oder ein spezielles Rennradtraining am Fichtelberg benötigst. Im Erzgebirge ebenfalls einmalig ist das SCOTT Testcenter in unserem Fichtelberg Hotel. Hier findest du neben aktuellsten Bikes von SCOTT für dein Radtraining auch unsere Monster Roller, welche schon diverse Fernsehteams begeisterten! 28 Ohne entsprechende Laufschuhe wäre ein Großteil der Läuferinnen und Läufer nicht zu den aktuell zurückgelegten Laufdistanzen und -umfängen in der Lage. Insofern sind Laufschuhe auch als Sportgeräte zu fassen. <?page no="51"?> 54 2 Konzeption des Sporttourismus Einen Waschplatz für dein Bike haben wir ebenso für dich, wie einen SCOTT Sportshop, welcher die trendigsten Radsporttextilien bereithält. K1 Sporthotel - das ist die Sportler Unterkunft Oberwiesenthal.“ Quelle: www.k1-sporthotel.de Die vertragliche Verbindung zwischen touristischen Anbietern und Sportgeräte- und Sportbekleidungsherstellern erzeugt für die Sporttouristen/ Kunden eine ambivalente Situation. Auf der einen Seite können sie technisch einwandfreie, neu produzierte bzw. wenig genutzte Sportgeräte ausprobieren und sich somit auch die Destinationsumwelt auf gelingende Weise aneignen. Auf der anderen Seite ist eine neutrale Beratungsleistung von Sporttouristen dann nicht zu erwarten, wenn Beherbergungsbetriebe, Clubanbieter und Reiseveranstalter durch Kooperationsverträge mit Sportgeräte- und Sportbekleidungsherstellern günstige Anschaffungspreise erzielen. Das hat zur Konsequenz, dass Sporttouristen, wie offen oder subtil auch immer auf sie eingewirkt wird, Produktfolgekäufe (am Urlaubs- oder am Heimatort) tätigen, obwohl Vorgängermodelle zu günstigeren Konditionen einen vergleichbaren Gebrauchswert, oder Konkurrenzmodelle einen besseren Gebrauchswert erreichen (können). Mit der Ausdifferenzierung der Sportbekleidung und -geräte, die parallel zur Ausdifferenzierung der Sportarten verläuft, entsteht unbestreitbar ein funktionaler Nutzen für die Aktiven. Der Gebrauchswert liegt jedoch unterhalb der medial vermittelten Versprechungen, da in vielen Fällen eine sportartübergreifende Substitution möglich ist, ohne entsprechende Kaufkraftabschöpfung für die Aktiven (z.B. bei Lauf- und Radbekleidung). Für Heinemann (2001) ergeben sich zudem aus den Ergebnissen seiner Studie zur Sportart Segeln keine Zweifel daran, dass das System des Sports „mit der zunehmenden Technologisierung die Kontrolle über seine eigene Entwicklung“ (S. 262) verliert. Heinemann zieht eine nachfrageinduzierte Entwicklung für diese touristisch relevante Sportart begründet in Zweifel (S. 257). Überdies führt die bewusst komplizierter werdende Technik zu einem fortschreitenden latenten Wissens- und Kompetenzverlust und zu einer dadurch entstehenden Abhängigkeit der Nutzer von den Produzenten. Nach den Ausführungen zur allgemeinen Charakteristik der Natursportarten mit Geräteeinsatz soll nun anhand der Ergebnisse von Rheinberg (1989) exemplarisch auf die Sportart Windsurfen eingegangen werden. Die konkreten Erlebnisse, Erfahrungen im sporttouristischen Kontext und die spezifischen Anreize der Sportart wurden mittels qualitativer Interviews erhoben (darüber hinaus wurden auch noch Skifahrer und Motorradfahrer befragt). Obwohl die Ergebnisse inzwischen über 25 Jahre alt sind, haben sie auch weiterhin Bestand, da sich die <?page no="52"?> 2.6 Zu den Potenzialen von Sportarten im touristischen Kontext 55 Struktur der Sportarten und die Formen der Bewältigung und Aneignung nicht verändert haben. 29 Kompetenzzuwachs Zu spüren, wie man das immer besser kann (sicherer auf dem Brett steht, immer stärkeren Wind, Wellengang meistern zu können, „radikale Manöver und Sprünge“ zu beherrschen u.ä.). perfektes Zusammenspiel Zu spüren, wie Brett, Rig und eigene Bewegungen eine Einheit werden, die mit Wind und Wellen umgeht. erlebte Bewegungsgeschwindigkeit Zu erleben, wie der eigene Körper elastisch-kraftvoll wirksam ist. Kontrolle Zu fühlen, wie das Brett macht, was ich will. Selbstbestätigung Ein gutes Gefühl zu wissen, daß man etwas halbwegs gut kann. Kämpfen Spüren, wie man sich von der Wucht des Windes oder der Brandung nicht fertigmachen läßt (Reißen am Gabelbaum; z.B. Gefühl bei gerade noch verhindertem Schleudersturz). Powergefühl Z.B. wenn das Brett beim Dichtholen im Starkwind rasant hochbeschleunigt und meine Kraft dagegenhält. Speed Mit irrsinnigem Speed auf kaum noch zu kontrollierendem und hart schlagendem Brett über das Wasser rasen. Schneller sein als andere. Verausgaben Sich bis zur Erschöpfung auszutoben und dann „entspannt-kaputt-sein“. Naturgewalt spüren Es genießen, welche Wucht im Sturm auf mich einwirkt. 29 Dem Autor ist sehr wohl der Wunsch nach detaillierten Ausführungen zu einzelnen Sportarten bewusst. Der Rahmen dieses Buches kann diesem Anliegen nicht nachkommen. Ich hoffe hier auf Verständnis. Daher werden im Anhang zumindest einige neuere Literatur- und Internethinweise zu einzelnen, ausgewählten Sportarten und ihrem Kontext zum Tourismus gegeben. <?page no="53"?> 56 2 Konzeption des Sporttourismus ausgesetzt sein Mit geringsten Hilfsmitteln auf sich alleine gestellt sein. Grenzerfahrung Bedrohliche, teils beängstigende Situationen (z.B. „donnernde“ Felsbrandung, Sturm, fliegendes Wasser, dunkler Himmel) gerade noch bewältigt zu haben; eigene Grenze fast überschritten zu haben, soeben noch das Ufer erreicht. Aufregung und Angst Das „Kitzeln“, ob extrem hohe Sprünge überstanden werden; ob bei viel zu hohem Tempo ein Manöver oder die Querung hoher Wellen doch noch gut gehen; zu wissen, es ist gefährlich. Abschalten Man hat keine anderen Gedanken im Kopf, ganz in der Tätigkeit aufgehen. allein sein können Nicht reden müssen, ganz „bei sich“ sein zu können, Stille - nur das Brett zischt (Erlebnis bei Leicht- und Mittelwind). soziale Kontakte Mit anderen Surfern am Ufer reden; nette Leute kennenzulernen. Kompetenz zeigen Es schön zu finden, gutes Fahren zu zeigen und zu wissen, daß auch andere das sehen und schön finden. sich als Surfer zu begreifen Tut gut zu wissen, daß man Surfer ist (Indikatoren: gutes Gefühl, mit dem Brett auf dem Autodach zu fahren; Autoaufkleber o.ä.). Sonne, Strand und Meer Angenehmes Umgebungsgefühl, Urlaubsthematik. unmittelbarer Naturkontakt „Draußen sein“; durch die Natur zu gleiten ohne zu stören. aktiv sein Etwas zu tun zu haben, keine Langeweile. Materialumgang Mit bestem Material umzugehen, es herzustellen, es kaufen; materialtechnisch kompetent zu sein. Tab. 1: Anreizkatalog zum Windsurfen nach F. Rheinberg. Quelle: Rheinberg 1989, S. 148f. <?page no="54"?> 2.6 Zu den Potenzialen von Sportarten im touristischen Kontext 57 Rheinberg fasst die von den Befragten gemachten Ausführungen in jeweils abstraktere Kategorien und kommt zu folgendem Resümee: „Man begibt sich in ungewöhnliche, aber genußfähige und flow-förderliche Bewegungszustände, sorgt für eine erlebnis-intensivierende Erregungssteigerung, erlebt ganz basal und bedeutsam die eigene Kompetenz und tut alles dafür, daß die potenzielle Bedrohung nicht zum fatalen Ereignis wird.“ (Rheinberg 1996, S. 114) Ob und wie die aufgezeigten Potenziale sporttouristischer Aktivitäten tatsächlich realisiert werden können, ist auch wesentlich abhängig von Akteuren, die ein konkretes sporttouristisches Angebot erzeugen oder dafür die infrastrukturellen Grundlagen schaffen (z.B. Trainingslagerreisen, sportorientierte Cluburlaube, Sportcamps, Radwegenetz etc.). Die Vielfalt dieser sporttouristischen Angebotsstruktur soll nun in einem zweiten Schritt dargestellt werden. Grundlagenliteratur zum Sporttourismus Dettling, S. (2005): Sporttourismus in den Alpen. Die Erschließung des Alpenraums als sporttouristisches Phänomen. Marburg Deutscher Sportbund (Hrsg.) (1976): Sport im Urlaub. Frankfurt/ M. (2. Aufl.) Dreyer, A.; Krüger, (Hrsg.) (1995): Sporttourismus. München Dreyer, A. (Hrsg.) (2002): Tourismus und Sport. Wirtschaftliche, soziologische und gesundheitliche Aspekte des Sport-Tourismus. Wiesbaden Dreyer, A. (2004): Sport und Tourismus, S. 327-376, in: Krüger, A.; Dreyer, A. (Hrsg.): Sportmanagement. Eine Themenbezogene Einführung. München Neuerburg, H.-J. et al (Hrsg.) (1993): Sport im Urlaub - Ökologische, gesundheitliche und soziale Perspektiven. Aachen Roth, R.; Schwark, J. (Hrsg.) (2016): Tourismus und Sport. Berlin Schwark, J. (2002): Sporttourismus zwischen Kultur und Ökonomie. Münster Schwark, J. (Hrsg.) (2005): Sporttourismus und Großveranstaltungen - Praxisbeispiele. Münster Schwark, J. (2006): Grundlagen zum Sporttourismus. Münster <?page no="55"?> 58 2 Konzeption des Sporttourismus Schwark, J. (2007): Sporttourismus - Stand und Entwicklung eines neuen Forschungsfeldes, S. 279-295. in Sportwissenschaft 37. Jg. 3/ 2007 Englischsprachige Grundlagenliteratur Journal of Sport Tourism (seit 1994, erscheint quartalsweise) Verlag Taylor & Francis, www.tandfonline.com Weed, Mike; Bull, Chris (2009): Sports Tourism: Participants, Policy, Providers, Oxford <?page no="56"?> 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen die unterschiedlichen Handlungslogiken der vier gesellschaftlichen Systeme sowie des Sport- und Tourismussektors verstehen. Sport treiben und verreisen sind individuelle Praktiken, unterliegen historischgesellschaftlichen Rahmungen, entwickeln gruppenspezifisch-kulturelle Ausprägungen und sind Gegenstand von Organisationen und Institutionen. Die individuelle Praxis und Institutionalisierung von Sport und Reisen/ Tourismus soll aufgrund der Vielzahl der direkten und indirekten sporttouristischen Akteure und Angebote mit Hilfe des Konzeptes der vier gesellschaftlichen Systeme Staat, Markt, Non-Profit-Organisationen (NPO) und der privaten Haushalte dargestellt werden (detaillierter siehe Strob 1999; van Bentem 2006). Abb. 2: Gesellschaftliche Systeme und Sporttourismus . Quelle: Schwark 2014, S. 264 gesellschaftliche Systeme S T S T S T S T Staat NPO Markt private Haushalte S = Sport T = Tourismus ST = Sporttourismus Sportsektor Tourismussektor Sporttourismus ST ST eigenständige Sektoren, die sich aus gesellschaftlichen Systemen bilden eigenständige Sektoren <?page no="57"?> 60 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Zusätzlich zu den vier Systemen werden die Sport- und Tourismussektoren betrachtet, die wiederum spezifische sporttouristische Angebote erzeugen, so dass inzwischen von einem eigenständigen Sektor Sporttourismus ausgegangen werden kann. Die direkten und indirekten sporttouristischen Aktivitäten der vier gesellschaftlichen Systeme stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander, so dass sich für die folgenden Kapitel Zuordnungsprobleme ergeben. Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen. 1 An der Bereitschaft zur Durchführung von Sportgroßveranstaltungen, der Planung, Akquise und Durchführung sind mehrere Akteure beteiligt. Die öffentliche Hand entscheidet über die Vergabe von Fördermitteln, investiert in Infrastrukturmaßnahmen und versucht, politischen Einfluss (auch zum eigenen Vorteil) geltend zu machen. Wirtschaftsunternehmen wirken als Sponsoren unterstützend bis dominierend auf Sportverbände und Politik ein und die (international bedeutsamen) Sportverbände verfügen ihrerseits als Rechteinhaber über ein hohes Gestaltungspotenzial. 2 Seit Mitte der 1970er Jahre werden im Bereich des Spitzensports und infolge auch im Bereich des Leistungssports Sommer- und Wintertrainingslager durchgeführt. Inzwischen hat sich diese Praxis zu einem relevanten Wirtschaftsfaktor entwickelt, so dass diverse Destinationen und Tourismusverbände gezielt Angebotsstrukturen geschaffen haben und damit eine angebotsinduzierte Nachfrage erzeugen. Sportgroßveranstaltungen oder Trainingslagerreisen können also verschiedenen Sektoren (= Kapiteln) zugeordnet werden. Aus pragmatischen Erwägungen werden die jeweiligen Themen lediglich in einem und nicht mehrmals in verschiedenen Kapiteln behandelt. Insofern findet bspw. die Diskussion um Trainingslagerreisen im Kapitel „Spitzensport“ statt, da dort die Hauptakteure zu verorten sind. Innerhalb der jeweils anderen Kapitel, in denen Bezüge zu Trainingslagerreisen entstehen, werden kurze Anmerkungen eingebracht und Verweise auf die Hauptdiskussion gegeben. Der Staat bzw. die öffentliche Hand fördert auf den unterschiedlichen Ebenen der Gebietskörperschaften vom Innenministerium des Bundes bis zu den kommunalen Verwaltungen in vielfältiger Weise „den“ Sport. Die Spannweite der Begründungen reicht von der Förderung des Spitzensports und dem damit erhofften nationalstaalichen Image, über die ökonomisch intendierte Gesundheitspolitik der Bevölkerung, über die staatliche Aufgabe der Vermittlung des kulturellen Handlungsfeldes Sport in der Schule (und Hochschule), über den Bau und die Unterhaltung von Sportstätten, -anlagen und -gelegenheiten, der politischen und finanziellen Unterstützung von Sportgroßveranstaltungen, bis <?page no="58"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 61 hin zur Unterstützung des organisierten Sports mit seinen gemeinnützigen Vereinen und Verbänden. Aus der Fülle staatlichen Handelns wird eine explizite Förderung des Sporttourismus in den meisten Fällen nicht ersichtlich. Vielmehr werden bspw. über Reisen zu Sport(groß)veranstaltungen, Trainingslagern oder über Klassenfahrten und Exkursionen indirekt sporttouristische Effekte erzeugt. Mit dem (Aus-)Bau bzw. der Förderung von Rad-, Reit- und Wasserwegen durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sind zumindest in diesem Bereich direkte politische Maßnahmen zur Förderung des Sporttourismus verbunden. 3.1 Staat/ öffentliche Hand Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … Sport als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verstehen. Tourismus als Querschnittsaufgabe und fragmentarisches Handeln der öffentlichen Hand kennen. Sport als einen wesentlichen Bestandteil der touristischen Entwicklung in den Destinationen der Bundesländer kennen. die Gestaltungs- und Konversionsfähigkeit am Beispiel des Ruhrgebietes nachzuvollziehen. Sportgroßveranstaltungen als ein wesentliches Mittel der Imageförderung und Stadtentwicklung einzuschätzen. Umfang und Struktur von Sportgroßveranstaltungen kennen. die Vor- und Nachteile von Sportgroßveranstaltungen abzuwägen. Als Staat sollen formal die Gebietskörperschaften auf Bundes-, Landes und Kommunalebene sowie als so genannte Zwischenbehörden die Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. Regionalverband Ruhr) gefasst werden. 30 Über die Ebenen des Machtmonopols, der Infrastrukturleistungen und des Bildungssektors hinaus ist für die Thematik Sport und Tourismus besonders die Funktion 30 An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass aus Sicht der Politik- und Verwaltungswissenschaften die Bestimmung von Staat, öffentlicher Hand, Gebietskörperschaften, Regierungsbezirken sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts differenzierter diskutiert werden und die hier formulierte Gliederung einen groben, gleichwohl aber ausreichenden Überblick über die Aktivitäten der öffentlichen Hand geben. <?page no="59"?> 62 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure der so genannten Daseinsvorsorge (und -fürsorge), vor allem auf kommunaler Ebene, von Interesse. Je nach wirtschaftspolitischem Verständnis und öffentlicher Finanzlage wird der Aufgabenbereich des Staates und das damit verbundene Verständnis der Daseinsvorsorge unterschiedlich interpretiert. In einem engen Verständnis ist darunter die grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen zu fassen, wie bspw. Abfallentsorgung, Gas-, Wasser-, Stromversorgung, ÖPNV, Schulen/ Kindergärten, Straßeninfrastruktur. Wobei selbst hier neoliberale Konzepte die zunehmende Privatisierung vormals staatlicher Leistungen einfordern. 31 In einem weiten Verständnis der Daseinsvorsorge gehört dazu auch die Förderung von Kultur, Kunst und Sport. Sport, das sei an dieser Stelle zumindest angemerkt, ist selbst Bestandteil von Kunst und Kultur. Jedoch verweist die offensichtliche und öffentliche Hervorhebung des Sports als eigenständiger bzw. separierter Bereich auf seine damit vom Kultur- und Kunstbereich intendierte Abgrenzung und (hinter vorgehaltener Hand) bestenfalls Bewertung als „schwarzes Schaf“ der Kunst. Demnach beherbergen die Feuilletonseiten der Tageszeitungen gemäß dieser Logik die „richtigen“ Künste in Abgrenzung zu den Sportseiten. Wenn nun von der öffentlichen Hand Sport jenseits seines schulischen Bildungsauftrags in Kombination mit Tourismus behandelt wird, dann fokussieren sich die Aktivitäten ganz überwiegend auf die ökonomischen Effekte sowie auf die Imagebildung als weicher Standortfaktor. Sport ist auf Bundes- und Landesebene strukturell den Innenministerien zugeordnet und findet auf kommunaler politischer Ebene seinen Ausdruck in den Sportämtern. 32 Grundsätzlich besteht eine Trennung zwischen Förderung seitens der öffentlichen Hand und der sportpolitischen Autonomie sowie der Selbstverwaltung des so genannten „Organisierten Sports“. Im Sportbericht der Bundesregierung, für den sich das Bundesinnenministerium verantwortlich zeichnet, ist dieser Grundsatz aufgeführt: 31 Das Beispiel der Berliner Wasserbetriebe zeigt allerdings auch die Möglichkeit der Rekommunalisierung auf. Kritisch zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben siehe auch Rügemer 2010 und 2012. 32 Zahlreiche Kommunen überlassen den Schul- und Vereinssport nach wie in der Verantwortung der Sportämter als Regiebetrieb, während der Aufgabenbereich der Akquise, Planung und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen inzwischen auf so genannte Eigenbetriebe (z.B. Sport- und Freizeitbetriebe Dortmund) oder auf selbständig handelnde Agenturen übertragen wird (z.B. Düsseldorf Congress Sport & Event GmbH). <?page no="60"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 63 „Die öffentliche Hand ist der Hauptförderer des Sports in Deutschland. Die Förderung des Breitensports erfolgt durch die Länder und Kommunen, die des Spitzensports durch den Bund, federführend durch das Bundesministerium des Innern. Bei der Bundesförderung gilt der Grundsatz der Autonomie des Sports, das heißt, der Sport organisiert sich selbst und regelt seine Angelegenheiten in eigener Verantwortung. Die staatliche Förderung des Bundes erfolgt in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Sportorganisationen und nur, soweit der Sport Maßnahmen, die im Bundesinteresse liegen, nicht oder nicht vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren kann.“ (Sportbericht der Bundesregierung) Demgegenüber sind die Strukturen zur Tourismus„politik“ ungleich marginaler und dispers, was von den einschlägigen Interessenvertretern und -verbänden fortwährend kritisiert wird. Tourismus stellt sich als Querschnittsaufgabe dar und demzufolge ist eine Zuordnung zu einem der bestehenden Ministerien in der Tat schwierig. Staaten mit einem gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nahezu doppelt so hohen Anteil des BIP durch den Tourismussektor haben anlässlich der ökonomischen Bedeutung und des wirksameren Lobbyismus ein eigens dafür geschaffenes Tourismusministerium (bspw. Schweiz, Spanien). Insofern sind politische Maßnahmen zur Förderung des Tourismus und speziell des Sporttourismus auf vielfältige Ministerien verteilt. Auf kommunaler Ebene werden die tourismuspolitischen Aktivitäten jedoch häufig innerhalb der Wirtschaftsförderung gebündelt. 3.1.1 Bundesebene: direkte und indirekte sporttouristische Aktivitäten Die unterschiedlich umfangreichen und intensiven Aktivitäten der 14 Bundesministerien werden nachfolgend mit ihren direkten und indirekten Bezügen zum Sporttourismus dargestellt. Danach erfolgt eine Diskussion zur politischen Einflussnahme und Unterstützung im Rahmen von internationalen Sportgroßveranstaltungen. Auswärtiges Amt (AA) Im Auftrag des AA wurde eine Analyse des Deutschlandbildes im Ausland (z.B. Fußball-WM 2006) erstellt. Ferner unterstützte das AA die Arbeit am EU- Projekt „Danube Hike“ und war an der Entwicklung der EU-Ostseestrategie zum Nachhaltigen Tourismus (z.B. Wandern, Radfahren) beteiligt. Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Sporttouristische Bezüge sind innerhalb des BKM nicht erkennbar. Allenfalls können schwache indirekte Zusammenhänge über die finanzielle Förderung von <?page no="61"?> 64 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure (Schlössern und) Parks hergestellt werden, in denen spielerische Aktivitäten stattfinden können, soweit es die Nutzungsvorgaben überhaupt erlauben. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Das BMAS ist an der Entwicklung eines Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beteiligt. Die dort verhandelten Themen beziehen sich u.a. auf die Gestaltung der Freizeit sowie den barrierefreien Zugang zu touristischen Angeboten und zum Naturerleben. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Im Rahmen seiner Aktivitäten unterstützt das BMBF Fachkräfte und Forschungsvorhaben zum Nachhaltigen Tourismus sowie die Kompetenzentwicklung für eine klimarelevante Entscheidungsfindung. Ferner werden aktuell ein Projekt zur räumlichen und Investitionsplanung in Wintersportregionen und ein Verbundprojekt zum Thema „Wasser und Tourismus in der Donauregion“ unterstützt. Darüber hinaus fördert das BMBF die duale Berufsausbildung im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Die Aktivitäten des BMELV lassen kaum bzw. keine Bezüge erkennen. Zusammenhänge lassen sich allenfalls indirekt über die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) und die damit verbundene Unterstützung von landwirtschaftlichen Betrieben in den Bereichen Agrotourismus und Bauernhofurlaub (z.B. Reiten) herstellen. Bundesministerium der Finanzen (BMF) Das BMF lässt, wenig überraschend, innerhalb seines Aufgabenspektrums keine Bezüge zum Sporttourismus erkennen. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Ein indirekter Zusammenhang ergibt sich innerhalb der Aktivitäten des BMFSFJ durch die Unterstützung der gemeinnützigen Familienferienstätten im Rahmen des Bereichs „Gesundheit und Erholung“. Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Das BMG hat aktuell einen Entwurf zum Gesetz zur Förderung der Prävention vorgelegt. Mit der Inanspruchnahme von ambulanten Vorsorgeleistungen in <?page no="62"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 65 anerkannten Kurorten ist vorrangig der Bereich Gesundheit thematisiert. Demzufolge sind indirekt auch Sportaktivitäten mit einbezogen. Bundesministerium des Innern (BMI)/ Abteilung Sport Organisatorischer Bestandteil des BMI ist u.a. die Abteilung Sport, deren Aktivitäten zahlreiche indirekte sporttouristische Effekte bewirken. Im Rahmen der staatlichen Spitzensportförderung entstehen zahlreiche Reisetätigkeiten der KaderathletInnen und TrainerInnen zu Olympiastützpunkten, Bundesleistungszentren und zu internationalen Wettkämpfen. Laut Sportbericht der Bundesregierung/ BMI (S. 29) wurden bspw. anlässlich der Olympischen Sommerspiele 2012 in London für die AthletInnen 2,774 Mio. Euro aufgewendet und 3,490 Mio. Euro für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi. Mit dem Sportstättenbau und dem Bereich der internationalen Sportgroßveranstaltungen erzeugen zwei weitere wesentliche Förderbestandteile des BMI/ Abteilung Sport indirekte sporttouristische Auswirkungen. Darunter fallen Baumaßnahmen für den Spitzensport in den Olympiastützpunkten, Bundesleistungszentren, Bundesstützpunkten in Höhe von jährlich 20 Mio. Euro sowie weitere 73,5 Mio. Euro für Sportstätten im Zeitraum zwischen 2010 und 2013. Bund und Bundesländer finanzierten darüber hinaus mit 1,7 Mrd. Euro den Bau und die Sanierung von Sportstätten. Über die Konjunkturpakete I und II waren 4.500 Sportstätten des Breitenals auch des Spitzensports einbezogen (siehe Sportbericht, S. 16). Auf das Thema der Sportgroßveranstaltungen wird nachfolgend noch eigens und detaillierter eingegangen. Bundesministerium der Justiz (BMJ) Keine Aktivitäten zum Sporttourismus sind im Aktivitätsspektrum des BMJ erkennbar. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Die Unterstützung von Forschungs- und Modellprojekten zur Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus ist eine der Aktivitäten des BMU. Weiterhin werden Maßnahmen zu Naturerlebnissen in Nationalparken, Biosphärenreservaten und Naturparken (z.B. Radfahren und Wandern) unterstützt. Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit wirkt das BMU im Verbund mit anderen Ministerien der Alpenanrainerstaaten sowie zahlreichen Organisationen an der Alpenkonvention (Protokoll „Tourismus“) mit. <?page no="63"?> 66 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Zahlreiche Aktivitäten mit konkreten Auswirkungen auf den Sporttourismus werden durch das BMVBS im Rahmen des Investitionsrahmenplans 2011-2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) initiiert. Sporttouristische Bedeutung hat vor allem der Ausbau und die Erweiterung des „Radnetzes Deutschland“ sowie die Erhaltung des bestehenden Netze. Darüber hinaus fördert das Ministerium Modellprojekte zum Radtourismus (z.B. Fernradroute D3/ R1), zur Fahrradwegweisung und Elektromobilität (u.a. Pedelecs). Im Rahmen der Bundestagsinitiative „Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbessern“ (BT-Drucksache 16/ 10593) unterstützt das BMVBS die weitere Entwicklung des Wassertourismusnetzes. 33 Schließlich ist auf die Erweiterung der Führerscheinfreigrenze in der Sportschifffahrt auf 15 PS hinzuweisen, wobei hier die bloße Etikettierung eines Fahrzeugs mit dem Begriff „Sport“ nicht gleichzeitig eine sportbezogene Praxis für die Fahrzeughalter einschließt. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Wie schon bei einigen Ministerien vorher, sind auch beim BMWi keine Aktivitäten im Bereich des Sporttourismus erkennbar. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Das BMZ unterstützt u.a. den „Offenen Regionalfond Südosteuropa - Außenwirtschaft“ (ORF). Bestandteil dieser Maßnahmen ist auch die Entwicklung zur Förderung eines grenzüberschreitenden Wandertourismus zwischen Montenegro, Kosovo und Albanien. 33 Allerdings ist auch auf kontrovers zu diskutierende Aktivitäten des BMVBS hinzuweisen. Siehe dazu exemplarisch die Auseinandersetzung um die Schließung des Schiffshebewerks Rothensee in Magdeburg und die damit verbundenen negativen touristischen Folgen u.a. für das Kanuwandern durch fehlende Umsteigmöglichkeiten. Siehe dazu auch das Gutachten zur weiteren Nutzung des Schiffshebewerks Magdeburg Rothensee, Schwark 2006b. <?page no="64"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 67 3.1.2 Länderebene 3.1.2.1 Bundesländer und Sport Nahezu alle Bundesländer haben den Sport innerhalb der Landesverfassungen verankert. In Nordrhein-Westfalen heißt es in Artikel 18, Abs. 3: „Sport ist durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.“ Sporttouristisch relevante Bemühungen beziehen sich aus Sicht der jeweiligen Ministerien hauptsächlich auf die Förderung von Sportinfrastrukturmaßnahmen und Sportgroßveranstaltungen. 34 „Das Land Nordrhein-Westfalen fördert mit Zuschüssen herausragende Sportereignisse wie nationale und internationale Meisterschaften, die in NRW stattfinden. [...] Sportfachverbände, Sportvereine oder Kommunen unseres Landes, die im Jahr 2015 nationale oder internationale Meisterschaften bzw. sonstige herausragende Sportveranstaltungen ausrichten, haben grundsätzlich die Möglichkeit, Landesmittel zur Förderung von Sportveranstaltungen zu erhalten.“ Quelle: www.mfkjks.nrw.de/ sport/ leistungssport/ foerderung.html. Eine Bezuschussung (und immaterielle Unterstützung) von Sportgroßveranstaltungen internationaler Güte erfolgt seitens des Landes i.d.R. in Abstimmung mit dem Bund und der Kommunalen Ebene. Darüber hinaus koordinieren die Länder auf den seit 1977 bestehenden Sportminister- und Sportreferentenkonferenzen landesspezifische Belange. Die 26. Sportministerkonferenz 2002 in Saarbrücken hatte explizit die wirtschaftlichen Wirkungen von Sportgroßveranstaltungen zum Thema, in der grundsätzlich auf die positiven imageträchtigen Effekte hingewiesen wurde. Gleichzeitig wurde zum damaligen Zeitpunkt schon auf die „erheblichen Vorleistungen“ und „verbindlichen Finanzierungszusagen“ hingewiesen, die u.a. für Stadien und verkehrliche Infrastruktur aufgebracht werden müssen. Kritisch wurde ebenfalls auf fehlende Refinanzierungsmöglichkeiten hingewiesen, insbesondere durch überzogene Vergaberichtlinien der großen internationalen Sportverbände. „Erschwert wird die Refinanzierung durch Sport auch dadurch, dass die Rechte an den Veranstaltungen fast ausnahmslos bei den internationalen Sportorganisationen liegen, die über ihre Vermarkter den ausrichtenden Städten eigene Ver- 34 In NRW ist die Zuständigkeit jüngst vom Innenministerium zum Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport gewechselt. <?page no="65"?> 68 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure wertungsmöglichkeiten in nur sehr begrenztem Umfang überlassen.“ (Sportministerkonferenz 2002, S. 309) 3.1.2.2 Bundesländer und Tourismus Tourismus ist lediglich in Mecklenburg-Vorpommern im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus explizit aufgeführt. Darüber hinaus wird Tourismus wie bspw. in Baden-Württemberg, dem Ressort „Ländlicher Raum und Verbraucherschutz“ zugeordnet. Ansonsten überwiegen die Zuordnungen im Bereich Wirtschaft „und“. In der Regel existieren zumindest eine Ebene tiefer, wenn nicht zwingend eigenständige, so doch zusammen mit anderen Aufgabenbereichen bestehende Referate, wie bspw. beim Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr das Referat 34 „Tourismus, Regionalinitiativen, Standortmarketing“. Die direkte Tourismusförderung konzentriert sich i.d.R. auf die finanzielle Unterstützung der landeseigenen Tourismusorganisationen sowie auf die Entwicklung von Rahmenkonzeptionen und zuweilen auch, etwas anspruchsvoller, von -strategien. Weitere Aktivitäten bestehen in der Gremienarbeit, Netzwerkbildung und Öffentlichkeitsarbeit. 35 Über diverse Infrastrukturmaßnahmen von Freizeitgroßeinrichtungen, dem Rad-, Reit-, und Wasserwegebau und über gezielte Fördermaßnahmen wird sowohl Standortpolitik für die einheimische Bevölkerung, Mittelstands- und Tourismusförderung betrieben. Mit ihrer gesetzgeberischen Einflussnahme sowie der Landes- und Regionalplanung im Rahmen der Raumordnung bestehen weitere Instrumente zur (sport-)touristischen Entwicklung. Zahlreiche konkrete positive Beispiele für das sporttouristische Engagement der Länder beziehen sich bspw. auf den Ausbau des Wegenetzes. 35 Einen überaus positiven Beitrag leisten die Euregios, die grenzüberschreitende Sportbegegnungen fördern. „Das gemeinsame Interesse an einem Sport schafft Verbundenheit und kulturelle Unterschiede rücken in den Hintergrund. Im EUREGIO-Gebiet finden jedes Jahr grenzübergreifende Sportveranstaltungen im Breitensport statt, wie z.B. im Fußball, Schwimmen oder Tanzen. Durch diese Aktivitäten begegnen die EUREGIO- Bürger einander, wodurch das gegenseitige Interesse und Verständnis gefördert wird. Dies ist der Schlüssel zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in allen kommunalen Handlungsfeldern.“ (www.euregio.eu/ de/ freizeit-tourismus/ sport) Allgemeine Informationen finden sich unter www.euregio.eu. In diesem Zusammenhang sind auch die Europäischen Akademien des Sports zu erwähnen. www.eurosport-akademien.de und eine Publikation von Naul; Hoffmann (2003) zum grenzüberschreitenden Sportaustausch. <?page no="66"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 69 Beispiel Im Rahmen der europäischen Ziel2-Förderung (170.000 Euro) und der Förderung durch das Land NRW (100.000 Euro) wurde durch den Bau eines Trailparks die Verknüpfung der Angebote von Bike Arena Sauerland und Bikepark Winterberg geschaffen. Quelle: www.winterberg.de/ Media/ News/ 20-Kilometer-flowige-Trails-vom- Kahlen-Asten-bis-in-die-Skigebiete Das Land Baden-Württemberg fördert aus einem Gesamtvolumen von 5 Mio. Euro für das Jahr 2016 im Rahmen seines Tourismusinfrastrukturprogramms u.a. „investive(r) Vorhaben (bspw. Beschilderungen) an touristischen Rad- und Wanderwegen [...] Auch die Kosten für die Erstzertifizierung von Premium-Radfernwegen (4 oder 5 Sterne des ADFC-Gütesiegels) und Premium- Wanderwegen (Zertifizierung durch das Deutsche Wanderinstitut oder durch den Deutschen Wanderverband) können als Nebenkosten eines Rad- oder Wanderprojekts mitgefördert werden.“ Quelle: https: / / mlr.baden-wuerttemberg.de/ file admin/ redaktion/ mmlr/ intern/ dateien/ PDFs/ Tourismus/ Tourismusinfra strukturprogramm_2016_Ausschreibung.pdf Das Engagement der Länder ist gleichwohl nicht in jedem Fall frei von Kritik. Das zeigt das Beispiel der 18 Mio. Euro Steuergelder durch das Land Brandenburg, die als Zuschüsse für den Investor von „Tropical Island“ (ehemalige Cargolifter-Halle auf dem Flugplatz Brand in Brandenburg) geflossen sind. Das Land Mecklenburg-Vorpommern förderte 2012 vorgeblich eine Solaranlage der Skihalle Wittenberg in Höhe von 1 Mio. Euro aus Mitteln des Programms der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“ (GRW). Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern antwortete auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ- NEN, zur Förderung der Photovoltaikanlage für das Alpin-Center Hamburg- Wittenburg (Drucksache 6/ 1074 vom 17.9.2012): „Bei der Förderung der Photovoltaikanlage handelt es sich um eine Maßnahme zur Unterstützung der gewerblichen Wirtschaft mit dem Ziel der Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze in einem gewerblichen Unternehmen.“ Aus der Antwort geht weiterhin hervor, das zuvor Darlehen in Höhe von 3.387.000 Euro sowie ein GRW-Ergänzungsdarlehen in Höhe von 2.940.000 Euro an die Skihalle vergeben wurden. Grundsätzlich ist zu fragen, inwieweit Fehlkalkulationen privater Investoren und Betreiber durch Steuergelder aufgefangen werden sollen. Der Hinweis auf zu erhaltende Arbeitsplätze kann lediglich eine erste vordergründige Argumentati- <?page no="67"?> 70 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure on sein. Im Rahmen der Opportunitätskosten wäre eine alternative Verwendung von Steuergeldern zu ermitteln, die eine evtl. höhere und vor allem stabilere Anzahl von Arbeitsplätzen unterstützt, zumal, wenn chronisch defizitäre Unternehmen langfristig offene und verdeckte Subventionierungen erfordern. Darüber hinaus muss unterstellt werden, dass die vormals medienträchtigen „Leuchtturmprojekte“ aus Imagegründen und bisweilen auch auf der Basis persönlicher Eitelkeiten der politischen Akteure weiterhin aus Steuergeldern unterstützt werden. 36 Nicht nur kritisch, sondern teilweise illegal war in diesem Zusammenhang das Handeln von Teilen der rheinland-pfälzischen Landesregierung im Fall des Nürburgrings 2009. 37 „[...] der überdimensionierte, aber weitgehend wertlose Freizeitpark hat rund 330 Millionen Euro an Steuergeld verschlungen. [...] Seit 2012 läuft in Brüssel ein Prüfverfahren, das klären soll, ob illegale Subventionen in den Nürburgring geflossen sind. Wie im Mai 2014 öffentlich wurde, könnte die EU-Kommission einen Betrag von bis zu 486 Millionen Euro als illegal erklären. Sollte die offizielle Entscheidung tatsächlich so ausfallen, müsste das Land das Geld von der begünstigten Nürburgring GmbH zurückfordern - doch das Unternehmen ist insolvent. Wie die Sache auch ausgehen mag: Der Nürburgring bleibt die größte Investitionsruine in Rheinland-Pfalz. Für die Steuerzahler ist der Schaden immens.“ (Bund der Steuerzahler 2014, S. 113) Richtet sich der Blick weg von der finanzierenden auf die konzeptionell-strategische Seite der (sport-)touristischen Entwicklung durch die Länder, so sind in nahezu allen Bundesländern, die gleichwohl nicht mit Destinationen gleichzusetzen sind, Wandern und Radfahren die am häufigsten genannten Sportarten. Eine Auflistung aller Tourismuskonzeptionen und -strategien gibt Tab. 2 wieder. Flächenbundesland sporttouristische Bezüge Baden-Württemberg: Tourismuskonzept Radfahren, Wandern, Wintersport Bayern: Tourismuspolitisches Konzept Wintersport, Bergsport Brandenburg: Landestourismuskonzeption Wassersport, Rad, Skaten, Golf, Sportgroßveranstaltungen 36 Diese Anmerkung gilt nicht nur für die Länderebene, sondern für alle Ebenen des politischen (und verbandlichen) Wirkens. 37 Siehe den Beitrag der Süddeutschen Zeitung vom 16. April 2014: Nürburgring-Prozess - Ex-Finanzminister Deubel zu Haftstrafe verurteilt. <?page no="68"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 71 Hessen: Strategischer Marketingplan Wandern, Radfahren Mecklenburg-Vorpommern: Landestourismuskonzeption Wassersport, Wandern, Radfahren, Golf, Reiten Niedersachsen: Touristische Entwicklungsstrategie Wintersport, Wandern, Radfahren, Wassersport, Reiten, Golf Nordrhein-Westfalen: Masterplan Tourismus Radfahren, Wandern, Funsport, Sportevents, Golf, Wintersport Rheinland-Pfalz: Tourismusstrategie Wandern, Radfahren Saarland: Tourismusstrategie Wandern, Radfahren, Wassersport, Golf, Reiten Sachsen: Tourismusstrategie touristisches Wegenetz (Wander-, Radwander-, Reitwege, Loipen, Mountainbike) Sachsen-Anhalt: Masterplan Tourismus Wandern, Radfahren, Wintersport Schleswig-Holstein: Tourismusstrategie Radfahren, Segeln, Wassersport, Thüringen: Landestourismuskonzeption Wintersport, Wandern, Trekking, Wassersport, Reiten, Golf Tab. 2: Sporttouristische Bezüge der Tourismuskonzeptionen und -strategien der Flächenbundesländer. Quelle: Ministerien der 13 Flächenbundesländer Die aufgeführten sporttouristischen Bezüge decken selbstverständlich nicht alle Sportarten ab, die für Touristen in einem Bundesland möglich sind, sondern stellen i.d.R. die dominierenden Angebotsformen dar. Zusätzlich werden in den einzelnen Konzeptionen bzw. Strategien auch noch weiterzuentwickelnde Angebotsformen aufgeführt, so z.B. für das Saarland und (! ) Thüringen mit Wassersport, Golf und Reiten. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass kaum ein Landesministerium eine Konzeption oder Strategie selbst verfasst hat, sondern einige wenige Consulting- Unternehmen die Bundesländer (und die weiter untergliederten Tourismusorganisationen) beraten haben bzw. die Texte vollständig verfassten. <?page no="69"?> 72 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Flächenbundesland externe Beratungunternehmen Baden-Württemberg: Tourismuskonzept PROJECT M Kohl & Partner Bayern: Tourismuspolitisches Konzept - Brandenburg: Landestourismuskonzeption PROJECT M Hessen: Strategischer Marketingplan PROJECT M Mecklenburg-Vorpommern: Landestourismuskonzeption dwif-Consulting Niedersachsen: Touristische Entwicklungsstrategie Deloitte & Touche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen: Masterplan Tourismus Roland Berger Strategy Consultants Rheinland Pfalz: Tourismusstrategie PROJECT M Saarland: Tourismusstrategie ift-consulting Sachsen: Tourismusstrategie dwif-Consulting Sachsen-Anhalt: Masterplan Tourismus - Schleswig-Holstein: Tourismusstrategie dwif-Consulting Fachhochschule Westküste Thüringen: Landestourismuskonzeption dwif-Consulting Brand Strategy Consultants Tab. 3: Tourismuskonzeptionen und -strategien der Flächenbundesländer und externe Beratung. Quelle: Ministerien der 13 Flächenbundesländer Insgesamt treten die Bundesländer als konzeptioneller Wegbereiter (mit Hilfestellung), Gesetzgeber mit Planungshoheit sowie als (Mit-)Förderer sporttouristischer Infrastruktur auf. Eine direkte Beteiligung an Einrichtungen ist auf Länderebene (abgesehen von wenigen Beispielen wie dem Nürburgring) eher selten. <?page no="70"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 73 Beispiel Ein Beispiel aus Österreich soll allerdings verdeutlichen, dass im Rahmen strategischer Überlegungen Beteiligungen durchaus als ökonomisch Erfolg versprechend angesehen werden. 38 Das Land Salzburg hat sich über seine SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft mit einer Anfangsinvestition von 1,6 Mio. Euro an der Skihalle Neuss (derzeit: „Jever Fun Skihalle Neuss“) beteiligt und zahlt jährlich einen sechsstelligen Betrag für exklusive Werbemöglichkeiten, die zahlreiche Gäste animieren, in die Region zu reisen. Derzeit kommen ca. 20 % aller Wintersporturlauber aus NRW. „Die Jever Skihalle Neuss zählt zu den wichtigsten Partnern der SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft.“ ( www.salzburgerland.com/ de/ ski-board/ skihallen/ ski-halle-neuss.html) 3.1.2.3 Exkurs: Das Verschwinden des Begriffs Sport im Tourismus-Marketing Tourismus NRW formuliert in seinem Masterplan selbstbewusst, dass die Palette der Sportangebote „nahezu alle Freizeitsportarten abdeckt“ (S. 8), vermeidet jedoch in der weiteren Vermarktung den Begriff Sport. „Die alte Darstellung der ‚Themensäulen‘ Sport, Business, Kultur und Gesundheit wird weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang wird Sport auch in ‚Aktiv‘ umbenannt.“ (Tourismus NRW S. 47). Damit geht eine unnötige Verwässerung des kulturellen Teilbereichs „Sport“ einher. Wird „Sport“ mit „Aktiv“ synonym gesetzt, dann könnten alle anderen kulturellen Teilbereiche (bspw. Konzerte besuchen) nicht mehr mit dem Begriff „Aktiv“ versehen werden. Fällt Sport jedoch in eine Oberkategorie „Aktiv“, die eben auch weitere kulturelle Bereiche beinhaltet, dann wird der Sport nahezu unkenntlich. Darüber hinaus wird auch die Unterscheidung zu „passivem Sportkonsum“ bei Sportevents oder Public Viewing unscharf, wenn dies ebenfalls in die Kategorie „Aktiv“ fällt. 39 Ob die beauftragten Consulting- Unternehmen, wie in diesem Fall Roland Berger Strategy Consultants, tatsächlich für alle kulturellen Teilbereiche über eine Expertise verfügen, darf bezweifelt werden. 40 38 Siehe dazu auch den etwas offensiv betitelten Beitrag „Salzburg bleibt Herr im Haus der Skihalle Neuss“ unter www.tai.at/ index.php/ de/ oesterreich/ destinationen-national11/ 495salzburg-bleibt-herr-im-haus-der-skihalle-neuss. 39 Die Schwierigkeiten, Baden/ Schwimmen oder Spazierengehen/ Wandern zu trennen, sollte nicht zu einer Begrifflichkeit führen, die das Problem „versteckt“. Mit dem Begriffspaar „Sport und Bewegung“ wäre eine präzise Benennung gefunden. 40 Insofern verwundert es kaum noch, das Reiten (besonders ausgeprägt im Münsterland und in der Eifel) durch die Strategy Consultants keine Erwähnung gefunden hat. <?page no="71"?> 74 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure NRW-Tourismus agiert auf seiner Website demzufolge mit der Oberkategorie „aktiv“ und den Unterkategorien „Wandern in NRW“, „Radfahren in NRW“, „Weitere Aktivitäten“ sowie „Aktiv in den Regionen“ ( www.nrw-tourismus.de). Die Ruhr Tourismus GmbH lässt innerhalb der Oberkategorie „Themenwelten“ den Sport im Begriffspaar „erlebnis & action“ unkenntlich werden, löst jedoch die Aktivität „Radfahren“ dort heraus, die unter „Rad & Tour“ gesondert aufgeführt wird ( www.ruhr-tourismus.de). Der Regionalverband Ruhr (rvr) fügt die beiden Kategorien „Freizeit & Sport“ nachvollziehbar zusammen. Auf der Folgeebene werden dann für den Sport mit „Rad & Wandern“, „Wald aktiv“, „Sportplatz Ruhr“ und „Wasserwelten“ heterogene, sich teilweise überschneidende Unterkategorien gebildet ( www.metropoleruhr.de/ freizeit-sport.html). Die beispielhaft ausgewählten Städte Essen und Duisburg fassen den Sport in der touristischen Vermarktung unter „Freizeit“ ( www.essen.de) bzw. unter der etwas skurrilen Kategorie „Sonne und Wasser“ ( www.duisburg.de) zusammen, obwohl eine eigene Oberkategorie Sport (Vereinssport) besteht. Unter „Natur und Tiere“ firmieren dann doch etwas überraschend Golfanlagen! 3.1.3 Exkurs: Metropolregion Ruhr 41 Das Ruhrgebiet, bzw. neuerdings die Metropolregion Ruhr, ist wie kaum eine andere Region in Deutschland über mehr als zwei Jahrhunderte industriell geprägt worden. Insofern ist „das“ Ruhrgebiet mit seinen 5 Millionen Einwohnern eher ein wirtschaftsgeografischer und weniger ein verwaltungstechnischer Raum. Im Jahr 2015 wird als vorletztes Steinkohlebergwerk „Auguste Victoria“ in Marl seine Produktion einstellen und 2018 wird mit dem Schacht V der Prosper- Haniel in Bottrop die über Jahrhunderte andauernde Ära des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet beendet sein. Das wirft zugleich die Fragestellung auf, inwieweit industrielle Hinterlassenschaften lediglich als museale, bizarr-imposante Kulisse benutzt werden, durch Konversion unsichtbar geworden sind oder durch eine Inwertsetzung für eine neue Nutzung weiterhin Bestand haben. Die Prägung, vor allem durch den Steinkohle- und Erzbergbau sowie die Eisen- und Stahlverhüttung, hat sich vor allem massiv auf die Siedlungs- und Freiraumstrukturen ausgewirkt. Die Überformungen und Deformierungen durch großflächige industrielle Produktions-, Verarbeitungs-, Versorgungs- und Verkehrsanlagen sowie einem weitverzweigten Netz untertage befindlicher Schächte und Stollen sind Ausdruck dieser landschaftsbezogenen Eingriffe und Hinterlassenschaften. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang des Steinkohlebergbaus bereits 41 Dieser Exkurs basiert auf einer gekürzten Fassung des Artikels: „Spiel doch bei den Schmuddelkindern. Konversion von Industriestandorten zu Sportarealen in der Metropole Ruhr“ von Schwark 2015. <?page no="72"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 75 Ende der 1950er Jahre und mit dem Konzentrationsprozess der Eisen- und Stahlindustrie setzte in den 1970/ 80er Jahren in Deutschland eine intensive (und kontroverse) Diskussion um die Nutzung vormals industrieller Areale und Anlagen ein, die in Großbritannien und den USA zu diesem Zeitpunkt bereits geführt wurde. 42 Ein wesentlicher Beitrag zur Begründung, Weiterentwicklung und Akzeptanz ist u.a. der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park (1989-1999) zu verdanken, ebenso den Aktivitäten des Regionalverbandes Ruhr (rvr), der Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) mit der Zeitschrift „Industriekultur“ sowie den Akteuren der Route der Industriekultur. Inzwischen ist Industriekultur ein selbstverständlicher und akzeptierter Bestandteil auch touristischer Angebote geworden, die vor allem Industrie-, Technik- und Architekturgeschichte, die Sozialgeschichte der Arbeit und die industriell geprägte Kulturlandschaft zum Gegenstand haben (detaillierter siehe www.routeindustriekultur.de). Das Ruhrgebiet hat also etwas, was sonst keiner hat, und ironisch schmunzelnd könnten die Metropolen Hamburg, München und Berlin einwerfen: „Gott sei Dank! Wer will das schon? “ Das Image des Ruhrgebietes unterliegt nach wie vor Stereotypen, und Uninformierte pflegen weiterhin das rückständige Bild einer grauen, mit rauchenden Schloten durchzogenen Region, als hätte es keinen Strukturwandel gegeben. 43 Analog dazu könnten ebenso fehlerhaft Baden- Württemberg und Bayern als „unterentwickelte Agrarländer“ etikettiert werden. Butzin et al. verweisen nun auf unterschiedliche und ausdifferenzierte Leistungen der Industriekultur, die sich auch als Wirtschaftsstandort über die kommerzielle Vermarktung der Segmente Tourismus, Sport, Freizeit und Kultur ausweisen. Die Konversion der verschiedenen industriekulturellen Kategorien erfolgte zu unterschiedlichen Zwecken. Überwiegend wurde eine nachfolgende wirtschaftliche (Produktion, Dienstleistung) Nutzung angestrebt, Flächen zu Wohnungsbauzwecken präpariert bzw. teilweise als ergänzende Verkehrsfläche genutzt. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt fand bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Konversion von Sand- und Kiestagebauen zu Badeseen statt. Die ehemals in- 42 Zur touristischen Entwicklung der Industriekultur siehe auch Ebert (2004), Steinecke (2001) sowie Wilhelm (2004). 43 Derzeit sind lediglich in Duisburg noch vier Hochöfen mit einer Rohstahlerzeugung von ca. 20 Mio. t. in einem integrierten Hüttenwerk mit Hochofen-, Stahl- und Walzwerk in Betrieb. In der Hochphase um 1970 belief sich der Ausstoß auf ca. 28,5 Mio t. Siehe zu den Veränderungen des Ruhrgebietes auch Reicher et al. 2011. <?page no="73"?> 76 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure dustriell benötigten Flächen wurden in vielen Fällen renaturiert bzw. zu Freizeit- und Sportzwecken revitalisiert. Sport wird üblicherweise in eigens dafür gebauten spezifischen Räumlichkeiten betrieben. Stadien, Multifunktionsarenen, Turn-, Tennis- oder Reithallen bilden u.a. die typische Sportinfrastruktur. Ferner findet Sport im „natürlichen“ Raum statt, der vielfach einer anthropogenen Gestaltung unterliegt, wie bspw. beim Golfsport und Skifahren. 44 Sport im Kontext sichtbarer industrieller Hinterlassenschaften ist jedoch ein Novum. Nachfolgend werden in einem zweiten Schritt in zeitlicher Abfolge die jeweiligen industriekulturellen Kategorien mit ihren wichtigsten Konversionen zu Freizeit- und Sportzwecken dargestellt. Nicht Gegenstand der Ausführungen sind an dieser Stelle sozialhistorische Entwicklungen des Arbeitersports, des Fußballs im Ruhrgebiet oder neuere touristische Projekte wie bspw. der Ruhrtalradweg. Die Konversion von verschiedenen industriellen Arealen und Gebäuden zu Freizeit- und Sportzwecken im Ruhrgebiet vollzog sich bereits vor ca. 100 Jahren, ist aber erst in letzter Zeit zunehmend in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gelangt. 1920er Jahre: Sand- und Kiestagebaue Nach 1919 Überlassung/ Verkauf des Auskiesungsareals in Duisburg-Wedau durch die Krupp AG an die Stadt Duisburg. Konversion zu Erholungszwecken, Ansiedlung von wassersporttreibenden Vereinen. Bau der Regattabahn und infolge das Naherholungsgebiet Sechs-Seen-Platte (erweitert in den 1950er und vollendet 1990er Jahren) mit ca. 280 ha. 1970er Jahre Industriell geprägte Emscherzone des Ruhrgebietes In Anknüpfung an die Tradition der Volksparke entwickelte Revierparke neueren Typs Gysenberg in Herne (1970) 31 ha, Nienhausen in Gelsenkirchen/ Essen (1972) 38 ha, Vonderort in Oberhausen/ Bottrop (1974) 32 ha, Wischlingen in Dortmund (1976) 39 Hektar und Mattlerbusch in Duisburg (1979) 40 Hektar zu Sport- und Erholungszwecken durch den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR). 45 44 Selbstverständlich findet zumeist unorganisierter Sport auch im öffentlichen Raum der Städte statt. 45 Der 1920 gegründete Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) wurde zur Koordinierung und Umsetzung regionaler raumplanerischer Belange gegründet und 1979 zum Kommunalverband Ruhr (KVR) umgewandelt, dessen Aufgaben u.a. in der Freiraumsi- <?page no="74"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 77 1980er Bergehalden (u. teilw. Deponien) Nach dem Abbau der risikobehafteten Spitzkegelhalden Entwicklung von terrassierten Bergehalden n=118 sowie Deponien n=18 zu Landschaftsbauwerken (so genannte 3. Generation) mit u.a. (sport-)touristischer Funktion. 1990er Industrieanlagen Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher-Park (1989- 1999) Konversion des 1984 stillgelegten Meidericher Eisenhüttenwerks der Thyssen AG zum Landschaftspark Duisburg-Nord (1994) mit ca. 200 Hektar sowie Inwertsetzung verschiedener Industriegebäude. 1990er unbebaute Industrieflächen Schließung der Zeche Concordia, Abriss der Gutehoffnungshütte der Thyssen AG in Oberhausen-Osterfeld und Planierung. Erhalt des Gasometers und Bau des CentrO als Einkaufs- und Freizeitzentrum auf 143 Hektar mit diversen Sportmöglichkeiten. Die ehemaligen Sand- und Kiestagebaue sowie die inzwischen unbebauten Industrieflächen sind (zumindest für Laien und/ oder Auswärtige) als ehemalige Industrieareale unsichtbar geworden und erzeugen insofern keine unmittelbare Beziehung mehr zwischen Industriekultur und anderweitigem kulturellen Angebot. Die Bergehalden sind mit bis zu 137 Meter Höhe (201 Meter ü. NN) weithin sichtbarer Beleg ehemals bergbaulicher Aktivität. Durch die inzwischen mehrere Jahrzehnte andauernde Renaturierung ist das ursprüngliche Material jedoch zunehmend in den Hintergrund getreten. Einen unmittelbar sichtbaren Bezug zur Industriekultur weisen demnach lediglich die noch vorhandenen Industrieanlagen (z.B. Landschaftspark Duisburg-Nord) sowie einzelne Industriebauten (z.B. Maschinenhalle der Zeche Constantin in Bochum) auf. Beispiele für sporttouristische Angebote im Kontext von Industriekultur Aus nahezu jeder industriekulturellen Kategorie können Beispiele angeführt werden, anhand derer die jeweils unterschiedlich intensiven Verbindungen zwischen Industriekultur und Sport im Ruhrgebiet sichtbar werden. Der Begriff Industriekultur findet hier eine weite Anwendung. Insofern sind bspw. auch die mehr als hundert Halden (und Deponien) als (Abfall-)Erzeugnis des Kohlebergbaus Ausdruck menschlicher Arbeitstätigkeit und prägende Landschaftselemente. cherung, Freizeit-, und Erholungsplanung lagen. Im Rahmen der Änderung des Verbandsgesetzes benannte sich der KVR 2004 in Regionalverband Ruhr (RVR) um. <?page no="75"?> 78 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Industrieanlagen Die Zeche Zollverein in Essen ist als von der UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe weit über die Grenzen des Ruhrgebietes bekannt und der Förderturm der im Bauhausstil gehaltenen Hauptgebäude wird gemeinhin als das Wahrzeichen des Ruhrgebietes aufgefasst. Ein eher marginaler und temporärer Bezug zum Sport wird durch das im Sommer installierte Schwimmbecken und im Winter durch die entlang der Koksöfen erzeugte 150 Meter lange Eislaufbahn hergestellt. Das Sportangebot ist ein willkommener Anlass zum Besuch der Industrieanlage, hat jedoch keinen prominenten Platz in der Gesamtkonzeption. Gleichwohl werden die ausdrucksstarken Bilder im Marketing von Zollverein gezielt eingesetzt. Der Landschaftspark Duisburg-Nord stellt neben dem Angebot auf der Halde der Zeche Prosper in Bottrop den wohl intensivsten Bezug zum Sport dar. Auf dem Gelände des ehemaligen Meidericher Eisenhüttenwerkes bietet der Deutsche Alpenverein, Sektion Duisburg an den Möllerbunkern, die vormals zur Zwischenlagerung von Eisenerz und Koks dienten, nahezu ganzjährig Klettermöglichkeiten an. Im Bereich der ehemaligen Gießhalle 2 wurde zudem von einem kommerziellen Betreiber ein Hochseilparcour installiert. Abb. 3: Eislaufen neben der ehemaligen Kokerei der Zeche Zollverein in Essen. Quelle: Matthias Duschner, Stiftung Zollverein Abb. 4: Klettern in einer ehemaligen Maschinenhalle in Bochum. Quelle: www.neoliet.de <?page no="76"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 79 Eine außergewöhnliche Nachnutzung des Gasometers mit seinen 45 Meter Durchmesser und 13 Meter Tiefe bietet der Verein Taucher im Nordpark Duisburg e.V. In dem vormaligen Speicher für das aus dem Hochofenprozess entstehende Gichtgas wurde ein Röhrensystem für die Höhlentaucherausbildung installiert sowie eine durch ein Schiffswrack und PKWs erzeugte „Rifflandschaft“. Darüber hinaus finden auf dem 200 Hektar großen Gelände verschiedene Sport(groß)veranstaltungen statt, u.a. das „Rheinpower 24 Stunden von Duisburg“, ein Nonstop Mountainbike-Rennen auf einem 8,5 Kilometer langen Rundkurs. Industriebauten Die Maschinenhalle der Zeche Constantin in Bochum, die früher zur Bewetterung der Schächte diente, beherbergt inzwischen eine kommerziell betriebene Indoor-Kletteranlage. Halden Die mehr als 100 Abraumhalden des Kohlebergbaus und Deponien bieten seit den 1990er Jahren großflächige und für Freizeitzwecke nutzbare Areale vormalig unzugänglichen Ödlandes. 46 Die Bewältigung der bis zu 137 Meter hohen Halden ist mit je unterschiedlichen Bewegungsintensitäten möglich und bietet auch den Rahmen für Sportveranstaltungen wie bspw. den Bottroper Tetraeder Treppenlauf ( www.tetra eder-treppenlauf.de). Abb. 5: Skihalle auf der Halde Prosperstraße in Bottrop. Quelle: Alpincenter Bottrop 46 Siehe dazu auch das aus drei Abraumhalden 2002 fertiggestellte Landschaftsbauwerk Halde Beerwalde in Löbichau unweit von Gera/ Thüringen mit Lauf- und Mountainbike- Veranstaltungen. ( www.haldenlauf.de, www.radsport-altenburg.de) <?page no="77"?> 80 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die topografische Form der Halde Prosperstraße in Bottrop wurde für eine der ersten Skihallen genutzt. In der Folgezeit wurden mit Indoor Skydiving, Wakeboarding sowie einem Hochseilklettergarten weitere kommerzielle Sportangebote geschaffen. Im Jahr 2011 kam es zu statischen Problemen der Skihalle durch hohlraumbedingte Absenkungen der Halde, infolgedessen die Stützpfeiler mit Beton stabilisiert werden mussten, um eine Schließung zu verhindern. Seitdem sind keine weiteren Absenkungen zu verzeichnen. Unbebaute Industrieflächen Ein Großteil der Industrieanlagen im Ruhrgebiet wurde dem Abriss preisgegeben und nur noch wenige Hinterlassenschaften deuten dort auf die vormalige Nutzung der Areale hin. Die Brache der ehemaligen Zeche Jacobi in Oberhausen wurde inzwischen zu einem kommerziell betriebenen 9-Loch-Golfplatz umgestaltet, der lediglich mit einzelnen Elementen von Großrohrleitungen auf eine frühere industrielle Nutzung hindeutet. Sand- und Kiestagebaue Die rekultivierten und teilweise auch renaturierten Sand- und Kiestagebaue sind als industriekulturelle Hinterlassenschaften nicht mehr erkennbar. Der nach 1919 entstandene Sportpark Duisburg ist mit einer inzwischen fast 100-jährigen Entwicklung das prominenteste Beispiel für die Umgestaltung eines vormalig industriell genutzten Areals (u.a.) zu Sportzwecken. Kernelement des Sportparks ist die Regattabahn als Austragungsort von inzwischen 20 internationalen Sportgroßveranstaltungen (mind. EM, WM). 47 Ein Großteil der früheren nicht öffentlich begehbaren Industrieanlagen und -areale wurde als Freiraumflächen, durch Konversion und Inwertsetzung sowohl der Bevölkerung zugänglich gemacht als auch für den Tages- und Übernachtungstourismus attraktiv. Die noch existierenden Industrieanlagen und -bauten sind allerdings nicht für die Ewigkeit konzipiert, sondern verfügen über eine begrenzte technische Lebensdauer. Insbesondere offene Gebäude, die permanenten Witterungsbedingungen ausgesetzt sind und aus Kostengründen nur eingeschränkt gewartet und instandgesetzt werden können, unterliegen einem frühzeitigen Verschleiß. Typisch für Stahlkonstruktionen ist Rostbefall, bspw. am Tauch-Gasometer (Landschaftspark Duisburg-Nord) und Pionierbaumbewuchs im Mauerwerk mit entsprechenden Bauschäden. Darüber hinaus unterliegen auch die terrassierten Halden durchaus Absenkungen, wie das Beispiel der 47 Detaillierte Informationen siehe unter www.wasserweltwedau.de und www.duisburg.de / fa/ sportpark/ <?page no="78"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 81 Skihalle auf der Halde der Zeche Prosper in Bottrop zeigt. Absenkungen sind durch das Massendefizit des Übertage geförderten Materials ohnehin ein Problem im Ruhrgebiet. Lediglich 6 % des Bergematerials wurden wieder zur Verfüllung der Hohlräume eingesetzt. 48 (siehe dazu auch www.halden.ruhr/ grund lagen.html) Auf der Konferenz „Industriekultur 2020. Positionen und Visionen für Nordrhein-Westfalen“ wurde 2011 die „Charta Industriekultur NRW 2020“ verabschiedet, die neun Mindeststandards formuliert, wie mit dem industriekulturellen Erbe adäquat umgegangen werden soll. „Industriedenkmäler als Impulse für Stadtentwicklung nutzen, Unternehmen einbinden, mit industriellem Erbe denkmalgerecht umgehen, authentische Orte erhalten, Wissen bewahren und weitergeben, Qualitätsstandards einhalten, ehrenamtliches Engagement stärken, Industrietourismus fördern sowie eine Dachmarke ‚Industriekultur NRW‘ entwickeln.“ ( www.lwl.org) 49 3.1.4 Kommunale Ebene Vielfältige Sportmöglichkeiten samt attraktiver Sportinfrastruktur, die allen Bevölkerungsschichten Zugang gewährt, sowie interessante Sportevents und -großveranstaltungen auch für auswärtige Gäste werden zusehends als Elemente der Stadtentwicklung und als weicher Standortfaktor für eine lebenswerte und gastfreundliche Stadt begriffen. Als Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit greifen daher immer mehr Städte zu der mehr oder weniger zutreffenden Selbstetikettierung „Sportstadt“: Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Hamburg („Europäische Sportstadt“), München, aber auch Chemnitz, Lörrach und Zittau (als „European City of Sport 2014“). 50 48 Große Teile des Ruhrgebietes sind in bis zu 1.000 Meter Tiefe mit einem weitverzweigten Stollennetz unterhöhlt und sind wegen fehlender natürlicher Abflüsse von Überschwemmungen bedroht. Um weitere Absenkungen (von bis zu 30 m), Überflutungen und die Vermischung von Gruben- und Grundwasser zu verhindern, müssen dauerhaft hunderte von Pumpwerken im Einsatz sein (so genannte Ewigkeitskosten) und Deichanlagen geschützt werden. (siehe auch: www.lwl.org/ LWL/ Kultur/ Westfalen_Regional/ Wirtschaft/ Bergbau/ Bergsenkungen/ ) 49 Siehe dazu auch die Zusammenfassung der Tagung durch Abeck (2012) und in diesem Zusammenhang auch die Auflistung der Erfolgsfaktoren für eine touristische Inwertsetzung bei Neumann et al. 2012 50 Wer sich mit Stadtentwicklung beschäftigt, wird schnell feststellen, dass der Begriff der „Stadt“ so eindeutig nicht zu fassen ist. Im Rahmen der kommunalen Neugliederungen wurden bspw. die Städte Barmen und Elberfeld zur Stadt Wuppertal zusammengefügt (1929). Beide Stadtkerne existieren jedoch nach wie vor. Eigenständige kleinere Städte <?page no="79"?> 82 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Aus der Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten Volkspark-Idee, die in Überwindung des distanzierten Betrachtens der englischen Landschaftsparks erstmals Möglichkeiten zum Spielen und Bewegen für alle städtischen Bevölkerungsschichten vorsah, entwickelten sich in zahlreichen Städten innerstädtische Areale, die sich inzwischen als Sportparke ausweisen. Aus raumplanerischer Sicht erfüllen diese Areale nicht mehr nur eine Erholungs- und Sportfunktion für die lokale Bevölkerung, sondern sprechen im Rahmen des Ausflugsverkehrs und Tagestourismus ein größeres Potenzial an Gästen aus einem regionalen Einzugsgebiet an. Exemplarische Beispiele sind die Sportparke Duisburg-Wedau (200 ha) oder der Sportpark Hannover (45 ha). 51 Der Olympiapark in München (85 ha) ist der wohl prominenteste und am meisten besuchte Sportpark in Deutschland, den seit seinem Bestehen im Jahr 1972 inzwischen über 200 Millionen registrierte Besucher (Einheimische und Touristen zusammen) besucht haben. Mit seiner außergewöhnlichen und nach wie vor modern anmutenden Sportstättenarchitektur ist der Park selbst ein touristischer Anziehungspunkt geworden. „Im Geschäftsjahr 2014 waren es über 4,2 Millionen Besucher, von denen mehr als 2,4 Millionen 351 Veranstaltungen (an 615 Veranstaltungstagen) besuchten und über 1,8 Millionen die Freizeit- und Tourismuseinrichtungen nutzten. [...] 33 Welt-, 12 Europa- und 100 deutsche Meisterschaften sowie viele weitere bedeutende Sportevents, Konzerte mit Stars aus Pop, Rock und Klassik, Messen, Tagungen und Ausstellungen verschiedenster Art füllen die Chronik seit den Olympischen Spielen 1972.“ ( www.olympiapark.de/ de/ der-olympiapark/ olympiapark-muenchen-gmbh/ ) wurden 1975 größeren Städten „zugeschlagen“ wie bspw. Hohenlimburg zu Hagen oder Rheinhausen zu Duisburg. Die Flächen„stadt“ Salzgitter besteht aus sieben Ortschaften mit insgesamt 31 Stadtteilen. Darüber hinaus existieren Agglomerationen, denen ihr suburbanes Umland aus siedlungstechnischen Gründen zuzuordnen ist, obwohl es außerhalb administrativer Grenzen liegt, wie dies bspw. bei den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg und bei manchen Ruhrgebietsstädten der Fall ist. Die neuere Kultur- und Sozialgeographie hat sich überdies von einem verengten Begriff eines territorialen „Container“-Raums zugunsten eines relationalen, in Beziehungen denkenden Raumes verabschiedet. (siehe dazu Freytag, 2014, S. 15) 51 Die Wolfsburg AG, (man achte auf die Reihenfolge) ein Gemeinschaftsunternehmen der Volkswagen AG und der Stadt Wolfsburg, hat in Erweiterung der Themenwelt „Autostadt“ seit 2000 den Allerpark (130 ha) umfangreich zu einem erholungs-, sport- und eventorientierten Park ausgebaut. ( www.allerpark.net) <?page no="80"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 83 Abb. 6: Olympiapark München. Quelle: www.olympiapark.de/ de/ derolympiapark/ presse/ Allerdings präsentieren sich mit der Wohnbebauung des „Ackermannbogens“ und dem BMW-Turm „4-Zylinder“ inzwischen zwei architektonische und flächenmäßige Kontrapunkte in unmittelbarer Nähe des Parks. 52 Zusätzlich zu den Sportparks ist auf Sportstätten mit besonderer Architektur oder symbolischem Gehalt sowie Sportmuseen zu verweisen. Das Deutsche Sport- und Olympiamuseum in Köln mit ca. 150.000 Besuchern pro Jahr sowie die Sportmuseen in Berlin und Leipzig beherbergen neben aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen die prominentesten sporthistorischen Sammlungen. Darüber hinaus existieren noch etliche weitere sportartspezifische Museen, die allerdings nicht an die Besucherzahlen der Sportmuseen heranreichen. Insgesamt 70 öffentliche und private Betreiber haben sich 2003 zur Deutsche Arbeitsgemeinschaft von Sportmuseen, Sportarchiven und Sportsammlungen e.V. zusammengeschlossen ( www.dags-ev.de). Sportstätten, insbesondere Fußballstadien und historische Sportstätten, sind ebenfalls Bestandteil touristischer Aktivitäten. Einen „historischen Sportstätten- Wanderweg“ bietet die Stadt Oberhof an. 53 Stadionführungen werden überdies in zahlreichen Städten durchgeführt. Anstelle des Gelsenkirchener Parkstadions wurde 2001 der Spielbetrieb in der damals neu erbauten Schalke-Arena durchgeführt. Seit der Eröffnung haben inzwischen mehr als eine Million Besucher die Arena inkl. Schalke-Museum besichtigt. 54 52 Zur weiteren Entwicklung des Olympiaparks siehe auch Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung Stadtentwicklungsplanung: Perspektiven für den Olympiapark München. Landschafts- und stadtplanerische Rahmenplanung, München 2011. Fachinformationen zur Sportarchitektur und zum Sportstättenbau finden sich in der international ausgerichteten Fachzeitschrift „sb“. ( www.iaks.org/ de/ sb-magazine) 53 Siehe dazu www.oberhof.de/ infos-a-z/ geschichte/ wandern-thueringer-wald01100/ 54 Neben den historischen und aktuellen Ausführungen sind Bestandteil einer derartigen ca. 75-minütigen Führung bspw. Cabrio-Dach, Hospitality-Bereich, Medienzentrum, <?page no="81"?> 84 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Im Kontext der Konkurrenz um eine attraktive Stadtentwicklung durch Sportgroßveranstaltungen und Sportinfrastruktur ist auf die unterschiedliche und dichotom verlaufende Finanzausstattung der Kommunen hinzuweisen. Die fiskalische Souveränität der Kommunen ist vielerorts außer Kraft gesetzt. Zum Teil mag dies über Jahrzehnte auch ein selbstverschuldeter Prozess gewesen sein. Die Hauptproblematik für die Kommunen liegt jedoch darin, dass über einen inzwischen bereits jahrzehntelangen Umverteilungsprozess mit reduzierter Staatsquote, dem Verzicht auf Steuereinnahmen und der Sozialisierung privater Verluste die politisch schwächste Ebene der öffentlichen Hand zunehmend allgemeine soziale Kosten trägt und fortlaufend in ihrer Möglichkeit beschnitten wird, die Steuereinnahmen zu generieren, die für eine angemessene Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger nötig ist. Darüber hinaus wird die Anwendung der gesetzlich verankerten „Schuldenbremse“ zu weiteren Sparmaßnahmen führen. Eine lediglich auf kommunaler Ebene erfolgende Auseinandersetzung führt aufgrund der nicht weiter infrage gestellten „Sachzwänge“ zwangsläufig zur Entsolidarisierung mit anderen sozialen und kulturellen Bereichen, die ihrerseits ebenfalls legitime Ansprüche formulieren. 55 Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat jüngst (2015) umfassende Daten zur Situation der Kommunen erhoben. „Gut ein Drittel der Kommunen (35 %) haben seit mehr als 10 Jahren eine negative Gesamtfinanzsituation und sehen auch zukünftig keine Verbesserung ihrer Lage (Gruppe C ‚Kommunen in der Negativspirale‘). Ihnen droht, den Anschluss zu verlieren. Dabei sind auch Kommunen, die sich seit Jahren konstruktiv um einen Schuldenabbau bemühen[.]“ (S. 3) Den notwendigen Investitionsbedarf zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Sportstätten und Bädern beziffert das Difu mit ca. 10,5 Mrd. Euro (S. 21). Das Difu sieht darüber hinaus eine sich weiter aufspaltende Entwicklung zwischen finanziell prekär ausgestatteten Kommunen und solchen, die sich in einer vergleichsweise komfortablen Situation befinden. Die Kommunen wurden dazu nach ihrer Finanzsituation und zu erwartenden Perspektive in fünf Gruppen eingeteilt. Rasenwanne, Schalke-Museum, Spielerkabinen, Stadionkapelle und Videowürfel. http: / / tradition.schalke04.de/ de/ arena-touren/ arena-erleben/ stadionfuehrung/ page/ 86--86--.html 55 Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hat 2010 (S. 13ff.) ein wirtschaftspolitisches Sofortprogramm für die Kommunen entwickelt, das im Kern eine Trendumkehr von der Kommunalisierung sozialer Kosten im Bundesstaat vorschlägt. <?page no="82"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 85 A Kommunen mit neuer Hoffnung 7 % Diese Kommunen blicken nach einer negativen Entwicklung in der Vergangenheit und trotz einer derzeit noch unzureichenden Finanzsituation optimistisch in die Zukunft. B Pessimistische Kommunen 19 % Diese Kommunen beurteilen ihre finanzielle Entwicklung und ihre derzeitige Lage positiv. Im Ausblick befürchten sie jedoch eine deutliche Verschlechterung ihrer Finanzsituation. C Kommunen in der Negativspirale 35 % Diese Kommunen befürchten, dass nach einer negativen Entwicklung in der Vergangenheit und bei einer derzeit noch unzureichenden Finanzsituation auch zukünftig keine Verbesserung der Lage erreicht werden kann. D Prosperierende Kommunen 15 % Diese Kommunen können auf einer positiven finanziellen Entwicklung in der Vergangenheit aufbauen und gehen auch zukünftig von einer vorteilhaften Entwicklung aus. Sonstige Kommunen 24 % Tab. 4: Gruppierung von Kommunen mit unterschiedlichen Entwicklungsverläufen (n=475). Quelle: Deutsches Institut für Urbanistik 2015, S. 34 Die finanziell prekäre Situation zahlreicher Städte (bspw. im Ruhrgebiet) ist auf der einen Seite zusätzlich geprägt von schrumpfenden Bevölkerungszahlen, sinkender Kaufkraft und dem Übergang in Haushaltssicherungskonzepte mit Nothaushalten und „Sparkommissaren“. Dass diese Kommunen nach wie vor den Solidarbeitrag Ost zahlen ist ein Anachronismus. 56 „Bis Anfang dieses Jah- 56 Im Rahmen eines „Aktiven Finanzmanagements“ haben überdies zahlreiche Kommunen durch fehlgeschlagene spekulative Finanzgeschäfte die Situation noch verschlimmert. <?page no="83"?> 86 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure res hat Duisburg Solidarbeiträge von insgesamt 422,5 Mio. Euro für den Aufbau Ost überwiesen. Finanzieren musste das die Stadt über Kredite, mit Zinsen beläuft sich die Gesamtbelastung sogar auf 628,5 Mio. Euro.“ (Blazejewski, WAZ vom 20.9. 2014) Auf der anderen Seite verfügen finanziell starke Städte wie Düsseldorf oder München, die zudem auf potente Sponsoren der lokal-regionalen Wirtschaft zurückgreifen können, über Möglichkeiten und Freiräume bei der Akquise von und Bewerbung um Sportgroßveranstaltungen. Im Gegensatz zu den meisten Teilbereichen des Sporttourismus sind Sportgroßveranstaltungen mit ihren zahlreichen direkten und indirekten sporttouristischen Effekten nicht einem gesellschaftlichen Teilbereich zuzuordnen. Staat/ öffentliche Hand (auf allen Ebenen), Sportverbände (NPO) und Wirtschaft (insbes. Sponsoren) sind an der Akquise, Planung, Durchführung und Nachnutzung in unterschiedlichsten Allianzen und Gewichtungen miteinander verbunden. 57 Um den Bereich der Sportgroßveranstaltungen nicht in mehreren verstreuten Unterkapiteln zu diskutieren, wird die Thematik in einem gesonderten Exkurs behandelt. Die Zuordnung erfolgt innerhalb des gesellschaftlichen Teilbereichs Staat/ öffentliche Hand, da mit den Infrastrukturleistungen für (internationale) Sportgroßveranstaltungen die öffentliche Hand derzeit noch (! ), parallel zu den konkreten sportpolitischen Entscheidungen und Einflussnahmen der weiteren Akteure, eine dominierende Rolle innehat. Sportgroßveranstaltungen entstehen aus der Logik des Spitzensports (z.B. Champions-League-Finale) anlässlich des Vergleichs, der Kürung und Präsentation der Besten sowie im Breitensport (z.B. Deutsches Turnfest) anlässlich der Gemeinschaft Gleichgesinnter, der Präsentation von Vielfalt und ggf. des Vergleichs. Zunehmend sind Sportgroßveranstaltungen (überwiegend des Leistungs- und Spitzensports) einer kommerziellen und politischen Verwertung und Beeinflussung unterworfen. Parallel zur Logik des Sports gesellen sich also immer auch sportfremde Logiken, die nur teilweise mit den Interessen der Sportverbände übereinstimmen. 58 Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler haben derzeit (2014) über 30 Kommunen und Kreise „unkalkulierbare“ Fremdwährungskredite aufgenommen. 57 Siehe dazu auch die Ausführungen von Wäsche 2014 zur Netzwerkbildung im Sporttourismus und die Publikation von Weed; Bull 2009: Sports Tourism mit dem Untertitel Paricipants policy providers. 58 Auf die jeweils internen unterschiedlichen Interessenlagen der Sportverbände kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden. <?page no="84"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 87 Im politischen Kontext soll über Sportgroßveranstaltungen Macht demonstriert, ein positives Image erzeugt und nicht selten auch der jeweils eigene Narzissmus befriedigt werden. 59 Darüber hinaus soll erfolgreicher Spitzensport sowohl für die vermeintliche „nationalstaatliche Identität“ als auch für die Standortpolitik ökonomische, infrastrukturelle und wissenschaftliche Potenz verkörpern. Auf der Ebene der Olympischen Spiele gibt Preuss (2012) einen Überblick über die wesentlichen Gründe zur Ausrichtung. Die Annahme dürfte plausibel sein, dass die Beweggründe auch für die Ausrichtung von Fußballweltmeisterschaften gelten. Ziel der Bewerbung Beispiele für Ausrichterstädte mit dem Ziel Imageverbesserung München 1972, Korea 1988, Sydney 2000, Peking 2008 Stadtentwicklung München 1972, Montreal 1976, Seoul 1988, Barcelona 1992, Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008, London 2012 Demonstration/ Werbung zunehmender wirtschaftlicher Macht Berlin 1936, Tokio 1964, München 1972, Seoul 1988, Peking 2008 Demonstration/ Werbung für ein politisches System Berlin 1936, Moskau 1980, Los Angeles 1984 Steigerung des Tourismus Innsbruck 1976, Barcelona 1992, Sydney 2000, Athen 2004 Bedeutungssteigerung der Stadt innerhalb des Ausrichterlandes Barcelona 1992, Atlanta 1996, Nagano 1998, Peking 2008 Investitionssteigerungen Grenoble 1968, Lillehammer 1994, Barcelona 1992, Atlanta 1996, Nagano 1998 Innenpolitische Stabilität und Selbstvertrauen Seoul 1988, Peking 2008 Tab. 5: Wesentliche Gründe zur Ausrichtung Olympischer Spiele. Quelle: Preuss 2012, S. 3 59 PolitikerInnen, denen ansonsten ein wackeres fußballerisches Desinteresse unterstellt werden kann, präsentieren sich mit telegenem Kalkül bei Welt- und Europameisterschaften in den VIP-Logen in eher ungelenken Jubelposen. <?page no="85"?> 88 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass internationale Sportgroßveranstaltungen im Rahmen so genannter Stadtentwicklung auch als Mittel zur Gentrifizierung zukünftig lukrativer und durch eine veränderte Sozialstruktur aufgewerteter Stadtquartiere oder Stadtteile benutzt werden. 60 Die Olympischen Spiele in Atlanta, Peking, London, Sotschi oder die Fußballweltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien sind nur einige prominente Beispiele für die jeweils unterschiedlichen Grade direkter und indirekter Machtausübung von Verdrängung, Enteignung oder Vertreibung der lokalen Bevölkerung. Die jüngst an Protesten der Bevölkerung gescheiterten Olympiabewerbungen und der Rückzug von Städten aus Bewerberverfahren sind Hinweise darauf, dass eine überbordende Eventisierung der Städte nicht mehr ohne Weiteres aus den Bereichen der so genannten Zivilgesellschaft (und auch Teilen der Politik) hingenommen und zunehmend kritisch hinterfragt wird. 61 Exemplarisch sind die gescheiterten Olympiabewerbungen von München für 2018, Graubünden für 2022 sowie die Rückzüge von Oslo und Stockholm für 2022 sowie Hamburg und Boston für 2024 anzuführen. 62 Offensichtlich treten sich widerstreitende (und unvereinbare! ) Interessenlagen zu Tage, wenn innerstädtische Areale zulasten peripherer Stadtteile profitieren und die Finanzierung von imageträchtigen, wiewohl ökonomisch defizitären Kultur- und Sportgroßveranstaltungen zulasten der alltagskulturellen und -sportlichen Daseinsvorsorge gehen. Wenn also innerhalb der Städte von Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Stadt-Marketing und Wirtschaft der Wert des „Großen“ Sports erkannt und in konzeptionelle und stadtplanerische Entwürfe mit aufgenommen wird, dann ist immer auch zu fragen, unter welchen Rahmenbedingungen dies geschieht. Die touristischen und ökonomischen sowie sozialen und ökologischen Effekte von Sportgroßveranstaltungen (positiv wie negativ) sind daher nicht losgelöst von einer umfassenden Sportentwicklungsplanung zu betrachten, die Freizeit- und Breitensport, Schulsport, Behindertensport, Leistungs- und Spitzensport sowie Sportinfrastruktur einbeziehen, die die veränderten Sport- und Bewegungswünsche sowie -erfordernisse der Bevölke- 60 Dass die „hippe“ Kultur- und Kunstszene lediglich als stadtteilaufwertender Durchlauferhitzer benutzt wurde, damit die eigentliche, nämlich zahlungskräftige Klientel die inzwischen schicken Penthouse-Wohnungen im ehemaligen Arbeiterstadtteil Hackney beziehen konnte, verweist auf den strategischen Charakter samt Privatisierungsbestrebungen des öffentlichen Raums. Siehe auch den Artikel von Scarsbrook: „London nach Olympia. Uncooles Erbe cooler Spiele“ SZ vom 12.8.2012. 61 Kähler (2014, S. 130-141) gibt einen Überblick über die verschiedenen sporttouristischen Eventräume, in der u.a. Fragen nach Teilhabe und Einflussnahme der Bevölkerung sowie Entfremdung oder Bereicherung gestellt werden. 62 Detaillierter zur Kritik siehe www.nolympia.de und www.olympia-nein.ch. <?page no="86"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 89 rung berücksichtigt. Nahezu alle Kommunen fördern materiell und/ oder immateriell Sportgroßveranstaltungen und haben dazu kommunale Richtlinien verabschiedet. Die Stadt München gibt dazu folgende Kriterien vor: Beispiel „ § 10 Förderung von Sportveranstaltungen Gefördert werden können 1 Deutsche, Europa- und Weltmeisterschaften der obersten Jugend-, Junioren- und Meisterklasse bei einer angemessenen Teilnehmerzahl 2 weitere Spitzensportveranstaltungen der ersten Kategorie unter den Weltbzw. Europameisterschaften (z.B. Weltcup, Europacup, Masters der offenen Klasse) mit hoher Bedeutung für das Ansehen der Stadt 3 Veranstaltungen, die in besonderem Maße der Förderung der Münchner Talente im Spitzensport dienen 4 Breitensportveranstaltungen mit einer sehr hohen Zahl an aktiven TeilnehmerInnen (ab 5.000 Personen) oder BesucherInnen (ab 20.000 Personen) und stadtteilübergreifender Bedeutung 5 Sportveranstaltungen mit hoher sozialer Impulswirkung (z.B. Gewaltprävention, soziale Integration von Menschen mit Behinderungen und/ oder mit Migrationshintergrund) bei ebenfalls stadtteilübergreifender Bedeutung.“ Quelle: www.muenchen.de/ rathaus/ Stadtverwaltung/ Referat-fuer- Bildung-und-Sport/ Sport foerderung.html Das Referat für Bildung und Sport der Stadt München gibt unter dem Titel „Sporthighlights 2015 Veranstaltungen in München“ eine vollständige Übersicht über die in der Landeshauptstadt durchgeführten Sportgroßveranstaltungen heraus (Download unter www.muenchen.de/ rathaus/ Stadtverwaltung/ Referat-fuer- Bildung-und-Sport/ Sport/ sportveranstaltungen/ Sporthighlights-2015.html). Die Thematik kann an dieser Stelle nicht umfassend ausgeführt werden. Verwiesen sei auf das 2010 vom Ad-hoc-Ausschuss Sportentwicklungsplanung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) erarbeitete „Memorandum zur kommunalen Sportentwicklungsplanung“ (S. 35), an dem Vertreter der Sportwissenschaft, des DOSB und des Deutschen Städtetages maßgeblich beteiligt waren ( www.sportwissenschaft.de/ fileadmin/ pdf/ download/ Memorandum_Sp ortentwicklungsplanung_2010.pdf). Für die Sportwissenschaft siehe auch den Sammelband von Rütten et al. (2014) „Handbuch Sportentwicklungsplanung“ sowie den Beitrag von Gabriele Klein (2008) „Urbane Bewegungskulturen. Zum Verhältnis von Sport, Stadt und Kultur“. Ob sich Kommunen in prekärer Haushaltslage oder mit den Auflagen eines Sparhaushaltes überhaupt noch für Sportgroßveranstaltungen bewerben können, hängt nicht mehr von den Bedingungen des „Bid books“ bzw. Pflichtenheftes ab, <?page no="87"?> 90 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure sondern von der Zustimmung der aufsichtsführenden Behörde. Die für eine Bewerbung erforderlichen Verpflichtungsermächtigungen, Ausfallbürgschaften und Vorabaufwendungen können oder dürfen nicht aufgebracht werden. Im Fall von ökonomisch lukrativen Sportgroßveranstaltungen wären durch die zu erwartenden Umwegrentabilitäten und Steuereinnahmen die Vorleistungen jedoch als lohnenswerte Investition zu bewerten und nicht, wie fälschlicherweise behauptet, als Ausgaben. Schulke (2009) gibt hierzu eine Übersicht über die Aufwendungen und Einnahmen sowie Gewinnmöglichkeiten von Kommunen. Aufwendungen der Kommune direkte Zuwendungen indirekte Zuwendungen (z.B. über Landessportverband [Lottomittel u. a.]) Infrastruktur (Sportstätten, Parkplätze etc.) allgemeine Organisationsleistung (Polizei u. a.) spezifische Organisationsleistung (Absperrung u. a.) Kommunikation (Information der Bevölkerung) Beratung und Koordination Steuerverluste (Spenden, Sponsoring) Einnahmen und Gewinne der Kommune Gebühren direkte Steuern (z.B. Lohnsteuer) indirekte Steuern (z.B. Kartenverkauf) Werbung und Imagegewinn Transfer von Kompetenzgewinn eventuell Dienstleistungen und Infrastruktur externe Fördermittel Tab. 6: Aufwendungen, Einnahmen und Gewinne von Kommunen bei Sportgroßveranstaltungen. Quelle: Schulke 2009, S. 18f. <?page no="88"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 91 Insgesamt wird auf nationaler Ebene aufgrund der disparaten finanziellen Entwicklung der Kommunen eine Tendenz sichtbar, die sich in einer reduzierten Anzahl von möglichen Bewerberstädten für internationale Sportgroßveranstaltungen ausdrückt. 3.1.4.1 Klassifizierung von Sportgroßveranstaltungen 63 Eine allzu starre Definition von Sportgroßveranstaltungen birgt die Gefahr in sich, dass Maßstäbe, wie sie bspw. für Metropolregionen angelegt werden, bei mittelgroßen Städten keine Anwendung mehr finden können. Die Frage der Perspektive bestimmt, was eine Sportveranstaltung als „groß“ qualifiziert. Die Olympischen Sommerspiele und die FIFA-Fußballweltmeisterschaft bilden gleichsam die obere Grenze der Maßstäbe, nach denen Veranstaltungen bewertet werden können. Als untere Grenze fungieren bspw. internationale Turniere oder Deutsche Meisterschaften in Randsportarten, die jedoch über die lokalen Mediengrenzen hinaus ein allgemein regionales bzw. bundesweit (und evtl. darüber hinaus) sportartspezifisches Interesse erzeugen. Des Weiteren bilden die untere Grenze bspw. Laufveranstaltungen, die nicht primär dem leistungssportlichen Bereich zugeordnet werden können, aber mit hohen Aktivenzahlen und überregionalem Einzugsgebiet aufwarten und entsprechend positive ökonomische Effekte erzeugen. Aus der Kritik an den bestehenden Klassifizierungsversuchen, die hier nicht weiter thematisiert werden soll, folgt die Entwicklung einer eigenständigen, logisch begründeten und plausiblen Klassifizierung. Diese Klassifizierung erfolgt in zwei grundlegenden Arbeitsschritten. Im ersten Schritt werden die relevanten Indikatoren benannt und ausdifferenziert. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die unterschiedlichen ökonomischen Beiträge, die einzelne Gruppen (Zuschauer, Aktive, Medienvertreter, Staff/ Funktionäre) für die Kommune haben. Im Vordergrund der Klassifizierung steht also nicht primär die Frage nach der Quantität von Zuschauer- und Aktivenzahlen, sondern vielmehr der qualitative Aspekt des Anteils auswärtiger Zuschauer und Aktiver, die mit ihren Ausgaben zusätzliche Wertschöpfungseffekte erzeugen. Um plausible Abstände innerhalb der einzelnen Kategorien herstellen zu können, wurden exemplarisch alle Sportgroßveranstaltungen von Düsseldorf danach untersucht, wie hoch die jeweiligen Zahlen aller beteiligten Gruppen an wie vielen Tagen waren, welche Zusammensetzung sich hinsichtlich Einheimischer und Auswärtiger ergab und welche Reichweite die mediale Berichterstattung hatte. 63 Die Ausführungen zur Klassifizierung basieren im Wesentlichen auf Schwark 2009. <?page no="89"?> 92 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Beispielsweise ergaben sich für die Auswärtigentage (auswärtige Zuschauer, Aktive, Medienvertreter und Staff/ Funktionäre multipliziert mit der Anzahl der Veranstaltungstage) Werte, die eine Differenzierung von < 5000; 5.000 - 10.000; > 10.000 plausibel machen. Bei einer Dreiteilung, die von < 10.000; 10.000 - 20.000; > 20.000 Auswärtigentagen ausgeht, würden sich kaum noch Differenzierungen unter den Veranstaltungen ergeben. Für die zu einer Gruppe zusammengefassten Aktiven, Medienvertreter und Staff ergeben sich Abstufungen, die nach der Voruntersuchung bei < 500; 500 - 2.000; > 2.000 liegen. Auch hier hätten höhere Zahlen ebenfalls eine ungewünschte Nivellierung zur Folge. Hohe Zuschauer- und Aktivenzahlen sind nicht gleichzusetzen mit einem entsprechend großen ökonomischen Nutzen einer Sportgroßveranstaltung. Veranstaltungen mit einem hohen Anteil einheimischer Zuschauer (und Aktiven) erzeugen kaum zusätzliche Wertschöpfungseffekte, da es sich i.d.R. nicht um zusätzliche Ausgaben handelt, sondern um Kaufkraftverschiebungen aus anderen konsumtiven Bereichen. 64 Ein wesentliches Kriterium ist insofern der Anteil der auswärtigen Gäste, die für eine Stadt (und für die Region) zusätzliche Wertschöpfungseffekte und Imageeffekte erzeugen können. Daher wurde keine gleichrangige Bewertung mit je 25 % hinsichtlich der Kategorien I Zuschauer, II Aktive, Medienvertreter, Staff, III Auswärtige und IV mediale Berichterstattung vorgenommen. Aus ökonomischer Sicht kommt den auswärtigen Tages- und Übernachtungsgästen, die sich aus Zuschauern und Aktiven, Medienvertretern und Staff zusammensetzen, die größte Bedeutung zu, so dass für die Kategorie III die höchste Gewichtung mit 40 % vorgenommen wird. Die mediale Berichterstattung über Sportgroßveranstaltungen kann langfristig das Image einer Stadt bzw. einer Region prägen und sowohl als weicher Standortfaktor als auch in städtetouristischer Sicht zu weiteren positiven ökonomischen Effekten beitragen. Insofern ist auch eine höhere Gewichtung als 25 % anzusetzen. Aufgrund der indirekten Effekte wird die Gewichtung für die Kategorie IV „mediale Berichterstattung“ jedoch mit 30 % unterhalb der Gruppe der „Auswärtigen“ angesetzt. 64 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die positiven ökonomischen Wirkungen durch Verdrängungseffekte, direkte und indirekte negative ökologische, soziale Effekte geschmälert (in Einzelfällen komplett reduziert) werden können. Insofern stellt sich nicht nur die Frage nach den jeweiligen kommunalen Kernkompetenzen und strategischen Ausrichtungen, sondern auch die Frage nach den Opportunitätskosten und ob eine alternative Verwendung der eingesetzten Mittel sinnvoller sein kann. <?page no="90"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 93 Die Kategorie I „Zuschauerzahl“ sagt nicht zwingend etwas über den ökonomischen Nutzen der Sportgroßveranstaltung aus, da ein Großteil der Zuschauer aus der eigenen Stadt kommen kann und damit häufig nur Kaufkraftverschiebungen vorgenommen werden. Die Kategorie I wird daher leicht unterdurchschnittlich mit 20 % bewertet. Ähnlich wird mit der Kategorie II verfahren, zumal hier i.d.R. die Anzahl deutlich geringer ist, als bei den Zuschauern. Allerdings üben die Sportler, Funktionäre und Medienvertreter durchaus eine Multiplikatorfunktion aus, so dass hier immerhin noch ein Anteil von 10 % angesetzt wird. Für alle vier Indikatoren wird eine Dreiteilung vorgenommen mit einer Punktvergabe von 1 bis 3 Punkten, so dass die Spannweite zwischen 4 und 12 zu erzielenden Punkten liegt. I Zuschauertage (Gewichtung: 20 %) 1 Punkt: < 10.000 2 Punkte: 10.000 - 100.000 3 Punkte: > 100.000 II Aktive-, Medienvertreter- und Stafftage (Gewichtung: 10 %) 1 Punkt: < 500 2 Punkte: 500 - 2.000 3 Punkte: > 2.000 III Auswärtigentage (Gruppen I und II) (Gewichtung: 40 %) 1 Punkt: < 5.000 2 Punkte: 5.000 - 10.000 3 Punkte: > 10.000 IV Mediale Berichterstattung (Gewichtung: 30 %) 1 Punkt: breite regionale oder nationale, sportartspezifische Berichterstattung 2 Punkte: breite nationale oder internationale, sportartspezifische Berichterstattung 3 Punkte: breite internationale Berichterstattung Tab. 7: Methodik zur Bewertung von Sportgroßveranstaltungen In einem zweiten Schritt wird anhand der zu erzielenden Punktespanne eine sinnvolle und plausible Kategorienbildung für Sportgroßveranstaltungen vorgenommen. <?page no="91"?> 94 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Da sich die große Mehrzahl der Sportgroßveranstaltungen im nationalen Bereich zwischen 4 und 7 Punkten bewegt, würde eine Einteilung in drei Kategorien zu einer übermäßigen Nivellierung führen, die der unterschiedlichen Bedeutung der Veranstaltungen innerhalb der Spanne zwischen 4 und 7 Punkten nicht gerecht wird und auch den Abstand zu den internationalen und außergewöhnlichen Veranstaltungen nicht zum Ausdruck bringt. Eine weitergehende Ausdehnung in fünf oder mehr Kategorien erbringt jedoch keine sinnvollen Unterscheidungen mehr und unterliegt zudem der Gefahr, dass schon geringe Bewertungsungenauigkeiten zu einer fehlerhaften Kategorieneinteilung führen. Grundsätzlich muss betont werden, dass Sportgroßveranstaltungen aus Imagegründen mindestens ein nationales bzw. ein international fachspezifisches Interesse hervorrufen sollen. Demzufolge sollte sich das sportpolitische Interesse auf Veranstaltungen der Kategorie C und höher richten. Gleichwohl ist zu beachten, dass Veranstaltungen in der D-Kategorie, obwohl sie stark in der Sphäre der lokal-regionalen Sportveranstaltung verhaftet sind und allenfalls von einer überregionalen fachspezifischen Öffentlichkeit mit Interesse wahrgenommen werden, große positive ökonomische Effekte erzielen können. A-Kategorie internationale und außergewöhnliche Sportgroßveranstaltung 10,1 - 12,0 Punkte B-Kategorie internationale Sportgroßveranstaltung 8,1 - 10,0 Punkte C-Kategorie nationale Sportgroßveranstaltung oder mit internationalem, überwiegend sportartspezifischem Interesse 6,1 - 8,0 Punkte D-Kategorie Sportgroßveranstaltungen mit regionalem Charakter oder mit nationalem, überwiegend sportartspezifischem Interesse 4,0 - 6,0 Punkte Tab. 8 : Kategorien von Sportgroßveranstaltungen Um das angewandte Verfahren zur Einordnung von Sportgroßveranstaltungen transparenter zu gestalten, werden nachfolgend zwei Beispielrechnungen dargestellt. <?page no="92"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 95 Zuschauer (life) × Veranstaltungstage Aktive, Medien, Staff × Veranstaltungstage Auswärtige × Veranstaltungstage mediale Berichterstattung 10.000 - 100.000 > 2.000 > 10.000 international, sportartspezifisch 2 Punkte 3 Punkte 3 Punkte 2 Punkte 65 20/ 25 10/ 25 40/ 25 30/ 25 1,6 Punkte 1,2 Punkte 4,8 Punkte 2,4 Punkte Ergebnis: 10,0 Punkte Kategorie B (8,1 bis 10,0 Punkte) Tab. 9: Beispielrechnung 1: Fußball: Champions-League-Finale in Berlin 6.6.2015 Zuschauer (life) × Veranstaltungstage Aktive, Medien, Staff × Veranstaltungstage Auswärtige × Veranstaltungstage mediale Berichterstattung < 10.000 500 - 2.000 < 5.000 national, sportartspezifisch 1 Punkt 2 Punkte 2 Punkte 1 Punkt 20/ 25 10/ 25 40/ 25 30/ 25 0,8 Punkte 0,8 Punkte 3,2 Punkte 1,2 Punkte Ergebnis: 6,0 Punkte Kategorie D (4,0 bis 6,0 Punkte) Tab. 10: Beispielrechnung 2: Deutsche Meisterschaften Schwimmen vom 9. bis 12.4.2015 in Berlin 65 In der Tat wäre zu diskutieren, ob ca. 360 Mio. Zuschauer weltweit nicht zu einer höheren Bewertung führen sollten. Mit einer eurozentrischen und/ oder rein fußballfixierten Sicht wäre eine Einstufung der jährlich ausgetragenen Veranstaltung als internationale und (! ) außergewöhnliche Sportgroßveranstaltung nachvollziehbar. <?page no="93"?> 96 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Eine Untersuchung nach Umfang und Struktur von Sportgroßveranstaltungen in 17 bundesdeutschen Städten (Schwark 2009) konnte in einem Zeitraum von 2005 bis 2008 insgesamt 1.042 Veranstaltungen identifizieren. 66 Nahezu drei Viertel aller Sportgroßveranstaltungen bewegen sich innerhalb der so genannten D-Kategorie. Damit veranstalten die Städte überwiegend Sportgroßveranstaltungen entweder mit lediglich regionalem Charakter oder mit nationalem Charakter, dort jedoch fokussiert auf lediglich sportartspezifisches Interesse. 66 47 152 777 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 A-Kategorie B-Kategorie C-Kategorie D-Kategorie Abb. 7: Umfang und Struktur von Sportgroßveranstaltungen. Quelle: Schwark 2009, S. 26 Werden die 1042 Veranstaltungen nach Sportartenkategorien unterteilt, so ergibt sich ein dominantes Bild zugunsten der Ausdauersportarten mit 26,9 % und der Spielsportarten mit 23,5 %. Alle weiteren Sportartenkomplexe weisen demgegenüber deutlich niedrigere Werte auf. Die Sportarten „Pferdesport, Tennis, Golf und Segeln“ sind in ihrer sportartspezifischen Charakteristik inhomogen. Aufgrund ihrer Ausrichtung auf eine „gehobene“ Sozialstruktur von Aktiven und Zuschauern wurden sie unter diesem Gesichtspunkt zu einer Kategorie zusammengefasst und erreichen einen Wert von 13,7 %. Lediglich die Gruppe 66 Nicht berücksichtigt wurden in dieser Studie der Ligabetrieb in den Spielsportarten (Frauen und Männer). Die Zuschauerzahlen in den verschiedenen Spielsportarten der jeweils höchsten Liga weisen eine Spannbreite von 100 bis 70.000 Zuschauern auf und unterliegen einer ebenso unterschiedlichen medialen Aufmerksamkeit. Zum einen kann der größte Teil der Erstligaveranstaltungen in den Spielsportarten aufgrund der niedrigen Zuschauerzahlen nicht die Hürde zur Sportgroßveranstaltung überwinden. Zum anderen stellt der erfolgreiche Erstligabetrieb mit den automatisch dazugehörigen Heimspielen der Vereine keine besondere Akquiseleistung der kommunalen Akteure dar. <?page no="94"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 97 der Kampfsportarten kommt noch auf einen Wert von 6,9 %. Alle weiteren Sportarten lassen sich in keine aussagekräftigen Kategorien zusammenfassen. 26,9 23,5 13,7 6,9 29,3 0 5 10 15 20 25 30 35 Ausdauersport Spielsport Pferdesport, Tennis , Golf, Segeln Kampfsport Sonstige Abb. 8: Sportgroßveranstaltungen nach Sportartenkategorien in Prozent. Quelle: Schwark 2009, S. 31 Richtet sich der Blick auf einzelne Sportarten, so dominieren mit 15,1 % die Laufbzw. Marathonveranstaltungen. Danach folgen mit 10,7 % Fußballspiele (wie schon erwähnt ohne Ligabetrieb). An dritter Stelle folgen mit 7,3 % Radrennen und mit 6,7 % Pferdesport. Alle weiteren Einzelsportarten nehmen eine marginale Position ein und wurden unter „Sonstige“ eingruppiert. 15,1 10,7 7,3 6,7 60,1 0 10 20 30 40 50 60 70 Laufen/ Marathon Fußball Radrennen Pferdesport Sonstige Abb. 9: Sportgroßveranstaltungen nach Sportarten in Prozent. Quelle: Schwark 2009, S. 32 <?page no="95"?> 98 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure „Be happy and pay the deficit! “ Primo Nebiolo (ehem. Präsident des IAAF) 3.1.4.2 Effekte von Sportgroßveranstaltungen Die Frage nach den Effekten und die Verwendung dieses Begriffs suggerieren zunächst einen Realitäts- und Präzisionsmaßstab, den es in dieser Form nicht geben kann. Effekte oder Wirkungen treten in mehreren Feldern, in unterschiedlichen Ausprägungen sowie zeitlichen Intensitäten auf und sind überdies abhängig von externen Faktoren. Der Durchführung einer Sportgroßveranstaltung (SGV) geht zumeist eine Entscheidung über den Einsatz von knappen Ressourcen voraus. Aus diesem Grunde sollte vor der Ausgestaltung eines solchen Anlasses abgewogen werden, ob der zusätzlich entstehende wirtschaftliche Nutzen größer sein wird als der Nutzen für andere Zwecke (Opportunitätskosten). Gleichwohl ist zu bedenken, dass sich zumindest SGVen, die aus öffentlichen Mitteln (mit-)finanziert werden, nicht ausschließlich unter einem betriebs- und volkswirtschaftlichen Primat legitimieren müssen. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass nur noch „marktförmige“ Veranstaltungen durchgeführt werden und der öffentliche Auftrag einer pluralen (Sport-)Kultur an Bedeutung verliert. Grundsätzlich wäre zunächst aus Sicht einer Kommune oder Region auf einer zeitlichen Ebene danach zu fragen, ob sich aus der SGV kurzfristige oder langfristige Impulse ergeben, wie sie durch nachfolgende Investitionen möglichst auswärtiger Investoren erfolgen können oder durch positive Imageeffekte, die zu einem erhöhten touristischen Aufkommen führen. Weiterhin ist grundsätzlich zu fragen, ob für die eingesetzten Mittel nicht bessere Alternativen zur Verfügung gestanden hätten. Für die Fußballweltmeisterschaft der Frauen 2011 hatten sich bspw. in Nordrhein-Westfalen Bochum, Leverkusen und Mönchengladbach beworben und auch den Zuschlag als Austragungsorte (von ingesamt neun) bekommen. Düsseldorf hatte sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht beworben: Beispiel „Das Pflichtenheft enthielt umfangreiche einzugehende Verpflichtungen - z.B. die Übernahme sämtlicher aus dem Pflichtenheft resultierender Kosten (Stadionvorrichtungen für temporäre Einrichtungen für die Medien, für das Pressezentrum, für das Stadiondesign (i.H.v. 50 %), die Betriebsnebenkosten), die kostenfreie Überlassung der Räumlichkeiten in der Arena, aber auch die Übertragung des Hausrechts sowie die Übergabe des Stadions und des genutzten Umfeldes in ‚werbefreiem‘ Zustand. <?page no="96"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 99 Die Refinanzierungsmöglichkeiten liegen lediglich bei 10 %. Die Übergabe sollte 2 Wochen vor Beginn des Wettbewerbs erfolgen. Termin für die WM seien Juni/ Juli oder August/ September. Bei einer Bewerbung hätte dies bis zur Festlegung des endgültigen Termins für die WM faktisch die verfügbarkeit der Arena für andere Veranstaltungen für fast 5 Monate verhindert.“ Quelle: Sitzung des Frauenausschusses am 6.11.2007, Düsseldorf Im Gegensatz zu den reinen Fußballstadien in Bochum, Leverkusen und Mönchengladbach, deren ballspielende Vereine die Saison abgeschlossen hatten, wären für Düsseldorf mit seiner Multifunktionsarena erhebliche Einnahmeeinbußen aus nicht stattgefundenen Sport- und Musikveranstaltungen, Tagungen und Kongressen entstanden. Im weiteren Kontext um positive und/ oder negative Effekte von Sportgroßveranstaltungen ist ebenfalls zu prüfen, ob durch die jeweils geplanten Veranstaltungen Verdrängungseffekte hervorgerufen werden. Gerade für kleinere Skiorte, die über einen hohen Anteil an Stammgästen verfügen, steht beispielsweise die Frage, ob eine einmalig Bewerbung um eine Veranstaltung im FIS-Ski-Weltcup während der touristischen Hochsaison tatsächlich vorteilhaft ist. Preuß (1999, 61f.) unterteilt hinsichtlich der Konsumausgaben drei Gruppen (sowie diverse Untergruppen) an Besuchern und Einheimischen, die aufgrund der Veranstaltung (hier Olympische Spiele) für einen Mittelzufluss sorgen, Mittel abziehen und schließlich Mittel umverteilen, die damit nicht konsumrelevant werden. 67 Typen Beschreibung Primäreffekte A Extensioners Touristen, die ohnehin besuchen, verlängern wegen des Events positiv B Event Visitors Touristen besuchen anlässlich des Events positiv C Home Stayers Einheimische, die wegen des Events bleiben und auf die eigene Reise verzichten positiv 67 Preuss hat diese Auflistung 2005 überarbeitet und hinsichtlich der Nummerierung verändert. In Tab. 11 wird auf die 2005 entwickelte Auslistung (dort auf Englisch) eingegangen. Die Zitation erfolgt aus einer Publikation von 2009. <?page no="97"?> 100 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure D Runaways Einheimische, die wegen des Events den Ort verlassen und verreisen negativ E Avoiders Touristen, die sich vom Event abschrecken lassen und deswegen zu der Zeit nicht besuchen E1 Cancellers Touristen, die definitiv nicht besuchen negativ E2 Pre/ Post Switcher Touristen, die wegen des Events vorher oder nachher besuchen neutral F Changers Einheimische, die gezielt während der Zeit des Events verreisen neutral G Casuals Touristen, die unabhängig vom Event besuchen neutral H Time Switchers Touristen, die ohnehin besuchen, aber gezielt zur Zeit des Events neutral K Residents Einheimische, die ohnehin geblieben wären neutral Tab. 11: Reisebewegungen und Konsumverhalten durch Sportevents bei Einheimischen und Touristen. Quelle: Preuss, Ahlert 2010, S. 8 (zit. nach Preuss 2005) Ergänzend ist für die Gruppe K der Residents anzuführen, dass diese sich ebenfalls in zwei Gruppen aufteilen. Für einen Teil der Einheimischen bleibt das Konsumverhalten während des Sportevents unbeeinflusst. Ein anderer Teil verschiebt seine (in der Höhe gleichbleibenden) Konsumausgaben zum Sportevent. Werden die Konsumausgaben im Umfeld des Events bei lokal-regionalen Anbietern (z.B. Gastronomie, Merchandising etc.) getätigt, verbleiben die verschobenen Primärausgaben in der Stadt/ Region. Engagieren die Veranstalter jedoch externe Anbieter, fließen letztendlich Mittel mit entsprechend negativen Effekten ab. Darüber hinaus ist neben den ökonomischen Effekten auf ökologische sowie soziokulturelle und politische Effekte zu verweisen. Preuss (2012, S. 6f.) differenziert zwischen soziokulturellen und als eigener Kategorie noch psychologische Effekte. Ökologische Effekte ergeben sich in den Bereichen der Lärm- und Schadstoffentwicklung, Energieverbrauch und Abfall sowie der Flächenumnutzung und ästhetischen Veränderungen des Landschaftsbildes. Durch Infrastruktur- <?page no="98"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 101 verbesserung und Ausgleichsmaßnahmen sind hier auch positive Effekte möglich. (DOSB 2007; DOSB 2010) Soziokulturelle Effekte beziehen sich auf einen partizipativen und identitätsstiftenden Nutzen für die lokale/ regionale Bevölkerung sowie auf mögliche Nachnutzungen der Infrastruktur für weitere sportliche und kulturelle Anlässe und als erweitertes Angebot für den lokalen Leistungs-, Breiten-, und Schulsport. Durch Preiseffekte und Spekulationen kann es im Vorfeld von SGV auch zu unfreiwilligen Veränderungen der Sozialstruktur einzelner Stadtviertel kommen. Politische Effekte ergeben sich durch repräsentative Möglichkeiten der staatlichen (regionalen, lokalen) Selbstdarstellung zwischen weltoffener Gastgeberkultur, aber auch durch die Funktionalisierung für parteipolitische Zwecke. Bei der Analyse ökonomischer Effekte lassen sich tangible, durch Marktpreise bewertbare Nutzen und Kosten und intangible, d. h. nicht monetär quantifizierbare, Effekte differenzieren. Ökonomische Effekte können durch zusätzliche Einkommen sowie zusätzliche Steuereinnahmen entstehen. Weiterhin sind durch erhöhte Nachfrage durch Investitionen und Konsumausgaben Preissteigerungen möglich. Über mediale Berichterstattung werden Imageeffekte erzeugt, die sich ansatzweise (und überaus vorsichtig) über eine Medienanalyse und Anzeigenäquivalenzberechnung vornehmen lassen. Grundsätzlich ist die Berechnung einer Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) in ihrer methodischen Anlage darauf ausgerichtet, erstens differenziert die Vor- und Nachteile der ökonomischen, ökologischen und sozialen Effekte, zweitens tangible und nicht-tangible Effekte sowie drittens auch vor- und nachgelagerte Prozesse auszuweisen. Problematisch kann bei der KNA u.a. der verwendete Diskontierungssatz sein, der schon bei kleinsten Veränderungen und langen Laufzeiten zu erheblichen Unterschieden der Ergebnisse führt und damit eine zentrale Stellschraube in der Entscheidungsfindung darstellt. Zur Reichweite von KNAs im Sport siehe den grundlegenden Beitrag von Maennig (1998). Demgegenüber sind Wertschöpfungsstudien bzw. Multiplikatorstudien eher reduziert auf die wirtschaftlichen Effekte. Gleichwohl ist zu bedenken, dass die Entscheidung für ein weniger aufwändiges Verfahren ebenfalls begründet und auch von der Art und dem Charakter der Veranstaltung abhängig ist. Inhaltlich kann zum einen die Frage nach Alternativen obsolet sein, so dass eine Berechnung der Opportunitätskosten entfällt. Zum anderen könnten ökologische und/ oder soziale Effekte bekannt sein oder keine Relevanz haben. Überdies können formale Gründe wie bspw. finanzielle Erwägungen eine Wertschöpfungsanalyse nahelegen. <?page no="99"?> 102 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Zur Berechnung der ökonomischen Effekte wird zuerst der Gesamtumsatz erfasst, der die Mehrwertsteuer, Vorleistungen, Abschreibungen, indirekte Steuern und Subventionen beinhaltet. Von dieser Bruttowertschöpfung abgezogen werden die Mehrwertsteuer, Vorleistungen für andere Wirtschaftsbereiche anhand der Ausgaben für Waren und Dienstleistungen, Abschreibungen, indirekte Steuern sowie die Ausgaben für Subventionen. Die so erreichte Nettowertschöpfung wird für die Löhne/ Gehälter und Sozialleistungen der MitarbeiterInnen verwandt, für Steuern, evtl. für Fremdkapitalgeber als Zinsen oder für Eigenkapitalgeber als Dividenden sowie für Gewinne der eigenen Unternehmung. Der Multiplikator berechnet sich dann nach den Nachfragekomponenten (Konsum und Vorleistungen), die in den nachfolgenden Wirtschaftsstufen relevant werden. Werden eher kleine Regionen analysiert, dann ist aufgrund der höheren Vorleistungen und Konsumabflüsse von einem geringeren Multiplikatoreffekt auszugehen. Häufig wird dieser nur geschätzt, so dass sich auch hier Ungenauigkeiten ergeben. Mit Hilfe von Input-Output-Analysen kann der Multiplikatoreffekt jedoch genauer bestimmt werden. Hamm et al. (2006) weisen beispielsweise in ihrer regionalökonomischen Studie zum Fußballbundesligisten Borussia Mönchengladbach mit Hilfe einer Input-Output-Analyse einen Multiplikator bei Sachausgaben und Investitionen inkl. Einkommenskreislauf für Produktion von 1,47 und Beschäftigung von 1,36 und bei Konsumausgaben der Vereinsbeschäftigten für Produktion von 1,54 sowie Beschäftigung von 1,53 aus. Insofern kann ein (grober) Orientierungswert für vergleichbare Städte mit einem durchschnittlichen Multiplikatoreffekt (M) von 1,5 angesetzt werden und für Regionen von M=2. Eine kritische Betrachtung bzw. Evaluation der in diesem Bereich publizierten Studien hat die Aufgabe zu prüfen, ob die ausgewiesenen Effekte mit der gebotenen Zurückhaltung, Differenziertheit und Wertneutralität berechnet wurden. Insbesondere bei aufwändigen öffentlich finanzierten Investitionsmaßnahmen entsteht ein Rechtfertigungsdruck, so dass der Nachweis positiver Effekte in der (sport-)politischen Debatte hilfreich ist. Frühere Erfahrungen aus der Diskussion um kommunale Freizeit(spaß)bäder oder Regionalflughäfen zeigen, dass bisweilen (von kommerziellen Instituten) wohlwollende Neutralität zu Gefälligkeit und plausible Schwankungsbreiten zu Phantasie strapaziert wurden und zudem die sich ergebenden Opportunitätskosten zu alternativen Veranstaltungen bzw. Investitionen nicht berechnet wurden. Eine umfassende Analyse hinsichtlich kommunaler Bewerbungen um internationale Sportevents sowie eine Fallstudie zur Stadt Hamburg gibt Franke (2015). Unter welchen Rahmenbedingungen inzwischen internationale Sportevents akquiriert werden und unter welchen formellen und informellen Rahmenbedingungen ein Bewerbungsverfahren stattfindet und im Ergebnis erfolgreich oder <?page no="100"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 103 scheitert, erläutert Digel (2011) nicht nur aus sportwissenschaftlicher Sicht, sondern zudem aus der langjährigen Erfahrung als Vizepräsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. Entscheidungsregeln bei der Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen nach Digel (Auswahl): „ 1 Dem Präsidenten der internationalen Verbände kommt bei den Entscheidungen zur Vergabe von internationalen Sportereignissen eine herausragende Rolle zu. 2 Wenn zwei oder mehrere Bewerberstädte zur Entscheidung anstehen, so ist die Grundlage der Entscheidung sowohl sachlicher als auch unsachlicher Natur. 3 Kommen unsachliche Kriterien bei der Entscheidung zum Tragen, so sind diese entweder politisch geprägt oder emotionaler Natur. 4 Emotionale Aspekte spielen bei Entscheidung über die Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen eine zentrale Rolle. 5 Die Vergabeentscheidungen können von so genannten Incentives beeinflusst werden, wenn diese von den Bewerbern den Bewerbungsleistungen hinzugefügt werden beziehungsweise von den internationalen Verbänden verlangt oder erwartet werden. 6 Sind Incentives im Spiel, so besteht die Gefahr, dass Bewerber gegenseitig ausgespielt werden. 7 Kommen die Bewerber für ein sportliches Großereignis aus verschiedenen Kontinenten, kommt das politische Spiel der Macht zum Tragen. Das Kriterium One-Vote-One-Country spielt auf indirekte Weise eine entscheidende Rolle. 8 Die persönliche Beeinflussung durch Bewerber, der die Councilmitglieder unterliegen können, kann eine entscheidende Bedeutung für die erfolgende Abstimmung haben. 9 Die Entscheidung über die Vergabe einer sportlichen Großveranstaltung wird von den Vertragspartnern der Verbände beeinflusst. Die Interessen der Fernsehpartner sind von besonderer Bedeutung. Die Präferenz der Sponsoringpartner zugunsten einer Bewerberstadt wird durch deren ökonomische Interessen in den jeweiligen Märkten beeinflusst. 10 Garantie und Übernahme einer qualitativ anspruchsvollen Fernsehproduktion der sportlichen Großveranstaltung und die Garantie eines internationalen Signals sind grundlegende Bedingungen für die Akzeptanz einer Bewerbung.“ Quelle: Digel 2011, S. 79f. <?page no="101"?> 104 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Von den derzeit 103 persönlichen Mitgliedern der Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) haben 40 einen beruflichen Hintergrund als „Firmenchef, Banker und Manager“, weitere 12 gehören dem „Adel und Hochadel“ an (Frankfurter Rundschau 09/ 2013). Wurde bspw. für die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 1996 noch ein vordergründiges Bewerberverfahren durchgeführt, aus dem aus symbolischen Gründen Athen hätte als Sieger hervorgehen können und nicht die vom Coca- Cola-Konzern erkauften Spiele in Atlanta, so unterzieht sich inzwischen der internationale Leichtathletikverband nicht einmal mehr der Mühe, den Anschein demokratischer Verfahren zu erwecken. Die Kräfteverhältnisse zugunsten der Wirtschaft/ Sponsoren und die größtenteils massenmediale Duldung haben dazu geführt, dass aktuell der Sportartikelhersteller Nike die Leichtathletik-WM 2021 ohne offizielles Bewerberverfahren an seinen Unternehmenssitz in Eugene (Oregon) vergeben ließ. Bereits 2007 wurde die WM aus wirtschaftlichen Erwägungen direkt nach Osaka/ Japan vergeben. Der Präsident des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF) Lamine Diack (Senegal), der gleichzeitig auch persönliches Mitglied der Vollversammlung des IOC ist, äußerte sich in bemerkenswerter Offenheit zur Entscheidung, die durch ein Finanzpaket von Nike, Bundesstaat Oregon, NOK der USA sowie dem TV-Sender NBC beeinflusst wurde: „Wir können eine Menge Vorteile aus einer Chance ziehen, die so vielleicht nie mehr wiederkommt. Ich weiß, dass diese Entscheidung vom üblichen Prozedere einer WM-Vergabe abweicht. Aber ich freue mich, dass meine Kollegen diese außergewöhnliche Gelegenheit erkannt haben.“ Für das Erkennen von „außergewöhnlichen Gelegenheiten“ ist eine besondere Affinität zu außersportlichen Akteuren notwendig. Die Entscheidungsträger in internationalen Sportverbänden können in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt werden, die in unterschiedlichem Ausmaß integer oder korrumpierbar sind. 68 68 Siehe dazu auch exemplarisch die Berichterstattung zur Handball-WM in Katar 2014 ( www.spiegel.de/ sport/ sonst/ handball-wm-2015-in-katar-die-null-transparenz-wm-a- 1007223.html) sowie die Aussagen von Phaedra Almajid, der ehemaligen Pressechefin für die WM-Bewerbung Katars ( www.spiegel.de/ sport/ fussball/ fifa-korruption-phaedra-almajidbeklagt-drohungen-aus-katar-a-1004520.html), die Berichterstattung der Sunday Times ( www.spiegel.de/ sport/ fussball/ fussball-wm-2022-bin-hammam-soll-funktionae re-geschmierthaben-a-972730.html) und insbesondere die jahrzehntelange Praxis der früheren Marketingfirma ISL/ ISMM internationale Sportfunktionäre zu bestechen ( www.spiegel.de/ sport/ sonst/ isl-bestechungslisten-an-fifa-und-ioc-erstmals-veroeffentlicht-a- 896664.html). <?page no="102"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 105 Idealtypische Gruppen von Entscheidungsträgern internationaler Sportverbände Gefahr der Korrumpierbarkeit Vertreter der Autonomie des Sports (Mehrheit) nicht korrumpierbar wirtschaftsaffine Pragmatiker (bedeutende Minderheit) i.d.R. nicht korrumpierbar Wirtschaftsgefügige und Wirtschaftsgünstlinge (Minderheit) korrumpierbar Kollaborateure (Einzelfälle) Korruption intendiert Entsendete der Wirtschaft/ Interventionisten (Einzelfälle) Korruption nicht nötig Tab. 12: Entscheidungsträger in internationalen Sportverbänden und Korrumpierbarkeit als Idealtypen. Quelle: eigene Darstellung Der weitere Fortgang um die Autonomie, Integrität und Transparenz des (Spitzen-)Sports und der damit verbundenen Sportgroßveranstaltungen wird maßgeblich davon beeinflusst, welche der Gruppen in welchen Allianzen sich zukünftig in den internationalen Verbänden durchsetzen werden. Tröger (2011) gibt in diesem Zusammenhang aufgrund seiner jahrzehntelangen sportverbandspolitischen Erfahrungen um die Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen eine neutrale, fast schon resignativ-akzeptierende Sichtweise auf die Mechanismen der Vergabe: „Selbstverständlich (sic! ) gehört zu den Risiken auch die Gefahr der Stimmenmanipulation für die endgültige Entscheidung [...] Zuwachs an Prestige und Gewinnen schafft Begehrlichkeiten und diese führen leicht zu irregulärer Einflussnahme.“ (S. 72f.) Bewerbungen um Sportgroßveranstaltungen, die von internationalen Sportverbänden vergeben werden, sind aus Sicht der öffentlichen Hand und der damit verbundenen Steuergelder mindestens danach zu beurteilen, ob ein transparentes, faires und ergebnisoffenes Bewerberverfahren zu erwarten ist und ob neben den erhofften positiven Imageeffekten, wenigstens neutrale ökonomische Effekte antizipierbar sind. 69 69 Im Sportbericht der Bundesregierung findet sich eine, wenngleich aus diplomatischen Gründen sprachlich abgeschwächte, so doch wenigstens hinweisende Formulierung auf <?page no="103"?> 106 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Schulke (2010) hat in diesem Zusammenhang ein Konzept für die strategische Positionierung für Sportgroßveranstaltungen in Metropolregionen entwickelt. Zehn strategische Positionen für Sportgroßveranstaltungen in Metropolregionen: regionale Verankerung, Traditionen aufgreifen Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Regionen definieren langfristiges realistisches Entwicklungskonzept formulieren wiederkehrende Veranstaltungen (Kunden binden), statt Sternschnuppen Verbindung Spitze/ Breite in einer Veranstaltung herstellen Einnahme-Mix: Aktive, Zuschauer, TV, Sponsoren, Stadt (keine einseitigen Abhängigkeiten) Verbindung zu Vereinen und Schulen stärken als soziale Basis; weniger Agenturen Wissensmanagement und Kompetenzsicherung in Veranstaltungsorganisation Verbindung zu Standortmarketing, „Passung“ in die Region, Ikonisierung der Sportstätten für alle Akteure Leitbild festlegen, Masterplan vereinbaren, aktives Stakeholder-Management Quelle: Schulke 2010, S. 75 Kleinere und mittlere Städte sowie Städte in finanziell eher prekärer Situation eröffnen sich dennoch einige zumindest ökonomisch erfolgreiche Perspektiven. Kooperationen in der Bewerbung um Sportgroßveranstaltungen sind nicht nur auf nationalstaatlicher Ebene zu beobachten, sondern auch auf kommunaler Ebene. So hat bspw. Mannheim zusammen mit Köln die Eishockey-WM 2010 ausgetragen. Sportgroßveranstaltungen, die weniger auf mediales Interesse stoßen, können gleichwohl positive ökonomische Effekte erzeugen. Zu erwähnen sind hier nationale und vor allem internationale Sportveranstaltungen im Bereich des Betriebssports, der Feuerwehren, der Polizei und der medizinischen Berufe; weiterhin das DJK Sportfest oder die Gay Games. das Problemfeld der Korruption: „Die Bedrohung der Integrität des Sports durch Korruption bzw. Bestechung/ Bestechlichkeit kann durch unzureichende Good-Governance- Regularien (z.B. mangelnde demokratische Strukturen, Intransparenz, ineffektive Kontrollmechanismen) begünstigt werden. Korruptionsvorwürfe im Sport werden vor allem mit Blick auf die Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen durch internationale Verbände, insbesondere die Internationale Föderation des Verbandsfußballs (Fédération Internationale de Football Association - FIFA) und das IOC, erhoben.“ Bundesminister des Innern: 13. Sportbericht der Bundesregierung 2014, S. 86. <?page no="104"?> 3.1 Staat/ öffentliche Hand 107 Die mehrtägigen Veranstaltungen sind geprägt durch eine häufig zahlungskräftige Klientel, die i.d.R. durch zahlreiche Familienangehörige begleitet wird. Aufgrund der längeren Verweildauer erhöhen sich zudem die Konsumausgaben. Die genannten Veranstaltungen zeichnen sich obendrein dadurch aus, dass sich aus den Vorgaben der Pflichtenhefte hinsichtlich der Sportinfrastruktur kaum zusätzliche finanzielle Aufwendungen ergeben und bereits bestehende Anlagen genutzt werden können. <?page no="105"?> 108 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.2 Wirtschaft Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … die veränderten Produktions- und Beschäftigtenstrukturen mit ihren Auswirkungen auf den Sport nachzuvollziehen. die Entwicklung eigener Sportgroßveranstaltungen „sportfremder“ Unternehmen zu Image- und Werbezwecken verstehen. Volumen und Struktur der aktiven und passiven Teilnahme von Beschäftigten kennen. Betriebsausflüge und (internationale) Wettkämpfe im Rahmen des Betriebssports in ihrer tourismusökonomischen Bedeutung erkennen. Bestandteil dieses Kapitels sind die sporttouristischen Aktivitäten von Unternehmen und Beschäftigten, die nicht dem Sport- und Tourismussektor zugeordnet werden. Der Großteil der Aktivitäten fokussiert sich auf die aktive und passive Teilnahme von Sportgroßveranstaltungen, die Durchführung von bewegungs- und sportorientierten Betriebsausflügen sowie die Teilnahme an Wettkämpfen im Rahmen des Betriebssports. In diesem Kontext sind konzeptionelle und finanzielle Aktivitäten von Unternehmen und Branchen aufzuzeigen, die sich der positiven symbolischen Vermittlungsleistungen des Sports in der Form von Sportevents bedienen (z.B. Fishermans strong man run) oder der gesundheitlichen Effekte des Ausdauersports, die als Laufserie „fitter“ BetriebssportlerInnen gleichermaßen ökonomische Effekte für die unterstützende Krankenkasse erbringen sollen (z.B. Deutsche Firmenlaufmeisterschaft „powered by“ Deutsche Angestellten Krankenkasse). Zuerst soll auf die Veränderungen der Produktions- und Beschäftigtenstruktur eingegangen werden, da die über mehrere Jahrzehnte stattgefundenen Verschiebungen auch Konsequenzen für Umfang und Struktur des Betriebssports und der Betriebsausflüge gehabt haben. Eine besondere Erwähnung wird darüber hinaus den „helfenden Berufen“ (Ärzte/ Apotheker, Feuerwehr, Polizei) zuteil, da sie mit ihren etablierten internationalen Meisterschaften einen bedeutenden sporttouristischen Effekt erzeugen. Ferner soll auf den so genannten Mice- Markt (Messen, Incentives, Kongresse, Events) und seine Bezüge zum Sport eingegangen werden. Abschließend sind Unternehmensaktivitäten zu diskutieren, die als Veranstalter von Sportevents in Erscheinung treten. <?page no="106"?> 3.2 Wirtschaft 109 3.2.1 Entwicklung und Struktur von Sektoren, Branchen und Unternehmen Die Abb. 10 zeigt die prozentuale Veränderung der Beschäftigtenzahlen innerhalb der drei Sektoren. Nahezu drei Viertel aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten arbeiten inzwischen im tertiären bzw. im so genannten Dienstleistungssektor (nicht-materielle Produktion). Einschränkend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass ebenso Tätigkeiten als Dienstleistung firmieren, die substantiell unproduktive „Dienstbotentätigkeiten“ sind oder hohe Bestandteile an produktiven Tätigkeiten aufweisen, wie etwa Wartung und Instandhaltung von Maschinen (after sales services). 5,3 1,2 0,9 57,1 41,3 25,3 37,6 57,5 73,8 0 10 20 30 40 50 60 70 80 1954 1984 2014 Abb. 10: Beschäftigte im primären, sekundären und tertiären Sektor in Prozent von 1954 bis 2014. Quelle: www.destatis.de (Arbeitsmarkt) Mit der veränderten Gewichtung der Sektoren sind notwendigerweise auch Veränderungen in der Berufs- und Bildungsstruktur verbunden. In gebotener Kürze kann dies hier nur skizziert werden. Die beiden größten Gruppen Arbeiter und Angestellte haben von 1970 bis 2011 deutliche Verschiebungen zu verzeichnen. Der Anteil der Arbeiter sank innerhalb dieses Zeitraums von 47,3 % auf 26,2 %. Demgegenüber stieg der Anteil der Angestellten von 29,6 % auf 56,9 % (Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus). Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Abiturienten in diesem Zeitraum von 23 % auf 34,1 %. <?page no="107"?> 110 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 90,88 7,22 1,55 0,35 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 bis 9 10 bis 49 50 bis 249 250 u. mehr Abb. 11: Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen in % im Jahr 2012. Quelle: www.destatis.de (Unternehmensregister) Detaillierter wird die derzeitige Struktur anhand der verschiedenen Wirtschaftsabschnitte mit der dazugehörigen Anzahl der Unternehmen und (sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigten in Tab. 13 deutlich. Wirtschaftsabschnitt Unternehmen Beschäftigte (sozialvers.) Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 2.355 59.333 Verarbeitendes Gewerbe 252.803 6.730.383 Energieversorgung 60.473 249.412 Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung 12.555 231.466 Baugewerbe 392.624 1.565.010 Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 670.272 4.226.899 Verkehr und Lagerei 121.962 1.484.455 Gastgewerbe 248.900 868.061 Information und Kommunikation 130.758 897.672 Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 70.151 1.001.004 Grundstücks- und Wohnungswesen 324.562 242.693 <?page no="108"?> 3.2 Wirtschaft 111 Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen 515.188 1.642.364 Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 203.354 2.011.526 Erziehung und Unterricht 76.566 913.881 Gesundheits- und Sozialwesen 237.659 3.683.154 Kunst, Unterhaltung und Erholung 104.852 234.125 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 238.398 865.374 Insgesamt 3 663 432 26 906 812 Tab. 13: Wirtschaftsabschnitte, Unternehmen und Beschäftigte. Quelle: www.destatis.de (Unternehmensregister) 31.5.2014 Lediglich etwas mehr als die Hälfte der Beschäftigten verfügt inzwischen noch über eine volle, unbefristete Stelle. Befristete Vollzeitstellen, Teilzeitbeschäftigungen, Leiharbeit, Minijobs und Scheinselbständigkeit machen nahezu die andere Hälfte der „atypischen“ und „prekären“ Beschäftigungsverhältnisse aus (siehe DGB 2013). Daraus ergeben sich zwei wichtige Veränderungen sowohl für die Beteiligung am traditionellen Betriebssport als auch für die Angebots- und Nachfragestruktur der präferierten Sportarten. Insbesondere befristet Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte sind aufgrund der fehlenden Betriebsverbundenheit und -perspektive schlechter in die Strukturen des Betriebssports einzubinden, so dass die gesunkenen Mitgliderstände vor allem aus der zumeist als „Flexibilisierung“ verklausulierten Entwicklung zu erklären sind (detaillierter siehe Kapitel 3.2.2). Mit der sektoralen Veränderung zum tertiären Bereich ist gleichzeitig auch ein Anstieg der Angestelltenzahlen zu verzeichnen. Alle empirischen Befunde der Sportsoziologie weisen auf einen Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und Sportaktivität, speziell der Wahl einer bestimmten Sportartenkategorie hin. Heinemann kommt in der Zusammenfassung älterer Arbeiten Ende der 1990er Jahre zu dem Resumee: „In einem Untersuchungszeitraum von 30 Jahren zeigt sich danach eine beachtliche Stabilität der schichtenspezifischen Abhängigkeit des Sportengagements, obwohl dieses Engagement insgesamt stark gewachsen und sich geschlechts- und alterstypische Unterschiede verringert haben.“ (Heinemann 1998, S. 201) Nagel bestätigt in seiner Arbeit ebenfalls die Begründungen für die Wahl der Sportarten: „Angehörige oberer Schichten bevorzugen typischerweise Sportarten, die neu, distinktiv und gesundheitsdienlich <?page no="109"?> 112 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure sind, einen Naturbezug aufweisen, mit vergleichsweise geringem Körperkontakt ausgeübt werden können und in denen die individuelle Leistung erkennbar ist. In unteren Schichten werden aufgrund der instrumentellen Verhältnisse zum eigenen Körper und zur Natur demgegenüber Sportarten favorisiert, die den Einsatz des ganzen Körpers, direkten Kontakt mit dem Gegner sowie eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit verlangen, wie Fußball, Boxen oder Ringen.“ (Nagel 2003, S. 80) In den Fokus rücken sowohl für Unternehmen als auch für die (angestellten) Beschäftigten zusehends Ausdauersportarten, insbesondere Laufen und Mannschaftswettbewerbe wie bspw. Drachenbootrennen, sowie erlebnis- und abenteuersportorientierte Team-Building-Maßnahmen. Ein Großteil dieser Sportaktivitäten ist mit Reiseaktivitäten verbunden, die sowohl als Tagesausflüge als auch als Wochenendaktivitäten mit Übernachtung stattfinden. 3.2.2 Betriebssport Die Ursprünge des Betriebssports gehen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück und stellten damals u.a. auch ein Gegenangebot zum damaligen Arbeitersport dar, das vor allem Betriebsverbundenheit erzeugen und zudem die Idee/ Ideologie der Sozialpartnerschaft unterstützen sollte. Unter räumlicher und zeitlicher Kontrolle konnte und sollte die damalige Arbeiterschaft zudem ihre Arbeitskraft gesundheitsdienlich reproduzieren. 70 Eine derart direkte Einflussnahme ist inzwischen in dieser Form nicht mehr notwendig, auch deswegen, weil in hohem Maße Eigenerantwortung gepaart mit Selbstdisziplinierung und -kontrolle für den eigenen Körper und eine gesunde Lebensweise gesellschaftlich vermittelt werden konnten. Das allerdings ist ein allgemeines und kein spezifisch betriebliches Phänomen. 71 Betriebssport findet zumeist unter dem Dach des 1954 gegründeten Deutschen Betriebssportverbandes (DBSV) statt und ist darunter bis auf die Vereinsebene gegliedert. Sein Selbstverständnis formuliert der Verband wie folgt: „Wir sind das Bindeglied als sozialer Dienstleister zwischen der Arbeitswelt und den Mitarbeitern zum Wohle Aller.“ 70 Zum Betriebssport sind in seiner Hochphase der 1990er Jahre die beiden umfangreichen Arbeiten von Tofahrn 1991 und Luh 1998 entstanden. Zu neueren Forschungsprojekten siehe Emrich 2009 und Pieter et al 2014. 71 Siehe dazu auch den von Marcel Mauss entwickelten Begriff der Körper-Techniken, in Mauss 1974, S. 197-220. <?page no="110"?> 3.2 Wirtschaft 113 Gleichzeitig findet Betriebssport unorganisiert statt oder wird durch Betriebs- und Personalräte sowie durch Geschäftsführungen initiiert. Insbesondere für Beschäftigte, die im Schichtdienst arbeiten und somit nicht regelmäßig die Angebote der im DOSB organisierten Vereine nutzen können, stellen die Betriebssportangebote zumeist größerer Unternehmen mit eigenen Sportstätten bzw. Vereisangeboten eine probate Möglichkeit dar, zu unterschiedlichen Zeiten regelmäßig Sport ausüben zu können. Einschränkend ist jedoch auch hier anzuführen, dass am Betriebssport weitgehend die ohnehin schon Sportaktiven teilnehmen. Das bestätigt auch die Studie von Pieter et al: „Demnach wird der Betriebssport vornehmlich von Mitarbeitern genutzt, die generell sportlich aktiv sind. Die sehr geringe Beteiligung der sportlich Inaktiven verdeutlicht, dass die Bedürfnisse dieser Gruppe nur schwer geweckt werden können.“ (Pieter et al 2014, S. 14) 1902 5824 6537 4691 69105 312749 374701 289714 0 50000 100000 150000 200000 250000 300000 350000 400000 1962 1985 1995 2012 Tab. 14: Vereine und Mitglieder im Deutschen Betriebssportverband 1962 bis 2012. Quelle: Deutscher Betriebssportverband Seit etwa 20 Jahren ist allerdings ein kontinuierlicher Rückgang der Vereins- und Mitgliedszahlen zu verzeichnen, der von Funktionären des Betriebssportverbandes vor allem auf die „Flexibilisierung der Arbeitswelt“ zurückgeführt wird. Im Kontext rückläufiger Zahlen zum (organisierten) Betriebssport haben sich inzwischen die vier Verbände BKK Dachverband, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, AOK-Bundesverband und der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) zur „Initiative Gesundheit und Arbeit“ zusammengeschlossen. Sie verfolgen vornehmlich die Ziele der Prävention und Gesundheit ihrer Mitglieder. Gleichzeitig versuchen sie, über beauftragte Studien und eine entsprechende Kommunikationspolitik, Unternehmen von betriebssportlichen Maßnahmen zu überzeugen: <?page no="111"?> 114 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Beispiel „Ihre Vorteile durch Betriebssport: Steigerung von Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter positive Beeinflussung von Muskel-, Skelett- und Herz-Kreislauf-System sowie der psychischen Gesundheit langfristiger Erhalt der Leistungsfähigkeit der Belegschaft besseres Betriebsklima und stärkere Identifikation mit dem Unternehmen Positionierung als attraktiver Arbeitgeber“ Quelle: Raebricht et al 2012, S. 6 Die sporttouristischen Aktivitäten durch den Betriebssport ergeben sich vor allem durch Reisen im Rahmen der Sportwettkämpfe auf regionaler bis internationaler Ebene. Insbesondere so genannte Meldemeisterschaften, die keine vorhergehende sportliche Qualifizierung verlangen, erzeugen bei den Beschäftigten/ Teams eine hohe Attraktivität. Vor allem die Aussicht, schon auf leistungs-, nicht jedoch auf spitzensportlichem Niveau eine anerkennende Platzierung erreichen zu können, erhöht den Reiz zur (evtl. betrieblich bezuschussten) Anmeldung. Zumal wenn damit eine interessante Städtetour verbunden ist. Die Erfahrungen des DBSV zeugen insofern von der ausgeprägten Reiseaktivität der Mitglieder. „Da Betriebssportlerinnen und Betriebssportler bekanntlich sehr reiselustig sind, wie die beachtlichen Teilnehmerzahlen an vielen Betriebssport-Veranstaltungen in nah und fern immer wieder zeigen, sind wir sicher, dass sich die nachfolgenden Sportangebote reger Nachfrage erfreuen werden.“ (DBSV - Telegramm Nr. 04/ 2014) 28.2. - 1.3.2014 Hagen 15. DBM Hallenfußball 6.3. - 9.3.2014 Ludwigshafen/ Mannheim 8. DBM Bowling Doppel Mixed 8.5. - 11.5.2014 Loutraki/ Griechenland EFCS-Basketball, Fußball (5er) 10.5. - 11.5.2014 Hamburg 7. DBM Radsport Team 29.5. - 1.6.2014 Eindhoven/ Niederlande Fußball (7er) Tennis Volleyball Juni 2014 Liepaja/ Lettland EFCS-Beachvolleyball/ Fußball (5er) 7.6.2014 Saarlouis 2. DBM Hallenhandball 19.6. - 22.6.2014 Prager Fässchen Turnier Bowling 25.6. - 29.6.2014 Biarritz/ Frankreich 1st EFCS - Golf 19.7.2014 Braunschweig 6. DBM Kleinfeldfußball <?page no="112"?> 3.2 Wirtschaft 115 26.7.2014 Beckingen 2. DBM Fußballgolf 2.8. - 3.8.2014 Hamburg 6. DBM Schießen 16.8. - 17.8.2014 Wuppertal 12. DBM Tischtennis 22.8. - 23.8.2014 Lübeck-Travemünde 16. DBM Golf 30.8. - 31.8.2014 Frankfurt/ M. 7. BSM Skat u.a. Aug./ Sept. 2014 Umag/ Kroatien EFCS - Tennis 11.9. - 14.9.2014 DIN/ DU/ OB 16. DBM Bowling 25.9.- - 28.9.2014 Chania/ Griechenland EFCS-Bowling 1.10. - 4.10.2014 St.Petersburg EFCS-Schach 2.10. - 5.10.2014 Heiligenhafen 5. ODBM Segeln 23.10. - 26.10.2014 Dresden 14. DBM Schach Tab. 15: Nationale und internationale Betriebssportveranstaltungen 2014. Quelle: DBSV - Telegramm Nr. 04/ 2014 Auf europäischer Ebene sind die Betriebssport-Sommer- und -Winterspiele die größten Veranstaltungen. Seit 1977 werden die Sommerspiele im zweijährlichen Rhythmus ausgetragen. In der Hochphase des Betriebssports in den 1990er Jahren haben bis zu 8.000 SportlerInnen an den Wettkämpfen teilgenommen. Jahr Austragungsort Teilnehmende 1977 Eindhoven, Niederlande 579 1979 Göteborg, Schweden 3.800 1981 Hamburg, Deutschland 2.560 1983 Caister, Großbritannien 1.500 1985 Middelfart, Dänemark 3.160 1987 Wien, Österreich 4.200 1989 Rovinj, Kroatien 3.250 1991 Norrköping, Schweden 1.830 1993 Berlin, Deutschland 8.000 1995 Saragossa, Spanien 5.000 1997 Trondheim, Norwegen 3.400 1999 Trentino, Italien 5.475 2001 Riga, Litauen 3.000 <?page no="113"?> 116 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 2003 Salzburg, Österreich 5.663 2005 Clermont-Ferrand, Frankreich 5.254 2007 Aalborg, Dänemark 5.014 2009 Rovinj, Kroatien 4.567 2011 Hamburg, Deutschland 6.664 2013 Prague, Tschechien nn 2015 Riccione, Italien nn Tab. 16: Europäische Betriebssport Sommerspiele. Quelle: www.efcs.org Die Attraktivität derartiger Wettkämpfe wird auch für die ausrichtenden Städte offensichtlich. Die Wettkämpfe können nahezu allesamt in bestehender Sportinfrastruktur stattfinden, so dass über die im Pflichtenheft (Bid Book) aufgeführten Anforderungen keine größeren Umbau- oder Baumaßnahmen verlangt werden. Zudem ist der Altersdurchschnitt der Teilnehmenden durchweg gehoben und mit der Berufstätigkeit ist auch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft vorhanden. Zumindest bei der Teilnahme als EinzelsportlerIn ist zudem von einer Begleitung (PartnerIn) auszugehen, so dass sich insgesamt über die direkten, indirekten und induzierten Effekte ein positiver Wertschöpfungsbeitrag für die Kommune (und evtl. das Umland) erzielen lässt. Die zunehmende Kommerzialisierung des Betriebssports, insbesondere über den Fußball und seiner „Werksmannschaften“ (VW, Bayer), ist im Kontext passiven Sportkonsums sowie der durch den Ligabetrieb induzierten Auswärtsfahrten zahlreicher Konzernbeschäftigter bekannt. Parallel und durchaus konkurrierend zu den Angeboten des Deutschen Betriebssportverbandes entwickeln sich Angebote, die unter einem dem Betriebssport ähnlichen, gleichwohl ungeschützten Begriff als „Deutsche Firmenlaufmeisterschaft“ vermarktet werden. Veranstaltet wird die Laufserie von der Sportagentur B2RUN (inzwischen übernommen von Infront Sports & Media, Schweiz) und primär unterstützt von der Deutschen Angestelltenkrankenkasse. In zwölf Städten mit den größten Stadien nehmen ca. 130.000 TeilnehmerInnen aus ca. 6000 Betrieben teil, die sich als „fitteste“, „schnellste“ oder „kreativste“ Läuferinnen qualifizieren sollen. <?page no="114"?> 3.2 Wirtschaft 117 Abb. 12: Plakat zur Deutschen Firmenlaufmeisterschaft 2015. Quelle: Infront B2RUN GmbH 3.2.3 Betriebsausflüge Daten über die Anzahl von Betriebsausflügen in Deutschland liegen nicht vor, so dass anhand der Beschäftigtengrößenklassen eine grobe Schätzung vorgenommen wird. In die Bewertung gehen sowohl Ausflüge ein, die von Betriebs- und Personalräten organisiert werden, als auch solche, die von der Geschäftsleitung initiiert werden. Von den 3,33 Mio. Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von 0 (Einpersonenunternehmen) bis 9 dürften ca. 10 % überhaupt einen Betriebsausflug pro Jahr durchführen, so dass in etwa 350.000 zumeist eintägige Ausflüge anzunehmen sind. Die Anzahl der Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten beläuft sich auf ca. 264.000. Angenommen wird durchschnittlich ein Ausflug pro Jahr, wobei sich die Anzahl der Unternehmen mit mehreren Ausflügen pro Jahr und solchen, die keine Ausflüge unternehmen, in etwa Waage halten dürfte, so dass in dieser Beschäftigtengrößenklasse von ca. 250.000 Betriebsausflügen ausgegangen wird. Die ca. 57.000 Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von 50 bis 249 Beschäftigten sind aufgrund ihrer Organisationsstruktur in verschiedene Unternehmensbereiche gegliedert, so dass plausibel von durchschnittlich 3 Ausflügen pro Jahr auszugehen ist. Demzufolge wird hier eine Zahl 150.000 veranschlagt. Die ca. 13.000 mittelgroßen Unternehmen und Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten werden aufgrund ihrer internen Organisationsstruk- <?page no="115"?> 118 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure tur sowie ihrer verzweigten Produktionsstandorte bzw. Tochterunternehmen mit 150.000 Betriebsausflügen veranschlagt. Insgesamt ergibt sich so eine vorsichtige Schätzung von ca. 900.000 Betriebsausflügen. Der gesellige und kommunikative Ansatz der Betriebsausflüge wird zumeist mit dem Besuch von Sehenswürdigkeiten in Verbindung mit gastronomischen Einrichtungen kombiniert. Ein Teil der Ausflüge beinhaltet allerdings auch spielerische und/ oder sportliche Angebote. Wanderungen, Kanufahrten, Radausflüge, Kegeln/ Bowling sind Aktivitäten, die von nahezu allen Beschäftigten auf einem alltagsmotorischen, maximal breitensportlichen Niveau realisiert werden können. Betriebsausflüge mit Incentivecharakter, die zumeist von den Geschäftsführungen initiiert werden, konzentrieren sich mehr auf Erlebnis- und Abenteuersportangebote und Team-Building-Maßnahmen. Gleichzeitig sind sie auch immer ein „willkommener“ Anlass der Mitarbeiterbeobachtung (und -bewertung) jenseits des reglementierten Arbeitsalltags. Für die mit Sport verbundenen Betriebsausflüge werden zumeist die Dienstleistungen von kommerziellen Sportanbietern, Reiseveranstaltern oder Sportagenturen in Anspruch genommen. Insgesamt sind plausibel ca. 100.000 Betriebsausflüge pro Jahr anzunehmen, deren Inhalte auf Bewegung und Sport ausgerichtet sind. Bei einer durchschnittlichen Anzahl von 20 TeilnehmerInnen entspricht das 2 Millionen Beschäftigten. 3.2.4 Unternehmen als Veranstalter von Sport(groß)veranstaltungen Üblicherweise engagieren sich Unternehmen, die nicht dem Sportsektor zugehörig sind, eher als Sponsoren und Namensgeber, nicht jedoch als Veranstalter. Im Folgenden soll auf vier verschiedenen Segmente eingegangen werden, in denen sich Unternehmen quasi als Erfinder und Erzeuger von Sport(groß)veranstaltungen engagieren, die insgesamt bemerkenswerte touristische Effekte erzeugen: Abenteuer-Offroad-Touren, Laufveranstaltungen/ Schlamm- und Hindernisläufe, Golfsport und die nationalen und internationalen Sportwettkämpfe des Berufsstandes der Ärzte und Apotheker, die zumeist Angehörige der Freien Berufe sind. 72 Außerhalb der Sportbranche etablieren sich zunehmend sportfremde Unternehmen als Veranstalter von Sportgroßveranstaltungen mit ausgeprägtem touristischen Charakter. In den 1970er und 1980er Jahren wurde seitens der Tabak- 72 Zu erwähnen sind darüber hinaus eigens konzipierte Formate des Produzenten von taurinhaltigen Getränken, wie bspw. „Red Bull“ und das Red Bull Air Race www.redbullair race.com oder die Red Bull Chrashed Ice www.redbullcrashedice.com. <?page no="116"?> 3.2 Wirtschaft 119 industrie mit Unterstützung der Offroader produzierenden Automobilindustrie das ideologiegeprägte Image von „Freiheit und Abenteuer“ über die medienwirksamen Camel-Trophys und Marlboro Tours vermittelt. In nationalen Bewerbungsverfahren und Ausscheidungswettkämpfen konnte so ein stereotypes Männlichkeits- und Amazonenverständnis bedient werden. In zeitlicher Nachfolge entstanden bspw. „Land Rover Experience Touren“, deren Teilnehmer unbeeindruckt vom Ökologie- und Nachhaltigkeitsdiskurs in vier Wochen einmal um die Welt fuhren, wobei die Land-Rover-Welt sich auf 6.400 km Offroad kontrahierte. Zahlreiche weitere Bespiele aus dem Segment der Automobil- und -zulieferbranche belegen die Verbindung zwischen selbstetikettiertem sportlichen Unternehmensimage und Tourismus: 73 „Extreme Artic Challenge“ des Reifenherstellers Fulda, „Dunlop Drivers Cup“, „Nissan Offroad Challenge“ oder die „M-Klasse World Tour“ von Mercedes Benz. Inzwischen hat sich das Angebot zusehends auf Spezialreiseveranstalter und Sportagenturen verschoben. Die Angebote finden üblicherweise auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in Staaten statt, die aufgrund ihrer politisch-legislativen und/ oder naturräumlichen Struktur Offroad-Touren als nicht besonders fragwürdig bewerten. Beispiel „Unsere Karpaten 4x4 Offroad Touren führen durch urige Wälder, sanfte Almen, vorbei an rauschenden wilden Gebirgsbächen und Wasserfällen. Wir machen Rast an klaren Bergseen, besuchen einsame Almhütten, wo Menschen noch so leben wie vor 100 Jahren, als wäre die Zeit dort stehengeblieben. Wir fahren auf Schotterpisten und Straßen, die über 2.000 Meter hoch liegen, um in wilder ursprünglicher Natur die Einsamkeit und Abgeschiedenheit der vielfältigen Urwälder in den Karpaten zu erleben.“ Quelle: www.karpaten-offroad.de Ein weiterer Bereich der Sport(groß)veranstaltungen konzentriert sich auf Laufwettbewerbe sowie Schlamm- und Hindernisläufe als besondere Laufgattung. Prominentes Beispiel für eine der größten Laufveranstaltungen in Deutschland ist die inzwischen zum 23. Mal (2015) durchgeführte „J.P. Morgan Corporate Challenge“ in Frankfurt/ M. des internationalen Bankenkonzerns J. P. Morgan. Über 70.000 TeilnehmerInnen aus 2.682 Firmen starten in einer Art Volksfestatmosphäre und teils mit karnevalesker Laufverkleidung über eine Strecke von 73 Derartige Veranstaltungen bewegen sich im diskussionswürdigen Grenzbereich des Noch-Sports und Nicht-mehr-Sports. <?page no="117"?> 120 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 5,6 km (3,5 Meilen). Die kurze Laufstrecke ermöglicht die Einbindung nahezu aller MitarbeiterInnen, da die Distanz selbst für Ungeübte nach nur wenigen Wochen Vorbereitung problemlos zu absolvieren ist. Allerdings sind lediglich Festangestellte mit einer wöchentlichen Mindeststundenzahl von 20 Stunden teilnahmeberechtigt. Gleichzeitig spenden die LäuferInnen einen Teil der Startgebühr (1,80 Euro von 22 Euro) für den Behindertensport. Denselben Betrag steuert die Bank ihrerseits bei. Unter dem Motto „The friendly competition“ versucht der wegen mehrfacher Finanzskandale verurteilte Bankenkonzern Imagepflege zu betreiben. Die Teilnahme an einer derartigen Veranstaltung dokumentiert unbekümmertes und öffentlich zur Schau gezeigtes Einverständnis mit dem Unternehmen. Zahlreiche freiwillige Helfer, Non-Profit-Organisationen sowie städtische Einrichtungen bereiten die Bühne für eine unhinterfragte so genannte Wohltätigkeitsveranstaltung. 74 „Der J.P. Morgan Corporate Challenge wird inzwischen nicht mehr nur als Firmen-, sondern auch als Benefizlauf wahrgenommen.“ ( www.jpmccc.de). In den zurückliegenden neun Jahren sind etwas mehr als 2 Mio. Euro für Behindertensportprojekte gespendet worden, was aus Sicht der beschenkten Akteure sicher mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wurde. Gleichwohl verbleibt die erzielte Summe aus der 1: 1-Quote (LäuferInnen/ Bank) deutlich unter der ansonsten üblichen Quote der multiplen Giralgeldschöpfung und auch unter den (ins Verhältnis gesetzten) Anstrengungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), der als größter nichtstaatlicher Förderer mit 93,8 Mio. Euro (Stand 2011) den Spitzen- und Breitensport mit einem deutlich höheren Anteil fördert ( www.dsgv.de). Schlamm- und Hindernisläufe haben in den letzten zehn Jahren einen exponentiell ansteigenden Zulauf erfahren. Etwa 700.000 TeilnehmerInnen, davon ca. 80 % Männer und 20 % Frauen, nehmen an den bis zu 150 Euro teuren Veranstaltungen pro Jahr teil, die sich als clownesk-militärischer Hindernis- und Selbstkasteiungslauf inszenieren. 75 74 Selbst der für Sport zuständige Innenminister de Maizière fühlt sich dazu berufen, die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung zu übernehmen: „Der J.P. Morgan Corporate Challenge ist eine Veranstaltung des Sports und der Werte, die mit dem Sport verbunden sind.“ 75 Siehe dazu auch den Bericht der FAZ (Wirtschaftsteil) vom 2.8.2014 (Fischer/ Heimerl): Extremsport Tough Mudder. Nur für echte Dreckskerle. <?page no="118"?> 3.2 Wirtschaft 121 Beispiel „Das Tough-Mudder-Gelöbnis Ich weiß, dass Tough Mudder kein Rennen ist, sondern eine Herausforderung. Ich gebe Teamwork und Teamgeist Vorrang vor meiner Streckenzeit. Ich jammer nicht - jammern ist was für Kinder. Ich helfe meinen Mudder-Kollegen, die Strecke zu bewältigen. Ich werde alle Ängste überwinden.“ Quelle: www.toughmudder.de Der Eukalyptus- und Mentholpastillenhersteller Fisherman‘s Friend mit seinem gleichnamigen „Strong Man Run“ oder der „Tough Mudder Run“ eröffnen (schmerzhafte) Körpererfahrungen, die zuvor nur in Ausbildung befindlichen (Elite-)Soldaten vorbehalten waren. Den etwas abfällig als langweilig bezeichneten (Halb-)Marathonläufen erwächst somit eine neue Konkurrenz, vornehmlich von kommerziellen Anbietern sowohl außerhalb als auch innerhalb der Sportbranche. Veranstaltungsorte sind u.a. Truppenübungsplätze, ehemalige Kasernengelände und Brachen. Ein Überblick über die im 2. Halbjahr 2015 veranstalteten Schlamm- und Hindernisläufe zeigt die inzwischen erreichte Popularität dieses Formats. Abb. 13: Strong Man Run Hindernis Wassergraben Quelle: www.fishermansfriend.de/ strongmanrun/ presse/ bilder/ bilder-2013/ <?page no="119"?> 122 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Datum Veranstaltung 14.6.2015 Harzer Keiler Run, in Hörden am Harz 14.6.2015 Strong Viking Water Edition, in Nimwegen, NL 27.6.2015 The JCB Mud Run in Staffordshire, GB 27.6.2015 XLETIX Challenge in Stadtoldendorf 28.6.2015 Mudiator Run bei Ulm 11.7.2015 Tough Mudder bei Hamburg 18.7.2015 Mission Mudder Black Forest, Horb am Neckar 19.7.2015 Rats-Runners in Goldbach 19.7.2015 Dirty Church Run in Beiseförth 26.7.2015 Tough Guy Nettle Warrior in Wolverh., GB 1.8.2015 Wulkataler Höllenlauf in Antau, Österreich 15.8.2015 Fisherman’s Friend StrongmanRun in Ferropolis 29.8.2015 Suzuki Lake Run Möhnesee 5.9.2015 Wildsau Dirt Run Autumn bei Salzburg, A 5.9.2015 Airborne-Fit-Run e.V. in Oldenburg 12.9.2015 Motorman Run in Neuenstadt am Kocher 12.9.2015 Tough Mudder Süddeutschland bei Nürnberg 12.9.2015 Reebok Spartan Super Race Oberndorf in Tirol, A 12.9.2015 Spartan Beast Race Oberndorf in Tirol, A 13.9.2015 Fisherman’s Friend StrongmanRun bei Paris, F 19.9.2015 Wochenspiegel Mission Mudder, in Losheim 19.9.2015 Rockman Run in Wunsiedel 19.9.2015 Hammer Run in Auerbach 19.9.2015 Wildsau Dirt Run Möggers, A 27.9.2015 Rothaus Mudiator Run im Hochschwarzwald 3.10.2015 Wildsau Dirt Run Raabklamm Autumn, A 3.10.2015 XLETIX Challenge in Gelsenkirchen 10.10.2015 TOUGHRUN Saar Oberbexbach 17.10.2015 No Ego Mud Challenge auf Greystoke Castle, GB 17.10.2015 Brooks Hell Runner Series Delamere, GB <?page no="120"?> 3.2 Wirtschaft 123 17.10.2015 Wild Sau Dirt Run Hellsklamm Autumn, A 17.10.2015 Limes Run Bad Gögging 17.10.2015 XLETIX Challenge Berlin City 18.10.2015 Fisherman’s Friend Strongman Run Luxembourg 18.10.2015 Men’s Health - Survival of the Fittest, Edinb., GB 1.11.2015 Steelman Hannover-Langenhagen 14.11.2015 Celtic Warrior in Zillingtal, A 5.12.2015 Getting Tough - The Race Rudolstadt Tab. 17: Schlamm- und Hindernisläufe, 2. Halbjahr 2015. Quelle: www.trophyrunners.de Ein weiterer Schwerpunkt unternehmerischer Sportaktivitäten liegt im Golfsegment samt der damit verbundenen ausgeprägten Reiseaktivitäten. In den letzten zwei Jahrzehnten ist ein rasanter Anstieg an GolfspielerInnen zu verzeichnen und ein entsprechender Ausbau an Golfplätzen. 76 Damit ist Golf nicht nur zunehmend größeren mittelschichtsorientierten Bevölkerungskreisen zugänglich geworden, sondern gleichzeitig wird Golf auch für die aufstrebenden Angestellten und Manager als probates Engagement für die Verquickung beruflicher Hoffnungen sowie Interessen und Freizeitaktivität gesehen. Golf wird mehr und mehr aus dem kulturellen Teilbereich des Sportsystems herausgelöst und zunehmend auch für sportfremde Zwecke funktionalisiert und instrumentalisiert. Mehrere tausend Firmenevents pro Jahr werden in Deutschland mit Golf verbunden. Wer vier oder fünf Stunden gemeinsam Golf spielt, so die Intention, lernt sich als Geschäftspartner besser kennen und kommt danach eher zu geschäftlichen Abschlüssen. Unternehmen hoffen ebenfalls, in einem scheinbar freizeitorientierten Umfeld verwertbare Rückschlüsse auf ihre Mitarbeiter ziehen zu können. Neben dem traditionellen Clubgolf haben sich inzwischen zahlreiche eigenständige Organisationsformen (u.a. Firmengolf, After work golf) entwickelt, deren jeweilige Zielgruppe nach wie vor mit eher hohem und eher ökonomischem Kapital (sensu Bourdieu) ausgestattet ist. 76 Siehe dazu detaillierter die statistischen Angaben des Deutschen Golfverbandes. www.dgv.de <?page no="121"?> 124 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die enge Verbindung zwischen Wirtschaft und Golf sowie der damit verbundenen touristischen Effekte soll u.a. an den folgenden Beispielen verdeutlicht werden. Abb. 14: Gesellschaftlicher Raum der Golfformen. Quelle: eigene Darstellung Die Süddeutsche Zeitung veranstaltet seit 2004 den gleichnamigen „Business Golf Cup“, an dem ausschließlich Beschäftigte aus Unternehmen zugelassen sind, um den „B2B-Charakter zu fördern“. traditionelles Clubgolf Kapitalvolumen + Kapitalvolumen - kulturelles Kapital + ökonomisches Kapital - ökonomisches Kapital + kulturelles Kapital- Golf und Betreibergesellschaften Firmengolf Verband Clubfreier Golfer Gastmitgliedschaften Golf auf öffentlichen Plätzen Farmgolf Minigolf Crossgolf <?page no="122"?> 3.2 Wirtschaft 125 Beispiel „Bei elf eintägigen Qualifikationsturnieren und einem dreitägigen Sonderevent - dem „Süddeutsche Zeitung Golf-Marathon“ - haben Sie die Gelegenheit, Ihre Geschäftsbeziehungen zu pflegen, neue aufzubauen und nebenbei hochkarätige Preise zu gewinnen. Als Hauptpreise winken wieder zwei wunderbare Finalturniere. Die Nettosieger dürfen sich auf das Oliva Nova Beach & Golf Resort bei Valencia freuen, das vom 7. bis 11. Oktober zum Nettofinalturnier begrüßt, und die Bruttogewinner erwartet der Robinson Club Nobilis bei Belek vom 25. bis 29. November.“ Quelle: www.sz-golf.de/ home/ index.php Der Mitbegründer des DAX-Konzerns SAP, Dietmar Hopp finanzierte bereits 1997 zu einem großen Anteil den Golf Club St. Leon-Rot, der mit etlichen Profiturnieren dem Unternehmen SAP zu positiven Imageeffekten verhelfen und prominente Kontakte erzeugen soll. 77 Der Solheim-Cup, das weltweit bedeutendste Damen-Golfturnier findet bspw. 2015 erstmals in Deutschland auf der Anlage des Golf Clubs St. Leon-Rot statt. Neben zahlreichen Firmenevents und Hotelarrangements bietet der Club auch spezielle Firmenmitgliedschaften. Die eher traditionelle Einladung in die VIP-Loge von Fußballstadien hat den Nachteil des zwar gemeinsamen, gleichwohl aber passiven Fußballzuschauens. Anhand der hohen Nachfrage nach Firmenevents im Umfeld des Golfsports wird auch deutlich, dass die Palette an so genannten „B2B“-Kontakten eine aktive Erweiterung erfahren hat. Beispiel „Viele Firmen und Banken führen auch Turniere oder Schnuppergolf-Tage für ihre Kunden und Mitarbeiter auf unserer Anlage durch. Das sportliche Gemeinschaftserlebnis dient der Kundenpflege und stärkt die Mitarbeitermotivation. Golf ist nicht nur in den angelsächsischen Ländern, sondern zunehmend auch bei uns die perfekte Kombination von Business und Lifestyle.“ Quelle: www.golfclub-rickenbach.de/ golfschule/ firmenevents.html 77 Das scheinbar private Engagement (Golfclub St. Leon-Rot sowie TSG 1899 Hoffenheim) von Hopp kann nicht losgelöst von den damit verbundenen strategischen Überlegungen für das Unternehmen SAP gedacht werden. <?page no="123"?> 126 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die gelingenden und zumeist genussvollen Unternehmensaktivitäten im Kontext des Golfsports sind regional und nationalstaatlich unterschiedlich zu bewerten. Die globale Expansion des Golfsports ist vielfach problematisch. Landenteignung für den Golfplatz- und Immobilienbau sowie Wasserknappheit für die lokale Bevölkerung und Landwirtschaft sind nur zwei von mehreren Konfliktfeldern. 78 Meisterschaften der „medizinischen Berufe" Sport(groß)veranstaltungen finden auch innerhalb eines berufsspezifischen Kontextes statt. Für die medizinischen Berufe organisieren dies auf nationaler Ebene im Rahmen der Deutschen Meisterschaften für Ärzte und Apotheker entsprechende Vereine im Bereich Tennis, Triathlon, Skilanglauf, Mountainbike, Rennrad. 79 Über den nationalen Rahmen hinaus werden sowohl Europaals auch Weltmeisterschaften in verschiedenen Sportdisziplinen organisiert. Beispielsweise fanden vom 6. bis 7.2.2015 in Oberammergau die 21. Weltmeisterschaften für Ärzte und Apotheker im Skilanglauf statt. Auf internationaler Ebene werden darüber hinaus Wettkämpfe auch für weitere Angehörige medizinischer Berufe ausgeschrieben. Die größte und bedeutendste Veranstaltung stellen die „World Medical Health und Games“ dar, die erstmals 1978 veranstaltet wurden. Die Wettkämpfe dauern inzwischen über 8 Tage an und finden in mehr als 30 Disziplinen und 5 Altersklassen statt, an denen mehr als 2.000 SportlerInnen aus 40 Staaten teilnehmen. Als Meldemeisterschaft muss das sportliche Niveau jedoch maximal als leistungsorientiert eingeschätzt werden. 78 Siehe dazu auch im internationalen Kontext die „Global Anti-Golf Movement“ unter www.antigolf.org, McClellan 2000, Schwark 2002, 115ff., Kaufmann 2004 sowie Pleumarom 2009. Enteignungen finden nicht nur überwiegend in südostasiatischen Staaten statt. Jüngstes Beispiel ist die 2012 vom Schweizer (! ) Bundesgericht bestätigte Enteignung der Eigentümer zugunsten der Golf Mischabel AG und des Golfclubs Matterhorn (Sahdeva 2012). Umfangreiche Daten zum deutschen Golfmarkt liefert der Deutscher Golf Verband 2015. 79 Bereits zum 41. Mal finden vom 7.-9.8.2015 die Deutschen Tennismeisterschaften für Ärzte und Apotheker in 17 Konkurrenzen statt. (siehe auch www.re-tg.de/ termine/ daam/ ) <?page no="124"?> 3.2 Wirtschaft 127 Cannes 1978 · 1980 · 1982 (Frankreich) Font-Romeu 1981 (Frankreich) Paris 1983 (Frankreich) Abano Terme 1984 (Italien) Monte Carlo 1985 (Monaco) Montecatini Terme 1986 · 2006 (Italien) Casablanca 1987 (Marokko) Lyon 1988 (Frankreich) Montreal 1989 (Canada) Perpignan 1990 (Frankreich) Heraklion 1991 (Kreta) Ostuni 1992 (Italien) Saint-Malo 1993 (Frankreich) Evian 1994 · 2001 (Frankreich) Limerick 1995 · 2015 (Irland) Lissabon 1996 (Portugal) Le Touquet Paris-Plage 1997 (Frankreich) Klagenfurt 1998 (Österreich) Saint-Tropez 1999 (Frankreich) Balaton 2002 (Ungarn) Stirling 2003 (Schottland) Agadir 2007 (Marokko) Garmisch-Partenkirchen 2004 · 2008 (Deutschland) Alicante 2005 · 2009 (Spanien) Porec 2010 (Kroatien) Las Palmas 2011 (Spanien) Antalya 2012 (Türkei) Zagreb 2013 (Kroatien) Wels 2014 (Österreich) Tab. 18: World Medical Health und Games seit 1978. Quelle: www.medigames2015.com Der Vorteil für die ausrichtenden Städte liegt in den deutlich geringeren Anforderungen an die Sportinfrastruktur, der Auflagen hinsichtlich werbefreier Zonen, Investitionen für Medieninfrastruktur etc. gegenüber vergleichbar großen Veranstaltungen internationaler Sportverbände. Obwohl keine nennenswerte <?page no="125"?> 128 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure überregionale Medienberichterstattung und ein nur geringer Zuschauerzuspruch zu erwarten sind, erzeugen die „World Medical Health und Games“ durch ihre zahlungskräftigen Aktiven samt Begleitpersonen einen vergleichsweise hohen Wertschöpfungseffekt für die veranstaltende Stadt bzw. Region. Für mittelgroße Städte, die im internationalen Bieterwettstreit für internationale Wettkämpfe u.a. aufgrund ihrer Sportinfrastruktur nahezu chancenlos sind, ist die Bewerbung für internationale Meisterschaften der Ärzte und Apotheker (auch der Feuerwehr, der Polizei) ein probate Mittel zur Imageprofilierung nach innen (weniger nach außen) und ein ebenso lukratives finanzielles Mittel. 80 80 Für den Bereich der Polizei (formal unter dem Kapitel „Staat“ zu behandeln) siehe auch die Informationen zu den verschiedenen nationalen und internationalen Wettkämpfen unter Deutsches Polizeisportkuratorium www.dpsk.de sowie für die Wettkämpfe der Feuerwehr unter www.feuerwehrverband.de/ fb-wettbewerbe.html. <?page no="126"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 129 3.3 Non-Profit-Organisationen Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … Schulen und Hochschulen als Institutionen mit pädagogischen und persönlichkeitsbildenden Angeboten wahrzunehmen. die Vielfalt des Non-Profit-Bereichs anhand der aufgezeigten Aktivitäten im Sporttourismus kennen. sporttouristische Angebote im Kontext von Gemeinnützigkeit, Hilfe und Solidarität einzuschätzen. die soziale Verpflichtung bzw. Unterstützung von Non-Profit-Organisationen der Mitglieder bzw. Klientel gegenüber einzuschätzen. zu verstehen, dass sich aus der Logik der Gemeinnützigkeit Zugänge für alle Bevölkerungsschichten ermöglichen sollen. Für den Bereich der Non-Profit-Organisationen (NPOs) bestehen Zuordnungsbzw. Abgrenzungsprobleme. „Mit der Bezeichnung Dritter-Sektor-Organisation bzw. Non[-P]rofit-Organisation ist also keine klare terminologische Festlegung getroffen, sondern wird zunächst lediglich ein Bereich zwischen Markt, Staat und den privaten Haushalten abgesteckt [...].“ (van Bentem 2001, S. 25) 81 . Die gemeinwirtschaftlichen Organisationen sind bspw. formal dem Staat zuzuordnen, werden aber aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung und fehlenden Gewinnorientierung unter NPOs ebenso gefasst wie Schulen und Hochschulen. Keine NPOs sind nach dem hier vertretenen Verständnis öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften wie bspw. Kammern oder Sozialversicherungen sowie wirtschaftsorientierte NPOs wie Wirtschaftsverbände. Gewerkschaften sind als politische NPOs zu fassen und nicht fälschlicherweise auf ausschließlich wirtschaftliche Interessen einzugrenzen (unabhängig davon, dass ein Teil der Gewerkschaften bisweilen selbst diese verkürzte Sichtweise in die Praxis umsetzt). Sportvereine und -verbände werden als NPOs im Kapitel „Sportsystem“ gesondert behandelt. Wesentliche Kriterien einer NPO sind die freiwillige Mitgliedschaft, eine spezifische Zielformulierung, eine formale demokratisch verfasste Struktur, die private, 81 Eine Differenzierung wäre bspw. nach formal juristischen, finanzstrukturellen, funktions-zweckorientierten oder auch strukturell-operationalen Kriterien möglich (van Bentem 2001, S. 27). <?page no="127"?> 130 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure institutionelle Trennung vom Staat, fehlende Gewinnverteilung und Selbstverwaltung (siehe van Bentem 2001). Der ZiviZ-Survey 2012 (Krimmer/ Priemer 2013) geht derzeit von 616.000 Vereinen, Stiftungen, Genossenschaften und gemeinnützigen GmbHs in Deutschland aus. Sie verteilen sich gemäß der internationalen Definition der „International Classification of Non-Profit Organizations“ auf die folgenden 12 verschiedene Bereiche: Kultur und Erholung Bildung und Forschung Gesundheitswesen Soziale Dienste Umwelt- und Naturschutz Entwicklung, Wohnungswesen und Beschäftigung Rechtswesen, Bürger- und Verbraucherinteressen, Politik Stiftungs- und Spendenwesen, Ehrenamtlichkeit Internationale Aktivitäten Religion Wirtschafts- und Berufsverbände, Gewerkschaften Sonstige Sport- und Reiseaktivitäten erfüllen bei einem Großteil der NPOs überwiegend Funktionen für organisationsspezifische und/ oder klientelbezogene Ziele. Die Ziele können für die meisten Organisationen ganz allgemein als stärkerer Zugang zum gesellschaftlichen Reichtum, an gesellschaftlicher Partizipation und/ oder Hilfe und Solidarität formuliert werden. Eine thematische Diskussion erfolgt für die einzelnen Bereiche der Hochschule, Schule, Weiterbildung, Kirche, Sozialbereich, Politik und Umwelt. 3.3.1 Hochschulen Hochschulen siedeln sich zwischen Staat und Non-Profit-Organisationen an. 82 Anfang der 1950er Jahre studierten lediglich ca. 100.000 junge Menschen an den damaligen Universitäten. Bereits 10 Jahre danach hatte sich die Zahl mehr als verdoppelt (1965: 245.000). Ende der 1960er setzte die von der Wirtschaft geforderte und von den damaligen politischen Akteuren unterstützte Bildungsexpansion ein. In diesem Zeitraum stiegen die Studierendenzahlen sprunghaft 82 Private Hochschulen, die eher dem Markt zuzuordnen sind, haben in Deutschland bislang kaum, wie von ihnen ursprünglich behauptet, wirtschaftlich arbeiten können und werden zu großen Teilen durch Steuergelder alimentiert. <?page no="128"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 131 auf 836.000 im Jahr 1975 an, auch die Anzahl der Hochschulen erweiterte sich entsprechend. Inzwischen studieren mehr als 2,6 Millionen junge (und auch mitunter ältere) Menschen an den 423 Hochschulen in Deutschland (Quelle: www.destatis.de). Überwiegend an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen sind die 65 sportwissenschaftlichen Institute angesiedelt sowie der mit hauptberuflichem Personal ausgestattete Allgemeine Hochschulsport (Quelle: www.sportwissenschaft.de/ index.php? id=100). Für den zumeist universitären Hochschulbereich lassen sich fünf relevante sporttouristische Aktivitäten erfassen. 1 Im Rahmen der SportlehrerInnen-Ausbildung gehören Exkursionen zum verbindlichen Curriculum. Insbesondere der Bereich der Natursportarten mit Geräteeinsatz wie bspw. Skifahren oder Kanu ist sowohl für die eigene Sportqualifikation bedeutsam, als auch zur Vorbereitung für später zu organisierende Klassenfahrten. Ferner bieten einige Universitäten im Kontext ihrer wissenschaftlichen Begleitforschung Feriencamps für Kinder und Jugendliche (12-14 Jahre) an. Beispiel Ferienprogramm Universität Karlsruhe, Fachbereich Sportwissenschaft „Liebe Eltern! Liebe Schülerinnen und Schüler! Wir, das Forschungszentrum für den Schulsport und den Sport von Kindern und Jugendlichen (FoSS), veranstalten während der Pfingstferien vom 26.5.- 30.5.2015 - dann bereits zum sechsten Male - das FoSS-SportsCamp für die Altersgruppe von 12-14 Jahren. Unser Ziel ist es, ein qualifiziertes Sport- und Freizeitangebot mit Übernachtung unter der Leitung von versierten Trainerinnen und Trainern sowie erfahrenem Betreuungspersonal am Institut für Sport und Sportwissenschaft (IfSS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) für bis zu 100 Kinder und Jugendliche zu offerieren. Innerhalb der Woche werden die Sportarten Fußball, Gerätturnen, Klettern, Schwimmen und Volleyball als Trainingsschwerpunkte angeboten (Bitte bei der Bewerbung Wunschsportart aus dem genannten Angebot auswählen und vermerken! ). <?page no="129"?> 132 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Zahlreiche Workshops bestimmen ebenfalls das fünftägige FoSS-Ferienprogramm. Wir freuen uns auch, bekannt geben zu können, dass wir das Max Rubner-Institut Karlsruhe (MRI) und die Sektion Karlsruhe des Deutschen Alpenvereins (DAV) erneut als Kooperationspartner gewinnen konnten und die Sportart Basketball über den Verein des KIT SC Gequos besonders gefördert werden wird. [...] Zudem bieten wir ein abwechslungsreiches Freizeit- und Abendprogramm mit Erfolgssportlern und wissenschaftlichen Experten rund um die Themen Sport und Ernährung. Bei der Gestaltung des Rahmenprogramms werden die Kinder und Jugendlichen aktiv mit eingebunden, denn das gemeinschaftliche Erleben macht einen großen Teil unseres Ferienprogramms aus! Wir freuen uns auf die Bewerbung von sportbegeisterten Schülerinnen und Schülern aus ganz Baden-Württemberg.“ Quelle: www.sport.kit.edu/ foss/ 1198.php Abb. 15: Website Forschungszentrum für den Schulsport der Universität Karlsruhe Quelle: http: / / www.sport.kit.edu/ foss/ download/ FoSS_Image_Flyer_DRUCK.pdf 2 Im Bereich des Hochschulsports nehmen Studierende in verschiedenen Sportdisziplinen an den vom ADH veranstalteten Deutsche Meisterschaften sowie bei entsprechender Qualifikation an der Winter- oder Sommer- Universiade teil. Die Popularität und Professionalisierung der Universiaden <?page no="130"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 133 erreicht inzwischen ein Ausmaß von ca. 12.000 AthletInnen aus ca. 150 Nationen über 10 bis 14 Tage. 83 3 Darüber hinaus organisiert der Hochschulsport meist in Kooperation mit den Sportinstituten hochschulübergreifende Turniere und Laufveranstaltungen. 84 Zwei Beispiele der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster geben einen Einblick in diese Aktivitäten. Am so genannten „Nikolausturnier“ des Hochschulsports Münster nehmen alljährlich ca. 2000 Studierende aus allen Bundesländern teil, die in 200 Teams ihre Wettkämpfe in verschiedenen Disziplinen austragen. Im Jahre 2011 übernahm der Hochschulsport die Organisation und Durchführung des Leonardo-Campus- Runs (LCR) vom Institut für Sportwissenschaft. Der LCR ist eine breitensportliche Laufveranstaltung mit sechs verschiedenen Läufen und inzwischen ca. 4.000 TeilnehmerInnen mit regionalem Einzugsgebiet ( www.uni-muenster.de/ Leonardo-Campus-Run). 4 Ein weiterer Bereich des Hochschulsports sind Tourenangebote, die prinzipiell auch Nicht-Hochschulangehörigen offenstehen. Der Hochschulsport Münster als einer der größten universitären Anbieter veranstaltet zahlreiche Touren, unterteilt nach Sommer- und Wintersemester. „Im Sommersemester des Jahres 2012 wurden insgesamt 49 Touren im Surfen, Tauchen, Rennradfahren, Kanu, Wakeboarden und Wellenreiten angeboten. Im darauffolgenden Wintersemester sind insgesamt 23 Skikurse durchgeführt worden.“ (Hochschulsport Münster, Jahresbericht 2012) Der Reiseveranstalter Frosch Sportreisen (die Namensfindung geht auf die Gründer Frost und Schweins zurück) stammt ursprünglich aus dem Umfeld des Münsteraner Hochschulsports und hat sich inzwischen als mittelständischer Sportreiseveranstalter etabliert. Auch der Jugendreiseveranstalter RUF-Reisen entstammt den hochschulischen Aktivitäten an der Universität Bielefeld und der Projektgruppe um den damaligen Leiter Prof. Nahrstedt und dem IFKA-Institut. 85 83 Siehe dazu auch unter International University Sports Federation (FISU) www.fisu.net sowie dem Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband www.adh.de) 84 An der Uni Münster wurden insgesamt über 100 Deutsche Hochschulmeisterschaften, studentische Länderspiele sowie Weltmeisterschaften der Studierenden durchgeführt. 85 Ruf-Reisen ist inzwischen die Nr. 33 der deutschen Reiseveranstalter mit 43,6 Mio. Euro Umsatz und 78.500 TeilnehmerInnen. Frosch-Sportreisen befindet sich derzeit auf Platz 43 mit 25,0 Mio. Euro Umsatz und 28.525 TeilnehmerInnen. Quelle: fvw-dossier, Beilage der fvw Nr. 25 vom 19.12.2014 <?page no="131"?> 134 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Abb. 16: Skiexkursion Hochschulsport Uni Münster Quelle: www.uni-muenster.de/ hochschulsport/ sporttouren/ index.htm 5 Sporttourismus sowie Sporteventtourismus werden in einigen Sportmanagementstudiengängen innerhalb thematisch übergreifender Lehrveranstaltungen behandelt und bei einigen Fachhochschulen in den Studiengängen Tourismusbzw. Sportmanagement auch als eigenständige Seminare angeboten. Weiterführende Angebote finden sich als Zusatzzertifikat an der Westfälischen Hochschule, Campus Bocholt. Das bislang umfangreichste und intensivste Angebot unterbreitet die Deutsche Sporthochschule Köln mit ihrem Masterstudiengang „Sporttourismus und Erholungsmanagement“. Auf die 30 Studienplätze bewerben sich derzeit jährlich mehrere hundert BewerberInnen. 86 1. Semester 2. Semester Grundlagen des Sporttourismus Entrepreneurship im Tourismus Grundlagen von Gesundheit und Erlebnis Zukunftsmarkt Gesundheit und Erlebnis Gesellschaft und Sporttourismus I Gesellschaft und Sporttourismus II Tourismusökonomie Tourismusmanagement und -marketing Wissenschaftsmethoden und Forschungsdesign I Wissenschaftsmethoden und Forschungsdesign II 3. Semester 4. Semester Sporttourismus Praxis Master-Thesis Destinationsentwicklung und Sportraumplanung Ressourcenmanagement und Nachhaltigkeit Zukunftsorientierte Angebots- und Produktentwicklung Tab. 19: Inhalte des Masterstudiengangs „Sporttourismus und Erholungsmanagement“ der DSHS Köln. Quelle: www.dshs-koeln.de/ studium/ studienangebot/ master/ msc-sporttourismus-und-erholungsmanagement/ 86 Das Modulhandbuch ist abrufbar unter: www.dshs-koeln.de/ fileadmin/ redaktion/ Studium/ Organisation/ Studienunterlagen/ Modulhandbuecher_neu/ Master-Sport/ TEM _PO20142.pdf <?page no="132"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 135 Sportwissenschaft Sporttourismus ist im größeren Kontext 2002 an der Hochschule Harz sowie 2014 an Deutschen Sporthochschule Köln Thema wissenschaftlicher Reflektion gewesen. Hierzu liegen ein Tagungsband von Dreyer (2002) sowie von Roth/ Schwark (2016) vor. Beide Tagungen sind in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft ( www.dgt.de) entstanden. Darüber hinaus wurden und werden zahlreiche hochschulische Projekte mit unterschiedlichen Kooperationspartnern bzw. Auftraggebern durchgeführt. Weitere Informationen finden sich auf den Homepages der Hochschule Harz - Prof. Dreyer; Universität Mainz - Prof. Preuss; Deutsche Sporthochschule Köln - Prof. Roth; Westfälische Hochschule - Prof. Schwark; Universität Karlsruhe - Dr. Wäsche sowie daraus entstandenen Publikationen und zahlreiche Qualifikationsarbeiten. Zahlreiche Tagungen mit einem direkten oder indirekten sporttouristischen Bezug listet die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) auf. Insbesondere die Kommission „Sport und Raum“, der Arbeitskreis Sportökonomie sowie die Kommission „Schneesport“ sind mit der Thematik enger befasst. 24.-25.4.2015 Leipzig: „Sport im Spannungsfeld unterschiedlicher Sektoren“, 19. Jahrestagung dvs-Sektion Sportökonomie / AK Sportökonomie 13.-14.11.2015 Braunschweig: „Pädagogische Bewegungsräume - aktuelle und zukünftige Entwicklungen“, 9. Jahrestagung der dvs-Kommission „Sport und Raum“ 17.-21.12.2015 Hirschegg (Kleinwalsertal): 41. ASH-Schneesporttagung, Arbeitsgemeinschaft Schneesport an Hochschulen e.V. / Kommission Schneesport 18.-19.6.2015 Hamburg: Sport als Bühne - Kommunikation und Mediatisierung von Sport und internationalen Sportgroßveranstaltungen, 15. Hamburger Symposium Sport, Ökonomie und Medien in Kooperation mit der dvs-Sektion Sportsoziologie 23.-24.9.2016 Karlsruhe: Bewegung, Raum und Gesundheit - Wechselwirkungen im Spannungsfeld veränderter Lebensbedingungen und Mobilitäten, Jahrestagungen der dvs-Kommissionen Gesundheit sowie „Sport und Raum“ 6.10.2016 Berlin: 40 Jahre Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft e.V. (dvs) 12.2016 Hirschegg (Kleinwalsertal): 42. ASH-Schneesporttagung, Arbeitsgemeinschaft Schneesport an Hochschulen e.V. / Kommission Schneesport Tab. 20: Ausgewählte Tagungen mit direktem und indirektem sporttouristischen Bezug. Quelle: www.sportwissenschaft.de Im internationalen Kontext ist Sporttourismus jüngst Thema der „Sport Tourism Conference“ (STC’14) des Coimbra College of Education (ESEC) ( www. esec.pt/ pagina/ stc2014/ index.php) und dem International Research Network „In <?page no="133"?> 136 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Sports Tourism“ (IRNIST) in Portugal gewesen. Darüber hinaus findet jährlich der „Sport Events Congress“ der Canadian Sports tourism alliance statt ( www.canadiansporttourism.com). Seit 1993 existiert mit dem anglo-amerikanisch ausgerichteten Journal of Sport & Tourism eine speziell auf die Thematik des Sporttourismus fokussierte wissenschaftliche Zeitschrift. Die nachfolgende namentliche Auflistung des Editorial Boards soll die Möglichkeit eröffnen, gezielt nach Publikationen von international tätigen KollegInnen suchen zu können. Editor Mike Weed Canterbury University, UK Features & Commentaries Editor Richard Shipway Bournemouth University, UK Associate Editors Laurence Chalip University of Illinois, USA Sean Gammon University of Central Lancashire, UK Heather Gibson University of Florida, USA B. Christine Green University of Illinois, USA James Higham University of Otago, New Zealand Tom Hinch University of Alberta, Can Leo Jago University of Surrey, UK Holger Preuss University of Mainz, Ger Editorial Review Board Liza Berdychevsky University of Illinois, USA Graham Brown University of South Australia, Aus Paul Downward Loughborough University, UK Sheranne Fairley University of Queensland, Aus John Harris Glasgow Caldedonian University, UK Claire Humphreys University of Westminster, UK Ian Jones Bournemouth University, UK Kyriaki Kaplanidou University of Florida, USA Millicent Kennelly Griffith University, Aus <?page no="134"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 137 Matthew Lamont Southern Cross University, Aus Laura Misener Western University, Canada John Nauright University of Brighton, UK Daniel O'Brien Bond University, Aus Gregory Ramshaw Clemson University, USA Arianne Reis Southerm Cross University, Aus Simon Shibli Sheffield Hallam University, UK Michael Silk University of Bath, UK Andrew Smith Westminster University, UK Hagen Waesche Karlsruhe Institute of Technology, Ger Pamela Wicker German Sport University, Ger Vassillios Ziakas Leeds Metropolitan University, UK Tab. 21: Editorial board Journal of Sport & Tourism. Quelle: www.tandfonline.com/ toc/ rjto20/ current#.VdxT-qDtmkp 3.3.2 Schulen Schulbzw. Klassenfahrten sind so genannte außerschulische Lernorte. In den Richtlinien für Schulfahrten des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes NRW heißt es dazu: 87 Beispiel „Schulwanderungen und Schulfahrten, Schullandheimaufenthalte, Studienfahrten und internationale Begegnungen - im Folgenden Schulfahrten - sind Bestandteile der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen. Sie dienen ausschließlich Bildungs- und Erziehungszwecken und müssen einen deutlichen Bezug zum Unterricht haben, aus dem Schulprogramm erwachsen und im Unterricht vor- und nachbereitet werden.“ Quelle: Richtlinien für Schulfahrten RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 19.3.1997 87 Da Schule bekanntermaßen in der Verantwortung der Bundesländer liegt, existieren auch 16 unterschiedliche Richtlinien, die hier im Einzelnen nicht aufgeführt werden sollen. Eine komplette Übersicht über alle Richtlinien findet sich unter www.jugendtours.de/ schulfahrten/ richtlinien. <?page no="135"?> 138 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Schulfahrten (und alle weiteren Formen) sind pädagogisch begründete Reisen, was jedoch nicht ausschließt, dass währenddessen Sport (und Spiel) zufällig praktiziert wird (werden) und einen „lediglich“ geselligen Aspekt erfüllt (erfüllen). Gleichwohl wird nicht leistungsorientierter Sport auch aus einer funktionalen Perspektive für gruppendynamische Prozesse und zur Verbesserung des Klassenverbandes eingesetzt. In einer dritten Perspektive kann Sport allerdings auch Hauptgegenstand der Schulfahrten sein, insbesondere für die freiwilligen Arbeitsgemeinschaften für Bewegung, Spiel und Sport (z.B. Wintersport AGs) oder auf ein- oder mehrtägige Schulfahrten „mit deutlichem Bewegungsbezug“. Die Fahrten konzentrieren sich überwiegend auf die Sportpraxen Wandern, Radfahren, Kanutouren oder Schneesport. Nach Berechnungen des Bundesforums für Kinder- und Jugendreisen beläuft sich das Volumen der Schülerreisen in Deutschland auf schätzungsweise zwei Millionen Reisen. Durchschnittlich werden hierzu ca. 150 Euro pro Person ausgegeben, so dass von einem Gesamtumsatzvolumen von ca. 300 Millionen Euro auszugehen ist. Die Größe der Gruppen erhöht sich zunehmend auf bis zu 70 Personen, da aus Kostengründen oftmals zwei Klassen ihre Schulfahrt gemeinsam unternehmen. Die Aufenthaltsdauer liegt durchschnittlich bei drei bis vier Tagen. Hauptkriterien für die Reiseentscheidung sind die gute Erreichbarkeit des Reiseziels sowie die gute Verkehrsinfrastruktur vor Ort. Die Fahrzeit zum Reiseziel ist demgegenüber von etwas nachrangiger Bedeutung. Kaum verwunderlich ist die Orientierung auf ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis der durchgeführten bzw. von Reiseveranstaltern angebotenen Schulfahrten. Bei der Wahl der Unterkunft werden überwiegend Jugendherbergen und Jugendgästehäuser bevorzugt. Die Jahrgänge der Sekundarstufe I unternehmen aufgrund ihres noch jungen Alters eher Reisen innerhalb Deutschlands, während die Jahrgänge der Sekundarstufe II häufiger Städtereisen ins Ausland, vorwiegend nach London, Barcelona oder Rom, favorisieren. Zahlreiche Reiseveranstalter haben inzwischen Klassenfahrten in ihr Angebotsportfolio aufgenommen und einige Spezialisten konzentrieren sich ausschließlich auf dieses Segment. Die zunehmende Hinwendung von selbstorganisierten Reisen durch den Lehrkörper zu kommerziellen Anbietern ist auch diversen ministeriellen Anordnungen geschuldet. Die Teilnahme an Schulfahrten während der Wochenenden oder innerhalb der Ferienzeit wird i.d.R. nicht mehr über einen Freizeitausgleich vergolten und zunehmend sind LehrerInnen angewiesen, schriftlich ihren Verzicht über ihre Reisekosten zu erklären. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass sich immer mehr LehrerInnen kommerzieller und preiswerter Angebote von Reiseveranstal- <?page no="136"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 139 tern bedienen, die zudem eine Insolvenzabsicherung und eine Gewährleistungsverpflichtung bieten. 88 Die Frage nach selbstorganisierten Reisen von LehrerInnen, die unter Beteiligung von SchülerInnen (und bisweilen auch unter tätiger Mithilfe von Eltern) erfolgen, gegenüber vorgefertigten kommerziellen Angeboten ist jedoch nicht nur eine formal-organisatorische, sondern auch eine unmittelbar pädagogische Entscheidung. Eine dichotome Zuordnung „Kommerz vs. Pädagogik“ greift jedoch erheblich zu kurz, auch wenn einige Jugendreiseveranstalter in den letzten zwei Jahrzehnten berechtigterweise in die Kritik geraten sind. Nicht unerwähnt bleiben kann in diesem Zusammenhang, dass mitunter auch gemeinnützige Anbieter nicht davor gefeit sind, pädagogische Standards zu unterbieten. Das BundesForum Kinder- und Jugendreisen e.V. als Zusammenschluss verschiedener Verbände, Träger und Organisationen hat sich demzufolge zum Ziel gesetzt, Kinder- und Jugendreisen zu fördern und weiterzuentwickeln. Dazu wurden grundlegende und gemeinsame Positionen u.a. zum Thema Klassenfahrten entwickelt: „Klassenfahrten und Schulprojekte mit gemeinsamer An- und Abreise sind ein Lernort mit eigenen Chancen und Potenzialen. Gerade für den Erwerb sozialer Kompetenzen und Soft Skills sind Klassenfahrten und andere Gruppenreisen der ideale Lernort. Die Zukunft liegt in der Vernetzung der Lernorte Schule, Freizeit und Ferien. Klassenfahrten sind wichtig für die Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Mobilität. Alle sind dabei! Klassenfahrten sind eine gute Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu integrieren und diese erfolgreicher zu machen. Die Vorbereitung auf Klassenfahrten als Teil der künftigen Berufsaufgabe von Lehrerinnen und Lehrern gehört in ihre Ausbildung. Praktika in Kinder- und Jugendunterkünften sowie bei Klassenfahrten, Kinder- und Jugendreisen sind eine gute Möglichkeit, den Lernort Reise schon im Studium zu entdecken.“ Quelle: Bundesforum Kinder- und Jugendreisen e.V. 88 In diesem Kontext ist der Beitrag von Flügel 2012, S. 234-243 interessant, der seinen Text zu (kommerziellen) Klassenfahrten mit dem Titel „Deutlich besser als ihr Ruf“ überschreibt und die Entwicklung des Marktes für Klassenfahrten aus Sicht der Tourismusbranche beschreibt. <?page no="137"?> 140 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Zum Thema Schulfahrten und Sport liegen eine Reihe praktischer Erfahrungsberichte und Analysen von LehrerInnen vor, die ganz überwiegend in der Zeitschrift „sportpädagogik“ erschienen sind (und weiterhin erscheinen werden). 89 Exemplarisch wird auf einige jüngere Beiträge von Gillessen (2014), Junker/ Menge (2014), Laube (2009) und Wohlers (2014) hingewiesen und auf Jakob (2014) näher eingegangen. „Mit Schulklassen wandernd unterwegs sein“ ist der Beitrag von Matthias Jakob betitelt (2014, S. 2-7). Jakob spricht u.a. die verschiedenen Herausforderungen an, die mit Gruppenwanderungen verbunden sind. „Kann ich diese Passage ohne Anseilen bewältigen oder fühle ich mich sicherer mit einer Verbindung am Seil? [...] Ständig steht man mit den Anforderungen des Weges, des Wetters, der eigenen körperlichen Verfassung und den Mitwandernden in Entscheidungsverpflichtung.“ (S. 3). Des Weiteren wird die erfahrbare Differenz zwischen „einer auf Effizienz und Beschleunigung angelegten Gesellschaft“ zum entschleunigten, sinnlichen „mit eigener Körperkraft“ vollzogenen Wandern aufgezeigt. Jakob spricht hier von einem „Gegenentwurf zum Fortbewegungsideal“. (S. 3). Die langsame Fortbewegung ist es zudem, die „eine aktive und sensible Wahrnehmung der Natur um einen herum“ (S. 4) ermöglicht und im weiteren Verlauf von einer äußeren auch zu einer inneren Wahrnehmung gelangen kann. Die individuelle Erfahrung ist von der Spannweite des Einwirkens auf den eigenen Körper als auch vom aktiven Gestalten geprägt. „Der Körper ist dabei nicht nur Fühler und Mittler, mit dem man die Außendinge erfährt [...], sondern ebenso Gestalter und Bezwinger.“ Darüber hinaus sind zahlreiche soziale Erfahrungen möglich, die sich in Formen von Koordination, Kooperation und Solidarität zeigen (Tempo, Hilfe, Motivation, Gepäck). Jakob verweist mit der gemeinsamen Planung von LehrerInnen und SchülerInnen auf einen weiteren bedeutsamen Aspekt zum Thema Schulfahrten. Dazu gehören Fragen „der Kleidung, des Proviants, der Wegstrecke, des Verhaltens“. „Die Beteiligung der Lernenden bei der Entscheidung für ein Wanderziel oder eines Wandertages schafft eine stärkere Verbundenheit als die gesetzte Vorgabe eines Lehrers oder der Schule.“ (S. 5). In ähnlicher Weise äußern sich auch Wohlers zum Kanufahren (2014, S. 27) und Junker/ Menge zur Alpenquerung mit dem Mountainbike (2014, S. 36). 89 Die Zeitschrift „sportunterricht“ hat sich in ihrer Ausgabe 4/ 2015 dem Thema Sport in den Ferien gewidmet, mit Beiträgen von Schwark, Warnecke und Nippe. <?page no="138"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 141 3.3.3 Weiterbildung 3.3.3.1 Volkshochschulen Als prominentester Vertreter der Weiterbildungseinrichtungen sind die Volkshochschulen (VHS) als gemeinnützige Einrichtungen im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung zu nennen. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Landes-Weiterbildungsgesetze konzentriert sich das Angebot auf Personen, die älter als 16 Jahre sind. Mit den Vorläufern wie bspw. den Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Arbeiterbildungsvereinen verbindet die Volkshochschulen in ihren Grundsätzen immer noch die Idee der gesellschaftlichen Teilhabe an Bildung und den Abbau von Benachteiligungen. Die Bildungsarbeit an den Volkshochschulen spiegelt in der konkreten Praxis inzwischen jedoch eher eine konservativ-mittelschichtorientierte Vorstellung von Bildungsarbeit wider und unterliegt einem eher pragmatisch-funktionalen Verständnis beruflicher Weiterbildung, das zunehmend in die Freizeit der Beschäftigten ausgelagert wurde und wird. Die Sozialstruktur der Teilnehmenden weist Angestellte sowie mittlere Altersgruppen als überrepräsentiert aus. Stark überrepräsentiert sind Frauen mit 75,8 % aller Teilnehmenden. Da beim pädagogischen Personal Dozentinnen deutlich überwiegen (67,5 %, Tendenz weiter steigend), sind die Angebote überwiegend eine Veranstaltung von Frauen für Frauen. Das wird u.a. daran deutlich, dass sowohl das Angebot als auch die Nachfrage sich stark am Thema „Gesundheit“ (20,2 %) orientieren. Dieser am stärksten besuchte Programmbereich offeriert insbesondere Kurse zu den Einzelthemen Autogenes Training, Bewegung, Entspannung, Ernährung, Gymnastik, Körpererfahrung und Yoga (Huntemann; Reichart 2012). Die Rahmendaten für das Jahr 2011 stellen sich wie folgt dar: Volkshochschulen 929 Anzahl der Kurse 576.000 Anzahl der Teilehmenden* 6.390.000 Einzelveranstaltungen 88.000 Anzahl der Teilehmenden* 2.420.000 Hauptberufliche 7.756 Neben-, Freiberufliche 191.613 * inkl. Mehrfachzählungen Tab. 22: Rahmendaten der Volkshochschulen in Deutschland für 2011. Quelle: Huntemann; Reichart 2013 <?page no="139"?> 142 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die typischen Angebote aus der Kategorie „Touren - Reisen“ sind zumeist Tagestouren im nahräumlichen Bereich von max. 50 km, deren Angebote Radfahren, Wandern oder Kanufahren mit Umweltund/ oder kulturellen Themen verbinden. Mehrtägige Wander- oder Radtouren finden entweder innerhalb von Deutschland oder (je nach geografischer Lage der VHS) in die europäischen Zielgebiete der Benelux-Staaten, Frankreich, Italien, in den Alpenraum oder nach Osteuropa statt. Im Jahr 2013 wurden von allen Volkshochschulen insgesamt 7.835 Studienfahrten und 1.338 Studienreisen durchgeführt, jeweils mit rückläufiger Tendenz (Huntemann; Reichart 2014, S. 12). Sporttreiben dürfte nur selten den Hauptanlass für die Reisen bieten. Lediglich 5,4 % der Reisen können dem Programmbereich „Gesundheit“ zugeordnet werden. Einige sportorientierte Angebote finden sich auch in den Programmbereichen Umwelt sowie Kultur wieder, so dass pro Jahr von mindestens 1.000 Angeboten mit sporttouristischem Bezug auszugehen ist. Typische Beispiele für sporttouristische Angebote werden wie folgt ausgeschrieben: Beispiel „Fünf Tage gemeinsam wandernd im deutsch-luxemburgischen Naturpark Südeifel unterwegs - in der Zeit des ‚Goldenen Herbstes‘ 20.-24.10.2014“ „Radtour auf den estnischen Inseln - ursprüngliche Naturlandschaften, menschenleere Traumstrände, Ruhe und Ursprünglichkeit und die traditionelle Gastfreundschaft - ein Paradies für Radfahrer - Flug-, Radwanderreise im Juli 2015.“ Quelle: VHS Bocholt, Programm 2. Halbjahr 2014 3.3.3.2 Bildungsurlaub und Sport Seit Ende der 1970er Jahre haben inzwischen nahezu alle Bundesländer Arbeitnehmerweiterbildungsgesetze (AWbG) verankert, die es ArbeitnehmerInnen ermöglichen, an fünf Tagen im Jahr bei bezahlter Freistellung an so genannten Bildungsurlauben teilzunehmen. In den Grundsätzen des AWbG NRW wird die Zielstellung in Artikel 1 aufgeführt: „Arbeitnehmerweiterbildung dient der beruflichen und der politischen Weiterbildung sowie deren Verbindung.“ Artikel 9 Absatz 2 formuliert explizit, unter welchen Bedingungen die gesetzliche Grundlage fehlt: „Keine Bildungsveranstaltungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veranstaltungen, die 1. der Erholung, der Unterhaltung, der privaten Haushaltsführung, der Körper- und Gesundheitspflege, der sportlichen, künstlerischen oder kunsthandwerklichen Betätigung oder der Vermittlung entsprechender Kenntnisse oder Fertigkeiten dienen [...]“ (AWbG NRW) Für die Bildungswerke und <?page no="140"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 143 anerkannten Träger der Erwachsenenbildung aus den Bereichen Sport und Gesundheit besteht daher grundsätzlich das Problem, dass ein Teil der angebotenen Bildungsurlaube, die auch Sport zum Inhalt haben, von Arbeitgeberseite die Anerkennung verweigert wird. Insofern sind sportbezogene Inhalte in der Regel begleitend oder weisen einen direkten beruflichen Bezug auf, wie dies bspw. durch das Thema der betrieblichen Gesundheitsbildung gegeben ist. Lediglich 2 % der ArbeitnehmerInnen nutzen die Möglichkeit zum Bildungsurlaub, die seit Anbeginn immer wieder durch juristische Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberseite gekennzeichnet ist. In Abrede wird häufig der Nutzen bzw. die inhaltliche Grundlage zahlreicher Bildungsurlaube infrage gestellt. 90 Die Internetseite www.bildungsurlaub.de listet derzeit 211 Bildungsurlaubsveranstalter mit insgesamt 2.702 anerkannten Seminaren auf. 91 Davon fallen für das Jahr 2015 408 Angebote in den Bereich Gesundheit, 108 in den Bereich Ökologie und Umwelt und 192 beziehen sich auf Gesellschaft und Politik, die am ehesten einen zusätzlichen Sportbezug herstellen können. Zwei Beispiele sollen die Verbindung von politischer Bildung mit Sport aufzeigen. Beispiel Müritz. Entwicklung im Osten - Rund um den größten Binnensee Deutschlands. Mecklenburg - Land der Wälder, Seen, Naturschönheiten. Reicht dies aber für die Wirtschaftsentwicklung zur Existenzsicherung von 1,8 Millionen Menschen? Wie kann es gelingen, dieses herrliche Naturpotenzial zu nutzen, ohne es dabei zu zerstören? Ist man bei der Gratwanderung zwischen Ökonomie und Ökologie schon abgestürzt? Am Beispiel der Region rund um Deutschlands größten Binnensee - der Müritz - sollen Entwicklungstendenzen auf ihre Widersprüchlichkeit hin untersucht werden. Golfclub und Yachthäfen auf der einen, Nationalpark und über 20 % Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite - wie ist das unter einen Hut zu bringen? Wie sehen die „blühenden Landschaften“ im Osten tatsächlich aus und warum werden diese anscheinend immer nur aus der Ferne be- 90 Zum Thema Bildungsurlaub und Sport liegen einige ältere Publikationen vor. Siehe dazu Duchrow/ Lüddecke 1980; Schwark 1990; Peters 1992; Schwark 1992; Schwark/ Magdiarz 1993. 91 Ein nach dem Gesetz anerkannter Bildungsurlaub bedeutet gleichwohl nicht, dass dieser auch von jedem Arbeitsgeber anerkannt wird. Hier schwanken die Ablehnungs„gründe“ zwischen grundsätzlicher Verweigerung und fehlender Akzeptanz der angebotenen Inhalte. <?page no="141"?> 144 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure schworen? Der Bildungsurlaub wird versuchen, einige Antworten auf diese Fragen zu geben. Hinweis: Aus ökologischen Gründen fahren wir mit dem Fahrrad zu den verschiedenen Lernorten. Eine gewisse Kondition wird daher vorausgesetzt. Röbel/ Müritz, Kleine Stavenstr. 9 30.8.15 bis 4.9.15 maximal 20 Teilnehmer/ -innen Preis: 419 €; 5 Ü/ VP im DZ mit DU/ WC; Eintritte laut Programm, Leih-Fahrrad; EZ-Zuschlag: 75 € Forum Unna Themenbereich: Ökologie und Umwelt Quelle: www.bildungsurlaub.de Drei Länder, Zwei Räder, Ein Fluss - Natur erleben an der Rur 29.6.15 bis 3.7.15 in Botrange, Naturparkzentrum, Belgien Mit Übernachtung maximal 20 Teilnehmer/ -innen Preis: 400 €; inkl. Übern. im DZ mit Frühstück, 1 Abendessen / / EZ-Zuschlag: 75 € Infos unter 0211/ 9 36 50 80 Kursnr.: 2701-15 Heinrich Böll Stiftung NRW Wir folgen dem Fluss Rur über 180 Kilometer auf dem Rad. Wir lernen grenzüberschreitende Naturschutzkonzepte, Regionalentwicklung und nachhaltigen Tourismus als Wirtschaftsfaktor kennen. Die Reise ist Einsteiger*innenfreundlich. Solide und ordentlich gewartete Räder/ EBikes sind erforderlich. Sie benötigen solide und ordentlich gewartete Räder ab 5-Gang- Schaltung aufwärts. Quelle: www.bildungsurlaub.de 3.3.4 Religion Die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft muss nicht automatisch mit einer Aktivität verbunden sein. Ohne dass es für andere sichtbar werden muss, kann Glaube auch in einem sehr privaten Umfeld praktiziert werden. Darüber hinaus verbleibt ein Teil an Atheisten und Agnostikern aus Pragmatismus und aus Gründen sozialer Kontrolle Mitglied einer Kirche. Wiewohl ein Teil der Mitglieder, die aus der Kirche austreten, nach wie vor gläubig sein können. Insofern ist Religion wie sie die International Classification of Non-Profit Organizations einem Bereich der NPOs zuordnet, weitergefasst als der institutionelle Begriff der Kirche. Im weiteren Verlauf wird auf die Aktivitäten der Evangeli- <?page no="142"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 145 schen und Katholischen Kirche eingegangen sowie auf den katholischen Bundesverband für Breiten- und Leistungssport „Deutsche Jugendkraft“ und auf Makkabi Deutschland. Abschließend erfolgt eine kurze Einschätzung zu den islamischen Organisationen. 3.3.4.1 Evangelische und katholische Kirche Christliche Kirche und das Themenfeld Körper, sowie in der Folge auch Sport, stehen in keiner einfachen Beziehung. Ihren Ausdruck fand und findet diese Beziehung in einer distanzierten und argwöhnischen Haltung zum lustvollen Umgang mit dem eigenen Körper, im spiritualisierten Leib, in Zölibat und Keuschheit, in der Pflicht zur Fortpflanzung, in den zahlreichen möglichen Sünden der Maßlosigkeit und in einer asketischen Lebensführung, um nur einige Beispiele anzuführen. Das ist die eine, die historische und holzschnittartig aufgezeigte Seite von Kirche. Die andere Seite von Kirche ist die mit Beginn der Reformation wiederentdeckte Freiheit und Bejahung des Lebens für Christen. Bereits 1965 entstanden regelmäßige Kontakte zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands, die zehn Jahre später zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz in den institutionalisierten „Spitzengesprächen von Kirche und Sport“ sowie in eine gemeinsame Kommission mündeten. ( www.ekd.de/ kirche-und-sport/ sport-beauftragter/ spitzengespraeche.html) Reisen werden von zahlreichen Kirchengemeinden, Dekanaten und kirchlichen Bildungsstätten durchgeführt. Innerhalb der christlichen kirchlichen Kinder- und Jugendseelsorge findet eine Vielzahl an Freizeiten auch in den kircheneigenen Ferienhäusern und Reisen statt. 92 Der konzeptionelle Anspruch und die Potenzialität des Reisens werden aus kirchlicher Sicht von der Evangelischen Kirche Deutschlands wie folgt formuliert: 92 Aufgrund der unterschiedlichen Strukturen in den Kirchen und der Vielzahl der kirchlichen Anbieter wurde auf eine detaillierte Auflistung verzichtet. Die exemplarischen Verweise auf die einzelnen Internetseiten stellen jedoch einen guten Zugang dar, um sich einen breiten Überblick zu verschaffen. <?page no="143"?> 146 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Beispiel „Reisen verändert Leib und Seele. Urlaub ist Aufbruch zur Suche nach Glück und schönen Erlebnissen. Mit Urlaub und Erholung verbinden Menschen Wünsche und Sehnsüchte nach Heilsein, Ganzheit, Freiheit und Erlösung. [...] Spielerisch und auf Zeit wird ein anderes Leben ausprobiert. In einer Unterbrechung des Alltags, in der der Mensch sich ansatzweise zu sich selbst befreit und zugleich für Gott und seine Schöpfung geöffnet erlebt.“ Quelle: www.ekd.de/ glauben/ spiritualitaet/ reisen.html Die Palette der Angebote ist, begleitet von diesem Anspruch, ausdifferenziert und vielfach auch sportbezogen, wie es exemplarisch das Programmangebot der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zeigt. Beispiel „Spannende oder besinnliche Reiseziele bieten jedes Jahr evangelische Kirchengemeinden, Dekanate, Jugendreferenten und Bildungsstätten, aber auch die Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau an. [...] So werden Reisen durch die Wüste, Segelreisen, Familien-, Kinder-, Jugend-, Ski- und Sportfreizeiten, Wellnessreisen und interreligiöse Reisen angeboten.“ Quelle: www.ekhn.de/ service/ angebote/ reisen-und-pilgern.html Darüber hinaus ist auf verschiedene institutionell verankerte Arbeitskreise und Einrichtungen zu verweisen, die nur ansatzweise die Vielfalt von Kirche und Tourismus wiedergeben können: Gemeindedienst der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands Projektstelle „Spiritueller Tourismus“ und Kirche und Tourismus e.V ( www.kirche-und-tourismus.de), evangelisch reisen - Kirchliches Werk für Freizeit und Erholung ( www.ervreisen.de), das Haus Kirchlicher Dienste der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Fachbereich 2 u.a. „Kirche im Tourismus“ sowie Fachbereich 3 u.a. „Sport“ ( www.kirchliche-dienste.de/ wir_ueber_uns/ struktur), die Publikationen des Evangelischen Arbeitskreises für Freizeit - Erholung - Tourismus in der EKD, Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst mit dem Informationsdienst „TourismWatch“ ( www.tourism-watch.de). <?page no="144"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 147 3.3.4.2 Deutsche Jugendkraft 93 Der 1920 gegründete DJK-Sportverband e.V. weist sich mit dem Zusatz „katholischer Bundesverband für Breiten- und Leistungssport“ aus und hat derzeit etwa 1.100 Vereine mit ca. 500.000 Mitgliedern. Das sportbezogene Selbstverständnis der DJK zieht, wie bei anderen Verbänden (Naturfreunde, Arbeiterwohlfahrt, Kirchen) auch, gegenüber einem unreflektierten und zügellosen Leistungssportgedanken Grenzen. Beispiel „Der DJK-Sportverband wird als der katholische Sportverband bezeichnet. Er ist ein christlich wertorientierter Sportverband unter katholischem Dach und nimmt jeden auf, der seine Orientierung mitträgt. Worauf es uns wirklich ankommt sind nicht die Siege. Es sind die Menschen. Das Mehr im Sport: Leistung finden wir gut, wenn sie fair und menschenwürdig erbracht wird.“ Quelle: www.djk.de/ Darüber hinaus verfasst die DJK über den Sport hinausgehende Positionen zum Selbstverständnis, die auch den Bereich der individuellen Sinnfindung und die Gestaltung des Reisens mit einbezieht. Beispiel „Unserer Inspiration holen wir aus dem christlichen Glauben. Nächstenliebe und Respekt vor der Schöpfung sind urchristliche Werte, die wir über den Sport hinaus leben und erleben möchten. Wir bieten die Möglichkeit Antworten auf die uralten und immer neuen Menschheitsfragen „Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist mein Lebensplan? Was soll aus mir werden? “ zu suchen, beim Sportlergottesdiensten, Osterfeuer, bei Berg- oder Skiexerzitien, Insel- oder Sportexerzitien, beim Pilgern oder Wallfahrten, bei Angeboten im Bereich Gesundheitssport wie Herzsportgruppen oder beim Sport mit Krebspatienten und beim sportlichen Miteinander im DJK-Verein.“ Quelle: www.djk.de Eine der größten und bedeutsamsten Sportveranstaltungen der DJK ist das seit 1950 alle vier Jahre stattfindende Bundessportfest. Die verbandsinternen Meis- 93 Die Einordnung der DJK und Makkabi Deutschland in das Kapitel „NPO-Religion“ erfolgte aufgrund der spezifisch religiösen Sinnorientierung. Als DOSB-Verband mit besonderen Aufgaben wäre eine Zuordnung zum Kapitel Sportsystem ebenfalls sinnvoll gewesen. <?page no="145"?> 148 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure terschaften werden als eine „Mischung aus Titelkämpfen, Happening und Spiritualität“ bezeichnet. An der mehrtägigen Veranstaltung, die 2014 vom 6.-9. Juni in Mainz stattfand, nahmen ca. 5.000 SportlerInnen aus den DJK-Vereinen teil. 3.3.4.3 Makkabi Deutschland Der Jüdische Sportverband Makkabi Deutschland ( www.makkabi.com) ist als Verband mit besonderen Aufgaben Mitglied im DOSB organisiert und verfügt über 37 Vereine und ca. 4.000 Mitglieder. Die European Maccabi Confederation veranstaltete die 14. Europäischen Maccabi Games ( www.emg2015.com) vom 27. Juli bis 5. August 2015 erstmals in Deutschland. Alle 2.500 Athleten aus 36 Ländern übernachteten während der neuntägigen Spiele gemeinsam in einem Berliner Hotel. Obwohl innerhalb der jüdischen Gemeinden auch Bedenken um den Austragungsort der Berliner Olympiastätten von 1936 geäußert wurden, charakterisierte der Präsident von Makkabi Deutschland Alon Meyer die Sportgroßveranstaltung, als „Spiele der Versöhnung“. „Zum ersten Mal finden die EMG2015 in Deutschland statt - genau 70 Jahre nach Ende der Shoa und 50 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel. Als Ausrichter feiert Makkabi Deutschland e.V. im Jahre 2015 ebenfalls 50-jähriges Bestehen seit seiner Wiedergründung nach dem Krieg. Die EMG2015 werden genau an dem Ort ausgetragen, wo deutschen Juden die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 verboten wurde - im Berliner Olympiapark.“ ( www.emg2015.de/ europaeischen-makkabi-spiele/ die-emg2015/ emg2015-berlin/ ). 3.3.4.4 Islamische Organisationen Für die zahlreichen islamischen Organisationen in Deutschland können Sportaktivitäten in Form von Turnieren angeführt werden, die (unter Vorbehalt) nicht das Format von Sportgroßveranstaltungen mit touristischen Effekten erreichen. Die für Muslime mindestens einmal im Leben durchzuführende Pilgerreise („Hadsch“) nach Mekka (Saudi-Arabien) ist als eine ausschließlich mit religiösen Motiven begleitete anzunehmen. Die Fragestellung nach einer (zumindest teilweisen) Zweckentfremdung, wie sie sich für Pilgerreisen im christlichen Kontext inzwischen stellt, dürfte für Gläubige des Islams und für die entsprechenden Organisationen irrelevant sein. <?page no="146"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 149 3.3.4.5 Exkurs: Pilgern als Sporttourismus! ? In den letzten Jahren sind Pilgerwanderungen mit spirituellen Sinnangeboten sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche zunehmend populärer geworden. 94 Die Evangelische Akademie Loccum hat in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Kirche im Tourismus im Haus kirchlicher Dienste der Evangelischlutherischen Landeskirche Hannover 2013 eine Tagung mit dem Thema „Highway to Health - Pilgern auf Rezept? Pilgern, Gesundheit und Heil“ veranstaltet. Der Evangelische Pressedienst dokumentierte die Tagung („Den Fußspuren Gottes folgen“, Nr. 46, Nov. 2013), der u.a einen Beitrag von Christian Kurrat enthält und danach fragt: „Pilger - Was für Typen sind das denn? “. Kurrat und Heiser haben Feldstudien auf dem Jakobsweg in Spanien, dem in Europa wohl bekanntesten Pilgerweg, durchgeführt. 95 Im Jahr 2010 pilgerten etwa 272.000 Menschen nach Santiago de Compostela, davon 14.496 aus Deutschland. (Gamper; Reuter 2012, S. 210) Die Ergebnisse aus den narrativen Interviews mit Pilgern wurden zu fünf biographischen Mustern zusammengefasst. Nachfolgend werden die Passagen mit Körper- und Bewegungsbezug zitiert. Ob die Formen des Pilgerns sporttouristische Elemente beinhalten oder diese gar dominieren, war nicht explizit Gegenstand von Kurrats Analysen und soll hier nachholend erfolgen. Die Bewertung lässt sich nicht an den Kriterien Streckenlänge oder Anstrengung vornehmen. Entscheidend ist, ob der Sinnkern religiöser Spiritualität, außerreligiös-individueller Spiritualität (mit in all seinen verschiedenen, auch funktionalen Erscheinungsformen) oder die sportbezogene Wette gegen sich selbst (sensu Güldenpfennig) dominiert. Biographische Bilanzierung: „Die Körperlichkeit, die Erfahrung von Schmerzen beschreiben sie als Buße für negative Erfahrungen ihres Lebens.“ (Kurrat 2013, S. 5) Dominant ist eine selbstbezügliche Retrospektive durch Pilgern und ohne sporttouristische Ambitionen. Biographische Krise: „Die Körperlichkeit dient für die Krisenpilger als eine Form der Reinigung. Sie beschreiben die körperliche Anstrengung und die Schmerzen als ein Wiedererlangen des Gleichgewichtes von Körper, Geist und Seele, das durch das Krisenereignis durcheinander geraten ist.“ (Kurrat 2013, 94 Entsprechend der gestiegenen Nachfrage entstanden in jüngster Zeit zahlreiche Publikationen zum Thema Pilgern: Lidell & Schultz, 2010; Reuter & Gamper 2012a, 2012b, 2013; Kurrat 2013 sowie Heiser & Kurrat 2014. 95 Siehe den von Kurrat und Heiser herausgegebenen Sammelband 2012. <?page no="147"?> 150 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure S. 6). Dominant ist eine funktionale Nutzung des Pilgerns für individuelle Zwecke, ohne sporttouristische Ausrichtung. Biographische Auszeit: „Die Körperlichkeit lässt diese Menschen den Rhythmus und die Gelassenheit wiederfinden, die ihnen in dem stressigen Alltag verloren gegangen ist.“ (Kurrat 2013, S. 6) „Rausgehen aus dem heimischen Umfeld und sportlich aktiv werden, das ist offenbar das Rezept bei Menschen, die eine Auszeit suchen.“ (Kurrat 2013, S. 7) Auch hier wird Pilgern einer funktionalen Nutzung zugeführt, teilweise mit sporttouristischen Bezügen. Biographischer Übergang: „Die Körperlichkeit beschreiben sie als eine Art Reifeprüfung. [...] Ältere Menschen, die nach dem Ende des Berufslebens ins Rentnerdasein pilgern, beschreiben, dass sie ihrem Umfeld Leistungsfähigkeit demonstrieren wollen.“ [...] „Ja, dann habe ich mich gefragt, ob ich das machen kann, ob ich es körperlich schaffe [...]“ (Kurrat 2013, S. 7). Der religiöse bzw. spirituelle Sinnkern wird häufig zugunsten eines sportlichen Sinnkerns verlagert und bekommt dadurch eindeutig sporttouristische Bezüge. Biographischer Neustart: „Die Körperlichkeit beschreiben uns diese Menschen als einen Beweis für einen Neustart. Sie bezwingen ihren eigenen Körper und zeigen durch die körperlichen Schmerzen, dass sie große Anstrengungen auf sich genommen haben, um ein neues Leben zu beginnen. [...] Sie wollen eine Heldengeschichte vorbereiten.“ (Kurrat 2013, S. 8) Der Pilgerweg erscheint als Sehenswürdigkeit und wird sowohl von den Akteuren als auch vom sozialen Umfeld als eine besondere Herausforderung anerkannt. Diese Herausforderung kommt der „Wette gegen sich selbst“ als Sinnkern des Sports am nächsten und prägt damit den sporttouristischen Bezug am deutlichsten heraus. Gamper und Reuter (2012) haben in einer sehr aufwändigen Studie 1.147 Pilger nach sozialstrukturellen Angaben und Motiven befragt. Die Befragten äußerten sich zu 17,3 %, dass „sich bewegen/ Sport treiben“ eines ihrer Motive sei (Mehrfachnennungen waren möglich) (S. 220). Insgesamt haben die Autoren der Studie ebenfalls fünf Typen von Pilgern identifiziert, darunter den Typ „Sportpilger“, dem sie „profane“ Beweggründe zuordnen, da es ihnen vornehmlich um die „körperliche Herausforderung“ geht. Der „Sportpilger“ wird als ein Typus beschrieben: <?page no="148"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 151 „der den Weg nach klaren Etappenzielen vorab einteilt und für den weniger die religionsgeschichtliche Tradition als vielmehr der abwechslungsreiche Streckenverlauf, die Wegbeschaffenheit (Höhenmeter) sowie die gute Infrastruktur an Routen und Herbergen zählt, sind vor allem junge Männer anzutreffen, die meist in Kleingruppen von 2-3 Personen zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Wegabschnitte absolvieren. Zum Teil werden sehr lange Einzeletappen eingeplant, von 30 und mehr Kilometern, gerade um die physischen Grenzen auszutesten. Insofern ist ihre Art des Pilgerns durchaus als eine abgewandelte Form des ‚Extremsports‘ zu betrachten.“ Quelle: Gamper; Reuter 2012, S. 225 3.3.5 Sozialbereich 3.3.5.1 Wohlfahrtsverbände Stellvertretend für den Sozialbereich wird auf die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtsverbände verwiesen, die sich sowohl aus der Tradition der Kirchengeschichte entwickelt haben, als auch aus den Notlagen unabgesicherter frühkapitalistischer Lebenslagen eines Großteils der Arbeiterklasse. Inzwischen sind die Wohlfahrtsverbände Träger für zahlreiche Aufgaben und Maßnahmen der Jugendhilfe sowie eigener sozialer Aufgaben. Die als gemeinnützig anerkannten Organisationen werden als religiös, humanitär oder politisch ausgerichtet ausgewiesen. 96 Gemeinsam ist allen Organisationen das Engagement für sozial Benachteiligte, Ausgegrenzte und/ oder Hilfebedürftige, was je nach Selbstverständnis zu unterschiedlichen Ebenen des Handelns führt. Das organisationsspezifische Handeln kann auf einen individuell-lindernden Fokus ausgerichtet sein, darüber hinaus auf Selbständigkeit und Handlungsfähigkeit der Subjekte abzielen und, die Subjektebene verlassend, sich organisationspolitisch gegen gesellschaftliche Ursachen sozialer Benachteiligung wenden. Seit einiger Zeit findet eine grundsätzliche Debatte um die Ökonomisierung Sozialer Dienste und Sozialer Arbeit statt, die zwischen den Polen von Wirtschaftlichkeit und Effizienz vs. Empathieverlust und der Preisgabe sozialer Standards geführt wird. 96 Als Spitzenverbände gelten Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Paritätische Wohlfahrtsverband (Der PARITÄTISCHE), Deutscher Caritasverband (DCV), Diakonie Deutschland, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) und Deutsches Rote Kreuz (DRK). <?page no="149"?> 152 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die Wohlfahrtsverbände weisen unterschiedliche Strukturen von Landes-, Bezirks-, Kreis- und Ortsverbänden samt Jugendorganisationen und Bildungswerken auf, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Grundsätzlich sind Reiseangebote im Handlungsspektrum aller Wohlfahrtsverbände verankert. Das Deutsche Rote Kreuz legt bspw. einen Schwerpunkt auf Seniorenreisen, die selbstverständlich auch Bewegungs- und leichte Sportangebote beinhalten. Abb. 17: Reisekatalog Deutsches Rotes Kreuz. Quelle: www.drk-reise.de/ wp-conte nt/ uploads/ 2014/ 12/ Reise- Service_Katalog_2015.pdf Die Arbeiterwohlfahrt bietet durch ihre Ferienwerke bzw. Kreisjugendwerke Reisekataloge an und wird organisatorisch und finanziell von den AWO-Erwachsenenverbänden unterstützt, die ihrerseits vorwiegend Angebote für einkommensschwache Familien anbieten. Ein Großteil der Reisen beinhaltet insbesondere für Kinder und Jugendliche ein Sportangebot, das sich an spielerischen, geselligen und breitensportlichen Formen orientiert. Abb. 18: Ferienkataloge des Jugendwerks der AWO. Quelle: www.jugendwerkessen.de <?page no="150"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 153 Die Grundsätze der AWO zum Reisen weisen in den einzelnen Ortsbzw. Kreisverbänden große Überschneidungen auf. Exemplarisch kann der konzeptionelle Anspruch durch den Ortsverein Karlsruhe ( www.awo-reisen.de) dargestellt werden. Beispiel „Unter Berücksichtigung von Emanzipation, Integration und Selbstachtung bieten wir den Teilnehmern ein attraktives Freizeitangebot. Durch diese Grundsätze grenzen wir uns bewusst von vielen kommerziellen Anbietern ab. Bei der Planung unserer Reisen sind von Anfang an der direkte Bezug zur Natur und die Umsetzung des ‚sanften Tourismus‘ wesentliche Bestandteile. Darunter verstehen wir andere Kulturen kennenzulernen, sie wertzuschätzen und zu respektieren. Weitere Qualitätsmerkmale unserer sozialen Arbeit sind: Freiräume bieten, Förderung der Kreativität, Gemeinschaft erleben, solidarisches Handeln sowie die Möglichkeit am Freizeitgeschehen demokratisch mitzuwirken.“ Quelle: www.awo-reisen.de Eine konzeptionelle Nähe zu den Naturfreunden ist unverkennbar, die im Übrigen korporatives Mitglied der AWO sind, da beide Organisationen auf einen vergleichbaren historischen Hintergrund zurückschauen können. 3.3.6 Politik und Umwelt 3.3.6.1 Gewerkschaften Der Deutsche Gewerkschaftsbund mit seinen Mitgliedsgewerkschaften hat derzeit 6,1 Mio. Mitglieder (Stand 2014). Zusätzlich zum „Tagesgeschäft“ gewerkschaftlicher Interessenspolitik werden diverse Serviceleistungen für Mitglieder angeboten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat für alle Gewerkschaftsmitglieder sowie einige „befreundete“ Organisationen eine eigene GmbH gegründet, die in Kooperation mit Reiseveranstaltern günstige Urlaubsmöglichkeiten offeriert. „Die GEW Ferien GmbH verfolgt das Ziel, die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen im Organisationsbereich der IG Bauen- Agrar-Umwelt und ihrer Schwestergewerkschaften im DGB sowie ihrer Familien zu erhalten und zu fördern. Dazu gehört es auch, den ArbeitnehmerInnen vergünstigste Urlaubsmöglichkeiten zum Sonderpreis anzubieten.“ ( www.gewferien.de) Durch eine Schwerpunktsetzung auf das Thema Gesundheit werden auch explizit sportorientierte Urlaube angeboten. <?page no="151"?> 154 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Beispiel „Fit und aktiv ins Frühjahr“ Allgäu - Ferienclub Maierhöfen. Starten Sie ganz erholt und entspannt in den Frühling. Lassen Sie sich im Ferienclub Maierhöfen kulinarisch verwöhnen und genießen Sie gemeinsame Freizeitaktivitäten mit unserem täglichen Sport- und Animationsprogramm für die ganze Familie. Inklusivleistungen: 7 Übernachtungen im Bungalow Edelweiß täglich Frühstück vom leckeren Buffet täglich Abendessen entweder als Drei-Gänge-Menü oder als Themenbuffet Nutzung von Erlebnisbad „Aquarosa“ und Sauna Teilnahme am Sport- und Animationsprogramm (z.B. Tischtennis, Wassergymnastik, Wanderungen, Nordic Walking oder Pilates) GEWolino Spieleparadies 27.2.-18.3.2016 und 9.4.-13.5.2016 Quelle: www.gew-ferien.de/ uploads/ media/ GEW_Urlaubsmagazin_2016.pdf, S. 28 Darüber hinaus bieten die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und zusätzlich einige Landesverbände (z.B. Niedersachsen) ebenfalls Serviceleistungen im touristischen Bereich an ( www.gdp-service-touristik.de). Im Jugendbereich werden seit Ende der 1970er Jahre von der DGB-Jugend Reisen angeboten. Die konzeptionelle Ausrichtung konzentriert sich auf „niedrigschwellige Jugendfreizeiten für interessierte Jugendliche als auch politische Jugendfahrten für Gewerkschaftsmitglieder“ ( www.dgb-andersreisen.de). Sportaktivitäten sind ein zentraler Bestanteil der Angebote. Exemplarisch wird eine Ausschreibung für eine Kanutour aufgeführt, die, anders als noch in den 1970er und 1980er Jahren, keine gesellschaftspolitischen AGs mehr beinhaltet. Beispiel Kanu Tarn - Frankreich 29.6.-13.7.2015 Du möchtest in deinem Urlaub sowohl sportlich aktiv sein, als auch am Strand relaxen? Mit dieser Reise findest du garantiert den richtigen Mix. <?page no="152"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 155 In der ersten Woche werden wir den Tarn mit dem Kanu befahren und erkunden. Nach einer ersten Nacht und einer ausführlichen Kanu-Einweisung starten wir am zweiten Tag in das Abenteuer Kanutour. Mit leichtem Gepäck, einer Campingküche und wasserdichten Gepäcktonnen entdecken wir die herrliche Landschaft und ihre Schluchten, kleine Dörfer und Höhlen. Dabei werden wir jede Nacht auf einem anderen Campingplatz übernachten. Bei ausgedehnten Pausen haben wir die Möglichkeit, im türkis-blauen Wasser des Tarns zu schwimmen. Die Tagesetappen sind so ausgewählt, dass auch Kanu-Unerfahrene sie ohne Probleme bewältigen können. Nach sechs spannenden Paddeltagen mit jeder Menge Action und Abwechslung auf dem Fluss wartet am Ende unser Transferbus, der uns zum spanischen-bzw. französischen Mittelmeer fährt (Info erfolgt im Januar 2015). Dort werden wir eine Woche Strandurlaub genießen können. Von unseren Zelten unter schattenspendenden Bäumen bis zum breiten Sandstrand sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Auch im Camp habt ihr die Möglichkeit, euch z.B. beim Beachvolleyball oder Mountainbiken sportlich zu betätigen. Quelle: www.dgb-andersreisen.de 3.3.6.2 Naturfreunde Die Naturfreunde e.V. führen den Zusatz „Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur“. Damit wird nicht nur ein inhaltlicher, sondern auch ein programmatischer Hinweis auf die Aktivitäten des Verbandes gegeben. Insgesamt beläuft sich die gesamte Mitgliederzahl auf 500.000, die sich auf 47 Länder verteilt. In Deutschland existieren etwa 400 (von weltweit ca. 1.000) Naturfreundehäuser, die seit der 1895 erfolgten Gründung in Eigenarbeit oder „genossenschaftlicher Selbsthilfe“ erstellt wurden und zu Bildungs-, Freizeit- und Erholungszwecken dienen. 97 Die sportlichen Aktivitäten durch Wandern und Klettern waren zur Gründungszeit keine Selbstverständlichkeit. Der ungehinderte landschaftliche Zugang zu den Bergen war nicht möglich, da die Grundbesitzer über das Betretungs- und Wegerecht verfügten. So wie reduzierte Arbeitszeiten und ein freier Sonntag von der Arbeiterbewegung erkämpft werden mussten, galt dies auch für den Zugang zur „Natur“. 97 Zur Geschichte der Naturfreunde siehe insbesondere Zimmer 1984 und Erdmann; Zimmer 1991. Die Naturfreundejugend ist eine formal eigenständige, dennoch aber eng an die Naturfreunde angelehnte Organisation ( www.natur-freundejugend.de). <?page no="153"?> 156 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Ein früher konzeptioneller Entwurf der Naturfreunde drückte sich im „sozialen Wandern“ aus. Im späteren Verlauf gesellte sich das vergleichbare Konzept der „sozialen Pedale“ hinzu. „Soziales Wandern besteht im Achten auf die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse und bezieht sich durchaus nicht nur auf die arbeitenden Menschen [...]“ (Der Naturfreund, 1930). 98 Das Reiseverständnis der Naturfreunde beinhaltete bereits vor über hundert Jahren eine Praxis, die in den letzten drei Jahrzehnten unter dem Begriff des nachhaltigen Tourismus diskutiert und bspw. im forum anders reisen e.V. ebenfalls praktiziert wird. 99 Die Naturfreunde Berlin geben ihre aktuelle Sicht auf ihr Reise- und Sportverständnis wieder, dass stellvertretend für alle Naturfreunde-Mitglieder angenommen werden kann: Beispiele „Reisen betreiben wir auf die sanfte Tour. Sport- und Familienreisen zählen ebenso zu unserem Programm wir Kinder- und Bildungsfahrten. Reisen ermöglichen unschätzbare Erfahrungen und neue Freundschaften. Die Naturfreunde haben dabei ihren Anteil an der Entwicklung zum Tourismus, indem sie für das Recht und die Möglichkeit eines Jeden eintraten, Reisen zu unternehmen und sich frei zu bewegen. Dennoch sind wir uns der Schattenseiten des Tourismus bewusst: Das ungleiche Verhältnis zwischen ‚Reisenden‘ und ‚Bereisten‘ in Dritte-Welt-Ländern wird von uns ebenso thematisiert, wie die sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen in den Touristenorten. Wir suchen nicht die Unterschiede in der ‚Fremde‘, sondern interessieren uns für die Gemeinsamkeiten und die sozialen Verhältnisse der Menschen, die wir bei Reisen treffen.“ Quelle: www.naturfreunde-berlin.de 98 Der ehemalige Präsident der Naturfreunde Internationale Manfred Pils gibt in seinem Artikel zum Reisen und zum Internationalismus einen kurzen Überblick über die Entstehung des sozialen Wanderns (Pils 2009). 99 Auf der Homepage der Naturfreunde International finden sich zahlreiche Publikationen zum Thema sanftes Reisen bzw. nachhaltiger Tourismus. Siehe bspw. www.nfi.at/ / dmdocuments/ Nachhaltiger Tourismus.pdf. <?page no="154"?> 3.3 Non-Profit-Organisationen 157 „Die Naturfreunde setzen sich auch im Sport für eine solidarische Praxis ein und betrachten Konkurrenz- und Wettkampfsportarten kritisch. Naturfreunde arbeiten an einem emanzipatorischen Sportbegriff und grenzen sich von dem Idealbild eines perfektionierten Körpers entschieden ab. Leistungsansprüche, Lernziele, Übungsformen und Ausbildungen werden von uns unter diesem Aspekt kritisch überprüft.“ Quelle: www.naturfreunde-berlin.de Die betriebenen Sportarten sind seit der Gründung deutlich ausgeweitet worden und fokussieren sich ganz überwiegend auf eine breite Palette von Natursportarten mit Geräteeinsatz. Parallel zur sporttouristischen Praxis wird der nachhaltige Ansatz über die eigene ÜbungsleiterInnenausbildung begleitet. Abb. 19: Katalogseite „Klassenfahrten in Naturfreundehäuser“. Quelle: www.naturfreunde.de/ klassenfahrten Von den 400 Naturfreundehäusern in Deutschland können diejenigen für Klassenfahrten genutzt werden, in denen die Teams vor Ort „Erlebnispädagogik, Umweltbildung, Naturerlebnisprogramme, Programme mit inklusivem Ansatz, Waldpädagogik, Outdoor-Aktiv-Angebote“ anbieten ( www.naturfreunde.de/ klasse-rein-die-natur). 3.3.6.3 Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club Deutschland Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club Deutschland e.V. (ADFC) gründete sich 1979 in einer Phase der aufkommenden sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland. Mit inzwischen über 150.000 Mitgliedern versteht sich der Verband als Interessenvertreter für den Fahrradverkehr und Umweltschutz sowie als Dienstleister. In § 2 der Satzung des ADFC wird als weiterer Zweck aufgeführt: „die Bevölkerung [...] zu Erholungszwecken zu beraten und durch Informationen und durch sonstige geeignete Dienstleistungen zu unterstützen.“ ( www.adfc.de/ ueberuns/ satzung/ satzung-des-adfc) <?page no="155"?> 158 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Innerhalb der Regional- und Stadtplanungsprozesse bspw. zum Radewegebau ist der ADFC als so genannter Träger öffentlicher Belange anerkannt und vielfach eingebunden. Darüber hinaus ist er in beratender Funktion für das Bundesverkehrsministerium tätig. Für den sporttouristischen Bereich informiert der ADFC über Radfernwege, Regionsnetze, unterbreitet Tourenvorschläge, vergibt Gütesiegel zu „Qualitätsradrouten“ und „RadReiseRegionen“ und hält die Datenbank „Bett + Bike“ vor, in der 5.500 Unterkünfte mit einheitlichen Qualitätsstandards aufgelistet sind. Zudem überprüfen eigene ADFC-Scouts regelmäßig ausgewählte Touren. Abb. 20: Bett + Bike Label des ADFC. Quelle: www.bettundbike.de Darüber hinaus wurde eine „Mitradelzentrale“ eingerichtet, die es einzelnen RadfahrerInnen erlaubt, anhand unterschiedlicher Kriterien (Streckenlänge, Reisegeschwindigkeit etc.) passende Reisepartner zu finden. Ein Kernelement der Informations- und Marketingaktivität ist die jährlich durchgeführte Radreiseanalyse. Sie liefert eine Vielzahl an Marktforschungsdaten zum Thema. Dem ADFC ist es in den letzten Jahren gelungen, mit zahlreichen Verbänden zu kooperieren bzw. Mobilitätspartnerschaften einzugehen, auch um den Fahrradtourismus auf strategisch-politischer Ebene zu fördern. Zu den Partnern gehören u.a. die Deutsche Bahn, DB Rent, das Fahrradverleihsystem nextbike, MeinFernbus, google maps, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) (mit Fahrradfreundliche Betriebe) sowie die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) mit der gemeinsam herausgegebenen Broschüre „Deutschland per Rad entdecken“. Abb. 21: ADFC-Radreiseanalyse 2015. Quelle: www.adfc.de/ radreiseanalyse/ die-adfcradreiseanalyse-2015 <?page no="156"?> 3.4 Private Haushalte 159 3.4 Private Haushalte Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … den Zugang zu den kulturellen Feldern Sport und Tourismus als gesellschaftliche Rahmung zu verstehen. Begründungen für die Teilhabe am Sporttourismus. positive Veränderungen und Beharrungen verschiedener Formen sozialer Ungleichheit zu erkennen. Sport(-tourismus) als inzwischen lebensbegleitende Aktivitäten zu verstehen und die positiven Verschiebungen der Alterskohorten zu erkennen. die förderlichen und hemmenden Einflüsse von Schulbildung, Einkommen und Beruf für eine sporttouristische Aktivität zu beurteilen. die Engführung des Begriffs „Behinderung“ kennen und den Anspruch auf ein Design für alle zu verstehen. Der Begriff der privaten Haushalte verleiht diesem Kapitel lediglich exemplarisch seinen Titel. Zuzuordnen ist der Begriff der privaten Haushalte vornehmlich der Volks- und Betriebswirtschaft, nach deren Logik Konsumenten bzw. Abnehmer von Waren und Dienstleistungen zu fassen sind. Aus der Position der verschiedenen Non-Profit-Organisationen wären weiterhin „Mensch“, „Mitglied“ oder „Klientel“ entsprechende Bezeichnungen. Staatliche Institutionen verwenden den Begriff des „Bürgers“. Die Gesellschaftswissenschaften konzentrieren sich auf „Subjekt“ oder „Individuum“ und die Rechtswissenschaften auf den Begriff der „Person“. Hinter den jeweils unterschiedlichen Begriffen stehen also spezifische Beziehungsverhältnisse, Konzeptionen und Logiken. Wenn also hier (u.a.) der Begriff der privaten Haushalte Verwendung findet, dann nicht in der konsumzuweisenden Engführung der Volks- und Betriebswirtschaft, sondern, stellvertretend für ca. 80 Millionen Bürger in Deutschland, die zu einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen, Institutionen und Organisationen spezifische Beziehungen pflegen. Insofern wird deutlich, dass Sporttourismus nicht nur eine konsumierende Praxis auf Kundenbasis ist, sondern auch eine selbstorganisierende oder gar selbsterzeugende kulturelle Praxis. <?page no="157"?> 160 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.4.1 Datenlage zum Sporttourismus privater Haushalte Die Datenlage zum Thema Sporttourismus erweist sich aufgrund uneinheitlicher Erhebungsfragestellungen als schwierig. Erschwerend kommt mitunter hinzu, dass methodisch fragwürdig Sportaktivitäten gemeinsam mit Bewegungsaktivitäten und Alltagsmotorik erhoben und damit die Ergebnisse erheblich verwässert werden. Die im Verlauf erfolgende Präsentation, Teilauswertung und Re-Interpretation zugänglicher Datensätze stützt sich zum einen auf tourismusbezogene Studien, die von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) jährlich erhobene Reiseanalyse, auf die vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub Deutschland (ADAC) jährliche, als Reisemonitor bekannte Mitgliederbefragung sowie auf die vom Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr (dwif) veröffentlichte Studie zu den Tagesreisen der Deutschen. Zum anderen werden die Sportkonsumstudie von Preuss, die halbjährlich durchgeführte Markt-Media-Studie der Arbeitsgemeinschaft Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA), der jährlich erhobene Freizeitmonitor der Stiftung für Zukunftsfragen sowie die Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA) mit einbezogen. 100 Studie und Träger Befragte Jahr der Erhebung Reiseanalyse (RA) 2015 der FUR n=7.500 ab 14 Jahre 2014 Reisemonitor 2015 des ADAC n=2.800 Mitglieder 2014 Tagesreisen 2013 des dwif n=36.400 ab 14 Jahre 2013 Sportkonsum 2012 von Preuss/ Uni Mainz n=7.000 keine Eingr. 2009 Markt-Media-Studie 2015 der AG VuMA n=23.000 ab 14 Jahre 2014 Freizeitmonitor 2014 der Stiftung für Zukunftsfragen n=4.000 ab 14 Jahre 2013 AWA 2015 des Instituts für Demoskopie Allensbach n=25.000 ab 14 Jahre 2014 Tab. 23: Ausgewählte Studien zu Sport und Tourismus 100 Die Stiftung für Zukunftsfragen ist ein von der British American Tobacco Deutschland GmbH finanziertes Institut. <?page no="158"?> 3.4 Private Haushalte 161 Allgemeine Daten zur Sport- und Reiseaktivität Während etwa drei Viertel aller Bundesbürger mindestens einmal pro Jahr eine Urlaubsreise von wenigstens 5 Tagen Dauer unternehmen, treibt etwa ein Drittel regelmäßig, das heißt mindestens einmal pro Woche, Sport. Werden Aktivitäten hinzugezählt, die sich auf mindestens einmal pro Monat Sport treiben beziehen (bspw. Golfen, Kanu fahren oder Surfen), so ergeben sich Werte von ca. 45 %, gegenüber 55 % der Bevölkerung, die nur sehr sporadisch oder gar nicht Sport treiben. Studie Häufigkeit Sportaktive Preuss/ Uni Mainz mindestens einmal pro Woche 34,3 % Markt-Media VuMa mehrmals in der Woche + mehrmals im Monat 36,6 % Freizeitmonitor Stiftung für Zukunft mindestens einmal pro Woche 36,0 % Tab. 24: Sportaktivität Wer im Alltag regelmäßig Sport treibt, dürfte dieser Praxis auch im touristischen Kontext nachgehen und zusätzlich animiert eine attraktive Sportinfrastruktur auch sportpassive Personen, so dass Werte von 40 % zu erwarten wären. Einschränkend muss allerdings angeführt werden, dass innerhalb des sozialen Kontextes, in dem Reisen stattfindet, bspw. lang andauernder Ausdauersport vom Partner/ von der Partnerin nicht immer goutiert werden. Zudem eröffnen verschiedene Reiseformen (Städtetourismus, Fernreisen, Bildungsreisen) aus ihrer Logik oder ihren Angeboten heraus deutlich weniger Möglichkeiten, einer (zumindest intensiven) Sportaktivität nachzugehen. Zu unterscheiden sind also Reisen, die explizit als Sportreise intendiert sind, und Reisen, die Sport, neben anderen kulturellen Praxen, ermöglichen und bisweilen auch nur zufällig ermöglichen (siehe auch Dreyer 2004, S. 351 und Schwark 2006a, S. 76). Reisen war in den 1950er Jahren einer Minderheit von etwa einem Viertel der Bevölkerung vorbehalten. Die so genannte Reiseintensität erhöhte sich innerhalb von vier Jahrzehnten auf den damaligen Höchststand von 78 % (1995), um dann in den letzten zwei Jahrzehnten auf einem Niveau von etwa 75 % zu verharren (siehe diverse Jahrgänge der Reiseanalyse). Ergänzend können die von Goebel zitierten Zahlen des Sozioökonomischen Panels als weitere Referenz herangezogen werden. Der Anteil derer, die angaben, keine mindestens einwöchige Urlaubsreise pro Jahr zu unternehmen, schwankt um 25 % und deckt sich mit den Zahlen der Reiseanalyse. <?page no="159"?> 162 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Jahr Anteil der Personen Tab. 25: Keine mindestens einwöchige Urlaubsreise. Quelle: Goebel et al. 2015, S. 573 2013 22,4 % 2011 22,0 % 2007 28,3 % 2005 26,6 % 2003 23,9 % 2001 18,7 % Ein weiterer allgemeiner Befund ist die seit drei Jahrzehnten andauernde reduzierte Dauer der Haupturlaubsreise von vormals 17,5 Tagen auf inzwischen 12,9 Tage. Äquivalent dazu ist die Anzahl der Kurzurlaubs- und Tagesreisen angestiegen. Jahr Ø Tage Tab. 26: Dauer der Haupturlaubsreise. Quelle: Reiseanalyse, diverse Jahrgänge 2014 12,9 2004 14,0 1994 15,6 1984 17,5 Obwohl die durchschnittliche Dauer der Haupturlaubsreise sinkt, steigt die Gesamtsumme der Reiseausgaben, wie die ersten Ergebnisse der Reiseanalyse 2015 auf den ersten Blick suggerieren. „Noch nie waren die Ausgaben für Urlaubsreisen (5 Tage und länger) so hoch wie 2014: Sie stiegen gegenüber dem Vorjahr um 5 % auf über 67 Mrd. € […]“ (Reiseanalyse 2015). Allerdings wird von den Autoren der FUR die Preissteigerungsrate nicht berücksichtigt. Inflationsbereinigt hätten die Ausgaben (indexiert bei 2000 = 100) bei 71,5 Milliarden liegen müssen. Das ist ein Minus von 6,25 %! Obwohl sich die FUR in ihrem Portrait mehrfach als „neutral“ etikettiert, lesen sich die wirtschaftspolitischen Aussagen bisweilen etwas unangemessen euphorisch und eng an die Verlautbarungen der Bundesregierung angelehnt. „Die konjunkturelle Ausgangslage in Deutschland verbessert sich zusehends. Sowohl für die beruflich motivierten Reisesegmente wie auch für private Reisen sind die ökonomischen Voraussetzungen in Deutschland am Ende des Jahres 2013 wie auch prospektiv für 2014 positiv zu bewerten. Denn: Die genannten Reisen sind unmittelbar und mittelbar Funktionen der Faktoren konjunktureller ‚Schwung‘, Beschäftigung (‚Aufträge‘, ‚Jobs‘), Stabilität der Erwerbs- und Transfereinkommen (u.a. Renten, Pensionen, Kindergeld) und damit der Kaufkraft. <?page no="160"?> 3.4 Private Haushalte 163 Allerdings: Diese recht günstigen Rahmenbedingungen finden in den faktischen Eckdaten der deutschen ‚Reisebilanz‘ nicht in gleichen Maßen ihren Niederschlag.“ (Ziesemer; Lohmann 2014) Abb. 22: Gesamtsumme der Reiseausgaben (in Mrd. Euro). Quelle: Reiseanalyse 2015, Erste Ergebnisse Die wirtschaftlichen Eckdaten für die Beschäftigten in Deutschland werden von den Autoren der FUR beschönigt. Weder die Reallöhne, die Kaufkraft noch die Lohnquote haben in den letzten beiden Jahrzehnten in nennenswertem Ausmaß eine Steigerung erfahren. Im Gegenteil! Der Beschäftigungsschwung beruht ganz überwiegend auf Teilzeitstellen (die nur von einer Minderheit auch gewünscht sind) und Minijobs. Volle, unbefristete Beschäftigungsverhältnisse sind gegenüber allen anderen Beschäftigungsverhältnissen inzwischen in der Minderheit. Die Einkommens- und Vermögensentwicklung unterliegt ebenfalls einer zunehmenden Spreizung, so dass in Deutschland ca. 40 % der Bevölkerung über kein Vermögen verfügt und ca. 15 % der Bevölkerung sich in Armut befindet. Insofern wundert der fehlende „Niederschlag“ der vermeintlich guten Eckdaten nicht. Zum einen sind aufgrund des weiter zunehmenden Wettbewerbsdrucks im Tourismus die Reisepreise unterhalb des Verbraucherpreisanstiegs geblieben. Zum anderen sinkt die Kaufkraft großer Teile der Bevölkerung seit Jahren. Im Zeitraum 1992 bis 2012 sanken die Reallöhne um 1,6%. Seit demselben Zeitraum stagnieren im Übrigen auch die Einzelhandelsumsätze in Deutschland. Die Entwicklung der Vermögen verläuft darüber hinaus in eine Richtung, die es ca. 49,2 53,4 58,7 60,3 63,3 64,1 67,3 0 10 20 30 40 50 60 70 80 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 <?page no="161"?> 164 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 40 % der Bevölkerung nicht mehr ermöglicht, nennenswerte Rücklagen zu bilden, respektive Schulden abzubauen. 101 Abb. 23: Vermögensverteilung (Perzentiluntergrenzen) 2012. Quelle: SOEP, zit. n. Bank/ Treeck 2015 Abb. 24: Reiseintensität in Prozent nach Nettoeinkommen in Euro. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen 101 Allgemeine Ausführungen zur angeführten Datenlage finden sich unter www. destatis.de sowie spezifische Zusammenstellungen unter www.armuts-und-reichtumsbe richt.de; www.boeckler.de/ index_wsi. htm; www.der-paritaetische.de/ armutsbericht/ die-zerklueftete-republik. -200000 0 200000 400000 600000 800000 1000000 p1 p5 p10 p25 Median p75 p90 p95 p99 56,9 48,1 61,6 75,1 80,3 86,6 88,3 86,7 94,4 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 bis 499 500-999 1000-1499 1500-1999 2000-2499 2500-2999 3000-3499 3500-3999 4000 u. mehr <?page no="162"?> 3.4 Private Haushalte 165 Aus den vorangegangen Ausführungen und Grafiken ergibt sich zusätzlich ein Bild, demzufolge die in der Reiseanalyse ausgewiesene einkommensstärkste Gruppe eine Reiseintensität von 94,4 % verzeichnen kann, während die untere Gruppe auf einen Wert von lediglich 48,1 % kommt. 102 Um die jüngsten Ergebnisse und Daten der Reiseanalyse 2015 nutzen zu können, wird von der FUR ein Betrag von derzeit 9.900 Euro erhoben. Das ist eine Summe, die i.d.R. nicht von Hochschulen oder Privatpersonen aufgebracht werden kann. Beim Zentralarchiv für empirische Sozialforschung an der Universität Köln sind die einige Jahre zurückliegenden Reiseanalysen samt Komplettdatensatz (in diesem Fall die RA 2010) für hochschulische Forschungseinrichtungen, aber auch für Studierende zu erhalten. 103 Aus diesem Fundus wurden die nachfolgenden Daten generiert. Im Gegensatz zu früheren Jahren wird in der Reiseanalyse nicht mehr explizit nach einer Sportreise, sondern, für unsere Themenstellung uneindeutiger, nach Aktivreisen gefragt. In der Reiseanalyse von 2010 gaben 12,2 % der Befragten an, dass ihre Haupturlaubsreise als eine Aktivreise zu verstehen ist. Das Aktivitätsspektrum muss sich jedoch nicht ausschließlich auf Sport konzentrieren, sondern kann auch lediglich bewegungsorientierte Aktivitäten zum Inhalt haben. Eine weiterer Befragungsbereich konzentriert sich in der Reiseanalyse auf eine Liste von Aktivitäten, „die einem besonders wichtig sind“. Zur Auswahl stehen zwei Antwortmöglichkeiten in Bezug auf das Themenfeld Sport. aktiv Sport treiben 9,9 % leichte sportliche/ spielerische Betätigung 31,5 % Tab. 27: Reiseanalyse und Sportaktivität i.w.S. Quelle: Reisenanalyse 2010 Auf den ersten Blick erscheint die Zweiteilung des Sportbereichs sinnvoll, da die Formulierung „aktiv Sport treiben“ für einen Teil der Befragten für die von ihnen praktizierten Aktivitäten als „zu hart“ oder „anspruchsvoll“ erscheinen 102 Die etwas höheren Werte der untersten Einkommensgruppe gegenüber der zweituntersten Gruppe erklären sich durch den überproportional höheren Anteil an SchülerInnen und Studierenden, die vielfach noch mit ihren Eltern reisen oder aus dem familialen Umfeld gesonderte Zuwendungen erhalten. 103 Um diese Daten wiederum nutzen zu können, ist eine Einwilligung der FUR nötig, die dankenswerterweise für diese Publikation erteilt wurde. Die Gebühr liegt im niedrigen zweistelligen Bereich. <?page no="163"?> 166 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure dürfte. Allerdings wird mit dem Begriff spielerisch auch eine über den Sport hinausgehende Antwortmöglichkeit mit aufgenommen. Positiv anzumerken ist der mit den beiden Fragestellungen intendierte weite Sportbegriff, der bspw. wettkampforientiertes Beach-Volleyball-Spielen ebenso beinhaltet (aktiv Sport treiben) wie das von jedweden technischen und taktischen Vorgaben befreite „Ball-über-die-Schnur-Spiel“ (leichte sportliche/ spielerische Betätigung). Problematisch sind jedoch spielerische „Betätigungen“ die ein eher zufällig oder beiläufig (evtl. lapidar) betriebenes Dart-, Billard-, Kicker-, Boule-, Minigolf- oder gar Kartenspiel beinhalten. Antwortvorgaben für Sportaktivitäten ohne die notwendige Trennschärfe sind in den letzten Jahren insbesondere in kommerziell betriebenen Studien zu verzeichnen. 104 In der AWA 2015 (und auch schon vorher) werden in der Kategorie der Urlaubsbezeichnungen drei Antwortvorgaben offeriert, die allesamt nicht eindeutig sind. Skiurlaub, Winterurlaub 19,7 % Wanderurlaub, Rucksackurlaub 25,0 % Anderer Aktiv- oder Sporturlaub, z.B. Golfurlaub, Fahrradreise 12,7 % Tab. 28: AWA und Sportaktivität i.w.S. Quelle: AWA 2015 Winterurlaub ist auch ohne eine Sportaktivität möglich und bezeichnet lediglich die Jahreszeit des Urlaubs. Damit kommt es zu einer kategorialen Vermischung in der Antwortvorgabe zwischen Aktivität und zeitlicher Zuordnung. Rucksackurlaub ist nicht zwingend mit Wandern verbunden und kann sich auch über verschiedenste Transportmittel realisieren oder zu Fuß sich eher auf alltagsmotorischem Niveau bewegen. Die kurze Auflistung „z.B. Golfurlaub, Fahrradreise“ bezieht sich genau auf jene Kategorie, die gerade nicht erklärungsbedürftig ist. Vielmehr ist „anderer Aktivurlaub“ uneindeutig und es steht zu vermuten, dass auch hier wiederum Antworten vorgenommen wurden, die selbst jenseits eines weiten Sportbegriffs liegen. Im Reisemonitor des ADAC wird enger gefasst nach der Urlaubsform gefragt. Insofern sind die insgesamt niedrigen 17 % in den drei vorgegebenen Antwort- 104 Die Stiftung für Zukunftsfragen formuliert in ihrem Newsletter: Forschung aktuell (Ausgabe 247/ 2013) unter dem Titel: „Was die Deutschen im Urlaub machen“, die Fragen nach „Baden/ Schwimmen“ (69 %) und „Sport“ (22 %). Wer tatsächlich Schwimmen als Sport betreibt, wird bei einer derartigen Fragestellung schon Zuordnungsprobleme entwickeln. <?page no="164"?> 3.4 Private Haushalte 167 kategorien zum Thema Sport zu erklären. Darüber hinaus existiert das Problem, dass in (nahezu) allen anderen Urlaubsformen Sport durchaus einen nennenswerten Stellenwert besitzen kann. Zur Erinnerung: Bei der Reiseanalyse antworteten 12,2 % der Befragten, sie würden explizit einen Sporturlaub unternehmen. Wanderurlaub 11,0 % Sporturlaub im Sommer 4,0 % Wintersport-/ Skiurlaub 2,0 % Tab. 29: Reisemonitor und Urlaubsform. Quelle: ADAC 2014 Von den Daten zur Sportaktivität während der (Haupt-)Urlaubsreise müssen aufgrund der methodischen Kritikpunkte von den jeweils 41,4 % der Reiseanalyse und den 57,4 % der AWA einige Prozentpunkte in Abzug gebracht werden. Als vorsichtige und realistische Annahme ist davon auszugehen, dass mindestens 30 % bis maximal 40 % der Befragten Sport im Urlaub betreiben. Hinzu kommt ein zusätzlich nicht näher bestimmbarer Anteil an Urlaubern, die eher zufällig-sporadisch und i.w.S. Sport treibt. Ferner ist es plausibel anzunehmen, dass diejenigen, die im Alltag regelmäßig mindestens einmal pro Woche Sport treiben, dies auch während ihrer Urlaubsreise praktizieren. Insofern ist ein Wert von einem Drittel aller Reisenden (plus x) realistisch. Von dieser Datenbasis aus ist mit dem Blick auf einige klassische und grundlegende soziodemografische Variablen näher zu betrachten, wer der kulturellen Praxis des Sports im Urlaub eher nachgeht und wer eher nicht. Überraschungen dürfen nachfolgend nicht erwartet werden. Sport ist nach wie vor überproportional eine Angelegenheit der Mittelschicht und gehobenen Mittelschicht. 105 3.4.2 Sozialstrukturelle Daten zur Sportaktivität während der Urlaubsreisen Die sportsoziologischen Ergebnisse bis in die 1990er Jahre weisen eine klassenspezifisch geprägte Relevanz hinsichtlich der Partizipation am Sport überhaupt und hinsichtlich der Präferenzen für bestimmte Sportarten auf (siehe dazu Weiß 1999, 98ff. und frühere sportsoziologische Publikationen von Rigauer 1982, Voigt 1992, Winkler; Weis 1995). Heinemann formuliert dies zusammenfassend 105 Über die Oberschicht liegen kaum empirische Daten vor. Diese Klientel vermeidet ohnehin häufiger als alle anderen Schichten, einen allzu tiefen Einblick in ihre Lebensweise zu gewähren. Zumindest Hartmann (2004) beschäftigt sich in seinem Forschungsfeld mit so genannten Eliten. <?page no="165"?> 168 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure zum Stand Ende der 1970er Jahre und wiederholt diese Aussage Ende der 1990er Jahre: „In einem Untersuchungszeitraum von 30 Jahren zeigt sich danach eine beachtliche Stabilität der schichtenspezifischen Abhängigkeit des Sportengagements, obwohl dieses Engagement insgesamt stark gewachsen und sich geschlechts- und alterstypische Unterschiede verringert haben.“ (Heinemann 1998, S. 201) Neuere Untersuchungen (Haut 2011) kommen inzwischen zu dem Ergebnis, „dass eine besondere Affinität zum Sporttreiben“ (S. 207) nicht mehr nur ein exklusives Alleinstellungsmerkmal für Jüngere, Männer, mittlere und höhere Schichten ist. 106 Gleichwohl können anhand der Daten der Reiseanalyse für die Sportaktivität während der Reise nach wie vor deutliche Unterschiede aufgezeigt werden. Die sozialen Unterschiede sind ausweisbar anhand der traditionellen Variablen Geschlecht und Alter sowie Schulbildung, Einkommen und Beruf, darüber hinaus über den durch die drei letztgenannten Variablen gebildeten Schichtindex und schließlich über die Analyse „Schicht + Geschlecht + Sport“, über die das stärkste Ausmaß sozialer Ungleichheit verdeutlicht werden kann. 3.4.2.1 Geschlecht und Sport im Urlaub 107 Soziale Ungleichheit ist jenseits einer marketinggeleiteten Zielgruppenorientierung vermeintlich feststehender Geschlechterstereotype zu fassen. Die Bandbreite aller gattungsspezifischen Verhaltensweisen findet sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen wieder, wenngleich unterschiedlich verteilt. Biologischgenetische Dispositionen beeinflussen zwar die weitere individuelle Körper- und Bewegungsentwicklung, ohne das dadurch eine biologistische Position vertreten wird. Entscheidender sind jedoch die je individuelle Körper- und Bewegungssozialisation und die über verschiedenste gesellschaftliche Instanzen den Geschlechtern (aber auch bspw. Altersgruppen oder sozialen Schichten) gegenüber erfolgte (historisch inzwischen abgeschwächte) stereotype Zuschreibung, die durch eine individuell je unterschiedliche Melange aus kulturellem Selbstausschluss (Bourdieu), restriktiver/ verallgemeinerter Handlungsfähigkeit (Holz- 106 Allerdings gelangt Haut (2011) zu der Einschätzung, dass der Wettkampfsport als eine Art „harter Kern“, als der „reine“ Sport (S. 209) für diese Gruppen fortbesteht. 107 Präziser müsste es heißen: „Sport während der Hauptreise“, da Urlaub sich auf den Urlaubsanspruch von abhängig Beschäftigten bezieht, aber auch andere Formen wie „Ferien“, „vorlesungsfreie Zeit“, „Betriebsferien“ möglich sind und Urlaub auch zu Hause verbracht werden kann. <?page no="166"?> 3.4 Private Haushalte 169 kamp), subtiler und/ oder gesellschaftlicher Ausgrenzung Zugänge zum kulturellen Reichtum ermöglichen bzw. unmöglich machen. 108 Abb. 25: Sport besonders wichtig im Urlaub nach Geschlecht in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Eine unmittelbare geschlechtsspezifische Ausgrenzung vom Sport, wie sie noch vor einigen Jahrzehnten als gesellschaftliche Praxis existierte, kann inzwischen als überwunden gelten. Allerdings können nach wie vor einige Unterschiede festgestellt werden, die sich an der Teilnahme am vereins- und wettkampforientierten Sport festmachen lassen. Insofern erklärt sich die von Frauen geäußerte geringere Bedeutung am (eher leistungsund/ oder wettkampforientierten) Sport im Urlaub gegenüber den Aussagen von Männern, ohne dass hier zwingend Formen sozialer Ungerechtigkeit vorliegen müssen, da sich bspw. andere kulturelle Praxen im Urlaub mit umgekehrter Datenlage präsentieren. Einige soziale und ökonomische Daten sollen jedoch Hinweise auf Lebenslagesituationen geben, die Sport und andere kulturelle Praxen aus nachvollziehbaren Gründen in den Hintergrund drängen. So befinden sich 32,5 % der beschäftigten Frauen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen (befristet Beschäftigte, Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte, ZeitarbeitnehmerInnen) im Gegensatz zu 12,1 % bei den Männern. ( www.destatis.de, Pressemitteilung 108 Zahlreiche androzentrisch motivierte Ausgrenzungsbeispiele aus dem Bereich des Spitzensports ließen sich anführen. Erstmals durften bspw. Frauen 1984 (! ) am Olympischen Marathonlauf teilnehmen. Wie Sportarten eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche gesellschaftliche Bedeutung erfahren, ist am Beispiel des Fußballs in Kanada und den USA vs. Deutschland und den Niederlanden ersichtlich. 7,4 12,9 0 2 4 6 8 10 12 14 Frauen Männer <?page no="167"?> 170 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Nr. 418 vom 26.11.2014) Lediglich eine Minderheit möchte jedoch eine Teilzeitbeschäftigung ausüben. Darüber hinaus sind von den 1,6 Millionen Alleinerziehenden 90 % Frauen, die sich den besonderen Anforderungen alltäglicher Routinen, beruflich stabiler Tätigkeiten bei gleichzeitig finanzieller Absicherung stellen müssen. Über 35 % der alleinerziehenden Mütter (22,1 % Mütter in Paarfamilien) gaben an, mit ihrem individuellen Einkommen unzufrieden zu sein sowie 16,3 % (10,5 % Mütter in Paarfamilien) mit ihrer Freizeitsituation (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013, S. 41). Die Preisgestaltung von Reiseveranstaltern oder Hotels offeriert der Kombination „2 Erwachsenen + Kind“ überdies eher Vorteile als der „Single + Kind“. Wie noch zu zeigen sein wird, sind soziale Ungleichheit und „Sport“ wie auch „leichte sportliche Betätigung“ eng mit der sozialen Lage verbunden. Anders ausgedrückt - Frauen aus der (gehobenen) Mittelschicht und Oberschicht weisen keine bemerkenswerten Ungleichheiten zu den Männern auf. In den ökonomisch unteren Schichten ist dies jedoch sehr wohl der Fall. Oder - wie Fröhlich und Mörth (1994) treffend formulieren: „Vor der Suche nach Lebenssinn und unverwechselbarer Individualität steht für viele die Suche nach Parkplätzen und Sonderangeboten, nach Wohnungen, Kindergarten- und Arbeitsplätzen.“ (S. 17). Abb. 26: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach Geschlecht in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Die geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Aktivitätsniveau „leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness“ fallen mit 29,4 % (Frauen) und 34,0 % (Männer) relativ gering aus. Vor allem die gerade im Tourismussektor in den 29,4 34 26 28 30 32 34 36 Frauen Männer <?page no="168"?> 3.4 Private Haushalte 171 letzten beiden Jahrzehnten vorangetriebenen Fitness- und Wellnessangebote zeichnen sich durch eine starke Nachfrage von Frauen aus. 109 3.4.2.2 Alter und Sport im Urlaub Sport oberhalb des Niveaus leichter sportlicher Betätigung, der durch seinen Kerngedanken geprägt ist, einen selbst- oder fremdgesetzten Leistungsanspruch zu erfüllen, kann aufgrund seiner körperlichen Anforderungen nachvollziehbar nicht mehr im gleichen Maße von älteren Personen betrieben werden, wie das noch für Jüngere gilt. Im historischen Kontext verschieben sich jedoch die körperlichen Fähigkeiten innerhalb der Alterskohorten. Die Lebenslagebedingungen für 60-jährige (im Jahr 2010) waren im Durchschnitt deutlich positiver als für die Vergleichsgruppe der 1910 Geborenen, die bei der Reiseanalyse 1971 nur einen verschwindend geringen Anteil (2,8 %) aufwiesen. 110 Diesen Anteil weisen 40 Jahre später die über 70-jährigen auf. Abb. 27: Sport besonders wichtig im Urlaub nach Alter in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Der recht grobe Befund, dass „richtiger“ Sport aufgrund seiner körperlichen Beanspruchungen spätestens sein Ende mit 65/ 70 Jahren findet, wäre allerdings 109 Im „Schlepptau“ von Fitness und Wellness folgt „Beauty“. „Etwas für die Schönheit tun, sich bräunen, schöne gesunde Farbe bekommen“ finden Frauen zu 36,1 % besonders wichtig und Männer zu 26,3 %. Das Thema um körperliche Selbstoptimierungs- und -disziplinierungstechniken kann an dieser Stelle nur erwähnt werden. Zum Einstieg lohnenswert siehe Posch 2009 und für die Vergesellschaftung von Männerkörpern siehe Beier 2006. 110 Siehe Schwark 2006a, S. 122. 22,6 16,7 12,3 11,2 8,4 7,1 2,9 0 5 10 15 20 25 14-19 J. 20-29 J. 30-39 J. 40-49 J. 50-59 J. 60-69 J. 70 u. ä. <?page no="169"?> 172 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure weiter auszudifferenzieren. Sportarten, die auch noch im höheren Alter betrieben werden können (Schwimmen, Laufen, Radfahren), die weniger verletzungsträchtig aufgrund ihrer Spielidee oder Bewegungscharakteristik sind und die keiner direkten gegnerischen Einwirkung ausgesetzt sind (anders als z. B. Fußball), unterliegen schichtspezifischen Vorlieben (siehe dazu auch Haut 2011 und Bourdieu 1987, S. 332ff.). Abb. 28: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach Alter in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Bemerkenswert sind die für die Alterklasse hohen Werte zwischen 60 und 69 Jahren und über 70 Jahre. Diese Generation, die zwischen 1940 und 1950 geboren wurde, hat nahezu alle „Trimm-Dich“-Kampagnen des D(O)SB mitverfolgen können, ist geprägt worden von der damals einsetzenden Freizeit- und Breitensportbewegung, der alternativen Sportkultur, der New-Games-Bewegung, der ostasiatischen Sportkultur und der sich ebenfalls in den 1970er Jahren etablierenden kommerziellen Sportanbieter. Insofern hat diese Generation im jungen Erwachsenenalter ein deutlich ausgeweitetes Sportverständnis geprägt, das sich erstmals für eine Alterskohorte zu einem lebensbegleitenden Sporttreiben in den Alltag (und auch auf Reisen) etablierte. Zumindest gilt diese Aussage ganz überwiegend für einen Sport, der im Alter nicht (mehr) als hart, leistungsorientiert und wettkampfbetrieben charakterisiert werden kann. 3.4.2.3 Einkommen und Sport im Urlaub Sport treiben als kulturelle Praxis unterliegt keinen direkten und offenen Zugangsbeschränkungen mehr. Innerhalb des organisierten Sports behält sich allerdings ein Teil der Vereine laut selbstverfasster Satzung vor, Bürgen aus dem Verein zu benennen und eine Aufnahmegebühr zu erheben, da mit der Mitglied- 36,9 32,6 36,8 37,2 30,9 29,3 20,4 0 10 20 30 40 14-19 J. 20-29 J. 30-39 J. 40-49 J. 50-59 J. 60-69 J. 70 u. ä. <?page no="170"?> 3.4 Private Haushalte 173 schaft das Eigentum am Verein verbunden ist. Je nach Tradition, Image, Infrastruktur und bestehender Sozialstruktur der Sportvereine eröffnen sich für einkommensschwache Gruppen de facto reduzierte Zugangsmöglichkeiten zur Vielfalt des Sports. Für touristische Angebote, aber auch für selbstorganisierte Reisen sind Aktivitäten wie Wandern, Radfahren, Joggen und Schwimmen nahezu einkommensunabhängig, jedoch nicht destinationsunabhängig, zu praktizieren. Sportarten mit Geräteeinsatz und einer spezifischen Sportinfrastruktur erhöhen zwangsläufig die Gesamtkosten der Reise. Insofern bestehen für einkommensschwache Gruppen lediglich die Möglichkeiten, über Kaufkraftverschiebungen oder -bündelungen andere (kulturelle) Praxen zu reduzieren oder darauf zu verzichten, aufgrund der geringen Sparquote größere Zeitintervalle (alle paar Jahre) zu akzeptieren oder sich auf besonders niedrigpreisige Angebote zu konzentrieren. 111 Abb. 29: Sport besonders wichtig im Urlaub nach Nettoeinkommen in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Die höchste Einkommensgruppe (4.000 Euro und mehr) liegt etwas unterhalb der Werte der nächstfolgenden Gruppe. Zu erklären ist der Zusammenhang mit Hilfe der Variable Berufsklasse. Beamte im höheren Dienst (Studienräte etc.) und leitende Angestellte berichten über höhere Werte als Inhaber eines größeren Geschäfts/ Unternehmer/ Großunternehmer. Plausibel dürfte in beiden Gruppen eine vergleichbar hohe Akzeptanz und Nähe zum Sport sein, jedoch kann 111 Wie schon erwähnt, befinden sich unter den beiden einkommensschwächsten Gruppen viele Schüler und Studierende, die aus dem familialen Umfeld für ihre Urlaube häufig Quersubventionierungen erhalten. 10,3 8,6 7,1 8,5 9,7 10,6 11 17,3 16 0 5 10 15 20 bis 499 500-999 1000-1499 1500-1999 2000-2499 2500-2999 3000-3499 3500-3999 4000 u. mehr <?page no="171"?> 174 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure unterstellt werden, dass das Volumen und die Lage der Arbeitszeit sowie die u.a. daraus resultierenden Lebenslagebedingungen für eine kontinuierliche alltägliche Sportaktivität (mit ihren Auswirkungen auf die Sportaktivität im Urlaub) förderlicher für die Gruppe der höheren Beamten und leitenden Angestellten ist. Aus der Langzeituntersuchung des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) geht hervor, das im Jahr 2010 neun (! ) von zehn Dezilen geringere Einkommensanteile aufwiesen als 1991. Lediglich das oberste Dezil konnte höhere Anteile für sich verbuchen (SOEP 2012, zit. nach Böckler Impuls 2012). Theoretisch sind schrumpfende Anteile bei realen Steigerungen möglich. Daher werden ergänzend die Daten zur realen Einkommensentwicklung in Deutschland aufgeführt. Abb. 30: Reale Jahreseinkommen von 1999 bis 2009 in Dezilen. Quelle: Böckler Impuls 13/ 2012 Im Durchschnitt sind Angebote, die so genannte „leichte sportliche Betätigung“ zur Grundlage haben, mit einem geringeren Maß an Aufwand und Infrastruktur sowie mit eine entsprechend geringeren finanziellen Aufwand verbunden. Damit ist u.a. zu erklären, warum sich die Differenzen der einzelnen Einkommensklassen im Gegensatz zur Bedeutung des Sports annähern. -9,6% -7,9% -4,2% -1,7% 0,0% 1,6% 1,1% 2,0% 3,2% 16,6% beim ärmsten Zehntel 2 3 4 5 6 7 8 9 beim reichsten Zehntel Das reale verfügbare Jahreseinkommen in Deutschland änderte sich von 1999 bis 2009 um… <?page no="172"?> 3.4 Private Haushalte 175 Abb. 31: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach Einkommen in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen 3.4.2.4 Beruf und Sport im Urlaub Die Aussagekraft von zusammengefassten Berufsklassen ist deutlich begrenzt, da ohne eine weitere Binnendifferenzierung der Erklärungsgehalt nicht nur gering ist, sondern Ungleichheiten sogar verschleiert würden. Beamte im einfachen Dienst mit Hauptschulabschluss und geringem Nettoeinkommen zusammen mit promovierten Regierungsdirektoren, an- und ungelernte Arbeiter zusammen mit Vorarbeitern und Meistern, die Zusammenlegung von freien Berufen, Selbständigen von Kleinstbis Großbetrieben und, methodisch völlig abstrus, zusätzlich mit Landwirten in einer Kategorie sind für die weitere Interpretation gänzlich unbrauchbar. Innerhalb der Reiseanalyse werden allerdings neben der verkürzten Berufsklassifikation (n=6) auch differenziertere Berufklassen (n=12) ausgewiesen. Landwirte, die ohnehin die geringste Reiseintensität aufweisen, dürften aufgrund ihrer spezifischen Lebenslagesituation ohnehin zu den (unfreiwillig) sportabstinenten Personen gehören. Un- und angelernte Arbeiter arbeiten häufiger als andere Berufe in Wechselschicht, was regelmäßige Sportaktivitäten im Alltag erschwert, auch aufgrund eines geringen finanziellen Spielraums. Demgegenüber weisen die höheren Beamten (ab Studienrat mit A13 aufwärts) und die freien Berufe (z.B. Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte) die höchsten Werte auf. Die in Schul- und Berufsausbildung befindlichen jungen Personen sind durch Angebote von Schu- 25,9 23,7 24,5 30,2 32,6 35,4 35,7 37,5 44 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 bis 499 500-999 1000-1499 1500-1999 2000-2499 2500-2999 3000-3499 3500-3999 4000 u. mehr <?page no="173"?> 176 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure le und Berufsschule ohnehin regelmäßig mit Sport konfrontiert und haben im Ranking demzufolge eine gewisse Sonderstellung. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsklassen sind auch bei der Bedeutung leichter sportlicher Betätigung deutlich erkennbar. Landwirte, Hausfrauen sowie An- und Ungelernte weisen auch hier wieder die niedrigsten Werte auf, während die höheren Beamten die höchsten Werte auf sich vereinen. Etwas überraschend ist der Befund, dass die höheren Angestellten Werte deutlich oberhalb der Unternehmer verzeichnen können, obwohl auch für höhere Angestellte aufgrund ihrer häufig außertariflichen Vergütung entsprechend lange Arbeitszeiten gelten, die ein limitierender Faktor für die Herausbildung regelmäßig betrieben Sports darstellen. Abb. 32: Sport besonders wichtig im Urlaub nach Berufsklasse in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Zu Abb. 32 und Abb. 33 Die vollständigen Bezeichnungen sind Selbständiger Landwirt; Hausfrau; ungelernter/ angelernter Arbeiter; Einfacher und mittlerer Angestellter; Facharbeiter/ unselbständiger Handwerker; Selbständiger Handwerksmeister/ kleiner Gewerbetreibender/ Ladeninhaber; Inhaber eines größeren Geschäfts/ Unternehmer/ Großunternehmer; Beamter der unteren, mittleren und gehobenen Laufbahn; Leitender Angestellter, Höherer Beamter (Rat und mehr); Freier Beruf (Rechtsanwalt, Arzt); in Schul-/ Berufsausbildung. 0 4,3 4,5 8 8,5 9,8 12 13,1 15,4 17,5 19,7 24,5 0 5 10 15 20 25 30 <?page no="174"?> 3.4 Private Haushalte 177 Abb. 33: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach Berufsklasse in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Zwei in diesem Zusammenhang interessante Befunde liefern eine repräsentative Befragung (n=1.016) von „YouGov“ (2013) und das Sozio-ökonomische Panel (SOEP), zitiert nach Schnitzlein (2011). Etwa 42 % der Angestellten in Deutschland arbeiten während ihres Urlaubs (und ihrer Freizeit). Auf Männer trifft diese Konterkarierung der Urlaubslogik mit 45 % zu, auf Frauen mit 39 %. Immerhin 36 % müssen für ihren Arbeitgeber (auch im Urlaub) permanent erreichbar sein. Schnitzlein führt anhand der Daten des SOEP aus: „Rund 37 Prozent der abhängig Vollzeitbeschäftigten haben den ihnen zustehenden Urlaub im letzten Jahr nicht voll in Anspruch genommen. Die Zahl der tatsächlich genommenen Urlaubstage lag für jeden Arbeitnehmer im Durchschnitt um drei Tage unter seinem eigentlichen Urlaubsanspruch. Demnach werden etwa zwölf Prozent des Gesamtanspruchsvolumens an Urlaub nicht genutzt.“ Eher betroffen als agierend sind überwiegend junge Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in kleineren Betrieben sowie insbesondere Arbeitnehmer mit einer kurzen Betriebszugehörigkeit (Schnitzlein 2011, S. 14). 3.4.2.5 Schulbildung und Sport im Urlaub Kontinuität, Umfang, Dauer und Sportartenspektrum unterliegen den Rahmenbedingungen der unterschiedlichen Schulformen und sind demzufolge eine nach wie vor stark prägende Instanz für die Art und Weise, welchen Stellenwert Sport im weiteren biographischen Verlauf hat. 13,5 18,6 21,3 24 30,9 31 32 33,3 35,9 37,9 38,7 43,9 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 <?page no="175"?> 178 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die unterschiedlichen Aneignungsmöglichkeiten zum Sport werden unter anderem sichtbar über den Umfang und die Ausdifferenzierung des erteilten Sportunterrichts in den verschiedenen Schulformen. Für die Gymnasiale Oberstufe Sek. II in NRW sind bspw. folgende, über die Sek. I hinausgehende Inhalte zum Schwimmsport festgelegt: „Techniken festigen, Repertoire erweitern, Sportschwimmen: Lagenschwimmen, Starts und Wendetechniken, taktisches Verhalten im Wettkampf, unterschiedliche Schwimmarten, Rettungsschwimmen, Tauchen mit Tauchergrundausrüstung, Wasserspringen in Form normierter und freier Sprünge, Wasserball, Bewegungskunststücke und Gestaltungen im Wasser.“ (Quelle: dsv-jugend/ Sachsenmaier 2005, S. 40) Exemplarisch kann auch auf die Erteilung und Ausfallquote des Schwimmunterrichtes und dem Einsatz von fachfremdem Lehrpersonal verwiesen werden. Hier existieren deutliche Unterschiede zwischen den Schulformen. Die Ergebnisse einer von der DLRG in Auftrag gegebenen Umfrage zur „Schwimmfähigkeit der Bevölkerung“ kommt u.a. zu folgendem Ergebnis: „Je höher der Abschluss desto größer die Zahl der Schwimmer. Lediglich 51,1 % der Volksschüler ohne Lehre sagen, ich bin ein sehr guter, guter oder durchschnittlicher Schwimmer, bei den Volksschulabsolventen mit Lehre sind es 72,9 %, 80,6 % der Befragten mit mittlerem Bildungsabschluss und 86,7 % der Abiturienten und Studenten können schwimmen.“ (Quelle: www.dlrg.de/ medien/ pm-emnidumfrage.html) Die Ergebnisse der Reiseanalyse weisen eine nach wie vor eklatante Ungleichheit zur Bedeutung des Sports im Urlaub auf. Hochschulabsolventen weisen einen dreifach (! ) höheren Faktor auf als Absolventen der Hauptschule. Abb. 34: Sport besonders wichtig im Urlaub nach Schulbildung in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen 6,0% 10,4% 16,2% 18,5% 0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% Hauptschule Realschule Abitur Hochschule <?page no="176"?> 3.4 Private Haushalte 179 Die Ergebnisse für leichte sportliche/ spielerische Betätigung und Fitness gleichen sich im Gegensatz zum „Sport“ deutlich an. Allerdings scheint die Annahme gerechtfertigt zu sein, dass die schon weiter oben kritisierte unscharfe Kategorie während der Urlaubsreise vielfältige nicht-sportliche Aktivitäten auf alltagsmotorischem Niveau beinhaltet. Eine interessante Studie legt in diesem Zusammenhang Kiefl (2000) vor, der im Rahmen einer Beobachtungsstudie eines Strandabschnitts von Lutania Beach (Rhodos) Urlauber durch teilnehmende, verdeckte, gleichwohl aber „direkte und standardisierte Fremdbeobachtung mit simultanem zeitlichen Bezug“ beobachten ließ (S. 18). Die zahlreichen unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Einschränkungen für unterschiedliche Strände (Gästestruktur, Klima, Beschaffenheit des Strandes etc.) derartiger Forschungsprojekte kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Der Befund zum „Aufenthalt im Wasser, Wassersport und Strandspiele“ ist jedoch bemerkenswert. 112 „Die Aufenthaltszeiten im Wasser waren in der Regel kurz und betrugen durchschnittlich etwas weniger als sieben Minuten. Da man in der Regel erst einmal im Wasser watete, sich (oder den Partner) bespritzte, sich hinsetzte und anderes mehr, lagen die reinen Schwimmzeiten sogar noch darunter.“ (Kiefl 2000, S. 33) Abb. 35: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach Schulbildung in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen 3.4.2.6 Soziale Schicht und Sport im Urlaub Wer mit seinem Einkommen 60 % und niedriger unterhalb des Netto- Äquivalenzeinkommens liegt (Stand 2005), hat eine gesunde Lebenserwartung von 56,8 Jahren (Männer) bzw. 60,8 Jahren (Frauen) (Lampert et al. 2007, S. 17). Eine niedrige soziale Schicht setzt objektiv restriktive materielle und psychoso- 112 Wer im Rahmen eigener Aufenthalte am Strand Urlauber im Wasser beobachtet hat, kann aus alltagsempirischer Sicht die Ergebnisse von Kiefl mindestens nachvollziehen. 24,9% 35,1% 36,3% 41,0% 0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% Hauptschule Realschule Abitur Hochschule <?page no="177"?> 180 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure ziale Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Individuen unterdurchschnittlich gesundheitsförderlich verhalten (können). „Personen mit einer niedrigen Bildung, einer dementsprechenden beruflichen Stellung oder einem niedrigen Einkommen sterben in der Regel früher und leiden in ihrem ohnehin schon kürzeren Leben auch häufiger an gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.“ (Richter; Hurrelmann 2007, S. 3) Eine niedrige soziale Schicht schließt nicht per se eine Sportaktivität aus und Sport kann gerade im Krankheitsverlauf pulmo-kardial förderliche Effekte wie auch bei adipösen Verlaufsformen haben. Die Wahrscheinlichkeit einer in den Alltag integrierten regelmäßigen Sportaktivität ist jedoch geringer als in höheren sozialen Schichten. Zudem ist eine vielfältige und umfangreiche Sportaktivität im sporttouristischen Kontext ebenfalls geringer ausgeprägt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht kausal auf die Praxis gesellschaftlicher Schichten sowie Subjekte „wirken“. Der Aussage „Ökonomische Unterschicht = wenig Sport oder Adipositas“ mag eine statistische Relevanz zukommen. Auf wen diese Aussage zutrifft oder nicht, ist jedoch nicht die (verfehlte) Frage von abhängigen/ unabhängigen Variablen. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen (die als solche prinzipiell veränderbar sind) werden immer subjektiv „gebrochen“ und Handeln erfolgt am Maßstab je eigener Bedürfnisse und subjektivem Sinn. Grenzen der Autonomie und Handlungsfähigkeit setzen jedoch vorherrschende Normalitätsfolien und Denkfiguren, die ein spezifisches Handeln für die Subjekte nahelegen bzw. ihre Bedürfnisse durch gesellschaftlich-mediale Einflussnahme überformen. In der Kategorie soziale Schicht kulminieren sich die aus den vorgängigen Einzelvariablen bereits bekannten Ungleichheiten. Die Personen, die der niedrigsten Schicht angehören, äußern lediglich zu 4,8 %, dass Sport für sie besonders wichtig im Urlaub ist, während sich 18 % in der höchsten sozialen Schicht entsprechend äußern. <?page no="178"?> 3.4 Private Haushalte 181 Abb. 36: Sport besonders wichtig im Urlaub nach sozialer Schicht in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Wird zusätzlich die Variable Geschlecht zur weiteren Differenzierung eingefügt, so wird deutlich, dass lediglich in der höchsten sozialen Schicht (so gut wie) keine Unterschiede feststellbar sind. In allen anderen Kategorien unterscheiden sich die Werte zwischen Männern und Freuen zugunsten der Männer deutlich. Mit 2,9 % und 3,7 % geben Frauen aus den beiden untersten Schichten die weitaus niedrigsten Werte an. Wie bei den vorherigen Variablen auch, nähern sich die Werte bei leichter sportlicher Betätigung deutlich an, doch die unterste Stufe weist mit 16,6 % gegenüber allen weiteren Stufen den geringsten Werte auf. Abb. 37: Sport besonders wichtig im Urlaub nach sozialer Schicht und Geschlecht in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen 4,8% 6,1% 6,8% 9,4% 12,3% 15,2% 18,0% 0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% Stufe 7 niedrig Stufe 6 Stufe 5 Stufe 4 Stufe 3 Stufe 2 Stufe 1 hoch 2,9% 3,7% 5,9% 6,7% 8,9% 11,9% 16,9% 8,1% 8,7% 7,8% 12,8% 16,7% 19,2% 18,7% 0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0% Stufe 7 niedrig Stufe 6 Stufe 5 Stufe 4 Stufe 3 Stufe 2 Stufe 1 hoch Frauen Männer <?page no="179"?> 182 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Abb. 38: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach sozialer Schicht in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen Abb. 39: Leichte sportliche/ spielerische Betätigung/ Fitness im Urlaub nach sozialer Schicht und Geschlecht in Prozent. Quelle: FUR 2010, eigene Berechnungen In den oberen Stufen der sozialen Schichtung (Stufe 1 und 3) betätigen sich Frauen mit „leichtem Sport“ etwas mehr als Männer. Insgesamt sind die Ergebnisse von der unteren Mittelschicht an relativ ausgeglichen. Nach wie vor treten die Differenzen in den beiden untersten Stufen am deutlichsten hervor. 16,6% 25,6% 28,9% 33,9% 34,7% 38,8% 42,1% 0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% Stufe 7 niedrig Stufe 6 Stufe 5 Stufe 4 Stufe 3 Stufe 2 Stufe 1 hoch 13,5% 22,1% 26,1% 31,7% 36,1% 38,0% 42,1% 21,7% 29,5% 32,0% 36,6% 32,8% 39,7% 42,1% 0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0% 30,0% 35,0% 40,0% 45,0% Stufe 7 niedrig Stufe 6 Stufe 5 Stufe 4 Stufe 3 Stufe 2 Stufe 1 hoch Frauen Männer <?page no="180"?> 3.4 Private Haushalte 183 3.4.3 Tagesreisen und Sport Die Dauer der Haupturlaubsreise hat sich, wie schon erwähnt, von 17,5 Tagen (1984) auf 12,9 Tage (2014) reduziert. In diesem Zeitraum sind gleichzeitig die Zahlen der Zweit- und Dritturlaube sowie der Tagesreisen angestiegen. Das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (dwif) hat 2013 die Studie „Tagesreisen der Deutschen“ vorgelegt. Im Kontext der Untersuchung wurde auch nach „Sport-, Bewegungs- und anderen Aktivitäten bei Tagesausflügen“ gefragt. Mit den Kategorien „Wandern, Bergsteigen“, „Baden, Schwimmen, Sonnenbaden“ und „Sonstige sportliche und andere Aktivitäten“ ergeben sich bedauerlicherweise einige methodische Unschärfen. Methodenkritisch ist darauf hinzuweisen, dass zu Schwimmen auch nichtsportliche Aktivitäten wie Baden und Sonnenbaden hinzugerechnet werden. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass für den volumenstarken Bereich „Wandern“ ebenfalls starke Abstriche vorzunehmen sind. In der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) herausgegebenen „Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern“, die vom Deutsche Wanderverband (DWV) und vom Europäischen Tourismus Institut an der Universität Trier (ETI) durchgeführt wurde, ordnet jeder zweite Befragte (51 %) „die Aktivität Spazierengehen auch dem Wandern zu.“ (BMWi 2010, S. 22) Eine Unterscheidung in „Sonstige sportliche Aktivitäten“ und „Andere Aktivitäten“ wurde nicht vorgenommen, so dass der Wert für Sport bspw. 5, 10 oder 15 % ausmachen kann. Ferner gibt es keine Aussage darüber, wie hoch der Anteil der Befragten ist, die überhaupt eine Mehrfachnennung abgeben und ob dies zwei, drei oder mehr Antwortnennungen sind. Insofern kann der Wert für Sportaktivitäten bei Tagesausflügen realistischerweise in einer Spannbreite zwischen ca. 20 % und 30 % liegen. Gefragt nach dem Hauptanlass des Tagesausflugs bestand eine Antwortvorgabe in der „Ausübung einer speziellen Aktivität“. Zur (notwendigen) Erläuterung ergänzte das dwif die Aktivitäten „z.B. Skilauf, Baden, Wandern, Surfen“. Die befragten Personen antworteten zu 12,4 %, was 302,4 Millionen Tagesausflügen entsprechen würde. Da allerdings „Baden“ als spezielle Aktivität aufgeführt wurde und nicht, wie man zusammen mit der übrigen Auflistung hätte erwarten können, „Schwimmen“, ist davon auszugehen, dass die Werte für Sport als Hauptanlass deutlich niedriger liegen. Hinzu kommen die nicht-sportbezogenen Anteile des Spazierengehens, die irrtümlich unter Wandern verbucht werden. <?page no="181"?> 184 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Sport-, Bewegungs- und andere Aktivitäten bei Tagesausflügen Mehrfachnennungen möglich Wandern/ Bergsteigen 15,1 % Baden/ Schwimmen/ Sonnenbaden 12,8 % Sonstige sportliche und andere Aktivitäten 19,3 % Sportaktivitäten bei Tagesausflügen (Haupt- und Nebenanlass) 20-30 % Sportaktivitäten bei Tagesausflügen (Hauptanlass) 8 % Tab. 30: Sportaktivitäten i.w.S. bei Tagesausflügen. Quelle: eigene Berechnungen in Anlehnung an dwif 2013, S. 62 Daher dürften maximal 8 % der vom dwif Befragten tatsächlich Sport als Hauptanlass ihres Tagesausflugs ansehen. Dieser Wert entspricht ca. 195 Millionen Tagesausflügen. Dass selbst dieser Wert zu hoch gegriffen ist, wird an der allzu lässigen Handhabung des Ausflugsbegriffs deutlich, der alles und jedes außerhalb der gewohnten Umgebung einschließt: „weder eine zeitliche Mindestdauer, noch eine zurückgelegte Mindestentfernung zu Orten außerhalb der gewohnten Umgebung.“ (dwif 2013, S. 9) 3.4.4 Jugendliche und Sportaktivität in Ferien sowie Urlaub 113 In Deutschland leben ca. 18,6 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in 8,1 Millionen Haushalten, davon 90 % mit den Eltern oder in Lebensgemeinschaften, etwa 10 % mit lediglich einem Elternteil (und etwaiger Geschwister) und ca. 0,4 % in Heimen. Die Datenlage zum Thema Sport und Urlaub von Kindern ist schwierig, wenngleich plausibel anzunehmen ist, dass Kinder ganz 113 Der Exkurs zu den Jugendlichen ist zu Teilen dem Artikel von Schwark: „Sport in den Ferien“ in sportpädagogik 04/ 2015 entnommen. <?page no="182"?> 3.4 Private Haushalte 185 überwiegend bis zum Ende der Primarstufe ihren Urlaub gemeinsam mit ihren Eltern verbringen und eher selten an Gruppenreisen teilnehmen. Jugendliche, die sich in beruflichen Ausbildungsverhältnissen befinden und demzufolge in dieser Zeit ihre Arbeitskraft wieder reproduzieren sollen, stehen zwischen 21 (unter 18 Jahre) und 25 Arbeitstage (unter 16 Jahre) Erholungsurlaub gemäß Jugendarbeitsschutzgesetz zu, der möglichst zusammenhängend und innerhalb der Berufsschulferien gewährt werden soll. Insofern ist die (potenzielle) Lage des Erholungsurlaubs identisch mit den Schulferien, nicht jedoch die unterschiedliche Dauer von maximal 25 zu ca. 60 „Arbeits“tagen. Daraus ergeben sich aufgrund der zeitlichen Rahmung erste strukturelle Unterschiede zwischen SchülerInnen und Auszubildenden für Umfang, Intensität und Formen der Sportaneignung während der Ferien. Eine zweite Unterscheidung bezieht sich auf die räumlichen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen während der Ferien, die sowohl innerhalb des Alltagsraumes samt vertrauter Sportinfrastruktur stattfinden können und bis zu Fernreisen mit bislang unbekannten Sportmöglichkeiten reichen. Das Potenzial für Sporttreiben in den Ferien eröffnet sich für Kinder und Jugendliche zuallererst durch die Reduzierung von Verpflichtungen, einem erhöhten Zeitbudget und durch die Entstrukturierung des Alltags. Weitgehend ausgenommen sind davon jedoch Kinder und Jugendliche, die sich innerhalb der Ferienzeit umfangreichen und intensiven Lerntätigkeiten unterziehen („müssen“). Ferner ist eine weitere Gruppe betroffen, die im Rahmen elterlicher Betriebe, insbesondere in der Landwirtschaft, als so genannte „mithelfende Familienangehörige“ regelmäßige Arbeitstätigkeiten verrichten. Und schließlich verwendet eine weitere Gruppe die scheinbar „frei verfügbare“ Zeit für Ferienjobs oder Praktika, um entweder selbstgesetzte Konsumwünsche zu realisieren, oder aber, um einen notwendigen Beitrag zur Aufstockung des Familieneinkommens zu erbringen. Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit niedrigem Einkommen und der Landwirtschaft gehören weit überproportional zu den ca. 20-25 % der Personen, die keine Urlaubsreise (über 5 Tage Dauer) pro Jahr unternehmen (können). Die gesonderte Auswertung der Reiseanalyse 2010 speziell für die jüngste Zielgruppe 14-19 Jahre (n= 274) ergibt folgendes Bild: Nahezu vier Fünftel (78,8 %) der Jugendlichen unternahmen mindestens eine Haupturlaubsreise von mind. 5 Tagen Dauer, die zu 97,5 % europäische bzw. Mittelmeeranrainerstaaten zum Reiseziel hatten. Ein hoher Anteil der „Hauptschüler“ (28,8 %) unternahm jedoch keine Urlaubsreise. „Realschüler“ (19,9 %) und „Abiturienten“ (9,1 %) verzeichnen hier signifikant niedrigere Werte. Sport treiben während einer Urlaubsreise ist der Zielgruppe zu 22,6 % „besonders wichtig“. Eine Differenzierung nach Geschlecht ergibt Werte von 32,2 % <?page no="183"?> 186 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure für die männlichen und 11,7 % für die weiblichen Jugendlichen. Noch stärkere Unterschiede ergibt die Differenzierung nach der Schulform. Für lediglich 8,3 % der „Hauptschüler“ hat Sport treiben eine besondere Bedeutung. Deutlich höhere Werte können hier wiederum die „Realschüler“ mit 29,1 % und die Abiturienten mit 27,3 % verzeichnen. .114 Der überwiegende Anteil der Urlaubsreisen wird mit den Familienangehörigen (42,0 %) oder mit Freunden/ Bekannten (38,3 %) verbracht. Der Anteil der Gruppenreisen liegt bei 11,3 %, die mit 25 % den höchsten Anteil an Sportaktivitäten aufweisen können. Alle weiteren Urlaubsformen liegen deutlich unter diesem Wert. Brinks (2014) unterscheidet zwischen Angeboten von Jugendreiseveranstaltern und einer auf den Sport bezogen eher ungerichteten „Spaßorientierung“ und den Angeboten der Sportjugendverbände, die (auch) auf die „sportliche Handlungsfähigkeit“ (253) von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sind. 3.4.5 Exkurs, der keiner ist: Behinderung/ Nichtbehinderung In diesem Buch wird nicht gesondert auf Behinderte eingegangen. Zu Recht! Der allseits bekannte Spruch „Behindert ist man nicht, behindert wird man“ verweist auf die gesellschaftliche Einbindung von Menschen. Für eine humane und gerechte Gesellschaft ist damit eine Figurierung verbunden, die Funktionsstörungen, körperliche und geistige Einbußen oder Schädigungen für einen gelingenden Alltag und eine umfassende Teilhabe an den gesellschaftlichen Prozessen als nicht hinderlich entstehen lässt. Derzeit entwickelt sich aus den verschiedenen Bereichen der Tourismuswirtschaft, Non-Profit-Organisationen und staatlicher Institutionen eine merkwürdige Argumentationslinie. Sie greift explizit die ökonomische Bedeutsamkeit von Behinderten im Tourismus auf. Die Argumentation zur ökonomischen Bedeutung des barrierefreien Tourismus mag auf den ersten Blick verständlich und hilfreich sein. 115 Bei ökonomisch lukrativeren Alternativen allerdings beinhaltet diese Ar- 114 Die abgeschwächte Fragestellung nach „leichter sportlicher/ spielerischer Betätigung“ ergab einen durchschnittlichen Wert von 31,5 %. Männliche Jungendliche kommen hier auf 43,8 % und weibliche Jugendliche auf 28,9 %. Lediglich eine weitere Aktivität, in der nach der RA (2010) gefragt wurde, verzeichnet ebenso große Abweichungen zwischen den Geschlechtern: Bei der Frage „etwas für die Schönheit tun, braun werden, schöne Farbe bekommen“ antworteten lediglich 26,0 % der männlichen Jugendlichen, aber 47,7 % der weiblichen Jugendlichen, dass ihnen diese Aktivität „besonders wichtig“ ist. 115 So argumentiert bspw. die „Stiftung MyHandicap gemeinnützige GmbH“ auf ihrer Website mit folgendem Text: „Menschen mit Behinderung auf Reisen: Ein Milliarden- <?page no="184"?> 3.4 Private Haushalte 187 gumentation eine gefährliche Logik. Wenn im konkurrenzbehafteten Wettbewerb ein vermeintlich ökonomischer Grenznutzen erreicht wird bzw. die Opportunitätskosten vermeintlich übermäßig ansteigen, verkehrt sich die Argumentation in ihr Gegenteil. Behindertentourismus würde sich dann nicht mehr „lohnen“. Die ökonomischen Effekte sollten die Debatte allenfalls flankierend begleiten. Vielmehr ist aus einer philosophischen und kulturwissenschaftlichen Position zu argumentieren, demzufolge sich die Gestaltung der Umwelt prinzipiell an menschlichen Bedürfnissen zu orientieren hat. Damit entfällt auch eine unnötig trennende Unterscheidung in Behinderte, Geschädigte, Beeinträchtigte und so genannte Nicht-Behinderte. Leidner et al. (2009) formulieren dieses Anspruch überaus treffend: „Design für Alle ist nicht nur eine Philosophie, sondern umschreibt auch einen Gestaltungsprozess, der darauf abzielt, eine barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für möglichst alle Menschen zu erreichen. Das bedeutet, dass die gebaute Umwelt, Produkte und Dienstleistungen so gestaltet sein sollen, dass sie sicher, gesund, funktional, leicht verständlich und ästhetisch sowohl anspruchsvoll als auch nachhaltig sind und daher die menschliche Vielfalt berücksichtigen und sich nicht diskriminierend auswirken.“ (Leidner et al. 2009) Der formulierte Anspruch ist überdies ein „Lackmustest“ für eine humane und gerechte Gesellschaft. geschäft. Bei einer derzeitigen Weltbevölkerung von rund sieben Milliarden Menschen, benötigen bereits heute rund zehn Prozent ‚barrierefreie‘ oder ‚leicht zugängliche‘ Einrichtungen. Auch folgende Zahlen verdeutlichen das enorme Potenzial: Es wird geschätzt, dass in Deutschland Menschen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität jährlich 2,5 Milliarden Euro auf Reisen ausgeben.“ ( www.myhandicap.de/ barrierefreireisen/ reiseorganisation/ barrierefreier-tourismus/ ) <?page no="185"?> 188 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.5 Sportsystem Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … die Ausdifferenzierung des organisierten, unorganisierten und kommerziellen Sports kennen sowie ergänzende Träger des Sports zu überschauen. die vielfältigen Bezüge zum Sporttourismus durch Sportaktivitäten, passiven Sportkonsum, Aus- und Fortbildungen kennen. die Bedeutung von Trainingslagerreisen und von Kooperationen zwischen Destinationen und Sportvereinen zu beurteilen. den Einfluss des kommerziellen Sports auf die sporttouristischen Aktivitäten zu beurteilen. die Rahmenbedingungen für kommerzielle Sportanlagen zu beurteilen. die Veränderung der Sportmedien nachzuvollziehen. Ausgehend von der Eigentätigkeit innerhalb des Sportsystems entstehen vielfältige touristische Aktivitäten, die sowohl selbständig als auch teilweise oder ganz von Fremdleistern geplant und durchgeführt werden. Unterschieden werden in diesem Kapitel die Bereiche des organisierten (Wettkampf-)Sports von lokalregionaler bis zur globalen Ebene, des unorganisierten Sports sowie des kommerziellen Sportbereichs. Die Zuordnung der sporttouristischen Aktivitäten im Schul- und Hochschulbereich erfolgt zum Non-Profit-Sektor. 116 Der gesamte ökonomische Beitrag des Wirtschaftszweiges Sport am Bip (Basis 2008) wurde von Ahlert (2013) erhoben. Demzufolge konsumierten in einem sportbezogenen Kontext die privaten Hauhalte 87,2 Mrd. Euro. Der Konsum des Staats betrug 16,4 Mrd. Euro. Weiterhin trugen Bauinvestitionen in Höhe von 7,0 Mrd. Euro zum Bip bei, sportspezifische Exporte mit 2,1 Mrd. Euro, Sportvereine/ -verbände mit 1,8 Mrd. Euro, Ausrüstungsinvestitionen aufgrund von Sport mit 0,6 Mrd. Euro, abzüglich sportspezifischer Importe (-) von 23,8 116 Formal gesehen liegt Bildung im Zuständigkeitsbereich der Länder und wäre demzufolge dem System Staat/ öffentliche Hand zuzuordnen. Die pädagogisch-kulturelle Praxis der Schulen und Hochschulen weist jedoch mehr Gemeinsamkeiten mit Non-Profit- Organisationen auf, im Gegensatz zu Behörden, Verwaltung und Politik. Keine Berücksichtigung findet der so genannte eSport, dem u.a. vom DOSB die Anerkennung als Sportart in seiner heutigen Form versagt bleibt. <?page no="186"?> 3.5 Sportsystem 189 Mrd. Euro (teilweise hervorgerufen durch sporttouristisch induzierte Ausgaben deutscher Urlauber). Insgesamt ergab dies eine Gesamtsumme von 91,3 Mrd. Euro, was einem Anteil am Bip von 3,7 % entspricht. 117 (Ahlert 2013, S. 29) Woratschek (1998, S. 348) hat eine systematische und differenzierte Gliederung der Sportbetriebe nach Sportgüterproduzenten und Sportdienstleistungen vorgenommen. Da nicht alle Sportbetriebe gleichermaßen in sporttouristische Aktivitäten involviert sind, wird die Spannweite der verschiedenen sportinduzierten touristischen Aktivitäten in Tab. 31 dargestellt. Träger des Sports und Segmente Akteursbzw. Zielgruppen (hauptsächlich) organisierter Sport Ligabetrieb Aktive, Staff, Funktionsträger, Fans Sportgroßveranstaltungen Aktive, Staff, Funktionsträger, Fans Trainingslager Aktive, Staff, teilweise Fans Saisonabschlussfahrten Aktive, Staff, Angehörige Fahrten der Sportjugenden Sportjugend, aktiv und passiv Qualifizierungsmaßnahmen Funktionsträger, Staff Tagungen und Kongresse Funktionsträger, Staff Bildungswerke und Sportreisen private Haushalte, organisierter Sport selbstorganisierter Sport informelle Sportgruppen Aktive und Angehörige Groundhopping Fußballenthusiasten kommerzieller Sport Sportschulen private Haushalte Sportagenturen und Tour Guiding private Haushalte, organisierter Sport Betreiber von großen Sportanlagen private Haushalte, organisierter Sport Tab. 31: Sportsystem und sportinduzierter Tourismus. Quelle: eigene Zusammenstellung Darüber hinaus sollen in diesem Kapitel auch angrenzende Wirtschaftsbranchen mit ihren Bezügen zum Sporttourismus bzw. sportinduziertem Tourismus aufgeführt werden. Für die Sportinfrastruktur-, geräte- und Sportartikelhersteller ist diese Zuordnung eindeutig. Für die Medien ist die Abgrenzung zwischen einer ausschließlichen und beiläufigen sporttouristischen Thematik schwieriger vorzunehmen. 117 Zum Sportkonsum privater Haushalte siehe auch Preuss 2012. <?page no="187"?> 190 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Ergänzende Träger des Sporttourismus Sportsegmente Hauptzielgruppen im sporttouristischen Kontext Sportinfrastruktur u.a. Bau von Golfplätzen, Schwimmbädern, Radwegen, Indoorhallen, Spiel- und Sportflächen kommerzielle Sportanbieter, Hotel-/ Clubanlagen, Verbände, Vereine, Kommunen 118 (Kauf/ Verpachtung) Sportgeräte u.a. Fitness, Rad, Wassersport, Wintersport kommerzielle Sportanbieter, Hotel-/ Clubanlagen, Verbände, Vereine, private Haushalte (Kauf/ Verleih) Sportbekleidung u.a. Fitness, Rad, Wassersport, Wintersport private Haushalte (Vorabkauf, teilw. vor Ort) Medien mit Sportund/ oder Tourismusbezug Publikums- und Fachzeitschriften, TV-Sendungen, Internet private Haushalte, beruflich Involvierte Tab. 32: Ergänzende Träger des Sporttourismus. Quelle: eigene Zusammenstellung 3.5.1 Organisierter Sport 3.5.1.1 Organisierter Sport und Ligabetrieb Auf den ersten Blick sind die Fahrten der Wettkampfmannschaften im Ligabetrieb der 63 Spitzenverbände sowie einiger Sportverbände mit besonderen Aufgaben auf regionaler bis internationaler Ebene der Hauptschwerpunkt touristischer Aktivität. Erfolgt der Zugang aus Sicht der Tourismuswirtschaft, so wird der Aufenthalt in einer anderen Stadt bereits als Tagestourismus gezählt. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht mutet ein derart formales Vorgehen fragwürdig an, wenn ein x-beliebiges Bezirksligaspiel zwischen Solingen und Wuppertal bereits Tourismus sein soll. Wer sich ursprünglich freiwillig und danach moralisch, und in höheren Ligen auch vertraglich, zum saisonalen Wettkampfbetrieb 118 Siehe dazu auch das sportbezogene Angebotsbündel in touristischen Orten bei Steinbach 2003, S. 26 und für Destinationen bei Letzner 2014, S. 178. <?page no="188"?> 3.5 Sportsystem 191 verpflichtet hat, muss fahren und vor allem sind die Ziele nicht nach touristischen Motiven ausgesucht. Im Gegenteil! Die Amateursportler im unteren bis mittleren Ligabetrieb goutieren zu jeder neuen Saison eher nahräumlich neu hinzukommende Auf- und Absteiger, um längere Fahrtzeiten zu vermeiden. Aus regionalwirtschaftlicher Perspektive erweisen sich die millionenfachen regionalen Wettkampffahrten als ökonomischer Scheinriese. Die Fahrten der Sportler und evtl. mitgereisten Fans zum Auswärtsspiel ergeben für die Kommunen durch die Hin- und Rückbegegnungen ein Nullsummenspiel ohne weitere Wertschöpfungseffekte. 119 Auf nationaler und internationaler Ebene ergeben sich jedoch einige Unterschiede. Ob ökonomisch potente und erfolgreiche Vereine vor ihrem Wettkampf am auswärtigen Spielort übernachten oder noch eine Wettkampfeinheit bzw. Kurztrainingslager einlegen, ist schon eher relevant. Die FC Bayern München AG (mit einer Bilanzsumme von über 528 Mio. Euro) hat im Fußball, um die hierzulande prominenteste Sportart anzuführen, ein ungleich höheres Ausgabeverhalten als bspw. der Aufsteiger SV Darmstadt 98. Ungleiches Ausgabeverhalten entsteht auch durch die zahlreichen mitgereisten Fans, die je nach Stadionkapazität und dementsprechendem Kartenkontingent mit bis zu 5.000 Personen anreisen (FC Schalke 04, Borussia Dortmund) und in München, Hamburg oder Berlin teilweise mit Übernachtung konsumrelevant werden. Demgegenüber ist zu konstatieren, dass die angereisten Fans aus diesen drei Städten (und aller weiteren Städte! ) kaum der Gelsenkirchener oder Dortmunder Innenstadt einen bemerkenswerten Besuch abstatten; von Übernachtungen ebenfalls abgesehen. Der Form halber sei angeführt, dass bspw. auch Sinsheim oder Leverkusen auf keine nennenswerte Verweildauer auswärtiger Fans verweisen können. 120 Für den (Fußball-)Ligabetrieb bestehen bezüglich der mitgereisten Fans und ihrer Verweildauer samt Ausgabebereitschaft vier idealtypische Varianten: Variante 1: nur Spiel Anreise PKW/ Bus/ Bahn - Stadionbesuch - Abfahrt (Bsp. Bayer Leverkusen : Werder Bremen) Variante 2: Spiel und Sightseeing Anreise PKW/ Bus/ Bahn - City - Stadionbesuch - City - Abfahrt (Bsp. 1. FC Köln : Augsburg) 119 Profiteure des ausgeprägten Wettkampfsystems sind die Automobilindustrie, nachgelagerte Branchen, das Transportwesen sowie die Gastronomie und das Beherbergungswesen. 120 Gleiches würde auch für die „Innenstadt“ von Wolfsburg gelten, jedoch bieten die Autostadt und der angrenzende Allerpark zwei touristische Attraktionen. <?page no="189"?> 192 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Variante 3: Spiel und Sightseeing mit Übernachtung Anreise PKW/ Bus/ Bahn/ Flug - City - Stadionbesuch - City - Übernachtung - Abfahrt (Bsp. Hertha BSC Berlin : Borussia Mönchengladbach) Variante 4: Spiel und Kurzurlaub Anreise Flug/ - Übernachtung - City - Stadionbesuch - City - Übernachtung - Abfahrt (Buchung evtl. über Spezialreiseveranstalter Vieten Tours, Poppe Sportevents, DERTOUR live) (Bsp. FC Barcelona : Bayern München) Einige Vereine verfügen inzwischen über eigene Reisebüros und Reiseveranstalter, um für ihre Akteure, Staff, Funktionsträger und Fans die Reisen zu organisieren. Vorteilhaft sind die Kenntnis über spezifische Bedürfnisse aller beteiligten Gruppen, kurze betriebsinterne Kommunikationswege und Zusatzeinkünfte durch die Ausweitung der Wertschöpfungskette. Borussia Dortmund verfügt über ein eigenes Reisebüro ( www.best-travel.de) und ist in den drei Segmenten „Sport- und Fußballreisen“, „Urlaubsreisen“ sowie „Leistungen für Vereine und Geschäftskunden“ aktiv. Der FC Bayern München verfügt mit der FC Bayern Tours GmbH ( www.fcbayerntours.de) ebenfalls über ein vereinseigenes Reisebüro und schließlich ist auf den Dachverband, den Deutschen Fußballbund, hinzuweisen ( www.dfb-reisebuero.de), der mit Reiseveranstaltern und Reisebüros kooperiert. Innerhalb der Fanszene wurden bereits Ende der 1970er Jahre eigene Vereine gegründet, die u.a. die (Bus-)Fahrten zu den Auswärtsspielen organisieren. Siehe dazu auch den Schalker Fan-Club Verband ( www.sfcv.de). 3.5.1.2 Organisierter Sport und Sportgroßveranstaltungen Zahlreiche Sportarten verfügen nicht mehr nur über einen europäischen Pokalwettbewerb, wie noch bis in die 1980er Jahre, sondern über ein europäisches Ligensystem (Champions League, Europa League im Fußball), das über die Qualifikation in den nationalen Wettbewerben führt. Die internationalen Begegnungen der europäischen Spitzenclubs und vor allem die Begegnungen der Nationalmannschaften sowie die Europa- und Weltmeisterschaften erzeugen zahlreiche Sportgroßveranstaltungen. Die Abstufungen der medialen Bedeutung richten sich je nach (erzeugtem) Bekanntheitsgrad, aktueller Bedeutung der Sportart sowie nach Akteursgruppen (Männer, Frauen, Junioren, Behinderte, Studierende, Betriebssport). Auf die Akquise von Sportgroßveranstaltungen und auf die damit verbundenen politischen, ökonomischen und touristischen Effekte wurde im Kapitel 3.1.4.2 schon eingegangen. 121 An dieser Stelle soll nochmals auf die Bedeutung des orga- 121 Unabhängig von den negativen Begleiterscheinungen des internationalen Spitzensports, der sich je nach Sportart mehr oder weniger intensiv mit Korruption, Fehlalloka- <?page no="190"?> 3.5 Sportsystem 193 nisierten Sports hingewiesen werden, der mit seiner Wettkampfstruktur, aber auch seinen großen Breitensportveranstaltungen wie bspw. dem Deutschen Turnfest ( www.turnfest.de) oder der Gymnaestrada ( www.gymnaestrada.de) aktive und passive Mitglieder, Angehörige, Funktionsträger, Fans, Medienvertreter zum Reisen veranlasst bzw. animiert. Zumindest für die Spitzensportler werden Reisen auch als strapaziöser Bestandteil ihrer Profession bewertet. „Alle glauben, wir fahren in Urlaub und sehen die Welt, aber was wir in der Regel sehen, sind die Regattabahnen, der Kraftraum und das Hotel.“ (Kathrin Marchand, Olympiateilnehmerin des deutschen Frauenachters (zit. nach Stephan; Barlog 2015, S. 18)). 3.5.1.3 Organisierter Sport und Trainingslager Die intensive und besondere Vorbereitung auf Wettkämpfe oder eine Wettkampfsaison ist grundlegender Bestandteil leistungs- und spitzensportlichen Handelns. Dass sich bis in die unteren Wettkampfklassen Trainingslager außerhalb des eigenen Nahraums etabliert haben, ist ein historisch junges Phänomen. Mittlerweile haben sich Trainingslager als ein anerkanntes und lukratives Segment im Sporttourismus entwickelt, von dem sowohl Destinationen, Reiseveranstalter, Sporthotels und Transportunternehmen profitieren als auch Vereine und deren Sportler, die unter klimatisch und infrastrukturell vorteilhaften Bedingungen trainieren können. Was Mitte der 1970er Jahre mit einem Trainingslager des FC Bayern München an der portugiesischen Algarveküste in der Bundesligawinterpause für Aufsehen sorgte und in der Liga schnell Nachahmer fand, ist heute fast selbstverständlicher Teil der Vorbereitung von Fußballvereinsmannschaften bereits auf Kreisebene, mindestens aber Bezirksebene. Neben den Möglichkeiten in Deutschland finden insbesondere Trainingslager in Spanien, der Türkei, Portugal und Österreich statt. 122 Multifunktionale Sportresorts bieten inzwischen für über 50 (! ) verschiedene Sportarten professionelle Trainingsmöglichkeiten an. Inzwischen sind auch einzelne Tourismusdestinationen und -regionen Kooperationen mit Fußballbundesligisten auf unterschiedlich intensiven Ebenen eingegangen. tionen und Doping auseinanderzusetzen hat, ist auf die dem Sport innewohnenden Möglichkeiten und Potenziale der körperlichen und Persönlichkeitsentwicklung, Welterfahrung, Verständigung, Freundschaft und Solidarität zu verweisen. 122 Unter www.bundesliga.de/ de/ liga/ news/ werden regelmäßig die Sommer- und Wintertrainingslager der Fußball-Bundesligisten aufgeführt. <?page no="191"?> 194 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Unternehmen Clubs Ebene Laufzeit Zillertal SV Werder Bremen VFB Stuttgart 4. Ebene inkl. Sommer 2016 Burgenland 1. FC Köln 4. Ebene inkl. Sommer 2016 Graubünden Hamburger SV 3. Ebene inkl. Sommer 2016 Heidiland VFL Wolfsburg Tourismus- Partner inkl. Sommer 2016 Kitzbühler Alpen - Brix. Borussia Dortmund 3. Ebene inkl. Sommer 2018 Salzburger Land Bayer 04 Leverkusen 3. Ebene inkl. Sommer 2016 Schwarzwald SC Freiburg Naming-Right- Partner bis Ende 2018/ 19 Trentino FC Bayern München 3. Ebene inkl. Sommer 2015 Tab. 33: Tourismusregionen als Partner in der Fußballbundesliga. Quelle: in Anlehnung an SPONSORs 2014 Der Entschluss, im angrenzenden Ausland Trainingslager zu beziehen, unterliegt nicht ausschließlich sportlichen Gesichtspunkten, sondern ist darüber hinaus für die renommierten Vereine auch eine strategische Entscheidung zur stärkeren Eigenvermarktung. <?page no="192"?> 3.5 Sportsystem 195 Beispiel „Borussia Dortmund wird auch in den kommenden drei Jahren zur Saisonvorbereitung im Sommer nach Österreich reisen. Der achtmalige Deutsche Meister und der Tourismusverband Kitzbüheler Alpen - Brixental, seit 2012 Partner des BVB, haben die Kooperation bis zum Saisonende 2017/ 18 verlängert. ‚Die Möglichkeiten, die sich uns hier bieten, entsprechen exakt dem Anforderungsprofil von Borussia Dortmund. Die Mannschaft und auch die Fans fühlen sich überaus wohl und bestens versorgt. Außerdem wollen wir unsere Position in den Nachbarländern weiter festigen. Dabei spielt Österreich eine wichtige Rolle‘, begründet Carsten Cramer, BVB-Direktor Marketing und Vertrieb, die vorzeitige Verlängerung der Kooperation.“ Quelle: www.bvb.de/ News/ Uebersicht/ BVB-verlaengert-Kooperation-mit- Tourismusregion-Kitzbueheler-Alpen-Brixental Die über den Charakter des üblichen Trainingslagers mit festgelegten Testspielpartnern hinausgehenden (teilweise weltweiten) Werbetouren werden zudem von der Deutschen Fußballliga (DFL) mitfinanziert. „Um die Vermarktung anzukurbeln, hat die Dachorganisation der Profiklubs diesen Winter 1,5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Die Klubs erhalten bis 300.000 Euro, wenn sie in die ausgesuchten Kernmärkte gehen beziehungsweise Testspiele gegen dortige Klubs bestreiten.“ (FAZ vom 8.1.2014) Insbesondere die TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen und den VFL Wolfsburg begleiten die ökonomischen Interessen der drei DAX-Konzerne SAP, Bayer und VW. 123 Dass die Wahl der Trainingslagerorte und Werbetouren im Einzelfall auf massive ethisch begründete Kritik stößt, wurde jüngst am Beispiel des FC Bayern München und seinem Trainingslager in Katar und einem Trainingsspiel in Saudi-Arabien deutlich, zu dem Frauen (grundsätzlich) keinen Zugang haben (siehe www.spiegel.de/ sport vom 21.1.2015). Einen interessanten und (für Nicht-Tennisspieler) wenig bekannten Aspekt weisen einige Tennistrainingslager auf. Clubanbieter wie z.B. Aldiana organisieren Turniere, deren erfolgreiche Teilnahme und Punktgewinne zur Verbesserung der jeweiligen Leistungsklasse und Ranglistenposition in Deutschland offiziell vom Verband anerkannt werden. Darüber hinaus sind vorab individuelle Trainingspakete mit Einzel- oder Gruppenunterricht, Matchtraining und Coaching möglich. 123 Mitglieder im Aufsichtsrat der FC Bayern München Aktiengesellschaft sind die Vorstandsvorsitzenden der international operierenden Konzerne Adidas AG, Allianz AG, Audi AG, Deutschen Telekom AG, Volkswagen AG sowie der Vorstandssprecher der Unicredit AG. Die Vorstellung, bei den weltweiten Werbetouren des FC Bayern München ginge es ausschließlich um Fußballspielen, muss als naiv verworfen werden. <?page no="193"?> 196 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Individuelle und Gruppentrainingslager im Radbereich werden seit Jahrzehnten auf Mallorca durchgeführt. Gegen Ende Februar/ Anfang März starten die ersten von über 100.000 Rennradfahrern und inzwischen zusätzlich auch Mountainbiker sowie Triathleten, um die klimatischen und topografischen Vorteile sowie die gute Infrastruktur zu nutzen. Spezial-Radreiseveranstalter bieten zudem Trainingslager unter Anleitung von (ehemaligen) Radprofis an sowie einzelne Etappen renommierter Radrennklassiker. Randsportarten wie bspw. Wasserball finden adäquate Trainingsbedingungen in südosteuropäischen Ländern (Ungarn, Rumänien oder Kroatien) vor, die dort über eine anerkannte und verbreitete Tradition sowie Infrastruktur verfügen. Trainingslager außerhalb des Wohnortes bzw. alltäglichen Nahraums mit touristischem Bezug haben sich insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten von einem Nischenzu einem Massenmarkt entwickelt. Die Trainingslager fokussieren sich nicht mehr wie früher ausschließlich auf den Leistungs- und Spitzensport, sondern werden flächendeckend auch durch den lokal-regionalen Breitensport durchgeführt. Damit erweitert sich auch die Altersstruktur der beteiligten Akteure bis in den Bereich der Altersklassen 50/ 55. Gleichzeitig nehmen immer mehr Akteure, vornehmlich in Gruppen und vereinsgebunden, aber auch individuell, aus nahezu allen Sportarten an Trainingslagern teil. Die Anbieterstruktur konzentriert sich sowohl auf verbandseigene Sportschulen, vereinseigene Anlagen als auch auf kommerzielle Sportresorts und - nicht zu vergessen - das individuell geplante und im Urlaub/ in den Ferien realisierte Trainingslager. 3.5.1.4 Fahrten der Sportjugenden Als eigenständige Gliederung der Sportvereine (und -verbände) gestalten die Sportjugenden jenseits des Wettkampfsports das kommunikativ-gesellige Leben in den Vereinen und beziehen mit ihren Aktivitäten sowohl die aktiven Sportler als auch die passiven Vereinsmitglieder unter 18 Jahren mit ein. Eine ältere Studie von Knüppel (1998), die sich auf den Landessportbund Bremen bezog, wies damals einen Anteil von 10 % Jugendreisen (mehrtägig) an allen Reisen der befragten Sportvereine auf (detaillierter siehe Schwark 2006a, S. 161, sowie Trosien/ Dinkel 2001, S. 26 und Schuchardt/ Schwark 2005, S. 189ff.). Darüber hinaus ist das Potenzial an eintägigen Fahrten (häufig zu Freizeitparks oder vergleichbaren Attraktionen) ungleich höher einzuschätzen. 3.5.1.5 Saisonabschlussfahrten Saisonabschlussfahrten fallen unter die Kategorie des sportinduzierten Tourismus. Der Charakter dieser Wochenendmaximal Wochenreisen ist überwiegend auf gesellig-kommunikative Motive ausgerichtet. In der erwähnten Studie von Knüppel wurden 13 % Saisonabschlussfahrten von allen Reisen durchgeführt. <?page no="194"?> 3.5 Sportsystem 197 3.5.1.6 Qualifizierungsmaßnahmen der Sportverbände Innerhalb des organisierten Sports werden im Rahmen des verbandlichen Aus- und Fortbildungswesens zahlreiche Reisen zu Seminaren und Tagungen (inkl. Übernachtung) vornehmlich in den eigenen Sportschulen oder Räumlichkeiten der Verbände durchgeführt. Neben der Trainerausbildung (B- und A-Lizenz) sind das Ausbildungwesen für Schieds- und Kampfrichter sowie Lizenzierungen im Breitensport und fachspezifische Fortbildungen zu benennen. Umfang und inhaltliche Ausrichtung sind über die Ausschreibungen der Landessportbünde, der Fachverbände auf Landes- und Bundesebene sowie der Führungs-Akademie des DOSB einsehbar. Darüber hinaus ist auf die dsj-academy der Deutschen Sportjugend und das Europäische Netzwerk der Akademien des Sports hinzuweisen (Deutschland n=7, Niederlanden n=2, Luxembourg n=1, Polen n=1, Schweden n=1). 124 3.5.1.7 Tagungen und Kongresse des organisierten Sports Zusätzlich zu den Aus- und Fortbildungsmaßnahmen der Sportverbände und -akademien ist auf eine weitere Form des sportinduzierten Tourismus hinzuweisen. Innerverbandliche sowie öffentliche Tagungen und Kongresse bilden ein weiteres Segment, Diese finden ebenfalls überwiegend in den Räumlichkeiten der Verbände statt. 125 Idealtypisch kann die jährlich ausgerichtete Bädertagung des Schwimmverbandes NRW angeführt werden (2014 in den Räumlichkeiten des Ruderleistungszentrums in Dortmund). Die sportpolitisch gesuchte intensive Nähe zur Wirtschaft erhält ihren symbolischen Ausdruck bisweilen aber auch darin, dass die ersten beiden olympischen Sportkongresse des DOSB (2008 und 2012) in den Berliner Hauptstadtrepräsentanzen der Deutschen Telekom AG und der Bertelsmann AG stattfanden. 3.5.1.8 Bildungswerke und Sportreisen Die Bildungswerke der Landessportbünde und Fachverbände (siehe exemplarisch www.blsb-nrw.de, www.sportangebote-wflv.de und www.sportangebotekanuverband.de) sind anerkannte Träger der Erwachsenenbildung und verfolgen 124 Bezug genommen wird auf Angebote auf Verbandssowie Bundesebene und nicht auf Kreis- oder Stadtebene. Neben den als bekannt vorausgesetzten Verbänden siehe www.dsj.de/ handlungsfelder / junges-engagement/ dsj-academy/ grundkonzept, www.fuehrungsakademie.de sowie www.euro-sportakademien.de. 125 Auf die Tagungen und Kongresse der Sportinstitute der Hochschulen sowie die fachlichen Zusammenschlüsse wie bspw. die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) wird im Kapitel 3.3.1 hingewiesen. <?page no="195"?> 198 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure primär das Ziel, Erwachsene zum Sport allgemein hinzuführen und in einem zweiten Schritt den Zugang zum organisierten Sport zu eröffnen. Darüber hinaus unterliegt das Angebot einem bildungs- und sportpolitischen Verständnis, das (in Auszügen) dem Leitbild des Bildungswerks des Landessportbundes NRW entnommen ist: Beispiel „Sport dient dem Menschen zur bewegungs- und körperorientierten ganzheitlichen Entwicklung der Persönlichkeit und trägt in einer schützenswerten Umwelt zur Gesundheit in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht bei. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass es allen Menschen möglich ist, aktiv an Bewegungs- und Sportangeboten teilzunehmen. Wir verstehen Sport auch als Medium und Hilfe zur Lebensgestaltung und zur Bewältigung von Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt. Wir lehnen jedoch Formen von Sport ab, die die Verletzung oder Zerstörung von Mensch, Tier und Umwelt zur Folge haben, ebenso Grenzerfahrungen, die mit hohem Risiko für Leib und Leben verbunden sind, und sportliche Leistungen, die mit Hilfe von Doping erzielt werden. Auf der Grundlage der Werte Freiheit, Solidarität, Chancengleichheit und Toleranz leistet Weiterbildung im Sport ihren Beitrag zur aktiven Bürgergesellschaft, zur Orientierung, Lebensgestaltung und Lebensqualität der Menschen.“ Quelle: www.blsb-nrw.de/ wir-ueber-uns/ leitbild/ unser-bildungs-undsportpolitisches-verstaendnis/ Ein Bestandteil des umfangreichen Angebotes sind zahlreiche Sportreisen. Bezug genommen wird auch hier wiederum auf das Bildungswerk des Landessportbundes NRW als den größten Anbieter mit jährlich über 100.000 TeilnehmerInnen, 10.000 angebotenen Sportkursen, Qualifizierungsmaßnahmen sowie Sportreisen. Die Gewichtung der Themen folgt, zumindest für die Sommerangebote, mit Fitness (62 Angebote) sowie Radfahren (37 Angebote) und Wandern (37 Angebote) den derzeit bedeutsamsten Schwerpunkten und medial auf breiter Basis vermittelten Trends. Von den 62 „Sport“-Angeboten im Fitnessbereich beziehen sich gleich 28 auf die Themen „Wellness“ bzw. „Wellness und Gesundheit“ und sind, wenig überraschend, nahezu ausschließlich für Frauen ausgeschrieben. <?page no="196"?> 3.5 Sportsystem 199 Sportreisen Sommer Anzahl Sportreisen Winter Anzahl Fitness/ Gesundheit 62 Ski alpin 64 Fahrrad 37 Specials 37 Bergwandern 37 Die Skifamilie 28 55 plus 9 Skilanglauf 26 Familie 8 Kurztrips 15 Tanz 4 Skisafari 9 Segeln 3 Ski alpin + Langlauf 6 Kanu 2 Ski alpin + Snowboard 4 Badminton 2 Winteropening 2 Tennis 1 Segelfliegen 1 Schnuppertage 1 Tab. 34: Sportreisen des Bildungswerks LSB NRW 2015. Quelle: www.sportreisen-nrw.de/ sportreisen 3.5.2 Selbstorganisierter Sport 3.5.2.1 Informelle Sportgruppen Unter selbstorganisiertem Sport sind informelle Sportgruppen wechselnder Größe zu fassen, die sich in einer gewissen Regelmäßigkeit treffen, keine Mitgliedschaften und damit verbundene Strukturen anstreben und auf einen weniger leistungsorientierten, mehr geselligen Charakter ausgerichtet sind. Die Palette des selbstorganisierten Sports reicht von Gruppen, die sich an Wochenenden im Park zum Fußballspielen treffen, über Lauf- und Walkinggruppen, jugendliche (bzw. junggebliebene) Skater auf den Plätzen im öffentlich-urbanen Raum bis hin zu Personen, die sich selbst als Kegelclub bezeichnen, ohne die entsprechenden Strukturen eingetragener Vereine aufzuweisen. 126 Der fehlende formaljuristische Zusammenschluss kann allerdings, je nach Dauer und Bedeutung für die jeweiligen Akteure, mit einer starken moralischen Bindung und Verpflichtung einhergehen. 126 Ob es sich in jedem Fall um Sportaktivitäten handelt, muss an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Unstrittig ist der überwiegend breitensportliche Charakter der Aktivitäten, die bisweilen eben auch die Grenze zur bloßen Alltagsmotorik unterschreiten. <?page no="197"?> 200 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Aus der Praxis dieser mehr oder weniger informellen Gruppierungen entstehen häufig jährlich mindestens einmal durchgeführte Fahrten, deren Anzahl auf einige hunderttausend geschätzt werden kann. 3.5.2.2 Groundhopping Groundhopping ist eine in der Öffentlichkeit ambivalent bewertete Reiseaktivität zu Spielen und Spielorten/ -regionen auf nationaler und auf internationaler Ebene. Die 1974 in der Football League Review formulierte Idee bezog sich auf die nachweislichen Besuche (Eintrittskarte, Rahmendaten) der 92 Stadien in den obersten vier englischen Profiligen ( www.ninetytwoclub.org.uk). Die heutige Grundidee deutscher Groundhopper besteht im Besuch überwiegend von Fußballspielen unterhalb der ersten Liga, um neben dem Spiel zusätzlich die spezifische Atmosphäre, das Zuschauerverhalten, die Sportarchitektur und -infrastruktur und den alltagsweltlichen Kontext jenseits des kritisierten Show-Fußballbusiness zu erleben. Die Ambivalenz der Lebensweise von Groundhoppern verweist einerseits auf die überaus starke finanzielle und zeitliche Fixierung auf die Eigenwelt des Fußballs und andererseits wiederum in dieser Eigenwelt auf die Loslösung vom Showsport und der tatsächlich möglichen Erweiterung des Erlebnis- und Erfahrungshorizontes durch unkonventionelle Reiseziele in die Provinzen unterschiedlichster Nationalstaaten. Eine detaillierte Analyse samt Interviews zum Groundhopping in England findet sich bei Bauckham (2013, S. 443-455). Darüber hinaus sind die englischsprachigen Seiten www.ninety-twoclub.org.uk und www.doingthe92.com interessant sowie www.europlan-online.de. Insgesamt sind in Deutschland schätzungsweise einige tausend Groundhopper aktiv. 3.5.3 Kommerzieller Sport Einen touristischen Kontext weisen innerhalb des kommerziellen Sportsegments die Sportschulen, Sportagenturen sowie die Betreiber großer Sportanlagen auf. Mit kommerziellem Sport sollen explizit nicht entgeltpflichtige Kurse der Sportvereine sowie der Einrichtungen der Erwachsenenbildung verstanden werden. 3.5.3.1 Sportschulen Da der Begriff der Sportschule nicht geschützt ist, tritt eine sprachliche Irritation auf. Unter Sportschulen fallen einerseits die Übernachtungseinrichtungen samt Sportinfrastruktur der Sportverbände. Teilweise firmieren große Sporthotels bzw. Sportresorts unter diesem Begriff. Des Weiteren werden einige Gymnasien, die sich im Verbundsystem zwischen Schule und Leistungssport <?page no="198"?> 3.5 Sportsystem 201 befinden, als Sportschule etikettiert. Andererseits sind Sportschulen kommerzielle Einrichtungen, deren Intention mittels haupt- oder nebenberuflichem Personal in der Vermittlung einer Sportart liegt. Insofern ist eher eine strukturelle Nähe zu Sprachschulen gegeben. Wedemeyer-Kolwe (2004) weist darauf hin, dass bereits in den 1890er Jahren im Rahmen der damaligen Körperkulturbewegung zahlreiche Sportschulen (bspw. im Bodybuilding und Fitnessbereich) entstanden. Die damalige Ausweitung des Produktportfolios zur Abschöpfung von Kaufkraft zeigt zu heutigen, vermeintlich modernen Marketingmaßnahmen deutliche Parallelen: „Von durchgängiger Bedeutung war die kommerzielle Gewichtung, die sich nicht nur auf Schul- und Kurskosten oder Aus- und Weiterbildungsgebühren erstreckte, sondern auch eine breite Warenpalette umfasste, die das praktische Angebot begleitete: Körperanleitungs- und Lebensratgeberliteratur, Trainingsgeräte, Nahrungspräparate und Sportbekleidung.“ (Wedemeyer-Kolwe 2004, S. 424) Von Interesse sind Sportschulen, die im touristischen Kontext zum einen auf eine Sportreise hinqualifizieren, so z.B. örtliche Tauchschulen durch die Vermittlung von Grundqualifikationen. Zum anderen ist auf Sportschulen zu verweisen, die in der Destination die entsprechenden Qualifikationen vermitteln. Hauptsächlich existieren Sportschulen im Bereich der Natursportarten mit Geräteeinsatz, also jener Sportarten, die während der schulischen Laufbahn eher selten oder gar nicht vermittelt wurden und demzufolge zur Ausübung ein nachholender, erstmaliger Qualifizierungsbedarf besteht. Die Palette der Sportarten bezieht sich vorwiegend auf Flug-, Golf-, Kletter-, Segel-, Ski-, Surf-, Tauch- und Tennisschulen. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich zudem zahlreiche (Ferien-)Fußballschulen (ca. 150 in Deutschland) etabliert. Der Verband Deutscher Sporttaucher ( www.vdst.de) listet 31 Tauchschulen in Deutschland auf sowie Dive Center in 22 weiteren Nationalstaaten. Teilweise sind Sportschulen auch innerhalb von touristischen Clubanlagen oder Resorts eingegliedert und traditionell befinden sich die Golfschulen auf den jeweiligen Clubanlagen. <?page no="199"?> 202 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Auszug aus den Richtlinien des Deutschen Wellenreit Verbandes (DWV) für die Anerkennung von Wellenreitschulen: Beispiel „2. Materialausstattung [...] Die Surfboards müssen auf die unterschiedlichen Voraussetzungen (Alter, Gewicht, Größe, Leistungsfähigkeit) der Schüler abgestimmt sein. Für den Anfängerunterricht sollten Malibu-Softboards bevorzugt werden. Für den theoretischen Unterricht muss die Schule eine Auswahl an geeigneten Unterrichtsmedien, wie z.B. Videokamera, Projektionsgeräte, Schautafeln, Pinboards, Demo-Modelle o. Ä. nachweisen können. 3. Übungsleiter und Schüler-Lehrer-Schlüssel Praktischer Surfunterricht am Meer ist stets von einem Übungsleiter (m/ w) mit gültiger Surfinstructor Level II Lizenz des DWV (oder Äquivalent) zu leiten. Ein Schüler-Lehrer-Schlüssel von 8: 1 darf unabhängig von der Gruppengröße nicht überschritten werden. [...] 5. Qualitätsstandard des Unterrichts Die Schüler müssen auf Risiken und Gefahren des Wellenreitens hingewiesen werden. Insbesondere wird ihnen deutlich gemacht, dass Surfen Übung erfordert und das Risiko stark von den jeweils aktuell vorherrschenden Bedingungen abhängt. Die Mindestanforderungen an einen Anfängerkurs, unabhängig seiner Länge, bestehen in der ausführlichen theoretischen Einweisung in die folgenden Themen: Strömungen, Revierkunde, Notfallverhalten, Vorfahrtsregeln, Sturzverhalten. Das Bewegungslernen in einem vollständigen Anfängerkurs soll methodischdidaktisch gestaltet sein und mit Theorievorträgen über die Hintergründe von Wetter, Wellen, Gezeiten und Strömungen aufbereitet sein. Zudem müssen ausführliche Informationen zu folgenden Sicherheitsthemen gegeben werden: Umgang mit Material beim Transport und im Wasser, Umgang mit Strömungen, Verhalten in Notfällen, Internationale Wellenreitregeln, bspw. Kollisionsvermeidung, Vorfahrtsregeln, Strandordnung, ggf. in Kooperation mit der Strandwacht, umweltbewusstes Verhalten.“ Quelle: www.wellenreitverband.de/ surfschulen/ (Stand 03/ 2011) <?page no="200"?> 3.5 Sportsystem 203 3.5.3.2 Sportagenturen und Tour Guiding Auch dieser Begriff ist nicht juristisch geschützt, was zur Folge hat, dass die Inhalte, die mit einer Sportagentur verbunden werden, sich unterschiedlich gestalten. Die Spannweite der Aktivitäten beginnt bei kommunalen Betrieben, die in Abgrenzung zu den verbliebenen traditionellen Aufgaben der Sportämter für die Akquise, Planung und Durchführung von Sportgroßveranstaltungen zuständig sind (z.B. Sportagentur Düsseldorf). Weiterhin verstehen sich kommerzielle Sportagenturen als Vermittler und Organisator von Sportevents (z.B. www.imusport.de) oder als Consultingunternehmen, die u.a. Angebote für die individuelle Karriereplanung und -begleitung von Spitzensportlern erstellen (z.B. www.dietmarkohli.de). Für den hier anvisierten touristischen Kontext sind jedoch Sportagenturen von Interesse, die ihre Dienstleistung im Bereich des Tour Guiding anbieten. 127 Unter dem englischen Begriff Tour Guiding sind die deutschen Begriffe Gästeführung und Reiseleitung zu fassen. Die Aufgabenstellung für die Reiseleitung ist in der Regel thematisch komplexer und zeitaufwändiger Bestandteil einer Pauschalreise und wird in Kapitel 3.6.3 Reiseveranstalter behandelt. Die Gästeführung wird von der Europäischen Kommission zur Normierung (CEN) formal definiert als: „Person, die Besucher in der Sprache ihrer Wahl führt und das kulturelle und natürliche Erbe eines Gebietes vermittelt und normalerweise über eine gebietsspezifische Qualifikation verfügt, die üblicherweise von den zuständigen Stellen ausgegeben und/ oder anerkannt wird.“ 128 Die Gästeführung kann sich insofern auch auf die Verbindung von Sportaktivität mit natürlichem, landschaftlichem oder urbanem Raum konzentrieren. 129 Traditionell ist auf die Qualifikationen als Berg-, Naturpark- und Nationalpark-, Ski-, Stadt-, Wanderführer zu verweisen. 127 Insofern wäre auch eine Zuordnung im Kapitel Tourismussystem möglich. In der Regel handelt es sich jedoch ganz überwiegend um Akteure, die sich aus dem Sportsystem rekrutieren. Die Logik der Dienstleistung ist aus Sicht der Akteure primär eine sportbezogene, die zusätzlich in einen touristischen Kontext eingebettet wird. 128 Zum Thema der Tour Guides und Tour Manager existieren auf europäischer Ebene hinsichtlich der Qualifikation und Legitimation unterschiedliche Auffassungen. Siehe dazu auch die Pressemitteilung des Bundesverbandes der Gästeführer in Deutschland e.V. unter www.bvgd.org/ wp-content/ uploads/ 2015/ 02/ PresseETOA.pdf. 129 Umfassend geht Schmeer-Sturm (2012) auf das Thema Gästeführung und Reiseleitung ein. <?page no="201"?> 204 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Verband Deutscher Berg- und Skiführer e.V. www.vdbs.de Deutscher Wanderverband e.V. www.wander-verband.de Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e.V. www.bvgd.org Bundesweiter Arbeitskreis der staatlich getragenen Umweltbildungsstätten (BANU) www.banu-akademien.de Tab. 35 : Gästeführer zertifizierende Verbände mit Sportbezug Sightjogging Die Ausgangsideen zum Sightjogging, das im Zuge der Laufbewegung Ende der 1990er Jahre in einigen wenigen Städten entstand, haben individual-ökonomische, funktional-trainingsorientierte und kultur-aneignende Hintergründe. Beispiel „ Sightjogging - informative Sporteinheit! Sightjogging ist eine ideale Kombination: Training/ Bewegung und die Entdeckung von bedeutenden Sehenswürdigkeiten. Zudem erhaltet Ihr für Euren weiteren/ erneuten Aufenthalt eine gute Orientierung und von unseren Guides natürlich noch ein paar Insidertipps zum Ruhrgebiet. Eine Stadtführung im Laufschritt. In allen Ruhrgebietsstädten und rund um fast alle bedeutenden Sehenswürdigkeiten begleiten wir Euch. Sechs Sightjogging-Guides teilen sich diese spannende Region und bringen umfassendes Wissen mit.“ Quelle: www.simply-out-tours.de/ angebote/ simply-out-touren-durchsruhrgebiet/ sight-jogging/ Aktive (leistungsorientierte) Läufer haben ursprünglich im privaten Rahmen ebenfalls laufenden auswärtigen Bekannten und Freunden ihre Laufstrecken in der Stadt „gezeigt“ und „by the way“ auch die eine oder andere Erklärung zum urbanen Raum vermittelt. Weitere Phänomene sind die vortäglichen „Inspizierungen“ der Strecken bei auswärtigen Wettkämpfen oder das frühmorgendliche Lauftraining von Geschäftsreisenden, die vom Hotel aus laufend die Stadt mehr oder weniger zufällig in Augenschein nehmen. Aus diesem Kontext entwickelten sich erste Laufangebote einzelner Personen, die ihr Hobby mit einer (zuerst) nebenberuflichen Einkunft verbanden. Gleichzeitig konnten die zahlenden Laufkunden sich Laufstrecken und Teile des urbanen Raums auf einem attraktiveren Niveau aneignen. Inzwischen existieren zahlreiche Sightjogging-Angebote <?page no="202"?> 3.5 Sportsystem 205 in nahezu jeder größeren Stadt. Darüber hinaus wird das Konzept übertragen auf Fahrradführungen, Inline-Skating oder Nordic-Walking-Führungen. Sportagenturen www.touristjogging.de Hotels www.carat-hotel-muenchen.de (Spezial-)Reiseveranstalter www.simply-out-tours.de Stadtmarketing www.tourist-mannheim.de Tab. 36: Exemplarische Anbieter von Sightjogging 3.5.3.3 Betreiber von großen Sportanlagen Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass unter dem Begriff der Sportanlage auch die sprachlichen Variationen Halle, Center, Park und Garten zu fassen sind. Die jeweiligen Anlagen weisen eine deutliche Schwankungsbreite hinsichtlich der aktiven Besucherzahlen auf, die zwischen 10.000 (und höher) bei Wasserskianlagen und 500.000 bei Skihallen liegen. Ein Großteil der zusätzlichen passiven Gäste besucht die Einrichtungen wegen der Gastronomie oder anlässlich abendlicher Events als Zuschauer. Ein Großteil der kommerziell betriebenen Sportanlagen ist auf Zielgruppen konzentriert, die dem nahräumlichen Umfeld entstammen. Demnach verfolgen diese Anbieter keine weiteren touristischen Ambitionen. Dies trifft auf den weitaus größten Teil der über 8.000 Fitness- und Wellnessanlagen zu, die demzufolge nicht in Tab. 37 aufgeführt sind. 130 Allerdings können Mitglieder, deren Fitnessstudios wiederum Mitglied im Arbeitsgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) sind, während ihres Urlaubs „bundesweit an 5x5 Tagen im Jahr in Gasttrainingsstudios [...] trainieren“ ( www.dssv.de). Kommerzielle Sportanlagen sind keine Erfindung der 1980er Jahre, sondern haben sich mit dem englischen Wettkampfsport u.a. in Form von Fitnessstudios bereits in den 1920er Jahren etabliert. 131 Zur gleichen Zeit wurde bspw. eine Wintersporthalle in Wien errichtet: „Der in Wien lebende norwegische Skispringer D. Carlsen errichtete (er allein? , J.S.) in der seit 1926 aufgelassenen Halle des Nord- 130 Der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) hat 2015 Eckdaten zur Fitnesswirtschaft erhoben. Siehe dazu auch www.dssv.de/ home/ statistik/ eckdaten-2015. 131 Zur Geschichte der spätmittelalterlichen Ballhäuser des 16. Jahrhunderts bis zum 18. Jahrhundert siehe Vaupel 2014. <?page no="203"?> 206 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure westbahnhofs ein künstliches Wintersportgelände. Auf einem Areal von 4.000 m² wurden auf 20 Meter hohen Gerüsten mit Kokosmatten und künstlichem Schnee eine Rodelbahn, eine Skiwiese und eine Sprungschanze, auf der Sprünge bis zu 20 Meter möglich waren, geschaffen, die von 10 bis 22 Uhr benützt werden konnten.“ (Quelle: http: / / austria-forum.org/ af/ Heimatlexikon/ Schnee-palast_-_Wien) Laut „BranchenReport: Betrieb von Sportanlagen“ (2014) existieren in Deutschland 6.000 kommerzielle Sportanlagen. Ergänzend ist anzumerken, dass die in Tab. 37 aufgeführten Sportanlageformen darüber hinaus auch von Kommunen (Eislaufhallen, Bäder) oder von Verbänden (Kletterhallen des Deutschen Alpenvereins) betrieben werden. Abb. 40: Bike-Park Winterberg (Sauerland) - „North Shore”. Quelle: Bikepark Winterberg, Gah Krämer Die Bewertung der einzelnen Betriebsformen und ihrer typischen Merkmale wie Besucherzahl, Einzugsbereich, Flächenbedarf und Lage konzentriert sich auf Durchschnittswerte größerer Anbieter. Im Einzelfall können daher auch nach oben oder unten abweichende Einschätzungen zutreffen. Die Bewertung zur Besucherzahl entsteht aus einem Mischungsverhältnis von einheimischen Nutzern, Tagestouristen und vor Ort anwesenden Urlaubern. Je nach Größe des Einzugsbereichs verschieben sich die Anteile zugunsten der touristischen Nutzer. Einige der kommerziellen Sportanlagen sind in den letzten beiden Jahrzehnten von deutlichen Schrumpfungsprozessen betroffen gewesen (Tennis- und Squashbetreiber, Eishallen), während andere Sportarten wie bspw. Klettern/ Bouldern eine deutliche Angebotszunahme zu verzeichnen hatten. 132 Eine betriebswirtschaftlich tragfähige Existenz gelingt in den meisten Fällen nur über Zusatzeinkünfte durch den Verkauf von Sportgeräten, Sportbekleidung, gastronomischen Angeboten mit zusätzlichen Events (teilweise auch Übernachtungs- 132 Die Zahl der Eishallen sank zwischen 2000 und 2012 von 186 Anlagen auf 120 (2hm & Associates 2012, S. 9) und ein Teil der Squash- und Tennishallen unterlag einer Konversion zu Soccer- und Beachsportanlagen. <?page no="204"?> 3.5 Sportsystem 207 angeboten) und mit zusätzlichen Sportangeboten. Die Skihalle in Bottrop ( www.alpin-center.com) betreibt bspw. zusätzlich zum Skiangebot eine Sommerrodelbahn und einen Hochseilklettergarten. 133 Kommerzielle Sportanlagen * Besucherzahl Einzugsbereich Flächenbedarf Lage Bäder, erlebnisorientiert P/ L Beachsport, indoor/ outdoor Z/ P Billard-/ Bowlingcenter Z/ P Eislaufhallen Z/ P Golfanlagen P/ L Kartbahnen, outdoor P/ L Kletterhallen Z/ P Hochseilgärten P Multifunktionsanlagen P/ L Mountainbikeareale L Paintball, indoor/ outdoor Z/ P Skatinghallen Z/ P Skihallen P/ L Soccer, indoor Z/ P Spiel- und Sportpark, outdoor P/ L Spiel- und Sportpark, indoor P/ L Tauch-Center P/ L Tennis-/ Squash-Center Z/ P Wasserski/ Wakeboard P/ L * niedrig mittel hoch Z=Zentrum, P=städtische Peripherie, L=ländlicher Raum Tab. 37: Kommerzielle Sportanlagen und typische Merkmale. Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Acker; Barsch 2007 und Ulbert 2009 133 Darüber hinaus stehen einige Großprojekte massiv in der Kritik. Das „Tropical Island“ hat bislang 18 Millionen Euro Steuergelder vereinnahmt und das Projekt „Nürburgring 2009“ wurde mit 330 Mio. Euro Steuergeldern subventioniert. <?page no="205"?> 208 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die Vor- und Nachteile der Standortvoraussetzungen haben Acker und Barsch (2007) erhoben. Zusätzlich ist anzumerken, dass ein Teil der Sportanlagen inmitten des urbanen Raums der Konversion vormals gewerblich oder industriell betriebener Hallen zu verdanken ist. Zentrum Sehr gut ausgebaute engmaschige Infrastruktur mit sehr guten ÖPNV-Anbindungen. Hohe Bodenpreise. Vielfältige Restriktionen (Emissionen etc.). In der Regel hohes Steueraufkommen für den Investor. Sehr hohes Besucherpotenzial, das sehr einfach aus der näheren Umgebung „rekrutiert“ werden kann. Peripherie Gute Infrastrukturausstattung bzw. kann relativ kostengünstig erstellt werden (z.B. Bundesstraßen, Autobahn), ÖPNV-Anbindungen müssten bei Nichtvorhandensein geschaffen werden. Geringere Bodenpreise gegenüber der Zentrumslage. Geringe Restriktionen. Oft geringeres Steueraufkommen, da in den Umlandgemeinden häufig die Gewerbesteuerhebesätze niedriger sind als in den Städten. Hohes Besucherpotenzial, allerdings muss der Besucher mobil sein (vor allem im motorisierten Individualverkehr (MIV), da beispielweise die abendliche und nächtliche Andienung durch den ÖPNV meist nicht ausreichend erfolgt). Ländlicher Raum Geringe Infrastrukturausstattung, Erschließung mit hohen Kosten verbunden. Geringe Bodenpreise. Sehr hohe Restriktionen (vor allem planerische, Gebiete werden nicht als Bauland ausgewiesen, Naturschutz etc.). Geringes Steueraufkommen. <?page no="206"?> 3.5 Sportsystem 209 Geringes Besucherpotenzial aufgrund der zentrumsfernen Lage, Besucher ist fast vollständig auf den MIV angewiesen. Allerdings weisen Freizeitangebote in diesen Gebieten einen hohen Einzugsradius auf, so dass genügend Besucher generiert werden können. Meist sehr gute naturräumliche Ausstattung. Tab. 38: Standortvoraussetzungen für Sportanlagen. Quelle: Acker; Barsch 2007, S. 166 3.5.4 Ergänzende Träger des Sporttourismus Die ergänzenden Träger des Sporttourismus befördern mit ihren Aktivitäten mittelbar die materielle Ausgestaltung und Unterstützung sowie die immaterielle Ideen- und Imagebildung des Sporttourismus. 3.5.4.1 Sportinfrastruktur Als Planer und Produzenten von Sportinfrastruktur fungieren (Landschafts-) Architektur-, Consulting und Planungsbüros sowie spezialisierte Bauunternehmen, die u.a. mit dem Bau von Golfplätzen, Schwimmbädern, Radwegen, Indoorhallen, Spiel- und Sportflächen befasst sind. Zusätzlich zur praktischen Funktion der Sportausübung erlangen einige Sportbauten aufgrund ihrer herausragenden architektonischen Gestaltung den Status einer touristischen Sehenswürdigkeit. Der Münchner Olympiapark von 1972 ist ein prominentes Beispiel für diese Doppelfunktion. Allerdings ist die Realisierung von Sportinfrastruktur immer auch von Negativbeispielen geprägt. Exemplarisch ist die finanziell defizitäre und mangelhafte Folgenutzung der Sportstätten nach den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville (F) zu benennen. Insofern sind der Bau und die Gestaltung von Sportinfrastruktur ein sensibles und inzwischen zunehmend öffentliches Thema. An dieser Stelle sollen einige grundsätzliche Fragen aufgeworfen werden: Wie hoch sind die Kosten und Folgekosten? Wer ist Nutznießer und wer ist von der Nutzung ausgeschlossen oder wird durch Gentrifizierung aus urbanen Räumen verdrängt? Ist die Sportinfrastruktur langlebig und auf Multifunktionalität ausgerichtet? Wird die ökologische Verträglichkeit berücksichtigt? Wird Sportinfrastruktur bspw. beim Golfplatzbau lediglich für andere Zwecke (Verkauf von Ferienimmobilien zu überhöhten Preisen) funktionalisiert? <?page no="207"?> 210 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Auf internationaler Ebene haben sich in der bereits 1965 gegründeten Internationalen Vereinigung für Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS, www.iaks.org) inzwischen 1.000 Mitglieder aus 110 Nationalstaaten zusammengeschlossen. Die Thematik des Sportstättenbaus wird dort in Fachtagungen, Kongressen sowie in der Fachzeitschrift „sb“ diskutiert ( www.iaks.org/ de/ sb-magazine). 3.5.4.2 Sportgeräte- und Sportbekleidungshersteller Mit der Erfindung und Konstruktion des Carving-Skis Mitte der 1990er Jahre vereinfachten und verkürzten sich nicht nur die Lernbedingungen für Anfänger, sondern es erweiterten sich gleichzeitig auch deren Aneignungsmöglichkeiten zur (präparierten) Bergwelt. Einem vormals skeptischen, unsicheren und für die Vorgängermodelle „untalentierten“ Menschen konnte nun ein spürbar einfacher Zugang zum Skisport ermöglicht werden. Die Kooperation der ersten in Deutschland entstehenden Skihallen (Alpincenter Bottrop und Skihalle Neuss jeweils 2001) mit Sportgeräteherstellern und Ski-Destinationen führte zu einer zeitlichen und räumlichen Vorverlegung des als (mitunter zu) aufwändig erachteten Einstiegs in die neue Sportart. Einer der wesentlichen Bestandteile des Marketings von Sportgeräte- und Sportbekleidungsherstellern sind nach wie vor so beworbene „Produktinnovationen“, die sich jedoch vielfach als modisch-ästhetische, nicht jedoch als substantielle Veränderungen zum Vorgängermodell ausweisen. Boutellier und Müller (2008) weisen darauf hin, dass sich der Innovationsprozess seit den 1990er Jahren deutlich verlangsamt hat und die Hersteller darauf strategisch mit einer Ausdifferenzierung der Produktpalette reagieren. „Dass die technische Differenzierung in manchen Sportarten an ihrem Ende angelangt ist, lässt sich auch anhand der Entwicklung der Patentanmeldungen feststellen [...] Beim Ski-Hersteller Rossignol wurden zu Beginn der 1990er Jahre bis zu 40 Patente pro Jahr eingereicht. Seitdem ist diese Zahl allerdings stark rückläufig. Rossignol hat in den vergangenen Jahren nicht mehr als zehn Patente angemeldet. Ganz anders haben sich die Sortimente entwickelt. Seit dem Beginn der neunziger Jahre ist die Anzahl der Produkte von 10 auf über 60 gestiegen.“ (Boutellier; Müller 2008, S. 197). Die Grenzen der technischen Innovation von Sportgeräten führt zwangsläufig zum Umdenken der bisherigen Spitzensportmessung. Selbst für zuschauende Kenner sind die Hundertstel-Sekunden-Unterschiede in nacheinander startenden Sportwettbewerben (Bob, Ski etc.) nicht nachzuvollziehen. Wenn über einen längeren Zeitraum die gemessenen Zeiten stagnieren, dann erhöhen bspw. direkt vergleichende Wettbewerbe die Attraktivität, insbesondere die Spannung wie bspw. „Boardercross“ und „Freestyle-Winterdisziplinen“ (S. 194f.). <?page no="208"?> 3.5 Sportsystem 211 Ähnlich wie Heinemann (2001 und 2008, S. 111) kommen auch Boutellier/ Müller (2008) zu dem Ergebnis, dass sich die Kenntnis der Sportler über die Sportgeräte immer weiter reduziert. „Allerdings scheinen die Spitzensportler ihr eigenes Sportgerät immer weniger zu verstehen, die Technologie ist nur noch Spezialisten zugänglich.“ (S. 195f.) Die langfristige Konsequenz ist zum einen für die Nachfrager eine mangelnde Bewertungsfähigkeit, ob der zusätzlich versprochene Gebrauchwert des „neuen“ Sportgerätes oder der Funktionsbekleidung tatsächlich in dem Maße vorhanden ist. 134 Zum anderen entsteht durch die Vielfalt der Produkte eine Unübersichtlichkeit des Gesamtmarktes und ein schwieriger Vergleich von Einzelprodukten, der folglich die Abhängigkeit von Spezialisten (Übungsleitern, Trainern) begründet. Diese Entwicklung betrifft sowohl die Sportausübung im Alltag als auch im touristischen Kontext. Abb. 41: GPS-Portal-Münsterland. Quelle: www.muensterland-tourismus.de/ 18707/ gps-radtouren-muensterlandbis-45-km (screenshot) 134 Eine kleine exemplarische Auswahl an Slogans nebst vollmundiger Versprechungen wurde der Seite www.sport2000.de entnommen: „Mehr als nur Jacken“, „Die Technologie macht‘s“, „Entdecke die neue Generation von Fußballschuhen von adidas. Gemacht für eine neue Generation von Spielern.“ (adidas) „In diesem Hochleistungs-Schuh von Brooks verschmelzen Support, Dämpfung und Balance zu einem völlig neuen Laufgefühl.“ (Brooks), „Entdecke den Must-Have-Schuh der Saison gleich in deiner Nähe. Der neue Fußballschuh ist die konsequente Weiterentwicklung des Hypervenoms, den Nike 2013 auf dem Markt brachte.“ (Nike) usw. <?page no="209"?> 212 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Einen wesentlichen Einfluss auf die Vorbereitung und Durchführung vor allem von Rad-, Wander- und Trekkingtouren haben die Hersteller von GPS-Geräten, der zu einer Ablösung vom Kartenlesen führt, aber bisweilen auch die eigenständige individuelle Orientierungsfähigkeit vermindert. Eine grundlegende Übersicht über die „Anwendungsgebiete von Geoinformationen im Tourismus“ findet sich bei Lubos (2014, S. 461) und detaillierter zur Thematik der Routenplanung im Outdoor-Bereich siehe den Beitrag von Wenzel; Soutschek 2010. 3.5.4.3 Sport-Medien Sport-Medien sind für die Nutzer nach wie vor als Informations- und Unterhaltungsträger unverzichtbar. Die Medienlandschaft befindet sich hinsichtlich des Nutzerverhaltens als auch intern im Umbruch, wonach die mediale Nutzung des Internets deutliche Steigerungsraten verzeichnet, demzufolge aber die Printmedien, insbesondere die Tageszeitungen, zu leiden haben. Innerhalb eines Jahrzehnts ging die Auflage der Tageszeitungen nach Angaben der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) von ca. 26 Mio. um fast 25 % auf ca. 20 Mio. verkaufte Exemplare zurück. Damit ist auch eine grundlegende Verschlechterung der Bedingungen für journalistisches Arbeiten einhergegangen. Kündigungen, betriebsbedingte Kündigungen und „Neu“anstellung als so genannte „feste Freie“, Absenkung der Zeilenhonorare, kürzere Zeiträume und oberflächlichere Prüfungen von Informationen, reduzierte Recherchemöglichkeiten und vermehrter Zugriff auf Angebote der Presseagenturen bei gleichzeitiger Auflösung eigener Redaktionen. Der Deutsche Fachjournalisten-Verband beschreibt die Situation ebenfalls schonungslos: „Die Arbeitsbedingungen für Journalisten haben sich über die Jahrzehnte hinweg kaum zum Positiven verändert. Heute beherrschen Rationalisierungs- und Leistungsdruck, Dumpinglöhne sowie Selbstausbeutung die Redaktionen.“ ( www.dfjv.de/ ueber-uns/ medien-politik/ arbeitsbedingungen) Onlinemedien, teilweise aus dem eigenen Haus (Spiegel-Print vs. Spiegel-Online), sind eine zunehmende Konkurrenz. Vielfach übermitteln unendgeltliche Internetblogs und Nutzerbeschreibungen Informationen, die noch vor zwei Jahrzehnten ausschließlich den Printmedien vorbehalten waren. Eine Analyse des Medienmarktes bezogen auf das Thema Sporttourismus ist hier nur ansatzweise zu leisten. Schaffrath (2015) hat jüngst die Situation des Sportjournalismus diskutiert. Eine ältere Studie von Schröder (2001) geht auf die Darstellung von Sportaktivitäten in Reisesendungen ein. Die IVW führt neben den allgemeinen Tageszeitungen und Wochenzeitungen mit ihren regelmäßigen Reisebeilagen bzw. Sonderteilen für Deutschland zehn Reisezeitschriften mit einer verbreiteten Auflage von 1,4 Mio. und 67 Sportzeitschriften mit einer verbreiteten Aufla- <?page no="210"?> 3.5 Sportsystem 213 ge von 3,2 Mio. Exemplaren auf. 135 Darüber hinaus existieren 32 Lifestylemagazine sowie 16 Naturzeitschriften, bei denen ebenfalls davon ausgegangen werden kann, dass sie sich sporadisch sporttouristischer Themen annehmen. Eine etwas ältere Studie von 2008 weist noch 83 Titel im Sportmagazinsegment auf, die in Tab. 39 nach Sportarten(-kategorien) aufgeteilt sind. Sportart/ Sportzeitschriftensegment Anzahl Titel verbreitete Auflage in Exemplaren Allgemeiner Sport 2 651.477 Angelsport 136 4 191.201 Basketball 1 22.247 Bergsport 5 636.226 Fitness 1 257.483 Fußball 3 499.750 Golf 6 283.652 Jagdsport 136 8 305.756 Leichtathletik/ Laufen 4 137.862 Motorsport 2 700.602 Outdoor 2 73.378 Radsport 4 242.851 Reitsport 14 330.147 Schießsport 2 39.001 Skisport 3 370.507 Tauchsport 3 143.160 Tennis 3 61.695 135 Quelle: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW): Auflagenliste 2/ 2015, Berlin 2015. 136 Unabhängig von der Einhaltung der so genannten Waidgerechtigkeit wird vom Autor das gezielte (wettkampforientierte) Töten von Tieren nicht mit der kulturellen Praxis des Sports übereingebracht. Sportphilosophisch wäre weiter anzuführen, dass sich Sport u.a. über die freie Einwilligung beider „Partner“ über das Regelwerk konstituiert. Für Boxen (Mensch gegen Mensch) gilt diese Übereinkunft, für Galopprennen (Mensch mit Tier) gilt die Annahme, Springreiten (Mensch mit Tier) durch vorhergehendes Barren erweist sich als überaus fragwürdig und Jagd, Angeln und Stierkampf (Mensch gegen Tier) sind demonstrative Präsentation und individuelle Befriedigung von Macht auf ungleicher Basis und demnach kein Sport. <?page no="211"?> 214 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Tischtennis 1 14.640 Turnen 1 18.314 Volleyball 1 6.927 Wassersport 10 248.239 Gesamt 83 5.235.115 Tab. 39: Sportmagazinsegmente und Titel 2009. Quelle: IVW I - IV/ 2008; www.pz-online.de (Stand Februar 2009) Medien, die sich hauptsächlich auf Sport- oder Tourismus konzentrieren, prägen mit ihrer Berichterstattung die Vorstellungen von Sportdestinationen. Beeinflusst werden die Texte (bzw. das Ton- und Bildmaterial) teilweise durch die direkte und indirekte Einflussnahme von Anzeigenkunden oder während Journalistenreisen. Die produzierten Texte lassen sich hinsichtlich ihres Charakters in verschiedene Typen einteilen: „Real“-Beschreibung: Die „Real“-Beschreibung mit analytischem Charakter ist von den (gelungenen) Versuchen geprägt, differenziert zu beschreiben und umfassend die Sportdestination in den Kontext zur gesellschaftlichen und natürlichen/ landschaftsbezogenen Umwelt zu setzen. Funktionale Beschreibung: Bei der funktionalen Beschreibung wird die Sportdestination abgekoppelt von der natürlichen/ landschaftsbezogenen Destinationsumwelt und ausschließlich nach ihrer Sportbefähigung beurteilt. Der Fokus reduziert sich auf überwiegend technische Aspekte der Sportbewältigung innerhalb der jeweiligen Destinationen samt ihrer Service- und Dienstleistungsangebote. Stereotypbildung: Über die funktionale Beschreibung einer Destination für sporttouristische Zwecke hinaus, erfolgt eine einengende Stereotypenbildung (z.B. Sport-Alpen), die die Vielfalt der Destination mit ihren anderweitigen wirtschaftlichen und sozialen Bezügen ignoriert. Beeinflusste Imagebildung: Ein weiterer Typus der medialen Textproduktion schreibt Destinationen ein von diesen gewünschtes (bzw. latent eingefordertes) Image zu. Häufig haben Themenhefte die Funktion der gezielten Imagebildung. Die Beeinflussung erfolgt über das finanzielle Volumen der Anzeigenschaltung durch die Destinationen und/ oder durch finanzierte Journalistenreisen. Vermischung von Journalismus/ Werbung: Der Übergang zur Vermischung von journalistischen Texten und Werbung erzeugt sich über die Indienstnahme von Medien durch Sportgeräte- und Sportartikelhersteller, die als große Anzeigenkunden ihre Produkte in einer attraktiven Verwendersituation (Wettkampf, Urlaubsdestination etc.) dargestellt wissen wollen. <?page no="212"?> 3.6 Tourismussystem 215 Werbung als Journalismus getarnt: Schlussendlich werden vorgegebene Werbeinhalte als journalistische Texte getarnt, wenn sich Sport- oder touristische Medien in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Anzeigenkunden befinden. 137 Im Einzelnen können an dieser Stelle keine quantitativen und medienspezifischen Ausführungen erfolgen. Eine detaillierte Analyse ist weiteren Forschungsanstrengungen vorbehalten. 3.6 Tourismussystem Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … die verschiedenen Betriebsformen und Qualitätsansprüche im Beherbergungswesen und ihre Bezüge zum Sporttourismus kennen. die Komplexität des Regions- und Destinationsbegriffs nachzuvollziehen. die potenzielle touristische Bedeutung von regionaler Sportkultur kennen. die Angebotsausrichtung von Sportreiseveranstaltern kennen. die Unterschiede zwischen großen Reiseveranstaltern und Spezialisten zu beurteilen. die Bedeutung der verschiedenen Verkehrsträger für die sportbezogene Mobilität einzuschätzen. 3.6.1 Beherbergungswesen Im Beherbergungswesen ist Sport in nahezu allen Betriebsformen ein relevantes Thema. Hotels, Clubanlagen, Kreuzfahrtschiffe, Jugendherbergen und selbst Campingplätze positionieren sich in unterschiedlicher Qualität mit Sportangeboten und eigens dafür angestelltem Personal sowie Sportausrüstung und -infrastruktur. 138 Die 137 So titelte eine große österreichische Boulevardzeitung am 2.3.2015 zu Beginn der Laufsaison mit dem Imperativ „Los laufen! “, um dann sogleich den Unkundigen, Anfängern oder Modefixierten die „angesagte“ Bekleidung nahezulegen: „Joggen: welches Outfit muss jetzt sein? “ 138 Formal können Kreuzfahrtschiffe dem Transportwesen zugeordnet werden. Die Atlantiküberfahrten zwischen Europa und den USA (Transatlantik-Liner) haben bis zur <?page no="213"?> 216 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Spannweite der Angebote reicht vom Etikettenschwindel keinerlei Bezug aufweisender „Sport“-Hotels bis zu international ausgerichteten großflächigen Sportresorts mit einem Multisportartenangebot, das auch spitzensportlichen Ansprüchen genügt. Einige Betriebsformen mit den jeweils spezifischen Ausprägungen weisen inhaltliche Überschneidungen im Angebot auf. Selbstverständlich unterscheiden sich Clubanlagen, Jugendherbergen, Ferienparks und Campingplätze in Ausstattung, Verpflegung, Personal und Service voneinander. Dennoch kann durch die Fokussierung auf Sport (und Spiel) sowie Animation und Lernangebote eine vergleichbare Atmosphäre entstehen, die Ausstattungsmerkmale wie etwa Zimmergröße oder Bad-Equipment in den Hintergrund treten lassen. Die unterschiedlichen Ausprägungen der Sporthotellerie und Sportunterkünfte werden nachfolgend im Überblick vorgestellt. 139 Darunter fallen auch Angebotsformen, die dem Sportsektor (Sportschulen der Sportverbände und Sportunterkünfte der Vereine) sowie dem Non-Profit-System (Jugendherbergen) zuzuordnen sind und in den entsprechenden Kapiteln mit ihrer Intention und Logik detaillierter behandelt werden (von „Unternehmensphilosopie“ zu sprechen, wäre hier nicht angebracht). Bei den angeführten Beherbergungsbeispielen handelt es sich um typische Vertreter der jeweiligen Betriebsform. Anders als bei neutralen bis positiven Beispielen wurde für einige Ausprägungen auf Negativbeispiele verzicht, da die Imageauswirkungen für die betroffenen Betriebe ungleich höher sein können als bei neutral-positiver Benennung und zudem etwaige zwischenzeitliche positive Veränderungen keine Berücksichtigung finden. Etablierung des zivilen Flugverkehrs diese Funktion auch erfüllt. Exemplarisch siehe auch die Geschichte der Hapag-Lloyd ( www.hapag-lloyd.de). Der weitaus größte Anteil der Kreuzfahrten hat als Rundreise denselben Ausgangs- und Zielhafen und das Schiff selbst ist als Hotelresort auf dem Wasser die eigentliche Attraktion. Insofern wird es als vertretbar erachtet, Kreuzfahrtschiffe dem Beherbergungswesen zuzuordnen. Kurhotels mit ihrer vornehmlich gesundheitsorientierten Ausrichtung für Prävention und Rehabilitation sind nicht Gegenstand der Betrachtung. Sie verfügen im Hinblick auf Sport überwiegend über Angebote im Bereich Fitness/ Gymnastik, ostasiatische Bewegungskultur sowie ausdauerakzentuierte Angebote (Radfahren, Joggen, Walken). 139 Siehe auch die Systematik von Dreyer (2004, S. 338), in der zwischen künstlichen und natürlichen Attraktivitätsfaktoren unterschieden wird, sowie zwischen einer Freizeit- und einer Leistungsorientierung. <?page no="214"?> 3.6 Tourismussystem 217 Betriebsformen und Ausdifferenzierungen Sporthotels Sportresorts sowie All-in-one-Sportresorts Sporthotels der 1. Generation große Hotels mit Sportmöglichkeiten Hotels mit Fokussierung auf eine Einzelsportart Hotels in unmittelbarer Nähe zur Sportattraktion „Sport“-Hotels ohne Bezug zum Sport Kreuzfahrtschiffe mit Sportbezug Clubanlagen mit Sportangeboten Sportschulen und Unterkünfte der Sportverbände sportvereinseigene Unterkünfte Sportjugendherbergen Sportferienparks und Feriendörfer Sportcampingplätze Tab. 40: Übersicht über Sportberherbergungen. Quelle: eigene Zusammenstellung 3.6.1.1 Sporthotels Sporthotels existieren unter diesem Label seit etwa Mitte der 1970er Jahre, obwohl auch schon früher Hotels Bezüge zum Sport hergestellt haben. Der Begriff ist rechtlich nicht geschützt, so dass sich eine erhebliche Spannweite in quantitativer und qualitativer Hinsicht ergibt, zumal der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) hierzu keine Präzisierungen vorgenommen hat. Die nachfolgende Definition wurde vom Autor 2006 entwickelt und wird als nach wie vor gültig angesehen. Basisniveau mindestens zwei Sportarten (ansonsten Etikettierung als Hotel mit einer Einzelsportart, bspw. Golf- oder Tennishotel) auf eigener Anlage und/ oder im Haus zu betreiben <?page no="215"?> 218 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure bei Sportarten, die nur außerhalb des Hotels bzw. der Hotelanlage betrieben werden, müssen qualifizierte Sportfachkräfte des Hotels fest angestellt sein qualifizierte Sportfachkräfte (Honorarbasis, Kooperation mit kommerziellen Sportschulen, Festanstellung) haben mind. Übzw. S-Lizenz DSB oder eines Fachverbandes, DBFV bzw. ein Sportstudium zeitgemäße Ausstattung hinsichtlich Sportgeräte bzw. Zustand der Sportflächen (Golfplatz, Tennisplatz) Erweitertes Niveau mindestens vier Sportarten - davon mind. je eine aus drei verschiedenen Bereichen (Gymnastik/ Krafttraining, Spielsportart, Rückschlagspiel, Zielschusssportart, Outdoorsportarten, Tanz, Ostasiatische Bewegungskultur, Schwimmen, Leichtathletik, Luftsportarten, Wassersportarten, Bergsportarten) auf eigener Anlage und/ oder im Haus zu betreiben bei Sportarten, die nur außerhalb des Hotels bzw. der Hotelanlage betrieben werden, müssen qualifizierte Sportfachkräfte des Hotels fest angestellt sein qualifizierte Sportfachkräfte (lizenziert bzw. Sportstudium, mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Sportvermittlung und/ oder Leistungsniveau auf überregionaler Ebene) zeitgemäße und wettkampftaugliche Ausstattung hinsichtlich der Sportgeräte bzw. dem Zustand der Sportflächen (Golfplatz, Tennisplatz) auf Sportbelange abgestimmte Ernährung auf Sportbelange abgestimmte Regenerationsmöglichkeiten (Sauna, Massage etc.) Mischformen Einzelsportart Basis und erweitert (Golfhotel) Einzelsportart- und Sporthotel erweitert (Golf und Sporthotel) Tab. 41: Definition Sporthotel. Quelle: Schwark 2006a, 158f. <?page no="216"?> 3.6 Tourismussystem 219 Die kommerzielle Datenbank www.deutsche-sporthotels.de/ sporturlaub/ sporthotels/ home.html listet insgesamt 15 von deutlich zahlreicher existierenden Sporthotels auf. Darunter auch das Sportschloss Velen (Münsterland), das als ein exemplarischer Vertreter der Betriebsform Sporthotel aufgeführt wird. Das ursprünglich um 1240 als gotisches Herrenhaus erbaute Gebäude ist als Schlosshotel sowohl für Tagungen und Kongresse ausgerichtet, verbunden mit einem Sport- und Wellness-Zusatzangebot, als auch für (Kurz-)Urlaubsgäste mit Sportbezug. Darüber hinaus sind etliche Angebote auch für die lokale Bevölkerung zugänglich (Kurse im Bereich Wassergymnastik, Mitgliedschaft und Zugang zum Fitnessbereich). Die Angebote fokussieren sich auf Bogenschießen, Fahrradfahren, Fitnessraum, Golf, Laufen, Luftgewehrschießen, Schwimmen (Schwimmbad mit 12,5 6,5 Meter), Tennis, Walken, Wandern sowie diverse eigens konzipierte Rahmenprogramme (u.a Boßeln, Drachenboot, Flugsport, Klettergarten). 140 Abb. 42: Sportschloss Velen. Quelle: screenshot www.sportschlossvelen.de 3.6.1.2 Sportresorts und All-in-one-Sport-Resorts Sportresorts sowie All-in-one-Sportresorts übertreffen in Größe und Angebot deutlich Sporthotels. Die türkische Özaltin Holding mit seiner Branchenkonzentration auf Bau, Transport, Energie, Tourismus und Landwirtschaft setzt auf den Bau von Resortanlagen mit Schwerpunkt Sport. Exemplarisch ist auf die 140 Ein detailliertes Programm ist unter http: / / media.hotelwebservice. com/ media/ sport schlossvelen/ docs/ rahmenprogramme1.pdf abrufbar. <?page no="217"?> 220 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 2015 eröffnete Gloria Sports Arena in Belek/ TR hinzuweisen ( www.gloriasportsarena.com.tr) die mit einem „All-in-one-Facility“-Konzept als größte Anlage in der Türkei Möglichkeiten für über 50 Indoor- und Outdoorsportarten anbietet. Die Sportinfrastruktur, Gesundheits- und Wellnessangebote sowie Personalstruktur erfüllen spitzensportliche Ansprüche, so dass seit 2013 das „Gloria Hotels & Resorts“ offizieller Top-Partner des Olympiastützpunktes Stuttgart ist. 141 3.6.1.3 Sporthotels der 1. Generation Sporthotels der 1. Generation entsprachen in den 1970er und 1980er Jahren den Vorstellungen der damals neu aufkommenden Betriebsform und weisen in der Zwischenzeit hinsichtlich der Angebotsstruktur einen strukturellen Modernisierungsstau auf. Mit einer Sportinfrastruktur, die sich durchschnittlich auf zwei Kegelbahnen, zwei Tennisplätzen und einen Pool (4 8 Meter) beläuft, unterbieten derartige Hotels den heutigen (inoffiziellen) Standard für ein Sporthotel. Nach betriebswirtschaftlichen Kriterien mag dieses Vorgehen insbesondere bei familiengeführten Hotels aufgrund hoher Investitionen bei gleichzeitig fehlender Amortisation im Einzelfall nachvollziehbar sein. Bei einer zukünftigen Zertifizierung würden derartige Hotels je nach Anspruch der Vorgaben scheitern oder nur ein Mindestniveau erreichen. Positiv zu bewerten sind diese für den sportfokussierten Gast eher reduzierten Angebote allerdings für die lokal-regionale Bevölkerung, da derartige Hotels durch ihr offenes Angebot wie ein kommerzieller Sportanbieter auftreten und neben dem kommunalen und Sportvereinsangebot zusätzliche Sportmöglichkeiten eröffnen. 3.6.1.4 Große Hotels mit Sportmöglichkeiten Große Hotels mit Sportmöglichkeiten weisen sich nicht explizit als Sporthotels aus, jedoch ist die Standardausstattung der Sportinfrastruktur auf einem Niveau, das, unabhängig von der Angebotsvarianz der einzelnen Hotels, ein grundständiges Niveau ausweist. Große Ferienhotels verfügen häufig über ein Schwimmbad mit 25 Meter oder 50 Meter Länge, Tennisplatz, Fitnessbereich und Radverleih. Große Stadt- oder Tagungshotels verfügen häufig nur über Schwimmbäder mit 16,67 Meter Länge und einer maximalen Wassertiefe von 1,35 Meter als Nichtschwimmerbereich. Tiefere Becken erfordern im Rahmen der Verkehrssi- 141 Die positive Bewertung des Sportresorts wird auch im Beitrag von Gerd Seidemann im Tagesspiegel vom 16.3.2015 in angebotsspezifischer Sicht geteilt. Unter welchen Rahmenbedingungen dieses Bauvorhaben realisiert wurde, kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. <?page no="218"?> 3.6 Tourismussystem 221 cherungspflichten eine rettungsfähige Aufsichtsperson (Erste Hilfe, Niveau entsprechend DLRG Silber). 142 Die Entwicklung der Hotelschwimmbäder tendiert deutlich hin zum Erlebnisbad und weg vom normierten Sportbecken, da die Nutzung der Hotelgäste nahezu ausschließlich auf Baden und Bewegen im Wasser ausgerichtet ist und nicht auf sportliches Schwimmen. Eine (inzwischen ältere) Befragung (n=125) zur Nutzung hoteleigener Bäder ergab, dass 78,1 % der Gäste das Hotel wegen des Schwimmbades ausgesucht haben. Die Befragung ergab allerdings auch, dass lediglich 26,8 % der Gäste das Schwimmbad dann tatsächlich nutzen (Knischourek 1996, 82ff.). 3.6.1.5 Hotels mit einer Fokussierung auf eine Einzelsportart Hotels, die sich auf eine Einzelsportart fokussieren, beziehen sich am häufigsten auf Golf, Tennis oder Radfahren. 143 Obwohl etliche Sporthotels über ein breit entwickeltes Sportangebot verfügen, bewerben die Betriebe namentlich eine Sportart besonders. Diese offensichtliche Reduzierung der übrigen Sportangebote im Marketing soll durch das damit verbundene Alleinstellungsmerkmal einer besonders kompetent angebotenen Sportart überkompensiert werden. Innerhalb der seit 1998 existierenden Radreisen-Datenbank des privaten Anbieters www.fahrradreisen.de finden sich für Tourenradfahrer, Rennradfahrer und Mountainbiker so genannte fahrradfreundliche Unterkünfte. Die einzeln aufgeführten Angebote bzw. Dienstleistungen sind auf der Homepage nicht sichtbar evaluiert und auch eine Mindestanzahl an erfüllten Kriterien ist nicht erkenntlich. Die ebenfalls privatwirtschaftlich initiierte Datenbank bei www.rad-reiseservice.de verfügt über 2000 Einträge in Deutschland und Österreich. „In unserem Verzeichnis sind ganz unterschiedliche Gastbetriebe eingetragen. Das Spektrum reicht von Pensionen, Gasthäusern, privaten Zimmervermietungen über Jugendherbergen bis hin zu Hotels unterschiedlicher Kategorien und speziellen Bike-Hotels.“ Die derzeit existierenden Qualitätssiegel „Bett+Bike“ des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) sowie die österreichischen Qualitätssiegel „Willkommen - fahrradfreundlicher Betrieb“ und „Top-Rad- Stop“ finden zwar Erwähnung, jedoch können sich, wie aus dem obigen Zitat ersichtlich, gänzlich unterschiedliche Betriebe für ca. 45 Euro pro Jahr Ihre Mitgliedschaft anmelden. Ein Blick in das Aufnahmeformular offenbart bemerkenswert niederschwellige Kriterien. Die jeweiligen Betriebe finden bereits an- 142 Siehe dazu auch das Regelheft „Betrieb von Bädern“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ( http: / / publikationen.dguv.de/ dguv/ pdf/ 10002/ r-108.pdf) 143 Die (überschaubaren) kommerziellen Datenbanken www.deutsche-tennishotels.de sowie www.deutsche-golfhotels.de verlinken zu einigen Beherbergungsbetrieben. <?page no="219"?> 222 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure hand einer eigenen (anscheinend nicht evaluierter) Kurzbeschreibung Aufnahme in die kommerzielle Datenbank. Um als Beherbergungsbetrieb das ADFC-Qualitätssiegel „Bett+Bike“ zu erlangen, müssen die aufgeführten Mindestanforderungen sowie zwei zusätzliche Serviceleistungen erfüllt werden (siehe ADFC 2014: Qualitäts-Auszeichnung „Fahrradfreundlicher Gastbetrieb“). Beispiel Mindestanforderungen 1 Aufnahme von Rad fahrenden Gästen auch für nur eine Nacht. 2 Abschließbarer Raum zur unentgeltlichen Aufbewahrung der Fahrräder über Nacht. 3 Raum zum Trocknen für Kleidung und Ausrüstung. 4 Angebot eines vitamin- und kohlehydratreichen Frühstücks oder einer Kochgelegenheit. 5 Aushang, Verleih oder Verkauf von regionalen Radwanderkarten und Radwanderführern, Bus- und Bahnfahrplänen und ggf. Schiffs- und Fährangeboten. 6 Bereitstellen eines Fahrrad-Reparatursets mit den wichtigsten Fahrradwerkzeugen. 7 Information über Lage, Öffnungszeiten und Telefonnummern der nächsten Fahrradwerkstätten für größere Reparaturen. Zusätzliche Serviceleistungen A Beratung der Gäste bei der Buchung hinsichtlich einer umweltfreundlichen An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. B Hol- und Bringdienst für Rad fahrende Gäste. C Leih- oder Mietangebot an qualitativ guten Fahrrädern. D Angebot von Tagesradtouren in der Umgebung ihres Betriebes sowie Bereitstellen von weiterem Informationsmaterial über die Region. E Gepäcktransfer von der letzten und/ oder zur nächsten Unterkunft. F Reservierungsservice für die nächste Übernachtung in fahrradfreundlichen Betrieben. G Bereitstellung wichtiger Ersatzteile in Absprache mit der nächsten Werkstatt. H Informationen über weitere fahrradfreundliche Betriebe in der Region. I Lunchpaket zum Mitnehmen. J Gästebuch mit Erfahrungen aus der Radwanderregion. Quelle: detaillierter siehe ADFC 2014 <?page no="220"?> 3.6 Tourismussystem 223 Im Gegensatz zu Sporthotels, die eine eigene Sportinfrastruktur vorhalten und über Personal mit Sportqualifikation verfügen, sind die Beherbergungsbetriebe, die sich als „fahrradfreundlich“ ausweisen, nahezu ausschließlich auf Serviceleistungen ausgerichtet. Demzufolge ist auch der finanzielle Aufwand für ein Gütesiegel deutlich geringer und bei der Aufnahme in kommerzielle Datenbanken nochmals deutlich niedrigschwelliger. Nachfolgend sollen noch zwei Beispiele der Swiss Hotel Association aufgeführt werden, die Spezialisierungskategorien für Bike- und Golfhotels entwickelt haben. Die Kriterien sind jeweils unterteilt in Mindest- und Optionalkriterien. Beispiele Spezialisierungskategorie Bike-Hotel (Schweiz) Mindestkriterien 1 Es steht ein abschließbarer Bike-Raum (Innen-/ Außenzugang) zur Verfügung. 2 Es steht ein Bike-Reinigungsplatz mit Wasseranschluss (Schlauch) zur Verfügung. 3 Das Hotel bietet seinen Gästen Unterlagen und Beratung bezüglich Bike-Routen, -Karten und Toureninformationen (bspw. Beförderungsmöglichkeit Bergbahnen/ öffentliche Verkehrsmitteln oder Links zu gps- Touren) in der Umgebung an. 4 Das Hotel verfügt über mindestens ein Angebot, welches der Entspannung der Gäste dient. Respektive kann das Entspannungsangebot im Ort zu Spezialkonditionen vermittelt werden. 5 Es muss eine Dokumentation über die öffentlichen Transportanlagen sowie der Spedition des Bikes und des Gepäcks vorliegen. 6 Der Gast hat die Möglichkeit zum Waschen und Trocknen der Bike- Kleider in einem separaten Raum. Optionalkriterien 7 Für Elektro-Bikes steht eine Akku-Ladestation oder -Wechselstation im Hotel zur Verfügung. 8 Es wird im Hotel ein Miet- und Reparaturservice und/ oder Reparaturset (Pumpe und Flickzeug) angeboten. Respektive kann dieses Angebot im Ort zu Spezialkonditionen vermittelt werden. 9 Das Hotel bietet Spezialarrangements für Biker an. 10 Der Gast kann auch nur für eine Nacht ein Zimmer buchen. Quelle: Swiss Hotel Association (leicht gekürzte Fassung, J.S.) <?page no="221"?> 224 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Spezialisierungskategorie Golfhotel (Schweiz) Mindestkriterien 1 Das Hotel liegt in der Nähe eines Golfplatzes, maximale Transferzeit 20 Minuten. Der Transport zum/ vom Golfplatz wird auf Wunsch durch das Hotel gewährleistet. 2 Mindestens ein Golf-Verantwortliche/ r (Betreuer) steht täglich für Golffragen zur Verfügung. 3 Die Schulung des/ der Verantwortlichen erfolgt mindestens im 2-Jahres- Rhythmus. 4 Alle Leistungen werden ausschließlich durch im Fachbereich ausgebildete und qualifizierte Mitarbeiter erbracht. 5 Das Hotel (Betreuer) bietet seinen Gästen vorteilhafte Vereinbarungen (mindestens 10 %) bezüglich Vorreservation von Abschlagzeiten sowie Green-Fees. 6 Das Hotel (Betreuer) vermittelt seinen Gästen auf Wunsch Golfunterricht. 7 Es steht ein abschließbarer Abstellraum (Innen-/ Außenzugang) für Golfgeräte zur Verfügung. 8 Das Hotel verfügt über mindestens ein Angebot, welches der Entspannung der Gäste dient, respektive kann dieses zu Spezialkonditionen im Ort vermitteln. Optionalkriterien 9 Die Hoteldirektion respektive der Golf-Verantwortliche hält während der Spielsaison Kontakt zu mindestens einem ausgewählten Golfclub. 10 Auf Wunsch können Schlägersets zur Verfügung gestellt oder vermittelt werden. 11 Es steht dem Gast ein Golfcorner zur Verfügung. 12 Das Hotel bietet Spezialarrangements (z.B. Indoor-Abschlagplatz, Putting Green oder Package bspw. für 1 Woche mit Betreuer) für Golfspieler an. 13 Im Hotel gibt es einen Reinigungsservice z.B. für die Golfschuhreinigung. 14 Das Hotel und der Golfclub führen einmal jährlich ein, im Golfhandbuch dokumentiertes, Briefing durch. 15 Jedes Hotel hat das ZG Golfhandbuch für den Tourismus an der Rezeption griffbereit. Das Handbuch ist ein Nachschlagewerk für den Umgang mit dem Golfgast. Es beinhaltet Grundbegriffe zu Regeln und Etikette, Ansprechpartnern, Spielformen, Spielerlaubnis, Ausrüstung, Tournierorganisation und das kleine Golfer-ABC. Quelle: Swiss Hotel Association (leicht gekürzte Fassung, J.S.) <?page no="222"?> 3.6 Tourismussystem 225 3.6.1.6 Hotels in unmittelbarer Nähe zur Sportattraktion Hotels in unmittelbarerer Nähe zur Sportattraktion weisen keine oder kaum hoteleigene Sportangebote auf und verfügen auch über kein oder wenig sportqualifiziertes Personal. Typisch für diese Betriebsform sind Hotels unweit von Skipisten oder so genannte Arenahotels, die eingebettet sind in Multifunktionsarenen bzw. Fußballstadien. Exemplarisch ist auf das sich selbstetikettierende Sporthotel Ideal in Obergurgl/ Tirol (2.150 Meter NN) zu verweisen, das als eigene Sportausstattung lediglich über ein eigenes Schwimmbad (5 2 Meter) verfügt. ( www.sporthotelideal.at) Gleichwohl besitzen die Betreiber derartiger Hotels in der Regel profunde Kenntnisse über die lokal-regionalen Sportmöglichkeiten. Eines der ersten Arenahotels befindet sich in Leverkusen und wird von der Lindner-Hotelkette betrieben. 144 In der Eigendarstellung heißt es dazu: „Eingebettet in die Nordkurve des Stadions vom Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen ist das Lindner Hotel BayArena nicht nur Deutschlands erstes Stadionhotel, sondern auch DIE Location für Business Traveller, Städtebummler & Fußballfans in Leverkusen! “ ( www.lindner.de) Schließlich ist auf die Vertragshotels und Hütten des Deutschen Alpenvereins (DAV) zu verweisen, die durch ihre Lage mit Verpflegungs-, Unterkunfts- oder auch nur Schutzfunktion überhaupt erst eine ausgiebige (sportliche) Bewegung in den Alpen ermöglichen ( www.alpenverein.de/ Huetten-Wege-Touren). Auch zahlreiche Naturfreundehäuser in Deutschland (ca. 90 von 400) weisen auf eine „besondere Eignung“ für sportliche Aktivitäten hin. ( www.naturfreunde.de/ haeuser/ suche) Die Palette reicht allerdings von Häusern in der Nähe von Sportmöglichkeiten bis hin zu Häusern mit eigener Sportinfrastruktur. 3.6.1.7 „Sporthotels“ ohne Sportbezug In deutlicher Unterscheidung zu den Hotels in unmittelbarer Nähe zu Sportattraktionen sind Hotels aufzuführen, die keinen Bezug zum Sport haben und weder das Kriterium der besonderen Nähe noch über eigene Sportangebote verfügen. Die bislang existierenden verbandlichen Zertifizierungssvorgaben bspw. des Deutschen Medical Wellness Verbandes ( www.dmwv.de), des Deutschen Wellness Verbandes ( www.wellnessverband.de) und des Deutschen Heilbäderverbandes ( www.deutscher-heilbaederverband.de) zu „Wellness-“ und „Medical-Wellness-Hotels“ sowie zu „Wellness im Kurort“ oder die von der Hotel Swiss Association ( www.hotelleriesuisse.ch) entwickelten Spezialisierungs- 144 Lindner-Hotels sind ein familienbetriebenes Unternehmen, mit einem intensiven eigenen Sportbezug. Der Hauptgeschäftsführer Otto Lindner war jahrelang Wasserball- Bundesligaspieler in Düsseldorf. <?page no="223"?> 226 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure kategorien zu „Bike-“, „Golf-“ und „Wanderhotels“ verweisen auf Gütestandards, die von den jeweils zertifizierten Betrieben mit dem entsprechenden Aufwand zu erzielen sind. Der positiv besetzte Begriff „Sport“ wird jedoch von einem Teil der Hotelbetriebe lediglich zu Marketingzwecken benutzt. Diese bewusste Fehletikettierung und mögliche Irreführung ist aufgrund des ungeschützten Begriffs „Sporthotel“ formaljuristisch (noch) nicht zu beanstanden, zumal mit der Durchsicht der jeweiligen Homepages potenziellen Gästen schnell deutlich werden kann, dass sich Betriebe hier „mit fremden Federn schmücken“. Dennoch ist dieses Vorgehen ein deutliches Ärgernis und vehement zu kritisieren. 145 3.6.1.8 Kreuzfahrtschiffe Kreuzfahrtschiffe boten schon im 19. Jahrhundert für die langen transatlantischen Überfahrten spielerische und sportliche Bewegung als willkommene Abwechslung an. Bereits um 1870 wurde das traditionsreiche Shuffleboard auf den Transatlantik-Linern gespielt. Das Angebot erweiterte sich spätestens seit den 1920er Jahren, geprägt vom damalig neuen Körperkult eines ästhetischschlanken und fitten Körpers, um diverse Fitnessgeräte. Die bourgeoise Gästeschicht motivierte damals jedoch weniger ein direktes „berufliches“ Verwertungsinteresse, sondern vielmehr eine „Mischung von Körperhygiene und Flirt“ wie Wagner (1931, S. 109ff.) diese Form als „Flirtsport“ bezeichnete. Die weitere Ausdifferenzierung der Sportinfrastruktur und Sportangebote können in ihrer historischen Entwicklung hier nicht Gegenstand der Erörterung sein. Mit der Ausweitung der Sozialstruktur bis zur unteren Mittelschicht, der Ansprache junger Zielgruppen und themenspezifischer Ausdifferenzierung hat das Segment der Kreuzfahrten in den letzten drei Jahrzehnten einen vormals ungeahnten Boom erlebt. 146 Etwas populär titelte jüngst die Tageszeitung „Die 145 Entsprechende Trittbrettfahrer lassen sich über eine Recherche im Internet ohne großen Aufwand finden. 146 Parallel zum Aufschwung der Kreuzfahrtbranche entwickeln sich die Umweltprobleme der überwiegend mit Schweröl betriebenen Schiffe. „Allein in Warnemünde bei Rostock, das in diesem Jahr 197 Kreuzfahrtschiffanläufe verzeichnete, seien mehr als 300.000 Feinstpartikel gemessen worden. Damit sei die übliche Luftverschmutzung in urbanen Räumen um rund das sechzigfache übertroffen worden. In Hamburg habe die gemessene Belastung bei über 200.000 Partikeln pro Kubikzentimeter gelegen. Auch in Venedig und New York hätten Stichproben ähnlich hohe Werte ergeben. ‚Es ist davon auszugehen, dass alle Häfen mit Kreuzfahrtanläufen ähnlich hohe Schadstoffwerte wie Hamburg, Rostock, Venedig und New York aufweisen. In der Berliner Innenstadt misst man zum Vergleich nur 5000 Partikel auf gleichem Raum. Ursache für die hohe Luftverschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe sind die Verwendung von Schweröl und fehlende <?page no="224"?> 3.6 Tourismussystem 227 Welt“: „FKK oder vegan? Auf Kreuzfahrtschiffen geht alles“ und führt u.a. auch Rad-Trainingslagerreisen auf. Das Schiff als Trainingslager - Rad-Kreuzfahrt zu den Kanaren „Diese Kreuzfahrt ist nichts für Sportmuffel: Rund 400 Kilometer strampeln die Gäste der dann neuen „Mein Schiff 4“ bei einer außergewöhnlichen Reise zu den Kanaren und nach Madeira. Das Konzept des einwöchigen „Cycle Camp“ von TUI Cruises ab 15. November 2015: In jedem Zielhafen von La Palma bis Teneriffa steht eine neue Rennrad- Etappe auf dem Programm. Dabei werden die Radler von mehreren Radrenn-Profis und einem Mechaniker-Team begleitet.“ Quelle: www.welt.de vom 7.5.2015 Die (durchschnittliche) Sportausstattung samt qualifiziertem Personal auf Kreuzfahrtschiffen eröffnet inzwischen eine Vielzahl von potenziellen Möglichkeiten. Beispielhaft ist TUI Cruises „Mein Schiff 3“ angeführt. Sport auf dem Schiff Basketball Multifunktionsplatz Fitnessbereich mit Kursangeboten Fußball Multifunktionspaltz Joggen 280-Meter-Strecke (an 4 Stunden täglich) Schwimmen 25-Meter-Pool mit 2 Bahnen Volleyball Multifunktionsplatz Abgastechnologie. Um den Hotelbetrieb mit der Stromversorgung an Bord aufrechterhalten zu können, müssen die Motoren im Dauerbetrieb arbeiten, was riesige Mengen der toxischen Gase freisetzt‘, sagte Verkehrsexperte Dr. Axel Friedrich, der die Abgasmessungen leitete. Das sei nicht nur gesundheitsgefährdend für die Menschen an Bord, die Abgase würden auch übers Meer wieder ans Land getrieben.“ ( www.nabu.de/ umweltund-ressourcen/ verkehr/ schifffahrt/ haefen/ 16399.html). Das jüngst (09/ 2015) vom NABU e.V. vorgelegte Kreuzfahrtranking nimmt inzwischen eine positive Bewertung für AIDA, COSTA, TUI Cruises vor und eine nach wie vor negative Bewertung für MSC, Norwegian, P&O Cruises, Royal Caribbean und Viking Ocean. ( www.nabu.de/ news/ 2015/ 09/ 19439.html) <?page no="225"?> 228 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Sport an Land Golf Joggen Radfahren Mountain-, Crossbikes und Pedelecs Walken Tab. 42: Kreuzfahrtschiffe und Sportmöglichkeiten. Quelle: www.tuicruises.com/ mein-schiff-3/ wellness/ sport-und-gesundheit/ Potenziell möglich sind die Sportangebote insofern, da bspw. die zur Verfügung stehende Poolwasserfläche im Verhältnis zur Gästezahl kein Schwimmen ermöglicht, sondern eine Mischung aus Baden und „Sich-im-Wasser-befinden“. 147 Ein deutlicher Schwerpunkt wird auf den Fitness- und Wellnessbereich gelegt, da hier gegenüber anderen Sportarten relativ wenig Flächenverbrauch erforderlich ist und über spezielle Kursangebote zusätzliche Einnahmen zu generieren sind. Das derzeit gesellschaftlich vorherrschende Selbstoptimierungs- und Fitnessparadigma wird in dieser Logik selbst im Urlaub vielfältig bedient. Exemplarisch dazu: HYPOXI (30 Minuten) 35 Euro In einzigartiger Weise wirken hierbei Bewegungstraining, Vakuum und Kompression auf alle typisch weiblichen - aber auch männlichen Problemzonen. Probieren Sie’s aus! Auch im 3er- oder 5er-Paket. Unser Tipp: Kombinieren Sie dies mit der Fettzellenentleerung. Quelle: TUI Cruises „Spa & Sport“ Mein Schiff 4, Web-Folder S. 3 Die weiteren Ausdifferenzierungen der Sportangebote und -infrastruktur auf Kreuzfahrtschiffen beinhalten über die oben schon angeführten Sportmöglichkeiten Boxen, Eislaufen, Golfen (Golfsimulator), Inline Skating, Klettern (Kletterwand), Ostasiatische Sportkultur, Surfen (Surfsimulator), Tauchen und Zipline. 148 Zur Ausdifferenzierung des Sportangebotes sind in den letzten Jahren zunehmend zielgruppenspezifische Sportangebote entwickelt worden. Die 147 TUI „Mein Schiff 4“ verfügt über einen ungewöhnlich langen Pool von über 25 Meter Länge, der lediglich 2 Bahnen breit ist, so dass hier maximal 14 bis 16 Gäste von 2.500 Gästen „zu bestimmten Zeiten“ im Kreisverkehr („Perlenkette“) schwimmen können. Vorausgesetzt sind allerdings annähernd gleiche Schwimmgeschwindigkeiten. 148 Siehe dazu auch www.royalcaribbean.de/ fitness-und-freizeit.htm. <?page no="226"?> 3.6 Tourismussystem 229 sportorientierten Themenkreuzfahrten konzentrieren sich überwiegend auf die Sportarten Radfahren, Laufen, Golf und neuerdings auch Fußball. Die Sportarten werden überwiegend an Land von einer kleinen Gruppe (ca. 50 bis 100 Personen) ausgeübt, gemessen an der Gesamtzahl der an Bord befindlichen Gäste. Mit den Soccer Camps sind inzwischen Angebote konzipiert worden, die auf eine sehr frühe Kundenbindung abzielen. Kicken auf Kreuzfahrt: AIDA Soccer Camp mit Borussia Dortmund Das Kreuzfahrtunternehmen AIDA Cruises und der Deutsche Meister 2011 und 2012 Borussia Dortmund weiten ihre Zusammenarbeit aus. Seit 2004 arbeitet AIDA bereits mit Borussia Dortmund zusammen und präsentiert unter anderem die AIDA Lounge im Stadion. Künftig werden in den Schulferien 7bis 10-tägige AIDA BVB Soccer Camps angeboten. Erster Termin ist in den Herbstferien vom 26. Oktober bis 2. November 2013. Dann heißt es für 60 Jungen und Mädchen und das Trainerteam der offiziellen Evonik-Fußballschule des BVB: „Alle Mann an Bord! “ Quelle: www.schiffsjournal.de/ aida-cruises-soccer-camps-20132014/ 3.6.1.9 Clubanlagen mit Sportangeboten Clubanlagen mit Sportangeboten gehen zurück auf die Idee des belgischen Unternehmers Gérard Blitz, der 1950 den ersten Club Méditerranée auf Mallorca gründete und erstmalig die Konzeption eines All-inclusive-Resorts umsetzte. Zahlreiche Nachfolger haben den ursprünglich positiv besetzten Begriff der Animation in der Cluburlaubspraxis (sowie den nachfolgenden Ferienhotels) mit infantilen, aufdringlich-nötigenden Umgang mit den Gästen derart beschädigt, dass dieselben Akteure seit den 1990er Jahren nach sprachlichen Abgrenzungen und scheinbar „neuen“ Konzepten der Gästeansprache suchten. 149 Die Ergebnisse erzeugten sodann „Robins“ oder „gentils organisateurs“ und den Versuch, etwas weniger „klobig“ auf die Gäste zuzugehen. Die Arbeitsbedingungen für die „Animateure“ sind überdies permanent Gegenstand der Kritik. Durch die relativ kurzen und wechselnden Einsatzzeiten bestehen, wie in weiten Teilen der Tourismusbranche üblich, keine tarifvertraglichen Einigungen. Die Arbeitszei- 149 Die Eingabe des Begriffs Animation erzeugt mittlerweile in den entsprechenden Suchmaschinen nahezu ausschließlich Ergebnisse aus dem Bereich der Informatik sowie Medien- und Kommunikationsdesign. Erläuterungen zur Herkunft des ursprünglich pädagogischen Begriffs finden sich unter „soziokulturelle Animation“. <?page no="227"?> 230 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure ten belaufen sich demzufolge auf sittenwidrige 6-7 Tage wöchentlich á 14 Stunden. Eine verdienstvolle Angebotsübersicht und Klassifizierung bietet die Seite des Reisezentrums Becker unter www.cluburlaub.de/ sport-wellness/ , die eine Suchfunktion zu Clubanlagen in den Kategorien Ballsportarten (n=19), Fitness (n=20), Outdoor (n=8), Wassersport (n=8) und Wintersport (n=3) anbietet. Gleichwohl wird damit nicht die komplette Angebotsseite der verschiedenen Clubanbieter abgedeckt. Hierzu ist eine Recherche der einzelnen Clubanbieter notwendig wie bspw. Aldiana, Calimera, Club-Med, Magic-Life Clubs, Robinson-Clubs, TUI Best Family Clubs sowie die Mischformen aus Hotel- und Clubanlage Clubhotel, Grecotels Clubs sowie Riu Clubhotels. Abb. 43: Clubanlagen und Sportangebot: Ballsportarten. Quelle: www.cluburlaub.de/ sport-wellness/ wasserball/ (Screenshot) 3.6.1.10 Sportschulen und Unterkünfte der Sportverbände Die Sportschulen und Unterkünfte der Sportverbände sind konzeptionell auf Schulungen der Trainer, Schiedsrichter und Funktionsträger ausgerichtet, fungieren als Stätten der Fort- und Weiterbildung sowie als Unterkünfte für Trainingslager und Wettkämpfe. Die bekanntesten Sportschulen sind Duisburg- Wedau, Hennef und Kamen-Kaiserau des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes (WFLV) sowie Malente des Schleswig-Holsteinischen Fußball Verbandes (SHFFV). 150 150 Siehe dazu auch die entsprechende Homepage des Deutschen Fußball-Bundes unter www.dfb.de/ verbandsstruktur/ landes-regionalverbaende/ sportschulen-und-sporthotels, der als Dachverband selber keine Sportschulen unterhält. Der Begriff der Sportschule ist ebenfalls <?page no="228"?> 3.6 Tourismussystem 231 Abb. 44: Sportschule Hennef. Quelle: www.dfb.de/ news/ detail/ sportschule-hennef-trainierentagen-wohlfuehlen-113437/ Insgesamt verfügen der DOSB, die 16 Landessportbünde, teilweise auch die Kreis- und Stadtsportverbände sowie die olympischen (n=34), nicht-olympischen Fachverbände (n=28) und die Verbände mit besonderen Aufgaben (n=20) inklusive der jeweiligen eigenständigen Sportjugenden auf nationaler und Landesebene über zahlreiche Sportschulen und Beherbergungseinrichtungen. Daten über die genaue Anzahl aller Übernachtungseinrichtungen im organisierten Sport liegen nicht vor. Oberhalb der Vereinsebene dürften schätzungsweise 4-5 Millionen Übernachtungen pro Jahr stattfinden. 151 Exemplarisch kann mit der Sportschule Duisburg-Wedau des WFLV auf eine der größten Einrichtungen verwiesen werden. Die gesamte Anlage verfügt derzeit über 400 Übernachtungsmöglichkeiten ( www.sportschule-wedau.de). Der Landessportbund NW verfügt über das Sport- und Tagungszentrum Hachen (Sauerland) inkl. Sport- und Erlebnisdorf sowie Bootshaus mit insgesamt 293 Betten, über das Sport- und Seminarcenter Radevormwald (Bergisches Land) mit 112 Betten sowie das Sport- und Erlebnisdorf Hinsbeck (Hinsbecker Schweiz/ Niederrhein) mit 30 Ferienhäusern. 152 wie der des Sporthotels nicht geschützt, so dass nicht in jedem Fall davon auszugehen ist, dass eine Sportschule dem organisierten Sport zuzuordnen ist. So ist bspw. die „Sportschule Bitburg“ ( www.sportschule-bitburg.de) ein kommerziell betriebenes Sporthotel/ -resort, deren vollständiger Firmenname „Sportschule Bitburg Sportpark-Hotel GmbH & Co. KG“ lautet. 151 Die Zahl von 4 - 5 Millionen Übernachtungen ist eine grobe Schätzung mittels einer Hochrechnung anhand der Mitgliederzahlen und Angebote des LSB NW und des WFLV (400. - 500.000 Übernachtungen) auf alle anderen Verbände, inklusive eines Abschlages, da etliche Verbände den kritischen Wert für den Unterhalt eines Beherbergungsbetriebes unterschreiten. 152 Detaillierte Angaben finden sich unter: www.sport-erlebnisdorf-hachen.de/ sport-undtagungszentrum-hachen-startseite; www.lsb-nrw.de/ lsb-nrw/ sportschulen-feriendoerfer/ sport-undseminar center-radevormwald und www.sportunderlebnis-hinsbeck.de <?page no="229"?> 232 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.6.1.11 Vereinseigene Unterkünfte Von den knapp 91.000 Sportvereinen in Deutschland verfügt lediglich ein geringer Prozentsatz über vereinseigene Unterkünfte. Häufiger bieten Kanu-Clubs Übernachtungsmöglichkeiten an, da die Vereinsanlagen und Häuser traditionell an (Fließ-)Gewässern liegen und über eine gewachsene Infrastruktur verfügen. Exemplarisch ist auf den Kanu-Club Singen hinzuweisen, der über 20 Betten verfügt ( www.kanuclub-singen.de/ ueber-nachtung-haus.html). Ein weiteres Beispiel ist der Schwimmverein RSV Hannover von 1926 e.V., der am Freibad Leinhausen über ein Gästehaus mit 12 Betten verfügt ( www.rsv-hannoverschwimmen.de/ daten/ Schlafen_flyer.pdf), sowie das Sporthotel des Tischtennis- Bundesligisten Borussia Düsseldorf mit einer Kapazität von 31 Zimmern ( www.sporthotel-duesseldorf.com). 3.6.1.12 Sportjugendherbergen Sportjugendherbergen sind ein konzeptionell relativ junger Bestandteil des Angebotes im Deutschen Jugendherbergswerk e.V. Verbunden mit dem pädagogischen Anspruch der Jugendherbergen und einem hohen Anteil an ehrenamtlichem Engagement sind sie auch dem Non-Profit-Sektor zuzuordnen. Konzeptionell weisen sich die Sportjugendherbergen wie folgt aus: Beispiel „Sport-Jugendherbergen eignen sich ganz besonders für Sportgruppen und sportbegeisterte Schulklassen. Sie erfüllen anspruchsvolle Qualitätsstandards und einen flexiblen Service in den Bereichen Sportanlagen, Sportprogramme, Ausstattung und Verpflegung. Wo immer es geht, versuchen Sport-Jugendherbergen soziales Lernen, gesunde und umweltverträgliche Lebensstile im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern. Unter Einbeziehung ihrer Gäste sind sie stetig bemüht, die Qualität ihrer Angebote weiterzuentwickeln. Je nach Lage und Ausstattung sind Sport- Jugendherbergen für einzelne Sportarten besonders prädestiniert. Das Konzept wurde zusammen mit der Deutschen Sportjugend (dsj) entwickelt.“ Quelle: www.jugendherberge.de/ de-DE/ inspiration/ Profil-Sport Hinsichtlich der Kriterien für Sportjugendherbergen wurde ein Katalog entwickelt, der als Grundlage für die Auszeichnung dient: Pauschalangebote für Trainingslager, Wettkampf-, Saisonabschluss- und Klassenfahrten Kooperation mit Sportverbänden, -vereinen und erfahrenen Übungsleitern <?page no="230"?> 3.6 Tourismussystem 233 Sportanlagen auf dem Gelände und in unmittelbarer Nähe der Jugendherberge Indoor-Bewegungsraum mit verschiedenen Bewegungsangeboten Sportbezogene Räumlichkeiten (Tagungsraum, Materialraum, Trockenraum etc.) Einbzw. Zweibettzimmer für Trainer, Übungsleiter und Lehrer Ein- oder Zweibettbelegung bei Schulungen und Lehrgängen Sportlergerechtes, gesundes Verpflegungskonzept mit flexiblen Essenszeiten Berücksichtigung von Verpflegungswünschen (z.B. vegetarisch, Bio, kohlenhydratreich) Besondere Leistungen für Sportgruppen (z.B. Ausleihservice für Sportgeräte, Buchungsservice für Sportanlagen, Gepäcktransfer, Handtuchservice) Tab. 43: Kriterienkatalog für Sportjugendherbergen. Quelle: www.jugendherberge.de/ de-DE/ inspiration/ Profil-Sport Derzeit haben sich in Deutschland insgesamt 14 Sportjugendherbergen in Aurich, Bad Tölz, Bad Zwischenahn, Borkum, Breisach, Duisburg, Erbach, Hormersdorf, Klingenthal, Meinerzhagen, Ottobeuren, Rheine, Rotenburg (Wümme) und Verden qualifiziert. 3.6.1.13 Sportferienparks und Feriendörfer Spittler und Reinders wiesen bereits 2001 darauf hin, dass sich eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen touristischen Parkmodellen kaum noch herstellen lässt: „Im Sinne einer breiten Zielgruppenansprache entsteht ein Allround-Angebot, so dass die Grenzen zwischen Ferien-, Freizeit- und Themenparks verwischen und sich zunehmend zugunsten segmentübergreifender Angebotskopplungen auflösen.“ (Spittler 2001, S. 4) Bezug genommen wird hier überwiegend auf Ferienparks und Feriendörfer mit relativ einfachen Beherbergungsmöglichkeiten (Ferienhäuser, Chalets, Hütten, Zelte) und ausgeprägter Sportinfrastruktur. Beispielhaft kann der Ferienpark Schloss Dankern ( www.schloss-dankern.de) angeführt werden, der sowohl innerhalb des Parkareals als auch in unmittelbarer Nähe zahlreiche Sportmöglichkeiten anbietet (Tauchen, Seabob, Wasserski, Hochseilgarten, Radfahren, Quadfahren, Kartfahren, Hallen- und Freibad). Beispiele für Feriendörfer mit starkem Sportbezug sind das Feriendorf Langebrück bei Dresden ( www.feriendorflangebrueck.de) und das schon weiter oben erwähnte Sport- und Erlebnisdorf Hinsbeck. <?page no="231"?> 234 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.6.1.14 Sportcampingplätze Sportcampingplätze (teilweise mit Animationsteam) weisen Ähnlichkeiten mit den frühen Clubanlagen auf, die eine eher einfache Ausstattung kennzeichnete. Inzwischen sind anspruchsvolle Campingplätze kaum noch von Feriendörfern oder Ferienparks zu unterscheiden. Die Form eines explizit ausgewiesenen Sportcampingplatzes ist eher selten, wiewohl einzelne Sportangebote inzwischen zur Grundausstattung von Campingplätzen gehören. Zwei exemplarische Angebote finden sich im bayerischen Eging am See ( www.bava ria-camping.de/ sport-campingeging-kur-sport.htm) und im kroatischen Novalja ( www.campingkroatienpag.de). Die einzelnen Betriebsformen weisen untereinander einige Ähnlichkeiten hinsichtlich der angebotenen Sportmöglichkeiten auf. Ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal ist allerdings je nach (sport-)pädagogischer und betriebswirtschaftlicher Konzeption, ob das Niveau der Sportinfrastruktur, Umfang und Intensität der Nutzung samt sportwissenschaftlicher und -medizinischer Betreuung, Spa-, Wellnessbereich sowie sportgerechter Verpflegung auch leistungs- und spitzensportlichen Ansprüchen gerecht wird. Professionell geführte Sporthotels, Sportresorts und Sportschulen unterscheiden sich in dieser Hinsicht von allen anderen Betriebsformen. 3.6.2 Regionen und Destinationen 3.6.2.1 Region Region ist als ein relativer Begriff zu verstehen, der aus mehreren und sehr unterschiedlichen Zugängen konstituiert werden kann. Zunächst sind verschiedene Kriterien möglich, wie sie sich relativ einfach durch geografische Konstellationen ergeben. Die Bodenseeregion oder Mittelgebirge wie bspw. der Harz erschließen sich als Region aufgrund ihrer relativ einheitlichen geografischen Struktur. 153 Unter anthropogeografischen sowie politisch-administrativen Gesichtspunkten entstehen jedoch im gesellschaftlich-historischen Kontext Veränderungen und Konstitutionen von Regionen, die eine homogene Fassung erschweren. Das so genannte Ruhrgebiet ist ein treffendes Beispiel für eine vormalig bäuerlich und dörflich geprägte „Region“ entlang der in Ost-West-Richtung verlaufenden Flüsse Lippe und Ruhr, die aufgrund ihrer industriellen und urbanen Entwicklung, Überformung und bisweilen auch Deformierung inzwischen als Metropolregion Ruhr ausgewiesen wird. Gleichwohl beinhaltet diese Region 153 Selbstverständlich gilt die Aussage zur „einheitlichen Region“ lediglich auf einer ersten Makroebene und könnte unter weiteren Kriterien der geografischen Teilgebiete der Boden-, Bio-, Hydro- und Klimageographie sowie Geomorphologie ausdifferenziert werden. <?page no="232"?> 3.6 Tourismussystem 235 Teile der historisch und mentalitätsgeschichtlich unterschiedlich geprägten Regionen des Rheinlandes und von Westfalen. Obendrein gesellen sich als vergleichsweise historisch junge administrativ-politische Konstruktionen Teile der Bezirksregierungen Düsseldorf, Arnsberg und Münster hinzu. Der derzeitige geografische Raum des Ruhrgebiets besteht aus den verwaltungsrechtlichen Gebieten von 11 kreisfreien Städten und vier Kreisen, die sich im Regionalverband Ruhr als so genannter Zweckverband und höherer Kommunalverband zusammengeschlossen haben und von der Ruhr Tourismus GmbH touristisch vermarktet werden. Die Region des Ruhrgebietes erstreckt sich demzufolge auch auf Gebiete, denen kein Bezug zum wirtschaftlichen Kerngebiet des Ruhrgebietes unterstellt werden kann (linker, nördlicher Niederrhein bei Xanten) oder deren Lage eine Zwitterstellung einnehmen wie bspw. Breckerfeld als verwaltungstechnisch südöstlichster Teil des Ruhrgebietes und zugleich im nordwestlichen Teil der Mittelgebirgsregion Sauerland liegend. Die verwaltungstechnischen Gliederungen sind also nicht zwingend als touristische Destination übereinzubringen. Vielmehr erschweren neben den kommunalen Verwaltungsgrenzen, länder- und nationalstaatliche Grenzen eine einheitliche Vermarktung. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD konnte dies am Beispiel der Harzregion und der drei beteiligten Bundesländer nachvollzogen werden. 154 Allerdings weist Steinecke (2013) mit dem Beispiel der Eifel-Tourismus GmbH auf eine gelungene bundesländerübergreifende Zusammenarbeit hin, an der „neun Landkreise und 51 Kommunen“ beteiligt sind (S. 26). Zur weiteren Erläuterung ist anzuführen, dass im europäischen Kontext verwaltungsrechtlich gänzlich unterschiedlich große Territorien existieren, die in einer vierfachen hierarchischen Gliederung als „Nomenclature des unités territoriales statistiques“ (NUTS) ausgewiesen werden. Unterhalb der Ebene der Nationalstaaten (NUTS 0) existieren so genannte major socio-economic regions (NUTS 1), basic regions (NUTS 2) und small regions (NUTS 3). Die verwaltungstechnischen Begriffe sind innerhalb der einzelnen Nationalstaaten in Europa unterschiedlich. Auf der Ebene NUTS 2 sind dies bspw. Provinzen (B), Regierungsbezirke (D), Großregionen (CH) oder Provincies (NL). 3.6.2.2 Destination Neben dem Begriff der Region wird im touristischen Kontext der Begriff der Destination verwendet. Freyer (2011, S. 258) verweist darauf, dass der Begriff 154 Darüber hinaus existierte noch eine langwierige Annäherungsphase zwischen dem Nationalpark Harz auf niedersächsischer und dem Nationalpark Hochharz auf sachsenanhaltinischer Seite. Zu den Konfliktlinien öffentlicher und touristischer Akteure im Destinationsmanagement siehe auch Steinecke 2013, S. 24ff. <?page no="233"?> 236 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Destination während der 1990er Jahre aus den Bezeichnungen Zielgebiet und Reiseziel hervorgegangen ist. Teilweise changieren allerdings selbst touristische Akteure zwischen den Begriffen Region und Destination (bspw. Tirol als Kletterregion bzw. -destination). Die touristische Destination ist ein ebenfalls relationaler Begriff, der überdies einer nahezu beliebigen Größenbestimmung unterliegt und von der Größe eines Freizeitparks bis zum Kontinent reicht. „Je größer die Entfernung zwischen Wohnort und Reiseziel, desto größer wird das Gebiet, das subjektiv als Destination wahrgenommen wird.“ (Mundt 2013, S. 202) Die in der Fachliteratur aufgeführten Merkmale einer touristischen Destination beinhalten nach Freyer (2011, S. 260) einerseits das so genannte „ursprüngliche Angebot“, worunter „naturgegebene“ Elemente wie Landschaft, Topografie, Flora, Fauna, Klima, Wetter und Naturdenkmäler zu fassen sind. Dazu zählen weiterhin das anthropogen gestaltete, sozio-kulturelle Angebot sowie die allgemeine Infrastruktur, insoweit sie Einfluss auf den Tourismus nimmt. Andererseits existiert das „abgeleitete Angebot“, das die allgemeine touristische Infrastruktur, Freizeitinfrastruktur sowie spezielle touristische Angebote auf sich vereint. Mundt (2006, S. 325) merkt zu der Dichotomie des ursprünglichen und abgeleiteten Angebotes kritisch an, dass derartige phänomenologische Einteilungen einen statischen, nicht jedoch einen Prozess-Charakter aufweisen. „Nur aus sich heraus ist jedoch, wie die Geschichte des Reisens zeigt, keine Örtlichkeit interessant. Das, was als touristisch anziehend empfunden wird, hat sich im Laufe der Zeit nachhaltig verändert und ist auch weiterhin in stetigem Wandel begriffen.“ (S. 325) Inzwischen wird der Destinationsbegriff einer konzeptionellen Neubewertung unterzogen, in dem Touristen, wie es Beritelli ausdrückt, nicht mehr einer Destination oder Dachmarkenorganisation „gehören“, sondern die, wie in Abb. 45 zu sehen, in ihren sich verändernden Reiseströmen verstanden werden müssen. In der Logik von Beritelli würde dies veränderte Destinationen bedeuten, die losgelöst sind von verwaltungstechnischen Gebilden und mittels Netzwerken von unterschiedlichen Akteuren geführt werden. 155 155 Zum Management von Destinationen siehe Bieger; Beritelli 2012. <?page no="234"?> 3.6 Tourismussystem 237 Abb. 45: Alternative Perspektiven um den Destinationsraum zu zeichnen (nach Beritelli). Quelle: Beritelli 2015, S. 21 Bis in das 19. Jahrhundert hinein war der Harz keine touristische, sondern eine Bergbauregion, in der Erze (seit dem 3. Jahrhundert n. Chr.) und Silber (vom 16. bis 19. Jahrhundert) gefördert wurden. In dieser Zeit wurde der Harz zweimal nahezu komplett entwaldet und ein Großteil der Moore zur Torfgewinnung abgebaut. 156 Für Goethe, der 1777 als Forschungsreisender und nicht als Tourist mit Hilfe des damaligen Försters (dreimal) auf den Brocken stieg, war die Tour noch ein Wagnis, und Heine schrieb 1824 in seiner Harzreise von Göttingen bis Goslar: „Ich kann nicht umhin, hier ebenfalls anzudeuten, daß der Oberharz, jener Teil des Harzes, den ich bis zum Anfang des Ilsethals beschrieben habe, bei weitem keinen so erfreulichen Anblick wie der romantisch malerische Unterharz gewährt, und in seiner wildschroffen, tannendüstern Schönheit gar sehr mit demselben kontrastiert.“ Erst mit der Herausbildung der Sommerfrische Mitte des 19. Jahrhunderts durch aristokratische und großbürgerliche Schichten und dem aufkommenden 156 Die nasskalten klimatischen Bedingungen erschwerten allerdings die Köhlerei, um aus dem abgestochenen Torf Brennmaterial zu erzeugen. Ohne den Bergbau wäre eine durchgehende Ansiedlung des Harzes unwahrscheinlich gewesen. stay-put gateway hub-and-spoke arranged touring freewheeling <?page no="235"?> 238 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Tourismus veränderte sich die Sicht auf die zuvor unwirtliche Region. Im weiteren Verlauf dominieren als sportliche Aktivitäten Wandern und Wintersport. Um einer zunehmenden Seniorisierung der Gästeklientel entgegenzuwirken, etablierte sich im Verlauf der 1990er Jahre Sport (Wandern, Wintersport, Klettern, Mountainbiken, Rennradfahren, Erlebnis- und Abenteuersport) als ein Kernelement des touristischen Angebotes. Ähnlich wie bei den Destinationen Schwarzwald, Bayerischer Wald und Allgäu ist davon auszugehen, dass die Profildimension (Kern 2004, S. 750f.) in der Wahrnehmung von Reisebüromitarbeitern vorwiegend auf Wandern fokussiert ist, und Touristen dürften dem ebenfalls entsprechen. Für die Alpen weist Kern nach Wandern, wenig überraschend, Skilaufen an erster Stelle aus. 157 Entwickelte Destinationen bieten eine (mehr oder weniger) umfangreiche und intensive typische touristische Infrastruktur und touristisch relevante tradierte bzw. produzierte Attraktoren (siehe dazu auch Letzner 2014, S. 7 und 29). Sportangebote und -infrastruktur sind inzwischen selbstverständlicher und erwünschter Bestandteil der „Destinationen“. Überwiegend finden sie auf dem Niveau freizeitbzw. breitensportlicher Aktivitäten statt, mit den Möglichkeiten zum Wandern, Radfahren, Schwimmen, Fitnesstraining sowie in urbanen Räumen zusätzlich Sportgroßveranstaltungen. Alle weiteren Differenzierungen (Golf, Mountainbiking etc.) erhöhen die Attraktivität der jeweiligen Destination, ohne dass sich daraus schon eine konzeptionell ausgerichtete Schwerpunktsetzung als „Sportdestination“ ergeben muss. Die Tirol-Werbung und das Regionalmanagement Bezirk Imst unternehmen seit 2008 mit Unterstützung einer Consulting-Firma sowie diversen Regionalmanagements aus Tirol deutliche Anstrengungen, sich neben dem ohnehin schon ausgeprägten Wintersportimage als Kletterregion zu etablieren: 157 Allerdings muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass Kern lediglich 110 Personen befragt hat, so dass Wandern als erstgenanntes Ergebnis deswegen nicht grundsätzlich infrage gestellt werden muss, aber davon auszugehen ist, dass sich bei einer repräsentativen Befragung das Ranking der Profildimensionen auf einigen Positionen verändern würde. <?page no="236"?> 3.6 Tourismussystem 239 Beispiel „Climbers Paradise - Klettergebiete in Tirol Tirols Bergwelt bietet alles was sich ein Kletterer wünschen kann. Ob Bouldern, Sportklettern, alpine Mehrseillängentouren oder familienfreundliche Klettersteige. Vom 2-stündigen Zeitvertreib bis zu mehrtägigen Alpin- Touren. Von bizarren Eisformationen und Wasserfällen im Winter bis zu idyllisch gelegenen Klettergärten und Boulderfelsen im Sommer. [...] Eine solche Vielfalt an verschiedensten Klettermöglichkeiten aller Schwierigkeitsgrade findet man selten auf so engem Raum. Die meisten Gebiete liegen mitten in der Natur - in Wäldern, auf Bergen oder an Seen und Flüssen. Tirol bietet Herausforderungen sowohl für Extremsportler als auch für Anfänger. Kaum eine andere Sportart hat so viele Facetten wie das Klettern. Es hält nicht nur fit, sondern macht Spaß und bietet einmalige Erlebnisse. Das Projekt „Climbers Paradise“ hat sich zwei Zielen verschrieben: der Steigerung der Qualität der Kletterinfrastruktur durch entsprechende Standards (speziell bei Klettersteigen und Klettergärten), und der Sammlung von Kletterrelevanten Informationen.“ Quelle: www.climbers-paradise.com Abb. 46: Kletterregionen in Tirol. Quelle: www.climbers-paradise.com (sreenshot) <?page no="237"?> 240 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Nach Angaben der Tirol-Werbung sind inzwischen „15 Regionen in ganz Tirol, über 5.000 Alpinkletterrouten, 3.000 Sportkletterrouten, 1.500 Boulderprobleme, zahlreiche Klettersteige und Eisklettermöglichkeiten“ geschaffen worden ( www.presse-portal.de/ pm/ 16017/ 2252390). Letzner verweist nun im Kontext der Entwicklung von Destinationen anhand des idealtypischen Beispiels einer Skidestination/ eines Tourismusortes auf die aus den gegenseitigen Konkurrenzbeziehungen erwachsene Autokatalyse und dem damit einhergehenden verbreiterten und verbesserten Angebot. Infolge konstatiert er darüber hinaus so genannte crosskatalytische Elemente, die den Anstieg von Zusatzbranchen begünstigen. Skidestination Schlüsselbranche schneebedeckte Hänge, Übernachtung, Verpflegung Autokatalyse innerhalb der Schlüsselbranche verbreitert und verbessert deren Angebot sehr deutliche Qualitätsverbesserungen bei Übernachtung und Verpflegung Lifte, Beschneiungs- und Beleuchtungsanlagen Ski- und Boardverleih, Skischulen Wintersportbekleidung- und -ausrüstung Langlauf, Schlittschuh, Schneeschuh schneebezogene Events: Skiwettbewerbe, Schlittenfahrten Crosskatalyse lässt Zusatzbranchen entstehen und wachsen Apres-Ski, Bars und sonstige abendliche Vergnügungsstätten Wellnessbäder, Solarien, Massagen ausgedehnte Einkaufsmöglichkeiten, Souvenirbranche (s. Schnitzereien im Grödnertal) spezialisierte medizinische Angebote (s. Unfallchirurgie in Innsbruck) Kfz-Betriebe und -Werkstätten Immobilienmakler Tab. 44: Auto- und Crosskatalyse einer exemplarischen Skidestination (nach Letzner). Quelle: Letzner 2014, S. 178f <?page no="238"?> 3.6 Tourismussystem 241 Weitere Beispiele für besondere sporttouristische Ausrichtungen sind die Eifel im Bereich Motorsport, die nord- und ostfriesischen Inseln im Bereich Surfen/ Kitesurfen, das Elbsandsteingebirge und Klettern, das Münsterland und Reiten, die Wasserkuppe/ Rhön und Segelfliegen. 158 Ein außergewöhnliches Beispiel stellt die Verbindung/ Kooperation zwischen niederländischen Eisschnellläufern und dem Weißensee in Kärnten (A) dar. Seit 1989 wird dort jedes Jahr die „Alternatieve Elfstedentocht“ (Elfstädtetour) durchgeführt. Die seit 1909 durchgeführte originale Elfstedentocht ( www.elf stedentocht.frl) konnte aufgrund der schwankenden winterlichen Temperaturen erst 15-mal in Friesland durchgeführt werden. Die letzte Tour fand 1997 auf den friesischen Grachten statt. Bereits in den 1970er Jahren wurde nach Ausweichmöglichkeiten gesucht, um die „Tradition“ aktiv fortführen. Abb. 47: Alternative Elfstedentocht auf dem Weißensee (A). Quelle: www.weissensee.nl Der Hauptwettkampf wird über eine Strecke von 200 km ausgetragen. Insgesamt nehmen an den Wettkämpfen über 200, 100 und 50 km (sowie diverse Veteranen-Läufen) während der 12 Tage ca. 6.000 NiederländerInnen teil. Seit Bestehen der Alternativen Elfstädtetour konnte die Region Weißensee/ Kärnten damit über 750.000 Übernachtungen verzeichnen. Im Rahmen von Marketing-Kooperationen von Destinationen bzw. den regionalen Tourismusorganisationen ist exemplarisch auf die „bundesweite“ Aktion zwischen Bayern-Tourismus, Chiemgau-Tourismus und dem Sportbekleidungsausrüster Globetrotter zu verweisen. 158 Einige Orte wurden regelrecht von einer sporttouristischen Nachfrage überrascht und „mussten“ nachholend ihre touristische Infrastruktur ausbauen, um dieser plötzlichen Nachfrage gerecht werden zu können, wie dies bspw. in der am südlichsten gelegenen Stadt des europäischen Festlandes Tarifa (Andalusien) der Fall war. Wegen seiner nahezu ganzjährigen Levante- und Poniente-Winde wurde der Ort mit dem Aufkommen des Surfens und später des Kitesurfens populär. <?page no="239"?> 242 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Beispiel „Den gesamten Juni über präsentiert sich die Urlaubsdestination Bayern - allen voran der Chiemgau - in den bundesweit sechs Globetrotter-Filialen. In den Stores wird mit Schaufensterdekoration, Fassaden-Postern, Wandbildern, Riesenbannern sowie einem Hochseilgarten für Bayern als attraktives Aktiv- und Natururlaubsziel geworben.“ Quelle: www.bayern.by/ 7.6.2013 Darüber hinaus engagiert sich bspw. die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH im Rahmen einer Cross-Marketing-Kampagne zur Umsetzung des Themas „Rad- Helden“, wie die verschiedenen radtouristischen Zielgruppen zusammenfassend bezeichnet werden. Beispiel Öffentliche Ausschreibung nach VOL/ A § 3 Abs. (5) - Freihändige Vergabe Gegenstand und Ziel der Ausschreibung: Die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH (RPT) ist die touristische Marketingorganisation für das gleichnamige Bundesland. Der Marketingansatz der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH ist das zielgruppenorientierte Themenmarketing. Rheinland-Pfalz vermarktet sich seit dem Jahr 2008 über die Themen: Wandern, Radwandern, Wein und Gesundheit/ Wellness und definiert ihre Ziele und Aufgaben im Rahmen der Tourismusstrategie 2015 des Landes Rheinland-Pfalz. Die Marken zu den vier Themen sind RadHelden, WanderWunder, WeinReich und IchZeit. Am Markt sollen diese Themen auf Grundlage eines qualitätsgesicherten Markenversprechens als zielgruppenorientierte Produktmarken platziert werden. Aufgabenstellung: Im Rahmen einer Cross-Marketing-Kampagne mit einem Wirtschaftspartner soll Rheinland-Pfalz als radtouristisch bedeutende Region mit seiner Marke „RadHelden Rheinland-Pfalz“ transportiert werden. Die Kampagne sollte aus einem Maßnahmenmix aus den Bereichen Onlinemarketing, Social-Media-Kommunikation, Print-, Direkt- und Vertriebsmaßnahmen bestehen. Inhalte bei der Angebotsabgabe: Anzahl Anzeigenplätze (Banner, Advertorial, Gewinnspiel, Logoeinbindung etc.) Standardangaben zur Webseite wie Unique Visits, Page Impressions <?page no="240"?> 3.6 Tourismussystem 243 Angaben zu sozialen Netzwerken: Twitter, Facebook, Community, Blog, Apps Beschreibung von möglichen Direktvertriebsmaßnahmen wie bspw. Auslage von Printmedien am Point of sale oder sonstige Maßnahmen mit direktem Endkundenkontakt Zeitplan inklusive Korrekturläufe Für die Umsetzung des Projektes steht ein Budget von 6.500 Euro netto inklusive aller Leistungen zur Verfügung. Der Betrag wird aus Fördermitteln des Landes Rheinland-Pfalz finanziert. Quelle: Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH, März 2015 Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass aus der Sicht von SportlerInnen, die ihre Reise individuell planen und organisieren, zumindest ein Großteil der angeführten Infrastruktur und Dienstleistungen nicht zwingend notwendig ist, ja in einigen Fällen sogar als störend oder als Crowding-Effekt empfunden werden können. Individuelles Reisen und die über die Sportaktivität vollbrachte Aneignung der natürlichen, landschaftlichen, kulturellen und/ oder sozialen Umwelt unterscheidet sich aus Subjektsicht von der Inanspruchnahme touristischer Angebote als Konsument. Insofern können auch unwirtliche, landschaftlich öde, klimatisch belastende, touristisch marginal ausgestattete Regionen aus Sicht von ExtremsportlerInnen oder AbenteuersportlerInnen goutiert werden. 3.6.2.3 Exkurs zu regionaler Sportkultur und Tourismus 159 Die Marketingakteure der Destinationen, Regionen und Städte werben im kulturellen Kontext zumeist mit den vermeintlichen und tatsächlichen Besonderheiten ihrer außergewöhnlichen Architektur, ihrer darstellenden und bildenden Künste und bisweilen auch besonderer Feste und Kulinarik. Sport- und Bewegungskultur als ebenso gleichwertiger Kulturbereich wird, abgesehen von den global verbreiteten Sportarten mit ihren großen Events, von den touristischen Akteuren des Destinationsmarketings, der Sport- und Kulturreiseveranstalter und den Reisemedien in geringerem Ausmaß angeboten und wahrgenommen. 160 In Europa existieren etwa 70 Sportkulturen, die ausschließlich in einem lokalregionalen Umfeld entstanden sind und dort auch heute noch ausgeübt werden. 159 Dieser Exkurs hat einen engen textlichen Bezug auf zwei Fachartikel zu regionaler Sportkultur (Schwark 2012 und 2015). 160 Selbstverständlich werben die lokal-regionalen Fremdenverkehrsverbände auch mit ihren regionalen sportkulturellen Festen (Schlickschlittenrennen in Greetsiel, Duhner Wattrennen, Ringreiten, Ulmer Fischerstechen etc.). <?page no="241"?> 244 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Die Praktiken finden alltäglich und häufig in Ligen statt, wie bspw. beim Kaatsen in Nordfriesland oder den Castells in Katalanien. Im Kontext besonderer Anlässe und Stadtfeste wird regionale Sportkultur öffentlich zelebriert, so etwa das Palio in Siena (I) oder die Schwingfeste in der Schweiz. Mit einem sichtbaren touristischen Bezug wird regionale Sportkultur auch als Spektakel, mit bisweilen karnevalesken Zügen, vermarktet, so z.B. das Schlickschlittenrennen in Greetsiel oder das Cheese Rolling in Gloucestershire (GB). In regionaler Sportkultur drückt sich, in Verbindung mit einem spezifisch historisch-kulturellen Hintergrund, die Vielfalt der Sportpraxis aus. In den verschiedenen Sportkonzepten wird das soziale Miteinander der Geschlechter, von Jung und Alt oder der Umgang mit dem eigenen Körper deutlich. Vielfalt, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der noch nicht bekannten Sportpraxen können für Touristen ein bereicherndes Erlebnis und eine alltagsrelevante Erfahrung erzeugen. Größere Aufmerksamkeit erhält inzwischen regionale Sportkultur durch die Castells, die seit 2010 von der UNESCO in die Liste des Immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen wurden. Eine zunehmende Auseinandersetzung mit der Thematik regionaler und traditioneller Sportkultur ist seit den 1980er und 1990er Jahren zu verzeichnen (Dietrich et al. 1986, De Vroede & Renson 1990, Renson 1991, Palm 1993, Beckers/ Schulz 1993, Gorini 1994, Renson et al. 1997, Liponski 2003, Schwark 2012). Ergebnisse dieser Diskussionen waren die Gründungen der Europäischen Organisationen (European Traditional Sports and Games Association (ETSGA) im Jahr 2001) sowie spezielle Museen wie bspw. das Sportimonium/ Belgien oder der Gerlev Legepark in Dänemark. Abb. 48: Sportimonium in Hofstade/ Zemst bei Brüssel (B). Foto: Jürgen Schwark In Deutschland ist regionale Sportkultur in der jüngeren Vergangenheit weder in der Sportwissenschaft noch in der Tourismuswissenschaft Gegenstand einer aktuellen Diskussion. Gleichwohl finden sich vereinzelt Berichte über regionale <?page no="242"?> 3.6 Tourismussystem 245 Sportarten und Bewegungspraktiken in den Reisebeilagen überregionaler Tageszeitungen (SZ, FAZ) und eher marginale Hinweise in den einschlägigen Reiseratgebern (Marco Polo). Die in einer Region spezifisch hervorgebrachten sportkulturellen Besonderheiten sind jedoch keineswegs identisch mit den administrativen Einteilungen von Regionen. Sportkulturelle Praktiken innerhalb einer großen Bevölkerungsgemeinschaft mit einheitlicher Sprache und gemeinsamem historisch-kulturellem Gedächtnis können auch auf einem binational befindlichen Territorium stattfinden, wie dies bspw. in Katalanien (Spanien/ Frankreich) oder in Friesland (NL/ D) der Fall ist. Die Unterscheidung Region und regional verweist auf einen bedeutsamen Unterschied. Sport treiben i.S. des modernen englisch geprägten Sportmodells in einer Region ist noch keine kulturelle Besonderheit, abgesehen von geografischen Charakteristiken (z.B. Klettern im Mittelgebirge oder alpin) und bezieht sich auf ein relativ einheitliches Territorium. Regionale Sportkultur bezeichnet zuerst den Umstand, dass es sich hier nicht um eine national oder global verbreitete Sportpraxis handelt, die demzufolge auch dispersiv oder lokal begrenzt oder lediglich zu seltenen besonderen Anlässen stattfinden kann. Zudem sind spezifische Attribute zu identifizieren, die von anderen sportkulturellen Praxen unterscheidbar sind. Mit dem Begriff der Unterscheidbarkeit ist gleichzeitig auf den naheliegenden Begriff der Abgrenzung zu verweisen. Mit dem Ausschuss der Regionen (AdR) ist auf EU-Ebene ein Gremium geschaffen worden, das mit beratender Funktion die Interessen der lokalen und regionalen Behörden vertritt. 161 Gleichzeitig ist damit auch die kulturelle Förderung, insbesondere durch die grenzüberschreitend agierenden Euregios ( www.euregio.eu), verbunden. 162 Allerdings ist auf politischer Ebene zu konstatieren, dass sich innerhalb zahlreicher Regionen in der EU zunehmend ein separatistischer Nationalismus/ Regionalismus verbreitet. Dies betrifft insbesondere Akteure in den Regionen Baskenland, Flamen, Katalonien, Schottland und Südtirol, die sowohl aus einer „ethnisierenden Gemeinschaftsideologie“ (Salzborn 2003, 1214) als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten dem Subsidiaritätsprinzip ablehnend gegenüberstehen. Kultur und damit auch der Sport werden bisweilen dazu als 161 Zum Sport siehe u.a. auch das Mitteilungsblatt des Ausschusses der Regionen „Regionen und Gemeinden“, insbesondere die Ausgabe „Der Sport und die territoriale Entwicklung“, Nr. 78, 6-7.2012, in der hauptsächlich auf die Breitensportförderung eingegangen wird. 162 Darüber hinaus hat die 31. UNESCO-Generalkonferenz 2001 eine allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt verabschiedet. <?page no="243"?> 246 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure politisch unverdächtige Praxen mit naiv-folkloristischer Attitüde missbraucht. 163 Die zahlreichen Transparente „Catalonia is not Spain“ bei den Concurs de Castells oder den Fußballspielen im Camp Nou sind u.a. ein Symbol unterschiedlicher Positionen für weitergehende Autonomie bis hin zu vollständiger Unabhängigkeit und (klein-)staatlicher Nationenbildung. Definition von regionaler Sportkultur Regionale Sportkulturen werden definiert als Sportpraktiken, die innerhalb eines lokalen oder regionalen Verbreitungsgrades ausgeübt werden und in einem traditionellen Kontext stehen. Im Unterschied zu traditioneller wird regionale Sportkultur also immer noch aktuell praktiziert. Der historische Rückbezug wird (a priori) auf einen mindestens zeitgeschichtlichen Raum von 50 Jahren (und früher) gesetzt. Damit fallen (noch) alle jüngeren lokalen und regionalen „Erfindungen“ aus dem Gegenstandsbereich „regionaler Sportkultur“ heraus. Die verschiedenen Wrestlingformen z.B. Gouren in Frankreich, Glima auf Island, Lucha Canaria auf den Kanarischen Inseln, Schwingen in der Schweiz (sowie das außerhalb Europas angrenzende Ölringen in Anatolien) können auf die ältesten Traditionen verweisen. Bei aller Verschiedenheit und Eigenart der vielen Wrestlingformen, bestehen gleichwohl im Grundmuster der Bewegung zahlreiche Ähnlichkeiten und sind damit auch Ausdruck einer europaweit (und weltweit) gemeinsamen Bewegungsform. Das mit rustikalem Einsatz alljährlich zum Jahreswechsel gespielte Ba Game in Kirkwall/ Schottland hat ebenfalls eine lange historische Tradition und geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Eingebunden in den Begriff der regionalen Sportkultur sind jedoch auch Praktiken, die historische Vorläufer hatten und jüngst wieder revitalisiert wurden oder in abgeleiteter bzw. veränderter Form praktiziert werden. Das in Estland versportete Kiiking („Schaukeln“) wurde bspw. Mitte der 1990er Jahre in Anlehnung an das eher spielerische Schaukeln des 19. Jahrhunderts entwickelt. Vielschichtig ist allerdings die Unterscheidung zwischen Sport- und Bewegungs- und Spielkultur. Unter den mehr als 70 identifizierten regionalen Sportkulturen in Europa befinden sich einige „Grenzgänger“ wie z.B. das Holzschlittenfahren auf Madeira oder kleinräumige Kegelspiele der flämischen Sportkultur. 163 Zu den rechtsgerichteten ethnoföderalen Konzepten in Europa siehe auch Salzborn; Schiedel 2003. <?page no="244"?> 3.6 Tourismussystem 247 Ursprünge und Systematisierung regionaler Sportkultur Die historischen Ursprünge regionaler Sportkultur lassen sich anhand verschiedener gesellschaftlicher Arbeitsteilungen nachvollziehen. Der auf den Kanarischen Inseln praktizierte Salto de Pastor, der sowohl mit Sprung des Schäfers oder Stabtiefsprung übersetzt werden kann, ist ein idealtypisches Beispiel für die Veränderung einer vormals für Arbeitszwecke notwendigen Bewegungsform, die nach und nach einen zusätzlichen Bedeutungswandel erfahren hat. Der handwerklich aufwändig hergestellte Holzstab mit geschmiedeter Spitze diente ursprünglich den Schäfern dazu, den Tieren im unwegsamen Berggelände i.d.R. abwärts zu folgen. 164 Die Kultivierung dieser Bewegungsform ist inzwischen versportlicht worden und demzufolge von Arbeitszwecken entkoppelt. Die Gründe liegen zum einen in reiner Funktionslust oder in sozialen Kontexten, indem bspw. zuschauende Personen mit den verfeinerten Sprüngen beeindruckt werden sollten. Über diese alltagssportliche Praxis hinaus findet Salto de Pastor inzwischen als Festkultur durch die Präsentation auf Stadtfesten statt und ist darüber hinaus auch über Kursangebote sowohl für Einheimische als auch für Touristen erlernbar. Das strukturverwandte nordfriesische Fierljeppen bzw. Polstokverspringen entstand ebenfalls als notwendige Bewegungsform mit Hilfsmitteln zur Überbrückung von landschaftlichen Hindernissen. Die Schäfer folgten ihren Tieren über die Gräften bzw. Grachten mittels eines langen Holzstabes als „Stabweitsprung“. Die Anbindung zwischen Arbeits- und Bewegungshandlung ist aufgrund moderner Produktionsmethoden inzwischen verloren gegangen, jedoch hat sich die Bewegungsform ebenfalls kultiviert und mit regelmäßigen Wettkämpfen und Kursangeboten versportlicht. 165 Zusätzlich zum konkreten Arbeitsbezug haben sich Spiele in Phasen der freien Zeit (und bisweilen unter emotionalen Zuständen der Langeweile) entwickelt. Die ursprünglichen Spiele sind im Laufe der Zeit zu Sportaktivitäten umgeformt worden, wie dies am Beispiel des Schaukelns des 19. Jahrhunderts zum heutigen sportorientierten Kiiking in Estland zu zeigen ist. Ein weiterer bedeutender Bereich sind (männlich dominierte) Kampfhandlungen u.a. für Jagdzwecke sowie Übungen für kriegerische Handlungen. Beispiele sind die verschiedenen schon genannten Wrestlingformen, das im norddeut- 164 Siehe dazu auch die Website der Federatión de Salto de Pastor Canario: www.saltodelpastorcanario.org 165 Lern- und Erprobungsangebote existieren im Fierljepcentrum in Zwaagwesteinde (NL) www.fierljeppenfriesland.nl <?page no="245"?> 248 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure schen Raum verbreitete Ringreiten oder auch das seit der Antike existierende Mallorquinische Steinschleudern. 166 Im Unterschied zum Spiel, das die Grundlage für eine später veränderte versportlichte Variante bot, sind regionale Sportkulturen auch „direkt erfunden“ worden. Vielfach handelt es sich um relativ einfache „Spiel“ideen von damaligen Bauern und Knechten, die allerdings zu ihrer Ausübung durchaus körperliches Geschick erfordern, wie dies am Beispiel des Abschlags beim schweizerischen Hornussen deutlich wird. 167 In geringerem Ausmaß wurden ursprünglich schon bestehende Sport- und Bewegungsformen verändert oder „teil“erfunden. Eine Variante bezieht sich unmittelbar auf die Sportart selber. So wird das aus dem Schwarzwald als Küchengerät zweckentfremdete Speckbrett zur gleichnamigen, mit dem Tennis eng verwandten Sportart auf lokaler Ebene in Münster gespielt. Die zweite Variante bezieht sich auf das Übertragen einer schon existierenden Sportart auf einen sehr spezifischen geografischen Raum (Eis-Galopprennen in St. Moritz, Duhner Wattrennen). 168 Schließlich existieren noch spezielle Fortbewegungsformen, bei denen es sich um (immer noch) alltägliche Fortbewegungsformen handelt wie bspw. das Ski-Jöring in Skandinavien. Hinsichtlich der regionalen Verbreitung besteht eine weitere Differenzierungsmöglichkeit regionaler Sportkultur. Einerseits entstehen Sportarten in Kombination zu ihrem Arbeitskontext anlässlich des spezifischen geographischen Raumes wie dies z.B. beim Stabtiefsprung auf Gran Canaria oder dem Schlickschlittenrennen im Watt/ Greetsiel der Fall ist. 169 Andererseits werden bereits existierende Sportarten nachträglich auf einen spezifischen und/ oder regionalen Raum übertragen (indirekter Raumbezug). Das Flussschwimmen in Basel oder das Eis- Galopprennen oder Eis-Pferdepolo in St. Moritz sind hierfür entsprechende Beispiele. Schließlich existieren bspw. mit Hurling (Irland) oder Speckbrett (Münster) Sportarten ohne einen direkten oder indirekten Raumbezug, die aber dennoch eine nur regionale Verbreitung aufweisen. Anhand der Häufigkeit der Ausübung und der sozialen Intention lässt sich regionale Sportkultur zusätzlich in Praktiken der Alltagskultur (z.B. Bosseln und 166 Siehe dazu die Website der Federación Balear de Tiro con Honda www.tirdefona.org 167 Zum Hornussen siehe www.ehv.ch des Schweizerischen Hornusser Verbandes 168 Siehe www.whiteturf.ch und www.duhner-wattrennen.de 169 Jährlich besuchen ca. 3.000 bis 4.000 Zuschauer das karnevaleske Schlickschlittenrennen in Greetliel. Der Schlickschlitten war früher das Arbeitsgerät der Fischer, um mit erträglichem Kraftaufwand an die im Watt ausgelegten Reusen zu gelangen. <?page no="246"?> 3.6 Tourismussystem 249 Klootschieten in Ostfriesland und Friesland) und Festkultur (z.B. Ba Game in Schottland, Tablas während der Fiesta de San Andrés auf Teneriffa) unterteilen. Mischformen sind ebenfalls möglich wie bei den Castells in Katalonien und beim Salto des Pastor auf den Kanaren. Die Grenzen der Festkultur werden bei zahlreichen Veranstaltungen überschritten, die im Übergang zwischen Sportintention und skurriler (Fort-)Bewegung mit karnevaleskem Touch liegen. Das Cheese Rolling in Gloucestershire, die Tomatina in Bunol oder auch das Stierrennen in Pamplona sind demzufolge eher als Spektakel zu bezeichnen. 170 Die Differenzierungsmöglichkeiten regionaler Sportkultur lassen sich anhand einiger grundlegender Kategorien samt ihrer spezifischen Ausprägungen wie folgt darstellen: Historischer Bezug Arbeit Spiel Kampf Fortbewegung Erfindung, komplett; Teilerfindung des Sports; Teilerfindung anhand des Raums Originaltreue nahezu identisch verfremdet und/ oder konstruiert abgeleitet Raumbezug direkt indirekt unabhängig 170 Neuere Formate des Spektakels berühren häufig auch ethische Grenzen bzw. gehen darüber hinaus, unabhängig vom Einverständnis und fragwürdigen Bewusstsein der beteiligten Akteure. Deutlich wird dies u.a. beim „Dwarftossing“, das seit den 1980er Jahren insbesondere in Australien Verbreitung findet. Eine weitergehende Diskussion kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Zum Spektakel sei auf das bereits 1967 erschiene grundlegende Werk von Debord „Die Gesellschaft des Spektakels“ verwiesen sowie auf Gebauer 2002 und Mikos 2008, S. 334. <?page no="247"?> 250 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Soziale Verwendung: Alltagskultur Festkultur in Anlehnung an Schwark 2012, S. 233 Teilhabe und touristischer Kontext Regionale Sportkultur wird überwiegend von Teilen der dort ansässigen Bevölkerung praktiziert und ist Bestandteil ihrer Alltagssowie Festkultur und bisweilen auch der Identitätsbildung. Der Kontext zum Tourismus verweist auf die Spannweite von zufälliger Beobachtung bis zur Indienstnahme und oberflächlichen Folklorisierung, wie dies in Griechenland oder Spanien bei touristisch inszenierten Tanzdarbietungen offensichtlich wird. (siehe auch Efentakia/ Dimitropoulos 2015) Derzeit ist die passive Teilhabe von Touristen als Zuschauer bei Sportfesten, die nicht selten eine fünfstellige Besucherzahl aufweisen können, möglich (z.B. das Palio di Siena - hier überwiegend einheimische Zuschauer). Der Besuch von Museen mit Bezügen zur regionalen Sportkultur (z.B. Kaatsmuseum in Franeker/ NL, Schaatsmuseum in Hindeloopen/ NL oder das Sportimonium in Hofstade-Zemst/ B) eröffnen einen überwiegend kognitiven Zugang. Schließlich ist die Teilhabe als Zuschauer bei Spielen im Ligabetrieb (z.B. Gaelic Football/ Irland) möglich. Aktive Formen werden über Kurse kommerzieller Veranstalter und von Vereinen angeboten (Fierljeppen/ Nordfriesland, Stabtiefsprung/ Gran Canaria, Steinschleudern/ Mallorca) oder dem exemplarischen Ausprobieren auf Festen wie bspw. der Highland Games, die inzwischen über den regional begrenzten Raum Schottlands auch im anglo-amerikanischen und kontinental-europäischen Raum (zumeist folkloristische) Verbreitung finden. 171 Perspektiven Die Unesco hat sich 1999 in ihrer Erklärung von Punta del Este positiv und unterstützend zu traditioneller und regionaler Sportkultur geäußert: „Die Minister unterstützen eine Politik der Erhaltung und Verbesserung des traditionellen und indigenen Sports auf der Grundlage des kulturellen Erbes von 171 Eine Übersicht der Highland Games in Deutschland bietet www.discover-gb.de/ briti sche-lebensart-in-deutschland <?page no="248"?> 3.6 Tourismussystem 251 Regionen und Nationen, darunter eine „weltweite Liste der traditionellen Spiele und Sport“ und der Förderung der Beteiligung von regionalen und internationalen Festivals.“ ( www.unesco.org) Darüber hinaus sind 2010 die Castells, wie schon erwähnt, in die Unesco-Liste des Immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen worden. (siehe www. unesco.org/ culture/ ich/ RL/ 003649) Regionale Sportkultur wäre (stärker) einzubinden in das schulische und hochschulische Curriculum, um das Verständnis für die Vielfalt und Potenzialität des Sports zu fördern, wie sie Palm 1993 bereits ausgeführt hat. Eine Diskussion innerhalb der Tourismuswirtschaft bspw. durch Tagungen und Publikationen könnte erstmalig die Wahrnehmung auf diesen sport-kulturellen Bereich richten und die Potenzialität dieses Bereichs adäquat reflektieren. Überdies wäre eine kritische Diskussion über einen verengten Kulturbegriff und eine demzufolge mangelnde Wahrnehmung sowie Ausgrenzung der Sportkultur (aus der Kultur) zu führen. In dieser Logik sollte perspektivisch für Reiseveranstalter mit Kulturund/ oder Sportbezug, aber auch für Clubanlagen und (Sport-)Hotels regionale Sportkultur vermehrt Aufnahme in das Angebotsportfolio finden. Wer die positiven Reaktionen von Touristen während der Highland Games oder der Castells unmittelbar miterlebt, verliert seine etwaige Skepsis hinsichtlich der Attraktivität derartiger Angebote. Abb. 49: Castellers de Barcelona: Wettkampf in Tarragona. Foto: Jürgen Schwark In der praktischen Umsetzung ist die Präsentation regionaler Sportkulturen auch im Rahmen von Stadtfesten eine attraktive und bereichernde Möglichkeit. In Anlehnung an die zahlreichen Marktplatzspringen der Stabhochspringer eröffnet die Präsentation ausgewählter regionaler Sportkulturen Anregungen zum Mitmachen und weitergehendes Interesse für die Regionen. Die Castells, das <?page no="249"?> 252 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Kiiking oder die Kortebaandraverij (Kurzbahntrabrennen) wären hierzu probate Beispiele. In Nordholland werden die Kortebaandraverij während zahlreicher Stadtfeste (kleinerer Städte) mitten im Ort auf den eigens mit Sand präparierten Fußgängerzonen durchgeführt (siehe www.kortebaandraverijen.nl/ sport/ kalender). Weitere Inspirationen können die alle vier Jahre durchgeführten World Sport Games for All bieten, die seit 1992 von der TAFISA (The Association for International Sport for All) vergeben werden und deren Bestandteil u.a. die Präsentation traditioneller Sportkulturen aus mehr als 50 Nationen ist, da regionale und traditionelle Sportkultur nicht ausschließlich ein europäischer, sondern ein weltweiter Bestandteil einer vielfältigen Kultur ist. Abb. 50: Kortebaandraverij in Nordholland. Foto: Jürgen Schwark 3.6.3 Reiseveranstalter Sportangebote, zumeist auf breitensportlichem Niveau, finden sich nahezu durchgängig im Angebotsportfolio der großen Reiseveranstalter. Insofern lediglich Leistungen Dritter zusammengeführt werden, die dann unter eigenem Namen (und entsprechender Haftung) vermarktet werden, liegen keine eigenen spezifischen Sportkompetenzen der Reiseveranstalter vor. Verfügt der Beherbergungsbereich über eigenes Sportpersonal und eigene Sportinfrastruktur oder wird Sport von den Gästen individuell aufgrund der landschaftlichen Attraktivität betrieben, so dürfte eine Etikettierung als Sportreiseveranstalter verfehlt sein. 172 Auch der Einkauf von Sportdienstleistungen durch Incoming-Agenturen 172 Erinnert sei an dieser Stelle vergleichend an die Krankenkassen in den 1980er Jahren, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften über zahlreiche Kompetenzen verfügten, nur eben nicht im Sport. Das änderte sich im Zuge eines veränderten Leitbildes, der Einstellung und (für die Sportvereine und -verbände „bitteren“) Abwerbung zahlreicher SportlehrerInnen für das aufzubauende Kurs- und Beratungssystem, so dass bspw. aus der Versicherungsgesellschaft AOK mit entsprechenden Marketingkampagnen „Die Gesundheitskasse“ mit Sportkompetenz wurde. <?page no="250"?> 3.6 Tourismussystem 253 oder kommerzieller Sportschulen verschafft Reiseveranstaltern immer noch keine Kernkompetenz im Sport. Erst mit der Einstellung entsprechend qualifizierten Personals als Sportanimateure, Reiseleiter, Instrukteure, Kursleiter etc. verändert sich die Sach- und Kompetenzlage. Sobald sich Sporttrends auf einem ökonomisch relevanten und verwertbaren Niveau herausbilden, werden diese Sportarten oder Sportartenkomplexe von den Medien, den Sportartikel- und Sportgeräteherstellern und auch den großen Reiseveranstaltern aufgegriffen. In Abb. 51 werden einige Sportarten bzw. Sportartenkomplexe hinsichtlich ihrer derzeitigen (und nicht früheren) Bedeutung für Reiseveranstalter aufgezeigt. 173 Die Größe der Schrift sowie der geometrischen Figur geben die derzeitige sporttouristische Bedeutung wieder. Die Verortung der Kreise markiert in etwa den Beginn einer relevanten sporttouristischen Aktivität und Aufnahme in ein touristisches Angebot, insbesondere von Reiseveranstaltern. Wandern erlebt seit den 1990er Jahren einen zuvor ungeahnten Boom und wurde vom etwas antiquierten „Knickerbocker-Image“ befreit, so dass in der Folge sich eine jüngere Zielgruppe dieser Sportart/ Bewegungsform zugewandt hat. Reiseveranstalter, Destinationen, Medien und Sportbekleidungsindustrie haben diesen Boom befördert, so dass der Begriff „Wandern 2.0“ in der Abbildung verwendet wird. Abb. 51: Relevante sporttouristische Trends seit der Freizeit- und Breitensportentwicklung der 1970er Jahre. Quelle: eigene Zusammenstellung 173 Eine Auflistung aller Sportarten ist nicht vorgesehen und eine präzise Zuordnung auch kaum möglich. Die Charakteristik und Bewertung der sporttouristischen Bedeutung von Sportartenkategorien sowie eine Übersicht über gesellschaftlich relevante Entwicklungen und Beeinflussungen findet sich bei Schwark 2006a, S. 152 und 157. heutige sporttouristische Relevanz 1970er 1980er 1990er 2000er 2010er Freizeitsport Sport + Gesundheit Radfahren Golf Wandern 2.0 Trekking Fitness + Wellness Laufen/ Marathon/ Triathlon Trainingslager (insbes. Fußball) Erlebnis u. Abenteuer sport Tennis Reisen zu Sportevents Winter sport <?page no="251"?> 254 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.6.3.1 Große Reiseveranstalter und Sport Spätestens seit den 1980er Jahren wird Sport nicht mehr nur als ein zusätzliches Element der Pauschalreise aufgefasst, sondern als eigenständiges lohnenswertes Segment. So entstehen bei den großen Reiseveranstaltern nach und nach eigene sportspezifische Kataloge, die sich den jeweiligen Trendverläufen anpassen. 174 174 Auf Reisemittler wurde bislang nicht näher eingegangen. Zahlreiche Reisebüros verfügen über profunde Beratungskompetenzen zum Thema Sport und sind teilweise auch auf Sport spezialisiert. Derartige Reisebüros treten in unregelmäßigen Abständen einige Male pro Jahr auch mit eigenen Gruppenreisen als Reiseveranstalter auf. Siehe dazu auch TTM Sportreisebuero, das gleichzeitig unter Action Sport Sportreisen als Veranstalter auftritt. ( www.sportreisebuero.de) <?page no="252"?> 3.6 Tourismussystem 255 Die Sommersaison 2015 auf einen Blick: Fünf Länder: Spanien, Türkei, Tunesien, Ägypten und Malediven Sechs Sportarten: Triathlon, Radsport, Fußball, Tennis, Surfen und Tauchen 72 Hotels , (davon fünf neu), zum Beispiel: o Vier neue Radsporthotels auf Mallorca: Hipotels Mediterraneo NNNN , Hotel Alcudia NNNN , Astoria Playa NNNN , Vanity Golf NNNN+ o Neues Triathlonhotel an der Türkischen Riviera: Gloria Sports Resort NNNNN in Belek - Moderner Sportkomplex Gloria Sports Arena mit Indoor-, Outdoor- und Wassersportflächen auf einer Gesamtfläche von 105.000 Quadratmetern. Alle Zimmer mit Blick auf das Stadion. Sieben Übernachtungen mit Halbpension, inklusive Flüge und Transfers ab 848 Euro pro Person. 25 AllSports-Hotels o Hotel- und Clubanlagen mit besonders breitem Angebot der beliebtesten Sportarten und Fitnesseinrichtungen und meist kostenfreier Nutzung der Sporteinrichtungen o Neu: Playitas Resort NNNN auf Fuerteventura: Sieben Übernachtungen mit Halbpension, inklusive Flüge und Transfers ab 619 Euro pro Person. 31 Sportpartner für insgesamt sechs Sportarten (davon zwei neu): o Türkei/ Belek: Sentido Zeynep Golf & Spa NNNNN - Fünftägige Kinder-Fußball-Akademie ab 295 Euro pro Kind. Zwei große Sportevents o 5. Thomas Cook IRONMAN 70.3 am 9.5.2015 in Alcudia/ Mallorca o Neu: Thomas Cook IRONMAN im Herbst 2015 in Alcudia/ Mallorca Abb. 52 (auf S. 254/ 255): Presseinfo Thomas Cook/ Neckermann 2015. Quelle: www.thomascook. de/ unternehmen/ newsroom/ wpcontent/ uploads/ 2014/ 10/ Sports.pdf Derzeit bieten die großen Reiseveranstalter folgende Sportangebote bzw. -kataloge an: TUI: Golf, Winterurlaub Neckermann: Berge und Schnee, Sports Thomas Cook: Golf, Radreisen (zusammen mit Weinradel) DER-Touristik: Ski Kanada USA, Winterspaß, Rad + Wandern, Golf FTI: Wintersport und Wohlfühlen, Abenteuerurlaub, Aktivurlaub, Fitness, Golfurlaub, Ski- und Winter, Wanderurlaub ITS: Wintersport Konzeptionell konzentrieren sich große Reiseveranstalter auf Cross-Marketing wie bspw. das Co-Branding zwischen Fit for fun und dem zum TUI Konzern gehörenden Clubanbieter Robinson, auf imageträchtige Testimonials aus dem Sportsektor wie Thomas Cook mit Rudolf „Rudi“ Völler (ehem. Fußballnationaltrainer) oder TUI mit Joachim „Jogi“ Löw (derzeit amtierender Fußballnationaltrainer), der von 2008 bis 2011 als „offizieller Urlaubsberater“ für den Reise- <?page no="253"?> 256 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure konzern „tätig“ war. 175 „Diesem Mann vertraut Deutschland künftig nicht nur in Fußballfragen, sondern auch bei der Urlaubsplanung: Joachim Löw wird offizieller TUI Urlaubsberater.“ Quelle: http: / / unternehmen.tui.com/ de/ newsroom / pressemeldungen/ archiv/ 2008/ September/ 30_loew 3.6.3.2 Spezialreiseveranstalter und Sport Die Spezialisten, die i.d.R. auch kleinere Veranstalter sind, kommen ursprünglich aus einem nicht-touristischen Kontext. Als SportlerIn erfolgte zum einen der Zugang zum Reisen durch individuelle Erfahrung aus dem Bereich des organisierten Sports in Form von Wettkämpfen, Turnieren und/ oder Trainingslagerreisen. Zum anderen erfolgte der Zugang durch die Ausübung des Hobbys „Sport“ nicht nur im alltäglichen Kontext, sondern vor allem auch durch eigene (Urlaubs-)Reisen samt angeeignetem Erfahrungsschatz. Vielfach entstanden die ersten „Reiseangebote“ durch die Mitnahme von Freunden und Bekannten. Über Mund-zu- Mund-Propaganda kam es zu ersten kleineren Gruppenreisen, die als gelingende Variante weiter ausgebaut wurden und ab einer bestimmten Größenordnung in die Fragestellung einer neben- oder hauptberuflichen Selbständigkeit mündeten. Drei exemplarische Beispiele können die Entwicklung aus einem ursprünglich (Leistungs-)Sportkontext zur Tourismusbranche belegen. Frosch Sportreisen entspringen dem Kontext des Hochschulsports der Universität Münster, Voss und Votawa greifen auf konkrete Erfahrungen und Kontakte im nationalen und internationalen Profifußball zurück und bei Bunert Laufreisen liegt ebenfalls eine leistungssportliche Karriere zugrunde. Zur weiteren Erläuterung des spezifischen inhaltlichen Zugangs zum Sporttourismus, der sich nicht (so sehr) aus strategischen Portfolioüberlegungen speist, werden nachfolgend einige Selbstbeschreibungen („über uns“, „Geschichte“, „Leitbild“) verschiedener Spezialreiseveranstalter chronologisch aufgeführt. 175 Zur Testimonialwerbung mit prominenten Sportlern siehe Heider; Nufer 2013. <?page no="254"?> 3.6 Tourismussystem 257 Beispiele 1965 Poppe Reisen „Die Unternehmensgeschichte von Poppe & Co beginnt im Jahr 1965 mit dem ersten Charterflug für Fans des Fu[ß]ballklubs ‚Mainz 05‘ zum Pokalspiel nach München. Zwei Jahre später wurden erste Incentives für große Wirtschaftsunternehmen durchgeführt. Beide Reisen waren Ende der sechziger Jahre Neuland für jeden Reiseveranstalter, denn Sporttourismus und Mitarbeitermotivation steckten noch in den Kinderschuhen. Die Reisen erwiesen sich als überwältigende Erfolge. Mit dem Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein und angespornt vom Erfolg baute Firmengründer Herwig R. Poppe die Bereiche Sportreisen und Incentives weiter aus: Es folgten erfolgreiche Reisen zu den Olympischen Spielen 1968 und zur Fußballweltmeisterschaft 1970 nach Mexiko.“ Quelle: www.poppe-reisen.de/ wps/ wse/ home/ poppe-reisenevents/ profil_und_philosophie/ 1984 Frosch Sportreisen „Gründung als Volker Frost GBR von Sportstudenten der Universität Münster mit dem Ziel, Skireisen für Studenten zu veranstalten. Einfache Winterflyer werden an der Uni Münster verteilt. Die ersten 10 Skireisen werden veranstaltet.“ Quelle: www.frosch-sportreisen.de/ info/ ueber-froschreisen.aspx 1985 Rucksack Reisen „Hermann Mahlow eröffnet das Ausrüstungsgeschäft ‚Rucksack‘ in Greven. Dort gibt es Kanus und andere exotische Artikel zu kaufen. Parallel etabliert sich die Vermietung von Kanus. Auf der Werse und der Ems finden die ersten geführten und ungeführten Touren statt. In Hermann reift die Idee, Auslandsreisen zu organisieren. Einige Tourenbegleiter aus der örtlichen Kanuszene organisieren Wildwasserkurse in Belgien und auf Korsika.“ Quelle: www.rucksack-reisen.de/ 394-0-Chronik.html <?page no="255"?> 258 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 1985 Vieten Tours „Was als Semesterferienjob begann, wird 1989 zum Hauptberuf. Kreuz und quer geht es vor allem durch Kalifornien und die Nationalparks in Utah und Arizona. Alaska erweitert das Angebot. [...] Dank eines stetig wachsenden Beziehungsgeflechtes baut Vieten-tours seine Marktposition Jahr für Jahr aus. Das Plus sind erstklassige internationale Kontakte und Kooperationen. Zu großen Sport- und Reiseveranstaltern in aller Welt pflegen wir geschäftliche - teils freundschaftliche - Beziehungen. Sie sichern uns und Ihnen die begehrten Tickets und Hotels.“ Quelle: www.vietentours.com/ unternehmen/ 30-jahre-rueckblick 1990er Voss + Votava Sportreisen „Die Firma besteht aus den Gesellschaftern Mirko Votava (ehemaliger Bundesligaprofi von Werder Bremen + Borussia Dortmund) und Helmut Voss. 176 [...] Das Hauptgeschäft besteht in der Durchführung von selbstorganisierten Reisen im Sportbereich, überwiegend Fußball für Fans, Sponsoren und Teams.“ Quelle: www.voss-votava.de 1990er Hoefer Sport und Reisen „Angefangen hat alles einmal mit der Organisation von Skireisen während der Studienzeit des Firmengründers und Chefs Friedhelm Hoefer.“ Quelle: www.hoefersportundreisen.de/ de/ ueber-uns/ 1990er Natours „Kompetenz und Reiselust zeichnet unsere Reiseleiter aus. [...] Sie sind kommunikativ, freundlich und integrativ. Sie begeistern sich fürs Reisen, sie haben Spaß (und Erfahrung) am Umgang mit Menschen, verfügen über gute Sprachkenntnisse und kennen sich aus im Umgang mit Fahrrädern, Kanus, Langlaufskiern und Schneeschuhen. Unsere über 50 verantwortungsvollen und Reise erfahrenen Mitarbeiter sind während Ihres Urlaubs in sämtlichen Reise-Belangen für Sie da.“ Quelle: www.natours.de/ team/ 176 Mirko Votava spielte darüber hinaus bei Athletico Madrid und ist fünffacher Nationalspieler. <?page no="256"?> 3.6 Tourismussystem 259 2001 Bunert Laufreisen „Mit uns reist ihr zu einzigartigen Landschaftsmarathons und zu den großen Stadtmarathons. Wir reisen in kleinen Gruppen und betreuen unsere Reisen persönlich. [...] Wir sind selbst erfahrene Läufer und Reisende, die mit guter Laune und Motivation unvergessliche Lauf- und Reiseerlebnisse schaffen.“ Quelle: www.lauf-abenteuer.de/ %C3%BCber-uns/ 2005 Freizeit Para-Special-Outdoorsports e.V. „Freizeit-PSO bietet Menschen mit Behinderung barrierefreie Urlaube in der wunderschönen Natur der Österreichischen Berge an. Alle unsere Reisen sind behindertengerecht und somit für Rollifahrer sowie Menschen mit Behinderungen jeglicher Art geeignet. Es ist unser Ziel, alle Menschen gleichwertig in unsere Gesellschaft zu integrieren und interessante Urlaube mit Handicap zu einem fairen Preis zu ermöglichen. Besonders im Vordergrund steht bei uns der behindertengerechte Urlaub gemeinsam mit Freunden und der Familie. Das bedeutet, dass alle Programme barrierefrei sind und auch Personen ohne Behinderung gleichwertig in unsere Rolli-Urlaube integriert werden. [...] Bei allen Aktivitäten werden Teilnehmer professionell und individuell durch unsere jeweiligen Schilehrer und Outdoortrainer betreut.“ Quelle: www.freizeit-pso.com/ urlaub-mit-handicap Aus der Vielzahl kleinerer Veranstalter und Spezialisten wird eine exemplarische Auswahl von Anbietern und ihrer Sportangebote bzw. -kataloge vorgestellt. Bunert Sportreisen: Laufen Eberhardt: Wandern, Radreisen Frosch Sportreisen: Sportreisen, Skireisen, Aktivreisen Ikarus Tours: Aktivreisen und Expeditionen Natours: Kanu-, Wander-, Radreisen, Skilanglauf, Schneeschuhwandern Rucksack Reisen: u.a. Kanu, Wandern, Trekking, Schneesport Studiosus: Wandern Terranova: Radreisen, Wanderreisen Wikinger: Wandern, Fernreisen aktiv, Wander- und Radreisen, Radurlaub, Trekking-Touren, Winterurlaub <?page no="257"?> 260 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.6.3.3 Exkurs: Frosch Sportreisen Frosch Sportreisen hat sich ursprünglich aus dem Bereich des Münsteraner Hochschulsports entwickelt. Einige der damaligen Kursleiter haben die organisierten Ski-Exkursionen und -Freizeiten zuerst neben- und dann hauptberuflich weitergeführt. Inzwischen existieren sowohl ein Winterals auch ein Sommerkatalog mit zahlreichen unterschiedlichen Sportarten und Zielgruppen. Abb. 53: Frosch Sportreisen. Quelle: www.frosch-sportreisen.de/ aktivreisen/ default.aspx (sreenshot) Der Reiseveranstalter belegt mittlerweile in der Liste der größten Reiseveranstalter Platz 43 mit 25,0 Mio. Umsatz und 28.525 TeilnehmerInnen (fvw 2014). Neben den 36 hauptberuflichen MitarbeiterInnen sind noch weitere 500 nebenberufliche MitarbeiterInnen tätig. Das Produkt Sportreise ist neben der Sportinfrastruktur und allen weiteren touristischen Dienstleistungen wesentlich auf die Qualifikation der ReiseleiterInnen und Sport-Guides angewiesen. Nachfolgend sind die von Frosch Sportreisen formulierten Voraussetzungen für Wanderbzw. Mountainbike-Guide aufgeführt. <?page no="258"?> 3.6 Tourismussystem 261 Beispiel „Deine Voraussetzungen Spaß und Leidenschaft am Sport in der Gruppe Kenntnisse in den Bereichen Wandern und Mountainbiken sowie Interesse an der Durchführungen unseres sportlichen Rahmenprogramms „Frosch Aktiv & Fit“ wie Volleyball, Stretching, Joggen, Aqua-Fun, Kubb [...] Als MTB-Guide: gute Grundkenntnisse in der Wartung von MTBs körperliche Fitness idealerweise Vorerfahrung im Leiten und im Umgang von Gästegruppen Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein aktueller Erste-Hilfe-Schein (16 Stunden) - ACHTUNG: Gültigkeit immer nur 2 Jahre! Mindestalter von 23 Jahren Mindesteinsatzdauer 6-8 Wochen, längere Einsatzzeiten werden bevorzugt Deine Aufgaben Je nach Schwerpunkt Planung und Durchführung der Wander- oder MTB-Touren (1 Schnuppertour plus 4-6 Touren unterschiedlicher Schwierigkeit und Länge) Organisation und Durchführung des sportlichen Rahmenprogramms „Frosch Aktiv & Fit“, wie z.B. Volleyball, Kubb, Stretching, Aqua-Fun [...] teilweise Begleiten von Ausflügen Organisation, Durchführung und Präsenz beim Abendprogramm, wie Welcome-, Farewell-, Themenabend usw., sowie DJ-Tätigkeiten Ansprechpartner für die Gäste vor Ort und allgemeine Gästebetreuung regelmäßige Wartung sowie Inventur des Materials, ggf. Nachbestellung (für den Schwerpunkt MTB auch Wartung und Pflege des Bikepools) allgemeine administrative Tätigkeiten (Abrechnung, Transferplanung, […] Teilnahme an allen Teamsitzungen allabendliche Programmansage sowie Gestaltung eines Infoboards Unsere Leistungen Vertrag; Vergütung ab ca. 750 Euro netto monatlich, Steigerung je nach Einsatzlänge und Häufigkeit des Einsatzes Unterkunft in Personalmehrbettzimmern Verpflegung (Halbpension) An-/ Abreise Teilnahme an der Frosch-Sommer-Schulung“ Quelle: www.frosch-sportreisen.de/ jobs/ ausbildung_so.aspx <?page no="259"?> 262 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Zusätzlich zum vorausgesetzten Qualifikationsprofil erfolgt eine eigens angebotene einwöchige Schulung durch den Reiseveranstalter. Beispiel „Sommer-Schulung 2015 Die Schulungstage finden vom 22.3.-29.3.2015 im Hostel Erlebnisberg Kappe in Winterberg statt. Inhalte Theorie Grundlagen der Gästebetreuung Umgang mit örtlichen Agenturen und Leistungsträgern Beschwerdemanagement allgemeine administrative und organisatorische Aufgaben Praxis Rhetorik und Präsentationstechniken Erarbeitung eines Wochenprogramms Materialkunde für die MTB-Guides Durchführung von MTB-Touren, Wanderungen, Rahmen- und Abendprogramm Leistungen: Übernachtungen im Mehrbettzimmer, Vollpension (Frühstück, Mittagssnack, Abendessen), Handbuch für die Tätigkeit vor Ort, Teilnahmezertifikat Preis: 199,- EUR. Bei einem Einsatz wird die Schulungsgebühr erstattet! Quelle: www.frosch-sportreisen.de/ jobs/ ausbildung_so.aspx Das Qualifikationsniveau der eingesetzten Guides, TrainerInnen oder LehrerInnen bewegt sich auf drei unterschiedlichen Niveaustufen. Da bei den Wanderbzw. Mountainbike-Guides die Vorerfahrung im Leiten von Gästegruppen nicht zwingend vorgeschrieben ist und die angebotene Qualifizierung eine Woche andauert, fällt das Ausbildungsprofil in den Bereich der Kurzzeitpädagogik. Für Wassersportlehrer oder Assistenten (m/ w) werden zumindest „Lizenzen als Surfund/ oder Kat-Lehrer“ als wünschenswert eingestuft. Im Bereich Schneesportlehrer Alpin, Snowboard und Langlauf (m/ w) wird die offizielle Qualifikation des DSLV oder des DSV eingefordert oder „die Motivation, diese zu erlangen“. <?page no="260"?> 3.6 Tourismussystem 263 3.6.3.4 Reiseveranstalter und Sportevents Über die Angebote zur praktischen Ausübung von Sport hinaus haben sich zahlreiche Reiseveranstalter etabliert, die Reisen zu Sportevents und/ oder Sportgroßveranstaltungen anbieten. 177 Auch hier wird eine Übersicht über Veranstalter und die angebotenen Sportarten gegeben, in denen Fußball und Motorsport dominieren. Abb. 54: Poppe Reisen - Sportevents. Quelle: www.poppe-reisen.de/ wps/ wse/ home/ poppe-reisenevents/ sportevents/ ? kat[]=TOP-Liste (screenshot) 177 Event und Großveranstaltung sind nicht als identisch zu fassen. Events müssen nicht zwingend groß sein und umgekehrt gilt, dass nicht jede Großveranstaltung „außergewöhnlich, einmalig, herausragend“ ist. Insbesondere bei Spielsportarten ist eine derartige Erwartungshaltung nicht erzwingbar, da alleine schon die taktischen Orientierungen der Gegner zu einem für Zuschauer unattraktiven Spielverlauf führen können. Wer bspw. das Champions-League-Endspiel zwischen Porto und Monaco (2004 in Gelsenkirchen) gesehen hat, wurde eher an ein durchschnittliches Bundesligaspiel erinnert. <?page no="261"?> 264 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure Absolut Sport: Fußball, Formel 1, Handball, Basketball, Biathlon, Tennis, Eishockey AB Sport Event: Fußball, Biathlon, Tennis DER-Touristik: live Sport live erleben: Marathon, Motorsport, Fußball, Wintersport, Tennis, Olympische Spiele DH Sports Travel: Football, Motorsport, Tennis, Eishockey, Baseball Poppe Sportreisen: Deutschen Tourenwagen Meisterschaft, Fußball, Golf, Wintersport, Football TTours: Fußball, Tennis, Skisport, Handball, Motorsport Vieten Tours: Fußball, Leichtathletik, Handball, Formel 1, Wintersport, Sportmix (diverse Sportarten), WM 3.6.3.5 Reiseveranstalter und Erlebnis- und Abenteuersport Bislang wurden Sportarten lediglich benannt. Für den Bereich des Erlebnis- und Abenteuersports soll an dieser Stelle die Spannweite der Angebote aufgeführt und analysiert werden. Seit den 1980er Jahren hat dieser Bereich sich erheblich ausdifferenziert, um damit auch eine zunehmend größere Zielgruppe ansprechen zu können. Waren die ersten touristischen Angebote stark im Extrembereich angesiedelt, so kamen im weiteren Verlauf softere Varianten hinzu. Metaphorisch ausgedrückt gesellt sich zum aktiven Whitewater-Rafting das passive Floating mit „Pseudopaddeln“ ohne tatsächliche Steuerungsfunktion. Softbereich Teilnehmerzahl: bis 20 Organisationsniveau - Individualität: durchorganisiert, wenig Individualität Komfortniveau: teilweise Hotels bzw. Sporthotels Art der Touren: geführt durchorganisierte Touren Konzeptionelles: Teilhabe mit unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen ohne Weiteres möglich Individualbereich Teilnehmerzahl: bis 12 Organisationsniveau - Individualität: Organisation sieht Wahlmöglichkeiten vor, individuelle Gestaltung möglich Komfortniveau: teilweise Selbstverpflegung, einfache Unterkunft <?page no="262"?> 3.6 Tourismussystem 265 Art der Touren: Tourenart wird vom Teilnehmer bestimmt (Etappenlänge, sportlicher Anspruch, teilweise auch das Ziel) Konzeptionelles: Gruppendynamik bestimmt den Erfolg Leichter Extrembereich Teilnehmerzahl: bis 8 Organisationsniveau - Individualität: mehr Selbstorganisation als vorgegebene Organisation, individuelle Gestaltung möglich Komfortniveau: oft Selbstverpflegung, Unterbringung in Zelten oder einfachen Hütten Art der Touren: Erlernen vormals unbekannter Techniken, selten ungeführt wegen des Sicherheitsaspekts (Bsp. Höhlentouren) Konzeptionelles: teils kontrollierte Grenzfindung, Vorerfahrungen nicht zwingend notwendig, Gruppendynamik bestimmt den Erfolg Survival und Grenzerfahrungsbereich Teilnehmerzahl: bis max. 5 Organisationsniveau - Individualität: hoher Grad an Selbstorganisation, Veranstalterorganisation lediglich als Rahmenvorgabe Komfortniveau: Selbstverpflegung, Unterbringung in Zelten, unter Planen oder spartanisch ausgestatteten Hütten Art der Touren: Erlernen vormals unbekannter Techniken, praktische Übungen, Vorerfahrungen notwendig, kontrollierte Führung an Grenzbereiche, teilweise Touren ohne Führung mit Selbstorganisation, alleine oder in der Gruppe Konzeptionelles: Touren folgen als Steigerung oft im Anschluss an vorherigen leichten Extrembereich, Gruppendynamik bestimmt den Erfolg Über den Branchenguide „Tourismus Informations Dienst“ (TID) der FVW Mediengruppe lassen sich unter der Stichwortsuche „Sport“, „Adventure“, „Abenteuer“, „Erlebnis“ zahlreiche dort eingetragene Reiseveranstalter finden. Da die Begriffe jedoch keiner einheitlichen Definition unterliegen und zahlreiche Veranstalter zudem die Suchfunktion mit „großzügigen“ Selbstbeschreibungen füllen, ist die Zahl der sportorientierten Veranstalter kleiner. 178 178 Allerdings sind insbesondere kleinere Veranstalter (evtl. aus Kostengründen) nicht im TID aufgeführt. www.branchenguide.tid.de <?page no="263"?> 266 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure 3.6.4 Verkehrsträger und sportbezogene Mobilität Der Begriff Verkehrsträger wird in einem weiten Verständnis als Infrastruktur und nicht in einem engen insitutionell-unternehmerischen Sinn verstanden. Als Voraussetzung für individuelle Mobilitätsleistungen sowie Mobilitätsdienstleistungen dienen verschiedenste Transportmittel. In der Bundesrepublik Deutschland wurde im Verlauf ihrer Geschichte eindeutig auf ein Mobilitätskonzept des motorisierten Individualverkehrs gesetzt. Ohne im Einzelnen auf die wirtschaftspolitische Einflussnahme der Automobil- und Mineralölindustrie einzugehen, ist der derzeitige Status quo, dass für Inlandsreisen (31 %) überwiegend das eigene Automobil benutzt wird und für Auslandsreisen (69 %) das Flugzeug. Der weitaus größte Teil der Reisen erfolgt mit einem motorisierten Transportmittel. Diese scheinbar einfache Aussage verweist auf den Umstand, dass Reisen vom alltäglichen Lebensumfeld aus auch zu Fuß oder mit dem Rad gestartet werden können. Einen Gesamtüberblick über die touristischen Verkehrsmittel gibt Schultz, der sich dabei auf Freyer 2003 bezieht. Abb. 55: Touristische Verkehrsmittel. Quelle: Schulz 2008, S. 5 Touristische Verkehrsmittel Luft • Passagierflugzeuge: Langstrecke-, Mittel-, Kurzstreckenflugzeug • Turbo Props • Sport- und Segelflugzeuge • Hubschrauber Schiene • Fern- und Regionalverkehrszüge • Nachtzüge • Hochgeschwindigkeitszüge • Magnetbahnen • Luxuszüge Wasser • Kreuzfahrtschiffe: Hochsee-, Fluss- und Segelschiffe • Hausboote • Fähren • Frachtschiffe • Yachten, Sportboote Straße • Personenkraftwagen • Busverkehr • Motorrad, Moped, Mofa • Caravan/ Wohnmobile • Autovermietung • Fahrrad Weitere touristische Verkehrsmittel • Floß, Kanu, Ruderboot • Ballonfahrten, Zeppeline • Weltraumraketen • Bergbahnen sowie Ski- und Sessellifte • Ausflugsdampfer/ -schiffe <?page no="264"?> 3.6 Tourismussystem 267 Anhand dieser Einteilung werden bereits einige relevante Verkehrsmittel in einem direkten Kontext zum Sport deutlich: Sport- und Segelflugzeuge, Fahrrad, Sportboote, Kanu, Ruderboote, Ski- und Sessellifte. Allerdings können auch alle weiteren Transportmittel einen Kontext zur Sportausübung aufweisen, der jedoch eher indirekt besteht. Die von Schulz vorgenommene Einteilung in Luft, Schiene, Straße, Wasser und Sonstige ist für eine Auflistung in einem ersten Schritt sinnvoll. Um die Bezüge zum Sport aufzuweisen, müsste jedoch eine weitergehende Strukturierung erfolgen. Bevor dieser Aspekt umgesetzt wird, ist vorab noch auf die unterschiedlichen Verkehrswege im Tourismus einzugehen. Wiederum wird auf eine Übersicht von Schulz (2008) zurückgegriffen. Abb. 56: Verkehrswege im Tourismus. Quelle: Schulz 2008, S. 6 Hinsichtlich der sporttouristischen Bedeutung von Verkehrsträgern und den damit verbundenen Mobilitäts(dienst)leistungen wird eine Strukturierung nach vier unterschiedlichen Graden der Beziehung zum Sport vorgenommen. 3.6.4.1 Transport zur Sportdestination Zusätzlich zum Transport von Reisenden, die in der Zielgebietsdestination Sport treiben, erfolgt darüber hinaus der Transport des eigenen Sportequipments. Insbesondere bei Rad-Trainingslagern ist die Mitnahme des eigenen Fahrrads bedeutsam. Gleiches gilt für SportlerInnen und ihrer auswärtigen Teilnahme an Wettkämpfen bei Sportarten, die mit Geräteeinsatz durchgeführt werden (z.B. Surfen). Die jüngsten Ergebnisse der Reiseanalyse weisen hinsicht- Verkehrswege im Tourismus Land Luft Wasser Straße Schiene Radweg Wanderweg • Innerortstraßen • Kreis-, Landes-, Bundesstraßen • Autobahnen • Gokart-Bahnen, Motocross-Plätze • Schienenstrecken • Seilbahnen • Zahnradbahnen • Magnetbahnen • Radwanderwege • Radfernwege • Radwege in Tourismusorten • Radrouten • Europäischer Fernwanderweg • Weitwanderweg • Wanderwege in Tourismusorten • Wasserläufe/ -straßen (künstliche, natürliche) • Seen, Teiche • Ozean • Meer <?page no="265"?> 268 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure lich der Transportmittelwahl für Inlandsreisen einen Anteil von 75 % für den PKW (und Wohnmobile) aus. Inland Ausland Tab. 45: Wahl der Verkehrsmittel in % für Urlaubsreisen > 5 Tage im Jahr 2014. Quelle: www.fur.de, Reiseanalyse 2015 PKW/ Wohnmobil 75 33 Flugzeug 1 55 Bus 10 7 Bahn 13 2 Sonstige 1 2 PKW: Für die zusätzliche Mitnahme der bisweilen sperrigen Sportgeräte hat die Automobilzubehörindustrie zahlreiche Dach-, Heck- und Kupplungsgepäckträger sowie diverse Boxen, Trägersysteme und Anhänger entwickelt. Durch die Mitnahme von Freizeit- und Sportgepäck steigerte sich in den letzten Jahrzehnten auch der Anteil an Kombis, die in der Marketingsprache der Automobilhersteller auch als „Touring“, „Variant“, „Sports Tourer“, „Avant“ oder „Sport Wagon“ betitelt werden und damit das frühere Image des Vertreter- oder Handwerker-PKWs umgehen wollen. Mit dem „Sport Utility Vehicle“ (SUV) wurde inzwischen sogar eine zusätzliche Fahrzeigkategorie begründet. Flugzeug: Seit den 1980er/ 1990er Jahren wird in nennenswertem Ausmaß so genanntes Sportgepäck (gegen Gebühr) von den meisten Airlines befördert. Ab einer bestimmten Größe wird das Sportgepäck im Frachtraum befördert und unterliegt speziellen Verpackungsrichtlinien. Teilweise existieren auch Beschränkungen für einzelne Sportgeräte, so dass Surfboards inkl. Surfbag bei einzelnen Airlines nicht über eine Länge von 200 cm hinausgehen dürfen. Beispiel „Kleine Sportgeräte (Gegenstände bis zu 20 kg), zum Beispiel: Golfausrüstung (einschließlich Golfschuhe); Ski (einschließlich Skistiefel und Stöcke); Snowboards; Sportwaffen; Tauchausrüstung (Gas- oder Druckluftflaschen sind nicht zulässig) und Sportrollstühle (sofern es sich dabei nicht um eines der zwei Stück Mobilitätsausrüstung pro Fluggast handelt) oder Große Sportgeräte (Gegenstände bis zu 32 kg), zum Beispiel: Fahrräder; Kanus; Windsurfausrüstung und Hängegleiter.“ Quelle: www.easyjet.com/ de/ sportgerate <?page no="266"?> 3.6 Tourismussystem 269 Bus: Reiseveranstalter, insbesondere Busreiseveranstalter verfügen über Anhänger zum Transport von Rädern. Auch innerhalb von Raddestinationen wird zumeist innerhalb der Gebietskörperschaften, Kommunal- oder Gemeindeverbänden in saisonal begrenzten Zeiten ein zusätzlicher Radtransport für Touristen (und Einheimische) angeboten. Beispiel „In der Fietsen-/ FahrradBus-Saison vom 1. Mai bis 3. Oktober herrschen besonders gute Bedingungen: Viele Buslinien sind an Sonn- und Feiertagen, zum Teil auch häufiger, mit Fahrradanhängern ausgestattet. In den Kreisen Borken und Coesfeld können Sie Ihr Fahrrad auf einem Fahrrad-Anhänger sogar kostenlos mitnehmen.“ Quelle: Broschüre des Zweckverbandes SPNV Münsterland 2015 Bahn: Die Deutsche Bahn bietet in Kooperation mit Logistikunternehmen einen so genannten Haus-zu-Haus-Gepäckservice an, demzufolge auch Sportgepäck und insbesondere Fahrräder vor Antritt der Reise zum Zielort gebracht werden. „Die Zustellung von Gepäck innerhalb Deutschlands dauert zwei Werktage, zu den Nordseeinseln und nach Hiddensee drei Werktage.“ ( www.bahn.de/ p/ view/ service/ fahrrad/ rad_kuriergepaeck.shtml). Darüber hinaus können Fahrräder in zahlreichen Intercity- und Eurocity-Zügen (gegen Gebühr) in Fahrradwagen mitgenommen werden (Fahrradabteil im IC- Steuerwagen und das Fahrradabteil im Großraumwagen). Nach Angaben der DB Fernverkehr AG wurden im Jahr 2014 etwas über 290.000 Fahrräder transportiert. Abb. 57: Fahrrad-Bus-Bahn- Angebot im Münsterland. Quelle: www.zvm.info/ front_ content.php? idcat=43 #bahnundbike Inzwischen existiert während der „Radsaison“ in nahezu 50 Städten ein Mietservice für Fahrräder und Pedelecs ( www.callabike.de). 3.6.4.2 Transportleistungen als Voraussetzung zum Sport Vorrangig sind die überwiegend privaten Seilbahn- und Schleppliftunternehmen zu nennen, die einen unmittelbaren Transport von Sporttreibenden samt Sport- <?page no="267"?> 270 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure geräten gewährleisten. In Deutschland existieren derzeit fast 1.800 Anlagen, denen unterschiedliche technische Funktionsweisen zugrunde liegen. Funktionsweise der Anlage Anzahl Seilschwebebahnen 169 Zahnradbahnen 3 Schlepplifte 1.603 Standseilbahnen 20 Tab. 46: Seilbahn- und Schleppliftunternehmen in Deutschland. Quelle: Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte 2013, S. 8 Die Seilbahnen und Schlepplifte werden zumeist von Wintersporttreibenden, Wanderern, Mountainbikern, Paraglidern und Drachenfliegern als Aufstiegshilfe genutzt. Eine weitere, gleichwohl exklusiv-dekadente Möglichkeit der Aufstiegshilfe ist das Heliskiing. Die Verlärmung der Berge, ausgelöste Fluchtbewegungen von Tieren sowie die potenzielle Gefahr von Lawinenabgängen haben zumindest im Bereich der Alpen diese Form des Transports auch aufgrund der inzwischen verbreiteten Kritik stark beschränkt und mit Auflagen versehen. Einige weitere Sportarten sind ebenfalls unmittelbar von einer (motorisierten) Transportleistung abhängig. Kanu- und Kajakfahren auf Fließgewässern wird i.d.R. mit dem Strömungsverlauf betrieben. Die Ausnahme stellt die Rückfahrt gegen die Strömung durch eigene Muskelkraft dar, so dass der Transport durch PKWs oder Kleinbusse an den Ausgangspunkt erfolgt. Tauchen im offenen Meer erfolgt durch den Transport von motorgetriebenen Booten (unter 20 m) oder Schiffen, Segelfliegen wird möglich durch den Betrieb so genannter Schleppflugzeuge, ebenso wie Fallschirmspringen durch Transportleistungen von Flugzeugen oder Helikoptern möglich wird. 3.6.4.3 Transportleistungen während des Sports Bislang wurden Transportleistungen aufgeführt, die mittelbar oder unmittel zur Sportaktivität hinführten. Darüber hinaus existieren Transportleistungen, die unmittelbarer Bestandteil der Sportaktivität sind, wie dies bspw. bei stationären Anlagen für Wasserski und Wakeboarden der Fall ist, aber auch beim bootsbetriebenen Wasserski. Ferner sind Wildwasseranlagen, Flowrider oder größere Surfparks wie bspw. das kürzlich in der Nähe von Liverpool eröffnete surfsnowdonia zu erwähnen ( www.surf-snowdonia.co.uk). <?page no="268"?> 3.6 Tourismussystem 271 In mittelbarer Hinsicht gehört der Gepäcktransport von Reiseveranstaltern beim Radwandern während der Sportaktivität ebenfalls in diese Kategorie. Die Bewältigung der Strecken wäre ohne die Abnahme des Gepäcks für konditionell oder anderweitig beeinträchtigte TeilnehmerInnen nicht möglich. Ein derartiger Gepäckservice sowie alle anderen Hilfestellungen, auch bei anderen Sportarten, stellen im positiven Sinn für viele Menschen eine erweiterte Zugangsmöglichkeit zum Sport dar. Jedoch stößt die Servicementalität dort an Grenzen, wo die anvisierte Aneignung von Welt in eine maßlos-dekadente sowie selbstherrlich-egozentrische Weltsicht umschlägt. In ganz besonderem Maße trifft dies zu, wenn beim Bergsteigen im Himalaya auf Transportleistungen von Trägern zurückgegriffen wird, die ihrerseits diese Tätigkeit unter menschenunwürdigen Bedingungen verrichten. „Die Besteigung des Berges ist weniger eine Frage des eigenen bergsteigerischen Vermögens als eine Frage des Geldes. 70.000 Dollar kostet die Gipfelgebühr, die für sieben Teilnehmer gilt. Längst kann eine zweimonatige Everest- Expedition samt Flaschensauerstoff und eigenem Hochträger, der neben Zelt, Schlafsack und Kocher auch die schweren Sauerstoffflaschen trägt, im Katalog gebucht werden. Kosten: je nach Service zwischen 30.000 und 65.000 Dollar.“ (Quelle: www.faz.net, 29.05.2012) Besonders in der Kritik stehen nicht nur die vorgebliche bergsteigerische Leistung, sondern eben auch die Arbeitsbedingungen der Träger. Anlässlich der prekären Situation der Träger hat sich hierzu die International Porter Protection Group (IPPG) gegründet, die sich, neben vielfältigen anderweitigen Aktivitäten, auf folgende Ziele konzentriert: Access to adequate clothing, boots, shelter and food (appropriate to the altitude and weather) Medical care when ill or injured Insurance Quelle: www.ippg.net 3.6.4.4 Transport als sport-räumliche Mobilität Zahlreiche Sportarten kommen ohne sichtbare territoriale Mobilität der Akteure aus wie bspw. bei allen Schießsportarten. Im Gegensatz dazu stehen Sportarten, deren großräumige Mobilität eine Transportleistung durch Lebewesen, natürliche Kraftentfaltung, unmotorisierte Eigenmobilität mit Geräten oder motorisierte Mobilität zugrunde liegt. Zu unterscheiden ist die Mobilität mit und durch Lebewesen, wie dies beim Reiten, Ski-Jöring, Husky-Rennen und Trabrennen gegeben ist, <?page no="269"?> 272 3 Gesellschaftliche Systeme und sporttouristische Akteure die unmotorisierte Eigenmobilität, hauptsächlich durch Fortbewegungsmittel (z.B. Radfahren) oder mit natürlicher Unterstützung (z.B. Kanu-/ kajakfahren mit Paddeln auf Fließgewässern), die unmotorisierte Eigenmobilität hauptsächlich durch natürliche Krafteinwirkungen und Geräteunterstützung: Segeln, Windsurfen, Gleitschirmfliegen und im besonderen Maße Kitesurfen, die motorisierte Mobilität: Motorradfahren, Automobilsport, Kartsport, Flugsport. 179 179 Siehe dazu auch exemplarisch die Touristenfahrten auf der Nordschleife des Nürburgrings oder die Tourist Trophy auf der Isle of Man für Motorräder und Gespanne. <?page no="270"?> 4 Perspektiven Das erwartet Sie in diesem Kapitel Sie lernen … Perspektiven des Sporttourismus als Ergebnis konkreter Einflussnahme gesellschaftlicher Akteure zu begreifen. sich mit Nachhaltigkeit und den als „gängige Fehlinterpretationen“ formulierten Ansätzen kritisch und selbstkritisch auseinanderzusetzen. mögliche Rebound-Effekte im Sporttourismus wahrzunehmen. verschiedene Konzepte touristischer Akteure zur Nachhaltigkeit und ihre Bezüge zum Sporttourismus zu verstehen und zu vergleichen. sich mit den formulierten „Kriterien einer gestalterischen Einflussnahme“ für einen nachhaltigen Sporttourismus auseinanderzusetzen. sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Nachhaltigkeit innerhalb der aktuellen Form des Wirtschaftssystems möglich ist oder mit einer „anderen“, noch zu gestaltenden Form des Wirtschaftens, Konsumiern und Tätigseins auseinanderzusetzen. Wer an dieser Stelle einen Ausblick auf zukünftige „Trends“, „Innovationen“ und „Zielgruppen" erwartet, dem sei das Buch von Holger Rust „Zukunftsillusionen: Kritik der Trendforschung“ empfohlen, in dem fundamental das methodologische und methodische Vorgehen dieses kommerziellen Zweigs pseudowissenschaftlicher Marktforschung auf den Prüfstand gestellt wird: „Bei näherer Betrachtung handelt es sich bei den meisten dieser Methoden um nichts anderes als um eine kursorische Durchsicht von Zeitungen und Zeitschriften, gelegentliche Straßenbefragungen, anekdotische Beweisketten, in denen Beispiele durch weitere passende Beispiele belegt werden.“ (Rust 2008, S. 20) 180 180 Das Beispiel zur Fertilitätsrate in der Bundesrepublik Deutschland, die seit etwa drei Jahrzehnten unter 1,4 liegt, kann verdeutlichen, dass die naiv-einfache Fortschreibung einer weiter absinkenden Bevölkerungszahl gestaltende Faktoren außer Acht lässt. Frankreich hatte vor etwa 20 Jahren eine ähnlich niedrige Fertilitätsrate wie Deutschland. Durch gelingende (! ) arbeitsmarkt-, familien- und schulpolitische Entscheidungen konnten die Rahmenbedingungen jedoch derart positiv beeinflusst werden, dass inzwischen die Fertilitätsrate auf über 2 angestiegen ist. Eine ähnliche Entwicklung hat im Übrigen <?page no="271"?> 274 4 Perspektiven Die in diesem Kapitel formulierten „Perspektiven“ zielen auf eine normative Fragestellung ab: „Was sein soll.“ Damit sind Kriterien verbunden, die nach einer gestalterischen Einflussnahme für eine weitere bzw. veränderte Entwicklung des Sporttourismus (und Sportevents) fragen. Die verschiedenen Akteure des Staates, Marktes, der NPOs, des Sport- und Tourismussektors sowie der privaten Haushalte weisen in ihrer Binnenstruktur und ihren Verhältnissen nach außen sowohl unterschiedliche als auch gemeinsame Interessenlagen auf. Wer sich in welchem Umfang und welcher Intensität durchsetzt, ist jedoch eine Frage von ökonomischer und politischer Macht sowie von medialer Einflussnahme und Deutungshoheit. Die Diskussion, eher Auseinandersetzung, um Olympische Spiele, um den Neubau von Beschneiungsanlagen, von Freizeitparks (i.w.S.) oder der Grundstücksenteignung bzw. -nichtenteignung für den Golfplatzbau sind nur einige Beispiele für konfligierende Interessenlagen. Bisweilen muss auch (naives) Desinteresse konstatiert werden. Wenn der FC Bayern München ein Trainingsspiel ausgerechnet in Saudi-Arabien vereinbart (2014), zu dem Frauen grundsätzlich der Zutritt verwehrt wird, dann werden alle Corporate-Social-Responsibility-Maßnahmen als papierne Lippenbekenntnisse infrage gestellt. 181 Was also „sein soll“, setzt Kriterien und eine begründete Position voraus. auch Schweden zu verzeichnen. Eine mechanische Argumentation wird bspw. in der Publikation „Die Zukunft der Mobilität. Szenarien für Deutschland in 2035“ des Instituts für Mobilitätsforschung - Eine Forschungseinrichtung der BMW Group (samt begleitend-beratender Marktforschungs- und Consulting-Unternehmen) präsentiert: „Für das niedrige Geburtenniveau ist in erster Linie weiterhin nicht die Kinderzahl je Mutter verantwortlich, sondern die zunehmende Zahl der Frauen, die kinderlos bleiben. Dies sind häufig Akademikerinnen. Da das Bildungsniveau weiter steigt, nimmt auch die Zahl der Frauen ohne Kinder zu.“ (2015, S. 14) Dieser scheinbare Naturalismus „Akademikerin = kinderlos“ könnte wohl nur mit einem gegen Frauen gerichteten bildungspolitischen Rückfall in das 19. Jahrhundert behoben werden, oder aber mit einem Blick auf Frankreich und Schweden! 181 Auf seiner Internetpräsenz formuliert der FC Bayern unter „Erlebniswelt“ (sic! ) sein Leitbild: „Respektvoll miteinander umzugehen, den Gegner zu achten, Toleranz, Integration und (auch in der Niederlage) Fairplay zu leben - dafür steht der FC Bayern.“ http: / / fcb-erlebniswelt.de/ de/ die-werte/ respekt/ Der Verein Borussia Dortmund formuliert diesbezüglich detaillierter: „Wir haben schon vor Jahren beschlossen, dass wir grundsätzlich kein Spiel in einem Land absolvieren werden, das breite Schichten der Bevölkerung diskriminiert, ihnen das Stadionerlebnis verbietet und sich einem Dialog über das Thema Menschenrechte kategorisch verweigert.“ Zur medialen Kritik am Bayern-Spiel siehe: www.br.de/ themen/ sport/ inhalt/ fussball/ bundesliga/ fc-bayern-muenchen/ fc-bayern-kritik-saudi-arabien-100.html <?page no="272"?> 4.1 Gängige Fehlinterpretationen zur Nachhaltigkeit 275 Eine derzeit naheliegende Position bezieht sich auf das Konzept (bzw. verschiedenste Konzeptualisierungen) der Nachhaltigkeit, und demzufolge wäre eine anzustrebende Perspektive ein so genannter „nachhaltiger Sporttourismus“. Die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit ist jedoch mit vielen Fallstricken versehen und keineswegs eindeutig. Als allgemein gehaltene Aussage können sich nahezu alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft „irgendwie“ auf Nachhaltigkeit bzw. eine nachhaltige Entwicklung berufen, was aufgrund divergierender Interessenlagen befremdlich erscheint. Insofern soll an dieser Stelle auf einige der gängigen Fehlinterpretationen in dem hier nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raum kurz eingegangen werden. 4.1 Gängige Fehlinterpretationen zur Nachhaltigkeit a) Nachhaltigkeit wird mit Langfristigkeit gleichgesetzt Die am meisten unterkomplexe Variante ist die Gleichsetzung von Nachhaltigkeit mit Langfristigkeit bzw. einem lang andauernden Produktlebenszyklus (z.B. von Skiliften oder Beschneiungsanlagen), die nicht nur im alltagssprachlichen, sondern auch im berufspraktischen Feld inzwischen weitverbreitet ist. b) Ökologie ist der zähmende Gegenspieler der Ökonomie unter Vernachlässigung des Sozialen Nachhaltigkeit wird in einer weiteren Variante mit den konträren Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales (teilweise auch zusätzlich mit Kulturellem) benannt. Ökologie fungiert in diesem Verständnis als Gegenspieler des Ökonomischen mit der Funktion seiner Zähmung. Das Soziale wird demgegenüber deutlich zurückhaltender behandelt und fokussiert sich allenfalls auf unzumutbare Arbeitsbedingungen in der so genannten Dritten Welt. Der sozial-ökonomische Bezug inländisch prekärer Arbeitsbedingungen wird demgegenüber selten thematisiert. Auffallend sind darüber hinaus auch eher knappe Formulierungen, die lediglich auf die Einhaltung von landesüblichen Mindeststandards verweisen. Inwieweit diese jeweiligen Mindeststandards wiederum menschenwürdigen Kriterien entsprechen, gerät aus dem Blickfeld der Argumentation. c) Nachhaltigkeit wird als gesellschaftliche Anforderung zu einem überwiegend privat zu lösenden Problem übertragen Nachhaltigkeit soll über moralisch adäquates Konsumentenverhalten erreicht werden. Unabhängig von der systemimmanenten Wachstumslogik kapitalistischer Produktionsweise verlagert sich der „Lösungsbereich“ weg vom vorherrschenden Wirtschaftssystem hin zur Individualisierung des Problems bei den <?page no="273"?> 276 4 Perspektiven privaten Haushalten (siehe auch die Trendstudien der Otto Group in Verbindung mit „Trendbüro“ zum ethischen Konsum). Nachhaltigkeit wird überdies benutzt, um Verzichtsethik und Askese zu begründen, unter Beibehaltung derzeitiger Einkommens- und Vermögensverhältnisse. d) Nachhaltigkeit könne durch Selbstverpflichtungen der Wirtschaft erreicht werden Neoliberale Positionen sehen Nachhaltigkeit bereits in den medial vermittelten Selbstverpflichtungen „der“ Wirtschaft umgesetzt und propagieren eine marktgläubige Denkfigur jenseits staatlicher Eingriffe. Die Beteiligung am so genannten gesellschaftlichen Diskurs dient als Legitimation für reflexives Unternehmertum. Positive Einzelbeispiele, Nischen(-produkte) und Engagement in eigens gegründeten Stiftungen (z.B. www.stiftung2grad.de) werden als vorgeblicher „Beweis“ für nachhaltiges Wirtschaften angeführt. e) Nachhaltigkeit sei mit technischen Verbesserungen und Einsparungen möglich Nachhaltigkeit soll in einem technisch-funktionalen Verständnis über Technologiegläubigkeit und den menschlichen Erfindungsreichtum realisiert werden. Effiziente Motorentechnik, neue Technologien und sparsamer Einsatz von Materialien sind einige der ökonomisch-ökologischen Felder, die steigende Verbräuche (z.B. Mobilitätsverhalten und CO 2 -Ausstoß) und Rebound-Effekte kompensieren sollen. f) Nachhaltigkeit sei mit einem grüneren Kapitalismus möglich Mit grünem Wachstum (Green Growth, Green Economy) ist der grundständige Umbau der Wirtschaft intendiert und unterliegt der zentralen Denkfigur einer Versöhnung zwischen Ökologie und einer nach wie vor bestehen bleibenden, jedoch regulativ agierenden kapitalistischen Wirtschaftsweise. Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung/ -zerstörung sollen so unterschiedliche Entwicklungsverläufe nehmen (siehe bereits das Programm der United Nations Environment von 1972 und 2011 sowie Jänicke 2012). Um nicht missverstanden zu werden, sind an dieser Stelle nicht der vielfach gute Wille und die zahlreichen Aktivitäten der Akteure in Staat, Markt und Zivilgesellschaft in Zweifel zu ziehen. Allerdings werden innerhalb der zahllosen Nachhaltigkeitsdebatten, der Klimareports, -verhandlungen und -vereinbarungen die Ursachen der Problematik kaum angesprochen, geschweige denn angegangen. Mehr Effizienz, Einsparungen und bessere „grüne“ Technik können <?page no="274"?> 4.2 Rebound-Effekte im Sporttourismus 277 einen sinnvollen, begleitenden Beitrag leisten. Sie lösen aber nicht die Grundproblematik, sondern verlängern diese lediglich. Metaphorisch ausgedrückt, wird auf dem Beschleunigungsstreifen von einigen auf der Rückbank sitzenden Mitinsassen unterschiedlich stark und oft die Handbremse angezogen, ohne damit die Akteure am Gaspedal beeindrucken und das Fahrzeug nennenswert abbremsen zu können. „Alle reden über Umwelt, aber nur marginal werden der profitdominierte Konkurrenzmechanismus, die Umwelt zerstörende Polarisierung zwischen Reichtum und Armut, patriarchale Geschlechterverhältnisse und der industrialistische Wachstumswahn in ihren Wechselwirkungen als Ursachen der Umweltgefahren erkannt.“ (Klein 2009, S. 217) Eine Diskussion um eine zwingend notwendig andere Art des Wirtschaftens (und des Konsums) kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Verwiesen sei auf (eine kleine Auswahl) an kapitalismuskritischen Publikationen von Altvater 2005; Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik; Forum Wissenschaft 2/ 2012; Kaufmann/ Müller 2009 sowie inspirierende Aspekte und Beispiele der Solidarischen Ökonomie sowie Gemeinwohlökonomie (Felber 2010). 4.2 Rebound-Effekte im Sporttourismus Dass „grüner“ Kapitalismus oder „nachhaltiges Wachstum“ ein Oxymoron sind, verdeutlichen alleine schon die diversen Rebound-Effekte als „unerwünschte Folgen der erwünschten Energieeffizienz“, die in Anlehnung an Santarius (2012, S. 11ff.) auf den Sporttourismus angewendet werden. a) Finanzielle Rebound-Effekte Einkommens-Effekt: Durch Preissenkungen für Urlaubsreisen werden die freigewordenen Mittel für a) noch mehr Reisen eingesetzt, oder b) für andere Waren oder Dienstleistungen verwendet. Re-Investitions-Effekt: Einsparungen werden zur Akkumulation des Kapitals reinvestiert für touristische Angebote a) gleicher Art, oder b) zur Produktdiversifikation. Marktpreis-Effekt: Ein allgemeiner Preisverfall führt zu erhöhter Nachfrage, bspw. bei Ski-, Golf- oder Segelreisen. <?page no="275"?> 278 4 Perspektiven b) Materielle Rebound-Effekte Embodied-Energy-Effekt: Die Produktion von effizienteren Produkten (Seilbahnen, E-Bikes) beinhaltet ihrerseits einen entsprechenden Aufwand zur Produktion. Neue-Märkte-Effekt: Mit der Produktion von „nachhaltigen“ Produkten (E- Bikes) ist auch eine neue Infrastruktur und ein entsprechender Produktionsaufwand verbunden. Konsum-Akkumulations-Effekt: Effizientere Produkte ersetzen nicht immer alte, sondern werden parallel (akkumulativ) eingesetzt, so dass der Gesamtaufwand höher als vorher sein kann (Skifahren auf Kunstschnee). c) Psychologische Rebound-Effekte Moral-Hazard-Effekt: Zuvor kritisierte und nicht verwendete Produkte werden durch effizientere Gestaltung nun moralisch legitimiert (Skifahren auf Kunstschnee). Moral-Leaking-Effekt: Effizientere Produkte führen dazu, das vormalige Sparhandlungen aufgegeben werden (Motorsport). Moral-Licensing-Effekt: Der Erwerb ökologischer Produkte führt zum gerechtfertigten Erwerb anderer umweltschädlicher Produkte (umweltschonende Anreise mit der Bahn und Sportausübung auch in Schutzgebieten). d) Cross-Factor-Rebound-Effekte Cross-Factor-Rebound-Effekt: Eine gestiegene Arbeitsproduktivität führt i.d.R. auch zu einer höheren Energienachfrage (Präparierung von Skipisten und Stränden mit Planierraupen). Multiple Cross-Factor-Effekte: Zeiteffizienzgewinne werden in längere Strecken mit entsprechend höherem Energieverbrauch verwendet (vormalige Anreise mit dem PKW, nun Flugreisen mit demselben Zeitaufwand). Quelle: eigene Zusammenstellung; in Anlehnung an Santarius, T. 2012, S. 11ff. Zu fragen ist also nach wie vor, unter welchen normativen Kriterien ein nachhaltiger (Sport-)Tourismus konkret praktiziert werden kann. Dabei haben sich nicht die Kriterien einem Wachstumsimperativ unterzuordnen, sondern zu fragen ist, welche Art des gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftens nachhaltigen Kriterien genügen kann! <?page no="276"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 279 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus Die nachfolgenden Konzepte sollen nicht danach überprüft werden, inwieweit sie sich mit dem aktuellen Wirtschaftssystem arrangieren und sich dort reibungsfrei einfügen lassen oder (Teil-)Entwürfe für eine andere Art des Wirtschaftens aufzeigen, die unter den derzeitigen Rahmenbedingungen lediglich in einer Nische funktionieren können. Nachfolgend wird auf die, von einigen wenigen Kritikpunkten abgesehen, positiv bewerteten Konzepte von Viabono, StattReisen, forum anders reisen, Naturfreunde und Werner Bätzings Konzept zur Alpenregion eingegangen. 182 Eigene konzeptionelle Überlegungen bilden dann den Schlusspunkt dieses Buches. 4.3.1 Viabono als „milder“ Einstieg Die Viabono GmbH versteht sich als „Fachorganisation für Nachhaltigkeitszertifizierungen in der Freizeit- und Reise-/ Tourismusbranche“. 183 Zahlreiche Einzelaspekte der umfangreichen Zertifizierungsvorgaben beruhen auf Selbstangaben der Unternehmen. Ein Generalverdacht hinsichtlich allzu positiv strapazierter Aussagen erscheint unangebracht. Dennoch ist, wie in solchen Konstellationen grundsätzlich möglich, in Einzelfällen eine ungeprüfte Vorteilsnahme möglich. Viabono hat u.a. auch Kriterien für Reiseveranstalter entwickelt, die sich auch auf die Bewegungs- und Sportaktivitäten im Zielgebiet beziehen. „Die Aktivitäten vor Ort finden schwerpunktmäßig in und mit der Natur statt. Authentizität statt künstliche Erlebniswelten. Es gilt, die Natur mit Spaß und Genuss zu erleben - bei gleichzeitig minimaler Belastung für die Natur. Eine umweltfreundliche Fortbewegung vor Ort ist ebenso möglich wie naturverträgliche Sportarten. Umweltorientierte Fortbewegung vor Ort wird - soweit möglich - gefördert (z.B. durch Leihfahrräder, E-Bikes, Pedelecs, ÖPNV-Tickets etc.). 182 An dieser Stelle ist zusätzlich auf verschiedene Zertifikate mit touristischem Bezug hinzuweisen: www.ecocert.com, www.ethical-trade.org, www.fair-forlife.net, www.fairtrade-deutschland.de, www.fttsacertification.org.za, www.wfto.com, www.greenglobe. com, www.tourcert.org. 183 Der Trägerverein besteht aus derzeit 19 Vollmitgliedern, u.a. aus Tourismusorganisationen, Umweltverbänden und drei (sic! ) Automobilverbänden sowie Ministerien und Bundesämter als Unterstützer. <?page no="277"?> 280 4 Perspektiven Der Schwerpunkt der Pauschalangebote liegt auf einem intensiven und genussvollen Naturerlebnis (z.B. (Naturerlebnis-)Wanderungen, E-Bike-, Fahrrad- und Kanutouren und sonstigen kreativen und reizvollen Begegnungen mit einer dauerhaft intakten Natur und ihren Produkten). Die Ausgestaltung sportlicher Aktivitäten, die zeitliche und räumliche Planung der Rad-, Wander-, Inliner- oder Kanutouren sowie die Ausübung dieser und anderer Sportarten und Aktivitäten in der Natur orientiert sich an anerkannten Richtlinien wie z.B. den Empfehlungen des Handbuches „Sport und Umwelt“. Auf stark umweltbelastende, insbesondere motorisierte Freizeitaktivitäten (z.B. Offroad-Touren, Heli-Skiing, Rundflüge im Motorflugzeug etc.) wird grundsätzlich verzichtet.“ Quelle: www.viabono.de/ PhilosophieService/ Infothek.aspx Darüber hinaus wurde ein „Qualitäts- und Umweltsiegel Kanutourismus“ in Zusammenarbeit vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bundesamt für Naturschutz, Verband Deutscher Naturparke e.V., Viabono Trägerverein e.V., Deutscher Kanu Verband e.V., Deutscher Tourismusverband e.V entwickelt. 184 Die Argumentationslinie von Viabono leistet einen verdienstvollen Beitrag für einen nachhaltigeren Tourismus. Die von Viabono gebrauchten Formulierungen sind gegenüber anderen Organisationen (Naturfreunde, forum anders reisen) jedoch abgemildert und stellen somit ein niederschwelliges Angebot zur Zertifizierung dar. Formulierungen wie „umweltorientiert, klimafreundlich und sozialverträglich“ oder „Der Gedanke eines nachhaltigen Tourismus ist in unserer Unternehmensphilosophie verankert“ sind (bewusst) vage gehalten. Der in einer nachhaltigen Konzeption notwendige soziale Bereich wird bei Viabono nicht durchgehend thematisiert. „Der Leitgedanke lautet: ‚Ökologie und Ökonomie passen sehr wohl zueinander und ergänzen sich nicht selten sogar hervorragend! ‘ Deshalb genießt Viabono nicht nur in der Tourismuswirtschaft, sondern auch bei den Umweltverbänden breite Akzeptanz.“ Der Bereich des Sozialen, insbesondere der Arbeitsbedingungen, kommt in den Vorgaben von Viabono insgesamt nur marginal und unzureichend zum Ausdruck. Im Leitbild von Viabono wird dazu formuliert: „Wir zahlen einen ortsüblichen Tariflohn bzw. unterschreiten keinesfalls bereits existierende Mindestlohnanforderungen.“ 184 Detaillierter unter www.viabono.de/ Portals/ 0/ 01_Downloads/ Kriterienkatalog_2012 _BVKanu.pdf <?page no="278"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 281 Diese Selbstverständlichkeit bedarf keiner besonderen Erwähnung in einem Leitbild! Mit gleichem Verve, wie auf eine 30-%ige Unterschreitung der betrieblichen Verbräuche hingewiesen wird, könnte mit dem formulierten Anspruch auf „soziale Qualität“ zumindest eine oberhalb des ortsüblichen Tariflohnes liegende Vergütung verbunden sein. 185 Darüber hinaus ist nicht gewährleistet, das ortsübliche Tariflöhne gleichzeitig auch existenzsichernde Tariflöhne bedeuten (siehe die Vergütungen im Friseurhandwerk, in der Hotellerie oder bei Arztangestellten). Insgesamt kann Viabono als „milder“ Einstieg in einen nachhaltigen Tourismus angesehen werden. Damit ist keine Pauschalkritik verbunden, da die große Mehrheit der übrigen nicht zertifizierten Anbieter im Tourismus die Kriterien von Viabono nach wie vor unterschreitet. 4.3.2 StattReisen und die Frage, was sehenswürdig ist Anfang der 1980er Jahre wurde das Konzept von StattReisen entwickeln. Der zuerst vermutete Schreibfehler löst sich mit dem Verständnis der Konzeptidee auf. Anstatt weit weg zu verreisen, bietet die eigene oder nächstgelegene Stadt Interessantes und Wissenswertes. Jugendreiseveranstalter und Institutionen der Erwachsenenbildung haben sich seit dem Jahr 2000 zum Arbeitskreis Neue Städtetouren zusammengeschlossen. Die Touren durch die Städte werden „vorzugsweise zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit Fahrrädern“ durchgeführt. „Im Gegensatz zur reinen Wissensvermittlung und zu auswendig gelernten Routineprogrammen wird die Stadt durch die sinnliche Wahrnehmung erfahrbar gemacht. Mit Hilfe z.B. von historischen Bildern, Plänen, Tonbandaufnahmen oder Geschmacksproben werden die Eigenheiten und Veränderungen der jeweiligen Alltagswelt einsichtig.“ Quelle: www.stattreisen.org/ qualitaetsstandards.html StattReisen versteht sich als umwelt- und sozialverträglicher Anbieter und lehnt „voyeuristische Tourismusformen sowie das Eindringen in intime Sphären des 185 Anhand von Studien sowie Betriebskennzahlen wurden Mediane (Mittelwerte) in den Bereichen Energie, Wasser und Liter Restmüll pro Übernachtung erhoben. Viabonozertifizierte Betriebe liegen mit ihren Verbräuchen pro Gast/ Übernachtung mind. 30 % unter diesen Medianen. www.viabono.de/ LinkClick.aspx? fileticket=jQzcDorBk9k%3d& tabid=91 <?page no="279"?> 282 4 Perspektiven Wohnens und Lebens in der Stadt“ ab. Bemerkenswert am Konzept von Statt- Reisen ist der Versuch, neben den touristischen Sehenswürdigkeiten Zusammenhänge und Hintergründe zur Stadt herzustellen, derer die Gäste mit bloßem Auge nicht gewahr werden (können). Dazu ist die Fortbewegung zu Fuß oder mit dem Rad förderlicher als durch die distanzierte Sicht eines Reisebusses, in dem nach wie vor über Klerikalbauwerke, Denkmäler und weltliche Stätten der Hochkultur samt Jahreszahlen „informiert“ wird. Der entscheidende Aspekt von StattReisen ist der Versuch, sich von der oberflächlich-affirmativen Sicht eines auf den (konsumorientierten) City-Bereich fixierten Besuchs zu lösen und einen feingliedrigeren Kontext zur besuchten Stadt herzustellen, der sich als kognitiv und sinnlich bereichernd erweisen kann. „Scheinbar belanglos am Wege liegendes Gemäuer kann sich als Schlüssel zum Verständnis des städtischen Gefüges erweisen und damit sehenswürdig sein. Die direkte Begegnung mit der Stadt, ihrer Atmosphäre, den Menschen und ihrem Lebensalltag wird ergänzt durch Zeitzeugengespräche und Projektbesuche. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung mit der oftmals von offizieller Seite vernachlässigten Geschichte: Umgang mit Minderheiten, Faschismus und Alltagskultur. Angesprochen werden auch lokale Themen wie Verkehrspolitik, Wohnungsnot, Sanierungskonzepte, Zusammenleben verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. StattReisen vermittelt Hintergrundinformationen zu historisch und gegenwärtig bedeutenden Vorgängen und ist an dem Ansatz der „Geschichte von unten“ orientiert. Dabei entsteht kein homogenes Bild einer Stadt. Vielmehr werden kontroverse Themen und Sichtweisen angesprochen und ihre Argumente gegenübergestellt, damit sich der Besucher eine eigene Meinung bilden kann.“ Quelle: www.stattreisen.org/ qualitaetsstandards.html 4.3.3 Forum anders reisen und nachhaltige Kriterien Das 1998 gegründete „forum anders reisen e.V.“ ist ein Zusammenschluss von mittlerweile 130 Reiseveranstaltern, die sich einem nachhaltigen Tourismus verpflichtet fühlen. <?page no="280"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 283 „Die Mitglieder des forum anders reisen streben eine Tourismusform an, die langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für ortsansässige Gemeinschaften sein soll (nachhaltiger Tourismus). Konkret bedeutet dies, dass Nachhaltigkeit eine wesentliche Vorgabe für die Angebote unserer Veranstalter ist. Sie entwickeln nachweislich umweltschonende und sozialverträgliche Reisen von besonderer Qualität, die auch wirtschaftlich realisierbar sind.“ Der Kriterienkatalog des forums anders reisen sowie der CSR-Maßnahmekatalog stellen hohe Anforderungen an die Mitglieder und berücksichtigen nicht nur ökologische, sondern auch soziale Kriterien, die sich sowohl auf die ortsansässige Bevölkerung beziehen als auch auf die Mitarbeiterzufriedenheit innerhalb der Reiseveranstalter. 186 Das Gesamtangebot aller Reiseveranstalter beinhaltet auch zahlreiche und verschiedene Sportangebote. Für das Jahr 2015 werden in den in Tab. 47 aufgeführten Reisearten insgesamt 1.997 Angebote aufgeführt. Hinzu kommt noch eine nicht näher zu beziffernde Anzahl an Angeboten aus dem Bereich „Erlebnis, Abenteuer & Begegnung“, die mit Wandern, Radfahren oder Trekking verbunden sind. Reiseart Anzahl Fahrradreisen 191 Sportlich und Aktiv 688 Wandern und Trekking 997 Wassersport 67 Winterreisen 54 Tab. 47: Sporttouristische Angebote des forums anders reisen. Quelle: http: / / forumandersreisen.de/ reisearten/ alle-reisearten/ Hinsichtlich der Kriterien für Sportaktivitäten werden zumeist motorsportbetriebene Aktivitäten abgelehnt und finden demzufolge keine Aufnahme in die 186 Neue Mitglieder werden mit einem so genannten „CSR-Basis Check“ an die im forum anders reisen geltenden Standards herangeführt. „Nach spätestens vier Jahren Mitgliedschaft im forum anders reisen durchlaufen sie dann den Zertifizierungsprozess für das CSR-Siegel der Zertifizierungsstelle TourCert.“ http: / / forumanders reisen.de/ ueber-uns / csr-zertifizierung/ <?page no="281"?> 284 4 Perspektiven Reiseangebote. Dies gilt jedoch nur dann, „wenn sie als reines Freizeitvergnügen gedacht sind und nicht dem Transport dienen“. Nicht angeboten werden: „Offroad-Touren mit Geländewagen und Motorrad Motorschlitten-Touren und Quad-Fahrten Rundflüge mit Motorflugzeugen und Helikoptern Heli-Skiing Jet-Skiing Besuch von Delfinarien und anderen Tierschauen mit nicht artgerechter Tierhaltung Hochsee-Kreuzfahrten mit schwerölbetriebenen oder atomgetriebenen Schiffen“ Quelle: http: / / forumandersreisen.de/ ueber-uns/ kriterienkatalog/ Ein Blick auf die Reiseangebote lässt auch beim forum anders reisen Fragen bezüglich einer konsistenten Übereinstimmung zwischen Kriterienkatalog und (offenbar in Einzelfällen! ) Reiseveranstalterkatalog aufkommen. Für das Kriterium der An- und Abreise wird formuliert: „Urlaubslänge, Reisezeit und Entfernung müssen in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen.“ Weiterhin heißt es: „Daraus resultierend dürfen folgende Flugreisen nicht durchgeführt werden: [...] Flüge über 3800 km mit einer Reisedauer unter 2 Wochen.“ ( http: / / forumandersreisen.de/ ueber-uns/ kriterienkatalog/ ) Unter der Rubrik Wassersport findet sich bspw. ein Angebot für eine insgesamt 12-tägige und 20.000 km weite Flugreise nach Ecuador und zusätzlichen 2.000 km Fährtransport zu einer Galapagos-Tauchsafari. Das ist der Ausgangspunkt für eine weitere Transportleistung. „Nach einer 2bis 3-stündigen Fahrt mit dem Schnellboot erreichen Sie die Tauchstelle.“ Die Reise wird überdies im Stile eines Billigreiseveranstalters beworben. „Dieser Baustein ist für alle Tauchfans geeignet, die das Naturparadies Galapagos mit seiner einzigartigen Unterwasserwelt günstig & flexibel entdecken wollen! “ Wie viel an Chuzpe ist aufzuwenden, um eine derartige Reise unter dem Begriff der Nachhaltigkeit zu bewerben und wie kann eine derartige Reise günstig sein und zu wessen Lasten ist das möglich? <?page no="282"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 285 4.3.4 Die Naturfreunde und die Tourismuspolitik der Bundesregierung Die NaturFreunde Deutschlands verstehen sich als sozial-ökologischer und gesellschaftspolitisch aktiver Verband. 187 Wenn die Naturfreunde nun, wie 2013 auf der internationalen Tourismusbörse erfolgt, tourismuspolitische Forderungen an die Bundesregierung richten, dann könnte das vorschnell mit der Frage nach der Größe und dem Einfluss der Naturfreunde durch den üblichen politischen Reflex ignoriert werden. Die Naturfreunde verfügen jedoch inzwischen über eine 120-jährige Tradition und Erfahrung mit Tourismus und tourismuspolitischen Konzepten. Insofern wäre, um die typische Politiksprache anzuwenden, die Bundesregierung gut beraten, sich mit den formulierten Forderungen tatsächlich auseinanderzusetzen, falls Nachhaltigkeit kein bloßes Lippenbekenntnis darstellt. Die Forderungen im Einzelnen: „die Mittel im Bundeshaushalt für die Entwicklung und Finanzierung von Projekten im Sektor des sozialen und ökologischen Tourismus deutlich aufzustocken; alle öffentlichen Förderungen für Tourismusunternehmen und -verbände an die Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards und die Einhaltung von Tarifverträgen zu koppeln; sich für die Schaffung von effektiven Kontrollmechanismen zur Einhaltung von Menschenrechten im Tourismussektor einzusetzen; sich dafür einzusetzen, dass alle internationalen Abkommen zur Förderung des Tourismus und zur Förderung von Investitionen internationaler Tourismusunternehmen so weiterentwickelt werden, dass die Umwelt geschützt, Menschenrechte gesichert und die Rechte der vom Tourismus Betroffenen gewahrt werden. Dies bedeutet vor allem: international verbindliche Standards durchzusetzen, damit in wasser- und landarmen Tourismusgebieten der Bau von Golfplätzen und großen Hotelanlagen den Zugang der Bevölkerung zu Wasser und Land nicht verhindert; internationale Regeln für Kreuzfahrtschiffe weiterzuentwickeln, damit die zunehmende Verschmutzung der Meere durch den Kreuzfahrttourismus eingedämmt wird; 187 Ausführungen zu den Naturfreunden und ihrer konzeptionellen Ausrichtung finden sich detaillierter in Kapitel 3.3.6.2. <?page no="283"?> 286 4 Perspektiven international verbindliche Standards durchzusetzen, damit durch den zunehmenden Massentourismus in Ländern des globalen Südens die Rechte auf Nahrung, sauberes Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung nicht eingeschränkt werden; ein verbindliches internationales Abkommen durchzusetzen, das Tourismusunternehmen verpflichtet, die ILO-Kernarbeitsnormen, die UN-Leitlinien über Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen konsequent einzuhalten.“ Quelle: www.naturfreunde.de/ die-deutsche-tourismuspolitik-musssozialoekologisch-werden 4.3.5 Werner Bätzing und die Zukunft der Alpen Einer der profiliertesten Kenner des Alpenraums ist Werner Bätzing, der jüngst „eine Streitschrift zur Zukunft der Alpen“ (2015a) publiziert hat. Bätzing präsentiert die derzeit gängigsten „Zeitgeist“-Perspektiven und zeigt damit auf, dass die weitere Entwicklung eine machtpolitische Frage von konfligierenden Interessenslagen und Allianzen ist. Die Perspektiven werden hier auf engem Raum lediglich kursorisch und damit stark gekürzt wiedergegeben. Daher ist die Auseinandersetzung mit der Originalliteratur geboten. 188 1 Die „realistische“ Perspektive: Anschluss an die Moderne Negative Bewertung durch Fremdbestimmung, Verdrängung, Umweltprobleme und Überproduktion. 2 Die neoliberale Perspektive: Alles auf die Metropolen Extrem negative Bewertung als Radikalisierung der „realistischen“ Perspektive. Das ökonomisch-technische Projekt wird als nicht beherrschbar eingeschätzt. 3 Die hedonistische Perspektive: Fun im Freizeitpark Negative Bewertung durch Monofunktionalisierung, Fremdbestimmung, Erzeugen einer Scheinwelt, hohe Investitionen und Umweltprobleme. 4 Die Unterlieger-Perspektive: Wasserschloss und Energiequelle Negative Bewertung durch völlige Fremdbestimmung, einem vollständigen Umbau samt Monofunktionalität bei nicht ganz absehbaren ökologischen Effekten. 188 Damit ist nicht ausschließlich die hier aufgeführte Literatur „Zwischen Wildnis und Freizeitpark. Eine Streitschrift zur Zukunft der Alpen“ (144 S.) gemeint, sondern vor allem das jüngst in 4. Auflage erschienene Hauptwerk Bätzings „Die Alpen: Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft“ (2015b, 484 S.). <?page no="284"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 287 5 Die radikal naturschützerische Perspektive: Alles Wildnis Eher negative Bewertung durch selbstwidersprüchliche Position ohne Zukunftsperspektiven. Stattdessen propagiert Bätzing eine „unzeitgemäße“ Perspektive, die als Vision nicht den Zusammenbruch derzeitiger Strukturen zur Voraussetzung nimmt, da „ein Neuanfang in völlig neuen Formen extrem schwer und vielleicht sogar unmöglich ist, weil man sowohl in den verwilderten wie in den verstädterten Alpenregionen die wichtigen Ressourcen der Alpen nicht mehr nutzen kann.“ (S. 92) 1 kulturelle Werte statt Geld als Schlüsselfaktor 2 der Wert dezentraler Potenziale 3 Naturschutz mittels angepasster Nutzung 4 multifunktionale Nutzungen statt Monostrukturen 5 alpenspezifische Lösungen statt globaler Standardisierungen Mit der Aufwertung des Regionalen ist nach Bätzing folgende Leitidee verbunden: „Zwar muss mit solchen Produkten auch Geld verdient werden, aber der Erhalt der vielfältigen Kulturlandschaften, der Umweltschutz, die sozialen Beziehungen zwischen Produzent und Konsument, der Erhalt dezentraler Arbeitsplätze, die Qualität hochwertiger und frischer Produkte, kurz: die Verantwortung für die Region ist ebenfalls ein wichtiges Ziel. Oder anders ausgedrückt: Dieses Wirtschaften soll sich nicht am maximalen Ertrag, sondern an multifunktionalen Zielsetzungen ausrichten.“ (S. 133) 4.3.6 Abschließende konzeptionelle Ausführungen Die abschließenden konzeptionellen Ausführungen teilen sich in zwei Bereiche auf. Zum einen werden normativ-praktische Kriterien einer gestalterischen Einflussnahme für sporttouristische Angebote skizziert. Sie beziehen sich auf touristische Akteure (Sportreiseveranstalter, Sporthotellerie) und auf politische Akteure (Sport- und Tourismusplanung). Zum anderen wird grundsätzlich danach gefragt, unter welchen Bedingungen ein nachhaltiger Sporttourismus befördert werden kann. Die folgenden kursorischen Ausführungen sind nicht im Sinne von umfassenden, sondern als ergänzende Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung zu verstehen. Der Begriff „gestalterische Einflussnahme“ bedeutet zunächst einmal, dass die Figuration von Angeboten, Sportevents und Sportinfrastruktur <?page no="285"?> 288 4 Perspektiven nicht „gegeben“ oder etwa „vorgegeben“, sondern immer historisch-gesellschaftlich entwickelt und gestaltbar ist. Die Kriterien einer gestalterischen Einflussnahme lassen sich anhand folgender Fragestellungen aufzeigen: 189 Öffentlicher oder privater Raum? Die Gestaltung der Städte ist an den Sport- und Bewegungsbedürfnissen aller Bevölkerungsschichten und Besucher auszurichten. Dazu sind vielfältige öffentlich zugängliche und nutzbare Sportgelegenheiten und bezahlbare Sportstätten nötig, die sich nicht nur auf citynahe Lagen konzentrieren. Zu unterstützen sind Mobilitätskonzepte, die den städtischen Fahrradverkehr (inkl. Leihfahrrädern) und Radschnellwege fördern. Die Privatisierung öffentlicher Räume durch innerstädtische Einkaufszentren und die sie umgebenden, eingeschränkt nutzbaren Freiflächen, zunehmend privat betriebene Bäder oder Fitnesscenter erzeugen demgegenüber Eintrittsbarrieren. Hotelanlagen, die über einen privateigenen Strand verfügen, beschränken die Nutzung für die Öffentlichkeit und sind abzulehnen. Am Beispiel der Halden im Ruhrgebiet ist bspw. nachzuvollziehen, wie aus vormaligen privaten Industriearealen öffentlich zugängliche Räume für Naherholung, Bewegung und Sport wurden. Partizipative oder präjudizierte Planung? Existiert für (sport-)touristische Planungsverfahren eine ernsthafte Beteiligung oder eine formalisierte Pseudobeteiligung von BürgerInnen und den Trägern öffentlicher Belange? Welchen Stellenwert hat die lokal-regionale Bevölkerung bei Olympiabewerbungen und auch anderen internationalen Sportgroßveranstaltungen? Wie transparent sind die verfolgten Absichten der initiierenden Akteure hinsichtlich Image, Stadterneuerung/ Gentrifizierung, Kosten-Nutzen-Analyse? 190 Ökonomischer oder verschwenderischer Umgang mit Ressourcen? Wie hoch sind die Folgekosten neu gebauter Sportinfrastruktur nach Sportgroßveranstaltungen? Welche Beeinträchtigungen entstehen durch den Bau von Golf- 189 Die Fragen wurden, allerdings ohne weitere Erläuterung, erstmals in Schwark 2014, S. 268 veröffentlicht. 190 Einen Überblick in die Raum- und Umweltplanung geben Weiland & Wohlleber, 2007 sowie zur jüngeren kritischen Diskussion der Regionalwissenschaft Krumbein et al., 2008 sowie www.kritische-regionalwissenschaft.de <?page no="286"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 289 anlagen hinsichtlich der Wassernutzung (Bevölkerung, Landwirtschaft). Wie (unverhältnismäßig) hoch ist der Ressourcenverbrauch bei Sportgroßveranstaltungen? Unterliegen Sportgeräte und Sportbekleidung einer geplanten Obsoleszenz? Gemeinschaftliche oder exklusive Nutzung? In welchem Umfang wird neue oder umgebaute Sportinfrastruktur für Sportgroßveranstaltungen einer Nachnutzung zugeführt und wer sind die Nutzergruppen? Partizipieren Schul-, Breiten-, Freizeit-, Behindertensport und auswärtige Gäste oder ausschließlich der Leistungs- und Spitzensport? Bedürfnisrealisierend-innovatives oder dekadentes Design? 191 Am Beispiel des Skifahrens lässt sich aufzeigen, dass mit der Erfindung des Carving-Skis für Anfänger ein neues Sportgerät konzipiert wurde, das einen leichten Einstieg ermöglicht und „gutmütig“ auf Fehlverhalten reagiert. Demgegenüber sind Angebote wie bspw. Helikopterskiing als dekadent und der Umwelt gegenüber als ignorant zu stigmatisieren. Konversionsfähigkeit oder Monofunktionalität? Erfolgt der Bau von Fußballarenen und aller weiteren Sportmöglichkeiten und stätten ausschließlich für die Belange einer Sportart, oder sind anderweitige Sportarten sowie kulturelle Angebote möglich? Können diese Sportstätten nach dem Abebben eines Trends ohne großen Aufwand für andere Zwecke umgewandelt werden, oder werden sie zu Bauruinen? Autonomie oder Abhängigkeit der Nutzer? Werden die Sportangebote derart technisiert und (pseudo-)verwissenschaftlicht, dass die Nutzer abhängig von Trainern/ Instrukteuren und Folgeprodukten (Sportgeräte, -bekleidung, -nahrungsergänzungsmittel) sind? Können Sportgeräte noch selbst repariert werden, oder sind dazu ausschließlich Spezialisten notwendig? Respekt vor oder Verfügung über die Natur? Wird Natur lediglich als verfügbare Ressource im touristischen Wirtschaftsprozess begriffen, deren Zustand nach eigenen Partialinteressen genutzt/ ausgebeutet und geformt/ deformiert werden kann? Die Wasserbewirtschaftung der mal- 191 Der Begriff Design wird hier allgemein als Gestaltung verstanden und bezieht sich auf technisch-praktische, ästhetische und symbolische Funktionen. <?page no="287"?> 290 4 Perspektiven lorquinischen Golfplätze bei gleichzeitigem Absinken des Grundwasserspiegels und Einsickern salzhaltigen Meerwassers sind dafür ebenso ein Beispiel, wie die baulichen Eingriffe in Teilen des Alpenraums. Inklusion oder Exklusion? Orientieren sich sporttouristische Angebote an einer barrierefreien Gestaltung, die sich nicht ausschließlich auf Behinderung, sondern bspw. auch auf Alter oder Geschlecht bezieht? Geraten mit einer zunehmenden Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie mit der Privatisierung von Freizeit- und Sportangeboten die unteren ökonomischen Schichten aus dem Blickfeld kommerzieller Anbieter? Sportkulturelle Vielfalt oder maximale Vermarktbarkeit? Obwohl sich die Anzahl der Sportarten samt ihrer jeweiligern Ausprägungen in den letzten Jahrzehnten ausgeweitet hat, offerieren bspw. Sportevent-Reiseveranstalter lediglich einen schmalen Fokus, der sich jenseits von Reisen zu Olympischen Spielen hauptsächlich auf Fußball und Motorsport konzentriert. Die mediale und ökonomische Dominanz des Fußballsports verdrängt zahlreiche andere Sportarten und behindert den medialen Zugang. Das wird anhand der so erzeugten TV-Nachfrage offensichtlich. 192 Die einzelnen Kriterien lassen sich realpolitisch nicht als Entweder-oder- Positionen durchsetzen, sondern bilden sich auf einem Kontinuum ab, je nachdem welche gesellschaftlich unterschiedlich mächtigen Akteure sich im Verlauf der Planungs- und Angebotsprozesse konfligierend oder konsensual durchsetzen. In meiner Publikation von 2002 „Sporttourismus zwischen Kultur und Ökonomie“ wurden bereits „Ansätze einer Ethik im Sporttourismus“ diskutiert (S. 69- 84). Daraus soll nochmals die Fragestellung aufgegriffen werden, wodurch nachhaltiges Handeln (damals als verantwortetes Umwelthandeln bezeichnet) aufseiten der Wirtschaftsakteure initiiert werden kann. 192 Die Fachzeitschrift Horizont - Zeitung für Marketing, Werbung und Medien kommentiert die Ergebnisse der Mediakennwerte ausgewählter Sportarten im Free-TV wie folgt: „Fußball - und dann lange nichts. An diesem Kräfteverhältnis der beliebtesten Fernsehsportarten hat sich auch 2012 nichts geändert - im Gegenteil: Mit 77 Prozent der Nennungen von sportinteressierten TV-Zuschauern hat in der aktuellen repräsentativen Umfrage von Sport + Markt (S+M) die Königsdisziplin nochmals zugelegt, im Vergleich zu den Ergebnissen 2010 und 2009 sogar um 5 Prozentpunkte.“ (Quelle: www.horizont. net/ medien/ nachrichten/ -Top-TV-Sportarten-2012-Wechselspiele-in-der-zweiten-Reihe-111806) <?page no="288"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 291 Unterschieden wird demnach in eine 1) reflexive Ebene und eine 2) funktionale Ebene und ferner in A) das Teilsystem Wirtschaft und B) Gesellschaft. 1 A) Nachhaltiges Handeln kann sich bezogen auf Anbieter innerhalb der Tourismuswirtschaft im Idealfall durch einen selbst vollzogenen Prozess des Austauschens, Nachdenkens und Erkennens vollziehen („Wir haben uns überzeugt“). 1 B) Auslöser für nachhaltiges Handeln kann durch den öffentlich wahrnehmbaren Diskurs bewirkt werden, der durch einen beginnenden Paradigmenwechsel eine nun allseits anerkannte und möglich erscheinende Normalitätsfolie aufweist, die von Anbietern der Tourismuswirtschaft aufgenommen werden („Wir haben uns überzeugen lassen“). 2 A) Andere Wettbewerber verschaffen sich Vorteile durch ein besseres Image und eine höhere Produktqualität, die einen stärkeren Konkurrenzdruck auslösen („Wir agieren, weil wir marktfähig bleiben wollen“). 2 B) Nicht nachhaltige Angebote werden im öffentlich wahrnehmbaren Diskurs stigmatisiert. Zukünftig sind höhere Umweltkosten durch geschädigte Natur und/ oder Auflagen/ Gesetze zu erwarten („Wir reagieren, weil wir Kosten abwenden müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben“). Unter negativ veränderten Rahmenbedingungen (z.B. durch die Überproduktion, die rückläufige Kaufkraft, den verschärften Wettbewerb, den rückläufigen Profit) entsteht allerdings die Gefahr, dass vormals formulierte Nachhaltigkeitsstandards unterlaufen werden („greenwashing“). A Teilsystem Wirtschaft B Gesellschaft 1 Reflexive Ebene Selbsterkenntnis durch und im Diskurs A 1 Paradigmenwechsel durch gesellschaftlichen Diskurs B 1 2 Funktionale Ebene Markterfordernis durch Wettbewerb A 2 drohender Verlust der Existenzgrundlage durch soziale, natürliche und finanzielle Risiken B 2 Tab. 48: Auslöser nachhaltigen Handelns. Quelle: in Anlehnung an Schwark 2002, S. 73 Für die privaten Haushalte entstehen in einer ähnlichen Logik verschiedene Positionen/ Haltungen zur eigenen Lebensführung und damit auch zur Eigen- <?page no="289"?> 292 4 Perspektiven tätigkeit und zum Konsum. Die jeweiligen Handlungsoptionen sind in ihrer praktischen Ausübung nicht als konsistent und trennscharf zu verstehen, sondern je nach Lebenslagesituation und subjektivem Sinn überlappend, mäandrierend, von Fort- und Rückschritten geprägt. Handlungsoptionen Konsequenzen für Angebot und Nachfrage potenzielles Handeln noch unverändert beibehaltenes Reisen - mit systemstabilisierendem Einfluss über bestehende, jedoch zukünftig zu verändernde Konsumnachfrage reduzieren weniger Reisen - als ungerichteter Einfluss über kontrahierende Konsumnachfrage Unterlassen nicht Reisen - als ungerichteter Einfluss über kontrahierende Konsumnachfrage reflektierte Teilnahme kriteriengeleitetes Reisen - als gerichteter Einfluss über gezielt expandierende Konsumnachfrage (nachhaltiger Sporttourismus) Einflussnahme politisches Engagement zur nachhaltigen Gestaltung oder Ablehnung von (fragwürdiger) Sportinfrastruktur und Sportevents Tab. 49: Individuelle Handlungsoptionen nachhaltigen Sporttourismus. Quelle: eigene Darstellung Abschließend soll die Frage aufgeworfen werden, inwieweit nachhaltiger Sporttourismus weiterentwickelt werden kann. Das in Abb. 58 aufgezeigte Prinzip des Flaschenzuges soll metaphorisch darauf hinweisen, dass zur „eigentlichen“ Beförderung ein ungleich längerer Weg zurückzulegen ist. Die Akteure Staat, Wirtschaft, Non-Profit-Organisationen und die privaten Haushalte stehen zweifellos in der Verantwortung, diesen Weg in einem soweit als möglich gleichberechtigten und nicht hegemonial geführten öffentlichen Diskurs zu beschreiten. Nachhaltige Angebote sind finanziell (Fördermittel), symbolisch (Auszeichnungen) und medial (positive Berichterstattung) zu unterstützen und von den Anbietern in Umfang und Qualität weiterzuentwickeln. Nicht-nachhaltige Angebote sind stärker zu besteuern, da ohne die Lenkungsfunktion des Staates Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zwar mit Verve vorgetragen werden, ihre Realisierung jedoch mit der Orientierung am Wachstumsparadigma und Maximalprofit an limitierende Grenzen stößt. <?page no="290"?> 4.3 Nachhaltige Konzepte und Sporttourismus 293 Die symbolische und als Normalität vermittelte Aussage an Kinder und Jugendliche, dass für Schnäppchenpreise „mal eben“ Flüge in die europäischen Metropolen oder 7-Tage-all-inclusive-Urlaube an die Mittelmeerküste für niedrige dreistellige Beträge möglich sind, ist verhängnisvoll. Mit einem potenziellen Wegfall touristischer Lockvogelangebote und dem Zuwachs an nachhaltigen Angeboten ergäbe sich allerdings ein insgesamt höheres Preisgefüge. Die Preissensibilität jenseits der kleinen Gruppe an Nachhaltigkeit orientierter Konsumenten ist zudem stark ausgeprägt. Aus nachvollziehbaren Gründen! Die Reallöhne sind in den letzten 20 Jahren deutlich hinter der realen Produktivität zurückgefallen und ergeben einen Betrag von über 1.500 Mrd. Euro Lohnverzicht. Diese Umverteilung führte zu einer Reallohnstagnation, so dass in der Tat der Anteil der preissensiblen Konsumenten steigt. (Darüber hinaus sind die umverteilten Gelder von den Unternehmen mangels Renditemöglichkeiten nicht adäquat als Investitionen eingesetzt worden.) Die Stärkung der Binnennachfrage durch eine politisch wie sozial dringend gebotene nachholende Entwicklung mittels Steigerung der Lohnquote und Anpassung an die Produktivitätsentwicklung würde es zunehmend mehr Konsumenten ermöglichen, ihre preissensible Haltung (zumindest teilweise) aufzugeben und bei entsprechend medialer Unterstützung auf faire, nachhaltige touristische Dienstleistungen zurückzugreifen. Die konkreten positiven sinnlichen Erlebnisse und Erfahrungen, Lust und Genuss nachhaltiger Reisen, verbunden mit tieferen Einsichten und Erkenntnissen, auch über die soziale Lage der am Tourismus Beteiligten, der lokalen Bevölkerung und die Umweltbedingungen sollte die weitere Nachfrage für nachhaltige Reiseangebote unterstützen. 193 Nachhaltiger Sporttourismus ist nicht, wie vielleicht vorschnell anzunehmen ist, vornehmlich auf die sozialökologischen und liberal-intellektuellen Milieus auszurichten, sondern ist prinzipiell eine Frage und ein Angebot für alle Milieus und Schichten. 194 Das zeigt auch die Geschichte der Arbeiterbewegung, insbesondere 193 Die Vermittlung von Zusammenhängen muss nicht zwingend einer bildungsorientierten Konzeption unterliegen, sondern kann auch über Formen des adressatenspezifischen Edutainments Initialzündungen hervorrufen, die zu weiteren eigenständigen Aktivitäten bzw. Erkenntnissen führen. Edutainment sollte sich jedoch deutlich von oberflächlichen und beliebigen „Nur-Spaß-Angboten“ unterscheiden, da diese kaum den notwendigen Bezug zur bereisten Umwelt herzustellen vermögen. Aus einer distanzierten (dekontextualisierten) Haltung sind praktisch-nachhaltige Aktivitäten nicht zu erwarten. Das gilt für Anbieter wie für Reisende/ Touristen gleichermaßen. 194 Überdies ist der „ökologische Fußabdruck“ der oberen Schichten ohnehin aufgrund des durchschnittlich größeren Wohnraums und des umfangreicheren motorisierten <?page no="291"?> 294 4 Perspektiven der Naturfreunde und ihrer damaligen sowie derzeit entwickelten Konzepte einer sporttouristischen Praxis, die mit dem Eintreten für eine ökologische und sozial gerechte Umwelt verbunden ist. Abb. 58: Beförderung eines Nachhaltigen (Sport-)Tourismus. Quelle: eigene Darstellung Wenn die Beförderung eines nachhaltigen Sporttourismus im Fokus steht, dann allerdings unter den derzeitigen rahmenwirtschaftlichen Bedingungen eines nach wie vor existierenden ungehemmten Wachstumsparadigmas. Insofern kann der zurückgelegte Weg (anders als es die vier Bereiche der Grafik in Abb. 58 suggerieren) zeitlich langfristiger als gedacht sein und die Beförderung entsprechend kurz ausfallen. Das spricht jedoch nicht gegen vorerst funktionsfähige „Rollen“ und für eine noch zu figurierende umfassende Art tatsächlich nachhaltiger und nicht simulativer Politik sowie nachhaltigen Wirtschaftens, Konsumierens und Tätigseins! Individualverkehrs deutlich höher, als dies notgedrungen bei den ökonomisch unteren Schichten der Fall ist. Nachhaltiger (Sport-) Tourismus sinnliche Erfahrung öffentlicher Diskurs Kaufkraft Angebot • Staat • Wirtschaft • NPO • private Haushalte <?page no="292"?> Literatur 2hm & Associates (2012): Wirtschaftsfaktor Sport in Deutschland. 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Bewegungskultur 23 Ästhetik 41 Athen 88 Atlanta 88, 105 Aufstiegshilfe 270 Aurich 233 Ausdauersport 161 Ausdauersportarten 113 Ausfallbürgschaften 91 Automobilsport 272 Autonomie des Sports 63 Autostadt Wolfsburg 82 B Ba Game 246 Bad Tölz 233 Bad Zwischenahn 233 Baden-Württemberg 71, 75 Bäder 207, 288 Badereisen 17 Barcelona 88, 138 barrierefreie Gestaltung 290 barrierefreier Tourismus 186 Barrierefreiheit 64 Basel 248 Baskenland 245 Basketball 213, 228 Bayerischer Wal 238 Bayern 71, 75, 241 Beachsport 207 <?page no="319"?> 322 Index Beachvolleyballcamps 50 Bedürfnisse 35 Beherbergungswesen 215 Behindertensport 89 Behinderung 186 Belgien 144 Benelux-Staaten 142 Bergehalden 77 Bergführer 36 Bergsport 71, 213 Bergsteigen 18, 183, 271 Bergwandern 199 Berlin 84, 88, 96 Berufsschulferien 185 Beschneiungsanlagen 274, 275 Betriebsausflüge 109, 118, 119 Betriebssport 108, 109, 112, 113, 114 Bett + Bike 158 Bewegungskultur 25, 37 Bid Book 90, 117 Bike Arena Sauerland 69 Bike-Hotel 221, 223 Bikepark Winterberg 69, 206 Bildungsurlaub 142 Bildungswerke 197 Billardcenter 207 Biosphärenreservate 65 Boardercross 210 Bob 210 Bochum 79, 99 Bodenseeregion 234 Borken 269 Borkum 233 Bosseln 248 Boston 89 Bottrop 80 Bouldern 206 Boule Lyonnaise 45 Bowlingcenter 207 Boxen 113, 229 Brandenburg 71 Brasilien 50, 89 Breckerfeld 235 Breisach 233 Breitensport 89, 196 Brüssel 244 Bundesleistungszentren 65 Bundesstützpunkte 65 Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e.V. 204 Bunert Laufreisen 256, 259 Burgenland 194 C Calimera 230 Camel-Trophys 120 Camp Nou 246 Campingplätze 215 Capoeira 50 Carving-Ski 209 Castells (Katalonien) 50, 243, 249, 251 Chamonix 52 Champions League 192 Champions-League-Finale 87, 96 Cheese Rolling 244, 249 Chemnitz 82 Chiemgau 241 Climbers Paradise 239 Clubanbieter 54, 195 Clubanlagen 42, 45, 49, 50, 201, 215, 217, 229, 234, 251 Clubhotel 230 Club-Med 230 Cluburlaub 20, 34, 57 Coaching 195 Coesfeld 269 Connoisseure 46 COSTA 227 <?page no="320"?> Index 323 D Dänemark 244 Daseinsvorsorge 62, 85, 89 Davos 52 DER-Touristik 255, 264 Destination 31, 41, 45, 52, 70, 193, 234, 236 Destinationsmarketing 51 Destinationsraum 237 Destinationsumwelt 34, 36, 54 Deutsche Jugendkraft 147 Deutsche Olympische Gesellschaft 21 Deutscher Heilbäderverband 225 Deutscher Kanu Verband e.V. 280 Deutscher Medical Wellness Verband 225 Deutscher Städtetag 90 Deutscher Tourismusverband e.V 280 Deutscher Wanderverband e.V. 204 Deutscher Wellness Verband 225 Deutsches Turnfest 87, 193 DH Sports Travel 264 Dive Center 201 Drachenbootrennen 113 Dresden 233 Dubai 31 Duhner Wattrennen 243, 248 Duisburg 74, 82, 230, 231, 233 Dunlop Drivers Cup 120 Düsseldorf 82, 87, 99, 232, 235 E Eberhardt 259 Eging am See 234 Eifel 74, 240 Eifel-Tourismus GmbH 235 Eigenbetrieb 62 einheimische Bevölkerung 43, 45, 68 einheimische Zuschauer 93 Eis-Galopprennen 248 Eishallen 206 Eishockey-WM 108 Eislaufen 229 Eislaufhalle 31, 206, 207 Elbsandsteingebirge 52, 241 Erbach 233 Erholung 30 Erholungsreisen 31 Erholungsurlaub 185 Erlebnisbad 221 Erlebnispädagogik 157 Erlebnissport 22, 35, 238, 264 Ernährung 218 Essen 74, 78 Estland 246 Eugene, Oregon 105 Euregios 68 Europa League 192 Europäische Sportstadt 82 European City of Sport 82 Eventisierung 89 Exkursionen 131 Explorationsverhalten 31, 33, 39, 44 explorative Aktivitäten 32 Extreme Artic Challenge 120 Extremsport 121 F Fahrrad 19, 44, 267 Trainingslager 44, 45 Fahrradabteil 269 Fahrradfahren 65, 70, 71, 142, 172, 173, 198, 229, 272, Siehe Rad fahrradfreundliche Betriebe 222 fahrradfreundliche Unterkünfte 221 fahrradfreundlicher Betrieb 221 Fahrradfreundlicher Gastbetrieb 222 Fahrradreise 166, 283 Fahrradtouren 142 Fahrradtourismus 7, 66, 158 <?page no="321"?> 324 Index Fahrradverleihsystem 158 Fahrradwagen 269 Fallschirmspringen 270 Fans 46, 192, 193 Ferien-Camps 131 Feriendörfer 217, 233 Ferienparks 216 Festkultur 247, 249, 250 Fierljepcentrum 247 Fierljeppen (Nordfriesland) 247, 250 Fiesta de San Andrés, Teneriffa 249 Fitness 198, 213, 216 Fitnessanlagen 205 Fitnessbereich 228 Fitnesscenter 288 Fitnessstudio 45, 205 Fitnesstraining 23, 238 Flamen 245 Flowrider 270 Fluchtbewegungen 270 Flugsport 272 Flussschwimmen 248 Förderung 90 staatliche 63 Forschungsalpinismus 17 forum anders reisen 22, 279, 280, 282 Frankfurt 82 Frankreich 142, 154, 245, 246 Freestyle 210 Freiraumflächen 81 Freizeit Para-Special-Outdoorsports e.V. 259 Freizeitparks 274 Friesland 245, 249 Frosch Sportreisen 133, 256, 257, 260 FTI 255 Funktionäre 92 Funktionsträger 192, 193 Fußball 68, 113, 172, 213, 228, 229, 290 Fußballschulen 201 Fußballstadien 84 Fußballweltmeisterschaft 89, 99 Fußball-Weltmeisterschaft 88 G Gaelic Football 50, 250 Gästeführung 203 Gelsenkirchen 84 Gentrifizierung 88, 209, 288 Geoinformationen 211 Gepäckservice 271 Gerlev Legepark 244 Geschlechterverhältnis 43 geschlechtsspezifische Unterschiede 170 Gestaltung 209 Gesundheit 34, 65, 153, 198 Gesundheitssport 36, 147 Gesundheitstourismus 22, 310 Gewerkschaften 153 Gleitschirmfliegen 49, 272 Glima 246 Globetrotter 241 Gloucestershire 244, 249 Golf 228 Golfanlagen 207, 289 Golfhotel 218, 223, 224 Golfplatzbau 274 Golfplätze 31, 209, 285, 290 Golfschulen 201 Golfsimulator 229 Golfsport 23, 43, 71, 76, 97, 119, 124, 126, 161, 213, 229, 238 Golfurlaub 166 Goslar 237 Göttingen 237 Gouren 246 GPS-Geräte 211 <?page no="322"?> Index 325 Gran Canaria 45 Grand Tour 16, 17 Graubünden 89, 194 Grecotels Clubs 230 Greetsiel 243, 244 Grenoble 88 Groundhopper 46 Groundhopping 189, 200 Gruppentrainingslager 195 Guides 36, 45, 262 Gunststandorte 32 Gymnaestrada 193 Gymnastik 41, 216 H Hamburg 82, 226 Hannover 82, 232 Harz 234, 237 Nationalpark 235 Heidiland 194 Heliskiing 270 Heli-Skiing 270, 280, 284, 289 Hennef 230 Hessen 71 Hiddensee 269 Highland Games 50, 250, 251 Himalaya 271 Hindernisläufe 119, 120, 121 Hinsbeck 234 Hochschulsport 132 Hochseilgarten 207, 233 Hochseilklettergarten 80 Hochseilparcour 78 Hoefer Sport und Reisen 258 Hofstade (Zemst) 244, 258 Holland 252 Holzschlittenfahren 246 Hormersdorf 233 Hornussen 248 Hotellerie 53, 170 Hotels 215 Hotelschwimmbäder 221 Hurling, Irland 248 Husky-Rennen 271 Hütten 225 I Ikarus Tours 259 Imagebildung 62 Imageeffekte 93, 102 Immaterielles Weltkulturerbe 251 Indoor Skydiving 80 Indoorhallen 209 Indoor-Kletter-Anlage 79 Industriekultur 75 Inline Skating 229 Innsbruck 88 Input-Output-Analyse 103 Instrukteure 253 International Porter Protection Group 271 Internationale Bauausstellung 75 Internationales Olympisches Komitees 105 Inwertsetzung 81 Irland 50 Island 246 Isle of Man 272 Italien 142 ITS 255 J Jagdsport 213 Jet-Skiing 284 Joggen 173, 228 Jugendfahrten 154 Jugendfreizeiten 154 Jugendgästehäuser 138 Jugendherbergen 138, 215 Jugendreiseveranstalter 139 K Kaatsen 243 <?page no="323"?> 326 Index Kaatsmuseum, Franeker 250 Kajakfahren 48 Kamen 230 Kampfsportarten 98 Kanarischen Inseln 246, 247 Kanu 19, 44, 131, 133, 138, 142, 161, 267, 272, 280 Kanufahren 140 Kärnten 241 Kartbahn 207 Kartfahren 233 Kartsport 272 Katalanien 243, 245 Katalonien 50, 245 Kaufkraftverschiebungen 93, 94 Kegelspiele 246 Kern des Reisens 28, 31, 32, 33 Kiiking 246, 252 Kirche im Tourismus 149 Kirche und Sport 145 Kirkwall, Schottland 246 Kitesurfen 52, 241, 272 Kitzbühler Alpen 194 Klassenfahrten 131, 137, 139, 157 Klettergebiete 239 Kletterhallen 206, 207 Klettern 17, 44, 48, 52, 155, 206, 229, 238, 241 Kletterregion 236 Klingenthal 233 Klootschieten 249 Köln 82, 84, 108 kommerzielle Sportanbieter 119 kommunale Sporthallen 49 Konsum 39 Konversion 76, 77, 81 Korea 88 Körperkulturbewegung 201 Körperverständnis 43, 50 Korruption 106 Kortebaandraverij 252 Kosovo 66 Kosten-Nutzen-Analyse 102, 288 Kraft durch Freude 19 Kreuzfahrten 34, 215 Kreuzfahrtschiffe 45, 215, 226, 285 Kreuzfahrttourismus 285 Kroatien 195 Kulturbezug 44 kulturelle Unterschiede 42 Kurhotels 216 Kurort 17, 225 Kursleiter 253 L Landschaft 31, 41, 44 Landschaftsbezug 44 Landschaftsbild 102 Landschaftspark 77, 78 Landwirtschaft 43 Langebrück 233 Langeweile 34 Laufen 113, 172, 213, 229 Laufveranstaltungen 92, 119, 133 Lawinen 270 Leichtathletik 23, 213 Leichtathletik-WM 105 Leipzig 84 Leistungssport 60 Leverkusen 99 Ligabetrieb 190 Lillehammer 88 Lindner-Hotels 225 Loipen 71 lokale Bevölkerung 82 London 88, 138 Lörrach 82 Los Angeles 88 Lucha Canaria 246 <?page no="324"?> Index 327 M Madeira 246 Magic-Life Clubs 230 Makkabi 148 Malente 231 Mallorca 250 Mallorcinische Steinschleudern 248 Mannheim 108 Marktplatzspringen 251 Marlboro Tours 120 Massage 218 Massentourismus 20 Matchtraining 195 Mecklenburg 143 Mecklenburg-Vorpommern 71 Medienvertreter 92, 193 Meinerzhagen 233 Metropolregion Ruhr 74 Metropolregionen 92, 107 Mitradelzentrale 158 Mittelgebirge 234 M-Klasse World Tour 120 Mobilitätsanspruch 27 Mobilitätsdienstleistungen 266 Mobilitätsform 33 Mobilitätspartnerschaften 158 Mobilitätsverhalten 47 Mönchengladbach 99 Montenegro 66 Montreal 88 Moskau 88 Motorflugzeug 280 Motorradfahren 272 Motorradfahrer 54 Motorsport 41, 213, 240, 290 Mountainbike 127, 140 Mountainbikeareale 207 Mountainbike-Guide 262 Mountainbiken 48, 52, 238 Guides 260 MSC 227 Multifunktionsanlagen 207 Multiplikatoreffekt 103 München 82, 87, 88 Münster 235, 248 Münsterland 74, 241, 269 Müritz 143 N NABU 227 nachhaltige Konzepte 279 nachhaltiger Sporttourismus 275, 293, 294 nachhaltiger Tourismus 63, 65, 156 Nachhaltigkeitsdiskurs 120 Nagano 88 Naherholungsgebiet 76 Nationalparks 65 Natours 258 Naturerlebnisprogramme 157 Naturfreund 279 Naturfreunde 19, 155, 156, 280, 285, 293 Naturfreundehäuser 157, 225 Naturparks 65 Natursportaktivitäten 34 Natursportarten 23, 48, 52, 53, 54, 157, 201 Naturzeitschriften 212 Neckermann 255 Neugier 44 Neugierverhalten 31, 32, 33, 39 New York 226 New York Marathon 49 Niederrhein 235 Niedersachsen 71 Nissan Offroad Challenge 120 Non-Profit-Organisationen 129 Nordfriesland 243 Nordrhein-Westfalen 71 Nordseeinseln 269 <?page no="325"?> 328 Index Norwegian 227 NRW-Tourismus 74 Nürburgring 70, 207, 272 O Oberammergau 127 Obergurgl in Tirol 225 Oberhof 84 Offroad-Touren 280 ökologische Effekte 102 ökologischer Fußabdruck 293 ökonomische Effekte 102 Ölringen 246 Olympiabewerbung 89, 288 Olympiapark München 82, 148, 209 Olympiastützpunkte 65 Olympische Spiele 15, 88, 89, 100, 274, 288, 290 Oregon 105 Ortsveränderung 32 Osaka 105 Oslo 89 ostasiatische Bewegungskultur 216 ostasiatische Sportkultur 229 Österreich 73, 193, 221 Osteuropa 142 ostfriesischen Inseln 240 Ostfriesland 249 Ottobeuren 233 Outdoor 213 Outdoor-Aktiv-Angebote 157 P P&O Cruises 227 Paintball 207 Pali 250 Palio in Siena 244 Pamplona 249 Peking 88 Pferdesport 98 Pflichtenhefte 90, 99, 108, 117 Pilgern 147, 149 Pilgerweg 150 Planungsverfahren 288 politische Effekte 102 Polstokverspringen 247 Poppe Reisen 257 Portugal 193 Präalpinismus 17 Prävention 216 Produktinnovationen 210 Provence 17 Public Viewing 46, 73 Q Quadfahren 233 Qualifikationsprofil 262 Qualifizierungsmaßnahmen 196 Qualitätsradrouten 158 Querschnittsaufgabe 63 R Raddestinationen 269 Radewegebau 158 Radfahren 63, 138, 233 Radfernwege 158 Radreiseanalyse 158 RadReiseRegionen 158 Radreiseveranstalter 195 Radrennen 98 Radschnellwege 288 Radsport 213 Rad-Trainingslagern 267 Radwanderkarten 222 Radwandern 271 Radwege 209 Radwegenetz 57 Raumaneignung 52 Raumordnung 68 Rebound-Effekt 276, 277 Regenerationsmöglichkeiten 218 Regiebetrieb 62 <?page no="326"?> Index 329 regionale Sportkultur 45 Regionalplanung 68 Regionalverband Ruhr 74 Regionen 234 Rehabilitation 216 Reisebüros 192, 254 Reiseleiter 253, 260 Reiseleitung 203 Reisemittler 254 Reiseveranstalter 54, 119, 170, 192, 193, 203, 251, 252 Reisezeitschriften 212 Reisezentrum 230 Reiten 64, 71, 74, 241, 271 Reitsport 97, 213 Religion 42, 144 Rennrad 127 Rennradfahren 133, 238 Revierparke 76 Rheine 233 Rheinland-Pfalz 71, 242 Rhön 241 Ringen 113 Ringreiten 243, 248 Riu Clubhotels 230 Robinson 255 Robinson-Clubs 230 Rom 138 Rostock 226 Rotenburg (Wümme) 233 Routenplanung 211 Royal Caribbean 227 Rucksack Reisen 257 Rucksackurlaub 166 Rückschlagspiele 23 Ruderboote 267 RUF-Reisen 134 Ruhr Tourismus 74, 235 Ruhrgebiet 234 Ruhrtalradweg 76 Rumänien 195 S Saarland 71 Sachsen 71 Sachsen-Anhalt 71 Saisonabschlussfahrten 196 Salto de Pastor 45, 247 Salzburger Land 73, 194 SalzburgerLand Tourismus 73 sanfter Tourismus 153, 155 Saudi-Arabien 274 Sauerland 235 Sauna 218 Schaatsmuseum, Hindeloopen 250 Schiedsrichter 230 Schießsport 213 Schlammläufe 119, 120, 121 Schlepplifte 270 Schleswig-Holstein 71 Schlickschlittenrennen 243, 244 Schloss Dankern 233 Schneesport 138 Schneesportlehrer 262 Schottland 245, 250 Schulfahrten 137 Schulsport 89 Schwarzwald 194, 238, 248 Schweiz 223, 224, 244, 246 Schwimmbäder 209 Schwimmen 68, 96, 172, 173, 183, 228, 238 Schwimmfähigkeit 178 Schwimmsport 18 Schwingen 246 Schwingfeste 244 Seabob 233 Segelfliegen 241, 270 Segelflugzeuge 267 Segeln 54, 71, 97, 272 Seilschwebebahnen 270 <?page no="327"?> 330 Index Seniorenreisen 152 Seoul 88 Serre Chevalier 52 Sessellifte 267 Shuffleboard 226 Siena 250 Sightjogging 204 Singen 232 Skandinavien 248 Skaten 71 Skatinghallen 207 Ski 210 Ski alpin 199 Skidestination 210, 240 Ski-Destinationen 210 Skiexerzitien 147 Ski-Exkursionen 260 Skifahren 48, 52, 76, 131, 289 Skifahrer 54 Skihalle 80, 81, 205, 206, 207, 210 Skihalle Neuss 73, 210 Skihalle Wittenberg 69 Ski-Jöring 248, 271 Skikurse 133 Skilanglauf 127 Skilaufen 238 Skipisten 225 Skisport 210, 213 Skiurlaub 166 Snowboarden 52 Soccer 207 Soccer Camps 229 Sommerfrische 237 Sonne-Strand-Urlaub 33 Sotschi 89 soziale Pedale 156 soziale Schicht 179 Sozialstruktur 173 Sozialtourismus 19 soziokulturelle Effekte 102 Spanien 193, 245 Speckbrett 248 Spektakel 244, 249 Spezialreiseveranstalter 120, 256 Spiel- und Sportpark 207 Spitzensport 60, 65, 89 Spitzensportförderung 65 Spitzensportler 193 Sport als Wirtschaftszweig 188 kommerzieller 200 naturverträglich 279 organisierter 190 selbstorganisierter 199 Sport im Urlaub 46, 47 Sport- und Olympiamuseum Köln 84 Sport Utility Vehicle 268 Sportagenturen 119, 120, 200, 202 Sportämter 62 Sportanbieter 51 Sportanimateure 49, 253 Sportanimation 36 Sportanlagen 200, 205 Sportarchitektur 200 Sportarchive 84 Sportausrüstung 215 Sportbauten 209 Sportbekleidung 54, 190, 289 Sportbericht der Bundesregierung 65 Sportboote 267 Sportcamp 57 Sportcampingplätze 217, 234 Sportdestination 214, 238, 267 Sportdestinationen 214 Sportentwicklungsplanung 89, 90 Sportevent-Reiseveranstalter 290 Sportevents 73, 83, 104, 287 Sportexerzitien 147 <?page no="328"?> Index 331 Sportfachkräfte 36, 218 Sportferienparks 217, 233 Sportflächen 218 Sportgelegenheiten 288 Sportgepäck 268, 269 Sportgeräte 52, 53, 190, 218, 289 Sportgerätehersteller 53 Sportgroßveranstaltungen 60, 65, 67, 71, 84, 87, 88, 91, 92, 94, 97, 99, 106, 109, 119, 192, 288 Sportgruppen informelle 199 Sport-Guides 260 Sporthotel 49, 50, 218 Sporthotellerie 287 Sporthotels 193, 200, 217 Sporthotels der 1. Generation 217, 220 Sportimonium 244, 250 sportinduzierter Tourismus 46, 47 Sportinfrastruktur 49, 50, 82, 84, 89, 117, 128, 161, 190, 209, 287, 288 Sportinfrastrukturmaßnahmen 67 Sportinterpretation 37 Sportjugendherbergen 217, 232, 233 Sportkongresse 46 Sportkonsum 46, 117 Sportkonzepte 244 Sportkultur 46 alternative 172 flämische 246 ostasiatische 172 regionale 243, 246, 250 Sportlandschaft 18 Sportmedien 212 Sportmuseen 46, 84 Sportpark 80, 82 Sportparkhotel 231 Sportpilger 150 Sportpraxis 48 Sportprofi 49 Sportqualifikation 131, 223 Sportreferentenkonferenz 67 Sportreiseveranstalter 287 Sportresorts 196, 200, 217, 219 Sportsammlungen 84 Sportschifffahrt 66 Sportschloss Velen 219 Sportschulen 42, 196, 200, 217, 230, 231 Sportstadt 82 Sportstätten 84, 85, 288, 289 historische 84 Sportstättenarchitektur 83 Sportstättenbau 20, 21, 42, 65, 209 Sportstätten-Wanderweg 84 Sportsystem 188 Sporttourismus im engen Sinn 46 im weiten Sinn 45, 46 Sporttrainingslager 49 Sporttreiben lebensbegleitend 172 Sporttrends 253 Sportunterricht 178 Sportverbände 60, 67, 87, 106, 128, 190, 196, 217, 230 Sportverein 49 eigene Unterkünfte 217 Sportvereine 21 Sportzeitschriften 212 Squashbetreiber 206 Squash-Center 207 St. Anton 52 St. Moritz 248 Stabtiefsprung 45, 247 Stadionführungen 84 Stadtentwicklung 84 Stadterneuerung 288 Stadtfeste 244, 247, 251 <?page no="329"?> 332 Index Staff 92, 192 Standortfaktor weicher 62, 93 Standortpolitik 88 Standortvoraussetzungen 208 Standseilbahnen 270 Stand-up-Paddling 38 StattReisen 279, 281 Steinschleudern 250 Stierkämpfe 41 Stierrennen 249 Stockholm 89 Strong Man Run 122 Studienreise 33 Studiosus 259 Südafrika 89 Südtirol 245 Surfen 48, 49, 52, 133, 161, 229, 240, 241, 267 Surfparks 270 Surfsimulator 229 Sydney 88 Sylt 52 T Tablas 249 Tagesausflüge 113 Tagesreisen 183 Tagestouren 142 Tanzen 68 Tarifa 241 Tarragona 251 Tauch-Center 207 Tauchen 48, 49, 133, 229, 233, 270 Tauch-Gasometer 81 Tauchsafari 284 Tauchschulen 201 Tauchsport 213 Team Building 113, 119 technische Innovation 210 Technologie 210 Technologisierung 54 Tennis 97, 127, 213 Trainingslager 195 Tennisbetreiber 206 Tennis-Center 207 Tennisschulen 201 Terranova 259 Themenkreuzfahrten 229 Thomas Cook 255 Thüringen 71 Tirol 236, 238 Tischtennis 213, 232 Tokio 88 Tomatina, Bunol 249 Top-Rad-Stop 221 Total-Body-Drill 38 Tough Mudder Run 122 Tour Guiding 189, 202, 203 Tourenangebote 133 Tourismusförderung 68 Tourismuskonzeptionen 70 Tourismusplanung 287 Tourismusregionen 194 Tourist Trophy 272 Trabrennen 271 Tradition 42 Trainer 46, 49, 230 Trainerausbildung 196 TrainerInnen oder LehrerInnen bewegt sich auf drei unterschiedliche Niveaustufen. 262 Trainingslager 42, 49, 50, 61, 193, 196, 227, 230 Trainingslagerreisen 57, 60, 256 Trainingspakete 195 Trainingsverbesserung 50 Transportunternehmen 193 Trekking 283 Trentino 194 <?page no="330"?> Index 333 Treppenlauf 38, 79 Triathlon 127 Tropical Island 69, 207 TTM Sportreisebuero 254 TTours 264 Tubing 38 TUI 255 Tui Best Family Clubs 230 TUI Cruises 227 Turin 88 Türkei 193 Turnen 41, 213 U Ulmer Fischerstechen 243 Umweltaneignung 48 Umweltbildung 157 umweltfreundliche Fortbewegung 279 Ungarn 195 Universiade 132 Unterkünfte vereinseigene 232 Urlaubsanspruch 177 V Venedig 226 Verband Deutscher Berg- und Skiführer e.V. 204 Verband Deutscher Naturparke e.V. 280 Verbier 52 Verdrängungseffekte 93, 100 Verkehrsinfrastruktur 66 Verkehrsträger 266 Verpflichtungsermächtigungen 91 Viabono 279, 280 Vieten Tours 258, 264 Viking Ocean 227 Volkshochschulen 141 Volkspark 76, 82 Volkssportarten 43 Volleyball 213, 228 Voss + Votava Sportreisen 258 W Wakeboarden 133, 270 Wakeboarding 80 Waldpädagogik 157 Walken 228 Walz 16 Wanderhotels 226 Wandern 18, 19, 44, 63, 65, 70, 71, 138, 142, 155, 166, 173, 183, 198, 238, 253, 283 soziales 156 Wandertage 140 Wandertourismus 66 Wanderungen 280 Wanderurlaub 166 Warnemünde 226 Wasserball 195 Wasserkuppe 241 Wasserski 49, 233, 270 Wasserskianlagen 205 Wassersport 71, 213, 283 Wassersportlehrer 262 Wassertourismus 66 Wegenetz 71 Wegerecht 155 Weißensee 241 Wellenreiten 133 Wellenreitschulen 202 Wellness 198, 225 Wellnessanlagen 205 Wellnessbereich 228 Wellnesstourismus 36 Weltkulturerbe immaterielles 244 Wertschöpfungsanalyse 103 Wertschöpfungseffekte 93 Wettkampffahrten 191 Wettkampfmannschaften 190 <?page no="331"?> 334 Index Wikinger 259 Wildwasseranlagen 270 Windsurfen 54, 272 Winterreisen 283 Wintersport 71, 238 Wintersportregionen 64 Wintersporttourismus 18 Winterurlaub 166 Wohlfahrtsverbände 151 Wolfsburg 82 World Medical Health und Games 127, 128 World Sport Games for All 252 X Xanten 235 Z Zahnradbahnen 270 Zillertal 194 Zipline 229 Zittau 82 Zorbing 38 Zuschauer 46, 92 Zwaagwesteinde 247 <?page no="332"?> Thomas Cook stammte aus einfachen Verhältnissen. Seine Geschichte ist deswegen eng mit der der arbeitenden Klasse im England des 19. Jahrhunderts verknüpft. Durch perfekt organisierte Reisen ermöglichte er vielen Menschen eine kurze Flucht aus dem Alltag, der durch harte Arbeit, beengte Wohnverhältnisse und allzu oft auch durch Alkohol geprägt war. Auf geschickte Art und Weise legte er dadurch den Grundstein für ein bereits zu seinen Lebzeiten multinationales Unternehmen und ebnete dem Massentourismus den Weg. Diese Biographie stellt die Person und die widrigen Lebensumstände vor, aus denen sein touristisches Geschäftsmodell und damit auch eine eindrucksvolle Unternehmerkarriere entstanden ist. »[…] ein gut zu lesendes und bestens recherchiertes Werk« berliner-kulturbrief.de »Jörn W. Mundt gelingt der Spagat zwischen spannender Reiselektüre und historischen Fakten.« aus-erlesenes-aus-aller-welt.de »Man fühlt sich glänzend unterhalten« DIE WELT »Jörn W. Mundt hat Cooks Leben sehr genau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis präsentiert er in einem spannenden und lebendigem Sachbuch, das dabei detailreich und anschaulich ist.« rtf1.de ISBN 978-3-86764-496-9 € (D) 19,99 Biographie einer Tourismuslegende www.uvk.de <?page no="333"?> www.utb-shop.de Hablas español? Do you speak English? Ideal für alle Berufseinsteiger Das Taschenbuch vermittelt das notwendige Grundwissen: Es enthält Wortschatzlisten und geht auf die Arbeitssuche, wichtige interkulturelle Aspekte des Arbeitslebens und das Präsentieren auf Spanisch ein. Der Autor vermittelt prägnant das notwendige wirtschaftsenglische Know-how durch Beispieldialoge und Wortschatzlisten. Themen sind u.a. Kontakte knüpfen, telefonieren, E-Mails schreiben, verhandeln und präsentieren. Zudem gibt er interkulturelle Tipps zu Erleichterung der Kommunikation. 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Dieses Buch richtet sich an Studierende der Erziehungs-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. <?page no="335"?> © erikreis iStockphoto LP Alles unter www.utb-shop.de Studienliteratur - wie und wann ich will Kostenloser Versand innerhalb Deutschlands ab 10,00 € Bestellwert 2 Wochen Rückgaberecht Schnelle Retourenabwicklung Online-Zugang Bücher in digitaler Form online lesen und nutzen Einfache und sichere Bezahlung über Paypal, Kreditkarte, Sofortüberweisung oder Giropay Ohne Kundenkonto Bestellung von Printexemplaren ohne Anlegen eines Kundenkontos möglich.