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Marketing, Vertrieb und Distribution

0520
2015
978-3-8385-4198-3
978-3-8252-4198-8
UTB 
Roland Helm
Oliver Mauroner
Michael Steiner

Der Erfolg eines Unternehmens hängt vom optimalen Zusammenspiel zwischen Marketing, Vertrieb und Distribution ab. Das Strategische Industriegütermarketing sowie die Gestaltung und Struktur von Absatzkanälen stehen deswegen im Mittelpunkt dieses Buches. Auch die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel, die Sortimentsgestaltung und die Vorteile einer Multi-Channel-Strategie werden beleuchtet.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 4198 <?page no="2"?> Roland Helm Oliver Mauroner Michael Steiner Marketing, Vertrieb und Distribution UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz und München <?page no="3"?> Über die Autoren Univ.-Prof. Dr. Roland Helm ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaft, insb. Strategisches Industriegütermarketing, an der Universität Regensburg. Jun.-Prof. Dr. Oliver Mauroner leitet die Junior-Professur für Innovations- und Kreativmanagement an der Bauhaus-Universität Weimar. Univ.-Prof. Dr. Michael Steiner ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Universität Witten/ Herdecke. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: Sergey Nirew, fotolia.com Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4198 ISBN 978- 3- 8252-4198-8 <?page no="4"?> VVorwort Fachbücher geben einen Überblick zu einem Themenbereich insgesamt, oder zu einem Teilbereich. Beides soll mit dem vorliegenden Werk „Marketing, Vertrieb und Distribution“ nicht verfolgt werden. Es handelt sich demnach um kein Buch, das sich spezialisiert oder einen Überblick zu einem Themenbereich geben will, und folgt damit nicht dem üblichen „way of doing things“. Vielmehr soll ein Einblick in die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von zwei zusammenhängenden Funktionen des Marketing-Mix vermittelt werden, nicht jedoch, ohne zuvor auf die übergreifende Klammer des strategischen und operativen Marketing einzugehen, um die Einordnung dieser Funktionen zu gewährleisten. Vertrieb und Distribution werden oft - auch mit Marketing per se - gleichgesetzt. Beide setzen jedoch an vorangegangenen Aktivitäten innerhalb des Marketing an: Sie zielen darauf ab, die Leistungen des Unternehmens auf den Märkten abzusetzen, ihnen einen Marktzugang zu verschaffen. Bei Vertrieb und Distribution handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Weisen in zwei verschiedenen Markttypen. Dieses Spannungsfeld soll in dem vorliegenden Buch näher beleuchtet werden. Das Buch richtet sich demnach an Leser, die einen tieferen Einblick in den Bereich der Distributionspolitik auf vornehmlich Konsumgütermärkten und im Gegensatz dazu aber auch in den Bereich der Vertriebspolitik auf (internationalen) Industriegütermärkten gewinnen wollen. <?page no="6"?> IInhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... 5 1. Marketing im Spannungsfeld von Vertrieb und Distribution ............................................ 11 2. Marketing ................................................................................ 15 2.1 Marketing als Pendant zur betrieblichen Wertschöpfung.. 15 2.1.1 Marketing: mehr als Vertrieb und Werbung? ...................... 15 2.1.2 Marketing als absatzmarktorientierte Planung und Steuerung von Unternehmen......................................... 18 2.2 Phasen der Marktorientierung und Marktbearbeitung ....... 24 2.2.1 Schaffung neuer Märkte ......................................................... 24 2.2.2 Ausweitung des Marktes......................................................... 27 2.2.3 Sicherung des bisherigen Markterfolgs................................. 29 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens ..... 31 2.3.1 Zum Ablauf der Planung im Marketing ............................... 32 2.3.2 Determinierung des Leistungsangebots des Unternehmens................................................................... 36 2.3.3 Art des Wettbewerbsvorteils.................................................. 52 2.3.4 Kennzeichen eines erfolgreichen Marketing im Management von Unternehmen............................................ 63 2.4 Informationsbasierte Entscheidungen im Marketing ......... 69 2.5 Intuitive versus analytische Entscheidungsfindung ............ 73 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene ... 79 2.6.1 Produkt- und Leistungspolitik ............................................... 80 2.6.2 Preis- und Konditionenpolitik ............................................... 88 2.6.3 Kommunikationspolitik........................................................ 100 2.6.4 Distribution und Vertrieb..................................................... 110 <?page no="7"?> 8 3. Vertrieb im B2B-Marketing .............................................. 115 3.1 Bedeutung des Vertriebs im Industriegütergeschäft......... 115 3.1.1 Vertrieb und Vertriebsmanagement als Wettbewerbsfaktoren............................................................ 115 3.1.2 Begrifflichkeit und Inhalt des Industriegütermarketing ... 118 3.1.3 Aufgaben von Vertrieb und Vertriebsmanagement ......... 121 3.2 Vertriebsstrategie ................................................................... 125 3.2.1 Anforderungen an die Vertriebsstrategie und deren Ausgestaltung ......................................................................... 125 3.2.2 Vertrieb und Lebenszyklusphasen von Kundenbeziehungen............................................................................ 128 3.3 Vertriebsorganisation ............................................................ 130 3.3.1 Stellung und Organisation des Vertriebs in Unternehmen ................................................................................... 130 3.3.2 Spezialisierung des Vertriebs................................................ 134 3.3.3 Integration der Vertriebs- und Absatzkanäle: Direkter versus indirekter Vertrieb ..................................................... 139 3.3.4 Organisation des Außendienstes: interne versus externe Vertriebskanäle ...................................................................... 141 3.3.5 Kombination unterschiedlicher Vertriebsformen............. 147 3.3.6 Kundendienst und Key-Account-Management ................ 150 3.3.7 Elektronischer Vertrieb, E-Procurement und E-Business .............................................................................. 155 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management ........... 158 3.4.1 Planung der Vertriebsaktivitäten ......................................... 158 3.4.2 Vertriebscontrolling .............................................................. 174 3.4.3 Management des Außendienstes ......................................... 184 3.5 Verhandlungen und Verhandlungsmanagement/ persönlicher Verkauf............................................................. 188 3.5.1 Verhandlungsführung und Vertriebsteams ........................ 189 3.5.2 Verhandlungsinhalte.............................................................. 193 <?page no="8"?> 9 3.5.3 Preis- und Finanzierungsaspekte im Vertrieb.................... 195 3.6 Internationaler Vertrieb ........................................................ 197 3.6.1 Auswahl und Bearbeitung internationaler Märkte ........... 197 3.6.2 Internationale Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien ................................................ 205 3.6.3 Institutioneller internationaler Markteintritt ...................... 211 3.6.4 Finanzierungsaspekte im internationalen Vertrieb .......... 216 4. Distribution und Handel .................................................... 221 4.1 Bedeutung der Distribution im Konsumgütergeschäft .... 221 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive ............................... 222 4.2.1 Gestaltung der Struktur des Absatzkanals ......................... 223 4.2.2 Motivation der Handelspartner ........................................... 237 4.2.3 Gestaltung der Kooperation zwischen Hersteller und Handel ..................................................................................... 239 4.3 Distribution aus Handelsperspektive.................................. 242 4.3.1 Sortimentsgestaltung ............................................................. 242 4.3.2 Optimierungsansätze der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Händler ......................................................... 247 4.3.3 Multi-Channel Strategie ........................................................ 251 Literatur............................................................................................... 257 Index .................................................................................................. 269 <?page no="10"?> 11. Marketing im Spannungsfeld von Vertrieb und Distribution Die Elemente Vertrieb und Distribution im Marketing-Mix eines Unternehmens haben in diesem oft einen eher untergeordneten Stellenwert, nicht jedoch für das Unternehmen im Hinblick auf seine langfristige Existenzberechtigung und Wirtschaftlichkeit. Schließlich determinieren die Effektivität und Effizienz von Vertrieb und Distribution im Sinne von Verkauf die Umsätze des Anbieters. Die Distributions- und Vertriebsaktivitäten müssen sich natürlich an der strategischen und operativen Marketingplanung ausrichten, so zum Beispiel an der Art, Erklärungsbedürftigkeit, Nachfragedichte und After-sales-Intensität der Produkte. Daher werden überblicksweise die Grundgedanken zum Marketing im Unternehmen im Allgemeinen und zum Marketing-Mix im Speziellen vorangestellt. Vertrieb und Distribution werden oft - auch mit Marketing selbst - gleichgesetzt. Beide setzen jedoch an logisch vorangegangenen Aktivitäten innerhalb des Marketing an: Sie zielen darauf ab, die Leistungen des Unternehmens auf den Märkten abzusetzen, ihnen also einen Marktzugang zu verschaffen, indem den Kunden die Gelegenheit geschaffen wird, sich mit den Produktangeboten auf die von ihnen gewünschte Weise vertraut zu machen. Auf Konsumgütermärkten geschieht dies vornehmlich durch einen sog. indirekten Vertrieb, d.h. der Vertrieb des Herstellers sorgt durch entsprechende Aktivitäten dafür, dass geeignete Absatzmittler (Handelsunternehmen) die Produkte in ihre Regale nehmen. In der Distributionspolitik wird demnach geplant, wie die Endkunden physisch an das Produkt gelangen, die Aktivitäten liegen bei anderen Unternehmen. Eine entsprechende Kommunikation mit den Kunden geschieht dabei sowohl durch den Handel als auch durch den Hersteller selbst. Beides erfolgt zuweilen auch abgestimmt im Rahmen der Bemühungen um Efficient-consumerresponse oder vertikales Marketing. Die Endkundenkontakte liegen allerdings beim Absatzmittler. <?page no="11"?> 12 1 Marketing im Spannungsfeld von Vertrieb und Distribution Auf Industriegütermärkten hingegen erfolgt der Absatz der Produkte vornehmlich nicht durch unternehmensexterne Absatzmittler, sondern häufig durch (das eigene) Vertriebspersonal. Die organisatorischen Strukturen des Vertriebs sind dabei sehr mannigfaltig, je nachdem, welche nationalen und internationalen Märkte in einer bestimmten Intensität bearbeitet werden sollen. Die Vertriebspolitik umfasst dadurch mehrere direkte Planungs- und Steuerungsaspekte, da alle Aufgaben und Funktionen des Marktzugangs und Kundenkontakts beim Anbieter liegen. Vertriebs- und Distributionspolitik sind also keineswegs überschneidungsfreie Alternativen eines Unternehmens, sie verfolgen dieselbe Zielfunktion. Grundsätzlich lässt sich aber konstatieren, dass auf Konsumgütermärkten (sog. Business-to-Consumer-Märkte, B2C) sehr häufig ein indirekter Absatz über (nationale) Handelspartner erfolgt. Diese Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und Handel wird durch den Vertrieb des Herstellers aufgebaut und aufrechterhalten. Dagegen sind Industriegütermärkte (im weiteren Sinn sog. Business-to-Business-Märkte, B2B) häufig durch (internationalen) Direktvertrieb und direkten Kontakt zwischen Hersteller und Abnehmer geprägt. Aufgaben, Anzahl der Kunden, (End-)Kundenzugang, Internationalität etc. unterscheiden sich somit deutlich zwischen Distributions- und Vertriebspolitik. Wie oben beschrieben gibt es auch zahlreiche Überschneidungen. So findet man in vielen Industriegüterunternehmen Distributionsfunktionen vor, wenn es beispielsweise um die Ersatzteilversorgung des Kunden geht oder wenn das Unternehmen sich im sog. Geschäftstyp „Produktgeschäft“ (Backhaus und Voeth 2009, 209) befindet. In Industrie- und Konsumgütermärkten werden zudem vielfach Key-Account-Management oder eine Vertriebs-Matrix-Organisation umgesetzt. Da sich jedoch schon vor dem Hintergrund der beiden verschiedenen Markttypen (Industrie- und Konsumgütermärkte) Divergenzen in den beiden Ausprägungen dieses Funktionalbereichs des Marketing ergeben, werden diese beiden zentralen Aspekte des Marketing-Mix - Vertrieb und Distribution - im vorliegenden Buch nacheinander und gesondert betrachtet. <?page no="12"?> 1 Marketing im Spannungsfeld von Vertrieb und Distribution 13 Der Aufbau des Buchs folgt damit dieser Logik. Im nachfolgenden Kapitel werden sowohl die strategischen Grundsätze des Marketing im Sinne einer an den Absatzmärkten ausgerichteten Gesamtunternehmenspolitik aufgezeigt als auch auf die Kernpunkte der einzelnen Bereiche der operativen Marketingpolitik eingegangen. Der Bereich Vertrieb/ Distribution wird in diesem Teil des Buches bewusst knapp gehalten, die operativen Teilbereiche Produkt-, Preis- und Kommunikationspolitik werden in äußerst prägnanter Form präsentiert. Der Fokus dieses Kapitels liegt somit konsequenterweise auf den Grundsätzen des Strategischen Marketing. Vertrieb, Vertriebsstrategien und Vertriebsmanagement stehen im Fokus des dritten Kapitels. Sie stellen Bindeglieder zwischen den Kunden, deren Bedürfnissen und Anforderungen sowie den Herstellern bzw. den konkret angebotenen Leistungen dar. Insofern ist der Vertrieb dafür verantwortlich, dass Leistungen tatsächlich vermittelt und Umsatzerlöse auch wirklich erzielt werden können. In dieser Funktion ist es Aufgabe des Vertriebs, die Beziehungen zu Kunden aufzubauen, zu pflegen, zu erhalten, kurzum zu managen. Der Schwerpunkt in diesem Teil des Buches liegt darauf, die Besonderheiten des Vertriebs und des persönlichen Verkaufs im Rahmen des Industriegütermarketing darzulegen, da hier häufig kurze, direkte, betreuungsintensive und durch persönliche Beziehungen geprägte Marktkanäle vorliegen. In einem solchen Umfeld stellt der Vertrieb ein strategisches Instrument der Differenzierung dar. Der letzte Teil des Buches widmet sich der Frage, wie die Geschäftsbeziehungen zwischen Hersteller und Handel (innerhalb der Distributionspolitik) gestaltet werden können. Die Ziele der Hersteller (z.B. hohes Produktimage) und der Händler (z.B. niedriges wahrgenommenes Preisniveau) stehen häufig im Gegensatz zueinander. Hersteller und Händler müssen trotz dieser und zahlreicher weiterer Zielkonflikte den Absatz der Produkte möglichst effektiv und effizient gestalten. Deshalb werden in diesem Teil zunächst Gestaltungsoptionen aus Hersteller- und danach aus Handelsperspektive beschrieben. Einen Schwerpunkt bilden Möglichkeiten zur Konfliktvermeidung und Kooperationsoptionen mit dem Ziel, den Ergebnisbeitrag der Distribution für beide Parteien zu erhöhen. <?page no="14"?> 22. Marketing 2.1 Marketing als Pendant zur betrieblichen Wertschöpfung 2.1.1 Marketing: mehr als Vertrieb und Werbung? Bis Mitte der 1950er Jahre erforderte es in allen Wirtschaftsbereichen nur bescheidene Anstrengungen, um die produzierten Güter auch abzusetzen. Ein aktives Marketing war demnach nicht notwendig, es beschränkte sich vielfach auf die werbliche Bekanntmachung und Verteilung des eigenen Angebots. Bei einem Großteil der Unternehmen der meisten Branchen hat sich seitdem die Situation in ihren angestammten Märkten drastisch verändert. Nicht mehr die Herstellung, sondern der Absatz der Sach- und Dienstleistungen bildet jetzt den Dreh- und Angelpunkt des unternehmerischen Bemühens. Dies stellt den Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen dar, die eng mit der sog. arbeitsteiligen Wirtschaft verbunden sind. Diese ist dadurch charakterisiert, dass der Einzelne weder all das hervorbringen kann, was er benötigt, noch das zu verbrauchen vermag, was er produziert. Die Erstellung von Leistungen im Unternehmen muss demnach zwingend um die Verwertung ergänzt werden. Letztere stellt für die Betroffenen solange keine ernsthafte Herausforderung dar, wie die Nachfrage das Angebot übersteigt. Die Anstrengungen dessen, der etwas abgeben will, beschränken sich in diesem Fall im Wesentlichen - wie eingangs bereits dargestellt - auf die Erfüllung der Kommunikations- und Verteilungsfunktion. Nichts anderes hat der Begriff Marketing ursprünglich zum Ausdruck gebracht. Es ging also lediglich um die Vermarktung von Erzeugnissen, die mit nur geringem Aufwand abgesetzt werden konnten. Diese Phase ist aber auch in Märkten, die im Allgemeinen in den westlich orientierten Industrieländern als gesättigt bezeichnet werden können, noch nicht völlig vorüber. Noch immer fehlt es in <?page no="15"?> 16 2 Marketing weiten Teilen der Welt an einem adäquaten Angebot an Konsum- und Investitionsgütern, und zwar gerade deswegen, weil nicht genügend kaufkräftige Nachfrage existiert. Nicht selten liegt dies daran, dass der ordnungspolitische Rahmen und die Infrastruktur für eine wirtschaftliche Betätigung keine Basis bieten. Der Wettbewerb ist insoweit nur spärlich entwickelt, dass es i.d.R. nicht einmal bescheidener Bemühungen bedarf, Abnehmer für das oft qualitativ unzureichende und überteuerte Angebot zu finden. Neu entstehende Branchen in westlichen Industrieländern kämpfen dagegen trotz gegebener Nachfrage um die Gunst und die Geldmittel potenzieller Kunden, die sich bei einem attraktiven Gesamtangebot für oder gegen den Konsum einer neuen Leistung bzw. die Investition in diese neue Leistung entscheiden und dabei gleichzeitig Einsparungen in anderen Konsumbzw. Investitionsbereichen vornehmen müssen. Auch hier stellt dann nicht nur die Erstellung des innovativen Angebots, sondern auch dessen Vermarktung eine Herausforderung dar. Mit dem beschriebenen Übergang von einer Knappheitswirtschaft zur Überflussgesellschaft war man demnach in zunehmendem Maße gezwungen, Märkte systematisch zu erschließen und zu pflegen. Marketing ist deshalb immer mehr zu einem Schlagwort für eine gewisse Grundhaltung der für ein Unternehmen Verantwortlichen und der in ihm Tätigen geworden, die sich mit einer konsequenten Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Verbraucher bzw. Bedarfsträger umschreiben lässt (Marketing als Maxime). Man sieht sich dabei unablässig herausgefordert, sich auf den Nutzen, den eine Leistung den Abnehmern vermittelt, zu konzentrieren und ein Höchstmaß an Kundenzufriedenheit zu erreichen. Dies ist nicht nur eine Frage der Mentalität, der grundsätzlichen Einstellung gegenüber den Marktpartnern, sondern auch ein Ergebnis des gezielten Einsatzes von Instrumenten (Marketing als Mittel) und einer systematischen Entscheidungsfindung (Marketing als Methode), die bewusst auf Erkenntnisse von Nachbarwissenschaften (z.B. Psychologie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre) zurückgreift und sich vielfältiger Hilfsmittel (z.B. Statistik, Kostenrechnung) bedient (Dichtl 1994). <?page no="16"?> 2.1 Marketing als Pendant zur betrieblichen Wertschöpfung 17 Allerdings ist es nicht bei der einseitigen Ausrichtung des Denkens und Handelns an den Belangen der Bedarfsträger (Kundenorientierung) geblieben. Ein Hersteller von Konsum- oder Produktionsgütern z.B., der sich des indirekten Absatzes bedient, muss sich mittlerweile mindestens ebenso stark um den Handel als Mittler zwischen Produktion und Konsumtion kümmern wie um die Endverbraucher. Der Akzent wird dabei von der Überlegung, welchen Nutzen er Letzteren stiftet, auf die Frage verlagert, weshalb ein Absatzmittler just jenes Produkt in seinem Sortiment führen soll. Insofern ist eine klassische Front, an der Marketing betrieben wird, hinzugekommen. In dem Maße, in dem die horizontale Dimension des Wettbewerbs (Anbieter - Konkurrenten), die bis in die 1960er Jahre hinein das Bild geprägt hatte, von einer vertikalen (Lieferanten - Hersteller - Handel) ebenso wie von gesellschaftlichen Zwängen bis dahin unbekannter Art überlagert wurde, verschärfte sich die Notwendigkeit einer integrativen Sichtweise. Von daher erscheint es verständlich, wenn Marketing heute schlechthin als Führungskonzeption verstanden werden muss (Näheres dazu in Abschnitt 2.1.2). Nach der Epoche der Vermarktung mit der im Grunde unproblematischen „Verwertung“ bereits erstellter Leistungen ist der Absatz zum Engpasssektor des Unternehmens, also zu einem Problem geworden. Der Verkäufermarkt von einst wurde vom Käufermarkt abgelöst. Mit dem Begriff Verkäufermarkt kennzeichnet man eine Marktsituation, bei der sich der Verkäufer in der verhandlungstaktisch besseren Position befindet, mit einem Käufermarkt aufgrund des Nachfrageengpasses die entgegengesetzte Konstellation. Diese Entwicklung hat in der Bundesrepublik Deutschland keineswegs alle Wirtschaftszweige gleichzeitig und mit gleicher Intensität erfasst. Vorreiter war die Konsumgüter-, insbesondere die Markenartikelindustrie, der im Laufe der Zeit die Hersteller von Investitions- und Produktionsgütern und schließlich mit einigem Abstand der Tertiäre und der Primäre Sektor folgten. Es entspricht aller- <?page no="17"?> 18 2 Marketing dings keineswegs der Realität, wenn gewissermaßen ein natürlicher Trend hin zum Käufermarkt postuliert wird. So haben beispielsweise Kartellabsprachen oder kriegerische Ereignisse den Erdölmarkt bisweilen in einen Verkäufermarkt zurückverwandelt. Auch bei bestimmten Handwerksdienstleistungen besteht in manchen Gebieten ein ausgeprägter Verkäufermarkt. Letztendlich ist aber heute das Marketing für einen Großteil der Unternehmen weit mehr als Werbung und Vertrieb. 22.1.2 Marketing als absatzmarktorientierte Planung und Steuerung von Unternehmen Aus der für den Verkäufer- und Käufermarkt typischen unterschiedlichen Engpasslage ergeben sich jeweils zwingende Konsequenzen! Die für die Unternehmensplanung i.d.R. maßgebende Dominanz des Minimumsektors impliziert, dass kurzfristig alle Maßnahmen der Unternehmensplanung am Minimumsektor ausgerichtet werden. Dies bedeutet, dass im Falle eines Käufermarktes der Absatzsektor den Ausgangspunkt aller betrieblichen Planungsmaßnahmen darstellt, man demnach eine systematische, zielgerichtete, am Absatzmarkt orientierte Gesamtunternehmenspolitik betreiben muss. Eine solche Zentrierung des Planungs- und Führungsverhaltens wird üblicherweise mit dem Attribut marketingorientierte Unternehmensführung belegt. Ursprünglich war Marketing, wie beschrieben, mit einfacher Vermarktung gleichzusetzen. Darauf folgte eine Phase, die sich mit konsequenter Kundenorientierung kennzeichnen ließ. Diesem Ziel sollten sich alle Mitarbeiter eines Unternehmens, vom Vorstand bis zum Pförtner, quer durch alle betrieblichen Funktionen hindurch unterwerfen und verpflichtet fühlen. Es würde nicht angehen, wenn zwar die für den Absatz Verantwortlichen marktbezogen dächten und handelten, während Konstrukteure, Einkäufer, Arbeiter am Fließband etc. ganz verschiedene Vorstellungen davon entwickeln dürften, woran man sich zu orientieren habe. Aus dieser Sicht wird oft darauf hingewiesen, ein Unternehmen verfüge nicht über eine, sondern sei eine Marketingorganisation. Ein guter Geist liegt gewissermaßen über dem Geschehen. Der Marketing- <?page no="18"?> 2.1 Marketing als Pendant zur betrieblichen Wertschöpfung 19 gedanke muss in alle Bereiche der betrieblichen Wertschöpfung einbezogen werden, die Marketingabteilung koordiniert lediglich die Aktivitäten. Nachfolgend sind diese Überlegungen zusammenfassend dargestellt. Abb. 1: Einbindung des Marketing in den Wertschöpfungsprozess im Unternehmen (in Anlehnung an Dalrymple und Parsons 2000, 9) Eine weitere Entwicklungsstufe sieht Marketing als eine Konzeption zur dauerhaften Bewältigung von Engpässen. Diese basiert auf dem Verständnis, dass weniger die Aneinanderreihung von einzelnen Transaktionen (mit einem Kunden), sondern vielmehr der Aufbau und die Pflege langfristiger und - durch verringerte Einzeltransaktionskosten der Akquisition, Verhandlung und Durchführung des Kaufakts - profitabler Austauschbeziehungen zum Kunden zu verfolgen ist. Diese Perspektive wird als Relationship-based- Marketing bezeichnet. empirische Daten Externe Unternehmen Produktion Finanzen Vertrieb Bestellungen Umsätze Finanzmittel Forschung & Entwicklung Ideen Produkte Produkte Dienstleistungen Ideen Werbeagenturen Promotionunternehmen Marktforschung Vorgaben Konzepte Informationslücken Handel Kunden Produkte Dienstleistungen Zahlungen Informationen Nutzenbündel Informationen Werbung M a r k e t i n g <?page no="19"?> 20 2 Marketing Seit Überwindung der Knappheitswirtschaft war man es gewohnt, dabei zunächst an den Absatzsektor zu denken. Insoweit wären wir wieder bei dem angelangt, was bisher beschrieben wurde, beim Business-Marketing. Nun treten aber immer wieder Situationen ein, in denen nicht der Absatz der produzierten Güter, sondern Restriktionen im Bereich von Rohstoffen, Maschinen, Kapital und Mitarbeitern oder Maßnahmen des Staates die Entfaltungsmöglichkeiten eines Unternehmens behindern. Ob aus aktuellem Anlass oder auch nur prophylaktisch wird ein Unternehmen deshalb stets alles daran setzen, sich etwa als verlässlicher Abnehmer, solider Schuldner, vorbildlicher Arbeitgeber oder ordentlicher Steuerzahler zu präsentieren. Man profiliert sich als Partner, der es gut mit einem meint. Zusammenfassend bedeutet dies, dass die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit eines Unternehmens nicht nur vom Absatzmarkt abhängt. Das Marketing beinhaltet damit das Ziel, alle Anspruchsgruppen (Bea und Haas 2013, 96ff.) vor dem Hintergrund potenzieller Konkurrenz möglichst gut zu bedienen, sodass ein umfassendes, positives Bild des Unternehmens entsteht. So sind beispielsweise verschiedene Handelsunternehmen deswegen erfolgreich, weil sie über einzigartige Beschaffungsquellen und -systeme verfügen (z.B. Aldi). Manche Dienstleistungsunternehmen beziehen ihre Wettbewerbsfähigkeit aus den hervorragenden Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter (z.B. Unternehmensberatungen, Softwareunternehmen), andere Unternehmen sind insbesondere aufgrund ihrer überragenden Handlungsmöglichkeiten auf den Kapitalmärkten überlebensfähig. Abbildung 2 fasst die Anspruchsgruppen eines Unternehmens zusammen. Insofern spricht man z.B. auch von Finanz-Marketing (auch als „Investor Relations“ bezeichnet) und von Beschaffungs- oder Personal-Marketing, mit dem Ziel, die jeweils besten Vertragspartner zu günstigen Konditionen zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Von einiger Bedeutung ist auch das sog. Interne Marketing bzw. das Interne-Kunden-Prinzip. Innerhalb der Wertschöpfungskette eines Unternehmens sind bei dieser Betrachtungsweise nachgelagerte Funktionsbereiche (z.B. Endmontage) als Kunden der jeweils vorgelagerten Funktionsbereiche (z.B. Materiallager) zu verstehen und entsprechend zu behandeln. <?page no="20"?> 2.1 Marketing als Pendant zur betrieblichen Wertschöpfung 21 Abb. 2: Anspruchsgruppen eines Unternehmens Marketing wird heute weithin auch von nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Einrichtungen betrieben (Non-Profit-Marketing), wobei diese Spielart von ganz anderen Faktoren bestimmt wird. Relativ weit gediehen ist die Übernahme von Ideen und Maßnahmen des kommerziellen Marketing bei all jenen öffentlichen Organisationen, die prinzipiell auch mit Hilfe des erwerbswirtschaftlichen Prinzips gesteuert werden können. Man denke etwa an Unternehmen der Ver- und Entsorgung (Energie, Wasser, Müllabfuhr), an Verkehrsunternehmen, Spar- und Bausparkassen, ferner an Post, Rundfunk- und Fernsehanstalten. In zunehmendem Maße bemühen sich auch Parteien, Theater, Bildungseinrichtungen und auch Landkreise auf eher unkonventionelle Weise um Wähler, Besucher, Studenten als auch Investoren. Ein weiteres Anwendungsfeld des Marketinggedankens eröffnete sich Anfang der 1950er Jahre. In diesem Zeitraum wurde erstmals die Frage gestellt, ob man nicht genauso wie Seife auch Nächstenliebe „verkaufen“ könne (Wiebe 1951/ 52). Dahinter steckt der Gedanke, dass man Marketing noch sehr viel weiter, als dies bis dahin der Fall gewesen war, nämlich als Sozialtechnik, als technologische Beeinflussungskonzeption (Raffée 1980), verstehen könne. Unternehmung ertunterstützende Märkte ertschöpfungsbezogene Märkte arktähnliche Beziehungen zum Umfeld Beschaffungsmarkt Absatzmarkt Staat Gesellschaft Arbeitsmarkt Markt für Fremdkapital Markt für Eigenkapital <?page no="21"?> 22 2 Marketing Diese Auffassung hat seit etwa 1970 rasch an Boden gewonnen. Das Marketing überwand damit seinen vormals spezifisch absatzwirtschaftlichen Charakter und wurde mehr und mehr zu einer Schlüsselvariablen im Rahmen der Steuerung zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Prozesse (Generic Marketing). Es geht um das Eintreten für bestimmte Ideen („issues“), für Anliegen, die zum Nutzen der Gesellschaft verfolgt werden (sollten). Dies ist der Bereich des auch im Deutschen oft so bezeichneten Social Marketing (Bruhn und Tilmes 1984). Als gesellschaftlich verantwortungsbewusst können prinzipiell alle Fälle deklariert werden, bei denen ein Unternehmen darauf verzichtet, egoistische Ziele zulasten der Belange der Allgemeinheit zu verwirklichen. Dies ist nichts Spektakuläres und wird seit jeher praktiziert. Eine neue Dimension erhält der Tatbestand allerdings dadurch, dass ein Unternehmen nicht mehr nur darauf verzichtet, ein lukratives Geschäft wahrzunehmen, sondern aktiv und unter Hinnahme von nicht unbeträchtlichen Kosten für eine Sache eintritt. Gesellschaftlich verantwortungsbewusst in diesem Sinne handelt z.B. eine Mineralölgesellschaft, die in aufwändigen Anzeigen dafür wirbt, mit Benzin und Heizöl sparsam umzugehen (De- Marketing). Aus dem Umstand, dass sich solche Maßnahmen letztlich zugunsten des fraglichen Unternehmens auswirken werden, sollte man nicht vorschnell folgern, dass es ein gesellschaftlich verantwortungsvolles Marketing überhaupt nicht gibt. Die aufgezeigten Anwendungen des Marketinggedankens in anderen Bereichen wirtschaftlicher Tätigkeiten führt zu einer inflationären Verwendung des Marketingbegriffs, der letztendlich - unabhängig von einem sinnvollen Einsatz einiger Methoden - die hier zwingend unterstellte Unternehmensführungsperspektive außen vor lässt. Das Marketing ist indessen immer wieder Anfeindungen und einer harschen Kritik ausgesetzt, dass es Menschen zu unsinnigem Konsum verführe, übervorteile oder schädige. Dies hat unter den davon betroffenen Unternehmen bzw. Branchen zu der Einsicht geführt, dass man sich mindestens in gleichem Maße wie über das Wie („Can it be Sold? “) über das Ob („Should it be Sold? “) Gedanken machen muss. In vielen Fällen ist deshalb nicht an die Stelle, aber an die Seite von Gewinnprinzip, Wirtschaftlichkeitskriterien und Nutzenerwä- <?page no="22"?> 2.1 Marketing als Pendant zur betrieblichen Wertschöpfung 23 gungen eine Haltung getreten, die von zwischenmenschlicher und gesamtwirtschaftlicher Verantwortung durchdrungen ist. Davon müssen alle in einem Unternehmen Tätigen erfüllt sein, was eine entsprechende Überzeugungsarbeit voraussetzt. Im Zuge der Bestrebungen, den Marketing-Begriff zu entmythologisieren, ist oft auch darauf hingewiesen worden, dass diese Art von Unternehmensführung seit Jahrhunderten praktiziert werde, somit nichts Neues darstelle. Dem ist zuzustimmen, jedoch ist zu bedenken, dass die Entwicklung des modernen Marketing zu einer systematisch abgestimmten, analytischen Vorgehensweise am Markt geführt hat (oder: haben sollte), die von erfolgreichen Unternehmen konsequent verfolgt wird. Versteht man demnach Marketing als absatzwirtschaftliche Planung und Steuerung von Unternehmen, so lässt sich folgende Definition festhalten: Marketing ist ein ganzheitlicher Prozess im Unternehmen, der unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aktueller und potenzieller Nachfrager sowie deren relevantem Konkurrenzangebot alle Aktivitäten systematisch und auf Marktinformationen basierend so ausrichtet, dass übergeordnete Unternehmensziele erreicht werden können. Dies beinhaltet auf der Ebene des Leistungsangebots (Produkte und/ oder Dienstleistungen) die Konzeption, Implementierung und Kontrolle eines Bündels von Produktleistungsmerkmalen, Preisen und Konditionen, Vertriebs- und Distributionskanälen sowie Kommunikationsstrategien, um mit Nachfragern eine optimale Kundenbeziehung aufbauen zu können. Damit finden sich zwei aufeinander abzustimmende Ebenen eines zeitgemäßen Marketing: Die erste Ebene umfasst die Gesamtplanung und -steuerung des Unternehmens („Was wollen wir tun? “) - und ist damit von konkreten Produkten bzw. Leistungen des Unternehmens relativ weit entfernt. Die zweite Ebene beinhaltet die einzelnen Produkte bzw. Leistungen des Unternehmens und betrifft die Ausgestaltung der Inhalte der ersten Ebene („Wie wollen wir das tun? “). <?page no="23"?> 22.2 Phasen der Marktorientierung und Marktbearbeitung Marktorientierung äußert sich in drei verschiedenen Stoßrichtungen, die gleichzeitig die Phasen der Entwicklung von Märkten kennzeichnen. Es handelt sich dabei um die Schaffung von neuen Märkten, die gezielte Marktausweitung sowie die Erfolgssicherung durch Kundenbindung und andere Sicherungsinstrumente. Alle drei grundsätzlichen Ausrichtungen der Marktorientierung sind dadurch zu charakterisieren, dass man sich nicht damit begnügt, auf eine Entwicklung zu reagieren - also Fakten zu registrieren und (Gegen-)Maßnahmen einzuleiten, sondern danach strebt, selbst relevante Orientierungspunkte am Markt zu setzen. Diese drei Ausrichtungen der Marktorientierung stehen in enger Verbindung zur zeitlichen Entwicklung eines Marktes. Letztendlich wird das Marketing dadurch mit einer schöpferischen, systematischen und zuweilen auch aggressiven Note versehen. 2.2.1 Schaffung neuer Märkte Einer der innovativsten Vorgänge im Marketing ist ohne Zweifel die Schaffung eines neuen Marktes, d.h. das Erkennen eines neuen Bedürfnisses und die Schaffung eines entsprechenden Angebots (nachfrageorientierte Innovation). Dabei sind Preiswürdigkeit, hohe Qualität, vorbildlicher Kundendienst etc. nur eine Seite der unternehmerischen Leistung. Wenn der Ausgangspunkt aller betrieblichen Maßnahmen die Interessen, Wünsche und Sorgen der Verbraucher bzw. Verwender ist, muss das Unternehmen zunächst beharrlich darum bemüht sein, ihren Abnehmern eine ganzheitliche Problemlösung als Summe aller entscheidungsrelevanten Produktbzw. Leistungseigenschaften zu bieten. Unter „Problem“ ist dabei schlechthin alles zu verstehen, was die Menschen bewegt und das sie egalisieren wollen. So sollten die Produkte im Konsumgüterbereich beispielsweise so konzipiert sein, dass sie dem Wunsch nach Bequemlichkeit Rechnung tragen, das Haushaltsbudget entlasten <?page no="24"?> 2.2 Phasen der Marktorientierung und Marktbearbeitung 25 und über den ursprünglich intendierten Zweck hinaus zusätzliche Verwendungsmöglichkeiten eröffnen. Man denke etwa an die immer wieder auftauchenden Neuheiten im Bereich der Nahrungsmittel, die z.B. viele Arbeiten überflüssig machen, die vormals in der Küche verrichtet werden mussten (Fertiggerichte, Konserven, Teebeutel etc.), an den Komfort, den wir im Bereich des Wohnens, der Fortbewegung und der Unterhaltung genießen, und an die vielfältigen Möglichkeiten, Kredite zu erlangen, was eine zeitliche Vorwegnahme des Konsums erlaubt („Reise jetzt, zahle später! “). Neue Problemlösungen für den Kunden beinhalten also ein reichhaltiges Bündel an materiellen und immateriellen Nutzenkomponenten. Ganz ähnliche Überlegungen gelten für Güter in gewerblichen Abnehmermärkten; auch hier sollten beispielsweise einzelne Komponenten den Vermarktungsanspruch (z.B. Innovativität) der Problemlösung unterstreichen, die Entsorgung erleichtern etc. Symptomatisch für das Marketing sind somit die meist systematisch betriebene Erforschung der Bedürfnisse der Menschen bzw. der - auch industriellen - Abnehmer ganz allgemein und die darauffolgende Suche nach Wegen, wie jene bestmöglichst befriedigt werden können. Ist damit eine marktneue Problemlösung für den Kunden verbunden, bedeutet dies die Erschließung bzw. Schaffung eines völlig neuen Marktes. Dass dazu immer Kreativität und oft gewaltige Forschungsanstrengungen, verbunden mit einem beträchtlichen Kapitaleinsatz, gehören, liegt auf der Hand. Gelegentlich genügt aber schon Cleverness. Außerordentlich geschickt verhält sich ein spanischer Verleger, dem Dutzende von Verlagshäusern gehören. Er verleiht in periodischen Abständen einen mit rund 350.000 Euro dotierten Preis an einen in spanischer Sprache schreibenden Autor, der von der iberischen Halbinsel oder aus Lateinamerika stammt. Allein der Nobelpreis für Literatur bringt noch mehr an irdischem Lohn ein. Den Ausschlag für die Zuerkennung der Auszeichnung gibt in aller Regel ein angeblich sensationelles neues Werk des oft kaum bekannten Verfassers, das freilich von einem dem Stifter gehörenden Verlag herausgebracht wurde. Das Ereignis wird in einem Maße vermarktet, dass von dem Buch auf Anhieb zwischen 250.000 und 300.000 Exemplare abge- <?page no="25"?> 26 2 Marketing setzt werden. Auch ohne die Kalkulation zu kennen, ist davon auszugehen, dass der großherzige Mäzen letztlich keinen einzigen Cent zuschießen muss. Bei allen, die die Zusammenhänge nicht durchschauen, wird er darüber hinaus an Ansehen gewinnen. Vielfach verdanken neue Produkte ihr Entstehen keineswegs Versuchen der Unternehmer, neue Bedürfnisse zu wecken, sondern soziologischem Wandel und ökonomischen Sachzwängen. Ein typisches Beispiel dafür stellen einserseits die immer höheren Personalkosten dar, denen andererseits eine wachsende Nachfrage speziell nach Dienstleistungen gegenübersteht. Für das marketingbewusste Unternehmen ergeben sich daraus zweierlei Konsequenzen: Es besteht die Notwendigkeit, die Produkte so zu gestalten, dass sie den zunehmenden Arbeitskosten, dem Zeitmangel und dem Preisanstieg entgegenwirken, dass sie also Arbeiten im oder für den Haushalt bzw. im Unternehmen des Kunden wegfallen lassen bzw. verbilligen. Beispiele dafür bilden Wasch- und Geschirrspülmaschine, Staubsauger und Wäschetrockner bzw. das Outsourcing von Prozessen, die nicht zum originären Leistungsbereich des Unternehmens gehören, oder die Fertigung und Wartung von Maschinen. Daraus resultiert gleichzeitig die Forderung, bei der Produktgestaltung darauf zu achten, dass die Geräte möglichst wenig störanfällig, dazu noch umweltfreundlich sind und keiner aufwändigen Wartung bedürfen. Menschen kaufen aber nicht nur Produkte, durch die sie entlastet werden, sei es physisch, zeitlich oder finanziell. In der sog. Wohlstandsgesellschaft besteht auch lebhafter Bedarf an Gegenständen und Gelegenheiten, die eine passive oder aktive (Freizeit-)Beschäftigung ermöglichen (Fernsehen, Hobbys, Sport, Reisen etc.). Auch hieraus ergibt sich eine Fülle von Anregungen für ideenreiche Unternehmen. Schließlich entstehen neue Märkte aber auch durch die geschickte Vermarktung von Inventionen aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen (angebotsorientierte Innovation). Dies bedeutet, der neue Markt resultiert nicht aus der Nachfrage nach Lösungen für bestehende Probleme, sondern durch die Anwendung der Invention auf Probleme, die bisher durch andere Lösungen in brauchbarer Weise behoben wurden bzw. deren Be- <?page no="26"?> 2.2 Phasen der Marktorientierung und Marktbearbeitung 27 stand lediglich latent vorhanden war. Die Nachfrager sind hier demnach vom Nutzen der Innovation erst zu überzeugen, während bei der nachfrageorientierten Innovation der Nutzen vom Nachfrager aufgrund seines bereits bestehenden Bedürfnisses leichter erkannt und (finanziell) honoriert wird. Der berühmte Nationalökonom Joseph A. Schumpeter hielt vor diesem Hintergrund die konkrete Verwertbarkeit einer Invention für einen wesentlichen Teil der erfinderischen Leistung, erst dadurch wurde sie für ihn zu einer tatsächlichen Innovation. Diese Problematik kann durch ein Beispiel aus der amerikanischen Chemieindustrie veranschaulicht werden. Auf einer Pressekonferenz wurde der Öffentlichkeit ein neuer, dem Leder hinsichtlich seiner Eigenschaften sehr ähnlicher Kunststoff präsentiert. In Bezug auf die konkreten Anwendungsmöglichkeiten fiel folgender Ausspruch: „We have the world’s greatest answer. Now let’s start looking for the problems! “ (Dichtl 1994). Dass die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs hier relativ gering ist, dieser aber im Erfolgsfall deutlich höher ist als bei nachfrageorientierten Innovationen ist offensichtlich (Helm 2001a). Letztendlich ist eine Mischung aus den beiden Innovationsaktivitäten sowohl seitens der Entstehung der Innovation als auch seitens des Einflusses auf den Innovationsprozess, d.h. von der Idee der Innovation bis zum marktfähigen Produkt, am erfolgreichsten. Eine aktive Entwicklung innovativer Produkte und ein strikter Fit zwischen Technologie und Marktanforderungen ist damit Voraussetzung für die erfolgreiche Schaffung neuer Märkte bzw. für die Ansprache neuer Nachfrager. 22.2.2 Ausweitung des Marktes Auf die Schaffung und Erschließung eines neuen Marktes folgt als zweites Hauptanliegen des Marketing die Marktbzw. Absatzausweitung, wobei sich die Geschehnisse im Alltag häufig keineswegs eindeutig der einen oder der anderen Phase zuordnen lassen. Grundsätzlich ist diese Phase der Marktorientierung und Marktbearbeitung durch folgende Ansatzpunkte gekennzeichnet: Zunächst kann man versuchen, mit vorhandenen Produkten das Absatzvolumen auf den angestammten Märkten zu erhöhen, sei es <?page no="27"?> 28 2 Marketing dadurch, dass man die Verbrauchsintensität erhöht, die (physische oder psychische) Lebenszeit eines Gutes verkürzt und so den Ersatzbedarf stimuliert (Stumpp 2000), oder sei es dadurch, dass man die eigene Wettbewerbskraft stärkt und über einen höheren Marktanteil zusätzlichen Umsatz erzielt oder aber Substitutionsprodukte verdrängt. Daneben besteht die Möglichkeit, für ein bestimmtes Erzeugnis, gelegentlich unter gewissen Abwandlungen von Aussehen und Eigenschaften, neue Absatzmärkte zu erschließen, etwa indem man neue Abnehmerschichten aktiviert, neue Einsatzfelder und Verwendungszwecke entdeckt oder in neue Absatzgebiete eindringt, wie dies z.B. bei Aufnahme bzw. Ausweitung von Exporten der Fall ist. Es gibt, bezogen auf ein bestimmtes Produkt, folglich zwei grundsätzliche Möglichkeiten einer Gewinnund/ oder Umsatzerhöhung: Marktausweitung: Erhöhung der Verbrauchsintensität, Stimulierung des Ersatzbedarfs, Zurückdrängung von Substitutionsprodukten, Gewinnung zusätzlicher Abnehmerschichten, Entdeckung neuer Einsatzfelder, Erschließung weiterer (geografischer) Absatzgebiete. Marktanteilsausweitung auf Kosten der Konkurrenz. Denkbar erscheint aber auch, dass ein Unternehmen seine Funktion als Lieferant einer bestimmten Abnehmergruppe dadurch zu erhalten trachtet, dass es deren Bedarf durch geeignete Gestaltung des Angebotsprogramms (Sortiment), d.h. durch (unternehmens-)neue Produkte, in umfassender Weise abzudecken sucht. So produziert Hollywood beispielsweise längst nicht mehr nur Filme, sondern Unterhaltung jeglicher Art. ThyssenKrupp stellt zwar nach wie vor Stahl her, im Übrigen aber auch Weißblech für jeden Verwendungszweck oder andere Endprodukte, die mit Stahl an sich in Verbindung stehen. Bekleidungs- und Möbelhäuser decken im Gegensatz zu früher den gesamten einschlägigen Bedarf ihrer Abnehmer. Vielfach ist damit auch eine (unechte) Diversifikation <?page no="28"?> 2.2 Phasen der Marktorientierung und Marktbearbeitung 29 (Näheres dazu in Abschnitt 2.6.1.3) verbunden, d.h. die Anbieter dringen in für sie neuartige Produktbereiche ein, die jedoch jeweils insofern dafür prädestiniert erscheinen, als dabei beispielsweise materialbzw. produktionstechnische Erfahrungen verwertet, vorhandene Absatzkanäle genutzt und bestehende Beziehungen zu Kunden ausgebaut werden können. Letztlich kann es sich auch empfehlen, mit (markt- oder unternehmens-)neuen Produkten in neue Märkte vorzustoßen (manche Autoren nennen allein dies - echte - Diversifikation). Dies ist z.B. der Fall, wenn ein deutscher Medienkonzern Varianten (nicht nur Übersetzungen! ) eines in unserem Lande erfolgreichen Magazins in anderen Sprachen herausbringt und so fast schlagartig sein Absatzpotenzial vervielfacht. Ähnlich lassen sich dadurch beträchtliche Umsatzsteigerungen erzielen, dass man tropische Länder mit bestimmten Pharmaprodukten beliefert, für die es bei uns überhaupt keinen Markt gibt. Gelegentlich liegt dieser Marketingstrategie allerdings nicht ein Wachstumsziel zugrunde, sondern das Motiv der Risikoreduktion bzw. -streuung. Man prüft beispielsweise auf einem „ungefährlichen“ Markt, welche Auswirkungen der Vertrieb eines für ein Unternehmen aus welchen Gründen auch immer riskanten Produktes auf dessen ökonomische Situation und Image in der Öffentlichkeit hat, ehe man sich der dann zumeist besser kalkulierbaren Gefahr eines Fehlschlags auf dem heimischen Markt aussetzt. 22.2.3 Sicherung des bisherigen Markterfolgs Die Marktausweitung ist stets von dem Bemühen um Erfolgssicherung begleitet. Häufig geschieht dies nicht ohne Ausübung eines mehr oder minder massiven Drucks auf die Abnehmer und Konkurrenten. Rechtlich und moralisch unbedenklich erscheint dabei im Allgemeinen beispielsweise das Angebot von Systemen, d.h. von aufeinander abgestimmten (Bau-)Teilen im Rahmen eines größeren Ganzen, wie dies bei Büchern, Möbeln, Küchengeschirr, Maschinen, Werkzeugen, Anlagen der elektronischen Datenverarbeitung, Mehrzweckfahrzeugen und Versicherungsdiensten der Fall ist. Ähnliche Effekte werden durch Erlangung von Schutzrechten, wie <?page no="29"?> 30 2 Marketing Patenten für technisch innovative Güter, oder durch den Abschluss von langfristigen (Service- oder Liefer-)Verträgen erzielt. Konkurrenten wird dadurch die Übernahme einer bestehenden Geschäftsverbindung erschwert. Auch eine - nur zum Teil durch Kostendegression und höhere Produktivität legitimierte - Niedrigpreispolitik, die sowohl etablierten Anbietern als auch neuen Marktteilnehmern unweigerlich zu schaffen macht, kann eine Erfolgssicherung bewirken. Ungleich problematischer sind Versuche marktstarker Unternehmen, die Kunden etwa durch Einräumung überzogener (Jahres-)Umsatzrückvergütungen an sich zu binden, sowie Strategien, durch unangemessen hohe Werbeaufwendungen Märkte gegenüber schwächeren Konkurrenten oder „newcomers“ zu verteidigen bzw. zu sperren, die sich solche Ausgaben in aller Regel nicht zu leisten und damit die Hürden des Marktzugangs (Markteintrittsbarrieren) nicht zu nehmen vermögen. Jedoch geht vieles an Goodwill der Konsumenten verloren, wenn man sich und das eigene Angebot nicht immer wieder durch (Aktualisierungs-)Werbung ins Gedächtnis bringt (Gierl 1994), sog. Regallücken im Handel (Out-of-Stocks: Helm und Stölzle 2007b; Helm, Hegenbart und Endres 2013) entstehen lässt und wichtige Kunden oder Absatzmittler nicht regelmäßig besucht. Gerade bei Letzterem werden persönliche Bindungen hergestellt bzw. intensiviert. So werden beispielsweise wichtige Kunden von Unternehmen zu oft mehrtägigen Jagdausflügen eingeladen etc. Man erhält „persönliche“ Glückwunschschreiben bzw. auch Geburtstagskarten, wobei mancher doch„irgendwie“ daran glaubt, der Gratulant - und nicht der Computer - würde sich dabei etwas denken. In vielen Bereichen gehören Kundenclubs und -zeitschriften zum Standard, denn nicht immer wandern diese ungelesen in den Papierkorb. Ziel ist es, eine emotionale Bindung zum jeweiligen Anbieter zu erreichen und ihn dadurch beim Wiederkauf leichter für sich zu gewinnen bzw. im Falle einer Beschwerde (oder allgemeiner bei Unzufriedenheit) eher zur Artikulation eben dieser (anstatt zum Anbieterwechsel) zu bewegen. Auch das Beseitigen der Ursachen von Unzufriedenheit sollte dadurch leichter ermöglicht werden. <?page no="30"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 31 Der zuverlässigste Weg zur Erfolgssicherung und Kundenbindung wird aber immer darin bestehen, durch Qualität und Preiswürdigkeit der eigenen Leistung und durch Zuverlässigkeit des Kundendienstes die Zufriedenheit der Abnehmer zu fördern und das Eindringen von Konkurrenten in bestehende Geschäftsbeziehungen zu erschweren. Dies setzt voraus, dass es gelingt, geschlossene Marketingkonzeptionen zu entwickeln. Wenn alle absatzpolitischen Instrumente, die zur Erzeugung von Präferenzen eingesetzt werden, also Produktgestaltung, Preis, Distribution und Kommunikation, zu einer Einheit zusammengefügt werden, verhindert man das Entstehen von Angriffsflächen, die Wettbewerbern einen Einbruch erleichtern. Je exklusiver und durchdachter die Marketingkonzeption ist, desto geringer sind die Chancen der anderen. 22.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens In Analogie zur vorne erarbeiteten Definition unterscheiden wir zwei Ebenen des Marketing: Die erste Ebene betrachtet den generellen Beitrag des Unternehmens oder des einzelnen Geschäftsbereichs, den dieses(r) zum Angebot an Gütern und Dienstleistungen am Markt beitragen können. Es handelt sich dabei um die strategische Ausrichtung des Unternehmens bzw. der Geschäftsbereiche im Sinne des Strategischen Marketing. Die zweite Ebene befasst sich gemäß unserer Definition des Marketing mit der konkreten Umsetzung dieser übergreifenden strategischen Überlegungen in konkrete Produkte und Leistungen des Unternehmens, die potenziellen Abnehmern angeboten werden können. Sie passen in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung in das „stringente Bild“ der vorab definierten strategischen Ausrichtung des Unternehmens insgesamt. Für beide Ebenen der Marketingplanungen gelten somit die gleichen Überlegungen: Die Aktivitäten werden darauf ausgerichtet, dass potenzielle Nachfrager der Leistungen einen Nutzenvorteil aus der Angebotsannahme erzielen können. <?page no="31"?> 32 2 Marketing 22.3.1 Zum Ablauf der Planung im Marketing Um - nicht nur - an die nachfolgenden grundlegenden Aspekte des Marketing auf Unternehmensebene (Abschnitte 2.3.2 und 2.3.3), sondern auch an die dezidierte Fortsetzung dieser Gedanken auf Ebene von Produkten und Leistungen herangehen zu können, erscheint es angebracht, vorab die prinzipielle Vorgehensweise der Marketingplanung aufzuzeigen. Der Ausgangspunkt der Marketingplanung liegt immer bei der Analyse der relevanten Einflussfaktoren auf den Erfolg der Unternehmen bzw. der Produkte, d.h. einer realistischen Bewertung der Ausgangssituation. Als Systematik dient hierzu das in folgender Abbildung dargestellte sog. strategische Dreieck. Abb. 3: Strategisches Dreieck und die damit verbundene Unsicherheit als Ausgangspunkt der Marketingplanung Die Strategieformulierung basiert demnach auf der Kenntnis der eigenen Fähigkeiten und Schwächen in Relation zu denen der relevanten Konkurrenz. Unter diesem Konkurrenzaspekt sind sowohl <?page no="32"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 33 die aktuellen als auch die potenziellen Wettbewerber zu subsumieren. Des Weiteren sind gleichzeitig die Bedürfnisse der Kunden sowie die aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten dieser Bedürfnisbefriedigung sowohl des eigenen Unternehmens als auch der Konkurrenz mit einzubeziehen. Bei Unternehmen, deren Kunden gewerbliche Abnehmer sind, also Unternehmen, welche die bezogenen Leistungen selbst weiterverarbeiten, hängt die Nachfrage nach den eigenen Produkten von der Nachfrage nach einem anderen Produkt bzw. von den Vorstellungen der Kunden von diesem „Endprodukt“ ab. Diese derivative Nachfrage impliziert somit, dass für viele Unternehmen, die selbst nicht auf Endverbrauchermärkten auftreten, Kenntnisse über die Kunden ihrer eigenen Kunden von höchstem Interesse sind. Diese Einschätzung der Stärken und Schwächen der relevanten Konkurrenz und der Bedürfnisse der Kunden ist naturgemäß mit einer großen Unsicherheit behaftet, d.h. im Unternehmen existieren üblicherweise keine genauen Vorstellungen bezüglich der beiden anderen Eckpunkte. Auch das Ausmaß dieser Unsicherheit, d.h. der Korrektheit der Situationsanalyse, ist zu determinieren. Der Vergleich der drei Eckpunkte resultiert somit aus einem System der strategischen Analyse (sowohl auf Unternehmensals auch auf Produktebene) des eigenen Unternehmens im Rahmen einer Potenzialanalyse („Wo liegen unsere Stärken, wo liegen unsere Schwächen? “), der relevanten Konkurrenz im Rahmen einer Konkurrenzanalyse („Was kann diese besser, was können wir besser, ist dies relevant? “) und der relevanten Kunden im Rahmen einer Bedürfnisanalyse sowie deren Veränderungen („Was wollen die Kunden, welche Leistungsaspekte sind wichtig, wie viele Kunden gibt es jetzt und in Zukunft? “). Auf Käufermärkten ist es grundsätzlich jedem Kunden möglich, aus mehreren Anbietern auszuwählen. Diese Gelegenheiten zum Anbieterwechsel werden auf Kundenseite durch den ansteigenden Aufwand an Informationssuche nach potenziellen Alternativanbietern und auf Unternehmensseite durch das Angebot einzigartiger <?page no="33"?> 34 2 Marketing Leistungen beschränkt. Dies führt dazu, dass es für ein Unternehmen nicht genügt, lediglich die Bedürfnisse seiner aktuellen und potenziellen Kunden zu kennen, sondern es muss auch in einem oder mehreren Leistungsmerkmalen eindeutig besser sein als die Konkurrenz. Dies ist gleichbedeutend mit der Schaffung und Erhaltung von mindestens einem Wettbewerbsvorteil des Unternehmens (Simon 1988) gegenüber der relevanten Konkurrenz i.S. einer dauerhaften, für die Kunden substanziellen und wahrnehmbaren überlegenen Leistung. Nur wenn diese drei Charakteristika gleichzeitig auf ein Leistungsmerkmal des Produkts zutreffen, kann von einem wirklichen Wettbewerbsvorteil gesprochen werden. Für den Marketingprozess ergibt sich schließlich der in nachfolgender Abbildung dargestellte Ablauf. Daraus ergeben sich folgende Teilaufgaben (im Einzelnen: Schweitzer 2011, 84ff.): Zuerst erfolgen eine Analyse der Marketingsituation des Unternehmens im zu planenden Produktbereich sowie eine Durchführung von Prognosen zur Schaffung einer geeigneten Informationsbasis für den Entwurf der Marketingstrategie. Innerhalb der Planungen zur Marketingstrategie werden simultan die zu erreichenden Ziele (Frage: „Was soll erreicht werden? “) definiert. Betrachten wir z.B. einen Hersteller von Kosmetikprodukten, so könnte ein entsprechendes Ziel in einem Produktbereich lauten: „Der Marktanteil soll im mittelbis hochpreisigen Aftershave-Markt innerhalb von drei Jahren mindestens 5% betragen! “. Vor dem Hintergrund des festgelegten Ziels (= angestrebter zukünftiger Zustand) wird anschließend eine zieladäquate Marketingstrategie („Was ist generell zu tun, auf welchem Weg kommen wir beim Ziel an? “) entworfen. Bei obigem Beispiel könnte dies im Angebot eines hochwertigen Aftershave für 25bis 40-Jährige mit mittlerem Einkommen bestehen. Die angestrebte Positionierung, d.h. der Wettbewerbsvorteil, auf Basis der Kunden- und Konkurrenzanalyse (vgl. dazu die Abschnitte 2.3.2.2 und 2.3.2.3) könnte hier auf den Merkmalen „Hautpflege“ und „dezenter Duft“ liegen. <?page no="34"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 35 Abb. 4: Ablauf des Marketingmanagementprozesses Bei den Überlegungen, ob diese Strategie weiterentwickelt werden soll, d.h. ob die eigenen Potenziale mit den Anforderungen des Marktes vor dem Hintergrund möglicher Konkurrenzangebote so zusammenpassen, dass ein ausreichendes Differenzierungspotenzial Situationsanalyse und Prognose Potenzialanalyse Konkurrenzanalyse Kundenanalyse Entwicklung einer Marketingstrategie: Marktsegmente / Positionierung Marktpotenzial soziale / gesellschaftliche Aspekte internationale Aspekte Entwicklung des Marketingmix Implementierung des Marketingmix Prognose des Absatzes und der Deckungsbeiträge Kontrolle des Absatzes und der Deckungsbeiträge Zielformulierung <?page no="35"?> 36 2 Marketing entsteht, gehen auch die Erkenntnisse bezüglich der Größe und des Wachstums dieses (Teil-)Marktes ein. Ein Markt ist aber nicht als „attraktiv“ zu bewerten, weil er „wächst“ oder „groß“ ist. Vielmehr ist ein Markt dann als attraktiv anzusehen, wenn das geplante Angebot in seiner spezifischen Ausgestaltung bei diesen potenziellen Nachfragern auf ein ausreichend großes Nachfragevolumen stößt. Des Weiteren sind übergreifende soziale und gesellschaftliche Aspekte (vgl. dazu Abschnitt 2.1.2) sowie die Möglichkeiten einer internationalen Vermarktung (vgl. dazu Abschnitt 3.6) zu bewerten. Bei der Ausgestaltung der Strategie in Form konkreter Marketingmaßnahmen kann prinzipiell auf vier Instrumente des Marketing-Mix (Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik) zurückgegriffen werden (Näheres dazu in Abschnitt 2.6). Bei der entsprechenden Ausgestaltung der Instrumente (u.a. Produktinhaltsstoffe und Preis in obigem Aftershave-Beispiel) ergeben sich auch die korrespondierenden Absatz- und Deckungsbeitragsprognosen. Nach Beendigung der Planungsphase folgt die Implementierung des Marketing-Mix, wobei auf das Vorliegen geeigneter personeller und organisatorischer Voraussetzungen zu achten ist. Im letzten Schritt des Marketingprozesses, der Marketingkontrolle, erfolgt sodann eine Überprüfung der Ergebnisse sowie gegebenenfalls eine Revision der Marketingstrategie. Die Ergebnisse der Marketingkontrolle fließen in den Prozess der Marketingplanung in Form einer Rückkopplung wieder ein. 22.3.2 Determinierung des Leistungsangebots des Unternehmens 2.3.2.1 Festlegung des Betätigungsfeldes Ein Unternehmen muss bei der Marketingplanung zunächst die Felder festlegen, auf denen es tätig sein bzw. werden möchte. Dies hat nicht nur juristische Konsequenzen, etwa im Hinblick darauf, welche Entscheidungen der Vorstand allein oder nur im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat treffen darf, sondern auch praktische. Es werden dadurch alle Kräfte auf bestimmte Fixpunkte hin ausgerichtet. Die Konzentration der betrieblichen Ressourcen sensibilisiert die Betroffenen für relevante Stärken und Schwächen, <?page no="36"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 37 Chancen und Risiken. Sie bestimmt die nötige Qualifikation der Mitarbeiter, erhöht deren Motivation und erleichtert die Koordination von Strategien und Maßnahmen. Welchen Betätigungsfeldern man sich zuwendet, hängt von einer Reihe von Faktoren ab: spezifische Kompetenz, über die man verfügt oder deren es bedarf, um auf einem Markt aktiv tätig werden zu können (siehe dazu insbesondere Abschnitt 2.3.3), vorhandene oder über einen Ausbau erreichbare Produktions- und Distributionskapazität, Marktzutrittschancen oder -barrieren faktischer Art, z.B. Widerstand von Absatzmittlern (Handel) oder Konkurrenten oder auch Investitionsanreize der öffentlichen Hand, staatliche Restriktionen, z.B. Verbot der Forschung, Produktion oder Ausfuhr bei bestimmten Produktkategorien. Die Festlegung des Betätigungsfeldes bezeichnet damit gemeinhin den Unternehmenszweck. Vor allem auf erstgenanntem Punkt basieren letztendlich langfristige Kernkompetenzen des Unternehmens, die in einer adäquaten Unternehmensvision bzw. einem Unternehmensleitbild festgehalten und als grundsätzliche Herausforderung verstanden werden sollten. Alle anderen Ziele der Zielhierarchie sind daran zu orientieren (Helm und Meiler 2004, 394ff., siehe auch Abschnitt 2.3.3). 2 2.3.2.2 Nutzung der differenzierten Nachfrage durch Marktsegmentierung Angenommen, ein Unternehmen sieht seine Aufgabe (Business Mission) darin, Fahrzeuge für den Individualverkehr herzustellen und zu vermarkten. Damit ist dessen Tätigkeitsfeld aber noch nicht hinreichend fixiert, denn während beispielsweise General Motors in den USA bestrebt ist, mit den Marken Chevrolet, Pontiac, Oldsmobile, Buick und Cadillac „a car for every pocket and taste“ verfügbar zu haben, fehlen beispielsweise den deutschen Anbietern BMW ein Angebot im untersten und Ford ein solches im obersten Preissegment. Porsche beschränkt sich auf einen ganz kleinen <?page no="37"?> 38 2 Marketing Ausschnitt des Marktes, einen Sektor, der gleichzeitig durch Sportlichkeit und Luxus geprägt ist - und seit einiger Zeit nicht nur Sportwagen im engeren Sinne umfasst. Offenkundig gibt es also mehrere Möglichkeiten, Marktpotenzial in Umsatz umzuwandeln. Dies liegt daran, dass tatsächliche und potenzielle Nachfrager weithin divergierende Bedarfsvorstellungen und Merkmalsprofile aufweisen, was zugleich ihren Lebensstil prägt. Der Lebensstil ist Ausdruck eines spezifischen Konsumverhaltens und einer Konstellation grundlegender Einstellungen sowie der äußeren Umstände. Bereits zu Beginn wurde das Primat des Absatzmarktes im Allgemeinen und der Kundenorientierung im Speziellen eingehend thematisiert. Daher bietet es sich an, den Erwerb einer Sach- oder Dienstleistung durch einen Nachfrager einer näheren Betrachtung gemäß Abbildung 5 zu unterziehen. Bedürfnisse stellen den gedanklichen Ausgangspunkt des Kaufentscheidungsprozesses dar (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein 2013, 191f.; Trommsdorff und Teichert 2011, 102f.). Sie kennzeichnen einen Mangelzustand bzw. ein Problem, auf dessen Überwindung der Nachfrager hinarbeitet. Im Gegensatz dazu ist der Bedarf bereits auf bestimmte Mittel der Bedürfnisbefriedigung hin orientiert; er ist gewissermaßen das durch die Konfrontation mit Produkten und/ oder Dienstleistungen, die grundsätzlich zur Bedürfnisbefriedigung geeignet sind, konkretisierte Bedürfnis. So kann ein Wanderer bzw. Bergsteiger zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Bedürfnis nach Erfrischung empfinden, das er nach Analyse der infrage kommenden Formen der Abhilfe (Bier, Mineralwasser, Eis, Freibad etc.) durch ein Bad in einem Gebirgssee (Bedarf) konkretisiert. Verantwortlich für die Umformung von Bedürfnissen zum Bedarf sind insbesondere eigene Erfahrungen hinsichtlich der Eignung verschiedener Objekte, das entsprechende Bedürfnis zu befriedigen, und Erfahrungen oder Meinungen anderer Personen, die das Entscheidungsverhalten des betroffenen Individuums beeinflussen. <?page no="38"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 39 Abb. 5: Stufen zunehmender Konkretisierung des Kaufentscheidungsprozesses und Einflussmöglichkeiten der Marketinginstrumente Der Bedarf ist lediglich objektorientiert, nicht aber auf einen bestimmten Zeitpunkt oder Ort bezogen. Damit es zu einer weiteren Konkretisierung hin zu einer Nachfrage kommt, sind vom Indivi- Bedürfnis : Kaufvolumen Suchen und Finden alternativer Befriedigungsmöglichkeiten (eigene und fremde Erfahrung) Produktpolitik Bewertung Bedarf: Preispolitik Zeitdisposition Finanzdisposition Überprüfung der Dringlichkeit tatsächliches Angebot situative Einflüsse Distributionspolitik Kommunikationspolitik mit Geldmitteln versehen, zeitlich geordnet M a r k e t i n g - I n s t r u m e n t e Mangelgefühl und das Bestreben, dieses zu beheben konkretisiert, objektorientiert Nachfrage: <?page no="39"?> 40 2 Marketing duum bestimmte Beschaffungsdispositionen zu treffen. Zunächst einmal müssen entsprechende finanzielle Mittel vorhanden sein bzw. bereitgestellt werden, was stets eine Abwägung der Dringlichkeit alternativer Kauf- oder Investitionswünsche voraussetzt. Insofern konkurrieren etwa Ausgaben für einen Theaterbesuch mit solchen für den Erwerb eines wissenschaftlichen Lehrbuchs. Es geht aber auch um die Zeit, was sich etwa in der Frage niederschlägt: „Kann ich mir angesichts der bevorstehenden Klausur einen Theaterbesuch (zeitlich) leisten? “ bzw. „Wann kann ich mir einen Theaterbesuch (zeitlich) leisten? “ Aus der Gegenüberstellung von Nachfrage und Angebot ergibt sich schließlich die Entscheidung bezüglich Kauf oder Nichtkauf. Aggregiert man den bisher individuell betrachteten Verlauf des Entscheidungsprozesses mit einem für das eigene Angebot positiven Ergebnis hinsichtlich aller Kunden in einem Markt, so erhält man das Kaufvolumen. Dividiert man die Zahl aller Konsumenten mit einer Entscheidung für einen Kauf durch die soeben ermittelte Anzahl ergibt sich der eigene Marktanteil. Betrachtet man die vielfältigen Möglichkeiten, aus denen eine konkrete Nachfrage eines Nachfragers entstehen kann, so wird leicht ersichtlich, dass bei einem identischen Bedürfnis zu Beginn des Kaufentscheidungsprozesses die verschiedensten Nachfragekonstellationen entstehen können. Der Marketing-Mix (linke Seite vorangegangener Abbildung) ist dementsprechend so zu gestalten, dass die Bedürfnisse der Konsumenten zu einer Nachfrage nach dem eigenen Angebot am Markt führt. Die Ausgestaltung der verschiedenen Instrumente setzt dabei an verschiedenen Punkten des Kaufentscheidungsprozesses an. Das Verhalten der Käufer ist somit naturgemäß nicht nur hinsichtlich seines Entstehens und des Prozessablaufs, sondern auch hinsichtlich der bei einzelnen Personen auftretenden Unterschiede von Interesse. Dies kann z.B. bei Personenkraftwagen folgende Gründe haben: Die Menschen bevorzugen verschiedene Autotypen (Komfortlimousine vs. Sportwagen). Sie stufen diese aber auch ganz verschieden ein: So erblickt etwa ein Kunde aufgrund seiner Erfahrungen in einem bestimmten PKW-Typ ein Mängelauto („Montags- <?page no="40"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 41 auto“), ein anderer Kunde dagegen ein höchst zuverlässiges Fahrzeug. Aus ähnlichen Gründen bestehen zwischen den einzelnen Käufern unterschiedliche Vorstellungen über die Vorziehenswürdigkeit der verschiedenen angebotenen Varianten. Die Wunschvorstellungen der Kunden bzw. der Anteil der Wünsche, der bereits erfüllt wurde, prägen neben weiteren grundlegenden Wertvorstellungen und Einstellungen zu einem großen Teil den oben bereits thematisierten Lebensstil. Ein typisches Bild bietet in diesem Sinne ein Konsument, der sich mit altdeutschen Möbeln umgibt, gedeckte Anzüge bevorzugt, am Wochenende regelmäßig die Sportschau sieht und in geregelten finanziellen Verhältnissen lebt. Solche Lebens- und Konsumstile, seien es nun solche allgemeiner oder solche produktspezifischer Art, stellen einen natürlichen Ansatzpunkt für die Unternehmenspolitik eines Konsumgüterherstellers dar. Gleichwohl ist die Allgemeingültigkeit solcher (durchaus einleuchtender) Lebensstiltypologien zu bezweifeln. So ist z.B. das Modediktat deutlich abgebröckelt oder es sind Verhaltensweisen offenkundig geworden, die mit solchen Mustern nicht übereinstimmen. Die Frau im Nerzmantel fährt per Porsche vor, um bei Aldi oder einem anderen Discounter Nahrungsmittel einzukaufen, und bemängelt an der Kasse, dass ein Artikel um einige Cent teurer als bei einem Konkurrenten sei. Der Geschäftsmann verschlingt mittags bei McDonalds einen Hamburger und speist abends im Münchner Nobelrestaurant Tantris. Die Widersprüche im Kaufverhalten gehen noch weiter: In ein und demselben Haushalt finden sich IKEA-Mitnahmemöbel neben Stilmöbeln. Manche Konsumentin ersteht ein teures Kostüm in einem eleganten Spezialgeschäft, um kurz darauf die noch fehlende Bluse bei C&A zu erwerben. Nicht wenige konsumieren sowohl Kaffee von Aldi als auch Espresso von Illy. Zusammenfassend kann man somit festhalten: Abnehmer gehen mit unterschiedlichen Bedarfsvorstellungen an den Markt heran. Der Bedarf der potenziellen Abnehmer ist stark von deren subjektiven Erfahrungen und Beurteilungskriterien geprägt. Sie reagieren daher unterschiedlich auf bestimmte Aktionen der Anbieter. <?page no="41"?> 42 2 Marketing Bezieht man diese Erkenntnisse auch auf Produkte, so bedeutet dies, dass Abnehmer die Leistungen von Herstellern unterschiedlich einschätzen, d.h. das Urteil der Nachfrager bezüglich ein und desselben Produkts ist heterogen! Personen haben bei gleichen Objekten unterschiedliche Wahrnehmungen und Personen messen den subjektiv wahrgenommenen Merkmalen unterschiedliche Bedeutung zu. Die Folge dieser Erkenntnis ist, dass der Markt (d.h. die Summe der potenziellen Abnehmer) zumindest differenziert zu betrachten ist. Sind entsprechende Ressourcen gegeben, ist es sodann möglich, ein oder mehrere Segmente differenziert zu bearbeiten. Es ergibt aber keinen Sinn, erkannte Differenzierungspotenziale aufgrund mangelnder Ressourcenkapazität zu ignorieren und standardisiert zu bearbeiten. Die beschriebenen, verschiedenen Bedarfsvorstellungen eröffnen somit die Möglichkeit der Marktsegmentierung, d.h. man verzichtet bewusst darauf, den nicht gleichartigen Wünschen von Abnehmern mit einem einheitlichen, standardisierten Angebot gerecht zu werden. Stattdessen bemüht man sich, durch sog. Line extensions (Erweiterung der Produktpalette), durch Setzen unterschiedlicher Preise, Nutzung verschiedenartiger Absatzwege und Wahl zielgruppenorientierter Kommunikationskonzepte spezifischen Bedürfnissen von Gruppen potenzieller Käufer stärker Rechnung zu tragen, um auf diese Weise Nachfrage zu aktivieren und einen möglichst großen Teil davon an sich zu ziehen. Marktsegmentierung bedeutet einerseits die systematische Aufteilung eines Marktes in möglichst homogene Teile, andererseits deren differenzierte Bearbeitung mit Hilfe des Marketing-Mix (Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik). Um Segmente zu identifizieren bzw. voneinander abzugrenzen, gibt es eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten, von denen die wichtigsten, bezogen auf Konsumgüter, nachfolgend zusammengestellt sind. <?page no="42"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 43 Soziodemographische Merkmale: Alter Geschlecht Zivilstand Stellung in der Familie Größe der Familie, der die Person angehört Einkommen (Familien-/ persönliches/ disponibles Einkommen) Beruf Ausbildungsabschluss soziale Schicht physiologische Gegebenheiten (Diätregeln, Körperschäden etc.) Hautfarbe / Religion Geographische Merkmale: Regionen (Bundesländer, Staaten) überörtliche Siedlungsstruktur (Ort mit <500 Einwohnern / .../ Ort mit >1Mio Einwohnern) örtliche Siedlungsstruktur (Stadtrandlage / ... / Citylage) klimatische und topographische Bedingungen (Verkehrsanbindung) Allgemeine psychographische Merkmale („Persönlichkeit“): Leistungsstreben Geselligkeitsstreben Risiko- und Innovationsbereitschaft Beeinflussbarkeit durch formale oder personale Kommunikation Wertvorstellungen Objektive Merkmale im Hinblick auf bestimmte Produktbereiche: Besitz bestimmter Gebrauchsgüter realisierte Kaufkraft Intensiv- / Wenig- / Nichtkäufer einer Produktgruppe Markenwechsler / markentreuer Käufer Kaufrhythmus und jeweiliges Beschaffungsvolumen Informationsverhalten vor dem Kauf (intensiv / wenig intensiv) <?page no="43"?> 44 2 Marketing Psychographische Merkmale im Hinblick auf bestimmte Produktbereiche: Lebensstil periphere Einstellungen zentrale Einstellungen Informationsinteresse Wissen über angebotene Objekte Aktivitätsvorlieben (Hobbys etc.) Merkmale der Reaktion auf absatzpolitische Anstrengungen der Anbieter in einem bestimmten Produktbereich: Qualitätsbewusstsein Preisbewusstsein Werbeempfänglichkeit Bereitschaft, Beschaffungsanstrengungen auf sich zu nehmen Am häufigsten herangezogen werden dabei Kriterien soziodemografischer Art; ihr besonderer Vorzug liegt darin, dass sie unmittelbar einsichtig und relativ leicht zu erheben bzw. zu beobachten sind. Gleichwohl erscheinen sie häufig wenig geeignet, Nachfrager verschiedener Marken zu identifizieren. Weiterhin geben sie in vielen Fällen auch keine Hinweise auf für den Kauf relevante Einstellungen, die für das Marketing (Zielgruppenansprache) verwendet werden können. Sollte sich beispielsweise bei einer Zielgruppenidentifikation herausstellen, dass die Personen in jenem Segment besonderen Wert auf Qualität legen (hohes Qualitätsbewusstsein), so kann - vielmehr muss - diese Information in der kommunikativen Ansprache verwertet werden. Bei Segmentierungsstudien im gewerblichen Bereich kommen zu den Merkmalen von Managern noch unternehmensbezogene Daten und Spezifika der jeweiligen Beschaffungsorganisation hinzu. Dass indessen selbst bei Verfügbarkeit aller nur wünschbaren Daten das Problem noch nicht gelöst ist, verdeutlichen folgende Überlegungen: Angenommen, wir kennen aufgrund einer auf Stichprobenbasis durchgeführten empirischen Erhebung im Umfang von 500 Befragten von jedem 20 Eigenschaften, Ansichten, Einstellungen etc., so erhalten wir eine Datenmatrix im Umfang von 500 mal 20, also <?page no="44"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 45 10.000 Werten. Unsere Aufgabe besteht nun darin, Gruppen von Befragten zu identifizieren, die untereinander möglichst homogen, von Segment zu Segment aber so verschieden wie möglich sind. Wie viele derartige Gebilde man bei diesem Unterfangen erhält, hängt, abgesehen von dem logischen Extremfall, dass alle Matrixeinträge identische Werte enthalten, allein davon ab, was der Analytiker unter „ähnlich“ bzw. - dem Komplement dazu - „verschieden“ versteht. Man ist dabei mit einem Kontinuum konfrontiert, das von 1 (alle Probanden bilden zusammen ein Segment) bis 500 (keiner ist wie der andere, jeder verkörpert ein Segment) reicht. Es gibt mathematische Methoden (Clusteranalysen), die für jede vorgegebene Anzahl von Segmenten (< Anzahl von Elementen) die erforderliche Aufteilung der Elemente liefern. Dies bedeutet, dass man eine Liste erhält, die genau ausweist, welche Probanden Segment 1 (1, 7, 8, 11, …), welche Segment 11 (2, 6, 10, 12, …) und welche Segment 111 (3, 4, 5, 9, …) angehören. Letztlich wird man sich für die Bildung so vieler Segmente entscheiden, wie man sinnvoll interpretieren und beschreiben kann. 2 2.3.2.3 Positionierung von Unternehmen und absatzwirtschaftlichen Leistungen Wenn sich in einem konkreten Fall eine bestimmte Zahl von Segmenten herauskristallisiert, bedeutet dies noch lange nicht, dass ein Unternehmen auch alle davon zu bearbeiten gewillt ist. Es könnte sich wie vorne beschrieben - im Gegensatz zu General Motors, einem Konzern, der das gesamte Nachfragespektrum abzudecken bestrebt ist - nur einzelnen Teilbereichen des Marktes oder auch nur einer Nische zuwenden. Es wird aber wohl kaum einen Anbieter geben, der bei der Wahl der Teilmärkte nicht bestrebt wäre, ein vernünftiges Preis- Leistungs-Verhältnis zu erreichen. Gleichwohl wird diese Relation von zwei Größen gebildet, vom Preis und von der Leistung, die nicht beide zugleich minimiert bzw. maximiert werden können. Viele Unternehmen haben eine ziemlich klare Vorstellung davon, wo das Schwergewicht liegen soll. Das Spektrum reicht von „Nur das Beste oder nichts“, das Gottlieb Daimler zu seinem Wahlspruch erkoren hat, bis hin zu „We are the cheapest in town“. <?page no="45"?> 46 2 Marketing Manche amerikanischen Einzelhändler versprechen einem Kunden, sollte dieser einen Artikel irgendwo am Ort billiger angeboten sehen, ihm jenen zu schenken. Die Lufthansa warb zeitweise mit dem Slogan „Wir wollen unübertroffen sein“, was nicht zu Discountpreisen zu schaffen ist, während manch andere Gesellschaft den Fluggast spüren lässt, er könne bei dem bisschen Geld, das er bezahlt hat, nicht noch mehr erwarten, als mitgenommen zu werden. Deutlich in Richtung Mittelfeld beim Leistungsanspruch tendiert beispielsweise C&A, dessen Firmenphilosophie auf den Nenner „hochwertig wirkende Ware zu erschwinglichen Preisen“ zu offerieren, gebracht werden kann. Anspruchsvolle Leitmotive der angedeuteten Art prägen das Verhalten eines Unternehmens gegenüber Abnehmern, Mitarbeitern und Öffentlichkeit. Wer in dieser Hinsicht ein bestimmtes Image kultiviert, muss sich bei allen Aktivitäten daran messen lassen. Umgekehrt wird von einem Anbieter, der sich rühmt, dass es keinen preiswerteren im weiten Umkreis gibt, nicht erwartet werden, dass er auch noch ein aufwändiges Servicepaket schnürt. Der Leistungsanspruch, den ein Anbieter für sich erhebt, ist eng mit der Frage der Positionierung seines Angebots verknüpft (Brockhoff 1999). Die Positionierung eines Produktes beinhaltet alle Aktivitäten im Marketing-Mix, die im Interesse der Leistungsprofilierung eine gezielte Leistungswahrnehmung der Nachfrager zur Folge haben und die jenes vom Wettbewerbsumfeld abgrenzen. Welche Bewandtnis es damit hat, lässt sich leicht unter Zuhilfenahme formaler Modelle verdeutlichen. Es ist möglich, Märkte in (mehrdimensionalen) geometrischen Räumen abzubilden, deren Dimensionen zentrale image- oder präferenzbildende Faktoren verkörpern, aus Gründen der leichteren Darstellung beschränkt man sich meist auf zwei - aus darstellungstechnischen Gründen voneinander unabhängigen - Dimensionen (siehe dazu Abbildung 6). <?page no="46"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 47 Abb. 6: Zweidimensionaler Objektraum Diese Faktoren resultieren nicht unbedingt aus technischen Gegebenheiten, da Produkte vielmehr als Bündel von wahrgenommenen bzw. erwarteten Nutzengrößen aus Produktmerkmalen, die teilweise nur mittelbar mit dem Produkt per se zusammenhängen (Marke, Verkaufsstelle, Service etc.), zu sehen sind. Ein Produkt verkörpert eine absatzwirtschaftliche Leistung, die aus einer Anzahl von vom Nachfrager wahrgenommenen Leistungsmerkmalen und seinen damit verbundenen Erwartungen in Bezug auf den Nutzen besteht. Ansehen in der Öffentlichkeit Sportlichkeit Eigenes Unternehmen D B E A G C F H . . . . . . . . . <?page no="47"?> 48 2 Marketing Weiterhin können für jedes als Wettbewerber (d.h. als potenzielle Alternative) in Betracht zu ziehende Produkt dessen Koordinatenwerte bestimmt werden (im Folgenden werden Produkte und die sie anbietenden Unternehmen synonym verwendet). Die Distanzen zwischen den Objekten reflektieren die Wettbewerbsintensität. Aus der Sicht des Marketing kommt es u.a. darauf an, dass sich ein Produkt von anderen in seiner Umgebung deutlich abhebt. Es geht darum, eine unverwechselbare Stellung einzunehmen, die Nachbarn auf „Distanz“ zu halten, über ein prägnantes Profil mit positiven Konturen zu verfügen, d.h. eine geplante, auf Marktanalysen beruhende Positionierungsentscheidung durchzusetzen. Folgende Abbildung zeigt die Grundform eines derartigen Marktmodells. Abb. 7: Zweidimensionaler gemeinsamer Merkmalsraum Ansehen in der Öffentlichkeit Sportlichkeit igenes Unternehmen D B E A G C F H Segment 5 Segment 2 Segment 1 Segment 4 Segment 3 . . . . . . . . . <?page no="48"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 49 Im betrachteten Beispielmarkt existieren neben dem eigenen Unternehmen acht Konkurrenten, die mit ihren Leistungen am Markt aktiv sind. Die Positionierungen der Anbieter aus der Sicht der Kunden ergeben sich direkt aus der Position im Koordinatensystem. So wird beispielsweise das eigene Unternehmen hinsichtlich des Ansehens in der Öffentlichkeit (Reputation, Prestige) als etwas schlechter wahrgenommen als Konkurrent A, jedoch besser als alle anderen Konkurrenten. Diese Bewertung ergibt sich direkt aus dem Ordinatenwert der Koordinate. Ebenso kann für alle Unternehmen die Bewertung der Kunden in Bezug auf das zweite präferenzdeterminierende Merkmal, das auf der Abszisse angetragen ist, abgelesen werden. Auch hier wird das eigene Unternehmen geringfügig weniger sportlich eingeschätzt als Konkurrent A, es wird jedoch hinsichtlich dieses Merkmals besser bewertet als die übrigen Wettbewerber. Stärkster Konkurrent des eigenen Unternehmens ist dementsprechend Konkurrent A, weil er als am ähnlichsten (d.h. am ehesten austauschbar) wahrgenommen wird. Ob das Ergebnis, nämlich eine bestimmte Koordinatenkonstellation, auch ökonomisch sinnvoll erscheint, steht auf einem ganz anderen Blatt; denn Idealvorstellungen, Kaufkraft, Nachfrageintensität etc. werden innerhalb des Systems höchst unterschiedlich verteilt sein. Insofern vermag eine eindrucksvolle Positionierung das Management erst dann zufriedenstellen, wenn sich um sein(e) Produkt(e) eine stattliche Käuferschaft schart. Der auf ein spezifisches Leistungsversprechen ansprechende Teil des Marktes muss vom Volumen her ausreichend attraktiv sein. Der Umkehrschluss, dass man immer nach der größten Nachfragedichte im Raum suchen sollte, wäre indessen falsch, weil sich dort erfahrungsgemäß auch die meisten Wettbewerber tummeln. Das mit diesem methodischen Hilfsmittel verbundene Erkenntnispotenzial kann wesentlich erhöht werden, indem die Idealvorstellungen von Nachfragern bzw. Nachfragergruppen (Marktsegmente) als Punkte hinzugenommen werden (siehe dazu obige Abbildung, welche das Beispiel aus der vorherigen Abbildung fortführt). Hierfür sind Nachfrager auf geeignete Weise danach zu fragen, welche Merkmalsausprägungen ein idealer Vertreter des entsprechenden Produktbereichs haben sollte. <?page no="49"?> 50 2 Marketing Die Distanzen zwischen den einzelnen Produkten und einer bestimmten Gruppe von Nachfragern geben unmittelbar den Grad der Vorziehenswürdigkeit der betreffenden Objekte im Urteil dieser Personengruppe an (kleine Distanz = hohe Vorziehenswürdigkeit). Vergegenwärtigt man sich nun noch die Größe der einzelnen Personengruppen (Marktsegmente), so wird klar, wo Marktchancen bestehen. Offene Marktnischen sind demnach dadurch gekennzeichnet, dass hier zwar potenzielle Käufer, aber keine geeigneten Angebote zu finden sind. Die Idealvorstellungen hinsichtlich eines Leistungsangebots auf diesem Markt sind in Abbildung 7 durch fünf verschiedene „Kreise“ (Marktsegmente) erkennbar. So wollen Nachfrager in Segment 2 bezüglich der beiden in diesem Markt kaufentscheidenden Leistungsmerkmale am liebsten mit einem Anbieter zusammenarbeiten, der bei beiden Merkmalen hohe Ausprägungen aufweist, d.h. der sowohl über ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit verfügt als auch als sehr sportlich wahrgenommen wird. Hier ist natürlich von Interesse, wie groß dieses Segment ist (angedeutet durch die Größe der Kreise) und wie man die Nachfrager anhand der in Abschnitt 2.3.2.2 angeführten Merkmale beschreiben kann, sodass diese auch eindeutig identifiziert und angesprochen werden können. Die relative Position des eigenen Unternehmens bzw. der Konkurrenzunternehmen hinsichtlich der Idealvorstellungen der Kunden in diesem Markt lässt sich direkt aus der Entfernung der Position des Unternehmens im Koordinatenkreuz und der Position der Marktsegmente ablesen. So ist in dieser Hinsicht erkennbar, dass das betrachtete Unternehmen bei der Leistungsgestaltung die Vorstellungen der Kunden in Segment 2 relativ gut trifft und es sich mit Konkurrent A um die Kunden dieses Segments bemüht. In ähnlicher Weise können auch die anderen Unternehmen bewertet werden. Auffällig ist hier noch, dass die Vorstellungen eines idealen Leistungsangebots bei den Kunden von Segment 5 von keinem existierenden Unternehmen in adäquater Weise befriedigt werden. Dementsprechend liegt hier eine Marktnische vor, die nach Prü- <?page no="50"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 51 fung der Segmentgröße durchaus mit einem neuen, vom bisherigen Angebot differenzierten Produkt bedient werden könnte. 22.3.2.4 Geografische Dimensionen des Marktes Auch der Markt im territorialen Sinn muss festgelegt werden, wobei wir von einem oder mehreren gegebenen Standorten eines Unternehmens ausgehen. In Wirklichkeit kommt dabei noch ein zweiter Aspekt hinzu, nämlich die Größe der Kunden, die man sich zu beliefern zutraut; denn z.B. vermag nicht jeder kleine Bäcker die gesamte Bundeswehr zu versorgen. Die Absatzreichweite wird einerseits von kurzfristig als Fakt zu behandelnden Restriktionen, andererseits von Ertragserwartungen bestimmt. Eine erste Einschränkung stellt das Liefervermögen dar, das seinerseits von der Produktions- und der Distributionskapazität auf der einen sowie etwaigen Zukaufmöglichkeiten auf der anderen Seite bestimmt wird. Eine weitere Hürde für die Ausdehnung des unternehmensspezifischen Marktes bilden die Logistikkosten. Die Ware kann nur eine bestimmte Strecke befördert werden, weil dann die Distanzüberwindung so stark zu Buche schlägt, dass die Gesamtkosten zu groß werden. Vor einem ähnlichen Problem steht beispielsweise ein Handwerker, der bei Kunden zu Hause Dienstleistungen (Malerarbeiten, Reparaturen etc.) erbringt, ferner ein Unternehmen, das ein hohes Maß an Abnehmernähe erreichen muss, etwa weil sich seine Erzeugnisse als störungsanfällig erweisen oder regelmäßig gewartet werden müssen. Wo es dies aus Entfernungsgründen nicht mehr gewährleisten kann, tendieren seine Verkaufschancen gegen null, sofern keine eigenen Niederlassungen oder Partnerschaften mit anderen (Konkurrenz-)Unternehmen eingegangen werden können. Eine Kapazität, die nicht ausgelastet ist, wirkt genau umgekehrt; denn durch sie wird der Absatzradius vergrößert. So dürfte ein Gewerbebetrieb, der nur in diskreten Schritten wachsen oder schrumpfen kann, nicht zögern, seine Marketinganstrengungen auf Gebiete auszudehnen, die bislang nicht auf dem Programm standen, um die Mitarbeiter und Anlagen auszulasten. <?page no="51"?> 52 2 Marketing Wenn man modernste Fertigungsanlagen auslasten will, benötigt man Stückzahlen, die zumeist nur der Weltmarkt aufzunehmen vermag. Insofern präjudiziert das Streben nach Effizienz ein Global Marketing. Wer als Erster bestimmte Schlüsselländer erobert, verschafft sich, wie wir auch noch in Abschnitt 2.3.3.3 im Kontext der Kundennähe sehen werden, Vorteile im Einkauf, in der Produktion und in der Distribution, kann damit, falls es der Markt verlangt, die Abnehmerpreise senken und dadurch auch Konkurrenten aus dem Rennen werfen (Nieschlag, Dichtl und Hörschgen, 1997, 94f.). Von daher führt zumindest für größere Unternehmen, für spezialisierte Unternehmen oder für B2B-Unternehmen kein Weg daran vorbei, von vornherein die Internationalisierung des Absatzes ins Auge zu fassen (Helm 2001; Hollensen 2014). Global Marketing postuliert somit den Vertrieb eines Erzeugnisses in allen wichtigen Ländern der Welt und die Steigerung der Effektivität der Marktbearbeitung durch weitgehende Standardisierung von Produkt- und Marketingkonzeption. 22.3.3 Art des Wettbewerbsvorteils Das Betätigungsfeld eines Unternehmens in der in Abschnitt 2.3.2.1 skizzierten Weise anzudenken und in Abstimmung mit den nachfolgenden Alternativüberlegungen festzulegen, entscheidet oft schon darüber, ob das ständige Streben, den Wettbewerbskampf zu bestehen, von Erfolg gekrönt ist oder nicht. Solche - strategischen - Festlegungen werden immer für eine längere Zeit getroffen und sind schwer revidierbar, während die Alltagsarbeit dadurch gekennzeichnet ist, dass man die erreichte Position zu sichern sucht (siehe Abschnitt 2.2.3), beharrlich auf Verbesserungen hinarbeitet, behutsam Stützpunkte ausbaut und unablässig die Effizienz der Marketingarbeit zu steigern bestrebt ist. Der Detaillierungsgrad des Wettbewerbsvorteils hängt von der hierarchischen Betrachtungsebene ab. Dies hat zur Folge, dass mit niedrigerer Hierarchieebene die Vorteile einer Leistung immer spezifischer werden müssen. Aus diesem Grund legen Unternehmen auf den höchsten Zielebenen relativ abstrakt fest, was sie wie erreichen wollen. Vielfach resultiert daraus die Verfolgung einer sog. Basisstrategie im Marketing. <?page no="52"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 53 Welche strategischen Stoßrichtungen kommen für Basis- und Produktstrategien im Unternehmen infrage? Im Folgenden werden einige grundsätzliche Stoßrichtungen aufgezeigt, die geeignet sind, die Unternehmenstätigkeit dahingehend auszurichten, dass Ressourcen entwickelt werden, die eine einheitliche Basis für verschiedene Wettbewerbsvorteile auf Produktebene darstellen. Diese unternehmerischen Ausrichtungen können aber nicht isoliert betrachtet bzw. verfolgt werden. Um ein geschlossenes Marketingkonzept zu bilden, wird oft die Basisstrategie mit den Ausprägungen anderer Ansätze kombiniert. 22.3.3.1 Qualitätsführerschaft Die meisten Menschen, die ein Produkt zu erwerben gedenken, werden darauf achten, dass dieses von „guter“ bzw. „angemessener“ Qualität ist. Damit kann Verschiedenes gemeint sein. Bei Produktions- und Investitionsgütern gibt es meistens, bei Konsumwaren und Dienstleistungen oft objektive Kriterien dafür, wie ein Erzeugnis beschaffen sein sollte. Um etwa die Belastbarkeit von Stoßdämpfern eines Autos vor Aufnahme der Serienfertigung zu überprüfen, wird dessen Hersteller Tests durchführen und danach wissen, woran er ist. Die Ansprüche, die ein Käufer an ein Produkt stellt, erschöpfen sich jedoch nicht in der Art von Anforderungen, die etwa auch die Stiftung Warentest ihren Prüfungen zugrunde legt. Ein Erzeugnis muss zumeist auch ansprechend aussehen, sympathisch stimmen, anmutend wirken; letztendlich muss das vorne als absatzwirtschaftliche Leistung definierte Nutzenbündel bestimmte, hohe Erwartungen der Abnehmer erfüllen. Dafür existieren keine objektiven Messkriterien. Schließlich gibt es Fälle, in denen sich die Beteiligten durchaus über die Existenz bzw. Ausprägung einer bestimmten Eigenschaft, nicht aber darüber einig werden, ob der Befund nun gut oder schlecht zu werten ist. Für den einen ist z.B. die Existenz eines automatischen Getriebes in einem Auto eine conditio sine qua non, für den anderen dagegen ein höchst überflüssiger und damit verzichtbarer Bestandteil. <?page no="53"?> 54 2 Marketing Im Marketing richtet sich die Aufmerksamkeit vorrangig nicht auf die objektive, sondern auf die subjektive Seite der Qualität von Produkten, d.h. wie oben bereits erwähnt, werden diese als absatzwirtschaftliche Leistungen mit einer Vielzahl nutzenstiftender Eigenschaften betrachtet. Ausgangspunkt der Qualitätseinschätzung ist demnach die subjektiv gefärbte Wahrnehmung (Perzeption) der Konsumenten (Helm 2009, 169). Als Bezugsebenen kommen somit Material, Funktionalität, Verarbeitung und äußere Gestaltung, als Beurteilungskriterien technische Angemessenheit, Umweltfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Komfort und Sicherheit in Betracht. Bei Dienstleistungen geht es vor allem um die Annehmlichkeit des Umfeldes, in dem sie erbracht werden, sowie um Verlässlichkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Leistungskompetenz und Einfühlungsvermögen derjenigen, die für sie verantwortlich sind (Pasch und Helm 2000; Stauss und Hentschel 1991). Das Ziel der Qualitätsführerschaft als Quelle des eigenen Wettbewerbsvorteils ist demnach nicht in Bezug auf absolute und/ oder „objektiv gemessene“ Ausmaße bzw. bei unternehmensintern als bedeutsam betrachteten Leistungsmerkmalen zu verfolgen. Zwingend zu betrachten sind vielmehr die aus Nachfragersicht relativen Ausmaße (an bevorzugtem Qualitätsniveau), deren Messkriterien sowie deren zur Präferenzbildung herangezogenen Merkmale (Helm und Steiner 2008). Anderenfalls wird man sich in den meisten Fällen hinsichtlich der Ausprägungen der Qualität an den Anforderungen des Marktes vorbeibewegen („Over-Engineering“)! 22.3.3.2 Innovationsführerschaft Bereits 1954 postulierte Peter Drucker, dass die Innovationstätigkeit und das Marketing „basic functions of a business enterprise“ und demnach die wichtigsten zu verfolgenden Unternehmensfunktionen sind. In vielen Branchen genügt es bei schnellen Produkt-, Technologie- oder Innovationslebenszyklen - wobei sich nicht nur Hersteller technologischer Güter kurzen Lebenszyklen ihrer Produkte ausgesetzt sehen - nicht, die bestehenden Leistungsangebote des Absatzprogramms zu pflegen und moderat weiterzuentwickeln und sich somit an inkrementelle Bedürfnisveränderungen der Kunden <?page no="54"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 55 anzupassen. Vielmehr kommt es noch stärker darauf an, das Absatzprogramm kontinuierlich in einem in Abhängigkeit der Markt- und Konkurrenzentwicklung mehr oder weniger starken Ausmaß mit neuen innovativen Produkten auszustatten, d.h. das Absatzprogramm zu aktualisieren und zu bereinigen. Es ist unmittelbar einsehbar, dass auf allen vom Unternehmen bedienten Märkten irgendwann die angebotenen Produkte und Leistungen nicht mehr den vom Kunden geforderten Standard erfüllen werden. Damit werden die Absätze dieser Produkte zurückgehen, es müssen Folgeprodukte angeboten werden. Die gezielte und permanente Innovationstätigkeit ist eine mögliche Stoßrichtung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (Helm 2001a, 27ff.). Da die Entwicklung und Vermarktung von Innovationen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken - beide können extreme Ausmaße annehmen - für das Unternehmen bringt, ist eine sorgfältige Planung unabdingbar. Einen wesentlichen Erfolgsfaktor stellt hierfür ein ausgefeiltes Wissensmanagement im Unternehmen dar. Unternehmen, die sich dieser strategischen Stoßrichtung verschreiben, bauen ein Image auf, das durch eine progressive Pionierposition im Markt gekennzeichnet ist. Dies ermöglicht die frühzeitige Setzung von Industriestandards und birgt ein großes Potenzial an Leistungsstandardisierungen im internationalen Geschäft. 22.3.3.3 Kundennähe und Serviceorientierung Die Unternehmen in Deutschland sind weltweit mit den höchsten Arbeitskosten pro Stunde im gewerblichen Bereich konfrontiert, die Jahresarbeitszeit liegt um Hunderte von Stunden unter der von maßgeblichen Wettbewerbern wie Japan und den USA. Außerdem sind die Umweltschutzkosten und die Steuern so hoch wie kaum in einem anderen Land. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, wie man es erreicht, dennoch konkurrenzfähig zu bleiben. Dieser Herausforderung kann man sich vor allem deshalb nicht entziehen, weil ein großer Anteil der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland vom Export abhängt. Es liegt auf der Hand, dass sich Unternehmen unter diesen Bedingungen auf Produkte bzw. Leistungen konzentrieren müssen, deren <?page no="55"?> 56 2 Marketing Bereitstellung ein hohes Maß an Kreativität, Kompetenz, Kapitalkraft und Kundennähe bedingt. Damit nimmt die Bedeutung der Kosten relativ zum Produktionswert ab. Wenn namhafte deutsche Unternehmen Werke in Übersee errichten, ist darin nicht nur eine Flucht vor Widrigkeiten zu Hause zu erblicken, sondern ein Reflex des Bemühens, mit der Produktion näher an die Kunden heranzurücken. Dies dient nicht primär der Einsparung von Transport- oder auch Herstellungskosten, sondern der Absatzsicherung, einem Ziel, das durch Exporte allein nicht zu schaffen wäre. Man denke hier exemplarisch an die Bedeutung von Herkunftslandinformationen („Country-of-origin“bzw. „Made-in“-Effekte) bei Kaufentscheidungen sowie entsprechender Kampagnen („Buy domestic“) in verschiedenen Ländern (Hausruckinger und Helm 1996). Ein Anbieter verfügt z.B. regelmäßig dann über einen Wettbewerbsvorteil, sofern er Kundenwünsche schneller und deutlicher erkennt oder von Interessenten, mit denen er in Kontakt steht, zu Neuerungen gedrängt wird. Vor allem, wenn sich Abnehmer, die man im Blick hat, als anspruchsvoll erweisen, verhelfen sie sensiblen Herstellern insofern zu einem Vorsprung, als sie das, was der Markt später in anderen Ländern verlangt, vorwegnehmen oder sogar prägen (Porter 2013). Auch Service setzt Nähe voraus; denn weder primäre noch sekundäre Dienstleistungen können aus der Ferne angeboten werden, sondern erfordern die Vorhaltung entsprechender Ressourcen vor Ort. Hierin - und nicht bei den Produkten - sehen sich deutsche Weltmarktführer im Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten. Sie halten es für unabdingbar, in allen wichtigen Abnehmerländern mit Tochtergesellschaften vertreten zu sein, da sich nur mit eigenen Mitarbeitern die erforderliche hohe Qualität der Dienstleistungen gewährleisten lässt. Kundennähe fordert, durch körperliche Präsenz und Nutzung von Kommunikationskanälen die physische und psychische Distanz zu den Abnehmern zu verringern, um auf diese Weise Kundenbedürfnisse rascher erkennen und sie besser befriedigen zu können. <?page no="56"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 57 Keine Ebene der Kundennähe ist so bedeutsam wie die Bereitschaft, auf die spezifischen Bedürfnisse bestimmter Abnehmergruppen oder gar jedes einzelnen Kunden einzugehen. Dies entspricht natürlich nicht den gängigen Vorstellungen von Standardisierung und Kostenbewusstsein, aber sich nur an den Kosten zu orientieren, könnte sich als fataler Fehler erweisen. In der Produktions- und Investitionsgüterindustrie waren schon immer individuelle, kundenspezifische Lösungen, die dann freilich auch etwas teurer sein durften, gefragt (Backhaus und Voeth 2014). Der Weg zum Ziel führt indessen nicht nur über die Technik. Th. Watson, unter dessen Ägide die IBM Weltgeltung erlangt hat, erhob folgende Forderung zum Dogma: „Unter allen Unternehmen der Welt wollen wir den besten Kundendienst bieten“. Somit wurden nicht die „Hardware“, sondern Service und Kundennähe zum Dreh- und Angelpunkt aller Marketingbemühungen erhoben. Dies hatte zur Folge, dass man dabei sogar soweit ging, bei Einführung des IBM-Service für Notfälle zu erklären: „Auf Wunsch der Kunden gießen wir auch deren Blumen“. Kundennähe konkretisiert sich nicht nur darin, seinen Abnehmern im wörtlichen wie im übertragenen Sinne „entgegenzukommen“. In vielen Fällen ist Präsenz im Markt unabdingbar, dies vor allem dann, wenn Käufer nicht bereit sind, weite Wege auf sich zu nehmen. Der Standort erfährt hier eine hohe Bedeutung (Bea 2009, 357ff.). Kundennähe kann sich aber auch im Abbau zeitlicher Hürden äußern, die Geschäftspartner normalerweise zu überwinden haben. Man denke hierbei beispielsweise an die rund um die Uhr reichende Liefer- und Servicebereitschaft von Apotheken und Reparaturdiensten. Kommunikative Nähe demonstriert auch, wer Verbrauchern bei Anfragen und Bestellungen die Möglichkeit einräumt, gebührenfrei oder zum Ortstarif zu telefonieren oder wer sie zu bestimmten Zeiten Beschwerden bei leitenden Mitarbeitern des Unternehmens loswerden lässt. Kundennähe und zugleich größere Effizienz der Marktbearbeitung dank geringer Fehlstreuung von kommunikativen Maßnahmen resultieren aus einem Konzept, das heute allgemein als Data-base- Marketing (vgl. dazu Abschnitt 2.6.3.1) und Customer Relationship Management (CRM) bekannt ist. <?page no="57"?> 58 2 Marketing 22.3.3.4 Sortimentsorientierung Eine ähnlich gelagerte Strategie äußert sich im Angebot eines entsprechend tiefen oder breiten Sortiments bzw. in der Flexibilität, ein solches anbieten zu können. Um gegenüber tatsächlichen Spezialanbietern nicht im Kostennachteil zu sein, ist ein ausgeprägtes Synergiemanagement in der Beschaffung notwendig. Damit wird auf eine Nachfrage im Hauptmarkt abgezielt, und die Rand- Nachfragebereiche werden gezielt außer Acht gelassen. Nicht zu verwechseln sind diese Ausführungen mit den unten angeführten Kennzeichen erfolgreichen Marketings, d.h. der notwendigen Berücksichtigung existierender Segmente in einem Markt und der Vermeidung des Angebots von „Durchschnittsangeboten“. Sortimentsorientierung als Strategie kann dann erfolgreich sein, wenn ein großes Segment von Nicht-Spezial-(Nischen-)Nachfragern besteht. Die Sortimentsorientierung kann auch durch eine angemessene Auswahl produktbegleitender Dienstleistungen erreicht werden. 2.3.3.5 Imagevorsprung durch Markierung und emotionale Positionierung Der ausgeprägte Aufbau einer oder mehrerer (Unternehmens-) Marken für die Leistungen des Unternehmens ist nicht nur in der Konsumgüterindustrie (typisch z.B. bei Unilever, Procter & Gamble etc.), sondern mittlerweile auch in anderen Branchen wie beispielsweise der Automobilindustrie eine probate Strategie der Differenzierung vom Wettbewerb. Gut beobachtbar ist dies beispielsweise bei AUDI durch den USP (= Unique Selling Proposition) „Vorsprung durch Technik“ und BMW durch „Freude am Fahren“ womit sich beide seit Jahren äußerst erfolgreich behaupten. Die Marken und somit immateriellen Assets leisten bei vielen Unternehmen einen erheblichen Beitrag zum Unternehmenswert und sind ein begehrtes Transferpotenzial bei Merger & Acquisition- Aktivitäten. Ebenso dienen sie zur Ausweitung von Geschäftsbereichen durch einen adäquaten Markentransfer, d.h. der Verwendung einer bereits etablierten Marke für andere, neue Produkte im Sortiment oder einer Dachmarkenstrategie für eine Produktfamilie. <?page no="58"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 59 Die Gründe, die für die Wahl dieser Stoßrichtung sprechen, sind vor allem in einer starken wahrgenommenen Homogenität der Produkte, d.h. einer unzureichenden Unterscheidungsmöglichkeit aufgrund von Leistungseigenschaften oder geringem (technologischem) Fortschritt, oder auch einer nur eingeschränkten Beurteilungsmöglichkeit der Leistungsfähigkeit durch den Nachfrager zu suchen. Ersteres gilt nahezu für alle Convenience Goods, bei denen mittels einer Markierung eine quasi differenzierende Wirkung erreicht werden soll. Bei Letzterem können die Nachfrager die „wahre“ Leistungsfähigkeit nicht korrekt beurteilen und sie ziehen daher ein Surrogat wie die Reputation einer Marke zur Beurteilung heran. Manche Produkte werden überhaupt nur deswegen erworben und nicht wenige Dienstleistungen allein deshalb in Anspruch genommen, weil das Umfeld des Käufers weiß, welch stattliche Beträge im Einzelfall für sie zu bezahlen sind. Man denke hier an Modeartikel, Markenkleidung, Schmuck, Kosmetika, Luxusautos und Sportgeräte, an exotische Urlaubsländer, die gehobene Gastronomie, traditionsreiche Hotels und Warenhäuser. Vieles verdankt seine Attraktivität vornehmlich dem Image des Besonderen, Elitären und Teuren, das die Verantwortlichen zu erringen und zu kultivieren verstehen. Kaufentscheidend ist in den allermeisten Fällen die Perzeption, die subjektive Wahrnehmung der angebotenen Leistung! Nach einem Imagevorsprung zu streben empfiehlt sich vor allem dort, wo die für die Erbringung einer bestimmten Leistung erforderlichen Rohstoffe knapp sind, wo es zu deren Erstellung selten vorhandener Kenntnisse oder Fähigkeiten bedarf und wo es nicht oder kaum zu technischem Fortschritt kommt. Weiterhin bietet sich diese Strategie auch in jenen Produktbereichen an, in denen man unter einer „Motivenge“ leidet, d.h. für eine eher rational, an Kaufgründen ausgerichtete Kommunikationspolitik zu wenige konkrete Argumente zur Hand hat (z.B. bei Zigaretten), in denen Statussymbole benötigt werden oder in denen dem Wunsch nach <?page no="59"?> 60 2 Marketing demonstrativem Konsum, einem exklusiven Lifestyle oder dem Zeitgeist Tribut gezollt werden muss. Die Imagestrategie eignet sich aber auch dazu, die Spielregeln, nach denen der Wettbewerb in einer Branche ausgetragen wird, zu verändern. Wenn beispielsweise ein Anbieter von Alltagsartikeln in einem Hochlohnland einsehen muss, dass er die Kostennachteile, unter denen er leidet, kaum überwinden kann, sollte er versuchen, den Spieß umzudrehen, d.h. Nutzendimensionen zu kreieren, die das Kaufverhalten verändern, Kosten in den Hintergrund treten und niedrige Preise als irrelevant erscheinen lassen. Die Uhrenindustrie gibt hierzu ein gutes Beispiel. Vor dem Hintergrund der Existenzgefährdung durch die Hersteller von Quarzuhren, bei denen ein hochwertiger Chip kaum mehr als einige Euro kostet, waren die europäischen Uhrenhersteller vor einigen Jahrzehnten gezwungen, sich hinsichtlich der Absatzsicherung „etwas einfallen zu lassen“. Die Idee war, die Nachfrager von der kreativen und technischen Leistung mechanischer Uhren zu überzeugen und sie so zum Tragen dieser edlen Stücke zu animieren. Gefragt ist seitdem (in einigen Käuferschichten) nicht mehr die preiswerte, sondern die besondere Uhr mit allen möglichen mechanischen (auch unnötigen) Funktionalitäten. Zu diesem Zweck wurden „alte“ Marken mit Geschichte, wie beispielsweise Blancpain („Seit 1735 gibt es bei Blancpain keine Quarzuhren. Es wird auch nie welche geben“) oder Breguet, wieder zum Leben erweckt. 2 2.3.3.6 Kosten- und Preisvorteile Die bisher genannten Ansatzpunkte bedingen sich z.T. gegenseitig und bilden insofern keine miteinander rivalisierenden Strategien. Gleichwohl sollten im Marketing deutliche Akzente gesetzt werden, um jeder Fehlwahrnehmung im Markt vorzubeugen. Ein Ansatzpunkt ganz anderer Art, sich dem Wettbewerb zu stellen, liegt im Streben nach Kostenführerschaft, dem zwei verschiedene Motive zugrunde liegen können: Zum einen verursacht das Ziel, anderen in der Leistung überlegen sein zu wollen, einen gewaltigen Aufwand, der, wie die Erfahrung zeigt, leicht außer Kontrolle geraten kann. Insofern stützt das Ringen um niedrige Kosten die Verfolgung übergeordneter Ziele, weil <?page no="60"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 61 der Schritt etwa von hoher zu noch höherer Qualität zumeist mit einer überproportionalen Aufwandssteigerung verbunden sein wird. Zum anderen gibt es aber auch Anbieter, die gezielt eine Tiefstpreispolitik verfolgen. Sie erachten es als ihre vordringlichste Aufgabe, das Preis-Leistungs-Verhältnis jedes Artikels, ausgehend von einem bescheidenen bis mittleren Qualitätsniveau, nach unten zu drücken. Da Produkte der infrage kommenden Art gewissermaßen jeder bereitstellen kann, konkretisieren sich Leistungsvermögen und Wettbewerbsstärke vorrangig im geforderten Preis am Markt. Um hierbei mithalten zu können, muss die Kostenschraube immer noch stärker angezogen werden. Ein probates Mittel dazu besteht zunächst darin, die Fixkosten, die in einem Unternehmen anfallen, insoweit abzubauen, als Leerkapazität gegeben ist. Eine stärkere Auslastung vorhandener Ressourcen lässt sich aber auch dadurch erreichen, dass man für Menschen, Maschinen, Immobilien etc. weitere Finanzbzw. Nutzungsmöglichkeiten findet („Economies of Scope“). Wenn man sich der Kapazitätsgrenze nähert und allem Anschein nach auf Dauer Einiges mehr am Markt absetzen kann, wird man eine Erweiterung der Anlagen ins Auge fassen, dabei aber einen Technologiesprung zu erzielen versuchen. Dies bedeutet, dass nunmehr „im größeren Stil“ auf leistungsfähigeren Anlagen („Economies of Scale“) produziert wird. Einen weiteren Ansatzpunkt, Stückkosten zu senken, bildet schließlich die Erlangung höherer Mengenrabatte im Einkauf. Chancen, von den skizzierten Möglichkeiten zu profitieren, eröffnen sich selbst dann, wenn man nicht ein einziges Stück mehr als bisher absetzt. Es liegt beispielsweise nahe, Komponenten eines Artikeltyps, insbesondere solche, die die Käufer des Endprodukts nicht sehen, über möglichst viele Varianten hinweg zu standardisieren („Plattformstrategie“) und so zu geringeren Stückkosten zu gelangen. Demselben Zweck dient der Gemeinschaftseinkauf, der vor allen im Handel weit verbreitet ist. Wenn der Wettbewerb härter wird und Stückzahlen und auch Stückkosten nicht mehr zu steigern bzw. zu senken sind, muss man andere Wege beschreiten. Eine erste Überlegung richtet sich darauf, ob es Kostenarten oder -stellen gibt, die sich völlig ausmerzen <?page no="61"?> 62 2 Marketing lassen. Schlagworte wie Lean Production und Lean Management deuten darauf hin, dass manch ein Unternehmen in guten Zeiten Speck angesetzt hat, der nunmehr verschwinden muss. Zumindest eine Reduktion sollte indessen möglich sein, beispielsweise dadurch, dass man leistungsfähigere Lieferanten findet, an allen Ecken und Enden automatisiert, die Fertigungstiefe vermindert, preisgünstigere Materialien verwendet, die Produktion ins Ausland verlagert oder Vertriebsfunktionen ausgliedert (Outsourcing, siehe Helm 1997b; Helm und Stumpp 1999), z.B. auf die Unterhaltung eines eigenen Fuhrparks verzichtet und stattdessen mit Spediteuren zusammenarbeitet. Auch organisatorische Mängel, die finanziell zu Buche schlagen, lassen sich beseitigen, beispielsweise Schwachstellen und Engpässe erkennen, unnötige Wege und Wartezeiten abbauen, ferner Abläufe vereinfachen sowie Fähigkeiten und Geschicklichkeit der Mitarbeiter steigern. Einen Versuch wert erscheint auch die Überwälzung von Kosten auf Marktpartner. Das „Burden Sharing“ lässt sich gegenüber fast allen, zu denen man Geschäftsbeziehungen unterhält, betreiben. Beim Just-in-time-Konzept wird zum Beispiel die Lagerhaltung anderen aufgebürdet und beim POS (Point of Sale = Verkaufsstellen)-Banking teilen sich Einzelhandel und Geldinstitute den Aufwand, der mit dem elektronischen Zahlungsverkehr verbunden ist. Eng mit all dem verknüpft ist die Auslösung synergetischer Effekte, die nichts anderes als Economies of Scope verkörpern. Was bei all diesen Bemühungen herauskommt, lässt sich i.S. einer groben Annäherung sogar quantifizieren. Das Ergebnis schlägt sich in der sog. Erfahrungskurve nieder. In den 1930er Jahren hat T. P. Wright erstmals auf den Umstand hingewiesen, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge eines Produktes ein Kostensenkungspotenzial von 20 bis 30% einhergeht (logarithmierte, d.h. linearisierte Form in nachfolgender Abbildung). Wenn es also ein Automobilhersteller im Laufe der Zeit auf zwei Millionen Exemplare eines bestimmten Modells bringt, so werden (müssen aber nicht! ) die Kosten des letzten Stückes um Einiges niedriger als diejenigen sein, die er bei Erreichen der Millionen-Grenze verzeichnete. <?page no="62"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 63 Abb. 8: Idealtypische Form der Erfahrungskurve Diese als Boston-Effekt bekannte Gesetzmäßigkeit, die bereits in einer Vielzahl von Fällen nachgewiesen werden konnte, theoretisch indessen noch nicht überzeugend begründet ist, gehört heute zum festen Inventar der strategischen Planung (Bauer 1986). Wer ganz gezielt darauf setzt, verfügt über eine echte Alternative zur Marktsegmentierung, die ihrem Wesen nach kleinere Stückzahlen bedingt. Es gibt Unternehmen, die in Verfolgung einer Marktdurchdringungsstrategie so niedrige Entgelte fordern, dass diese unter den Stückkosten von heute liegen, und zwar im Vertrauen darauf, auf diese Weise schnell große Stückzahlen zu erzielen. Damit gelangt man alsbald in die Gewinnzone, doch - und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt - bei Preisen, die den meisten möglichen Konkurrenten von vornherein die Lust nehmen, in diesem Markt mitzumischen (vgl. dazu Abschnitt 2.6.2). 22.3.4 Kennzeichen eines erfolgreichen Marketing im Management von Unternehmen Es war bereits angesprochen worden, dass das Marketing, wie es vorne definiert wurde, nur dann Relevanz besitzt, wenn der Absatzbereich der strategische Engpass des Unternehmens ist. In diesem Fall können die für ein tief im Unternehmen verankertes 4 2 Ausbringungsmenge log. Stückkosten Erfahrungskurve 20% 30% 1 2 1 4 6 10 8 <?page no="63"?> 64 2 Marketing Marketing typischen Erfolgsfaktoren zu folgenden sieben Aussagen verdichtet werden. KKundenbzw. Bedürfnisorientierung aller Unternehmensaktivitäten Ein erstes Kennzeichen von erfolgreichem Marketing ist, dass der Absatzmarkt als der Ausgangspunkt aller strategischen und taktischen Planungen angesehen wird. Die Orientierung der Bemühungen eines Unternehmens an den Bedürfnissen der aktuellen oder potenziellen Kunden geschieht dabei keineswegs aus altruistischen Motiven, sondern aus der Annahme heraus, dass allein eine systematische Berücksichtigung der Bedürfnisse der Nachfrager dem jeweiligen Anbieter die Möglichkeit gibt, zufriedenstellende Absatz- und damit Unternehmenserfolge zu erzielen. Gottlieb Duttweiler, der Schweizer Unternehmer und Sozialreformer formulierte bereits 1955 diesen Sachverhalt wie folgt: „Wer seinem Nächsten Rechnung trägt, hat unendlich mehr Aussicht, auf die Rechnung zu kommen - sogar geschäftlich gesehen“. Hinsichtlich der Bedürfnisse ist davon auszugehen, dass sie teils als unveränderlich und teils als veränderbar einzustufen sind. Dementsprechend versuchen Unternehmen, die Bedürfnisse in eine ihren Zwecken entsprechende Richtung zu verändern. Eine aktive Anpassung der unternehmenspolitischen Maßnahmen an die Bedürfnisse der Nachfrager ist somit ein Wesensmerkmal des Marketing. Relevanz der subjektiv wahrgenommenen Leistungsmerkmale Ausgehend von der Erkenntnis, dass Nachfrager Produktleistungen hinsichtlich der relevanten Merkmale häufig unterschiedlich wahrnehmen, kann ein zweites Kennzeichen der Marketingpolitik formuliert werden. Bezeichnet man in Anlehnung an den Sprachgebrauch in der Wahrnehmungspsychologie mit Perzeption die Gesamtheit der subjektiv verarbeiteten Wahrnehmungen hinsichtlich aller relevanten Merkmale eines bestimmten Wahrnehmungsobjekts, so kann aus der obigen Darstellung gefolgert werden, dass nicht das objektive Bild eines Produktes, sondern dessen Perzeption entscheidend für die Kaufentscheidungsprozesse ist. Die subjek- <?page no="64"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 65 tiv geformten Perzeptionen machen also die Realität des Marktes aus. Daraus folgt für das Marketing, dass es nicht genügt, objektiv gute Produkte anzubieten, sondern auch dafür Sorge zu tragen ist, dass diese Produkte als gut beurteilt werden. Das Bewusstsein, dass Produktperzeptionen anstatt objektiver Produkteigenschaften im Mittelpunkt der Kaufentscheidungsprozesse der Nachfrager stehen, verlangt vom Marketing des Unternehmens, stets über die Perzeption des von ihm vertriebenen Produktes informiert zu sein und diese auch in seinem Sinne zu formen. Diese Formung der Produktperzeption geschieht zum einen durch eine entsprechende Gestaltung der Produkte und zum anderen beispielsweise durch bestimmte Werbemaßnahmen. S Segmentweise Marktbetrachtung und differenzierte Marktbearbeitung Wenn sich, wie bereits mehrfach dargestellt wurde, die möglichen Nachfrager nach einem Produkt in mehrfacher Weise unterscheiden, dann ist es geradezu zwingend, nicht alle Nachfrager einheitlich, sondern sie als Gruppen homogener Nachfrager zu betrachten. Damit ist der Grundgedanke der Marktsegmentierung angesprochen. In vielen Märkten ist die Häufigkeit der Bevorzugung von alternativen Ausprägungen eines Merkmals nicht eingipflig, sondern zwei- oder mehrgipflig verteilt; in diesen Fällen setzt man sich mit einem Durchschnittsprodukt in der Tat zwischen die Stühle, sprich: Marktsegmente. Treten segmentweise ausgerichtete Angebote auf, so ist die Folge für den Durchschnittsanbieter leicht einsichtig. Am Beispiel des Merkmals der wahrgenommenen Produktqualität ist dies in Abbildung 9 verdeutlicht. Mit dem Angebot einer durchschnittlichen Produktqualität, d.h. in der relevanten Bandbreite ist diese weder am unteren noch am oberen Ende anzusiedeln, bietet man dem einen Segment ein überausgestattetes - und dementsprechend wahrscheinlich auch zu teures - Produkt, dem anderen jedoch ein zu gering ausgestattetes Produkt. <?page no="65"?> 66 2 Marketing Abb. 9: Problem der undifferenzierten Marktbearbeitung am Beispiel des differenzierenden Merkmals der wahrgenommenen Qualität Die segmentweise Marktbetrachtung und eventuell auch -bearbeitung als das dritte Kennzeichen eines erfolgreichen Marketing zielt demnach darauf ab, durch ein Angebot, das für das entsprechende Marktsegment „maßgeschneidert“ ist, eine Art Monopolstellung aufzubauen und damit weniger durch die Konkurrenten angreifbar zu sein. Informationen über die Zusammensetzung des Marktsegmentes, das von einem bestimmten Unternehmen tatsächlich erreicht wird bzw. erreicht werden soll, erlauben darüber hinaus eine wesentlich effizientere Gestaltung des Angebots. Wenn ein Verlag für seine Illustrierten beispielsweise zuverlässig weiß, welcher Art die Käufer sind (Geschlecht, Alter, Preisbewusstsein, Freizeitinteressen, ...) und wie diese Käufer regional verteilt sind (Siedlungsstruktur), so besteht die Möglichkeit einer wesentlich gezielteren Gestaltung der Verlagsobjekte selbst und deren Verteilungssystem. Unmittelbar einsichtig ist nach den bisherigen Ausführungen, dass vor diesem Hintergrund die Identifizierung von unterschiedlichen Bedarfsstrukturen für das Marketing von eminenter Bedeutung ist. Sollten durch die Marketingforschung verschiedene Marktsegmente entdeckt werden, muss durch das Marketing darauf in angemessener Weise reagiert werden, indem das Angebot auf ein oder mehrere Segmente hin ausgerichtet wird (dies kann auch das im Allgemeinen größte Segment an Nicht-Spezial-(Nischen-)Nachfragern bestehen - wenn dieses existiert). Ansonsten wird ein Pro- Wahrscheinlichkeit der Nennung von den Kunden geforderte Qualität Durchschnittsangebot <?page no="66"?> 2.3 Strategisches Marketing auf Ebene des Unternehmens 67 dukt am (Gesamt-)Markt platziert, nach dem eigentlich gar keine Nachfrage besteht (siehe vorherige Abbildung). Man orientiert sich am statistischen Durchschnitt, der in der Realität nicht existiert. Dies hat jedoch keinen Automatismus im Sinne eines „Zwangs“ zur Bearbeitung aller identifizierten und sinnvoll zu bedienenden Segmente zur Folge, d.h. diese können, sie müssen aber nicht bearbeitet werden. Es sollte lediglich innerhalb der Planungen sichergestellt sein, dass diese Erkenntnisse berücksichtigt werden, mithin kein „Durchschnittsprodukt“ angeboten wird. S Systematische Integration aller Einzelmaßnahmen Bedenkt man die Vielfalt der Möglichkeiten des Marketing-Mix, die etwa einem Hersteller von kosmetischen Präparaten offenstehen (Produktgestaltung, Vertriebswege, Werbemaßnahmen, ...), so bedarf es einer geplanten Integration der Einzelmaßnahmen, um mit einem widerspruchsfreien Maßnahmenbündel auf dem Markt in Erscheinung zu treten. Die Entwicklung eines hochwertigen teuren Parfüms und die Einschaltung von Discountläden als Vertriebsstellen würde mit ziemlicher Sicherheit von den Nachfragern als „nicht miteinander vereinbar“ beurteilt werden. In der Folge würde man weder die Käufer hochwertiger noch die preiswerter Parfüms gewinnen können. Im Kosmetikbereich kaufen - um ein Wort von Charles Revlon zu verwenden - Personen nicht chemische Präparate, sondern Schönheit; die Präparate sind nur ein notwendiges Mittel hierzu. Besteht das Bedürfnis also in dem umfassenden Streben nach Schönheit, so muss auch das Angebot umfassend Schönheit versprechen, wozu das Produkt selbst, die Verpackung, das Einzelhandelsgeschäft und die Werbung ihren Teil beizutragen haben. Das Denken in ganzheitlichen Problemlösungen statt in Produkten stellt einen Aspekt des vierten Kennzeichens des Marketing dar. Entscheidungsfundierung durch Informationen Die Führung des Unternehmens vom Absatzmarkt her, die Bedeutung der Perzeptionen anstelle der objektiven Gegebenheiten, die segmentweise Marktbearbeitung und schließlich eine adäquate Integration aller unternehmenspolitischen Maßnahmen verlangen eine <?page no="67"?> 68 2 Marketing Vielzahl detaillierter, zeitnaher und aufeinander abgestimmter Informationen. Nur wenn Informationen in ausreichender Qualität verfügbar sind, besteht die begründete Hoffnung, den Anforderungen, die ein fundiertes Marketing an das Management stellt, gerecht werden zu können. Die Fundierung der Unternehmenspolitik durch eine wissenschaftlich betriebene Informationswirtschaft, die sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Daten zeitnah, detailliert und erschöpfend zu Informationen für das Management aufbereitet, kann daher als fünftes Kennzeichen eines modernen Marketing gelten, sollen die Entscheidungen nicht aus dem Zufall heraus entstehen. Alle Informationsaktivitäten eines Unternehmens - konkrete Marktforschungsstudien, Entnahme von Daten aus dem Rechnungswesen und der Absatzstatistik, Gewinnung von Informationen aus allgemein zugänglichen Publikationen - sind Teil eines allgemeinen Erkenntnisgewinnungsprozesses, der als Ganzes gezielt gestaltet werden muss. B Beachtung gesellschaftlicher Folgen Eine Unternehmenspolitik, die strikt auf einzelwirtschaftliche Zielsetzungen ausgerichtet ist, wird in vielen Fällen auf gesellschaftliche Gegenkräfte stoßen. So kann es aus einzelwirtschaftlicher Perspektive durchaus sinnvoll sein, der Wegwerfgesellschaft Vorschub zu leisten; aus gesamtgesellschaftlichen Gründen (Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung etc.) wird man diese Tendenzen allerdings kaum mit Wohlwollen betrachten. Auch bestimmte Manipulationstechniken können im Hinblick auf den (kurzfristigen) Unternehmenserfolg sehr günstig sein, aber aus ethischen Beweggründen abzulehnen sein. Zum Teil abgeleitet aus vagen Vorstellungen von einer Ethik der Marktwirtschaft und zum Teil im Bestreben, gesellschaftlichen Reaktionen bzw. Reaktionen relevanter Stakeholder vorzubeugen, die den langfristigen Unternehmenserfolg merklich schmälern können, wird bisweilen die Forderung nach einem ausgewogenen Marketing erhoben. Unter einem solchen „balanced marketing“ als sechstes Kennzeichen eines modernen Marketing ist zu verstehen, dass bei der Konzeption und Realisation von Unternehmensstrate- <?page no="68"?> 2.4 Informationsbasierte Entscheidungen im Marketing 69 gien auch gesamtwirtschaftliche, ethische und gesellschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden. SSystematische Planung Die Vielzahl von skizzierten Anforderungen, die an das Marketing in konkurrenzintensiven Märkten zu stellen sind, können nur dann erfüllt werden, wenn eine systematische Vorgehensweise gewählt wird. Dies kann als siebtes Kennzeichen festgehalten werden. Systematisch beinhaltet dabei eine sinnvolle Kombination von kreativen und analytischen Elementen in den Prozess der Erstellung und Überprüfung der Strategie. In Situationen, die als Verkäufermarkt charakterisiert werden können, genügt es üblicherweise, eine mehr akzidentelle Vertriebspolitik zu betreiben, d.h. man versucht durch Absatzförderungsmaßnahmen schon produzierte Produkte zu verkaufen. In Käufermarktsituationen ist einer solchen Politik meistens kein Erfolg beschieden. Ausgangspunkt haben hier die Bedürfnisse der Nachfrager zu sein, die systematisch zu erforschen sind, um daraus Anhaltspunkte für ein bedürfnisgerechtes Marketing abzuleiten. Anders als im Fall der Verkäufermarktsituation ist nicht nur eine langfristige Produktionsplanung, sondern vor allem auch eine langfristige Marketingplanung vorzunehmen. 2.4 Informationsbasierte Entscheidungen im Marketing Es ist nicht zu übersehen, dass Entscheidungen in den oben diskutierten Bereichen („Was soll ich wie tun? “) auf Basis einer adäquaten Informationsgrundlage gefällt werden müssen, sollen sie nicht aus reinem Zufall entstehen. In diesen marktorientierten Entscheidungsprozessen sind demnach Informationslücken vorzufinden, denen in zweierlei Hinsicht begegnet werden kann: zum einen können einfach mehr oder minder plausible Annahmen zur Schließung der Lücke getroffen werden, zum anderen können auch diesbezügliche Informationen vom Markt gewonnen werden. <?page no="69"?> 70 2 Marketing In Bezug auf die Behebung der Informationslücken liegen zwischen Konsumgüter- und Industriegütermärkten erhebliche Unterschiede vor. Erstere zeichnen sich oft durch eine Vielzahl potenzieller Kunden aus, über die in Industrieländern bei Marktforschungsunternehmen oft eine hervorragende Informationsbasis aus Panels, Omnibusstudien o.Ä. für viele Ländermärkte vorliegen. Der einzelne Kunde ist zwar nicht bekannt, die Informationslage zu Bedürfnisstrukturen, Kaufgewohnheiten, Einstellungen etc. ist jedoch sehr gut. Industriegütermärkte dagegen sind international, d.h. Kunden aus verschiedenen Ländern gehören bestimmten Nachfragesegmenten an, die absolute Anzahl ist meist deutlich geringer und sie sind in der Mehrzahl dem Anbieter bekannt. Es bestehen zuweilen langjährige Kontakte. Allerdings sind die verschiedenartigen Einstellungen und auch Kaufgründe selten transparent. Institutionalisierte Marktforschung existiert wegen der Vielfältigkeit der Angebote praktisch nur auf allerhöchstem Aggregationsniveau, was für konkrete Marketingplanungen damit meist zu oberflächlich ist. Die Vorgehensweise, Markt- und Kundeninformationen zu generieren sind daher verschieden: Auf Industriegütermärkten muss für Aufgaben des Marketing Intelligence der direkte Kontakt zum Kunden - durch die Vertriebsorganisation - genutzt werden (Helm, Krinner und Schmalfuss 2014). Gerade in einer Zeit erheblichen technischen Fortschritts, in der u.a. mittels Internet Literatur- und Datenbankrecherchen sowie Experimente und Befragungen durchgeführt und diese durch anspruchsvolle Analysemethoden auch schnell und umfangreich ausgewertet werden können, sollte eine rationale Unternehmensführung eher zur zweitgenannten Alternative greifen. Damit wird keinesfalls impliziert, die Verbesserung der Informationsbasis im Entscheidungsprozess könne garantieren, die richtige Entscheidung zu fällen. Es ist jedoch unmittelbar einsichtig, dass die Wahrscheinlichkeit, die falsche Entscheidung zu treffen, vermindert wird. Um die Qualität der in den Entscheidungsprozess einzubringenden Informationen als Entscheider beurteilen bzw. eine nicht-akzeptable Qualität als Informationsbeschaffer vermeiden zu können, ist es notwendig, zentrale Fehlerquellen im Informationsgewinnungsprozess und deren Konsequenzen zu kennen. Dadurch entstehen <?page no="70"?> 2.4 Informationsbasierte Entscheidungen im Marketing 71 dezidierte Anforderungen an die Dokumentation des Entstehungsprozesses (Helm 2005). Erfolgreiches Marketing wird jedoch in der betrieblichen Praxis häufig weniger als Ergebnis einer systematischen Vorgehensweise denn als Resultat von Kunstfertigkeit und Intuition angesehen. Ohne Zweifel ist eine derartige Einschätzung überzogen, doch ist nicht zu übersehen, dass das Produktions-, Personal- oder Beschaffungswesen keinem vergleichbaren Maß an Geringschätzung ausgesetzt ist. Was unterscheidet also das Marketing etwa von der Produktion? Intuition und Kunstfertigkeit sind in beiden Bereichen gefordert, wenn es darum geht, Lösungen für bestimmte Probleme zu entwickeln. Der entscheidende Unterschied liegt in der Bedeutung des Informationsproblems bzw. in der Problematik, adäquate Informationen zur Entscheidungsfundierung zu bekommen (Erichson und Hammann 2011; Schweitzer 2011). Diese Problemstellung lässt sich an einem Exempel anschaulich darstellen: Greifen wir beispielsweise einen Manager im Einzelhandel heraus, der vor der Aufgabe steht, die Verkaufspreise für Damenoberbekleidung eines bestimmten Lieferanten festzulegen. Einen erheblichen Anteil seiner Zeit wird dieser darauf verwenden, herauszufinden, welche Preise die Wettbewerber verlangen und wo für die betreffenden Produkte die Preisschwelle liegt oder - anders ausgedrückt - was eine normale Kundin in seinem Geschäft für das entsprechende Produkt zu zahlen bereit ist. Hat er Informationen darüber vorliegen, wird es für ihn ein Leichtes sein, den „optimalen“ Preis für diese Kundin festzusetzen. Ein Manager dagegen, der in einem größeren Werk für die Produktionssteuerung verantwortlich ist, verfügt zwar über alle notwendigen Informationen (z.B. Fertigungsdauer für eine Einheit auf verschiedenen Maschinen), doch hat er Mühe, daraus die optimale Lösung des Problems abzuleiten. Während also dem Marketingmanager die Beschaffung von Daten üblicherweise mehr Sorge bereitet als die Entwicklung von Handlungsempfehlungen, stellt sich für den Produktionsmanager die Situation genau umgekehrt dar. Da das Informationsproblem des Managements auch in absehbarer Zukunft nicht viel besser bewältigt werden kann, geht es nicht ohne das bewährte Fingerspitzengefühl. Dass allerdings ein gezieltes <?page no="71"?> 72 2 Marketing Informationswesen trotz seiner Mängel im Detail letztlich den Erfolg mitbestimmt, liegt auf der Hand. Eine am Engpass orientierte - auf Käufermärkten dementsprechend absatzmarktorientierte - Unternehmensführung verlangt somit zwingend eine Vielzahl detaillierter, zeitnaher und aufeinander abgestimmter Informationen. Marketing ohne Marktforschung ist demnach nicht denkbar! Diesen Anforderungen kann in aller Regel nur entsprochen werden, wenn das Informationswesen sowohl hinsichtlich der Gewinnung als auch der Auswertung von Daten systematisch geplant ist. Im Gegensatz dazu stehen ad hoc durchgeführte Marktstudien, aus denen häufig wichtige Detailergebnisse resultieren, selten aber ein umfassendes Verständnis des Marktes erwächst. Die Folge einer solchen, im Wege von Einzelstudien betriebenen Informationsgewinnung sind zudem Einzelergebnisse, die im Zeitablauf bzw. über verschiedene Produkte hinweg nicht vergleichbar sind, weil beispielsweise dieselben Märkte in verschiedenen Untersuchungen jeweils anders abgegrenzt oder Preiswirkungen und Präferenzen unterschiedlich gemessen werden. Alle Informationsaktivitäten eines Unternehmens - konkrete Marktforschungsstudien, die von der zuständigen Abteilung initiiert werden, Entnahme von Daten aus dem Rechnungswesen und der Absatzstatistik, Gewinnung von Informationen aus allgemein zugänglichen Publikationen - sind Teil eines allgemeinen Erkenntnisgewinnungsprozesses, der als Ganzes gezielt gestaltet werden muss. Kaum zu überschätzen ist dabei das Informationspotenzial, das in bereits ermittelten bzw. früher erhobenen Daten ruht. Dessen systematische Auswertung („Sekundärforschung“) hat stets am Anfang spezifischer Datenerhebungsaktivitäten („Primärforschung“) zu stehen. Mittels einer gezielt durchgeführten Sekundärforschung wird vermieden, dass zum einen identische oder zumindest ähnliche Informationen mehrfach beschafft und aufbereitet werden und dass zum anderen Fehler bei der Datenerhebung und -auswertung wiederholt werden. <?page no="72"?> 2.5 Intuitive versus analytische Entscheidungsfindung 73 22.5 Intuitive versus analytische Entscheidungsfindung Wenn man, ob als Praktiker oder als Wissenschaftler, Marketing zu seinem Metier gemacht hat, fällt es einem nicht leicht, sich einzugestehen, dass derjenige, der über akademisches Rüstzeug verfügt, gegenüber einem Konkurrenten, der lediglich ein Gespür für den Markt hat und mit Engagement bei der Sache ist, nicht grundsätzlich im Vorteil, sondern nicht selten sogar im Nachteil ist. Dazu kommt es namentlich dann, wenn man zu lange analysiert und sich zu spät entscheidet. Alle großen Würfe im Vertrieb und im Handel der Nachkriegszeit gelangen sog. Vollblutunternehmern, die oft nur über Volksschulbildung verfügten. Nicht, dass es etwa an Teilgebieten fehlte, wo man mit seiner Intuition am Ende ist. So mancher gewiefte Praktiker, der sich auf seinen Instinkt und seine Erfahrung verlässt, begibt sich freilich erst gar nicht auf Felder, auf denen Vergleiche möglich sind. Weiterhin sind diejenigen „Vollblutunternehmer“, denen ihre Sache nicht gelang, unerkannt in der Versenkung verschwunden. Insofern sind auch „Erfolgsstorys“ mit der notwendigen Vorsicht zu interpretieren. Was macht also die Sache so kompliziert? Der Anfänger sollte sich beim Nachfolgenden nicht entmutigen lassen, wenn ihm das Verständnis der Darlegungen Schwierigkeiten bereitet. Der Fortgeschrittene wird auf Anhieb erkennen, wie viel methodischer Sprengstoff sich hier hinter mancher salopper Formulierung verbirgt. Problemfeststellung Das Dilemma beginnt schon bei der Frage, ob überhaupt ein Problem vorliegt. Wie bewertet jemand starke und schwache Signale des Marktes oder aus dem eigenen Hause? Wann besteht Veranlassung zu handeln? Und ist das, was er für des Pudels Kern hält, wirklich das Problem? Ein Beispiel dazu: Von der Marktforschungsabteilung erfahren wir, dass unsere Produkte von den Kunden zwar als ganz gut, aber überteuert eingestuft <?page no="73"?> 74 2 Marketing werden. Was liegt hier im Argen? Denkbar sind folgende Möglichkeiten: Die Marktforschung irrt sich. Ihre Befunde sind nicht valide. Wir verfügen über kein zutreffendes Bild der Lage. Es muss eine neue Studie erstellt werden. Unsere Erzeugnisse sind in der Tat teurer als andere, aber nicht ohne Grund. Wir bieten mehr Qualität, Extras, Informationen, Service, Garantie usw., was der Öffentlichkeit in geeigneter Form zu vermitteln wäre. Unser Angebot ist wirklich zu teuer, weil unsere (Stück-)Gewinne zu hoch sind. Unsere Preise liegen über denen der Wettbewerber, aber wir erwirtschaften kaum noch unsere Kosten, sodass wir unsere Preise nicht zurückschrauben können, ohne in beträchtlichem Ausmaß Leistungen abzubauen oder die Produktivität zu erhöhen. Oft wäre es schön, wenn wir nur genau wüssten, was wir wollen. Es liegt uns daran, unsere Umsätze zu erhöhen, die Marktposition auszubauen, ein erstklassiges Image in der Öffentlichkeit zu genießen, am Jahresende in der Bilanz stolze Gewinne auszuweisen usw. Aber leider können wir nicht alles auf einmal erlangen. Manche Ziele stehen im Widerstreit miteinander, sie konfligieren. Beispielsweise kann man oftmals kurzfristig Marktanteile hinzugewinnen, wenn man Wettbewerber unterbietet, doch beeinträchtigt dies fast immer den Gewinn. Oder: Hohe Lieferbereitschaft erfreut die Kunden, doch geht diese zulasten der Logistikkosten. M Modellbildung Sobald wir das Problem erkannt und die komplexe Zielsetzung auf ein ganz bestimmtes Anliegen reduziert haben, beginnt die eigentliche Analysephase. Dazu benötigt man ein Modell. Ein Modell ist ein gedankliches, grafisches oder mathematisches, vereinfachtes Abbild jenes Ausschnitts der Realität, für den wir uns interessieren. <?page no="74"?> 2.5 Intuitive versus analytische Entscheidungsfindung 75 Verdeutlichen wir uns an einem Exempel, worum es geht: Unser Unternehmen verliert bei einem Produkt kontinuierlich an Marktanteil, ohne eine Erklärung dafür zu haben. Wüssten wir warum, könnten wir die Bestimmungsgrößen des Marktanteils u.U. zu unseren Gunsten beeinflussen. Was aber sind die (wichtigen) Determinanten? Liegt es an den Kunden, den Konkurrenten, an der unzulänglichen Weise, wie wir Marketing betreiben? Haben wir an alles Wichtige gedacht? Wie viele Einflussfaktoren können wir in diesem Modell - in unseren Planungen zur Behebung des Dilemmas - verarbeiten? Zu wie vielen lassen sich aus finanziellen oder aus praktischen Gründen überhaupt Informationen beschaffen? Um den Dingen auf den Grund zu gehen, benötigen wir Informationen, deren Beschaffung mit finanziellem Aufwand verbunden ist. Dass dabei unserem Streben aber auch praktische Grenzen gesetzt sind, verdeutlicht folgende Variante unseres Exempels: Die Vermutung erscheint begründet, dass mit unserer Marketingkonzeption einiges nicht mehr stimmt, was das Absinken des Marktanteils erklären würde. Wir könnten nun unser Produkt selbst, den Preis, den Vertriebsweg und die Schwerpunkte in der Kommunikation in jeweils bis zu zehn Details verändern. Allein in diesem, noch viel zu klein angelegten Fall gäbe es 10.000 theoretische Möglichkeiten, die einzelnen Optionen miteinander zu verknüpfen. Welche davon ist aber die beste? Da wir Vergleichbares in der Vergangenheit nicht versucht haben, müssen wir, um dies herauszufinden, einen Markttest durchführen. Auch wenn die mathematische Statistik vielfältige Tricks entwickelt hat, um die Testsituation zu vereinfachen und die Anzahl der zu prüfenden Konstellationen auf drastische Weise zu verringern, lässt sich nur ein Bruchteil der Möglichkeiten durchspielen. Die meisten der im Marketing verwendeten Variablen müssen erst operationalisiert, d.h. messbar gemacht werden. Wenn wir wissen wollen, wie viele Fahrzeuge eine Straße an einer bestimmten Stelle in einem genau definierten Zeitraum passieren, gibt es nicht viel zu „messen“, zählen genügt. Ungleich schwieriger ist es, sog. theoretische Konstrukte wie „Zufriedenheit mit dem Produkt“, „Image des Produkts“ oder „Wertewandel der Nachfrager“ und deren Einfluss auf das Kaufverhalten methodisch in den Griff zu bekommen. Ein <?page no="75"?> 76 2 Marketing großer Teil der Marketingforschung ist im Grunde Messtheorie, was sich auch an der Ausrichtung der in der Welt führenden Fachzeitschriften ablesen lässt. Haben wir all dies bewältigt, stellt sich die weitere Frage, in welcher Weise die abhängige Variable „Marktanteil“ mit den zu ihrer Erklärung herangezogenen, als unabhängig verstandenen Faktoren verknüpft werden soll. Die Beziehung könnte linear oder nichtlinear, additiv oder multiplikativ, statisch oder dynamisch, einfach oder komplex verzögert sein usw. Dabei sind die als unabhängig deklarierten Bestimmungsgrößen, was eigentlich unabdingbar ist, keineswegs unabhängig voneinander, vielmehr hat man mit dem Phänomen der Interkorrelation zu kämpfen. Vollends verfangen in der Interdependenz ist unser Fall, wenn wir realistischerweise davon ausgehen, dass nicht nur Qualität, Preis, Werbung usw. den Marktanteil beeinflussen, sondern dieser umgekehrt auch das Preisgebaren prägt: Je höher der erreichte Marktanteil ist, desto mehr nähern wir uns der Position eines Monopolisten. Dieser kann bekanntlich seinen Preis autonom festlegen, wobei in der Praxis aus vielen Gründen vermieden wird, den Bogen zu überspannen. Damit sind wir, methodisch gesprochen, bei zirkulären Beziehungen und Mehrgleichungssystemen angelangt, die rechentechnisch nicht so ohne Weiteres zu bewältigen sind. Haben wir trotz aller Widrigkeiten das Modell in einer bestimmten Weise spezifiziert, sind wir immer noch nicht am Ziel. Ein solches Gebilde enthält auch eine Reihe von Koeffizienten, die, wie es in der Sprache der Statistik heißt, „geschätzt“ werden müssen. Dabei sollten diese ebenso wie das Gesamtergebnis statistisch signifikant, d.h. über fast (bis auf einen numerisch bestimmbaren Fehler) jeden Zweifel erhaben sein (Bamberg, Baur und Krapp 2012, 159f.). Bei Weitem nicht alle Funktionen können indessen analytisch bewältigt werden, was zwangsläufig zu Vereinfachungen führt oder zur (Computer-)Simulation greifen lässt. Und was schließlich als Ergebnis herauskommt, unterliegt, was der nächste Abschnitt zeigt, einem zweifachen Vorbehalt, der Angemessenheit eines doppelten induktiven Schlusses. <?page no="76"?> 2.5 Intuitive versus analytische Entscheidungsfindung 77 VValidität der Ergebnisse In Forschung und Praxis des Marketing werden zumeist Daten verarbeitet, die auf Stichprobenbasis gewonnen wurden. Insofern hängt die Qualität eines Befundes erstens davon ab, dass es gelungen ist, eine unverzerrte, d.h. für die Grundgesamtheit repräsentative Stichprobe zu ziehen (Gierl 2002). Dies ist in der Praxis fast nie zu schaffen. Zweitens verkörpern Daten bei ihrer Verarbeitung bereits Geschichte. Damit kommt das Prognoseproblem ins Spiel (Brockhoff 2011). Wenn also unseren Erkenntnissen irgendwelche Aussagekraft für die Zukunft zukommen soll, müssen wir nicht nur mit vielerlei Prognosetechniken vertraut und zu ihrem Einsatz bereit sein, sondern auch davon ausgehen können, dass sich die Verhältnisse, die unser Modell widerspiegelt, und die Bedingungen, unter denen sie gewonnen wurden, einstweilen nicht ändern. Wer will dafür schon seine Hand ins Feuer legen? Implementierung Haben wir allen Schwierigkeiten zum Trotz doch noch eine Lösung für unser Problem gefunden, d.h. wir wissen, wie wir unseren Marktanteil stabilisieren oder sogar steigern können, und wollen wir nunmehr die nötigen Maßnahmen ergreifen, stellt sich die sog. Implementierungsproblematik. Dies bedeutet, dass die Verwirklichung der als richtig oder sogar als optimal erachteten, analytisch gewonnenen Lösung mit vielfältigen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn damit größere Veränderungen gegenüber dem Gewohnten oder dem Althergebrachten verbunden sind, kommt Widerstand von allen Seiten. Dem Wandel im Wege stehende, lange andauernde Bindungen lassen sich nicht leicht lösen. Viele Betroffene, insbesondere Mitarbeiter, legen sich quer. Es kommt zu Störungen bei der technischen Umsetzung. Man entdeckt, dass man bedeutsame Aspekte außer Acht gelassen hat, und ist zur Modifikation des Konzepts gezwungen, oft bis hin zu seiner Verwässerung. Es hat lange gedauert, bis man in den Wirtschaftswissenschaften erkannte, dass sich Entscheidungstheorie nicht in Entscheidungs- <?page no="77"?> 78 2 Marketing logik erschöpfen kann. Man muss sich auch um die Wahrnehmung und Bewertung von Problemen kümmern und deren organisatorische Bewältigung bedenken. Weiterhin kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Betroffenen an einem Strang und gar noch in dieselbe Richtung ziehen. GGrenzen wissenschaftlicher Erkenntnis Derlei Probleme stellen sich natürlich nicht nur auf dem Marketingsektor. Unter ähnlichen Schwierigkeiten leiden im Grunde alle Disziplinen, die man zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zählt. Im Hinblick darauf kann es kaum verwundern, wenn man sich über die Nationalökonomen gelegentlich mit dem Hinweis darauf lustig macht, sie wüssten immer ganz genau, wie man den letzten Konjunktureinbruch hätte verhindern können. Auch aus einem ganz anderen Grund wird es immer eine große Kluft zwischen dem Praktiker und dem Theoretiker geben. Der Wissenschaftler im Marketing ist gehalten, Ideen und Instrumente zu entwickeln bzw. bereitzustellen, die Wirkung von Maßnahmen vorauszusagen und Gesetzmäßigkeiten im Verhalten von Akteuren zu entdecken. Jeder einzelne Akteur, d.h. der Praktiker im Marketing, wird aber unter Nutzung eben dieser Erkenntnisse und Methoden nach völlig individuellen Lösungen streben, die vor ihm noch keinem eingefallen, möglichst nur ihm allein zugänglich, von anderen nicht zu durchschauen und schon gar nicht von diesen zu durchkreuzen sind. Wäre dem nicht so, wüsste man auch immer, was bei der Veranstaltung, die wir Wettbewerb nennen, herauskommt. Hinzu kommt, dass Markterfolg geradezu Intransparenz und asymmetrischen Informationsstand für einige bedingt; denn wenn jeder über dasselbe Wissen verfügen würde, könnte keiner mehr einen Vorsprung vor dem anderen erlangen. Damit aber wäre unser Wirtschaftssystem aus den Angeln gehoben. Die zentrale Antriebsfeder, nämlich der Anreiz, der darin liegt, den Konkurrenten einen Schritt voraus zu sein und dadurch Vorteile für sich selbst zu erlangen, wäre dahin. Doch ist die Sorge unbegründet, dass es je dazu kommt. Auch wenn Wissen jedermann zugänglich ist, bedeutet dies noch lange <?page no="78"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 79 nicht, dass sich jeder bemüht, daran teilzuhaben, und, wenn doch, den darin für ihn liegenden Nutzen angemessen zu würdigen weiß. Leider scheitern an solchen Fehleinschätzungen auch viele sinnvolle Innovationen in der Praxis. Es scheint also, dass der auf diesem Gebiet tätige Wissenschaftler das Management immer nur einen Teil des Weges begleiten kann, ganz abgesehen davon, dass er für ihn nicht neue Produkte entwickeln, allenfalls den Anstoß dazu geben kann, danach zu suchen. Wie wenig er im Grunde auszurichten vermag, zeigte sich bei Versuchen, computergestützte Expertensysteme zur Auffindung von simplen Strategien zu entwickeln. 22.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene Ein Hersteller kommt mit Abnehmern, Konkurrenten, Handel, Dienstleistungsunternehmen und Behörden nicht schon dadurch in Berührung, dass er strategische Entscheidungen fällt, sondern erst durch sein Bemühen, das Marktgeschehen mit Hilfe von konkreten Produkten und Leistungen sowie deren Gestaltung mittels sog. Marketinginstrumenten zu beeinflussen. Er bietet also Leistungen an, fordert für sie jeweils einen bestimmten Preis, schafft sie in den Verfügungsbereich der Bedarfsträger bzw. Abnehmer und treibt für sie in der Öffentlichkeit Werbung. Als Marketinginstrumente werden üblicherweise folgende Teilbereiche des Marketing-Mix bezeichnet: Produktpolitik zur Gestaltung der Sach- oder Dienstleistung ( Was wird angeboten, in welchen Qualitätslagen wird angeboten, durch was zeichnen sich die Leistungen konkret aus? “), Preispolitik („Zu welchen Bedingungen wird angeboten - Preise, Garantien, Zahlungs- und Finanzierungsmodalitäten? “), Distributionspolitik („Wo und wann wird angeboten? “), Kommunikationspolitik („Welche Informationen werden darüber (wo, wie, wann) angeboten? “). <?page no="79"?> 80 2 Marketing 22.6.1 Produkt- und Leistungspolitik Produkte und Dienstleistungen - oder allgemeiner alle Unternehmensleistungen, die für einen Kunden bestimmt sein können - sind der Kern aller Anstrengungen im Unternehmen, der Ausgangspunkt für Umsatz und Gewinn. Da die unternehmerischen Leistungen durch produktpolitische Konkurrenzaktivitäten und dem Wandel von Kundenpräferenzen einem ständigen Obsoleszenzprozess unterworfen sind, sind produktpolitische Aktivitäten permanent im Unternehmen zu verfolgen. Produkt- und Leistungspolitik ist daher aus der Marketingperspektive auf das Engste mit der Innovationstätigkeit verbunden, die Bedeutung von Innovationen für den Erfolg von Unternehmen ist kaum zu überschätzen (Helm 2009, 249). 2.6.1.1 Produktinnovationsprozess und produktpolitischer Gestaltungsspielraum Die Entwicklung marktneuer und marktbeständiger Produkte ist das wesentliche Ziel der produktpolitischen Bestrebungen von Unternehmen. Sie lässt ein einheitliches Umsatz- und Gewinnpotenzial entstehen, ist üblicherweise aber auch mit einem erheblichen Risiko verbunden. Die Entwicklung eines neuen Produktes, das einen hohen technischen Perfektionsgrad aufweist und die im Rahmen der Positionierung gesetzten Anforderungen erfüllt, beansprucht in aller Regel viel Zeit - Urban und Hauser (1993) geben eine Spannweite zwischen 18 und 35 Monaten an. Die einzelnen Stufen eines idealtypischen Prozesses sind in Abbildung 10 nachgezeichnet. Der Produktinnovationsprozess kann demnach als eine Folge ineinandergreifender Entscheidungs- und Ausführungsphasen gekennzeichnet werden. Erhebliche Bedeutung kommt dabei zunächst der Analyse der Verträglichkeit von Produktvorhaben mit marktbezogenen und betrieblichen Gegebenheiten zu. Mit Letzteren sind etwa die Dimensionierung der Produktions- und der finanziellen Kapazität oder Möglichkeiten der Beschaffung der jeweils notwendigen Vorprodukte gemeint. In dieser Phase geht es im We- <?page no="80"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 81 Abb. 10: Ablauf des Produktinnovationsprozesses sentlichen um die Entscheidung „möglich/ nicht möglich“. Gegebenenfalls werden aufwändigere Analysen durchgeführt, deren Ergebnis die Entwicklungsphase bestimmt. Während bis zur zweiten Phase häufig alle als möglich eingestuften Produktideen nebeneinander verfolgt werden, bedarf es danach aus Kostengründen zumeist einer Auswahl der erfolgversprechendsten Ideen. Von der Gesamtheit der ausformulierten Produktideen werden etwa 10-15% bis zur Markteinführung weiterverfolgt. Von diesen wiederum erreichen die meisten nicht die Marktbedeutung, die alle mit der Entwicklung zusammenhängenden Kosten abzugelten Identifikation der potenziellen Möglichkeit Generierung von Ideen Definition des Marktes Testphase Produkt- und Kommunikationstests Markttests Markteinführung Planung des Produktlaunch Beobachtung des Produktlaunch Go No Go No Go No Go No Lebenszyklusmanagement Produktrentabilitätsanalysen Wettbewerbsbeobachtung Entscheidung in Reifephase R e p o s i t i o n i e r u n g „Ernte Entwicklung von Produktstudien und des absatzpolitischen Grundkonzepts Absatzschätzung Selektion Marketing-Mix Produktpositionierung Kundenbedürfnis (Nutzenprofil) Segmentierung <?page no="81"?> 82 2 Marketing gestatten würde. Damit wird deutlich, dass sowohl alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um eine Fülle von „potenziellen“ Möglichkeiten im Unternehmen vorliegen zu haben, als auch in den definierten Entscheidungszeitpunkten entsprechende Entscheidungen in Bezug auf die weitere Verfolgung oder den Abbruch des Projekts gefällt werden müssen. Damit neben den Erkenntnissen aus der Marketingforschung ein großer Pool an unternehmensinternen Ideen vorliegt, tritt in neuerer Zeit die Installation eines Ideen- und Wissensmanagements in vielen Unternehmen in den Vordergrund. Ziel ist dabei, ergebnisorientiert Ideen und Wissen von Mitarbeitern, das vielfach erst durch Vernetzung mit dem Wissen anderer Mitarbeiter realisiert werden kann, für das Unternehmen nutzbar zu machen. Zur Ausgestaltung der neuen Leistung bzw. zur Veränderung eines vorhandenen Produkts steht eine Fülle von Ansatzpunkten zur Verfügung. Einige Ideen dazu sind in folgender Abbildung angeführt. Abb. 11: Dimensionen der Produktgestaltung Produkt Produktkern/ -eigenschaften Produktfunktion Produktform Produktfarbe Produktname Pre-Sales/ After- Sales Service Preis Distributions-/ Vertriebsleistung Warensortiment/ Leistungsspektrum Produktqualität i.e.S. Produktäußeres sonstige Nutzenfaktoren <?page no="82"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 83 Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich mit zunehmender Komplexität der Produkte und mit schärferem Wettbewerb eine zusätzliche Leistungskomponente in den Vordergrund schiebt: der Service. Dieser erstreckt sich von der Bereitstellung von Informationen vor dem Kauf bis hin zur permanenten Betreuung von Kunden und zur Erbringung erheblicher Zusatzleistungen. Der Wettbewerb wird immer mehr zu einem Beratungswettlauf, bei dem Spezialisten unter Einsatz moderner Technik komplexe Systeme verkaufen. Manche Erzeugnisse ließen sich überhaupt nicht absetzen, würde sich der Hersteller nicht zu einem weitreichenden Service bereitfinden. 22.6.1.2 Produktlebenslauf und programmpolitische Optionen Der Lebenslauf eines Produktes nach der Markteinführung wird von den Bemühungen um Durchdringung eines Marktes bis hin zum Zeitpunkt seiner Entnahme bestimmt. Idealtypisch nehmen die Umsätze und die Produktdeckungsbeiträge den in nachfolgender Abbildung skizzierten Verlauf. Abb. 12: Zeit-Umsatz und Zeit-Deckungsbeitrags-Kurve eines Produktes Marktperiode Entstehung der Produktidee Zeit seit Markteinführung Entwicklungsperiode Umsatz, Produktdeckungsbeitrag Markteinführung Deckungsbeitragskurve Umsatzkurve <?page no="83"?> 84 2 Marketing Der Lebenszyklus eines (erfolgreichen) Produktes spiegelt somit den bei diesem typischerweise zu erwartenden Verlauf der Umsatz- und Deckungsbeitragsbzw. Gewinnkurve wider, und zwar ab dessen Einführung in den Markt bis zu dessen Entfernung aus dem Angebot eines Unternehmens. Die Umsatzkurve wird üblicherweise in einzelne Phasen unterteilt, für die spezifische absatzpolitische Anstrengungen typisch sind. Ein Produkt wird entwickelt und zu gegebener Zeit in den Markt eingeführt. Erweist es sich als Erfolg, durchläuft es nacheinander die Phasen des Wachstums, der Sättigung (der Nachfrage) und schließlich der Degeneration, d.h. es verliert an Marktbedeutung und wird irgendwann aus dem Angebot herausgenommen. Der aufgezeigte idealtypische Verlauf des Produktlebenszyklus gilt nur für erfolgreiche neue Produkte. Als wesentliche Gründe für Misserfolge (Flops) werden vor allem mangelhafte Produktqualität, falscher Einführungszeitpunkt und die Unfähigkeit des Herstellers, die Vorzüge seines Produktes den potenziellen Kunden nahezubringen, genannt. In einschlägigen empirischen Untersuchungen werden je nach (Miss-)Erfolgskriterium und Produktbereich Flopraten zwischen 40 und 90% nachgewiesen (Helm 2001a). Es leuchtet ein, dass sich ein Unternehmen nur dann seiner Sache sicher sein kann, wenn es einerseits über eine gesunde Mischung von Innovationen und gut eingeführten Produkten, andererseits über möglichst wenige Produkte verfügt, die keine Zukunftsperspektive mehr genießen oder sich gar schon auf dem absteigenden Ast befinden. Damit wird verständlich, dass ein Unternehmen laufend programmbezogene Entscheidungen zu treffen hat. Es muss dafür sorgen, dass es immer wieder rechtzeitig über neue Produkte verfügt, um diese als Ersatz für „auslaufende Modelle“ jeweils zum günstigsten Zeitpunkt auf dem Markt lancieren zu können, <?page no="84"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 85 bestehende Produkte verändern, um deren „Leben“ so lang wie ökonomisch vertretbar zu verlängern, und Produkte aus dem Angebot entfernen, sobald sie, in der Degenerationsphase angelangt, Verluste abwerfen oder durch ertragreichere ersetzt werden können. Im Handel war man sich der Herausforderung, vor die man sich durch die Sortimentspolitik, wie das Fachwort hier heißt, gestellt sieht, schon immer bewusst. Orientierte man sich ursprünglich am Material (z.B. bei Textilien, Möbeln, Leder- und Eisenwaren), richtete man sich später immer mehr an Bedarfskreisen aus (z.B. „Alles für das Kind“, Einrichtungs-, Bekleidungs- und Autohaus). Daneben gibt es nach wie vor Sonderformen, wie beispielsweise die Orientierung an der Preislage (Einheitspreisgeschäfte wie Woolworth), an der Eignung für den Absatz über Automaten oder an der Kühlbedürftigkeit der Ware. Auch die Hersteller hingen ursprünglich am Material, doch verstehen sie sich heute überwiegend als sog. Problemlöser (siehe dazu die Ausführungen zur differenzierten Nachfrage in Abschnitt 2.3.2.2). Als Charles Revlon, der Gründer der gleichnamigen Firma, einmal von einem unbedarften Bekannten gefragt wurde, womit er denn so sein Geld verdiene, soll er diesem geantwortet haben: „In den Fabriken fertigen wir Kosmetika, in den Läden verkaufen wir Hoffnung“. Nichts bringt treffender zum Ausdruck, was es mit dem Wandel von der Materialzur Problemorientierung auf sich hat. Gleichwohl gibt es noch weitere Möglichkeiten. Manche Unternehmen vermarkten systematisch spezifisches Wissen, das sie beispielsweise durch die ursprünglich möglicherweise nicht beabsichtigte Beschäftigung mit der Elektronischen Datenverarbeitung, durch Forschung auf den Gebieten der Raumfahrt und Rüstung oder durch Erfüllung von gesetzlichen Auflagen im Bereich des Umweltschutzes erworben haben. Resultat ist dann beispielsweise, dass eine bestimmte Legierung eines Metalls oder ein Kunststoff, die man beide erfunden hat, nicht nur für Orbitalstationen, sondern auch für Bratpfannen hervorragend geeignet ist. Wissenstreue und Problemorientierung bilden auch die Leitlinien für das Angebot von Dienstleistungen jeglicher Art. <?page no="85"?> 86 2 Marketing 22.6.1.3 Diversifikation des Leistungsangebots Diversifikation ist die Ausweitung der Leistungspalette eines Unternehmens auf bedarfsverwandte oder auch andere Erzeugnisse, die mit dem vorhandenen Know-how hergestellt und vertrieben werden können, oft auch das Eindringen in Betätigungsfelder ganz neuer Art. Üblicherweise werden verschiedene Arten der Diversifikation unterschieden, da zwischen der Bearbeitung des angestammten Marktes und der geplanten - zusätzlichen - Bearbeitung neuer Märkte unterschieden werden kann. Die Möglichkeit einer differenzierten Marktbearbeitung sollte schon bei der Innovationsplanung im Sinne einer modularen Bauweise oder einer „Plattformstrategie“ berücksichtigt werden. Wird ein neues Nutzenbündel den Kunden auf dem bisherigen Markt angeboten, so wird von einer Diversifikation im engeren Sinne gesprochen. Es wird damit entweder ein bisher eventuell auch nur latent vorhandenes Bedürfnis der Nachfrager befriedigt oder auch einem vorhandenen Bedürfnis eine völlig neue Problemlösung entgegengesetzt. Der Passus „im engeren Sinne“ wird hier verwendet, da einer Diversifikationsstrategie vielfach unter dem Aspekt der Risikostreuung nachgegangen wird. Aufgrund der angesprochenen großen Chancen aber auch Risiken, die mit dem Innovieren verbunden sind, kann jedoch hier bei einer Diversifikation kaum von einer echten Risikostreuung gesprochen werden. Vielmehr stellt dies in diesem Zusammenhang eine Verringerung der Abhängigkeit von einzelnen Produkten und/ oder Märkten dar. Als eine echte Diversifikation wird eine Strategie bezeichnet, bei der sich das Angebot der Innovation aber auch noch zusätzlich auf neue, bisher nicht bearbeitete Märkte richtet. Je nach Verringerung der Abhängigkeit können folgende vier Diversifikationsausprägungen unterschieden werden: Eine Rückwärtsdiversifikation bezeichnet die Vermarktung der Innovation auf einem neuen, dem bisherigen Markt vorgelagerten <?page no="86"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 87 Markt. Unter einer Vorwärtsdiversifikation wird eine Marktbearbeitung auf einem dem bisherigen Betätigungsfeld nachgelagerten Markt verstanden (vertikale Diversifikationen). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Handelsunternehmen einen bisherigen Lieferanten auf der Herstellerstufe aufkauft (et vice versa). Maßgebend für einen solchen Schritt sind zumeist das Streben nach Sicherung der Rohstoffversorgung oder des Absatzes, das Bemühen um höhere Wertschöpfung oder wiederum der Wunsch nach Erzielung von economies of scope. Eine horizontale Diversifikation bezeichnet eine Strategie, bei der zwar auf einem neuen Gebiet gearbeitet wird, das jedoch mit dem bisherigen hinsichtlich der Wirtschaftsstufe in Verbindung steht, beispielsweise indem den bisherigen Kunden eine Problemlösung für andere, aber ähnliche Bedürfnisse angeboten wird. Geht man etwa davon aus, dass Bier und Limonade unterschiedlichen Märkten zuzurechnen sind, so wäre die Aufnahme von Limonaden in das Vertriebsprogramm einer Brauerei als Fall der horizontalen Diversifikation zu qualifizieren. Dies geschieht vor allem aus Gründen des Umsatzwachstums, zumal dann, wenn das Potenzial auf den angestammten Märkten ausgeschöpft zu sein scheint. Bedeutsame Motive stellen aber auch der Zwang, die vorhandene Produktions- oder Vertriebskapazität auszulasten, sowie das Bestreben, synergetische Effekte zu erzielen, dar. Bei der lateralen Diversifikation schließlich ist überhaupt kein Zusammenhang mehr zwischen dem bisherigen Betätigungsbereich und dem neuen Aktivitätsfeld zu erkennen. Ein typisches Beispiel dafür bieten Mischkonzerne. Die dominante Triebkraft liegt hier im Streben nach Risikostreuung (die allerdings auch mit einer Renditesenkung verbunden ist), in der Wahrnehmung interessanter Möglichkeiten der Geldanlage sowie in der Ausschöpfung von steuerlichen Vorteilen. Nicht selten ist das seltsame Bild, das sich Außenstehenden bietet, auch das Ergebnis von Hobbys des Eigentümers. Sinnvoll erscheint eine laterale Diversifikation allerdings nur dann zu sein, wenn eine Übertragung vorhandener Fähigkeiten auf andere Bereiche möglich erscheint. Keinesfalls ist darin ein Patentrezept zu sehen. So hat beispielsweise VW bei seinem Ausflug in die elek- <?page no="87"?> 88 2 Marketing tronische Datenverarbeitung rund eine Milliarde Euro an Lehrgeld bezahlen müssen, bis es Triumph-Adler an Olivetti verkaufen konnte. Im Allgemeinen wird diese Option als defensiv betrachtet bzw. dahingehend gewertet, dass eine Mittelverwendung in den angestammten Bereichen des Unternehmens nur zu schlechteren Bedingungen möglich ist. 22.6.2 Preis- und Konditionenpolitik Das Angebot eines Unternehmens auf einem umkämpften Markt besteht in einer bestimmten Sachbzw. Dienstleistung, die durch kommunikative Maßnahmen vorbereitet und flankiert wird. Als Gegenleistung dafür fordert der Anbieter einen bestimmten Preis, der natürlich aufs Engste mit der gebotenen absatzwirtschaftlichen Leistung verbunden ist. Sofern der Preis (möglichst knapp) unter dem von einem Nachfrager veranschlagten Gegenwert liegt, kommt es zum Kaufabschluss 2.6.2.1 Bestimmungsgrößen des Preises Das Entgelt, das ein Unternehmen für eine von ihm offerierte bzw. erbrachte Leistung für angemessen hält, hängt von einer Reihe von Bestimmungsgrößen ab: Kosten Nachfrager Absatzmittler und Absatzhelfer Wettbewerber Zahlungsbedingungen Gesetzliche Vorschriften Spezifische Risiken Unternehmensziele Kosten Ein Unternehmen vermag auf Dauer nicht zu überleben, wenn es nicht „auf seine Kosten kommt“. Wie hoch diese sind, wird im Rahmen von Kostenrechnung und Kalkulation ermittelt. Gleichwohl gibt es die verschiedensten Gründe dafür, bei bestimmten <?page no="88"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 89 Artikeln, Abnehmern, Absatzbezirken, Auftragsgrößen oder zu gewissen Zeiten von der Forderung nach voller Kostendeckung abzuweichen. Beispielsweise tätigen Unternehmen im Einzelhandel zuweilen ganz gezielt sog. Unter-Einstandspreis-Verkäufe, um so ihre Leistungsfähigkeit zu demonstrieren und Kunden anzulocken. Ausgangspunkt dieser Aktivitäten sind Mischkalkulationen, bei denen ein Teil des Sortiments einen anderen Teil subventioniert. Dies erfreut sich nicht nur deshalb großer Beliebtheit, weil nicht immer kostendeckende Preise am Markt zu erzielen sind, wobei eine Elimination der defizitären Erzeugnisse aus Gründen des Sortimentsverbundes oder der sich bereits abzeichnenden besseren Zeiten nicht in Betracht kommt. Dies wird auch deswegen akzeptiert, weil eine verursachungsgerechte Zurechnung von Kosten zu Produkten, Absatzgebieten, Vertriebskanälen etc. oftmals nicht vollständig möglich ist oder unwirtschaftlich wäre. Die Kostenorientierung der Preisbildung wird überall dort deutlich, wo dies auch schon in der Bezeichnung des Kalkulationsverfahrens zum Ausdruck kommt. Das Cost-plus-Pricing z.B. ist dadurch gekennzeichnet, dass man zunächst von den Kosten ausgeht und den Marktverhältnissen lediglich in der Bemessung des „Plus“, des Gewinnaufschlags, Rechnung trägt. Noch konsequenter geschieht dies beim Target Costing. Hier wird bei einem End- oder Halbfertigprodukt für alle Unternehmensteile verpflichtend vorgegeben, wie viel dieses (am besten aus Kundensicht) kosten darf. Angenommen, ein bestimmter Artikel muss im Einzelhandel knapp unter der Schwelle von 10 Euro angeboten werden, so gehen davon ca. 1,38 Euro MwSt und die Handelsspanne von beispielsweise ca. 3 Euro ab. Strebt der Hersteller einen Gewinn von etwa 1 Euro an, muss das Erzeugnis zu rund 4,62 Euro produziert und an den Verkaufspunkten bereitgestellt werden können. Gelingt dies nicht, gibt es einen Wettbewerber weniger am Markt. NNachfrager Welchen Preis man fordert, hängt aber auch davon ab, was die Nachfrager für ein Produkt zu bezahlen bereit sind. Eine Chance, relativ hoch einzusteigen, bietet sich oft bei neuen Produkten, die von den Nachfragern stark begehrt werden und noch keiner nen- <?page no="89"?> 90 2 Marketing nenswerten Konkurrenz unterliegen. Mitunter ist dabei auch die Produktionskapazität noch so klein, dass es nahe liegt, die Gunst der Stunde zu nutzen und bei den von der Diffusionstheorie als Innovatoren bezeichneten Nachfragern Kaufkraft abzuschöpfen. In dem Maße, in dem, bedingt durch Kapazitätsausweitung, Verkauf größerer Stückzahlen und Ausnutzung der Erfahrungskurve, im Laufe der Zeit die Stückkosten sinken und Konkurrenten aufkommen, wird man den Preis schrittweise nach unten korrigieren. Man nennt diese Strategie Marktabschöpfung bzw. Skimmingstrategie. Wenn die Nachfrage erst aktiviert werden muss, verfahren die Betroffenen genau umgekehrt und versuchen, diese über einen niedrigen Preis zu erschließen. Bei dieser Art des Eindringens in den Markt spricht man von einer Penetrationsstrategie. Man interessiert auf diese Weise wesentlich mehr potenzielle Abnehmer für das Erzeugnis, regt zum Erst- und Wiederkauf an und kann über von Anfang an größere Stückzahlen doch noch auf einen stattlichen Gewinn kommen. Werden für identische Sach- oder Dienstleistungen unterschiedliche Preise gefordert, liegt Preisdifferenzierung vor. Das Ziel ist, Kaufkraft abzuschöpfen und zugleich potenzielle Abnehmer, die auf den Cent schauen müssen, zur Nachfrage anzuregen. Damit soll die sog. Käuferrente möglichst weitgehend abgeschöpft werden. Dies ist derjenige Betrag, den ein Nachfrager für ein bestimmtes Gut weniger zu zahlen hat, als er aufgrund seiner Präferenzen zu zahlen bereit wäre. Wenn somit Preise differenziert werden können, was die Abgrenzung der verschiedenen Käufergruppen voraussetzt, resultiert daraus im Allgemeinen ein vergleichsweise höherer Gewinn. Teilweise dient das Unterfangen auch dazu, aus Gründen kontinuierlicher Kapazitätsauslastung Nachfrage in umsatzschwächere Zeiten zu verlagern. Die Preisdifferenzierung kann an verschiedenen Punkten anknüpfen: Räumliche Preisdifferenzierung: Maßgebend ist der Ort, an dem es zu einem Kaufabschluss kommt oder an dem die Leistung erbracht wird. Wird Ware in einem Exportland zu einem <?page no="90"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 91 ungleich niedrigeren Preis als im Inland verkauft, spricht man von Dumping. Zeitliche Preisdifferenzierung: Hierbei verlangt man je nach Tageszeit (Tag- und Nachttarife), Wochentag oder Jahreszeit einen unterschiedlichen Preis. Personelle Preisdifferenzierung: Je nach Zugehörigkeit eines Abnehmers zu einer bestimmten sozialen Gruppe wie Rentnern, Schwerbeschädigten, Arbeitslosen oder Studierenden werden verschiedene Preise gefordert. Verwendungsbezogene Preisdifferenzierung: Hier kommt es darauf an, wofür das Produkt eingesetzt wird (z.B. Salz als Speise-, Vieh- oder Streusalz). Mengenbezogene Preisdifferenzierung: Preiszugeständnisse (Rabatte) werden hierbei mit der Abnahme vergleichsweise größerer Stückzahlen, Gewichtseinheiten etc. begründet. Ob die Preisdifferenzierung den Erfolg, den man sich von ihr erhofft, mit sich bringt, hängt vor allem davon ab, inwieweit es gelingt, die einzelnen Teilmärkte voneinander abzuschotten, also Missbrauch und unerwünschte Arbitrageprozesse zu verhindern. A Absatzmittler und Absatzhelfer Ein Hersteller muss sich genau überlegen, welche Rabatte nach Art und Höhe Absatzmittler und welche Vergütung Absatzhelfer (Handelsvertreter und Dienstleistungsunternehmen jeder Art) von ihm erwarten. In vielen Fällen hat er es nicht in der Hand zu bestimmen, zu welchem Preis sein Produkt den Verbrauchern angeboten wird. Zwar kann er über das Instrument der Preisempfehlung versuchen, steuernd einzugreifen, doch darf er schon von Gesetzes wegen (Verbot der vertikalen Preisbindung) die Entscheidungsfreiheit des Handels nicht einengen (Pechtl 2014, 202ff.). Das Kalkulationsproblem stellt sich für einen Hersteller von Konsumgütern so dar, dass er zunächst prüfen muss, zu welchem Preis sein Erzeugnis in die Hände der Endverbraucher gelangen sollte, und dann diese Marke in Form einer „unverbindlichen Preisempfehlung“ oder eines „Listenpreises“ fixiert. Daraufhin hat er festzulegen, welche Rabatte er Absatzmittlern einräumt, um diese genü- <?page no="91"?> 92 2 Marketing gend für den Vertrieb seines Produktes zu motivieren und ihnen auch ein Auskommen zu sichern. Es gibt im Grunde Dutzende von Rabattarten, doch sind es letztlich immer dieselben - wenigen - Anliegen, die ein Anbieter mit diesem Steuerungsinstrument verfolgt: Er will einen Abnehmer dazu bewegen, größere Mengen zu übernehmen (Mengenrabatt), ihm die Treue zu halten (Jahresumsatzvergütung, Treuerabatt) oder sich für ein Erzeugnis vorübergehend besonders intensiv einzusetzen (Einführungs-, Aktionsrabatt). Oftmals honoriert er auch lediglich den Umstand, dass ein Abnehmer Distributionsaufgaben übernimmt, die er sonst selbst wahrzunehmen hätte (Wiederverkäuferrabatt). WWettbewerber Je nach Konkurrenzstrategie, die man verfolgt, wird man Preisführer sein, sich nach diesem richten oder sich an das, was in der Branche „üblich“ ist, halten. Letzteres kommt insbesondere in der Beachtung branchenüblicher Kalkulationsgrundsätze zum Ausdruck, wodurch nicht nur schwierige Zurechnungsprobleme umgangen, sondern auch gravierende Abweichungen von den im Durchschnitt von den einzelnen Anbietern geforderten Entgelten vermieden werden. Dominant ist die Orientierung der Preisbildung an den Wettbewerbern bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand, wo es darum geht, anstelle eines Konkurrenten den Zuschlag zu erhalten. Natürlich will man auch hier seine Kosten vergütet bekommen, doch ist der Blick darüber hinaus nicht so sehr auf die finanzielle Potenz bzw. Zahlungsbereitschaft des Auftraggebers wie auf die mutmaßlichen Preisforderungen der Mitbewerber gerichtet. Zahlungsbedingungen Was für den Verbraucher der Barzahlungsrabatt darstellt, ist für den gewerblichen Abnehmer der Skonto. Ein solcher wird gewährt, um den Käufer dazu zu bringen, die ihm eingeräumte Zahlungsfrist von beispielsweise 30 Tagen nicht auszuschöpfen, sondern die Rechnung schon früher zu begleichen. Ein solches Angebot ist für den Verkäufer relativ teuer, aber zur Aufrechterhaltung der <?page no="92"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 93 Liquidität ggf. erforderlich, und für den Abnehmer lukrativ, sodass die Erlösminderung von vornherein in die im Rahmen der Preisbildung anzustellenden Überlegungen einbezogen werden muss. Häufig hängt die Erlangung eines Auftrags entscheidend davon ab, dass man dem potenziellen Auftraggeber nicht nur ein attraktives Güterangebot unterbreitet, sondern diesem auch dabei hilft, den Kaufpreis zu finanzieren. Der Anbieter bemüht sich z.B. um die Bereitstellung eines Kredits durch die Weltbank, initiiert die Bildung eines Bankenkonsortiums, verhandelt mit Regierungsstellen oder stimmt halbherzig einem Gegen- oder Kompensationsgeschäft zu. Hierbei liefert beispielsweise ein Stahlwerk Röhren, die von einer Bank zwischenfinanziert werden, wobei diese letztlich ihr Geld aus dem Verkauf des Erdöls oder Erdgases erhält, das durch die Leitung hindurchfließen wird. Gründe dafür, dass ein Teil des Außenhandels in dieser Form abgewickelt wird, gibt es mehrere: Vielfach ist die Ware, die statt Devisen geboten wird, nicht weltmarktfähig, sodass sie kein „normaler“ Abnehmer erwerben will. Zuweilen stellt auch für Kunden in der Dritten Welt der Umstand, dass sie nicht über das nötige Marketing-Know-how und damit über keinen Zugang zu den Märkten der Industrieländer verfügen, eine unüberwindliche Hürde dar. Preispolitisch bedeutsam ist all dies deswegen, weil Kompensationsware zumeist zu einem überhöhten Preis entgegengenommen werden muss. Die Stützungsprämie hat man deshalb von vornherein in den Preis des Exportgutes einzukalkulieren. GGesetzliche Vorschriften Der Staat verfügt über ein reichhaltiges Instrumentarium, um in den Mechanismus der Preisbildung einzugreifen, der nach den Vorstellungen der ökonomischen Theorie eigentlich nur durch Angebot und Nachfrage gesteuert sein sollte. Er kann z.B. Richtpreise erlassen, Interventionspreise festlegen, Höchst- und Mindestpreise vorschreiben, die Einhaltung hoheitlicher Kalkulationsrichtlinien erzwingen, ja sogar einen Preisstopp verhängen, etwa um einer galoppierenden Inflation Einhalt zu gebieten. Außerdem behält er sich das Recht vor, bestimmte Preise zu genehmigen, so z.B. Krankenhauspflegesätze, die Prämien von Versicherungsgesell- <?page no="93"?> 94 2 Marketing schaften sowie die Tarife im öffentlichen Straßen-Personen- und Straßen-Güterverkehr. Es gibt noch eine Fülle weiterer gesetzlicher Grundlagen, die den Preisbildungsspielraum eines Anbieters zum Schutz der Verbraucher z.T. beträchtlich beschränken. SSpezifische Risiken Es gibt noch einen leicht zu übersehenden, außerordentlich wichtigen Einflussfaktor für die betriebliche Preisbildung, der vielen deutschen Unternehmen zu Beginn dieses Jahrtausends wieder einmal schmerzlich bewusst geworden ist. Einen erheblichen Anteil ihrer Umsätze erzielen sie im Ausland, wobei nicht nur die USA eines der bedeutendsten Abnehmerländer darstellen, sondern auch ein beachtlicher Teil der übrigen Ausfuhr auf Dollarbasis abgewickelt wird. In der fraglichen Zeit war der Wert des US-Dollars gegenüber dem Euro deutlich gefallen. Solche drastischen Veränderungen der Weltleitwährung beeinträchtigen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit jedes einzelnen deutschen Anbieters im In- und Ausland, sondern werfen auch, wenn er sich der Herausforderung nicht mit der nötigen Sorgfalt widmet, alle seine Umsatz- und Ertragsschätzungen über den Haufen. Das Währungsrisiko bildet nur eine von vielen Gefahren, denen speziell das Auslandsgeschäft ausgesetzt ist. Um welche weiteren es geht (z.B. Transport-, Montage-, Steuer-, Verzugs- und Gewährleistungsrisiko) und welche Maßnahmen zu deren Handhabung zur Verfügung stehen, behandelt Zimmermann (1992) ausführlich. Unternehmensziele Wie viel jemand für eine von ihm zu erbringende Leistung verlangt, hängt zu guter Letzt auch davon ab, wie stark sein Gewinnerzielungsmotiv ausgeprägt ist. Ein Unternehmer oder Manager braucht nicht unbedingt Sozialreformer zu sein, um darauf zu verzichten, alles, was möglich erscheint, aus seinen Kunden, ob generell oder in einer spezifischen Situation, herauszuholen. Nicht wenige Betroffene geben sich beispielsweise neben anderen Zielen (Image, Absatz) mit einem „angemessenen“ Gewinn zufrieden, was auch immer dies bedeuten und sie im Einzelfall dazu veranlassen mag. <?page no="94"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 95 22.6.2.2 Optimierung des Preises Keinem absatzpolitischen Instrument hat die ökonomische Theorie mehr Aufmerksamkeit geschenkt als dem Preis. Der Grund dafür ist einfach: Er ist - etwa im Gegensatz zur Qualität - wegen seiner eindimensionalen Natur leicht quantifizierbar und optimierbar. Gleichwohl gelingt es nur unter äußerst restriktiven Bedingungen, den im konkreten Fall optimalen Preis abzuleiten. An dieser Stelle soll lediglich ein einziges Beispiel dafür, wie die ökonomische Theorie an das Problem herangeht, vermittelt werden. Grundlage aller Ansätze für eine Optimierung von Preisen ist die Unterscheidung zwischen monopolistischen, oligopolistischen und polypolistischen Märkten. Ein Monopolist braucht lediglich die mutmaßlichen Reaktionen der Nachfrager im Auge zu behalten. Der Polypolist dagegen ist aufgrund der vergleichsweise bescheidenen Rolle, die er am Markt spielt, zu einer Anpassung an die Marktgegebenheiten gezwungen. Für ihn wäre es nicht sinnvoll, preispolitisch aktiv zu werden, da er sich im Falle einer Anhebung seines Preises über das Niveau seiner Konkurrenten einem totalen Nachfrageausfall gegenübersähe, während er bei einer Senkung sofort die gesamte Nachfrage auf sich zöge, die er jedoch nicht befriedigen könnte. Der Oligopolist ist demgegenüber in der Lage, aufgrund seiner relativen Größe den Markt selbst zu gestalten, wobei er aber die Reaktionen seiner Mitbewerber in sein Kalkül einbeziehen muss. Wie bildet z.B. der Monopolist (beispielsweise als Nischenanbieter auf einem Markt) seinen Preis? Er benötigt dazu neben der Zielsetzung der Gewinnmaximierung, die man in der Marktwirtschaft unweigerlich mit seiner Rolle verbindet, eine Preis-Absatz- und eine Kostenfunktion. Sind beide gegeben, löst sich das Problem durch einfache mathematische Operationen fast von selbst. Üblicherweise unterstellt man eine (1) lineare oder eine (2) multiplikative Preis-Absatz-Funktion. Welche der beiden Funktionen den Gegebenheiten besser entspricht, bedarf der Überprüfung im Einzelfall; beide sind in Abbildung 13 wiedergegeben. <?page no="95"?> 96 2 Marketing Abb. 13: Lineare und multiplikative Preisabsatzfunktion In der realen Welt verfügt ein Anbieter wegen mangelnder Vergleichbarkeit seiner Leistung zumeist über einen gewissen preispolitischen Spielraum; er ist also Monopolist und Polypolist zugleich. Diesem Fall entspricht modellmäßig am ehesten die sog. doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion (Gutenberg-Funktion), wie sie in folgender Abbildung wiedergegeben ist. Abb. 14: Doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion (Gutenberg-Funktion) (2) (1) p b a y b p a y (1) (2) y y 3 p a p y p olypolistischer Bereich onopolistischer Bereich olypolistischer Bereich <?page no="96"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 97 Insofern hat auch der einfache Fall der linearen Preis-Absatz- Funktion eine Praxisrelevanz, wobei unbestritten ist, dass die multiplikative Form auch vor diesem Hintergrund noch realitätsnäher ist. Bei Unterstellung einer linearen Preis-Absatz-Funktion lässt sich der durch Absatz eines bestimmten Produktes zu erzielende Umsatzerlös wie folgt bestimmen: U = p · y = p · (a + b · p) Wollten wir der Einfachheit halber den Umsatzerlös maximieren, ergibt sich Folgendes: Da b und dementsprechend auch 2b < 0 sind, ist auch die zweite Bedingung für das Vorliegen eines Maximums erfüllt. Der den Umsatzerlös maximierende Preis liegt im Monopolfall genau auf halber Höhe des sog. Prohibitivpreises (p a ), bei dem die Preis-Absatz-Funktion die Ordinate schneidet, also kein einziges Stück des fraglichen Erzeugnisses verkauft werden kann. Die zugehörige Menge (M) bildet ihrerseits genau die Mitte zwischen dem Nullpunkt (0) und der sog. Sättigungsmenge (y s = a), die auch durch das Verschenken der Ware nicht überschritten werden könnte. Zum Gewinnmaximum gelangt man dadurch, dass man die Differenz zwischen Umsatzerlösen und Kosten maximiert (Domschke und Scholl 2008, 192). Die Kosten seien der Einfachheit halber wie folgt bestimmt: K = F + k · y Damit erhält man: G = U - K = p · y - k · y - F G = (p - k) y - F = (p - k) (a + b · p) - F Der größte Gewinn wird an der Stelle auf der Abszisse („Cournot- Preis“) erzielt, an der der Grenzerlös genau den Grenzkosten entspricht oder, einfacher ausgedrückt, wo es genauso viel kostet, noch ein weiteres Stück herbzw. bereitzustellen, wie man am Markt für dieses erzielt. <?page no="97"?> 98 2 Marketing Preis-Absatz-Funktionen geben Marktgesetzmäßigkeiten in relativ umfassender Form wieder. Ein einfacheres methodisches Instrument zur Beschreibung stellen Elastizitätskoeffizienten dar. Sie setzen die relative Änderung der Wirkungsgröße (Erwartungsgröße) zur relativen Änderung der Einflussgröße (Stellgröße) in Beziehung. Betrachtet man in diesem Sinne den Preis als Einfluss- und den Absatz als Wirkungsgröße, so gilt für die Preiselastizität der Nachfrage: Die Preiselastizität drückt also die relative Veränderung der Nachfrage durch die relative Veränderung des Preises aus. Für verschiedene Produktgruppen wurden Koeffizienten zwischen -4 (z.B. für Möbel), -1,1 (z.B. für Bücher und Zeitungen) und -0,2 für sog. Consumer Durables ermittelt. Der Preiselastizitätskoeffizient nimmt üblicherweise negative Werte an, wird jedoch häufig positiv (um-) definiert. Während sich bei einer preisstarren Nachfrage (Preiselastizitätskoeffizient = 0) keinerlei Mengenänderungen ergeben, wirken sich bei einer sehr preiselastischen Nachfrage schon minimale Preisvariationen in extremer Weise auf die nachgefragte bzw. abgesetzte Menge aus. Es ist offensichtlich, dass mit (absolut gesehen) zunehmender Preiselastizität der Nachfrage der optimale Preis vermindert wird, d.h. je preissensitiver die Käufer reagieren, desto niedriger ist der für den Verkäufer günstigste Preis. Preiskalküle dieser Art sind für Mehrproduktunternehmen mit begrenzter Kapazität naturgemäß wesentlich komplexer. An der grundlegenden Erkenntnis, dass der für einen Anbieter mit Blick sowohl auf den Umsatz als auch auf den Gewinn optimale Preis umso niedriger liegt, je elastischer die Nachfrage reagiert, ändert sich jedoch nichts. 22.6.2.3 Besonderheiten der Preispolitik In der Realität trifft man häufig auf Fälle, bei denen das Qualitätsurteil des Nachfragers in Abhängigkeit von der Höhe des Preises gebildet wird (Diller 2008, 150f.). <?page no="98"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 99 Die Ausstrahlung des Preises auf die Qualitätswahrnehmung wird als Preis-Qualitäts-Irradiation bezeichnet. Ein solches Verhalten ist vor allem dort üblich, wo die Nachfrager mit technisch komplizierten (komplexen) und deshalb schwer zu beurteilenden Produkten konfrontiert sind. Ein enger Zusammenhang zwischen Preis und Qualität wird insbesondere dort vermutet, wo von einem Hersteller verschiedene Typen angeboten werden. Dass höhere Preise mit einer entsprechend höheren Produktqualität einhergehen, glauben viele Nachfrager auch deshalb, weil in einem Unternehmen in aller Regel einheitlich kalkuliert wird. Von besonderer Bedeutung ist dieses Phänomen bei Innovationen, bei denen sich die Nachfrager zu Beginn der Marktperiode kaum vorstellen können, was diese wohl kosten werden. Insofern erlangt die Fixierung des Preisniveaus auch strategische Bedeutung. Die Preis-Qualitäts-Irradiation ist ein Grund dafür, dass häufig statt eines bestimmten Nettopreises ein wesentlich höherer Bruttopreis gefordert und darauf ein großzügiger Rabatt gewährt wird. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Qualitätsvermutung durch den Bruttopreis und nicht durch den Nettopreis gebildet wird. Weiterhin ist der Preis ein relativ schnell und einfach zu modifizierender absatzpolitischer Parameter. Während das Preisniveau zumeist in einer relativ frühen Phase der Produktentwicklung bestimmt wird, wird der am Markt zu fordernde Preis zumeist erst kurz vor Einführung des Produkts festgelegt, da alle anderen Marketingentscheidungen zu diesem Zeitpunkt bereits getroffen sind. Diese Einfachheit einer Preisänderung bedingt, dass durch den Preis vielfach nicht nur die Positionierung eines Produkts determiniert wird (strategischer Aspekt), sondern dass dieses Instrument im Marketing-Mix auch im operativen Sinne verwendet werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Konkurrenten die Preise senken, die Lager überquellen oder kurzfristig Liquidität benötigt wird. <?page no="99"?> 100 2 Marketing In beiden Fällen wird man dazu neigen, die einfachste Reaktionsmöglichkeit zu wählen: die Preissenkung! Sinnvoll ist dies jedoch nur dann, wenn man gegenüber seinen direkten Konkurrenten (d.h. die potenziellen Kunden ziehen die Produkte dieser Anbieter im Kaufentscheidungsprozess zum Vergleich heran) die niedrigsten Kosten hat (vgl. dazu Abschnitt 2.3.3.6), denn auch die Wettbewerber können ihre Preise senken. Hat man die komparativ geringsten Kosten, kann man den Preis auch längerfristig auf ein Niveau senken, bei dem es der Konkurrenz schwer fällt, mitzuhalten. In allen anderen Fällen empfiehlt es sich jedoch zumindest mittelfristig, andere Instrumente des Marketing-Mix zu verändern. 22.6.3 Kommunikationspolitik Der Kern der Produktpolitik besteht darin, zunächst ein den erkannten Bedürfnissen entsprechendes Angebot zu konzipieren und diese sodann in eine Sachbzw. Dienstleistung umzusetzen. Mit Recht wird daher die Produktpolitik als das „Herz des Marketing“ bezeichnet. Genauso unverzichtbar wie die Produktpolitik ist die Kommunikationspolitik des Anbieters, die häufig als das „Sprachrohr des Marketing„ bezeichnet wird. Diese ist umso intensiver zu verfolgen, je mehr sich die Nachfrager durch eine gewisse Passivität hinsichtlich des gesamten Kaufvorganges auszeichnen. Im Gegensatz zu der Situation, die bei einer Knappheitswirtschaft gegeben ist, sind die Nachfrager in aller Regel nicht gewillt, systematisch zu erkunden, welche neuen Angebote der Markt für sie bereithält. Wie bereits bekannt, genügt es deshalb nicht, objektiv gute Leistungen anzubieten, die potenziellen Abnehmer müssen vielmehr durch gezielte Maßnahmen darüber informiert werden, welche Leistungen erhältlich sind und zu welchen Bedingungen sie an welchen Orten erstanden werden können. Insgesamt betrachtet, zielt die Kommunikationspolitik darauf ab, bei den tatsächlichen und potenziellen Abnehmern ein den Zielen des Unternehmens förderliches Bild von dessen Angebot und von ihm als Ganzes zu erzeugen und bestimmte von ihm getroffene Maßnahmen an den als relevant erachteten Teil der Öffentlichkeit heranzutragen. <?page no="100"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 101 Die Kommunikationspolitik ist damit keinesfalls mit Werbung gleichzusetzen, letzteres ist, wie nachfolgend dargestellt, ein nicht unwesentlicher, aber doch nur ein Teil der Kommunikationspolitik. 2 2.6.3.1 Formen der Kommunikation Die Entscheidungen innerhalb der Kommunikationspolitik bzw. die Ausgestaltung der vier grundlegenden Arten der Kommunikation eines Unternehmens sind in den Rahmen der sog. Corporate Identity einzuordnen. Innerhalb dieser wird das Ziel verfolgt, zum Zweck der leichteren Wiedererkennung allen Maßnahmen des Unternehmens eine gewisse Einmaligkeit und Eigenständigkeit zu verleihen, indem „Werbekonstanten“ einheitlich verwendet werden. Die einzelnen Bausteine dieser Überlegungen gibt nachfolgende Abbildung grafisch wieder. Abb. 15: Einordnung typischer kommunikationspolitischer Instrumente (in Anlehnung an Schweiger und Schrattenecker 2013, 124) Unternehmenspersönlichkeit Unternehmenskommunikation Corporate Identity <?page no="101"?> 102 2 Marketing Das Bestreben muss im Einzelnen darauf gerichtet sein, das gesamte Erscheinungsbild des Unternehmens (Corporate Design), ihr Kommunikationskonzept sowie das Verhalten aller Beschäftigten auf ein Soll-Image hin auszurichten (vgl. dazu Abschnitt 2.1.2). Dazu dienen u.a. die Entwicklung und Kodifizierung von Unternehmensgrundsätzen (Unternehmenspersönlichkeit), Maßnahmen der Mitarbeiterführung ebenso wie beispielsweise die durchgängige Verwendung eines Firmenemblems und die Vereinheitlichung aller Gestaltungselemente der Kommunikation nach innen und außen (Logos, Farben(-konstellationen) etc.). MMediawerbung Die hinsichtlich der Höhe der eingesetzten finanziellen Mittel bedeutendste Form der Marktkommunikation stellt die Mediawerbung dar. Mediawerbung bedient sich spezieller Werbeträger und Werbemittel, mit deren Hilfe sie die Nachfrager ohne direkte Ansprache (anonym) zu einem bestimmten, unternehmenspolitischen Zielen dienenden Verhalten zu motivieren versucht. Die Unterscheidung zwischen Träger und Mittel ist nicht von sehr großer Bedeutung. Gemeint sind einerseits die gedruckte, gesprochene oder in die Form des Films gebrachte Botschaft, andererseits das Vehikel, dessen es zur Übermittlung der Botschaft bedarf. Typische Begriffspaare bilden Anzeige - Zeitung, Werbespot - Fernsehsender sowie Plakat - Anschlagtafel. Innerhalb der Mediawerbung wird im Allgemeinen zwischen Image- und Aktionswerbung unterschieden. Im ersten Fall ist man meist nicht an einer kurzfristigen Wirkung, sondern eher am langfristigen Aufbau einer bestimmten Positionierung interessiert. Demgegenüber werden im zweiten Fall Aktionswerbemaßnahmen vor allem durchgeführt, um kurzfristig (Umsatz-)Erfolge zu verbuchen, wobei diese zumeist noch von anderen (meist preispolitischen) Maßnahmen flankiert werden. Es ist offensichtlich, dass beide Spielarten innerhalb des Marketing-Mix verfolgt werden müssen. <?page no="102"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 103 DDirektwerbung Im Gegensatz zur Mediawerbung wird die Zielgruppe namentlich und einzeln umworben (Direktmarketing), d.h. ohne Einschaltung von Massenmedien. Direktmarketing ermöglicht eine sehr gezielte Absatzpolitik im Sinne eines „kundenorientierten“ Marketing. Große Bedeutung bei der effizienten Gestaltung des Direktmarketing haben einerseits sog. Adressvermittler bzw. spezielle Direktmarketing-Agenturen, aber auch die firmeneigene Kundendatenbank im Rahmen des Data-base-Marketing. Ein besonderes Kennzeichen dieser Form der Kommunikationspolitik ist die einfache, flexible und kostengünstige Handhabung, sodass es auch kleineren Unternehmen möglich ist, dieses Instrument zu nutzen. Verkaufsförderung Die klassische Mediawerbung reicht heute zumeist nicht mehr aus, um die Marketingziele zu erreichen. Hier muss mit zusätzlichen Instrumenten nachgeholfen werden, die meist auch preis-, produkt- oder distributionspolitische Züge aufweisen. Gemeint ist damit die Verkaufsförderung (= Absatzförderung, Sales Promotion). Verkaufsförderung subsumiert Maßnahmen überwiegend kommunikativer, aber auch anderer Art, die kurzfristig den Absatz eines Erzeugnisses stimulieren sollen. Als Zielgruppen fungieren dabei Verbraucher, der Außendienst eines Unternehmens und der Handel bzw. die Absatzmittler. Konsumenten erhalten beispielsweise Produktproben, Gutscheine oder Preisnachlässe. Nicht selten werden sie auch mit sog. „self liquidating offers“ umgarnt, d.h. mit einer Gelegenheit, etwas zu einem relativ günstigen Preis zu erwerben, was überhaupt nicht in das normale Sortiment des Anbieters passt (z.B. Bücher in der Tchibo-Filiale). Damit wird zwar praktisch kein Gewinn erzielt, dafür werden aber viele Leute in die Läden gelockt, die dann auch Kaffee kaufen. Der Außendienst wird zumeist mit Incentive- <?page no="103"?> 104 2 Marketing Reisen zu noch größeren Taten angespornt. Absatzmittler schließlich werden u.a. mit Preiszugeständnissen überzeugt, mit Displaymaterial versorgt oder von Propagandist(inn)en unterstützt, die Produktproben verteilen oder ihnen bei Degustationen (= Verkostung von Mustern) zur Hand gehen. Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die konkreten Verkaufsvorgänge effizienter zu gestalten oder dazu beizutragen, dass die, vor allem durch die Mediawerbung geschaffenen günstigen Einstellungen zu den Absatzobjekten entsprechende Kaufakte nach sich ziehen. ÖÖffentlichkeitsarbeit und Sponsoring Dazu pflegt man beispielsweise die Kontakte zu den Medien, hält Pressekonferenzen ab, veröffentlicht gediegen gestaltete Geschäftsberichte, erstellt Sozialbilanzen oder gibt Jubiläumszeitschriften heraus. Beliebt sind auch Betriebsbesichtigungen und ähnliche Veranstaltungen, der Bau und die Unterhaltung von Sportstätten, die Errichtung von Stiftungen sowie die Förderung von Wissenschaft und Kunst. Die Öffentlichkeitsarbeit (= Public Relations) dient dazu, durch eine systematische Pflege der Beziehungen, die ein Unternehmen zur Außenwelt unterhält, den Boden für andere Maßnahmen des Marketing zu schaffen bzw. zu erhalten. Eine indirekte Form der Werbung, die eng mit der Öffentlichkeitsarbeit zusammenhängt, bildet eine relativ neue Erscheinung in der Marketingszene, das Sponsoring. Wie schon das englische Wort ( sponsor“ = Bürge, Förderer, Schirmherr, Geldgeber) erahnen lässt, hilft hier jemand mit finanziellen Mitteln nach, dass beispielsweise ein bestimmtes Sportereignis stattfindet (Sportsponsoring), eine aufwändige Operninszenierung realisiert werden kann (Kunstsponsoring) oder eine im Interesse der Gesellschaft liegende Bewegung an Durchschlagskraft (Sozio-, Ökosponsoring) gewinnt. Im Gegensatz zum Mäzenatentum verbindet der Geldgeber mit seiner nur vordergründigen Großzügigkeit handfeste kommerzielle Absichten, d.h., er hält sich nicht diskret im Hintergrund, sondern es <?page no="104"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 105 liegt ihm daran, dass die von ihm gewährte ideelle und materielle Unterstützung einer Sache der Öffentlichkeit bekannt und bewusst wird. Es ist noch schwieriger als ohnedies schon in der Werbung, die Wirkung derartiger Maßnahmen zu beurteilen, zumal diese nur z.T. auf die unmittelbaren Nutznießer (z.B. Zuschauer oder Besucher), sondern in weit größerem Umfang darauf abzielen, dass sich die Massenmedien derartiger Ereignisse annehmen und sich so als für den Sponsor zwar letztlich nicht kostenlose, aber unbezahlte Multiplikatoren erweisen. Es ist aber unbestritten, dass gute Öffentlichkeitsarbeit, in welcher Form auch immer, die Wirkung anderer Maßnahmen positiv beeinflusst. 2 2.6.3.2 Planungs- und Entscheidungsebenen der Kommunikationspolitik Ein Unternehmen, das Kommunikationspolitik betreibt, hat eine Reihe von Entscheidungen zu treffen. Dass es um wesentlich mehr geht, als Einfälle zu haben und diese umzusetzen, sollen die folgenden Hinweise verdeutlichen. Kommunikationsziel Was genau soll die Kommunikation bewirken? Ein Unternehmen wird sich zunächst vor allem darum bemühen, seine sonstigen Marketingaktivitäten zu unterstützen. Das überzeugendste neue Produkt und die drastischste Preissenkung nützen nichts, wenn nur wenige potenzielle Abnehmer davon erfahren. Oft wird es auch darum gehen, zu Wiederholungskäufen anzuregen, den Bekanntheitsgrad, den man genießt, zu erhöhen, das Image zu retuschieren oder die Öffentlichkeit über Hintergründe von Kampagnen bzw. über Vorkommnisse aufzuklären, die das Unternehmen ins Gerede gebracht haben. Kommunikationsobjekt Nicht zu trennen vom Kommunikationsziel ist das Kommunikationsobjekt. Wofür oder für wen wendet man sich an die relevante Öffentlichkeit? Den ersten Bezugspunkt stellen einzelne Leistungen <?page no="105"?> 106 2 Marketing des Unternehmens dar, deren Vorzüge bekannt und deutlich gemacht werden müssen (Produktwerbung). Oft wird man auch das ganze Unternehmen ins rechte Licht zu rücken versuchen und beispielsweise darauf hinweisen, dass sich dieses dem Gemeinwohl, dem Fortschritt oder der Umwelt verpflichtet fühlt (Firmenwerbung). Im Rahmen der Gemeinschaftswerbung geht es gar um eine ganze Branche, zum Beispiel die Agrarwirtschaft oder die Pharmaindustrie. ZZielgruppe und Zielgebiet Festzulegen sind auch Zielgruppe und Zielgebiet. Wen will man mit den kommunikationspolitischen Maßnahmen erreichen? Je nach Kommunikationsziel wird man sich abwechselnd oder parallel auf bestimmte Abnehmersegmente, bisherige Nicht-Kunden, Meinungsführer, Bedarfsmultiplikatoren oder auf den eigenen Abnehmern nachgelagerte Märkte konzentrieren. Meinungsführer versucht man für sich einzunehmen, weil diese eine Leitbildfunktion erfüllen oder auf andere Weise auf die Öffentlichkeit einwirken, d.h. sie prägen das Urteil anderer mehr oder minder stark. Bedarfsmultiplikatoren sind Leute, die Kaufentscheidungen anderer maßgeblich beeinflussen oder diesen überhaupt abnehmen, also zum Beispiel Ärzte (Medikamente) und Lehrer (Schulbücher). Kommunikationsbudget Was man mittels der Kommunikationspolitik erreicht, hängt empirischen Untersuchungen zufolge von der „Qualität“ des Werbemittels und der Auswahl geeigneter Werbeträger ab, aber natürlich auch davon, wie hoch das zur Verfügung stehende Budget ist. Das damit verbundene zentrale Problem besteht darin, dass sich Werbemaßnahmen und Budget aus zeitlichen Gründen nicht simultan bestimmen lassen, sondern nacheinander festgelegt werden müssen. Angesichts dieser Entscheidungslage ist es nicht verwunderlich, dass sich einige theoretisch nicht befriedigende, aber dennoch nützliche Heuristiken zur Budgetfixierung in der Praxis eingebürgert haben: „All you can afford“-Methode: Das, was man für Zwecke der Kommunikation ausgeben zu können glaubt, stellt gewisserma- <?page no="106"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 107 ßen den Restposten dar, der nach Abzug aller sonstigen voraussehbaren Kosten von dem erwarteten Erlös bei Zugrundelegung eines gewünschten Gewinns übrigbleibt. „Percentage of sales“-Methode: Der gesuchte Betrag ergibt sich als Prozentsatz des im Vorjahr erzielten oder für die laufende Periode erwarteten Umsatzes. Wettbewerbs-Paritäts-Methode: Ein Unternehmen hält sich hier an das, was in einer Branche bzw. einem Wirtschaftszweig üblich ist, und bestimmt danach den auch für die „Percentage of sales“-Methode maßgebenden Prozentsatz. „Per unit“-Methode: Hier hat man relativ genaue Vorstellungen davon, wie viel es im Durchschnitt kostet, einen Auftrag zu gewinnen, und richtet sein Kommunikationsbudget daran aus, welche Absatzsteigerung man im Referenzzeitraum anstrebt. WWerbemittel und Werbeträger Steht fest, welches Budget für die Kommunikationspolitik zur Verfügung steht, lässt sich entscheiden, welche konkreten Werbemittel und Werbeträger eingesetzt werden können. Die entsprechenden Möglichkeiten wurden im letzten Abschnitt angedeutet (Schweiger und Schrattenecker 2013). Wofür man sich letztendlich entscheidet, hängt von den beiden Faktoren Kosten und Kontaktanzahl ab. Kosten unterschiedlicher Höhe verursachen bei jedem Medium die Gestaltung (z.B. künstlerischer Entwurf eines Plakats), die Herstellung (z.B. Druck von Prospekten und Katalogen) und die sog. Streuung (Verteilung von Handzetteln, Schaltung einer Anzeige etc.). Gleichzeitig verfügt jedes davon über eine spezifische Reichweite. Unter Reichweite versteht man die Anzahl von Personen, die bei einem einmaligen Einsatz (= Schaltung einer Anzeige in einer einzigen Ausgabe eines Blattes, einmalige Ausstrahlung eines Werbespots etc.) erreicht werden. Setzt man beide Größen zueinander in Beziehung, gelangt man zu einer Produktivitätskennzahl wie dem Tausenderpreis. <?page no="107"?> 108 2 Marketing Der Tausenderpreis ist der Betrag, der für 1000 Personenkontakte mit einer ganzseitigen Schaltung bezahlt werden muss. Beispielsweise wurde 2013 eine Ausgabe des Spiegel von ca. 5,8 Millionen Menschen gelesen. Im konkreten Fall lag der Tausenderpreis bei ca. 10,8 Euro. Wird nicht nur einmal, sondern mehrfach geworben, ist zwischen Brutto- (Summe der Kontakte) und Nettoreichweite (Anzahl der Personen, die mindestens einmal kontaktiert werden) zu unterscheiden. Numerisch stimmen Brutto- und Nettoreichweite überein, wenn nur eine Schaltung vorgenommen wird. Größen dieser Art kommt einige Bedeutung bei der Gestaltung eines sog. Streuplans zu, in denen festgelegt wird, welche Medien ausgewählt und wie oft bzw. an welchen Tagen diese mit dem Werbemittel belegt werden. B Beeinflussungsstrategie Der Kommunikationspolitik sind drei Aufgaben zugewiesen, nämlich zu aktivieren, zu informieren und zu motivieren. Zunächst hat man das Interesse derjenigen, denen die Bemühungen gelten, zu wecken, sie somit anzuhalten, sich mit einem Appell, einer Botschaft, auseinanderzusetzen. Sodann will man etwas mitteilen, und schließlich soll all dies dazu führen, dass die Zielgruppe den Intentionen des Unternehmens gemäß reagiert, z.B. weiteres Informationsmaterial anfordert oder das beworbene Produkt unmittelbar erwirbt. Damit sich ein Adressat überhaupt mit einer „Message“ (= Werbebotschaft) auseinandersetzt, muss diese den Filter seiner - selektiv wirkenden - Wahrnehmung passieren, also von ihm bewusst zur Kenntnis genommen werden. Dies zu erreichen ist angesichts der die Nachfrager konfrontierenden Informationsflut außerordentlich schwierig (Gierl 2002). Um sich deshalb als Anbieter aus der Masse herauszuheben, bedarf es eines großen Maßes an Einfallsreichtum und handwerklichem Geschick. So setzt man beispielsweise auf Sex und Humor, versieht eine ganze Seite einer Zeitung mit wenigen winzigen Worten, bedient sich grotesker Bilder oder macht sich die natürliche Neugierde der Menschen zunutze. <?page no="108"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 109 Da bekannt ist, dass insbesondere die Werbung am ehesten dann wirkt, wenn sie nicht als solche erkannt oder empfunden wird, greifen die Verantwortlichen zu mancherlei Tricks. Sie schaffen beispielsweise Leitbilder, denen das „einfache Volk“ nacheifern soll, stellen lebensechte Situationen nach, etwa wenn eine Hausfrau ihrer Nachbarin von den Vorzügen des neuen Waschmittels vorschwärmt (= „slice-of-life“-Technik), lassen einen Zahnarzt verraten, welche Zahncreme er seiner Familie empfiehlt (Testimonial-Werbung), oder kaschieren Anzeigen als redaktionelle Beiträge. Bedeutend sind weiterhin die zwei folgenden Varianten akquisitorischen Bemühens: Schleichwerbung und Product-Placement. Schleichwerbung betreibt jemand, der seine akquisitorische Absicht verhüllt und/ oder schmarotzt, d.h. die Öffentlichkeit aus Eigennutz zu beeindrucken oder zu etwas zu veranlassen sucht, ohne dafür zu bezahlen. Oft ist das eine vom anderen nicht zu trennen. Es gibt Publikumslieblinge, die in Talk-Shows oder Unterhaltungssendungen nur unter der - vertraglich vereinbarten - Bedingung auftreten, dass sie danach gefragt werden, welchen Film sie soeben fertiggestellt, welches Buch sie jüngst geschrieben, welche CD sie in diesen Tagen auf den Markt gebracht haben oder auf welcher Bühne sie derzeit stehen. Mit Product-Placement schließlich hat es folgende Bewandtnis: Welche Requisiten in einem Film oder einer Fernsehsendung verwendet werden, ist keineswegs ein Ergebnis des Zufalls. Deren Hersteller bezahlen dafür in der Regel viel Geld. Während Filmemacher keine Skrupel empfinden, auf diese Weise einen beträchtlichen Teil ihrer Produktionskosten von vornherein abzudecken, verteidigen Fernsehmanager ihre mindestens zwiespältige Haltung mit dem Argument, die Anstalten könnten nun einmal kein eigenes „Traumschiff“ kaufen und auch nicht ihre Kriminalkommissare Ganoven mit Fahrrädern einfangen lassen. Außerdem seien der Sportwagen, der Whisky und die Kleidung mit der allseits bekannten Marke Teil der Realität, die das Fernsehen darstelle. <?page no="109"?> 110 2 Marketing DDas Timing Eine letzte Überlegung gilt dem Timing. Wann genau man kommunikationspolitische Maßnahmen trifft, hängt von den Zielen und Objekten, um die es geht, ab. Man steht dabei auch vor der Frage, ob man stoßweise, kontinuierlich oder pulsierend werben soll. Mit Letzterem ist gemeint, dass man auf einen permanent durchgehaltenen „Geräuschpegel“ aufbauend in periodischen Abständen kräftige Ausschläge und so ein Höchstmaß an Wirkung zu erzeugen versucht. Eine Besonderheit stellt hier das mehrmalige Schalten einer Anzeige in einem Werbeblock dar. 2.6.4 Distribution und Vertrieb Die wichtigste Aufgabe der Distribution und des Vertriebs besteht darin, den Kontakt mit den tatsächlichen und potenziellen Abnehmern zu pflegen, somit die Beziehungen des planenden Unternehmens zu allen ihm nachgelagerten Wirtschaftseinheiten bis zum Endabnehmer zu gestalten. Die Distributions- und Vertriebsanstrengungen resultieren in der Bereitstellung der vom Unternehmen angebotenen Sach- und Dienstleistungen zu angemessenen Kosten am Ort und zum Zeitpunkt der Nachfrage. Ziel ist damit eine angemessene Verfügbarkeit der eigenen Produkte im Markt. Eine angemessene Verfügbarkeit eines Produktes in räumlicher Hinsicht bedeutet dabei, dass das entsprechende Produkt an all denjenigen Stellen verfügbar ist, an denen es nachgefragt wird bzw. werden könnte. Die Distributions- und Vertriebspolitik umfasst damit vielfach mehr als die reine Verteilung der Produkte und Leistungen eines Unternehmens. Sie ist auf Käufermärkten - gerade bei jungen Unternehmen - zu einem strategischen Engpass geworden. Die bisher diskutierten instrumentellen Bereiche des Marketing, die Leistungsgestaltung mittels der Produkt- und Preispolitik, führen letztendlich nur dann zum unternehmerischen Erfolg, wenn es gelingt, das Distributions- und Vertriebssystem so auszugestalten, dass die potenziellen Kunden die Produkte auch erlangen können. Andernfalls entsteht kein Umsatz! Auf längere Sicht hängt der Unternehmenserfolg bei gegebenen konkurrenzfähigen Unternehmensleistungen durchaus auch von der Effizienz der Distributions- und Vertriebswege ab. <?page no="110"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 111 Betriebliche Distributions- und Vertriebspolitik kann nur langfristig sinnvoll betrieben werden, eine kurzfristige Änderung der Distributions- und Vertriebspolitik ist in vielen Fällen überhaupt nicht möglich. Der strategische Charakter der wichtigsten Entscheidungen in diesen Bereichen zeigt sich nicht zuletzt darin, dass andere wichtige marketingpolitische Entscheidungsbereiche durch Entscheidungen im distributions- und vertriebspolitischen Bereich geprägt werden. So bedingt etwa die Wahl von Letztverkaufsstellen, die gemeinhin als exklusiv und hochpreisig eingestuft werden, zwangsläufig auch eine bestimmte Produktgestaltung sowie eine diesem Distributionssystem adäquate Preis- und Kommunikationspolitik; die Positionierung der absatzwirtschaftlichen Leistung oder des Unternehmens durch Kundennähe und Serviceorientierung bedingt Investitionen in entsprechend ausgebildete Außendienstmitarbeiter. Die Distributions-, Vertriebs- und die Produktpolitik stellen somit die primären Entscheidungsbereiche dar, durch deren Ausprägungen die anderen Komponenten des Marketing-Mix determiniert werden. Vielfach wird bei der nahezu stiefmütterlichen Behandlung dieses Aspekts der Leistungsvermittlung übersehen, dass die Kosten der Distribution und des Vertrieb, d.h. die Kosten, die entstehen bis der Kunde über die Ware tatsächlich verfügt, in den meisten Fällen die Kosten der Leistungserstellung übersteigen. Ein Indiz dafür ist beispielsweise die sog. Handelsspanne, d.h. die Höhe des Nachlasses vom empfohlenen Endverbraucherverkaufspreis für den Handel, der bei Gütern des täglichen Bedarfs des Öfteren die 50%- Marke übersteigt (siehe dazu auch Kapitel 4.1). Aus dieser sicherlich nicht abschließenden Auflistung von Aspekten, welche die Bedeutung der Distribution und des Vertriebs im Unternehmen unterstreichen sollen, lässt sich unschwer erkennen, dass diesem Bestandteil des Marketing-Mix einige Beachtung zu schenken ist. Die Distributionsaufgaben, die die nachfolgend beschriebenen Distributions- und Vertriebsorgane zu erfüllen haben, sind dabei recht vielfältiger Natur. Die Gewinnung und organisatorische Abwicklung von Aufträgen. Nicht zu vernachlässigen ist, dass die Mitglieder in der Distributions- und Vertriebskette - vor allem, wenn es sich um die un- <?page no="111"?> 112 2 Marketing ternehmensinternen Außendienstmitarbeiter handelt - oftmals den einzigen direkten Kontakt zum Kunden haben. Sie übernehmen damit im Wege der persönlichen Kommunikation eine wichtige Funktion bezüglich der Information und Einstellungsbildung beim Kunden. Die Distribution und der Vertrieb stellen damit wichtige Instrumente der Kundenbetreuung, Kundenbindung und des Beschwerdemanagement dar. Schließlich stellen Distribution und Vertrieb durch den direkten Kontakt zum Kunden für die Marktforschung umfassende Quellen von Informationen dar. Damit können Daten über diese selbst bzw. über deren Kunden, deren Entwicklung (Gewinne, Umsätze) und der direkten Konkurrenz des Unternehmens erhoben werden (Marketing-Intelligence). Unzweifelhaft beeinflusst das Internet als Transaktions- und Informationskanal die Distributions- und Vertriebspolitik in vielerlei Hinsicht - sowohl im gewerblichen Bereich als auch im Privatkundenbereich: die Standortfrage wird zunehmend unwichtig, Ort- und Zeitpräsenz des Anbieters wird maximiert, Sortimentsfunktion und Transparenz des Angebots, zum Teil hohe Informationsfunktion (aber: Komplexität der Seiten etc.), Organisation von Verbunddienstleistungen. Oft scheitern die Internetambitionen von Herstellern jedoch nicht an technischen Aspekten, wie z.B. langsamen, nicht aktuellen oder generell nicht adäquaten Internetseiten, sondern an der Logistik. So haben in den letzten Jahren einige Onlinehändler (Froodies, Supermarkt.de, Otto) den Internethandel mit Lebensmittel eingestellt, da die Logistik bei den gegebenen Bestellmengen der Kunden nicht kostendeckend im gewünschten (kurzfristigen) Zeitraum erbracht werden konnte. Im Gegensatz zu spezialisierten Anbietern (Wein, Delikatessen) tun sich Lebensmittel-Vollsortimenter schwer, die logistische Herausforderung zu bewältigen. Als Vertriebs- und Distributionskanal kommt das Internet vor allem dann infrage, wenn <?page no="112"?> 2.6 Marketing auf Ebene der Produkt- und Leistungsebene 113 die Produkte standardisiert sind und einfach erklärt werden können (z.B. Bücher, Schrauben), digitale Produkte vorliegen, die in aller Regel hohe fixe und sehr geringe variable Kosten aufweisen (z.B. Software, Adressen in Online-Datenbanken), die Zustellung der gekauften Waren nicht kurzfristig erfolgen muss, ein Überblick über das Leistungsangebot durch Menüauswahl leichter erfolgen kann als im Handel und Konflikte mit bisherigen Absatzkanälen vermieden oder adäquat gehandhabt werden können. Eine weiterführende Erörterung des elektronischen Vertriebs als zusätzlichen Vertriebs- und Distributionskanal erfolgt in den Abschnitten 3.3.7 und 4.2.1. Waren die Bemühungen innerhalb der akquisitorischen Distribution und des Vertriebs erfolgreich, kommt das Komplement dazu, die physische Distribution, d.h. das „Ausliefern“ und tatsächliche Bereitstellen der Ware, ins Spiel. Früher verstand man darunter nicht viel mehr als Logistik, und man erblickte darin primär ein (verkehrs-)technisches und organisatorisches Problem, dessen Bewältigung noch dazu Kosten verursacht. Dass man durch rasche Belieferung und hohe Servicebereitschaft auch einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen vermag, wurde erst mit dem Übergang vom Verkäuferzum Käufermarkt erkannt. Eine Verkürzung der Lieferzeit, die Sicherstellung von (quantitativer und qualitativer) Liefertreue oder die Gewährleistung eines exzellenten Kundendienstes bedingen i.d.R. hohe Kosten. Dies ist darin begründet, dass man Personal und Fahrzeuge vorhalten, zusätzliche Zwischenläger errichten, die Vorratshaltung ausdehnen, schnellere Transportmittel einsetzen oder die Auftragsbearbeitung, z.B. im Wege von Überstunden, beschleunigen muss. Während die Kosten, die einem Unternehmen aus der Verbesserung der Distributions- und Vertriebsleistung für die Kunden erwachsen, relativ leicht erfasst werden können, lässt sich nur schwer quantifizieren, wie sich ein solcher Schritt auf die Erträge auswirkt. Dies ist das Dilemma. <?page no="113"?> 114 2 Marketing Im Rahmen der Gestaltung der physischen Auslieferung sind deshalb u.a. folgende Fragen von Bedeutung: Welche Lieferzeit und welcher Grad an Servicebereitschaft sind unter Abwägung von Kosten und Erträgen anzustreben? Daraus abgeleitete Überlegungen erstrecken sich beispielsweise darauf, wie lange Ersatzteile vorgehalten werden sollen oder wann die Vorratshaltung teurer kommt, als die Bestände, z.B. an Butter, zu verschenken. Wie viele Auslieferungspunkte, jeweils mit welcher Umschlagskapazität und Ausstattung, erweisen sich, um den angestrebten Lieferbereitschaftsgrad zu erreichen, als notwendig? Welche Orte sind dafür vorzusehen? Welches sind die in Abhängigkeit von Auftragsgröße, Beschaffenheit des zu befördernden Gutes, Entfernung usw. günstigsten Transportmittel? Soll man z.B., statt einen eigenen Fuhrpark zu unterhalten, mit Spediteuren zusammenarbeiten? Inwieweit sind Querverbindungen zur Produkt- und Packungsgestaltung zu beachten? Beispielsweise ist die Luftfracht teurer als die Beförderung per Schiff, doch müssen im letzteren Fall die zu transportierenden Güter seefest verpackt werden. Aufgrund der damit höheren Kosten könnte die Entscheidung anders ausfallen, ganz abgesehen von dem Zeitgewinn, den die Nutzung des Flugzeugs mit sich bringt. In den folgenden beiden Abschnitten werden die beiden strategischen Elemente des Marketing-Mix, die darauf abzielen, Leistungen eines Unternehmens auf den Märkten abzusetzen - Vertrieb und Distribution - in ausführlicher und differenziertere Weise betrachtet. Zunächst (Kapitel 3) steht der Vertrieb im Rahmen des B2B- Marketing im Fokus, d.h. Vertriebsstrategien und Vertriebsmanagement unter besonderer Beachtung von Industriegütermärkten, in denen häufig kurze, direkte und durch persönliche Beziehungen geprägte Marktkanäle vorliegen. Anschließend (Kapitel 4) wird erörtert, wie die Geschäftsbeziehungen zwischen Hersteller und Handel durch die Distributionspolitik gestaltet werden können, um den Ergebnisbeitrag der Distribution für beide Parteien optimal zu gestalten. <?page no="114"?> 33. Vertrieb im B2B-Marketing 3.1 Bedeutung des Vertriebs im Industriegütergeschäft 3.1.1 Vertrieb und Vertriebsmanagement als Wettbewerbsfaktoren Im Rahmen des Marketing-Mix sind der Vertrieb und ein professionelles Vertriebsmanagement dafür verantwortlich, dass nicht nur die Leistungserstellung, die Kommunikation und die Preisbildung, sondern auch die Leistungsvermittlung kundenorientiert erfolgen. Dies erfordert eine konsequente Ausrichtung des Vertriebs und aller dazu gehördenen Aktivitäten an den Bedürfnissen der Kunden. In den letzten Jahren hat eine kundenorientierte Leistungserbringung im Rahmen der Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase - sog. Pre-Sales-, Sales-, After-Sales-Phase - zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dementsprechend sind ein Leistungszuschnitt, der sich konsequent an den Kundenanforderungen orientiert, eine exzellente Servicequalität und Betreuung sowohl vor und während als auch nach dem Kauf von erheblicher Bedeutung für die Kundenbeziehungen, d.h. die Kundenzufriedenheit, die Kundenloyalität und die Kundenbindung. Der Vertrieb kann ein Instrument der Differenzierung in gesättigten und homogenen Märkten darstellen, in denen die angebotenen Leistungen zunehmend schwerer zu unterscheiden sind. Schließlich ist der Vertrieb jene betriebswirtschaftliche Funktion in der Wertschöpfungskette von Unternehmen, mit der Umsatzerlöse auch tatsächlich erzielt werden und nicht nur ermöglicht oder vorbereitet werden. Letzlich und auf lange Sicht hängt der Unternehmenserfolg nicht nur von der Qualität des Leistungs- <?page no="115"?> 116 3 Vertrieb im B2B-Marketing angebots, sondern durchaus auch von der Effektivität des Vertriebs ab, zumal in vielen Fällen die Kosten für den Vertrieb gleich hoch oder höher als die Kosten für die Produktion sein können. Der Vertrieb ermöglicht die Multiplikation von bereits vorhandenen Erfolgen, z.B. durch eine Ansprache neuer Zielgruppen oder eine Internationalisierung. Studien belegen, dass auch die Elastizität von Vertriebsinvestitionen vergleichsweise hoch ist, d.h. Investitionen in Verkaufsbesuche können sich unter Umständen mehr lohnen als Investitionen in Werbung (Albers, Mantrala und Sridhar, 2010). Gerade wenn Leistungen nicht von privaten Endkunden, sondern von privatwirtschaftlichen oder öffentlichen Organisationen nachgefragt werden - d.h. im Industrie- und Investitionsgütermarketing - zählen die Leistung(en) des Vertriebs und die Qualität der Kundenbetreuung zu den entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Industriegüter sind Produkte und Leistungen, die von Organisationen (nicht Endkonsumenten) beschafft werden, um mit ihrem Ge- oder Verbrauch wiederum weitere Leistungen zu erstellen (Pepels 2006, 200). Kennzeichen von Industriegütern ist demzufolge eine derivative Nachfrage. Daher erwarten die beschaffenden Organisationen auch einen kundenspezifischen (Produkt-) Leistungszuschnitt und eine möglichst hohe Professionalität in den Austauschprozessen. Im Gegensatz zum Konsumgütermarketing sind diese Austauschprozesse durch einen direkten Kundenkontakt, häufig langfristige Beziehungen, komplexe Leistungensbündel und ebenso komplexe Entscheidungsprozesse geprägt, sodass der Vertrieb vor besonderen Herausforderungen steht. Das Industriegütermarketing ist dadurch gekennzeichnet, dass häufig individuelle, kundenspezifische Lösungen gefragt sind. Dies gilt auch und gerade für den Vertrieb und kann durchaus höhere Preise zur Folge haben. Gleichwohl ist offensichtlich, dass ein direkter Vertrieb zunehmend auch im Konsumgütermarketing an Bedeutung gewinnt und viele Hersteller hybride Formen des Vertriebs (d.h. sowohl den Direktvertrieb als auch den Vertrieb über Handelswege) nutzen, um <?page no="116"?> 3.1 Bedeutung des Vertriebs im Industriegütergeschäft 117 Wettbewerbsvorteile durch eine umfassende Marktabschöpfung und eine möglichst breite Kundenansprache zu erzielen (Belz und Bussmann 2002, 19). Unabhängig von der Art der Abnehmer ist der Vertrieb dann besonders wichtig, wenn ein nicht-anonymer Kundenkreis bzw. ein entsprechendes Kundenpotenzial vorliegt, dies kann sowohl im Industriegütermarketing als auch im Konsumgütermarketing der Fall sein. Die Besonderheiten des Vertriebs und des persönlichen Verkaufs sowie eines professionellen Vertriebsmanagements lassen sich jedoch am besten im Rahmen des Industriegütermarketing erläutern. Hier herrschen häufig Bedingungen vor, aus denen sich eine hohe Relevanz der persönlichen Betreuung durch den Anbieter bzw. Hersteller und eine geringfügigere Bedeutung der medialen und/ oder unpersönlichen Faktoren und der indirekten Faktoren (Handel) im Vergleich mit dem Konsumgutermarketing ergeben. Die Marktkanäle sind in der Regel kurz und durch einen direkten Vertrieb oder dadurch gekennzeichnet, dass spezialisierte Intermediäre eingeschaltet werden, die dann die Funktion des Vertriebs übernehmen. Unternehmen Branche Anteil der Mitarbeiter im Vertrieb [%] Anteil der Vertriebskosten am Umsatz [%] Jungheinrich AG Maschinenbau 47,3 16,0 Siemens AG Elektronik 34,0 14,6 Gildemeister AG (mittlerweile DMG MORI SEIKI AG) Werkzeugmaschinen 31,2 10,0 Nestlé AG Nahrungsmittel 18,8 5,0 Tab. 1: Bedeutung des Vertriebs in verschiedenen Unternehmen (Fischer 2000) <?page no="117"?> 118 3 Vertrieb im B2B-Marketing Eine Studie von Fischer (2000) zeigt die Bedeutung des Vertriebs in Unternehmen die auf B2B-Märkten aktiv sind im Vergleich zu einem weltweit führenden Konsumgüterhersteller (siehe obige Tabelle). Demzufolge zählt der Vertrieb mit einem Aufwandsanteil von 10% bis 20% vom Umsatz vor allem auf B2B-Märkten zu den kostenintensiven und damit wettbewerbsrelevanten Unternehmensfunktionen. 33.1.2 Begrifflichkeit und Inhalt des Industriegütermarketing Industriebzw. Investitionsgüter sind Leistungen, die von Organisationen beschafft werden, um weitere Leistungen zu erstellen (Backhaus und Voeth 2009, 4). Industriegütermarketing wiederum bezeichnet die professionelle Vermarktung von Industriegütern (Hofbauer und Hellwig 2012, 61). Richter (2001, 35) definiert Industriegütermarketing als eine „auf Nachfrageorganisationen gerichtete, problemlösungs- und wettbewerbsorientierte Absatzpolitik [...] mit dem Ziel der Befriedigung investiver und produktiver Bedürfnisse der Nachfrager sowie der Realisierung eigener Wettbewerbsvorteile. Es umfasst alle strategischen und operativen Entscheidungsprozesse und Aktivitäten der Akquisition, Entwicklung und Bereitstellung von Investitionsleistungen.“ Dabei benutzt Richter (2001) eigentlich den Begriff Investitionsgüter, weshalb an dieser Stelle angemerkt sei, dass die Begriffe Industrie- und Investitionsgüter sowie die im internationalen Sprachgebrauch übliche Bezeichnung B2B-Güter im Folgenden synonym verwendet werden. Es ist naheliegend, dass Industriegüter an sich durchaus unterschiedlich sein können, sie reichen von hochpreisigen Anlageinvestitionen (z.B. Windkraft- oder Solaranlagen) bis hin zu Produktionsmaterialien (z.B. Stoffe oder Chemikalien). Oft handelt es sich um erklärungs- und servicebedürftige (Installation, Inbetriebnahme, Wartung) Produkte bzw. um eine Kombination aus Produkten und Dienstleistungen (bzw. physische und nicht-physische Produkte). Abbildung 16 zeigt, wie Industriegüter mit Hilfe von kontakt-, leistungs- und kundenbezogenen Merkmalen beschrieben werden können (Bruhn 2001, 254). <?page no="118"?> 3.1 Bedeutung des Vertriebs im Industriegütergeschäft 119 Abb. 16: Merkmale von Industriegütern Typische Industriegüter, d.h. Produkte und Leistungen, die für den betrieblichen Leistungserstellungsprozess beschafft werden, sind: Rohstoffe (z.B. Erze, Holz, Erdgas, Kunststoffgranulate) Verbrauchsstoffe (z.B. Öle, Farben, Lacke, Büromaterial) Teile (z.B. Dichtungen, Schrauben, Schalter) Module und Systeme (z.B. Elektronikmodule, Regelungs- und Steuerungssysteme) Maschinen (z.B. Fräs-, Dreh- und Schleifmaschinen) Systemanlagen (z.B. Automatisierungssysteme) Anlagen (z.B. Verpackungsanlagen) Anlagenprojekte (z.B. Blechwalzwerke, Ölraffinerien) So unterschiedlich wie Industriegüter an sich sein können, so unterschiedlich müssen auch die dazu gehörigen Geschäfts-, Marketing- und Vertriebsprozesse ausgestaltet sein. Zur Charakterisierung der unterschiedlichen Geschäftstypen hat Backhaus (1993, 100ff.) direkter Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager hoher Integrations- und Interaktionsgrad Kaufentscheidungen meist durch Personengruppen, selten durch Einzelpersonen Informationsasymmetrien sowohl auf Nachfragerals auch auf Anbieterseite kontaktbezogene Merkmale leistungsbezogene Merkmale kundenbezogene Merkmale hohe Bedeutung des Leistungserstellungspotenzials Leistungen häufig heterogen und komplex Leistungen häufig lager- und transportfähig hohe Relevanz von Dienstleistungen Involvement und Risiko des Kunden relativ hoch Kaufentscheidungen meist rational Wechselbarrieren meist relativ hoch <?page no="119"?> 120 3 Vertrieb im B2B-Marketing einen grundlegenden Ansatz entwickelt (siehe auch Meffert 1998, 1126). Dieser stellt heraus, dass die beiden Dimensionen „Kaufverbund“ und „Transaktionsform“ den Industriegütermarkt beschreiben und sich daraus unterschiedliche Anforderungen an Marketing- und Vertriebskonzepte ergeben, wie in der folgenden Abbildung gezeigt wird. Abb. 17: Geschäftstypen im Industriegütermarketing Die vier Geschäftstypen weisen unterschiedliche erfolgskritische Vertriebsaktivitäten auf. So sind im Anlagengeschäft typischerweise ein individualisierter Vertrieb nach Leistung und Kundenanforderung sowie eine leistungsfähige Serviceorganisation von be- Einzelkunden; lokale Nähe auf Märkten im globalen Wettbewerb; hohe Markttransparenz; Lock-in-Effekte auf beiden Seiten; After-Sales-Bedeutung Zuliefergeschäft häufig zeitlicher Kaufverbund; bekannte Kundenanforderungen; Standardspezifikationen; Verbundentwicklung für zukünftige Geschäfte Systemgeschäft häufig Projekte (z.T. Großprojekte); spezifische Kundenanforderungen; hohe Bedeutung der Vertragsgestaltung Anlagengeschäft vorgefertigte Produkte und Leistungen; Standardisierung; Ähnlichkeiten zu Konsumgütermarketing Produktgeschäft Transaktionsform Kaufverbund Verbundgeschäfte Einzelgeschäfte ohne Verbund Einzelkundenbezogen, individuelle Transaktion anonymer Markt, Routine- Transaktion <?page no="120"?> 3.1 Bedeutung des Vertriebs im Industriegütergeschäft 121 sonderer Bedeutung. Im Produktgeschäft dagegen sind i.d.R. ein schlanker und standardisierter Vertrieb, ein kunden- und produktorientierter Verkauf sowie effiziente Kommunikations- und Serviceprozesse erfolgsrelevant. Zuliefergeschäfte hingegen zeichnen sich durch individuelle und kooperative Vertriebsprozesse, ein ausgeprägtes Eingehen auf Kundenanforderungen sowie Zeit- und Risikomanagement aus. Schließlich stehen bei Systemgeschäften Vertrauensaufbau, technische Verkaufskompetenz sowie Garantieleistungen im Vordergrund (Hofbauer und Hellwig 2012, 66). Vertrieb im Industriegütermarketing zeichnet sich durch einen nicht-anonymen Markt, eine hohe Intensität an Verhandlungen, multipersonale und multiorganisationale Entscheidungsprozesse, tendenziell eher langfristige Beziehungen sowie durch komplexe Leistungen, Kaufverbünde (System- und Zuliefergeschäfte) und heterogene Verkaufsprozesse aus. Abbildung 18 fasst die unterschiedlichen Herausforderungen für den Vertrieb im Industriebzw. Konsumgüterbereich zusammen (Winkelmann 2008, 39ff.). 33.1.3 Aufgaben von Vertrieb und Vertriebsmanagement Vertrieb und Vertriebsmanagement sind Bindeglieder zwischen dem Hersteller (Produzenten) einer Leistung und dem Kunden bzw. dem Absatzmarkt. Demensprechend auch Bindeglieder zwischen den Wünschen, Bedürfnissen und Problemlösungsanforderungen des Marktes und dem konkreten Leistungsangebot. Vertrieb und Vertriebsmanagement repräsentieren das Unternehmen gegenüber den Kunden und sind also durchaus strategischer Natur. Manfed Stern, Präsident und COO von Yaskawa Electric Europe, formulierte Aufgaben und Anspruch des Vertriebs am Markt folgendermaßen: „Den allgemeinen Markt decken wir bisher in enger Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern ab. Daneben haben wir uns auf eine kleine Anzahl großer OEMs mit dem Direktvertrieb, mit Key Account Managern, konzentriert. Neben dieser <?page no="121"?> 122 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abb. 18: Herausforderungen für den Vertrieb im Industrie- und Konsumgüterbereich generellen Marktabdeckung mit den Vertriebspartnern haben wir unseren Direktvertrieb deutlich gestärkt. Der Fokus im Direktvertrieb liegt in der weiteren Stärkung und im Ausbau des OEM- Geschäfts und darin, vor allem in Märkten mit geringen Marktanteilen die Präsenz zu erhöhen.“ Der Begriff „Vertrieb“ bezeichnet das Verkaufen von Produkten und Dienstleistungen, wobei dies durch eigene Mitarbeiter, durch Dritte oder durch unpersönliche Kanäle wie z.B. Internet, Telefon oder Direct Mailing erfolgen kann (Albers und Krafft 2013, 2) Vertrieb und Verkauf sind also keine deckungsgleichen Begriffe, da der - persönliche - Verkauf an sich alle vertrieblichen Aktivitäten durch eigene Mitarbeiter beinhaltet, während Vertrieb allgemein Direktvertrieb Macht im Vertriebskanal unwichtig Push-Strategien von Bedeutung Vielzahl an fragmentierten Märkten Kundennähe wichtig für Kundenbindung Preisverhandlungen bei jedem Auftrag Qualität der Leistung wichtiger als Marke/ Image Rationalität im Kaufprozess Entwicklung kann gemeinsam mit Kunden erfolgen Industriegütervertrieb Distribution über Handel Macht im Vertriebskanal wichtig Push- und Pull-Strategien Massenmärkte Kundenbindung wichtiger als Kundennähe Preisverhandlungen für größere Zeiträume/ Mengen Marke/ Image für Endverbraucher oft wichtiger als Qualität Emotionalität im Kaufprozess Spezifika des Handels (Listungsgebühren, Handelsmarken) Konsumgütervertrieb typische Herausforderungen für den Vertrieb <?page no="122"?> 3.1 Bedeutung des Vertriebs im Industriegütergeschäft 123 auch oben genannte Kanäle umfasst. Vertrieb und persönlicher Verkauf nutzen den direkten unmittelbaren Kundenkontakt, um einen kundenspezifischen Nutzen zu erzeugen und eine möglichst langfristige Kundenbindung aufzubauen (Kittinger 2010, 21ff.). Dieser direkte und unmittelbare Kundenkontakt ist in Abhängigkeit von der Spezifik der Kunden und Produkte bzw. Leistungen grundsätzlich in allen Phasen des Kaufprozesses möglich und sinnvoll: vor, während und nach dem Kauf. Daraus lassen sich unmittelbar die Aufgaben des Vertriebs ableiten (Hofbauer und Hellwig 2012, 91): Logistik und Abwicklung: Zu den Aufgaben des Vertriebs zählen selbstverständlich die grundlegenden Aufgaben der Abwicklung von Kundenaufträgen und der Verteilung bzw. Verfügbarmachung der Produkte und Leistungen eines Unternehmens inklusive der Lieferung von Ersatzteilen und Betriebsstoffen etc. Diese Raum- und Zeitüberbrückungsfunktion zwischen Produktion und Gebrauch/ Verbrauch ist elementar, denn wenn Kunden die Angebote nicht erlangen können, dann entsteht auch kein Umsatz für das Unternehmen. Demzufolge sollte die Verfügbarkeit der Leistungen möglichst flächendeckend und nahe am Endkunden gewährleistet sein, wobei die konkrete Ausgestaltung sich in der Wahl der Absatzkanäle niederschlägt. Kundenmanagement: Als Bindeglied zwischen Unternehmen und Kunden ist es die Aufgabe des Vertriebs, Beziehungen zu Kunden aufzubauen, zu pflegen, zu erhalten. Dies beinhaltet die Betreuung von Kunden bei Problemen, Fragen, Beschwerden und jeglichen Rückmeldungen zum Produkt oder zur Dienstleistung. Der direkte Kontakt kann z.B. mit dem Außendienstmitarbeiter des Unternehmens erfolgen. Insofern stellt der Vertrieb auch ein Instrument der Kundenbetreuung und des Beschwerdemanagements dar, dessen Ziel darin besteht, eine latente Unzufriedenheit in offene Beschwerden umzuwandeln, die im Unternehmen adäquat bearbeitet werden können. Letztlich kann damit die Loyalität der Kunden gesteigert werden. Dialog und Information: Kundendialog als Vertriebsaufgabe ist als zweiseitige Angelegenheit zu betrachten. Insbesondere angesichts dynamischer Märkte und des ubiquitären Zugangs zu Informationen und Informationstechnologien geht es sowohl <?page no="123"?> 124 3 Vertrieb im B2B-Marketing um die Beschaffung von Informationen über die Kunden als auch um die Versorgung der Kunden mit relevanten Informationen. Es ist von erheblicher Relevanz, die Wünsche, Anforderungen und Vorstellungen der Kunden möglichst gut zu kennen. Durch einen direkten Kundenkontakt und direkte Marktpräsenz können möglichst viele Informationen über den Kunden selbst, den Markt, den Wettbewerb oder über generelle Trends erfasst werden. Gleichzeitig ist es Aufgabe des Vertriebs, die Auswahl und Übermittlung von Informationen über die eigenen Leistungen an den Kunden zu sichern und damit letztlich Information und Einstellungsbildung des Kunden zu gewährleisten. Zuschnitt und Bündelung der Leistung: Kenntnisse der Kundenbedürfnisse ermöglichen es, individuell auf den Kunden abgestimmte Angebote und Leistungsbündel zu schaffen, die optimal zur Befriedigung der Anforderungen beitragen (Sortimentsbildung). Dadurch können Eintrittsbarrieren für den Kunden reduziert werden, Austrittsbarrieren erhöht werden und neue Kundenaufträge gewonnen werden. Der Kunde kann an der Ausgestaltung von Leistungszuschnitt und -bündelung unmittelbar beteiligt werden. Wichtig ist ein solcher Leistungszuschnitt speziell im B2B-Geschäft. Er steht insbesondere im Anlagengeschäft im Zentrum der Vertriebsaktivitäten. Die entsprechenden Funktionen des Vertriebs - oft als Quantitäts- und Qualitätsfunktion bezeichnet - können in vielen Fällen den Wettbewerbsvorteil eines Produkts oder einer Dienstleistung begründen und damit nicht nur zur Kundenzufriedenheit, sondern auch zur Erschließung neuer Kundensegmente beitragen. Organisation und Partnerschaften: Aufgaben des Vertriebs beinhalten Fragen der organisatorischen Umsetzung aller Aktivitäten, die notwendig sind, um den Kunden ein optimales Paket anzubieten und ihre Anforderungen zu erfüllen und letztlich ein optimales und kundenorientiertes Wertschöpfungssystem aufzubauen. Dabei geht es darum, die Ressourcen verfügbar zu machen, zu planen und einzusetzen, insbesondere z.B. um die Steuerung der Außendienstorganisation, die Pflege von Beziehungen zu Kunden und zu den Intermediären, und schließlich um die Zusammenarbeit mit Partnern, um die Ressourcen von Vertriebs- und Wertschöpfungspartnern effektiv und effizient einzubinden. <?page no="124"?> 3.2 Vertriebsstrategie 125 Ein professionelles Vertriebsmanagement ist Bestandteil und zugleich konkrete Ausgestaltung eines umfassenden Kundenmanagements (Customer Relationsship Management) als Ausdruck einer kundenorientierten Unternehmensphilosophie (Hippner und Wilde 2002, 3ff.). Aufgaben sind der Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen, die Steigerung der Kundenzufriedenheit, die Erhöhung der Kundenbindung und die Rückgewinnung verloren gegangener Kunden. Natürlich sind derartige Aktivitäten sowohl im B2Bals auch im B2C-Marketing von Bedeutung, Letzteres ist häufig dadurch gekennzeichnet, dass es vor allem um effektives und effizientes Datenmanagement geht, mit dessen Hilfe die Anonymität reduziert und eine persönliche, individuelle, nutzerorientierte Distribution aufgebaut werden soll. Fazit: Der Vertrieb ermöglicht Unternehmen den Absatz von Produkten und Leistungen, er ist somit die Basis der Umsatzgenerierung. Der Vertrieb ist in finanzieller und strategischer Hinsicht von erheblicher Bedeutung und erfüllt vielfältigste Aufgaben. Der Vertrieb ist in Abhängigkeit von den Gegebenheiten differenziert zu gestalten (z.B. regional, national, international). Der Vertrieb im Industriegüterbereich ist in der Regel gekennzeichnet durch kurze Marktkanäle, direkte Kundenbeziehungen und einer Kombination aus physischen und nicht-physischen Produkten. 33.2 Vertriebsstrategie 3.2.1 Anforderungen an die Vertriebsstrategie und deren Ausgestaltung Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Vertriebsarbeit ist eine Vertriebsstrategie, die Vorgaben zu den Vertriebszielen, den Absatzkanälen und Vertriebspartnern gibt und entsprechende Ressourcenverteilungen vornimmt. Dabei gilt, dass die Vertriebsstrategie in Einklang mit der Kunden-, Markt- und Wett- <?page no="125"?> 126 3 Vertrieb im B2B-Marketing bewerbsstrategie eines Unternehmens sowie der übergeordneten Unternehmens- und Marketingstrategie stehen sollte bzw. sich daraus ableiten lässt. Nur wenn die Strategie eines Unternehmens klar definiert ist, kann der Vertrieb optimal ausgerichtet werden, da nur so z.B. eine Segementierung von Kundengruppen, eine Festlegung optimaler Vertriebskanäle und eine Entwicklung attraktiver Leistungspakete erfolgen können. Bei der Formulierung einer Vertriebsstrategie lassen sich verschiedene Anforderungen feststellen (Homburg, Schäfer und Schneider 2002, 27): Markt- und Kundenorientierung, um Gegebenheiten am Markt und Anforderungen der Kunden zu berücksichtigen. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, um auf die Veränderungen des Marktes reagieren zu können. Konsequente Umsetzung im Unternehmen, um die operativen Tätigkeiten miteinander in Einklang zu bringen und den Einsatz der Instrumente strategisch auszurichten. Vertriebsziele müssen einerseits aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden, andererseits gleichfalls ein Zielsystem aus strategischen und opertiven Vertriebszielen bilden. Bei den strategischen Vertriebszielen handelt es sich um sog. Erfolsgziele, wie etwa Absatzsteigerung oder Kostenreduktion, um Marktziele, wie z.B. die Leistungsstärke der Absatzkanäle, die Erreichbarkeit oder Qualität des Kundenservice, und um Kontrollziele, wie z.B. Kooperation mit Vertriebspartnern, Kontrolle der Absatzkanäle oder Verfügbarkeit von Marktinformationen. Wesentlich ist zum einen, dass aus den strategischen Zielen operative Vertriebsziele abgeleitet werden, anhand derer eine Ausrichtung der unternehmerischen Aktivitäten erfolgen kann. Operative Zielgrößen im Vertrieb sind z.B. Marktanteile, Umsatzzahlen, Vertriebskosten, Deckungsbeiträge, Neukundenquoten und Kundenbindungsquoten. Zum anderen gilt es, die Ziele an den Marktsegmenten oder Vertriebsgebieten auszurichten, bzw. in Abhängigkeit vom Kundenfokus sogar für einzelne Großkunden <?page no="126"?> 3.2 Vertriebsstrategie 127 gesondert festzulegen. Letztlich erfolgt auf Basis der Vertriebsziele und der daraus abgeleiteten Vertriebsstategien die Ressourenzuteilung im Hinblick auf Personal- und Sachressourcen (z.B. Ausstattung, Aufwendungen für Niederlassungen). Vertriebsstrategien sind eng verknüpft mit Kunden-, Markt- und Wettbewerbsstrategien eines Unternehmens. Unterschiedliche Marktbearbeitungstrategien stellen ganz offensichtlich differenzierte Anforderungen an das Vertriebssystem. Wenn ein Unternehmen eine ausgeprägte Pionierstrategie verfolgt, werden entsprechend hohe Anforderungen an das Vertriebssystem gestellt, da parallel zu einem frühen Markteintrittszeitpunkt passende Vertriebsstrukturen aufgebaut werden müssen. Darüber hinaus scheint offensichtlich, dass wenn ein Unternehmen im Rahmen der eigenen Marktarealstrategie eine internationale Marktausdehnung verfolgt, auch entsprechende Vertriebskanäle aufgebaut oder durch Kooperationen etabliert werden müssen. Gerade im Industriegütermarketing werden häufig von Beginn an internationale Märkte bearbeitet und Produkte und Dienstleistungen oft sehr schnell auf internationalen Märkten angeboten. Über den Erfolg entscheidet also nicht nur die Akzeptanz auf einem „bekannten“ (Heimat-)Markt, sondern die Akzeptanz auf anderen „fremden“ Märkten. Daher ist der Vertrieb im Industrieguterbereich oftmals gleichzusetzen mit einem internationalen Vertrieb. Internationale Märkte können jedoch kulturell sehr verschieden sein, daher kann kein „Gießkannenprinzip“ verwendet werden, sondern es ist eine individuelle Analyse der Marktgegebenheiten erforderlich, um die angebrachte Vertriebsstrategie für den jeweiligen Markt festlegen zu können. Auf die Internationalisierung im Rahmen des Vertriebs wird in Kapitel 3.6 eingegangen. Besonders eng verknüpft mit der Vertriebsstrategie ist die Kundenstrategie, d.h. sämtliche Fragestellungen im Hinblick auf die Identifikation, Definition, Segmentierung und Bindung der Kunden. Gerade auf Investitionsgütermärkten sind diese Fragen durchaus nicht trivial, da sowohl die direkten Kunden als auch die Kunden der Kunden in Betracht gezogen werden können. Im <?page no="127"?> 128 3 Vertrieb im B2B-Marketing Zentrum steht die Frage, wie der Vertrieb die Kundenbedürfnisse befriedigen kann und den Kundennutzen sowie die Kundenbindung erhöhen kann. Dabei können die Personal-, Zeit- und Ressourcenintensität, mit der Maßnahmen zur Kundenbindung betrieben werden, durchaus über verschiedene Kundensegmente variieren - immer in Abhängigkeit von der strategischen Bedeutung der Segmente (Hofbauer und Hellwig 2012, 80ff.). Schließlich werden im Rahmen der Vertriebsstrategie der Marktzugang und die Marktabdeckung eines Unternehmens durch die Wahl der Absatzkanäle und der Vertriebspartner bestimmt. Letztlich geht es darum, sowohl die Verfügbarkeit der Produkte für die Kunden zu gewährleisten als auch die Wahrnehmung des Unternehmens durch die Kunden optimal zu gestalten. Dies wird durch die Ausgestaltung der Absatzkanäle und die Wahl von Vertriebspartnern beeinflusst (Homburg, Schäfer und Schneider 2002, 44). 33.2.2 Vertrieb und Lebenszyklusphasen von Kundenbeziehungen Der Vertrieb ist derjenige unternehmerische Funktionsbereich, dessen primäre Aufgaben darin bestehen, Kunden zu erschließen, Leistungen an Kunden zu vermitteln, die Beziehungen zu Kunden zu managen und Kundenpotenziale auszuschöpfen. Da sich Kundenbedürfnisse im Zeitablauf verändern, ist es im Rahmen der Vertriebsstrategie erforderlich, diese Entwicklungen zu monitoren, um entsprechende Managementaufgaben zu definieren und wahrzunehmen. Stauss (2000, 454) hat in Anlehnung an den Produktlebenzyklus ein Kundenlebenszykluskonzept entworfen, das die Veränderungen der Kundenbeziehungen im Zeitablauf verdeutlicht. Dabei wird ersichtlich, dass sich nicht nur die Beziehungsintensität und die Managementherausforderungen, sondern auch der Kundenwert verändert. Die drei Kernphasen sind die Kundenakquisition, die Kundenbindung und die Kundenrückgewinnung (Bruhn 1999, 190ff.). Folgende Abbildung verdeutlicht die Phasen im Kundenlebenszyklus (Stauss 2000, 452-454). <?page no="128"?> 3.2 Vertriebsstrategie 129 Abb. 19: Phasen im Kundenlebenszyklus und Aufgaben des Vertriebsmanagements (Stauss 2000, 452-454) In der Phase der Kundenakquisition steht die Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen durch ein geeignetes Interessentenmanagement im Vordergrund. Im Rahmen des Kundenbindungsmanagements geht es darum, Kunden zu entwickeln und auf auftretende Gefährdungen der Kundenbeziehungen (in der sog. Gefährdungs- Wachstum und Reife Sozialisation Anbahnung Gefährdung Kündigung Revitalisierung Kundentyp Kundenwert Ziel und Managementaufgabe hoch aber rückläufig gering, ggf. steigend Kundenakquisitionsmanagement Kundenrückgewinnungsmanagement Kundenbindungsmanagement Stabilisierung gefährdeter Geschäftsbeziehungen, Abwanderungsverhinderung, Beschwerde- und Kündigungsmanagement aktuelle Kunden nichtmehr Kunden nichtmehr Kunden aktuelle Kunden aktuelle Kunden nochnicht Kunden gering steigend am höchsten gering Stärkung u. Ausbau stabiler Geschäftsbeziehungen (Up- und Cross-Selling), Kundenbindung, Zufriedenheitsmanagement Anbahnung von Geschäftsbeziehungen, Interessentenmanagement Festigung von Geschäftsbeziehungen, Kundenbindung, Neukundenmanagement Rücknahme von Kündigungen, Kündigungsmanagement Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen, Revitalisierungsmanagement <?page no="129"?> 130 3 Vertrieb im B2B-Marketing phase) mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren und z.B. durch ein Beschwerdemanagement Kündigungen zu verhindern. In der Phase der Kundenrückgewinnung stehen die Abwicklung von Kündigungen und insbesondere - nach einem eventuellen Zeitraum der Abstinenz - die Revitalisierung von verloren gegangenen Kunden im Fokus. 33.3 Vertriebsorganisation Die Vertriebsorganisation beinhaltet alle unternehmensinternen und unternehmensexternen Kräfte und Einrichtungen, die mit der Anbahnung und Abwicklung von Aufträgen befasst sind. Dazu gehören u.a. die Geschäftsleitung, die Vertriebsabteilung, Verkaufsniederlassungen, Reisende, Handelsvertreter sowie Makler und Kommissionäre. Durch die Struktur der Vertriebsorganisation, d.h. deren Aufbau und Ausgestaltung, werden die Kapazitäten bereitgestellt und organisiert, die benötigt werden, um die Vertriebsaufgaben effektiv (wirkungsvoll) und effizient (wirtschaftlich) zu erfüllen. Dabei sind folgende Aspekte von Bedeutung: Einbindung des Vertriebs in die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens und Aufbau der Vertriebsorganisation (parallele/ integrierte Strukturen) Ausgestaltung der Vertriebsorganisation, insbesondere das Ausmaß der Zentralisierung oder Dezentralisierung, der Spezialisierung oder Strukturierung nach Regionen bzw. Territorien, nach Produkten, nach Kunden, nach Absatzkanälen sowie als Matrix, als Mischform oder als komplexe Strukturen Integration der Vertriebsfunktion und Definition der Vertriebskanäle (intern/ extern, direkt/ indirekt) 3.3.1 Stellung und Organisation des Vertriebs in Unternehmen Zunächst ist zu klären, welche Stellung der Vertrieb in der hierarchischen Organisation eines Unternehmens einnimmt. Dabei gilt grundsätzlich, dass je größer ein Unternehmen ist, desto stärker sind üblicherweise auch die funktionale Gliederung, die Strukturen <?page no="130"?> 3.3 Vertriebsorganisation 131 und Hierarchien ausgeprägt, um die Komplexität zu reduzieren, die Vorteile durch Arbeitsteilung zu realisieren und eine einheitliche Unternehmensstrategie umzusetzen. Der Vertrieb kann dabei zunächst als eine betriebliche Funktionseinheit bzw. eine Abteilung im Unternehmen gesehen werden. Während bei Start-ups und kleineren Unternehmen häufig keine eindeutige Zuordnung der Vertriebsaufgaben zu einzelnen (wenigen) Personen vorzunehmen ist, ist dies bei größeren Unternehmen zwingend notwendig, um die Verantwortung für den Vertrieb klar zu regeln. So hat z.B. der Vertriebsleiter dafür zu sorgen, dass Prozesse anlaufen, Abläufe definiert und weiterentwickelt werden, damit sich ein Vertriebserfolg einstellt. Nachteilig wirkt sich bei einer hohen funktionalen Gliederung der betrieblichen Funktionen im Allgemeinen und des Vertriebs im Besonderen aus, dass es zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Bereichen und zu Verteilungskämpfen kommen kann oder unbeliebte Produkte und Märkte in den Planungen bewusst oder unbewusst vernachlässigt werden. Grundsätzlich existieren verschiedene Möglichkeiten der Einbindung des Vertriebs in die Organisationsstruktur eines Unternehmens. Der Vertrieb kann dem Marketing gleichgestellt, untergeordnet oder sogar übergeordnet sein. Eine Gleichstellung von Marketing- und Vertriebsabteilung (parallele Struktur) kann zu den oben genannten Rivalitäten und Verteilungskämpfen führen und dem Konzept des integrierten Marketing entgegenstehen. Bereits Meffert (1998, 979) fordert das Primat des Marketing und schlägt eine Integration des Vertriebs in die Marketingabteilung vor (siehe Abbildung 20). Dabei wird der Vertrieb zwischen der Distributions- und Kommunikationspolitik angesiedelt und übernimmt Aufgaben beider Elemente des Marketing-Mix (Winkelmann 2000, 3). Zudem sind selbstverständlich eine Reihe unterstützender Tätigkeiten erforderlich, um die physische Distribution der Produkte zu gewährleisten, wie Spedition, Lagerhaltung und Versicherung des Transports. <?page no="131"?> 132 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abb. 20: Integrierte Marketing- und Vertriebsorganisation Die Notwendigkeit einer stärkeren Integration von Vertrieb und Marketing resultiert aus den vielfältigen wechselseitigen Beziehungen und den Schnittmengen beider Funktionen. Dabei fokussiert der Vertrieb auf den monatlichen bzw. regelmäßigen Absatz der Produkte und die direkte Konfrontation im Markt, also zum Beispiel die Bearbeitung von Kundengruppen oder die Bearbeitung von Reklamationen. Wie die Abbildung 21 zeigt, wahrt das Marketing in gewisser Weise eine physische Distanz zum Markt und zielt in erster Linie auf die Generierung strategischer Wettbewerbsvorteile, die Entwicklung strategischer Geschäftsfelder oder das Bilden und Führen von Marken ab. Unternehmensleitung Marketingplanung Vertrieb Produktplanung Marketingforschung u. -kontrolle Mahnwesen, Absatzfinanzierung Innendienst Außendienst hysische Distribution Kundendienst Einkauf Marketing Personal/ Administration Finanzen Produktion <?page no="132"?> 3.3 Vertriebsorganisation 133 Abb. 21: Schnittstellen von Marketing und Vertrieb Eine empirische Studie zur Schnittstellenproblematik von Marketing und Vertrieb macht deutlich, dass deren Integration ein entscheidender Einflussfaktor auf den Unternehmenserfolg sein kann (Rouzies et al. 2005). Die entsprechende Beziehung ist positiv und signifikant (0,28) (siehe Abbildung 22). Gleichzeitig wird deutlich, dass integrationsorientierte Strukturen, d.h. Integration von Abteilungen, Systeme, d.h. Systeme, die eine Integration von Abteilungen unterstützen, und Kulturen, d.h. gemeinsame Werte- und Normensysteme, jeweils einen signifikant positiven Einfluss auf die Marketing-Vertriebs-Integration ausüben (0,25, 0,22, 0,39), während ein direkter Einfluss auf den Unternehmenserfolg zwar festgestellt, aber nicht als signifikant bezeichnet werden kann. Demzufolge ist die Erfolgswirkung stark abhängig davon, wie die Strukturen, Systeme und Kulturen im Unternehmen umgesetzt werden. Besonders interessant ist die Betrachtung der Moderatorvariablen. Hier zeigt sich insbesondere, dass die Einflüsse von integrationsorientierter Struktur, Systemen und Kultur auf den Unternehmenserfolg signifikant durch die Wettbewerbsintensität bestimmt werden. ersönlicher Verkauf - Vertriebsmanagement - Merchandising - Montage - Kundendienst - Kundenbetreuung - Wettbewerbsinformationen - Kundenbetreuung - Zielmarketing - Verkaufsförderung - Entwicklung des Wertbeitrags - Verkaufsprognose Marketing Vertrieb Input Marketing für Vertrieb Input Vertrieb für Marketing - Wettbewerbsanalyse - Marktforschung - Segmentierung - Verpackung - Preis - Werbung - Kommunikation - Produktentwicklung <?page no="133"?> 134 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abb. 22: Bedeutung der Marketing-Vertriebs-Integration auf den Unternehmenserfolg - Ergebnisse einer empirischen Studie (Rouzies et al. 2005) 33.3.2 Spezialisierung des Vertriebs Bei der Ausgestaltung der Vertriebsorganisation stellen sich zwei grundsätzliche Fragen. Zunächst existiert die Frage nach einer Zentralisierung (Generalisierung) oder einer Dezentralisierung (Spezialisierung) von Vertriebsaufgaben, die sich nur im Zusammenhang mit der Unternehmens-, Marketing- und Vertriebsstrategie beantworten lässt. Ausschlaggebend ist, dass die Organisationsform gewährleistet, dass die Verantwortung für die Ergebnisse mit den Entscheidungskompetenzen korrespondiert, sodass Führungskräfte und Mitarbeiter im Vertrieb für jene Aspekte zur Verantwortung gezogen werden, die sie auch tatsächlich beeinflussen können. Die Organisation sollte gleichzeitig eine möglichst hohe Flexibilität in der Ausgestaltung sicherstellen, sowie Kontrolle und Motivation der Mitarbeiter ermöglichen. Im Hinblick auf die Spezialisierung versus Generalisierung des Vertriebs gelten folgende Zusammenhänge: Integrationsorientierte Strukturen Integrationsorientierte Systeme Integrationsorientierte Kultur Marketing- Vertriebs- Integration Unternehmenserfolg 0,28* 0,11 0,05 0,03 0,25* 0,22* 0,39* Moderatoren: Umfeldunsicherheit Kundenkonzentration Wettbewerbsintensität <?page no="134"?> 3.3 Vertriebsorganisation 135 Je höher die Spezialisierung im Vertrieb, desto effizienter kann die Funktionserfüllung erfolgen. Je höher die Spezialisierung im Vertrieb, desto wahrscheinlicher werden allerdings auch Kommunikations- und Koordinationsprobleme. Gleichzeitig gibt es die Frage, nach welchen Kriterien eine eventuelle Spezialisierung bzw. Strukturierung erfolgen sollte, also z.B. nach Produkten, Leistungen und Produktgruppen, nach Kunden und Kundengruppen, nach Regionen oder Absatzkanälen. Dabei lässt sich keine generelle Überlegenheit eines bestimmten Strukturierungsansatzes feststellen. Alle Formen haben ihre Vorteile und Nachteile, sodass die Unternehmen individuell entscheiden müssen, welche Form die für sie vorteilhafteste ist. Diese Abwägung erfolgt insbesondere in Abhängigkeit der eigenen Produkte und der Bedürfnisse der Kunden. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass angesichts der Bedeutung der Kundenorientierung und der sich ständig verändernden Kundenanforderungen eine kundenorientierte Struktur des Vertriebs zunehmend weiter an Bedeutung gewinnen wird. In der folgenden Tabelle werden Organisationsformen, mögliche Segmentierungskriterien sowie Vor- und Nachteile der jeweiligen Formen zusammenfassend dargestellt (Homburg, Schäfer und Schneider 2002, 103; Hofbauer und Hellwig 2012, 95). <?page no="135"?> 136 3 Vertrieb im B2B-Marketing Mögliche Spezialisierungskriterien Pro Contra Produktorientierte Vertriebsorganisation Produkt, Produktgruppe, Leistung, neue und etablierte Produkte, Produkte unterschiedlicher Technologie und Anwendung Die Koordination mit anderen produktbezogenen Einheiten ist einfach. Der Aufbau und die Nutzung von produktspezifischem Know-how sind möglich. Es besteht die Gefahr einer mangelnden Kundenorientierung, speziell gegenüber Kunden, die mehrere Produkte kaufen. Cross-Selling- Potenziale werden nicht genutzt. Regionenorientierte Vertriebsorganisation Land, Region, Territorium, Postleitzahlenbereich, Nielsen- Gebiete Regionale Besonderheiten können einfacher berücksichtigt werden. Es besteht eine größere „körperliche“ Nähe zum Kunden. Die Koordination/ Kooperation von Regionen kann problematisch sein („Regionalfürsten“). Absatzkanalorientierte Vertriebsorganisation Wege und Art der Kundenansprache, Phase im Verkaufsprozess Der Aufbau und die Nutzung von vertriebswegspezifischem Knowhow sind möglich. Produkt- und kundenspezifische Kenntnisse werden vernachlässigt. Der Kundenkontakt wird nicht ganzheitlich betrachtet. Kundenorientierte Vertriebsorganisation Kundengruppen, Kundensegmente, Neu- und Bestandskunden, Größe der Unternehmen, Branche der Unternehmen Enge und individuelle Kundenbeziehungen können aufgebaut und genutzt werden. Der Kunde wird ganzheitlich betrachtet. Cross-Selling wird unterstützt. Flexible und zeitnahe Reaktionen auf Kundenanforderungen, Nachfrageentwicklungen und Marktveränderungen sind möglich. Kosten-, ressourcen- und abstimmungsintensiver Vertrieb. Controlling- und Informationssysteme müssen angepasst werden. Kombiniert strukturierte Vertriebsorganisation hierarchische und nicht-hierarchische Kombination Kombination von Vorteilen und Berücksichtigung von spezifischen Anforderungen an die Vertriebsorganisation sind möglich. hohe Komplexität der Struktur Tab. 2: Übersicht über verschiedene Formen der Vertriebsorganisation <?page no="136"?> 3.3 Vertriebsorganisation 137 Unternehmen, die auf B2B-Märkten agieren, sind sehr häufig durch eine Fokussierung auf das Produktmanagement gekennzeichnet. Dadurch können einige der bereits genannten Nachteile einer übermäßig ausgeprägten funktionalen Gliederung abgeschwächt werden, wie z.B. eine Vernachlässigung unbeliebter Produkte und Märkte oder eine unzureichende Planung für einzelne Produkte. Insbesondere wenn Unternehmen viele unterschiedliche Produkte in ihrem Sortiment führen und/ oder auf komplexen und dynamischen Märkten agieren, hat sich eine Produktmanagement-Orientierung als zweckmäßig erwiesen. Wobei das Produktmanagement keinen Ersatz für das Funktionsmanagement darstellt, sondern in der Regel eine zusätzliche Ebene bildet. Die Aufgaben des Produktmanagements liegen dabei in der Entwicklung produktbezogener Strategien und Marketing- und Vertriebsplanungen, der Motivation von Verkäufern und Vertriebspartnern, der Sammlung produktbezogener Informationen zur Verbesserung des Leistungspakets und dessen Anpassung an Bedürfnisveränderungen. Auch hier lassen sich parallele und integrierende Produktmanagement-/ Vertriebsorganisationen unterscheiden. Eine parallele Produktmanagement-/ Vertriebsorganisation (Teil A der folgenden Abbildung) beinhaltet in erster Linie eine Koordinationsfunktion des Produktmanagements, die einhergeht mit einer hohen Produktkompetenz, aber oft auch mit einer fehlenden Autorität und fehlenden unmittelbaren Weisungsbefugnissen und z.T. geringen Funktionskenntnissen der Produktmanager. Der Vertrieb übernimmt produktübergreifend Funktionen, wie etwa den Innen- und Außendienst oder die physische Distribution der Produkte, und kann nach anderweitigen Aspekten strukturiert sein, wie z.B. nach Kundengruppen oder Regionen. Eine integrierte Produktmanagement-/ Vertriebsorganisation dagegen ordnet Vertriebsfunktionen unmittelbar einzelnen Produktgruppen zu (Teil B der folgenden Abbildung). Nachteilig kann sich bei beiden Strukturen auswirken, dass mögliche Interdependenzen zwischen einzelnen Produkten und Produktlinien (Cross-Selling) sowohl durch eine parallele als auch durch eine integrierte Produktmanagement-/ Vertriebsorganisation eher vernachlässigt werden. Die Lösung kann in einer Matrixorganisation liegen, wie sie in Teil C der Abbildung 23 dargestellt ist. Hier bringen Vertrieb und Produktmanagement ihr <?page no="137"?> 138 3 Vertrieb im B2B-Marketing jeweiliges Know-how mit ein und legen gemeinsam alle vertrieblichen Konzepte fest. Derartige Matrixstrukturen sind allerdings im Hinblick auf Motivation, Produktivität und Kompetenzüberschneidungen und daraus resultierenden Konfliktpotenzialen generell nicht unproblematisch und erfordern einen entsprechend hohen Koordinations- und Führungsaufwand. Abb. 23: Parallele (A) und integrierte (B) Produktmanagement-/ Vertriebsorganisation sowie Matrixorganisation (C) (C) Matrixorganisation (ggf. unterteilt nach Kundengruppen/ Regionen) Marketingplanung Vertrieb Produktgruppe 1 Produktgruppe 2 Produktgruppe 3 ausführende Einheiten Marketing Außendienst Kundendienst (A) Parallele Produktmanagement-/ Vertriebsorganisation Innendienst (ggf. unterteilt nach Kundengruppen/ Regionen) Produktmanagement Produktgruppe 1 Produktgruppe 2 Marketing Vertrieb physische Distribution ... (B) Integrierte Produktmanagement-/ Vertriebsorganisation Produkt-/ Kundengruppe/ Gebiet 2 Marketing Produkt-/ Kundengruppe/ Gebiet 1 Marketingplanung Vertrieb ... Vertrieb Marketingplanung <?page no="138"?> 3.3 Vertriebsorganisation 139 33.3.3 Integration der Vertriebs- und Absatzkanäle: Direkter versus indirekter Vertrieb Der Vertrieb von Produkten und Leistungen kann sehr unterschiedliche Ausprägungen haben. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob der Vertrieb direkt oder indirekt organisiert wird, d.h. ob sich ein Unternehmen unmittelbar (direkt) an seine Kunden wendet oder ob dies über spezialisierte Händler (indirekt) erfolgt. Zur Beantwortung dieser Fragestellung - der sog. vertikalen Integration des Vertriebs (Majumdar und Ramaswamy 1995, 353ff.) - können sowohl strategische Überlegungen als auch empirische Befunde herangezogen werden. Da es um die grundsätzliche Entscheidung zwischen einer hierarchischen Lösung (direkter Vertrieb) und einer marktlichen Lösung (Handel) geht, liefern auch transaktionskostentheoretische Überlegungen einen Erklärungsbeitrag. Grundsätzlich sollte ein indirekter Vertrieb umso vorteilhafter sein, je ausgeprägter die Markt- und Umweltunsicherheit, je größer die Spezifität der Ressourcen und je höher die Anzahl der Transaktionen ist. Eine hohe Anzahl an Transaktionen hat in diesem Fall zur Folge, dass eine individuelle Kundenbetreuung für den direkten Vertrieb zu kostspielig ist. Handelsstrukturen - Märkte im Sinne der Transaktionskostentheorie - können einerseits ihre Vorteile bei der Bündelung von Produkten, der effizienten Zustellung und der Stiftung eines individuellen Kundennutzens besser ausspielen. Andererseits können Unternehmen selbst bei der spezifischen Kundenbetreuung und der Ermittlung von Kundenwünschen durchaus Vorteile haben. Letztlich müssen bei einem Kostenvergleich die Kosten des indirekten Vertriebs - insbesondere die entgangenen Gewinne durch die Handelsspanne - den Kosten des direkten Vertriebs - insbesondere durch den Verkaufsaußendienst - gegenübergestellt werden. Empirische Studien bestätigen weitestgehend die obigen Erwägungen (Albers und Krafft 2013, 63) und machen die Vor- und Nachteile des direkten und indirekten Vertriebs deutlich, die in der nachfolgenden Tabelle zusammenfassend dargestellt werden. <?page no="139"?> 140 3 Vertrieb im B2B-Marketing Direkter Vertrieb über Verkaufsaußendienst Indirekter Vertrieb über Handelsstrukturen Vorteile Durchsetzung am Markt ist besser möglich; Berücksichtigung individueller Kundenwünsche ist besser möglich; direkter Kundenkontakt ermöglicht eine bessere Ermittlung von Kundenbedürfnissen Risiko des Vertriebs kann reduziert werden; geringerer Aufbau eigener Ressourcen notwendig Nachteile meist dauert der Markteintritt länger; speziell für Gründungsunternehmen wird zu viel Zeit benötigt direkte Beziehungen zum Kunden können verloren gehen; hohe Abhängigkeit von Handelsstrukturen; Umgang mit Konkurrenzprodukten kann nicht unmittelbar kontrolliert werden Tab. 3: Vorteile und Nachteile eines direkten und eines indirekten Vertriebs Auch im Industriegüterbereich kann der Vertrieb demzufolge nicht nur direkt, sondern auch über Handelsstrukturen und andere akquisitorisch tätige Absatzhelfer erfolgen, die Produkte an gewerbliche Abnehmer vermitteln. Dies kann sowohl auf eigenen als auch auf fremden Namen erfolgen. Beispiele sind Vermittlungs- und Abschlussvertreter, deren Aufgabe in der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften liegt, oder Handelsmakler, die für beide Seiten tätig sind, sowie Kommissionäre, die in eigenem Namen aber auf fremde Rechnung agieren. Makler agieren typischerweise im Auftrag und im Interesse von Kunden. Ausgehend vom artikulierten Kundenbedarf analysieren Makler die verschiedenen Angebote von unterschiedlichen Unternehmen daraufhin, welche(s) Angebot(e) für die Bedürfnisbefriedigung des Kunden am besten geeignet ist und vermitteln den Vertragsabschluss zwischen Anbieter und Kunde. Makler sind typischerweise in der Finanz- und Versicherungsbranche oder der Immobilienbranche aktiv. Aus Sicht des Vertriebsmanagements besteht die Herausforderung darin, Makler bestmöglich mit Informationen über das eigene Unternehmen und die relevanten Angebote <?page no="140"?> 3.3 Vertriebsorganisation 141 zu versorgen und damit die Transaktions- und Suchkosten der Makler möglichst gering zu halten. Insbesondere beim Vertrieb von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen kommt häufig der Strukturvertrieb als Sonderform des eigenen Vertriebs zum Einsatz. Dabei verdienen die Verkaufsmitarbeiter nicht nur an den Provisionen für Vertragsabschlüsse, sondern auch daran, dass sie weitere Mitarbeiter für den Vertrieb gewinnen und daran diese Mitarbeiter wiederum eigene Umsätze erzielen (Superprovision). Strukturvertriebe - auch als Multi-Level-Marketing bezeichnet - werden einerseits von vielen namhaften Unternehmen der Finanz- und Versicherungsdienstleistungsbranchen eingesetzt. Andererseits sind Strukturvertriebe sehr umstritten, da sie stark von der Anwerbung neuer Mitarbeiter leben und dadurch den illegalen Schneeballsystemen ähnlich sind. Schließlich kann direkter Vertrieb nicht nur über einen Verkaufsaußendienst erfolgen, sondern auch mit Hilfe eines Telefonverkaufs oder eines elektronischen Vertriebs. Auf Letzteres wird in Abschnitt 3.3.7 näher eingegangen. 33.3.4 Organisation des Außendienstes: interne versus externe Vertriebskanäle Ist die Frage der Integration der Vertriebskanäle geklärt, stellt sich unmittelbar die Frage, ob ein Unternehmen die Vertriebsaktivitäten im Außendienst mit eigenem unternehmensinternen Personal bewerkstelligt oder ob dies mit Hilfe von unternehmensfremdem externen Personal erfolgt. Dabei sind unternehmensinterne Außendienstmitarbeiter (z.B. Reisende, Telefonverkäufer) unmittelbar weisungsgebunden, vollständig bei einem Unternehmen beschäftigt und vertreiben nur Produkte des eigenen Unternehmens. Externe Mitarbeiter (z.B. Handelsvertreter) dagegen sind unabhängige Absatzmittler, die häufig mehrere Produkte von verschiedenen Herstellern vertreiben. Nach § 84 HGB sind Handelsvertreter selbständige Gewerbetreibende, die für andere Unternehmer Geschäfte vermitteln oder in deren Namen abschließen. Sie bestimmen ihre Tätigkeit selbst im Rahmen dauerhafter Dienstverträge, handeln auf eigene Kosten, aber nicht auf eigene Rechnung. <?page no="141"?> 142 3 Vertrieb im B2B-Marketing Die Frage nach der geeigneten Organisation des Außendienstes, also Außendienstmitarbeiter oder Handelsvertreter, gehört gerade im Industriegüterbereich zu den meistdiskutierten Fragen im Vertriebsmanagement. Zur Beantwortung dieser Frage kann zunächst ein Kostenvergleich angestellt werden, der abwägt, ob Außendienstmitarbeiter oder Handelsvertreter die vorteilhafte - weil kostenoptimale - Alternative darstellen. Als Alternativen zur Wahl stehen einerseits Außendienstmitarbeiter, deren Entgelt zu einem großen Teil aus einem Festgehalt besteht, zu dem ab einer gewissen Umsatzhöhe in aller Regel Provisionen hinzukommen. Demgegenüber stehen andererseits Handelsvertreter, die mittels Umsatzprovisionen und evtl. einer Aufwandsentschädigung entlohnt werden. Für dieses sog. Entlohnungsproblem hat bereits Gutenberg (1955, 114ff.) in den 1950er Jahren ein Modell entwickelt, das die Kosten für beide Absatzformen vergleicht und das im Grundsatz in der folgenden Abbildung dargestellt wird. Daraus wird unmittelbar ersichtlich, dass Abb. 24: Kosten beim Einsatz von Außendienstmitarbeitern und Vertretern Vertreter Außendienstmitarbeiter (Reisender) Umsatz Kosten F-R F-V U-k F-R = Fixkosten Reisender F-V = Fixkosten Vertreter U-k = Kritischer Umsatz <?page no="142"?> 3.3 Vertriebsorganisation 143 prinzipiell eine Absatzbzw. Umsatzmenge existiert, bei der die Kosten eines Systems aus Handelsvertretern genau mit den Kosten eines Systems aus Reisenden bzw. unternehmensinternen Außendienstmitarbeitern übereinstimmen. Dieser Punkt wird häufig kritischer Umsatz genannt (Albers und Krafft 2013, 64), da bei einer geringeren Umsatzmenge Handelsvertreter vorteilhaft sind und bei einer höheren Umsatzmenge dagegen Außendienstmitarbeiter. Abb. 25: Kosten beim Einsatz von Außendienstmitarbeitern und Vertretern mit Bonussystem Ein derartiges Kalkül geht von einigen Grundannahmen aus, so z.B. dass Vertreter und Reisende hinsichtlich ihrer Erlösträchtigkeit und ihrer Fähigkeit der Kundenorientierung als gleichwertig zu beurteilen sind und dass die Möglichkeiten der Marktbeeinflussung auch aus langfristiger Sicht unabhängig von der Wahl der Systeme bleiben. Die Darstellung zeigt auch, dass bei einem System aus Reisenden die Kosten des Vertriebskanals v.a. aus Fixkosten bestehen, während bei einem System aus Vertretern ein Teil der Kosten und des Risikos abgewälzt wird und dadurch v. a. variable Darstellung zu Gunsten der Lesbarkeit stark leicht abgeändert - bitte Sinnhaftigkeit überprüfen Vertreter Umsatz Kosten % des Zielbonus 200 100 0 U-k 90 100 110 Zielerreichungsgrad des Reisenden in % F-R = Fixkosten Reisender F-V = Fixkosten Vertreter U-k = ritischer Umsatz Außendienstmitarbeiter (Reisender) F-R F-V <?page no="143"?> 144 3 Vertrieb im B2B-Marketing Kosten existieren. Die Praxis zeigt allerdings, dass eine ausschließliche Orientierung der Provisionen am Umsatz nicht optimal ist, sondern dass Bonussysteme geeigneter erscheinen, die Zielerreichungsgrade oder andere Faktoren wie Neukundengewinnung und Kundenzufriedenheit ebenfalls einbeziehen. Abbildung 25 zeigt das Prinzip eines solchen Entlohnungssystems auf Basis des Zielerreichungsgrades. Die Entscheidung zwischen internem Außendienst (eigene Leistung des Unternehmens) und externen Handelsvertretern (Fremdbezug der Leistung) stellt durchaus eine strategische Entscheidung dar. Unternehmen werden häufig langfristig an die gewählte Vertriebsform gebunden, da der Aufbau langfristig stabiler Kundenbeziehungen der Fähigkeit und Bereitschaft eines Wechsels der Vertriebsform gegenübersteht. Neben den ausschließlichen Kostenaspekten (Gutenberg 1955; Albers 1999) spielen bei der Auswahl der Vertriebsform daher eine Reihe weiterer, strategischer Aspekte eine entscheidende Rolle (Meffert, Kimmeskamp und Becker 1983; Nieschlag, Dichtl und Hörschgen 2002, 944f.; Tietz 1993, 85). Hier geht es z.B. um Aspekte der Steuerung des Außendienstes. Handelsvertreter agieren gemäß §84 ff. HGB rechtlich selbstständig und sind generell nicht weisungsgebunden, sodass eine Steuerung fast ausschließlich über finanzielle Anreize erfolgen kann. Reisende dagegen sind weisungsgebunden, daher stehen dem Unternehmen zur Steuerung neben der finanziellen Entlohnung weitere Maßnahmen der Führung und Überwachung zur Verfügung (Helm 2009, 393). Eine Abwägung zwischen den Alternativen erfolgt nun im Hinblick auf die folgenden beiden Aspekte (Krafft 1995, 57ff.): Steuerungsaspekte: Möglichkeiten der Steuerung der Mitarbeiter, Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, Persönlichkeit und Risikoeinstellung der Mitarbeiter Economies of Scale and Scope: Kosten, Verkaufsbemühungen, Kenntnisse, Kundenbeziehungen, Information, Synergieeffekte Die folgende Tabelle fasst qualitative Eigenheiten sowie Vor- und Nachteile von Vertriebskanalsystemen mit Reisenden/ Außendienstmitarbeitern bzw. Handelsvertretern zusammen (Helm 2009, <?page no="144"?> 3.3 Vertriebsorganisation 145 394; Nieschlag, Dichtl und Hörschgen 2002, 944f.). Im konkreten Praxisfall sind häufig einige der Vorbzw. Nachteile so gravierend, dass sich daraus bereits eine eindeutige Präferenz für eine der beiden alternativen Vertriebsformen ableiten lässt. Kriterium Reisender / interner Außendienstmitarbeiter Handelsvertreter / externer Außendienstmitarbeiter Entlohnung Fixgehalt + Provision/ Prämie hoher Anteil der Provision Motivation Fixgehalt; Sicherheit durch festen Arbeitsplatz; oft schwächere Motivation leistungsabhängige Vergütung; oft höhere Motivation Kompetenzen Erlangung von Spezialkenntnissen durch intensivere Beschäftigung mit Proukten und Unternehmen weniger spezifische Kenntnisse, da oft für mehrere Unternehmen tätig Fluktuation Tendenziell eher hoch, da Stelle oft als Karrieresprungbrett genutzt wird hohes Interesse an langfristiger Bindung Steuerbarkeit und Kontrolle Weisungsgebundheit, daher strategische Steuerung und Kontrolle gut möglich; klare Durchsetzung von Marktbearbeitungsstrategie möglich nicht weisungsgebunden, daher begrenzte Steuerungsmöglichkeit und eingeschränkte Kontrolle Informationsfluss Informationswesen und Berichtswesen sind gut etablierbar Informationsweitergabe erfolgt nur eingeschränkt, da Information eine individuelle Ressource darstellt Identifikation mit Produkt/ Unternehmen und Repräsentation hohe Identifikation mit dem gesamten Unternehmen; direkte Repräsentation des Unternehmens Identifikation beschränkt sich auf das zu vertreibende Produkt; indirekte Repräsentation des Unternehmens, dadurch Imageverwässerung möglich <?page no="145"?> 146 3 Vertrieb im B2B-Marketing Sortiment nur ein Hersteller im Sortiment breites und kundenorientiertes Sortiment Verkaufsbemühungen grundsätzlich sind Bemühungen vorhanden, abhängig von Motivation intensive Verkaufsbemühungen; es besteht die Gefahr, dass Produkte mit hoher Provision bevorzugt werden; Interessenskonflikte möglich Einteilung der Verkaufsbezirke Problem bei Schaffung homogener Bezirke, bei ungleicher Verteilung Verschlechterung des Klimas etc. relativ problemlos, da Haupt- und Nebenvertretungen möglich sind Übernahme zusätzlicher Serviceleistungen problemlos möglich, kann Bestandteil der Aufgabenbeschreibung grundsätzlich möglich, durch zusätzliche Vereinbarungen; zusätzliche Kosten können entstehen Kostenbelastung hohe Fixkosten und geringe variable Kosten geringe Fixkosten und hohe variable Kosten (abhängig von der Provision) Bearbeitung alter Märkte durch Vorgabe von Besuchsnormen höherer Ausschöpfungsrad nur durch zusätzliche Anreize möglich Bearbeitung neuer Märkte Kundenkreis muss erst erschlossen werden; oft weniger gute Neuprodukteinführungsmöglichkeit Kundenkreis kann breiter sein; gute Neuprodukteinführungsmöglichkeit Kundenbindung und Besuchsfrequenz bei zentraler Organisation sind Kontaktprobleme zu Kunden möglich, eher geringere Beesuchsfrequenz hoch, da räumliche Nähe und tendenziell häufigerer Kontakt (insbesondere bei breitem Sortiment) Rechtliche Rahmenbedingungen kein Ausgleichsanspruch Ausgleichsanspruch gesetzlich gesichert (§89b HGB) Tab. 4: Merkmale von Vertriebskanalsystemen mit Reisenden/ Außendienstmitarbeitern bzw. Handelsvertretern <?page no="146"?> 3.3 Vertriebsorganisation 147 33.3.5 Kombination unterschiedlicher Vertriebsformen In der unternehmerischen Praxis lassen sich die Formen kombinieren bzw. sind verschiedene Hybrid-Formen oder Sonderformen möglich, wie z.B. das Außendienst-Leasing, Vertriebsallianzen, Co-Selling oder Strukturvertriebe. Derartige Formen werden häufig zeitlich befristet eingesetzt, um gewisse Ziele zu verfolgen oder Engpässe zu überbrücken. Die geschilderten Fragen der Vertriebsorganisation sind stark interdependent. Sie können nur unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Anforderungen und Marktbedingungen erfolgen und stellen eine strategische Entscheidung von langfristiger Tragweite dar. Einerseits sind Vertriebsleiter grundsätzlich um Konstanz in der Art des Vertriebssystems und der Anzahl der Außendienstmitarbeiter bemüht, da Änderungen nicht reibungsfrei umgesetzt werden können. Andererseits ist ein gewisses Maß an Flexibilität erforderlich, da sich in verschiedenen Bereichen des Industriegütermarktes die Intensität der Vertriebsaktivitäten und damit auch die Größe und Art der Vertriebssysteme über die Phasen eines Produktlebenszyklus stark verändert. Gerade bei der Neueinführung von komplexen Produkten sind die erforderlichen Vertriebskapazitäten deutlich höher als in späteren Phasen. Daher müssen häufig zeitlich flexible Kapazitäten eingesetzt werden, um Produkte schnell und wirkungsvoll in einem Markt zu etablieren. Diese Flexibilität wird häufig mit externen Kapazitäten sichergestellt. Zahlreiche Unternehmen bieten für genau diesen Zweck ein Außendienst-Leasing von Vertriebsmitarbeitern, die sich auf speziellen Branchen oder einzelne Regionen spezialisiert haben - etwa die Medizintechnik, Pharmazie, Messtechnik oder Bauwirtschaft - und dadurch durchaus über das notwendige Fachwissen verfügen. Unter bestimmten Umständen können Produkte auch durch den Außendienst eines anderen Unternehmens vertrieben werden. Häufig verfügt das zweite Unternehmen über einen gut ausgebauten und gut funktionierenden Außendienst, dessen Kapazitäten <?page no="147"?> 148 3 Vertrieb im B2B-Marketing vom ersten Unternehmen genutzt werden. In solch einem Fall spricht man von Co-Selling oder von einer Vertriebsallianz. Die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit derartiger Formen ist abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Kooperation und letztlich auch davon, ob eine direkte Wettbewerbssituation der beteiligten Unternehmen besteht (Otte 2009, 52). Marktveranstaltungen wie etwa Fachmessen oder verkaufsorientierte Ausstellungen sind gerade im B2B-Bereich besonders relevant. Eine repräsentative Befragung von 500 Unternehmen, die auf Fachmessen ausstellen, ergab, dass Messen/ Ausstellungen und der persönliche Verkauf zu den beiden wichtigsten Instrumenten zur Erreichung absatzwirtschaftlicher Ziele gehören, mit beachtlichem Abstand vor Direct Mailings, Werbung in Fachzeitschriften, eCommerce und Public Relations (Winkelmann 2013, 21). Auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen findet die Kommunikation von Anbietern und Nachfragern in einem fest definierten Rahmen statt, räumlich und zeitlich fixiert sowie nach festen und allseits bekannten Regeln. Während Ausstellungen in erster Linie der Information und nicht dem Verkauf dienen, geht es bei Messen sowohl um die Darbietung von Mustern, das Kennenlernen und die Sammlung von Erfahrungen als auch um die Erzielung von konkreten Geschäfts- Vertrieb durch im eigenen Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter Vertrieb als Hybrid- und Sonderformen Vertrieb durch nicht im eigenen Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter Direkter Vertrieb Vertreter; Reisende; Telefonverkauf; elektronischer Verkauf Leasing von Außendienstmitarbeitern Handelsvertreter; Vertriebsallianzen Indirekter Vertrieb Outlets des Herstellers Marktveranstaltungen Handel Vertrieb über Vermittler Strukturvertrieb (z.T. Selbständige) Makler (in Kundenauftrag tätig) Tab. 5: Formen der Kombination unterschiedlicher Vertriebswege <?page no="148"?> 3.3 Vertriebsorganisation 149 abschlüssen. Die vorstehende Tabelle zeigt, welche unterschiedlichen Vertriebssysteme durch die Kombination von direktem/ indirektem und internem/ externem Vertrieb möglich werden. Zoltners, Sinha und Lorimer (2006) machen deutlich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Vertriebsstruktur und dem Lebenszyklus eines Unternehmens besteht. Die Entscheidung, wie der Vertrieb organisiert wird, orientiert sich demzufolge daran, in welcher Phase des Lebenszyklus sich ein Unternehmen oder eine betriebliche/ unternehmerischen Einheit befindet (siehe folgende Tabelle in Anlehnung an Albers und Krafft 2013, 58). Start-up-Phase Phase des Wachstums Phase der Reife Phase des Rückgangs Fokus des Vertriebs Awareness generieren und schnelle Marktaufnahme sicherstellen (Markterschließung) Verkaufsanstrengungen ausdehnen und spezialisieren (Marktpenetration) bestehende Kunden effizient bedienen und halten (Marktabschöpfung) kritische Kundenbeziehungen schützen und unprofitable Kundenbeziehungen beenden Hauptaugenmerk der Vertriebsorganisation Vertriebspartner; Größe des Vertriebsaußendienstes Größe des Vertriebsaußendienstes; Art und Ausmaß der Spezialisierung Art und Ausmaß der Spezialisierung; Allokation der Verkaufsanstrengungen Vertriebspartner; Größe des Vertriebsaußendienstes Tab. 6: Vertriebsorganisation und Lebenszyklus von Unternehmen Die mögliche Komplexität von Vertriebssystemen zeigt das folgende Beispiel: Das Unternehmen Caterpillar - weltgrößter Hersteller von Baumaschinen - unterhält kein eigenes Vertriebssystem. Der Vertrieb der Caterpillar-Produkte erfolgt durch autorisierte und unabhängige Vertriebsgesellschaften, wie z.B. im deutschsprachigen Raum durch die Zeppelin GmbH, die seit 1954 Caterpillar- Produkte vertreibt und Services anbietet. Hierfür nutzt die Zeppelin GmbH u.a. Messen und Marktveranstaltungen, wie z.B. die <?page no="149"?> 150 3 Vertrieb im B2B-Marketing Bauma, die weltweit wichtigste Fachmesse für Baumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte, die alle drei Jahre in München stattfindet. 2013 zeigte das Unternehmen dem Fachpublikum auf mehr als 12.000 Quadratmetern Standfläche mehr als 60 verschiedene Maschinen und Produkte. Im Jahr 1999 ging Caterpillar zudem zur Vermarktung von Landwirtschaftsmaschinen ein Joint Venture mit dem Unternehmen Claas ein, um z.B. Caterpillar-Traktoren in Europa als Claas-Produkte zu verkaufen und im Gegenzug Claas-Mähdrescher in Nordamerika als Caterpillar- Produkte anzubieten. Gleichzeitig gehören zum Caterpillar- Konzern mehrere Unternehmen (Caterpillar Logistics Supply Chain Services GmbH, Caterpillar Logistics Services Germany GmbH), die als Absatzhelfer fungieren und in den Vertrieb von eigenen und fremden Produkten involviert sind. So hat Caterpillar Kooperationsvereinbarungen mit Unternehmen aus anderen Branchen geschlossen (z.B. mit dem Elektronikkonzern Toshiba und dem Automobilkonzern GM), die bestimmte Leistungen, wie etwa die Lagernutzung und Lagerverwaltung, das Prozessmanagement und IT-Services, umfassen. 33.3.6 Kundendienst und Key-Account-Management Für die Sicherung der Kundenzufriedenheit, den technischen Service und die technische Betreuung von Kunden ist der Kundendienst verantwortlich. Im Kundendienst geht es vorwiegend um die Betreuung des bestehenden Kundenstammes und nicht um die Akquisition und Entwicklung neuer Kunden. Häufig wird zwischen einem allgemeinen und einem technischen Kundendienst unterscheiden. Letzterer hat vorwiegend den Vertrieb von Service-Dienstleistungen zu bereits verkauften Produkten, die Versorgung mit Ersatzteilen und die Generierung von Wiederholung- und Folgekäufen zum Ziel. Der allgemeine Kundendienst hingegen unterstützt ganz allgemein den Kaufvorgang; er formuliert ein Paket aus Zusatzleistungen, das die Kaufentscheidung positiv beeinflussen soll und ein Differenzierungsmerkmal im Wett- <?page no="150"?> 3.3 Vertriebsorganisation 151 bewerb darstellen kann. Winkelmann (2013, 58f.) definiert die Aufgaben des Kundendienstes folgendermaßen: allgemeine technische Beratung durchführen, technische Probleme beim Kunden lösen und Problemprophylaxe betreiben, Aufgaben rund um den Kauf koordinieren, Angebote für Serviceverträge erstellen und vertreiben, Ersatzteileservice umsetzen, Garantiereparaturen und Geräteumtausch koordinieren, Informationen über den Kunden sammeln und weitergeben, Folgebedarf feststellen, Wettbewerb beobachten, Kundenanregungen und Beanstandungen weiterleiten, Markteinführung neuer Produkte unterstützen. Kundendienstmitarbeiter tragen durchaus zum Gesamtbild des Unternehmens bei. Der Kundendienst unterstützt die Instrumente des Marketing und Vertriebs und sollte daher im Einklang mit der Vertriebsstrategie und dem Image des Unternehmens stehen. Bereits vor 20 Jahren formulierte Lenfers (1994, 117): „Die Zeiten, wo Kundendienstmitarbeiter Schrauber und Blitzer waren, sind vorbei.“ Die individuelle Betreuung einzelner wichtiger Kunden gewinnt seit Jahren an strategischer Bedeutung in der Vertriebspraxis. Dies gilt in besonderem Maße für das Industriegütermarketing, das bereits an sich durch eine hohe Individualisierung gekennzeichnet ist. Die organisatorische Ausgestaltung individueller Kundenbeziehungen mit dem Ziel, mit bestimmten Kunden möglichst langfristige Geschäftsbeziehungen zu entwickeln und auszubauen, wird allgemein als Key-Account-Management bezeichnet (Buck 1998, 91). Die Key-Accounts stellen Schlüsselkunden dar, die für den langfristigen Erfolg von Unternehmen aufgrund verschiedener Aspekte <?page no="151"?> 152 3 Vertrieb im B2B-Marketing besonders wichtig sind. Die Frage, welche Kunden einen Key- Account-Status erhalten, ist lediglich eines der relevanten Entscheidungsfelder bei der organisatorischen Verankerung des Key- Account-Managements in einem Unternehmen. Homburg, Schäfer und Schneider (2002, 298) haben darüber hinaus vier weitere wesentliche Entscheidungsfelder des Key-Account-Managements definiert (siehe Abbildung 26). Abb. 26: Wesentliche Entscheidungsfelder des Key-Account-Managements Hinsichtlich des ersten Entscheidungsfeldes unterscheiden Homburg, Schäfer und Schneider (2002, 299) bei der Identifikation von Key-Accounts zwischen proaktiven Kriterien (wirtschaftliche Bedeutung, wirtschaftliches Potenzial, Know-how des Kunden, Image des Kunden) und reaktiven Kriterien (Forderung des Kunden nach Key-Account-Status, interne Probleme bei der Bearbeitung des Kunden). Aus diesen Kriterien wird deutlich, dass ein Verlust von Key-Accounts weitreichende Folgen für ein Unternehmen haben kann (Kotler und Bliemel 1999, 1060) und dass die Aufgabe des Key-Account-Managements gerade darin besteht, einen solchen Verlust zu verhindern. Aktivitäten und Leistungen im Rahmen des Key-Account- Managements können unterschiedlich sein und einen weitreichenden Eingriff in die Kunden-Lieferanten-Beziehungen darstellen. Die Möglichkeiten reichen von einem besonders intensiven Informationsaustausch und der Konzipierung besonderer Serviceleistun- Festlegung, welche Abteilungen in das Key- Account- Management eingebunden werden Definition des Betreuungsteams für die Key- Accounts Definition von Leistungsportfolio und Aktivitäten für die Key- Accounts Identifikation der Kunden, die Key- Account- Status erhalten Festlegung der Systematik, nach der das Key- Account- Management betrieben wird Entscheidungsfelder des Key - Account-Managements <?page no="152"?> 3.3 Vertriebsorganisation 153 gen über spezielle preisstrategische Spielräume und Finanzierungsangebote bis hin zur Etablierung gemeinsamer Lieferketten und der Prozessoptimierung mit dem Kunden sowie schließlich der Produktanpassung oder der gemeinsamen Neuproduktentwicklung (Hofbauer und Hellwig 2012, 104). Key-Account-Manager sollten sowohl über eine hohe Fachkompetenz als auch über hohe Beziehungs-, Sozial- und Methodenkompetenzen verfügen und geübt in Verhandlungen sowie im Umgang mit Führungskräften sein. Meist verfügen sie über eine langjährige Unternehmenszugehörigkeit, die in der Regel zu einer besonderen Kenntnis der unternehmensinternen Abläufe und einem umfangreichen Netzwerk aus Kollegen führt. Key-Account- Manager agieren im Allgemeinen unabhängig von Produktlinien und Geschäftsbereichen und sind direkt der Unternehmensführung unterstellt. Dadurch werden Entscheidungsspielräume gesichert und eine flexible Vertriebssteuerung möglich. Zu den Aufgaben des Key-Account-Managements gehören die Entwicklung und Umsetzung aller relevanten Kundenbeziehungs-, Kundenbindungssowie Entwicklungsmaßnahmen und die persönlich-individuelle Betreuung von einzelnen Kunden bzw. den entsprechenden Buying Center. Hofbauer und Hellwig (2012, 111-114) haben strategische und operative Aufgaben und Zielsetzungen des Key- Account-Managements definiert, die in Tabelle 7 zusammenfassend dargestellt werden. Wie aus den oben dargelegten Aufgaben ersichtlich wird, ist der Aufgabenbereich des Key-Account-Managements überaus komplex und vielfältig. Daher leitet der Key-Account-Manager vielfach ein Team (Selling Team, vgl. Abschnitt 3.5.1), das funktionsübergreifend aus Mitarbeitern von Vertrieb, Marketing, Controlling, Logistik, Produktentwicklung sowie Schnittstellenmanagern zusammengesetzt ist. Gemeinsam arbeitet dieses Team an Problemlösungen für den Key-Account. <?page no="153"?> 154 3 Vertrieb im B2B-Marketing Strategische Aufgaben Operative Aufgaben Abstimmung der Key-Account- Strategie mit der Vermarktungsstrategie Abstimmung der eigenen Strategie mit der Strategie des jeweiligen Kunden Auf- und Ausbau eines strategischen Managements der Kundenbeziehungen, Kundenbindung und Kundenentwicklung Verankerung im Topmanagement Implementierung der Key- Account-Strategie im eigenen Unternehmen internes Projekt-, Auftrags- und Organisationsmanagement Koordination der Inbound/ Outbound-Aktivitäten Steuerung der Programme und Maßnahmen zur Kundenbeziehung, Kundenbindung, Kundenentwicklung Entwicklung und Umsetzung von Kunden-, Produktentwicklungs- und Vermarktungspartnerschaften Optimierung der internen und externen Prozesse Implementierung des Zufriedenheits-, Reklamations-, Loyalitätsmanagements Strategische Ziele Operative Ziele Erschließung strategischer Potenziale (Cross-, Up-, Strategic-Selling) Aufbau strategischer Partnerschaften auf Basis gemeinsamer Vorteile (Win- Win-Situationen schaffen) Entwicklung von Synergie- und Kosteneinspareffekten durch intensive Zusammenarbeit Aufbau einer besonderen Lieferantenposition gegenseitiges Verständnis schaffen Koordination nach innen und außen verbessern Loyalität der Kunden verbessern Prozesse des Vertriebs und der Kundenbetreuung effektiver, kostengünstiger und kürzer gestalten aktuelle Kundenbedarfe abdecken, zukünftige Kundenbedarfe erkennen, kundenorientierte Produktentwicklungsprogramme entwickeln Tab. 7: Strategische und operative Aufgaben und Zielsetzungen des Key- Account-Management <?page no="154"?> 3.3 Vertriebsorganisation 155 Key-Account-Management verfolgt das Ziel, durch die langfristige und individuelle Entwicklung von Kundenbeziehungen und Kundenbindung einen stabilen Vertriebs- und Geschäftserfolg zu realisieren. Durch Koordination und Zusammenführung von Einzelmaßnahmen sollen Synergieeffekte, Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen erzielt werden und sämtliche Vertriebsaktivitäten besser an die Kundenanforderungen angepasst werden. Den Vorteilen und Chancen des Key-Account-Managements stehen allerdings auch einige Risiken gegenüber (Bellabarba, Radtke und Wilmes 2002, 82ff.): hohe Abhängigkeit von wenigen Schlüsselkunden, aufgrund falscher Analysen und Bewertungen sind Fehleinschätzungen hinsichtlich des wirtschaftlichen und strategischen Potenzials der Key-Accounts möglich, Produkte und Leistungen, die auf Key-Accounts ausgerichtet sind, sind nur bedingt auf andere Kundengruppen übertragbar, hohe Anforderungen und hoher Koordinationsaufwand des Key-Management. 33.3.7 Elektronischer Vertrieb, E-Procurement und E-Business Der elektronische Vertrieb ist ein weiterer Vertriebskanal eines Unternehmens. Die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte seit den Anfängen des Internet haben dazu geführt, dass elektronische Medien, insbesondere das Internet, sowohl im Business-to-Consumer als auch im Business-to-Business-Bereich zu den wichtigsten Kanälen der Information, Kommunikation und des Verkaufs gehören (Mauroner und Fauck 2014). Inner- und zwischenbetriebliche Abläufe können durch elektronische Medien rationalisiert und automatisiert werden (siehe Abschnitte 2.6.4 und 4.2.1). So lässt sich der Informationsfluss sowohl im Unternehmen als auch zwischen Unternehmen aufgrund der elektronischen (mobilen) Vernetzung von ortsunabhängig arbeitenden Mitarbeitern deutlich schneller, kostengünstiger und effizienter gestalten. Informationen sind damit schnell und jederzeit verfügbar. Die gesamte Auftragsabwicklung kann vom Einsatz von Vertriebs- <?page no="155"?> 156 3 Vertrieb im B2B-Marketing sowie Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen profitieren. Geschäftsprozesse rund um den Vertrieb können effizienter und kostensparender gestaltet werden. Elektronische Medien bieten verschiedene Möglichkeiten, den Vertrieb zu gestalten. Insbesondere mit Hilfe des Internet lässt sich ein einfacher und zugleich leistungsstarker Direktvertrieb aufbauen. So können kundenspezifische bzw. kundensegmentspezifische Marketingmaßnahmen vergleichsweise kostengünstig durchgeführt werden. Kundenanbahnung und Kundenqualifizierung können im Vergleich zum klassischen Außendienst sehr schnell erfolgen. Um Produkte und Dienstleistungen über das Internet zu vertreiben, können sowohl eigene Onlineshops als auch Internet- Marktplätze genutzt werden, wobei Unternehmen sich nicht auf einen Vertriebskanal beschränken und gleichzeitig den „offline- Vertrieb“ nicht vernachlässigen sollten (Multi-Channel-Lösungen, siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 4.3.3). Aus der Perspektive der Kunden - also der professionellen Einkäufer - kommt es auf das Nutzenversprechen des elektronischen Vertriebs an, das vor allem aus Prozess- und Qualitätsverbesserung besteht, d.h. Erleichterungen der Arbeit des Einkäufers, Zeitersparnisse gegenüber konventionellen Einkaufsprozessen sowie zusätzliche Informationen über Produkte, Services und Lieferkonditionen (Satzinger, Heusler und Helm 2001; Gierl et al. 2002; Helm et al. 2002). Ein erfolgsrelevanter Aspekt ist die Integration der elektronischen Medien in das bestehende Vertriebssystem, sodass eine internetbasierte Vertriebsunterstützung von den Mitarbeitern im Innen- und Außendienst des Vertriebs nicht als Bedrohung empfunden wird, sondern als zusätzliche Möglichkeit, die Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen. Winkelmann (2000, 2 und 2013, 527) unterscheidet internetbasierte Vertriebsstrategien in Abhängigkeit von Nutzungsintensität und Integration in Wertschöpfungsprozesse: webgestützte Informations- und Kommunikationsstrategie: Interessenten und Kunden erhalten die Möglichkeit, relevante Informationen abzurufen, wenn sie diese benötigen. Dadurch werden Vertriebsmitarbeiter entlastet, Prozesse automatisiert und eine Kontaktqualifizierung erleichtert. <?page no="156"?> 3.3 Vertriebsorganisation 157 webgestützte Networkingstrategie: Vertriebsmitarbeiter bauen ihre persönlichen Kontakte zunehmend zu beruflichen Beziehungsnetzwerken aus. Dies wird in zunehmendem Maße durch unternehmensspezifische Richtlinien und Compliance- Ordnungen reglementiert. webgestützte Verkaufsförderungsstrategie: Das Internet kann genutzt werden, um die Akquisitionstätigkeit der Verkäufer über den gesamten Prozess hinweg zu unterstützen, z.B. durch die Erstellung von Angeboten, die Abfrage von Preisen, Beständen und Lieferzeiten, den Informationsaustausch zwischen Innen- und Außendienst, die technische Beratung, das Einholen von Verbesserungsvorschlägen der Kunden. webgestützte Verkaufsstrategie: Der unmittelbare Internetverkauf kann durch Webshops, Anbieter-Portallösungen oder Marktplätze erfolgen. Winkelmann (2013, 534f.) zufolge hat sich die Euphorie um industrielle Marktplätze gelegt, wofür er verschiedene Ursachen identifiziert. Zum einen geht es im Industriegütergeschäft vor allem um langfristige Beziehungen und nicht um einen anonymen Abverkauf von Produkten und Leistungen; auch Preisvorteile sind in vielen technischen Märkten nicht allein absatzentscheidend (Helm und Stölzle 2007a). Zum anderen sind Marktplätze oft nicht ausreichend in der Lage, die Spezifität der industriellen Beschaffungsprozesse abzubilden, Geheimhaltungs- und Vertrauensaspekte werden oft nicht berücksichtigt, zudem besteht eine geringe Bereitschaft, sich auf Marktplätzen nach neuen Lieferanten umzuschauen. Trotzdem existieren viele erfolgreiche B2B-Handelsplattformen, wie z.B. der Geschäftskunden-Marktplatz www.mercato.de, der Maschinen-Marktplatz www.netron.de oder die Branchenplattform www.holzboerse.de. <?page no="157"?> 33.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 3.4.1 Planung der Vertriebsaktivitäten Die Planung der Vertriebsaktivitäten verfolgt die Zielsetzung, die Ressourcen des Vertriebs - d.h. Kundenbesuche, Besuchstouren, Vertriebsbudgets, Kapazitäten der Vertriebsmitarbeiter - möglichst optimal einzusetzen, sodass die Kundenbeziehungen langfristig zielführend gestaltet werden können und die höchsten Ergebnisbeiträge erzielt werden können. Letztlich stellt die Planung der Vertriebsaktivitäten ein Gebot der ökonomischen Vernunft dar. Dabei ist zu beachten, dass sowohl die mit Hilfe der Vertriebsanstrengungen erzielbaren Umsätze als auch die erzielbaren Deckungsbeiträge durchaus unterschiedlich sein können. Sie hängen von verschiedenen Aspekten ab (Albers und Krafft 2013, 109-112): Die Umsatzpotenziale einzelner Kunden variieren aufgrund der unterschiedlichen Größe der Kunden. Die Kunden weisen unterschiedliche Preis-Sensitivitäten und unterschiedliche Präferenzen für bestimmte Produktkombinationen auf. Die Kunden zeigen unterschiedliche Reaktionen und Reaktionszeiten auf Vertriebsanstrengungen, wie etwa auf Besuche von Vertriebsmitarbeitern. Mit Hilfe einer Metaanalyse haben Albers, Mantrala und Sridhar (2010) untersucht, wie sich Erhöhungen der Vertriebsanstrengungen (bzw. Erhöhungen der Anstrengungen der Verkaufsaußendienstes) auf Umsätze von Unternehmen auswirkten. Dabei haben sie über 80 Datensätze untersucht und ermittelt, dass der Verkaufsaußendienst mit einer Elastizität von etwa 0,3 durchaus ein effektives Instrument darstellt. Eine Verdopplung der Verkaufsausgaben führt demzufolge zu einer Erhöhung des Umsatzes um etwa 30%, wobei sich Unterschiede zwischen Regionen und Branchen sowie im Hinblick auf Neuprodukte vs. bestehende Produkte zeigen. Gleichzeitig müssen die Vertriebsaktivitäten - wie alle anderen unternehmerischen Funktionen auch - als knappe Ressourcen betrachtet werden, die es gilt, optimal einzusetzen. So lässt sich z.B. <?page no="158"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 159 unter bestimmten Annahmen, insbesondere der sog. Wirkungsfunktionen, das deckungsbeitragsmaximale Budget für den Außendienst ermitteln (Helm 2009, 389f.). Die durchaus vielschichtigen Aufgaben im Rahmen der Vertriebsplanung werden im Folgenden erläutert: Verkaufsgebietseinteilung: Einteilung der Verkaufsbezirke und -gebiete mit dem Ziel der Maximierung des Deckungsbeitrags (siehe 3.4.1.1) Umsatzplanung: Planung der erzielbaren Umsätze mit einzelnen Kunden unter Berücksichtigung verschiedener Einflussgrößen (siehe 3.4.1.2) Besuchsplanung: Planung einer effektiven und Deckungsbeitragsoptimalen Besuchsfrequenz und Besuchsallokation (siehe 3.4.1.3) 3 3.4.1.1 Verkaufsgebietseinteilung Die Einteilung der Verkaufsgebiete gehört zu den grundlegenden Aufgaben bei der Planung der Vertriebsaktivitäten. In der Regel ordnen die Unternehmen ihren Vertriebsmitarbeitern im Außendienst bestimmte Kundengruppen exklusiv zu. Diese Exklusivität soll langfristige, stabile und vertrauensvolle Kundenbeziehungen erleichtert. Zudem bietet sie die Vorteile, dass ein (nachteiliger) Wettbewerb unter den Außendienstmitarbeitern vermieden wird, dass Zuständigkeiten und Kompetenzen klar geregelt sind und dass die Leistungen der einzelnen Außendienstmitarbeiter besser kontrolliert und beurteilt werden können. Unklare Verantwortlichkeiten und das Gefühl ungleicher Einkommenschancen können sich dagegen negativ auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken, weswegen lediglich in einzelnen Branchen keine exklusive Zuordnung der Verkaufsgebiete stattfindet, wie z.B. der Versicherungswirtschaft (Zoltners, Sinha und Zoltners 2001, 135). Studien zeigen, dass Optimierungen von Verkaufsgebietseinteilungen, die aufgrund von sich verändernden Marktbedingungen notwendig werden können, durchaus zu Umsatzsteigerungen von bis zu 7% (ceteris paribus) führen können (Zoltners und Sinha 2005, 314). Dies kann schon allein dadurch realisiert werden, dass die unproduktiven Zeiten, wie z.B. Anreisezeiten der Außendienst- <?page no="159"?> 160 3 Vertrieb im B2B-Marketing mitarbeiter reduziert werden. Folgende Abbildung fasst die unternehmerischen Ziele der Verkaufsgebietseinteilung zusammen. Abb. 27: Ziele der Verkaufsgebietseinteilung Grundlage für die Einteilung der Verkaufsgebiete bilden üblicherweise sog. Basisbezirke, oft auch als „kleinste geografische Einheiten“ bezeichnet werden. Basisbezirke dienen als a priori festgelegte Planungseinheiten, da für sie im Allgemeinen relevante Daten über Umsätze und Verkaufspotenziale vorliegen. Typische Basisbezirke sind Postleitzahlenbereiche oder Verwaltungseinheiten wie z.B. Kreise und Gemeinden. Derartige Einteilungen haben den Vorteil, dass viele Daten verfügbar sind, die als Indikatoren für Vertriebspotenziale dienen können, wie etwa die Kaufkraft oder die Anzahl der Unternehmen bestimmter Branchen. Derartige Daten können sowohl von statistischen Bundes- und Landesämtern als auch von privaten Unternehmen (GFK, Deutsche Post) bezogen werden. Auf dieser Grundlage können die jeweiligen Nachfragepotenziale in den Basisbezirken - auch unter Berücksichtigung der Konkurrenzaktivitäten - ermittelt werden. Die einzelnen Basisbezirke werden schließlich zu Verkaufsgebieten zusammengefasst, die von den Vertriebsmitarbeitern bearbeitet Reduktion der unproduktiven Zeiten der Außendienstmitarbeiter (z.B. Reisezeiten) Möglichkeit der einfachen Beurteilung und der Leistungskontrolle der Außendienstmitarbeiter Vermeidung eines ungewollten Wettbewerbs zwischen Außendienstmitarbeitern Etablierung langfristiger Beziehungen zwischen Kunden und Außendienstmitarbeitern Erhöhung der Motivation der Außendienstmitarbeiter durch klare Zuständigkeiten und Chancengleichheit Gewinnmaximierung, Erhöhung des Deckungsbeitrags Verkaufsgebietseinteilung <?page no="160"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 161 werden sollen. Bei der Bildung der Verkaufsgebiete können sich Unternehmen einer hierarchischen Zuordnung bedienen und Basisbezirke solange iterativ zusammenfügen, bis vergleichbare Arbeitsbelastungen bzw. ähnliche Potenziale pro Verkaufsgebiet entstehen. Wobei in der Regel nur geografisch angrenzende Basisbezirke zusammengefasst werden. Um die Unterschiede hinsichtlich der Arbeitsbelastungen, Reisezeiten, Kontaktintensitäten, Potenziale, Wettbewerbssituationen etc. zu berücksichtigen, werden die Verkaufsgebiete häufig mit Hilfe heuristischer Methoden umstrukturiert, bis eine möglichst optimale Lösung erzielt wird. Deutlich wird bei diesem Vorgehen, dass je kleiner bzw. je weniger aggregiert die Basisbezirke sind, desto flexibler sind Unternehmen bei der Zusammenfassung und einer eventuell nachfolgenden Veränderung/ Optimierung der Verkaufsgebiete. Normalerweise streben Unternehmen möglichst „gleiche“ Verkaufsgebiete an, um den Verkaufsaußendienstmitarbeitern gleiche Chancen zu bieten und gleiche Provisions- und Prämiensätze zu rechtfertigen. Dieses Vorgehen erscheint schon dadurch erforderlich, da es ansonsten zu der oben angemerkten Ungleichbehandlung der Mitarbeiter kommt, die zu Frustration und Motivationsproblemen führen kann. Im Grunde soll der Gleichartigkeitsansatz allen Vertriebsmitarbeitern im Außendienst sowohl gleiche Chancen und Potenziale als auch gleiche Arbeitsbelastungen bieten. Es kann aber aus ökonomischer Sicht für Unternehmen durchaus sinnvoll sein, ungleiche Verkaufsgebiete zu bevorzugen; nämlich dann, wenn dadurch die Gewinnsituation des Unternehmens verbessert wird, sich also der Deckungsbeitrag nach Abzug aller relevanten Kosten erhöht. Im Folgenden werden diese beiden Ansätze - Gleichartigkeit und Deckungsbeitragsmaximierung - dargestellt. Der Gleichartigkeitsansatz basiert auf dem Grundgedanken, dass die Verkaufsgebiete möglichst gleiche Potenziale und gleiche Arbeitsbelastungen (Besuchsanzahl, Reisezeiten) aufweisen. <?page no="161"?> 162 3 Vertrieb im B2B-Marketing Dabei werden z.B. die geografischen Distanzen zwischen den Standorten der Außendienstmitarbeiter und den Kundenstandorten bzw. den Basisbezirken ermittelt. Um Lösungen zu ermitteln, existiert eine Reihe von mathematischen Optimierungsmodellen (z.B. Zoltners und Sinha 1983), die mehrere Gleichheitskriterien berücksichtigen, geografisch zusammenhängende Gebiete garantieren und dadurch die Reisezeiten minimieren. Derartige Modelle können so ausgelegt werden, dass sie zu „ungefähr gleichen Gebieten“ innerhalb von definierten Unter- und Obergrenzen kommen (Zoltner und Lorimer 2000). Das eigentliche Ziel im Rahmen des Vertriebsmanagements besteht nicht darin, den Mitarbeitern gleiche Bedingungen und Entlohnungsmöglichkeiten zu bieten, sondern vielmehr darin, für das Unternehmen möglichst hohe Gewinnbeiträge zu generieren. Im Fokus der Vertriebsplanung sollte eigentlich die Maximierung des Deckungsbeitrags nach dem Abzug aller zurechnungsfähigen Kosten (Mitarbeiterkosten, Provisionen, Reisekosten etc.) stehen. Dieses Ziel der Deckungsbeitragsmaximierung kann dabei durchaus im Gegensatz zum Ziel stehen, für alle Außendienstmitarbeiter gleiche Voraussetzungen für deren Umsatzerzielung zu schaffen. Aus rein ökonomischen Erwägungen können sich ungleiche Verkaufsgebieten für Unternehmen als sinnvoll erweisen. Zu erwähnen ist, dass Unternehmen durchaus mit ungleichen Verkaufsgebieten agieren können und trotzdem faire Entlohnungsbedingungen schaffen können. Dies wird möglich, wenn zwischen Unternehmen und Außendienstmitarbeitern individuelle Vorgaben für die Zielerreichung und/ oder Umsatzerzielung vereinbart werden. Hierzu ist es erforderlich, bei der Planung der Verkaufsgebiete die Umsatzreaktionsfunktionen in das Kalkül einzubeziehen, die den erzielbaren Umsatz in Abhängigkeit zu Lage, Potenzial, Besuchszahlen und andere Einflussgrößen setzt (Albers und Krafft 2013, 99). Zusammenfassend wird deutlich, dass Verkaufsgebietseinteilung, Umsatzplanung und Besuchsplanung in der Praxis nicht voneinander losgelöst erfolgen können. <?page no="162"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 163 Manuelle Verkaufsgebietseinteilungen und -optimierungen können sich sehr kompliziert gestalten, weshalb sich in der Praxis schon seit vielen Jahren computergestützte Planungen durchgesetzt haben. Beispiele sind GEOLINE (Hess und Samuels 1971, 41ff.) und COSTA-Contribution Optimizing Sales Territoy Alignment (Skiera und Albers 1998, 196ff.). Mit COSTA können Lösungen für Veränderungen der Verkaufsgebiete ermittelt werden, die zu höheren prognostizierten Deckungsbeiträgen führen - und dies selbst bei mehreren Tausend Basisbezirken, die mehreren Dutzend Verkaufsgebieten zugeordnet werden können. In der Praxis nehmen Unternehmen häufig eine jährliche Überprüfung der Verkaufsgebiete vor, um sicherzugehen, dass sich Belastungen und Potenziale nicht gravierend verändert haben oder um z.B. im Rahmen von Wachstumsbestrebungen neue Stellen für Außendienstmitarbeiter zu schaffen. Gleichzeitig können wenig erfolgversprechende Gebiete zusammengelegt oder anderweitig aufgeteilt werden. Bei der Neuzuordnung von Basisbezirken, Verkaufsgebieten und Vertriebsaußendienstmitarbeitern ist allerdings zu bedenken, dass dies nicht ohne Folgen auf die Kundenbeziehungen bleibt. Langjährige intensive Beziehungen können gestört werden. Positiv ist anzumerken, dass neue Vertriebsaußendienstler gleichzeitig Chancen für Neuanfänge bieten. Damit können negative Einstellungen der Kunden revidiert werden sowie persönliche, ineffektive und unprofessionelle Beziehungen aufgebrochen werden (Zoltners, Sinha und Lorimer 2004, 297). Viele Unternehmen nehmen bei unbefriedigenden Vertriebsergebnissen daher eine Neuzuordnung der Verkaufsgebiete vor (Klähn 2012, 64). Das Unternehmen Würth - weltweit tätiger Großhändler von Befestigungs-, Montage- und Bautechnik - nutzt beispielsweise das COSTA-System, um die eigenen Verkaufsgebiete zu optimieren. Dazu zählt eine jährliche Überprüfung aller Vertriebsgebiete sowie eine jährliche Überprüfung der Kundenbelastung der Außendienstmitarbeiter. In Vertriebsgebieten mit besonders hoher Produktivität und/ oder besonders hoher Kundenzahl pro Mitarbeiter werden neuen Stellen für Außendienstmitarbeiter geschaffen. Gleichzeitig existieren Übergangsfristen für „ältere“ <?page no="163"?> 164 3 Vertrieb im B2B-Marketing Mitarbeiter, die Bestandskunden abgeben müssen, um ohne negative Auswirkungen auf ihre erfolgsabhängige Vergütung Neukunden akquirieren zu können. Das System erlaubt auch eine Zusammenlegung wenig erfolgversprechender Gebiete. Unabhängig von der zentralen Planung prüfen die Vertriebs- und Außendienstleiter die Vertriebsgebiete auf ihr Potenzial. Letztlich legt das Vertriebsmanagement unter Berücksichtigung der Gesamtsicht und der Vertriebsstrategie die Verkaufsgebiete fest. Dabei wird auch deutlich, dass sich Außendienstmitarbeiter darauf einrichten müssen, länderübergreifend zu agieren. So kann ein Verkäufer, der ein Gebiet in Süddeutschland bearbeitet, ebenso für Bezirke in der Schweiz und in Österreich verantwortlich sein. Im Zuge der Internationalisierung der Verkaufsgebiete werden auch die Vertriebsmannschaften immer internationaler besetzt und das interkulturelle Management gewinnt an Bedeutung (siehe dazu auch Kapitel 3.6). 33.4.1.2 Umsatzplanung Zur Planung der Umsätze geben Unternehmen ihren Vertriebsmitarbeitern häufig Umsatzvorgaben, die sowohl der Motivation und der Beurteilung dienen als auch im Rahmen der strategischen Jahresplanung zum Einsatz kommen. Umsatzvorgaben werden in erster Linie dazu genutzt, um Mitarbeitern konkrete Vorgaben zu geben, an denen sie sich bei ihrer Arbeit orientieren können. Empirische Studien führten nämlich immer wieder zu Erkenntnissen, nach denen sich konkrete Umsatzvorgaben positiv auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken (Chowdhury 1993, 28ff.). Umsatzvorgaben orientieren sich an dem, was ein durchschnittlicher Mitarbeiter leisten kann, sodass Abweichungen als Minder- oder Mehrleistungen interpretiert werden können. Die Schwierigkeit besteht darin, eine Balance zwischen Herausforderung und Realisierbarkeit zu finden. Das bedeutet, dass Umsatzvorgaben herausfordernd - also nicht zu niedrig - sein sollen, damit sich die Mitarbeiter anstrengen, um die Vorgaben zu erfüllen. Gleichzeitig <?page no="164"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 165 müssen sie auch realisierbar - also nicht zu hoch - sein, damit die Mitarbeiter nicht resignieren und unter Umständen noch geringere Umsätze erbringen als ohne Vorgaben. Eine Studie von Gaba und Kalra (1999) hat gezeigt, dass Außendienstmitarbeiter ihr Verhalten an unterschiedliche Umsatzvorgaben anpassen. Sind die Umsatzvorgaben sehr hoch, dann richten sie ihre Verkaufsanstrengungen auf riskante, neue und möglicherweise sehr ertragreiche Aufträge; sind die Umsatzvorgaben dagegen eher niedrig, werden vorwiegend (sichere) Stammkunden bearbeitet. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, Umsatzvorgaben an den in der Vergangenheit erreichten Umsätzen in einem Verkaufsgebiet zu orientieren und ggf. um eine gewünschte Wachstumsrate zu erhöhen. Die auf diese Weise ermittelten Vorgaben sind häufig realistisch. Allerding erscheint ein solches Vorgehen nicht immer zweckmäßig. So kann der - durchaus berechtigte - Eindruck entstehen, dass hohe Umsätze in einer Periode zu höheren Vorgaben in der Folgeperiode führen. Erfolg würde dadurch in gewisser Weise durch höhere Vorgaben bestraft werden. Auf lange Sicht können Mitarbeiter hier manipulierend eingreifen, indem sie Umsätze immer wieder auf Folgeperioden verschieben. Wesentlich zielführender ist es demzufolge, verschiedene Einflussgrößen auf die zu erwartenden/ planbaren Umsätze in den Verkaufsgebieten zu berücksichtigen, wie dies in Abbildung 28 dargestellt wird. Eine differenziertere Möglichkeit der Umsatzplanung besteht darin, für das ganze Unternehmen einen Gesamtumsatz festzulegen, der sich z.B. an Konjunkturentwicklungen, Wachstumszielen und Unternehmensstrategien orientiert. Dieser Gesamtumsatz kann dann auf einzelne Verkaufsgebiete umgelegt werden, wobei zur Berechnung verschiedene exogene Faktoren bestimmt werden. Albers und Krafft (2013, 288) betrachten das Beispiel der Umsatzplanung bei einer Bausparkasse und führen als exogene Faktoren die Einwohnerzahl, die Eigentumsquote und die Kaufkraft an, die jeweils mit verschiedenen Gewichtungen (in Form von Elastizitäten) auf den Umsatz einwirken. Auch diese Vorgehensweise orientiert sich an den aggregierten vergangenen Umsätzen des Unternehmens. <?page no="165"?> 166 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abb. 28: Einflussgrößen auf den Umsatz in Vertriebsgebieten Eine weitere Möglichkeit der Umsatzplanung besteht darin, die Umsätze der Kunden als Planungsgrundlage für die eigenen Umsätze zu nutzen. Dadurch kann auch das Ziel verfolgt werden, gleiche bzw. vergleichbare Marktstellungen in verschiedenen Abnehmersegmenten zu erzielen. Die Grundannahme einer derartigen Umsatzplanung besteht darin, dass die Umsätze der Kunden eine gute Basis für die eigenen Umsätze darstellen (Gierl 2011). U = Umsatz von b in r Umsatz von b in r Planungsumsatz in b wobei: b : Abnehmer(-segment) und r : Region Umsatz im Vertriebsgebiet Marktvolumen im Vertriebsgebiet Anzahl und Bedarf der Nachfrager Kundengruppen (nach Bedarfshomogenität) Regionen Produkte Nachfragerbesonderheiten im Vertriebsgebiet Unternehmensgröße, Verkehrssituation etc. Konkurrenz im Vertriebsgebiet Anzahl der Wettbewerber, eigenes/ fremdes Marketing etc. Außendienstleistung Eignung Motivation ggregiert als Umsatzplanung des Unternehmens bzw. der Strategischen Geschäftseinheit <?page no="166"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 167 Das Beispiel in der folgenden Tabelle zeigt eine Umsatzplanung auf der Basis von Kundenumsätzen. Dabei sei ein Unternehmen in drei Regionen tätig und bediene Kunden aus zwei verschiedenen Abnehmersegmenten (z.B. verschiedene Größenklassen oder Branchen). Im ersten Schritt (Ist-Stand) erfolgt die Betrachtung der Ist- Umsätze des eigenen Unternehmens und jener der Nachfrager. Im zweiten Schritt (Planung) werden die Plan-Umsätze des eigenen Unternehmens in den einzelnen Regionen ermittelt. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Umsätze bezogen auf die Segmente bekannt sind bzw. konstant sind. Aus dem Vergleich der Plan- und Ist- Umsätze können letztlich die einzelnen Regionen beurteilt werden. Wobei in diesem Beispiel bezogen auf die Planung die Region 1 unterhalb der Planung liegt (83%), die Region 2 genau in den Planungen und die Region 3 oberhalb der Planungen (107%). Ist-Stand Segment 1 Segment 2 Eigener Ist-Umsatz Eigener Ist-Umsatz 20 40 60 Umsatz der Nachfrager 100 150 ... davon in Region 1 20 30 10 ... davon in Region 2 20 60 20 ... davon in Region 3 60 60 30 Planung Segment 1 Segment 2 Eigener Plan- Umsatz Beurteilung Eigener Plan- Umsatz 20 40 60 ... davon in Region 1 20/ 100*20=4 30/ 150*40=8 12 10/ 12=83% ... davon in Region 2 20/ 100*20=4 60/ 150*40=16 20 20/ 20=100% ... davon in Region 3 60/ 100*20=12 60/ 150*40=16 32 30/ 32=107% Tab. 8: Beispiel für Umsatzplanung auf Basis von Kundenumsätzen <?page no="167"?> 168 3 Vertrieb im B2B-Marketing Ein weiteres Beispiel (folgende Tabelle) verdeutlicht die Möglichkeiten zur Beurteilung der Außendienstleistungen: Ein Vertriebsleiter hat sechs Reisende zu betreuen, denen jeweils ein eigener Bezirk (r) zugewiesen ist. Die Bezirke seien dabei hinsichtlich ihrer Fläche und ihrer Bearbeitungsaufwände vergleichbar, unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Marktvolumina (MV). Die Planabsätze in den einzelnen Bezirken stellen geeignete Vorgaben dar, unter der Annahme, dass sich die Gesamtumsätze und die Marktvolumina gegenüber der Vorperiode nicht verändern. Dies ermöglicht auch eine Interpretation bzw. Beurteilung der Leistungen der einzelnen Reisenden in der Vorperiode, so hat z.B. der Außendienstmitarbeiter in Bezirk 1 80% des Plan-/ Sollabsatzes erzielt, der Außendienstmitarbeiter in Bezirk 2 dagegen 120%. Bezirk Marktvolumen Ist-Absatz (Vorperiode) Planabsatz im Bezirk Leistungsbeurteilung (r) (MV) 1 12.000 3.000 (12.000/ 96.000)*30.000 = 3.750 3.000/ 3.750 =80% 2 8.000 3.000 (8.000/ 96.000)*30.000 = 2.500 3.000/ 2.500 =120% 3 18.000 5.500 (18.000/ 96.000)*30.000 = 5.625 5.500/ 5.625 =98% 4 12.000 5.000 (12.000/ 96.000)*30.000 = 3.750 5.000/ 3.750 =133% 5 26.000 7.500 (26.000/ 96.000)*30.000 = 8.125 7.500/ 8.125 =92% 6 20.000 6.000 (20.000/ 96.000)*30.000 = 6.250 6.000/ 6.250 =96% Gesamt 96.000 30.000 Tab. 9: Beispiel für Umsatzplanung auf Basis von Marktvolumina Gerade im Hinblick auf die motivierende Wirkung von Umsatzvorgaben ist deren Akzeptanz durch die unmittelbar betroffenen Mitarbeiter besonders wichtig. Außendienstmitarbeiter können r r r r r Planabsatz MV MV <?page no="168"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 169 immer der Meinung sein, dass in ihrem Verkaufsgebiet besondere Bedingungen herrschen - z.B. eine Veränderung der Marktvolumina aufgrund bestimmter Ereignisse - und dadurch besondere Faktoren zur Ermittlung der Umsatzvorgaben herangezogen werden müssten. Dieses Problem lässt sich lösen, indem Daten ermittelt und vermeintliche Einflussfaktoren statistisch untersucht werden. 33.4.1.3 Besuchsplanung Aus den Erläuterungen zur Verkaufsgebietseinteilung und Umsatzplanung lässt sich erkennen, dass Kunden unterschiedlich stark auf Vertriebsmaßnahmen, wie z.B. Besuche, reagieren. Um also einen möglichst hohen Deckungsbeitrag zu erzielen, sollte der Verkaufsaußendienst seine (begrenzten) zeitlichen Ressourcen dort einsetzen, wo die größten Beiträge zum Ergebnis zu erwarten sind. Aufgabe der Besuchsplanung ist demzufolge eine effektive und effiziente Planung der Besuchsfrequenz und der Besuchsallokation. Zunächst stellt sich die Frage, welche Aufgaben einer Besuchstätigkeit an sich zukommen. Im Wesentlichen geht es um die Stärkung und Stabilisierung der Kundenbeziehungen, indem Reklamationen bearbeitet, Probleme (z.B. zu lange Lieferzeiten) besprochen und Hinweise zu Produkten gegeben werden. Zudem bieten Kundenbesuche die Chance herauszufinden, ob ein Kunde Wechselbestrebungen hegt bzw. bereits Angebote der Konkurrenz vorliegen hat. Unternehmen können dann entsprechend darauf reagieren und wechselwillige Kunden halten bzw. zurückgewinnen. Albers (2000, 174f.) geht davon aus, dass die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden umso stabiler sind und dass Beziehungsprobleme umso weniger auftreten, je häufiger ein Kunde durch Vertriebsmitarbeiter besucht wird. Besonders relevant sind Besuche, wenn Produkte und Leistungen kontinuierlich vertrieben werden, wie etwa im Dienstleistungsgeschäft oder im Büroausstattungsbereich. Albers (2000, 175f.) beschreibt das Beispiel der Pharmareferenten, die kontinuierlich Ärzte in Krankenhäusern und Praxen besuchen, um Medikamente <?page no="169"?> 170 3 Vertrieb im B2B-Marketing vorzustellen und zu besprechen. Da Pharmareferenten in der Regel nicht alle potenziellen Kunden eines Gebietes besuchen können, stehen sie - wie alle anderen Verkaufsaußendienstmitarbeiter auch - vor dem Problem, dass sie Anzahl und zeitliche Dauer der Besuche auf Kunden aufteilen müssen. Dieses Problem wird allgemein als Allokationsproblem bezeichnet. Bei der Lösung dieses Problems werden verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigt: Größe bzw. Bedeutung des Kunden: Ein grundlegender Aspekt bei der Besuchsplanung ist die Größe des Kunden bemessen an der Mitarbeiterzahl oder am Umsatz bzw. die Bedeutung des Kunden bemessen am Umsatzanteil, der mit dem Kunden erwirtschaftet wird. Profitabilität des Kunden: Die Profitabilität hat unter Umständen mehr Aussagekraft als die absolute Bedeutung, so haben z.B. Homburg und Daum (1997) festgestellt, dass gerade mittelgroße Kunden häufig eine hohe Profitabilität aufweisen. Geografische Lage des Kunden: Der Standort des Kunden, insbesondere die Nähe zu Standorten anderer Kunden und der Einfluss auf die Reisezeiten haben Einfluss auf die Besuchsplanung. Reaktionen auf Besuche: Wie Kunden tatsächlich auf Besuche bzw. auf ausbleibende Besuche reagieren, sollte die konkrete Besuchsplanung beeinflussen. So zeigt sich z.B. das Stammkunden im Vergleich zu Neukunden nur sehr geringfügig auf die Anzahl der erfolgten Besuche reagieren und die Besuchszeiten unter ökonomischen Gesichtspunkten entsprechend zu planen sind (Albers und Krafft 2013, 115f.). So kann es wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein, lukrative Stammkunden nur mit geringer Häufigkeit zu besuchen. Dieses Phänomen wird als Besuchselastizität bezeichnet und beschreibt die relative Veränderung des Umsatzes mit dem Kunden in Bezug auf die Veränderung der Besuchstätigkeit. In der Praxis erfolgt die Festlegung der Besuchszeiten und Besuchshäufigkeiten oft auf der Basis von Besuchsnormen. Die Definition derartiger Normen erfolgt üblicherweise auf der Grundlage <?page no="170"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 171 einer Kundensegmentierung, die wiederum z.B. auf einer ABC- Analyse oder auf Scoring-Modellen basieren kann. Mit Hilfe einer ABC-Analyse unterscheiden Unternehmen recht rudimentär zwischen A-, B-, und C-Kunden. Dabei sind die A- Kunden üblicherweise jene 10-20% der Kunden, mit denen 70- 80% des Gesamtumsatzes erzielt wird. Die B-Kunden sind die weiteren 10-20% der Kunden, die für weitere 15-20% des Gesamtumsatzes stehen. Die C-Kunden sind die restlichen Kunden, mit denen nur geringe Umsätze erzielt werden. Die folgende Abbildung verdeutlicht das Prinzip einer ABC-Analyse der unternehmenseigenen Kunden. Abb. 29: ABC-Analyse Ein Grund, warum ABC-Analysen in der Praxis gern eingesetzt werden, liegt darin, dass die entsprechenden Daten über die Kundenumsätze relativ einfach zu beschaffen und zu verarbeiten sind, und dass ABC-Analysen daher vergleichsweise einfach und nachvollziehbar durchgeführt werden können. Die Ergebnisse haben durchaus eine „Wegweiserfunktion“ für speziellere Maßnahmen des Controllings (vgl. Abschnitt 3.4.2.2). Häufig liegen Unternehmen allerdings Hinweise vor, die Scoring-Modelle zur Segmentierung wesentlich zielführender erscheinen lassen. Derartige Hin- Anteil der Kunden in % Anteil am Umsatz in % 100 80 60 40 20 A B C 10-20 30-40 100 <?page no="171"?> 172 3 Vertrieb im B2B-Marketing weise sind z.B. unterschiedliche Profitabilität einzelner Kunden bzw. Kundensegmente, unterschiedliche Preisdurchsetzbarkeit, unterschiedliche strategische Bedeutung einzelner Kunden, unterschiedliche Besuchselastizitäten etc. Die folgende Tabelle zeigt ein Beispiel für ein Scoring-Verfahren in Anlehnung an Albers und Krafft (2000, 520). Kriterium Bewertung des Kunden (1-5) Gewichtung des Kriteriums (in %) Wert Bedarfsvolumen 4 35 140 Wachstum des Kunden 2 10 20 Bonität 2 10 20 Strategische Bedeutung 2 10 20 Profitabilität 3 25 75 Preisdurchsetzbarkeit 1 10 10 Summe 100 285 Tab. 10: Scoring-Verfahren zur Kundensegmentierung Dabei ist ein schrittweises Vorgehen üblich: Im ersten Schritt werden die verschiedenen Kriterien (z.B. Strategische Bedeutung) definiert, die für die Kundensegmentierung berücksichtigt werden sollen. Dabei sollten sämtliche Kriterien herangezogen werden, die für eine Differenzierung von Kunden relevant sein können. Den Kriterien können Gewichtungen zugewiesen werden, die ausdrücken, mit welchem Gewicht sie in die Segmentierung eingehen. Im zweiten Schritt wird jeder Kunde in Bezug auf alle Kriterien bewertet. Dabei drückt eine höhere Punktzahl auch eine bessere Bewertung des Kunden aus. Im dritten Schritt werden die Bewertungspunkte mit den Gewichtungsfaktoren multipliziert und die Ergebnisse aufsummiert. <?page no="172"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 173 Der resultierende Punktwert des Kunden dient der Eingruppierung in ein Kundensegment, das dann wiederum im vierten Schritt eine bestimmte Besuchsnorm zugewiesen bekommt (z.B. zwei Besuche pro Monat). Dabei muss natürlich sichergestellt sein, dass die insgesamt leistbare Arbeitszeit der Außendienstmitarbeiter nicht überschritten wird und dass folglich nicht mehr Arbeits- und Reisezeit verplant wird, als tatsächlich auch zur Verfügung steht. Schließlich sind manuelle Korrekturen der Ergebnisse nötig, um die konkreten Umstände zu berücksichtigen und eine optimale Lösung zu erhalten. Letztlich sind auch mathematische Planungsmodelle zur Besuchszeiten-Allokation möglich, die sich weniger an vergangenen Umsätzen orientieren und vielmehr auf der Kenntnis bestimmter Faktoren - wie z.B. dem Deckungsbeitragssatz, der Besuchselastizität, dem Besuchszeit- und Reisezeitanteil - beruhen. Es handelt sich dabei um Optimierungsprobleme, welche die knapp bemessene Arbeitszeit (AZ ADM ) von Außendienstmitarbeitern auf die Menge der Kunden (I) verteilt. Dabei errechnet sich die Besuchszeit beim i-ten Kunden (t i ) als Funktion von Deckungsbeitragssatz (D i ), Umsatz (U i ), Elastizität (E i ) und Besuchszeitanteil (B i ) entsprechend der folgenden Formel (Albers 1998): t = B × D × U × E D × U × E AZ (i I) Der in der Berechnungsformel verwendete Deckungsbeitragssatz (D i ) wird bestimmt aus dem Verhältnis des Deckungsbeitrags 1 (vor Marketing- und Overhead-Kosten) zum Umsatz. Derartige Deckungsbeitragssätze im Industriegüterbereich könen durchaus bei 50% liegen (Albers und Krafft 2013, 123). Die Besuchszeitelastizität (E i ) beschreibt, wie sich der Umsatz mit bestimmten Kunden in Abhängigkeit von der Anzahl der Besuche verhält. Üblicherweise wird diese Größe aus Marktdaten und Erfahrungswerten geschätzt. In der Formel stellen Umsatz und Elastizität Größen dar, die voneinander abhängen, sodass wiederholte Anwendungen erforderlich sind, um eine Konvergenz zum Optimum zu erzielen (Albers 1998). <?page no="173"?> 174 3 Vertrieb im B2B-Marketing Kundenbesuche durch Außendienstmitarbeiter sind allerdings keine abstrakten Vorkommnisse, die sich durch „erfolgt“ oder „nicht erfolgt“ beschreiben lassen, sondern zeichnen sich durch eine bestimmte Qualität und eine bestimmte Dauer aus. Dabei hängt die Besuchzeit - also die Dauer eines Kundenbesuchs - sehr stark von der Intention des Besuchs ab. So leuchtet ein, dass Erinnerungsbesuche von sehr viel kürzerer Dauer sein können als explizite Beratungsbesuche, bei denen neue Produkte oder Services vorgestellt werden. Ein weiterer Aspekt, der bei der Besuchplanung berücksichtigt werden sollte, ist der sog. Carry-Over-Effekt. Dieser beschreibt, dass Besuche nicht nur einen kurzfristigen Einfluss, sondern auch langfristig bzw. über Betrachtungszeiträume/ Geschäftsjahre hinweg eine positive Wirkung auf den Umsatz haben können. Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn Aufwand und Nutzen von Besuchen gegenübergestellt werden. 33.4.2 Vertriebscontrolling Die vorrangige Zielstellung des Vertriebscontrollings liegt in der langfristigen Erfolgssicherung. Dafür gilt es, die relevanten Einflussfaktoren auf verschiedene Aspekte des Vertriebserfolges - wie z.B. auf die Kundenbindung und die Kundenloyalität - zu identifizieren, transparent zu machen, zu stabilisieren und zu beeinflussen. Dies wird erforderlich, da der Kundenstamm von Unternehmen im Allgemeinen durch Anbieterwechsel, Konkurse oder Geschäftsumstellungen mit der Zeit schwindet. Erkenntnisse der Vertriebscontrollings und des Monitorings der Vertriebsaktivitäten dienen der Koordination sämtlicher Einzelaktivitäten im Rahmen des Vertriebs, dem Abgleich der Aktivitäten mit den Gesamtzielen des Unternehmens sowie dem Abgleich mit Aktivitäten der anderen Unternehmensbereiche. Für eine effiziente Planung von Vertriebsstrategien bedarf es außerdem antizipierter Ergebnisse, d.h. zukunftsorientierter Indikatoren, die den tatsächlichen Ergebnissen vorauslaufen. <?page no="174"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 175 Die Steuerung des Vertriebs erfolgt in vielen Unternehmen immer noch ausschließlich anhand von rein ökonomischen Ergebnissen wie Umsätzen und anderen zumeist quantitativen Daten. Ein wesentlicher Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass vergangenheitsbezogene, messbare Daten genutzt werden, die in der Regel ohne erheblichen Aufwand vom Rechnungswesen bereitgestellt werden können. Im Hinblick auf eine wirklich effiziente Kontrolle der Vertriebsaktivitäten sollten allerdings auch nicht-ökonomische Kriterien berücksichtigt werden. Bei der Analyse muss daher unterschieden werden, ob ökonomische oder vorökonomische Wirkungskategorien vorliegen: Ökonomische Kriterien (Abschnitt 3.4.2.2): Hier liegt eine eindeutige Zweck-Mittel-Relation zu den primären Unternehmenszielen wie z.B. Gewinn und Rentabilität vor. Vorökonomische Kriterien (Abschnitt 3.4.2.3): Hier besteht ein erheblicher Beitrag zur Ursachenanalyse des jeweiligen Zielerreichungsgrades. Zunächst werden in Abschnitt 3.4.2.1 wesentliche Aspekte der Prozesskontrolle der Vertriebsaktivitäten - Monitoring und Außendienstberichterstattung - erörtert. 33.4.2.1 Prozesskontrolle der Vertriebsaktivitäten Das Monitoring der Vertriebsprozesse stellt ein wesentliches Element im Rahmen des Vertriebscontrollings dar. Es dient dazu, den stufenweisen Vertriebsprozesses abzubilden, und liefert Erkenntnisse für die Steuerung und das Benchmarking des Akquisitionsprozesses von Neukunden oder Projekten (z.B. im System- und Anlagengeschäft) (Söhnchen und Albers 2010). Dabei ist ein schrittweises Vorgehen üblich: Erstellung eines idealtypischen Ablaufs einer Neuakquisition in Zusammenarbeit mit dem Außendienst, Datenerfassung in den Phasen, ggf. erfolgt eine Korrektur durch Branchenfaktoren, d.h. eine Segmentierung, Benchmarking der Außendienstmitarbeiter mit der besten und mit der durchschnittlichen Leistung. <?page no="175"?> 176 3 Vertrieb im B2B-Marketing Dieses Benchmarking verfolgt das Ziel, Bestleistungen zu identifizieren, sichtbar zu machen und davon zu lernen. Es gilt die Frage zu beantworten, wodurch sich die jeweilige individuelle Akquisitionsleistung von der entsprechenden Bestleistung unterscheidet. Die folgende Abbildung zeigt ein typisches Vertriebsprozessmonitoring im System- und Anlagengeschäft, wobei der angeführte Mittelwert nach Kundengruppen oder Branchen differenziert werden kann. Abb. 30: Beispiel für Vertriebsprozessmonitoring im System- und Anlagengeschäft Einforderung kundenseitiger Informationen Versendung allgemeiner Informationen Erstkontakt Vor-Ort-Termin (Vorführung) Versand von Angebotskonkretisierung Vor-Ort-Termin (Verhandlung) Abschluss ADM 1 ADM 2 ADM 3 Mittelwert 100 80 60 40 40 30 10 100 100 70 70 60 40 20 100 70 60 50 40 30 15 100 60 50 40 30 10 5 <?page no="176"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 177 Vertriebsmanager müssen in der Lage sein, die Daten zu interpretieren und eine subjektive Einschätzung vorzunehmen. Dies umfasst Faktoren wie z.B. die Qualität der Vorbereitung von Kundenbesuchen, die Qualität der versendeten Materialien oder die Qualität des Kundenservices. Letztlich bleibt die Frage, ob tatsächliche Umsätze (bzw. Abschlüsse) als Leistung angesehen werden können, oder ob nicht lediglich die Inputs der Außendienstmitarbeiter bewertet werden können. Insbesondere bei langen Akquisitionsprozessen kann ein derartiges Prozessmonitoring auch dazu genutzt werden, um mit Akquisitionszielvorgaben (Menge pro Zeiteinheit) und Erfolgswahrscheinlichkeiten je Stufe eine Priorisierung laufender Akquisitionsprojekte vornehmen zu können. Dabei erfolgt die Planung von unten nach oben. Ein rudimentäres und einfaches Instrument, das in der Praxis der Vertriebskontrolle häufig genutzt wird, sind ABC-Analysen (siehe dazu die Erläuterungen in Abschnitt 3.4.1.3). Mit Hilfe von ABC- Analysen können die Kundenstrukturen einzelner Vertriebsmitarbeiter miteinander verglichen werden, um Ansatzpunkte für die Ursachen unterschiedlicher Leistungsparameter zu finden. Gleichzeitig kann eine Steuerung der Mitarbeiter im Hinblick auf die verstärkte Bearbeitung erfolgversprechender A-Kunden erfolgen. Insofern stellen ABC-Analysen im Rahmen der Vertriebskontrolle ein erstes Instrument dar, das sowohl für Monitoring/ Kontrolle als auch für die Steuerung der Vertriebsaktivitäten dienlich sein kann. Obige Ausführungen machen deutlich, dass die Leistungsbeurteilung abhängig von den Informationen der Vertriebsmitarbeiter ist. Daher sind Sensibilität, Vertrauen und Transparenz im Umgang mit den Informationen gefordert. Dies gilt umso mehr, da die Informationen der Außendienstmitarbeiter nicht ausschließlich dem Monitoring und der Kontrolle dienen, sondern gleichzeitig der Identifikation und Beobachtung von Kundenanforderungen und Marktveränderungen. <?page no="177"?> 178 3 Vertrieb im B2B-Marketing Eine gezielte Außendienstberichterstattung nutzt die Tatsache, dass Vertriebsmitarbeiter unmittelbaren Kundenkontakt haben. Der einzelne Außendienstmitarbeiter wird damit zum Lieferanten von Informationen für die anderen Unternehmensbereiche, z.B. Marketing, Produktentwicklung und Unternehmensführung. Gleichzeitig müssen verschiedene Aspekte gewährleistet sein: Die Tätigkeit der Informationsbeschaffung und -weitergabe darf vom Mitarbeiter nicht als Belastung oder zu starke Kontrolle empfunden werden. Sie sollte den Vertrieb an sich nicht behindern oder das Vertrauensverhältnis zum Kunden gefährden. Die Erfassung, Übermittlung und Speicherung der Informationen soll dem Vertriebsmitarbeiter so einfach wie möglich gemacht werden, z.B. durch Online-Verfügbarkeit von Datenbanken. Die Informationen müssen nicht nur abgelegt, sondern auch durch andere Mitarbeiter (z.B. Innendienst) geprüft, weiterverarbeitet und im Unternehmen genutzt werden. Daher ist im Rahmen des Vertriebsprozessmonitorings und der Außendienstberichterstattung eine Konzentration auf wesentliche und relevante Informationen erforderlich. Es geht nicht darum, alle Daten zu sammeln, die verfügbar sind. 33.4.2.2 Vertriebskontrolle mittels ökonomischer Kriterien Unternehmen nutzen zur Kontrolle der Leistungen des Vertriebs eine Vielzahl verschiedener Indikatoren. Dabei werden sowohl Outputmaße (z.B. Umsatz, Marktanteil, Deckungsbeitrag) als auch Inputmaße (z.B. Anzahl der Besuche/ Telefonate, Ausgaben für Verkauf) genutzt (Jackson, Schlacter und Wolfe 1995, 57ff.). Output-Indikatoren können sowohl absolut als auch in Relation zu einem vergangenen Zeitraum oder in Relation zur Kundenanzahl herangezogen werden. Input-Indikatoren dagegen werden ebenfalls sowohl absolut als auch in Relation zum Umsatz verwendet. <?page no="178"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 179 Zu beachten ist, dass die oben angeführten - quantitativen/ ökonomischen - Kriterien in der Regel einen kurzen bis mittleren Planungshorizont aufweisen. Die langfristige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens wird durch rein ökonomische Kriterien häufig vernachlässigt, weswegen eine Kombination mit nichtbzw. vorökonomischen Kriterien (z.B. Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität) erfolgen sollte (Helm 1999). Diese werden im anschließenden Kapitel 3.4.2.3 erläutert. Eines der wichtigsten ökonomischen Erfolgsmaße stellt der Deckungsbeitrag dar, da er die Inputs (bzw. die damit verbundenen Kosten) mit den Outputs (bzw. den damit verbundenen Umsätzen) kombiniert. Im Prinzip zielt die Herangehensweise darauf ab, die Profitabilität zu ermitteln, indem von den generierten Umsätzen alle zurechenbaren Kosten abgezogen werden. Diese Kosten entstehen bis zum Kaufabschluss und beinhalten sowohl Produktions- und Materialkosten als auch Kosten für Retouren, Skonti etc. Damit wird deutlich, dass die Schwierigkeiten der Deckungsbeitragsrechnung zum einen in unterschiedlichen Bezugsobjekten und Aggregationsebenen und zum anderen in den damit verbundenen Problemen bei der Zurechenbarkeit der Kosten liegen. Bezugsobjekte können einzelne Kunden, Kundengruppen, Mitarbeiter oder Vertriebsgebiete sein. Die Aussagekraft der Deckungsbeitragsrechnung hängt letztlich von der korrekten Zuordnung der Kosten und Umsätze zu den Bezugsobjekten ab. Dies ist auf Ebene des Unternehmens relativ einfach, je tiefer die Betrachtungsebene gelegt wird, desto schwieriger wird es, Kosten und Umsätze tatsächlich dem Verursacher zuzurechnen. So können z.B. auf der Kundenseite Beschaffungsverbünde existieren, die eine korrekte Zurechnung der Umsätze erschweren. In der folgenden Tabelle wird ein Beispiel einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung dargestellt, bei der die Bezugsobjekte Mitarbeiter (A, B) und Produkte (I, II, III, IV) sind. <?page no="179"?> 180 3 Vertrieb im B2B-Marketing Bezugsobjekt Mitarbeiter A B Produkt I II III IV I II III IV Produkteinheit Erlös 5 6 7 8 5 7 7 8 variable Stückkosten 4 4 5 7 4 4 5 7 Stückdeckungsbeitrag 1 2 2 1 1 3 2 1 Produkt realisierter Absatz 50 40 70 30 60 50 50 40 Stückdeckungsbeitrag × Absatz 60 80 140 30 60 150 100 40 direkte Produktkosten (Mengenrabatte, Boni) 0 0 10 0 10 0 0 0 Produktdeckungsbeitrag I 50 80 130 30 50 150 100 40 Produktfixkosten, soweit verursachungsgerecht zurechenbar wie Auftragsabwicklungskosten 0 0 10 0 0 0 10 0 sonstige, vom Mitarbeiter gewährte Vergünstigungen an Kunden 0 0 20 0 10 0 0 0 vorläufiger Produktdeckungsbeitrag II 50 80 100 30 40 150 90 40 Deckungsbeitragsorientierte Provision (10%) 5 8 10 3 4 15 9 4 Produktdeckungsbeitrag II 45 72 90 27 36 135 81 36 Mitarbeiter Mitarbeiterdeckungsbeitrag I 234 288 Mitarbeiterfixkosten (Gehalt) 70 70 Mitarbeiterdeckungsbeitrag II 164 218 zum Vergleich Gesamtumsatz Mitarbeiter 1220 1320 Tab. 11: Vertriebskontrolle durch ökonomische Ergebniskontrolle - mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Bei der hier dargestellten Form der Deckungsbeitragsrechnung werden sämtliche direkt zurechenbaren Erlöse und Kosten in der Bezugsobjekthierarchie möglichst weit unten zugeordnet. Die Schlüsselung von Fixkosten wird zur Vermeidung einer nicht verursachungsgerechten Darstellung unterlassen; hiervon ausgenom- <?page no="180"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 181 men sind diejenigen Fixkosten, welche nur aus Gründen der leichteren Kostenerfassung gemeinsam erfasst wurden, wie etwa Auftragsabwicklungskosten. Das je nach gewählter Hierarchie unterste Bezugsobjekt kann durch dieses rechnerische Vorgehen detaillierter beurteilt werden, als dies durch die Kontrolle von realisierten Umsatzbzw. Absatzergebnissen allein erfolgen kann. Der Aufbau ähnelt dem einer (stufenweisen) produktbzw. kundenbezogenen Fixkostendeckungsrechnung. Eine derartige Deckungsbeitragsrechnung bietet folgende Erkenntniswerte: Sie liefert detaillierte Informationen über Absatz und Umsatz einzelner Produkte in den regionalen oder sachlichen Zuständigkeitsbereichen der Mitarbeiter. Sie bietet einen genauen Einblick in die Verkaufsaktivitäten des Mitarbeiters, da diese im Einzelnen mit Kosten bewertet in den Deckungsbeitrag eingehen. Art und Umfang der eingesetzten Verkaufsförderungsinstrumente werden transparent und kontrollierbar. Die Leistungen der Außendienstmitarbeiter werden im Detail nachvollziehbar, sodass nicht nur Resultate bewertet werden können. Im Vergleich zur einfachen Umsatzzahlengegenüberstellung bietet eine detaillierte Deckungsbeitragsrechnung eine größere Aussagekraft bzgl. Mitarbeiter- und Produktleistung. Allerdings ergibt sich aus dem Vergangenheitsbezug der Daten, dass die Deckungsbeitragsrechnung nicht für Planungs- und Steuerungszwecke geeignet ist. Als Instrument der vertrieblichen Ergebniskontrolle ist sie jedoch zweckmäßig, sobald die Rechnung um Ist-Daten bzw. Soll-Vorgaben erweitert wird (Helm und Höser 1995). In der betrieblichen Praxis haben sich neben dem Deckungsbeitrag verschiedene weitere Indikatoren für die Vertriebskontrolle entwickelt (z.B. Liefer- und Marktanteile), die jeweils bestimmte Aspekte des Vertriebserfolges beschreiben. <?page no="181"?> 182 3 Vertrieb im B2B-Marketing Um angesichts der vielfältigen Leistungsmerkmale die Übersicht und die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, haben sich unternehmensinterne Kennzahlensysteme etabliert. Als Kennzahlen werden dabei verschiedene Indikatoren angesehen, die quantitativ erfassbare Sachverhalten in konzentrierter Form darstellen. Die Vorteile derartiger Kennzahlensysteme liegen u.a. im Folgenden: Unterschiedliche Aspekte des Vertriebserfolges und unterschiedliche Planungshorizonte des Managements können auf einen Blick erfasst werden. Ein Vergleich über verschiedene Bezugsobjekte (Mitarbeiter, Kunden) hinweg basiert nicht nur auf einer einzelnen Leistungsdimension. Kennzahlen mehrerer Geschäftsjahre oder Perioden lassen sich zu einer Zeitreihenanalyse zusammenführen, die im Rahmen eines Führungskennzahlensystems genutzt werden kann. Kennzahlen können für die weitergehende Berechnung von Umsatz- und Deckungsbeitragsanalysen genutzt werden. Wie differenziert derartige Kennzahlensysteme sein können, wird anhand der Abbildung 31 gezeigt, die einen Ausschnitt aus Reichmann (1997, 403) darstellt. 33.4.2.3 Vertriebskontrolle mittels vorökonomischer Kriterien Wie bereites angeführt, haben vorökonomische Kriterien in der Regel einen längeren Planungshorizont als rein ökonomische Größen und sind daher als komplementäre Kriterien von Relevanz. Sie dienen häufig als Frühwarnindikatoren, da sie Aussagen zu zukünftigen Absatzchancen und zur zukünftigen Profitabilität eines Unternehmens zulassen. Vertriebsorganisationen, die vorökonomische Kriterien vollkommen außer Acht lassen, begeben sich in die Gefahr, dass unmittelbare Umsätze zulasten der Kundenzufriedenheit überbewertet werden. Kurzfristiges Umsatzstreben kann die zukünftige Entwicklung und Wettbewerbsposition des Unternehmens gefährden (Helm und Höser 1995). <?page no="182"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 183 Abb. 31: Kennzahlensystem im Vertriebscontrolling Besonders die Kundenzufriedenheit und die Kundenloyalität haben sich als zweckdienliche vorökonomische Kriterien durchgesetzt, zumal sie zukünftige Wiederkäufe begünstigen (Szymanski und Henard 2001, 24). Gerade im Direktvertrieb, bei kundendienstintensiven Produkten, bei Produkten mit hohen technischen Standards und generell bei preisintensiven Investitionsgütern ist es für Unternehmen zur Sicherung der Wettbewerbsposition äußerst wichtig zu wissen, wie produktbezogener Umsatzanteil Verkaufsergebnis Marktanteil Vertriebskostenstruktur Marktanteilsentwicklung Personaleffizienz kundengruppenbezogener Umsatzanteil DBU- Steuerung Kundenstruktur Umsatzstruktur Umsatzentwicklung Auftragseffizienz regionenbezogener Umsatzanteil Verkaufsförderungsmaßnahmen Konkurrenzstruktur Auftragsstruktur Auftragsentwicklung Budget/ Kapitaleffizienz betriebsformbezogener Umsatzanteil Werbeerfolgskontrolle Preiselastizität des Marktes Rabattstruktur SGE- Entwicklung Key- Account- Effizienz Strukturanalyse Kennzahlen des Vertriebscontrollings Wirtschaftlichkeitsanalyse Lageanalyse Vertriebsstruktur Marktstruktur Erfolg der Vertriebsaktivitäten Effizienz der Vertriebsorganisation Erfolgsträger (Segmente) <?page no="183"?> 184 3 Vertrieb im B2B-Marketing die Kunden mit welchen Teilleistungen (z.B. Kundendienst) zufrieden sind. Eine auf Teilleistungen bezogene Zufriedenheitsmessung erlaubt es zudem, ein differenziertes Stärken-Schwächen-Profil anzulegen und gezielt jene Teilleistungen zu verbessern, die Unzufriedenheit verursachen und die besonders wettbewerbsrelevant sind. Ein Ansatz zur Bestimmung von Faktoren, die ausschlaggebend für die Zufriedenheit sind, ist das Kano-Modell (Kano 1984), das zwischen Basisfaktoren, Begeisterungsfaktoren und Zusatzfaktoren unterscheidet. Während Basisfaktoren erst auffallen, wenn sie nicht erfüllt werden, sind Zusatz- und Begeisterungsfaktoren häufig ausschlaggebend für bestimmte Entscheidungen. Kundenzufriedenheit ist nicht direkt messbar, sondern kann über Indikatoren bestimmt werden, wie z.B. die Bereitschaft zur Weiterempfehlung, die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufs oder das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein von Beschwerden. Zufriedenheit bezieht sich dabei sowohl auf die Produkt- und Dienstleistungsqualität als auch auf die Interaktionsqualität, wobei als Interaktionspartner im Prinzip sämtliche Mitarbeiter eines Unternehmens zumindest aber sämtliche Vertriebsmitarbeiter infrage kommen (Albers und Krafft 2013, 300). 33.4.3 Management des Außendienstes Mit Vertriebsmanagement ist das systematische Management aller auf den Kunden ausgerichteten Aktivitäten gemeint, die durch Vertriebs- und Außendienstmitarbeiter erbracht werden. Dies beinhaltet neben den in den beiden vorhergehenden Abschnitten erläuterten Aspekte der Planung (Abschnitt 3.4.1) und Kontrolle bzw. Leistungsbeurteilung (Abschnitt 3.4.2) auch verschiedene Aspekte der Personalführung und Mitarbeiterentwicklung. Zunächst geht es damit um die Auswahl, Rekrutierung, Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern, die für den Vertrieb und Außendienst geeignet sind. Mitarbeiterfluktuation ist ein relevantes Thema im Vertrieb, insbesondere aufgrund der persönlichen Beziehungsebenen zwischen einzelnen Kunden und den zugeordneten Vertriebsmitarbeitern. Gerade sehr erfolgreiche Außendienstmitarbeiter sehen sich des Öfteren mit Abwerbeangeboten von Konkur- <?page no="184"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 185 renzunternehmen konfrontiert. Daher gilt es, für die entsprechenden Mitarbeiter geeignete Motivations-, Anreiz- und Führungskonzepte zu entwickeln. Die folgende Abbildung verdeutlicht schematisch die Elemente des Managements des Verkaufsaußendienstes und die Wechselwirkungen zu Strategie, Planung und Controlling. Abb. 32: Elemente des Verkaufsaußendienst-Managements Aus der Literatur sind zwei grundsätzliche Managementphilosophien bekannt, die auch in Vertriebsorganisationen Einsatz finden, nämlich die verhaltens- und die ergebnisorientierte Steuerung. Dabei zeichnet sich eine verhaltensorientierte Steuerung durch eine aktive Rolle der Vertriebsleitung und durch strengere Vorgaben zum Verhalten (z.B. Anzahl und Art der Besuche, umfassendes Coaching und Berichtswesen) aus. Voraussetzung sind kompetente Manager und eher intrinsisch motivierte Mitarbeiter. Ergebnisorientierte Steuerung dagegen greift weniger stark in den Prozess ein und orientiert sich an Leistungsmaßen. Ein derartiger Stil ist eher geeignet, wenn die Mitarbeiter selbst unternehmerisch denken und handeln und vorwiegend extrinsisch motiviert sind. Die folgende Tabelle fasst die grundsätzlichen Herangehensweisen zusammen, Unternehmens- und Vertriebsstrategie Zielsetzung Planung Aktivitäten des Verkaufsaußendienstes Controlling Anreizsysteme Führung Motivation Außendienstentwicklung <?page no="185"?> 186 3 Vertrieb im B2B-Marketing wobei sich in der Praxis häufig ein Mittelweg bzw. eine sog. prozessorientierte Steuerung durchgesetzt hat. Kriterium Verhaltensorientierte Steuerung ergebnisorientierte Steuerung Führung ausgeprägte Überwachung der Verkäufer umfangreiche Führung durch Vertriebsleitung subjektive Leistungsmessung geringe Überwachung der Verkäufer geringe Führung durch Vertriebsleitung objektive Messung des Verkaufserfolges Effekte auf Motivation intrinsische Motivation Orientierung auf das Unternehmen extrinsische Motivation ich-bezogene Orientierung Effekte auf Einstellungen hohes Commitment gegenüber Arbeitgeber höhere Akzeptanz von Führung geringere Risikoneigung geringes Commitment gegenüber Arbeitgeber geringere Akzeptanz von Führung höhere Risikoneigung Effekte auf Verkaufsstrategie eher adaptive (smarte) Verkaufstechnik geringe Besuchsaktivitäten verhältnismäßig umfangreiche Non-Selling-Aktivitäten Verkaufstechnik entspricht eher Hard Selling umfangreiche Besuchsaktivitäten möglichst geringe Non-Selling- Aktivitäten Tab. 12: Verhaltens- und ergebnisorientierte Steuerung im Vertrieb Basis für einen effektiven Verkaufsaußendienst stellen geeignete Mitarbeiter dar, die systematisch rekrutiert werden müssen. Dabei sollten Unternehmen verschiedene Aspekte berücksichtigen: Notwendige Eigenschaften von Kandidaten müssen identifiziert und festgelegt werden, die sich an den tatsächlichen Herausforderungen der Stelle orientieren. Darauf aufbauend können klare Anforderungs- und Fähigkeitsprofile festgelegt werden. Neben der Personalabteilung sind leistungsstarke Vertriebsmitarbeiter in den Prozess einzubeziehen, da sie die Anforderungen aus eigener Erfahrung kennen und zudem i.d.R den Wettbewerb <?page no="186"?> 3.4 Vertriebsplanung, -controlling und -management 187 mit zukünftigen Kollegen nicht fürchten, sondern im Interesse des Unternehmens handeln. Schließlich geht es um die Auswahl der geeigneten Kandidaten, wobei das Verkaufen an sich - entgegen landläufiger Meinung - keine Naturbegabung ist. Empirisch gesehen weisen persönliche Merkmale nur geringe Zusammenhänge mit dem Erfolg auf, andere Faktoren wie Motivation, Rollenverständnis und Fertigkeiten dagegen wesentlich höhere (Ford et al. 1987, 108f.). Neben der Rekrutierung sind wirksame Trainings- und Weiterbildungsprogramme entscheidend für Leistungsfähigkeit und Erfolg von Verkaufsaußendiensten. Gerade die hohe Komplexität der Produkte verbunden mit kurzen Produktlebenszyklen und komplexen Unternehmens-Kunden-Beziehungen machen zielgerichtete und individuell gestaltete Trainingsprogramme immer wichtiger. Neben produktbzw. dienstleistungsspezifischem Wissen können durch Trainings die Kommunikations- und Verkaufsfertigkeiten (Kontaktanbahnung, Umgang mit Widerständen), die technischen Fähigkeiten (z.B. der Umgang mit Datenbanken) und die persönlichen Kompetenzen (z.B. Zeitmanagement, Stressresistenz) verbessert werden. Welche Anreizsysteme zur optimalen Gestaltung des Vertriebs geeignet sind, hängt unmittelbar mit der Wahl der Vertriebsform zusammen, die in Abschnitt 3.3.4 erläutert wird. Bei unternehmensexternen Außendienstlern, die als Selbstständige agieren, geht es vorwiegend um geeignete Provisionssysteme. Wenn jedoch der Außendienst mit unternehmenseigenen Mitarbeitern (z.B. Reisenden) gestaltet wird, dann ist zu klären, welche materiellen und immateriellen Anreizsysteme zum Einsatz kommen sollen. Materielle Anreize beinhalten sowohl monetäre Faktoren (z.B. Festgehalt, Provisionen) als auch nicht-monetäre Faktoren (z.B. Büroausstattung, Dienstwagen, Spesenregelung). Darüber hinaus sind immaterielle Anreize (z.B. Anerkennung, Karrieremöglichkeiten, Freizeitregelungen) oft entscheidend für die Arbeitszufriedenheit und die Loyalität der Mitarbeiter. Die folgende Tabelle gibt einen schematischen Überblick über materielle und immaterielle Anreize. <?page no="187"?> 188 3 Vertrieb im B2B-Marketing materielle Anreize Beispiele monetär Einkommenshöhe, fixe/ variable Entlohnung, Provisionen, Prämien nicht-monetär Dienstwagen, Incentives (Reisen), Sachprämien, Spesenregelungen, Büroausstattung immaterielle Anreize Beispiele personenbezogen Auszeichnungen, Persönlichkeitscoaching, Mentoring, Freizeitgestaltung arbeitsbezogen Titel, Job Rotation, Arbeitszeitenflexibilisierung, Aufstiegschancen, Weiterbildungen organisationsbezogen Veranstaltungen für Mitarbeiter, betriebliches Vorschlagswesen Tab. 13: Materielle und immaterielle Anreize 33.5 Verhandlungen und Verhandlungsmanagement/ persönlicher Verkauf Verhandlungen zwischen Anbietern und Abnehmern haben das Ziel, einen Vertrag abzuschließen, der für beide Seiten eine belastbare Geschäftsgrundlage darstellen kann. Daher sollten Verträge detaillierte Vereinbarungen über den Vertragsgegenstand und die weiteren Konditionen beinhalten, wie z.B. Termine und Zahlunsgbedingungen. Im weiteren Sinne geht es bei Verhandlungen allerdings nicht ausschließlich um rechtliche Aspekte, sondern um jede Art der Kommunikation, die letztlich zu einem Stand führen soll, der für beide Seiten akzeptabel ist. Verhandlungen finden also in den verschiedensten Phasen des Vertriebs statt, nicht ausschließlich in der Vertrags- und Abschlussphase. Idealtypischerweise laufen Verhandlungen schrittweise ab: Vorbereitung, Kontaktherstellung, Motiv- und Bedarfsanalyse, Angebotserstellung, Preis- und Leistungsverhandlungen, Abschluss und Nachbereitung (Hofbauer und Hellwig 2012, 282). <?page no="188"?> 3.5 Verhandlungen und Verhandlungsmanagement 189 Wie derartige Verhandlungen tatsächlich vonstattengehen - ob komplex oder einfach - ist von einer Reihe von Faktoren abhängig, insbesondere vom Vertragsgegenstand, aber auch von der Intensität und Art der Anbieter-Abnehmer-Beziehungen. Im Folgenden werden verschiedene Aspekte des Verhandlungsmanagements erläutert: Verhandlungsführung und Vertriebsteams Inhalte von Verhandlungen Preis- und Finanzierungsaspekte im Vertrieb 33.5.1 Verhandlungsführung und Vertriebsteams In der Vertriebspraxis wie auch in der wissenschaftlichen Literatur sind zahlreiche Konzpte der Verhandlugsführung verbreitet. Dabei wird häufig zwischen harten und weichen Einflussgrößen auf den Verhandlungserfolg unterschieden. Harte Faktoren beziehen sich vor allem auf die Sachebene und betreffen die angebotene Leistung und die Konditionen. Weiche Faktoren dagegen entstammen in erster Linie der Beziehungsebene und sind z.B. Sympathie und wahrgenommene Ähnlichkeit, wahrgenommenes Know-how, wahrgenommenes Risiko, Vertrauen und Nähe, Anpassungsfähigkeit sowie Entwicklungszustand der Geschäftsbeziehung. Dabei gilt, dass es bei Akzeptierbarkeit der harten Faktoren oft auf die weichen Faktoren ankommt, ob Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können oder nicht. Denn letztlich geht es bei Verhandlungen nicht ausschließlich um klärungsbedürftige Sachverhalte, sondern auch um Menschen. Die dargestellten Einflussgrößen auf den Verhandlungserfolg gelten sowohl für einfache, sich wiederholende Transaktionen zwischen einzelnen Personen als auch für komplexere Mehr- Personen-Entscheidungen. Insbesondere bei komplexen Transaktionen, wie sie im Industriegüterbereich häufig vorkommen, sind <?page no="189"?> 190 3 Vertrieb im B2B-Marketing sowohl auf der Verkäuferals auch auf der Käuferseite Teams im Einsatz, derartige Teams werden als Selling bzw. als Buying Center bezeichnet. Buying Center haben sich im Industriegütermarketing im Zuge einer Professionalisierung des Einkaufs entwickelt, um auf die zunehmende Komplexität und Bedeutung von Einkaufsentscheidungen zu reagieren. An derartigen Teams sind unterschiedliche Personen beteiligt, die bestimmte Rollen einnehmen und aufgrund ihrer Rollen entweder direkt oder indirekt einen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben. Mitglieder sind z.B. technische und kaufmännische Einkäufer, spätere Anwender oder externe Experten. Sie verhalten sich jeweils entsprechend ihrer Rolle, dem damit verbundenen Status und den Erwartungen der anderen Mitglieder. Folgende Abbildung gibt einen Überblick über typische Rollen und Funktionen in einem Buying Center. Abb. 33: Rollen und Funktionen in einem Buying Center B u y i n g C e n t e r Initiator Steuerung des Informationsflusses, Kontakte Machtposition, aber keine Detailkenntnisse, daher geprägt von Unsicherheit Entscheider Lieferantenauswahl, formaler Kaufabschluss Einkäufer Einfluss aufgrund von Erfahrungswissen, Verwendung des Kaufobjektes Benutzer Meinungsführer, informelle Einflussnahme, z.B. durch Standards Beeinflusser Informationsselektierer <?page no="190"?> 3.5 Verhandlungen und Verhandlungsmanagement 191 Für den Vertrieb und die optimale Ausgestaltung des Vertriebsteams (z.B. in Form eines Selling Centers) ist es entscheidend, den Umfang, die Zusammensetzung und die Funktionsweise des gegenüberstehenden Buying Centers zu verstehen, um optimale Interaktionsöglichkeiten zu schaffen. Vertriebsteams setzen sich aus Mitarbeitern verschiedener Funktionsbereiche und Hierarchieebenen eines Unternehmens zusammen. Dabei haben sich zwei unterschiedliche Formen entwickelt, die sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und ihrer Ziele unterscheiden (Frenzen 2009, 27). Selling Center: projektbezogene, häufig variable Teams aus geeigenten Mitarbeitern, deren Ziel darin besteht, ein Projekt oder eine Verhandlung erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Core Selling Teams: fest installierte organisatorische Einheiten, deren Zielsetzung darin besteht, die Kundenbeziehungen strategisch und langfristig zu entwickeln und zu pflegen. Die Zusammensetzung eines Vertriebsteams - in Form eines Selling Centers oder eines Core Selling Teams - orientiert sich am Kunden bzw. am gegenüberliegenden Einkaufsteam oder Buying Center. Letztlich kann jedem Mitglied eines Buying Centers eine Person im Selling Center zugeordnet werden, die dann rollenspezifisch auf die Argumente eingeht, d.h. negative Argumente zu entkräften und positive Argumente zu stärken versucht. Dabei kommt es z.B. darauf an, welche Art und welchen Umfang an Informationen die Mitglieder des Einkaufsteams benötigen und welches Entscheidungsverhalten (rational/ emotional) sie aufweisen. Neben Vertriebsmitarbeitern sollten die Mitglieder eines Selling Centers daher aus verschiedenen weiteren betrieblichen Funktionsbereichen stammen: Geschäftsführung, Forschung und Entwicklung, Fertigung sowie Finanzierung. Eine besondere Aufgabe eines Selling Centers besteht darin, die im gegenüberliegnden Buying Center unweigerlich vorhandenen Förderer und Behinderer eines Kauf- oder Projektabschlusses zu identifizieren und zu bearbeiten. In diesem Zusammenhang ist häufig von dem Promotoren-/ Opponentenmodell die Rede. Promotoren sind jene Personen, die von der Initierung bis zum Kauf eine aktive Förderung betreiben; Opponenten sind jene Personen, die Entscheidungsprozesse behindern und verzögern. <?page no="191"?> 192 3 Vertrieb im B2B-Marketing Opponenten sind häufig direkt von der Beschaffung betroffen, z.B. durch eine absehbare/ drohende Veränderung der eigenen Arbeitsabläufe. Typische Argumente der Opponenten gegen eine Beschaffung sind wahrgenommene Unsicherheiten bezogen auf die Technologie, finanzielle Risiken, unklare Wirtschaftlichkeit sowie unabsehbare ökologische und soziale Technologiefolgen. Letztlich stellt sich für ein Vertriebsteam die Frage, wie diese Argumente entkräftet werden können, um z.B. mit der Nennung von Referenzkunden, zu einer Verringerung von Risiken und Unsicherheiten beizutragen. Promotoren, also potenzielle Förderer, lassen sich hinsichtlich ihrer Machtquellen und ihrer Rollen im Entscheidungsprozess in verschiedene Gruppen einteilen. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über drei grundlegende Typen von Promotoren und deren Machtquellen, Leistungsbeiträge und Barrieren. Machtquellen Leistungsbeiträge Barrieren Machtpromotoren hohe hierarchische Position stellt organisatorische Ressourcen bereit legt Ziele fest gewährt Anreize sanktioniert Akteure blockiert Opponenten Willensbarrieren Hierarchiebarrieren Fachpromotoren Expertenkompetenz evaluiert neuartige und komplexe Probleme beurteilt und entwickelt Problemlösungsvorschläge realisiert Problemlösungen initiiert und fördert fachspezifische Lernprozesse fachspezifische Fähigkeitsbarrieren Prozesspromotoren Organisationskenntnisse organisationsinterne Kommunikationspotenziale sammelt, filtert, übersetzt und interpretiert Informationen leitet Informationen gezielt an Akteure weiter fördert Kommunikationsbeziehungen und Koalitionen zwischen Akteuren organisatorische und administrative Barrieren Tab. 14: Grundlegende Typen von Promotoren in Verhandlungen <?page no="192"?> 3.5 Verhandlungen und Verhandlungsmanagement 193 33.5.2 Verhandlungsinhalte In den Verhandlungen werden die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt, von der Leistungserstellung und einer eventuellen Inbetriebnahme über den Betrieb bis hin zu Garantie- und Wartungsleistungen. Vertragsverhandlungen bilden häufig den Abschluss eines länger andauernden Austauschs von Informationen über Bedürfnisse, Möglichkeiten, technische Spezifikationen und wirtschaftliche Aspekte. Aus der Praxis sind grundlegende Bestandteile von Lieferanten-Kunden-Verträgen, sozusagen unverzichtbare Verhandlungspunkte bekannt. Diese sind sowohl technischer Natur als auch betriebswirtschaftlicher/ rechtlicher Natur. Technische Aspekte in Verhandlungen Leistungen und deren Modifikationen (inkl. Normvorschriften): Eine genaue Festlegung des Liefer- und Leistungsumfanges muss erfolgen. Hier gilt, dass je weniger konkret Lastenheft bzw. Spezifikationen sind, desto umfangreicher sind in diesem Punkt die Verhandlungen. Insbesondere muss geklärt werden, wie mit technischen Neuentwicklungen oder auch Abmagerungen der vereinbarten Leistung umgegangen wird, d.h. wer für Planungsänderungen aufkommen muss. Dabei sollte eine enge Abstimmung mit den Preisverhandlungen erfolgen. Liefertermine und Inbetriebnahme: Termine für Lieferungen inkl. möglicher Teillieferungen sind festzulegen. Dabei sind Fragen der Inbetriebnahme, der Abnahme, des Probebetriebs ebenso zu klären wie der Umgang mit Abnahmeverzögerungen die ggf. nicht durch den Anbieter zu vertreten sind. Mit der Abnahmeerklärung erkennt der Kunde die Leistungserbringung durch den Lieferanten im Wesentlichen an, kleinere Mängel können nachgebessert werden. Schulungen: Bedienerschulungen sind häufig Bestandteil des Leistungsumfanges. In den Verhandlungen sind Umfang, Ort, Inhalt (Betrieb, Wartung, Reparatur) der Schulungen festzulegen. <?page no="193"?> 194 3 Vertrieb im B2B-Marketing BBetriebswirtschaftliche/ rechtliche Aspekte in Verhandlungen Preis, Finanzierungs- und Zahlungsbedingungen: Festzulegen sind neben der Höhe des Preises eine Vielzahl weiterer Punkte wie die Art der Begleichung, Teilzahlungen, Stichtage, Währung, An- und Abschlusszahlungen, Zinssätze bei Verzögerungen, Vertragsstrafen, Verzugszinsen (gegenseitige), Sicherheiten (z.B. Bankbürgschaften) und die Frage, wer weitere Kosten (z.B. Zölle, Transport, Verpackung, Versicherungen) übernimmt. Inkrafttreten des Vertrages: Dies erfolgt üblicherweise mit einer rechtsverbindlichen Unterschrift, wobei geklärt werden muss, welche Personen diese leisten dürfen. Ein Inkrafttreten kann aber auch an besondere Voraussetzungen gebunden sein, z.B. das Vorliegen von Genehmigungen. Eigentums- und Gefahrenübergang: Der Eigentums- und Gefahrenübergang ist nach gültigem Recht zu regeln. In vielen Bereichen kann auf die sog. Incoterms-Regelungen (International Commercial Terms) zurückgegriffen werden. Diese im internationalen Handelsverkehr gebräuchlichen Vertragsformeln regeln die Pflichten von Käufer und Verkäufer, insbesondere den Gefahren- und Kostenübergang vom Verkäufer auf den Käufer (Transportkosten, Transportrisiko wie z.B. Verlust oder Beschädigung der Ware, Versicherungskosten). Gewährleistungen: Gewährleistungsansprüche sind gesetzlich geregelt, spezielle Regelungen zu Umfang und zeitlicher Begrenzung können getroffen werden. Zu klären ist, wann eine Gewährleistung beginnt (z.B. mit der Abnahme). Eine Haftung für indirekte Schäden oder für Mängelfolgeschäden (z.B. Produktionsausfälle, entgangene Gewinne, höhere Produktionskosten oder Datenverlust) ist möglichst auszuschließen. Anzuwendendes Recht und Schiedsgerichtsbarkeit: Der Festlegung des anzuwendenden Rechts kommt aufgrund erheblicher Unterschiede in den Rechtsfolgen eine hohe Bedeutung zu. Ein neutrales Schiedsgericht ist bei internationalen Verträgen zu empfehlen, insbesondere da öffentliche Verhandlungen vermieden werden können. <?page no="194"?> 3.5 Verhandlungen und Verhandlungsmanagement 195 Gerade bei langfristigen Projekten, wie sie im Industriegütermarketing üblich sind, können Veränderungen der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen nicht ausgeschlossen werden und sich auf Leistungen und Kosten unweigerlich auswirken. Mit derartigen Veränderungen sollte in Verträgen sinnvoll umgegangen werden, z.B. indem Preisgleitklauseln festgelegt werden. 33.5.3 Preis- und Finanzierungsaspekte im Vertrieb Preis-, Konditionen- und Finanzierungsaspekte spielen unbestreitbar eine herausragende Rolle in Marketing und Vertrieb. Dabei lässt sich zunächst feststellen, dass Anbieter und Nachfrager eines Produkts oder einer Leistung grundsätzlich entgegengesetzte Ziele verfolgen. Anbieter streben nach möglichst hohen Erlösen, also nach hohen Preisen, die sich unmittelbar gewinnsteigernd auswirken. Abnehmer streben hingegen nach möglichst geringen Kosten und daher auch geringen Preisen. Hohe Preise wirken sich demzufolge aus der Sicht der Anbieter nutzensteigernd und aus der Sicht der Abnehmer nutzenminimierend aus. Gerade da in Fragen des Preises ein hohes Risiko besteht, dass Verhandlungen scheitern, ist ein professionelles Preis- und Konditionenmanagement im Vertrieb erforderlich. Im Industriegüterbereich werden Verkäufern häufig gewisse Spielräume in den Preisverhandlungen zugestanden. Gerade bei intensiven und langfristigen Kundenbeziehungen erweist sich eine dezentrale Preisbestimmung als vorteilhaft, da Außendienstmitarbeiter häufig die Zahlungsbereitschaft der von ihnen betreuten Kunden besser kennen als die zentralen Stellen im Unternehmen. Dadurch können unterschiedliche Zahlungsbereitschaften besser abgeschöpft werden. Wenn Vertriebsmitarbeiter Preise und sonstige Konditionen in Verhandlungen selbstständig festlegen können, spricht man von einer Delegation der Preisfestsetzungskompetenz (Lauszus und Kneller 2002, 111). Dabei geht es sowohl um den Preis an sich als auch um Nachlässe (z.B. Rabatte, Boni, Skonti), Konditionen (Absatzkredite, Finanzie- <?page no="195"?> 196 3 Vertrieb im B2B-Marketing rung) und sonstige Leistungen (z.B. kostenfreie Serviceleistungen). Diese Delegation kann in verschiedenen Schritten erfolgen: Die Preisfestsetzung erfolgt von zentraler Stelle, Abweichungen sind nur nach Rücksprache und Genehmigung der Vertriebsleitung möglich. Verkäufer erhalten Preisspielräume, die sie in Verhandlungen ausschöpfen können. Verkäufer haben vollständige Kompetenzen bei der Preisfestsetzung. Zielsetzung ist aus Anbietersicht, innerhalb eines Preisverhandlungsbereiches dadurch Gewinne zu erzielen, dass der ausgehandelte und letztlich zu bezahlende Preis möglichst nahe an der tatsächlichen Preisbereitschaft des Abnehmers liegt (siehe Abbildung 34). Dabei sind gute Vertriebsmitarbeiter in der Lage, durch eine geschickte Argumentation den wahrgenommenen Wert einer Leistung zu steigern und damit die Preisbereitschaft zu erhöhen. Abb. 34: Preisbereitschaft zwischen Anbieter und Abnehmer Preisverhandlungsbereich Verhandlungsgewinn des Anbieters Verhandlungsgewinn des Abnehmers ausgehandelter Preis Kosten Preisbereitschaft <?page no="196"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 197 33.6 Internationaler Vertrieb In vielen Bereichen des Industriegüteraber auch des Konsumgütermarketing wirken sich Veränderungen der Produktions- und Absatzmengen nur geringfügig auf die Gesamtkosten aus. Dies gilt zum einen dann, wenn der Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten vergleichsweise hoch ist, und zum andern dann, wenn sich aufgrund einer ausgeprägten sog. Fixkostenremanenz die Fixkosten auch bei einer Erhöhung (bzw. auch Verringerung) der Produktion nicht unmittelbar erhöhen (bzw. verringern). Vor diesem Hintergrund ist eine Ausdehnung der Vertriebs- und Absatzgebiete auf internationale Märkte besonders sinnvoll, da diese Märkte zumeist mit bestehenden Kapazitäten bedient werden können und sich die Gesamtkostenposition nicht dramatisch verändert. Zudem lassen sich aufgrund der Erhöhung der Produktionsmenge weitere Skalen-und Verbundeffekte (Economies of Scale and Scope) generieren. Da es sich bei dem Absatzbereich in vielen Fällen um den entscheidenden - oder zumindest einen wesentlichen - Engpassfaktor handelt, stellt sich für Unternehmen die Frage nach dem ob und wie der Internationalisierung des Vertriebs. Damit verbunden sind weitere Entscheidungsaspekte, mit denen sich Unternehmen bei der Internationalisierung des Vertriebs auseinandersetzen und die im folgenden Kapitel erläutert werden: Auswahl und Bearbeitung internationaler Märkte Internationale Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien Institutioneller internationaler Markteintritt Finanzierungsaspekte im internationalen Vertrieb 3.6.1 Auswahl und Bearbeitung internationaler Märkte Gerade kleinere und mittlere Unternehmen tendieren dazu, die Auswahl internationaler Märkte von einer möglichst geringen Distanz zum Heimatmarkt abhängig zu machen. Dies beinhaltet sowohl eine möglichst geringe psychische Distanz, eine geringe kulturelle Distanz als auch eine geringe geografische Distanz zum <?page no="197"?> 198 3 Vertrieb im B2B-Marketing heimischen Markt. Daher besteht der erste Schritt einer Internationalisierung der Vertriebsaktivitäten häufig in der Bearbeitung von Anrainerstaaten. Gleichwohl sollte sich die Marktauswahl an objektiven Bewertungskriterien orientieren, wie z.B. den ökonomischen Rahmenbedingungen. Ausgehend von einem Verständnis der Mikro- und Makroumwelt sollte eine möglichst objektive Bewertung der Attraktivität internationaler Märkte und Marktsegmente möglich sein. Folgende Abbildung zeigt exemplarisch Aspekte und Ablauf der Marktbewertung. Abb. 35: Typischer Ablauf einer Marktbewertung Die Beschreibung der Makroumwelt bezieht sich nicht nur auf das Marktpotenzial, Marktvolumen und die Marktausschöpfung, sondern ebenfalls auf weitere relevante Rahmenbedingungen, insbesondere: ökonomische Rahmenbedingungen: z.B. Entwicklung des Bruttosozialprodukts, Entwicklung der Beschäftigung, Branchenentwicklungen, Markt im Allgemeinen beschreiben Positionierung der Konkurrenten kennen Mikro- und Makroumwelt kennen Kaufentscheidungen verstehen unternehmensspezifische Ressourcen Marktsegmente bilden Märkte/ Segmente beschreiben und Attraktivität bewerten <?page no="198"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 199 technologische Rahmenbedingungen: z.B. länderspezifische Änderungen der technologischen Basis, Technologielebenszyklen können wesentliche Faktoren des Wachstums sein, politisch-rechtliche Rahmenbedingungen: z.B. Arbeitszeiten, Steuern, Betriebsgenehmigungen, Umweltschutzbestimmungen sowie allgemein ökologische und umweltpolitische Rahmenbedingungen, sozio-kulturelle Rahmenbedingungen: z.B. gesellschaftliche Werte, Ähnlichkeit der Kulturen, Multikulturalität als Erwartungshaltung der Abnehmer. Im Rahmen der Analyse der Mikroumwelt geht es darum, die Wettbewerbskräfte auf einem oder mehreren internationalen Märkten zu verstehen. Ausgangspunkt kann eine länderspezifische Branchenstrukturanalyse (sog. Five Forces nach Porter 1999) sein, die eine Charakterisierung der Marktteilnehmer ermöglicht (Preis- und Konditionenpolitik, Verhandlungsmacht und -bereitschaft, Vertriebssysteme, Wettbewerbsstruktur). Entscheidend ist die Kenntnis der Kunden (und Nicht-Kunden) und deren Verhalten bzw. Verhaltensdeterminanten sowie daraus abgeleitet die Fähigkeit, Marktchancen zu erkennen und zu nutzen (Gleissner, Helm und Kreiter 2013). Im Bereich des Industriegütermarketing stehen Informationen über das Kaufverhalten im gewerblichen Bereich im Vordergrund. Ansatzpunkte bieten die Identifikation länderspezifischer Buying Center (siehe Abschnitt 3.5.1) sowie von Vertriebs- und Wettbewerbsstrukturen. Gerade über geografische Grenzen hinweg stellt dabei die Informations- und Datenbeschaffung ein nicht unerhebliches Problem dar. Zur Objektivierung der Marktauswahl können verschiedene Bewertungsmodelle genutzt werden, welche auf Kriterien basieren, die folgende Eigenschaften aufweisen sollten: Messbarkeit, Zugänglichkeit und Verwertbarkeit durch das Marketing. Abbildung 36 zeigt, dass dabei insbesondere zwischen den beiden erstgenannten und dem letztgenannten Kriterium entgegenlaufende <?page no="199"?> 200 3 Vertrieb im B2B-Marketing Tendenzen bestehen. Dabei beschreiben Geografie und Zugänglichkeit z.B., wie viele ähnliche Länder zugänglich sein können (Skandinavien, Mittlerer Osten, Mittelamerika). Politische Faktoren beinhalten Aussagen zu Stabilität, Korruption und Gesetzgebung. Die Industriestruktur umfasst u.a. Aussagen zur Konzentration, zur Handelslandschaft und zur Bedeutung ausländischer Unternehmen. Abb. 36: Bewertungskriterien für internationale Märkte Die spezifischen Kriterien - kulturelle und psychografische Charakteristika - beschreiben u.a. den Einfluss von Werten auf Kaufentscheidungen und optimale Vermarktungsstrategien. Dabei gelten die sog. AIO-Werte (Activities, Interests, Opinions), die in der Marktforschung sehr häufig verwendet werden, als verlässliche Beschreibungselemente, da sie sich meist nicht oder nur sehr langsam verändern: geringes Ausmaß an Messbarkeit und Zugänglichkeit hohes Ausmaß an konkreter Verwertbarkeit für das Marketing hohes Ausmaß an Messbarkeit und Zugänglichkeit geringes Ausmaß an konkreter Verwertbarkeit für das Marketing generelle Kriterien Geografie, Zugänglichkeit Sprache politische Faktoren Demografie wirtschaftliche Verhältnisse Industriestruktur verfügbare Technologien Gewerkschaften religiöse Faktoren Erziehung und Ausbildung spezifische Kriterien kulturelle Charakteristika psychografische Faktoren‚ (AIO - Activities, Interests, Opinions) <?page no="200"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 201 Aktivitäten: Arbeit, Freizeit-, Sport- und Urlaubsverhalten, Einkaufsgewohnheiten, Unterhaltung, Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden oder Communities etc. Interessen: Beruf, Familie, Ernährungsgewohnheiten, Mode, Medienkonsum etc. Meinungen: Meinungen über die eigene Person, Geld und Wirtschaft, Politik, Erziehung, Produkte, die Zukunft, Kultur, soziale Fragen etc. Letztlich dient die Kenntnis kultureller Besonderheiten des Zielmarktes einer effizienten und effektiven Vertriebsaktivität. Dabei lassen sich sowohl in Verhandlungen als auch in anderen vertriebsspezifischen Situationen Unterschiede in typischen Handlungsmustern zwischen einzelnen Kulturkreisen feststellen. Folgende Abbildung zeigt Beispiele für kulturbedingte Unterschiede zwischen China und Deutschland in typischen Vertriebssituationen. Abb. 37: Beispiele für kulturbedingte Unterschiede in typischen Vertriebssituationen C h i n a Kundeneinstellung zu Wartungsproblem: „Es ist unser gemeinsames Problem. Durch Mitarbeit bei der Problemlösung werde ich anerkannt und wertvoll für mein Unternehmen.“ Kundeneinstellung zu Wartungsproblem: „Es ist ein Problem des Herstellers. Er ist dafür verantwortlich und muss sich darum kümmern.“ Buying Center: Der „Schreiber“ im Hintergrund ist der eigentliche Chef des Teams, er tritt jedoch erst am Ende der Verhandlungen in den Vordergrund. Buying Center: Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Mitglieder des Teams sind von Beginn an allen klar. D e u t s c h l a n d <?page no="201"?> 202 3 Vertrieb im B2B-Marketing In der wissenschaftlichen Literatur haben sich verschiedene Kulturkonzepte im Zusammenhang mit internationalen Geschäftsbeziehungen durchgesetzt, z.B. jene von Hall (1976) oder Hofstede (2001 und 2010). Hall (1976) stellt kulturelle Unterscheide im Kontextbezug bei der Kommunikation (speziell der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung) fest. In Kulturen mit starkem Kontextbezug (sog. „high context cultures“) ist es nicht üblich, Dinge direkt beim Namen zu nennen. Das Erwähnen zu vieler Details kann negativ ausgelegt werden. Gesten und Gesichtsausdrücke von Gesprächspartnern, Anspielungen, Umstände der Begegnung und weitere Kontextfaktoren sind wesentliche zusätzliche Informationsträger. In Kulturen mit schwachem Kontextbezug („low context cutures“) wird dagegen nicht erwartet, dass der Großteil der Informationen bereits bekannt und ohne Sprache erkennbar ist. Die Dinge werden konkret beim Namen genannt, man fühlt sich verpflichtet, einem Gegenüber möglichst klare und präzise Angaben zu machen. Aus die- Abb. 38: Kulturkonzept in Abhängigkeit vom Kontextbezug Gruppenkonformität Streben nach Harmonie Akzeptanz von Problemen ausgeprägtes Hierarchiedenken Belohnung basiert auf Alter „high context culture“ Individualismus Konfrontation Lösungssuche bei Problemen geringes Hierarchiedenken Belohnung basiert auf Leistung „low context culture“ schwach stark Art der Botschaft explizit implizit Schweiz Deutschland Skandinavien Nordamerika Großbritannien Frankreich Italien/ Spanien Lateinamerika Arabien Japan/ China Kontextbezug <?page no="202"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 203 ser Charakterisierung wird deutlich, dass eine Kommunikation zunehmend schwieriger wird, je größer die Entfernung zwischen den Kulturkreisen ist. Abbildung 38 zeigt Beispiele für die Einordnung unterschiedlicher Kulturkreise (Hall 1976). Hofstede (2001) differenziert Länder nach den sechs Kulturdimensionen Machtdistanz, Kollektivismus und Individualismus, Maskulinität versus Femininität, lang- oder kurzfristige Ausrichtung, Nachgiebigkeit und Beherrschung sowie Ungewissheitsvermeidung. So konnte er z.B. feststellen, dass skandinavische Länder eine geringe Maskulinität aufweisen, während diese in Italien, Japan oder Österreich höher ausgeprägt ist. Für einen tieferen Einblick und eine Kritik an Hofstedes Kulturkonzept sei an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur verwiesen, z.B. Hofstede, Hofstede und Minkov (2010), Hansen (2000) und McSweeney (2002). Ein etabliertes Bewertungssystem zur Länderrisikoanalyse, das international etabliert ist und im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen herangezogen wird, stellt der BERI-Index dar (folgende Tabelle 15), der von der Business Environment Risk Intelligence S.A. erstellt wird. Der Index basiert auf einer Expertenbewertung (Delphi-Methode) verschiedener Kriterien, die gewichtet in eine Gesamtbewertung einfließen. Der Index kann durchaus für eine Grobselektion von Auslandsmärkten genutzt werden, ist aber als alleiniges Hilfsmittel ungeeignet, da er 1.) stark vergangenheitsorientiert ist und eine eingeschränkte prognostische Relevanz besitzt, 2.) einen geringen Bezug zu unternehmerischen Aktivitäten aufweist (z.B. fehlende Branchenorientierung) und schließlich 3.) aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit einzelner Kriterien, methodische Schwächen besitzt. Der BERI-Index sollte daher in Kombination mit spezifischen Länder-, Standort- und Marktanalysen eingesetzt werden. Anschließend sollte eine Gegenüberstellung (z.B. Portfolio) von Attraktivität/ Risiko und der eigenen Wettbewerbsstärke (d.h. der Fähigkeit, geeignete Vertriebsmaßnahmen umzusetzen) erfolgen. Derartige Maßnahmen können sowohl ursachenbezogen als auch wirkungsbezogen sein, wie die in der folgenden Abbildung 39 dargestellten Beispiele zeigen. <?page no="203"?> 204 3 Vertrieb im B2B-Marketing Kriterium Gewichtung (3-0,5) Bewertung (4-0) BERI- Index politische Stabilität 3 Wirtschaftswachstum 2,5 Währungskonvertibilität 2,5 Arbeitskosten/ Produktivität 2 kurzfristige Kredite 2 langfristige Finanzierungsmöglichkeiten / Venture Capital 2 Einstellung gegenüber ausländischen Investoren 1,5 Verstaatlichungstendenzen 1,5 Inflation 1,5 Handelsbilanz 1,5 Durchsetzbarkeit von Verträgen 1,5 bürokratische Verzögerungen 1 Kommunikationsinfrastruktur 1 lokale Managementkapazität 1 professionelle Dienstleistungen 0,5 25 * max 4 max 100 Einzelbewertung: 0 (unakzeptabel) bis 4 (bestens) Gesamtbewertung: <40 (sehr hohes Risiko, nur unter außergewöhnlichen Umständen zu bearbeiten); 40-54 (risikoreiches Land, Managementqualität muss hervorragend sein); 55-69 (aufstrebende Volkswirtschaft mit Potenzial); 70-79 (relativ günstige Umstände in fortschrittlicher Volkswirtschaft); >80 (äußerst günstige Umstände in fortschrittlicher Volkswirtschaft) Tab. 15: Internationale Marktbewertung (BERI-Index) <?page no="204"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 205 Abb. 39: Beispiele für Maßnahmen der Risikobewältigung auf Auslandsmärkten 33.6.2 Internationale Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien Hinsichtlich des Eintritts in internationale Märkte existieren zwei grundlegende strategische Ansätze, die sich hinsichtlich der zeitlichen Abfolge (Sequenz) unterscheiden (Meckl 2014): Wasserfallstrategie Sprinklerstrategie Bei einer Wasserfallstrategie werden zunächst die attraktivsten (z.B. die naheliegenden) Märkte, danach die etwas weniger attraktiven Märkte usw. bearbeitet. Dieses Vorgehen nutzt die Tatsache, dass Lerneffekte erzielt werden können und dass Fehler in einzelnen Märkten leichter korri- Art des Risikos ursachenbezogene Risikobewältigung wirkungsbezogene Risikobewältigung Transportrisiko Produktionsverlagerung ins Ausland Transportversicherung Währungsrisiko Leistungserstellung im Ausland Fakturierung in Inlandswährung Währungsklausel Fremdwährungskredit Devisenterminkontrakt Währungsoption Marktrisiko regionale Risikostreuung wirtschaftliches Risiko Bonitätsauskünfte Vertragsgestaltung (z.B. Anzahlung, Vorauszahlung) Versicherung Factoring Exportrisikogarantie Produkt- und Leistungsanpassung <?page no="205"?> 206 3 Vertrieb im B2B-Marketing giert werden können. Nachteilig wirkt sich bei einem sukzessiven Vorgehen der relativ hohe Zeitaufwand aus, der notwendig ist, bis mehrere internationale Märkte adressiert werden. Eine Sprinklerstrategie dagegen zielt auf einen möglichst gleichzeitigen Eintritt in mehrere Auslandsmärkte ab. Dadurch kann eine Risikosenkung erfolgen, wenn sich einzelne Märkte als nicht erfolgversprechend erweisen. Eine derartige Strategie geht i.d.R. mit einem erheblich höheren Ressourcenaufwand einher. Sinnvoll kann dies dann sein, wenn aufgrund kurzer Innovationszyklen möglichst schnell hohe Cashflows zu generieren sind. Darüber hinaus kann die Markteintrittssequenz von Konkurrenzaktivitäten oder der Vermarktung unterschiedlicher Produktgenerationen abhängig sein. Im Hinblick auf eine konkurrenzbezogene Eintrittssequenz lässt sich wiederum zwischen einer Pionier- und einer Folgerstrategie unterscheiden. Der Marktpionier tritt als erster (ausländischer) Anbieter auf einen Markt und ist dadurch in der Lage, - zumindest temporär - eine Monopolstellung zu erlangen. Gleichzeitig kann er durch geeignete Vertriebs- und Marketingaktivitäten sowie preis- und produktpolitische Maßnahmen den Aufbau eigener Standards anstreben, die Barrieren gegenüber später in den Markt kommenden Wettbewerbern darstellen. Marktfolger hingegen treten etwas später in einen Markt ein und sind dadurch in der Lage, ihr Risiko und ihren Ressourceneinsatz dadurch zu reduzieren, dass sie vom Pionier lernen. Zudem bereitet der Pionier in gewisser Weise den Markt auch für spätere Folger vor, da es am Pionier liegt, die Kunden über den Nutzen neuer Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Allerdings müssen Folger in der Lage sein, die Markteintrittsbarrieren des Pioniers zu überwinden, die z.B. in einer hohen Kundenbindung oder Skaleneffekten bestehen. Abbildung 40 zeigt, dass sowohl Marktfolger als auch Marktpioniere alle infrage kommenden Märkte sowohl mit einer Wasserfallals auch mit einer Sprinklerstrategie bearbeiten können. <?page no="206"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 207 Abb. 40: Timing-Strategien internationaler Markteintritte Unternehmen mit einer breiteren Produktpalette bietet sich zudem die Möglichkeit, unterschiedliche Märkte mit verschiedenen Produktgenerationen zu bearbeiten (Helm 1998). So können z.B. wenig entwickelte Märkte (sog. „low developed markets“) mit Produkten einer älteren Generation beliefert werden, während Produkte der aktuellen Generation auf hochentwickelten Märkten angeboten werden. Daraus resultieren Vermarktungschancen für „veraltete“ Produkte, die bereits ausgereift und technologisch einfach sind und die in den Heimatmärkten am Ende ihres Produktlebenszyklus stehen würden. Aus Perspektive der Produktpolitik lassen sich zudem noch zwei typische Vorgehensweise identifizieren, die sich darin unterscheiden, inwieweit Produkte an die Spezifika ausländischer Märkte angepasst werden oder nicht: Produktstandardisierung: Hier wird die Umsetzung einer globalen Produktstrategie verfolgt, die sich durch das Angebot eines einheitlichen Produkts in verschiedenen Märkten auszeich- Zeitpunkte 1 Folger Markt A Pionier Markt A Pionier Markt B Pionier Markt C Folger Markt B Folger Markt C 2 3 4 Pionier Folger Zeitpunkte 1 Folger Markt A Pionier Markt A Pionier Markt B Pionier Markt C Folger Markt B Folger Markt C 2 3 4 Wasserfallstrategie Folger Sprinklerstrategie Pionier <?page no="207"?> 208 3 Vertrieb im B2B-Marketing net. Dadurch lassen sich Kosteneinsparpotenziale realisieren. Geeignet ist eine derartige Strategie v.a. dann, wenn eine internationale Konvergenz von Kundenpräferenzen festgestellt werden kann. Produktdifferenzierung: Hier erfolgt eine Adaption von Produkten und deren Promotion an länderspezifische Gegebenheiten. Der wesentliche Vorteil liegt darin, dass die Produkte an die jeweiligen kulturellen Bedingungen, die vorherrschende Wettbewerbssituation und die gesetzlichen Regelungen angepasst werden können. Es existieren demzufolge durchaus Argumente für beide strategische Ansätze, die zudem miteinander kombiniert werden können, um in Anbetracht der vorherrschenden Marktbedingungen und der Wettbewerbssituation eine optimale Strategie zu entwickeln. So kann es z.B. sinnvoll sein, zunächst jene ausländischen Märkte zu bearbeiten, die mit dem gegebenen Produkt bzw. Produktvarianten ohne Veränderungen (Standardisierung) bedient werden können. Nachdem diese Märkte adäquat bedient worden sind, kann in einem zweiten Schritt in die verbliebenen Märkte mit veränderten Produkten (Differenzierung) eingetreten werden. Hier kann wiederum in beiden Fällen sowohl eine Sprinklerstrategie als auch eine Wasserfallstrategie zum Einsatz kommen. Forschungsergebnisse zum internationalen Vertrieb lassen erkennen, dass verschiedene Faktoren Einfluss auf die Wahl der optimalen internationalen Marktbearbeitungsstrategie haben. Wie in Abbildung 41 deutlich wird, spielt die Vertrautheit mit den kulturellen, ökonomischen und sonstigen kundenspezifischen Bedingungen der Auslandsmärkte eine wesentliche Rolle für die Wahl der Strategie. Bei geringer Vertrautheit scheinen jene Unternehmen erfolgreicher zu sein, die sich mit differenzierten/ angepassten Produkten auf Marktnischen konzentrieren (Differenzierer). Bei hoher Vertrautheit hingegen können Unternehmen mit Standardprodukten ihrer Kostenvorteile besser ausspielen (Helm und Gritsch 2014). Bei Märkten mit hohem Marktwachstum und Marktpotenzial trifft ein Standardprodukt häufig viele, noch unsichere Bedürfnisse, daher ist keine Differenzierung erforderlich, sodass die freien Ressourcen stattdessen für die Distribution und Kommunikation eingesetzt wer- <?page no="208"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 209 Abb. 41: Empirische Befunde zu erfolgreichen internationalen Markteintrittsstrategien mittelständiger Industriegüterunternehmen den können. Eine hohe Markteintrittsgeschwindigkeit lässt sich dagegen insbesondere mit differenzierten Produkten erzielen, die strategische Nischen besetzen können. Es gibt dabei zwei mögliche Ausgangssituationen, in Abhängigkeit davon, ob ein Unternehmen tatsächlich in der Lage ist, sich proaktiv für eine Differenzierungs- oder Standardisierungsstrategie zu entscheiden. Davon hängt es ab, ob ein internationalisierendes Unternehmen mit einem Strategiewahlproblem und/ oder einem Marktwahlproblem konfrontiert wird (siehe folgende Abbildung sowie Helm 1998). 3 2 4 5 3 2 4 5 Erfolgreiche Differenzierer Skalenwert gering hoch Skalenwert gering hoch Erfolgreiche Standardisierer Vertrautheit mit ausländ. Markt Markteintrittsgeschwindigkeit Bedürfnisheterogenität Marktwachstum u. Marktpotenzial Wettbewerbsintensität Kriterien <?page no="209"?> 210 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abb. 42: Auswahlprobleme bei der Internationalisierung in Abhängigkeit von der Ausgangssituation So kann es z.B. für ein Unternehmen, das ein typischer Differenzierer ist, durchaus nicht sinnvoll sein, in einen Markt mit besonders hohem Marktpotenzial einzusteigen, wenn z.B. ein Produkt für ein Segment nicht in ausreichend großer Menge produziert werden kann. Es gilt also, dass die Angebotsmöglichleiten teilweise auch die Marktwahl determinieren können. Schließlich lassen sich Standardisierungsbzw. Differenzierungsüberlegungen auch im Hinblick auf die Marke anstellen. Der Markenname bildet einen wesentlichen Teil des Angebots. Dabei lassen sich Rahmenbedingungen identifizieren, wann eine Marke international standardisiert verwendet werden sollte und wann nicht. Eine standardisierte Verwendung der Marke ist zweckmäßig, wenn ein großer Media-Overspill besteht (z.B. Fachmessen), eine hohe Konvergenz der Bedürfnisse besteht, eine hohe Mobilität der Kunden besteht, eine internationale Positionierung geplant ist sowie Ausgangssituation Unternehmen ist nicht in der Lage, zwischen alternativen Strategien zu wählen Strategiewahlproblem Auswahl eines geeigneten Marktes für die erfolgreiche Umsetzung einer gegebenen Strategie Unternehmen ist in der Lage, sowohl eine Differenzierungsals auch eine Standardisierungsstrategie in einem Markt zu verfolgen Auswahl der geeigneten Strategie für einen anvisierten Markt Auswahlproblem Marktwahlproblem <?page no="210"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 211 eine internationale Verwendung und Schutz des Markennamens sinnvoll und möglich sind. Eine differenzierte (nicht-standardisierte) Verwendung des Markennamens kann sich als zweckdienlich erweisen, wenn eine große Gefahr von Re-Importen besteht (z.B. aufgrund von Preisdifferenzen), eine große Imitationsgefahr besteht (z.B. Markenpiraterie), eine hohe landesspezifische Anpassung der Produkte notwendig ist sowie eine dezentrale Unternehmensorganisation vorliegt. 33.6.3 Institutioneller internationaler Markteintritt Unternehmen können einen Eintritt in Märkte außerhalb des Heimatlandes in organisatorischer Hinsicht unterschiedlich gestalten. Stellgrößen derartiger Entscheidungsprozesse sind neben den verfügbaren Ressourcen auch Kontrollaspekte, Kooperationsmöglichkeiten und die Intensität des geplanten Engagements im Ausland (Helm 1997a). In der folgenden Abbildung 43 werden verschiedene Optionen des Markteintritts dargestellt, wobei die Unterscheidung in der ersten Ebene den Kapitaleinsatz und in der zweiten Ebene die Selbstständigkeit des Markteintritts berücksichtigt. Es wird deutlich, dass die Art der Marktpräsenz einen Einfluss auf die Kontrollmöglichkeiten ausübt. Grundsätzlich gilt, je stärker das Engagement, desto intensiver der Ressourceneinsatz und desto ausgeprägter aber auch die Entscheidungs- und Kontrollmechanismen. Ein selbstständiger Markteintritt zeichnet sich dadurch aus, dass im Unternehmen vorhandene Ressourcen entwickelt werden müssen (internes Wachstum), während bei einem unselbstständigen Markteintritt auf externe Ressourcen zugegriffen werden kann. Dabei stellt die Unternehmensakquisition einen Sonderfall dar, der meist aufgrund strategischer Erwägungen erfolgt und nicht ausschließlich im Zusammenhang mit einem Markteintritt zu sehen ist. <?page no="211"?> 212 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abb. 43: Optionen des institutionellen Markteintritts in Auslandsmärkte Besondere Merkmale eines selbstständigen Markteintritts sind: Die Erkenntnisse aus den Vertriebs- und Marketingtätigkeiten lassen sich besser internalisieren. Potenzielle Wettbewerbsvorteile können besser vor Imitationen geschützt werden. Es kann eigenes Personal genutzt werden, das tendenziell über bessere Produktkenntnisse verfügt. Es besteht ein direkter Kontakt zum Kunden ohne Informations- und Zeitverluste; dadurch gibt es umfangreichere Möglichkeiten zur Marktbeobachtung. Der Markteintritt dauert ggf. länger (z.B. durch Aufbau von Personal), was bei intensivem Zeitwettbewerb (economies of speed) durchaus nachteilig sein kann. unternehmenseigene Niederlassung mit direktem Kapitaleinsatz Markteintritt ohne direkten Kapitaleinsatz unselbstständiger Markteintritt selbstständiger Markteintritt selbstständiger Markteintritt unselbstständiger Markteintritt Unternehmensakquisition Joint Venture Unternehmenskooperation Direktexport Formen der zwischenbetrieblichen Kooperation zunehmende Kontrollmöglichkeiten im Zielmarkt und steigendes Engagement zunehmende Beanspruchung unternehmensinterner Ressourcen <?page no="212"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 213 Das finanzielle Risiko des Unternehmens steigt, während die unternehmerische Flexibilität zurückgeht. Ein selbstständiger Markteintritt kann bei einem Absatzprogramm, das durch Heterogenität und/ oder hohe Spezialisierung gekennzeichnet ist, sinnvoll sein. Gerade Vertriebsaktivitäten finden häufig auf der Basis zwischenbetrieblicher Kooperationen statt, d.h. wenn zwei oder mehrere Unternehmen strategisch zusammenarbeiten. Dabei lässt sich zwischen horizontalen, vertikalen und lateralen Vertriebskooperationen unterscheiden. Bei horizontalen Vertriebskooperationen agieren die Partnerunternehmen auf der gleichen Wirtschaftsstufe und in gleichen oder verwandten Branchen. Die Unternehmen sind im Verhältnis zu ihren Zulieferern oder Abnehmern gleichartig in den Wirtschaftsprozess eingegliedert, unter Umständen kann es sich demnach um aktuelle oder potenzielle Konkurrenten handeln. Bei der Sonderform der sog. „komplementären Kooperation“ stehen die Unternehmen aufgrund der Komplementarität der Produkte in keiner Konkurrenzbeziehung zueinander (z.B. PKW- und LKW- Hersteller). Dadurch kann ein breiteres und aus Kundensicht komplettes Absatzprogramm entstehen. Eine andere Bezeichnung für diese Art der zwischenbetrieblichen Kooperation ist die Strategische Allianz. Vertikale Vertriebskooperationen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammenarbeit auf verschiedenen Wirtschaftsstufen erfolgt, d.h. dass die Partnerunternehmen in einem Lieferanten- Kunden-Verhältnis stehen. Außer beim Eintritt in neue Märkte kooperieren meist Unternehmen in dieser Form, die schon vorher im normalen Geschäftsbetrieb zusammengearbeitet haben (typisch für F&E-Kooperation). Die Vorteile liegen in der Nutzung von Marktzugängen und von Markt- und Branchenkenntnissen der jeweiligen Kooperationspartner. Allerdings kann sich nachteilig auswirken, dass Kompromisse bei der Durchsetzung der Marketing- und Vertriebsstrategie eingegangen werden müssen (Helm 2001b). <?page no="213"?> 214 3 Vertrieb im B2B-Marketing Darüber hinaus existieren laterale (auch sog. konglomerate, diagonale oder anorganische) Vertriebskooperationen, in deren Rahmen Unternehmen verschiedener Branchen und Marktstufen kooperieren. Üblicherweise stehen die beteiligten Unternehmen damit weder in einem Leistungsnoch in einem Konkurrenzverhältnis. Relevant dürfte diese Art der Kooperation dann sein, wenn dadurch Effizienz- und Kostenvorteile im Bereich der betrieblichen Abläufe resultieren, z.B. in den Bereichen der Kontraktlogistik, Lagerung, Konfektionierungen, Reparatur oder Rückführung von Waren. Ein Beispiel für eine vertikale zwischenbetriebliche Kooperation liefern die Unternehmen Palfinger AG und Kraft Invest Gruppe: Die Palfinger AG ist ein österreichisches Maschinenbauunternehmen, das z.B. Lkw-Knickarmkrane, Forst- und Recyclingkrane oder Containerwechselsysteme herstellt. Die Kraft Invest Gruppe ist spezialisiert auf den Vertrieb und Service von Baumaschinen am russischen Markt und verfügt über 15 Subhändler. Im Jahr 2009 haben beide Unternehmen die Vertriebszusammenarbeit für Russland vertraglich geregelt. Hierfür wurde eine Joint-Venture-Gesellschaft gegründet, an der Palfinger 49% und Kraft Invest 51% der Anteile hält. Das neue Unternehmen vertreibt u.a. Palfinger Knickarmkrane exklusiv in Russland. Das sog. Uppsala-Modell charakterisiert die Internationalisierung eines Unternehmens als inkrementellen Lern- und Erfahrungsprozess (Schmidl 1997, 131) und unterstellt einen zunehmenden Anstieg des Marktengagements. Dabei wird zwischen einem zeitlichen und einem räumlichen Muster unterschieden. Das zeitliche Muster sagt aus, dass Unternehmen zunächst in ihrem Heimatmarkt Erfahrungen sammeln und dann mit dem Export beginnen (Helm 2004). Wenn dieser Schritt erfolgreich ist, kann die Gründung von Auslandsvertretungen oder die Verlagerung der Produktion in das Ausland erfolgen. Dem räumlichen (bzw. örtlichen) Muster zufolge wagen sich Unternehmen zuerst an jene Märkte heran, die ihnen psychisch am nächsten sind. Erst danach folgen kulturell oder geografisch entferntere Märkte. <?page no="214"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 215 Gleichwohl muss eine derartige Vorgehensweise nicht immer sinnvoll sein, da strategische Optionen beim Markteintritt sowohl durch unternehmensinterne und unternehmensexterne Einflussfaktoren beeinflusst werden (Helm 1997a; Gierl und Helm 2000). Daher ist, wie in der folgenden Abbildung dargestellt, ein Entscheidungsrahmen notwendig, der sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Einflussfaktoren berücksichtigt. Auf der linken Seite werden die unternehmensinternen Faktoren dargestellt, die gezielt durch ein Unternehmen beeinflussbar sind. Ein Unternehmen kann hier mehr oder minder selbstständig im Rahmen seiner Fähigkeiten den Bezugsrahmen variieren (d.h. agieren). Auf der rechten Seite werden die externen Rahmenbedingungen dargestellt, die in ihrer Konstellation hingenommen werden müssen (d.h. reagieren). Abb. 44: Entscheidungsrahmen des internationalen Marktengagements Unsicherheit bezüglich des Zielmarktes bisherige Investitionen in die Produkte der Geschäftseinheit erstrebenswertes Ausmaß an Kontrolle im Zielmarkt unternehmensinterne Faktoren Wettbewerbsvorteile der Geschäftseinheit Marktbearbeitungsstrategie der Geschäftseinheit Heterogenität der Kundenbedürfnisse im Zielmarkt Attraktivität des Zielmarktes Partnerprofil Unsicherheit bezüglich des Verhaltens E r f o l g erstrebenswerter Einsatz von Ressourcen im Zielmarkt optimales Marktengagement der Geschäftseinheit im Zielmarkt unternehmensexterne Faktoren <?page no="215"?> 216 3 Vertrieb im B2B-Marketing 33.6.4 Finanzierungsaspekte im internationalen Vertrieb Wie aus den vorangegangenen Ausführungen deutlich wird, sind die Vertriebsstrukturen und Vertriebskanäle zwischen internationalen Anbietern und internationalen Kunden bei industriellen Leistungen meist sehr komplex. Dies betrifft gleichfalls das Thema der Finanzierung und insbesondere die Absicherung gegenüber bestimmten Exportrisiken sowie die Bereitstellung von Finanzierungskonzepten für den internationalen Vertrieb. Gerade für kleinere Unternehmen sind Absicherung und Vorfinanzierung von Auslandsgeschäften durchaus von Relevanz. Instrumente der Exportfinanzierung sind z.B. Lieferanten- und Bestellerkredite, Forfaitierung, Projektfinanzierung und Gegengeschäfte. Ein Lieferantenkredit bezeichnet den Kredit einer Bank an den Lieferanten (Exporteur) zur Refinanzierung seines im Rahmen des Exportvertrages dem ausländischen Besteller eingeräumten Zahlungszieles. Zur Sicherstellung werden gewöhnlich die Ansprüche aus dem Liefergeschäft und sonstige vorhandene Sicherheiten (Ausfuhrgewährleistungen, ausländische Bankgarantien etc.) abgetreten. Ein Bestellerkredit bezeichnet die Kreditgewährung durch eine inländische Bank an einen ausländischen Besteller (Importeur) oder dessen Hausbank. Dabei werden die Kreditmittel direkt an den inländischen Lieferanten (Exporteur) zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Liefervertrag ausgezahlt. Folgende Tabelle 16 stellt die Vor- und Nachteile von Lieferanten- und Bestellerkrediten gegenüber. Mit Forfaitierung wird der regresslose Ankauf von (Auslands-) Forderungen bezeichnet. Dabei ist es durchaus üblich, neben dem Ankauf von Wechseln auch Forfaitierungen von Buchforderungen oder von Ansprüchen aus Nachsichtakkreditiven unter bestimmten Voraussetzungen vorzunehmen. Häufig ist bei Forfaitierungen zur Absicherung des wirtschaftlichen Risikos die Garantie einer erstklassigen Auslandsbank erforderlich. Die Projektfinanzierung stellt eine Sonderform dar, bei der die Finanzierung der Investitionskosten einer Wirtschaftseinheit er- <?page no="216"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 217 folgt, welche ihrerseits die Betriebskosten und den Schuldendienst für aufgenommene Kredite selbst erwirtschaftet. Zins- und Tilgungsleistungen werden auf den zu erwartenden Cashflow des Projektes abgestellt. Daher kommt es bei einer Projektfinanzierung auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Projektes an und nicht nur auf die Kreditwürdigkeit des Schuldners. Aufgrund der Devisenknappheit verschiedener Entwicklungsländer ist mit sog. Gegengeschäften ein weiteres Finanzierungsinstrument entstanden. Gegengeschäfte sind bi- oder multilaterale Warenhandelstransaktionen, die allesamt die Koppelung des Liefervertrages mit dem Import eines anderen Realgutes gemein haben. Das Spektrum reicht von Naturaltausch über Kompensationsgeschäfte bis hin zu sog. Buy-back-Geschäften, bei denen der Exporteur die auf seiner Anlage hergestellten Produkte anstelle einer Zahlung zurückkauft. Lieferantenkredit Vorteil Nachteil Lieferant Krediteinräumung und Kreditverwaltung relativ unkompliziert größere Dispositionsfreiheit des Lieferanten bzgl. des Einsatzes eigener Liquidität oder des Rückgriffs auf Kapitalmarkt Verfügbarkeit von AKA-Plafond A-Kredit als zinsgünstige Refinanzierungsquelle Belastung der Bilanz für relativ lange Zeiträume durch Erhöhung des Verschuldungsgrades leistungsfernere Zahlungsbedingungen und Anspannung der Liquiditätslage Belastung bestehender Kreditlinie (auch bei HERMES-Deckung) Besteller Kreditspielräume bei Banken bleiben für Besteller unberührt einfache Abwicklung und Dokumentation, da Verhandlungen nur mit Exporteur begrenzte Verfügbarkeit sowohl der Höhe als auch der Laufzeit nach (wg. Zurückhaltung der Lieferanten) geringere Möglichkeiten des Erhalts von Finanzierungen für An- und Zwischenzahlungen <?page no="217"?> 218 3 Vertrieb im B2B-Marketing Bestellerkredit Vorteil Nachteil Lieferant häufig günstige Konditionen, da bei Finanzierungsverhandlungen die Bank hinzutritt Entlastung von Bilanz und Kreditlinien leistungsnähere Zahlungsziele und dadurch Liquiditätsentlastung von Zahlungsschwierigkeiten i.d.R. später betroffen hoher Verwaltungsaufwand bedingt durch das Aushandeln der Kreditverträge und damit zusammenhängender rechtlicher Schwierigkeiten Besteller relativ große Beträge mit langen Rückzahlungsräumen verfügbar Vereinbarung fester Zinssätze meist möglich bei Deckung durch Exportversicherern sind Banken eher bereit, An- und Zwischenzahlungen sowie lokale Kosten frei zu finanzieren komplexe Abwicklung und Dokumentation Belastung der Kreditspielräume des Bestellers Tab. 16: Vergleich von Lieferanten- und Bestellerkredit Eine funktionierende und erfolgreiche Exportwirtschaft beinhaltet naturgemäß auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Daher kümmert sich der Staat mit Hilfe verschiedener Institutionen, denen er bestimmte Mandate übertragen hat, um Finanzierung und Risikoabdeckung. Die AKA-Ausfuhrkreditgesellschaft mbH ist ein Spezialkreditinstitut, das 1952 von einem Bankenkonsortium gegründet wurde und mittel- und langfristige Exportbzw. Handelsfinanzierungen in Form von Lieferanten- und Bestellerkrediten bereitstellt. Damit können Unternehmen ihre Risikoposition an kurz-, mittel- und langfristigen Transaktionen bis zu 100% entlasten. So dient z.B. der sog. AKA-Plafond A-Kredit zur Finanzierung der Aufwendungen während der Produktionszeit und/ oder der Refinanzierung des einzuräumenden Zahlungszieles eines einzelnen Exportgeschäftes (Lieferantenkredit). <?page no="218"?> 3.6 Internationaler Vertrieb 219 Die HERMES Kreditversicherungs AG nimmt im Auftrag des Bundes (als Mandatar des Bundes) u.a. Anträge auf Ausfuhrgewährleistungen des Bundes entgegen und wickelt diese ab. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist ein Spezialkreditinstitut mit wirtschaftspolitischen Aufgabenstellungen, das u.a. mittel- und langfristige Exportfinanzierungen gewährt, vornehmlich für Lieferungen in Entwicklungsländer. Abb. 45: Risiken der Exportfinanzierung und deren Abdeckung Fabrikationsrisiko Einfuhrverbot Zahlungsunfähigkeit keine Abnahme(-möglichkeit) Zahlungsausfallrisiko Zahlungsunfähigkeit Einfuhrverbot politisches Zahlungsverbot Wechselkurs- und Zinsänderungsrisiko Auftragserhalt Zahlung der letzten Rate Versand/ Abnahme Gesamtprojektlaufzeit HERMES- Deckung Anzahlung unwiderrufliches bestätigtes Akkreditiv Devisenoptions- und Devisentermingeschäft Fremdwährungskredite Forfaitierung Zinsswap (Tausch variabler Zinsen gegen feste Zinsbindungen) Weitergabe an Unterlieferanten HERMES- Deckung unwiderrufliches bestätigtes Akkreditiv Forfaitierung Zahlungsgarantie einer Bank Instrumente der Risikoabdeckung <?page no="219"?> 220 3 Vertrieb im B2B-Marketing Abängig von Land und Branche bestehen im Exportgeschäft unterschiedliche Risiken, die mit Hilfe verschiedener Instrumente abgedeckt werden können. Risiken können sowohl politischer als auch wirtschaflicher Natur sein. Politische Risiken (Länderrisiken) liegen z.B. in Ausfuhr- und Einfuhrverboten durch die jeweilige Regierung, in Krieg, Aufruhr oder Revolution im Ausland. Zudem zählen zu den politischen Risiken das Konvertierungs- und Transferrisiko sowie das Zahlungsverbot und das Moratorium. Wirtschaftliche Risiken (Delkredererisiken) bestehen z.B. darin, dass Schuldner aufgrund von Konkurs oder Vergleich nicht in der Lage sind, Forderungen zu begleichen. Entsprechende Instrumente zur Risikoabdeckung sind etwa Anzahlungen, Zahlungsgarantien, Ausfuhrgewährleistungen des Bundes (HERMES-Deckung), Dokumentenakkreditive oder Fremdwährungskredite. Die vorstehende Abbildung 45 zeigt unterschiedliche Risiken der Exportfinanzierung im Industriegütergeschäft und entsprechende Instrumente der Absicherung. Für eine ausführliche Darstellung der Aspekte des internationalen Vertriebs sei an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur verwiesen, z.B. Gelbrich und Müller (2011) oder Binckebanck und Belz (2012). <?page no="220"?> 44. Distribution und Handel 4.1 Bedeutung der Distribution im Konsumgütergeschäft Distributionspolitik bzw. allgemein Distribution umfasst „die Gesamtheit aller Entscheidungen und Handlungen, welche die Verteilung (engl.: distribution) von materiellen und oder immateriellen Leistungen vom Hersteller zum Endverkäufer und damit von der Produktion zur Konsumption bzw. gewerblichen Verwendung betreffen“ (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011, 543). Grundlegendes Ziel der Distributionspolitik ist somit die Überwindung der räumlichen und zeitlichen Distanz zwischen Hersteller und dem Endkunden und damit die Bereitstellung von Sach- und Dienstleistungen zu angemessenen Kosten am Ort und zum Zeitpunkt der Nachfrage (Helm 2009). In diesem Rahmen ist zwischen Distribution und Vertrieb zu differenzieren. Vertrieb bezeichnet die konkrete Ausgestaltung von Maßnahmen (z.B. der Aufbau oder die Struktur einer entsprechenden Vertriebsabteilung) mit der Aufgabe, die distributionspolitischen Ziele zu erreichen. Die Gestaltung von Absatzkanalstrukturen hat einen entscheidenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg; im Rahmen der Distribution entstehen Kosten, die etwa 30% bis 50% des Endverkaufspreises der Produkte entsprechen; für Werbung ist im Gegensatz dazu beispielsweise nur mit einem Wert von 5 bis 7% des Endverkaufspreises zu rechnen (Anderson und Coughlan 2002). Hinzu kommen potenzielle Opportunitätskosten dafür, dass bei einer nicht effektiven Gestaltung des Vertriebs nicht alle potenziell möglichen Verkäufe realisiert werden können. Ziel der Distributionspolitik ist es somit auch, potenzielle Kunden zu finden und aus diesen tatsächliche Kunden zu machen. Es geht im Rahmen der Distributionspolitik demnach nicht nur darum, bestehende Märkte <?page no="221"?> 222 4 Distribution und Handel zu befriedigen, sondern auch neue Märkte zu schaffen. Die Distributionspolitik hat aus diesem Grund ein hohes Potenzial, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass Kosten der Distribution gesenkt werden, durch die Art der Warenpräsentation gegenüber dem Endkunden eine Differenzierung vom Wettbewerb möglich ist (Stern und Weitz 1997) oder die Kundenbetreuung durch den eigenen Vertrieb intensiviert wird. Weitere Bedeutung gewinnt die systematische Gestaltung der Distribution dadurch, dass es sich bei distributionspolitischen Entscheidungen meist um strategische Maßnahmen handelt. Der Aufbau und die ständige Anpassung der Absatzkanalstruktur an sich ändernde Umweltbedingungen sind Maßnahmen, die typischerweise mehrere Jahre dauern und nicht kurzfristig geändert werden können (Esch, Herrmann und Sattler 2008). Im Rahmen der Distributionspolitik können zwei Perspektiven, die des Herstellers und die eines ggf. eingeschalteten Absatzmittlers (z.B. Händlers) unterschieden werden. Zudem ist zu entscheiden, welche Absatzhelfer (z.B. Logistikdienstleister) in den Distributionsprozess einzubinden sind. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Perspektive des Herstellers (Abschnitt 4.2) sowie die des Händlers (Abschnitt 4.3). Dabei werden insbesondere kooperative Strategien zwischen Hersteller und Händler beschrieben. 44.2 Distribution aus Herstellerperspektive Distributionsstrategien sollten ausgehend von der Analyse der Anforderungen der Zielgruppen sowie der nachfragerorientierten Entwicklung und Bepreisung von Neuprodukten entwickelt werden. Dies bedeutet für einen Hersteller zunächst die Informationsgrundlage zur Formulierung von Distributionszielen zu schaffen (Ahlert und Kenning 2007). Ausgehend von den übergeordneten Unternehmens- und Marketingzielen sowie der Analyse der Marktsituation können danach die Distributionsziele festgelegt werden. Strebt ein Unternehmen in einem strategischen Geschäftsfeld beispielsweise eine Preisführerschaftsstrategie an, so hat dies einen direkten Einfluss auf die Strategieoptionen bei der Gestaltung des Absatzkanals (siehe Backhaus und Schneider 2007 für eine <?page no="222"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 223 ausführliche Diskussion der verschiedenen Strategieebenen in einem Unternehmen). Im Folgenden werden in diesem Zusammenhang folgende Kernfragen bei der Gestaltung einer Absatzkanalstruktur berücksichtigt: [1] Wie soll die Absatzkanalstruktur ausgestaltet werden? [2] Wie motiviere ich Händler, meine Produkte in das Sortiment aufzunehmen? [3] Welche vertraglichen (Kooperations-)Optionen gibt es, um die Beziehung zwischen Hersteller und Händler zu gestalten? 44.2.1 Gestaltung der Struktur des Absatzkanals Bei der Festlegung der vertikalen Integration innerhalb der Absatzkanalstruktur handelt es sich um eine der grundlegendsten Entscheidungen bei der Entwicklung von Distributionsstrategien (Anderson und Coughlan 2002). Als Absatzkanal werden dabei alle Institutionen verstanden, die die rechtliche Verfügungsmacht über die abzusetzenden Leistungen erlangen. Dies geschieht durch Kauf- und Mietverträge oder innerbetrieblich mittels einfacher Aufträge und Anweisungen. Ziel ist auf Unternehmensebene, den Distributionsprozess so effizient wie möglich zu gestalten. Dabei sollen unternehmensinterne Ressourcen (z.B. eigene Vertriebsmitarbeiter) und externe Absatzmittler sowie -helfer möglichst effizient kombiniert werden (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Eine grundlegende Entscheidung, die in diesem Zusammenhang getroffen werden muss, besteht darin, ob und in welchem Umfang der Hersteller Aufgaben des Handels übernehmen und über welche Absatzkanäle er dann die Kunden erreichen will. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Absatzkanäle aus einer Vielzahl unterschiedlicher Unternehmen (bzw. Abteilungen in einem Unternehmen) bestehen können, die verschiedenste Aufgaben übernehmen (diese werden am Ende dieses Abschnitts genauer beschrieben). Zur Koordination dieser verschiedenen am Absatz beteiligten <?page no="223"?> 224 4 Distribution und Handel Parteien müssen „Regeln“ (Vertragsstrukturen) festgelegt werden, die beispielsweise die Vertragsbeziehungen untereinander, die Nutzung von Verkaufsanreizen oder die Möglichkeiten eines Controllings festlegen. Je nach Ausmaß der vertikalen Integration hat der Hersteller (oder Händler) systematisch mehr (weniger) Macht, die Distributionsaktivitäten aktiv zu beeinflussen. Eine vollständige vertikale Integration durch einen Hersteller bedeutet, dass dieser seine Waren direkt (beispielsweise über eigene Vertriebsorganisationen) an die Kunden verkauft. Je mehr Aufgaben ein Hersteller innerhalb der Distribution übernimmt, umso mehr Einfluss kann er ausüben. Allerdings ist eine vollständige Integration auf Konsumgütermärkten häufig weder effizient, noch kann so das potenziell mögliche Absatzvolumen ausgeschöpft werden (Anderson und Coughlan 2002). Deshalb ist eine vollständige Integration aus Herstellersicht meist nicht sinnvoll (anders im Industriegütergeschäft). Er muss deshalb entscheiden, welches Ausmaß an Integration erfolgversprechend erscheint bzw. notwendig ist. Ausgangspunkt bildet eine Analyse möglicher, künftiger Konfliktursachen. Dabei sollten laut Meffert, Burmann und Kirchgeorg (2011) vier zentrale Konfliktursachen berücksichtigt werden: [1] Zielbeziehungen, [2] Rollenbeziehungen [3] Machtbeziehungen und [4] Kommunikationsbeziehungen. Konfliktpotenzial zwischen Herstellern und Absatzmittlern besteht, da beide Parteien unterschiedliche Ziele verfolgen, die Zielbeziehungen sind somit häufig gegenläufig. Zielkonflikte bestehen letztlich bezüglich aller Elemente des Marketing-Mix. Auf Ebene der Produkte hat beispielsweise der Hersteller ein Interesse, möglichst viele Produkte und Varianten über den jeweiligen Händler verkaufen zu können. Dem Händler steht dagegen nur begrenzter Regalplatz zur Verfügung, so dass er nicht alle Produktvarianten eines Anbieters verkaufen will oder kann, sondern sich auf bestimmte Artikel (auch verschiedener Hersteller, um eine kundengerechte Auswahl bieten zu können), die das Händlerimage verbessern und/ oder ertragreich sind (z.B. Handelsmarken), konzentriert. Bezüglich des Preises streben beide Parteien an, die eigenen Margen zu erhö- <?page no="224"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 225 hen. Ziel des Herstellers ist somit eine möglichst niedrige Handelsspanne; während die Händler versuchen, diese zu maximieren (für einen Überblick über weitere Zielkonflikte siehe Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Rollenbeziehungen beeinflussen die Erwartungen der im Absatzkanal beteiligten Parteien. Beispielsweise könnte ein Hersteller einerseits erwarten, dass der Händler ihn unterstützende Aktivitäten übernimmt (z.B. die Durchführung von Verkaufsförderungsmaßnahmen). Andererseits muss sich ein Händler darauf verlassen können, dass der Hersteller ihn zu festgelegten Zeitpunkten mit einer ausreichenden Menge an Produkten beliefert. Konfliktpotenzial liegt immer dann vor, wenn Unstimmigkeiten bezüglich der Erwartungen des Herstellers und Händlers vorliegen. So ist es heutzutage nicht mehr unüblich, dass Hersteller originäre Aufgaben des Händlers übernehmen (müssen) - dies betrifft beispielsweise das Auffüllen der Regale, die Bereitstellung von Regalen bzw. Kühltruhen oder die Übernahme der Kosten für Kühltruhen. Ein Grund dafür, dass Hersteller immer mehr Aufgaben der Händler übernehmen (müssen), liegt darin, dass die Macht der Händler in den letzten Jahrzehnten aufgrund einer wachsenden Handelskonzentration tendenziell gestiegen ist (und sich somit die Machtbeziehungen zugunsten der Händler verändert haben). Ein typisches Beispiel dafür ist der Lebensmittelhandel: Hatten die fünf wichtigsten Handelsunternehmen im Jahr 1990 einen Marktanteil von 68%, waren es 2005 bereits 81% (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Auch in den letzten zehn Jahren ist davon auszugehen, dass die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel eher zuals abgenommen hat. Teilweise wird deshalb davon ausgegangen, dass es Herstellern immer schwerer fällt, eigene Distributionsstrategien gegenüber den Händlern durchzusetzen. Allerdings weisen Ahlert und Kenning (2007) darauf hin, dass mit einer steigenden Konzentration im Einzelhandel nicht automatisch die Macht der Händler wächst. Dies gilt insbesondere, wenn Hersteller die Händler umgehen könnten (beispielsweise durch die Nutzung anderer Absatzkanäle). Ein weiterer Grund für die gestiegene Handelsmacht besteht darin, dass sich die Kommunikationsbeziehungen zwischen Herstellern <?page no="225"?> 226 4 Distribution und Handel und Händlern verändert haben. In der Vergangenheit hatten meist die Hersteller durch eigene Marktforschungsstudien einen Informationsvorsprung; mit der Einführung von Scanner-Kassen und Kundenkartenprogrammen besteht dieser Vorsprung heutzutage dagegen häufig nicht mehr. Im Gegenteil, Händler verfügen oft über umfangreiches Wissen über die Wirkung verschiedener Marketingmaßnahmen (z.B. die Wirkung von Zweitplatzierungen im Handel, die Wirkung von Sonderpreisen usw.). Die Art und das jeweilige Ausmaß potenzieller Konfliktursachen hat Einfluss auf die Gestaltung des Absatzkanals bzw. auf die Vereinbarungen, die zwischen den Partnern im Absatzkanal getroffen werden. Dies ist insbesondere deshalb relevant, da im Rahmen von Vertragsgestaltungen zwischen den Unternehmen typischerweise nicht sämtliche potenziell relevanten Konfliktursachen berücksichtigt werden können. Mögliche Unsicherheiten über das künftige Verhalten der Handelspartner haben somit einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Absatzkanalstruktur (Anderson und Coughlan 2002). Bei der Festlegung der Absatzkanalstruktur ist zwischen einer vertikalen (Zahl und Art der Absatzstufen zwischen Hersteller und Endverbraucher) und einer horizontalen Struktur (konkrete Selektion von Absatzmittlern) zu unterscheiden. Bezüglich der vertikalen Absatzstruktur kann zwischen direkter Vertriebsform und verschiedenen indirekten und hybriden Vertriebsformen unterschieden werden. Bei einem direkten Vertrieb übernimmt der Hersteller selbst sämtliche Aufgaben eines Händlers (Beispiele sind der persönliche Verkauf oder der Katalogbzw. Onlinevertrieb, sofern diese durch den Hersteller selbst erfolgen). Es besteht somit unmittelbarer Kontakt zwischen Hersteller und Kunde. Der direkte Vertrieb spielt insbesondere im Industriegüterbereich eine wichtige Rolle, da in vielen Fällen der Nachfragemarkt international, aber hinsichtlich der absoluten Kundenzahl doch relativ überschaubar ist. Die potenziellen Kunden sind häufig direkt bekannt und die Produkte eher komplex und erklärungsbedürftig. Die Beziehungen zwischen Hersteller und Kunde sind meist langfristig angelegt; diese begünstigen einen direkten Vertrieb, weil bei komplexeren Geschäften einerseits der Kauf-, Realisierungs- und Betriebsprozess lange andauert. <?page no="226"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 227 Anderseits bestehen auch im Konsumgüterbereich in bestimmten Produktbereichen (z.B. im Luxusgüterbereich) Tendenzen in Richtung direktem Vertrieb. Der Vorteil eines direkten Vertriebs besteht insbesondere darin, dass der Hersteller den Markenauftritt und die Preisgestaltung an der Verkaufsstelle selbst festlegen kann. (Luxusgüter-)Hersteller, die in neue Produktbereiche expandieren, können durch einen Direktvertrieb insbesondere dann den Erfolg der Neuprodukte erhöhen, wenn sie in neue Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck eintreten wollen. In solchen Branchen herrscht bereits unter den etablierten Herstellern ein harter Verdrängungswettbewerb, so dass Händler u.U. wenig Interesse daran haben, die Waren eines neuen Herstellers in ihr Sortiment aufzunehmen, der zu diesem Zeitpunkt über keinerlei Reputation in dieser Branche verfügt. Am Beispiel von Montblanc, ursprünglich ein Hersteller von Schreibgeräten, kann die Bedeutung eines direkten Vertriebs verdeutlicht werden. Da der Markt für (analoges) Schreiben seit etlichen Jahren schrumpft, hat sich Montblanc bereits vor 20 Jahren dazu entschieden, in neue Märkte einzusteigen. So wurden ab 1997 Uhren entwickelt und verkauft. Ein indirekter Vertrieb der Uhren wäre zu diesem Zeitpunkt allerdings kaum möglich gewesen, da der Luxusuhrenmarkt bereits gesättigt war und die Uhrenhändler kein Interesse hatten, einen neuen (und in dieser Branche unbekannten) Anbieter in ihr Sortiment aufzunehmen. Durch eine eigene Distribution über Boutiquen konnten die Uhren allerdings erfolgreich vermarktet werden. Dieser Erfolg führte dazu, dass in der Folge auch die Handelsakzeptanz für Uhren stieg. Ein direkter Vertrieb kann somit „Schrittmacher“ für den Erfolg von Neuprodukten sein, deren Vermarktung ansonsten kaum möglich gewesen wäre. Schließlich können Anbieter durch einen direkten Vertrieb das Sortiment selbst festlegen (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011) und eine Vielzahl an Produktvarianten in unterschiedlichsten Produktgruppen anbieten. Während Fachhändler beispielsweise nur Produkte einer Branche (z.B. Schreibgeräte) anbieten, kann in einer eigenen Vertriebsstelle das gesamte Sortiment präsentiert werden (bei Montblanc beispielsweise Produkte aus zahlreichen Branchen wie Schreibgeräte, Uhren, Lederartikel, Schmuck, Parfüms usw.). <?page no="227"?> 228 4 Distribution und Handel Bei indirekten Vertriebsformen werden Absatzmittler in den Verkaufsprozess eingeschaltet. Dabei handelt es sich um wirtschaftlich und rechtlich eigenständige Handelsunternehmen (Groß- und Einzelhändler) bzw. um weitere kooperierende Unternehmen wie beispielsweise Franchisepartner (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Von hybriden Vertriebsformen (bzw. dualen Absatzstrukturen) kann gesprochen werden, wenn ein Unternehmen für den Vertrieb seiner Waren unterschiedliche Distributionskanäle nutzt und dabei jeweils direkte und indirekte Absatzstrukturen einsetzt. Beispielsweise könnte ein Hersteller seine Waren im klassischen, stationären Verkauf über verschiedene Einzelhändler vertreiben (indirekter Vertrieb) und über den Distributionskanal „Internethandel“ die Artikel über einen eigenen Onlineshop selbst verkaufen (direkter Vertrieb). Ziel ist es, durch die simultane Nutzung zweier Absatzkanalstrukturen unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Beispielsweise kann der Beratungsbedarf je nach Zielgruppe unterschiedlich sein, so dass eine duale Absatzkanalstruktur vorteilhaft Abb.46: Beispiele für verschiedene Absatzkanalstrukturen (Esch, Herrmann und Sattler 2008) Hersteller Endkunde Direkter Vertrieb Hersteller Endkunde Indirekter Vertrieb Einzelhändler Hersteller Endkunde Großhändler Einzelhändler Hersteller Endkunde (Fach-) Großhändler Einzelhändler (Sortiments-) Großhändler Hersteller Endkunde Hybrider Vertrieb Einzelhändler <?page no="228"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 229 ist. Kunden, die eine individualisierte Leistung nachfragen, könnten beim Hersteller; Nachfrager, die standardisierte Lösungen bevorzugen, beim jeweiligen Händler kaufen. Häufig sind duale Absatzkanalstrukturen auch dann zu finden, wenn ein Unternehmen sowohl private als auch gewerbliche Endkunden hat. Coca-Cola nutzt eine indirekte Absatzkanalstruktur, um private Endkunden zu erreichen und setzt auf eine direkte Absatzkanalstruktur bei der Belieferung von gewerblichen Kunden (z.B. Gaststätten, Bars usw.; Coughlan et al. 2001). In der vorstehenden Abbildung 46 werden Beispiele für verschiedene Arten der Absatzkanalstruktur dargestellt. Es gibt eine Reihe von Ansätzen, die zur Erklärung der Auswahlentscheidung zwischen direktem und indirektem Vertrieb genutzt werden können. Zwei häufig verwendete sind die Transaktionskostentheorie und die Spieltheorie. Die Transaktionskostentheorie besagt, dass bei einem Vertrieb von Gütern mit geringer Unsicherheit und geringer Spezifität (Faktorspezifität) die Nutzung von Marktmechanismen effizienter ist, d.h. ein indirekter Vertrieb wäre einem direkten Vertrieb vorzuziehen. Da für wenig spezifische Güter tendenziell viele Anbieter und viele Händler infrage kommen, hat keine der Parteien einen Anreiz, sich opportunistisch zu verhalten. Ein Outsourcing des Vertriebs erscheint in diesem Fall vorteilhaft, da Händler das Angebot vieler Hersteller „poolen“ und so Economies of Scale and Scope beim Vertrieb realisieren können. Durch die Bildung eines Sortiments aus verschiedenen komplementären Gütern können Händler beispielsweise leichter als Hersteller Kunden anziehen: Viele Kunden bevorzugen es, während eines Einkaufs (beispielsweise in einem Supermarkt) verschiedenste Bedürfnisse zu befriedigen („One- Stop-Shopping“) und wollen nicht wegen jedes Artikels zu einem anderen Anbieter wechseln (Anderson 1988; Anderson und Coughlan 2002). In der Literatur, die sich mit der Gestaltung der vertikalen Absatzkanalstruktur beschäftigt, werden insbesondere Gründe für ein sog. „Marktversagen“ untersucht. Wenn sich die Parteien opportunistisch verhalten könnten, könnte ein direkter Vertrieb vorteilhaft sein. Opportunistisches Verhalten kann insbesondere dann auftreten, wenn eine der Vertragsparteien von dem anderen Partner <?page no="229"?> 230 4 Distribution und Handel abhängig ist. Beispielsweise könnte ein Hersteller in einem Markt, in dem der Grad der Händlerkonzentration hoch und er deshalb von den wenigen vorhandenen Händlern „abhängig“ ist, nicht glaubhaft machen, dass er im Falle von opportunistischem Verhalten einen Händler nicht mehr beliefern würde. Händler könnten sich somit opportunistisch verhalten, ohne entsprechende Konsequenzen befürchten zu müssen. Eine vertikale Integration (direkter bzw. hybrider Vertrieb) könnte in diesen Fällen die Gefahr von opportunistischem Verhalten senken (Williamson 1996). Insofern ist es sicher nicht verwunderlich, dass technisch komplexe Güter (z.B. aus dem Industriegüterbereich) häufig über einen direkten Absatzkanal vermarktet werden (siehe dazu beispielsweise Anderson und Coughlan 1997; Rindfleisch und Heide 1997). Weiterhin ist eine Integration des Vertriebs ggf. sinnvoll, wenn die Verkaufsbemühungen der Händler nicht ohne Weiteres messbar sind. Dies ist z.B. dann relevant, wenn neuartige Produkte vermarktet werden sollen und deshalb kein „Benchmark“ für den Abverkauf besteht. In solchen Fällen kann es ggf. auch sinnvoll sein, eine Kombination aus direktem und indirektem Vertrieb zu implementieren (Dutta, Heide und John 1995). Basis von spieltheoretischen Ansätzen ist die Überlegung, dass die Agenten (Händler) vor allem eigennutzgetrieben handeln. Bei einer indirekten Absatzkanalstruktur ist beispielsweise damit zu rechnen, dass die zwischengeschalteten Händler (Groß- und Einzelhändler) auf jeder Absatzstufe (d.h. der Hersteller verkauft an Großhändler, diese wiederum an Einzelhändler und Einzelhändler schließlich an die Endkunden) die Preise für die Güter so festsetzen, dass der Gewinn des jeweiligen Händlers maximiert wird. Da auf jeder Absatzstufe separat Preise bestimmt werden, kann der Endpreis höher als bei einer integrierten Absatzkanalstruktur sein, d.h. der Hersteller kann sein Absatzpotenzial nicht ausschöpfen bzw. die angestrebte (Preis-)Positionierung nicht durchsetzen. In solchen Fällen kann somit die Integration des Absatzkanals vorteilhaft sein (Jeuland und Shugan 1983). Gegen eine vertikale Integration des Absatzkanals spricht allerdings, dass Händler durch ihre Spezialisierung auf die Kernkompetenz des Vertriebs Kostenvorteile realisieren können. <?page no="230"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 231 Nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über die vorgestellten bzw. weiteren Einflussfaktoren bei der Entscheidung zwischen direktem und indirektem Vertrieb. Abb.47: Einflussfaktoren auf die Entscheidung zwischen direktem und indirektem Vertrieb (Coughlan et al. 2001, 111; Esch, Herrmann und Sattler 2008, 333) indirekter Vertrieb Entscheidung über den Einsatz von Absatzmittlern Ist die Nachfrage nach Sortimentsvielfalt gering? (ja direkter Vertrieb) Wie wichtig ist „One-Stop-Shopping“ in der jeweiligen Produktkategorie? (nicht wichtig direkter Vertrieb) Können Absatzmittler Economies-of-Scope oder Economies-of-Scale realisieren, die ein Hersteller nicht erreichen könnte? (nein direkter Vertrieb) Hat der Hersteller überhaupt die Kompetenz, einen Direktvertrieb und eine ausreichende Distributionsquote aufzubauen und dauerhaft die Aufgaben des Handels zu übernehmen (Warenlogistik, Vertriebsstruktur, Verkaufsberatung und After-Sales-Service, Finanzkraft aufgrund höherer Kapitalbindungskosten etc.)? (ja direkter Vertrieb) Wie wichtig ist es einem Hersteller, Kontrolle über den Vertriebsprozess zu haben (z.B. bezüglich der Preis- und Markenpositionierung, der Qualität der Beratung bei technischen bzw. komplexen Produkten)? (hohe Wichtigkeit direkter Vertrieb) Wie wichtig ist dem Hersteller Flexibilität im Absatzkanal? (wichtig indirekter Vertrieb) Wie hoch ist der Grad der Komplexität, die Erklärungsbedürftigkeit oder der Individualisierungsgrad der Produkte? (hoch direkter Vertrieb) Wie groß ist meine Zielgruppe? (wenige potenzielle Kunden direkter Vertrieb) Wie wichtig sind kundenbezogene Informationen für den Hersteller? (wichtig direkter Vertrieb) Werden die bestehenden indirekten Absatzkanalstrukturen bereits von Wettbewerbern „blockiert“? (wenn die Nutzung von indirekten Absatzkanalstrukturen nicht möglich ist, bleibt nur der direkte Verkauf; Beispiele: Eismann und Vorwerk) direkter Vertrieb <?page no="231"?> 232 4 Distribution und Handel Bei der Festlegung einer bestimmten Form des Absatzkanals handelt es sich allerdings nicht um eine statische, einmalige Entscheidung. Vielmehr können veränderte Rahmenbedingungen (wie bereits vorab angesprochen) dazu führen, dass sich die Machtbeziehungen bei einem indirekten Vertrieb verändern und somit sowohl Händler als auch Hersteller einen Anreiz haben, jeweils Aufgaben des Partners zu übernehmen, um so die eigene Position weiter zu stärken bzw. die Abhängigkeit von einem Partner zumindest teilweise zu verringern. Einerseits übernehmen Handelsunternehmen beispielsweise durch die Einführung von Handelsmarken (Rückwärtsintegration) Aufgaben des Herstellers (z.B. Entscheidungen über Produktgestaltung und Variantenzahl). Andererseits übernehmen auch Hersteller im Rahmen der Vorwärtsintegration Aufgaben der Händler (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Abb. 48: Vertikalisierung des Absatzkanals (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011, 556) Hersteller Vorwärtsintegration Rückwärtsintegration Vertikalisierung des Absatzkanals Händler eigene Filialen (direkter Vertrieb) Factory- Outlets Konzessionen Franchise Shop-in-Shop langfristige vertragliche Bindung der Lieferanten Aufbau eigener Produktion Akquisition von Lieferanten <?page no="232"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 233 Übernehmen Händler Aufgaben des Herstellers beispielsweise bei einer Rückwärtsintegration, so könnte diese über langfristige Verträge mit einem Hersteller erfolgen. Typisch sind solche langfristigen Verträge im Zusammenhang mit der Produktion von Handelsmarken; d.h. Handelsmarken werden meist nicht von den Händlern selbst produziert, sondern von Herstellern, die auch Markenprodukte anbieten. Im Rahmen von solchen langfristigen Produktionsverträgen legen die Händler die jeweils zu produzierende Produktpalette sowie Preise fest und übernehmen damit originäre Aufgaben des Herstellers (Produkt- und Preispolitik). Händler sichern so, dass Preise langfristig stabil bleiben und können durch diese Art der Verträge ggf. ihre Machtposition gegenüber dem jeweiligen produzierenden Hersteller und anderen Lieferanten verbessern. Mit dem Angebot von Handelsmarken versuchen Händler zudem, sich vom Wettbewerb zu differenzieren, denn die Handelsmarken gibt es nur bei dem jeweiligen Handelsunternehmen. Bei einfachen Produkten können Händler sogar die Produktion der Waren übernehmen, dies ist z.B. bei Backwaren der Fall. Händler wie Globus verfügen in ihren Supermärkten über eigene Backstraßen, in denen Waren wie Brot, Brötchen etc. selbst hergestellt werden. Schließlich könnten Händler selbst auch Lieferanten kaufen und so die Aufgabe des Herstellers komplett übernehmen. Angesichts der steigenden Handelsmacht können allerdings auch Hersteller Maßnahmen ergreifen, um den eigenen Einfluss auf die Sortimentsgestaltung zu erhöhen bzw. den Handel zu umgehen (Vorwärtsintegration). Eine erste Möglichkeit wäre es, Shop-in-Shop-Lösungen in Kooperation mit den Handelsunternehmen zu nutzen. Dabei kann der Hersteller eine bestimmte Fläche mit eigenem Mobiliar ausstatten und hat somit einen größeren Einfluss auf das in diesem Bereich angebotene Warensortiment. Das Warenrisiko bzw. die konkrete Preisgestaltung übernimmt dagegen weiterhin oft der jeweilige Händler (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Der Händler erhält im Gegenzug Mietzahlungen für die nun vom Hersteller genutzte Fläche (Ahlert 1991). Franchise-Systeme kennzeichnen eine enge Kooperation zwischen Hersteller und Handel, die langfristig ausgelegt und auf Basis von <?page no="233"?> 234 4 Distribution und Handel vertraglichen Regelungen dem Franchisenehmer (Händler) ermöglicht, das Geschäftsmodell des Franchisegebers (z.B. die Produkte, die Marken) gegen Entgelt zu nutzen und Produkte oder Dienstleistungen auf eigene Rechnung zu vertreiben. Bei der Implementierung von Franchise-Konzepten (McDonalds, Fressnapf etc.) legt der Hersteller somit u.a. die Produktpalette, die Kommunikationsstrategie und den Markenauftritt fest. Der Franchisegeber entwickelt ein Geschäftskonzept für den Franchisenehmer und im Gegenzug verpflichtet sich der eigenständige Händler zur Zahlung von Gebühren und zur Einhaltung der festgelegten Franchiseregeln (den Pflichten des Franchisenehmers; Ahlert 1991). Bei Konzessionen mietet der Hersteller (analog zu der oben beschriebenen Shop-in-Shop-Lösung) Verkaufsfläche vom Händler und arbeitet auf eigene Rechnung. Der Hersteller übernimmt nun das Warenrisiko und die Preisgestaltung; er ist für die Warendisposition verantwortlich und stellt Verkaufspersonal zur Verfügung. Factory-Outlets waren ursprünglich fabriknahe Lagerverkäufe, d.h. Unternehmen haben hier Restposten sowie Überproduktionen in einem eigenen Laden verkauft. Heutzutage ist Fabriknähe allerdings nicht mehr zwingend notwendig. Factory-Outlets stellen somit eigenständig vom Händler betriebene Geschäfte dar, in denen Waren unter Nutzung eines als besonders preisgünstig wahrgenommenen Verkaufsstätten-Images vertrieben werden (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Eigene Filialen entsprechen schließlich dem direkten Vertrieb. Meffert, Burmann und Kirchgeorg (2011, 557) geben einen umfangreichen Überblick über die Chancen und Risiken bei der Vorwärtsintegration von Herstellern. Anhand dieser Übersicht wird deutlich, dass Maßnahmen zur Vorwärtsintegration den Herstellern die Möglichkeit bieten, Distributionskanäle effizienter zu gestalten und die Durchsetzung eigener Marketingstrategien (Produktpositionierung, Warenpräsentation, Preisgestaltung, Sortimentsgestaltung usw.) zu garantieren. Allerdings ist eine Vorwärtsintegration immer auch mit erheblichen Risiken verbunden, dies betrifft die notwendigen finanziellen Ressourcen, aber auch strategische (z.B. geringere Flexibilität im Vertrieb) sowie operative Risiken (z.B. in Bezug auf Standortsuche oder das Management von Handelsunternehmen). <?page no="234"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 235 Insofern ist es sicher nicht verwunderlich, dass Unternehmen, die eine Vorwärtsintegration anstreben, diese Strategie über einen längeren Zeitraum schrittweise implementieren. Zudem ist zu beachten, dass eine Vorwärtsintegration nicht bei allen Unternehmen/ Produktgruppen möglich ist (insbesondere bei Konsumgütern). Hersteller haben deshalb oft keine Wahl, d.h. es kommt nur die indirekte Absatzkanalstruktur infrage. In diesen Fällen muss der Hersteller entscheiden, wie die Absatzkanalstruktur konkret gestaltet werden kann (horizontale Absatzkanalstruktur; Anderson und Coughlan 2002). Dabei muss zunächst festgelegt werden, welche Betriebsform die relevanten Händler aufweisen sollten. Als Betriebsform werden „unternehmensübergreifende Systematiken von Handelsbetrieben [bezeichnet] …, die durch Klassifikation oder Typisierung entstehen können“ (Ahlert und Kenning 2007, 111). Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass es sich hierbei um aus Nachfragersicht gebildete Typologien handelt, d.h. aus Kundensicht vergleichbare Arten von Handelsunternehmen (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Supermärkte, Fachmärkte und Discounter sind Beispiele für unterschiedliche Betriebsformen (Ahlert und Kenning 2007). In einem nächsten Schritt sind die relevanten Betriebstypen und die Anzahl der angestrebten Handelspartner, mit denen ein Hersteller zusammenarbeiten will, festzulegen. Bei Handelsunternehmen des gleichen Betriebstyps handelt es sich um Händler, die „sich hinsichtlich der eingesetzten Marketinginstrumente ähneln“ (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011, 551), d.h. ähnlich positioniert sind. Zwei Uhrenfachhändler, die beide exklusive Uhren vertreiben und sich auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe eingestellt haben, würden demnach zu einem Betriebstyp gehören. <?page no="235"?> 236 4 Distribution und Handel Bei der Festlegung der Anzahl der Handelspartner ist die angestrebte Distributionsquote festzulegen. Diese bezieht sich typischerweise auf die letzte Stufe im Absatzkanal (d.h. der Stufe mit direktem Kontakt zum Endkunden) und bezeichnet die Anzahl der Händler, die ein bestimmtes Produkt führen in Relation zu der Gesamtanzahl an Handelsunternehmen, die Produkte aus dieser Produktkategorie führen (Helm 2009). Ausgangspunkt bei der Festlegung der Distributionsquote ist die Art des Kaufentscheidungsprozesses, den die Kunden bei dem Erwerb eines Produktes anwenden. Sind Kunden bereit, für ein bestimmtes Produkt einen Mehraufwand bei der Suche nach einem passenden Händler in Kauf zu nehmen (beispielweise, weil die Markenbindung und Loyalität zu einem Hersteller besonders hoch ist), kann die Distributionsquote geringer als bei einem Produkt sein, bei dem der Kunde bei Nicht-Verfügbarkeit bei einem Händler einfach zu einem anderen Produkt wechseln würde. Während Kunden eines Autoherstellers beispielsweise bereit wären, einigen Aufwand auf sich zu nehmen, um zum nächsten Händler zu gelangen, würden diese Kunden beim Kauf bestimmter Lebensmittel nicht die gleichen Mühen auf sich nehmen. Ebenso gilt dies, wenn Kunden nicht bereit sind, bestimmte Produkte bei verschiedenen Händlern zu kaufen (One-Stop-Shopping). Die Distributionsquote ist deshalb bei Gütern des täglichen Bedarfs tendenziell höher als bei Gütern, die nur vergleichsweise selten gekauft werden. Die Entscheidung für eine bestimmte Distributionsquote hat zudem einen direkten Einfluss auf den zu erwartenden Preiswettbewerb, d.h. je höher die Distributionsquote ist, desto höher ist vermutlich der Preiswettbewerb und desto geringer sind die zu erwartenden Margen der Händler und des Herstellers. Allerdings muss die Distributionsquote hoch genug sein, um den Markt abdecken zu können. Eine minimale bzw. maximale Distributionsquote stellen dabei Extrempunkte eines Kontinuums dar, aus denen eine für das Unternehmen vorteilhafte Anzahl an Händlern ausgewählt werden kann. Dabei unterscheidet man typischerweise zwischen drei Arten der Distribution(-squote): [1] exklusive (nur ein Händler je Markt; es handelt sich um eine Spezialform der selektiven Distribution), <?page no="236"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 237 [2] selektive (wenige Händler je Markt) und [3] intensive Distribution (so viele Händler wie möglich in einem Markt; Coughlan et al. 2001). Die intensive Distribution ist vor allem bei Gütern des täglichen Bedarfs sinnvoll, d.h. die Kunden sind beim Kauf dieser Produkte oft nicht bereit, einen hohen Kaufaufwand zu akzeptieren und kaufen die Waren bei einem nahegelegenen Händler. Eine selektive Distribution erscheint sinnvoll, wenn für den Hersteller bei dem Verkauf seiner Waren qualitative Aspekte entscheidend sind - dies betrifft beispielsweise eine gute Beratung, eine bestimmte Produktpräsentation der Angebote oder seiner Marke (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). Strebt ein Hersteller beispielsweise eine höhere Preis- und Markenpositionierung an, wird er nur aus den Handelsunternehmen auswählen können, die diesen Zielen entsprechen können, so dass sich die Zahl der potenziell infrage kommenden Verkaufsstellen reduziert. Die exklusive Distribution stellt eine Spezialform der selektiven Form dar; im Extremfall bedeutet dies, dass lediglich ein Handelsunternehmen in einem Markt die Waren vertreibt. Da der jeweilige Händler in diesem Markt quasi ein „Monopol“ auf den Verkauf der Artikel hat, ist allerdings sicherzustellen, dass die Verkaufsbemühungen des Händlers den Anforderungen des Herstellers entsprechen, d.h. der Hersteller mehr Kontrollmöglichkeiten besitzt (Coughlan et al. 2001). Zudem stellen Hersteller gegenüber Händlern mit Exklusivverträgen typischerweise höhere Anforderungen an die Durchsetzung vorgegebener Preisniveaus und an die Qualität der Serviceleistung des Händlers, die beide dem Imageaufbau des Herstellers (z.B. bei Premiummarken) dienen (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011). 44.2.2 Motivation der Handelspartner In allen oben genannten Fällen ist sicherzustellen, dass genügend Absatzmittler existieren, die überhaupt Interesse an dem Verkauf der Waren haben. Wie aus vorheriger Abbildung ersichtlich, kann es sein, dass die Wettbewerber bereits die Absatzmittler „blockieren“, d.h. unter Umständen haben Händler gar kein Interesse daran, die Produkte des jeweiligen Herstellers zu verkaufen. Dies gilt <?page no="237"?> 238 4 Distribution und Handel insbesondere, wenn mit den Produkten vergleichsweise kleine Nischenmärkte angesprochen werden sollen. Nachdem beispielsweise Procter & Gamble im Jahr 2000 den Textilerfrischer „Febreze“ auf den Markt gebracht hatte, versuchten auch die Wettbewerber, entsprechende Produkte am Markt zu etablieren - allerdings gänzlich ohne bzw. mit wenig Erfolg. Da der Markt für Textilerfrischer vergleichsweise klein ist und eine „starke Marke“ bereits vorhanden war, hatten die Händler wenig Interesse an weiteren, ähnlichen Produkten. Aus Herstellersicht stellt sich somit die Frage, wie das Interesse der Händler an den eigenen Produkten geweckt werden könnte (siehe folgende Abbildung). In diesem Zusammenhang wird häufig zwischen einer Push- und einer Pull-Strategie unterschieden (Helm 2008; Gierl, Helm und Puhlmann 2000). Abb. 49: Push- und Pull-Strategie Bei der Push-Strategie richtet sich ein Hersteller bei seinen Verkaufsbemühungen insbesondere auf den Handel aus. Ziel ist es, den Händlern einen Anreiz zu geben, die eigenen Produkte überhaupt in das Sortiment aufzunehmen und die Produkte in den Markt zu drücken (Push). Dies geschieht beispielsweise durch Zahlung von Listungsgeldern, durch Sonderangebote, Rabatte oder der Übernahme von Kosten auf Händlerseite (z.B. Werbekostenzuschüsse). Push Pull Hersteller Kunde auf den Handel ausgerichtet Beispiel für Instrumente: Listungsgelder, Werbekostenzuschüsse auf die Kunden ausgerichtet Beispiel für ein Instrument: Imagewerbung <?page no="238"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 239 Entsprechende Strategien sind in Produktbereichen, in denen die unterschiedlichen Marken aus Kundensicht vergleichsweise ähnlich wahrgenommen werden (z.B. bei Commodities) nicht unüblich. Da den Kunden in diesem Fall der jeweilige Anbieter „egal“ ist, kaufen diese einfach das Produkt, das im Handel vorhanden ist. Ziel des Herstellers kann (und Ziel eines aktiven Marketing muss) es allerdings sein, eine klare Positionierung in den Augen der Kunden und eine Differenzierung vom Wettbewerb zu erreichen und so aus Sicht des anvisierten Kundenklientels einen Präferenzvorsprung zu erzielen. Bei einer Pull-Strategie sind somit Produkte zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Nachfrager im besonderen Maße entsprechen, durch geeignete Kommunikationsmaßnahmen (Imagewerbung) die Kunden darüber zu informieren und eine starke Marke aufzubauen. Idealerweise schafft es ein Unternehmen sogar, bisher noch unbefriedigte Kundenbedürfnisse aufzudecken und somit neue Märkte bzw. Marktsegmente zu schaffen, auf denen der Anbieter quasi „Monopolist“ ist (Aaker 2011). Gelingt es einem Unternehmen, bei den Kunden eine Präferenz für die eigenen Angebote zu schaffen, werden diese im Handel die Produkte nachfragen und so einen „Nachfragesog“ (Pull) erzeugen. Für Handelsunternehmen sind diese Produkte dann attraktiv und ertragreich; sie werden diese Produkte in das eigene Sortiment aufgrund von einer ausreichend hohen Nachfrage aufnehmen. Im Normalfall werden Unternehmen nicht eine der beiden, sondern eine Mischung aus Push- und Pull-Strategie verfolgen, d.h. einerseits sollte es das Ziel sein, Kundennachfrage (Pull) zu generieren; andererseits werden dem Handel oft Anreize gesetzt, die eigenen Produkte zu vermarkten (Push). 44.2.3 Gestaltung der Kooperation zwischen Hersteller und Handel Nachdem die Absatzkanalstruktur festgelegt wurde, stellt sich die Frage, wie die vertraglichen Beziehungen zwischen den Vertragspartnern festgelegt werden. Den Herstellern stehen, je nach Gestaltung der Absatzkanalstruktur unterschiedliche Möglichkeiten zur Vertragsgestaltung zur Verfügung (siehe Abbildung 50). Die lose Kooperation zwischen Unter- <?page no="239"?> 240 4 Distribution und Handel nehmen jeglicher Art sowie der direkte Vertrieb durch den Hersteller stellen dabei Extrempunkte dar. Bei einem direkten Vertrieb durch den Hersteller (z.B. durch Nutzung eigener Verkaufsorgane) sind streng genommen keine (externen) Verträge notwendig, diese Form wird hier lediglich der Vollständigkeit halber aufgeführt; hier sind die Steuerungsmöglichkeiten des Herstellers am höchsten. Im Gegensatz dazu hat ein Hersteller bei einer losen Zusammenarbeit mit dem Handel kaum Möglichkeiten, steuernd einzugreifen. Abb. 50: Formen der Vertragsgestaltung zwischen Hersteller und Händler (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2011, 565) Franchise-Systeme (siehe auch voriger Abschnitt) haben immer eine hybride Struktur, d.h. es handelt sich um eine Kombination aus direktem und indirektem Vertrieb. Ein Franchisegeber muss immer auch eigene Filialen betreiben (direkter Vertrieb), wenn er sein System an potenzielle Franchisenehmer vermarkten will (indi- Anweisungsvertrieb über herstellereigene Verkaufsorgane (Reisende, Niederlassungen, Versand) Gestaltungsfreiräume der Absatzmittler Steuerungsmöglichkeiten des Herstellers indirekter Vertrieb direkter Vertrieb Franchising lose Kooperationen mit schwachem Verbindlichkeitsgrad Alleinvertriebssysteme Vertriebsbindungssysteme vertraglich fixierte Zusammenarbeit mit gewissen Rahmenvereinbarungen <?page no="240"?> 4.2 Distribution aus Herstellerperspektive 241 rekter Vertrieb). Bei Franchise-Systemen hat der Hersteller einen im Vergleich zu anderen Vertragsformen hohen Einfluss, da eine umfassende vertragliche Regelung der Rechte und Pflichten erfolgen kann. Im Rahmen dieser Verträge erlaubt der Franchisegeber dem Nehmer typischerweise die Nutzung von Marken, Ausstattung und Geschäftssowie Vertriebskonzepten. Der Franchisenehmer zahlt dem Geber im Gegenzug eine Gebühr und verpflichtet sich, vom Hersteller vorgegebene Regelungen (z.B. bezüglich des Vertriebs oder der Erstellung von Leistungen) einzuhalten. Bei Alleinvertriebssystemen handelt es sich letztlich um die oben beschriebene exklusive Distribution, d.h. innerhalb eines Marktes gibt es nur einen Händler. Einerseits sichert der Hersteller durch eine solche Vertriebsform dem Händler für einen beschränkten Markt zu, dass nur er bestimmte Artikel verkaufen darf; andererseits fordert der Hersteller im Gegenzug, dass er Einfluss auf den Vertrieb nehmen kann. So kann er dem Händler Vorgaben über bestimmte Mindestqualifizierungen (Zertifizierungen) der Mitarbeiter, eine bestimmte Gestaltung der Verkaufsflächen, die Übernahme der Abwicklung von Garantiedienstleistungen usw. machen. Bei Vertriebsbindungssystemen besteht, im Gegensatz zum Alleinvertriebssystem, kein Gebietsschutz. Vertragliche Beziehungen zwischen Hersteller und Händlern sichern dem Hersteller allerdings bestimmte Einflussmöglichkeiten. So kann vertraglich festgelegt werden, dass Händler nur: [1] innerhalb eines begrenzten räumlichen Gebietes tätig werden (Exportsowie Re-Importverbote), [2] nur bestimmte Zielgruppen ansprechen oder [3] zeitliche Vertragsregelungen getroffen werden (z.B. maximale Lagerdauer von Zeitschriften im Handel; siehe dazu auch Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2012). Weniger Einflussmöglichkeiten hat ein Hersteller schließlich bei der vertraglich fixierten Zusammenarbeit, diese ist zwar im Gegensatz zu einer losen Kooperation dauerhafter ausgelegt. Meist werden hierbei jedoch lediglich für einen bestimmten Zeitraum Preise und Abnahmemengen festgelegt. Dies hat insbesondere Bedeutung beim internationalen Vertrieb auf B2B-Märkten. <?page no="241"?> 242 4 Distribution und Handel 44.3 Distribution aus Handelsperspektive Absatzmittler (z.B. Handelsunternehmen) übernehmen/ organisieren im Absatzkanal eine Reihe von Aufgaben gegenüber dem Hersteller und den Kunden. Dies beinhaltet insbesondere folgende Bereiche (Anderson und Coughlan 2002): [1] Sortimentsfunktion/ Sortimentsbildung, [2] Übertragung von Verfügungs- und Eigentumsrechten und Risikoübernahme, [3] physische Übertragung von Produkten (Logistik), [4] Kommunikations- und Werbefunktion, [5] Verhandlungen (z.B. Preisverhandlungen mit Kunden), [6] Finanzierung, [7] Organisation von Bestellungen, [8] Bezahlung und [9] Bereitstellung von Service/ Handling von Gewährleistungsansprüchen. Im Folgenden erfolgt eine Fokussierung auf zwei Hauptaufgabenfelder von Händlern, dies betrifft einerseits die Sortimentsgestaltung und andererseits die wachsende Bedeutung von Multi- Channel-Strategien. 4.3.1 Sortimentsgestaltung Eine Hauptaufgabe der Absatzmittler ist die Gestaltung eines aus Kundensicht ansprechenden Sortiments. Als Sortiment wird dabei die Gesamtheit der von einem Händler angebotenen Waren bezeichnet (Bea, Helm und Schweitzer 2009). Um das eigene Sortiment sinnvoll koordinieren zu können, ist es zunächst notwendig, den Aufbau des Sortiments systematisch festzulegen bzw. diesen bei einem bereits existierenden Sortiment zu untersuchen. Hierzu können verschiedene Kategorisierungsansätze herangezogen werden. Im Folgenden wird ein Beispiel für eine Sortimentspyramide dargestellt. In der Praxis werden solche Sortimentspyramiden meist unternehmensindividuell festgelegt, d.h. es gibt keine einheitliche Vorgehensweise bei der Kategorisierung <?page no="242"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 243 der verschiedenen Produkte zwischen den Händlern (siehe dazu auch Theis 2007). Eine solche Sortimentspyramide entspricht einer Hierarchie von Produkten, d.h. ein Unternehmen muss zunächst auf der oberen Ebene entscheiden, aus welchen Warenbereichen Produkte angeboten werden sollen, in welchen Warengattungen man aktiv sein möchte usw. Ein solches schrittweises Vorgehen hat somit vor allem das Ziel sicherzustellen, dass das Sortiment systematisch entwickelt wird bzw. Produkte erkannt werden können, die nicht in das aktuelle Sortiment passen. Abb. 51: Sortimentspyramide (Theis 2007, 293) Aus Handelssicht ist dabei die Sortimentstiefe und -breite festzulegen sowie eine konkrete Produkt- und Markenauswahl notwendig (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2012). Ziel ist es, dem Kunden durch die - seinen Bedürfnissen entsprechende - Sortimentsgestaltung einen Grund für das Aufsuchen des Handelsunternehmens zu geben und sich durch diese Positionierung einen Vorteil gegenüber anderen Handelsunternehmen zu verschaffen. Die Sortimentstiefe bezieht sich dabei auf die Anzahl der Varianten je Produktkategorie (d.h. Variantenzahl innerhalb einer Warengruppe, d.h. potenzielle Anzahl von Substituten; es geht somit um Entscheidungen auf der Ebene der Artikel bzw. auf Sortenebene), während die Sortimentsbreite angibt, wie viele verschiedene Produktkategorien (Warenbereiche und Warenarten) von einem Händler angeboten werden. Sortiment Warenbereich Warengattung Warenart Artikel Sorte Beispiel 1 Bekleidung Schuhe Damen Joggingschuhe Größe 38 Beispiel 2 Rauchen Zigaretten Virginiatabak Filter 20er Packung <?page no="243"?> 244 4 Distribution und Handel Ein Getränkehändler weist typischerweise eine hohe Sortimentstiefe (viele Artikel und Sorten von Getränken), allerdings eine niedrige Sortimentsbreite auf (es werden v.a. Getränke angeboten). Im Gegensatz dazu ist ein Discounter eher durch eine relativ höhere Sortimentsbreite (es werden Produkte aus vergleichsweise vielen Warengattungen und -arten angeboten), allerdings durch eine geringe Sortimentstiefe (je Warengattung und -art ist die Auswahl an Produkten beschränkt) gekennzeichnet. Neben der Festlegung der Sortimentstiefe und -breite sollten bei der Auswahl der zu vertreibenden Produkte auch Synergieeffekte zwischen den Artikeln des Sortiments berücksichtigt werden. Der Gesamtumsatz kann beispielsweise gesteigert werden, wenn sich Artikel im Angebot befinden, die sich in einem komplementären Gebzw. Verbrauchsverhältnis befinden (ein Bedarfsverbund weist typischerweise auf die Vorteilhaftigkeit einer höheren Sortimentsbreite hin). Für ein breites Sortiment sprechen auch typische Kaufgewohnheiten der Nachfrager: Wenn diese beispielsweise aufgrund bisheriger Einkäufe beabsichtigen, bei einem Handelsunternehmen mehrere Artikel unterschiedlichen Typs zu kaufen (One-Stop- Shopping), dann sollte der Händler (wenn diese Kunden zu seiner Zielgruppen gehören) dieses Bedürfnis erfüllen. Verbundbeziehungen zwischen Artikeln unterschiedlicher Warenbereiche können beispielsweise durch Warenkorbanalysen aufgedeckt werden. Anhand von Scannerkassen-Daten kann beispielsweise ermittelt werden, welche Produkte besonders häufig gemeinsam gekauft werden (Theis 2007). Es kann aber auch sinnvoll sein, eine höhere Anzahl an artgleichen Produkten anzubieten (Auswahlverbund) und so dem Kunden durch eine höhere Auswahl einen Mehrwert zu verschaffen (dies spräche für eine höhere Sortimentstiefe; Theis 2007). In diesem Fall besteht somit die Vermutung, dass eine große Auswahl von Produkten einer Warengruppe oder -art den Nutzen des Kunden steigert. Unternehmen, die eine hohe Sortimentstiefe anstreben, gehen oftmals davon aus, dass mit einer höheren Variantenzahl auch tendenziell die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das für den Kunden „ideale“ Produkt angeboten wird und somit die Kaufwahrscheinlichkeit steigt. Die Entscheidung über die Anzahl der angebotenen <?page no="244"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 245 Varianten (in einer Produktkategorie oder die von einem Händler angebotene Anzahl der Varianten eines Herstellers) ist eine der wichtigsten Fragestellungen bei der Festlegung des Sortiments, da [1] Regalplatz für Händler häufig ein entscheidender Engpassfaktor ist (d.h. der Regalplatz im Handelsgeschäft ist begrenzt und kann nicht ohne Weiteres erhöht werden), [2] die Variantenzahl einen erheblichen Einfluss auf das Kaufverhalten und somit auch auf den Umsatz eines Händlers haben kann; so zeigen verschiedene Studien, dass (unter bestimmten Bedingungen) allein durch die Variation der Sortimentsvielfalt der Umsatz verzehnfacht werden kann (Iyengar und Lepper 2000), und [3] durch die Erhöhung der angebotenen Variantenzahl sowohl die oben beschriebenen positiven, allerdings auch negative Effekte möglich sind, da sich Kunden bei einer hohen Variantenzahl ggf. mit der Auswahl überfordert fühlen könnten. Eine solche wahrgenommene Überforderung könnte einen negativen Einfluss auf die Motivation der Kunden haben, es dem Kunden erschweren, sich für eine Alternative zu entscheiden und letztlich dazu führen, dass dieser gar kein Produkt kauft (too-muchchoice effect bzw. choice overload). Iyengar und Lepper (2000) zeigen beispielsweise, dass eine hohe Auswahl an Produkten zwar das Interesse an dieser Produktkategorie steigern kann, letztlich aber deutlich weniger Produkte als bei einer geringeren Sortimentstiefe gekauft werden. Ein entsprechender „too-much-choice effect“ wurde in einer Vielzahl an Studien beobachtet (für einen Überblick siehe Scheibehenne, Greifeneder und Todd 2010). Dies bedeutet für einen Händler, dass er eine „optimale“ Sortimentstiefe bestimmen sollte, um diesen negativen Effekt auf das Kaufverhalten zu vermeiden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nur unter bestimmten Bedingungen mit einem solchen too-much-choice effect zu rechnen ist. So zeigen Scheibehenne, Greifeneder und Todd (2010) in einer Metastudie, dass weder durch eine hohe bzw. geringere Sortimentstiefe „automatisch“ positive noch negative Effekte entstehen. Ein negativer Einfluss der Sortimentsvielfalt ist demnach nur dann zu erwarten, wenn: <?page no="245"?> 246 4 Distribution und Handel [1] Kunden in einer Produktkategorie nur wenig Erfahrung (Vorwissen und Vertrautheit mit den Produkten einer Kategorie) haben und deshalb noch keine ausgeprägten Präferenzen (Vorlieben) vorhanden sind, [2] viele (aus Kundensicht) vergleichbar gute Produkte existieren und/ oder [3] es sich um neuartige Produkte handelt (z.B. viele neuartige und unbekannte Geschmacksrichtungen einer Marmelade). Zudem können Händler die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines too-much-choice effects verringern, indem: [1] die Artikel einer Produktkategorie im Geschäft „vorsortiert“ sind (z.B. indem Notebooks in entsprechende Kategorien wie Büro, Spiele, Mobilität usw. sortiert werden), [2] zu ähnlich wirkende Alternativen vermieden werden (z.B. indem bei identischen Kleidungsstücken sehr ähnliche Farben vermieden und dafür eher bei Kleidung eine höhere Zahl unterschiedlicher Farben angeboten werden) und/ oder [3] der Einkauf für Kunden mit wenig Produkterfahrung vereinfacht wird (z.B. bei komplexen Produkten durch Verkäuferberatung oder durch die Nutzung von Terminals, die eine Konfiguration des Produkts - beispielsweise eines Notebooks - ermöglichen). Während „Experten“ in einer Produktkategorie tendenziell eine hohe Auswahl wünschen (Chernav 2003a, 2003b), könnte durch diese Maßnahmen eine kognitive Belastung der Kunden mit weniger Produkterfahrung vermieden und so der Gesamtumsatz des Händlers gesteigert werden. Zusammenfassend handelt es sich bei der Festlegung des Sortiments um eine dynamische Entscheidung, die nicht einmal getroffen, sondern sich ändernden Marktgegebenheiten und Kaufgewohnheiten angepasst werden müssen. Ziel sollte es demnach sein, neben der Analyse von Verkaufsdaten (z.B. auf Basis von Scannerkassendaten) ebenfalls Marktforschung bezüglich des Kaufverhaltens aktueller und potenzieller Kunden zu betreiben und auf Basis dieser Daten das bestehende Sortiment fortlaufend zu optimieren. <?page no="246"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 247 44.3.2 Optimierungsansätze der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Händler Im Rahmen des Supply Chain Managements wird die gesamte Lieferkette vom Rohstofflieferanten über den Hersteller und Händler bis zum Endkunden als Ganzes betrachtet. Da die Zahl der am Herstellungsprozess beteiligten Unternehmen, Zwischenhändler und Händler oft sehr groß ist, wird in diesem Zusammenhang oft von Wertschöpfungsnetzwerken (value networks) gesprochen (Mentzer und Gundlach 2010). Ziel ist es, Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen und so zu hohe Lagerbestände oder eine Nichtverfügbarkeit von Waren im Handel zu vermeiden. Die Nachfrage der Kunden soll insgesamt möglichst effizient befriedigt werden (Esper et al. 2010). Somit ist es die Aufgabe des Supply Chain Managements, Bedarf frühzeitig zu erkennen und zu prognostizieren, Produktentwicklung und Logistik darauf auszurichten und den Handel mit ausreichend Gütern zu versorgen. Eine Besonderheit des Supply Chain Managements besteht darin, dass nicht nur unternehmensinterne, sondern insbesondere externe Abläufe zwischen den Partnern (Lieferanten, Hersteller, Zwischenhändler, Händler usw.) optimiert werden, um insgesamt den Kundennutzen zu steigern (Esper et al. 2010; Mentzer und Gundlach 2010). Um die oben genannten Ziel erreichen zu können, müssen somit alle beteiligten Partner Informationen über die (aktuelle und erwartete) Kundennachfrage, Produktionskapazitäten, Transportkapazitäten sowie Lagerbestände (idealerweise in Echtzeit) austauschen (Esper et al. 2010). Plant beispielsweise ein Hersteller eine Werbeaktion, so hat diese einen Einfluss auf die erwartete Nachfrage beim Kunden. Diese Informationen müssen frühzeitig an Lieferanten, aber auch an Zwischen- und Endhändler weitergegeben und die Menge der beim Lieferanten bestellten Vorprodukte und die im Handel vorhandenen Mengen angepasst werden. Weiterhin haben beispielsweise technologische Trends, eigene Produktionskapazitäten, Lagerbestände, Änderungen innerhalb der Logistik einen Einfluss auf die Liefermengen. <?page no="247"?> 248 4 Distribution und Handel Ebenso müssen Händler die Hersteller frühzeitig über sämtliche Verkaufsmaßnahmen informieren, die den Bedarf nach den Produkten des Herstellers beeinflussen könnten (z.B. Sonderpreisaktionen bezüglich des Produkts [Erhöhung der Nachfrage] oder bezüglich Wettbewerbsprodukte [Verringerung der Nachfrage], Änderungen in der Sortimentsgestaltung, Preisaktionen bei Komplementärgütern usw.). Prognosen zum Nachfrageverhalten können dabei auf Basis von Vergangenheitsdaten, Vergleichsmärkten oder auch subjektiven Bewertungen getroffen werden. Auf Basis einer gemeinsamen Datenbasis bestehend aus einer Vielzahl von Einzelinformationen aus unterschiedlichsten Quellen können im nächsten Schritt der Hersteller und der Händler eine gemeinsame Prognose über den zu erwartenden Bedarf innerhalb der Planungsperiode treffen - dabei handelt es sich zumeist um kurzbzw. mittelfristige Prognosen (Esper et al. 2010). Auf Basis dieser Prognose können schließlich Maßnahmen zur Stimulierung (Verkaufsaktionen, Werbemaßnahmen, Sonderpreisaktionen usw.) oder zur Reduzierung der Nachfrage (Preiserhöhungen, verringerte Werbebudgets usw.) getroffen werden. Schließlich können durch einen Informationsaustausch nicht nur taktische bzw. operative Entscheidungen (d.h. kurz- und mittelfristige Maßnahmen) getroffen werden. Auf strategischer Ebene ermöglicht eine intensive Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel auch Entscheidungen über Maßnahmen mit langfristiger Wirkung (z.B. grundlegende Entscheidungen zur Sortimentsausrichtung, Produktentwicklung und -positionierung oder die Expansion in neue Märkte; Esper et al. 2010). Zusammenfassend können durch Supply Chain Management die Marketingstrategien verschiedener Netzwerkpartner (Lieferanten, Hersteller, Zwischenhändler, Händler) aufeinander abgestimmt werden. Ziel ist aus Unternehmensperspektive die Nachfrage aktiv zu steuern und die Effizienz der Distribution zu steigern. Allerdings hat die Implementierung oft weitreichende Folgen für die Netzwerkpartner. Zum einen muss die Organisationsstruktur angepasst werden; Marketing und Logistik sind häufig separate Abteilungen in den Unternehmen. Ohne eine Integration dieser Abteilungen ist Supply Chain Management nicht möglich (Esper et al. <?page no="248"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 249 2010). Zum anderen sind umfangreiche Investitionen in eine Informationsinfrastruktur, die den automatisierten Austausch von Informationen zwischen den Netzwerkpartnern ermöglichen, notwendig (z.B. durch standardisierte Schnittstellen innerhalb verschiedener betrieblicher Geschäftsprozesssoftwaresysteme). Hauptproblem bei der Umsetzung stellen allerdings die oben beschriebenen unterschiedlichen Zielbeziehungen dar, die häufig zu Konflikten zwischen den Netzwerkpartnern führen (Esper et al. 2010). Viele gemeinsame Supply-Chain-Management-Projekte schöpfen nicht das volle Potenzial aus, da eine vertrauensvolle Abstimmung zwischen den Netzwerkpartnern unmöglich erscheint. Beispielsweise könnte ein Händler die von den unterschiedlichen Herstellern zur Verfügung gestellten Informationen nutzen, um seine eigene Position zulasten der Hersteller zu verbessern. Der Informationsaustausch der Netzwerkpartner beschränkt sich somit meist auf die Informationen, die aus Sicht des Netzwerkpartners langfristig nicht gegen ihn genutzt werden können. In den letzten Jahrzehnten wurde eine Reihe von Konzepten zum Supply Chain Management entwickelt; besondere Bedeutung haben dabei das Efficient Consumer Response Management (ECR) sowie das Collaborative Planning Forcasting and Replenishment (CPFR). Beide Ansätze konzentrieren sich meist auf die Beziehung zwischen Hersteller und Händler. Sie basieren auf der grundlegenden Anforderung, dass beide Partner eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten (Helm 2009; Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2012). ECR beruht auf den beiden Perspektiven: Logistik und Nachfrager. Aus Logistikperspektive ist demnach sicherzustellen, dass die Warenbelieferung optimiert wird - es sollte somit durch eine Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel die Verfügbarkeit von Waren gesichert, der Lagerbestand reduziert und Transportkosten optimiert werden (Helm et al. 2009). Hersteller liefern somit nur dann waren, wenn sie tatsächlich im Handel benötigt werden (Just-in-time-Lieferungen). Dabei könnte der Hersteller anhand von Lagerdaten des Händlers die Verantwortung für Bestellungen und Lagerhaltung zusammen mit dem Händler (Co-Managed Inventory) oder im Extremfall die Verantwortung vollständig übernehmen (Vendor Managed Inventory). <?page no="249"?> 250 4 Distribution und Handel Aus Nachfragersicht sollte das Sortiment des Händlers so gestaltet werden, dass angebotenen Produkte den Bedürfnissen der Kunden möglichst gut entsprechen (z.B. Bestimmung der Sortimentstiefe und -breite) und die Warenpräsentation (z.B. Ort und Ausmaß der Platzierung im Regal) die Handels- und Herstellerziele unterstützen. Der Hersteller kann bei beiden Aspekten eine beratende Rolle einnehmen oder die Verantwortung für eine bestimmte Produktgruppe komplett übernehmen (Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2012). In letzterem Fall könnte ein Händler einen Category Captain festlegen (meist der Marktführer in einer bestimmten Produktkategorie), der für die Optimierung des Sortiments innerhalb der jeweiligen Produktgruppe zuständig ist und ebenfalls marketingpolitische Entscheidungen treffen kann (z.B. über die Art und das Ausmaß von Verkaufsfördermaßnahmen wie Zweitplatzierungen, Sonderpreisaktionen usw.; Meffert, Burmann und Kirchgeorg 2012). Zusammenfassend können Händler und Hersteller gemeinsam Bedarfslücken im Sortiment identifizieren und schließen. Langfristig kann durch Kooperation innerhalb der Neuproduktentwicklung das Sortiment des Händlers optimiert werden. CPFR fokusiert - analog zum ECR - auf die Beziehung zwischen Hersteller und Händler. Dabei wird der Entscheidungsprozess in neun Stufen gegliedert, die wiederum in die vier Gruppen Collaboration (Zusammenarbeit), Planning (gemeinsame Planung), Forecasting (gemeinsame Prognose des Bedarfs) und Replenishment (Auftragsgenerierung) geordnet werden können (siehe Abbildung 52). CPFR soll eine ganzheitliche Betrachung des Optimierungsproblems zwischen Hersteller und Händler ermöglichen. Analog zum Supply Chain Management und ECR beruht CPFR auf einer vertrauensvollen Beziehung, da zahlreiche Informationen zwischen Hersteller und Händler ausgetauscht werden. Obwohl eine gemeinsame Optimierung der Lieferkette somit Vorteile bietet, ist die praktische Umsetzung zunächst, wie bereits beschrieben, mit erheblichen Investitionen in eine Informationsinfrastruktur verbunden. Zudem kann opportunistisches Verhalten eines der Netzwerkpartner dazu führen, dass Optimierungspotenziale nicht vollständig ausgeschöpft werden bzw. nicht alle Netzwerkpartner von diesen Optimierungen profitieren. <?page no="250"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 251 Abb. 52: CPFR-Geschäftsmodell (Helm 2009) 44.3.3 Multi-Channel-Strategie Multi-Channel-Strategie bedeutet, dass ein Händler seine Waren nicht nur über einen, sondern mehrere Distributionskanäle vertreibt (letztlich handelt es sich also um eine hybride Vertriebsstrategie, so wie sie in Abschnitt 4.2 aus Herstellersicht beschrieben wurde). Die Kombination aus stationärem Handel und Onlinehandel ist dabei die inzwischen am häufigsten zu beobachtende Multi-Channel Strategie. Es kann sich dabei aber auch um andere Kombinationen verschiedener Distributionskanäle handeln (z.B. Katalogverkauf, persönlicher Verkauf, Verkauf über Callcenter usw.). Studien zeigen, dass Multi-Channel-Strategien in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben; 80% der US-amerikanigrundsätzliche Rahmenvereinbarung (1) Entwicklung eines gemeinsamen Geschäftsplans (2) Aktualisierung (5) Entwicklung einer Bedarfsprognose (3) Abweichungserkennung (4) Aktualisierung (8) Entwicklung der Bestellprognose (6) Abweichungserkennung (7) Bestellung/ Auftrag (9) Auftragserfüllung Abverkauf C C ollabor a tion <?page no="251"?> 252 4 Distribution und Handel schen Händler geben an, eine Multi-Channel-Strategie implementiert zu haben (Neslin und Shankar 2009). Die Nutzung von Multi- Channel-Strategien scheint zudem einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg zu haben: 94% der Unternehmen mit dem höchsten Betriebsergebnis in den USA nutzen eine Multi-Channel- Strategie (Kilcourse und Rowen 2008). Ziel des Multi-Channel-Managements ist es, den Kundenwert durch effektive Gestaltung des Absatzkanals zu steigern. Es geht somit im Kern darum, die Akquisitionskosten zur Gewinnung neuer Kunden zu minimieren, die Kundenbindung zu erhöhen und die Kundenbeziehung so zu entwickeln, dass der Kundenwert (z.B. gemessen am Umsatz und an der Kaufhäufigkeit) für das Handelsunternehmen gesteigert wird (Neslin et al. 2006). Verschiedene Beispiele aus der Praxis zeigen, dass ein effizientes Multi-Channel-Management überlebenswichtig für das Unternehmen sein kann. So hatte es die Media-Saturn GmbH (Media Markt und Saturn) über Jahre nicht geschafft, eine entsprechende Multi- Channel-Strategie zu entwickeln, und hat deshalb viele seiner Kunden an Onlinehändler wie Amazon verloren. Durch den Kauf des Onlinehändlers Redcoon (2011) und eine grundlegende Umpositionierung und damit verbunden der Eröffnung von eigenen Online- Stores (2012) versucht Media-Saturn die Ertragskraft der beiden Handelsunternehmen Media Markt und Saturn wieder zu stärken. Auch klassische Händler wie Görtz verlieren immer mehr Kunden an Onlinehändler, da sie diesen Distributionskanal noch nicht effektiv genug nutzen. Die Entwicklung effizienter Multi-Channel-Strategien ist für klassische Handelsunternehmen langfristig überlebenswichtig, da in vielen Branchen davon ausgegangen wird, dass die Bedeutung des Onlinehandels auch in den nächsten Jahren weiter steigen wird (Neslin und Shankar 2009). Viele Handelsunternehmen müssen deshalb Multi-Channel-Strategien entwickeln. Ein weit verbreiteter Strategieentwicklungsansatz ist das „Multichannel Customer Management Decision Framework“ von Neslin und Shankar (2009). Dieser wird im Folgenden beschrieben und in Abbildung 53 im Überblick dargestellt. <?page no="252"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 253 Abb. 53: Relevante Dimensionen bzw. Schritte bei der Entwicklung einer Multi-Channel-Strategie (Neslin und Shankar 2009) In einem ersten Schritt ist es notwendig, die aktuellen und potenziellen Kunden einer Produktkategorie (z.B. Elektronikhandel) bzw. eines Händlers genauer zu untersuchen. Ziel ist es dabei, Kundengruppen zu identifizieren und diese genauer zu beschreiben, um auf Basis dieser Daten im Folgenden distributionskanalspezifische Maßnahmen treffen zu können. Es stellt sich im Kern somit die Frage, wie sich Käufer im klassischen Handel (dieser wird auch als „Brick-and-Mortar“-Handel bezeichnet), „reine“ Onlinekäufer und „hybride“ Kunden (die beide Distributionskanäle nutzen) voneinander unterscheiden. Dabei sollte nicht nur das aktuelle Kauf- I Kundenanalyse Z i e l Identifikation und Beschreibung der Kundengruppen, die typischerweise online bestellen, im traditionellen Handel kaufen bzw. beide Kanäle nutzen II Entwicklung einer Multi- Channel- Strategie Z i e l Wettbewerbsanalyse Festlegung des Oberziels der Multi- Channel- Strategie und Berücksichtigung von Zielkonflikten III Konkretisierung der Multi- Channel- Strategie Z i e l Festlegung der zu nutzenden Marktkanäle Festlegung der Funktion / Ziele der einzelnen Marktkanäle Ausgestaltung von Maßnahmen, um die Nutzung bestimmter Kanäle durch bestimmte Kundengruppen zu stimulieren IV Implementierung Z i e l Realisierung von Economiesof-Scale und Economiesof-Scope Koordinierung der verschiedenen Kanäle Festlegung des Sortiments und der Preisgestaltung je Kanal V Analyse der Zielerreichung Z i e l Analyse von Synergie- und Kannibalisierungseffekten <?page no="253"?> 254 4 Distribution und Handel verhalten, sondern auch das Umsatzpotenzial eines Kunden in einem Marktkanal oder die Distributionskanalpräferenzen der Nachfrager berücksichtigt werden. Im zweiten Schritt kann auf Basis dieser Daten und einer Wettbewerbsanalyse zunächst eine grobe Richtung der zu entwickelnden Distributionsstrategien festgelegt werden. Im Rahmen der Wettbewerbsanalyse müssen aktuelle Anbieter im jeweiligen Distributionskanal sowie deren Strategien analysiert werden. Zudem ist es entscheidend, mögliche Wettbewerbsreaktionen auf die eigene Multi-Channel-Strategie zu antizipieren bzw. diese Möglichkeit bei der Strategieentwicklung zu berücksichtigen. So könnte Wettbewerber B, der bisher seine Waren nur im Ladengeschäft anbietet, auch eine Multi-Channel-Strategie einführen, wenn das eigene Unternehmen A dies tut. Eine effiziente Multi-Channel-Strategie beeinflusst nach Neslin und Shankar (2009) insbesondere die drei Nutzendimensionen: (1) Effizienz, (2) Ansprache neuer Zielgruppen (Segmente) und (3) Kundenzufriedenheit. Ziel einer Multi-Channel-Strategie ist es demnach, die Kosten der Distribution durch eine effizientere Ansprache der Kunden zu senken (Effizienz). Weiterhin können durch eine Erweiterung der Distributionskanäle neue Kundengruppen erreicht und akquiriert werden, so dass der Kundenstamm insgesamt steigen kann. Schließlich kann durch die Nutzung verschiedener Distributionskanäle die Bindung des Kunden an das Unternehmen erhöht werden (z.B. könnte die Kundenloyalität steigen, wenn man es den Kunden ermöglicht, online zu bestellen und Garantieansprüche gegebenenfalls im Laden abzuwickeln). Allerdings bestehen zwischen den drei oben genannten Zielen offensichtlich Konflikte: Ein Unternehmen, das vor allem die Kosten der Distribution senken möchte, bietet ggf. seinen Onlinekunden keinen Service im klassischen Handel an; während ein Unternehmen, das vor allem die Kundenbindung steigern möchte, dies ermöglicht und die zusätzlichen Kosten in Kauf nimmt. Um die Multi-Channel-Strategie im Folgenden konkretisieren zu können, ist es deshalb notwendig, eine Prioritätenliste der Ziele festzulegen, d.h. zu bestimmen, welches Ziel vorrangig verfolgt werden soll. <?page no="254"?> 4.3 Distribution aus Handelsperspektive 255 Nachdem die zentrale Ausrichtung der Multi-Channel-Strategie bestimmt wurde, sind die Distributionskanäle festzulegen. Dabei sollten insbesondere Kannibalisierungsbzw. Synergieeffekte zwischen den Kanälen berücksichtigt werden. Verschiedene Studien zeigen beispielsweise, dass zwischen traditionellen Ladengeschäften und Onlinehandel ein geringerer Kanibalisierungsgrad als zwischen dem Kataloggeschäft und dem stationären Handel zu erwarten ist (Pauwels und Neslin 2008). Aber zwischen den Distributionskanälen sind auch Synergieeffekte möglich. Beispielsweise könnte durch Werbung für einen Distributionskanal auch der Absatz in anderen Kanälen gesteigert werden (Pauwels und Neslin 2008). Nachdem die zu nutzenden Distributionskanäle festgelegt wurden, ist deren Funktion zu bestimmen. Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass bestimmte Kanäle besser als andere zur Erreichung der vorab definierten Ziele geeignet sind. So ist beispielsweise bekannt, dass sich die Akquisitionskosten zur Gewinnung neuer Kunden je Kanal unterscheiden; allerdings auch eine unterschiedliche Art an Kunden (bezüglich des Kundenwerts) je nach Kanal erreicht werden kann (Verhoef und Donkers 2005). Die Multi- Channel-Strategie ist somit auf die Anforderungen und Bedürfnisse der in einem Distributionskanal erreichbaren Kunden auszurichten. Soll durch die Multi-Channel-Strategie insbesondere die Effizienz der Distribution gesteigert werden, können Unternehmen ihre Kunden zudem gezielt ermutigen, zu dem jeweils kostengünstigeren Distributionskanal (in der Regel online) zu wechseln. Heutzutage nutzen Unternehmen diese Möglichkeit, indem sie spezielle Rabatte nur beim Onlinekauf anbieten. Bei der Implementierung einer Multi-Channel-Strategie geht es aus Unternehmenssicht (analog zum Grundgedanken einer integrierten Kommunikation) häufig insbesondere darum, Economis of Scale and Scope zu realisieren. Werden mehrere Distributionskanäle von einem Unternehmen genutzt, ist die Realisierung von Economies of Scale möglich. So können Kommunikationskampagnen, die für Ladengeschäfte entwickelt wurden, ebenfalls im Onlinehandel genutzt werden. Entsprechendes gilt für die Realisierung von Economies of Scope: Wenn ein einzelner Distributionskanal beispielsweise von 50 Mitarbeitern betreut wird, dann ist damit zu rechnen, <?page no="255"?> 256 4 Distribution und Handel dass die Anzahl notwendiger Mitarbeiter bei zwei Distributionskanälen nicht doppelt so hoch, sondern niedriger ist. Aufgaben und Fähigkeiten eines Mitarbeiters können für mehrere Distributionskanäle genutzt werden. Sollen zwischen den verschiedenen Distributionskanälen entsprechende Synergiepotenziale realisiert werden, ist eine enge Koordination der Mitarbeiter der beiden Kanäle im Unternehmen notwendig. Ein Unternehmen kann aber auch bewusst die Entscheidung treffen, auf solche Effekte zu verzichten und unabhängig voneinander operierende Einheiten schaffen. Dies könnte beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn sich die Marktdynamik zwischen den Distributionskanälen erheblich unterscheidet. So ist es im Onlinehandel aufgrund höherer Markttransparenz (durch Preissuchmaschinen) notwendig, zeitnah auf Preisänderungen der Wettbewerber zu reagieren, während Preise beim stationären Handel eher stabil sind. Deshalb kann es notwendig sein, den Mitarbeitern der einzelnen Kanäle eigenständige Befugnisse bei der Festlegung der Preise zu geben. Auch bei der Definition des Sortiments ist es häufig sinnvoll, zwischen den Distributionskanälen zu differenzieren. Basis dafür sind die in Schritt (I) definierten Kundengruppen; unterscheiden sich diese deutlich voneinander, sind unterschiedliche Sortimente zielführend. Um in einem letzten Schritt die Effizienz der Multi-Channel-Strategie zu überprüfen, sind umfangreiche Daten zum Kaufverhalten der Nachfrager notwendig. Durch Nutzung von Kundenkarten bzw. Kundenclubs könnten beispielsweise solche Daten erhoben werden. Ziel ist, Synergiebzw. Kannibalisierungseffekte zwischen den Distributionskanälen zu identifizieren und entsprechende Anpassungen an der bestehenden Strategie abzuleiten. <?page no="256"?> LLiteratur Aaker, D.A. (2011): Brand Relevance: Making Competitors Irrelevant, San Francisco. Ahlert, D. (1991): Distributionspolitik, 2. Aufl., Stuttgart, Jena. Ahlert, D.; Kenning, P. (2007): Handelsmarketing, Berlin, Heidelberg. Albers, S. (1999): Die Wahl zwischen Reisenden und Handelsvertretern, in: Albach, H., Eymann, E., Luhmer, A., Steven, M. 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(2001): The Complete Guide to Accelerating Sales Force Performance, New York. <?page no="268"?> IIndex ABC-Analyse 171 Absatzkanal 128, 223 Absatzkanalstruktur 221, 223 horizontale 235 Absatzmittler 141 Absatzstruktur, vertikale 226 AIO-Werte 200 Alleinvertriebssysteme 241 Anlagengeschäft 120 Ansätze, spieltheoretische 230 Außendienstmitarbeiter 141 Auswahlverbund 244 Basisstrategie 52 Bedürfnis 38 Bedürfnisanalyse 33 BERI-Index 204 Besuchsplanung 169 Betriebsform 235 Betriebstypen 235 Boston-Effekt 63 Buying Center 153, 190 Carry-Over-Effekt 174 Category Captain 250 choice overload 245 Collaborative Planning Forcasting and Replenishment 249 Co-Managed Inventory 249 Core Selling Teams 191 Corporate Identity 101 Cost-plus-Pricing 89 Customer Relationsship Management 125 Deckungsbeitragsrechnung 179 De-Marketing 22 derivative Nachfrage 33 direkter Vertrieb 226 Direkt-Marketing 103 Direktvertrieb 156 Distribution exklusive 237 selektive 237 Distributionsaufgaben 111 Distributionspolitik 11, 221 Distributionsquote 236 Distributionsstrategien 222 Diversifikation 28, 86 E-Business 155 Economies of Scale 61, 255 Economies of Scope 61, 255 <?page no="269"?> 270 Efficient Consumer Response 249 Erfahrungskurve 62 exklusive Distribution 237 Exportfinanzierung 216 Factory Outlets 234 Fixkostenremanenz 197 Franchise 233, 240 Funktionsmanagement 137 Geschäftstyp 119 Grenzkosten 97 Handelsspanne 225 horizontale Absatzkanalstruktur 235 hybride Vertriebsformen 228 Imagestrategie 60 indirekte Vertriebsformen 228 Informationslücken 69 Innovation 24, 26 Innovationsführerschaft 54 Integration, vertikale 223, 224 intensive Distribution 237 Internationalisierung 52, 127, 197 Internet 112, 155, 228 Kano-Modell 184 Kategorisierungsansätze 242 Käufermarkt 17 Käuferrente 90 Kennzahlensysteme 182 Kernkompetenzen 37 Key-Account-Management 151 Kommunikationsbeziehungen 225 Kommunikationsbudget 106 Kommunikationsobjekt 105 Kommunikationspolitik 100 Kommunikationsziel 105 Konfliktursachen 224 Konkurrenzanalyse 33 Konzessionen 234 Kooperation 213 Kostenführerschaft 60 kritischer Umsatz 143 Kulturdimensionen 203 Kulturkonzepte 202 Kundenbindung 31 Kundendienst 150 Kundenkartenprogramme 226 Kundenlebenszykluskonzept 128 Kundenmanagement 123 Kundennähe 55 Kundenorientierung 17, 18 Kundenrückgewinnung 128 <?page no="270"?> 271 Länderrisikoanalyse 203 Lebensstil 38, 41 Leistungszuschnitt 124 Leitbild 109 Listungsgelder 238 Logistik 123 Makler 140 Makroumwelt 198 Marke 210 Marketing 23, 31 Marketing-Intelligence 70, 112 Marketing-Kontrolle 36 Marketing-Konzeption 31 Marketing-Mix 36, 79 Marketing-Organisation 18 Marketing-Planung 32, 36 Marketingprozess 34 Marketing-Strategie 34 Markierung 58 Marktanteilsausweitung 28 Marktausweitung 28 Marktbearbeitungsstrategie 208 Marktbewertung 198 Markteintritt 205, 211 Marktfolger 206 Marktforschung 70 Marktnische 50 Marktorientierung 24 Marktpionier 206 Marktpräsenz 211 Marktsegmentierung 42, 63 Markttransparenz 256 Marktveranstaltungen 148 Marktversagen 229 Matrixorganisation 137 Mediawerbung 102 Mikroumwelt 199 Modell 74 Monopolist 95 Multi-Channel-Strategie 251 Nachfrage, derivative 116 Neuprodukte 227 Non-Profit-Marketing 21 Nutzenkomponenten 25 Öffentlichkeitsarbeit 104 Oligopolist 95 One-Stop-Shopping 229, 236, 244 opportunistisches Verhalten 229 Out-of-Stocks 30 Outsourcing 62 Penetrationsstrategie 90 Perzeption 54, 59 Polypolist 95 Positionierung 46 Potenzialanalyse 33 Preis 88, 195 <?page no="271"?> 272 Preis-Absatz-Funktion 96 Preisdifferenzierung 90 Preiselastizität 98 Preisführerschaft 222 Preispositionierung 230 Preis-Qualitäts-Irradiation 99 Preiswettbewerb 236 Problemlösung 24 Product Placement 109 Produkt 47 Produktdifferenzierung 208 Produktgeschäft 121 Produktgestaltung 82 Produktinnovationsprozess 80 Produktlebenslauf 83 Produktlebenszyklus 84 Produktmanagement 137 Produktpolitik 207 Produktstandardisierung 207 Prozesskontrolle 175 Public Relations 104 Pull-Strategie 239 Push-Strategie 238 Qualitätsführerschaft 53 Rabatte 238 Regalplatz 224, 245 Reichweite 107 Relationship-based Marketing 19 Rollenbeziehungen 225 Rückwärtsintegration 232 Scanner-Kassen 226 Schleichwerbung 109 Schlüsselkunden 151 Scoring-Modell 171 selektive Distribution 237 Selling Center 191 Service 83 Serviceorientierung 55 Shop-in-Shop 233 Skimmingstrategie 90 Sonderangebote 238 Sortimentsbreite 243 Sortimentsgestaltung 242 Sortimentsorientierung 58 Sortimentspyramide 242 Sortimentstiefe 243 Spezialisierung im Vertrieb 135 spieltheoretische Ansätze 230 Sponsoring 104 Sprachrohr des Marketing 100 Sprinklerstrategie 206 strategisches Dreieck 32 Streuplan 108 Strukturvertrieb 141 <?page no="272"?> 273 Supply Chain Management 247 Systeme 29 Target Costing 89 Tausenderpreis 108 Testimonial 109 Timingstrategie 207 too-much-choice effect 245 Transaktionskostentheorie 229 Umsatz, kritischer 143 Umsatzplanung 164 Umsatzprovisionen 142 Unique Selling Proposition 58 Unternehmensführung 18 Uppsala-Modell 214 Variantenzahl 244 Verhalten, opportunistisches 229 Verhandlungsinhalt 193 Verhandlungsmanagement 188 Verkaufsanreize 224 Verkaufsförderung 103 Verkaufsförderungsmaßnahmen 225 vertikale Absatzstruktur 226 vertikale Integration 223, 224 Vertragsbeziehungen 224 Vertragsgestaltung 239 Vertragsstrukturen 224 Vertrieb 121 direkter 226 Vertriebsbindungssysteme 241 Vertriebscontrolling 174 Vertriebsformen hybride 228 indirekte 228 Vertriebskontrolle 178, 182 Vertriebskooperation 213 Vertriebsmanagement 184 Vertriebsorganisation 130 Vertriebsplanung 158 Vertriebspolitik 12 Vertriebsteam 191 Vorwärtsintegration 232 Wasserfallstrategie 205 Werbebotschaft 108 Werbekonstante 101 Werbekostenzuschüsse 238 Wettbewerbsvorteil 34, 52 Zielbeziehungen 224 Zielkonflikte 224 Zuliefergeschäft 121 <?page no="273"?> www.uvk.de Verhandeln wie professionelle Ein- und Verkäufer Der Erfolg gibt ihnen Recht: die Everest- Methode von Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gleichermaßen gefragt. Seit Jahren coachen sie Vertriebler und Einkäufer und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger vom Verhandlungstisch aufsteht. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Jörg Pfützenreuter, Thomas Veitengruber Die Everest-Methode Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer 2015, 230 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-549-2 <?page no="274"?> Alle Bücher auf einen Blick finden Sie unter: www.management-konkret.de Management konkret Kompaktes Wissen für (angehende) Führungskräfte Mit den kompakten Taschenbüchern aus der Reihe Management konkret treffen Sie die richtige Wahl. Alles, was Sie im Arbeitsalltag wissen müssen, finden Sie hier übersichtlich und verständlich erklärt. Anschauliche Beispiele und Übersichten helfen dabei, sich das Wissen auf einfache Weise anzueignen und umzusetzen. Die Bücher bieten einen perfekten Einstieg in die Themen • Management und Mitarbeiterführung • Controlling und Rechnungswesen • Planung und Steuerung von Unternehmen • Marketing und Vertrieb • Internet und Kommunikationskompetenz Dank des handlichen Formats sind die Taschenbücher der ideale Begleiter im Berufsalltag. <?page no="275"?> Von Schmalenbach bis zur verhaltenstheoretischen BWL www.uvk-lucius.de Günther Schanz Eine kurze Geschichte der Betriebswirtschaftslehre 1. Auflage 2014, 150 Seiten ISBN 978-3-8252-4106-3 Bereits in der Antike, im Mittelalter und in der Renaissance beschäftigten sich Gelehrte mit ökonomischen Fragestellungen. Die akademische Betriebswirtschaftslehre ist dennoch eine junge Disziplin, die erst im 20. Jahrhundert aufblühte. Ihre Geschichte wird vom Verfasser anhand der Wissenschaftsprogramme von Eugen Schmalenbach, Wilhelm Rieger, Heinrich Nicklisch, Erich Gutenberg, Edmund Heinen und Hans Ulrich kritisch nachgezeichnet. Dargestellt werden des Weiteren • die arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre, • die ökologische Öffnung der Disziplin, • der Neue Institutionalismus und • die verhaltenstheoretische BWL. Das Buch richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaftslehre, die die Geschichte der BWL verstehen und deren Entwicklungslinien nachvollziehen möchten. Zudem ist es auch für Doktoranden, Habilitanden und Professoren ein unverzichtbarer Lesestoff.