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Ohne Prüfungsangst studieren

0325
2015
978-3-8385-4367-3
978-3-8252-4367-8
UTB 
Holger Walther

Schweißausbrüche, Nervosität und Denkblockaden: Diese Symptome der Prüfungsangst kennen viele Studierende nur allzu gut. Der Ratgeber hilft dabei, das Selbstbewusstsein vor, während und nach Prüfungssituationen Schritt für Schritt zu steigern. Er zeigt außerdem, welche Entspannungstechniken den Körper wieder zur Ruhe bringen und welche Arbeitstechniken das Lernen sinnvoll bereichern. Zum Buch wird ein Fragebogen angeboten. Er verrät dem Leser, in welchen Situationen die Prüfungsangst am stärksten ist und welche Kapitel beim Bewältigen helfen. Dieses Lehrbuch richtet sich an Studierende aller Disziplinen.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 3675 <?page no="2"?> Holger Walther Ohne Prüfungsangst studieren 2., überarbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Diplom-Psychologe Holger Walther ist Psychologischer Berater an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er arbeitet außerdem als Psychotherapeut in einer eigenen Praxis. Lob und Kritik Wir freuen uns darüber, dass Sie sich für ein UTB-Ratgeber entschieden haben und hoffen, dass Sie dieses Buch in Ihrem Studium sinnvoll unterstützt. Für Lob und Kritik haben wir stets ein offenes Ohr: Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an das Lektorat (wirtschaft@uvk.de). Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Druck und Bindung: fgb freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531/ 9053-0 · Fax 07531/ 9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 3675 ISBN 978-3-8252-4367-8 <?page no="4"?> Vorwort Prüfungsmomente kennt jeder, denn es gibt sie in den verschiedensten Bereichen unseres Alltags. Natürlich sind diese am häufigsten in Schule, Ausbildung oder Studium zu finden. Die meisten Menschen mögen Prüfungen nicht wirklich gerne, doch manchen stellen sie sich sogar freiwillig, um zum Beispiel den Führerschein zu erhalten. Und selbst bei Musik und Sport sind der Konzertauftritt oder der Wettkampf und das Turnier ernsthafte Momente, in denen es darum geht, zu einem Zeitpunkt zu zeigen, was man kann und gelernt hat. Dementsprechend angespannt begegnen Menschen diesen Prüfungsmomenten, schließlich liegt ihnen etwas daran, die über längere Zeit geübte Sache gut zu präsentieren. Anspannung und Aufregung sind in solchen Situationen durchaus normal. Inzwischen ist sogar erwiesen, dass eine gewisse Portion Adrenalin förderlich ist, um tatsächlich die persönliche Höchstleistung zu zeigen. Diese Anspannung wird Lampenfieber genannt. Im Idealfall wird sie durch Stolz und Anerkennung belohnt, wenn die Leistung vollbracht wurde. Leider gibt es aber viele Menschen, bei denen die Gefühle aus weit mehr als Lampenfieber bestehen. Diese Menschen haben den Eindruck, dass Körper und Psyche in Prüfungsmomenten verrücktspielen. Ständig spüren sie eine Grundanspannung, die selbst durch Lernen nicht besser wird. Vielleicht kommen Schlafstörungen, fehlender Appetit oder Übelkeit und eine allgemeine Gereiztheit dazu. Wer das in der Vorbereitungszeit alles noch im Griff hatte, steht in der eigentlichen Prüfung oft neben sich. Viele Menschen versuchen diesen Ängsten durch intensives Lernen und Arbeiten zu begegnen. Sie wollen auf Nummer sicher gehen und lernen lieber zu viel als zu wenig. Was dann aber meistens geschieht ist, dass der zu behandelnde Stoff hoch detaillierter aufgearbeitet wird. Immer neue Seitenstränge und verwandte Themen müssen in der Folge noch verwertet werden, sodass der zu lernende <?page no="5"?> 6 Vorwort Stoff zu kurz kommt. Oder aber es schlägt ins blanke Gegenteil um: Vermeiden um jeden Preis. Das hängt damit zusammen, dass Menschen angeborener Maßen solchen Situationen, vor denen sie Angst haben, aus dem Weg gehen. Die Vermeidung eskaliert oft im kompletten Verhindern von Prüfungen. Von Angst geplagte Studierende melden sich gar nicht erst zur Prüfung an oder sagen einen bereits feststehenden Termin wieder ab. Ganz kurzfristig hilft da oft nur noch eine Krankschreibung. So entgehen Menschen mit Prüfungsangst natürlich am leichtesten der als gefährlich empfundenen Situation. Vielleicht war das auch schon ein Gedanke von Ihnen, den Sie sogar einmal in die Tat umgesetzt haben. Aber was hilft das in Bezug auf Prüfungen? Schließlich müssen die ja abgelegt werden - da kommt keiner daran vorbei. Wer dennoch hingeht, versucht wenigstens ein paar der Rahmenbedingungen zu kontrollieren und zu verbessern: Zum Beispiel ein netter Prüfer gleich früh morgens. Wirklich ruhiger macht das aber nicht. Ich möchte Sie deshalb mit diesem Buch unterstützen, etwas direkt und umfassend gegen Ihre Prüfungsangst zu tun. Dazu gebe ich Ihnen gerne meine Erfahrungen aus den vielen durchgeführten Prüfungsangstgruppen weiter. Bewährt hat sich in diesen Gruppen das von mir zusammengestellte Triadische Modell gegen Prüfungsangst, bei dem Sie von drei Seiten aus gezielt der Angst begegnen und sie abbauen: Sie werden Ihre eigenen störenden Einstellungen und Bewertungen entdecken und verändern. Durch hilfreiche Lern- und Arbeitsbedingungen sollen Sie ausgeglichener lernen und Ihr Gedächtnis optimal einsetzen können. Und durch eine Entspannungsübung werden Sie unmittelbar Ihren Körper positiv beeinflussen. Sie können es wie ein Training einer noch nie ausgeübten Sportart oder wie das Erlernen einer neuen Sprache sehen: Stück für Stück kommen Sie mit jeder Seite dieses Buches Ihrem Ziel näher, die Angst abzubauen. Das braucht seine Zeit, damit unsere eher träge <?page no="6"?> Vorwort 7 Psyche die neuen Ideen annimmt, umsetzt und dann als ihre eigenen Fähigkeiten benutzen kann. In diesem Sinne kann das Training nun beginnen. Sind Sie startklar? Dann geht’s los! Holger Walther, Berlin im Februar 2015 <?page no="8"?> Inhalt Vorwort .................................................................................................... 5 Teil 1 Prüfungsangst und wie dieses Buch hilft...................... 13 1 Über die Angst und dieses Buch....................................... 15 1.1 Wie benutze ich dieses Buch? ................................................ 15 1.2 Was ist eigentlich Prüfungsangst? ......................................... 16 1.3 Was verändert dieses Buch? ................................................... 18 1.4 Welchen Sinn und Zweck hat Angst? ................................... 20 1.5 Welche Symptome der Angst gibt es? .................................. 24 1.6 Wie sind die einzelnen Kapitel aufgebaut? ........................... 29 2 Das „Triadische Modell“ gegen Prüfungsangst .......... 33 2.1 Die erste Säule: Positive Gedanken ...................................... 33 2.1.1 Das A-B-C-Modell .................................................................. 33 2.1.2 Das A-B-C-Modell bei Prüfungsangst................................. 38 2.2 Die zweite Säule: Lerntechniken ........................................... 46 2.3 Die dritte Säule: Entspannung ............................................... 47 3 Der „Prüfungsangst-Check“ ............................................... 52 3.1 Fragebogen ............................................................................... 52 3.2 Auswertung .............................................................................. 59 Teil 2 Die vier Momente der Prüfungsangst ............................. 63 1 In weiter Ferne: Die mehrwöchige Vorbereitungsphase ...................... 65 1.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel ....................................... 66 1.2 Zeitpunkt 1: Die Wochen vor der Prüfung ......................... 67 1.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen................................... 68 <?page no="9"?> 10 Inhalt 1.2.2 Legen Sie Karteikarten an ...................................................... 71 1.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um .............................. 71 1.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden ..................................... 73 1.3 Lerntechniken: Zeit, Zeiteinteilung und -management...... 74 1.3.1 Weniger lernen bedeutet bessere Noten? ............................. 74 1.3.2 Studienplan, Semesterplan, Wochen- und Tagesplan ....... 75 1.3.3 Jeder Tag geteilt durch Drei: 3x8 Stunden........................... 81 1.4 Entspannungsübung „Atem-Zähl-Übung“ ......................... 89 1.4.1 Das Besondere an dieser Übung ........................................... 89 1.4.2 Die Übung ................................................................................ 90 1.4.3 Mögliche Folgen ...................................................................... 91 1.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen............................................. 92 1.5 Welche Personen unterstützen mich? ................................... 92 2 Und sie rückt einfach immer näher: Die letzten Tage vor der Prüfung ................................ 97 2.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel ....................................... 98 2.2 Zeitpunkt 2: Kurz vor der Prüfung....................................... 98 2.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen................................... 99 2.2.2 Legen Sie Karteikarten an .................................................... 102 2.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um ............................ 102 2.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden ................................... 104 2.3 Lerntechniken: Motivation ................................................... 105 2.3.1 Der Motivations-Mechanismus ........................................... 106 2.3.2 Lieber viele kleine Erfolgserlebnisse als nur ein großes ... 108 2.4 Entspannungsübung „Kurzform Progressive Muskelentspannung“ ................. 109 2.4.1 Das Besondere an dieser Übung ......................................... 109 2.4.2 Die Übung .............................................................................. 111 2.4.3 Mögliche Folgen .................................................................... 112 2.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen........................................... 112 <?page no="10"?> Inhalt 11 3 Wie Sie Ihre Angst unmittelbar vor einer Prüfung reduzieren können ........................................................ 113 4 Mittendrin und nichts geht mehr: In der Prüfung .................................................................. 117 4.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel ..................................... 118 4.2 Zeitpunkt 3: In der Prüfung................................................. 118 4.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen................................. 121 4.2.2 Legen Sie Karteikarten an .................................................... 123 4.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um ............................ 123 4.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden ................................... 125 4.3 Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen ....................... 127 4.3.1 Warum gibt es nicht nur ein Langzeitgedächtnis? ............ 127 4.3.2 Die drei Gedächtnisformen ................................................. 128 4.3.3 Zwei ganz alltägliche Beispiele: „Ein Blick auf die Uhr“ und „Einkaufen“ ......................... 131 4.3.4 Lernhilfen ............................................................................... 133 4.4 Entspannungsübung „Ein-Ruhe-Atmung“ ....................... 146 4.4.1 Das Besondere an dieser Übung ......................................... 146 4.4.2 Die Übung .............................................................................. 148 4.4.3 Mögliche Folgen .................................................................... 149 4.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen........................................... 149 5 Alles ist gelaufen: Nach der Prüfung ............................................................ 151 5.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel ..................................... 152 5.2 Zeitpunkt 4: Nach der Prüfung ........................................... 153 5.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen................................. 153 5.2.2 Legen Sie Karteikarten an .................................................... 156 5.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um ............................ 156 5.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden ................................... 158 5.3 Lerntechniken: Der Arbeitsplatz ......................................... 159 <?page no="11"?> 12 Inhalt 5.3.1 In der Bibliothek oder zuhause arbeiten? ........................... 160 5.3.2 Der Extremfall macht es deutlich: eine 1-Raum- Wohnung mit nur einem Tisch............................................ 161 5.3.3 Konkrete Rahmenbedingungen eines optimalen Arbeitsplatzes ......................................................................... 162 5.3.4 Den Arbeitsplatz Stück für Stück verändern ..................... 165 5.4 Entspannungsübung „Ein wunderbarer Ort“ .................. 167 5.4.1 Das Besondere an dieser Übung ......................................... 167 5.4.2 Die Übung .............................................................................. 168 5.4.3 Mögliche Folgen .................................................................... 169 5.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen........................................... 170 6 Literatur ................................................................................. 171 7 Über den Autor..................................................................... 173 8 Anhang................................................................................... 174 Index .................................................................................................. 175 <?page no="12"?> Teil 1: Prüfungsangst und wie dieses Buch hilft Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen. Dietrich Bonhoeffer <?page no="14"?> 1 Über die Angst und dieses Buch 1.1 Wie benutze ich dieses Buch? Bitte beginnen Sie die Arbeit mit diesem Buch mit genau diesem Kapitel. Aber Sie sind ja schon dabei - der Anfang ist gemacht. Denn ich möchte Sie als Erstes mit meiner Denk- und Arbeitsweise im Zusammenhang mit Prüfungsangst vertraut machen. Sie werden dann besser nachvollziehen können, warum die unterschiedlichen Schritte, die Sie nach und nach kennenlernen, alle zur Veränderung der Angst vor und in Prüfungen beitragen und wie daraus letztendlich mein Triadisches Modell der Prüfungsangst entstanden ist. Damit haben Sie eine Grundlage, die Ihnen beim Verstehen und vor allem beim Umsetzen der einzelnen Kapitel hilfreich sein wird. Und deshalb ist es gut, dieses Buch eben wie einen Roman ganz vorne zu beginnen. „Teil 1: Wissenswertes“ sollten Sie kontinuierlich Seite für Seite lesen und am Ende einen Fragebogen, den Prüfungsangst-Check, ausfüllen und anwenden. In „Teil 2: Die Phasen der Prüfungsangst“ sind die einzelnen Kapitel jeweils in vier Module unterteilt: Einführung, Selbstverbalisationen, Lerntechniken und Entspannungsübung. Es bietet sich zwar an, ein Kapitel, das sich mit einem spezifischen Prüfungszeitpunkt beschäftigt, vom Anfang bis Ende durchzuarbeiten, jedoch ist es auch möglich, erst alle Lern- und Arbeitstechniken oder alle Entspannungsübungen kennenzulernen und das Passende in den eigenen Lernalltag zu übernehmen. Denn diese beiden Module gehören nicht ausschließlich zu dem jeweiligen beschriebenen Prüfungszeitpunkt. Das Modul „Selbstverbalisationen“ ist in allen Kapiteln identisch aufgebaut und formuliert, da es eine Arbeitsanleitung ist und von Ihnen auf Ihre eigene persönliche Situation übertragen wird. Sie werden also an die für Sie persönlich <?page no="15"?> 16 Über die Angst und dieses Buch wichtigen Stellen des Buches springen. Wie das genau gehen wird, damit endet dann auch diese Einleitung. 1.2 Was ist eigentlich Prüfungsangst? Zunächst einmal ist Prüfungsangst eine von sehr vielen, verschiedenen Formen von Ängsten, die Menschen haben können. So gibt es vor allem Höhenangst, Flugangst, Angst vor Spinnen oder Schlangen, Platzangst oder Rede- und Prüfungsangst. Allen Ängsten gemeinsam ist der extrem unangenehme Zustand der Aufregung, der sich körperlich und psychisch auswirkt. Unruhe, Konzentrationsprobleme, Herzrasen, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Selbstzweifel werden von vielen Betroffenen genannt. Störende Folgen dieser Aufregung können Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen und psychosomatische Beschwerden sein. Das psychische Wohlbefinden wird also massiv beeinflusst und Ängste schränken damit ganz konkret den Lebensalltag ein. Und im Zusammenhang mit dem Studium wirken sich diese dann direkt auf die Lern- und Arbeitsfähigkeit aus. Wie häufig eigentlich Prüfungsangst vor allem bei Studierenden vorkommt, weiß selbst die Wissenschaft bisher noch nicht (Fehm, 2010). Wenn Sie aber davon ausgehen, dass ein Viertel aller Studierenden in Deutschland psychologische Hilfe benötigt und Prüfungsangst einen der häufigsten Anlässe für eine erste Beratung an Hochschulen darstellt, dann würde ich vermuten, dass bei Berücksichtigung einer Dunkelziffer mindestens 10 % aller Studierenden stärkere Prüfungsängste kennen. Sie sind also als Leserin oder Leser dieses Buches ganz sicherlich nicht ein seltener Fall, was auch die Tatsache belegt, dass alle psychologischen Beratungsstellen der deutschen Hochschulen Gruppen gegen Prüfungsangst in ihrem Angebot haben. Der natürliche Impuls ist es, derart unangenehme Zustände zu vermeiden. Wenn Prüfungsangst aber dazu führt, den Prüfungen <?page no="16"?> Was ist eigentlich Prüfungsangst? 17 aus dem Weg zu gehen, dann sind die unmittelbaren Folgen eine Verzögerung des Studiums oder sogar ein fehlender Studienabschluss. Gefühlsmäßig entstehen Ärger über sich selbst, Verzweiflung, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Denn Prüfungsangst wird auch als Leistungsangst bezeichnet und drückt damit aus, dass es unmöglich scheint, in diesem Zustand seine wirklichen Fähigkeiten und sein Wissen zu zeigen. Paradox erscheint es, das viele während der Vorbereitung den zu lernenden Stoff eigentlich beherrschen, dann aber in der Prüfung plötzlich zu ihrem Wissen keinen Zugang bekommen und dadurch nicht wiedergeben können. Dabei hatten sie die Dinge in einer Arbeitsgruppe den anderen sogar erklärt. Ebenso fallen ihnen nach der Prüfung viele richtige Antworten doch noch ein und es bleibt lediglich die Enttäuschung übrig, „Warum hab ich das denn nicht gesagt? “ oder in der Klausur „Warum habe ich das denn nicht geschrieben? “. Erklären lässt sich dieses Phänomen folgendermaßen: Große Bedenken hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit benötigen enorm viel Aufmerksamkeit. Diese steht damit nicht mehr für die eigentliche Aufgabe zur Verfügung. Das muss in letzter Konsequenz zu einer schlechteren Leistung führen. Deshalb ist ein wichtiger Teil dieses Buches die Bearbeitung dieser persönlichen Bedenken. Was aber ist, wenn schon die Vorbereitung selbst nicht angemessen gelingt? Tatsächlich können fehlende oder falsche Lern- und Arbeitstechniken bewirken, dass trotz eines bestimmten Zeitaufwands relativ wenig „hängen bleibt“. Dann werden selbst gesteckte Lernziele nicht erreicht und im Vergleich mit anderen schneidet man schon im Vorfeld schlechter ab. In so einem Fall ist die Prüfungsangst geradezu berechtigt, denn schlecht vorbereitet sollte man eigentlich nicht in die Prüfung gehen. Das ist doch, als renne man wissentlich ins offene Messer. Damit Sie gut vorbereitet sind, finden Sie in jedem Kapitel auch etwas zu den unterschiedlichen Lern- und Arbeitstechniken. <?page no="17"?> 18 Über die Angst und dieses Buch Letztendlich führt eine latent vorhandene Angst auch dazu, dass sich der Körper vollkommen verspannt. Dieser Zustand ist äußerst hinderlich für das konzentrierte Lernen und Arbeiten und Sie sehen, dass schon möglichst früh, also im weiten Vorfeld der Prüfung, etwas unternommen werden sollte. Die drei Bereiche Selbstverbalisationen, Lern- und Arbeitstechniken und Entspannung greifen weit ineinander und werden daher in allen Kapiteln parallel angegangen. Dieses Buch wendet sich in erster Linie an alle Lernenden, die unter der besonderen Angst vor Prüfungen an einer Universität bzw. Hochschule leiden. Die Beispiele und Interventionen können durchaus auf alle anderen Prüfungssituationen in Schule, Ausbildung oder in der Freizeit übertragen werden. Und auch andere Ängste könnten damit verändert werden, weil es bei dieser Methode immer um den Abbau von hinderlichem Verhalten und gleichzeitig den Aufbau hilfreicher und unterstützender Verhaltensweisen und damit auch um eine Stärkung des Selbstwertgefühls geht. 1.3 Was verändert dieses Buch? Dieses Buch verstehe ich als eine Art von Zusammenarbeit, auch wenn wir uns gar nicht kennen und nicht wirklich miteinander arbeiten. Unsere Zusammenarbeit besteht nun darin, dass ich Ihnen in diesem Buch Anregungen gebe, auf eine bestimmte Art über sich nachzudenken und mit bewährten Methoden etwas an Ihrer Situation zu verändern. Ihr Beitrag wird es sein, die Anregungen aufzugreifen und aktiv umzusetzen. Wenn einer von uns beiden also nicht mitmacht, wird nichts geschehen. Damit wir aber zusammen am selben Strang ziehen, möchte ich, dass wir uns auf folgendes Ziel einigen: <?page no="18"?> Was verändert dieses Buch? 19 Mein Ziel im Zusammenhang mit meinen Prüfungsängsten: Mithilfe dieses Buches möchte ich die mich behindernden Gefühle im Zusammenhang mit Prüfungen verändern. Ich möchte mit deutlich weniger Selbstzweifeln und Ängsten die Prüfungen grundsätzlich bewältigen, indem ich die mich behindernden Gefühle unterbrechen, abkürzen oder sogar verhindern kann und durch eine angemessene und unterstützende Haltung ersetze. Können Sie diesem von mir formulierten Ziel grundsätzlich zustimmen? Falls Sie diesen Satz innerlich nicht bejahen können, gibt es wahrscheinlich andere Bedenken, die eine Veränderung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich machen und eher durch eine Beratung geklärt werden sollten. Wenn Sie dem Ziel allerdings zustimmen können, dann kann es losgehen! Passen Sie bitte auf, dass Sie dieses Ziel nicht selbst unterwandern, indem Sie unbewusst noch ein paar weitere Forderungen und Erwartungen mitschwingen lassen. So kann das Ziel nämlich nicht ein bestimmtes Prüfungsergebnis sein oder auch nicht das garantierte Bestehen der Prüfung. Diese Ergebnisse hängen schließlich von viel mehr Faktoren ab, als nur von einer Prüfungsangst. Auch ohne Prüfungsangst kann man durchaus schlechte Ergebnisse erzielen oder durchfallen. Es ist daher nicht möglich, dafür eine Garantie zu geben. Es ist hilfreich, wenn in Ihrem jetzigen Studienplan konkrete mündliche oder schriftliche Prüfungen bevorstehen, auf die Sie ganz gezielt hin dieses Buch durcharbeiten. Fangen Sie dann rechtzeitig an, damit die neuen Strategien, die Ihnen dieses Buch vermittelt, mehr und mehr zur Gewohnheit werden können. Das Buch kann Ihnen natürlich nicht helfen, wenn Sie zu wenig oder gar nicht gelernt haben. Zweifel, ob eine Prüfung zu bestehen ist, sind dann mehr als berechtigt und sollen Sie schließlich warnen. Und erwarten Sie bitte nicht, dass sämtliche unangenehmen Gefühle verschwinden. <?page no="19"?> 20 Über die Angst und dieses Buch Denn die Aufregung in Form von Lampenfieber ist gesunder Bestandteil und es darf nicht versucht werden, sie zu beseitigen. Und auch in einem speziellen Fall bleibt die Angst bestehen: immer dann, wenn sie von der Psyche nur als Mittel zum Zweck aktiviert wird. Was das tatsächlich bedeutet, will ich Ihnen im Folgenden erklären. Beschäftigen Sie sich deshalb bitte einen Moment mit folgender Frage, bevor Sie beginnen, Stück für Stück etwas gegen Ihre Prüfungsangst zu unternehmen. 1.4 Welchen Sinn und Zweck hat Angst? Ich möchte Sie zu einer ersten Selbstreflexion anregen, die Ihnen vielleicht etwas ungewöhnlich vorkommt. Es könnte nämlich sein, dass die Prüfungsangst, die so lästig erscheint, irgendwie sogar einem guten Zweck dienen könnte. Wie ist das gemeint? Wenn Angst ein Schutzmechanismus ist, der mich vor gefährlichen Situationen bewahren soll, dann kann unsere Psyche diesen Schutz auch in einem übergeordneten Sinn aktivieren. Das bedeutet, dass die Angst nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Situation steht, sondern Mittel zum Zweck ist. Mit ein paar Beispielen will ich diese Idee erläutern. Beispiel: Ein Angestellter kann nicht mehr Bus fahren Ein Angestellter kann plötzlich seinen Bus zur Arbeit nicht mehr benutzen, obwohl er das seit Jahren selbstverständlich tut. Er mag nicht einsteigen, weil er die Enge nicht mehr aushalten kann und überlegt, einen Bus abzuwarten, der vielleicht nicht so voll besetzt ist. Um keine Zeit zu verlieren, geht er eine Haltestelle weiter zu Fuß und überlegt dabei, ob es nicht besser wäre, sich wieder ein Auto anzuschaffen oder mit dem Fahrrad zu fahren. Tatsächlich ist er höchst unzufrieden in seinem Job, weil der Chef ständig Aufgaben von ihm verlangt, die er nicht gerne mag oder sogar gar nicht kann. Dieser Stress ist ihm aber nicht bewusst und <?page no="20"?> Welchen Sinn und Zweck hat Angst? 21 so geht er selbstverständlich täglich zur Arbeit und versucht, alles zur Zufriedenheit des Chefs zu erledigen. Seine Psyche aber versucht das zu verhindern, indem sie ihm schon den Weg dorthin unmöglich macht. Dadurch wird dieser Mann gezwungen, darüber nachzudenken, was ihn eigentlich wirklich überfordert. Denn eigentlich übt er seine Tätigkeit schon auch gerne aus. Beispiel: Eine Frau hat bei der Urlaubsreise Flugangst Eine kleine Familie hat schon vor ein paar Monaten die gemeinsame Urlaubsreise gebucht. Zum ersten Mal wird sie außerhalb ihrer Heimat sein und weit weg gehen. Eigentlich freut die Frau sich darauf und sie beschäftigt sich viel damit, was sie dort zusammen erleben werden. Als die Familie jedoch im Flugzeug sitzt, merkt sie eine zunehmende Unruhe. Plötzlich kann sie sich nicht mehr vorstellen, viele Stunden in diesem Raum mit all den Menschen eingeschlossen zu sein. Sie fühlt sich dem Piloten und der Technik vollkommen ausgeliefert. Tatsächlich hatte sie vorher Bedenken hinsichtlich ihres Urlaubsortes. Sie war ja noch nie im Ausland und spricht nicht die dortige Sprache. Sie hat gelesen, dass die hygienischen Verhältnisse schlecht sind und man wegen Magen-Darm-Infektionen aufpassen muss. Das Hotelgelände soll man nur mit einem Führer verlassen, da es sonst gefährlich sein kann, weil mehrmals alleinreisende Touristen überfallen wurden. Diese Bedenken hat sie mit niemandem geteilt und wenn, dann hat ihr Mann diese als völlig übertrieben dargestellt. Sie versucht nun, ihre Bedenken zu verdrängen und sich zusammenzureißen. Ihre Psyche ist aber weiterhin unbewusst mit diesen Sorgen beschäftigt und sucht nun nach einem Ventil dafür. Alle Aufmerksamkeit wird auf den Flug gelenkt und aus den ursprünglichen Sorgen wird eine erste Flugangst. Die Angst beinhaltet eine Notwendigkeit und Chance, darüber nachzudenken, was ihr wirklich Sorgen bereitet und was sie dagegen tun kann. Denn auf die Reise hatte sie sich schon auch gefreut. <?page no="21"?> 22 Über die Angst und dieses Buch Beispiel: Ein Jurastudent fällt wegen Prüfungsangst durch das erste Examen Ein Student der Rechtswissenschaften hat sein Studium in der Regelstudienzeit absolviert und eine typische etwa einjährige Examensvorbereitung mit vielen Probeklausuren und einem Repetitorium hinter sich gebracht. Überraschenderweise bemerkt er mit dem näher rückenden Termin eine enorme Steigerung seiner Aufgeregtheit, die er so noch nie im Zusammenhang mit Prüfungen erlebt hat. Er überlegt, ob er sich das Examen überhaupt zutraut und ob es nicht besser wäre, sich für diese Runde krank zu melden. Tatsächlich hat er das Studium nie aus eigener Überzeugung gemacht. Er soll einmal die gut eingeführte Kanzlei seiner Eltern übernehmen und es war schon zu Schulzeiten klar, dass er Rechtsanwalt werden wird. Er selbst hat viele Interessen und hätte sich vorstellen können, Lehrer zu werden, da er gern etwas Pädagogisches mit seinen Lieblingsfächern Mathe und Informatik verbinden würde. Er hat auch schon immer Nachhilfe gegeben und dabei festgestellt, dass er gern erklärt und versucht hat, den Schüler zu stärken und zu fördern. Dieses Interesse hat er nie als möglichen Berufswunsch deutlich geäußert und sich schon gar nicht getraut, nach dem Abitur es als Alternative zu Jura gegen den Willen der Eltern durchzusetzen. Als möglichen Beruf für sich hat er auch während des Studiums immer mal daran denken müssen, aber ein Wechsel schien mit jedem weiteren Semester erst recht unmöglich. Seine Psyche scheint nun die letzte noch mögliche Notbremse zu ziehen: mit einem bestandenen Examen wäre die Kanzlei der Eltern endgültig zementiert. Nur ohne Examen kann er das noch verhindern. Da er sich das direkt nie trauen würde, sorgt die Psyche mit einer Prüfungsangst gerade noch in letzter Minute dafür, dass der falsche Weg gestoppt wird. Man könnte sagen „Besser jetzt als nie.“ Die Prüfungsangst liefert dem Studenten ein wichtiges Argument und aufgrund der angespannten Situation fragen sogar die Eltern zum ersten Mal nach, ob Jura eigentlich das Richtige sei oder ob er sich etwas anderes als die Kanzlei vorstellen könne. So ein Gespräch wäre vorher nie möglich gewesen, weil alles letztendlich unauffällig verlief. <?page no="22"?> Welchen Sinn und Zweck hat Angst? 23 Was bedeuten nun diese Beispiele für Sie und Ihre Prüfungsangst? In letzter Konsequenz bedeutet es vor allem: Wenn mich die Angst gezielt aufhalten soll, dann kann man sie nicht einfach wegmachen! Sie kann nur dann reduziert werden, wenn es eine klassische Leistungsangst ist oder reduziert sich nämlich von selbst, wenn der eigentliche Zweck wie in den Beispielen auf andere Art und Weise erfüllt wird. Beispielsweise hilft die Angst dabei zu erkennen, dass Sie Ihr Studium unbewusst nicht beenden wollen, weil Sie die offensichtlich daraus folgende Berufstätigkeit nicht anstreben. So eine Erkenntnis kann tiefgreifende Veränderungen in Ihrem Leben bewirken, evtl. sogar ein ganzes Studium infrage stellen. Deshalb nehmen Sie sich bitte ein paar Minuten Zeit, um über Ihre aktuelle Situation nachzudenken und sich zu fragen, warum gerade jetzt eine Angst vor Prüfungen auftaucht. Könnte sie dazu beitragen sollen, den bisherigen Weg oder die zukünftigen Aussichten zu überdenken? Nehmen Sie solche Zweifel durchaus ernst und gehen Sie diesen Ideen, vielleicht auch in einem Gespräch mit Freunden, nach. Versuchen Sie, Alternativen zum jetzigen Studium oder auch interessante Arbeitsfelder zu finden. Wenn Sie jedoch zu dem Schluss kommen, dass Prüfungssituationen schon immer sehr unangenehm für Sie waren, Sie aber wirklich gern in einem der möglichen Berufsfelder arbeiten möchten, für das Sie gerade studieren, dann lesen Sie einfach weiter. Warum macht Übung nicht den Meister? Wie an andere Situationen auch, kann man sich grundsätzlich auch an Prüfungen gewöhnen. Jede neue, zunächst noch unbekannte Situation kann durchaus verunsichernd sein. Wenn man sich dann erst einmal ein bisschen besser auskennt, geht es leichter und ohne übertriebene Aufregung. Das ist aber ganz anders, wenn Sie bereits Prüfungsängste von sich kennen. Dann hilft es nämlich nicht, sich der Situation immer wieder auszusetzen. Im Gegenteil sogar. Da Sie im Zustand der Prüfungsangst hauptsächlich weitere schlechte Erfahrungen sammeln, bestätigen und verfestigen Sie die Ängste. <?page no="23"?> 24 Über die Angst und dieses Buch Deshalb ist es gut, dass Sie versuchen, mit diesem Buch aktiv etwas gegen Ihre Ängste zu tun. 1.5 Welche Symptome der Angst gibt es? Kaum einen Begriff aus der Psychologie benutzen wir im Alltag so selbstverständlich, wie den Begriff „Angst“. Schon als kleines Kind kann es vorkommen, dass man beispielsweise beim Ausprobieren neuer Dinge zu hören bekommt, „Mach doch, Du brauchst keine Angst haben.“ Angst ist ein Alltagsphänomen und große Teile davon sind aufgrund unserer Evolution sogar angeboren und damit tief verankert. Daraus können wir schließen, dass es sogar gesund sein kann, Angst zu empfinden. In gefährlichen Situationen kann Angst uns davor schützen, Dinge zu tun, die uns noch mehr in Gefahr bringen und unser Leben gefährden. Wenn wir etwa in der 4. Etage auf einem Balkon stehen und bemerken, dass das Geländer wackelig ist, dann ist es besser, einen Schritt Abstand zu halten und für eine Reparatur des Geländers zu sorgen. Um andere rechtzeitig zu warnen, könnte man ein rot-weißes Baustellenband als Absperrung und einen großen Zettel an der Balkontür anbringen. Dies alles sind durchaus sinnvolle Reaktionen auf die erlebte Schrecksekunde, die blitzschnell durch den ganzen Körper schießt. In einem ganz anderen Zusammenhang aber, nämlich beim Lernen in der Schule, in der Ausbildung und im Studium oder beim Ausüben des Berufs kann Angst in Form von Leistungsangst unseren Lernerfolg und die berufliche Karriere in erheblichem Maß beeinträchtigen. Angst hemmt dann nämlich den Einsatz unserer kognitiven Fähigkeiten, wie z.B. das gezielte Lernen und Abrufen von Wissen, die Kreativität und das analytische Denken. Ein ängstlicher Mensch kann nie seine tatsächlichen Fähigkeiten ausschöpfen und zeigen. So erklärt es sich auch, dass man aufgrund der besuchten Seminare vielleicht einen guten Eindruck als interessierter, kompetenter, aktiver Student hinterlässt, diesen aber in der Prüfung nicht bestätigen kann. <?page no="24"?> Welche Symptome der Angst gibt es? 25 Prüfer kommentieren solche Erfahrungen dann mit Bemerkungen wie „Ich weiß doch, dass Sie das wissen.“ Der Unterschied zwischen Furcht und Angst Schauen wir uns zunächst den gesunden Teil an, um zu verstehen, was im Körper eigentlich geschieht. Sie werden dann schnell erkennen, dass ein Großteil der beschriebenen Phänomene aber genauso im Zusammenhang mit Prüfungen auftaucht. Wenn die Psychologie deutlich machen will, dass es neben einem gesunden auch einen ungesunden Aspekt von Angst gibt, dann gelingt dies am besten mit der Unterscheidung von „Furcht“ und „Angst“. Als Furcht wird der vielen Lebewesen angeborene, biologische Mechanismus bezeichnet, der uns einen Umgang mit gefährlichen Situationen ermöglicht. Da gefährliche Situationen sehr unterschiedlich sein können und nicht immer eindeutig vorhersehbar sind, ist der Furchtmechanismus vor allem schnell und zunächst unabhängig von unserem Willen und Bewusstsein. Das ist sinnvoll, damit wir insgesamt nicht zu leichtsinnig sind und tatsächliche Gefahren ignorieren oder übersehen könnten. Und würde es nicht schnell genug gehen, weil wir erst lange hin und her überlegen müssten, was die eine oder andere Beobachtung gerade bedeuten soll, wären wir vielleicht längst verletzt oder tot. Deshalb bewirkt die Furcht eine Aktivierung unseres gesamten Körpers. Und egal, was wir gerade gemacht haben (selbst aus der absoluten Entspannung, Unaufmerksamkeit oder aus dem Schlaf heraus) werden wir in einen enorm aktivierten Zustand versetzt, der es uns ermöglicht, auf drei Arten zu reagieren, nämlich mit Fright, Fight oder Flight (Cannon, 1929): Stillhalten und Abwarten (Fright) Kämpfen und Verteidigen (Fight) Fliehen (Flight) Das kann nur funktionieren, wenn unser aktueller Körperzustand vollkommen ignoriert wird. So wären beispielsweise Müdigkeit, <?page no="25"?> 26 Über die Angst und dieses Buch Hunger oder Schmerzen mehr als ungünstig, wenn man sich doch durch Weglaufen retten wollte. Zum Glück stellt der Körper aufgrund unserer Entwicklungsgeschichte alle verfügbaren Energie- und Aktivitätsreserven bereit, die unser wertvolles Leben erhalten. Auch wenn es heutzutage nicht mehr in erster Linie gefährliche Tiere und überraschende Naturkatastrophen sind, so ist es doch immer noch gesund, auf die Bedrohung durch andere Menschen, Feuer, Wasser und vieles mehr reagieren zu können. Und dazu verändert der Körper zusätzlich in hohem Maße seine Sensibilität in Bezug auf innere und äußere Reize. Was das genau bedeutet und was da geschieht, zeigt zunächst die Beschreibung einzelner Symptome von Furcht und gleich im Anschluss daran, wie sich diese Symptome negativ im Fall von Angst bei der Prüfungsvorbereitung und der Prüfung selbst auswirken. Es sind dieselben Körpervorgänge, die jetzt zu seltsamen Beobachtungen führen. Sie werden mit entsprechenden Erfahrungen sicher so manches wiedererkennen. Vielleicht besteht der aktuelle Informationsgewinn darin, dass Sie sich die Phänomene endlich einmal erklären und als nächstes den Ursachen auf den Grund gehen können. Hormone Zunächst geschieht etwas, was Sie selbst direkt nicht bemerken können, aber als Grundlage bei Furcht und Angst in Ihrem Körper längst passiert ist: Die Hormone Adrenalin und Noradrenalin werden aus dem Nebennierenmark ausgeschüttet, um über das Blut die einzelnen Organe unseres Körpers zu beeinflussen. Alltagssprachlich beschreiben wir daher aufregende, spannende oder Angst machende Situationen gerne mit dem Stichwort „Adrenalinschub“. Aufmerksamkeit In einer bedrohlichen Situation müssen Sie jede kleine Veränderung, die es gefährlicher machen könnte, und jeden noch so kleinen, möglichen Ausweg aus der Gefahr mitbekommen. Daher sind Ihre Sinne wachsam und geschärft. Sie haben alles im Blick und auch die Ohren sind hochempfindlich. Die gesamte Aufmerksamkeit wird der Umwelt zugewendet, um sie nach entsprechenden Hinweisen abzusuchen. <?page no="26"?> Welche Symptome der Angst gibt es? 27 Was in der wirklichen Gefahrensituation sinnvoll ist, wirkt sich in einer Prüfungssituation mehr als ungünstig aus: Da Ihre Aufmerksamkeit so sehr auf die Umwelt gerichtet ist, nehmen Sie in einer mündlichen Prüfung vor allem das Verhalten der Prüfer und in einer Klausur die anderen Prüflinge war. Ihnen entgeht nichts! Jeder Blick und jede gemachte schriftliche Notiz werden von Ihnen beobachtet und versucht zu deuten: „Was schreibt er jetzt wieder auf? “. Oder Ihnen fällt in der Klausur auf, dass alle anderen längst schreiben. Und das Kritzeln der Stifte und Blättern der Seiten scheint so laut wie eine Baustelle vor dem Fenster, während Sie immer noch beim Lesen der Aufgabe sind. Da Sie so vieles derart detailliert registrieren, haben Sie nicht mehr genug Kapazitäten für die eigentliche intellektuelle Tätigkeit. Denn Sie sollen ja die Aufgabe bearbeiten und vor allem beantworten. Sie sehen daran deutlich die Gewichtung des Schutzmechanismus: Intellektuelle Tätigkeiten sind in Momenten der Gefahr absoluter Luxus und vor allem überflüssig, weil Diskussionen und Theorien uns im Notfall nicht retten würden. Herz-Kreislaufsystem Stellen Sie sich vor, dass Sie Weglaufen oder Kämpfen können sollen. Dazu muss der Körper ungewöhnlich stark aktiviert werden, was durch ein Ansteigen des Blutdrucks und einen schnellen Herzschlag erreicht wird. Das Herz „schlägt uns dann bis zum Hals“. Und da in der Haut gerade das Blut unwichtig ist, weil es in den Muskeln benötigt wird, verengen sich die Blutgefäße an der Körperoberfläche. Dadurch wird die Haut blasser und wir werden „kreidebleich vor Angst“. Und das können die Folgen in einer Prüfungssituation sein: Sie bemerken den kräftigen Herzschlag und ein hoher Blutdruck kann ein Druckgefühl im Kopf bewirken. Das lenkt Sie ab und Sie denken vielleicht sogar schon darüber nach, warum Sie so sehr aufgeregt sind und warum sich die Aufregung nicht legt. Damit sind Sie mit allem Möglichen beschäftigt, nur nicht mit dem Finden der richtigen Antwort auf eine Prüfungsfrage. <?page no="27"?> 28 Über die Angst und dieses Buch Atmung Ob jemand aufgeregt ist, kann ein aufmerksamer Beobachter ganz leicht erkennen. Die Atmung wird deutlich schneller und flacher als im entspannten Zustand, schließlich soll ja das Blut mit möglichst viel Sauerstoff durchsetzt werden. Daher kennen manche Menschen das sog. Hyperventilieren in aufregenden Situationen, dessen Folge dann aber Schwindel oder Benommenheit sein können, weil der Körper indem Moment ja gar nicht so viel Sauerstoff verbrauchen kann wie er zu sich nimmt. Und genau das Gegenteil kann auch passieren, wenn die Atmung ganz kurzzeitig sogar aussetzen kann. Das ist nicht ungewöhnlich, denn dafür gibt es schon lange die umgangssprachlichen Beschreibungen „mir bleibt die Luft weg“ oder „mir stockt der Atem“. Tritt diese Atemsituation in einer Prüfung auf, dann ist das Sprechen deutlich erschwert. Selbst wenn im Kopf die Sätze klar formuliert sind, kommen sie nicht flüssig genug und nicht als zusammenhängendes Ganzes heraus. Ihr Gegenüber nimmt deutlich war, wie verunsichert Sie sind. Das verunsichert Sie selbst dann zusätzlich. Schweißdrüsen Wenn der Körper für mögliche Höchstleistungen hochgefahren wird, dann ist es gut, auch schon mal vorab für die Kühlung zu sorgen. Dies geschieht durch Schweiß auf der Haut. Das wirkt besonders eigenartig, wenn man eben gar nicht körperlich aktiv ist. Betroffen sind alle Hautbereiche, die eine hohe Anzahl an Schweißdrüsen aufweisen: die Handfläche, die Achseln und die Stirn. Daher hat man so feuchte Hände, auf der Kleidung bilden sich die sichtbaren Flecken unter den Armen und auf der Stirn sammelt sich der „Angstschweiß“. Auch diese Angstsymptome sind deshalb so hinderlich, weil es jeder sehen kann, und dann kann es peinlich werden, weil man Ihnen die Angst ja anmerkt. Auch das verunsichert noch mehr und Sie sind wieder mehr mit sich beschäftigt und können sich kaum um eine Antwort kümmern. Bei der Begrüßung sind die feuchten Hände vielleicht unangenehm, aber spätestens bei praktischen Tätigkeiten und auch beim Schreiben kann es Sie richtig behindern, weil Sie nicht sicher zugreifen können. <?page no="28"?> Wie sind die einzelnen Kapitel aufgebaut? 29 Verdauungs- und Darmsystem Im Notfall werden unsere vorhandenen Energiereserven mobilisiert, weil der Bedarf an Kalorien schließlich nicht durch direkte Nahrungsaufnahme gedeckt wird. Flucht oder Kampf - und dabei etwas essen? Natürlich geht das nicht. Essen verhindert der Körper am besten durch unterdrückten Hunger und Appetitlosigkeit. Und damit wir nicht doch auf falsche Gedanken kommen, kann das bis zur Übelkeit mit Erbrechen gehen. Zusätzlich werden die Verdauung gestoppt (dann liegt uns eine Sache „wie ein Stein im Magen“) und der Speichelfluss eingeschränkt („mir bleibt die Spucke weg“). Damit uns auch sonst nichts Belastendes behindert, wird überflüssiger Ballast durch vermehrten Harndrang oder Stuhlentleerung ausgeschieden. Wenn Angst Ihre Prüfungsvorbereitungen begleitet, dann fällt Ihnen wahrscheinlich auch das Essen schwer. Das ist deshalb ungünstig, weil für die kognitiven Leistungen unseres Gehirns Essen und Trinken nötig sind. Und Sie kennen vielleicht auch das Phänomen, dass Sie extra kurz vor Beginn der Prüfung schnell noch mal zur Toilette gehen, aber schon wenige Minuten danach das erneute Gefühl bekommen, Sie müssten schon wieder. Wenn dann noch die Zeit für einen weiteren Toilettengang ist, werden Sie feststellen, dass dies eigentlich überhaupt nicht notwendig war. Diese ganze Palette von Symptomen soll nun gar nicht erst ausgelöst werden. Und die Symptome bleiben nur dann aus oder treten in viel geringerer Intensität auf, wenn weniger Angst empfunden wird. Deshalb lernen Sie jetzt die drei Säulen des Modells zum Abbau von Prüfungsängsten näher kennen. 1.6 Wie sind die einzelnen Kapitel aufgebaut? Im nächsten Abschnitt erfahren Sie mehr über die drei Säulen des Triadischen Modells gegen Prüfungsangst. Die Säulen heißen „Positive Gedanken“, „Lern- und Arbeitstechniken“ und „Entspannung“. Hinter den einzelnen Säulen verbirgt sich Folgendes: <?page no="29"?> 30 Über die Angst und dieses Buch Die Säule Positive Gedanken: Sie ist die psychologische Säule und es wird darum gehen, ungünstige Einstellungen, Haltungen oder Erwartungen, die die Ursache für die Auslösung von Gefühlen der Angst sind, zu bearbeiten. Dabei entstehen dann positive, unterstützende Gedanken, die Ihnen helfen werden, Ihre Ziele realistisch anzugehen und zu erreichen. Was sich genau dahinter verbirgt, erfahren Sie ausführlicher hier gleich im Anschluss im Abschnitt 2.1. Und in den einzelnen Kapiteln widmen Sie sich dann der eigentlichen Veränderung. Die Säule Lern- und Arbeitstechniken: Viele finden, dass dies eher eine technische Säule ist, denn der Begriff „Arbeitstechniken“ suggeriert ja auch, dass es um die Anwendung klarer Fakten geht. Größtenteils stimmt das auch und interessanterweise schwingt dennoch bei aller Technik auch eine andere Einstellung zum Lernen mit. Dazu als Einführung mehr hier im Abschnitt 2.2. Und in den einzelnen Kapiteln werden Sie die nützlichsten Lern- und Arbeitstechniken kennenlernen können. Die Säule Entspannung: Entspannung ist die körperliche Säule und bedeutet, dass man auch von dieser Seite aus etwas gegen Prüfungsangst tun kann. Das funktioniert deshalb, weil sich Prüfungsangst zu einem großen Teil eben auch körperlich bemerkbar macht. Und diese körperlichen Phänomene können dann selbst auch wieder Auslöser für noch mehr Angst sein. Das wirksamste körperliche Instrument gegen Angst ist Entspannung, weil das eine mit dem anderen grundsätzlich nicht vereinbar ist. Näheres dazu finden Sie hier im Abschnitt 2.3. Und dann lernen Sie am Ende eines jeden Kapitels verschiedene Entspannungsmethoden kennen, um für sich eine passende auszuwählen. <?page no="30"?> Wie sind die einzelnen Kapitel aufgebaut? 31 Abb. 1: Die drei Säulen des Triadischen Modells gegen Prüfungsangst Prüfungsangst zu verschiedenen Zeiten Wenn sich die Teilnehmer in Kursen gegen Prüfungsangst beim ersten Treffen erst einmal kennenlernen und dabei auch erzählen, warum sie an dem Kurs teilnehmen, dann fällt auf der einen Seite die große Übereinstimmung bei der Beschreibung der Prüfungsangst und ihrer unmittelbaren körperlichen und psychischen Phänomene und Symptome auf. Auf der anderen Seite gibt es enorme Unterschiede, wann genau die Prüfungsangst auftritt. Da brauchen die einen nur in diesem Moment darüber sprechen, dann spüren sie schon eine Zunahme der Aufregung. Und so kennen sie es auch immer schon ab dem Moment, wo sie sich nur angemeldet und eigentlich noch viele Wochen Zeit haben. Andere berichten davon, wie sie sich eigentlich gut vorbereiten konnten und ganz zuversichtlich waren. Aber je näher der Termin rückte, kam doch immer mehr Aufregung hoch. Wieder andere berichten vor allem die furchtbare Erfahrung eines Blackouts mitten in der Prüfung. Und eine weitere Gruppe ist sich darüber einig, dass hinterher, wenn alles endlich vorbei ist, die Vorwürfe gegen sich selbst als möglichen Versager kein Ende nehmen. Daher betrachten wir in den Das triadische Modell gegen Prüfungsangst positive Gedanken Lerntechniken Entspannung <?page no="31"?> 32 Über die Angst und dieses Buch einzelnen Treffen eines Kurses und entsprechend auch in diesem Buch genau diese vier Zeitpunkte: die mehrwöchige Vorbereitungsphase: Zeitpunkt I wenige Tage und unmittelbar vor der Prüfung: Zeitpunkt II während der Prüfung: Zeitpunkt III nach der Prüfung: Zeitpunkt IV Abb. 2: Die Zeitskala mit den vier wichtigen Zeitpunkten Auf dieser Zeitachse, die mit einer Entscheidung zur Prüfung, der Anmeldung oder der Bekanntgabe des konkreten Prüfungstermins beginnt, und vor allem nicht mit der Prüfung selbst endet, finden Sie die vier Zeitpunkte wieder. Jedem der vier Zeitpunkte wird im zweiten Teil dieses Buches ein eigenes Kapitel gewidmet. Mit dem Prüfungsangst- Check am Ende dieser Einführung können Sie herausfinden, welcher der vier Zeitpunkte Ihr ganz persönlich kritischer Moment ist. So können Sie, nachdem Sie dieses einführende Kapitel gelesen haben, gezielt in das entsprechende Kapitel springen und sich diesem Zeitpunkt ganz intensiv widmen. Wenn meine Kursteilnehmer versuchen zu beschreiben, was und wie sie es erleben, wenn Prüfungsangst auftaucht, dann fällt auf, wie sehr sich die Beschreibungen ähneln, obwohl es sich doch um völlig unterschiedliche Menschen und Persönlichkeiten handelt. Warum es so viele Übereinstimmungen gibt, möchte ich Ihnen im Folgenden aufzeigen. Prüfung Zeit I II III IV Entscheidung Anmeldung <?page no="32"?> 2 Das „Triadische Modell“ gegen Prüfungsangst 2.1 Die erste Säule: Positive Gedanken Wenn wir über Prüfungsängste reden, dann beschreiben wir vor allem massive, unangenehme Gefühle, körperliche Reaktionen und deren störende Folgen für das Lernen und Arbeiten. Die Psychologie weiß inzwischen, dass solche Gefühle und die Körperphänomene nicht einfach von selbst da sind. Unser Gehirn benötigt einen deutlichen Hinweis, dass es eben genau das im jeweiligen Moment bewirken soll. Es ist damit nur eine ausführende Befehlszentrale. Und die Auftragsgeber sind wir selbst - bewusst oder unbewusst. 2.1.1 Das A-B-C-Modell Wie wir unsere Gefühle beeinflussen, hat der amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Albert Ellis systematisch erforscht und beschrieben. Ellis lebte als Psychotherapeut in New York und entwickelte seine Theorie der Rational-Emotiven-Therapie (RET) aus seiner praktischen Tätigkeit heraus. In einer Metropole wie New York gehören das Benutzen von U-Bahn und Fahrstuhl sowie das Durchfahren von längeren Tunneln zum unausweichlichen Alltag. Dennoch kamen zu ihm Menschen, die eines davon (oder sogar alles! ) nicht machen konnten, weil sie sich große Sorgen machten, was alles passieren könnte. Er fragte sich, wie es sein kann, dass jemand vor lauter Sorgen etwas so Alltägliches und Selbstverständliches vermeidet. So stellte er sich eine kleine Gruppe von Menschen in einem Fahrstuhl vor, dessen Türen sich bereits geschlossen haben, sodass der Fahrstuhl sich in Bewegung setzen kann. Einige Passagiere stehen ruhig da und beobachten vielleicht die aufleuchtenden Zahlen, die das jeweilige Stockwerk nennen. Andere gucken eher verschämt nach unten. Ihnen scheint die Enge und Nähe zu den wildfremden Menschen nicht so sehr zu behagen. Eine dritte Gruppe wirkt sichtlich nervös! Der Kopf und der Blick von einigen gehen hin und her. Und trotz der Enge stehen sie nicht still auf dem Fleck, <?page no="33"?> 34 Das „Triadische Modell“ sondern wackeln auf ihren Füßen herum. Sie haben vielleicht sogar schon etwas Schweiß auf der Stirn, atmen laut und wissen nicht wohin mit ihren Händen. Beim Aussteigen drängeln sie sich durch die anderen und wirken hektisch und gleichzeitig froh, als sie wieder ausgestiegen sind. Warum aber nehmen diese Menschen den Fahrstuhl, der doch für alle gleich ist, so unterschiedlich wahr? Warum bewerten die einen diese Situation als unauffällig, andere dagegen aber als geradezu gefährlich? Und warum führt das alles bei einigen sogar zu einer Einstellung, die beispielsweise lauten könnte: „Ich benutze niemals Fahrstühle! “? So hielt Ellis als Beobachtung fest: Für alle gleich ist die Situation. Diese bezeichnete er als „A“, was als Abkürzung für den englischen Begriff „activating event“, kurz action steht. Im Fahrstuhl zu fahren ist eine gegenwärtige, reale Situation. Doch für das Auslösen von Gefühlen muss das nicht immer gegeben sein. Es funktioniert nämlich auch, wenn man sich Dinge nur einbildet oder sich Situationen in Gedanken vorgestellt. So kann nämlich schon die bloße Vorstellung, man müsse mit dem Fahrstuhl fahren, entsprechende Angstgefühle bewirken. Daher gehört auch die gedankliche Vorstellung einer Situation mit zum „A“. Wie es jedem in dieser Situation geht oder wie man sich daraufhin verhält, kann sehr unterschiedlich sein. Dies bezeichnete Ellis als „C“. Es ist die Abkürzung für das englische Wort consequences und kann gut als „Konsequenzen“ übersetzt werden. Und das, was nun in jedem Einzelnen vor sich geht, muss zwischen A und C liegen und so entstand ein erstes Schaubild mit einem großen Fragezeichen in der Mitte: Abb. 3: Wie hängen Situation und Konsequenzen zusammen? A Action ? C Consequences <?page no="34"?> Die erste Säule: Positive Gedanken 35 Ellis hat nun bei seinen Patienten sehr genau hingehört, was und wie sie die unangenehme Situation beschreiben, und bekam natürlich sehr unterschiedliche Antworten. Es waren bestimmt auch folgende Beschreibungen dabei: „Ich dachte nur: Was ist, wenn wir jetzt stecken bleiben? ! “ „Ich stellte mir vor, dass noch ein weiterer Fahrgast dann einfach zu schwer ist, und der Fahrstuhl nicht mehr einwandfrei funktioniert.“ „Kaum war die Tür zu, da schoss es mir durch den Kopf: Wenn jetzt die Seile reißen und wir alle abstürzen! “ Vielleicht fällt Ihnen bei den Beschreibungen auch auf, dass alle sich so ihre Gedanken machen oder sich vor ihrem geistigen Auge etwas vorstellen und sich dabei etwas Schreckliches ausmalen. Das spielt sich also alles in deren Köpfen und damit nur in der Fantasie ab. Denn etwas wirklich Gefährliches war ja bisher noch gar nicht passiert. Und auch keine ersten, ernst zu nehmenden Hinweise, mit denen sich etwas Gefährliches ankündigt. Und trotzdem ging es einigen sehr schlecht und sie hatten wirklich panische Zustände. Es wäre nun etwas zu kurz gegriffen, wenn man feststellt, dass es also die Gedanken sind, die uns angenehme oder unangenehme Gefühle machen. Da wir ja durchaus auch nur so als Spaß das Steckenbleiben in einem Fahrstuhl beschreiben könnten, ohne gleich Angst zu bekommen. Es reicht demnach nicht jeder beliebige Gedanke, um unangenehme Gefühle auszulösen. Gedanken müssen auf unsere bisherige Entwicklung, auf Prägungen und Erfahrungen aufbauen können, um eine solche Wirkung zu haben. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, bezeichnete Ellis das fehlende Element zwischen A und C als „belief system“, oder kurz „beliefs“, und konnte damit sein Schema vervollständigen. Ihm ist damit ganz nebenbei eine eingängige Bezeichnung für einen komplizierten Vorgang gelungen: das ABC-Modell. <?page no="35"?> 36 Das „Triadische Modell“ Abb. 4: Der Zusammenhang zwischen der Situation und den Konsequenzen Man könnte den Begriff beliefs nun ganz direkt als „Glauben“ übersetzen. Aber erst der für deutsche Übersetzungen gefundene Begriff „Glaubensüberzeugungen“ drückt es passend aus: Hier wird einerseits nur etwas geglaubt, was gerade überhaupt nicht mit der Realität übereinstimmen muss. Doch dieser Glaube ist andererseits so stark, dass die Person absolut davon überzeugt ist. Daher kann es nicht funktionieren, wenn die Nicht-Ängstlichen am Ende der Fahrstuhlfahrt beim Aussteigen darauf hinweisen, dass doch alles ganz einwandfrei funktioniert hätte. Denn aufgrund der Glaubensüberzeugung hält ein Ängstlicher an seiner gefährlichen Idee fest und die betroffene Person antwortet konsequenter Weise so etwas wie: „Ja, dieses Mal hatten wir Glück. Aber nächstes Mal passiert bestimmt etwas! “ Oder: „Wir sind zwar nicht stecken geblieben, aber hast du auch gemerkt, wie der Fahrstuhl gerumpelt hat, seitdem der letzte Mensch eingestiegen war? Noch einer, und es wäre wirklich zu viel gewesen! “ Ellis’ Theorie zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten könnte man folgendermaßen kurz zusammenfassen: Die Grundannahme der Rational-Emotiven-Verhaltenstherapie ist, dass irrationales und unlogisches Denken zu psychisch auffälligen Phänomenen führt. Da jedes Denken grundsätzlich erlernt ist, gilt dies auch für rationales und logisches Denken, sodass jeder dies erlernen kann, um damit letztendlich seine aktuelle, psychisch belastende Situation zu verändern. A Action B Beliefs C Consequences <?page no="36"?> Die erste Säule: Positive Gedanken 37 Einsicht: (nur) der erste Weg zur Besserung Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, Sie sprechen eine Sprache nicht, z.B. Vietnamesisch. Würde man Sie nun in der entlegensten Provinz von Vietnam mit einem Hubschrauber absetzen, dann könnten Sie schnell zu der Einsicht kommen, dass Sie tatsächlich kein einziges Wort Vietnamesisch können. Vielleicht eine wichtige Erkenntnis, aber nur allein dadurch werden Sie es nicht plötzlich sprechen können. Die Erkenntnis kann nun aber dazu führen, dass Sie sich erkundigen, ob Sie einen Sprachkurs machen können oder ob vor Ort ein Dolmetscher zur Verfügung steht. Sie sehen, jetzt hat die Einsicht umsetzbare Konsequenzen, indem Sie die unbekannte Sprache lernen. Aus der Einsicht muss also eine Verhaltensänderung folgen. Wenn wir das ABC-Modell hilfreich anwenden wollen, dann ist der erste Schritt die Einsicht, dass die „beliefs“ gefunden werden müssen. Das ist nämlich nicht selbstverständlich, da es eine menschlich typische, spontane Reaktion ist, einen direkten A-C-Zusammenhang herzustellen. Ein Ereignis wird damit ganz direkt als Ursache für die Konsequenzen angesehen. Diese Erklärung bezeichnen wir deshalb auch als „Ursache-Wirkung-Erklärung“ oder als „kausalen Zusammenhang“. Um etwas insgesamt zu verändern, könnte man dann aber auch nur an diesen zwei Elementen ansetzen. Und genau das tun die meisten Menschen auch. So versuchen sie die Situation A zu optimieren. Im Fahrstuhlbeispiel kann dies sein, dass man nur dann einsteigt, wenn keine weitere Person mitfährt. Oder man benutzt nur ganz neue Fahrstühle, die über eine Gegensprechanlage für den Notfall verfügen. Statt zu optimieren, bietet sich noch eine ganz ungünstige Lösung an: Vermeidung von A. Wenn ich mich der Situation nicht aussetze, dann werde ich auch keine Angst bekommen. Statt mit dem Fahrstuhl zu fahren bietet sich da nur die Treppe an. Stellen Sie sich das bitte mal bei den vielen Wolkenkratzern in New York vor. Da müssten Sie aber ewig laufen. Eine andere Variante wird auch versucht, indem man sich dem C, also den Konsequenzen widmet. So könnte man ein Medikament nehmen, welches die Angstgefühle dämpft. Dann ist es wenigstens nicht so schlimm und man kann trotzdem den Fahrstuhl benutzen. Nachteilig daran ist, dass ohne die künstliche Substanz ein alltägliches Leben nicht <?page no="37"?> 38 Das „Triadische Modell“ möglich ist. Denn sobald man das Medikament weglässt, kommen die Angstgefühle wieder, weil sich die negativen Gedanken nicht verändert haben. Ellis betont nun, dass die Situation A nur der jeweilige Anlass ist und als einzige Ursache für das C die Gedanken, also das B, angesehen werden können. Und daher ging er mit seinen Patienten auf die Suche nach einem B-C-Zusammenhang. Dies gelang ihm beispielsweise mit der sehr ungewöhnlich erscheinenden Frage: „Wie machst du dieses Gefühl? “ Etwas klarer, worauf er hinaus möchte, erkennt man bei anderen Frageformulierungen: „Was genau waren deine Gedanken, als du darüber nachgedacht hast, was dir bevor steht? “ Oder: „Woran musst du denken und es dir in deiner Fantasie ausmalen, damit du jetzt schon ein unangenehmes Gefühl bekommst? “ Und für das B wurden inzwischen viele deutsche Begriffe gefunden, um es einem ängstlichen Menschen zu erleichtern, die persönlichen Auslöser der unangenehmen Gefühle zu finden. Hilfreiche andere Begriffe für das von Ellis benannte belief system sind: Glaubensüberzeugungen, negative Gedanken Haltungen, Einschätzungen, Bewertungen, Einstellungen, Interpretationen, Selbstverbalisationen, die innere Stimme und Aussagen über sich selbst. 2.1.2 Das A-B-C-Modell bei Prüfungsangst Auch in Bezug auf Prüfungen zeigen Menschen sehr unterschiedliche Gefühle, obwohl das A, also die Prüfung, der Prüfer oder der Raum, eigentlich für alle gleich ist. Es sei denn, würde Ellis jetzt anmerken, man bewertet diese Dinge unterschiedlich - dann müs- <?page no="38"?> Die erste Säule: Positive Gedanken 39 sen folgerichtig verschiedene Empfindungen dabei entstehen. So finden verschiedene Menschen beispielsweise einzelne Themenbereiche eines Faches unterschiedlich interessant, langweilig oder schwer. Und nicht jeden Prüfer mögen alle gleichermaßen, da die Chemie zwischen beiden durchaus eine Rolle spielen kann. Selbst einen Raum, die Tageszeit, das Wetter kann man unterschiedlich wahrnehmen und solche Rahmenbedingungen eher als neutral, hilfreich oder störend empfinden. Dies sind nur ein paar beschriebene Unterschiede, und dennoch können Sie sich darin vielleicht schon wiederfinden oder sich auf jeden Fall vorstellen, dass diese Unterschiede zu verschiedenen Gefühlen führen können. Viele Prüflinge versuchen mangels Wissen, wie Prüfungsangst entsteht und verändert werden kann, intuitiv die Situation A zu optimieren. Das sieht dann so aus, dass man sich einen besonders netten Prüfer sucht, möglichst ein Lieblingsthema in der Prüfung behandeln darf, den Termin mit irgendeiner Begründung „besonders günstig“ legt und hoffentlich gleich morgens als Erster drankommt oder besser doch als Letzter, wenn der Prüfer schon müde ist und nicht mehr so genau hinhört. Alle diese Faktoren mögen ja die Prüfung beeinflussen, aber eine Prüfungsangst bekommen Sie damit nicht in den Griff, weil die negativen Gedanken und Bewertungen weiterhin da sind. Und wenn die Prüfung jetzt trotz dieser günstig gewählten Rahmenbedingungen nicht so gut läuft, ist es doppelt schlimm - dann verfolgen einen pessimistische, negative Gedanken, beispielsweise „Jetzt hab ich doch schon den netten Prüfer und mein Lieblingsthema, und kriege trotzdem kaum einen vernünftigen Satz heraus. Das kann ja nie was werden! “ Auch in Bezug auf Prüfungsangst soll nicht länger mit alten Denkmustern beurteilt und entsprechend negativ reagiert werden. Stattdessen sollen neue, nützliche, d.h. mich und mein Vorhaben unterstützende Denkmuster zur Gewohnheit werden. Auch bei Prüfungsangst ist es also die Aufgabe, die negativen Gedanken und Bewertungen, die zu den verschiedensten Zeitpunkten der Prüfung auftauchen, aufzudecken und zu bearbeiten. <?page no="39"?> 40 Das „Triadische Modell“ Für gewohnte Denkmuster gibt es sogar auf der neuronalen Ebene des Gehirns eine Parallele. Reysen-Kostudis (2007) fasst diesen Prozess sehr gut zusammen, wenn sie schreibt „Viele Gewohnheiten beruhen auf routinierten Handlungen, die sich als erfolgreich herausgestellt haben und daher bewusst übernommen werden. Manchmal schleichen sich jedoch auch Gewohnheiten ein. Dann handeln wir intuitiv so, wie es uns ratsam erscheint, ohne lange darüber nachzudenken. Neurobiologisch sind Gewohnheiten Nervenverbindungen, die durch häufige Benutzung ausgebaut wurden. Denk- oder Handlungsprozesse laufen dadurch auf diesen Bahnen relativ schnell, aber auch recht unüberprüft ab.“ Auch bei Prüfungsangst ist es also die Aufgabe, solche automatisierten und ungeprüft auftauchenden negativen Gedanken und Bewertungen - also die „Bs“ - aufzudecken und zu bearbeiten. Ich will Ihnen nun zeigen, wie Sie dazu grundsätzlich am besten vorgehen. In den einzelnen Kapiteln wird dieses Vorgehen dann genau auf den jeweiligen Zeitpunkt übertragen. Schritt 1: Aufdecken der persönlichen negativen Gedanken und Bewertungen Der erste Schritt besteht darin, die negativen Gedanken, aus denen die alten Denkmuster bestehen, zu finden und festzuhalten. Da sich diese ja in Ihrem Kopf befinden, können nur Sie diese wirklich kennen. Wir denken wie wir sprechen. Daher bestehen Gedanken aus wörtlicher Rede, sind also eine Art Selbstgespräch. In Bezug auf Prüfungen sehen diese Gedanken beispielsweise so aus: „Oh, noch so viel! Das schaff ich alles gar nicht! “ „Mir ist jetzt schon ganz schlecht. Wenn das so weitergeht, geh ich nicht hin.“ „Bin ich denn blöd, oder was? Wieso kapier ich das denn nicht! “ Ich möchte Ihnen für das Auffinden Ihrer Gedanken und Bewertungen, die letztendlich zu dem Gefühl Prüfungsangst führen, etwas Hilfreiches anbieten. Ellis hat nämlich ein paar Regelmäßig- <?page no="40"?> Die erste Säule: Positive Gedanken 41 keiten festgestellt. Er fand heraus, dass vor allem Gedanken, die einem ganz bestimmten Muster folgen, in der Lage sind, besonders unangenehme Gefühle zu erzeugen. Peurifoy (1993) hat aus den Beschreibungen insgesamt acht grundlegende Muster abgeleitet und beschreibt diese folgendermaßen: Soll/ Muss-Denken Wenn man behauptet, dass man Dinge machen soll oder machen muss, dann suggeriert es vor allem, dass andere Menschen oder die Rahmenbedingungen uns dazu zwingen. Verloren geht dann die Tatsache, dass wir diese Dinge vielleicht selbst so wollten und uns irgendwann dafür entschieden haben. Besonders den unangenehmen oder anstrengenden Dingen wird man dann aber nicht mehr gerecht. Versuchen Sie daher, Ihren Handlungen eine selbstbestimmte, aktive Note zu verleihen. Dies gelingt durch die Formulierungen „Ich möchte gern...“ und „Ich will...“ oder „Ich habe mich dafür entschieden...“. Unzulässige Verallgemeinerungen Bei diesem Denkmuster wird ein einzelnes negatives Ereignis als eine Sammlung von unendlich vielen Misserfolgen gesehen, weil die Erfahrung entsprechend verallgemeinert wird. In unserer Sprache ist ein Hinweis darauf das Benutzen von Wörtern wie „immer“, „jedes Mal“ oder „niemals“. Fragen Sie sich stattdessen besser, was eigentlich bisher rein objektiv passiert ist. Die positive Umkehrung dieses Denkmusters drückt dann die optimistische Einstellung aus „So ist es heute - beim nächsten Mal kann es ganz anders sein“. Über- und Untertreibung Dieses negative Denkmuster funktioniert in zwei Richtungen: Die Fähigkeiten der anderen und die eigenen Fehler oder persönlichen Einschränkungen werden übertrieben. Untertrieben werden gleichzeitig die eigenen guten Leistungen und Fähigkeiten. Passend dazu werden die Fehler der anderen minimiert. Der rationale Blick auf sich selbst steckt dagegen in der Frage „Was kann ich wirklich gut oder schlecht? “ <?page no="41"?> 42 Das „Triadische Modell“ Übernahme von Verantwortung Tagtäglich ist man eigentlich für eine ganze Menge Dinge verantwortlich - für das, was positiv gelaufen ist, vielleicht genauso wie für vieles, was nicht so gut lief. Bei diesem ungünstigen Denkmuster übernimmt man die Verantwortung allerdings nur für die negativen Ereignisse, selbst dann, wenn es dafür keinen rationalen Grund gibt. Damit verbunden sind häufig starke Schuldgefühle. Die Veränderung dieses Denkmusters geschieht durch die Überlegungen, was alles außer Ihnen noch zu diesem Ergebnis geführt haben kann. Automatisch erweitert sich so Ihr Horizont für möglichst viele Komponenten, die ein Ereignis in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Gedankenlesen Dem Menschen an sich ist es schon wichtig, was andere über ihn denken. Daher sind wir in der Lage zu überlegen, was andere wohl für Gedanken und Gefühle bezogen auf unsere Person haben. Und so versuchen wir Bemerkungen und Reaktionen unserer Mitmenschen zu deuten. Ein irrationales Denkmuster wird daraus, wenn wir es bei der eigenen Deutung belassen und aufgrund dieser Vermutungen sogar unser Verhalten ausrichten. Überlegen Sie stattdessen besser, welche Beobachtungen Ihre Vermutungen stützen oder ob es nicht auch noch andere Erklärungen geben kann. Wahrsagerei Natürlich machen wir uns immer auch Gedanken dazu, wie Dinge sich wohl entwickeln werden oder wie eine Sache ausgehen wird. Zu einem nachteiligen Denkmuster wird es dann, wenn man davon ausgeht, dass es tatsächlich so sein wird, wie man vermutet. Sie schauen also in die Glaskugel und sagen Ihre Zukunft voraus. Stattdessen sollten Sie sich bewusst machen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Ihre Vorhersage tatsächlich zutreffen wird. Anerkennung fragwürdiger Autoritäten Wenn Sie von Ihren Prüfungserfahrungen oder Ihrer Prüfungsangst berichten, geben andere sicherlich ihre Meinung dazu. Wenn <?page no="42"?> Die erste Säule: Positive Gedanken 43 Sie deren Ratschläge übernehmen, ohne die Kompetenzen und Erfahrungen geprüft zu haben, besteht die Gefahr, selbsternannte Autoritäten anzuerkennen. Dieses Muster unterbrechen Sie durch die Überlegung, aufgrund welcher Erfahrungen die betreffende Person als seriöser Experte gelten darf. Emotionale Argumentation Was der Bauch Ihnen sagt, darf durchaus eine Rolle spielen. Er sollte aber selten das einzige Argument bleiben. Beziehen Sie daher außer Ihren Gefühlen immer auch andere Dinge in Ihre Argumentation mit ein. Da gibt es vielleicht noch einiges mehr zu berücksichtigen. Haben Sie sich in diesen Mustern an der einen oder anderen Stelle vielleicht schon wiedererkannt? Wenn Sie später in den einzelnen Kapiteln damit beschäftigt sein werden, Ihre eigenen Angst auslösenden Gedanken zu finden, dann können Sie sich an diesen typischen Mustern orientieren. Wenn Sie also selbst keine Idee haben, was Ihnen im Zusammenhang mit Prüfungen alles so durch den Kopf geht, dann können Sie als Suchhilfe die Kategorien benutzen. Sie können dann beispielsweise überlegen, ob Sie vielleicht auch übertreiben. Das entspricht dem Muster „Über- und Untertreibung“. Oder vielleicht erkennen Sie häufiger äußerst „fragwürdige Autoritäten“ an? Schritt 2: Bearbeiten und Verändern der negativen Gedanken und Bewertungen Auch wenn wir als Mensch sehr viel über uns nachdenken und reflektieren können, sodass es vielleicht gar nicht mal so schwer ist, die auslösenden negativen Gedanken zu finden, dann stoßen wir schon an unsere natürlichen Grenzen, wenn es darum geht, diese auch zu verändern. Ich möchte Ihnen daher erklären, wie das geht, damit Sie selbst den nächsten wichtigen Schritt, das Bearbeiten und Verändern angehen können. Sicher kennen Sie aus Ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld, das sich aus Ihrer Familie, Ihrer Partnerschaft und Ihren Freunden zusammensetzt, zahlreiche Versuche, Sie im Zusammenhang mit <?page no="43"?> 44 Das „Triadische Modell“ Ihren Prüfungen zu unterstützen. Das geschieht meistens und vor allem durch gutes Zureden. „Ach, komm, du schaffst das schon! “ „In der Schule hast du auch alles so gut gemacht. Du wirst sehen, das klappt schon! “ „So aufgeregt bist du doch immer vorher und am Ende kommst du mit einer guten Zensur nach Hause. Warum vertraust du nicht einfach auf deine Fähigkeiten? ! “ Sie selbst haben dann vielleicht gedacht, dass die anderen Sie gar nicht wirklich kennen und nicht nachvollziehen können, wie es in Ihrem Innern aussieht. Auf jeden Fall konnten Sie den guten Willen sicher erkennen, fühlten sich aber trotzdem eher missverstanden und vor allem den Ängsten weiterhin ausgeliefert, weil diese Äußerungen Ihre eigenen Gedanken nicht verändert haben. Um nun negative Gedanken in positive, unterstützende Gedanken zu verändern, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Ellis hat festgestellt, dass neue, unterstützende Gedanken nur dann hilfreich sein können, wenn sie zunächst genau dasselbe Thema wie die Ängste und Zweifel ansprechen. Habe ich etwa Angst davor, rot zu werden, dann muss ich genau auf das Thema „Rotwerden“ eingehen. Das geschieht beispielsweise durch die Bemerkung „Durch die Anspannung haben viele eine kräftigere Hautfarbe. Es zeigt, dass ich mich anstrenge und arbeite.“ Ein ganz anderer Hinweis, beispielsweise dass ich ein gut ausgearbeitetes Konzept hätte, hat inhaltlich damit nichts zu tun und hilft demnach auch nicht. Daher heißt die erste Regel: „Gleicher Inhalt“. Ein weiteres wichtiges Element der unterstützenden Gedanken ist die Wortwahl. Wenn andere mir etwas Hilfreiches sagen wollen, dann benutzen sie natürlich ihren Wortschatz. Das können dann aber Formulierungen sein, die ich gar nicht benutze und die mein Gehirn zwar verstehen kann, aber nicht wirklich als eigene Gedanken erkennt. Daher heißt die zweite Regel: „Eigene Worte“. Interessanterweise kann unser Gehirn „Nicht-Anweisungen“ nicht verstehen. Es funktioniert nämlich viel direkter und reduziert eine Aussage auf das Wesentliche. Bei der Aussage „Sei doch nicht so ängstlich! “ erkennt es das Thema Angst und beschäftigt sich genau damit. Würde man dagegen formulieren „Sei ein wenig entspannter! “, so erkennt das Gehirn in dieser Aussage das Thema „Entspannung“. Sie sehen, allein aufgrund der Formulierung gebe ich <?page no="44"?> Die erste Säule: Positive Gedanken 45 dem Gehirn vor, womit es sich überwiegend beschäftigen wird. Daher heißt die dritte Regel: „Positive Formulierung“. Die positive Formulierung hat noch einen anderen günstigen Nebeneffekt: Man zwingt sich selbst, darüber nachzudenken, was denn anstelle eines negativen Ereignisses sein soll. Da könnte man sich ja eigentlich viel wünschen. Statt Angst vor der Prüfung zu haben, wäre eine positive Formulierung „Ich bin total selbstbewusst und locker“. Natürlich können Sie sich so eine Aussage selbst gar nicht glauben, weil sie ganz nebenbei nämlich auch eine enorme Übertreibung bedeutet und damit vollkommen unrealistisch ist. Daraus lässt sich die letzte Regel ableiten, dass neue unterstützende Gedanken also realistisch sein müssen. Daher heißt die vierte Regel: „Realistische Einschätzung“. Damit stehen vier Regeln fest, die gelten müssen, damit ein neuer Gedanke auch wirklich hilfreich und unterstützend sein kann. Diese Regeln werden Sie in den einzelnen Kapiteln wiederfinden und dort anwenden, um Ihre Angst auslösenden Gedanken zu verändern. Da finden Sie dann auch viele Beispiele, die Ihnen beim Umformulieren behilflich sein werden. Abschließend noch einmal die vier Regeln in einem Kasten, der an den entsprechenden Stellen immer wieder auftauchen wird: Regeln zur Umformulierung: [1] Gleicher Inhalt [2] Eigene Worte [3] Positive Formulierung [4] Realistische Einschätzung Schritt 3: Anlegen von Karteikarten Als Material brauchen Sie später für diesen Schritt Karteikarten, am besten in der Größe DIN-A6. Schreiben Sie jeden Ihrer negativen Gedanken auf eine eigene Karteikarte. Das wäre erst einmal nur die reine Sammlung. Als deutliches Zeichen, wohin es damit aber noch gehen soll, ergänzen Sie die Notiz durch den Satz: „Stopp! Ich will <?page no="45"?> 46 Das „Triadische Modell“ anders darüber nachdenken! “ Dies ist wie eine Aufforderung aufzufassen, die Karte umzudrehen. Und auf der anderen Seite halten Sie die neue, nach den vier Regeln erstellte Umformulierung fest, die Sie zukünftig leiten soll. Lernen Sie aber nun erst einmal die weiteren Säulen kennen. 2.2 Die zweite Säule: Lerntechniken Lernen ist ein aktiver Prozess Wie Lernen am besten funktioniert, kennen wir alle aus der Werbung, die irgendwie hängen bleibt, obwohl man meint, sich dafür gar nicht interessiert zu haben. Fernsehwerbung bietet uns nämlich bei uns zuhause, während wir gemütlich in unserem Lieblingssessel sitzen, in entspannter, vertrauter Atmosphäre kleine Portionen. Sie spricht dabei mehrere Sinne an und wiederholt sich in zeitlichen Abständen. Kein Wunder, dass so etwas hängen bleibt! Doch Aufnehmen und Behalten ist nicht dasselbe wie das Wissen abzurufen und eigenständig wiedergeben zu können. Dinge wiederzuerkennen ist relativ leicht für das Gehirn und beweist schließlich, dass man es doch irgendwie schon mal gesehen hat. Bei Sprachen etwa versuchen wir genau diesem relevanten Unterschied durch die Bezeichnungen „Passiver Wortschatz“ und „Aktiver Wortschatz“ gerecht zu werden. Die Bezeichnungen drücken sehr schön aus, dass wir mehr wissen als wir eigentlich verwenden. Deshalb verstehen Sie zum Glück auch solche Wörter, die Sie selber nie benutzen würden. Doch das ist ja für eine Prüfung zu wenig. Wenn der Prüfer Ihnen erst die Antwort selber geben müsste, damit Sie es grob wiedererkennen, dann ist das eben nicht ein aktives Reproduzieren von Wissen. Genau das wird aber von Ihnen in einer Prüfung erwartet. Daher ist Lernen insgesamt ein viel aktiverer Prozess als uns das Werbungsbeispiel suggeriert. Etwas zu behalten ist natürlich der erste wichtige Teil. In vielen Bereichen des Alltags würde uns das genügen. Für die Hochschule kommt nun noch dazu, das Wissen zu benutzen. Damit übt das Gehirn das erneute Auffinden der gespeicherten Informationen, probiert, es mit anderen Dingen zu <?page no="46"?> Die dritte Säule: Entspannung 47 verknüpfen, stellt vielleicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest und vor allem, welche gespeicherten Informationen gerade mehr gebraucht werden als die vielen anderen noch vorhandenen. Sie können für das Lernen förderliche Bedingungen schaffen. Dazu gehört viel mehr als eine ruhige Atmosphäre und Zeit. Was es alles zu beachten gibt und wie Sie Ihr Gehirn richtig benutzen, dass verbirgt sich hinter dem Begriff „Lerntechniken“. In jedem der vier Hauptkapitel finden Sie ein Stichwort, hinter dem sich viele praktische Tipps verbergen. Dies sind im 2. Teil: in Kapitel 1: Zeit, Zeiteinteilung und Zeitmanagement in Kapitel 2: Motivation in Kapitel 3: Gedächtnis und Lernhilfen in Kapitel 4: Arbeitsplatz Mit dem Prüfungsangst-Check am Ende dieser Einleitung finden Sie heraus, zu welchem Zeitpunkt die Prüfungsangst bei Ihnen am stärksten ist. Jedem einzelnen Zeitpunkt ist dann ein eigenes Kapitel gewidmet, welches Sie ausführlicher bearbeiten und daher eine der Lerntechniken näher kennenlernen werden. Um darüber hinaus auch etwas von den übrigen Lerntechniken zu erfahren, können Sie gern noch in allen anderen Kapiteln stöbern, denn dann können Sie Ihr Lernverhalten richtig optimieren. Sollten Sie an der einen oder anderen Stelle feststellen, dass Sie einen Hinweis bereits umsetzen, dann nehmen Sie es natürlich als Bestätigung, dass Sie diesen Teil der Lerntechniken schon anwenden. Schauen Sie dann erst recht noch in die anderen Kapitel und gehen auf die Suche nach weiteren hilfreichen Hinweisen, die Sie vielleicht noch nicht kennen. 2.3 Die dritte Säule: Entspannung Zur Angst scheint es zu gehören, dass sie genauso wie Stress und Sorgen ein angespanntes, angestrengtes und fast schon verkrampftes Gefühl im ganzen Körper erzeugt. Das ist das absolute Gegenteil von einer Entspannung. Genauso verhalten sich diese beiden Zustände auch zueinander: Wenn der eine Zustand da ist, kann der andere nicht auch noch vorhanden sein. Das kann ausgenutzt <?page no="47"?> 48 Das „Triadische Modell“ werden, indem einem angespannten Körper durch gezieltes Verhalten eine Entspannung angeboten wird. Das funktioniert aus folgendem Grund: Weil die Angstsymptome vollkommen vom Autonomen Nervensystem gesteuert werden - und der Name sagt deutlich, dass dieser Vorgang eigenständig (autonom) und nicht dem Bewusstsein zugänglich sein soll - muss dieses Nervensystem ganz gezielt und direkt angesprochen werden. Entspannungsübungen sprechen mithilfe einer direkten körperlichen Sprache das Autonome Nervensystem an und bieten ihm einen alternativen Zustand an. Dieser Sprache ist es durchaus zugänglich. Nun muss es abwägen, welchen der Körperzustände es aufrechterhalten will. Da es in diesem Moment weniger Hinweise auf eine beängstigende Situation und dafür mehr angenehm entspannende, körperliche Informationen signalisiert bekommt, lässt es sich überzeugen, den entspannten Zustand auszubauen. Übrigens: Dieser Mechanismus funktioniert auch mit Essen, weil Nahrungsaufnahme dieselben physiologischen Mechanismen wie Entspannung im Autonomen Nervensystem auslöst. Deshalb steigt bei vielen unter Stress der Konsum von sogenannter Nervennahrung. Doch nicht die Nahrung, sondern der Vorgang der Nahrungsaufnahme selbst löst die Mechanismen aus, die einer Angst entgegenwirken. Daher ist es vielleicht nicht gerade die gesündeste Variante der Angstreduktion. Greifen Sie lieber auf Dauer auf Entspannungsübungen zurück, weil sich dadurch die Anspannung im Körper löst, Atmung und Herz ruhiger werden, die Durchblutung angeregt wird und Stresshormone abgebaut werden. In jedem der vier Kapitel mit den verschiedenen Zeitpunkten finden Sie eine leicht zu erlernende Entspannungsübung. Wenn die in Ihrem Kapitel beschriebene Übung nicht so gut funktioniert oder Sie sie nicht mögen, dann blättern Sie ruhig in den übrigen Kapiteln und probieren die dortige Übung aus. Folgende unterschiedlichen Übungen können Sie im 2. Teil dieses Buches kennenlernen: Kapitel 1: Atem-Zähl-Übung Kapitel 2: Kurzform Progressive Muskelentspannung <?page no="48"?> Die dritte Säule: Entspannung 49 Kapitel 3: Ein-Ruhe-Atmung Kapitel 4: Ein wunderbarer Ort Wenn Sie eine Übung der Beschreibung nach durchführen, werden Sie unmittelbar einen ersten Erfolg verspüren. Doch erst bei regelmäßigem Durchführen (mindestens einmal täglich) stellt die Entspannung einen Ausgleich für Stress und Anstrengungen dar. Finden Sie eine für sich angenehme, passende Übung und wenden Sie diese dann regelmäßig an. Sie können gern die bewährten Übungen ausprobieren und vielleicht eine schöne, neue Art der Entspannung kennenlernen. Das brauchen Sie vor allem, wenn Sie bisher keine gezielte Entspannungstechnik kennen. Wenn Sie bereits so etwas wie Autogenes Training oder Yoga können, aber in letzter Zeit nicht mehr praktiziert haben, dann reaktivieren Sie Ihr Können. Der Vorteil ist nämlich, dass Ihr Körper die jeweilige Technik bereits kennt und quasi weiß, was das zu bedeuten hat: Ich soll und darf mich entspannen. Da brauchen Sie für Ihre Yogaübungen nur die Matte auf der Erde ausrollen und sich hinlegen - schon erinnert sich Ihr Gehirn, dass jetzt eine angenehme, ruhige und entspannende Zeit beginnt. Das hat es nämlich im Laufe mehrerer Durchgänge so abgespeichert. Und so beginnt eine erste Entspannung schon beim Hinlegen. Bei jedem neuen Entspannungsverfahren muss erst eine solche feste Verknüpfung zwischen dem, was man tut und der Tatsache, dass das Entspannung bedeutet, hergestellt werden. Bevor Sie dafür zusätzliche Zeit verwenden, können Sie besser Ihre altbewährte Methode wieder aufgreifen. Auch wenn Sie Sport als wunderbaren Ausgleich zur geistigen Arbeit kennen, dann behalten Sie das als Methode bei. Sie brauchen dann keinen neuen Ausgleich und können ruhig die notwendige Zeit in Ihren Sport investieren. Machen Sie sich keine Sorgen, dass diese Zeit von Ihrer Lernzeit abgeht, denn der Sport und die Entspannung machen Sie ja gerade wieder fit für das Lernen. Und damit ist diese Zeit äußerst sinnvoll investiert. Eine Entspannungsübung können Sie natürlich trotzdem noch lernen, wenn Sie es als eine kleine Erfrischung für Zwischendurch haben wollen, also immer dann, wenn keine Zeit für Sport ist oder <?page no="49"?> 50 Das „ Sie unterwe kleinen Aus Wie Sie En Alle versch jedem Ort und passt d Bibliothek o Drei der vie sodass man Augen gesc Menschen kehrsmitteln die Augen s Allen Übun bekommen, obachten Ih aufgabe. D beliebig abs erinnert wer Statt also nu den Sie ger kurzen Mom „Triadische Mo egs oder in de sgleich zum Ler ntspannungsü iedenen Übung nutzen können amit als kleine oder auch in Zu er Übungen sin eher denken k chlossen halten vor allem nach n, sodass Sie ni schließen. ngen gemeinsa , der Sie sich hrer Atemzüge amit soll errei schweifen, sond rden. 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Wenn Sie jedoch bereits im Bett liegen, aber vor lauter Sorgen und Gedanken nicht einschlafen können und auch dafür eine Entspannungsübung benutzen wollen, dann wählen Sie eine andere Übung aus, die Sie nur diesem Zweck widmen. Diese Übung müsste man dann aber korrekterweise als Einschlafübung bezeichnen. Und so sieht nun die ideale Sitzhaltung für eine Entspannungsübung aus: Sie sitzen gerade, aber hinten angelehnt. Ihre Füße stehen fest auf der Erde und Ihre Hände liegen bequem im Schoß. Den Kopf lassen Sie leicht nach vorne fallen und gucken vor sich auf den Boden oder schließen die Augen, so wie oben gezeigt. Beachten Sie dabei bitte, dass Sie je nach Übung immer dieselbe Grundhaltung im Sitzen einnehmen sowie dieselben Worte und Bilder benutzen, damit diese zu einem sicheren Auslöser für Entspannung werden. So werden Sie im Laufe der nächsten Wochen herausfinden, was Ihre Lieblingsübung sein wird. Diese können Sie dann immer benutzen. <?page no="51"?> 3 Der „Prüfungsangst-Check“ Mit dem Prüfungsangst-Check können Sie nun herausfinden, welcher Zeitraum im Zusammenhang mit der Prüfung entscheidend ist für das Ausmaß Ihrer Prüfungsangst. Hier noch einmal die Zeitskala mit den vier Zeiträumen: Abb. 6: Die Zeitskala mit den vier wichtigen Zeitpunkten Der Prüfungsangst-Check besteht aus typischen Gedanken und Aussagen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Kursen gegen Prüfungsangst. Lesen Sie diese durch und entscheiden Sie möglichst spontan, ob die Bemerkung so auch von Ihnen hätte sein können. Dabei kommt es nicht auf die Formulierung an, sondern auf den Inhalt an sich, der damit ausgedrückt wird. Danach können Sie gleich selbst die Auswertung vornehmen, die am Ende genau erläutert wird. 3.1 Fragebogen Gehen Sie zunächst also alle Bemerkungen durch und entscheiden Sie, ob die Bemerkung auf Sie zutrifft („Ja“) oder nicht („Nein“) und kreuzen Sie das entsprechende Kästchen an. Dieser Teil dauert etwa 15 Minuten. Prüfung Zeit I II III IV Entscheidung Anmeldung <?page no="52"?> Fragebogen 53 Hoffentlich begegne ich dem Prüfer jetzt nicht auf dem Flur. Ja Nein Was schreibt denn der Prüfer die ganze Zeit? Was ich alles Falsches sage? Ja Nein Das war peinlich, weil bestimmt alle gemerkt haben, dass ich Angst hatte. Ja Nein Was denken meine Freunde und meine Eltern, wenn ich durch die Prüfung falle? Ja Nein Ich muss so viel Stoff lernen, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ja Nein Wenn ich mir vor dem Einschlafen ausmale, wie die Prüfung abläuft, bekomme ich starkes Herzklopfen. Ja Nein Was ich gelesen habe, habe ich 5 Minuten später schon wieder vergessen. Ja Nein Ich hätte doch ein anderes Einsprechthema oder einen anderen Prüfer nehmen sollen. Ja Nein Wenn schon die erste Frage nicht klappt, dann kannst du den ganzen Rest vergessen. Ja Nein <?page no="53"?> 54 Der „Prüfungsangst-Check“ Ich hab so schlecht geschlafen und bin überhaupt nicht fit für das hier. Ja Nein Das Vorgespräch mit dem Prüfer hat mich noch mehr durcheinandergebracht. Ja Nein Verglichen mit den anderen bin ich eher schlecht vorbereitet. Ja Nein Die Zeit reicht doch nie, um das alles bis zur Prüfung in den Kopf zu kriegen! Ja Nein Oh, Gott, die Frage weiß ich nicht! Was mach ich denn jetzt? Ja Nein Für meine Freunde hab ich jetzt einfach keine Zeit und Sport ist auch gecancelt. Ja Nein Diese Nacht muss ich endlich ausschlafen. Ja Nein Mir scheint, die prüfungsrelevante Literatur ist extra so umfangreich, damit man es normalerweise gar nicht schaffen kann. Ja Nein Ich hab bestimmt genau das Falsche gelernt und es kommen ganz andere Sachen dran. Ja Nein <?page no="54"?> Fragebogen 55 Die könnten mich nach meinem Namen fragen - den wüsste ich auch nicht mehr. Ja Nein Ich hatte totales Glück und die richtigen Fragen bekommen. Mit anderen Themen hätten die voll meine Lücken erwischt. Ja Nein Wenn ich nur an den Prüfer denke, wie er so dasitzt, dann werde ich ganz aufgeregt. Ja Nein Ich lenke mich ständig ab, weil ich den Schreibtisch aufräume, die Wohnung putze oder im Internet surfe. Ja Nein Ich bin aber auch vom Pech verfolgt - fast alles nur Sachen, die ich gerade nicht gelernt hab. Ja Nein Der Beisitzer soll ganz nett sein, aber die Prüferin guckt nur aus dem Fenster während man antwortet. Ja Nein Ich muss total selbstsicher und kompetent rüberkommen. Ja Nein Wenn ich morgens aufwache und an den Tag denke, steigt schon die Angst in mir hoch. Ja Nein Ich muss so viel Stoff lernen, ich weiß nicht, wie ich das noch schaffen soll. Ja Nein <?page no="55"?> 56 Der „Prüfungsangst-Check“ Hätte ich doch bloß mehr Seminare besucht - jetzt fehlt mir ganz bestimmtes Wissen. Ja Nein Das ist wie ein großer Berg und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ja Nein In der Lerngruppe hab ich das anderen noch erklärt - jetzt weiß ich nichts mehr! Ja Nein Ich mache mir einen Zeitplan und stelle immer fest, dass ich ihn überhaupt nicht einhalte. Ja Nein Ich brauch nur an die Prüfung zu denken, dann hab ich schon feuchte Hände. Ja Nein In der Prüfung krieg ich bestimmt keinen Ton heraus - was mach ich dann bloß? ! Ja Nein Ich weiß gar nicht, wofür ich die Zensur eigentlich bekommen habe. Ja Nein Und wenn ich eine Frage bekomme, die ich nicht beantworten kann? Was mach ich dann? Ja Nein Wenn ich durchfalle, war das ganze Studium umsonst. Ja Nein <?page no="56"?> Fragebogen 57 Na, das ging ja gut los! So wird das doch nichts mehr! Ja Nein Alle sind am Schreiben, nur ich starre auf das weiße Papier und mein Gekritzel. Ja Nein Ich hab wirklich viel vorher gemacht und jetzt hab ich so schlecht abgeschnitten. Ja Nein Das lief nur deshalb gut, weil ich mir die netteste Prüferin ausgesucht habe. Ja Nein Ich weiß gar nicht, ob ich das richtige Skript oder Buch zum Lernen habe. Ja Nein Ich steh ja total neben mir! Jetzt werd’ doch mal ruhig! Ja Nein Mist! Meine Hände zittern ja total! Ja Nein Das lief zwar irgendwie ganz gut, aber beim nächsten Mal ist ja alles schwerer. Ja Nein Die haben mir doch nur eine bessere Zensur gegeben, weil sie mich irgendwie damit motivieren wollen (oder: weil sie es auch nur hinter sich haben wollen). Ja Nein <?page no="57"?> 58 Der „Prüfungsangst-Check“ Herzukommen war ein Fehler. Ich hätte mich krankschreiben lassen sollen. Ja Nein Siehste! Ich bin eben kein Prüfungstyp. Ich kann so etwas nicht. Ja Nein Ich hab mich total bescheuert verhalten. Ja Nein Beim Lesen muss ich immer an andere Dinge denken, sodass ich mich gar nicht konzentrieren kann. Ja Nein Das Ergebnis geht in die Gesamtnote ein - damit krieg ich doch keinen Master (oder Job). Ja Nein Ich brauch irgendwie Baldrian oder Autogenes Training, um runterzukommen. Ja Nein Wie sag ich es meinen Eltern, wenn ich durch diese Prüfung falle? Ja Nein So wie der Prüfer guckt, muss ich ja totalen Blödsinn reden! Ja Nein Ich hätte viel mehr sagen sollen, statt dazusitzen und zu schweigen. Ja Nein <?page no="58"?> Auswertung 59 Ich hab viel zu spät angefangen. Das fehlt mir jetzt an Zeit. Ja Nein Es fing schon mit der ersten Frage schlecht an und dann hab ich nicht mehr die Kurve gekriegt. Ja Nein Und dann bin ich auch noch rot geworden (oder: hab gestottert / oder: habe so stark geschwitzt). Da war dann alles endgültig aus. Ja Nein Vergiss es! Ich geb’ einfach ein leeres Blatt ab (oder: ich breche die mündliche Prüfung einfach ab). Ja Nein Wenn andere etwas lernen, behalten sie es auch. Ich glaube, ich vergesse alles wieder. Ja Nein Ich hab für das ganze Studium viel zu lange gebraucht. Dafür hätte ich auch besser abschneiden müssen. Ja Nein 3.2 Auswertung Nun können Sie den Test auswerten. Zählen Sie zusammen, wie viele Bemerkungen mit einem , , oder Sie jeweils mit „Ja“ angekreuzt haben und schreiben Sie die Summe hinter die entsprechenden Zeitpunkte: <?page no="59"?> 60 Der „Prüfungsangst-Check“ Die mehrwöchige Vorbereitungsphase: ______ Ja-Kreuze Unmittelbar vor der Prüfung: ______ Ja-Kreuze In der Prüfung: ______ Ja-Kreuze Nach der Prüfung: ______ Ja-Kreuze Und das bedeutet Ihr persönliches Prüfungsangst-Check-Ergebnis: 10-15 Ja-Kreuze: Dies ist Ihre wichtigste Angstphase. Nehmen Sie sich genügend Zeit, das genau zu dieser Phase gehörige Kapitel zu bearbeiten. 7-9 Ja-Kreuze: Dieser Phase sollten Sie sich widmen, indem Sie das genau zu dieser Phase gehörige Kapitel bearbeiten. 4-6 Ja-Kreuze: Wenn Sie genügend Zeit haben, dann sollten Sie sich dieser Phase auch noch widmen und das genau zu dieser Phase gehörige Kapitel bearbeiten. 1-3 Ja-Kreuze: Diese Phase ist für Sie eher unbedeutend und die Bemerkungen tauchen wahrscheinlich in einer wichtigeren Phase auch auf, sodass Sie dieses Kapitel auslassen können. Jedem der vier Zeiträume ist also ein eigenes Kapitel gewidmet. Gehen Sie nun gezielt zu dem entsprechenden Kapitel, indem Ihre wichtige Angstphase ausführlich beschrieben wird und bearbeiten Sie diese dort ganz gezielt. Wenn mehrere oder alle Zeiträume auf Sie zutreffen, dann gehen Sie am besten in der Reihenfolge der Wichtigkeit vor und bearbeiten das wichtigste Kapitel zuerst. <?page no="60"?> Auswertung 61 Schauen Sie in der folgenden Liste nach, welches Kapitel zu dem Symbol gehört, bei dem Sie die meisten Ja-Kreuze haben und gehen Sie im zweiten Teil dieses Buches dann als Erstes direkt dorthin: Kapitel 1: Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Kapitel 2 und 3: Unmittelbar vor der Prüfung Kapitel 4: In der Prüfung Kapitel 5: Nach der Prüfung <?page no="62"?> Teil 2: Die vier Momente der Prüfungsangst Die Dinge und die Meinungen darüber sind nicht dasselbe - nicht die Dinge selbst beunruhigen den Menschen, sondern die Urteile über die Dinge. Epiktet, 50 n. Chr. <?page no="64"?> 1 In weiter Ferne: Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Wer vom Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave. Friedrich Nietzsche Bei den einzelnen Modulen der durchstrukturierten Bachelor- und Master-Studiengänge ist auch der dazu gehörige Termin der Abschlussprüfungen von Beginn an vorgesehen. Garantiert am Ende des Semesters steht er fest, nur weil Sie für sich entschieden haben, an eben dieser Veranstaltung teilzunehmen. Im Grunde ist schon die Teilnahme an der Veranstaltung als Vorbereitung auf die anstehende Prüfung zu sehen. Sie werden dann vielleicht noch ein paar Tage vorher intensiver lernen. Eine langfristige Planung ist hierdurch möglich, wenn keine äußeren oder inneren Hindernisse entstehen, wie beispielsweise eine Prüfungsangst, die Sie dann daran hindern könnte, den Termin auch wahrzunehmen. Anders sieht es bei vielen Prüfungen oder einem ganzen Examen aus. Hier müssen Sie sich extra anmelden und entscheiden damit aktiver über den Beginn der Vorbereitungsphase. Denn durch Ihre Anmeldung haben Sie die Vorbereitungsphase für die Prüfung quasi selbst aktiviert und nun läuft die Zeit. Gemeinsam bei allen Studiengängen ist, dass Sie Ihre Vorbereitungszeit für die Prüfungen weitestgehend selbst terminiert haben und für die Einhaltung Ihres Arbeitspensums selbst sorgen müssen. Spätestens ab diesem Moment kann sich auch die Psyche mit dieser Situation beschäftigen. Neben den konkreten Überlegungen, welches Wissen für eine Prüfung bearbeitet und gelernt werden soll, können sich Gedanken Platz verschaffen, die mehr oder weniger skeptisch die ganze Aktion infrage stellen. Damit keine größere Panik aufkommt, versucht man sich oft mit oberflächlich beruhigenden Argumenten abzulenken. Gern wird dazu behauptet, es sei noch genügend Zeit und schließlich habe man ja auch schon mit <?page no="65"?> 66 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase dem Lernen begonnen. Das stimmt natürlich. Aber wird die Zeit wirklich reichen? Kommt man nicht schon jetzt viel langsamer voran als geplant? Oder stellt sich nicht Einiges erst beim Bearbeiten als schwieriger heraus als gedacht? Und dann erst die Prüfung selbst! In der Phantasie sieht man sich dort schon sitzen und spielt durch, was alles passieren könnte und wie wohl der Prüfer sich verhält und, und, und. Bemerken Sie gerade, dass Sie nur vom Lesen dieser Zeilen schon nervös werden? Dann ist auch Ihre Phantasie mit Ihnen durchgegangen. Denn Sie lesen gerade nur ein Buch gegen Prüfungsangst und brauchen dabei doch keine negativen Gefühle bekommen. Wenn dies aber nur durch meine Beschreibungen schon gelingt, dann ist es richtig, dass Sie etwas dagegen tun sollten. Dabei soll Ihnen mindestens dieses Kapitel behilflich sein. Auf der Zeitskala entspricht die mehrwöchige Vorbereitungsphase dem Zeitpunkt I: Abb. 7: Die Zeitskala mit den vier wichtigen Zeitpunkten 1.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel Mit der Veränderung der negativen Gedanken, der Umsetzung bewährter Lerntechniken und einer Entspannungsübung setzen Sie der Prüfungsangst etwas entgegen: [1] Als Erstes stehen die einschränkenden und Angst auslösenden Gedanken während der längeren Vorbereitung auf eine Prüfung im Mittelpunkt. Diese Phase beginnt ganz eindeutig, sobald Sie sich für die Prüfung oder für ein Seminar, das mit einer Prüfung endet, anmeldet haben. Denn jetzt wissen Sie, dass es auf Sie zukommt und wie viel Zeit Ihnen konkret noch Prüfung Zeit I II III IV Entscheidung Anmeldung <?page no="66"?> Zeitpunkt 1: Die Wochen vor der Prüfung 67 bleibt. Das können Tage, Wochen oder wie bei einem Examen sogar Monate sein. [2] Im Abschnitt Lerntechniken geht es in diesem Kapitel um den sinnvollen Umgang mit Zeit und damit auch um die vielen Dinge, die jeden Tag erledigt werden müssen. Der Begriff Zeitmanagement gehört im Sinne dieses Buches mehr zur eigentlichen Arbeit, aber Zeiteinteilung meint dann doch noch mehr, da der Tag ja aus 24 Stunden und eben nicht nur aus Arbeiten besteht. Hier und in den entsprechenden weiteren Abschnitten des Buches kann es sein, dass Sie feststellen, dass Sie etwas doch genauso schon umsetzen. Das wäre gut, denn dann sind Sie was diesen Teil betrifft ja auf der sicheren Seite. Für Sie neue Tipps können Sie aufgreifen, um Ihr persönliches Zeitmanagement zu verbessern. [3] Und als Entspannungsmethode lernen Sie die Atem-Zähl- Übung kennen. Dies ist eine sehr einfache Entspannungsübung, die Sie an jedem Ort mit einer Sitzmöglichkeit anwenden können. Sollte Ihnen diese Übung nicht gefallen, dann finden Sie in den anderen Kapiteln weitere Methoden zum Ausprobieren. 1.2 Zeitpunkt 1: Die Wochen vor der Prüfung „Mich anzumelden war schon ein richtig aufregender Schritt. Für mich bedeutete das: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Und so fühlte sich das auch an, denn jetzt war klar, wie viel Zeit ich noch habe und dass die Uhr rückwärts läuft. Jeder Tag, an dem ich nichts für die Uni gemacht habe, kam mir vor wie verloren. Und während ich bei Freunden oder im Kino saß, musste ich immer daran denken, dass ich jetzt eigentlich zuhause hätte lernen können. Aber man kann ja auch nicht nur lernen. So saß ich im Kino und dachte ans Lernen. Wenn ich aber am Schreibtisch saß, kamen mir tausend tolle Ideen, was ich jetzt viel Schöneres tun könnte. Schlimmer waren aber noch die Zweifel, die mich regelmäßig überkamen: Reicht die Zeit überhaupt? Lernst du auch das Richtige und wäre es nicht doch besser gewesen, es letztes Semester bei einem anderen Prüfer zu machen? “ <?page no="67"?> 68 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Finden Sie sich in der Beschreibung neben dem grauen Balken wieder? So oder ähnlich beschreiben Menschen mit Prüfungsängsten ihre aktuelle Lage. Sie sind hin- und hergerissen zwischen der vielen Zeit, die sie auf der einen Seite noch haben. Demgegenüber steht aber der Berg aus all den Skripten, Büchern und eigenen Mitschriften, die schließlich durchgearbeitet und vor allem noch gelernt werden müssen. Da kommen schnell grundsätzliche Zweifel auf, ob das zu schaffen ist. Und im Kopf kreisen dementsprechend die Grundsatzdiskussionen. Diese und andere das Lernen deutlich behindernde Gedanken sollen nun von Ihnen gesammelt und dann vor allem in unterstützende Mottos umgewandelt werden. 1.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen Im Folgenden sind Kommentare aus dem Prüfungsangst-Check noch einmal aufgeführt. Sie gehören alle zur Phase der mehrwöchigen Vorbereitungszeit. Gehen Sie die einzelnen Kommentare durch und entscheiden Sie wieder ganz spontan, ob Sie diese oder einen so ähnlich formulierten Gedanken oder Zweifel von sich kennen, wenn Sie an die Vorbereitungszeit denken: Das Vorgespräch mit dem Prüfer hat mich noch mehr durcheinandergebracht. Ja Nein Was ich gelesen habe, habe ich 5 Minuten später schon wieder vergessen. Ja Nein Wenn schon die erste Frage nicht klappt, dann kannst du den ganzen Rest vergessen. Ja Nein Die Zeit reicht doch nie, um das alles bis zur Prüfung in den Kopf zu kriegen! Ja Nein <?page no="68"?> Zeitpunkt 1: Die Wochen vor der Prüfung 69 Für meine Freunde hab ich jetzt einfach keine Zeit und Sport ist auch gecancelt. Ja Nein Mir scheint, die prüfungsrelevante Literatur ist extra so umfangreich, damit man es normalerweise gar nicht schaffen kann Ja Nein Ich lenke mich ständig ab, weil ich den Schreibtisch aufräume, die Wohnung putze oder im Internet surfe. Ja Nein Ich muss total selbstsicher und kompetent rüberkommen. Ja Nein Ich mache mir einen Zeitplan und stelle immer fest, dass ich ihn überhaupt nicht einhalte. Ja Nein Wenn andere etwas lernen, behalten sie es auch. Ich glaube, ich vergesse alles wieder. Ja Nein Ich weiß gar nicht, ob ich das richtige Skript oder Buch zum Lernen habe. Ja Nein Ich brauch irgendwie Baldrian oder Autogenes Training, um runterzukommen. Ja Nein Das ist wie ein großer Berg und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ja Nein <?page no="69"?> 70 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Wenn ich morgens aufwache und an den Tag denke, steigt schon die Angst in mir hoch. Ja Nein Ich muss so viel Stoff lernen, ich weiß nicht, wie ich das noch schaffen soll. Ja Nein Dies sind zwar typische Aussagen von Teilnehmern unserer Gruppen gegen Prüfungsangst. Dennoch kennen Sie vielleicht von sich noch weitere eigene negative Gedanken, die beim Lernen stören oder Sie sogar ganz vom Lernen abhalten? Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit und überlegen, welche das sind und notieren Sie diese wortwörtlich. Für bis zu sechs eigene Formulierungen haben Sie hier Platz: [1] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [2] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [3] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [4] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [5] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ <?page no="70"?> Zeitpunkt 1: Die Wochen vor der Prüfung 71 [6] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ 1.2.2 Legen Sie Karteikarten an Übertragen Sie nun die zu Ihnen passenden Bemerkungen auf Karteikarten. Beachten Sie dabei: Für jede Bemerkung legen Sie eine eigene Karte an und die aus dem Prüfungsangst-Check übernommenen Formulierungen müssen dabei noch in eigene Worte umformuliert werden. Und zusätzlich schreiben Sie auf diese negative Seite noch den abschließenden Hinweis: „Stopp! Ich will anders darüber nachdenken.“ 1.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um Wenn Sie Ihre Sammlung und das Ausfüllen der Karteikarten abgeschlossen haben, dann können Sie sich nun darum kümmern, sich die sprichwörtlich „andere Seite der Medaille“ anzuschauen. Denn die Angst machenden und einschränkenden Gedanken sollen nun systematisch durch unterstützende Mottos ersetzt werden. Zur Erinnerung sind im Kasten noch mal die Regeln aufgeführt, die Sie dabei beachten müssen (die ausführlichere Erläuterung dazu finden Sie im 2. Kapitel des 1. Teils). Regeln zur Umformulierung: [1] Gleicher Inhalt [2] Eigene Worte [3] Positive Formulierung [4] Realistische Einschätzung Werfen Sie doch erst noch mal einen Blick auf die nachfolgende Tabelle, in der beispielhaft einige der typischen Bemerkungen schon umformuliert sind. So bekommen Sie eine ungefähre Idee, wie es funktioniert, und können es für Ihre Karteikarten nun selbst probieren: <?page no="71"?> 72 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Negativ: Unterstützend: Ich muss so viel Stoff lernen, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich versuche, in der Zeit, die ich habe, so viel wie möglich zu schaffen. Wenn schon die erste Frage nicht klappt, dann kannst du den ganzen Rest vergessen. Ich habe gerade erst begonnen zu lernen, damit ich später auf Fragen antworten kann. Egal, wie etwas dann beginnt - es kann immer anders weitergehen. Das hängt von so vielen Faktoren ab. Das ist wie ein großer Berg und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich teile den ganzen Stoff in mehrere Etappen und arbeite mich Stück für Stück voran. Ich lenke mich ständig ab, weil ich den Schreibtisch aufräume, die Wohnung putze oder im Internet surfe. Ich nehme mir eine kleine Aufgabe vor, die ich mir zutraue zu schaffen. Im Anschluss kann ich was ganz anderes als Belohnung oder Ablenkung tun. Für meine Freunde hab ich jetzt einfach keine Zeit und Sport ist auch gecancelt. Gerade beim Lernen braucht man richtige Auszeiten. Dafür plane ich Freunde, Sport und anderes gezielt ein. Ich brauch irgendwie Baldrian oder Autogenes Training, um runterzukommen. Ich versuche, mit diesem Buch meine Grundeinstellung zu ändern und lerne auch eine Entspannungsübung, um insgesamt ruhiger zu werden. Wenn ich morgens aufwache und an den Tag denke, steigt schon die Angst in mir hoch. Jeder Tag beginnt mit Aufstehen, Anziehen, Frühstücken. Dann mache ich mir eine Liste für den Tag und beginne, diese Stück für Stück abzuarbeiten. Tab. 1: Negative Gedanken und passende Umformulierungen <?page no="72"?> Zeitpunkt 1: Die Wochen vor der Prüfung 73 Finden Sie nun für alle Ihre Karteikarten eine solche neue, unterstützende Formulierung anstelle des bisherigen, Angst machenden Gedanken. Schreiben Sie dieses neue Motto auf die noch freie Seite der Karteikarte. 1.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden Sie haben jetzt einige vollständige Karteikarten, die eigentlich genauso aussehen wie Karten, die man sich zum Lernen erstellt: Wenn Sie z.B. eine Sprache lernen wollen, dann steht auf der einen Seite das deutsche Wort und auf der Rückseite - zur Erinnerung, als Gedächtnishilfe und zur Wissenskontrolle - das entsprechende Wort in der unbekannten Sprache. Genau in diesem Sinne benutzen Sie die eben angelegten Karteikarten: Immer, wenn Sie sich auf eine Prüfung vorbereiten oder sich diese ausmalen, wird es vorkommen können, dass einer der altbekannten negativen Gedanken Ihnen durch den Kopf geht. Dann suchen Sie unter all Ihren Karten die entsprechende Karte dazu heraus. Sie erkennen die passende Karte natürlich sofort wieder und denken vielleicht „Siehste, da ist es schon wieder! “ Aber nun kommt das Neue. Folgen Sie der Aufforderung, die ja zum Glück gleich unten auf der Karte steht: „Stopp! Ich will anders darüber nachdenken! “ Und deshalb drehen Sie die Karte jetzt um. Und dort steht ein gut durchdachtes, neues Motto. Widmen Sie sich diesem positiven Motto, stimmen Sie der Aussage innerlich zu und legen dann die Karte zur Seite. Fahren Sie nun mit der Sache fort, von der Sie gerade durch die Gedanken abgehalten wurden, und lassen Sie sich dabei von dem unterstützenden Motto beeinflussen. So verfahren Sie immer, wenn entsprechende Gedanken aufkommen. Dadurch bieten Sie Ihrer Psyche gleich das neue Motto an und sie wird es mehr und mehr anerkennen als das, wonach sie sich richten will. Sie können sich auch zwischendurch einmal die Karten anschauen. Erkennen Sie dann immer den alten Gedanken als etwas von Ihnen und drehen sofort die Karte um, damit Sie sich vor allem dem neuen Motto widmen können. Malen Sie sich z.B. eine Prüfungssituation in Gedanken aus, in der dieses neue Motto von Ihnen umgesetzt wird. Dies könnte folgendermaßen aussehen: <?page no="73"?> 74 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Bisher haben Sie befürchtet, dass Sie in einer mündlichen Prüfung auf eine Frage hin möglicherweise schweigen würden. Ihr neues Motto könnte nun lauten „Ich versuche, laut zu denken, und dabei das Thema, um das sich die Frage dreht, auszuformulieren und kann so zu den konkreten Inhalten kommen. Stellen Sie sich daher in Ihrer Fantasie den Raum, den Prüfer und sich selbst dort sitzend vor. In dieser Vorstellung werden Sie etwas gefragt und Sie versuchen nun, Ihr neues Motto anzuwenden und beginnen, tatsächlich laut zu denken. Was passiert dadurch Neues in Ihrer Fantasie? Stellen Sie sich vor, wie Sie sich sprechen hören und wie der Prüfer Ihren Ausführungen folgt. Es könnte sein, dass er Sie ergänzt oder korrigiert und Sie sich dadurch immer mehr in Richtung der Antwort bewegen. Wie verändert sich die gesamte Atmosphäre der Prüfung, wenn Sie sich so verhalten? Durch dieses Durchspielen in der Fantasie bieten Sie sich und Ihrer Psyche eine neue Sicht der Dinge an. Damit steigt die Wahrscheinlich, dass etwas in dieser Art eintreten kann. 1.3 Lerntechniken: Zeit, Zeiteinteilung und -management 1.3.1 Weniger lernen bedeutet bessere Noten? Diese Erkenntnis könnte man aus einer Untersuchung der Amerikaner Clifford Morgan und James & Ellen Deese (1979) gewinnen. Sie fanden erstmals in den 1950er Jahren heraus, dass College- Studierende, die regelmäßig länger lernten, trotzdem schlechtere Notenergebnisse erzielten. Daher liegt spontan der Umkehrschluss nahe, besser deutlich weniger Zeit zu investieren und dennoch einen größeren Lernerfolg zu haben. Dass dieses Vorhaben allein aber nicht ausreichen kann, zeigen weitere Untersuchungsergebnisse. Denn die wichtigste unbedingt umzusetzende Regel lautet: „Nicht so viel Zeit wie möglich, sondern so effektiv wie möglich.“ <?page no="74"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 75 Man könnte es auch so formulieren: Hatten sich die einen zum Lernen hingesetzt, dann haben sie das auch wirklich getan. Andere aber, die Stunde für Stunde am Schreibtisch verbrachten, waren in Wirklichkeit unkonzentriert und haben sich mit ganz anderen, meist unwichtigen Dingen beschäftigt. Kein Wunder also, dass sie trotz der vielen Stunden am Schreibtisch zu schlechten Noten kamen. In diesem Abschnitt erfahren Sie daher, wie Sie Ihre für das Arbeiten und Lernen vorhandene Zeit optimal einsetzen und welche Dinge Sie darüber hinaus noch berücksichtigen sollten. Dies beinhaltet sowohl einen übergeordneten Studienplan zum ungefähren Ablauf des gesamten Studiums als auch einen Semesterplan, aus dem sich dann fast automatisch ein Wochenplan ergibt. Der Wochenplan wiederum stellt alle einzelnen Tage und gleichzeitig die Woche dar. Ein hohes Maß an Eigeninitiative und Selbständigkeit ist vor allem dann gefordert, wenn Sie Ihre Zeit prinzipiell selbst einteilen können. Dieses ist mindestens in der vorlesungsfreien Zeit, beim Schreiben von Haus- und Abschlussarbeiten oder in Zeiten der Prüfungsvorbereitung der Fall. 1.3.2 Studienplan, Semesterplan, Wochen- und Tagesplan In der Planung werden Sie vom Allgemeinen zum Speziellen vorgehen. Denn erst aus der groben Vorstellung, wie viel Zeit man für ein bestimmtes Projekt veranschlagt, sind konkrete Schritte ableitbar. Und die beinhalten immer auch die Möglichkeit für konkrete Zeitvorstellungen. Folgendes Alltagsbeispiel soll Ihnen das verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, Sie haben heute Abend frei und können überlegen, was Sie mit Ihrer Zeit anfangen wollen. Sie stellen zunächst eine grundsätzliche, daher aber noch diffuse Überlegung an, beispielsweise „Ich hätte Lust, mal wieder ins Kino zu gehen“. Das ist nun wirklich noch sehr allgemein gedacht, denn es fehlen der konkrete Film, das entsprechende Kino und natürlich die Zeit. Und vielleicht auch noch, ob Sie jemand begleitet. Jedoch können Sie jetzt konkreter werden. Also entscheiden Sie, <?page no="75"?> 76 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase welcher Film es sein soll. Daraus können Sie im nächsten Schritt mit einem Kinoprogramm ableiten, welche Kinos infrage kommen. Die Entscheidung fällt möglicherweise leicht, denn Ihr Lieblingskino ist dabei. Es bietet den Film zu drei verschiedenen Anfangszeiten an. Daher kann jetzt als letzte Konkretisierung die Auswahl der Zeit erfolgen. Und sehen Sie was jetzt geschieht: Egal, welche Anfangszeit Sie auswählen - automatisch können Sie daraus ableiten, wann Sie zuhause losgehen müssen und ob Sie vorher noch Zeit für etwas anderes haben. Aus einem zeitnahen Filmbeginn folgt eindeutig, dass Sie jetzt eher schnell losgehen sollten. Diese ganzen Entscheidungen könnten Sie gar nicht fällen, wenn Sie nicht überlegt haben, wie Sie heute Abend Ihre Zeit verbringen wollen. Dieses Alltagsbeispiel verdeutlicht die einzelnen Denk- und Handlungsschritte, die zur Planung einer Handlung gehören. Die Überlegungen können dann geradezu automatisch ablaufen und werden in der Regel nicht mehr hinterfragt. Und eben genauso können Sie einzelne Studienabschnitte festlegen und auch die Vorbereitung auf eine Prüfung planen: Sie leiten das jeweilige Vorhaben ein, indem Sie sich Ihre Denk- und Handlungsschritte bewusst machen. Das möchte ich Ihnen hier im Einzelnen erläutern. 1.3.2.1 Der Studienplan Überlegen Sie zunächst sehr grob, wie lange Sie persönlich insgesamt bzw. noch studieren wollen. Dabei berücksichtigen Sie formale Vorgaben der Studienordnung Ihres Studiengangs und solche Faktoren wie BAföG oder Unterstützung durch die Eltern. Natürlich ist es auch wichtig, ob Sie Einschränkungen durch eine chronische Krankheit oder Behinderung kennen, ob Sie für das Studium den Wohnort wechseln müssen, ob Sie bereits ein Kind oder eine Familie haben oder Ihren gesamten Unterhalt selbst verdienen müssen. Solche Bedingungen unterscheiden Sie nämlich von dem Idealbild eines Vollzeitstudenten, den man scheinbar bei der Festlegung der Regelstudienzeiten zugrunde gelegt hat. Sie sehen: Je mehr diese Idealbedingung für Sie persönlich nicht gelten, desto stärker müssen Sie Ihre Dauer des Studiums anpassen. Daher ist an <?page no="76"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 77 dieser Stelle am stärksten gefragt, die individuellen Rahmenbedingungen gut zu kennen und zu berücksichtigen. 1.3.2.2 Der Semesterplan Aus der bereits mit dem Studienplan grob festgelegten Studiendauer, beispielsweise von sechs Semestern für einen Bachelor- Abschluss, leiten Sie im nächsten Schritt die Notwendigkeiten für das aktuelle, bevorstehende Semester ab. Idealerweise gibt Ihr Institut einen Verlaufsplan zum Beginn des Studiums heraus, den Sie als wichtige Orientierungshilfe benutzen. Dabei könnten Sie etwa entdecken, dass ein 2-semestriges Modul immer nur im Sommersemester begonnen werden kann. Wollten Sie nicht zu viel Zeit verlieren und planen Sie gerade Ihr Sommersemester, dann können Sie problemlos die Entscheidung fällen: Ich beginne dieses Modul jetzt, denn in einem Jahr ist mir persönlich zu spät. In diesem Semesterplan bringen Sie Pflichtveranstaltungen, Wahlveranstaltungen und mindestens eine Veranstaltung unter, die Sie zur Förderung der Motivation wirklich aus Interesse belegen wollen. Referats- und Klausurtermine werden notiert und daraus leiten Sie ab, wann Sie mit den entsprechenden Vorbereitungen dazu beginnen sollten. Letzteres verhindert unangenehme Überraschungsmomente und damit überstürztes, kurzfristiges Arbeiten. Eine mögliche Gefahr zu Semesterbeginn ist die Überschätzung der eigenen Ressourcen aufgrund von schlechtem Gewissen, Übereifer oder Leistungsdruck. Prüfen Sie daher schon nach kurzer Zeit, ob Ihr Semesterplan so bleiben kann oder ob Sie nicht doch besser reduzieren sollten, um alle einzelnen Semesterziele auch zu erreichen. 1.3.2.3 Der Wochenplan Wenn Sie die Veranstaltungen für das bevorstehende Semester ausgewählt haben, dann sollten Sie diese spätestens jetzt zur Übersicht in einen Wochenplan mit einzelnen Wochentagen eintragen. <?page no="77"?> 78 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Das entspricht genau dem Stundenplan, wie Sie ihn zu Schulzeiten hatten. So ein Wochenplan könnte beispielsweise dabei herauskommen: Mo Di Mi Do Fr Sa So 7 8 Sprachkurs Sprachkurs Seminar 2 9 10 Vorlesung 2 Vorlesung 3 BZQ- Kurs 11 12 13 14 Vorlesung 1 Seminar 1 Vorlesung 1 15 16 Seminar 2 Seminar 3 17 18 Seminar 1 19 20 21 22 23 Abb. 8: Ein Wochenplan, der nur die Veranstaltungen enthält <?page no="78"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 79 Nun könnten Doppelbelegungen deutlich werden oder Ihnen fällt auf, dass beispielsweise Veranstaltungsorte so ungünstig liegen, dass Sie die nachfolgende Veranstaltung nicht rechtzeitig erreichen. Gleichzeitig werden Leerlaufzeiten deutlich, sodass Sie überlegen können, wie Sie diese nutzen wollen. So legen Sie etwa für sich fest, dass eine Freistunde vor einem Seminar aus einer kleinen Pause und aus der Vorbereitung für das Seminar in der Bibliothek bestehen wird. Sie haben damit die Vorbereitungszeit bereits sicher untergebracht! In dem Wochenplan haben Sie bisher nur Lehrveranstaltungen berücksichtigt. Ihre Woche besteht aber aus mehr - vielleicht auch aus mehr Verpflichtungen. Natürlich wissen Sie, dass Sie an bestimmten Tagen zu festgelegten Zeiten etwa einen Job ausüben. Und einen festen Termin in Ihrem Sportverein, Ihrem Chor oder jedem anderen Hobby gibt es auch. Und es könnte sein, dass Sie ein Kind haben und es gibt feste Kindergartenzeiten, zu denen Sie Ihr Kind wegbringen und dann auch wieder abholen müssen. Tragen Sie diese Dinge doch auch einmal in den Wochenplan ein. Was Sie jetzt sehen können ist: Ich mache ja ganz schön viel auch noch neben der Uni. Sie sehen genauso auch die Freiräume, die Ihnen hoffentlich noch geblieben sind. In diesen Freiräumen können Sie gerne ganz spontan entscheiden, was Sie damit tun wollen. Der Wochenplan verändert sich nun ganz enorm und sähe etwa so wie oben gezeigt aus. Vielleicht wird Ihnen durch diesen Plan noch mehr bewusst, was Sie alles in einer Woche untergebracht haben. In jedem Fall sehen Sie sehr gut die verbliebenen Freiräume für Kino, Spaziergang, Einkaufsbummel oder für ein spontanes Frühstück oder Abendessen mit Freunden oder Familie. Im Anhang des Buches finden Sie einen unausgefüllten Wochenplan, den Sie sich kopieren können, um ihn mit den eigenen Terminen zu Semesteranfang zu bestücken. <?page no="79"?> 80 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Mo Di Mi Do Fr Sa So 7 Frühstück Frühstück Frühstück 8 Sprachkurs Sprachkurs Seminar 2 9 10 Frühstück Vorlesung 2 Vorlesung 3 BZQ- Kurs 11 Frühstück 12 Lernen Essen Essen Essen Bibliothek Lernen 13 Essen Bibliothek Bibliothek Essen 14 Vorlesung 1 Seminar 1 Vorlesung 1 15 16 Seminar 2 Seminar 3 Bibliothek Sport 17 Job 18 Seminar 1 19 Sport Job 20 21 22 23 Abb. 9: Ein Wochenplan mit allen festen Terminen <?page no="80"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 81 1.3.2.4 Der Tagesplan Haben Sie den zuvor beschriebenen Wochenplan angelegt, dann liegt jeder einzelne Tag automatisch vor Ihnen. Folgende Vorteile bietet diese Art zu planen: Eingeplante Dinge sind abgesichert und können nicht aus Versehen wegrutschen und vergessen werden. Man hat heute schon eine grobe Idee, wie der morgige Tag aussieht. Dadurch können Sie sich besser darauf einstellen und wissen beispielsweise, dass heute Abend ein spätes Treffen in einer Bar ungünstig ist, weil Sie gerade morgen den anstrengendsten Tag der Woche vor sich haben und besser ausgeschlafen sein sollten. Daher bietet sich der Besuch der Bar sogar eher am Ende des anstrengenden Tages als guter Ausgleich und Tagesabschluss an. Sie verlegen diese gute Idee damit auf einen besseren Zeitpunkt. Spontane Neuigkeiten können sofort geprüft und entschieden werden. Wenn Sie etwa bei Ihrem Job an einem der nächsten Tage überraschend einspringen sollen, dann genügt der Blick auf Ihren Plan, um zu wissen, ob und an welchem Tag das überhaupt geht. Mit unvorhersehbaren Ausnahmen können Sie flexibler umgehen. Wenn beispielsweise ein Freund dringend Hilfe benötigt, dann können Sie einspringen, ohne Ihre eigenen Vorhaben aus dem Auge zu verlieren und Sie können diese zu einem späteren Zeitpunkt neu einplanen. Schaut man sich einen einzelnen Tag an, dann wird deutlich, dass ein paar physiologische Grundlagen zu berücksichtigen sind. Die sollen an dieser Stelle erläutert werden. 1.3.3 Jeder Tag geteilt durch Drei: 3x8 Stunden Jeder gesunde Mensch hat drei grobe Grundbedürfnisse, die täglich befriedigt werden sollten. Unbedingt zählen dazu ganz egoistisch gesehen Essen, Körperhygiene und Schlafen. Ein Drittel des Tages, und damit ca. 8 Stunden werden dafür durchschnittlich benötigt. <?page no="81"?> 82 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Abb. 10: Der drei-geteilte Tag Der Mensch ist kräftemäßig im Durchschnitt 6-8 Stunden dazu in der Lage, aktiv zu sein, d.h. zu arbeiten, zu lernen oder anderen fordernden Aktivitäten nachzugehen. Dies stellt ein zweites Drittel dar. Und das soziale Wesen, das der Mensch ja auch noch ist, sollte ein weiteres Drittel für Kontakte, Freizeitgestaltung und alles andere, was weder Schlafen noch Arbeiten ist, zur Verfügung haben. Im Folgenden erfahren Sie, wie Sie vor allem das mittlere Drittel „Arbeiten“ sinnvoll gestalten, um die Ihnen täglich zur Verfügung stehende Arbeitsenergie zu nutzen. Dabei sollen Sie aber die weiteren Drittel nicht aus den Augen verlieren. 1.3.3.1 Der Mensch ist keine Maschine: maximal 6 Stunden Leistungsfähigkeit Stellen Sie sich folgendes fiktive Experiment vor: alle Teilnehmer erhalten dieselbe Aufgabe, aber bekommen verschiedene Zeitvorgaben. Während die einen nur ein oder zwei Stunden Zeit haben, erhalten andere fünf oder sechs Stunden Zeit. Wir könnten folgendes Ergebnis beobachten: Alle Teilnehmer würden die Aufgabe bewältigt haben. Aber: Je mehr Zeit man ihnen zu Beginn zur Verfügung stellte, umso länger hätten sie auch gebraucht. Leider hätten sie aber trotz des höheren Zeitverbrauchs nicht mehr erreicht. Kontakt Freizeit Erholung 8 Stunden Arbeit (körperlich und/ oder geistig) 8 Stunden Essen Körperhygiene Schlafen 8 Stunden <?page no="82"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 83 Dieses Ergebnis geht auf die Tatsache zurück, dass wir grundsätzlich unsere Produktion nicht beliebig durch eine Ausdehnung des Zeitbudgets erhöhen können. Denn eine Ausdehnung führt häufig zu einer deutlichen Herabsetzung der Leistung pro Stunde. Die Psyche hat nämlich u.a. die Aufgabe, die uns zur Verfügung stehende Leistungsfähigkeit auf die anstehenden Aufgaben und Zeitfenster aufzuteilen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass wir pro Tag eine maximale Leistungsfähigkeit von 6 Stunden zur Verfügung haben. Dies meint intensiven körperlichen Einsatz ebenso wie intellektuelle Betätigung. Lautet nun also die Planung, 10 Stunden lang zu lernen, dann muss die Psyche dafür Sorge tragen, die 6 Stunden Leistungsfähigkeit zu verteilen. Eine Möglichkeit wäre, die ersten 6 Stunden intensiv zu arbeiten und dann nur noch auf Bücher, Aufzeichnungen oder Ablenkendes zu starren. Eine andere Variante, die viele Studierende berichten, verteilt die 6 Stunden ganz anderes: Zunächst beginnt man intensiv und konzentriert zu arbeiten. Nach einer guten Stunde ist eine Pause angesagt, die aber in der Küche dazu führt, auch noch abzuwaschen und aufzuräumen. Und prompt ist eine weitere Stunde aus Versehen als Pause vergangen. Jetzt wird sich schnell wieder an den Schreibtisch gesetzt und wieder gearbeitet. Nach kürzerer Zeit ertappt man sich dabei, ganz in Gedanken aus dem Fenster zu gucken. Wie viel Zeit dabei vergangen ist, lässt sich nicht mehr bestimmen. Ganz sicher wurde aber nicht gearbeitet. Was beiden Beispielen gemeinsam ist, ist vor allem eine Erkenntnis: Trotz der vielen am Schreibtisch verbrachten Zeit und damit dem Eindruck, unglaublich viele Stunden mit Arbeiten verbracht zu haben, ist das tatsächliche Ergebnis auf nur wenige Stunden zurückzuführen. Daraus folgt nun folgender Tipp: Gehen Sie von maximal 6 intensiven Arbeitsstunden aus. Da Sie auch Pausen benötigen, kommen Sie auf eine reale Arbeitszeit von eher 8 Stunden. Dann haben Sie genug gearbeitet und sollten in der übrigen Zeit anderen Dingen nachgehen. <?page no="83"?> 84 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Als lebendes Wesen gehört zu diesen grundlegenden Dingen Essen und Schlafen. Und für das soziale Wesen gehören dazu noch die Kontakte außerhalb der Arbeitszusammenhänge. Das wunderbare ist ja, dass Sie bei 6-8 Stunden Arbeit dafür noch genügend Zeit haben! Lernen Sie daher 6-8 Stunden mit dem gleichen Ergebnis, als hätten Sie 10-12 Stunden zur Verfügung gehabt und haben Sie sogar noch Zeit für etwas anderes übrig. 1.3.3.2 Pausen Sie haben eben schon gelesen, dass Sie Pausen benötigen und daher einplanen sollten. Als grobe Orientierung können Sie sich merken: Ein Fünftel der Lernzeit sollte als Pause gestaltet werden. Eine kurze Pause sollte bereits nach 30-45 Minuten eingelegt werden. Eine größere Pause ist nach 2-3 Stunden notwendig. Eine Pause soll eine vollständige Unterbrechung der Arbeit sein. Dazu ist alles erlaubt, was dazu führt, dass Sie in Gedanken nicht weiter lernen oder über eine gerade gesuchte Lösung nicht mehr weiter nachdenken. Günstig ist es, wenn Sie dazu den Arbeitsplatz verlassen und an einen Ort gehen, der Sie richtig ablenkt und in eine angenehme Stimmung versetzt. Zuhause wären das am ehesten die Küche oder ein Balkon. Und in der Bibliothek alles andere außer Lesesaal und Arbeitsplatz. Gehen Sie nach draußen, dann haben Sie automatisch Bewegung, Tageslicht und Sauerstoff. Sie können damit aufkommender Müdigkeit entgegen wirken und haben für eine optimale Unterbrechung gesorgt. Hier sind ein paar bewährte Ideen, wie Sie verschieden lange Pausen nutzen könnten: <?page no="84"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 85 3-5-minütige Pause: lüften etwas in der Küche trinken auf die Toilette gehen eine kürzere Entspannungsübung Blumen gießen 10-15-minütige Pause: Kaffee/ Tee kochen und trinken E-Mails checken Musik hören eine längere Entspannungsübung WG-Plauderei oder Telefonat 1-2-stündige Pause: essen Sport ausruhen oder schlafen Freunde treffen einkaufen oder putzen Warten Sie nicht, bis sich ein Gefühl breitmacht, dass Sie unbedingt eine Pause benötigen. Unterbrechen Sie die aktuelle Tätigkeit schon deshalb, weil eine vorher festgelegte Zeit um ist oder ein Arbeitsabschnitt erledigt wurde. Wenn Sie Bedenken haben, Sie könnten wegen der Unterbrechung aus Ihrer produktiven Phase gerissen werden, dann gewöhnen Sie sich folgenden Umgang mit der Pause an: Beenden Sie einen Lernabschnitt wegen der Pause an einer sinnvollen Stelle. Das wäre beim Lesen eines Buches beispielsweise das Ende eines Kapitels. So können Sie nach der Pause rekapitulieren, an welcher Stelle Sie aufgehört hatten und wie es daher nun weitergehen muss. Für verschiedene kleine Tätigkeiten bietet es sich an, nach jeder Pause etwas anderes zu tun. Sie können beispielsweise statt zu Lesen jetzt Schreiben oder Auswendiglernen statt Recherchieren. Sie dürfen sogar Inhalte abwechseln, weil Sie damit neue Motivation für etwas anderes erzeugen. Abschließend können Sie sich als grobe Regel merken: Ein Fünftel der Arbeitszeit sind Pausen. Sie sind ein völlige Unterbrechung der Tätigkeit. <?page no="85"?> 86 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase 1.3.3.3 Schlaf Die größte Pause im Verlauf eines kompletten Tages ist der Schlaf. Davor gibt es zunächst zur Einstimmung auf die Ruhephase noch Freizeit und Entspannung, damit Sie herunterkommen von den Anstrengungen, Aufgaben und Gedanken des Tages. Das ist das sprichwörtliche „Abschalten“, damit Sie in den erholsamen Tiefschlaf kommen. Wie bei Kindern ganz deutlich zu sehen ist, helfen auch uns Erwachsenen kleine, wiederkehrende Rituale, uns auf den Schlaf einzustellen. Dazu gehören das Runterfahren des Computers und Zähneputzen ebenso wie Licht ausschalten oder im Bett noch in einer Zeitschrift blättern. Gerade auch für das Lernen ist der Schlaf so wichtig, weil das Gehirn die Tageseindrücke und die Informationen, mit denen es sich beschäftigen musste, nun in aller Ruhe sortieren kann. Dabei wird es nicht von weiteren neuen Eindrücken beansprucht. Außerdem werden psychische Spannungen abgebaut oder das Immunsystem gestärkt. Wer will darauf schon verzichten. Sorgen Sie deshalb für genügend Schlaf. Individuell unterschiedlich liegt das Schlafbedürfnis irgendwo zwischen 6 und 8 Stunden pro Nacht. 1.3.3.4 Tagesrhythmen: Leistungshöhepunkte und Leistungstiefs Gehen Sie zunächst von der biologischen Tatsache aus, dass der Mensch zu den tagaktiven Lebewesen gehört. Die Nacht gehört so gesehen ausschließlich der Ruhe und dem Schlafen. Viele Menschen berichten sogar von deutlichen Unterschieden in ihrer Leistungsfähigkeit, wenn man nur die verschiedenen Tageszeiten vergleicht. Dem berühmten Mittagstief stimmen eigentlich alle zu, denn sie kennen den Mangel an Motivation zu dieser Zeit, während sich auch noch leichte Müdigkeit und Erschöpfung breitmachen. Und tatsächlich ist die physiologische Leistungsbereitschaft am späten Vor- und Nachmittag am höchsten. <?page no="86"?> Zeit, Zeiteinteilung und -management 87 Abb. 11: Tagesrhythmen in der Zeit von 6 bis 18 Uhr In der oben dargestellten Uhr, die genau die Tageszeit von 6-18 Uhr wiedergibt, sind dies die gestreiften Flächen. Wichtige oder auch anstrengende Tätigkeiten legen Sie am besten in diese Zeitfenster. Automatisch bietet sich das Mittagstief für eine größere Pause an, in der Sie essen, sich ausruhen oder Besorgungen erledigen können. Erinnern Sie sich an die 6 Stunden Leistungsbereitschaft - die finden Sie nun in diesen Zeitfenstern wieder. Übrigens fällt die Leistungsbereitschaft nach 22 Uhr rapide ab und steuert auf ihren absoluten Tiefpunkt gegen 3 Uhr morgens zu. Wer also gern bis in die Nacht arbeitet oder sich dort am kreativsten fühlt, hat von Seiten des Körpers nicht den wirklichen Rückhalt. Sehr wahrscheinlich klappt es hier nur deshalb besser, weil so viele ablenkende Störfaktoren des Tages wegfallen. Und da man selbst insgesamt auch noch ruhiger wird, geht man spontanen Ideen nicht mehr gleich nach. Für einen vergessenen Einkauf oder Geburtstagsanruf ist es eh zu spät. Und der Sport kann bis morgen warten. Solche Überlegungen sind es dann in Wirklichkeit, die für eine andere Konzentration sorgen, aber wirklich leistungsbereit ist Ihr Gehirn zu diesen Zeiten nicht. Legen Sie daher wichtige oder anstrengende Tätigkeiten möglichst in die Zeitfenster mit der höheren Leistungsbereitschaft. Wenig Aufmerksamkeit erfordernde Dinge (z.B. Karteikarten anlegen, Organisatorisches, Bücher ausleihen, kopieren) und größere Pausen gehören besser in die übrige Zeit. 12 18 15 9 <?page no="87"?> 88 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Dieser Biorhythmus wirft noch ein paar andere Annehmlichkeiten ab: Die Schmerzempfindlichkeit ist in der späten Nachmittagshälfte am geringsten. Hier passt der Zahnarztbesuch gut hin. Am meisten Wachstumshormone werden zwischen 17 und 20 Uhr freigesetzt. Wenn schon Sport, dann doch am besten hier. Und von 19 bis 21 Uhr sind Geruch und Geschmack hochsensibel. In dieser Zeit wünsche ich „Guten Appetit“! 1.3.3.5 Finden Sie Ihren eigenen Rhythmus Nehmen Sie die zeitlichen Vorgaben insgesamt nicht zu eng, aber versuchen Sie ruhig, sich daran grob zu orientieren. Sie erreichen dann einen ausgewogenen Tagesablauf und können täglich mit einer guten Portion Leistungsfähigkeit rechnen. Sollten Sie festgestellt haben, dass Sie sich tagsüber stark ablenken lassen, mag es leichter sein, nachts zu lernen, auch wenn der Körper nicht die optimale Leistungsbereitschaft zeigen kann. Oder Sie arbeiten an Ihrer Ablenkbarkeit und Konzentrationsfähigkeit. Probieren Sie es einmal mit den in 2.3 genannten Hinweisen zum Thema „Motivation“. Beachten Sie für Ihren eigenen Rhythmus gerade auch die vorgegebenen äußeren Einschränkungen, die nämlich Ihre Zeitfenster für das Lernen und Arbeiten mitbestimmen: Würden Sie beispielsweise Ihr Kind um 16 Uhr abholen und es bis 20 Uhr betreuen, dann fällt dies eigentlich in eine der beiden aktiven Phasen. Und auch dann, wenn Sie zu dieser Zeit arbeiten können, würde der vielleicht um 17 Uhr nach Hause kommende Partner eine Störung bedeuten. Planen Sie diese Dinge daher ein und legen Sie Ihre Zeitfenster entsprechend, damit Ihr Vorhaben trotzdem untergebracht ist. Sie arbeiten in jedem Fall ruhiger, wenn Ihr Kind schläft und legen besser bewusst eine Pause ein, um den Partner begrüßen zu können. Und wie auch für das regelmäßige Arbeiten an festen Orten gilt die Möglichkeit, sich zu konditionieren, auch für Zeiten: Wenn Sie jeden Tag etwa zur selben Zeit mit dem Lernen beginnen und auch aufhören, dann gewöhnen sich Ihr Körper und das Gehirn an diese Rhythmik und schalten jedes Mal leichter um. Sie merken das daran, dass die Überwindung zum Arbeiten dann nicht mehr so viel Kraft kostet. Stattdessen kann sich eine aktivierende „Unruhe“ <?page no="88"?> Entspannungsübung „Atem-Zähl-Übung“ 89 ausbreiten, damit Sie produktiv werden. Achten Sie insgesamt darauf, dass Ihnen eine eindeutige Trennung von Arbeit - Pause - Essen - Freizeit - Schlaf gelingt. Stellen Sie sich dafür jemanden vor, der Sie nicht kennt: Ist dieser in der Lage zu erkennen, was Sie gerade tun? Würde das gelingen, haben Sie auch für sich klare Signale gegeben, die es Ihrem Körper leichter machen, sich auf die jeweilige Sache einzustellen. Dies können Ihre nächsten Schritte sein: [1] Überschlagen Sie grob, wie viele Semester Sie (noch) für das Studium brauchen. (Studienplan) [2] Überlegen Sie, was der grobe Studienplan konkret für dieses Semester bedeutet: Welche Aufgaben (Module, Referate, Hausarbeiten, Prüfungen) sind zu erledigen? (Semesterplan) [3] Kopieren Sie den leeren Wochenplan (Kap. 8: Anhang) vergrößert auf DIN-A4 und tragen Sie ein, wann die Aufgaben aus Schritt 2 ein regelmäßiges Zeitfenster bekommen, um realistisch und regelmäßig angegangen zu werden. So rutscht Ihnen nichts weg! [4] Erledigen Sie die pro Tag anstehenden Aufgaben. (Tagesplan) 1.4 Entspannungsübung „Atem-Zähl-Übung“ Zu Beginn von Teil 1 dieses Buches finden Sie eine Beschreibung, wie Entspannung eigentlich wirkt und warum man sie auch gegen Prüfungsangst nutzen kann. Es empfiehlt sich, diese vorab zu lesen und dann erst an dieser Stelle mit der konkreten Übung fortzufahren, weil Sie dann den Zusammenhang und die Anweisungen besser verstehen. 1.4.1 Das Besondere an dieser Übung Hinter dieser Entspannungsmethode verbirgt sich tatsächlich genau so viel, wie ihr Name schon andeutet: Sie zählen Ihre Atemzüge. Eine entspannte Grundhaltung entsteht durch die Ablenkung der <?page no="89"?> 90 Die m stressigen G Körper. Sie len vor alle also schon etwas absol 1.4.2 D Stellen Sie s len. Nehme Grundhaltu quem hinse Sie beide Fü Schließen S Nehmen Si langsamer w nen. Nehmen Sie Zutun atme und mit ein registrieren. wie aus zw Ein Atemzu mehrwöchige V Gedanken auf e e sollen dazu Ih m richtig zähle konzentrieren ut Konkretes. Die Übung sich innerlich d en Sie dazu die ung ein, indem etzen. Lehnen S üße auf die Erd Sie die Augen o ie ein paar tie wieder ausatme e zunächst wah en Sie ganz au ner bestimmten . Dabei mache wei Teilen beste ug ist also ferti Vorbereitungsp eine simple Au hre Atemzüge b en und nichts v n und richten Abb. Ents darauf ein, das für viele Entsp m Sie sich auf Sie sich dazu m de und legen Si oder gucken Si efe Atemzüge, en. Jetzt können hr, wie Ihr Körp utomatisch in n Tiefe. Es geh en Sie sich bew eht: dem Eina ig, wenn Sie au phase ufgabe und auf beobachten und vergessen. Sie Ihre Aufmerk 12: Grundhalt pannungsübun s Sie sich entsp pannungsübung einem Stuhl m mit dem Rücke ie die Hände in ie vor sich auf indem Sie ein n Sie mit der Ü per gerade atm einem bestimm ht nur darum, g wusst, dass jed tmen und dem usgeatmet habe den eigenen d beim Zähmüssen sich ksamkeit auf tung für ngen pannen wolgen geltende möglichst been an, stellen n den Schoß. den Boden. natmen und Übung beginet. Ohne Ihr mten Tempo genau das zu der Atemzug m Ausatmen. n. An dieser <?page no="90"?> Entspannungsübung „Atem-Zähl-Übung“ 91 Stelle beginnen Sie mit „eins“ und zählen dann jeweils weiter. Denn es folgt ein neuer Atemzug mit dem Ein- und dem Ausatmen. Sollten Sie nicht mehr wissen, wo Sie gerade schon waren, dann nehmen Sie die Zahl, an die Sie sich noch sicher erinnern oder die Sie schon gehabt haben müssen. Es macht ja nichts, wenn Sie etwas weiter vorn von neuem beginnen, denn dann entspannen Sie ja nur ein bisschen länger. Das kann ja nicht schaden. Wenn Sie bei einer vorher festgelegten Zahl angekommen sind, genießen Sie noch einen Moment diesen angenehmen Zustand, öffnen dann die Augen und strecken sich. Nun kann es mit dem weitergehen, was Sie für diese kleine Pause unterbrochen hatten. Bestimmen Sie die Dauer einer Entspannungsübung ganz einfach durch das Festsetzen der letzten zu denkenden Zahl. 10-15 Atemzüge sind etwa 1 Minute. Bereits 2-3 Minuten bewirken eine deutliche Entspannung. Die Übung hat funktioniert, wenn Sie insgesamt ruhiger geworden sind und die letzten Atemzüge eher länger dauerten. Wenn es vorgekommen ist, dass Sie zwischendurch einen tieferen Atemzug (so wie eine Art Stöhnen) genommen haben, dann hat das die Entspannung sogar beschleunigt. 1.4.3 Mögliche Folgen Manche mögen diese Übung nicht, weil sie merken, dass sie nicht nur auf die Atmung achten, sondern auf einmal ganz bewusst und damit kontrolliert zu atmen beginnen. Eine in diesem Zusammenhang benutzte Formulierung beschreibt die eigentlich automatisch ablaufende Atmung deshalb auch mit den Worten „es atmet mich“. Dies macht noch mal deutlich, dass nicht ich es bin, der selbst aktiv atmet. Wenn Sie das aber bei der Übung nicht verändern können, dann probieren Sie einmal die Entspannungsübungen der Kapitel 2 und 4, die ganz anders funktionieren. Sollten Sie Müdigkeit oder Schmerzen erst während der Entspannung bemerken, so sind diese nicht durch die Übung erzeugt, sondern sie werden zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. <?page no="91"?> 92 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase 1.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen Ihr Körper muss erst lernen, was Sie eigentlich mit dieser für ihn zunächst „komischen Übungen“ vorhaben. Obwohl es spontan immer guttut, nutzen Sie besser auch hier den mittelfristigen Lernvorgang der Konditionierung: Je häufiger Sie genau die eine Übung auf dieselbe Art und Weise machen, umso stärker verselbständigt sich der Entspannungsvorgang. Also machen Sie die Entspannungsübung wann immer Sie Lust dazu haben oder Sie gerade eine Entspannung brauchen. Das kann z.B. jede kleine Pause sein. So begreift nach mehrmaligen Durchgängen auch der Körper, dass er sich wirklich entspannen darf und Sie ihn dabei aktiv unterstützen. 1.5 Welche Personen unterstützen mich? In anstrengenden Zeiten ist es besonders wichtig, vertraute Menschen um sich zu wissen, von denen man Hilfe erwarten kann, wenn man sie braucht. Bei dem Vorhaben, zu Lernen und Prüfungen zu bestehen, geht es darum, auch moralische Unterstützung zu erfahren. Dies ist nicht mit einem Spruch „Du schaffst das schon“ getan, sondern es geht darum, wirklich getragen und gestärkt zu werden. Hilfreich sind in dieser arbeitsintensiven Zeit damit vor allem solche Menschen, denen es durch ihre Art gelingt, unsere Stärken zu betonen und uns genau das zu geben, was gerade am meisten guttut. Denn das kann das Selbstwertgefühl stärken und mit einem guten Selbstwert gelingen Prüfungen grundsätzlich besser. Bei hohen Leistungserwartungen oder Perfektionismus können andere dabei behilflich sein, diese zu relativieren. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wer diese Personen in meinem Umfeld eigentlich sind. Dazu möchte ich Ihnen einmal aufzeigen, auf welche Art andere hilfreich sein können und wo aber auch die Gefahr lauert, dass Sie Ihren gerade mühsam gewonnenen Mut wieder verlieren. Kommilitonen In Bezug auf die eigene Prüfungsvorbereitung kann der Kontakt zu Kommilitonen eine wichtige Hilfe sein, aber er kann sich ebenso zu Ihrem Nachteil entwickeln. Ein großer Vorteil beim Lernen kann <?page no="92"?> Entspannungsübung „Atem-Zähl-Übung“ 93 eine Lerngruppe sein. Sie ersetzt natürlich nicht das individuelle Bearbeiten des Stoffes und das Lernen, aber sie kann die typischen Vorteile von Gruppenarbeit bewirken: Hierzu gehören Kontakt und Motivation, gegenseitige Unterstützung, man kann seinen Wissenstand vergleichen und man kann Fragen unmittelbar beantworten und Fehler korrigieren. Dies sollte idealerweise auf Gegenseitigkeit beruhen. Und genau da liegen mögliche Nachteile verborgen. Denn die Gruppe kann sich so entwickeln, dass Sie den anderen häufig helfen, aber selbst im Gegenzug keine Unterstützung bekommen. Sie können dadurch zwar das Feedback bekommen, dass Sie viel wissen und immer helfen können, doch Ihre eigenen Lücken werden dabei nicht erkannt und Ihre Fehler können nicht korrigiert werden. Dadurch entsteht häufig ein typisches Prüfungsergebnis: Ihre erreichten Punkte fallen schlechter aus, als bei den übrigen Lerngruppenmitgliedern, obwohl diejenigen häufig Fragen stellen mussten und von Ihnen die richtigen Antworten bekommen haben. Es entstand der fälschliche Eindruck, dass Sie bereits genug wissen und damit ruhig in die Prüfung gehen können. Tatsächlich waren es die anderen, die ihre Lücken verbessert haben. In einer in Bezug auf den Wissenstand eher gemischten Gruppe sind die Rollen dagegen abwechslungsreich: Irgendjemand versteht immer mal was nicht und wiederum irgendjemand aus der Runde weiß vielleicht die Lösung. Versuchen Sie daher die Lerngruppe so zu gestalten, dass eine Atmosphäre entsteht, in der Sie sich alle gegenseitig auf dem Weg durch die Prüfungen begleiten wollen - keiner soll auf der Strecke bleiben. Noch in einem anderen Zusammenhang sind Kommilitonen wichtig. Es geht um die Weitergabe von Informationen über Prüfer, zum Ablauf von Prüfungen und zu den Prüfungsinhalten. Hat jemand selbst schon eine Prüfung hinter sich, kann dieser durchaus als seriöser Informand gelten. Sie können sich bei mündlichen Prüfungen einen Eindruck von der Haltung und Vorgehensweise des Prüfers schildern lassen. Natürlich ist es auch sinnvoll zu wissen, welche Fragen gestellt wurden. Beachten Sie dennoch, dass es sich um eine einzelne, ganz persönliche Prüfungserfahrung handelt. Schließen Sie nicht automatisch von dieser Einzelerfahrung auf den Ablauf Ihrer eigenen Prüfung, sondern nehmen Sie es als einen möglichen Eindruck. In Ihrer Prüfung kann der Prüfer in einer <?page no="93"?> 94 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase anderen Verfassung sein, denn auch er ist nur ein Mensch und kann in seiner Stimmung von persönlichen Dingen beeinflusst sein. Auch die Chemie zwischen Ihnen beiden kann besser oder schlechter sein, etwa weil Sie mehr Vorbereitungsgespräche genutzt und Interesse am Thema gezeigt haben. Letztendlich kann durch Ihre Antworten auf Prüfungsfragen Ihre Prüfung einen ganz anderen Verlauf bekommen. Diese zwischenmenschliche Dynamik tritt bei schriftlichen Prüfungen nicht auf, sodass mit Klausuren anders umgegangen werden kann. Es hilft, ehemalige Klausuren als Übungsmöglichkeit zu nutzen. Es geht nicht darum, dass genau dieselben Inhalte drankommen, sondern dass Sie das grundsätzliche Vorgehen beim Lösen und Schreiben einer Klausur trainieren. Gibt es mehrstündige Klausuren oder etwa Multiple-Choice-Klausuren, dann übt man außerdem, so lange durchzuhalten, oder trainiert die besondere Denkweise, die hinter Multiple-Choice-Antworten steht. Eltern Bei den meisten Eltern kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass sie für ihr Kind das Beste wollen und deshalb alles ihnen mögliche versuchen, dass Prüfungsvorbereitungen und die Prüfungen selbst gut gelingen. Leben sie nicht in derselben Stadt, kann die Unterstützung hauptsächlich nur moralischer Art sein. Daneben spielt häufig finanzielle Entlastung eine große Rolle, wenn es zeitlich für einen Nebenjob eng wird. Schön, wenn Eltern da einspringen können. Für eine Idee möchte ich Sie unbedingt im Vorfeld sensibilisieren: Sie könnten die wichtige Lernphase bei Ihren Eltern verbringen, weil die Ihnen anbieten, dass Sie sich um nichts kümmern brauchen. Klingt verlockend, wenn man nicht einkaufen, kochen oder putzen muss und auch Freunde mit ihren spontanen Verabredungen nicht mehr ablenken. Sie haben damit viel mehr Zeit zum Lernen. Was kann dabei schieflaufen? Die Eltern können zum wandelnden schlechten Gewissen werden, weil Sie jede Minute, in der Sie nicht lernen, durch die Eltern daran erinnert werden. Oder die Eltern haken regelmäßig nach, ob man wirklich genug getan hätte und es sich erlauben könne, mit ihnen gemeinsam vor dem Fernseher oder im Garten zu sitzen. Schließlich sei man ja <?page no="94"?> Entspannungsübung „Atem-Zähl-Übung“ 95 extra hier, um mehr Zeit zum Lernen zu haben. Der Misserfolg ist vorprogrammiert: Sie haben ein schlechtes Gewissen, auf Kosten Ihrer Eltern trotzdem zu wenig zu lernen. Wenn Sie ohnehin schon verunsichert sind, ob Sie genug für eine Prüfung tun, bleibt vor allem eine demotivierende Unzufriedenheit mit dem eigenen Arbeitspensum. Am Ende des längeren Elternbesuchs werden Sie mit einem sicheren Ergebnis nach Hause fahren: Ich habe viel weniger geschafft, als wenn ich bei mir allein gelernt hätte. Überlegen Sie vorher, ob dieser Besuch Ihnen wirklich mehr Freiraum zum Lernen verschafft oder ob es nicht gerade gut ist, allein zu sein und ansonsten Partner und Freunde in der Nähe zu wissen, die für gesunden Ausgleich und gezielte Ablenkung sorgen. Freunde und Bekannte Wenn es vor einer Prüfung zeitlich eng wird, merken dies gute Freunde und Bekannte am direktesten, denn Sie machen sich möglicherweise spürbar rar mit der Begründung, unbedingt noch mehr lernen zu müssen. Das ist gefühlt wahrscheinlich sogar richtig, weil es tatsächlich immer noch etwas zu tun gibt, doch auch Sie brauchen Pausen und Entspannung, um für den nächsten Tag wieder neue Energien zur Verfügung zu haben. Natürlich kann man das auch mit Sport und allein zuhause Abhängen erreichen, doch andere Menschen können uns meistens besser ablenken und auf andere Gedanken bringen. Bei einem Treffen sind zunächst Nachfragen, wie Ihre Prüfungsvorbereitungen laufen, durchaus erlaubt. Sie sollen nämlich von positiven Ergebnissen, die selbstmotivierend wirken, berichten können („Ich komm ganz gut voran - mein Pensum für heute habe ich geschafft.“) oder auch Ihren Frust rauslassen dürfen („Dieses Mal sollen die Klausuren noch schwerer sein! “). Es entlastet, diese Dinge mit anderen zu teilen. Doch danach sollte das totale Ablenkungsprogramm beginnen: Je besser Sie nicht mehr an den anstrengenden Tag denken oder sich in die bevorstehende Prüfung hineinsteigern können, umso besser. Streichen Sie solche Aktionen nicht aus Ihrem Zeitplan, sondern nehmen Sie es als notwendigen Ausgleich und als Belohnung für die getätigten Anstrengungen. <?page no="95"?> 96 Die mehrwöchige Vorbereitungsphase Partner Der Partner ist bei vielen derjenige, der ganz unmittelbar die persönlichen Höhen und Tiefen mitbekommt und dadurch am meisten mittragen, aushalten und aufbauen muss. Während die einen in ihrem Partner einen verständnisvollen Menschen finden, der tröstet, aber auch Mut macht, fühlen sich andere im Lauf der Zeit wie kontrolliert. Diese ungünstige Entwicklung entsteht aus täglichen Misserfolgen auf folgende Weise: Morgens beim Frühstück wird besprochen, was jeder vorhat und wie die eigene Planung aussieht. Für das Lernen hat man sich ein ziemlich großes Pensum vorgenommen. Da viele sich eher überschätzen, ist am Ende des Arbeitstages der Frust vorprogrammiert, weil längst nicht alles geschafft wurde. Und dann fragt am Abend der Partner mit einer eher optimistischen Grundhaltung auch noch nach: „Na, wie war dein Tag? “ Zum eigenen Frust kommt nun auch noch die Blamage dazu, weil man ja eingestehen muss, ungenügend gearbeitet zu haben. Dafür hat man nun quasi auch noch einen Zeugen. Der spontane Reflex ist dann, sich morgens gegenüber dem Partner nicht mehr festzulegen und sich das Ergebnis für das Ende des Lerntages offenzulassen. Damit entgeht Ihnen aber gerade ein möglicher Motivationsschub für den nächsten Tag! Besser ist es, wenn es Ihnen gelingt, morgens ein Vorhaben zu formulieren, welches von Ihnen mit größter Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Wenn nun der Partner am Abend nachhakt, können Sie von Ihrem kleinen Tageserfolg berichten: Das, was ich mir heute vorgenommen habe, habe ich geschafft. Jetzt haben Sie einen Zeugen für ein positives Ergebnis und vielleicht bekommen Sie spontan eine „Belohnung“ angeboten. Auf jeden Fall beenden Sie den Tag mit einem positiven Gefühl, was für eine neue Aktion am nächsten Tag motiviert. Finden Sie anhand dieser Beschreibungen nun heraus, wer in Ihrem Fall die wirklich hilfreichen, unterstützenden Personen in Ihrer Nähe sind und umgeben Sie sich mit ihnen so viel Sie wollen. Menschen, die Ihnen nicht so guttun, sollten Sie in dieser Zeit eher meiden. <?page no="96"?> 2 Und sie rückt einfach immer näher: Die letzten Tage vor der Prüfung Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind. Henry Ford Sobald die Anmeldung erledigt ist und ein konkreter Termin oder Prüfungszeitraum festliegt, beginnt die Uhr in Sachen Vorbereitung zu ticken. Zunächst hatte man noch genügend Zeit für die Vorbereitung. Doch die Zeit bis zum eigentlichen Prüfungstermin wird immer weniger und die Gedanken daran, was einen demnächst erwartet und was alles noch nicht bearbeitet wurde, werden bedrohlicher. Abb. 13: Die Zeitskala mit den vier wichtigen Zeitpunkten Viele bemerken spätestens jetzt diese zunehmende Nervosität und den Wunsch, allem lieber aus dem Wege zu gehen - die klassische Vermeidung unangenehmer Dinge. Denn schon jetzt kann man sich auch den Ablauf der Prüfung allein in der Vorstellung schrecklich ausmalen und sich dadurch am systematischen Lernen hindern. Viele hatten noch recht zuversichtlich mit den Vorbereitungen begonnen und konnten sich bisher tatsächlich gut auf die Prüfung vorbereiten. Doch der entscheidende Tag rückt unaufhaltsam näher und dann kann zur angemessenen Anspannung doch noch eine gesteigerte Unruhe oder sogar Panik dazu kommen. Denn die bisher beruhigend wirkende Erklärung, man habe ja noch viel Zeit, Prüfung Zeit I II III IV Entscheidung Anmeldung <?page no="97"?> 98 Die letzten Tage vor der Prüfung kann jetzt natürlich nicht mehr funktionieren. Nun ist es wichtig, sich mit den Gedanken und Fantasien auseinanderzusetzen, die das ruhigere und produktivere Arbeiten in den letzten Tagen so massiv stören. Auf der Zeitskala ist dies der Zeitpunkt II. 2.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel Aus drei verschiedenen Richtungen kommend können Sie der aufsteigenden Prüfungsangst begegnen: [1] Zuerst widmen Sie sich intensiver den Stress und Angst auslösenden Gedanken während der Phase unmittelbar vor der Prüfung, also die letzten Tage bis hin zu den wenigen Stunden und sogar Minuten davor. [2] Hinter jeder unserer Aktivitäten verbirgt sich immer auch ein Anlass, genau das jetzt zu tun oder eben gerade nicht zu tun. Dieser Antrieb wird allgemein als Motivation bezeichnet. Lernen Sie im Abschnitt Lerntechniken den eher schlichten Mechanismus genauer kennen, um ihn gezielt anzuwenden. [3] Und als Entspannungsmethode lernen Sie eine Kurzform der „Progressiven Muskelentspannung“ kennen. Sollte diese mit etwas Körpereinsatz verbundene Art der Minipause nicht so gut zu Ihnen passen, dann finden Sie in den übrigen Kapiteln weitere Methoden zum Ausprobieren. 2.2 Zeitpunkt 2: Kurz vor der Prüfung „Seit den letzten zwei Wochen lerne ich jeden Tag für die Prüfung, die nun in zwei Tagen dran ist. Ich hab gedacht, ich wäre ganz gut davor, weil ich das Vorlesungsskript und die angegebene Literatur Stück für Stück durchgearbeitet habe. Ich hab auch Karteikarten angelegt, um besser auswendig zu lernen. Ging irgendwie gut voran. Doch seit gestern bin ich total unsicher, ob das für die Prüfung ausreicht. Ich hab mir dann vorgestellt, welche Fragen der Prüfer stellen könnte und sofort das Gefühl bekommen, dass ich die nicht richtig beantworten kann. Obwohl <?page no="98"?> Zeitpunkt 2: Kurz vor der Prüfung 99 ich die Sachen dann auch in den Karteikarten wiedergefunden habe, also hab ich’s doch gemacht. Seitdem geht es mir nicht mehr aus dem Kopf: was ist, wenn’s schiefgeht. Am liebsten würde ich es kurz vorher doch noch absagen.“ Die im Kasten beschriebene Situation ist eine ganz typische Schilderung, wie es einem gehen kann, wenn nach Wochen des Lernens mit dem Gefühl, eigentlich genug Zeit zu haben, nun die Prüfung unaufhaltsam näherrückt. Und obwohl man tatsächlich einiges gemacht und auch gelernt hat, können so kurz vorher doch noch größere Zweifel und Ängste auftauchen. Das kennen Sie vielleicht auch. Deshalb sollen mithilfe dieses Kapitels Ihre persönlichen Zweifel und Ängste abgebaut werden. 2.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen Im Prüfungsangst-Check am Anfang des Buches gab es auch einige Bemerkungen, die Gedanken und Zweifel zu diesem Zeitpunkt ausdrücken. Diese sind hier noch einmal aufgeführt. Gehen Sie diese zunächst Satz für Satz durch und entscheiden Sie möglichst spontan, ob die Bemerkung so auch von Ihnen hätte sein können. Dabei kommt es nicht auf die Formulierung an, sondern auf den Inhalt an sich: Was denken meine Freunde und meine Eltern, wenn ich durch die Prüfung falle? Ja Nein Ich muss so viel Stoff lernen, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ja Nein Wenn ich mir vor dem Einschlafen ausmale, wie die Prüfung abläuft, bekomme ich starkes Herzklopfen. Ja Nein <?page no="99"?> 100 Die letzten Tage vor der Prüfung Wenn ich nur an den Prüfer denke, wie er so da sitzt, dann werde ich ganz aufgeregt. Ja Nein Verglichen mit den anderen bin ich eher schlecht vorbereitet. Ja Nein Diese Nacht muss ich endlich ausschlafen. Ja Nein Ich hab bestimmt genau das Falsche gelernt und es kommen ganz andere Sachen dran. Ja Nein Ich brauch nur an die Prüfung zu denken, dann hab ich schon feuchte Hände. Ja Nein Beim Lesen muss ich immer an andere Dinge denken, sodass ich mich gar nicht konzentrieren kann. Ja Nein Ich hab viel zu spät angefangen. Das fehlt mir jetzt an Zeit. Ja Nein In der Prüfung krieg ich bestimmt keinen Ton heraus - was mach ich dann bloß? ! Ja Nein Und wenn ich eine Frage bekomme, die ich nicht beantworten kann? Was mach ich dann? Ja Nein Wenn ich durchfalle, war das ganze Studium umsonst. Ja Nein <?page no="100"?> Zeitpunkt 2: Kurz vor der Prüfung 101 Der Beisitzer soll ganz nett sein, aber die Prüferin guckt nur aus dem Fenster während man antwortet. Ja Nein Hätte ich doch bloß mehr Seminare besucht - jetzt fehlt mir ganz bestimmtes Wissen. Ja Nein Dies sind zwar typische Aussagen von Teilnehmern unserer Gruppen gegen Prüfungsangst. Dennoch kennen Sie vielleicht von sich noch weitere eigene negative Gedanken, die beim Lernen stören oder Sie sogar ganz vom Lernen abhalten? Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit und überlegen, welche dies sind und notieren Sie diese wortwörtlich. Für bis zu sechs eigene Formulierungen haben Sie hier Platz: [1] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [2] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [3] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [4] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [5] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [6] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ <?page no="101"?> 102 Die letzten Tage vor der Prüfung 2.2.2 Legen Sie Karteikarten an Übertragen Sie nun die zu Ihnen passenden Bemerkungen auf Karteikarten. Beachten Sie dabei: Für jede Bemerkung legen Sie eine eigene Karte an und die aus dem Prüfungsangst-Check übernommenen Formulierungen müssen dabei noch in eigene Worte umformuliert werden. Und zusätzlich schreiben Sie auf diese negative Seite noch den abschließenden Hinweis: Stopp! Ich will anders darüber nachdenken. 2.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um Der nächste Schritt ist der wichtigste, denn jetzt sollen für die bisherigen, Sie einschränkenden Gedanken und Äußerungen neue, und das heißt ja vor allem unterstützende Mottos gefunden werden. Zur Erinnerung sind im Kasten noch mal die Regeln aufgeführt, die Sie dabei beachten müssen (die ausführlichere Erläuterung dazu finden Sie im 2. Kapitel des 1. Teils). Regeln zur Umformulierung: [1] Gleicher Inhalt [2] Eigene Worte [3] Positive Formulierung [4] Realistische Einschätzung Da es manchmal gar nicht so einfach ist, ein wirklich passendes Gegenstück zu finden, bei dem alle vier Regeln berücksichtigt sind, schauen Sie sich zur Einstimmung doch mal folgende Beispiele aus dem Prüfungsangst-Check an: <?page no="102"?> Zeitpunkt 2: Kurz vor der Prüfung 103 Negativ: Unterstützend: Hätte ich doch bloß mehr Seminare besucht - jetzt fehlt mir ganz bestimmtes Wissen. Ich nehme all das, was ich gemacht habe und damit gehe ich in die Prüfung. Diese Nacht muss ich endlich ausschlafen. Ich sorge vor dem Schlaf für einen guten Ausgleich, um abzuschalten. Dann schlafe ich auch besser. In der Prüfung krieg ich bestimmt keinen Ton heraus - was mach ich dann bloß? Ich formuliere schon beim Üben die Antworten flüssig und laut. So mache ich es dann auch in der Prüfung. Was denken meine Freunde und meine Eltern, wenn ich durch die Prüfung falle? Ich weiß, dass meine Freunde und meine Eltern hinter mir stehen, was auch immer geschieht. Und wenn ich eine Frage bekomme, die ich nicht beantworten kann? Was mach ich dann? Wenn ich die Antwort für eine Frage nicht sofort weiß, bitte ich den Prüfer, sie noch mal anders zu stellen. Wenn ich mir vor dem Einschlafen ausmale, wie die Prüfung abläuft, bekomme ich starkes Herzklopfen. Schon beim Lernen stelle ich mir vor, wie eine gute Prüfung ablaufen würde. Vor dem Einschlafen denke ich an etwas Schönes, z.B. an die Belohnung nach der Prüfung. Tab. 2: Negative Gedanken und passende Umformulierungen Finden Sie nun für alle Ihre Karteikarten eine solche neue, unterstützende Formulierung anstelle des bisherigen, Angst machenden Gedanken. Schreiben Sie dieses neue Motto auf die noch freie Seite der Karteikarte. <?page no="103"?> 104 Die letzten Tage vor der Prüfung 2.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden Sie haben jetzt einige vollständige Karteikarten, die eigentlich genauso aussehen wie Karten, die man sich zum Lernen erstellt: Wenn Sie z.B. eine Sprache lernen wollen, dann steht auf der einen Seite das deutsche Wort und auf der Rückseite - zur Erinnerung, als Gedächtnishilfe und zur Wissenskontrolle - das entsprechende Wort in der unbekannten Sprache. Genau in diesem Sinne benutzen Sie die eben angelegten Karteikarten: Immer, wenn Sie in der entsprechenden Situation tatsächlich sind oder sich diese ausmalen, wird es vorkommen können, dass einer der altbekannten negativen Gedanken Ihnen durch den Kopf geht. Dann suchen Sie unter all Ihren Karten die entsprechende Karte dazu heraus. Sie erkennen die passende Karte natürlich sofort wieder und denken vielleicht „Siehste, da ist es schon wieder! “ Aber nun kommt das Neue. Folgen Sie der Aufforderung, die ja zum Glück gleich unten auf der Karte steht: „Stopp! Ich will anders darüber nachdenken! “ Und deshalb drehen Sie die Karte jetzt um. Und dort steht ein gut durchdachtes, neues Motto. Widmen Sie sich diesem positiven Motto, stimmen Sie der Aussage innerlich zu und legen dann die Karte zur Seite. Fahren Sie nun mit der Sache fort, von der Sie gerade durch die Gedanken abgehalten wurden, und lassen Sie sich dabei von dem unterstützenden Motto beeinflussen. So verfahren Sie immer, wenn entsprechende Gedanken aufkommen. Dadurch bieten Sie Ihrer Psyche gleich das neue Motto an und sie wird es mehr und mehr anerkennen als das, wonach sie sich richten will. Sie können sich auch zwischendurch einmal die Karten anschauen. Erkennen Sie dann immer den alten Gedanken als etwas von Ihnen und drehen sofort die Karte um, damit Sie sich vor allem dem neuen Motto widmen können. Malen Sie sich z.B. eine Prüfungssituation in Gedanken aus, in der dieses neue Motto von Ihnen umgesetzt wird. Dies könnte folgendermaßen aussehen: Bisher haben Sie befürchtet, dass Sie in einer mündlichen Prüfung auf eine Frage hin möglicherweise schweigen würden. Ihr neues Motto könnte nun lauten: „Ich versuche, laut zu denken und dabei das Thema, um das sich die Frage dreht, auszuformulieren und kann so zu den konkreten Inhalten kommen. Stellen Sie sich daher in Ihrer Fantasie den Raum, den Prüfer und sich selbst dort sitzend vor. In dieser <?page no="104"?> Lerntechniken: Motivation 105 Vorstellung werden Sie etwas gefragt und Sie versuchen nun, Ihr neues Motto anzuwenden und beginnen, tatsächlich laut zu denken. Was passiert dadurch Neues in Ihrer Fantasie? Stellen Sie sich vor, wie Sie sich sprechen hören und wie der Prüfer Ihren Ausführungen folgt. Es könnte sein, dass er Sie ergänzt oder korrigiert und Sie sich dadurch immer mehr in Richtung der Antwort bewegen. Wie verändert sich die gesamte Atmosphäre der Prüfung, wenn Sie sich so verhalten? Durch dieses Durchspielen in der Fantasie bieten Sie sich und Ihrer Psyche eine neue Sicht der Dinge an. Damit steigt die Wahrscheinlich, dass etwas in dieser Art eintreten kann. 2.3 Lerntechniken: Motivation Etwas zu lernen kann über die unterschiedlichsten Motive angeregt sein. Da besteht im Studium grundsätzlich erst einmal die Notwendigkeit zu lernen. Darüber hinaus wirken als Motive noch Neugier, Anerkennung, Erfolg und Geltungsbedürfnis, aber genauso eine Angst vor Misserfolg oder vor Strafe. Wunderbar wäre es, wenn von diesen Motiven allein die positiv anmutenden Motive genutzt und ausreichen würden, alle anstehenden Aufgaben zu erledigen. Da die Motive aber nur der Motor für den Startschuss sind, brauchen wir zusätzlich auch eine Art Durchhaltevermögen. Denn größere Aufgaben wie beispielsweise eine Abschlussarbeit erfordern kontinuierliches Arbeiten, sodass man sich über einen längeren Zeitraum ziemlich disziplinieren muss, um auch dranzubleiben. Sich hierzu immer wieder zu motivieren, funktioniert grundsätzlich besser, wenn es einen persönlichen Wunsch gibt, der ausreichend reflektiert wurde. Denn Wunsch und Ziel sollten eine persönliche Bedeutung und damit einen gewissen Wert für die eigene Person haben. Das ist etwa dann der Fall, wenn Sie festhalten können: „Ich will diese Prüfungen bestehen, weil ich mit dem Abschluss etwas ganz Bestimmtes vorhabe.“ Wenn nun auch noch die Erreichbarkeit als einigermaßen realistisch eingeschätzt werden kann, dann entsteht daraus eine verbindliche Zielintention. Diese lässt uns gezielter planen und vor allem handeln, weil das Ziel nicht mehr länger abgewogen werden braucht. Einzelne Etappen auf dem Weg zum Ziel werden zwischendurch immer wieder geprüft. Dabei <?page no="105"?> 106 Die letzten Tage vor der Prüfung bewerten wir, ob die Etappe das erbracht hat, was wir uns erwartet hatten. Und je häufiger eine Aktion nun auch noch mit einer positiven abschließenden Bewertung endet, desto eher wird sie erneut vorkommen. Schließlich ist es ja eine Bestätigung, dass ein Vorhaben und dessen Umsetzung gut gelungen sind. 2.3.1 Der Motivations-Mechanismus Schaut man sich an, warum man bestimmte Dinge gern und ohne viel Nachzudenken tut, dann geschieht dies vor allem aus einem Grund: Es führt zu einem positiven Ergebnis. Daher ist es kein Wunder, dass Sie vielleicht eher ins Kino gehen, sich mit einer Freundin zum Kaffee treffen, oder joggen gehen würden, als sich dem Arbeiten zu widmen. Denn alle diese Dinge sind weniger anstrengend, machen eher Spaß und tun irgendwie gut. Beim Lernen kann viel schneller ein negatives Ergebnis entstehen. Da hat man nicht so viel geschafft wie geplant. Oder man hat sich angestrengt und trotzdem die Lösung für eine Aufgabe nicht gefunden. Wenn Dinge so enden, dann ist es nachvollziehbar, dass man sich am nächsten Tag nicht gerade hochmotiviert erneut in die Arbeit stürzt. Die Psyche merkt sich, dass an der Sache ein deutlicher Haken war und versucht daher, besser funktionierende Aufgaben zu finden. So kann dann sogar das Putzen von Küche und Bad befriedigender sein als das nicht enden wollende Brüten über den Büchern. Denn mit dem Putzen hat man wenigstens etwas geschafft. Zurück bleibt dennoch das Gefühl, der eigentlichen Aufgabe ausgewichen zu sein. Wenn also Dinge gern gemacht werden, weil sie positiv enden, dann können wir diesen Mechanismus für uns nutzbar machen, indem wir das Ganze quasi umdrehen. Der so einfach erscheinende Motivationsmechanismus setzt sich aus drei Schritten zusammen. Die zeitliche Reihenfolge ist damit auch vorgegeben: Der Motivations-Mechanismus: [1] Festlegen des Ziels [2] Erreichen eines Ergebnisses [3] Belohnung <?page no="106"?> Lerntechniken: Motivation 107 Schauen Sie einmal, wie sich diese drei Schritte eigentlich in dem Beispiel „Kaffeetrinken mit einer Freundin“ wiederfinden lassen: [1] Festlegen des Ziels: Ich bin um 16 Uhr mit Andrea im „Café Abendrot“ zum Plaudern verabredet. [2] Erreichen eines Ergebnisses: Seit einer guten Stunde sitzen wir hier. Ich hab von meinem gerade so anstrengenden Studium erzählt und Andrea hatte die Idee, dass wir mal ein Wochenende an einen See fahren könnten. Ihre Eltern hätten dort eine Art Sommerhäuschen. [3] Belohnung: Das Café hat eine tolle Atmosphäre, das Plaudern tat irgendwie gut und wir haben einen super Plan geschmiedet, im Laufe des Sommers ein Wochenende zu verreisen. Das war ein netter Nachmittag. Es ist also kein Wunder, dass Sie sich beim nächsten Anruf von Andrea freuen, wenn sie wieder ein Kaffeetrinken vorschlägt. Darüber brauchen Sie nicht lange nachzudenken, indem Sie die letzten Treffen mit Andrea einer grundsätzlichen Analyse unterziehen. Man kann dem spontan einfach nur zustimmen. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass es wieder ein netter Nachmittag wird. Ein gut formuliertes Ziel: [1] ist konkret in Bezug auf Zeit, Ort und Inhalt, [2] ist erreichbar, [3] endet mit einem positiven Gefühl. Im Sinne der Psyche ist ein Paket geschnürt worden, dass sich insgesamt gut anhört, vor allem gut anfühlt. Schnüren Sie solche Pakete gerade dann, wenn es um anstrengende Aufgaben geht oder solche, die Sie schon länger vor sich herschieben. Dazu werden Sie im ersten Schritt möglichst konkret in Bezug auf Zeit, Ort und Inhalt. Jetzt muss noch eine Belohnung festgelegt werden, die nach Erreichen des Ziels passieren wird. Diese ist immer angemessen zum Umfang der Aufgabe. Und dann können Sie wie geplant loslegen. Ein Beispiel dazu wäre: Sie müssen eine schweren, 50 Seiten langen <?page no="107"?> 108 Die letzten Tage vor der Prüfung Text lesen. Der Text hat eine 5-seitige Einleitung, drei Kapitel mit je 5-10 Seiten und ein abschließendes Kapitel mit 10 Seiten. Die beste Chance für den Text, von Ihnen gelesen zu werden, besteht beispielsweise durch folgendes konkrete Vorhaben: [1] Festlegen des Ziels: Ich lese heute Vormittag von 10-12 Uhr in der Bibliothek die Einleitung und das erste Kapitel des Textes. [2] Ich versuche nun, genau dieses Ziel zu erreichen. [3] Belohnung: Ich gehe mit einem Kommilitonen essen und zum Nachtisch gibt es einen Kaffee auf der Mensa-Terrasse. 2.3.2 Lieber viele kleine Erfolgserlebnisse als nur ein großes Haben Sie eine größere Aufgabe vor sich, bei der ein 50 Seiten langer Text nur ein kleiner Baustein wäre, dann unterteilen Sie die große Aufgabe in kleine, strukturell oder inhaltlich sinnvolle Arbeitsschritte. Es ergeben sich so ein längerfristiges Ziel und durch die Unterteilung auch kurz- und mittelfristige Ziele. Sie müssen nun nicht ewig warten, bis Sie etwas erreicht haben, denn zwischendurch schaffen Sie einzelne Etappen und können diese als erledigt betrachten und abhaken. Die kleinen Erfolgserlebnisse ermutigen, davon noch mehr zu erreichen. Und je näher es dem Ende zugeht, desto motivierter werden Sie noch einmal, weil eine Art „Endspurt“ Sie noch schneller den Erfolg und das damit zusammenhängende gute Gefühl erleben lässt. Dies können Ihre nächsten Schritte sein: [1] Sammeln Sie einmal alle kleinen und größeren Dinge, die Sie gerne tun, z.B. Kaffeetrinken auf dem Balkon, Eis essen, ins Kino gehen, ein paar Stunden am Badesee verbringen, ein Wochenende lang Freunde besuchen. [2] Überlegen Sie, welche Arbeitsleistung im Verhältnis passend zu den gefundenen Belohnungen wäre: 1-2 Stunden lesen = Kaffeetrinken und am Ende eines 8-Stunden- Unitages = Eis essen gehen. <?page no="108"?> Entspannungsübung 109 [3] Wenn Sie jetzt eine konkrete Aufgabe erledigen müssen, suchen Sie eine angemessene Belohnung aus und erledigen dann das geschnürte Paket „Aufgabe + Belohnung“. 2.4 Entspannungsübung „Kurzform Progressive Muskelentspannung“ Zu Beginn des 1. Teils dieses Buches finden Sie eine Beschreibung, wie Entspannung eigentlich wirkt und warum man sie auch gegen Prüfungsangst nutzen kann. Es empfiehlt sich, diese vorab zu lesen und dann erst an dieser Stelle mit der konkreten Übung fortzufahren, weil Sie dann den Zusammenhang und die Anweisungen besser verstehen. 2.4.1 Das Besondere an dieser Übung Ursprünglich ist die von Jacobsen entwickelte „Progressive Muskel- Relaxation“ ein halbstündiges Entspannungstraining mit 16 aktivierten Muskelgruppen der sog. willkürlichen Muskulatur. Dazu gehören alle Muskeln, die von uns bewusst benutzt werden können. Sie lernen hier eine wirkungsvolle, kürzere Variante „für Zwischendurch“ kennen. Bei dieser Übung werden Sie im Sitzen körperlich aktiv und machen etwas ganz Konkretes. Sie spannen nämlich die Muskeln in den Armen, Beinen und Gesicht an. Auch Ihre Atmung spielt eine Rolle. So müssen Sie sich nichts in Gedanken vorstellen oder mithilfe von Suggestionen versuchen, sich zu beeinflussen. Diese Form gefällt vielen Menschen, die nicht einfach nur Dasitzen wollen, um irgendwie ruhiger und entspannter zu werden, während aber die Gedanken trotzdem weiter um andere Dinge kreisen. Sollte Ihnen die Übung aber nicht gefallen, dann finden Sie in den anderen Kapiteln noch weitere Übungsvorschläge. <?page no="109"?> 110 Die le Ein weiterer Sie brauche keinen saub Leider passt (z.B. in Öf Zahnarzt), w gleich verst Übung kenn erst auf die Sinn und Zw ein kräftemä Der eigentli Aufmerksa mit dem Ein Stellen Sie s Nehmen Si Grundhaltu hinsetzen. L Füße auf di Sie die Auge ein paar tief ausatmen. Je etzten Tage vo r Vorteil ist, das en also zuhause beren Fußbode t die Übung nic ffentlichen Verk wo Sie automa tehen, warum, nenlernen. Übri Idee, diese Üb weck sollen ja A äßiges Abbauen iche Übungsab amkeit - Ansp nnehmen der G sich innerlich da ie dazu die fü ng ein, indem S Lehnen Sie sich e Erde und leg en oder gucken fe Atemzüge, in etzt können Sie r der Prüfung ss die Übung im e und an jedem en oder eine M cht für alle der kehrsmitteln od atisch die Zeit wenn Sie die igens kommt m bung zum Eins Ausgleich und E n und ein der M blauf besteht im pannung - Lo Grundhaltung l Abb. Ents arauf ein, dass für viele Entsp Sie sich auf eine dazu mit dem gen Sie die Hän n Sie vor sich a ndem Sie einat e mit der Übung m Sitzen durchg m ungestörten Matte, um sich r vielen Momen der im Wartez dazu hätten - e einzelnen E man im Sitzen au chlafen zu ben Entspannung se Müdigkeit Nachg mmer aus den d oslassen. Und osgehen. 14: Grundhalt pannungsübun Sie sich entspan pannungsübung em Stuhl mögli Rücken an, stel nde in den Scho auf den Boden. tmen und langs g beginnen. geführt wird. Arbeitsplatz h hinzulegen. nte im Sitzen immer beim - Sie werden Elemente der uch gar nicht nutzen. Denn ein und nicht geben. drei Phasen nun kann es tung für ngen nnen wollen. gen geltende chst bequem llen Sie beide oß. Schließen Nehmen Sie samer wieder <?page no="110"?> Entspannungsübung 111 2.4.2 Die Übung Bevor Sie beginnen können, schauen Sie sich die sechs einzelnen Elemente der Übung einmal an (Beine, Knie, Hände, Ellenbogen, Gesicht, Atmung), damit diese Ihnen schon etwas vertraut sind, wenn Sie die Übung tatsächlich durchführen. Denn dann sollen alle sechs Körperregionen gleichzeitig angespannt werden. Dies sind die einzelnen Elemente: [1] Richten Sie die Aufmerksamkeit auf Ihren Körper. [2] Beine: Strecken Sie die Beine und drücken die Zehenspitzen Richtung Boden, um die Waden anzuspannen. [3] Knie: Drücken Sie die Knie durch, um die Oberschenkel anzuspannen. [4] Hände: Machen Sie mit beiden Händen eine Faust, um Finger, Hände und Unterarme anzuspannen. [5] Ellenbogen: Beugen Sie beide Ellenbogen, indem Sie die Unterarme in Richtung Oberarme drücken (um die Oberarme wie ein Bodybuilder in Pose anzuspannen). [6] Gesicht: Runzeln Sie die Stirn, schließen und kneifen die Augen zusammen, pressen Sie die Lippen aufeinander und drücken die Zunge gegen den Gaumen. [7] Atmung: Atmen Sie tief ein und halten die Luft an. Drücken Sie die Luft nach unten, als wollten Sie einen Bauch machen. [8] Sieben Sekunden lang spannen Sie alles gleichzeitig an und halten die Spannung. [9] Lassen Sie alles wieder locker und nehmen Sie den Unterschied zwischen der Anspannung und der angenehmen Entspannung wahr. Lassen Sie sich dafür eine halbe Minute Zeit. [10] Ende der Übung: Öffnen Sie die Augen, strecken Sie sich oder stehen Sie ruhig kurz auf. Machen Sie drei solcher Durchgänge mit Anspannung aller Muskeln und dem deutlichen Wahrnehmen eines Unterschieds zwischen Anspannung und Entspannung. Dies führt zu einem deutlichen Entspannungseffekt und ist ein guter Kontrast zum Stillsitzen am Schreibtisch. <?page no="111"?> 112 Die letzten Tage vor der Prüfung 2.4.3 Mögliche Folgen Haben Sie bereits in einem der beteiligten Körperteile Schmerzen, dann lassen Sie diesen Teil aus. Sollten Sie Müdigkeit oder Schmerzen erst während der Entspannung bemerken, so sind diese nicht durch die Übung erzeugt, sondern sie werden zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. 2.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen Ihr Körper muss erst lernen, was Sie eigentlich mit dieser für ihn zunächst „komischen Übungen“ vorhaben. Obwohl es spontan immer guttut, nutzen Sie besser auch hier den mittelfristigen Lernvorgang der Konditionierung: Je häufiger Sie genau die eine Übung auf dieselbe Art und Weise machen, umso stärker verselbständigt sich der Entspannungsvorgang. Also machen Sie die Entspannungsübung wann immer Sie Lust dazu haben oder Sie gerade eine Entspannung brauchen. Das kann z.B. jede kleine Pause sein. So begreift nach mehrmaligen Durchgängen auch der Körper, dass er sich wirklich entspannen darf und Sie ihn dabei aktiv unterstützen. <?page no="112"?> 3 Wie Sie Ihre Angst unmittelbar vor einer Prüfung reduzieren können Bevor Sie sich mit der Angst in Prüfungssituationen beschäftigen, möchte ich Ihnen noch eine erst kürzlich gefundene und wissenschaftlich überprüfte, hilfreiche Technik vorstellen, mit der Sie unmittelbar vor einer Prüfung Ihre Angst nachweislich reduzieren können. Viele Prüflinge stellen nach einer Prüfung fest, dass sie eigentlich mehr gewusst haben und ihre Leistung nicht wirklich zeigen konnten. Stattdessen haben sie aufgrund von Ängsten und Selbstzweifeln schlechter abgeschnitten. Ärgerlicher Weise spiegelt damit das Prüfungsergebnis überhaupt nicht den tatsächlichen Kenntnisstand wider. Dieser Widerspruch zwischen vorhandenem Wissen und Prüfungsergebnis ist einigen schon zu Schulzeiten begegnet: Da hat nämlich ein Lehrer durch die bisherige mündliche Mitarbeit einen Eindruck vom Wissensstand des Schülers. In einer gerade schlecht verlaufenden, mündlichen Prüfung fällt dann möglicherweise der Kommentar, der eigentlich Mut machen soll: „Komm, das kannst du doch! Ich weiß, dass du das weißt! “ Und der Schüler kann innerlich zustimmen, denn auch er schätzt sich so ein, dass er die gerade erforderliche Lösung unter normalen Umständen parat gehabt hätte. In einer wissenschaftlichen Studie (Ramirez & Beilock, 2011) zeigte sich nun, dass Teilnehmer, die sich kurz vor einem als schwer angekündigten Test auf eine vorgegebene Art und Weise beschäftigten, damit ihre Leistungen in dieser Stresssituation um 5 % steigern konnten (im Vergleich zu einem vorher in Ruhe durchgeführten Vergleichstest). Jene aber, die einfach nur auf den Testbeginn warteten, wurden durch den Stress um 12 % schlechter. Worin bestand nun die vorgegebene Aufgabe, die dieses Ergebnis hervorrief? Wer sich angesichts der bevorstehenden, stressigen Aufgabe kurz vor der Bearbeitung die Zeit nahm, seine Bedenken zu notieren, hatte scheinbar nun den Kopf frei, sein vorhandenes Wissen anzuwenden und damit zu einer besseren Lösung zu kommen. Ich will Ihnen das etwas genauer erläutern. <?page no="113"?> 114 Die letzten Tage vor der Prüfung Die wichtige, neue Erkenntnis lautet: Unmittelbar vor einer Prüfung seine Ängste, Sorgen und Zweifel niederzuschreiben, verbessert die Prüfungsleistungen. Erstaunlicherweise genügen für das Niederschreiben von Zweifeln bereits 10 Minuten, die Sie kurz vorher sowieso zur Verfügung haben. Da Sie sicherlich eher pünktlich zu einer Prüfung erscheinen, haben Sie diese Zeit während Sie warten übrig. Kurz davor ist ohnehin für viele eher verlorene Zeit, vor allem, wenn man sich durch die Beobachtung anderer zusätzlich beunruhigt. Denn zum einen wirken die anderen häufig deutlich ruhiger und souveräner, was die eigenen Zweifel nur verstärkt. Zum anderen kann die Nervosität der anderen ansteckend wirken und macht Sie noch nervöser, als Sie sowieso schon sind. Oder man geht noch mal wahllos Gelerntes im Kopf durch, nur um feststellen zu müssen, dass einem die selbstverständlichsten Dinge jetzt nicht mehr einfallen. Das kann schon eine leichte Panik erzeugen. Wenn Sie nun mit dieser negativen Grundstimmung in die Prüfung gehen und sich beispielsweise bei einer Klausur die Aufgaben anschauen, ist es verständlich, dass Sie keine positive Vorstellung von der Lösung entwickeln können. Durch das pessimistische Grübeln ist Ihr Gehirn nämlich in einem ganz anderen Modus, zu dem die Grundhaltung gehört „Ich kann das nicht - das wird doch sowieso nichts - ich brauche es eigentlich gar nicht zu probieren“. Sie können es aber steuern, in welchem Modus Ihr Gehirn sich befindet. Wie lässt sich das gefundene Phänomen erklären, dass das Aufschreiben von Ängsten diese reduzieren kann? Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass für jede Art von aktuell gedachten Gedanken, also die gedankliche Beschäftigung mit etwas, das Kurzzeitgedächtnis beansprucht wird. Es wird auch als „Arbeitsgedächtnis“ bezeichnet, und das macht vielleicht noch deutlicher, wie die momentane Beschäftigung mit Zweifeln und Ängsten dem Gehirn die Kapazitäten nimmt, stattdessen intellektuell an der Lösung von fachlichen Aufgaben zu arbeiten. Durch das Aufschreiben von Zweifeln wird der Kopf von einem lähmenden Druck befreit, weil die Ängste und Sorgen schriftlich <?page no="114"?> Die Angst unmittelbar vor einer Prüfung reduzieren 115 fixiert und geordnet werden. Dadurch kann der Körper die Nervosität sofort senken. Die begrenzte Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses sollte also nicht mit Grübeln und Sich-Sorgen-machen belegt werden. Vielmehr sollten diese Denkkapazitäten der Bearbeitung und Lösung von Prüfungsaufgaben zur Verfügung stehen. Übrigens finden wir diese gehirnphysiologische Erklärung auch in alltäglichen Redewendungen wieder, die diese Erkenntnis längst als eine hinreichend bekannte, hilfreiche Erfahrung festhalten: Sich etwas von der Seele reden. Den Kopf frei kriegen. (statt: Mit den Gedanken ganz woanders sein.) Das musste mal raus. Jetzt, wo ich darüber geredet habe, geht es mir schon viel besser. Solche Redewendungen verdeutlichen auf ihre Weise, dass es gut ist, negative, belastende Dinge nicht nur für sich zu behalten, sondern sie zu kommunizieren. Das muss aber nicht mit einer anderen Person geschehen, da auch Schreiben einen kommunikativen Akt darstellt, für den wir nicht unbedingt ein konkretes Gegenüber brauchen. Eine verständliche Befürchtung ist, dass man sich mit dieser Methode doch gerade in die negative Sichtweise noch hineinsteigert, indem man seinen Gedanken bewusst Aufmerksamkeit schenkt. Interessanterweise ist das überhaupt nicht der Fall. Tatsächlich wird das Gehirn von den in die Quere kommenden Gedanken befreit. Schließlich ist in diesem wichtigen Moment etwas anderes gefordert und dafür benötigt das Gehirn möglichst seine gesamten Ressourcen. Nachgewiesen wurde übrigens auch, dass es sich bei dieser neuen Methode nicht um eine bloße Ablenkung von den negativen Gedanken handelt. In der Untersuchung sollten andere Versuchsteilnehmer ihre Gedanken zu einem neutralen Thema zu Papier bringen. Sie haben sich also auf eine vergleichbare Art und Weise beschäftigt, doch das Hinschreiben irgendwelcher unbedeutender <?page no="115"?> 116 Die letzten Tage vor der Prüfung Gedanken hatte keinen Einfluss auf die anschließende Prüfungsleistung. Schreibt man stattdessen wirklich bedeutsame, störende Gedanken auf, entlastet man sein Gehirn. Es müsste sich sonst nämlich darum kümmern, uns quasi daran zu erinnern. Vielleicht kennen Sie den Effekt auch schon in ganz anderen Zusammenhängen, etwa beim Einkaufen nichts vergessen zu wollen oder schon gar nicht den Geburtstag einer wichtigen Person am folgenden Tag. Viele schreiben sich einfach eine Notiz und kleben den Zettel gut sichtbar beispielsweise an die Kühlschranktür. Oder das Handy wird so präpariert, dass am wichtigen Tag ein akustischer Hinweis uns erinnert. Und der Einkauf gelingt immer noch am sichersten, wenn man vorher eine Einkaufsliste macht. In allen Fällen wurde etwas niedergeschrieben, was ein wichtiges Vorhaben absichern hilft und man somit nicht mehr ständig daran denken braucht. Dem Gehirn wurde signalisiert: „Das ist aufgeschrieben und daran brauchen wir gerade nicht mehr denken - wir können uns auf das konzentrieren, was unmittelbar vor uns liegt.“ Besonders profitierten ängstliche Personen von dieser Methode - vielleicht auch nachvollziehbar: Wer nicht ängstlich ist, hat ja auch keine Sorgen, die man sich von der Seele schreiben könnte. Dem ängstlichen Menschen dagegen hilft sie sehr. So gehen Sie vor: Nehmen Sie sich unmittelbar vor einer Prüfung, z.B. wenn Sie auf dem Flur auf den Prüfungsbeginn warten, 10 Minuten Zeit, um alle Ihre negativen Gefühle, Sorgen, Zweifel oder Ängste einfach aufzuschreiben. Schreiben Sie wortwörtlich und ganz direkt, so, wie Sie wirklich im Stillen darüber gerade denken. Legen Sie Ihre Notizen dann einfach zur Seite. <?page no="116"?> 4 Mittendrin und nichts geht mehr: In der Prüfung Für einen, der nicht weiß, welchen Hafen er ansteuern will, gibt es keinen günstigen Wind. Lucius Annaeus Seneca Es gehört ja nun mal zum Studium dazu, dass man irgendwann in der Klausur oder der mündlichen Prüfung sitzt, es sei denn, man entscheidet sich für den Weg der Aufschiebung oder zieht in letzter Sekunde mittels Abmeldung oder Krankschreibung die Notbremse und geht so dem Ganzen aus dem Wege. In jeder Prüfung soll nun über einen längeren Zeitraum erworbenes Wissen angewendet oder komprimiert dargestellt werden. Das ist per se eine intellektuelle Leistung und kann individuell unterschiedlich als mehr oder weniger Angst auslösend empfunden werden. Was aber passiert tatsächlich, wenn eigene Zweifel mich keinen klaren Gedanken denken lassen und ich mit der Aufmerksamkeit überall und nirgends bin? Dann schaltet man schnell um auf „Nur-noch-weg-hier“. Doch daran wird man durch die Prüfungssituation selbst gehindert. Also harren wir der Dinge, die da kommen mögen und sind auf das Schlimmste gefasst. Jetzt ist schon gar kein klarer Gedanke mehr möglich und selbst die immer schlichter und allgemeiner werdenden Fragen ermöglichen auch keinen Zugang mehr zu irgendeiner Gehirnwindung. Selbst der eigene Name könnte einem nicht mehr einfallen. Jetzt schieben sich Gedanken der Peinlichkeit, des Aufhören Wollen und des endgültigen Versagens in den Vordergrund. Und auch so lässt sich kein vernünftiger Satz mehr formulieren. Auf der Zeitskala befinden Sie sich mit so einer Situation bei Zeitpunkt III: <?page no="117"?> 118 In der Prüfung Abb. 15: Die Zeitskala mit den vier wichtigen Zeitpunkten 4.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel Aus drei verschiedenen Richtungen kommend können Sie der aufsteigenden Prüfungsangst begegnen: [1] Zuerst widmen Sie sich intensiver den Stress und Angst auslösenden Gedanken, wie sie unmittelbar in der Prüfung selbst auftreten können. Dabei ist es egal, ob es sich um eine mündliche Prüfung oder eine Klausur handelt. [2] Im nächsten Abschnitt „Gedächtnis und Lernhilfen“ erfahren Sie, wie sich unser Gehirn überhaupt die Unmengen an Eindrücken, Informationen und Wissen merken kann. Daraus leiten sich dann unmittelbar die Lernhilfen ab. Dabei handelt es sich um relativ einfache Methoden, mit denen Sie jeden Lernvorgang ideal unterstützen können. [3] Und als Entspannungsmethode lernen Sie die „Ein-Ruhe- Atmung“ kennen. Dies ist eine sehr einfache Entspannungsübung, die Sie an jedem Ort mit einer Sitzmöglichkeit anwenden können. Sollte Ihnen diese Übung nicht gefallen, dann finden Sie in den übrigen Kapiteln weitere Methoden zum Ausprobieren. 4.2 Zeitpunkt 3: In der Prüfung „Angst vor einem totalen Blackout habe ich immer, wenn ich nur an die Prüfung denke. Obwohl ich noch nie einen hatte. Die Prüfung ist für mich einfach der schlimmste Moment. Selbst, wenn ich mir extra den nettesten Dozenten aussuche und wir in Prüfung Zeit I II III IV Entscheidung Anmeldung <?page no="118"?> Zeitpunkt 3: In der Prüfung 119 der Sprechstunde die Prüfungsthemen durchgehen, habe ich nicht genug Selbstvertrauen. In der Prüfung nehme ich den Prüfer und seine Fragen wie hinter einer Glasscheibe wahr. Und ich stehe irgendwie neben mir. Während ich versuche nachzudenken - und dabei fühlt sich der Kopf total leer an - beobachte ich mich selbst. Dann macht es mir Angst, dass ich nichts sage und der Prüfer denkt, dass ich nicht gelernt habe. Der macht sich aber irgendwelche Notizen oder guckt dann aus dem Fenster. Alle warten und in meinem Kopf dröhnt es. Aber keine Antwort ist zu finden. Und dann habe ich nur noch diesen Fluchtimpuls und wünsche mir, dass der Boden endlich unter mir aufgeht.“ Kennen Sie diesen Moment, wenn man wirklich in der Prüfung ist und sich und die Welt nur noch wie unwirklich wahrnimmt? Man ist gar nicht man selbst und alle Sinne sind auf den Prüfer, den Raum oder - in der Klausur - auf den Aufgabenzettel gerichtet. Das Ticken von Uhren ist schon genauso laut wird das Kritzeln der Stifte auf dem Papier. Diese völlig überhöhte Sensibilität ist ein Hinweis darauf, dass die Psyche schon einen entscheidenden Schritt weiter ist: Sie hat entschieden, dass dieser Moment nur noch gefährlich sein kann und alles andere außer dem intellektuellen Denken eine überaus wichtige Rolle spielt. Letztendlich ist selbst der eigene Name unwichtig. Zu diesem Ergebnis kommt die Psyche aber nur durch entsprechende negative Vermutungen und Zweifel. Mit dem Verändern dieser sich ungünstig auswirkenden Vermutungen können Sie zukünftig einen solchen klassischen Blackout verhindern. Sollte der doch einmal auftreten, dann hilft Ihnen eine Art Notprogramm. Dieses bewirkt, dass man der eigenen Psyche und dem Körper auf verschiedene Weise signalisiert, dass die Einschätzung der aktuellen Situation als „gefährlich“ grundsätzlich falsch ist. Diese Signale senden Sie durch verschiedene Methoden, die ich Ihnen kurz erläutern möchte: Notprogramm „Blackout“, Teil 1: Sprechen Sie das, was gerade passiert, an. <?page no="119"?> 120 In der Prüfung Wenn Sie wegen eines Blackouts nicht antworten, dann muss der Prüfer zu dem Schluss kommen, dass Sie die Antwort eben nicht wissen. Teilen Sei ihm daher mit, dass Sie gerade so sehr aufgeregt sind und dass Sie scheinbar einen totalen Blackout haben. Wohlgesonnene Prüfer versuchen nun, die Aufregung runterzukochen. Eine kleine Pause, ein Themenwechsel oder eine neue Frage können dabei behilflich sein. Notprogramm „Blackout“, Teil 2: Signalisieren Sie dem Körper durch eine Entspannungsübung, dass er entspannter und ruhiger werden darf. Dies geschieht durch jede noch so schlichte Entspannungsübung, wie etwa die am Ende dieses Kapitels beschriebene „Ein-Ruhe- Atmung“. Das Besondere an dieser Übung ist, dass sie sogar in der Prüfung während Sie sprechen, gemacht werden kann. Sie ist so unauffällig, dass niemand etwas merkt. Sie muss allerdings vorher schon längere Zeit angewendet werden, um dann auch zu funktionieren. Dazu später mehr. Notprogramm „Blackout“, Teil 3: Aktivieren Sie positive, unterstützende Gedanken. Im Laufe dieses Kapitels werden Sie die negativen Gedanken, die während einer Prüfung auftauchen können, bearbeiten und verändern. Die dabei entstandenen neuen, unterstützenden Mottos können Sie im Falle einer zunehmenden Unruhe oder eines Blackouts erinnern und aktivieren. Die Psyche wendet sich dadurch dieser anderen Grundhaltung stärker zu, sodass die beunruhigenden Gedanken weggeschoben werden. Damit Sie das Notprogramm auch zur Verfügung haben, ist es als Erstes wichtig, eben genau diese negativen Vermutungen und Zweifel zu sammeln und dann Stück für Stück abzubauen. Das geschieht indem folgenden, ersten Abschnitt dieses Kapitels. <?page no="120"?> Zeitpunkt 3: In der Prüfung 121 4.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen Gehen Sie noch einmal die schon im Prüfungsangst-Check am Anfang des Buches aufgelisteten Bemerkungen durch und entscheiden Sie wieder ganz spontan, ob Sie diese oder einen so ähnlich formulierten Gedanken oder Zweifel von sich kennen, wenn Sie an die Prüfung selbst denken: Was schreibt denn der Prüfer die ganze Zeit? Was ich alles Falsches sage? Ja Nein Ich hätte doch ein anderes Einsprechthema oder einen anderen Prüfer nehmen sollen. Ja Nein In der Lerngruppe hab ich das anderen noch erklärt - jetzt weiß ich nichts mehr! Ja Nein Na, das ging ja gut los! So wird das doch nichts mehr! Ja Nein Alle sind am Schreiben, nur ich starre auf das weiße Papier und mein Gekritzel. Ja Nein Ich steh ja total neben mir! Jetzt werd doch mal ruhig! Ja Nein Mist! Meine Hände zittern ja total! Ja Nein <?page no="121"?> 122 In der Prüfung Wie sag ich es meinen Eltern, wenn ich durch diese Prüfung falle? Ja Nein So wie der Prüfer guckt, muss ich ja totalen Blödsinn reden! Ja Nein Vergiss es! Ich geb’ einfach ein leeres Blatt ab (oder: ich breche die mündliche Prüfung einfach ab). Ja Nein Herzukommen war ein Fehler. Ich hätte mich krankschreiben lassen sollen. Ja Nein Die könnten mich nach meinem Namen fragen - den wüsste ich auch nicht mehr. Ja Nein Ich bin aber auch vom Pech verfolgt - fast alles nur Sachen, die ich gerade nicht gelernt hab. Ja Nein Oh, Gott, die Frage weiß ich nicht! Was mach ich denn jetzt? Ja Nein Ich hab so schlecht geschlafen und bin überhaupt nicht fit für das hier. Ja Nein Dies sind zwar typische Aussagen von Teilnehmern unserer Gruppen gegen Prüfungsangst. Dennoch kennen Sie vielleicht von sich noch weitere eigene negative Gedanken, die während der Prüfung auftauchen können? Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit und überlegen, welche dies sind und notieren Sie diese wortwörtlich. Für bis zu sechs eigene Formulierungen haben Sie hier Platz: <?page no="122"?> Zeitpunkt 3: In der Prüfung 123 [1] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [2] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [3] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [4] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [5] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [6] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ 4.2.2 Legen Sie Karteikarten an Übertragen Sie nun die zu Ihnen passenden Bemerkungen auf Karteikarten. Beachten Sie dabei: Für jede Bemerkung legen Sie eine eigene Karte an und die aus dem Prüfungsangst-Check übernommenen Formulierungen müssen dabei noch in eigene Worte umformuliert werden. Und zusätzlich schreiben Sie auf diese negative Seite noch den abschließenden Hinweis: Stopp! Ich will anders darüber nachdenken. 4.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um Wenn Sie Ihre Sammlung und das Ausfüllen der Karteikarten abgeschlossen haben, dann können Sie sich nun darum kümmern, die andere Seite der Medaille anzuschauen. Denn die Angst machenden und einschränkenden Gedanken sollen nun systematisch durch unterstützende Mottos ersetzt werden. <?page no="123"?> 124 In der Prüfung Zur Erinnerung sind im Kasten noch mal die Regeln aufgeführt, die Sie dabei beachten müssen (die ausführlichere Erläuterung dazu finden Sie im 2. Kapitel des 1. Teils). Regeln zur Umformulierung: [1] Gleicher Inhalt [2] Eigene Worte [3] Positive Formulierung [4] Realistische Einschätzung Werfen Sie doch erst noch mal einen Blick auf die nachfolgende Tabelle, in der beispielhaft einige der typischen Bemerkungen schon umformuliert sind. So bekommen Sie eine ungefähre Idee, wie es funktioniert und können es für Ihre Karteikarten nun selbst probieren. Negativ: Unterstützend: In der Lerngruppe hab ich das anderen noch erklärt - jetzt weiß ich nichts mehr! Ich weiß ja, dass ich es eigentlich weiß. Durch Fragen, Denken und Sprechen wird es wieder aktiviert. Na, das ging ja gut los! So wird das doch nichts mehr! Das ist doch erst der Anfang. Es kann immer noch ganz anderes weitergehen. Das hängt von so vielen Dingen ab. Alle sind am Schreiben, nur ich starre auf das weiße Papier und mein Gekritzel. Was die anderen gerade tun, ist egal. Ich überlege jetzt, was mein nächster Schritt ist und beginne dann zu schreiben. Herzukommen war ein Fehler. Ich hätte mich krankschreiben lassen sollen. Ich bin jetzt hier und versuche aus der Situation für mich das Beste zu machen. <?page no="124"?> Zeitpunkt 3: In der Prüfung 125 Meine Hände zittern ja total! Ich versuche mich zu beruhigen und achte vor allem auf die Fragen und meine mögliche Antwort darauf. So wie der Prüfer guckt, muss ich ja totalen Blödsinn reden! Wer weiß, woran der Prüfer gerade denkt. Ich formuliere meine Antwort und warte dann seine Reaktion ab. Ich hab so schlecht geschlafen und bin überhaupt nicht fit für das hier. Ich kann aus gesundheitlichen Gründen jederzeit aufhören. Im Moment probiere ich es noch mal. Tab. 3: Negative Gedanken und passende Umformulierungen Finden Sie nun für alle Ihre Karteikarten eine solche neue, unterstützende Formulierung anstelle des bisherigen, Angst machenden Gedanken. Schreiben Sie dieses neue Motto auf die noch freie Seite der Karteikarte. 4.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden Sie haben jetzt einige vollständige Karteikarten, die eigentlich genauso aussehen wie Karten, die man sich zum Lernen erstellt: Wenn Sie z.B. eine Sprache lernen wollen, dann steht auf der einen Seite das deutsche Wort und auf der Rückseite - zur Erinnerung, als Gedächtnishilfe und zur Wissenskontrolle - das entsprechende Wort in der unbekannten Sprache. Genau in diesem Sinne benutzen Sie die eben angelegten Karteikarten: Immer, wenn Sie in der entsprechenden Situation tatsächlich sind oder sich diese ausmalen, wird es vorkommen können, dass einer der altbekannten negativen Gedanken Ihnen durch den Kopf geht. Dann suchen Sie unter all Ihren Karten die entsprechende Karte dazu heraus. Sie erkennen die passende Karte natürlich sofort wieder und denken vielleicht „Siehste, da ist es schon wieder! “ Aber nun kommt das Neue. Folgen Sie der Aufforderung, die ja zum Glück gleich unten auf der Karte steht: „Stopp! Ich will anders <?page no="125"?> 126 In der Prüfung darüber nachdenken! “ Und deshalb drehen Sie die Karte jetzt um. Und dort steht ein gut durchdachtes, neues Motto. Widmen Sie sich diesem positiven Motto, stimmen Sie der Aussage innerlich zu und legen dann die Karte zur Seite. Fahren Sie nun mit der Sache fort, von der Sie gerade durch die Gedanken abgehalten wurden, und lassen Sie sich dabei von dem unterstützenden Motto beeinflussen. So verfahren Sie immer, wenn entsprechende Gedanken aufkommen. Dadurch bieten Sie Ihrer Psyche gleich das neue Motto an und sie wird es mehr und mehr anerkennen als das, wonach sie sich richten will. Sie können sich auch zwischendurch einmal die Karten anschauen. Erkennen Sie dann immer den alten Gedanken als etwas von Ihnen und drehen sofort die Karte um, damit Sie sich vor allem dem neuen Motto widmen können. Malen Sie sich z.B. eine Prüfungssituation in Gedanken aus, in der dieses neue Motto von Ihnen umgesetzt wird. Dies könnte folgendermaßen aussehen: Bisher haben Sie befürchtet, dass Sie in einer mündlichen Prüfung auf eine Frage hin möglicherweise schweigen würden. Ihr neues Motto könnte nun lauten „Ich versuche, laut zu denken, und dabei das Thema, um das sich die Frage dreht, auszuformulieren und kann so zu den konkreten Inhalten kommen. Stellen Sie sich daher in Ihrer Fantasie den Raum, den Prüfer und sich selbst dort sitzend vor. In dieser Vorstellung werden Sie etwas gefragt und Sie versuchen nun, Ihr neues Motto anzuwenden, und beginnen, tatsächlich laut zu denken. Was passiert dadurch Neues in Ihrer Fantasie? Stellen Sie sich vor, wie Sie sich sprechen hören und wie der Prüfer Ihren Ausführungen folgt. Es könnte sein, dass er Sie ergänzt oder korrigiert und Sie sich dadurch immer mehr in Richtung der Antwort bewegen. Wie verändert sich die gesamte Atmosphäre der Prüfung, wenn Sie sich so verhalten? Durch dieses Durchspielen in der Fantasie bieten Sie sich und Ihrer Psyche eine neue Sicht der Dinge an. Damit steigt die Wahrscheinlich, dass etwas in dieser Art eintreten kann. <?page no="126"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 127 4.3 Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen Wenn wir im Studium vom Lernen sprechen, dann meinen wir damit meistens die gezielte Aufnahme von Wissen, welches dann bei Wortmeldungen im Seminar oder in den verschiedenen Formen von Prüfungen direkt abrufbar ist. Einige der spannendsten Fragen der Neurophysiologie betreffen unser Gehirn und seine Speicherfähigkeit. Ich möchte Ihnen in diesem Abschnitt unsere natürliche Festplatte und ihre Funktionsweise erläutern, damit Sie erkennen können, warum so manch eine Information besser hängen bleibt, während wir andere Dinge „einfach nicht in den Kopf kriegen“. Inzwischen sind aus den Erkenntnissen der Lernbiologie zum Teil einfache, aber enorm wirksame Lernhilfen abgeleitet worden, die Sie sich gezielt zunutze machen können. Daher werden diese im Anschluss beschrieben und mithilfe unterschiedlichster Alltagsbeispiele, etwa „Essen in der Mensa“, „Ein Blick auf die Uhr“ oder „Einkaufen“ erläutert. 4.3.1 Warum gibt es nicht nur ein Langzeitgedächtnis? Stellen Sie sich vor, Sie gehen an einem Montag in die Mensa, weil Sie eine Pause und außerdem Hunger haben. Aus Sicht des Gehirns könnte dieser Gang genauso ein Schaufensterbummel in einer belebten Straße einer Metropole sein. Denn innerhalb kürzester Zeit bemühen sich die unterschiedlichsten Hinweise um Ihre Aufmerksamkeit, in der Mensa beispielsweise die zur Auswahl stehenden Gerichte: „Nimm mich! “ „Nein, nimm mich, ich bin so lecker! “ Oder Sie entdecken selbst etwas: „Oh, heute gibt’s Nudeln. Ach, guck mal, vielleicht doch nur einen Salat? “ Während Sie auswählen, geht ein flüchtiger Blick zu den Kassen. „Ganz schön voll um diese Zeit. Was ist denn heute bloß los? “ Beim Bezahlen wünscht Ihnen eine freundliche Kassiererin „Guten Appetit“ und Sie gehen auf Sitzplatzsuche. Ihr Blick schweift und Sie sehen das eine oder andere bekannte Gesicht, haben aber noch niemanden gefunden, mit dem Sie gemeinsam essen möchten. Das Wetter ist gut. „Oh, heute haben sie draußen noch mehr Tische aufgestellt. Dann gehe ich doch mal nach draußen.“ <?page no="127"?> 128 In der Prüfung Sie können sich vorstellen, dass selbst in dieser kleinen Sequenz, die vielleicht 5 Minuten gedauert hat, eine enorme Anzahl an Sinneseindrücken in Form von Geräuschen, Düften und Gesehenem auf Sie eingeprasselt sind. Dadurch können alte Erfahrungen hochkommen, weil Sie sich an etwas erinnern. Ganz verschiedene Gedanken und Bewertungen gehen Ihnen durch den Kopf und lösen entsprechende Gefühle aus. Parallel dazu haben Sie eben auch noch in aller Schnelle ein paar Entscheidungen gefällt, für die Sie einige dieser Informationen auswerten mussten. Und dann kommt noch das eigentliche Erlebnis des Essens mit Aussehen, Geruch und Geschmack dazu. Vielleicht haben Sie gekleckert und sich über sich selbst geärgert oder ein eher belangloses Gespräch mit Ihrem Tischnachbarn geführt. Muss man sich das alles, was heute in der Mensa geschah, merken? Brauche ich jemals genau diese Sequenz für irgendeinen Zweck? Eben das zu prüfen ist eine Hauptaufgabe des Gehirns. Teile dieser Mensasequenz werden Sie sich wahrscheinlich merken wollen, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt hilfreich sein könnten, z.B. dass man montags besser später Essen geht. Vielleicht sind die Nudeln immer zu weich gekocht und der Salat dagegen ist frisch und lecker. Nächstes Mal dann also gleich den Salat nehmen. Wir lernen also aufgrund unserer Erfahrungen und verhalten uns dadurch später in ähnlichen Situationen schneller und eindeutiger. So entwickeln wir Verhaltensmuster, die im Gehirn automatisch und schnell abrufbar sind, weil keine aufwändigen Entscheidungsprozesse mehr nötig sind. 4.3.2 Die drei Gedächtnisformen Gern wird für das kurzfristige Lernen behauptet, man habe das jetzt im Kurzzeitgedächtnis, benutze es in der anstehenden Prüfung und könne es dann ja wieder vergessen. Etwas ganz Grundlegendes stimmt an dieser Formulierung nicht. Denn das Kurzzeitgedächtnis trägt seinen Namen zu Recht: Es hält nur bis zu 30 Minuten an. Es ist wirklich kurz! Demnach müssen Dinge, die man am nächsten Tag immer noch weiß, bereits im Langzeitgedächtnis sein. Und alles, was sich durch aufwändige Lernvorgänge oder häufiges Benutzen im Langzeitgedächtnis befindet, kann nicht <?page no="128"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 129 mehr vergessen werden. Wenn tatsächlich altes Wissen wegrutscht, dann nur deshalb, weil es durch neues, wichtiges Wissen überlagert wurde. Damit Sie solche Phänomene besser nachvollziehen können, möchte ich Ihnen zuerst die drei Gedächtnisformen vorstellen. Dabei werden Sie bemerken, dass Lernen nicht nur eine reine Denkarbeit des Gehirns ist, sondern dass es Ihre gezielte Aktivität benötigt. Das Ultrakurzzeitgedächtnis Für alle drei Gedächtnisformen wurde genau die richtige Formulierung gewählt, denn auch das Ultrakurzzeitgedächtnis macht seinem Namen alle Ehre und dauert gerade mal so etwa 10-20 Sekunden. Auch „Sensorischer Speicher“ genannt hat es die Aufgabe, die auf uns einwirkenden Sinneseindrücke kurz zu speichern, um Zeit zur Überprüfung zu haben. Bei einem Computer entspricht dies dem Bildschirm, der sich laufend verändert und selbst keine Speicherfähigkeit besitzt. Wird im Gehirn nun einer zu prüfenden Information keine weitere Bedeutung beigemessen, dann ist sie demnach nicht relevant und sie verblasst. So ziehen Sie bei einem Einkaufsbummel an den Schaufenstern vorbei und sehen viele Dinge. Eine Bedeutung bekommt eine Sache dadurch, dass Sie ihr mehr Aufmerksamkeit als dem Rest widmen: „Oh, guck mal, die Jacke da.“ Nun befindet sich der visuelle Eindruck „Jacke“ auf dem besten Weg ins Kurzzeitgedächtnis. Das Kurzzeitgedächtnis Bleiben wir doch einen Moment bei dem Einkaufsbummel- Beispiel. Die Jacke hat Ihre Aufmerksamkeit erregt. Mindestens für diesen Moment möchten Sie sich genau darauf konzentrieren können. Sie prüfen nämlich die Jacke, ob sie in die engere Wahl kommen könnte. Farbe, Größe, Stil oder auch Preis sollen schließlich stimmen. Genau das ist auch Aufgabe des Kurzzeitgedächtnisses, zu prüfen, ob diese Information von längerfristiger Bedeutung ist. Dazu braucht es etwas Zeit. Es hat wenige Minuten zur Verfügung und stellt möglicherweise fest, dass es schon ähnliche Informationen gibt, diese neue, andere oder spezielle aber noch fehlt. Chemisch gesehen werden durch diese mehrminütige Aufmerksamkeit <?page no="129"?> 130 In der Prüfung Nukleinsäure-Ketten gebildet. Damit gibt es eine erste, aber noch störanfällige Fixierung der Informationen. Wenn Sie diesen Vorgang in die Computersprache übertragen, so wäre diese Stufe des Gedächtnisses mit dem Arbeitsspeicher gleichzusetzen. Auf dieser Stufe werden Daten bearbeitet, aber noch nicht dauerhaft gespeichert. Der nächste Schritt beinhaltet also die Fixierung des Wissens für längere Dauer auf der Festplatte. Unsere natürliche Festplatte ist das Langzeitgedächtnis und ich will Ihnen nun erläutern, wie dieser Datenspeicher funktioniert. Das Langzeitgedächtnis Stellen Sie sich vor, Sie müssten jemanden von einer Sache hundertprozentig überzeugen. Das ist nicht mit einem einfachen Gespräch zu schaffen. Sie müssten sich einiges an Argumenten einfallen lassen und immer wieder mal nachhaken und auf gewisse Art und Weise hartnäckig bleiben. Da Sie überzeugend sein wollen, sollte die Hartnäckigkeit atmosphärisch eher nett als unangenehm penetrant gemeint sein. Diese Hartnäckigkeit entspricht beim Lernen dem mehrmaligen Bearbeiten und Wiederholen des Stoffes. Wenn dies in angenehmer Atmosphäre geschieht und zu positiven Ergebnissen führt, lernt es sich gleich viel besser. Aber auch die persönliche Bedeutung kann eine Rolle spielen, denn natürlich merken wir uns eine wichtige Information viel leichter als irgendeine unbedeutende Information. Und auch hier lässt sich etwas auf rein organischer Ebene im Gehirn beobachten: Durch die mehrmalige Beschäftigung mit denselben Inhalten bilden nun Eiweiß- Moleküle eine Kopie der bisher nur vorhandenen Nukleinsäure- Ketten und schaffen damit eine dauerhafte Information. Da unser Gehirn wie ein riesiges Archiv funktioniert, hat es viel Platz für die ganzen Eiweißmoleküle. Um eine abgelegte Information mit hoher Trefferquote wiederzufinden, ist es aber besser, man hat deutlich Ordnung geschaffen. Auch einem Computer ist es prinzipiell egal, in welchem Teil der Festplatte und unter welchem Namen auch immer Sie etwas abspeichern. Richtig abgespeichert ist es garantiert irgendwo hinterlegt. Damit Sie es als Nutzer auch wiederfinden, empfiehlt sich die Einrichtung von Ordnern, die Sie sinnvoll benennen. Unterkategorien sind auch noch denkbar und selbst eine einzelne Datei, wie etwa ein Text, hat schließlich auch noch eine <?page no="130"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 131 eigene Ordnung bestehend aus Überschriften und ähnlichem. Helfen Sie auch Ihrem Gehirn, solche Ordner anzulegen. Je deutlicher diese beschriftet sind und je klarer abgegrenzt sie sind, umso sicherer ist eine Information wieder auffindbar. Ein Beispiel: Wenn Sie bereits mehrere Sprachen sprechen, dann gibt es einzelne Ordner mit den jeweiligen Vokabeln. Die Ordner heißen „Deutsch“, Englisch“ und „Russisch“. Ein neues russisches Wort hat also seinen passenden Ordner. Ein Unterordner könnte heißen „Wissenschaftssprache“, in der die speziellen russischen Fachausdrücke zu finden sind. Da gehört mein neues Wort dazu. Es kann schneller behalten werden, weil es dort Anknüpfungspunkte gibt. Stellen Sie sich vor, Sie hatten dagegen nur einen Ordner „Sprachen“ ohne auch nur einen Unterordner. Was da alles umherschwirrt! Auf der Suche nach einem ganz bestimmten Wort können Sie lange suchen und finden vor allem manch ähnlich aussehendes oder klingendes, aber leider falsches Wort. Wenn wir tatsächlich in so einem Fall Karteikarten in verschiedenen Kästen anlegen, dann auch deshalb, weil diese äußere Ordnung der des Gehirns entspricht. 4.3.3 Zwei ganz alltägliche Beispiele: „Ein Blick auf die Uhr“ und „Einkaufen“ Vielleicht ist Ihnen folgende Situation ja schon einmal selbst passiert: Sie sitzen schon etwas länger in einer Vorlesung und hoffen, dass sie bald zu Ende ist. Die Uhr im Vorlesungssaal ist kaputt. Sie selbst haben keine Armbanduhr um und das Handy ist in der Tasche verstaut. Ihr Sitznachbar schaut aber gerade auf seine Uhr. Daher nutzen Sie die Chance und fragen flüsternd „Wie spät ist es denn? “. Der Nachbar schaut Sie an und kann es Ihnen nicht sagen. Dabei hat er eben gerade doch selbst mit absoluter Sicherheit auf die Uhr geguckt! Er guckt also noch mal und sagt zu Ihnen genauso flüsternd „5 nach 3“. Wie kann es sein, dass der Nachbar sich schon wenige Sekunden an nichts mehr erinnern konnte und deshalb doppelt nachgucken musste? Kann sich sein Gehirn diese einfache Information denn nicht mal für so kurze Zeit merken? Da fragt man sich doch, wie dann viel schwierigere Sachverhalte über Monate oder gar Jahre zur Verfügung stehen sollen. <?page no="131"?> 132 In der Prüfung Selbstverständlich hatte Ihr Sitznachbar seine Uhr wahrgenommen und auch schon beim ersten Hingucken garantiert „5 nach 3“ gesehen. Sie hat im Ultrakurzzeitgedächtnis einen flüchtigen visuellen Eindruck erzeugt. Da die Information aber keinerlei persönliche Bedeutung hat, erhielt sie keine entsprechende Bewertung. Das könnte bei Ihnen anders sein. Sie könnten ja denken „Oh, super, in 10 Minuten ist Schluss! “ oder auch „Was? Schon 5 nach 3? Die Zeit rast ja, ich muss ja gleich los! “. In meinen Vorträgen zu Lern- und Arbeitstechniken versuche ich, der rein zufälligen Uhrzeit durch ein angebliches Preisausschreiben eine Bedeutung zu verleihen. Die Ankündigung lautet dann: „Wenn wir uns im Laufe dieses Monats auf dem Unigelände zufällig treffen und Sie mir diese willkürliche Uhrzeit „5 nach 3“ korrekt nennen können, dann gebe ich Ihnen 500 Euro! “ Da könnte man als Zuhörer doch gewinnen wollen, aber nur, wenn 500 Euro einen Anreiz darstellen. In diesem Fall würde man jetzt alles unternehmen, um sich die korrekte Zeit zu merken. Als erstes: Unbedingt aufschreiben! Und zuhause vielleicht jemandem davon erzählen. Da entsteht dann der Plan: Wieso es dem Zufall überlassen! Wir gehen morgens zum Büro von Herrn Walther und warten, bis er zu seinem Arbeitsplatz kommt. Auf einem Zettel halten wir für alle Fälle die Information bereit. Aber auch merken können wir uns das ja durch mehrmaliges Aufsagen: „5 nach 3! “. Und wenn er dann kommt, kassieren wir spielend die 500 Euro. Diesen ganzen Aufwand fände etwa ein mehrfacher Multimillionär geradezu lächerlich. Mit jedem Atemzug verdient er wahrscheinlich 500 Euro, also wird er sich nicht bemühen wollen, sich die Information zu merken. Denn es hat für ihn keinerlei persönliche Bedeutung. Ich muss dann meine Zuhörer jedes Mal enttäuschen, denn das Preisausschreiben gibt es leider nicht. Für „5 nach 3“ wird es niemals 500 Euro geben. Aber ich mache trotzdem jedes Mal nach einer Pause einen kleinen Test und frage nach, ob noch irgendjemand die Antwort wüsste - es gelingt tatsächlich fast allen, sich an „5 nach 3“ zu erinnern. Übrigens wird Ihnen das beim Lesen auch passieren können, denn ich habe Ihnen die Information „5 nach 3“ jetzt schon so oft untergejubelt, dass sie sich mit Sicherheit in Ihrem Kurzzeitgedächtnis befindet. <?page no="132"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 133 So leicht merken wir uns auch im Alltag Dinge für eine sehr kurze Zeit. Vor dem Einkaufen gucken wir in den Kühlschrank und stellen, leise vor uns her murmelnd, fest: „Hm, Milch brauchen wir, Käse ist alle und keine Marmelade mehr.“ Schnell noch einen Zettel bekritzelt, damit wir auch nichts vergessen. Im Supermarkt brauchen wir den Zettel vielleicht gar nicht, denn uns fallen die gemurmelten und notierten Wörter auch so wieder ein: Milch, Käse, Marmelade. Ist dann der Einkauf erledigt, kann diese Liste natürlich im Gehirn gelöscht werden. Das geschieht auch, weil wir nichts anbieten, aus dem das Gehirn schließen könnte, dass wir diese Einkaufsliste auch noch in mehreren Wochen, Monaten oder Jahren wissen müssen. Damit etwas an dieser Stelle in das Langzeitgedächtnis übernommen, also archiviert wird, sind lauter Dinge nötig, die wir als „Lernhilfen“ bezeichnen. Das Motto lautet: Biete dem Gehirn die Dinge so an, dass es erkennt, dass du sie lernen, d.h. behalten willst. 4.3.4 Lernhilfen Nichts kommt wirklich von allein ins Langzeitgedächtnis. Beindruckende schöne oder negative Erfahrungen schaffen es nur deshalb ohne unser aktives Zutun, eben weil sie so beeindruckend waren. Dafür hat das Ereignis also selbst gesorgt. Nun kann man ja nicht für jede Information, die man für die Uni lernen soll, eine solche beeindruckende Situation schaffen. Daher sollten Sie die sehr einfachen, sehr unterschiedlichen, aber wirkungsvollen Lernhilfen kennen und beim Lernen anwenden. Wahrscheinlich wenden Sie manche längst an. Dann ergänzen Sie eben noch um die für Sie neuen Lernhilfen oder optimieren eine bereits genutzte Lernhilfe durch gezielten Einsatz. Vom Überblick zur Einzelinformation Wenn Sie sich einem neuen Wissensgebiet widmen, dann verschaffen Sie sich immer zunächst einen groben Überblick, was Sie erwartet. Sie bieten damit dem Gehirn das Gerüst an, in das es die später folgenden Informationen einordnen kann. Denn eine einzelne Information schwebt für sich allein zusammenhangslos im Raum und sucht nach Anknüpfungspunkten. Bieten Sie diese gezielt an. <?page no="133"?> 134 In der Prüfung Wir kennen das von guten Vorträgen, die zu Beginn den groben Überblick über den Beitrag geben und dann Stück für Stück abarbeiten. Das Gerüst ermöglicht dem Zuhörer jederzeit eine Standortbestimmung und damit eine Einordnung der gerade gegebenen Information. Ganz nebenbei eröffnen überblicksartig einleitende Worte und Gedanken auch noch den Zugang zu den passenden Gehirnwindungen, die für die Detailarbeit sinnvollerweise benötigt werden. Das mehrkanalige Lernen und Wiederholen mit verschiedenen Sinnen Bedenkt man, wie unterschiedlich die Kapazitäten der Nervenbahnen unserer einzelnen Sinne sind, dann würde man zunächst vermuten, dass alles, was wir sehen, am direktesten im Gehirn ankommen müsste. Denn das Auge hat die größte Leistung in Bezug auf die Aufnahme von Informationen (10.000.000 bits/ sec), gefolgt vom deutlich schwächeren Ohr (1.500.000 bits/ sec) und dem wohl zu vernachlässigen Tastsinn (400.000 bits/ sec). Auch Kleinschroth (1992) schließt daraus provokant, dass alle Sinneskanäle außer dem Sehen dann für das Lernen wohl von untergeordneter Bedeutung seien. Er klärt auf, dass genau dieser Schluss jedoch fatal wäre, denn würden wir etwas Neues nur hören, so wäre die Wahrscheinlichkeit, es zu behalten, zwar gerade mal 20 %. Aber beim Sehen sind dies eben auch nur 30 %. Benutzen wir jedoch beim Lernen auch den Mund und sprechen über die zu lernenden Dinge, dann steigt die Wahrscheinlichkeit gleich auf 70 %! Und beim Lernen mit den Händen sind es sogar 90 %! Da hat es der Chemiestudent im Labor schon mal leichter, weil er sein theoretisches Wissen dort ganz praktisch anwenden kann. Für die bloße Theorie, die nicht mit den Händen zu fassen ist, bleiben aber ja noch genügend andere Sinne, die Sie gemeinsam einsetzen können. Der Vorteil wäre dann, dass Ihr Gehirn zu einer gespeicherten Information verschiedene Zugänge hätte, um diese wieder abzurufen. Das sieht nun beispielsweise folgendermaßen aus: <?page no="134"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 135 In einer Vorlesung haben Sie neues Wissen vom Dozenten GEHÖRT. Einiges davon war in seiner Powerpoint-Präsentation oder im vorliegenden Skript auch zu SEHEN. Das Wichtigste haben Sie mit eigenen HÄNDEN mitgeschrieben. Beim Nacharbeiten etwa in einer Lerngruppe SEHEN Sie Ihre eigenen Mitschriften vor sich. Sie HÖREN die anderen etwas zu den Dingen sagen und HÖREN auch sich selbst. Sie unterstreichen vielleicht etwas in Ihrer Mitschrift oder fertigen mit Ihren HÄNDEN eine übersichtliche Grafik oder Tabelle an, die Sie so zum ersten Mal vor sich SEHEN. Ich habe in diesem Beispiel die Sinneskanäle mit Großbuchstaben hervorgehoben, damit deutlich wird, wie oft unsere anderen Sinne eigentlich beteiligt sein können, wenn wir nicht einfach nur still und stumm vor dem Manuskript sitzen und es wieder und wieder durchlesen. Hüholdt (1995) gibt noch einen anderen wertvollen Tipp: Passen Sie den Lernkanal dem Lernziel an. Das bedeutet, dass alles, was Sie später einmal aussprechen können wollen, schon beim Lernen laut gesagt werden sollte. So wird es Ihnen ganz vertraut, das entsprechende Wissen auszusprechen und sich selbst so etwas sagen zu hören. All das, was Sie dagegen praktisch anwenden werden, sollte genauso praktisch geübt werden. Natürlich kann man auch aufgrund einer Zeichnung eine Vorstellung dazu entwickeln, wie etwas geht. Die wirkliche Anwendung gelingt aber selbstverständlicher, wenn Sie es selbst schon ausprobieren konnten. Die subjektive Bedeutsamkeit Erinnern Sie sich noch mal an das Beispiel „Blick auf die Uhr“. Ich versuche durch den finanziellen Anreiz von immerhin 500 Euro einen Grund zu erzeugen, warum man sich diese völlig willkürliche und bisher bedeutungslose Information „5 nach 3“ merken sollte. Damit versuche ich vor allem, die Information bedeutungsvoll zu machen. Wenn Sie beim Lernen Ihr Gehirn laufend mit neuen Informationen geradezu bombardieren, dann fühlt sich das zunächst <?page no="135"?> 136 In der Prüfung wie eine sinnlose Aneinanderreihung von Daten an. Wäre das Gehirn eine eigenständige Persönlichkeit, würde es vielleicht fragen „Was soll ich denn damit? “. Bieten Sie ihm dafür eine subjektive Bedeutsamkeit an. Das gelingt u.a. durch folgende Techniken: Bei neuen Fremdwörtern oder Vokabeln: Bilden Sie einen Satz damit - und Ihr Gehirn erkennt: Dafür könnte man die Information durchaus gebrauchen. Stellen Sie sich wie ein Prüfer eine Frage, die nur mit der neuen Information zu beantworten ist - und Ihr Gehirn erkennt: Dafür könnte man die Information durchaus gebrauchen. Besprechen Sie die neuen Inhalte in einer Lerngruppe. Sie können nur mitreden, wenn Sie die Inhalte kennen - und Ihr Gehirn erkennt: dafür könnte man die Information durchaus gebrauchen. Sie wünschen sich, sich beim nächsten Lerndurchgang an einiges noch zu erinnern oder wenigstens wiederzuerkennen, um mit dem Lernen voranzukommen - und Ihr Gehirn erkennt: Dafür könnte man die Information durchaus gebrauchen. Neue Formeln: Rechnen Sie eine konkrete Aufgabe damit - und Ihr Gehirn erkennt: Dafür könnte man die Information durchaus gebrauchen. In der mündlichen Prüfung wollen Sie nicht nur mit „Ja“ und „Nein“ antworten, sondern auch Erläuterungen und Beispiele formulieren können - und Ihr Gehirn erkennt: Dafür könnte man die Information durchaus gebrauchen. Die Netzbautechnik Die Netzbautechnik ist eine strukturelle Gegebenheit unseres Gehirns. Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass sich mit jedem weiteren Lernvorgang in einem bestimmten Wissensgebiet quasi eine Vernetzung bildet, die immer engmaschiger wird, je mehr man weiß. Während die ersten Informationen noch ein wenig ungeordnet im Gehirn gespeichert werden, können spätere Informationen immer leichter im entstehenden Netz hängen bleiben. Sie können die Netzbautechnik also nicht selbst direkt anwenden, aber auf ihr Funktionieren vertrauen und Ihr Lernverhalten darauf abstimmen. <?page no="136"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 137 Das möchte ich an dem Beispiel des Lernens einer völlig neuen Sprache verdeutlichen. Ich gehe mal davon aus, dass Sie bisher kein Wort „Khoisan“ kennen. Hierbei handelt es sich um eine von nur ca. 200.000 Menschen in der Region Südafrika gesprochene Sprache, deren Besonderheit Schnalz- und Klicklaute sind. Aus irgendeinem Grund wollen oder müssen Sie nun Khoisan lernen. Die ersten Wörter werden Ihnen sehr fremd erscheinen. Sie lernen erste Zusammenhänge zwischen Buchstaben und Aussprache kennen. Dabei sind die Klicklaute ungewohnt zu erzeugen, weil es sie in europäischen Sprachen so überhaupt nicht gibt. Ihr Gehirn weiß mit diesen Informationen nicht genau umzugehen. Daher ordnet es die Informationen richtigerweise den verschiedenen Sprachen zu und legt das Unterverzeichnis „Khoisan“ an. In dem Verzeichnis ist noch nicht viel zu finden. Doch das ändert sich mit jedem Lernvorgang, denn inzwischen kommt immer mehr Grammatik dazu und Sie kennen schon mehrere Vokabeln. Im Sinne der Netzbautechnik schwirren diese Informationen noch etwas unsystematisch im Unterverzeichnis umher. Erst dann, wenn Sie so weit sind, dass Sie mehrere Wörter kennen, die einer eigenen Kategorie zuzuordnen sind (Sie kennen beispielsweise inzwischen die khoisanischen Wörter für „Mann“, „Frau“ und „Mädchen“), kann ein neues Wort (z.B. das khoisanische Wort für „Junge“) dort angehängt werden. Da wir von einem wachsenden und dadurch immer engmaschiger werdenden Netz ausgehen dürfen, wird neues Wissen von Mal zu Mal leichter vom Netz eingefangen und festgehalten. Dieser Prozess dauert einige Zeit, aber Sie können darauf vertrauen, dass sich dieses Netz bilden wird und Sie dann einen enormen Lernfortschritt bemerken. Der Anfang ist demnach mühsam. Wenn Sie aber erst einmal in die Materie eingearbeitet sind, fällt das Lernen immer leichter. Haben Sie daher Geduld. <?page no="137"?> 138 In der Prüfung Das verteilte Lernen: Abwechseln der Lerninhalte Wenn Sie bereits das Kapitel zur Planung und Zeiteinteilung gelesen haben, dann haben Sie schon eine Idee davon, wie förderlich es für die Aufmerksamkeit des Gehirns ist, wenn man eine Tätigkeit durch Pausen unterbricht und danach durchaus mit einer anderen Sache weitermacht. Denn unser Gehirn langweilt sich bei gleichbleibender Tätigkeit enorm schnell. Es mag eben die Abwechslung. Je mehr sich die Struktur einer Lernaufgabe vom vorherigen Stoff unterscheidet, umso stärker ist die tatsächliche Veränderung der Reize. Sie können Vokabeln mit Formeln abwechseln und sich danach den Definitionen widmen. Versuchen Sie diese Abwechslung noch durch die bereits beschriebenen verschiedenen Sinneskanäle zu steigern, indem Sie für ein Thema Karteikarten anlegen und als weitere Abwechslung nach der Pause bestehende Karteikarten eines anderen Themas nur laut lesen. Daraus folgt noch folgende Planung für das gleichzeitige Lernen mehrerer Fächer: Müssen sie sich für den Prüfungsblock am Ende des Semesters auf mehrere sehr unterschiedliche Prüfungen vorbereiten, dann erarbeiten Sie sich das Wissen dazu immer parallel. Mit der einen Prüfung beschäftigen sich am Vormittag und mit einer weiteren am Nachmittag. Intuitiv würden wir nämlich gern anders vorgehen: Erst einmal wird ein Fach gründlich bearbeitet und gelernt, damit das schon mal komplett fertig ist, dann erst käme das nächste dran. Für ein letztes Thema bleibt in der Folge vielleicht nicht mehr genügend Zeit. Wenn Sie dagegen alles parallel erarbeiten, haben Sie natürlich zu Beginn bei jedem Prüfungsthema nur einen ersten Anfang gemacht. Mit der Zeit wächst dann aber zu allen Themen der Kenntnisstand gleichmäßiger weiter. Zusätzlich bleibt die Aufmerksamkeit leichter auf einem interessierteren Niveau, weil Sie für mehr Abwechslung gesorgt haben. <?page no="138"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 139 Das Wiederholungslernen nach Ebbinghaus Bereits gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts hat der Begründer der experimentellen Gedächtnisforschung Hermann Ebbinghaus die Lernkurve und die Vergessenskurve entdeckt. Er beschrieb damit den Umstand, dass von einem einmalig erworbenen Wissen nach zwei Tagen nur noch lächerliche 20-30 % zur Verfügung stünden. Denn nur ein einziger Lerndurchgang reicht nicht aus, um das Wissen dauerhaft zu speichern, abrufbar und anwendbar zu machen. Er experimentierte deshalb sehr systematisch mit Wiederholungen in unterschiedlichen Zeitabständen und Durchgängen und fand zwei wichtige Elemente: Unser Gedächtnis benötigt zum einen mindestens fünf bewusste Lernvorgänge, damit ein bisher unbekanntes Wissen dauerhaft gespeichert werden kann. Außerdem müssen bestimmte Zeitabstände eingehalten werden, damit unserem Gehirn genügend Zeit bleibt, das Wissen einzuordnen, abzulegen und stabile Nervenverbindungen für das Auffinden des abgelegten Wissens zu knüpfen. Er hatte damit zunächst bewiesen, was die Menschheit intuitiv schon seit Langem praktizierte, wenn sie etwas mehrmals wiederholte, damit es auswendig zur Verfügung stehe. Aber Ebbinghaus konnte nun genau beschreiben, wie dieser Lernvorgang effektiv gestalten werden sollte: Der Wiederholungsplan nach Ebbinghaus: [1] Wiederholung am selben Tag [2] Wiederholung einen Tag danach [3] Wiederholung nach einer Woche [4] Wiederholung nach vier Wochen [5] Wiederholung nach halben bis ganzen Jahr Im regulären Studienalltag können Sie relativ selbstverständlich auf diese fünf Lerndurchgänge kommen, bei denen Sie sich mit den Inhalten aber wirklich beschäftigen müssen: Durchgang 1: Sie nehmen aufmerksam an einer Vorlesung teil, hören die Information und schreiben wichtige Dinge mit. <?page no="139"?> 140 In der Prüfung Durchgang 2: Zum Abschluss des Arbeitstages beschäftigen Sie sich mit Ihren Aufzeichnungen und rekapitulieren, was heute wichtig war. Durchgang 3: Vor Beginn der nächsten Vorlesung beschäftigen Sie sich nochmals mit Ihren Aufzeichnungen und stimmen Ihr Gehirn auf das nun Folgende ein. Durchgang 4: In einer die Prüfung vorbereitenden Lerngruppe sprechen Sie über denselben Lernstoff. Dabei benutzen Sie Ihre Aufzeichnungen und erklären anderen den Inhalt oder lassen sich etwas nicht Verstandenes erklären. Durchgang 5: Als Prüfungsvorbereitung arbeiten Sie aufmerksam Ihre Aufzeichnungen durch, legen vielleicht Karteikarten an oder fertigen Übersichten, Grafiken und Tabellen an. Sie sehen daran, dass Sie bei einer solchen Struktur automatisch dem zu lernenden Stoff mehrmals begegnen. Wichtig ist dann nur, dass dies eine aktive Begegnung ist. Das heißt, Sie sind aufmerksam und beschäftigen sich mit den Inhalten. Ein passives Zuhören allein genügt eben nicht. Und daher ist es meistens besser, eine Veranstaltung auch dann zu besuchen, wenn der Dozent „einfach nur sein Buch vorliest“, weil Sie ja nur so auch den akustischen Eindruck bekommen und vielleicht doch noch an einer Diskussion teilnehmen oder aktiv eine Frage stellen. Der letzte Lerndurchgang sollte immer mindestens eine Woche vor einer Prüfung liegen, damit Ihr Gehirn es noch verarbeiten kann. Die letzten Tage dienen dann nur noch dem Auffrischen des Wissens. Dabei zeigen Sie Ihrem Gehirn, welches Wissen es in diesen Tagen in den Vordergrund rücken soll, damit es zügig abrufbar ist. Vermeiden Sie es daher, jetzt noch Neues zu lernen. Solche Informationen sind dann nicht sicher abrufbar und werden in ihrer Priorität gleichzeitig in den Vordergrund gerückt. Das führt dazu, dass das über Wochen angeeignete Wissen verdrängt wird. Leider ist es aber genau das Wissen, welches Sie hauptsächlich in der Prüfung benötigen. Genau diese Relevanz stellen Sie durch das Auffrischen des vorhandenen Wissens klar. <?page no="140"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 141 Die Lernkartei Die Erkenntnisse des Wiederholungslernens und verschiedene andere Lernhilfen werden wunderbar mit der sogenannten Lernkartei umgesetzt. Vor allem für das Lernen von Sprachen findet sie häufige Anwendung, wenn es um das Behalten der einzelnen Vokabeln geht. Sie eignet sich aber ebenso für alle anderen Fakten und Informationen, die sich als kurze schriftliche Antworten auf eindeutige Fragen formulieren lassen, also chemische und mathematische Formeln, Geschichtsdaten, Gesetzestexte, Definitionen u.ä. Für die Lernkartei brauchen Sie Karteikarten im Format DIN A7 und einen Kasten (30 x 11 cm, 5 cm hoch) mit fünf unterschiedlich großen Fächern. Diesen können Sie als „Lernkartei“ oder „Lernbox“ kaufen oder sich aus fester Pappe mit folgenden Maßen selbst bauen: Abb. 16: Die Lernkartei Am Beispiel einer Sprache will ich deutlich machen, wie Sie nun konkret vorgehen: [1] Schreiben Sie die neuen, unbekannten Wörter, die Sie lernen wollen, auf je eine Karteikarte: das deutsche Wort auf die Vorderseite, das fremdsprachliche Wort auf die Rückseite. Wenn Sie 30-40 Kärtchen beschrieben haben, stecken Sie diese in das erste Fach und zwar so, dass die Vorderseite der Karteikärtchen mit den deutschen Ausdrücken Ihnen zugewandt ist. [2] Nehmen Sie die erste Karte heraus und schauen Sie sich das deutsche Wort an. Versuchen Sie, ob Ihnen das neue Wort noch einfällt - ganz ohne Anstrengung, d.h. denken Sie nicht krampfhaft nach, sondern warten Sie zwei oder drei Sekunden. 1 cm 2 cm 5 cm 8 cm 14 cm 1 2 3 4 5 <?page no="141"?> 142 In der Prüfung [a] Wenn es Ihnen nicht einfällt, drehen Sie die Karte um, lesen Sie das Wort und sprechen Sie es möglichst auch laut. Dann kommt die Karte zurück ins erste Fach ans Ende des Stoßes. Nehmen Sie sich dann die nächste Karte vor. [b] Wenn Ihnen dagegen das Wort eingefallen ist, drehen Sie die Karte zur Überprüfung um. Haben Sie sich korrekt erinnert? Dann wandert die Karte ins zweite Fach. [3] So gehen Sie, Karte für Karte, den ganzen Stoß durch - manche Karten wandern ins zweite Fach, andere bleiben im ersten. Diesen Stapel im ersten Fach können Sie sich nun ein zweites Mal vornehmen. Vielleicht haben Sie nun auch noch einige dieser Vokabeln behalten und sie wandern damit auch ins zweite Fach, andere hartnäckige Wörter bleiben immer noch im ersten Fach. Diese müssen Sie wahrscheinlich drei-, vier- oder fünfmal, vielleicht sogar öfter anschauen, bis auch sie gelernt sind. Dies machen Sie so lange, bis nur noch drei Karten im ersten Fach übrig sind. [4] Ebenso verfahren Sie mit dem inzwischen gefüllten zweiten Fach. Eine immer noch gewusste Vokabel rückt ein Fach weiter. Nicht mehr gewusste Vokabeln verbleiben im zweiten Fach und bekommen dadurch mindestens noch eine notwendige Runde extra, um gelernt zu werden. Die Vorteile der Lernkartei sind recht eindeutig: Sie wenden die Lernhilfe mit den verschiedenen Sinneskanälen an, da Sie die Karteikarten selbst geschrieben haben und immer wieder mit ihnen hantieren. Außerdem sehen Sie diese vor sich und können beim Lernen laut mitsprechen. Sie bearbeiten jede Information mit Sicherheit mindestens 5mal zu unterschiedlichen Zeiten und haben sie damit in Ihrem Langzeitgedächtnis gespeichert. Zu einem späteren Zeitpunkt brauchen Sie die notwendige Information nur noch auffrischen. Die Benutzung der einzelnen Fächer motiviert, weil Sie ganz unmittelbar zurückgemeldet bekommen, wie viel Sie bereits gelernt haben. Dies geschieht dadurch, dass eine Karte weiterwandert und zusätzlich durch den Anblick des wachsenden Stapels der gelernten Karten am Ende des Kastens. <?page no="142"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 143 Sie haben eine realistische Lernkontrolle, denn die Stapel sind der Beweis. Sie widmen nur solchen Wörtern mehr Zeit, die Sie noch nicht wirklich gelernt haben. Damit wird allen anderen keine unnötige Aufmerksamkeit mehr gewidmet. Die Mnemotechniken und Gedächtnisstützen Im Grunde wenden diese beiden Lerntechniken einen kleinen, aber speziellen Trick an: Schwierige Informationen werden mit einer ganz einfach zu merkenden - am besten einer schon vertrauten - Information verknüpft. Fast schon spielerisch werden dadurch Assoziationen ausgelöst, die dann eine bessere Verknüpfung im Gehirn bewirken. Erinnern Sie sich noch an das einleitende Kapitel dieses Buches und an das dort beschriebene A-B-C-Modell von Albert Ellis? Die Buchstabenfolge ist uns seit Kindheit derart vertraut und selbstverständlich, dass wir sie uns nicht mehr extra merken müssen. Schlauerweise hat Ellis sich das zunutze gemacht und für sein Modell Begriffe gewählt, die mit A (für action), B (für beliefs) und C (für consequences) beginnen, um so ganz unauffällig und nebenbei dafür zu sorgen, dass die Fachwelt seine Theorie schnell behält und benutzen kann. Ort: Gliederung: Haustür Thema nennen Flur Einleitung Mein Zimmer Theorie erläutern Bad Experiment und Ergebnisse Küche Schlussfolgerungen Balkon Ausblick und Fragen Tab. 4: Ein Beispiel für die Locitechnik <?page no="143"?> 144 In der Prüfung Mnemotechniken greifen meistens auf bildhafte Verknüpfungen zurück, so wie etwa die sehr bekannte Locitechnik. Dabei nutzen Sie einen schlichten, am besten bekannten Weg, beispielsweise den Weg durch Ihre Wohnung, und verknüpfen mit jeder kleinen Etappe (Haustür - Flur - Mein Zimmer - Bad - Küche - Balkon) beispielsweise die Gliederung eines Einsprechthemas in einer mündlichen Prüfung. Das könnte dann so wie oben skizziert aussehen. Während des Mini-Referats schreiten Sie nun in Gedanken die Etappen Ihrer Wohnung ab und wissen daher immer, an welchem Punkt der Gliederung Sie sich gerade befinden und was als Nächstes kommt. Andere Techniken nutzen unseren Hang zur Rhythmik und der spielerischen Freude an Reimen. Daher gibt es etwa zu Geschichtsereignissen, bei denen auch die richtige Jahreszahl eine Rolle spielt, fast schon lustig wirkende Zweizeiler: 333 - Issos Keilerei Eigentlich ist hier die ernsthafte kriegerische Auseinandersetzung von Alexander dem Großen mit dem Perserkönig Darius III. bei Issos gemeint. Das weiß Ihr Gehirn dann schon, aber es kam ja vor allem auf die korrekte Jahreszahl an. Und auch bei Grammatikregeln funktioniert die Leichtigkeit der Reime: Wer brauchen ohne „zu“ gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen. Hier fällt es also durch einen fast spielerischen Umgang mit Wörtern dem Gehirn leichter, sich die Regeln zu merken. Natürlich lassen sich Mnemotechniken und Gedächtnisstützen nicht für alle zu lernenden Dinge anwenden, aber vor allem dann, wenn es um absolut klare Fakten geht. Dies können sein: Zahlen: z.B. Geschichtszahlen Namen: z.B. die Götter der griechischen Mythologie Regeln: z.B. Grammatikregeln Abläufe: z.B. die Gliederung einer Rede. <?page no="144"?> Lerntechniken: Gedächtnis und Lernhilfen 145 Wenn Sie die Gedächtnisstütze selbst erfunden haben, kann Ihr Gehirn es sich besonders gut merken. Natürlich braucht es dafür auch ein paar Lerndurchgänge, bevor es die Gedächtnisstütze im Langzeitgedächtnis abgelegt hat. Für immer und ewig: Einmal gelernt und nie wieder vergessen Gerade bei den Lernhilfen ist sicherlich deutlich geworden, dass Lernen ein aktiver Vorgang ist und nicht nur eine passive Aufnahme von Informationen. Gestalten Sie daher Ihre Lerneinheiten entsprechend, auch wenn es vielleicht nach viel Aufwand aussieht. Ihr Gehirn dankt es Ihnen! Unter anderem auch mit der Gewähr, dass es auf derartige Weise erarbeitendes Wissen nicht löschen wird. Wichtige Dinge wird es dazu in den Vordergrund schieben und Unwichtigstes in die letzte Reihe verbannen. Wenn Sie daher denken, dass Sie etwas doch schon einmal gewusst haben und sich wundern, dass es vergessen wurde, dann fehlt Ihrem Gehirn tatsächlich nur eine gewisse Routine, die entsprechende Information im Archiv zu finden. Es sucht und sucht und verwechselt dabei die eine oder andere gefundene Sache mit der eigentlichen. Da sich durch Auffrischen und Wiederholen ein ursprüngliches Wissen sehr schnell erneuern lässt, nämlich wesentlich schneller als beim allerersten Lerndurchgang, müssen einige Spuren davon noch vorhanden gewesen sein. Leider eben nicht so sicher auffindbar und auch noch leicht zu verwechseln. Dafür aber ist es gut zu wissen, dass ein Auffrischen von Wissen wirklich schneller geht, am besten immer dann, wenn Sie es tatsächlich benötigen. Das ist beispielsweise immer vor einer Prüfung der Fall, die ein Wissen abfragt, welches Sie bereits am Anfang des Semesters gelernt und angewendet hatten. Dies können Ihre nächsten Schritte sein: [1] Nehmen Sie eine neue Aufgabe (z.B. ein Fachbuch lesen) und verschaffen Sie sich einen ersten Überblick über die zu erwartenden Inhalte. <?page no="145"?> 146 In der Prüfung [2] Gehen Sie genauso vor, wenn Sie nun mit dem ersten Kapitel beginnen: „Was erwartet mich dort konkret, wenn ich gleich lese? “ [3] Benutzen Sie verschiedene Sinneskanäle: mit den Augen lesen, vielleicht auch laut lesen (z.B. bei einer Fremdsprache), unterstreichen Sie und schreiben Sie Wichtiges heraus. 4.4 Entspannungsübung „Ein-Ruhe-Atmung“ Zu Beginn des 1. Teils dieses Buches finden Sie eine Beschreibung, wie Entspannung eigentlich wirkt und warum man sie auch gegen Prüfungsangst nutzen kann. Es empfiehlt sich, diese vorab zu lesen und dann erst an dieser Stelle mit der konkreten Übung fortzufahren, weil Sie dann den Zusammenhang und die Anweisungen besser verstehen. 4.4.1 Das Besondere an dieser Übung Die Ein-Ruhe-Atmung ist eine sehr einfache Übung, bei der Sie dennoch zwei Grundfähigkeiten des Gehirns einsetzen, sodass damit eine letztendlich enorme Wirkung erzielt werden kann. Diese Fähigkeiten, die Suggestion und Konditionierung genannt werden, funktionieren bei dieser Übung folgendermaßen: Durch das Benutzen des Wortes „Ruhe“ bildet Ihr Gehirn passende Assoziationen dazu und erlaubt dem Körper, aus einer eben noch angespannten Haltung in eine lockere, ruhigere und damit entspannte Haltung zu kommen. Dies entspricht der Suggestion. Und die Konditionierung, was eigentlich ein Lernvorgang des Gehirns ist, wirkt durch die Tatsache, dass zwei schlichte Wörter nach mehreren entspannten Durchgängen wie ein Schalter wirken, der in einen anderen Modus umschaltet. Einige, die diese Übung regelmäßig machen, berichten davon, dass schon das Einnehmen der Sitzhaltung eine erste Entspannung mit sich bringt und sie nur an die zugehörigen Begriffe „Ein“ und „Ruhe“ denken bräuchten, um sich insgesamt angenehmer zu fühlen. Dem voran muss aber der Lernvorgang der Konditionierung gegangen sein, den Sie durch regelmäßiges Anwenden dieser Übung erreichen. Denn erst dann denkt Ihr Gehirn <?page no="146"?> Entspannungsübung „Ein-Ruhe-Atmung“ 147 ganz automatisch, dass es genau jetzt entspannen soll und vor allem darf. Das Wichtigste an dieser Übung ist, dass Sie nur auf Ihre Atmung achten werden und in Gedanken jeden Atemzug mit den Begriffen „Ein“ und „Ruhe“ begleiten. Damit sind Sie erst einmal beschäftigt, wenn auch nur minimal. Das ist also nicht besonders anstrengend und trotzdem haben Sie eine kleine Aufgabe durchzuführen. Darin liegt die Chance, dass Sie dadurch alle anderen Gedanken verdrängen und mit dem Wort „Ruhe“ einen vor allem angenehmen Gedankeninhalt aktivieren. Sie müssen übrigens nicht genau dieses Wort übernehmen, sondern können es gern ersetzen durch jedes andere Wort, das den gleichen Zweck erfüllt - also „ruhig“, „nichts“, „loslassen“ oder was auch immer Ihnen selbst eine entspannte Haltung suggeriert. Die Einfachheit der Übung bringt es auch mit sich, dass sie nahezu an jedem Ort, wo es einen Sitzplatz gibt, durchgeführt werden kann. Sollten Sie noch nicht einmal die Augen dabei schließen, kann es niemanden auffallen, was Sie tatsächlich gerade tun. Wobei geschlossene Augen im Bus, in der U-Bahn oder im Warteraum auch nichts Auffälliges sind. Und weil sie so unauffällig ist, eignet sie sich hervorragend sogar für die Prüfung selbst: Bei einer Klausur können sie an Ihrem Platz bleiben. Und in einer mündlichen Prüfung kann es wie ein Schalter wirken, wenn Sie sich vorher mit genügend vielen Durchgängen auf diese Übung konditioniert haben. Allein die zur Übung gehörende Sitzhaltung einzunehmen kann dann schon eine Entspannung bewirken. <?page no="147"?> 148 In de 4.4.2 D Stellen Sie s len. Nehme Grundhaltu quem hinse Sie beide Fü Schließen S Nehmen Si langsamer w nen. Nehmen Sie Zutun atme und mit ein registrieren. wie aus zw Für die eige men mit d „Ruhe“ beg wahrzunehm zuzuordnen schwer ist. r Prüfung Die Übung sich innerlich d en Sie dazu die ung ein, indem etzen. Lehnen S üße auf die Erd Sie die Augen o ie ein paar tie wieder ausatme e zunächst wah en Sie ganz au ner bestimmten . Dabei mache wei Teilen beste entliche Übung dem Wort „Ein gleiten. Sie ma men und jedem n. Sie werden d Das stimmt n Abb. Ents darauf ein, das für viele Entsp m Sie sich auf e Sie sich dazu m de und legen Si oder gucken Si efe Atemzüge, en. Jetzt können hr, wie Ihr Körp utomatisch in n Tiefe. Es geh en Sie sich bew eht: dem Eina g sollen Sie in G n“ und jedes achen also nich m Teil der Atem denken, dass d natürlich, denn 17: Grundhalt pannungsübun s Sie sich entsp pannungsübung einem Stuhl m mit dem Rücke ie die Hände in ie vor sich auf indem Sie ein n Sie mit der Ü per gerade atm einem bestimm ht nur darum, g wusst, dass jed tmen und dem Gedanken nun Ausatmen mit hts weiter als I mzüge den rich das ja nun nich Sie sollen ja tung für ngen pannen wolgen geltende möglichst been an, stellen n den Schoß. den Boden. natmen und Übung beginet. Ohne Ihr mten Tempo genau das zu der Atemzug m Ausatmen. jedes Einatt dem Wort hre Atmung tigen Begriff ht besonders nicht wegen <?page no="148"?> Entspannungsübung „Ein-Ruhe-Atmung“ 149 einer schwierigen Aufgabe auch noch Stress bekommen. Und dennoch sind Sie mit dieser Aufgabe beschäftigt und lenken Ihre bisherigen Gedankenströme auf etwas Angenehmes. Nach einigen Durchgängen werden Sie merken können, dass das guttut und dass Ihre Atmung vielleicht sogar tiefer und damit ruhiger und entspannter wird. Die Übung hat funktioniert, wenn Sie insgesamt ruhiger geworden sind. Dies zeigt sich an tieferen Atemzügen und einem wärmeren Körpergefühl. 4.4.3 Mögliche Folgen Nicht jeder bemerkt bei dieser Art von Übung einen deutlich entspannenden Effekt. Es tut dann vielleicht irgendwie auch gut, ist aber nicht entspannend, weil man doch eher abgelenkt wird durch stressende Gedanken oder auch einfach so abschweift. Deshalb sind in diesem Buch noch weitere Entspannungstechniken beschrieben, die Sie einmal ausprobieren können. Wahrscheinlich gefällt Ihnen dann eine Übung besser, bei der Sie insgesamt aktiver sind. Das passiert vor allem bei der Kurzform der Progressiven Muskelentspannung, die in 2.4 beschrieben wird. Manche mögen diese Übung nicht, weil sie merken, dass sie nicht nur auf die Atmung achten, sondern auf einmal ganz bewusst und damit kontrolliert zu atmen beginnen. Eine in diesem Zusammenhang benutzte Formulierung beschreibt die eigentlich automatisch ablaufende Atmung deshalb auch mit den Worten „es atmet mich“. Dies macht noch mal deutlich, dass nicht ich es bin, der selbst aktiv atmet. Wenn Sie das aber bei der Übung nicht verändern können, dann probieren Sie einmal die Entspannungsübungen der Kapitel 2 und 4, die ganz anders funktionieren. Sollten Sie Müdigkeit oder Schmerzen erst während der Entspannung bemerken, so sind diese nicht durch die Übung erzeugt, sondern sie werden zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. 4.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen Ihr Körper muss erst lernen, was Sie eigentlich mit dieser für ihn zunächst „komischen Übungen“ vorhaben. Obwohl es spontan <?page no="149"?> 150 In der Prüfung immer guttut, nutzen Sie besser auch hier den mittelfristigen Lernvorgang der Konditionierung: Je häufiger Sie genau die eine Übung auf dieselbe Art und Weise machen, umso stärker verselbständigt sich der Entspannungsvorgang. Also machen Sie die Entspannungsübung wann immer Sie Lust dazu haben oder Sie gerade eine Entspannung brauchen. Das kann z.B. jede kleine Pause sein. So begreift nach mehrmaligen Durchgängen auch der Körper, dass er sich wirklich entspannen darf und Sie ihn dabei aktiv unterstützen. <?page no="150"?> 5 Alles ist gelaufen: Nach der Prüfung Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück. Laozi Wochenlang, manchmal Monate hat man auf diesen Moment hin gearbeitet und gehofft, es möge doch endlich hinter einem liegen. Und dann ist es plötzlich vorbei. Die Erwartungen an sich und seine Leistung sind nun Wirklichkeit geworden. Sie können sich positiv bestätigt oder aber auch nicht erfüllt haben und damit bleibt eher ein Gefühl der Enttäuschung zurück. Um zu solchen Ergebnissen zu kommen, beginnt man, die eigentliche Aktion zu analysieren. „Habe ich präsentieren können, was in meinem Kopf seit Wochen zwischenlagert? Welchen Eindruck habe ich hinterlassen und entspricht das Ergebnis meinen Vorstellungen? “ Was aber ist, wenn man durchgefallen ist? Oder, wenn die Zensur wie bei einer mündlichen Prüfung sofort feststeht: lauter Überlegungen, dass die Prüfung zwar geklappt hat, es aber auch ganz schön knapp war oder längst nicht den vorherigen Leistungen entspricht. Sie sehen, es gibt zu diesem Zeitpunkt viele Gelegenheiten, durchaus skeptische Fragen und kritische Bemerkungen zur Sache fallen zu lassen. Und damit kann selbst das Ergebnis einer bestandenen Prüfung im Nachhinein zunichte gemacht werden. Dies geschieht durch entsprechendes Nörgeln über sich selbst oder Schimpfen auf die „strengen Prüfer mit den fiesen Fragen“. Oft müssen auch die sonstigen Rahmenbedingungen herhalten und daher war „der Raum wirklich ungemütlich“ und „die Tageszeit war absolut ungünstig gewählt“. Auf der Zeitskala entspricht die Phase nach der Prüfung dem Zeitpunkt IV: <?page no="151"?> 152 Nach der Prüfung Abb. 18: Die Zeitskala mit den vier wichtigen Zeitpunkten 5.1 Das erwartet Sie in diesem Kapitel Mit den drei Elementen des Triadischen Modells gegen Prüfungsangst können Sie den negativen Gedanken und der Prüfungsangst begegnen: [1] Im ersten Abschnitt geht es um die Zeit nach der Prüfung. Eigentlich ist schon alles vorbei. Aber die anschließende persönliche Bewertung trifft schließlich Aussagen über die eigene Person, über Prüfungen an sich und natürlich auch dazu, ob und wie zukünftige Prüfungssituationen bewältigt werden. Und da die aktuellen Prüfungen sehr wahrscheinlich nicht die letzten in Ihrem Leben sein werden, können damit gerade auch zu diesem Zeitpunkt Prüfungsängste begründet oder gefestigt werden. [2] Der Abschnitt Lerntechniken stellt in diesem Kapitel den Arbeitsplatz in den Mittelpunkt. Sie können für sich überprüfen, welche der vorgestellten Tipps Sie bereits erfolgreich anwenden oder Sie entdecken den einen oder anderen neuen Hinweis, wie Sie Ihre Arbeitsumgebung und den eigentlichen Arbeitsplatz gestalten sollten, um ideale Lernbedingungen vorzufinden. [3] Und als Entspannungsmethode lernen Sie die Fantasiereise „Ein wunderbarer Ort“ kennen. Dies ist eine sehr einfache, über innere Bilder wirkende Entspannungsübung, die Sie an jedem Ort mit einer Sitzmöglichkeit anwenden können. Sollte Prüfung Zeit I II III IV Entscheidung Anmeldung <?page no="152"?> Zeitpunkt 4: Nach der Prüfung 153 Ihnen diese Übung nicht gefallen, dann finden Sie in den übrigen Kapiteln weitere Methoden zum Ausprobieren. 5.2 Zeitpunkt 4: Nach der Prüfung „Kaum bin ich aus dem Raum rausgegangen, merke ich, wie die Anspannung von mir fällt. Ich könnte heulen. Und mich über mich selbst ärgern. Dabei müsste ich doch froh sein, dass es geschafft ist. Mir fällt im Nachhinein aber so viel ein, was ich hätte sagen können oder tun sollen. Ich hab mich stattdessen total peinlich verhalten. Rot bin ich geworden und hab nur mit piepsiger, unsicherer Stimme geantwortet. Wenn ich überhaupt was gesagt habe. Ich kann mich in solchen Situationen überhaupt nicht verkaufen. Wofür ich dennoch eine 2 bekommen habe, ist mir schleierhaft. Die wollen mich lieber loswerden, damit ich ja nicht noch mal auftauche. Ich bin einfach keine Prüfungstyp! “ Die betroffene Person beschreibt es in dem Beispiel ziemlich gut: Prüfungsangst ist kein Phänomen, das auf die Zeit vor oder während der Prüfungen beschränkt bleibt. Vielleicht war Ihnen schon beim Prüfungsangst-Check aufgefallen, dass Sie Aussagen bestätigen konnten, die sich auf die Zeit danach beziehen und die atmosphärisch vor allem nach starker Selbstkritik, Enttäuschung und Pessimismus klingen. Solche Aussagen bilden dann die Grundlage für die persönliche Einstellung hinsichtlich der zukünftigen Prüfungen oder verfestigen eine längst vorhandene Einstellung. Daher soll es nun darum gehen, solche Aussagen festzuhalten und zu verändern. 5.2.1 Finden Sie Ihre Selbstverbalisationen Im Prüfungsangst-Check am Anfang des Buches gab es auch einige Bemerkungen, die Gedanken und Zweifel zu diesem Zeitpunkt nach der Prüfung ausdrücken. Einen Auszug genau dieser Bemerkungen finden Sie hier unten noch einmal aufgeführt. Gehen Sie die einzelnen Bemerkungen zunächst Satz für Satz durch und entscheiden Sie möglichst spontan, ob die Bemerkung so auch von <?page no="153"?> 154 Nach der Prüfung Ihnen hätte sein können. Dabei kommt es nicht auf die Formulierung an, sondern auf den Inhalt an sich: Ich weiß gar nicht, wofür ich die Zensur eigentlich bekommen habe. Ja Nein Ich hatte totales Glück und die richtigen Fragen bekommen. Mit anderen Themen hätten die voll meine Lücken erwischt. Ja Nein Ich hab wirklich viel vorher gemacht und jetzt hab ich so schlecht abgeschnitten. Ja Nein Das lief nur deshalb gut, weil ich mir die netteste Prüferin ausgesucht habe. Ja Nein Hoffentlich begegne ich dem Prüfer jetzt nicht auf dem Flur. Ja Nein Das war peinlich, weil bestimmt alle gemerkt haben, dass ich Angst hatte. Ja Nein Das lief zwar irgendwie ganz gut, aber beim nächsten Mal ist ja alles schwerer. Ja Nein Die haben mir doch nur eine bessere Zensur gegeben, weil sie mich irgendwie damit motivieren wollen (oder: weil sie es auch nur hinter sich haben wollen). Ja Nein <?page no="154"?> Zeitpunkt 4: Nach der Prüfung 155 Siehste! Ich bin eben kein Prüfungstyp. Ich kann so etwas nicht. Ja Nein Ich hab mich total bescheuert verhalten. Ja Nein Ich hätte viel mehr sagen sollen, statt dazusitzen und zu schweigen. Ja Nein Das Ergebnis geht in die Gesamtnote ein - damit krieg ich doch keinen Master (oder Job). Ja Nein Es fing schon mit der ersten Frage schlecht an und dann hab ich nicht mehr die Kurve gekriegt. Ja Nein Ich hab für das ganze Studium viel zu lange gebraucht. Dafür hätte ich auch besser abschneiden müssen. Ja Nein Und dann bin ich auch noch rot geworden (oder: hab gestottert / oder: habe so stark geschwitzt). Da war dann alles endgültig aus. Ja Nein Dies sind zwar typische Aussagen von Teilnehmern unserer Gruppen gegen Prüfungsangst. Dennoch kennen Sie vielleicht von sich noch weitere eigene negative Gedanken, die im Anschluss an eine Prüfung auftauchen können? Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit und überlegen, welche dies sind und notieren Sie diese wortwörtlich. Für bis zu sechs eigene Formulierungen haben Sie hier Platz: <?page no="155"?> 156 Nach der Prüfung [1] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [2] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [3] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [4] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [5] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ [6] ____________________________________________ ____________________________________________ ____________________________________________ 5.2.2 Legen Sie Karteikarten an Übertragen Sie nun die zu Ihnen passenden Bemerkungen auf Karteikarten. Beachten Sie dabei: Für jede Bemerkung legen Sie eine eigene Karte an und die aus dem Prüfungsangst-Check übernommenen Formulierungen müssen dabei noch in eigene Worte umformuliert werden. Und zusätzlich schreiben Sie auf diese negative Seite noch den abschließenden Hinweis: Stopp! Ich will anders darüber nachdenken. 5.2.3 Formulieren Sie negative Gedanken um Wenn Sie Ihre Sammlung und das Ausfüllen der Karteikarten abgeschlossen haben, dann können Sie sich nun darum kümmern, die andere Seite der Medaille anzuschauen. Denn die Angst machenden und einschränkenden Gedanken sollen nun systematisch durch unterstützende Mottos ersetzt werden. <?page no="156"?> Zeitpunkt 4: Nach der Prüfung 157 Zur Erinnerung sind im Kasten noch mal die Regeln aufgeführt, die Sie dabei beachten müssen (die ausführlichere Erläuterung dazu finden Sie im 2. Kapitel des 1. Teils). Regeln zur Umformulierung: [1] Gleicher Inhalt [2] Eigene Worte [3] Positive Formulierung [4] Realistische Einschätzung Werfen Sie doch erst noch mal einen Blick auf die nachfolgende Tabelle, in der beispielhaft einige der typischen Bemerkungen schon umformuliert sind. So bekommen Sie eine ungefähre Idee, wie es funktioniert, und können es für Ihre Karteikarten nun selbst probieren. Negativ: Unterstützend: Ich hätte viel mehr sagen sollen, statt dazusitzen und zu schweigen Beim nächsten Mal versuche ich, mehr zu sprechen. Das übe ich vorher zuhause oder in der AG. Ich hatte totales Glück und die richtigen Fragen bekommen. Mit anderen Themen hätten die voll meine Lücken erwischt. Es ist gut gelaufen, denn ich konnte zu allen Fragen etwas sagen. Ich weiß gar nicht, wofür ich die Zensur eigentlich bekommen habe. Ich war da und hab meine Sache wohl ganz gut gemacht. Die Zensur drückt das jedenfalls aus. Siehste! Ich bin eben kein Prüfungstyp. Ich kann so etwas nicht. Prüfungen gehören dazu und ich hake sie ab, so gut ich es eben kann. <?page no="157"?> 158 Nach der Prüfung Und dann bin ich auch noch rot geworden. Da war dann alles endgültig aus. Mit diesem Buch tue ich etwas gegen meine Angst und kann nächstes Mal insgesamt ruhiger sein und die Prüfung bis zum Ende durchhalten. Das war peinlich, weil bestimmt alle gemerkt haben, dass ich Angst hatte. Was die anderen denken, ist mir so egal wie möglich. Wichtiger ist es, dass ich mich mit der Antwort auf die Frage beschäftige. Das lief nur deshalb gut, weil ich mir die netteste Prüferin ausgesucht habe. Die nette Prüferin und ich haben zusammen eine gute Prüfung hinbekommen. Tab. 5: Negative Gedanken und passende Umformulierungen Finden Sie nun für alle Ihre Karteikarten eine solche neue, unterstützende Formulierung anstelle des bisherigen, Angst machenden Gedanken. Schreiben Sie dieses neue Motto auf die noch freie Seite der Karteikarte. 5.2.4 Wie Sie die Karteikarten verwenden Sie haben jetzt einige vollständige Karteikarten, die eigentlich genauso aussehen wie Karten, die man sich zum Lernen erstellt: Wenn Sie z.B. eine Sprache lernen wollen, dann steht auf der einen Seite das deutsche Wort und auf der Rückseite - zur Erinnerung, als Gedächtnishilfe und zur Wissenskontrolle - das entsprechende Wort in der unbekannten Sprache. Genau in diesem Sinne benutzen Sie die eben angelegten Karteikarten: Immer, wenn Sie in der entsprechenden Situation tatsächlich sind oder sich diese ausmalen, wird es vorkommen können, dass einer der altbekannten negativen Gedanken Ihnen durch den Kopf geht. Dann suchen Sie unter all Ihren Karten die entsprechende Karte dazu heraus. Sie erkennen die passende Karte natürlich sofort wieder und denken vielleicht „Siehste, da ist es schon wieder! “ Aber nun kommt das Neue. Folgen Sie der Aufforderung, die ja zum Glück gleich unten auf der Karte steht: „Stopp! Ich will anders <?page no="158"?> Lerntechniken: Der Arbeitsplatz 159 darüber nachdenken! “ Und deshalb drehen Sie die Karte jetzt um. Und dort steht ein gut durchdachtes, neues Motto. Widmen Sie sich diesem positiven Motto, stimmen Sie der Aussage innerlich zu und legen dann die Karte zur Seite. Fahren Sie nun mit der Sache fort, von der Sie gerade durch die Gedanken abgehalten wurden, und lassen Sie sich dabei von dem unterstützenden Motto beeinflussen. So verfahren Sie immer, wenn entsprechende Gedanken aufkommen. Dadurch bieten Sie Ihrer Psyche gleich das neue Motto an und sie wird es mehr und mehr anerkennen als das, wonach sie sich richten will. Sie können sich auch zwischendurch einmal die Karten anschauen. Erkennen Sie dann immer den alten Gedanken als etwas von Ihnen und drehen sofort die Karte um, damit Sie sich vor allem dem neuen Motto widmen können. Malen Sie sich z.B. eine Prüfungssituation in Gedanken aus, in der dieses neue Motto von Ihnen umgesetzt wird. Dies könnte folgendermaßen aussehen: Bisher haben Sie befürchtet, dass Sie in einer mündlichen Prüfung auf eine Frage hin möglicherweise schweigen würden. Ihr neues Motto könnte nun lauten „Ich versuche, laut zu denken, und dabei das Thema, um das sich die Frage dreht, auszuformulieren und kann so zu den konkreten Inhalten kommen. Stellen Sie sich daher in Ihrer Fantasie den Raum, den Prüfer und sich selbst dort sitzend vor. In dieser Vorstellung werden Sie etwas gefragt und Sie versuchen nun, Ihr neues Motto anzuwenden und beginnen, tatsächlich laut zu denken. Was passiert dadurch Neues in Ihrer Fantasie? Stellen Sie sich vor, wie Sie sich sprechen hören und wie der Prüfer Ihren Ausführungen folgt. Es könnte sein, dass er Sie ergänzt oder korrigiert und Sie sich dadurch immer mehr in Richtung der Antwort bewegen. Wie verändert sich die gesamte Atmosphäre der Prüfung, wenn Sie sich so verhalten? Durch dieses Durchspielen in der Fantasie bieten Sie sich und Ihrer Psyche eine neue Sicht der Dinge an. Damit steigt die Wahrscheinlich, dass etwas in dieser Art eintreten kann. 5.3 Lerntechniken: Der Arbeitsplatz Die Grundidee ist, dass der Arbeitsplatz ein Ort sein soll, an dem gearbeitet werden kann und der idealerweise nur genau diesem Zweck dient. Betrachten Sie Ihren Arbeitsplatz einmal von außen: <?page no="159"?> 160 Nach der Prüfung signalisiert er selbst einem Fremden eindeutig, was Sie dort tun? Oder ist man auf den ersten Blick orientierungslos und fragt sich, wozu etwa der Tisch in Ihrem Zimmer gerade genutzt wird? Da stehen Urlaubsfotos neben einem Kuchenteller und auf dem Tisch verteilt liegen eine Zeitschrift, ein Fachbuch, ein offener Ordner und ein paar Stifte. Durch dieselbe Brille wie die eines Fremden nimmt nämlich auch Ihr Gehirn diesen Ort wahr und versucht nun aufgrund dieser Informationen herauszufinden, was als Nächstes geschehen wird. Und kommt spontan zu dem Schluss: Da liegt zwar etwas, mit dem man für die Uni arbeiten könnte, aber netter ist es, die Zeitschrift zu blättern und den Kuchen zu essen. Es liegt also an Ihnen, wie Sie sich selbst deutlich machen, was als Nächstes getan werden soll. Auf dem Schreibtisch signalisieren daher Buch, Ordner und Stifte, dass hier gearbeitet werden soll. Und deshalb bleiben der Kuchen und die Zeitschriften in der Küche, wo Sie sehr gut eine Pause verbringen können. So bringen Sie sich gar nicht erst in ablenkender Weise auf falsche Gedanken. 5.3.1 In der Bibliothek oder zuhause arbeiten? Eine Bibliothek repräsentiert optimal das Lernen und Arbeiten für ein Studium: Buch an Buch wechseln sich ab mit denkenden, lesenden oder schreibenden Menschen. Die Stille bedeutet Konzentration und Ernsthaftigkeit. Von dieser Atmosphäre lassen Sie sich ruhig beeinflussen und das vielleicht vorhandene schlechte Gewissen, das Sie dort haben, weil Sie irgendwo im Internet surfen, geht nur weg, wenn Sie genau das tun, was die Stimmung in der Bibliothek ermöglicht. Zuhause entsprechen solche Bedingungen einem Arbeitszimmer. Dies ist ein Raum in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus, der nur zu diesem Zweck betreten wird. Entsprechend zweckdienlich ist der Raum gestaltet. Sie dürfen sich als Bild gern die Werkstatt eines Automechanikers vorstellen: Alles, was er zum Reparieren von Autos benötigt, hat er in Griffweite. Und es gibt eine Hebebühne und verschiedene kleine Maschinen. Probieren Sie doch einmal aus, ob die Bibliothek ein guter Arbeitsplatz ist oder ob Sie motivierter, leichter und zufriedener Zuhause arbeiten können. Beachten Sie dann, dass es mehr Möglichkeiten <?page no="160"?> Lerntechniken: Der Arbeitsplatz 161 geben kann, sich abzulenken und damit das Arbeiten hinauszuschieben: Nebenbei startet man die Waschmaschine, bekommt Post, könnte eben mal den Fernseher anmachen oder mit Mitbewohnern quatschen. Wohnungen sind übrigens häufig am saubersten, wenn eigentlich andere dringende Arbeit ansteht. Wenn Sie also Ihr Zuhause zum Arbeitsplatz erklärt haben, dann ist z.B. Ihr Zimmer für andere tabu, wenn die Tür geschlossen ist. Allen möglichen Ablenkungen widmen Sie sich stattdessen in den Pausen: ein paar Treppen zu steigen, um Post aus dem Briefkasten zu holen, ist eine gute Unterbrechung der Arbeit. Aber Vorsicht - es sollte doch nur eine Pause sein! Nach 5-10 Minuten sitzen Sie wieder am Schreibtisch! 5.3.2 Der Extremfall macht es deutlich: eine 1-Raum-Wohnung mit nur einem Tisch Das Besondere an einer kleinen Wohnung ist ja, dass jeder Quadratzentimeter optimal genutzt wird. Daher ist es meistens gar nicht anders möglich, als nur einen einzigen Tisch hinzustellen, der dann vielen verschiedenen Zwecken dienen muss und daher Schreibtisch, Esstisch, Spieltisch und vieles mehr sein kann. In diesem Fall sollte die Sache, wofür Sie den Tisch gerade brauchen, für Sie selbst und von außen betrachtet eindeutig sichtbar sein. So verändert sich jedes Mal, wenn Sie die Funktion des Tisches ändern müssen, damit auch das gesamte Erscheinungsbild. Zum Essen verschwinden Arbeitsmaterialien und Sie decken den Tisch (ruhig auch mit einer Tischdecke oder einer Kerze, die es sonst nicht gäbe). Zum Arbeiten wird alles abgedeckt, der Tisch abgewischt und alle Arbeitsmaterialien, die Sie benötigen, werden verteilt. Man erkennt: Hier wird gearbeitet. Sie wollen abends am Computer noch ins Internet, surfen, spielen, Musik hören? Dann verschwindet alles, was mit Arbeiten zu tun hat im Regal, etwas zu trinken steht neben der Tastatur und Sie machen es sich richtig bequem. Auch jetzt sehe ich als Außenstehender sofort ganz genau, was hier angesagt ist: Gearbeitet wird hier mit Sicherheit nicht, obwohl Sie am Computer sitzen - Freizeit, Ablenkung, Erholung steht an! <?page no="161"?> 162 Nach der Prüfung 5.3.3 Konkrete Rahmenbedingungen eines optimalen Arbeitsplatzes Neben der eben beschriebenen atmosphärischen Wirkung können Sie einige sehr konkrete Dinge beachten. Tisch und Stuhl Jenseits aller Normen, die es für die Möblierung von Arbeitsplätzen gibt, gilt es, dass Sie einen Tisch haben, an dem Sie genau so arbeiten können, wie Sie es möchten. Wenn Sie sich gern ausbreiten, muss er einfach genug Platz für alle Ihre Arbeitsmaterialien bieten. Vermeiden Sie es, die Sachen im großen Umkreis auf Boden, Bett und Stühlen zu verteilen. Wollen Sie ergonomische Kriterien beachten, dann sollte der Tisch eine Arbeitshöhe wenige Zentimeter unter der Höhe der Ellenbogen haben, sodass Sie die Unterarme entspannt auf den Tisch legen können (empfohlene DIN-Norm: 68-76 cm). Der Stuhl dazu ist höhenverstellbar mit Armlehnen zur Entlastung der Schultern. Beim Sitzen sollten die Füße auf dem Boden stehen und Ober- und Unterschenkel einen Winkel von mindestens 90° haben. Arbeitsmaterialien Jeder entwickelt im Laufe des Studiums einen eigenen Stil: Der eine unterstreicht beim Lesen mit Bleistift und benutzt verschiedene Linien. Ein anderen schwört auf seine vier Marker mit unterschiedlichen Farben, die alle eine andere Bedeutung haben. Lose Blätter für Ordner und Hefter oder ein bereits gebundenes Heft als Journal sind Gewohnheiten, die nicht einfach beliebig verändert werden können. Sorgen Sie dafür, dass Sie, egal wo Sie arbeiten, Ihre persönlichen Materialien immer dabei bzw. auf dem Schreibtisch immer in Griffnähe haben. Wenn etwas fehlt, kostet es nämlich zusätzlich Energie, sich mit der neuen, ungünstigen Situation zu arrangieren. Es ist besser, wenn Sie diese Energie zum Lernen benutzen können. Das Motto lautet: in Ruhe arbeiten, statt sich über fehlende Stifte, Papier, Lineal, Klarsichthüllen, Hefter oder Papierkorb zu ärgern. <?page no="162"?> Lerntechniken: Der Arbeitsplatz 163 Raumtemperatur Es gibt einen Unterschied zwischen einer Wohlfühltemperatur und der notwendigen Wärme zum geistigen Arbeiten: ganze 2-4° unter der gewöhnlichen Raumtemperatur genügen, da auch bei geistiger Tätigkeit der Kreislauf stark angeregt ist und Energie verbraucht. Dagegen ist vor dem Fernseher sitzen oder eine Illustrierte blättern so anspruchslos, dass wir bei dieser niedrigen Temperatur frieren würden und deshalb die Heizung höher drehen dürfen. Licht und Farbe Tageslicht ist immer dem künstlichen Licht vorzuziehen, weil Fenster mit dem Blick nach draußen gleichzeitig einen indirekten Kontakt zur Außenwelt ermöglichen und insgesamt ein behaglicheres Wohnklima schaffen. Mindestens im Winter geht es aber gar nicht ohne zusätzliche Lichtquellen. Das Ziel ist, einen zu großen Kontrast zwischen dem Schreibtisch und der Umgebung zu vermeiden, um das Auge zu entlasten. Das erreichen Sie am besten dadurch, wenn der Raum selbst eine allgemeine Beleuchtung hat, das sogenannte Raumlicht. Und dann sollte es direkt dort, wo Sie arbeiten, noch das Zonenlicht geben. Dies ist eine zusätzliche Arbeitslampe, die entspanntes Lesen ermöglicht. Für den Raum reicht also eine Deckenlampe, die genügend Licht gibt, um sich im Raum zurechtzufinden. Am Schreibtisch selbst ist eine Beleuchtungsstärke von mindestens 50 Watt nötig. Hier soll das Licht aber auf dem PC keine Reflektionen bilden und generell nicht blenden. In der dunkleren Jahreszeit mag eine helle Lampe, die wie ein Spot in einem Polizeiverhör auf Sie am Tisch sitzend gerichtet ist, Ihre Mitbewohner beim Blick durch die Tür zwar beeindrucken, ist für Sie aber ebenso ermüdend wie andererseits eine zu sparsame Beleuchtung. Weil Farben auf das vegetative Nervensystem wirken und damit unseren Allgemeinzustand beeinflussen, kann man hier zum Licht noch einen weiteren Akzent setzen. Blau-grüne Farben wirken stärkend hinsichtlich Konzentration, Einzelarbeit und Wissensaufnahme, während orange-gelbe Farben allgemein die Aktivität fördern und damit Kommunikation oder Kreativität unterstützen. <?page no="163"?> 164 Nach der Prüfung Luft und Gerüche Eine gute Raumatmosphäre hängt noch von einem weiteren Faktor ab: der Qualität der Luft. Schlechte, verbrauchte Luft erzeugt Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen oder Reizungen der Augen und Atemwege. Zugluft ist aber ebenso ungünstig wie die fehlende Belüftung. Wenn die Luftfeuchtigkeit generell zwischen 40 % und 60 % liegt, was durch Blattpflanzen im Arbeitsraum und regelmäßigen Lüften in den Pausen erreicht wird, können Sie durch Düfte das Arbeitsklima zusätzlich fördern: Rosmarin, Basilikum und Pfefferminze bewirken Aufmerksamkeit und Erhöhen die Konzentrationsfähigkeit. Entspannend, und daher für die anschließende Freizeit und den Schlaf geeignet, wirken die ätherischen Öle von Neroli und Jasmin. Lärm und Musik Es ist vielleicht ungerecht, Lärm und Musik in einem Atemzug zu nennen, doch im Zusammenhang mit dem Lernen müssen diese gemeinsam betrachtet werden. Für das Gehirn stellen sie sich lediglich als verschiedene Geräusche dar. Dass ein lautes Geräusch nicht als Lärm, sondern als wohltuende Musik wahrgenommen wird, muss dem Gehirn erst einmal verdeutlicht werden. Grundsätzlich scheint sich das Gehirn an Geräusche gut zu gewöhnen. Wohnt jemand etwa mit direktem Blick auf eine Stadtautobahn, behauptet dieser mit voller Überzeugung, sich „inzwischen daran gewöhnt zu haben und gut zu schlafen“ - unvorstellbar für alle Außenstehenden. Tatsächlich fällt dem Bewohner dagegen die völlige Stille bei einer Vollsperrung der Autobahn sofort auf, sogar als ungewöhnlich und ihn eher irritierend. Da das Gehirn den Geräuschpegel kennt und nicht negativ besetzt hat, stellt das Wegfallen der Geräusche eine Störung dar. Diese Situation ist mit Musik hören oder der enormen Stille ohne Musik vergleichbar: Neuere Forschungsergebnisse belegen inzwischen den Einfluss von Musik auf die Konzentrationsfähigkeit, die ja eine Basisvoraussetzung für das Lernen ist. Ein vertrauter Lärmpegel, wie er etwa durch bekannte und emotional positiv wahrgenommene Musik erzeugt wird, stört die Konzentration nicht. Eigentlich ist die Musik so vertraut, dass schon gar nicht mehr bewusst hingehört wird. Und deshalb <?page no="164"?> Lerntechniken: Der Arbeitsplatz 165 irritiert es vielmehr, wenn sie vollkommen wegfällt, denn das ist ein seltener, ungewöhnlicher Zustand, der die Aufmerksamkeit an sich zieht. Aber auch unbekannte Musik oder ein Radioprogramm mit seinen laufenden Unterbrechungen lenken das Gehirn ab. Hier wird wertvolle Energie, die sonst zum Arbeiten zur Verfügung stünde, für die Verarbeitung der ungewöhnlichen Situation verbraucht. Grundsätzlich erhöht irgendeine unbekannte Musik nur bei uninteressanten Routinearbeiten die Leistung, deshalb putzt sich die Wohnung leichter mit solcher Musik oder mit einem Radioprogramm. Bei Denkleistungen, die unsere volle Konzentration benötigen, darf dagegen nur die eigene, vertraute und gern gehörte Musik laufen, wenn sie auch sonst ständig läuft. Dann stört sie einerseits nicht und bildet dagegen den bekannten Klangteppich, weil eine völlige Stille sogar irritierend wirken kann. Setzen Sie andererseits Musikstücke, mit denen Sie besondere Momente verbinden oder ein beliebiges Radioprogramm gezielt für Pausen, zum Abschalten und Entspannen ein - Sie haben dann eine deutliche Unterbrechung Ihrer Arbeit und werden wieder fit für die nächste Arbeitseinheit. 5.3.4 Den Arbeitsplatz Stück für Stück verändern Haben Sie viele Tipps bekommen, sodass es Einiges zu verändern gibt? Sie brauchen jetzt nicht alles sofort umzusetzen, so als wäre Arbeiten sonst unmöglich. Gehen Sie in mehreren Tagen Stück für Stück vor. Und als Letztes nutzen Sie noch einen fantastischen Lernvorgang unseres Gehirns: Konditionieren Sie sich eindeutig auf bestimmte Lernorte. Nehmen Sie an so einem Arbeitsplatz die innere Haltung „Jetzt lerne ich“ ein. Vergegenwärtigen Sie sich dazu für einen kurzen Moment ein paar Aspekte dieses Ortes: Wie ist meine Körperhaltung, was sehe ich, welche Geräusche und auch welcher Geruch gehören dazu? All dies zusammen vermittelt Ihnen das Gefühl und die innere Haltung „Jetzt lerne ich“. Diese Haltung motiviert Sie und macht Sie aufnahmebereit. Sie können besser denken, kombinieren und den Lernstoff in sich aufnehmen. Und durch das regelmäßige Arbeiten am selben Platz gewöhnen Sie sich <?page no="165"?> 166 Nach der Prüfung an das dortige Arbeitsklima und werden wiederum dadurch angeregt zu arbeiten. In Pausen dagegen, oder wenn Sie für diesen Tag die Arbeit beenden wollen, verlassen Sie unbedingt den Arbeitsplatz. Sie trinken also einen Tee oder Kaffee nicht am Schreibtisch. Besser, Sie machen eine richtige Unterbrechung an einem passenden Ort für eine Pause, z.B. die Küche oder den Balkon. Dafür ist die Küche umgekehrt wiederum zum Lernen tabu. Achtung: Lernen Sie auf keinen Fall im Bett! Auch wenn es schon an verschiedenen Stellen erwähnt wurde: Vermischen Sie nicht die Orte, an denen Sie arbeiten, mit den Freizeit-, Entspannungs- und Schlafplätzen. So, wie Sie an den gemütlicheren Plätzen nicht wirklich in eine optimale Arbeitshaltung kommen, würden Sie, nachdem Sie im Bett auch gearbeitet haben, dort dann nicht wirklich abschalten können. Denn Ihr Gehirn weiß dann nicht mehr genau, was Sie hier nun im Moment konkret von ihm wollen. Dies können Ihre nächsten Schritte sein: [1] Haben Sie einen eindeutigen Arbeitsplatz in Ihrem Zimmer oder vermischen sich bisher etwa die einzelnen Orte in Ihrer Wohnung? [2] Ist am Arbeitsplatz alles vorhanden, was Sie immer zum Arbeiten brauchen? [3] Wohin können Sie in Pausen gehen, damit Sie den Arbeitsplatz wirklich verlassen? <?page no="166"?> Entspannungsübung „Ein wunderbarer Ort“ 167 5.4 Entspannungsübung „Ein wunderbarer Ort“ Im ersten Teil dieses Buches finden Sie eine Beschreibung, wie Entspannung eigentlich wirkt und warum man sie auch gegen Prüfungsangst nutzen kann. Es empfiehlt sich, diese vorab zu lesen und dann erst an dieser Stelle mit der konkreten Übung fortzufahren, weil Sie dann den Zusammenhang und die Anweisungen besser verstehen. 5.4.1 Das Besondere an dieser Übung Unser Gehirn beherrscht eine grundsätzliche Aufgabe sehr gut: Es kann in Gedanken so tun als ob. Die negative Variante kennen Sie bereits in Form Ihrer Prüfungsängste. Denn Sie konnten feststellen, dass die bloße gedankliche Beschäftigung mit einer negativ verlaufenden Prüfung entsprechend unangenehme Gefühle bewirken kann. Natürlich kann man diese Als-ob-Fähigkeit unseres Gehirns auch in positive Richtung nutzen. Das funktioniert beispielsweise mit bekannter Musik, um sich in eine gute Stimmung zu bringen. Ebenso beim Betrachten der Fotos einer mitgemachten Reise oder Feier. Unwillkürlich muss man bei schönen Bildern schmunzeln, einfach nur dadurch, weil das Bild die Erinnerung an den wirklichen Moment weckt. Und dann fühlt es sich fast so an, als würde der Moment für eine kurze Zeit noch einmal Wirklichkeit. Und Sich-erinnern-Können wird bei der Imaginations- Entspannung „Ein wunderbarer Ort“ zur gezielten Entspannung genutzt. Sie brauchen dafür einen Ort, den Sie kennen und mit dem Sie angenehme Momente verbinden. Viele Menschen denken dabei spontan an etwas aus einem Urlaub und als typische Bilder werden ein Strand oder die Berge genannt. Andere denken eher an einen Ort aus ihrer Kindheit. Dann handelt es sich um eine Wiese oder ein Wald, wo man gespielt hat oder wohin man sich gern zurückgezogen hat. Letztendlich sind Ihrer Erinnerung keine Grenzen gesetzt. Der Ort muss nur die Bedingung erfüllen, dass Sie sich dort wohlgefühlt haben und sich deshalb gern daran erinnern mögen. Die Erinnerung sollte möglichst viele der Sinne beteiligen. Auch wenn wir von „inneren Bildern“ sprechen, sind ebenso Geräusche, Geschmack und Geruch und vor allem ein Gefühl gemeint. Legen <?page no="167"?> 168 Nach Sie nun für denken wol 5.4.2 D Stellen Sie s Nehmen Si Grundhaltu hinsetzen. L Füße auf di Sie die Auge ein paar tief ausatmen. Je Stellen Sie Ort. Vor Ih auf. Schaue allein oder s Und welch men? Gibt schmack? V die Erinner Gefühl? der Prüfung r sich fest, an w llen. Die Übung sich innerlich da ie dazu die fü ng ein, indem S Lehnen Sie sich e Erde und leg en oder gucken fe Atemzüge, in etzt können Sie sich vor, Sie w hrem geistigen n Sie sich um, sind andere Me e Geräusche s es auch einen Versuchen Sie rung gut funkti welchen Ort S Abb. Ents arauf ein, dass für viele Entsp Sie sich auf eine dazu mit dem gen Sie die Hän n Sie vor sich a ndem Sie einat e mit der Übung wären jetzt wirk Auge tauchen was alles zu d enschen dabei? sind hier zu hö passenden Ge sich auch dara ioniert: Spüren Sie bei dieser E 19: Grundhalt pannungsübun Sie sich entspan pannungsübung em Stuhl mögli Rücken an, stel nde in den Scho auf den Boden. tmen und langs g beginnen. klich an dem a die dazu gehö diesem Ort geh ören? Natur, M ruch oder soga an zu erinnern n Sie auch ein Entspannung tung für ngen nnen wollen. gen geltende chst bequem llen Sie beide oß. Schließen Nehmen Sie samer wieder ausgesuchten örigen Bilder ört. Sind Sie Musik, Stimar einen Ge- . Und wenn angenehmes <?page no="168"?> Entspannungsübung „Ein wunderbarer Ort“ 169 Geben Sie nun diesem Ort einen Namen. Das kann der tatsächliche Name sein (z.B. Rügen, Fidschi, Grunewald), ein passender Begriff (meine Wiese, Sandstrand, mein Balkon) oder ein allgemeines, zusammenfassendes Wort (z.B. Frühling, Ruhe, Wärme). Bleiben Sie in der Erinnerung ruhig ein paar Minuten dort und genießen es, an einem wunderbaren Ort zu sein. So entspannen Sie insgesamt ca. 5-10 Minuten. Wenn Sie die Entspannungsübung beenden wollen, dann zählen Sie im Stillen bis 10 und öffnen dann wieder die Augen. Strecken Sie sich ruhig und machen sich bewusst, wo Sie wirklich sind. Die Übung hat funktioniert, wenn es Ihnen gelungen ist, sich so zu fühlen, als wenn Sie wirklich für einen Moment dort gewesen sind und daher richtig abgeschaltet haben. Sie müssten sich jetzt angenehm erholt fühlen. 5.4.3 Mögliche Folgen Konnten Sie sich nicht wirklich an den Ort erinnern, sodass Sie in der Fantasie doch nicht dort waren? Vielleicht fällt Ihnen diese Imagination grundsätzlich schwerer als eine Entspannungsübung, bei der Sie etwas Konkreteres machen müssen. Lernen Sie die Übungen der anderen Kapitel noch kennen, um die für sich passende Entspannungsmethode zu finden. Haben Sie keinen wirklich guten schönen Ort gefunden? Es kann sein, dass Sie insgesamt zu wählerisch sind und auf die noch bessere Erinnerung warten. Es muss aber kein wirklich besonderer Ort sein. Nur schön, angenehm und positiv besetzt. Wenn Sie dennoch keinen Ort finden, dann können Sie sich auch einen ausdenken. Überlegen Sie dann, was für Sie ganz allein einen schönen Ort ausmacht. Entscheiden Sie, ob es mit Natur und/ oder mit Menschen verbunden ist. Denken Sie dabei an alle Sinne Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen und kreieren Sie sich so einen angenehmen Ort. Sollten Sie Müdigkeit oder Schmerzen erst während der Entspannung bemerken, so sind diese nicht durch die Übung erzeugt, sondern sie werden zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. <?page no="169"?> 170 Nach der Prüfung 5.4.4 Entspannen - so oft Sie wollen Der gefundene Name kann wie ein Schalter funktionieren, weil Sie genau wissen, welche Erinnerung sich dahinter verbirgt. Durch das Vorhaben „So, jetzt gehe ich wieder auf meine Frühlingswiese“ können blitzschnell alle dazu gehörenden Sinneseindrücke aktiviert werden. Und letztendlich eben auch das angenehme Gefühl, welches ja durch die Entspannungsübung erreicht werden sollte. <?page no="170"?> 6 Literatur Bernstein, Douglas A. & Berkovec, Thomas D.: Entspannungstraining - Handbuch der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen, Stuttgart: Klett-Cotta 2004 (11. Aufl.) Cannon, Walter Bradford: Bodily change in pain, hunger, fear, and rage. New York: Appleton 1929 Ceh, Johann: Entspannen jederzeit! Techniken zur besseren Stressbewältigung, München: mvg-verlag 1995 (2. Aufl.) Culler, Ralph E. & Holahan, Charles J.: Test anxiety and academic performance: The effects of study-related behaviors. Journal of Educational Psychology, 72(1), 16-20, 1980 Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Untersuchungen zur experimentellen Psychologie, Leipzig: Verlag von Duncker & Humber 1885 Ellis, Albert: Grundlagen und Methoden der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie, Stuttgart: Klett-Cotta 2008 (2. Aufl.) Fehm, Lydia & Fydrich, Thomas: Prüfungsangst, Göttingen: Hogrefe Verlag 2011 Hüholdt, Jürgen: Wunderland des Lernens, Bochum: Verlag für Didaktik 1995 (5. neubearb. Aufl.) Hülshoff, Friedhelm & Kaldewey, Rüdiger: Mit Erfolg studieren, München: Beck 1993 (3. neubearb. Auflage) Kempf, Hans-Dieter: Die Sitzschule, Reinbek: Rowolth 1994 Kleinschroth, Robert: Sprachen lernen, Reinbek: Rowolth 1992 Mayer, Arthur & Herwig, Bernhard (Hrsg.): Handbuch der Psychologie, Band 9: Betriebspsychologie, Göttingen: Hogrefe 1961 Morgan, Clifford Thomas, Deese, James & Deese, Ellin K.: How to study, New York: McGraw Hill 1979 (3. Auflage) Peurifoy, Reneau Z.: Angst, Panik und Phobien, Bern: Verlag Hans Huber 1993 <?page no="171"?> 172 Literatur Ramirez, Gerardo & Beilock, Sian L.: Writing About Testing Worries Boosts Exam Performance in the Classroom. Science 14, Januar 2011, Vol. 331 no. 6014 pp. 211-213 Reysen-Kostudis, Brigitte: Leichter lernen, München: mvg- Verlag 2007 Sarason, Irwin G.: Anxiety, self-preoccupation and attention. Anxiety Research, I, 3-7, 1988 Schraeder-Naef, Regula: Lerntraining für Erwachsene, Weinheim: Beltz-Verlag 1999 (4. überarb. und erw. Auflage) Schwartz, Dieter: Nicht gleich den Kopf verlieren, Freiburg i.B.: Herder Verlag 1991 Vaitl, Dieter & Petermann, Franz (Hrsg.): Handbuch der Entspannungsverfahren, Band 1: Grundlagen und Methoden, Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union 2000 (2. Aufl.) Wine, Jeri D.: Cognitive-attributional theory of test-anxiety. In I.G. Sarason (Ed.), Test Anxiety Theory, research and applications (pp. 349-385). Hillsdale, NJ: Erlbaum 1980. <?page no="172"?> 7 Übe Holger Wal die Psychol an. Neben führt er vo Redeängsten ken. Er arb Praxis. Wenn Sie K gern per Eholger.w er den Auto lther ist Dipl.-P logische Beratu der Beratung or allem auch n durch und h beitet außerdem Kontakt zu ihm Mail tun: walther@uvk-lu or Psychologe und ung der Humb g von Studiere Kurse zum A hält Vorträge zu m als Psychot m aufnehmen ucius.de d bietet seit üb boldt-Universit nden in Einze Abbau von Prü u Lern- und A therapeut in ei möchten, könn er 20 Jahren ät zu Berlin elgesprächen üfungs- und rbeitstechniiner eigenen nen Sie dies <?page no="173"?> Anhang Mo Di Mi Do Fr Sa So 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Abb. 12: Wochenplan Um einen eigenen Wochenplan zu erstellen, können Sie diese Seite kopieren. <?page no="174"?> Index A-B-C-Modell 33, 38 Angst Sinn und Zweck 20 Arbeitsmaterial 162 Arbeitsplatz 159 Argumentation emotionale 43 Atem-Zähl-Übung 89 Atmung 28 Aufmerksamkeit 26 Autogenes Training 49 Autoritäten 42 belief system 38 Belohnung 107 Bett lernen im 166 Bibliothek 160 Blackout 119 Ein-Ruhe-Atmung 146 Einschlafübung 51 Entspannung 47, 89, 109, 146, 167 Imagination 167 Erfolgserlebnis 108 Farbe 163 Fight 25 Flight 25 Fragebogen 52 Fright 25 Furcht 25 Gedächtnis Kurzzeit 129 Langzeit 130 Ultrakurzzeit 129 Gedächtnisstützen 144 Gedanken negative 40, 71, 102, 123, 156 positive 33 Gedankenlesen 42 Gehirn 44 Gerüche 164 Herz-Kreislaufsystem 27 Hormone 26 Kurzzeitgedächtnis 128 Lampenfieber 20 Langzeitgedächtnis 127 Lärm 164 Leistungsangst 17 Leistungsfähigkeit 82 eigene 17 Leistungstief 86 Lernbiologie 127 Lernhilfen 133 Lernkartei 141 Lerntechnik(en) 46, 74, 127, 159 Licht 163 Locitechnik 144 Luft 164 Mnemotechniken 143 Motivation 105 Musik 164 Muskelentspannung Kurzform Progressive 109 Nervensystem 48, 163 Netzbautechnik 136 Pausen 83, 84, 85, 87, 138, 161, 164, 166 <?page no="175"?> 176 Index Prüfung die Wochen davor 67 in der 117 kurz vor der 97 nach der 151 Prüfungsangst 16 Gruppen gegen 16 meine Ziele 19 Triadisches Modell gegen 33 zu verschiedenen Zeiten 31 Prüfungsangst-Check 52 Rational-Emotiven-Therapie 33 Raumtemperatur 163 Schlaf 86 Schutzmechanismus 20 Schweißdrüsen 28 Selbstreflexion 20 Selbstverbalisation 68, 99, 121, 153 Semesterplan 77 Sinneskanäle 135 Soll/ Muss-Denken 41 Sport 49 Studienplan 76 Stuhl 162 Tagesplan 81 Tagesrhythmus 86 Tisch 162 Übertreibung 41 Umformulierung 45, 46, 71, 102, 124, 157 Untertreibung 41 Verallgemeinerungen unzulässige 41 Verantwortung 42 Verdauung 29 Wahrsagerei 42 Wiederholungslernen 139 Wochenplan 77 Yoga 49 Ziel 107 kurz-, mittel-, langfristig 108 Zielintention verbindliche 105